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A3
JSA
\
/
ABHANDLUNGEN
DER ^' 11^7
KOIVIGLICHEIV «ESELLSCUAFT DER WISSENSCHAFTEIV
zu GÖTTINGEN.
SECHSÜKDZWANZIGSTER BAJTO
VOM JAHRE 1880.'
GÖTTINGEN,
IN DER DIETEBICH8CHBN BUCHHANDLUNG.
1880.
DrMk d«r Dietarichiclieii UniT.-Bvc]idr«ok«i«l.
W. Pr. K48tnor.
Inhalt.
Vorrede.
Verzeichniss der Mitglieder der K. Gesellschaft der Wissenschaften.
Mathematische Classe.
M. Stenij Beiträge zur Theorie der BernouUischen und Eulerschen Zahlen.
A. Enneper^ Untersuchungen über die Flächen mit planen und sphäri-
schen Krümmungslinien.
Uis torisch-philologische Classe.
jP. Wüstenfeld^ das Heerwesen der Muhamedaner, nach dem Arabischen.
Th. Benfey^ die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitd- und Pada-
Texten der Veden. 5te Abhandlung.
Derselbe^ zweite Abtheilung dieser Abhandlung.
■
F. Wüstenfeld^ die Arabische Uebersetzung der Taktik des Aelianus.
Derselbe, Geschichte der Fatimiden-Chalifen.
P. de Lagarde^ Erklärung hebräischer Wörter.
Derselbe^ über den Hebräer Ephraims von Edessa.
C Klein ^ zur Erinnerung an Karl von Seebach.
a
Vorrede.
Der vorliegende Band XXVI enthält die im Jahre 1880 in
den Sitzungen der K. Gesellschaft der Wissenschaften vorgelegten
Abhandlungen. Kleinere Mittheilungen sind in dem Jahrgang
1880 der „Nachrichten von der K. Gesellschaft der Wiss. und
der G.-A.-TJniversität" veröffentlicht. Ueberhaupt wurden in die-
sem Jahre die folgenden Arbeiten vorgetragen oder vorgelegt:
Am 1 0. Januar. Klein^ über den Boracit. Nachr. S. 93.
Wüstenfeld ^ die Arabische Uebersetzung der Taktik des
Aelianus. Bd. XXVI.
Benfey^ die Quanti täte Verschiedenheiten in den Samhitd-
und Pada- Texten der Veden* 5teAbh. IsteAbth. XXVI.
Derselbe^ über einige indogermanische — insbesondere
lateinische und griechische Zahlwörter. S. 1. Zusatz S. 88.
Wieseler^ Bemerkungen zu einigen Thracischen und Moe-
sischen Münzen. 21.
Trieber^ die Chronologie des Julius Africanus. (Vorgelegt
von Sauppe.) 49.
Am 7. Februar. Wüstenfeld^ die Namen der Schiffe im Arabischen. 133.
Paulis über Heinrich den Löwen und Wilhelm den Löwen
von Schottland. 143.
FtLchs^ auswärt. Mitgl., über eine Klasse von Functionen
mehrerer Variabein, welche durch Umkehrung der Inte-
«
grale von Lösungen der linearen Differentialgleichungen
mit rationalen Coefficienten entstehen. 170.
Cantor^ Corresp. , Zur Theorie der zahlentheoretischen
Functionen. 161.
VI VORREDE.
t;. Brunn^ zur Kenntniss der physiologischen Rückbildung
der Eierstockseier bei Säugethieren. (Vorgel. v. Henle.) 155.
Bezzenberger^ die verwandtschaftliche Gruppirung der alt-
germanischen Dialecte. (Vorgel. von Benfey.) 152.
Berthold^ Mittheilung der Untersuchungen über die Fort-
pflanzung einer AIgen<-6attung. (Vorgel. v. Graf Solms.) 1 57.
Am 6. März. Benfey^ die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitä-
und Päd a- Texten der Veden. 5te Abh. 2te Abth. XXV I.
Derselbe^ Vam, im Rigveda X. 7. S. 193.
Derselbe^ Ergänzung zu dem Aufsatz *D statt N' in den
Nachrichten 1877. 57 3. S. 299.
deLagarde^ über den Hebräer Ephraims von Edessa. XXVI.
Königsberger ^ Corresp. , über die Erweiterung des Abel-
schen Theorems auf Integrale beliebiger Differentialglei-
chungen. 288.
Krankenhagen, zur Theorie der partiellen linearen Diffe-
rential-Gleichungen. 197. (Vorgel. von Schering.)
Langy über die Bedingungen der Geysir. 225. (Vorgel.
von Wöhler.)
74 Originalbriefe von Gauss an Bessel. Geschenk der K.
Akademie der Wiss. in Berlin.
Am 1. Mai. Klein^ zur Erinnerung an C. v. Seebach. XXVI.
Stern ^ Beiträge zur Theorie der BernouUischen u. Euler-
schen Zahlen. XXVI.
Paulis über ein Rechnungsbuch zur zweiten Kreuzfahrt
des Grafen Heinrich von Derby, nachmaligen Königs
Heinrichs IV. von England, aus den Jahren 1392/93. S.329.
de Lagarde^ Erklärung hebräischer Wörter. XXVI.
von MueUer^ Corresp , Notizen über einige Australische
flüchtige Gele. 34 0.
Schering^ Geschenk für die Gauss - Bibliothek von Bon-
compagni. 342.
Holtz^ Corresp., zur Analyse elektrischer Entladungen. 345.
k
b
VORREDE. Vn
Am 5. Juni. Boüensen^ die Recensionen der Sakuntala. (Vorgel. von
Benfey.) 365.
Erman^ Bruchstücke der ober - ägyptischen Uebersetzung
des alten Testaments. (Vorgel. von de Lagarde.) 401.
Schubert^ über dreipunktige Berührung von Curven. (Vor-
gel, von Stern.) 369.
Hettner, über diejenigen algebraischen Gleichungen zwi-
schen zwei veränderlichen Grössen, welche eine Schaar
rationaler eindeutig umkehrbarer Transformationen in sich
selbst zulassen. (Vorgel. von Schwarz.) 386.
Schering^ Photographien von Briefen der Sophie Germain
an Gauss. (Geschenk von Boncompagni.) 367.
Am 3. Juli. Wähler j Voltai'sches Element aus Aluminium. 441.
Wüstenfeld ^ Geschichte der Fatimiden Chalifen. 443.
Fuchs j ausw. Mitgl., über die Functionen, welche durch
Umkehrung der Integrale von Lösungen der linearen Dif-
ferentialgleichungen entstehen. 445.
Enneper, über die Flächen mit planen und sphärischen
Krümmungslinien. IL Abh. XXVL
Königsherger , Corresp. , über algebraisch - logarithmische
Integrale nicht homogener linearer Differentialgleichun-
gen. 553.
K. Schering^ über eine neue Anordnung der Magnete ei-
nes Galvanometers. (Vorgel. von E. Schering.) 455.
Lang^ über Flussspath im Granit von Drammen. 477.
Am 7. August. Wüstenfeld^ Geschichte der Fatimiden -Chalifen. ^te Abth.
XXVIL
Benfeg ^ die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitä*
und Pada- Texten der Veden. 6te und letzte Abhandl. :
Unzusammengesetzte Wörter oder einfache Theile von
Zusammensetzungen, welche im Anlaut oder Inhalt a, i, u
in der Samhitd lang, im Pada kurz zeigen. Erste Abth.
XXVL
Vm VORREDE.
Derselbe, Behandlung des auslautenden ä in nä 'wie' und
nä 'nicht' im Rigveda, mit einigen Bemerkungen über
die Umwandlung der ursprünglichen Aussprache und Ac-
centuirung der Wörter im Veda. XXVI.
Schering, über literar. Geschenke, welche die K. Societät
erhalten hat. 489.
Himstedt, Einige Versuche über Induction in körperlichen
Leitern. 491.
Am 6. Novemb. ÄZ^in, über eine Vermehrung der Meteoriten - Sammlung
der Universität. 565.
Wüstenfeld, Geschichte der Fatimiden-Chalifen. XXVI.
PavM, die Chroniken des Radulfus niger. 569.
Lipschitz, Corresp., Mittheilung bei Gelegenheit der Her-
aufigabe seines Lehrbuchs der Analysis. 589.
Holtz, Corresp., Elektrische Schattenbilder. 545.
Haupt, über einen Dialekt der sumerischen Sprache. (Vor-
gel, von de Lagarde.) 513.
Förster, Corresp., schenkt der K. Gesellschaft Briefe von
Gauss an Encke.
Am 4. Decbr. Oeffentliche Sitzung«
P. de Lagarde , zum ersten Briefe des Clemens. XXVII.
Jahresbericht des Secretärs.
Die für den November d. J. von der historisch-philologischen
Classe gestellte historische Preisfrage hat einen Bearbeiter nicht
gefunden. Sie wird nicht von Neuem aufgegeben.
Für die nächsten drei Jahre werden von der K. Societät
folgende Preisfragen gestellt:
Für den November 1881 von der physikalischen Classe:
Die K. Societät verlangt eine auf neue Untersuchungen gestünde Darstellung
derjenigen EntwicJclungsvorgänge^ durch welche die Gestaltung des ausgebildeten
Echinodermenleibes herbeigeführt wird. Es soll darin y in Änschluss an die ge-
sicherten Kenntnisse von der Embryonenentwicklung der Echinodermen, besonders
VORREDE. IX
gezeigt werden^ in welcher Weise das Thier aus der Larvenform bis zur vöüigen
Anlage sänmUlicher Organsysteme erwächst. Dabei bleibt es der Untersuchung
überlassen^ ob an einer characteristischen Art der Entwicklungsgang in allen
Eineeinheiten erforscht unrd, oder ob durch die Feststellung der Entwicklung
verschiedener Formen ein für den ganzen Kreis geltendes Verhalten dargelegt
wird; in letzterem Falle müsste aber die Untersuchung soweit eindringen^ dass
die hauptsächlichsten Uebereinstimmungen und Abweichungen in der Ausbildung
der Organsysteme bei den verschiedenen Echinodermenformen von ihrem frühsten
Auftreten an gekennzeichnet werden.
Für den November 1882 von der mathematischen
Classe (wiederholt):
Während in der heutigen Undulationstheorie des Lichtes neben der Voraus-
setzung transversaler Oscülationen der Aethertheilchen das mechanische Prindp
der Coäxistenz kleiner Bewegungen zur Erklärung der Polarisations- und der
Interferenz-Erscheinungen genügt, reichen diese Unterlagen nicht mehr ou^, wenn
es sich um die Natur des unpolarisirteH oder natürlichen Lichtes, oder aber um
den Conflict zwischen WeUenzügen handelt, welche nicht aus derselben Lichtquelle
stammen. Man hat dem Mangel durch die Voraussetzung einer sogenannten
grossen Periode von innerhalb gewisser Grenzen regelloser Dauer abzuhelfen ge-
sucht^ ohne nähere erfdhrungsmässige Begründung dieser Hülfsvorstellu/ng. Die
K. Societät wünscht die Ausstellung neuer auf die Natur des unpolarisirten
Lichtstrahls gerichteter Untersuchungen, welche geeignet seien, die auf natür-
liches Licht von beliebiger Abkunft bezüglicJien Vorstellungen hinsichtlich ihrer
Bestimmtheit denen nahe zu bringen, welche die Theorie mit den verschiedenen
Arten polarisirten Lichtes verbindet.
Für den November 1883 von der historisch -philologi-
schen Classe:
Die Aramäer habeti im Laufe der Zeiten ihre Grenzen mehrfach verlegen
müssen: sie sind durch Erobrer semitischer und nicht -semitischer Herkunft in
nicht wenigen Gegenden um ihre Nationalität gebracht worden.
Die K. Gesellschaft der Wissenschaften wünscht eine vollständige Uebersicht
über die Veränderungen, welche das aramäische Gebiet in Hinsicht auf seinen
Umfang nach aussen und innen erlitten hat.
Eine Zusammenstellung der Gründe^ welclie in Betreff gewisser Landstriche
anzunehmen zwingen oder rathen, dass dieselben von einer ursprünglich aramäi-
schen Bevölkerung bewohnt sind, wird sich nicht ohne Rücksicht auf die ver-
l)
X VORREDE.
gleichende Grammatik der semitischen Sprachen und nicht ohne Eingehn auf die
Ortsnamen des zu behandelnden Districts geben lassen: die K. Gesellschaft der
Wissenschaften erwartet, dass diese beiden Gesichtspunkte die leitenden der Un--
ter suchung sein werden: sie unirde es für ausserordentlich nütelich erachten^
wenn eine vollständige Liste aller aramäischen Ortsnamen als Anhang eu der
verlangten Abhandlung vorgelegt würde.
Die Concurrenzschriften müssen, mit einem Motto versehen,
vor Ablauf des Septembers des bestimmten Jahres an die K.
Gesellschaft der Wissenschaften portofrei eingesandt werden, be-
gleitet von einem versiegelten Zettel, welcher den Namen und
Wohnort des Verfassers enthält und auswendig mit dem Motto
der Schrift versehen ist. ^
Der für jede dieser Aufgaben ausgesetzte Preis beträgt min-
destens fünfzig Ducaten.
Die Preisaufgaben der Wedek indischen Preisstiftung für
deutsche Geschichte für den Verwaltungszeitraum vom 14. März
1876 bis zum 14. März 1886 finden sich in den „Nachrichten"
1879 S. 225 veröffentlicht.
Das Directorium der Societät ist zu Michaelis d. J. von Herrn
Wüsten feld in der historisch - philologischen Classe auf Herrn
Henle in der physikalischen Classe übergegangen.
Durch den Tod verlor die K. Societät in diesem Jahre wie-
der zwei ihrer ordentlichen Mitglieder, den Director des geolo-
gisch-paläontologischen Museums, K. vo7i Seebach y und den
Geographen Professor /. E. Wappäm. Ersterer starb im 41.,
letzterer im 68. Lebensjahre.
Von ihren auswärtigen Mitgliedern und Correspondenten
verlor sie durch den Tod:
W. Sharpepy Professor der Anatomie in London, im 76. J.
VORREDE. XI
C. A. F. Peters y Director der Sternwarte in Kiel, im 74. J.
W. Hallows Miller^ Professor der Mineralogie in Cambridge,
im 79. J.
C. W. Borchardty Mitglied der Königlichen Akademie der
Wissenschaften in Berlin, im 64. Jahre.
W. Ph. Schimpery Professor der Naturgeschichte in Strass-
bürg, im 74. J.
W. Nitzschy Professor der Geschichte in Berlin, im 61. J.
Von der K. Societat neu erwählt wurden:
Zum hiesigen ordentlichen Mitglieder
Hr. Hermann Wagner.
Zum Ehrenmitglieder
Hr. Baldassare Bonconvpagni in Eom.
Zu auswärtigen Mitgliedern:
Hr. August Kekvle in Bonn, ) .,, ^
„ T ' ' n • Ti \ seither Correspondenten.
Hr. LMigi Cremona m Rom, ) ^
Hr. Werner Siemens in Berlin.
Zu Correspondenten:
Hr. Gerhard vom Math in Bonn.
Hr. Friedrich Beilstein in St. Petersburg.
Hr. Friedrich Merkel in Rostock.
Hr. Wilhelm His in Leipzig.
Hr. TJlisse Dini in Pisa.
Hr. Eduard Winkeknann in Heidelberg.
Göttingen, im November 1880.
Wohler.
b2
Verzeichniss der Mitglieder
der
KönigL Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen.
Januar 1881.
Ehren -Mitglied er.
Peter Merian in Basel, seit 1862.
Adolf von Warnstedt in Göttingen, seit 1867.
Johann Jacob Baeyer in Berlin, seit 1867.
Freiherr F. H. A. von Wangen he im auf Waake, seit 1868.
Graf Sergei Stroganoff in St Petersburg, seit 1870.
Ignatz von Döllinger in München, seit 1872.
Michele Amari in Born, seit 1872.
Joachim Barrande in Prag, seit 1873.
Ginseppe Fiorelli in Neapel, seit 1873.
Nicolai von Eokscharow in St Petersburg, seit 1879. (Corresp. seit 1859.)
Adolf Erik Nordenskiöld in Stockholm, seit 1879. (Corresp. seit 1871.)
Principe Baldassare Boncompagni in Som, seit 1880.
Ordentliche Mitglieder.
Physikalische Classe.
F. Wohl er, seit 1837. Beständiger Secretär seit 1860.
F. G. J. Henle, seit 1853.
G. Meissner, seit 1861.
E. Ehlers, seit 1874.
H. Httbner, seit 1876. (Assessor seit 1871.)
W. Henneberg, seit 1877. (Assessor seit 1867.)
C. Klein, seit 1877.
H. Graf zu Solms-Laubach, seit 1879.
Mathematische Classe.
W. E. Weber, seit 1831.
J. B. Listing, seit 1861.
M. Stern, seit 1862.
E. Schering, seit 1862. (Assessor seit 1860.)
H. A. Schwarz, seit 1875. (Corresp. seit 1869.)
E. Kiecke, seit 1879. (Assessor seit 1872.)
VERZ. D. MITGLIEDER D. K. GESELLSCHAFT D. WISSENSCHAFTEN. XHI
Historisch - philologische Classe.
H. F. Wttstenfeldy seit 1856. (Assessor seit 1841.)
H. Saappe, seit 1857.
Tb. Benfey, seit 1864.
P. Wieseler, seit 1868.
G. Haussen, seit 1869.
G. B. Pauli, seit 1875.
P. de Lagarde, seit 1876.
J. Weizsäcker, seit 1879.
H. Wagner, seit 1880.
Assessoren.
Physikalische Classe.
E. F. G. Herbst, seit 1835.
C. Boedeker, seit 1857.
W. Krause, seit 1865.
W. Marmä, seit 1871.
Mathematische Classe.
E. F. W. Klinker fues, seit 1855.
A. Enneper, seit 1865.
Historisch - philologische Classe.
A. Fick, seit 1869.
Auswärtige Mitglieder.
Physikalische Classe.
Jean Baptiste Dumas in Paris, seit 1851. (Correspondent seit 1849.)
Bobert Bunsen in Heidelberg, seit 1855.
Bichard Owen in London, seit 1859.
August Wilh. Hof mann in Berlin, seit 1860.
H. Milne Edwards in Paris, seit 1861.
Hermann Kopp in Heidelberg, seit 1863. (Corresp. seit 1855.)
Carl Theodor von Siebold in Mttnchen, seit 1864. (Corresp. seit 1850.)
Michel Eugöne Chevreul in Paris, seit 1865.
Joseph Dalton Hook er zu Kew bei London, seit 1865.
Theod. Ludw. Wilh. Bischoff in München, seit 1866. (Corresp. seit 1853.)
XIV VERZEICHNISS DER MITGLIEDER
Hermann Helmholtz in Berlin, seit 1868. (Corresp. seit 1856.)
Henri Sainte Ciaire Deville in Paris, seit 1869. (Corresp. seit 1856.)
Franz von Eobell in München» seit 1870. (Corresp. seit 1861.)
Ernst Heinrieh Carl von Deehen in Bonn,^ seit 1871.
Carl Claus in Wien, seit 1873. (Zuvor hies. ordentl. Mitgl. seit 1871.)
Eduard Frankland in London, seit 1873.
Max von Fetten kofer in Mttnchen, seit 1874.
Alex. William Williamson in London, seit 1874.
James Dwight Dana in Newhaven, seit 1874.
Joh. Jap. Sm. Steenstrup in Kopenhagen, seit 1876. (Corr.'seit 1860.)
Gabriel August Daubr6e in Paris, seit 1876.
A. L. Descloizeaux in Paris, seit 1877. (Corr. seit 1868.)
Carl von Nägeli in München, seit 1877.
Theodor Schwann in Lüttich, seit 1878. (Corr. seit 1853.)
August EekuU in Bonn, seit 1880. (Corr. seit 1869.)
Mathematische CIebsc.
George Biddel Airy in Greenwich, seit 1851.
Joseph Liouville in Paris, seit 1856.
E. Kummer in Berlin, seit 1856. (Corresp. seit 1851.)
Franz E. Neumann in Königsberg, seit 1856.
Edward Sabine in London, seit 1862. (Corresp. seit 1823.)
Bichard Dedekind in Braunschweig, seit 1862. (Corresp. seit 1859.)
Gustav Robert Kirch hoff in Berlin, seit 1862.
William Thomson in Glasgow, seit 1864. (Corresp. seit 1859.)
Ferdinand Reich in Freiberg, seit 1864.
Carl Weierstrass in Berlin, seit 1865. (Corresp. seit 1856.)
Enrico Betti in Pisa, seit 1865.
Leopold Kronecker in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1861.)
Carl Neumann in Leipzig, seit 1868. (Corresp. seit 1864.)
Francesco Brioschi in Rom, seit 1870. (Corresp. seit 1869.)
Arthur Cayley in Cambridge, seit 1871. (Corresp. seit 1864.)
Charles Hermite in Paris, seit 1874. (Corresp. seit 1861.)
Ludwig Fuchs in Heidelberg, seit 1875. (Zuvor hies. ord. Mitgl. seit 1874.
Rudolph Jul. Emmanu. Claus ins in Bonn, seit 1877. (Corresp. seit 1866.)
John Couch Adams in Cambridge, seit 1877. (Corresp. seit 1851.)
Heinrich Eduard Heine in Halle, seit 1878. (Corresp. seit 1865.)
DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XV
Friedrich Eohlransch in Wttrzburg, seit 1879. (Assessor seit 1867.)
Joseph Anton Plateau in Gent, seit 1879. (Corresp. seit 1876.)
Lnigi Cremona in Rom, seit 1880. (Corresp. seit 1869.)
Werner Siemens in Berlin, seit 1880.
Historisch -plulologisclie Classe.
Leopold von Ranke in Berlin, seit 1851.
Jostus Olshausen in Berlin, seit 1853.
Samuel Birch in London, seit 1864.
Theodor Mommsen in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1857.)
Richard Lepsius in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1860.)
Ernst Cartius in Berlin, seit 1868. (Zuvor hies. ordentl. Mitglied seit 1856.)
George Bauer oft in Washington, seit 1868.
Franz Miklosich in Wien, seit 1868.
Ludolph Step ha ni in St. Petersburg, seit 1869.
Wilhekn von Giesebrecht in München, seit 1871. (Corresp. seit 1863.)
Carl Hegel in Erlangen, seit 1871. (Corresp. seit 1857.)
Heinrich von Sybel in Berlin, seit 1871. (Corresp. seit 1863.)
Johann Nicolaus Madvig in Kopenhagen, seit 1871.
Rudolph von Roth in Tübingen, seit 1872. (Corresp. seit 1853.)
August Dillmann in Berlin, seit 1872. (Corresp. seit 1857.)
Sir Henry Rawlinson in London, seit 1872.
Alfred Ritter von Arneth in Wien, seit 1874. (Corresp. seit 1870.)
Max Duncker in Berlin, seit 1874.
Heinrich Lebrecht Fleischer in Leipzig, seit 1875.
Georg Waitz in Berlin, seit 1876. (Zuvor hies. ord. Mitgl. seit 1849.)
Theodor Bergk in Bonn, seit 1876. (Corresp. seit 1860.)
August Friedrich Pott in Halle, seit 1876.
Charles Newton in London, seit 1877.
Heinrich Brugsch in Graz, seit 1878. (Zuvor hies. ord. Mitgl. seit 1869.)
Heinrich Ludolf Ahrens in Hannover, seit 1879. (Corresp. seit 1861.)
Correspondenten.
Physikalische Classe.
Hermann Stannins in Rostock, seit 1850.
Wilhelm Duncker in Marburg, seit 1853.
L. Zeuschner in Warschau, seit 1857.
XVI VERZEICHNISS DER MITGLIEDER
Johannes Hyrtl in Wien, seit 1859.
Rudolph Leuckart in Leipzig, seit 1859.
F. H. Bidder in Dorpat, seit 1860.
Carl Schmidt in Dorpat, seit 1860.
F. C. Donders in Utrecht, seit 1860.
Bernhard S tader in Bern, seit 1860.
Heinrich Limpricht in Greifswald, seit 1860. (Assessor seit 1857.)
Ernst Brücke in Wien, seit 1861.
Emil du Bois Reymond in Berlin, seit 1861.
Carl Ludwig in Leipzig, seit 1861.
Archangelo Scacchi in Neapel, seit 1861.
Quintino Sella in Rom, seit 1861.
Thomas H. Huxley in London, seit 1862.
Albert Kölliker in Würzburg, seit 1862.
Ferdinand Römer in Breslau, seit 1862.
Charles Upham Shepard in Amherst, V. St, seit 1862.
Alexander Ecker in Freiburg, seit 1863.
Alvaro Reynoso in Havanna, seit 1865.
Ferdinand von Mttller in Melbourne, seit 1867.
Anton Geuther in Jena, seit 1867.
Asa Gray in Cambridge, V. St., seit 1868.
Jean Charles Marignac in Genf, seit 1868.
Alex Theodor von Middendorff auf Hellenorm bei Dorpat, seit 1868.
Adolph Wurtz in Paris, seit 1868.
Robert Mall et in London, seit 1869.
Carl Friedrich Rammeisberg in Berlin, seit 1870.
Anton de Bary in Strassbnrg, seit 1872.
Eduard Pflttger in Bonn, seit 1872.
J. S. Stas in Brüssel, seit 1873.
Henry Enfield Roscoe in Manchester, seit 1874.
Johann Strüver in Rom, seit 1874.
Ferdinand von Hochstetter in Wien, seit 1875.
Ferdinand von Richthofe n in Berlin, seit 1875.
Wyville Thomson in Edinburgh, seit 1875.
Ignacio Domeyko in Santjago de Chile, seit 1876.
Lawrence Smith in Louisville, V. St., seit 1877.
Edmond Boissier in Genf, seit 1877.
Wilhelm Waldeyer in Strassbnrg, seit 1877.
DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XVII
Ernst Heinrich Beyrich in Berlin , seit 1878.
Joseph von Lenhossek in Pest, seit 1878.
Alexander Agassi z in Cambridge, Ver. St., seit 1879.
Adolf Baeyer in München, seit 1879. .
Carl von Voit in München, seit 1879.
Gerhard vom Rath in Bonn, seit 1880.
Friedrich Beil stein in St. Petersbnrg, seit 1880.
Friedrich Merkel in Rostock, seit 1880.
Wilhelm His in Leipzig, seit 1880.
Mathematische Classe.
Hnmphrey Lloyd in Dublin, seit 1843.
Thomas C lausen in Dorpat, seit 1854.
Ludwig Seidel in München, seit 1854.
Georg Rosenhain in Königsberg, seit 1856.
Peter Riess in Berlin, seit 1856.
John Tyndall in London, seit 1859.
Julius Schmidt in Athen, seit 1862.
Wilhelm Gottlieb Hankel in Leipzigs seit 1864.
Philipp Gustav Jolly in München, seit 1864.
Carl Hermann Knoblauch in Halle, seit 1864.
Georg Gabriel Stokes in Cambridge, seit 1864.
James Joseph Sylvester in Baltimore, seit 1864.
Erik E dl und in Stockholm, seit 1866.
Georg Quincke in Heidelberg, seit 1866.
Charles Briot in Paris, seit 1867.
Benj. Apthorp Gould in Cambridge, Y. St., seit 1867.
Rudolph Lipschitz in Bonn, seit 1867.
Benjamin Peirce in Cambridge, V. St., seit 1867.
Siegfried Aronhold in Berlin, seit 1869.
E. B. Christof fei in Strassburg, seit 1869.
Wilh. Theod. Bernhard Holtz in Greifswald, seit 1869.
Georg Salmon in Dublin, seit 1869.
Paul Gordan in Erlangen, seit 1870.
Ludwig Schlaefli in Bern, seit 1871.
Arthur Auwers in Berlin, seit 1871.
^elix Klein in München, seit 1872.
XVIII VERZEICHNISS DER MITGLIEDER
Sophns Lie in ChristiaDia, seit 1872.
Adolph Mayer in Leipzig, seit 1872.
Carl Anton Bjerknes in Christiania, seit 1873.
J. Thomae in Jena, seit 1873.
Leo Königsberger in Wien, seit 1874.
Wilhelm Förster in Berlin, seit 1874
Bernhard Minnigerode in Greifswald, seit 1874.
Eugenio Beltrami in Pavia, seit 1875.
August Kundt in Strassburg, seit 1875.
Carl Malmsten in Mariestad, Schwed. seit 1875.
Heinrich Weber in Königsberg, seit 1875.
William Hu ggins in London, seit 1876.
Joseph Norman Lockyer in London, seit 1876.
Theodor Reye in Strassburg, seit 1877.
Pierre Ossian Bonnet in Paris, seit 1877.
Franz Carl Joseph Mertens in Krakau, seit 1878.
Feiice Casorati in Pavia, seit 1877.
(rösta Mittag-Leffler in Helsingfors, seit 1878.
Georg Cantor in Halle, seit 1878.
W. Hittorf in Mttnster, seit 1879.
Hugo Gyld6n in Stockholm, seit 1879.
Ulisse Dini in Pisa, seit 1880.
Historiscil - philologische Classe.
Adolph Friedr. Heinr. Schaumann in Hannover, seit 1853.
Job. Gust. Droysen in Berlin, seit 1857.
Wilh. Henzen in Rom, seit 1857.
G. C. F. Lisch in Schwerin, seit 1857.
A. B. Ran gab 6 in Berlin, seit 1857.
B. von Dorn in St. Petersburg, seit 1859.
L. P. Gachard in Brüssel, seit 1859.
Johann Gildemeister in Bonn, seit 1859.
Cari Bötticher in Berlin, seit 1860.
Georg Curtius in Leipzig, seit 1860.
Giovanni Battista de Rossi in Rom, seit 1860.
Leonhard Spengel in München, seit 1860.
Max Müller in Oxford, seit 1861.
Arnold Schäfer in Bonn, seit 1861.
DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XIX
Friedr. Ferdin. Carlson in Stockholm, seit 1863.
Ludwig Lange in Leipzig, seit 1863.
Theodor Nöldeke in Strassbarg, seit 1864. (Assessor seit 1860.)
Hennann Bonitz in Berlin, seit 1865.
Jacob Burekhard in Basel, seit 1865.
Adolph Eirchhoff in Berlin, seit 1865.
Leo Meyer in Dorpat, seit 1865. (Assessor seit 1861.)
Matthias de Vries in Leiden, seit 1865.
Wilhelm Wattenbach in Berlin, seit 1865»
Jean de Witte in Paris, seit 1865.
Leopold Victor Delisle in Paris, seit 1866.
Julius F ick er in Innsbruck, seit 1866.
Jacob Bernays in Bonn, seit 1867.
Ernst Dümmler in Halle, seit 1867.
Wilhelm Nassau Lees in Calcutta, seit 1868.
Theodor Si ekel in Wien, seit 1868.
William Wright in Cambridge, seit 1868.
Theodor Aufrecht in Bonn, seit 1869.
Ulrich Köhler in Athen, seit' 1871.
Ludwig Müller in Kopenhagen, seit 1871.
Carl Mttllenhoff in Berlin, seit 1871.
E. A. Free mann zu Sommerleaze, Engl., seit 1872.
M. J. de Goeje in Leiden, seit 1872.
Giulio Minervini in Neapel, seit 1872.
William Stubbs in Oxford, seit 1872.
Kavier Heuschling in Brüssel, seit 1874.
Friedrich Stumpf in Innsbruck, seit 1874.
Alexander Conze in Berlin, seit 1875.
Ferdinand Justi in Marburg, seit 1875.
Heinrich Brunn in München, seit 1876.
Stephanos Cumanudes in Athen, seit 1876.
Reginald Stuart Poole in London, seit 1876.
Julius Oppert in Paris, seit 1876.
Ludwig Hänselmann in Braunschweig, seit 1878.
Adolf Michaelis in Strassburg, seit 1879.
Eduard Winkelmann in Heidelberg, seit 1880.
ABHANDLUNGEN
DER
MATHEMATISCHEN CLASSE
DEB
KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU GÖTTINGEN.
SECHSUNDZWANZIGSTER BAND.
Mafhm. Glosse. XXVI. 1.
^
Beiträge
zur Theorie der Bernoulli'schen und Euler'schen Zahlen.
Zweiter Beitrag*).
Von
M. A. Stern.
(Der Eönigl. Gesellsch. der Wissensch. vorgelegt am 1. Mai 1880.)
1.
15ei den folgenden Untersuchungen über die Bernoullischen Zahlen werde
ich besonders die Entwickelung von [(f — 1)**, wo n eine ganze positive
Zahl bedeutet, in eine nach aufsteigenden Potenzen von x geordnete
Keihe benutzen. Zwischen den Coef&cienten dieser Reihen finden viele
merkwürdige Beziehungen statt, von welchen ich hier hauptsächlich nur
diejenigen zusammenstelle, die ich im Folgenden benutzen werde. Nur
einzelne sind schon bekannt und diese meistens auf weniger einfachem
Wege bewiesen, als es hier geschehen soll.
Man setze
A A ^ A
0,00
Ist n =: 0, 80 ist mithin die Einheit statt , ^"^ zu setzen, sonst ist
allgemein A^^ = 0. Für jeden anderen Werth von n ist ebenfalls
-—- = 1 , auch ist allgemein A^^ = 1 , dagegen ist A^^ immer Null,
sobald m negativ.
Bezeichnet man "^""^V.'a^'lm'"^^^ ^"^^^^ (**• "*) ®° ^^ zugleich
*) Man vergleiche Abhandl. d. ESnigl. Ges. d. Wiss. Bd. 23, mathem. CSasse.
A2
4 M. A. STERN,
Entwickelt man nun «^, e^**"'^* . . . nach aufsteigenden Potenzen von x,
so ei^ebt sich als Werth des Coefficienten von a?**"^ in der Entwicke-
lung von («''— 1)" der Ausdruck
r¥7.(V+^[«'^-(«' 0(»-tr-^ . . .±(». «-1)1'^]
Demnach hat man
(2) A^^ = nr^—{n, t)(n— 1)'»+^ . . . + (— l)'^*(w, w— 1) 1**+^
Nun ist dies, wie bekannt, zugleich der Werth des ersten Gliedes der
nten Differenzreihe der Reihe
0, 1^*+*", 2^*" ....
bezeichnet man dieses Glied durch A^'O'""*^ so hat man mithin
(2') <, = A-0-H»
so dass jede Beziehung zwischen den Grössen A sich zugleich als ein
Satz aus der Differenzenrechnung darstellen lässt.
Aus (2) folgt
»A»-i,H = n'*^ — w(«, l)(n— l)'*+^*+n(n, 2)(n — 2)'*+^* . • . .
nA^n^i= [n. \)[n-\f^-^—2{n. 2) («-2)'*^-* ....
also
eine Beziehung die schon Euler bemerkt haf*^). Es folgt hieraus, dass
A^^ für alle Werthe n^2 eine gerade Zahl ist und für alle Werthe
n>5 mit Null schliesst.
Setzt man ~^^ = h^^, so dass A,,,, = 1 und h^y^ = Ä^^ =1
so folgt aus (3)
(4) h^^ = Am. n-l + ^ Am-1. h
Kn = Kn-l +WÄ^.H = Äi,„.i+n
0 Instit. calc. diff. P. 2 § 172.
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOCLLFSCHEN ü. EDLER'SCHEN ZAHLEN. 5
Demnach
Ist also Ä^H-i fflr ^Ue ganzen positiven Werthe von m eine ganze
positive Zahl, so ist dasselbe bei h^^ der Fall. Da nun Ä^i = 1 , so
ist allgemein h^^^ eine ganze positive Zahl, sobald n eine solche ist.
Mithin ist A^^ nicht blos eine ganze positive Zahl, sondern zugleich
durch 1.2 . . . n theilbar.
Man kann h^^ in einer Weise definiren, aus welcher sich von selbst
ergiebt, dass es eine ganze positive Zahl ist. Bezeichnet man nemlich
durch C^^ die Summe der Combinationen mit unbeschränkter Wieder-
holung zur Classe m aus den Elementen 1, 2 ... n unter der Voraus-
setzung, dass die Elemente in jeder Combinationsform als Faktoren be-
trachtet und die Combinationsformen addirt werden , so hat man
C{m, n) = C[m, n — 1)-|-nC(m — 1, n)
und demnach
C(l. n) = C{1, n—\)+nC{o, n)
aber auch C(l, n) = C(l, n — l)+n
Man muss also C[o^n) => 1 = h^^ nehmen und hat mithin der
Formel (5) entsprechend
C{m, n) = C{iw, n— l)4-nC(m— 1, n— l)-i-n*C(m— 2, n— 1) . . .+n'^
Nun ist C[m, 1) = 1 = h^i also allgemein
C[m, n) = Ä^^
Alle Beziehungen zwischen den Grössen h^^ oder A^^ können mithin
auch als Beziehungen zwischen den Grössen C{m, n) gedeutet werden^.
Aus (5) folgt unmittelbar
Auch folgt aus (3)
(7) ^•»» = n^l^i,^+n(n— 1)4^1,^1 . . .+n(n — 1) • . . 2.1il^,,i
^) Ettingshaoseh combin. Analysis p. 203.
6 M. A. STERN,
2.
X*
Aus (e'-lf = (e*_i)«->(a?+^, + . . .)
d. h.
— r_^L2zl_«^> 4-— iü=L_«»H-m-i IL.fL I «*^' 1
— Li.« .»-1 •• ^^l..m + n-l^ •••][ ^^1.8 ••^l.J..m+l- -J
r
folgt, wenn man auf beiden Seiten den Coeflticienten von a^*"^ nimmt,
(8) 4.^„= (n+OT, i)A^^i + {n-{-m, 2)4„_,.,^i...+(»4-m, w+l) J^,_,
Ebenso findet man aus
1.8. .n ^ •'flx' 1.8..n
indem man auf beiden Seiten den Goefficienten von n-\-m bestimmt,
(9) mA^^ = («H-m, 2)^,^,.,— (»+to, 3)^i,^8,„ . . .
und aus
V* */ö»- 1..« — ** 1.8..n
folgt
(n+m, l)4^„+(n + TO, 2)^,., . . .-\-{n+m, m-{-i)A^^
= n[A^^-h{n+tn, 1)A^,,«. . . + (»+1», «)-4^J
d. h.
(10) «.1^. = !L±ii:^(n+»», l)A»-..»+'^''V^~"'(n+m, 2)^^,., . . .
+ m(n+l)— »»/ , \ a
■ Z+i — (" + '"• *") ^•^•
3.
Aus Formel (3) folgt unmittelbar
(11) i (-1)«+'^!^ =. i (_!)»+. ^_^^+ 2 (-1)«+'^»— 1.^1
1, m 1, m 1, m /
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOüLLI'SCHEN ü. EÜLER'SCHEN ZAHLEN. 7
nun ist I (—!)«+• ^_^, = A-1.1+ S {— l)"^'^!«-
1, m 2, m
und 2: (-l)*^'^«— ..«+. = - 2 (-1)'^*4»-
1, m 2, II»
also
(12) i (-1 )»+«%^-±l = 4«_u = 1
1, m
Entwickelt man aber in
auf beiden Seiten nach aufsteigenden Potenzen von x und vergleicht' die
Coefficienten von «r^^, so findet man
n
(12') 2 (-1)«+»^^, = (-l)«-'
1, m
Verbindet man dies mit (11), so ergiebt sich
i(-l)"+»J =:(_1)»-_1
2, ffi
d. h. i(-i)'^*^c-«., = (-!)'"-
1, m
oder, indem man mit ( — 1)*^""* multiplicirt und m — n = Ar setzt,
i (-1)* A-» = 1
o, m — 1
Aus (3) folgt auch
f (-0-4=-- = i (-1)» A^^i+ i (-i)"4^._,.«
Unter der Voraussetzung, dass m]>l, also -4,^,^^= 0, ist aber
1, m 1, m
8 M. A. STERN,
mithin
(13) 2(-ir^ = o
1, m
WO man also auch ( — !)**"* statt ( — 1)** schreiben kann.
n ^
Schreibt man statt dessen T ( — 1)^ '^"^ = f»A,^ig so umfasst die
1, m
Formel zugleich den Fall wenn m = 1 .
Nach Formel (3) ist
also auch
-i ^ *> n 2. V M • „ • „^1
ly m 1, m
1, m 1, m
oder (nach F. (12) und (13))
Setzt man W^j,= f; (_i)M-if!!!z»2±* so ist mithin
1, m— Ä
1, m 1, m
also nach dem Vorhergehenden
und, indem man wieder W^i = l+TF"«-!,! u. s. w. setzt, schliesslich
Aber W^j = ^,8 = 2 also
W^r,i = m+1
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLl'SCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN. 9
Hieraus folgt
nnd allgemeiner
I, m—k
Diese Formeln sind aber nur specielle Fälle einer allgemeineren, welche
heisst
Nach Formel (3) hat man nemtich
-^«— ('■-Rt.H-* " + *ii( J_ ,J 1
n — '„~ i-^-(«+H-i>.»+*"r-^»-("+*)."+*-iJ
Nun ist
2. { — 1) J4,,_(»+^),^fi_| =■ A«-i-i.t+ 2 ( — l)"-^-(»+»+i)."+*
1, m-ft 1, m-*
d. h.
X ( ') [■«m_(,+*+I),B+*4--^»-(»f»),»+l-l] = A»-*-!.*
1, m-*
mitbin
(16) W^» = -4«-*-u + *W^™-i,*H-*W^«-i,*-i
Gesetzt, es sei bis zu einem gewissen Ar
/le'^ j W^..»-. = (m-i)A^-,,.-i
«0 ist mithin PT^»., = ^.^fc(_, + (Ä — 1) IF„_,,t_i + (*— 1) fT^^i.,., =
^«-*.*-i + («-l)(*-l)[^«_*_M_i + ^^*,_2] ='»A,-*.-i (nach F. (3)).
Ebenso folgt W^^ = mA^^^^ij^ Nun ist in der That, wenn man k=l
setzt, und wie früher »i>l genommen wird, W„_i.t_, = W„_i,o =
2 ( — ))**+! _s=?--:üJ = Owofar man auch H''„_i,o= (»» — !}4,_i,o schreiben
Jtfaf*«m. Glosse. XXVI. J. , B
10 M. A.STERN,
kann, da ^^,.0 = 0. Ferner Fn._,.» = TF_,.,= i (_ i )'H-i^=zM5+>
•1, m— «
= m — 1, wofür man auch PT^^ii = {fn — \)A,„,^i schreiben kann. Da
mithin die Formeln (16') für A: = 1 richtig sind, so gelten sie allgemein,
wodurch die allgemeine Richtigkeit von (t5) bewiesen ist.
Aus
folgt
" ^ ^ A ^ A
(— ^JnTfT-— -^ ^— ^^ (n + l)« + ^ ^— 1) ^ n + l
1, m + 1 1, m-l-1 1, m+1
oder, nach (12)
(17) i (_,)n^^M=-= 2 (-ir%v-^
1, m+1 0, m+1
ferner
(18) 2 (_,)«^^= 2 (-!)»-• _^±!z^«
1, m-fl 1, m + 1
*
da Z (— 1)"^=*J=^= 0 nach (13).
1, m + 1
4.
Aus ^ = (i4-<j*_i)"»= i + (»,. l)(e*— 1) + . . . + (»»,»,)(<?'— l)«
folgt l+"'*+TT •• •+!:«— ^ =
l + (w, l)[^^,a?+. . .^_,.i^— + • • .]
+ («. 2)[^V + . . .^,_,,,^-^+. . .1
4-
mithin, indem man auf beiden Seiten die Coefficienten von y vergleicht
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLI'SCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN. 11
(1 9) «»*■ = (m, 1 ) ^,_M 4- (w». ^)A-i,i . . . -h {w, r) A^,
Ist r'^m und m eine ganze Zahl, so schliesst die Reihe mit
{tn,ni)Af_„_„\ die folgenden Glieder fallen von selbst weg, so dass die
Formel auch für diesen Fall ihre Geltung behält.
Man kann diese Formel auch leicht in eine andere verwandeln.
Man hat nemlich
(m— 1. l)^.-i.i + (w— 1, \)A^2.2 = {fn — U 1)^
-^r-1,2
(»1—1. 2)^^2,2+ («»—1. 2)^,_,,j = («1—1. 2)^»
{m — i,r)A., =(w» — l,r)!Wi
r+l
Addirt man auf beiden Seiten alle Glieder und bemerkt, dass
A-i.i-\-{m — i, 1)^,-1.1 = {m, l)^r-i,i
(»I — 1 , 1 ) ^,_2,2 + (W — 1 , 2) ^^2.8 = (W. 2) A,^2.%
U. 8. W.
80 ergiebt sich
+
Entwickelt man in derselben Weise
SO ergiebt sich
(2t) m'- = (m+r-l,r)^,—(m+r— 2, r—l)^,.,_,... + (—l)'-'(«i. 1)^,^1
(20) »i'- = ^,,4-(«»-i. 1)— r^V.. + (»«-i.r)^'
5.
Aus (2) folgt
(-1)»-'Ah.i-«,- = K l)!**^' -(«. 2)2'»+' . . .4-(_l)«-n'^'
= n[l'"— (« — 1, 1)2"» . ..-|-(_i)»^>n'"]
oder wenn man
B2
12 M. A. STERN,
iVi"*' = t"*— 'n, t)2"'H-(«, 2)3'". . . + (_i)''-'(n + l)'"
setzt, (— l)»-»nJVi!l\ = ^„_(„_,)., also
(22) A^„ = {-ir-'nNt
w-t M Ar(«»+H-i)
»— 1
Vermittelst dieser Beziehung kann man auf ganz elementarem Wege,
nach dem Vorhergehenden , die Eigenschaften von N^^ finden , welche
Herr Prof. Bauer aus der Theorie der Gammafunction abgeleitet hat*).
Aus (3) folgt
oder, indem man n — 1 = i und m — i statt m setzt
wie Herr Bauer findet (a. a. O. Bd. 58 p. 292)
n
Ferner ist S iVJ;!?, = S (— i)^-* ~"+i--'*» = 0**) nach (13)
1, m-fl 1, m+1
auch ist
1, m 1, m 1, m 1, m
aber nach (12) ist S (-ir^^^TI*^ = - 1
also nach (14)
5^ i-iV^-) = 2 (_i)«^!=±t±i±^i = —«»•••)
Ferner
1, m 1, m
1, m — 1 1, m — 1
1, m— 1
•) Grelle Joam. f. d. Math. Bd. 57 und 58.
♦♦) A. a. 0. Bd. 57 p. 271. ««*) ebend.
J
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLI'SCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN. 13
Nun ist nach (15)
1, m—l 1, m — 1
= (w + 1) (2*^—2) nach F. (2)
ferner
1, m—l 8, m
*
nach (14) oder = 2 (»» + 1 -- 2"'+' + 2)
auch ist
It H It
y / |\n4-l^«»-(H-i)>H-8 y / ^ xw+t ^m-w+i, n y / ^ \fH-l ^«i»~t>4-i#«»
1, m—l 3, m + 1 1, m + 1
also, nach (13), = 2^ — 2. Hieraus ergiebt sich
1, m — l
Aus (22) folgt
1, m 1, m
•"^ — ^1,8
nach F. (12') und aus (17) und (18)
0, m 1, m
*) ebend.
**) a. a. 0. Bd. 58 p. 295, 296. Die Formel VIII (p. 298) ist mit der obigen
Formel (20) identisch.
14 M. A. STERN,
6.
Vergleicht man die bekannte Formel
(23) -^=t_£- + A^'... + (_,)».-_^^».....
WO B^ die mte Bernoulli'sche Zahl bedeutet, mit der Formel
welche man erhält, indem man e^ — 1 = z also -i=^ = ^^^^"*"^^ setzt,
und bemerkt zugleich, dass nach (23) in der Entwickelung von -j^
keine ungerade Potenz von o?, die erste ausgenommen, vorkommt, so er-
hält man, wenn man in (24) die einzelnen Glieder nach Formel (1)
entwickelt und den Coefficienten von 0?*'"+' bestimmt
(25) i (-l)»^-=-=0
1, «m-fl
Bestimmt man dagegen den Coefficienten von a^^, so giebt der Ver-
gleich mit (23)
(26) (-1)--*^,,= i (-l)'*%^"
1, 8m
Berücksichtigt man die Formel (2'), so sieht man, dass die Formeln
(25) und (26) identisch sind mit denen, welche schon Stau dt in der
kleinen gehaltvollen, aber wie es scheint, wenig beachteten Gelegenheits-
Schrift »De numeris BernouUianis , Erlangae 1845 in § 11 gefunden hat;
aus der letzten hat er zugleich den nach ihm benannten Stand tischen
Satz in § 16 abgeleitet ''^).
*) Ohne Staudt*8 Abhandlung zn kennen, hat Herr Professor Sidler in der
Viertel jahrsschrifti der natnrforsch. Ges. in Zürich, Jahrg. 1, 1856 p. 188 diese zwei
Formeln gefunden and später hat daraus Herr Professor Schlaefli den Standf-
schen Satz in ähnlicher Weise abgeleitet (Qnarterly Journal of Mathem. Vol 6 p. 75)
n
wie S t a n d t selbst. Nichts Anderes ist auch die Formel T — |— N^i = 0 oder
w-^1
iw+l 1, m + 1
ar ( — l) 8 B^ bei Baner (a. a. 0. Bd. 57 p. 271) wie man sogleich sieht, wenn
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOLLLISCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN. 15
Berücksichtigt man die Formeln (17) und (18), so findet man zugleich
0, «m+l
28) 2 (_,)«_|'^> = (-l)'«-'B,
0, 8m
(29) 2 (-0'-'^^" = «,
1, 2m 4-1
(30) i (_,)»-^^-^ = {-ir-'B„
I, Sm
Nun ist T -^ Mü', = f (— 1 )"^^~''^ also = 0 oder = (— 1 )"-' B^
1, m + l 1, m-f 1
je nachdem m gerade oder ungerade, wie ebenfalls Herr Bauer ge-
funden hat**).
7.
Wenn man den oben gefundenen Ausdruck
2.1 ^) n + l —^ 2^1.2*^ • -^^ l.«..«m "^ •••
0, CX)
man die Formel (22) berücksichtigt und zugleich bemerkt, dass nach der hier ge-
«+i
brauchten Bezeichnung ( — l)*"B|,^.i zu schreiben ist, wo dort ( — 1) 2 B^ steht. In
ähnlicher Weise kann man auch die anderen dort vorkommeuden Formeln mit Hülfe
▼on (22) finden.
Ich benatze diese Gelegenheit zu einer Bemerkung, die ich Herrn Professor
Sidler verdanke. Die erste der zwei Recnrsionsformeln , welche ich in meiner er-
sten AbhandluDg als von Herrn Prof. Seidel gefunden bezeichnet habe, kommt
schon in der Abhandlung von Raabe »die Jacob Bernoulli*sche Function, Zürich
1848 p. 85 und, wie dort bemerkt wird, schon früher in Ettingshausen^s Vorle-
sungen über d. höh.. Mathem. vor.
Ich füge noch hinzu, dass Herr Prof. Sidler in der erwähnten Abhandlung
mit Am,n dasselbe bezeichnet, was hier mitjä„i_M,H bezeichnet wird; die Formel (21)
ist demnach identisch mit der dortigen Formel (13).
*♦) a. a. 0. Bd. 57, p. 271.
16 M. A. STERN,
differenzirt, so findet man
(_i)»»-i»
(31) ^H (-l)V:-T(e*-ir' = -1 + ^.0.. .. + i^,^x*"-..
1, 00
Entwickelt man nun e* und nach F. (1) die verschiedenen Poten-
zen von e^ — l in nach aufsteigenden Potenzen von oß fortlaufende Rei-
hen und bestimmt die Glieder, welche o?*^"*"* enthalten, so findet man
(-iri?,^i _ _j, 1
l.«..2m-fl « •l.2..2m+l
"> 3 Ll.-«w» ' 1.2 1.2..2m — 1 " '"• 1..2m + l^^^>J
g r^ ^2 I t ^1.2 . , i Ä 1
4 Li.« l..«»! — !"" 1.2.3 l..2m~2 •"•• ' "• i . . 2m + 1 '^»»-l» ^J
, 2m+2 ^o,2iH-l
2m + d 1 ..2m4-l
oder
(32) (-ir^-H.i = -i
+ |[(2m+1.1)A, + (2w + l. 2)^,,, + ... + (2m + l,2m+l)^^i]
— i.[(2m+l, 2)^a + (2m + l. 3)^.2. ..4-(2i» + 1, 2m + 1 ) ^„^,. 3]
I 2m +2 j
Dagegen muss die Summe der Glieder, welche «r'^ enthalten, Null sein,
mithin
(33) 0 = — ±4-|[(2i», 1)^,1 . . . + (2w. 2i»)^„.i.i]
— ~[(2m. 2)^,3 . . . + (2i». 2i»)^^.2,a]
2m + l j
2m +2 '^•*»
Durch nochmalige Differentiation findet man
BEITRÄGE Z. THEORIE D, BERNOÜLLI'SCHEN ü. EULER'SCHEN ZAHLEN. 1 7
(A) ^ 2 (-1)"^ (^-1)»-« + ^ S (_,)»-^^(e-_i)«- = B^ . . .
9, 00 1 , 00
^ 1 . 2 . . 2m "^ • • •
Nimmt man nun auf beiden Seiten den Coefiicienten von a^*^ und be-
n
\n » /^ 4\n-»l
merkt, dass nach dem vorhergehenden der von e* J^ ( — ^T-jri^ — ^^
i,oo
herrührende Theil =: 0 ist, so erhält man
(34) (-ir5«H-, = 4-'2""
-?j-»r(2m. 1)2»—«^., + (2»». 2)2*'«'»^,,, . . . + (2«,. 2m)A^,,,]
+ ?^.[(2w. 2) 2""-»^,i,+ (2m, 3) 2*«-» ^,,3 . . .-\-{2m, 2m) A^^,^]
^ 2m -t- 1 . 2m + 2 a
zugleich muss der Coefficient von ^r**^* in der Entwickelung des obigen
Ausdruckes Null werden. Bezeichnet man aber den in
1, 00
enthaltenen Theil dieses Coefficienten durch 8, so ist 1.2.. (2m+l)Ä dem
auf der rechten Seite in (32) stehenden Ausdrucke gleich und man hat daher
{—irB^,= 1.2..(2m + l)S
Bezeichnet man femer den in e^^^{ — 1)^ ' ^ (e^ — 1)**^* enthaltenen
2,00
Theil dieses Coefficienten durch 8^ so findet man
(35) 1.2..(2m+l)Äi =^2**^*
_?i£[(2m+l, i)2*'^A,i+(2m+l, 2)2'^-* A.1- • . + (2m+l, 2m+1)^0
+ ?^[(2m+l,2)2^^-*^o.2+{2f»+1, 3)2*^X3. ..+(2w+l,2w+l)^.^^
2m + 2 . 2m 4- 8 j
2m + 4 ""-^.»»«+1
Mathm. Glosse. XXVL 1. C
18 M. A. STERN,
«
Demnach, da S-f-Si = 0
Der Vergleich von (34) mit (35) zeigt also eine merkwürdige Ueber-
einstimmung zweier Ausdrücke , von welchen der erste in den zweiten
übergeht, wenn man m-f-^Y ^^^^^ ^ setzt. Durch fortgesetztes Difieren-
ziren lässt sich in ähnlicher Weise eine grosse Zahl neuer Beziehungen
entwickeln.
Schreibt man (31) in der Form
5:(-ir„-^(e*-ir' = (t-^+ri...).(-4+-Bi^ • • •)
und entwickelt auf beiden Seiten den Coefiicienten von o?**^*. so findet
man die Beziehung
^ A ^ A I 2m -t- 2 j
y-^^*^fml 4 -^2m-1.2 • • • »"2m-|-3 ®'2"*+l
(-l)^5^,+(-l)^*(2m+1, 2)5^-i-(-l)--*(2m+l, 4)J5_, . . .
+ (2m+l. 2m)J5^+-i
Nun ist (nach § 2 F. 9* der ersten Abhandlung)
2m+l,2)5^— (2m+l,4)Ä^i... + (— l)*^*(2m+l,2m)J5,+(-l)'"y=0
Demnach verwandelt sich die obige Gleichung in
(36) ( 1) -B,^! = l+y-^g»^! — X'^^^iw-i.s • • •+2^^-^.af»*+i
Vergleicht man dies mit (32), so ergiebt sich
y + |[(2fn + l, 1)^^, . . . + (2m+l. 2»i)^2^,,,]
— tI(2»» + 1. 2)i4o.a... + (2»» + l, 2«»)A^2,8]
• •••••••
Entwickelt man dagegen auf beiden Seiten den Coefficienten von o!^^
80 findet man
BEITRÄGE Z. THEORIE.D. BERNOÜLLPSCHEN U. EÜLER'SCHEN ZAHLEN. 19
3 -^2m-l.l 4 '^2m-2,2 • • • 2m 4-2 ^ ^m
(_l)^(2m. l)5^ + (-ir-H2m, 3)B^, . . . — {2m, 2m-\)B, — ±
Nun ist (nach § 2 F. 1 1* der ersten Abhandlung)
[(2mJ)+l]-Bm— (2m,3)5^,... + (-ir-«(2m,2m — l)Bj4-(— 1)^1
d h,
(-l)--»5^-l = (-ir(2m. i)5„,+ (_i)'^t(2m, 3)5_, . . .
-(2»i, 2m — l)5j-i-
also
(37) ( 1)^ B^ = l + y-^a«,-!,! -J- -42^-2,2 • • • 2^1-^»2m
oder
Auch giebt der Vergleich mit (33)
(37') (— 1)*^^. = — T+f[(2^' l)A, + ...+(2m, 2m—\)A^^^,]
— ~[(2m, 2)^,2+... + (2m, 2m — 1)^12^8.2]
^^ 2m -f- 1 '^O. 2m-l
Verbindet man (37) mit (12') indem man in letzterem Ausdrucke 2m
statt m setzt, wodurch er in
(38) -^2m-l,l -^«»-2.2 "T" -^2m-8,8 • • • — -^,2m = — 1
übergeht, so findet man
(39) ( 1) ^m = y-^gm-l.l — "4"-^l2m-2.2 • • • — ÜT-fl'^^'^
Verbindet man (36) mit (12') indem man in letzterem 2m4-l statt m
setzt, wodurch dieser Ausdruck in
(38) -42»»,1 — •^2«>-l,2"t"'^^2m-2.8 • • • 4" -^,211^-1 ^^^ ^
übergeht, so findet man
C2
20 M. A. STERN,
(40) ( ly^B^^i = j -^am,! +-7^2111-1,2 • • • 2m + 8^'2m+l*)
8.
Schreibt man die oben (§ 3) benutzte Gleichung
^•^= 1 — (e*_i) + (e*— 1)».. .
in der Form
1 =e^[i_(^ — i)+(e*_i)*.,.]
80 erhält man, je nachdem man in dem nach aufsteigenden Potenzen
von 0? entwickelten Ausdrucke den Coefficienten von a^^ oder j?'*^*
bestimmt,
(41) 1 ={2«». l).lo.iH-(2»». 2)^,,, . . . + ^a„_,.,
— [(2m, 2)^,3-h(2»». 3) ^,,2 . . . +^8^2,2]
-A
2m
oder
(42) 1 = (2IW + 1, 1)^,i + (2w+l, 2)^,.i . . . + ^2m,i
— [(2mH-l, 2)-4o.2+(2w + l. 3)^,.2 . . .+^^1,2]
+ -^.2m+l
Aus der Verbindung von (41) mit (38) folgt
(43) 2 = {2m, 1)^0.1 + . . . + (2»», 2»l— 1)^„_2,,
— [(2m. 2)^.2+. . .+(2m, 2m— 1)^«_,,2]
+ (2m, 2m— 1)A,2„_,]
und aus der Verbindung von (42) mit (38')
*) Die zwei Formeln (39) and (40) finden sich bei Staadt a.a.O. p. 15 ohne
Beweis.
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLI'SCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN. 21
(44) 0 = (2»» +1, 1)^,1 .. .4- (2m 4-1. 2m) A,^,,,
— [(2»M + l, 2)^,2 . . .4.(2m-|-l. 2^)^2.^2,2]
— (2m-fl, 2m)^o,2m
Schreibt man die in § 7 gefundene Gleichung (A) in der Form
^i:(-ir^'V?{^-ir'+5:(-irr+r(^-o""' =
1,00 1,00
(i-^+T^... + T7i;,..0(ß,-?^... + (-!)- -Skr •••)
und entwickelt auf beiden Seiten den Coefficienten von a^^, indem man
zugleich mit 1.2.. 2 w multiplicirt , so liefert ^{ — ^r;^{e^—^)
den Ausdruck
^ A ^ A 2m + 1 j
an dessen Stelle man nach (37) einfacher ( — 1 )*'*"* B„ — 1 schreiben kann.
**•**— l/^x 4\n— 2
Aus c* 2 (-l)"^r(«"'-0 erhält man
l,CO
S.8
t-¥K2^' l)Ai4-(2m, 2)^,,,. . . + ^2«^,.,]
8.4
+ "^[(2W. 2)^,2 4- (2W, 3) ^,,2. . .+^2m.2,2]
I 2m + 1 . 2m + 8 j
"•" 2m + 8 ^0'2»«
die andere Seite der Gleichung giebt aber als Coefficienten von a:^^ mit
1 . 2 • . 2m multiplicirt den Ausdruck
(— ir-B^i+(— l)^M2m,2)J5^. . . — (2m, 2m— 2)5^+^^
Nun ist (nach § 2 F. 8* der ersten Abhandlung)
(2m, 2-l)5,„— (2m, 4)B^^,. . .^{—l)^'''B, = 0
Man hat also
22 M. A.STERN,
9.3
(-irJ?™+. = -1— -r[(2»». liAi • • •+^2«-i..
3.4
+ -i-[(2«». 2)^,j. . . + ^2m-2,a]
• ••••••
Entwickelt mau dagegen den Coefficienten von o?'*^* und multiplicirt
mit 1.2.. .2w+l 80 liefert ^ (_i)'»-A-(^_i)^-t den Ausdruck
1, CX)
2 j 8 . , 2m + 2
3 -^m. 1 Y ^2m.2 • • • "t- 2m -f 8 -^0,2m+l
was, nach (36), =( — l)*^J?^i+l ist. Ferner liefert
l,0O
den Ausdruck
|._L![(2m+l. i)^,, + (2m + l. 2)^,,,. . . + ^,]
+ ^[(2»» + l, 2)ilo,24-. • . +Am-1.2]
8m + a.am + 3 ^
Sm+4 '^0' »H-J
Die andere Seite der Gleichung giebt
Nun ist (nach § 2 F. 10* der ersten Abhandlung)
((2«»+l. l)H-2)JB^, — (2«»+l. 3)JB„.. .+(--irJBi = 0
d. h.
(-irjB^, = (-l)'^»[((2m+l,l)+l).B^,+(— ir(2m+1.3)B„...— J?J
Demnach
(-ir^^, = I- — ?^[(2»t+l, l)^o,i + (2m+l,2)^,,,. . .+il2^x]
2m-f2.2OT+8 Ä
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOÜLLI'SCHEN ü. EULER'SCHEN ZAHLEN. 23
Aus dem Vergleich dieses Werthes von {—i)"*B,^y mit dem unmittelbar
vorher gefundenen ergiebt sich
Schreibt man die Gleichung (A) in der Form
2:(-i)"^(«"-ir'+^"'2:(-i)\-v»(<^-ir-' =
80 kann man hieraus in ähnlicher Weise andere Formeln ableiten.
9.
Schreibt man die Gleichung (24) in der Form
X e*— 1 , (a^— 1)*
multiplicirt dann auf der rechten Seite mit -J^ und auf der linken mit
dem gleich werthigen Ausdrucke 1 — -f-H" j^ ... so hat man
V*~T'T"T:2 •••'T 1.2. .2m •••/ ^^"T'T-T:, • • --1 1.2. .2m * ' '^
1,00
Entwickelt man auf beiden Seiten den Coefficienten von <r^^, so findet man
-»"- 2^1 •»2m-l , 2i?i ^2m-2 , ^-^ih+I ^m+1
(1.2..2m)" • 1.2' 1..4m— 2 ' 1.2.8.4'1..4m — 4* * ' ' 1..2m — 2* 1..
2m + 2
^2m 1 -^4m~2,l 1^ ^4m~8,2 . 1 ^,'
1..4m 8 1.2..4m— 1 4 1.2..4m— 1 * * * ' 4m-f 1 1..4m— 1
also, wenn man auf beiden Seiten mit 1 . 2 ... 4m multiplicirt (undin>>l)
24 M.A. STERN,
(45) (4m, 2m){Bj-{-2{4m, 2)B^B^_,+... + 2{4m, 2m—2)B^,B^,—B,„
Bestimmt man dagegen den Coefficienten von j7*'"+* so ergiebt sich
(46) B,^i—2{4m-^2, 2)B ^B,„—2{4m-\-2, 4)B^B3„_,„.—2{4m-\-2, 2m)B^B^,
= (4»» + 2) [y ^4,^, — f ^«,^,.2 . . . + — 1^.- ^,,^J
Setzt man in (40) 2m — 1 statt m so ist
und es folgt daher aus (45)
(47) (4m+l) ^a« = (4m. 2m) (ßj» + 2 (4m, 2) B^B,^, . . .
+ 2 (4m. 2m - 2) B^,B^,
Ferner folgt aus (40) indem man 2m statt m setzt,
und mithin aus (46)
(48) (4m+3)jB2H-i = 2 (4m + 2. 2)ßjjBa„. . . + 2(4mH-2, 2m)B„B^,*).
10.
Wenn man auf beiden Seiten der Gleichung (ai) mit -^ multipli
cirt und das Resultat in folgender Geötalt schreibt
^(T'»'-T-?^)+.r^[-T(«'-l)+T(^-l)'-.-]
SO erhält man
♦) Die Formeln (47) und (48) stimmen mit denen überein, welche Euler
instit calc. diff. P.2 §123 gefunden hat.
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLPSCIIEN ü. EULER'SCHEN ZAHLEN. 25
(^+^H-Ä-+r:l^-)(-4(^'-i)+4(^'-»)'...-£$-;('^-ir-'-)
' 3 ^ ' ' ' 1..2m — 1 '
— ^1 — y'-i TTä^^ ...n— Y-t-zjjO?. . --1 i..2m-i • • •''
Bestimmt man also auf beiden Seiten den Coefficienten von o?^^, so
findet man
2. ^ _irj }_ i^'^ ^ \ ^*»-2>i 1
S • l.«..«m—l 4 »• ^^1..2m— a"^ 1.2 * 1..2m — 3 * * ' • 1..2m— l-»
. ^ r^0,2 1 , ^m~3,2 -i
' 5 U.2 •l..2m— 3 • • • ^ ' 1..2m— 2J
• ••«•• ••
2m +1 -^o,2m-l
2m-{-2 1 ..2m — 1
2 L 1.2.. 2m ' 1 .2.. 2m— 2 ' l.2***'l.2* 1..2m— 2 1.2..2mJ
^ ' 2 1.2.. 2m ♦"
Multiplicirt man nun auf beiden Seiten mit 1.2.. 2m — 1 und berück-
sichtigt die bekannte Formel
(2m, 2)JB_, — (2m, 4)J5,.a. • . + (-ir-Vm— 1) = 0*)
so ergiebt sich die neue Formel
(49) (_i)-.i-JB^ = |_i.[(2m-l. l)4).i..- + ^^2.i]
+ -i[(2m— 1. 2)^,2. . .+^^8,2]
2m + l Ä
~2m + 2^^'2m-l
Bestimmt man aber den Coefficienten von x^^^^ und multiplicirt zugleich
auf beiden Seiten mit 1.2.. 2m, so liefert das Produkt
*) Vgl. erste Abhandlung § 1 F. IL
Maihem. Glosse. XXVI. t D
26 M. A. STERN,
den Ausdruck
+(2m+1.2m)J?,JB,]
oder da (2m +1, 2) + (2m + l, 2m) = (2m +2, 2) u. 8. w., so kann man
statt dieses Ausdruckes, je nachdem m eine gerade oder ungerade Zahl
ist, auch schreiben
(-l)'^*5;STTt-^<-+» + (2m+2, 2)BijB„+(2m+2. 4)B^B^,
• • •
+ (2»n+2.m)%^
%
oder
(~»)'^'»;;rM[--B«+i+(2»»+2. 2)£i£«...+(2»»H-2,»»— 1)%^^
+ i.(2», + 2.m+i)(^f]
Berücksichtigt man aber die Formeln (47) und (48) so sieht man, dass
in beiden Fällen derWerth in ( — 1 )*'*"* — ^«H-i ^Ibergeht. Bestimmt man
auf der anderen Seite der Gleichung ebenfalls den mit 1 . 2 . • • 2m multi-
plicirten Werth des Coefficienten von w^*^\ so findet man
i._±[(2w. l)ilo,, + (2m, 2)^,,, . . . + ^^,.,]
+ 4[(2m, 2)i4o,2+(2m. 3)^,,2. . .-^^^2,2]
I 2m + 2 .
T•5;ÄI(-^^"^(2m + ^1)JB«-(2m+l,3)J?^.,... + (^^
Nun ist der letzte in Klammem stehende Ausdruck = 0*), man hat
also schliesslich
*) Vgl. erste Abhandlang § 1 F. I.
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOÜLLI'SCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN. 27
(50) {-tyn+^lB^, = l-f [(2m. l)Ai + .. . + ^2«-u1
+4 [{2»t, 2)^,8 + . . . H--4s^2.al
Verbindet man diese Formel mit (33) durch Addition, so erhält man
(51) (_i)'H-ii.B^^ == _L__!_[(2m. 1)^, . . .-{-A^,,i]
Addirt man zu (50) auf der rechten Seite den Ausdruck
■i — i-[(2WI, 1)A,. . .+4!m-l.l]
+ -g-[(2m, 2)^,8. . -H-ila— m]
39111
80 erhält man
1— [(2m, l)i4ai. . . + ^m^u]
+ [(2w, 2)^2. . . + ^^.2,2]
Dies ist aber Null nach (41). Mithin
(52) {-l)^±B^, = |— 5-[(2m. l)^,, + (2m. 2) A, + . . .+^12^^]
Ebenso ergiebt sich aus (49), wenn man m-j-l statt m setzt, und die
Formel (42) berücksichtigt,
D2
28 M. A.STERN,
(53) (-ij-ni-B^, = J._i.[(2m+1. 1)A,, + . . . + ^^,1
4-t[(2'» + '. 2)^0.2- . . +^-u]
2m + 4 A»m+l
Der Vergleich dieser zwei zuletzt gefundenen Werthe von ( — l)*"Y^m+.i
fahrt zu
0 = -|-[(2m, 0) A,, + (2m. l)^j,, . . .+A^,]
— i-[(2m, 1)^,2+ (2m, 2) ^,,2. . . + A«-i,2]
Verbindet man (41) mit (32), so führt dies zu
(54) (-ir5,^, = |-|[(2»»-fl.I)^.,...+A«.ij
+ y[(2«»+I, 2)^2- • • +-4m-1.2]
L_ >!
Wenn man in (37') auf beiden Seiten der Gleichung
— T + t[(2"*' 1)Ai- • - + (2»»», 2m-l)^2„_2,,]
— -i-[(2m, 2)^012. • . + (2m, 2m — 1)^„_8.2]
addirt und (43) beracksichtigt, so findet man
(—!)•" B„ = i— |[(2m, 1)A,, . . . + (2m. 2m— l)iä2».-8.i]
-|-[(2m, 2)^0,2 • • . + (2m. 2m— l)^l2,_8,2]
— 5j;rPT(2'"' 2«» — «)A2-.-i
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOüLLI'SCHEN U. EU LER'SCHEN Z A HLEN. 29
oder
(55)-(— 1)'«B^,= — i-+|[(2w+2.1)^.,... + (2m + 2,2»i+l)^^,]
_i-[(2»i+2. 2)^0,8 •• . + (2»»+2, 2»» + l).lg^,,g]
+ ^+1 (2»»+ 2. 2m + 1) Ao,^t
Verbindet man diesen Werth mit dem unmittelbar vorher gefundenen
Werthe von (— 1)'"JB,»^, durch Addition, so ei^ebt sich
(— ir2JB^, = y [(2m + l. 0)Ao.^ . . . + (2m+l. 2m) A,^,]
_±[(2»i+I, l)A,2... + (2»t + 1.2m)^^,]
+ ^^, (2m + 1 , 2m) ^,2,^.,
11,
Aus der Gleichung (8) folgt, wenn man 2m — 1 statt m und
» ^ 2 setzt
Am-u = (2TO+1, 1) A,i + (2m + l, 2)^,,,+ . . . + (2m+l, 2m)^„_,.,
ebenso, wenn man 2m — 2 statt m und n = Z setzt,
An-2.8 = (2»»H-1, 2)^,2+(2m+l, 3)A.2. • . + (2m + l, 2m)^2„_2,j
u. s. w. Mit HQlfe dieser Formeln und indem man zugleich berQck-
sichtigt, dass A^^i = 1 ist, kann man die Formel (40) in
— T + t[(2»»+1, 1) A,,H-(2m+l, 2)^,,,... + (2m + l,2m)^j„._,,,]
„i.[(2m + l. 2)^,2+(2m+l, S)^,,^. . .-}-(2m+l. 2m)^„_j,2]
— 8;^(2mH-l,2m)^,2„
verwandeln, da man statt ^o,2i»fi &ach (2m-)-0-^.!«i schreiben kann.
30 M. A. STERN,
Verbindet man diese Formel mit der Formel (53) durch Addition . so
ergiebt sich
welche Formel ebenfalls Staudt a.a.O. ohne Beweis gegeben hat.
Hieraus erhält man ferner durch Verbindung mit (38')
und hieraus durch Verbindung mit (36)
Mit Hülfe der Gleichung (8) lässt sich noch eine grosse Anzahl neuer
Formeln aus den im Vorhergehenden gefundenen ableiten. Auf diese
Weise hätte man z. B. aus
f i\mTl 1 I ^»1,2 I ^2m4-2
was unmittelbar aus (26) folgt, sofort (55) finden können.
12.
Aus der bekannten Formel
Te-' — ^i^"?:»:
_ . . • •
9
WO T^^i d.h. der rte Tangentencoefficient = 2*^*(2*'"^1)^^ folgt
also, wenn man -f- statt <r setzt,
2 1 . rp X . T^ x' I / 4\r ^2r-i x«^-»
fl , . «*— 1 '~-^l 2 "^1.2.3 2»' '•"«"^ V i.2..2r-l
1+
2«»-i
• . •
Nun ist
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLI'SCHEN ü. EüLER'SCflEN ZAHLEN. 31
setzt man in dieser Gleichung auf der rechten Seite allgemein statt
(e^ — l)** seinen Werth nach Formel (1) so folgt .
mithin
(56) B, = (_l)-._^j^-_^:;^^ . . + 1^)»)
und da in der Entwickelung von ^ keice geraden Potenzen von x
vorkommen, so hat man zugleich, wenn man den Coefficienten der Po-
tenz «r*** in der Entwickelung von 1 — *-^— • . • nimmt,
V** ' ) jtr-T "~ jir-a • • • -^^-1,1 V
Eine ähnliche Betrachtung führt auch zu einer Darstellung der Eu-
ler'sehen Zahlen durch die Zahlen Ä. Denn da, wenn E^ die rte Eu-
ler'sche Zahl bedeutet,
also eT(i+?!z:ip=i^£^|;.J_...+(_l)r£,f;;.__l_...
80 folgt hieraus, wenn man wieder i l -^ — ^1 wie vorher behandelt und
zugleich für e^ seinen Werth l+Y+fi-T"^ • • • setzt,
i.2..2r 2^ ' 1.2..2r
±\a JL i \ /^^'^ J_ L. , ^-1.1 ]
2 [^0,l2»r-i., 2 (2^_,)-ri.2 * 2«^-« ' 1 . 2 . .(2r — 2) ' ' •'T"l.2..2rJ
"^ ¥~lt..,k'V^^' i.2..(2r— *)• • •"T-i.2..2rJ
I 1 ^.2f^
"•"2*^ 1.2..2r
*) Vgl. Eytelwein über die Yergleichung der Differenzencoefficienten mit den
Bemoulli'schen Zahlen. Abb. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1816—17, p. 41.
32 M. A. STERN,
und zugleich folgt, da die Entwickelung von ^,^-x keine ungeraden
Potenzen von a? enthält
" — 2*^+' • i.2..2r-ft 2 L^^.1- 2»*" i..2r" • •" l..(2r fl)J
"• 2^Ll.2..A'2»=+i^' l.,.(2r + l— *)• • •"T*i.2..Ir+lJ
1 -^O,«!»-!-!
2«'+' 1.2.. 2r-|- 1
Berücksichtigt man, dass Af,^Q =■ 1 , sonst aber A^(^ = 0 (§1). so sieht
man, dass man die zwei letzten Formeln auch in folgender Gestalt
schreiben kann
(-ir^, = 2:(~l)*[(2r,A;)A.»+2(2r.A; + l)A»... + 2*'^*(2r.2r)^2,_».»]
0, tr
0=5: (-l)*[(2r+1.A:)^,*+2(2r+l.Ä+l)A»---
0, 8r+l
4-2*'-+'-*(2r+l. 2r+l)^2,+i-w]
13.
Zu anderen Ausdrücken für die BernouUi'schen Zahlen führt fol-
gende Betrachtung. Wenn man, von der Formel (19) ausgebend, den
Werth des Ausdrucks
1'— 2'"+3''— 4'' . . . + (w — If— »»'■
berechnet, wo also m gerade ist, so findet man
(1. l)^r-l,l
— (2, 1)4^,,,— (2, 2)^,_2,2
+ (3. l)A>-i.i+(3, 2)^_2,24-(3, 3)^^8,8
(«I, l)^_,,i~(»t, 2)^,_2,2. . . — (w, r)A^,r
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOÜLLI'SCHEN D. EULER'SCHEN ZAHLEN. 35
Indem man r<m voraassetzt. sind also die Coefficienten von iir-i.i>
Ar^%y, . . . Af^r bezäglicb =
(1, 1)— (2, 1).. . — (m, 1)= 1 — 2+3—4.. . + (w— i)— m
-(2. 2)+(3. 2). . .-(m. 2) = -•' + ''V.;~^"'"-
+ (r, r) + (r+l, r). . .-(m. r) = ±'»-'-+'--»('-+«)y---«"^('»-0---(>n-'-+')
WO in der letzten Reihe die oberen oder unteren Zeichen zu nehmen
sind, je nachdem r UDgerade oder gerade. Ist r^m, so fallen die Glieder
(m, r+1) u. 8. w. von selbst weg. Nun ist. wenn man
setzt, wo also m gerade,
|p = (— lp*[1.2...r — 2.8...(r+1)2f... + (~l)''(m— r+1).. .nw^l
Bezeichnet man durch D^ den Werth, welchen ^ für 2r = 1 annimmt,
so erhält man
D, = (— lp*[l.2. .r— 2.3. . .r+1. . . + (— l)**!«. .,(m— r+l)]
*und
(58) 1_2'•+3^..-m'• = D,.^.,.l+A^,,...4.«^^^
Setzt man « — £^^ = u und (l+a?)""* = i^so dass S = tir, so findet
man, wenn man (nach der Differentiation) z = 1 setzt
U= 0
. v = l.
du ^
gj = — «1.
dv 1
e.. («i-fi)«».
• . ■ .
^ = -(«+l)m. . . (m-nH-2). p = (~ir"' •;!''->
Nach der Formel
Maihem. Glosse. XXVI. 1. E
34 M. A.STERN,
hat man also
und allgemein, wenn w>2,
D^ = ±m(n. ^)t.^»(n-0:p(m + l)mK2)^K2...(it-2)
+ (»i+l)m(m— l)(n, 3)
2»» I 2'
1 . 2 . . . (n — 8) {m'{-i)m.,.m — n-f-2
5ii=i • • • • i
WO das obere oder untere Zeichen zu nehmen ist, je nachdem n gerade
oder ungerade.
Entwickelt man die Grössen D nach Potenzen von m, so findet man
demnach für die erste Potenz in D^ den Coefficienten — -i-, in D^ den
Coefficienten Null, in * (wenn ä>2) den Coefficienten
(""^)' 'Lrs-i^+O'a^»- • •+(rrni' 2J — (""^^
k
(«-!)« 2J ^ ^ ^ A;(Ä-fl)*2*
2,«-l
Nun ist nach Euler*), wenn man r = 2n und C» = 2(2* — l)JBt setzt,
l*n_2«n_. + (,w — l)*'*— w^'* = — |[wi*'*+^(2n, 1)
^1 /O^ 4\-^t»— 1
+ (-ir"'^(2n.2n-l)m]
Vergleicht man den Coefficienten von m in dieser Entwickelung. welchen
(-irc
man kürzer durch — ; — ^= ( — 1)'*(2''* — 1)J?^ ausdrücken kann, mit dem
2
Coefficienten von m, welcher sich aus (58) ergiebt, wenn man dort r=2n
setzt, 80 findet man
S, 8n >, < — t
Benutzt man die Formel (21), so findet man
*) In8tit. calc. differ. P. 2 § 184.
J
BEITRÄGE Z. THEOBIE D. BEBNOüLLI'SCHEN ü. EÜLER'SCHEN ZAHLEN. 36
l'■__2^..+(«l— If— !»'■ =
-[(r+1, r)^,— (r. r-1)^,.^,. . . + (_i)'-'(2, 1)^_,,,]
— [(»»+»•—».»•) Ar- ("•+»•— 2), r—l)^,.,_,... + (— Ip'(m. 1)^,,x]
Hier sind also die Reihen von der Form
(— l)*[(r — Ä, r — *) — (r — A:+l,r — Ar). . . - {r — k-\-m—\,r — k)]
zu summiren, wobei k die Wertbe r — 1. r — 2 u. s. w. bis Null an-
nimmt. Geht man aber von
Z=z-^— Z-* + «-»— Z-* h «-(•»-') — «-«»
aus und versteht unter H^ den Werth, welchen ^ ftlr 2? = 1 annimmt,
so findet man
-H'^» = (— ir"*[l. 2... (r—A:)— 2.3.. .(r — *+!)...
— m(»i+l)«-*(wi+r — Ar — 1)
mithin
— (r— Ar+m— 1,r— *)]
und
(60) i*"— 2'". . . 4- (m—1 )•"—«»'■ =
Nun ist Z = ^~' . Setzt man hier wieder {14-ar)~*s=« und I — z
= u, 80 ist für z = 1
li = 0, ^ = Y
öa öü \^
dt — ^^ dz~ 2«
allgemein
1^ = (-ir'm(w+l). . .(w+n-l)
6*t? / . X n 1 . 2 . . . W
£2
36 M. A. STERN,
Demnach, indem man wieder die Formel
benutzt,
-"i — T» rä ""5 1«
allgemein
Entwickelt man diesen Ausdruck nach Potenzen von m, so wird der
Coefficient der ersten Potenz von m
Setzt man wieder r = 2n, so giebt der Vergleich der Formel (60) mit
der £uler'schen Formel
1, tn l,s
Der Vergleich von (59) und (61) giebt zugleich die bemerkenswerthe
Beziehung zwischen Binomialcoefficienten
(^+1» — 1, *) — (ä+hi — 2,ä). . . + (^+1, s) — {s, s) =
""ji I Ji^i • • • "T" I
14.
Bekanntlich hat schon Euler*) ausführliche Untersuchungen über
den Ausdruck
F = ^^= l+ajcr+agO?*. • . + a^ar
in welchem p eine beliebige Zahl bedeutet, angestellt. Man kann aus
♦) Instit. calc. diff. P. 2 § 174.
BEITRÄGE Z, THEORIE D, BERNOULLFSCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN, 37
demselben mit Leichtigkeit eine grosse Anzahl Beziehungen zwischen
den Grössen A und den BernouUi'schen und Euler'schen Zahlen ab-
leiten. Setzt man — ; =: g, so dass
F =
und demnach
so ergiebt sich, indem man, wie früher, e^ — 1, (e* — 1)* u. s. w. ent-
wickelt,
^ l.S...m
oder, indem wieder — i statt ö^ setzt,
(62) 0« = l.«...m(p-l)"
Setzt man zugleich
<^^) <*«= i.«..m(p-ir
so folgt hieraus
(64) a«.i = A—»— (* +1 . 1 ) -^H-i.«-*-!
WO also k<fn — 1
Setzt man in (63) im Zähler überall p — 1+1 statt p und ent-
wickelt nach Potenzen von p — 1, so giebt der Vergleich mit (62)
Am-» = ««.»+ (*+1.l)ö|-.H-I + ---+(^ — ^'*» — * — 0«m.iH-l
und für A: = 0
Aus der bekannten Eigenschaft, dass a^j^ = a^«,.«-! folgt* dass der
Zähler des Werthes von a,^ in (63) derselbe bleibt, wenn man ~ statt p
*) Man vergl. S i d 1 e r a. a. 0. Formel (9) und (6).
38 M. A. STERN,
setzt und mit j)"^' multiplicirt, dasselbe muss also auch bei dem Zähler
in (62) der Fall sein. d. h. man hat ffir jeden Werth yon p
A-+(;»-OA.«-i. . . H-(P— l)*^'^-!.!
Bemerken 8 werth ist der specielle Fall j» = 2, welcher zu
2»»-»^, - 2"»-M,,_, + 2'»-»^_, . . . 4.(-I)'»-«
führt.
Auch folgt aus (64), wenn man m — k — 1 statt k setzt
1,1
m—h^X
4-(—i)V—».*) 4.^1.1
Setzt man A; == 0, so erhält man die Formel (12'), da Ä^-\,i = 1-
1,1
15.
Für p = — I wird
J>-t « 1 — ^-1 5l. f! I / .\m ^»«-1 ««-'
p— •« — l+#" — * l.«~'~l.«.8 «•* ••"'"v / l..«m — 1«»^»
Aus dem Vergleich mit V folgt mithin, dass unter dieser Voran s-
Setzung a». = Ounda^, = (— 1) ^ ..,,„_, • iüpi = ,.,..(»^_t) > i;; oder
JB^ = (— l)*^ -|^^ m, zugleich aber hat man nach (62)
^***-l 1.1.. (2m — 1)2*^*
Der Vergleich dieser zwei Werthe von 09^.1 führt unmittelbar zu Formel
(56). Ferner folgt für|) = — 1 aus (63)
4 A /«^ i\^ <^-l,0""<^m-l,l "H ^^%m-\,2 ' ' + ^^^m-'h^m^^
— 1 .2, •(2m — IjOam-i = jSi^i
also
BEITRÄGE Z, THEORIE D. BERNOÜLLPSCHEN U. EÜLER'SCHEN ZAHLEN. 39
welches die bekannte Laplace'sche Formel ist, und wenn man in (62)
2m statt m setzt, so findet man wieder (57). Da nach dem Vorherge-
henden, unter der Voraussetzung, dass p =: — 1, also o,^ = 0,
bi= r:^ = l+ai^+a8^--- + a9«-i^'
• • •
so folgt
= (1+^ + ^,... + 7f^ .0(l+2a,^+2*a3^... + 2^-«a^,^•^^
(-ir^^««~
' 1 .2 ""l.a.S.i * * •"* 1.2..
^ • • . •
2m
Bestimmt man auf beiden Seiten den Coefficienten von ir*"*, so findet man
(_1)«»JE?^ = i + 2m.2a,4-2f»(2»»— l)(2m — 2)2»a, . . .
4- 2m (2m — 1). . . 1 .2*"^'a8^,
und indem man für Og,^, seinen Werth r-r — - — ^ . — setzt , findet man
die bekannte Relation
JE;^ = (2m, 1)(2**^-1)2''^-'^. .. + (-1)^*)
Bestimmt man dagegen auf beiden Seiten den Coefficienten von j?**'^\
so findet man
woraus
+ (— 1)'^*(2m"1,2m — 2)2.3jBi + (— !)•"= 0
folgt. Berücksichtigt man, dass jn(2m— ^1, 2k) = {m — k){2m, 2k), so sieht
*) Erste Abhandlung p. 32.
40 M. A. STERN,
man dass diese Formel identisch ist mit derjenigen welche ich früher^)
gefanden habe.
Man kann ebenso je nachdem man in
d. h.
den Coefficienten von a^^.oder von J?**"""* auf beiden Seiten bestimmt,
sowohl die Euler'sche Relation
JB^— (2m. 2)JB^.j. . . + (— !;«»♦•)
als auch die Scherk'sche
finden.
Als Anhang möge noch folgende Beziehung bemerkt werden. Geht
man von
(^-ly^iqpi ^ (^_i)m_(^_,ji.-l^(^_,)m-i ^ ^ .±(^ — l)+l
aus, und vergleicht, indem man (e* — i)*^*ljli einerseits und
e*[(e*_l)m_(^_l)m^l , ^ . +(e*— 1)4:1]
andererseits nach wachsenden Potenzen von x entwickelt» die Coeffi-
cienten von af^^ auf beiden Seiten, so findet man
1.1... (m + n) 1 ..m.l ...n ■" 1 . .(m + i) 1 ...(n — 1) * * ' ■" i . . .(m + n)
[^,m~l [ -^l,m-l I -^w4.1,m-l 1
1 ..(m — 1)1 ..(n + l) '"i..fn.l ..fi ' * * "• 1 . ..(m + n)J
"«"V '; •Li..(m + n-i)"T-i.,.i..(n,4.n— 2)- • "f"i..m + nj
^^ '^ •l..m + n
*) Grelle, Journal £ d. Mathematik, Bd. 26 S.90.
♦♦) Erste Abhandlung p. 29. *♦♦) ebend. p. 30.
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERKOULLrSCUEN ü. EULER'SCHEN ZAHLEN. 41
Setzt man n= 1, so wird , ^ ^'*^'. , UDd also auch die rechte Seite
1.8,,lll-f-l
der vorstehenden Gleichung := 1.
Da die Entwickelung von [e^ — 1) +1 keine niedrigere Potenz
von X als die m-j-lte enthält, so müssen die Coefficienten aller dieser
niedrigeren Potenzen verschwinden. Man findet also namentlich, wenn
man den Coefficienten von x^ bestimmt und mit 1.2...m n^ultiplicirt
~ (m, 1 ) [^,^.1 — ^,,^2 . . . 4- (_ 1 )^^ A^^^^
±(m,m— 1)^,1+1 = 0
In der That ergiebt sich aus Formel (12') dass dieser Ausdruck
nichts Anderes als 1 — (m, l) + (m, 2) . . .+(«»»»» — ^) + * = (^ — 0*" i^^-
16.
Da
— g^— = tgiTsec.J?
so führen die zwei Ai;Lsdrücke
E^x^
-EL«*"
zu
also , wenn man auf beiden Seiten den Coefficienten von j?**^* bestimmt,
(65) -B^i = r2^j+(2n+l, 2) r,^,.-E, . . . +(211+1. 1n)T ^E,
Femer folgt aus -^ =
bx (cos«)*
Mathem. Glosse. XXVI. 1. F
42 M.A. STERN,
^t-r i,t • • -^TTn^ • • • — l-*"t^TT- • '^mk' • •■I
und , indem man hier auf beiden Seiten den Coefficienten von 4?"* be-
stimmt, ergiebt sich, je nachdem n gerade oder ungerade
Tshw-, = 2£.H-2(2n.2)JE?,^^,-|-2(2n, 4)^,£,_8. ..-+-(2n. n)E^E^
2 2
TsH-i = 2^, -h 2 (2n. 2)^1 £_, -h • • • +2 (2n, n— 1 ) £^, E^
2 2
80 dass man in beiden Fällen schreiben kann
(66) T^n^i = ^.+(2n, 2)E,E^^,.. .4-{2n, 2)^,.iiS;, + -B.
Aus den Formeln (65) und (66) ergiebt sich der Beweis der zuerst
von Herrn Andrö^) bemerkten Identität der Eulef sehen Zahlen und
der Tangentencoefficienten mit Zahlen , welche sich aus einer scheinbar
sehr entlegenen combinatorischen Operation ergeben.
Man bilde nemlich aus den A: Zahlen 1, 2. ... Ar, welche man als
Elemente betrachtet , alle Permutationen , bei welchen , wenn man von
der Linken zur Rechten fortgeht, das in der ersten Stelle stehende Ele-
ment kleiner ist als das in zweiter Stelle stehende und allgemein das in
der 2r — Iten Stelle stehende kleiner als das in der 2rten stehende; zu-
gleich soll aber auch allgemein das in der 2rten Stelle stehende grösser
sein als das in der 2r-|-lten Stelle stehende. Zieht man in* einer sol-
chen Permutationsform von der Linken zur Rechten fortgehend , jedes
Element von dem folgenden ab, so erhält man, wenn A: = 2n, das aus
2n — 1 Zeichen bestehende Schema
[\) H 1 — ••• — h
und. wenn k = 2n+^» das aus 2n Zeichen bestehende Schema
(B) H h-. ..H
Im ersten Falle soll A^ und im zweiten ^2^+1 ^^^ Gesammtzahl
der dem bestimmten Schema entsprechenden Permutationen bezeichnen.
Mithin ist ^2 =^ ^* dagegen hätte ^^ nach dieser Definition von Aj^ keine
Bedeutung, es wird aber dieses Symbol = 1 gesetzt.
^) Comptes Bendas de TAcad^mie des Sciences T. 88 p. 965.
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLl'SCHEN U. EULKR'SCHEN ZAHLKN. 48
Sollen au8 2n-f-l Slen^^nten l,2...2/t + l alle dem Schema (B)
entsprechenden A^^i Permutationen gebildet werden , so ist klar , dass
das grOsste Element 2n+l in jeder dieser Permutationen eine solche
Stelle einnehmen muss , dass ihm eine ungerade Anzahl Elemente folgt
und mithin auch vorausgeht. Es kann nemlich das Element 2n-|-l
nicht in der letzten Stelle stehen , weil ihm dann ein kleineres Element
vorausgehen und also die Zeichenreihe nicht mit — sondern mit +
^chliessen wfirde. Aus demselben Grunde können auch nicht 2A: Ele-
mente auf das Element 2n + l folgen, da die aus 2A: Zeichen bestehende
Zeichenreihe, die aus dem Elemente 2n + l und den folgenden 2 A: Ele-
menten zu bilden wäre, mit — beginnen und also mit -f- schliessen
raüsste. Betrachtet man daher den Fall , wo 2A-+1 Elemente auf das
Element 2n-f-l folgen und demnach 2n — 2k — 1 Elemente ihm vor-
ausgehen , 80 können aus den bestimmten 2n — ik — 1 Elementen
-4a^-2»-i Permutationen gebildet werden, welche der Form des Schema (B)
angehören und ebenso aus den bestimmten 2/: +1 Elementen ilgt^, Per-
mutationen, welche derselben Form angehören. Man erhält daher durch
Einschaltung des Elementes 2n + 1 in die 2n — 2A:te Stelle im Ganzen
(2ii, 2k-\'i)A2^^2k^iA2i^iVerm\xifLt\onen, die bei dieser bestimmten Stel-
lung des Elementes 2n-|-l ^us den 2n-f-1 Elementen, dem Schema (B)
entsprechend, gebildet werden können, da sich aus 2n Elementen
(2n, 2A:+l)Combinationen ohne Wiederholung zur Classe 2A:+1 bilden
lassen. Setzt man nun für k alle ganzen Zahlen von 0 bis n — 1 , so
findet man
(67) ^2^1 = (2n, \)A^^,A^ + {2n. 3)^_8.43 . . --^(271, 2n — \)A^A,,^^
Sollen aus 2n -f- 2 Elementen alle der Form des Schema (A) ent-
sprechenden Permutationen gebildet werden, so kann das Element 2w+2
nicht in der vorletzten Stelle stehen, weil sonst das Schema mit —
schliessen würde, und aus demselben Grunde überhaupt nicht eine solche
Stelle einnehmen, dass ihm eine ungerade Anzahl Elemente folgt. Nimmt
man an, dass ihm 2k bestimmte Elemente folgen und also 2n-f-1 — 2k
bestimmte Elemente ihm vorausgehen , so findet man , ähnlich wie im
44 M, A. STERN,
vorhergehenden Falle den Ausdruck (2w+l, 2A:)-4j,„^,_24-42i, in welchem
man. um säramtliche aus den 2n-|- 2 Elementen gebildeten Perm utationen«
welche der Form des Schema (A) entsprechen, zu erhalten, für k alle
ganzen Zahlen von 0 bis n zu setzen hat, mithin
(68) ^an+2 = ^2H-i + (2w + l, 'l)A^^A^...-^{^n+\,2n)A^A^
Da i + (tga./ = ^. d.h.
so ergiebt sich , wenn man in diesem Ausdrucke auf beiden Seiten den
Coefficienten von a^^ bestimmt, wenn n gerade,
1.2...(ln — I) ' l.S.8.1.2...(«n— 8) * ' ' "» 1.2 .. («— l) 1.2 . . . (n + l)
^^n j ^-^i ^n-l I 2 T
1.2..2n"^"l.2.1.2...(2fi— 2)" * * "• (1.2 . . n)«
und wenn n ungerade
1.2..(2fi— 1) '■l.2.8.1.2...(2n— 8)'** '■(l.2...fi)« 1..2n"» i.2.1 .2 . .(2n — 2) "^"
• • •
fl 2
l..(n — l)l..(n-|-l)
also im ersten Falle
(69) £.+ (2n, 2)E^E^,. . . + Y(2n, n)E^E^ =
2 2
(2n. 1) T^ ra._i4-(2n. 3) Tg T,».,. . . + (2»». «-!) T,., T^,
und im zweiten
(7 0) E,+ (2n. 2) i;, £^, . . . 4- {2n, n — \)E^ E^, =
(2n. 1) r, r3,.i-h(2n. 3) T« T^^. . . + (2n, n-1) T^^ T^,
Aus dem Vergleich von (69) und (70) mit (66) und (67) ergiebt sich,
dass wenn A^k^i = Tit^i für alle Werthe k von k = 1 bis A: = n , auch
^3^ 1 1 = T^^i ist. Nun ist ^j = T^ also allgemein il2n~i = ^^^i-i*
BEITRÄGE Z. THEORIE D. BERNOULLFSCHEN U. EULER'SCHEN ZAHLEN. 45
Weiter folgt aus dem Vergleiche von (68) mit (65), dass wenn Azj, = -E^
für alle Werthe k von A: = 1 bis A: = n auch A^^2 = ^n^v also da ^^
= JB^ = 1 , so ist allgemein A^^ = E^.
Man kann ferner, je nachdem n gerade oder ungerade ist, statt der
Formel (66) auch schreiben
T,^i = -E,4- (2n, 1) r, r2„.i + (2n. 2)£, E,^,... + [2n. n— 1) T^, T^,
oder
T,^i --= ^«+{2n, 1) r, r2,.i + {2n. 2)E,E^,.. .+|(2n. n) T.T,
imd mithin in beiden Fällen
2T,,^, = E,+{2n,l)T,T,,^,^{2n,2)E,E,,,... + {2n^
zugleich kann man statt (65) auch schreiben
2E^^=T,^i + {2n + \. l)r,£,+(2n+t. 2)E,T^^,...
+ (2n+1.2n)£,r, + r2^i
Setzt man hier statt der T und E die gleich werthigen A, so vereinigen
sich die zwei letzten Formeln zu
2^1 = ^+(r, l)^^^_|+(r. 2)^2^2- . -^-l^ r — 1)^.,^^ + ^
welche Formel Herr A n d r 6 a. a. O. ohne Beweis mitgetheilt hat.
Mathem. Classe. XX VL 1. G
Untersuchungen über die Flächen mit planen und
sphärischen Krümmungslinien.
Zweite Abhandlung«
Von
Alfred Enneper.
Vorgelegt in der Sitzung der Eönigl. Gesellsoh. d. Wies, am 8. Juli 1880«
in dieser zweiten Abhandlung über die Flächen mit planen und sphäri-
schen KrQmmungslinien ist der Versuch gemacht, fOr die Flächen mit
sphärischen Krümmungslinien eine ähnliche ausführliche Darstellung zu
geben, wie solche die erste Abhandlung für plane Krümmungslinien
enthält. In Beziehung auf die gebrauchten Bezeichnungen schliesst sich
die zweite Abhandlung eng an die erste an , namentlich bei solchen
Problemen , deren analytische Behandlung eine Art Parallelismus zeigt.
Im Allgemeinen unterscheiden sich die Probleme, deren Lösungen in der
vorliegenden Abhandlung angestrebt sind , von den entsprechenden Pro-
blemen der früheren Untersuchungen , sowohl durch die gebrauchten
Hülfsmittel, als durch grössere Complication der Formeln. Was die
Hülfsmittel betrifft , so war der Verfasser gezwungen , wenn nicht die
Deutlichkeit der Darstellung wesentlich leiden sollte, bei einigen Gele-
genheiten Sätze aus der allgemeinen Theorie der Flächen anführen,
respective ableiten zu müssen. Es betrifft dieses den Abschnitt VIII
und den Anfang des Anhangs B. In beiden Fällen war es für den
Zweck der Abhandlung unumgänglich nöthig, aus der allgemeinen Theorie
der Flächen einige Formeln zu entwickeln, welche sich zu den gemachten
Anwendungen eignen. Von diesem Gresichtspunkt aus sind in VIII
eine Anzahl von Entwicklungen über die sogenannte Transformation
durch reciproke Radii vectores zusammengestellt, die namentlich in X zur
Maihem. Glosse. XXVI. 2. A
2 ALFRED ENNEPER,
Verwendung gekommen sind und in XI den Grund zu einer neuen
Transformation von Flächen gelegt haben. In IX sind einige Bemer-
kungen über Flächen mit sphärischen Krflmmungslinien vereinigt, na-
mentlich mit Beziehung auf zwei besondere Fälle , die sich mit Hülfe
früherer Untersuchungen erledigen lassen. Sind die Kugelflächen eines
Systems sphärischer Krümmungslinien concentrisch , so ist das andere
System von Krümmungslinien plan. Gehn die Kugelflächen des sphäri-
schen Systems durch einen festen Punkt, so ist für die transformirte
Fläche durch reciproke Radii vectores bekanntlich das transformirte Sy-
stem plan. Diese beiden Fälle sind bei den späteren Untersuchungen
ausgeschlossen. Am Ende des Abschnitts ist eine Bemerkung gemacht,
die auf den ersten Blick von weniger Bedeutung erscheint, deren Vor-
theil aber bei den allgemeinen Untersuchungen sehr prägnant hervortritt.
Besteht ein System sphärischer Krümmungslinien aus Kreisen, so ist die
Fläche die Enveloppe einer Kugelfläche von variabelem Radius , deren
Mittelpunkt eine Curve doppelter Krümmung beschreibt. Es ist diese
Curve doppelter Krümmung, welche für die Betrachtung der bemerkten
Enveloppe von besonderem Interesse ist. Auf der Tangentenfläche der
Curve der Mittelpunkte der enveloppirten Kugelflächen liegt die Curve,
gebildet aus den Mittelpunkten der Kugelflächen des sphärischen Systems.
Ein ähnliches Verhältniss findet im allgemeinen Falle statt. Die Mittel-
punkte der Kugelflächen eines Systems sphärischer Krümmungslinien
bilden eine Curve doppelter Krümmung, deren geometrische Elemente
sich für die Behandlung des allgemeinen Falls nicht geeignet erweisen.
An Stelle der erwähnten Curve ist eine andere einzuführen , auf deren
Tangentenfläche sie liegt.
In X ist 5 wie der Verfasser glaubt , der erste vollständige Beweis
des Satzes enthalten, dass alle Flächen mit zwei Systemen sphärischer
Krümmungslinien als Parallelflächen solcher Flächen anzusehen sind,
für welche die Anwendung der Transformation durch reciproke Badii
vectores , wenigstens ein System sphärischer Krümmungslinien in plane
Curven transformirt. Die für alle Specialfalle durchgeführten Rechnungen
haben den Beweis von der Existenz eines reellen Centrums der Trans-
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 8
formation geliefert. Um diesen Abschnitt nicht durch Detailuntersu-
chungen zu überladen, sind in einer Anmerkung eine Reihe von Flächen
zusammengestellt, für welche das eine der beiden Systeme sphärischer
Krümm ungslinien aus Kreisen besteht. Die in VIII gegebenen Ent-
wicklungen haben in XI die Aufstellung der Flächen, welche ein System
sphärischer Krümmungslinien besitzen und von den Kugelflächen dieses
Systems orthogonal geschnitten werden, auf eine besondere Transforma-
tion von Flächen reducirt.
Eine besondere Beachtung darf der Abschnitt XII beanspruchen,
wegen der möglichst allgemeinen Lösung des Problems: Die Flächen
mit einem System sphärischer Krümmungslinien analytisch zu definiren»
d. h. die Coordinaten eines Punktes einer solchen Fläche als explicite
Functionen zweier Variabelen darzustellen. Es sind die betreffenden
Untersuchungen für die verschiedenen Specialfalle durchgeführt, welche
die Curve der Mittelpunkte der Kugelflächen des sphärischen Systems
darbieten kann , oder besser , für die Curve , auf deren Tangentenfläche
die erstgenannte Curve liegt. Hierdurch ist es gelungen, ein Problem
zu lösen, welches von den ersten Bearbeitern, den Hn. Bonne t und
Serret entweder unerledigt geblieben war. oder in ungenügender
Weise behandelt worden ist.
Im Anhang sind einige Untersuchungen vereinigt, die sich auf
Flächen mit planen Krümmungslinien beziehn, namentlich solche, deren
Krümmungslinien auch geodätische Linien sind. Es erschien wünschens-
werth, diese Flächen, in Anbetracht ihres häufigen Auftretens bei allge-
meinen geometrischen Problemen, einer eingehenderen Darstellung zu
unterwerfen.
A2
ALPRED ENNEPER,
VIII.
Bemerkungen über die Transformation durch reeiproke Eadii
vectores oder die inversen Flächen. Anwendung auf Flächen mit
sphärischen Krümmungslinien.
Die Untersuchung der Flächen mit sphärischen Krümmungslinien
lässt sich durch Zuziehung einer geometrischen Transformation in einigen
Punkten sehr vereinfachen, wobei namentlich längere und complicirte
Rechnungen umgangen werden können. Die in Rede stehende Trans-
formation ist bekannt unter dem Namen der Transformation durch reei-
proke Radii vectores^ oder Aufstellung der inversen Fläche. Der Ueber-
sicht wegen mögen einige bekannte Resultate kurz mit angeführt werden,
unter Anwendung der in II gegebenen Gleichungen. Es treten dabei
eine Anzahl analytischer Beziehungen auf, die sich unmittelbar für die
Flächen mit sphärischen Krümmungslinien verwenden lassen. Der ein-
geschlagene Weg verfolgt das Ziel: die neuen Untersuchungen mit den
in I — VII enthaltenen in möglichst enge Verbindung zu setzen. Daneben
hat das hier befolgte Verfahren in XI zu einer Erweiterung der, in die-
sem Abschnitt aufgestellten, Resultate Veranlassung gegeben.
Zwei Flächen 8 und Ä^ mögen sich in Beziehung auf einen festen
Punkt O so entsprechen, dass zwei correspondirende Punkte P und P^
beider Flächen mit dem Punkte O auf derselben Geraden liegen und
die Relation OP.OP^ = ^* besteht, wo g eine Constante bedeutet. Es
heisst dann die Fläche Ä^ in Beziehung auf die Fläche 8 nach Hn.
Liouville die transformirte Fläche 8 durch reeiproke Radii vectores ^ wobei
der feste Punkt O den Namen : Centrum der Transformation führt. Kürzer
nennt Hr. Stubbs, der Erfinder der bemerkten Transformation, die
Fläche 8^ die inverse Fläche 8 in Beziehung auf den Pol O*). Die
*) In Beziehung auf die Literatur der im Text bemerkten Transformation sind
die nachstehend bemerkten Aufsätze von Interesse. Stubbs: »On the application
of a new Method to the Geometry of Curves and Curve Surfaces.c (The London,
UNTERSUCHÜNGENÜBERD.FLÄCHENMITPLANENU.SPHÄRI8CHENETC. 5
Fläche 8 steht zur Fläche Ä^ in demselben Verhältniss , wie umgekehrt,
die Fläche 8^ zur Fläche 8. Die wesentlichste Eigenschaft der Trans-
Edinbnrgh, and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science. Volume XXUI.
p. 338 — 347. London 1843). Auf p. 338 findet sich folgende Definition, welche
später auch auf Flächen angewandt ist: If in the plane of a curve we take any
point. as a pole and produce the radins yector, so that the rectangle under radius
vector to the original cnrve on the whole produced radius be constant or equal to
Ä*, we may call the locus of the extremity of this produced line the inverse curve
to the one from which it is produced, and the extremity of the produced radius the
inverse point to the extremity of the original: as an exemple, the cardioide is the
inverse of the parabola, the focas being the pole; the lemniscata is the inverse of
the equilateral hyperbola.c Auf p. 343 findet sich der Satz: »Hence the normals
of inverse points of surfaces are in the same plane and equally inclined to the
common radius. c Endlich auf p. 344 wird bemerkt — »or the inverse of a line of
curvature on a surface is the line of curvature of the inverse surface; or if the
line of curvature of a surface be known, that of its inverse surface is had by descri-
bing a cone with the pole as vertex and passing through the line of curvature on v
direct surface, the line in which it pierces the inverse surface is a line of curvature.«
Die vorstehenden Resultate finden sich einige Jahre später im »Journal de Mathe-
matiques« reproducirt. In dem »Extrait d'une lettre de M. William Thomson
ä M. Liouville« (Tome X. Ann^e 1845 p/ 364— 367) findet sich folgende Defi-
nition: »Soient C le centre d'une sphöre S; 0, Q' deux points pris sur un meme
rayon CA et sur son prolongement , de teile mani^re que
CQ . CQ' = CA^
et P un point quelconque sur la surface Ä On a comme on sait,
Fq - AQf'
On peut ä cause de ce theoreme, appeler Q et (/ points reciproques rdatifs ä la
sphere 5, dont chacun est V Image de Pautre sur la sph^re.c In einer weiteren
Mittheilung: »Extraits de deux lettres adresseesaM. Liouville parM. William
Thomson« (T. XU. Ann^e 1847, p. 256 — 264) wird die Lage eines Punktes im
Baume, als Schnittpunkt dreier, zu einander gegenseitig orthogonalen Eugelflächen
bestimmt und die Transformation auf physikalische Probleme angewandt. Zu diesen
Mittheilungen hat Hr. Liouville u. d. T. : »Note au sujet de l'article pr6c^ent«
(T. XII, p. 265 — 290) eine Beihe von Entwicklungen beigefügt. Man findet dort
6 ALFRED ENNEPER,
formation, welche im Folgenden in Betracht kommt , besteht darin, dass
den Krümmungslinien der Fläche 8 auf der Fläche 8^ ebenfalls Krüm-
mungslinien entsprechen. Ein Beweis dieses bekannten Satzes ergiebt
sich im Folgenden von selbst» bei Aufstellung einiger nothwendigen
Formeln.
Es seien ^©»^o»^©' ^*2/^^ ^^^ ^it^i»^ die Coordinaten der Punkte
O, P und Pj, zwischen denselben bestehen dann die Gleichungen:
IN ^1— '^o ^^1—^0 ^ ^1-^0 ^ /
^ ^—^0 y—vo ^—^0 {^—^SM!f—!fJ+[^—»S
Zur Vereinfachung der Formeln führe man folgende, abkürzende
Bezeichnungen ein:
(a?— J?Jcoso + (j^— yJcos6+(5f— a?^)cosc= Q,
(a?— iTjcosa +(y— j^o)^o®*'+(^— ^o)^^sc' = Q,
*) (^ — «rjccsa^+ty— yo)cos6"+(;r— a?Jcosc''= Q",
also auch:
3) (^+Ci'^'Q'^^N.
Es seien u und t; die Argumente der Krümmungslinien der Fläche
8, die Anwendung der Gleichungen 2) und 3) von II giebt durch Diffe-
rentiation der Gleichungen 1) folgende Differentialquotienten, wobei die,
durch Gleichungen 3)» definirten Abkürzungen gebraucht sind.
(p. 276) »Nons donnerons ä cette transformation le nom de transformation par
rayona vecteurs riciproqueSj relatiyement a rorigine 0. Die sämmtlichen angeführten
Aufsätze der Hn. Thomson und Lionville finden sich 25 Jahre später abge-
druckt mit der Ueberschrift »Electric imagesc im »Reprint of papers on Electrosta-
tics and Magnetism by Sir William Themse n.€ (London 1872, p. 144-:-177).
Wegen der allgemeinen Annahme der Bezeichnung des Hn. Liouyille findet sich
dieselbe auch in diesen Untersuchungen beibehalten, wenn auch der von Hn. Stubbs
gewählten Bezeichnung in Beziehung auf Priorität und Kürze der Vorzug gebührt.
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 7
4) l±±- (C086'- 2^-^0 0')^^
du — ^<^°«<^ ^ N ^' N '
5) /|l = (eos6"_2^-9^QÄ
^ = (cosc"-2i=^Q«)ö?.
6)
Diese Gleichungen geben:
rf« rft) <iM rft> du dv
Setzt man:
') (^)V(|f)V(^)*=..,(^)V(|^)V(^) = «.
80 findet man mittelst der Gleichungen 2), 3), 4) und 5):
■*^i — iV* • ^ — iV* '
woraus :
folgt. Die erste Gleichung 4) nach v differentiirt giebt, mit Hülfe der
Gleichungen 2) — 9) von II, die folgende:
8
ALFRED ENNEPER,
Wegen der Gleichungen 4), 5) und 8) reducirt sich die vorste-
hende auf:
dudv du SJE[ dv * dv s/g^
du
Vertauscht man hierin «r^ mit y^ und z^ , so ergeben sich zwei
weitere Gleichungen, welche in Verbindung mit der vorstehenden Glei-
chung und der Gleichung 6) zeigen, dass u und i; auch die Argumente
der Krümmungslinien der Fläche 8^ sind. Die Normale zur Fläche 8^
bilde im Funkte P^ die Winkel a^, b^, c^ mit den Goordinatenaxen.
Es ist dann:
cosa, =
1 0 0
da^i dy ^ dz^
du du du
da?^ dy^ dz^
dv dv dv
1
w^:
oder, in Folge der Gleichungen 4), 5) und 8):
cosa^ =
0
X — X,
cosa
2 J^Q cosfc'— 2?^#AQ' cosc'
N
N
jr
cos a — 2 "^ ^'> Q" cos 6"— 2 ^^#^ Q" cos c"
0
2^0-
Zur Reduction werde diese Gleichung mit der Gleichung 13) von
II multiplicirt, d. h. mit der folgenden:
cosa , cos6 , cosc
cosa, cos 6', cosc
cosa", cos 6", cosc"
Das bemerkte Frodukt lässt sich, mit Rücksicht auf die in 2) auf-
gestellten Bezeichnungen, schreiben:
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U. SPHÄRISCHENETC. 9
cosa. .=
cosa
2QQ'
N
N
1
cosa
2Q"
■ N
2Q'Q"
N
ff
cosa
2Q'(y
iV
2Q"*
d. i.
cosa
/, , Q"+ Q"'\ , „ Q' cosa' +0" cos a-
= ^1-2 ^ jcosa + 2 :^ Q,
oder auch:
9) ..».^-(.-og!±^+Q-).... I .Qcosa-f <ycosa-4-Q'cosa-^
In Folge der Gleichungen 2) und 3) ist:
Q'+Q''+Q'"= N, Qcos a+Q' cos a'+Q" cosa" =a:-a:^.
Die Gleichung 9) reducirt sich hierdurch auf :
cosa
— C08a + 2 — z^r-^ Q.
Auf analoge Weise lassen sich die folgenden Gleichungen aufstellen
10)
cosa^ = — cos
X — X
a+2 j^ ^Q. cosb^ = — cos& + 2^ j/^'Q'
cosCj = — cosc-f-2
Q.
Bedient man sich für die Fläche 8^ ähnlicher Bezeichnungen wie
die in II für die Fläche 8 gebrauchten, so sei:
1 dx^
11)
\fE[ du
1 tLc^
= cosa
=: cosa
'* \/E[ du
" \/G[ dv
cos 0 , , -7=: -j-s- = cos c , ,
* \/E[ du ^'
j.» 1 dz.
Die Oleich ungen 4) und 5) lassen sich dann nach 8) und 11) auf
folgende Art schreiben :
Mathem. Glosse. XXVI. 2. B
10 ALFRED ENNEPER,
12) cos«, = cosa — 2 -^— Q'. cos h\ = cos 6'— 2^^— C?.
COS c ^ = COS c — 2 — =~^ Q .
1 3) cos a" ^ = cos a"— 2 ^~'^^ Q", cos 6" ^ = cos 6"— 2 ^"^^ Q",
2? — — 2f
cosc ^ = cosc — 2 — T^^Q •
Werden die Hauptkrümmungshalbmesser der Fläche 8^ im Punkte
Pj durch r\ und r"^ bezeichnet, so kann man zu deren Berechnung
sich der folgenden Gleichungen bedienen :
l dx^ rfcosöj 1 dj/^ rfcosÄj 1 dz^ rfcosCj
r\ du du ' r\ du du ' r\ du du '
1 dXy rfcos«! 1 djf^ dcosb^ 1 ^2?^ rfcosCj
r\ dv rfv ' r''^ dv dv ^ r" ^ dv dv '
Aus den vorstehenden Gleichungen leitet man durch Multiplication
mit J? — a?jj, y — ^o» ^~^o ^^^ Addition die folgenden ab:
,rfcosa, , ,rfcos6, , ,rfco8C,
__ ^ {^—^0 ) cos a , -i-{y—yJcosb^-\-{z—zJcoac^
du
(das dy , dz \
^cosa,+^co.6,+3-co8c,j.
,(/cosa. . , rfcosÄ, . ^ rfcosCi
^ ^{x—Xo)co8a^-]-{y — y^]cosb^-{-{z - zjcoaci
dv
(dx dy , dz \
^C08a,+ ^^COsfe,+ ^C08C,j.
UNTERSUC HÜNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.8PHÄRISCHEN ETC. 1 1
Verbindet man die vorstehenden Gleichungen mit den Gleichungen
4), 5) und 10), bedient sich der in II gegebenen Formeln, so sind die
Hauptkrümmungshalbmesser der Fläche jS^ auf folgende Art bestimmt:
Q* N q' N
14) -J- =-; + 2Q. _^= _t.2Q.
Von den Gleichungen 8), 1 0), 1 2), 1 3), und 1 4) lassen sich auf die
Flächen mit einem Systeme planer oder sphärischer Krümmungslinien
folgende Anwendungen machen. Eine Ebene oder eine Kugelfläche geht
durch Anwendung der Transformation durch reciproke Radii vectores
allgemein in eine Kugelfläche über, die in besonderen Fällen eine Ebene
sein kann. Hat die primitive Fläche ein System sphärischer Krüm-
mungslinien, so hat die transformirte Fläche dieselbe Eigenschaft. Man
kann auch, was analytisch nicht ohne Interesse ist, von der transformirten
Fläche ausgehn und sich die Frage stellen : welche Bedingungen muss
die primitive Fläche erfüllen, wenn für die transformirte Fläche durch
reciproke Radii vectores ein System von Krümmungslinien plan oder
sphärisch ist? Die Lösung dieser Aufgabe lässt sich mit ziemlich ein-
fachen Rechnungen durchführen, wie im Folgenden gezeigt werden soll.
Ist für eine Fläche 8 das System der Krümmungslinien (v) sphä-
risch, so hat man in Folge der Gleichungen 2) und 3) von III:
I* = x-^R^icosacosa — cosa'sina),
15) ri*^ = y-{-R^(co8b cos a — cosfe'sina),
t* = 2? -|- JBj (cos c cos a — cos c sin a).
1 cosa sina dsjG
Es ist [^*2^ fl\, t\) der Mittelpunkt, JK^ der Radius der osculatori-
schen Kugelfläche der sphärischen Krümmungslinie (v), welche durch
den Punkt [x,y,z) der Fläche Ä geht; a ist der Winkel, welchen der
Radius JR^ ^it der Normalen zur Fläche Ä im Punkte [x,jf,z) einschliesst.
Die sämmtlichen Quantitäten $2» ^2» ^2' ^2 ^^^ ^ ^^^^ ^^^ ^^^ ^ ^^
hängig.
B2
12 ALPRED ENNEPER,
Ist das System der Krümmungslinien {v) für die Fläche 8 plan»
wobei Kreise ausgeschlossen sein mögen, so ist in der Gleichung 16)
JB^ = oo zu nehmen. An Stelle der Gleichungen 15) tritt folgende»
unter 3) in IV aufgestellte, Gleichung der Ebene der planen Krflm-
mungslinie :
17) a?co8cr+^co8/? + ;rco8y = Si,
wo cos cc, cos^, cosy und i2 nur von u abhängen. In den Gleichungen
15) subtrahire man auf beiden Seiten a?^j, y^, z^, setze also:
1I2 — ^0 = ^ — «^0 + ^2 (cosacosa — cosa sina),
1J2 — Ifo ^^ y — yo + ^2 (cos 6 cos a — cos 6' sin a),
tj — z^ = z — z^ + JBg (cos c cos a — cosc sina).
*
Man bilde die Summe der Quadrate der vorstehenden Gleichungen
unter Anwendung der in den Gleichungen 2) gebrauchten Bezeichnungen«.
Die bemerkte Summe giebt:
(n - ^0)*+ inl -yS+ (C; -^o)* = N+ 2R^ (Qcosa- Q'sin o)-\- 12|.
Hieraus folgt:
19) iV+2K,(Qcosa-Q'sina)= (r,-^o)'+(^;-yo)'+(f;-^o)-*i-
Wird für eine Fläche 8 das System der Krümmungslinien {v) auf
der transformirten Fläche 8^ sphärisch oder plan, so findet für die
Fläche Ä^ eine ähnliche Gleichung, wie die Gleichung 16) statt, nämlich:
1 cos</ 8in</ rf\/^i
wo R^ und a' nur von u abhängen. Setzt man fürjE^, G^ und r" ^ ihre-
Werthe aus den Gleichungen 8) und 14) ein, so folgt:
,0) Z = _(^+,«).,,,+ (^l^_,«),„..
Wird diese Gleichung nach v differentiirt , so hat man nach dea
Gleichungen von II:
UNTERSÜCHUNGENÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 13
dN_ r^ dQ _ Q'sjG dQ _ Q' dsjG
dv ~ ^ ^ ' dv ~ r" ' dv ~ \Ie du '
Mit Weglassung des Factors N führt die bemerkte Differentiation
auf folgende Gleichung:
l JL_ d\[G
^r . , ^V^G du . .
0 = T~ . cosa +a — 7-^ sma.
dv dv
Bezeichnet R^ eine Function von u allein, so kann man setzen :
1 cos</ sin </ d>jG
Diese Gleichung sagt aus, dass auch für die Fläche 8 das System
(t;) sphärisch ist. Die beiden Gleichungen 16) und 21) fallen zusammen
für — cos</ = cosa und sin</ = sina, d. i. </ = n — a, was die Rela-
tion zwischen deu Winkeln o und (/ ist. Für a = n — a wird die
Gleichung 20);
Durch Anwendung der Gleichung 16) wird die vorstehende Glei-
chung einfacher:
23) ^ =-^ + 2(Qcosa— Q sina).
oder:
JR
^ ^ = iyr+ 2 JB j (Qcosa — Q'sin a)
d. i. nach 19):
24) /|^ = (n -*•)'+(»?; -yj'+(f;-*«)'--Ri
14 ALFRED ENNEPER,
Man kann umgekehrt die Gleichung 20) oder 22) als Folge der
Gleichungen 1 6) und 1 8) deduciren , wenn der Werth von R^ dahe\^
durch die Gleichung 24) bestimmt ist. Ist das System {v) für die
Fläche iS plan, so findet die Bedingung statt:
cosa 8iua dsJG
25) 0 = — ^4--7== --}—.
Die Gleichung 22) wird dann einfacher:
26) ^ = 2(Qcosa— Q'sina).
Für ein planes System finden die in IV aufgestellten Gleichungen
l) statt, nämlich:
cosa = cosacosa — cosasina,
27) cos/? = cos 6 cosa — cos 6 sin a,
cos Y = cos c cos a — cos c' sin a.
Die vorstehenden Gleichungen respective mit x — x^, y — y^ und
z — z^ multiplicirt und addirt geben, mit Rücksicht auf 2):
{pß — a?^^)co8a + (y — yj^)cos/J+(2r — 2:<>)cosy = Qcosa — Q'sina,
d. i. nach 17):
i2 — (a?oCOScr+y^co8/?-+-5?^cosy) = Qcosa — Q'sina.
Hierdurch lässt sich die Gleichung 26) auf die Form :
^®^ 2%^ = i2 — (^o^ös^+yoCös/^ + ^o^ösy)
bringen. Die Gleichung 26) ist auch umgekehrt eine Folge der Glei-
chungen 17), 25) und 27), wenn K^ durch die Gleichung 28) be-
stimmt ist.
Die Gleichungen 15) geben als Gleichung der osculatorischen Ku-
gelfläche einer sphärischen Krümmungslinie (v):
1
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHENMITPLANENü.SPHÄRISCBENETC. 15
29) (i; - x)*-h {fil -yY+ (£1 - zf = ß|.
Geht diese Kugelfläche durch einen festen Punkt (<t^o'^o' ^o) ^^ ^®^'
Findet diese Gleichung statt, so verschwindet die rechte Seite der
Gleichung 24), es ist dann R\ = cx), d. h. die transformirte Krüm-
mungslinie ist plan. Ist die primitive Krümmungslinie plan, geht ihre
Ebene durch einen festen Punkt (^Q,t/Q. z^), so hat man nach 17):
In der Gleichung 28) verschwindet dann die rechte Seite , es ist
wieder i?^ = oo. d. h. die transformirte Krümmungslinie ist plan. Aus
dem Vorstehenden ergeben sich folgende Resultate. Wird ein System
von Krümmungslinien einer Fläche 8 mittelst der Transformation durch
reciproke Radii vectores sphärisch , so ist das primitive System der
Fläche 8 ebenfalls sphärisch oder plan. Wird ein System von Krüm-
mungslinien einer Fläche 8 mittelst der Transformation durch reciproke
Radii vectores plan , so ist das primitive System ebenfalls plan oder
sphärisch, wobei entweder die Ebenen der planen Krümmungslinien
oder die osculatorischen Kugelflächen der sphärischen Krümmungslinien
durch einen festen Funkt O gehen. Der Punkt O ist das Centrum der
Transformation. Bei der Deduction dieser Resultate ist die transformirte
Fläche zu Grunde gelegt, ein Verfahren, welches gestattet einige Sätze
unmittelbar umzukehren. Man kann auch für die primitive Fläche 8
direct die Gleichung 16) oder 25) zu Grunde legen und dann mit Hülfe
<ier in II aufgestellten Gleichungen die transformirte Fläche untersuchen;
der im Obigen eingeschlagene Weg ist für den vorliegenden Zweck etwas
einfacher und von mehr Interesse.
Zur Vervollständigung der für die Fläche 8^ aufgestellten Glei-
chungen mögen noch für diese Fläche einige geometrische Elemente be-
stimmt werden. Für die Fläche 8^ findet die Gleichung 20) statt. Es
sei (f, f[, £^ der Mittelpunkt der osculatorischen Kugelfläche der sphäri-
16 ALPRED ENNEPER,
t
sehen Krümmungslinie {v) auf der Fläche Ä^. Analog den Gleichungen
1 8) hat man die folgenden :
^ — ,r^ = .Tj — a?^'\-R2{'^08a^coB(/ — cos a'j sine/),
rf — y^ =^1 — yo + ^2(^^®^i^^®^ — cosft'j sinö'),
J' — Zq = z^ — ^r^ + lfj (cosc^ cos</ — coscjsina').
Man setze rechts die Werthe von x^^^i z^ aus 1), cosa^, cos6^,
coscj aus 10); cosaj, cos6',, cosc'j aus 12) ein und setze wieder & =
n — o. Es folgt dann:
30)
ff* — 2i?2(Qcosa — Qsin a)\ — ^^v-^+Ä'^lcosacosa — cosa sina),
ff — y^ == [^*— 2JB'2(Qco8 <^— Q'ßin g)j J^^ + ^2 (^^^ * cosa— cosfe'sin a),
ff* — 2Rj^{Qcoa0 — Q'sino) — ^-^ + i?, (cosccosa — cosdaina).
Findet die Gleichung 23) statt, so ist:
R
/— 21?, (Qcos ff— Q'sino) = ^N.
Die erste Gleichung 30) wird dann einfacher:
|'_ a?„ := [x — a?, + R2 (cos a cos a — cos a sin ff)J -g* ,
d. i. nach 1 8) :
R
r— iPo = (§2-*o)]B •
An Stelle des Systems 30) lässt sich folgendes setzen , in welchem
R
der Werth von -^ aus der Gleichung 24) eingesetzt ist:
^2
«.f-J2|
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 1 7
Ist die primitive Krümmungslinie (v) plan, so ist nach 26):
/= 2R^{Qcosa—Q'8ina).
Mit Rflcksicht auf diese Gleichung, die Gleichungen 27) und 28)
erhält man aus 30):
cos« cos/? cosy * 2[Si — <r^ cosa — tfQCOsß — z^cosyY
IX.
Einige Bemerknngen über Flächen mit sphärischen
Krümmungslinien.
Zur Vermeidung von Wiederholungen und der besseren Uebersicht
wegen, sollen in diesem Abschnitt einige besondere Fälle von Flächen
mit einem System sphärischer Krümmungslinien zusammengestellt werden.
Sind die Mittelpunkte der osculatorischen Kugelfiächen eines Systems
sphärischer Krümmungslinien concentrisch, so ist das andere System plan,
die Fläche hat dann einige merkwürdige geometrische Eigenschaften,
wie weiter unten dargethan ist. Gehen die bemerkten osculatorischen
Kugelflächen durch einen festen Funkt, so gestattet die in VIII gege-
bene Untersuchung eine Reduction des Problems auf die in IV ge-
fundenen Resultate.
Setzt man zur Abkürzung:
l) R^cosa =1 p^, R^8ma = q^ 2) R^cost = p^, R^sint = q^,
so lassen sich die Gleichungen 2), 3), 10) und 11) von III einfacher auf
folgende Art schreiben :
I* = af-^-p^cosa — jfjcosa,
£* = z+p^ cos c -- q^coBc\
d\[G
T
3)
4)
5)
1
SIEG du
Mathem. Glosse. XXVI. 2.
»/* =y+^,co86 — jjCosfc",
l\ = «+/>, C08C — JjCOSc".
' f sTEG dv
18 ALFRED ENNEPER,
Es sind f*, iy*, C*, p^ und q^ nur von u, |*. i?*, f*, ;>, und j^
nur von v abhängig. Je nachdem die Gleichungen 3) oder 4) statt-
finden, ist das System [v) oder (le) sphärisch. Die Gleichung 5) kann
als Folge der Gleichungen 3) angesehen werden, wie sich unmittelbar
durch Differentiation der Gleichungen 3] nach v ergiebt. Eine ähnliche
Bemerkung gilt für die Gleichung 6) in Beziehung auf die Gleichungen 4).
Es mögen die Gleichungen 4) stattfinden, also das System (u) sphä-
risch sein. Durch Differentiation der Gleichungen 4) nach v erhält
man, unter Zunahme der in II aufgestellten Formeln,:
dv \dv ^« r-r^''^^ du <=08'^-t-\Vt'-/', ^" ^^)
cos c".
Sind die osculatorischen Kugelflächen des sphärischen Systems con-
centrisch, so haben |*, ti\, t\ constante Werthe. In den Qleichungen
7) verschwinden dann die linken Seiten, hierdurch reduciren sich diese
Gleichungen auf:
8> ^JLL_a ^-0 9) ll-^-O 10) dG-t> V!?_^-0
Nimmt man in der Gleichung 9) q^ =0, so giebt die Gleichung
8) -^ = 0, also |), = Ar, wo A: eine Constante bedeutet. Für p^ = k
und q^ = 0 geben die Gleichungen 4):
f* — w = kcosa, fi\ — y = kcosb, f* — z = kcosc.
Die Summe der Quadrate dieser Gleichungen giebt:
was die Gleichung einer Kugelfläche ist. Die Gleichung 9) giebt ferner :
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PL A NEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 19
du '
das System der Krfimmungslinien {v) ist dann plan, die Ebenen des
Systems enthalten die Normalen zur Fläche. In diesem Falle hat man
in den Gleichungen 10), 11) und 12) von IV a = — zu nehmen*).
Wegen der in IV B enthaltenen Ausführungen ist femer ö = co + V»
die Gleichungen 10), 11) und 12) von IV gehen dann in folgende über:
Icoso = cos / cos(co+y;) — co8>l8in(ai + ^), /cosa' = — cosa»
cos6 = cos m cos ((o + y/) — cos^8in(ai+^), 12) |cosy = — cos/},
cosc = cos » cos (cü + ^) — cos r sin (ai -|- ^}, (cosc = — cosy.
Icosa" = cos / sin (co H- y/) + cos X cos (co + y/),
cos 6" = cos m sin (<o + y) + cos fi cos (co + y/),
cos c" = cos n sin [fxi '\- ^f) -\- cos v cos (co + y/).
Legt man die Gleichungen 50) von IV zu Grunde , so ffihrt die
Bedingung :
^-^ = 0
du
zu folgenden Bestimmungen der Coordinaten:
/(j?— f)cosa+(y— ij)cos/?+(^2f — i;)cosy=0,
dV ,
1 4) )!f—^ ^08 ^ + (y — »?) cos iW + (a? —l) cos ^ = ^ cos (co+y/) + Fsin (co+y;),
dV
(d?— f)cos /4-(y — ij)cosm+(a? — £)cosn = j-- sm (co+y;) — Fcos(aH-y;).
In diesen Gleichungen sind <r, y, z die Coordinaten eines Punktes
der Fläche, es ist V eine beliebige Function von y; oder t;, alle fibrigen
Quantitäten beziehen sich auf eine Curve doppelter Krfimmung unter
*) In den bemerkten Gleichmigen von lY hat <r eine andere Bedeuttmg wie
in den Gleichungen 1) dieses Abschnitts, was indessen zn keiner Verwechselnng
Veranlassung giebt.
C2
20 ALFRED ENNEPER,
Zugrundelegung der in I gebrauchten Bezeichnungen« Die erste Gleichung
14) giebt nach u differentiirt :
ds
(cos a cos a + cos b' cos ß + cos c cos y) >JE — -r-
{oo — I) cos i + (y — iy) cos ^ 4- (^ — Vi cos V ds
Q du
Wegen der Gleichungen 12) und der zweiten Gleichung 14) folgt:
15) V^
cos (co + V^) + Fsin {(o-\-\fi) 1 ,
Q -^ du
Die letzte Gleichung 14) nach i; differentiirt giebt:
_ id^y \ dw
{co8 a" cos (-{-cosb" cos m-^ cos c" cos n)yG = Ij-j + F I sin (co + V') ;r^ »
d. i. nach 13):
Es ist:
a yJE , dcosa sJO
- = — ^cosa, — 3 — = — ^
d cos M> Y -*^ t ** \^vra M> V ^^ ft
— = — = — -^cosa, — j — = — -Hrcosa .
du r dv r
Mittelst der Gleichungen 11), 12) und 13) findet man:
6m{m-\-ip)ds \IE dtf> _\]G
*^) ^ Tu^~7' 18) ^--TT.
Aus 1 6) und 1 8) erhält man noch :
— sfG
Die Substitution der Werthe von \/G und -tt aus den Gleichungen
16) und 18) in die Gleichungen 8) und 10) geben folgende Belationen
zwischen p^ und q^ :
dp^ _ dtp /^.tA^ ^^_^_o
l^—^^do' \dyß^'^^Jdv~^^dv dv ~ ^'
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 21
oder, wenn y> zur unabhängigen Yariabeln genommen wird :
d^V , „ da.
Setzt man den Werth von q^ aus der Oleichung 20) in die Glei-
chung 21) so folgt:
also :
22) V — p^ = ilcos^ — JBsin^,
wo A und B Constanten sind. In .den Gleichungen 4) nehme man
einfacher f * = 0 , ij* = 0 , f* = 0. Die erste dieser Gleichungen
wird dann:
0 =ir+^jCOsa — q^cosa",
d. i. nach 11), 13) und 20):
0 = ir+/?j cosZco8(ai+y/) — cos A sin (co + V') j
— ^^ cos Zsin (co + ^) + cos A cos (oi + tp) .
Setzt man hierin ffir x seinen Werth aus den Gleichungen 1 4) ein,
80 ergiebt sich:
0 = f+[rf— ^^ cos (ai+V/) + (F— /?J sin (01 + ^^)1008^
+ [rf— ^;^8in(oi + V') + (F— ;>j)cos(co+v/)]cosZ,
d. i. wegen 22):
0 = |+(-4sinoi — £cosco)cosA — (ilcostti-}~Bsintti)cosZ.
Aus dieser Gleichung entwickele man den Werth von | und fttge
1
22 ALFRED ENNEPER,
die analogen Gleichungen für ij und f hinzu. Es ergiebt sich dann
folgendes System :
1f = {BcoBü} — Asinoo!) cosX '■\^ {B 8inQ}'\- Acos(o)cos l ,
$1 = {B cos CO — A sin co) cos^ + (B sin co-[- A cos co) cos m ,
f = (£costti — A8inw)cosP'\-{Bsma}'\-Acos(o)cosn.
Die Summe der Quadrate dieser Gleichungen giebt:
d. h. der Punkt (f, ij, f) liegt auf einer Kugelfläche. Man kann zu die-
sem Resultate auch auf folgende Art gelangen. Die Gleichungen 15)
und 16) geben:
1 d^ cos(ai + yi) ds
sfO dv Q du
Die Gleichung 6) multiplicire man mit \jE, setze also:
Werden hierin die Werthe von:
f^ >ß 1 dsjE
aus den Gleichungen 15), 17), 20) und 24) substituirt, so ist die er-
ds
haltene Gleichung durch ^ theilbar, mit Weglassung dieses Factors folgt :
V—p
d ^^^ cos((o+y)+(T^— yi)8iP(ctf+y) = 9
d. i. nach 22):
ilsinco — J?cosai = ^,
durch welche Gleichung allgemein eine sphärische Curve characterisirt
ist. In die Gleichungen 1 4) fahre man die Werthe von |, i}, f aus den
Gleichungen 23) ein, es lassen sich dann die Gleichungen 14) durch
folgendes System ersetzen:
UNTERSUCHUNQENÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 23
xcosa -^-y cos ß '■\-z cosy = 0,
s (cos /sin CO -f- cos X cosco) +y (cos m sin cö-|- cos^ cos co)
dV
. , 4" ^ (cos n sin 01+ cos i' cos Ol) = J?+^j — cos^+Fsiny/,
«r (cos /cos Ol — cos Jl sin oi) +y (cos i» cos oi — cos /i sin o>)
+,(oo,„co,a._c„.,si„») = A+'^^uy,- V.o>y,.
Die erste dieser Gleichungen ist diejenige der Normalebene einer
sphärischen Curve. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich folgendes
Theorem :
Sind die osculatorischen Kugelflächen eines Systems sphärischer
Krümmungslinien concentrisch , so sind die Krfimmungslinien des
andern Systems plan. Die Ebenen des planen Systems sind die
Normalebenen einer beliebigen sphärischen Curve und enthalten
gleichzeitig die Normalen der Fläche.
Soll das System (v) ebenfalls sphärisch sein, so findet die Gleichung
ds/G
5) statt. Dieselbe reducirt sich wegen -4 — = 0 auf r" = p^ d. i.
nach 19):
Da die linke Seite nur von tp oder v, die rechte nur von u abhängt,
so muss jede Seite der vorstehenden Gleichung constant sein. Es ist
also P2 = Ar, mithin auch r" =^ k, wo k constant ist. Die Gleichung :
giebt :
V = k — A^ cos V' + B^ sin ip ,
wo Aq und B^ Constanten sind. Ffir diesen Werth von V werden die
rechten Seiten der beiden letzten Gleichungen 25) :
24 ALFRED ENNEPER,
dV
5 + ^0081//+ Vsmtff = -B + J?^^+A:8ini/;,
dV
il+^sin^ — Fco8^ = A-^-A^ — Arcos^.
Die CoDStanten A^ und B^ vereinigen sich mit den Constanten A
und £, man kann, unbeschadet der Aligemeinheit, A^ = 0, B^ =i 0,
also F = A: nehmen. Für F= A: geben aber die Gleichungen 14):
(^ — l)co8a+(y — ij)co8/? + (^ — f)co8y = 0.
Da die zweite dieser Gleichungen sich auch schreiben lässt:
80 erhält man unmittelbar folgendes
Theorem :
Sind die osculatorischen Kugelflächen eines Systems sphärischer
Krfimmungslinien concentrisch , soll das zweite System ebenfalls
sphärisch sein, so ist die Fläche die Enveloppe einer Kugelfläche
yon constantem Radius, deren Mittelpunkt eine beliebige sphärische
Curve beschreibt.
Aus den Gleichungen 3) ergiebt sich als Gleichung der osculatori-
schen Kugelfläche einer sphärischen Krümmungslinie {v)i
26) (i;_^)»+(,,;_y)»_|_(j:;_;,)« = p|+^|.
Geht diese Kugelfläche durch den festen Punkt (.r^^, y^^, z^), so
findet die Bedingung statt:
27) (r.— a^„)'+(n;-y.)'+(:;-«o)* = ?l4-?|.
mit deren Hülfe sich die Gleichung 26) auf folgende Form bringen lässt:
28) 2(a?-a?,)(i;— a?J+2(y— yo)(»Jj— jrjH-2(z-«^)(f;-^J
== (*-*o)'+(y-y«)*+(«'-«'o)*-
Man wende hierin die Transformation durch reciproke Eadii vectores
an, nehme den festen Punkt zum Centrum der Transformation und setze :
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 25
29^ ^ — '^o = y—y^ = ^— ^0 ^ ? ^
^ ^1—^0 ^1—^0 ^1—^0 (^1— <^o)'+(yi— yo)*+(^i— O*
Die Gleichung 27) geht dann in folgende Gleichung einer Ebene
über, welche £bene eine plane Krümmungslinie der transformirten Fläche
bestimmt , in welche die sphärische KrOmmungslinie der primitiven
Fläche übergeht:
An Stelle der Functionen |*, i?*, f * führe man drei Winkel a, /?, y,
und eine Function Sl durch folgende Gleichungen ein :
31)
l2~^0 _ ^2—^0 _ ^2~^0 _ 1,
COS er cos/? cos}^ i2'
Wegen der Gleichungen 31} lässt sich die Gleichung 30) auch
schreiben :
Hierdurch ist die Bestimmung der Flache mit einem System sphä-
rischer Krümmungslinien, deren osculatorische Kugelflächen durch einen
festen Funkt gehn , auf die Bestimmung der allgemeinsten Fläche mit
einem System planer Krümmungslinien reducirt. Man kann immer
a, /f, Y äIs die Winkel ansehn, welche die Tangente einer beliebigen
Curve doppelter Krümmung mit den Coordinatenaxen bildet. Vertauscht
man in den Gleichungen 3) von IV «r, y, z respective mit x^ — ^©»^i — y©»
^1 — ^0» ^^ ^^^* ^^^ bemerkte Gleichung mit der obigen Gleichung 32)
zusammen. Um die allgemeinsten Werthe von o?, y und z zu erhalten,
welche den Gleichungen 3)» 5) und 27) genügen, setze man in den Glei-
chungen 40) von IV x^ — a?^, y^ — y ^. z^ — z^ statt «r, y, z, darauf ent-
wickele man die Werthe von x^ — *r^, y^ — y^^ z^ — z^ aus den so er-
haltenen Gleichungen und substituire dieselben in die Gleichungen 29);
wodurch sich unmittelbar die gesuchten Werthe von *r, y und z ergeben.
Maihm. Glosse. XXVI. 2. D
26 ALPRED ENNEPER,
Man kann zu diesem Zweck auch einfach in den Gleichungen 40) von
IV X, ff, z respective ersetzen durch:
wo J = [x—x;i'+[y—y^f+{z — z^)\ Für den Fall, dass :; = z,
oder cosy = 0 ist, sind die Gleichungen 67) von IV zu Grunde zu le-
gen. Eine weitere Ausführung der Rechnungen bietet keine Schwierig-
keiten, 80 dass es unnötbig erscheint, dieselben hier weiter auszuführen.
Für den Fall , dass in den Gleichungen 3) oder 4) eine der Quan-
titäten p^ oder p^ constant ist. bildet die gesuchte Fläche eine Parallel-
fläche zu derjenigen, für welche p^ oder p^ verschwindet. Diese Be-
merkung erlaubt einige der folgenden Betrachtungen zu vereinfachen.
Bewegt sich der Mittelpunkt einer Kugelfläche von variabelem Ra-
dius auf einer Curve doppelter Krümmung, so hat die Enveloppe der
Kugelfläche ein System von Krümmungslinien , welches aus Kreisen be-
steht, also gleichzeitig sphärisch und plan ist. Dieses ist das einfachste
Beispiel einer Fläche mit einem System sphärischer Krümmungslinien,
aus diesem Grunde sollen einige Entwickelungen über diesen Fall bei-
gefügt werden , welche gleichzeitig zur Motivirung einiger Rechnungen
für den allgemeinen Fall sphärischer Krümmungslinien gelten können*
Ist das System {v) sphärisch , so besteht die Gleichung 5) , dieselbe mit
r' multiplicirt giebt:
Ist das System (v) gleichzeitig plan, so hat man weiter:
r" d\/G
wo a^ eine' Function von u allein bezeichnet. Die Gleichungen 33) und
34) geben:
r'' = ;?2— y^cotcT^,
oder :
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHENiETC. 27
35) 1^2""^" = 9^2^^^ ^0*
Die zweite Gleichung 10) von II, nämlich:
du r du
giebt entwickelt:
(
r'l \Ig du du
Aus dieser Gleichung und der Gleichung 34) folgt:
/ r"\ — dr"
oder:
l-^|v/B=--^tangv
Aus den Gleichungen 3) und 5) von II findet man leicht:
dx „dcosa dy „dcosb dz „dcosc
dv dv * dv "" dv ^ dv dv *
Da r" nur von u abhängt, so geben die vorstehenden Gleichungen
integrirt :
37) X = I — r^cosa, y = ij — r^cost, z = f — r''cosc,
wo |. ij, t nur von u abhängen, folglich als Coordinaten eines Punktes einer
Curve doppelter Krümmung angesehen werden können, auf welche sich die
Formeln von I anwenden lassen. Die Gleichungen 37) finden sich schon
in III aufgestellt. Aus der ersten der bemerkten Gleichungen folgt:
Diese Gleichung nach u differentiirt, giebt nach 2) und 4) von II :
dS dr"
_ = _.cosa+(l-7jV^cosa.
D2
28 ALFRED ENNEPER,
oder mit Bücksicht auf die Gleichung 36):
dj dr" , '., , I dr" , _
du
f . •
38)
-rfu'^"
118 a — ü«
ü»a IUI
'0*^0
^ cosa^ du
\y\j9 u uuö Uq —
KiMO %Mf OAU ^QJ»
Auf die
angegebene Art erhält man aus 37) folgende
Gleichungen :
du
1
COSCT^
dr"
du '
, (cosacosa^ —
cosa sina^),
dti
du
1
cosa^
dr"
du
. (cos b cos a^ —
cos 6' sin «Tq) ,
dt
du
1
cosa^
dr"
du
. (cos c cos a^ —
cosc sinir^).
Ist ds das Bogenelement der Curve, welcher der Punkt (|, i}, t)
angehört, so geben die Gleichungen 38):
lds\^ i 1 dr"'^
«/-
\c08ff.
du
ds
1
C08«Jj
dr"
du
)•
Sei:
39)
Wird s als unabhängige Variabele genommen, so lassen sich die
Gleichungen 38) nach 39) einfacher schreiben:
d§
■j- = cosaco8<r^ — cosa sinu^,
40j { -T- = cosfecosa^ — cos6 sma^,
dt , . ^
-T- = COS ccos o^ — cosc sin <y^.
^ ds ^ •
Aus der Gleichung 39) folgt noch:
dr"
Es ist dieses dieselbe Gleichung wie die Gleichung 18) in III,
wenn dort 8 = r" und o^ statt o gesetzt wird, da im vorliegenden Falle
UNTERSUCHÜNGENÜBERD.FLACHENMITPLANENÜ.SPHARISCHENETC. 29
a eine andere Bedeutung hat. Durch Einsetzung der Werthe von x, y
und z aus den Gleichungen 37) in die Gleichungen 3) und des Werthes
von p^ — r" aus 35) erhält man:
1* = 1+ -i^^— (cos a cos a^ — cos a' sin a^),
'* ' sma^^ ^ ® •'
w! = w 4- . ^ (cos fe cos a^ — cos V sin a^) ,
'* ' * sina^^ ® "'
f • = t + ." (cos c cos a« — cos c' sin iTn).
Unter Zuziehung der Gleichungen 40) lassen sich die vorstehenden
Gleichungen durch folgende ersetzen:
41) ^2 — ^ ^^l~A _ ^Izil — g^
^ d^ dtf di sina^'
ds ds ds
Setzt man für p^ und ^2 ^^^^ Werthe aus 1) ein , so giebt die
Gleichung 35) :
r" = B
sin (gp — a)
^ sin Oq
oder:
j2 ^ A sina^
* sin (a^— CT)
und:
q^ _ sina r^sina
= -R-
sin a^ * sin a^ sin {a^ — a)
Der Punkt (f, ij, f) gehört einer Curve F an, welche der Mittel-
punkt der Kugeliiäche von variabelem Radius (= r'') beschreibt. Der
Mittelpunkt ($2*^2*^2) ^^^ osculatorischen Eugelfläche einer sphärischen
BjTümmungslinie liegt auf einer Curve /^. Aus den Gleichungen 41)
folgt, dass die Curve JT^ auf der Tangentenfläche der Curve F liegt.
Fflr die Untersuchung der Enveloppe einer Kugelfläche erscheint die
Beibehaltung der Curve F^ wenig geeignet, die Formeln gewinnen an
1
30 ALFRED ENNEPER,
Einfachheit, wenn die geometrischen Elemente der Curve F eingeführt
werden. Eine ganz ähnliche Erscheinung wiederholt sich in XI bei einer
anderen Gattung von Flächen, so dass es geboten erscheint; die geome-
trischen Elemente der Curve i^ im Allgemeinen nicht in die vorkom-
menden Formeln einzufuhren. Diese Bemerkungen, welche auf speciellen
Fällen beruhn, sind geeignet, einige in den allgemeinen Untersuchungen
von XII vorkommende Anschauungen zu motiviren und die Einfuhrung
neuer Quantitäten an Stelle von l^i *?2 ^"^ ^2 ^ P"ori zu rechtfertigen.
X.
Flächen, für welche beide Systeme von Krümmungslinien
sphärisch sind.
Die Flächen, für welche beide Systeme von Krümmungslinien sphä-
risch sind, lassen sich geometrisch sehr einfach aus den Resultaten von
V und VI herleiten, mit Hülfe eines Satzes, dessen Beweis im Folgenden
gegeben ist. Transformirt man die Flächen , für welche beide Systeme
von Krümmungslinien plan sind, oder das eine System plan das andere
sphärisch ist , durch reciproke Radii vectores , so erhält man im Allge-
meinen offenbar Flächen , deren Krümmungslinien sämmtlich sphärisch
sind. Dieser Satz lässt sich nun umkehren, woraus eine einfache Her-
leitung der in der Ueberschrift dieses Abschnitts genannten Flächen sich
ergiebt. Für eine Parallelfläche bleiben die planen Krümmungslinien
plan , die sphärischen bleiben sphärisch. Man kann also auch die zu
Anfang bemerkten Flächen als Parallelflächen solcher ansehn, für welche ,
durch die Transformation durch reciproke Radii vectores wenigstens ein
System von Krümmungslinien plan wird. Diese Bemerkung, welche sich
zuerst bei den Hn. Bonn et (Journal de l'j&cole Polytechnique. Trente-
Cinquieme Cahier, p. 248) und Serret (Journal de Mathömatiques.
Ann^e 1853, p. 161) findet, bildet im Folgenden den Gegenstand einer
genaueren Untersuchung, welche bisher zu einer vollständigen Begründung
des Satzes fehlte. Die Flächen mit nur sphärischen Krfimmungsliniea
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U. SPHÄRISCHEN ETC. 31
zerfallen in zwei Classen. In der ersten Classe liegen die Mittelpunkte
der osculatorischen Kugelflächen jedes Systems in je einer festen Ebene,
die beiden Ebenen, welche sich so ergeben, sind orthogonal zu einander.
In der zweiten Classe liegen die Mittelpunkte der osculatorischen Ku-
gelflächen des einen Systems auf einer Geraden, während für das andere
System die Mittelpunkte auf einer beliebigen Curve liegen. Die zweite
Classe gehört unter die in VI betrachteten Flächen, ein System von
Krümmungslinien besteht nämlich aus Kreisen.
Für den Fall nur sphärischer Krümmungslinien finden die Glei-
chungen 3) und 4) von IX gleichzeitig statt. Die osculatorischen Ku-
gelflächen beider Systeme sind in folgenden Gleichungen enthalten:
Durch Elimination von «r, y und z zwischen den Gleichungen 3)
und 4) von IX folgt :
f* — ^2 = (;^|— i^JcosaH-j^, cosa — 5^, cosa^
f * — f 2 = {p^ — p^)cosC'-\-q^cosc' — q^cosc".
Die Summe der Quadrate dieser Gleichungen giebt:
wo also Ij, ij*. fc*, p^ und q^ nur von v, |*, ij*, f*, p^ und q^ nur
von u abhängen. Die Gleichung 4) nach t; und u difierentiirt giebt:
5)
dv du dv du dv du dv du
Aus dieser Gleichung leitet man leicht die folgende mit Hülfe suc-
cessiver Differentiationen ab:
6)
dS] dri\ ^
dv dv dv
d'§\ d'fi; rf» g;
dv* dv* dv*
<iPi\ d^tj] tP^\
rf«* dv* dv'
dSl dnl
du
du
du
d*i; d*rii d*:i
du* du* du*
d'ii (Pnl <^g;
du' du' du*
= 0.
82
ALFRED ENNEPER,
Man kann nach 5) noch analoge Gleichungen zur Gleichung 6)
aufstellen, wenn gleichzeitig zwei entsprechende Coordinaten z. B. t\ und
il respective durch p^ und p^ ersetzt werden. Verschwindet in der
Gleichung 6) der erste Factor, so sind bekanntlich f^, rj] und t\ durch
eine lineare Relation mit constanten Coefficienten unter einander ver-
bunden, d. h. der Punkt (J*, ijj, f J) liegt in einer festen Ebene. Wird
dieselbe zur Ebene der y und z genommen, so ist ^] = 0. Die Glei«-
chungen 4) und 5) nehmen dann folgende einfachere Formen an:
7)
8)
dv du dv du dv du
Es soll angenommen werden, das» keine der Quantitäten p^ oder
p^ constant ist. Durch Differentiationen nach v erhält man weiter
aus 8):
dti\ < dp\
= 0.
9)
dv dv dv
rfr* dv^ dv^
AI d% (Pp\
dv^ dv^ dv^
Sind Ä, B, C und C^ Constanten, so giebt die vorstehende Gleichung
Die Constanten B und C können nicht gleichzeitig verschwinden,
weil sonst p^ constant wäre, was gegen die Voraussetzung ist. Ist in
9) -4 = 0, so liegt der Punkt (|* ijp £*) auf einer festen Geraden,
nimmt man neben f * == 0 noch jj* = o , so wird die Gleichung 9) für
il = 0, C = 0 und C^ = 0 identisch. Dieser Fall , soll , als der we-
niger allgemeine, nachher behandelt werden.
In der Gleichung 9) seien die Factoren Ä und C von Null ver-
schieden.
TJNTEBSÜCHÜN6EN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 33
Darch Elimination von Pi zwischen den Gleichungen 8) und 9) folgt:
Die^ Gleichung 10) giebt zu folgenden Annahmen Veranlassung.
Es seien i^i und t[ constant, da nun S\ = 0» so ist dieser Fall in IK
schon behandelt und nicht weiter in Betracht zu ziehn. Zwischen fj\ und
t\ besteht eine lineare Relation mit constanten Coefficienten, der Funkt
(f*, fi\, t*) liegt auf einer festen Geraden. Wird dieselbe zur Axe der
z genommen, so ist f^ == 0, i;^ = 0, die Gleichung 10) reducirt sich
dann auf:
£ndlich wird die Gleichung 10) identisch ffir:
Es mögen zuerst die Gleichungen 12) discutirt werden. Sind B^
und (f^ Constanten, so geben die Gleichungen 12) integrirt:
13) Änl+Bp, = B,. Ati^cp^ = er,.
Wird p^ zwischen diesen Gleichungen eliminirt, so besteht zwischen
ij* und t* die Gleichung:
ACn\-ABt\ = B^C-BC,.
Der Funkt (f^, ij*, fj) liegt in einer festen Ebene, welche zur
Ebene der y und z senkrecht ist« Nimmt man diese Ebene zur Coordi-
natenebene der o? und z^ so ist rj^ = 0. Da p^ nicht constant ist, so
muss die linke Seite der ersten Gleichung 13) identisch verschwinden,
es ist dann B = 0 und B^ = 0. Die Gleichungen 9) und 13) wer-
den nun:
oder:
Maihem. Glosse. XXVI. 2. ^
34. ALFRED ENNEPEB,
gesetzt :
14) *Pi=fI— fo' ^^l=Pt—Po'
Wird der Anfangspunkt der Coordinaten in der Richtung der z-Axe
Terschoben, so kann man f ^ = 0 nehmen. Setzt man in den Glei-
chungen 3) von IX aus 14) p^ = Jt?o+*^2 ®^^ » ^^ ^"^'S' unmittelbar,
dass die Fläche , welche diesen Gleichungen genügt , eine Parallelfläche
zu derjenigen ist, welche p^ = 0 entspricht. Man setze also einfacher in
den Gleichungen 14) f ^ = 0 und p^ = 0, wodurch dieselben in:
15) kp^ =t[, *:; =/>,.
flbergehn. In der Gleichung 4) nehme man f* = 0, q* = 0 und nach
Gleichung 15) f*t* = p^p^,^ es ist dann:
Diese Gleichung zerfällt nothwendig in die beiden folgenden, in
denen h eine Constante bedeutet:
Mit Hülfe der Gleichungen 16) und f* = 0, ij* = 0 geben die
Gleichungen 1) und 2) entwickelt:
17) ^+/ + 5?'— 2^1?;— 2< = ±h\
18) 47*+/+«*— 2^^;— 2«:; = +ä*.
Die Gleichungen 17) und 18) sind nur unwesentlich von einander
verschieden , sie geben zu analogen Transformationen durch reciproke
Radii vectores Veranlassung. Findet das obere Zeichen statt, so setze
man in 17) j? = a? — «2?^ + «2?o» wo a?J = ä*. Die Gleichung 17) lässt
sich dann schreiben:
19) (0?— a?J*+y*+z*+2(^— a?o)a?,-^j^;— 2< =0.
Diese Gleichung einer Kugelfläche geht durch Transformation durch
UNTEßSUCHüNGENÜBERD.FLÄCHENMITPLANENU.SPHÄRISCHENETC. S5
reciproke Radii vectores, in Beziehung auf das Centrum {x^, 0, 0) der
Transformation in eine Ebene fiber, das System der Krümmungslinien
(tf) wird dann plan. Findet in den Gleichungen 1 7) und 1 8) das untere
Zeichen statt, so setze man in der Gleichung 18) y =y-f-y^ — y^, wo
yj = Ä*. Durch Entwickelung folgt dann:
20) a;*+(y-i;o)'+^' — 2< + 2(y— yo)yo— 2< = 0.
Wendet man auf 20) die Transformation durch reciproke Badii
vectores, in Beziehung auf das Centrum (0, y^, 0), an, so ergiebt sich
wieder die Gleichung einer Ebene. Da die Gleichungen 19) und 20) zu
demselben Resultate führen , so genfigt es, eine dieser Gleichungen zu
transformiren. Mittelst der Substitution:
21) ^ y-yp __ ^ _ 2Ä*
folgt:
f^^-^J\My,~y^)yp—zXt = ».
oder da yl = A* :
22) ^t^;— y|yo+^|f2 = 0•
Das System der sphärischen Krämmungslinien [v) wird durch die
Transformation plan , die Ebenen des planen Systems gehn alle durch
einen festen Punkt. Da y\ = ä', also y© = it*» ^^ existiren zwei
Centra der Transformation durch reciproke Radii vectores. Nimmt man
in der Gleichung 17) das untere Zeichen und wendet die, durch 21) be-
stimmte, Transformation an, so folgt, wegen A* = y J :
(i -f^[x\+[y-y,?+z\]-H2,-y,){n^^^ = o,
oder:
23)
f: \' n?+iV-yl
E2
36 ALFRED ENNEPER,
Nimmt man in der ersten Gleichung 16) das untere 2ieichen, setzt
*^ =^0» ^^ ^®^ ^I*+^I* — yo=jPj+??- I^i® Gleichungen 2) von
IX geben i>^ + 9l = -^i « hierdurch lässt sich die Gleichung 23) auch
auf folgende Art darstellen :
^?+y? + /^ ^\ =7 TiTvl-
Das sphärische System bleibt also nach der Transformation sphft-
risch. Für A = 0 geben die Gleichungen 17) und 18):
^+/+^— 2^^; — 2< = 0.
Für:
X y z 2
^1 Vx «1 ^?+»?+«J
werden die Gleichungen 24):
was die Gleichungen zweier Ebenen sind
Ist von den beiden Quantitäten f^ und ^^2 eine constant, so sei
dieses mit p^ der Fall. Wäre nämlich p^ constant, so gäbe die Glei-
chung 9) zwischen ijj und f^ eine lineare Relation, welche sich auf
ij* = 0 reduciren lässt. welcher Fall, wie sich nachher ergiebt, Kreisen
als KrOmmungslinien entspricht. Ist p, constant, so ist dieses nach 12}
auch mit q^ und f* der Fall. Man kann einfach jj* = 0, f* = 0 setzen
und die gesuchte Fläche als Parallelfläche derjenigen ansehn, far welche
^j = 0 ist. Für f • = 0 reducirt sich die Gleichung 22) auf:
^x^\—yxy^ = <>•
Die Ebenen der transformirten Krümmuugslinien gehn sämmtlich
durch eine feste Grerade.
Die Gleichung 10) lässt noch die Annahme f* = 0, ij* = 0 zu,
zu welchen Relationen dann die Gleichung 11) tritt. Die Gleichungen
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 87
1 4) bleiben ungeändert, die gesuchte Fläche ist wieder eine Parallelfläche
zu derjenigen, für welche die Oleichungen 15) bestehn.
Die Gleichungen 7] von IX multiplicire man respective mit cosa,
cos 6 und cosc, die Summe der Producte giebt dann:
Auf analoge Weise folgt:
27) -j-^cos a + -P- cos 6 + -H- cos c = ^ -^ — .
' dv * dv * dv \pE du
Die Gleichung 27) lässt sich auch direct aus der Gleichung 26)
durch Differentiation nach u herleiten. Fflr |* = 0, jj* == 0 und f* =Äpj
redudren sich die Gleichungen 26) und 27) auf:
dv at> *' r dv \/k du
28)
dp
Die Elimination von 4-^ zwischen diesen Gleichungen giebt:
J_ dsJO
Ar cos c' S/E du r" d\fG
1 — Arcosc \Jo sIEG^u''
r"
Nun ist nach II:
c^cosc 1 dsjG „ dcosc ^G
ff
dv YE »^ »^
cos c , — T — = — -^ cos c .
r
Wird die Gleichung 28) rechts mit Ar cos c" multiplicirt und dividirt,
80 lässt sich dieselbe schreiben:
dk cos c
k cos c dv
1 — Arcosc 1 — A:cosc
dv
88 ALFRED ENNEPER,
oder:
k cos c
_1 — Ar cos c
d ^ = 0.
dv
Die linke Seite der Gleichung 28) ist also von i; unabhängig, kann
also nur Function von u allein sein, folglich ist auch:
r d\JG
sJEG du
nur von u abhängig, zu Folge der Gleichung 5) von IX ist dann r"
ebenfalls Function von u allein, das System der Krfimmungslinien [v\
besteht aus Kreisen, das betreffende System ist also plan. Die hierhin
gehörigen Flächen sind in einer Anmerkung zu diesem Abschnitt analy*
tisch definirt. Sieht man von diesen Flächen ab, so ergeben sich aus
dem Vorstehenden die folgenden Besultate. Die Gleichung 20) wird
identisch fttr d? = 0, y = y^ und z = 0. Mit Rücksicht auf die Glei-
chungen I* = 0 und I]* = 0, folgt, dass die Mittelpunkte der Kugel-
flächen zweier Systeme sphärischer Krümmungslinien in zwei Ebenen
liegen» die zu einander normal sind. Die Flächen, welche beide Sy-
steme von Krümmungslinien sphärisch haben, sind Parallelflächen zu
anderen Flächen, welche dieselbe Eigenschaft besitzen und für welche
die Kugelflächen des einen Systems durch einen festen Punkt gehn.
Wird dieser feste Punkt zum Centrum der Transformation durch reci-
proke Radii vectores genommen, so gehn die Kugelfläcben in Ebenen
über, welche durch einen zweiten festen Punkt gehn, der im Allgemeinen
nicht mit dem gemeinsamen Schnittpunkt der Kugelflächen coincidirt.
Das zweite System von Krümmungslinien bleibt sphärisch. Es kann bei den
bemerkten Parallelflächen auch der Fall eintreten, dass die Kugelflächen
der beiden sphärischen Systeme durch denselben Punkt gehn. In Be-
ziehung auf diesen Punkt lassen sich die Kugelflächen durch reciproke
Badii vectores in zwei Systeme von Ebenen transformiren , jedes der
beiden Systeme ist einer festen Richtung parallel. Die beiden festen
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLACHEN BOT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 39
Richtungen sind senkrecht zu einander. Dieses Resultat entspricht den
Gleichungen 25} von V, so wie das allgemeinere Resultat den Gleichungen
45) von VI entspricht. Man gelangt wieder zu dem Satze» welcher z\k
Anfang dieses Abschnitts angeführt ist. Die Flächen, ffir welche beide
Systeme von Krümmungslinien sphärisch sind, bilden Farallelflächen v\
denjenigen, welche mit Hülfe der Transformation durch reciproke Radii
vectores aus den Flächen folgen, die ein System planer und ein System
sphärischer Krümmungslinien haben, oder, für welche alle Krümmungs-
linien plan sind.
Anmerkung zu X.
Ueber einige Flächen, für welche ein System von Erümmungs-
linien aus Kreisen besteht
Die zweite Classe der in X betrachteten Flächen , deren geome-
trische Definition, als Parallelflächen der Enveloppen einer Kugelfiäche»
sehr einfach ist, bieten ein besonderes Interesse dar, als auch die Aus-
führungen der analytischen Rechnungen mit Hülfe der oben gefundenen
Resultate sich ohne grosse Weitläufigkeiten bewerkstelligen lassen. Man
kann hierbei einen doppelten Weg einschlagen, indem man sich erstens
das Problem stellt, die Enveloppen einer Kugelfläche von variabelem
Radius zu finden, welche ausser den Kreisen noch ein System sphäri-
scher Krümmungslinien besitzen. Zweitens lassen sich die in VI auf-
gestellten Resultate für Flächen mit einem System planer und einem
System sphärischer Krümmungslinien benutzen, indem man das plane
System der Bedingung unterwirft, aus Kreisen zu bestehn. Da der erste
der angedeuteten Wege eine Wiederholung schon in VI ausgeführter
Rechnungen erfordert, so scheint es von selbst geboten, die in VI gege-
benen Gleichungen zu Grunde zu legen. Das Problem reducirt sich
dann einfach auf Herstellung der Bedingungen, dass in den Gleichungen
von VI r" von t; unabhängig ist
Mit Rücksicht auf die gewählten Bezeichnungen gilt die Gleichung
6) von IV, nämlich:
40 ALFRED ENNEPEB,
fOr alle Flächen mit einem System planer Krümmungslinien. Sind die
Ebenen der planen Krflmmungslinien den Normalebenen einer planen
Curve parallel, so geben die Gleichungen 57) und 58) von IV:
'1 — sm 6 dV
Es ist V eine beliebige Function von t;. In Folge der Qleichung
53) von IV ist cosc" = sind, folglich:
Durch Elimination von ^O zwischen dieser Oleichung und der
Gleichung 1) folgt:
dz „ . . .m
j- = r smasinö^-'
dv dv
Wird V als unabhängige Variabele genommen, so folgt mit Rück-
sicht auf die Gleichung 3) :
^) dz „ . . ^ .
-prz^z^r 8inasm9cos0.
aV
Zu den vorstehenden Gleichungen nehme man die Gleichungen 51)
von IV« d. i. die folgenden:
cos a = sin € cos a — cos b sin a sin d,
5) \ cos6 ==— cos^cosa — sin ^ sin a sin 0,
cosc = sin a cos ^.
Für den ersten Fall der in VI behandelten Flächen finden die dort
gegebenen Gleichungen 27) statt. Man setze in denselben:
dW
*) Hierbei ist auf pag. 66 ein Druckfehler zu verbessern. In Gleichung 28)
und der vorhergehenden moss {^ statt $* stehn.
ÜNTERSUCHÜNGENÜBERD.FLÄCHENMITPLANENÜ.SPHÄRISCHENETC. 41
wodurch sich folgende Gleichungen ergeben:
.rsin« — ycoB€ = — Arcosa,
, iTCOSfi-f-y Sin« = Arsmasinfl — J^^^^ö«
z= W — Arsmacosd — ^rFS^^fl*
« rfF
Es ist W eine beliebige Function von F. Die letzte der vorste-
henden Gleichungen differentiire man nach F, mit Rücksicht auf die
Gleichungen 3) und 4) folgt, :
dW (PW
r^sinacosö = ksinocosQ-^ jyr8\nQ — ^JttT'
oder:
7) (r-*)siDa = ^tangd-^|^^:^
Diese Gleichung nach V differentiirt giebt, wegen 3), :
dr
'' . _ idw d^w\ 1
dV
Soll nun r" von v, also auch von F unabhängig sein, so ver
schwindet die linke Seite der vorstehenden Gleichung, es ist dann also:
dV dV^ ~ ^'
oder :
8) • W = C—Ae^— Be-^.
wo C, A und B Constanten sind. Setzt man aus 2):
F+/cot«r& — V—/eotodt
tang d = ,
' ^ . V+/coiadt _, —V—/eot<rd*
\ cos $
so ist nach 7), 8) und 9) r" durch folgende Gleichung bestimmt:
3Icahm. Glosse. XXVI. 2. F
42 ALFRED ENNEPER,
1 0) (r"- k) sin o = ^^-M^^ + £^M^^*.
Setzt man :
11) X = Äf+r^cosa, F =r y-|-r"co86, Z = z + ^'cosc,
80 ist (X, y, -Z^ der Mittelpunkt der Kugelfläche vom Radius r", deren
Enveloppe durch die Gleichungen 6), 8) und 9) bestimmt ist. Fügt man
zu den bemerkten Gleichungen noch die Gleichung 10) hinzu, so sind
die Coordinaten X, Y und Z aus 1 1) durch folgende Gleichungen
bestimmt :
Xsin^- Fcos^ = cotaU^-A"*'* + £/^"*^^],
12) J X cos € + Fsin B = ^^-/cotcrc^_ ^/cot.rf.^
Z = C.
Es gehört der Punkt (X, F Z) einer beliebigen planen Curve an.
Die erste Annahme des zweiten Falls der in VI betrachteten Flä-
chen ist dort in den Gleichungen 32) und 33) enthalten. Diese Glei-
chungen sind folgende:
4? sin« — ycos€ = 0,
.g. I iTCOs^+ysin« = — cosfl-rp:,
z = W—8mg-j=,
wo:
14) cosa =• Arcos«.
Es gelten für den Winkel Q wieder die Gleichungen 9). Für die
in Rede stehenden Flächen ist auch das System (ti) aus Kreisen gebildet.
Für die zu bestimmenden Flächen sind also beide Systeme von
Krümmungslinien Kreise. Hält man die Gleichungen 13) mit den Glei-
chungen 6) zusammen, so ist ohne weitere Rechnung ersichtlich, dass
W wieder durch die Gleichung 8) bestimmt ist. wenn r" nur von u ab-
hängt. Für X, F und Z gelten wieder die Gleichungen 12), an Stelle
der Gleichung 1 0) tritt die folgende :
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHENETC. 43
1 5) r" sin a = Afl"^^'^ + 5/<^^*^^.
Zwischen den Winkeln a und « besteht die Gleichung 1 4). Setzt man:
sin<y = ^1 — Ä:*cos*€,
also:
f cot ad€ =: log[\/l — A:*co8*« + Arsin«],
so geben die Gleichungen 1 2), 1 4) und 1 5) :
A-B{\-k')
X = —-=====^ cos e ,
VI— A:*cos*€
V 1 — " C08* e
Z=C.
r"(t_Ar*)-^-5(t-A:») = - ^ ^ ^J^^ff sin ..
Vi — Ar cos'«
Die beiden Gleichungen für Y und r" geben :
17) r^-i-kY = ^ + £(1 —k%
Durch Elimination von € zwischen den Gleichungen ffir X und Y
erhält man:
18)
x.+(,-*.,[r+*±t|llp^]'= Mzili?^',
welche Gleichung eine Curve zweiten Grades, die einen Mittelpunkt hat,
repräsentirt. Wenn k = i, so hat man nach 14) o = «. An Stelle der
Gleichungen 16), 17) und 18) treten die folgenden:
X= 2^ cot«, F-H5 = ^(1 — cot*«), Z= C.
r"+Y = 2A
4^(F+5— ^)+X* = 0.
Die Curve, welche der Mittelpunkt der Kugelfiäche beschreibt, ist
eine Parabel. Die verschiedenen Flächen, welche der Bedingung 14)
F2
44 ALFRED ENNEPER,
genügen, sind bekanntlich in den Enveloppen einer Kugelfiäche ent-
halten, die drei gegebene Kugelflächen berührt, welche Enveloppen von
Dupin mit dem Namen „Cycliden** belegt worden sind*).
Zu allgemeineren Resultaten geben die Flächen von VI Veranlassung,
ffir welche die dort bemerkte Gleichung 44), nämlich:
19) cosa = Ar cos/
gilt. Der besseren Uebersicht halber sollen die Gleichungen 45), 62),
67) und 69) von VI in folgenden Formen reproducirt werden:
a?cosa+ycos/? + zcosy = 0,
20) ^.rcosA+ycos/t+zcosa' = (ä: cos 1^ + sind sin a)jKjCosr+cosdjBjSinT,
xco8l-\'ycosm-\-zcosn = (Arcosn — cosdsina)i2^cosT-|-sindl2^sinT,
Bedeutet %p eine Function von t;, so ist:
dR. cosi
21) Bi8inT= ^1 — Ar* — ^
Fflr den Winkel 0 bestehn die Gleichungen:
22)
. ^ . — Arsmy+sinasinfv/ — t)
SmdCOSa' COS^COSn = SmV— : j—. ; — ; ;t^,
' sina — A:8m/sin(^ — t)
. . , . cos{%f; — t).)J\—k*
smflcosn+cosflcosa' .= siny— ^
sina — Ar sin }^ sin (^ — t)
Es hängt der Winkel t nur von s mittelst der Gleichung:
dl cos/ cos n
23) ;^= • ' z \J\ — 1^.
*) Diese Benennnug findet sich in Dnpin: »Applications de G^m^trie et de
Mechaniquet. Paris 1822, p. 200, in dem Abschnittt Proprietä dessnr&ces cyclides
ainsi des courbes et des snrfaces du sccond degrS. Die Bestimmung der Erümmungs-
linien der Cyclide, welche von Dnpin herrührt, hat zuerst Hachette in der
»Correspondance snr T^ole Polytechnique (t. I pag. 22 — 25, Paris 1808) mitgetheilt.
Eine eigene Notiz von Dupin findet sich in der bemerkten Correspondance, t. 11
p. 420 — 425 (Paris 1813) u. d. T. »Memoire sur la Sphäre tangente ä trois ou quatre
autresc.
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHENMITPLANENü.SPHÄRISCHENETC. 45
ab. Durch Differentiation einer der Gleichungen 22) nach tp folgt, da
nach 19) sin'a — Ar^sinV = 1 — Ar*:
24) — ^
dip sina — ksinysm(ip — t)
Aus den in IV aufgestellten Gleichungen 10) und 12) findet man
leicht :
cosacoscr-j- cosfecos/f-f-cosccosy = cosa,
25) { cosacosA + cosfecos^-j-cosccosi' = — sina sin ^,
cosacos/-j-co86cosm+cosccosw := sinacosd.
( cosa"co8A-|-cosfe"cos/t-|-<^08c''cosi' = cosö,
( cos a" cos / + cos b" cos »t+ cos c" cos n = sin fl.
Die zweite und dritte Gleichung 20) differentiire man nach v. Mit
Rücksicht auf die beiden Gleichungen 26) folgt:
FT^ ^ , /l . Tl • ÜTi • N^ö , ,, X ' A ' \dR.cosT
y 6r cos d = (cos fl sm ajR j cos r — sinffic^smr)-! — [-(Arcosiz + sinösma) — ^
^dR, sinT
j. d6 dR^cosT
^GsinO = (sindsinaJK^cosT+cosöJRiSinr)^ — |-(Arcosn — cosdsina) — ^
. ^dR. sint
Die erste der vorstehenden Gleichungen werde mit cosd, die zweite
mit sind multiplicirt , die Summe der so erhaltenen Produkte führt auf:
.— ^ dQ , , ^ . . ^.dR.cost . dR.sim
^G= 8inajB^cosTj; + Ar(cosj/cosö + co8nsmö) — ^ 1 ^ — .
Setzt man hierin nach 1):
>JG = r sino^^,
führt darauf ip statt v als unabhängige Variabele ein, so besteht für /*
die Gleichung:
dd dS ^ . ^dR. cost , dR.BiuT
r'' sina -T- = sina R^costj—^ k[cospcosQ+cosn sin S) — ^- 1 ^ —
46 ALFRED ENNEPER,
Mit Hülfe der Gleichungen 21). 22) und 24) lässt sich die vorste-
hende Gleichung auf folgende Form bringen:
. _ _ . . , dR . cos r
27) r sina = siuaR^ cos r+ Arsm ycos (tp — t) — ^
+ [sm (T ~ Ä sm y sin (v/ — 1)\ — ^
Soll r" unabhängig von v, also auch von y sein, so erhält man durch
Differentiation nach tp:
r . , . . , iF^-Ri cosr , €pR. cosT"!
0 = [8ina-Ä8iny8m(v»-<)][— L-_4—^,— J.
d. i.
rfjR, cosr (?i2,cosT
dtp "^ d^^
Sind A^ B und C Constanten» so folgt:
28) ^i cosr = -44-J5cosy/+ Csin^,
also nach 27): *
„ . , — ^sJn^+Ccosf , .
29\ r =^ AA : Arsinv.
f * sma ^
Haben X, Fund Z wieder dieselben Bedeutungen, wie in den
Gleichungen 11), so findet man aus den Gleichungen 20) — 29):
30)
^, ^ ^ r. — 5sinfH-Ccos^, . "1
Xco8a+ Fcos^ + Zcosy = cos oyA^ -. Arsin y\ »
„ ^, ^co8weo8*\/l — k^ — cosj/sinfsina
Xcos>l4- Fcos/t-j-^cos«' .= AkQO^v-\'B -.
cos« sin f ^ 1 — Jc^ -j- cos i' cos t sin a
sm y
^ ._ _ — cosnsin^sina — cosa'co8f\/l — Ar*
Xco8Z+ Fcosm+Zcosn = AJccosn-^-B
smy
cos n cos f sin o — cos y sin f v/l — k^
+ C . ^-
' smy
UNTERSUCHUNGENÜBERD. FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHENETC. 47
Bei der Herstellung dieser Gleichungen ist die Relation coso = kcosy
in Betracht zu ziehn, diese Gleichung giebt nach s differentiirt :
da kcosp
31) — sinaj-= .
' ds Q
Es ist ferner:
dsiny cosy dcosy cos y cos j/
32)
ds siny ds Qsiny
Mit Rücksicht auf cosa = kcosy erhält man aus 31] und 32):
sina * 1
sin y (1 — k ) cos«' cos y sin y cos ycos y
33) U — j — ^= : : « , U — i — =^ : — 9 •
' ds Qsinasin y ds Qsm y
Wird die Gleichung 29) nach s differentiirt, und dann durch coso = Arcosy
dividirt, so folgt, unter Zuziehung der Gleichungen 31) und 32):
1 dr" (^ sin ^— Ccos t) cos y . ( 1 — Ar*) (ßcos f+Csin^) cos n^T—F
cosa ds psinysiü^a (^sin/sin'a
Die Gleichungen 30) difFerentiire man nach s, wobei der Werth
dt
von -r durch 23) bestimmt ist. Wegen der Gleichungen 31) — 34) er-
hält man das folgende, sehr einfache, System :
dX dY ^ dZ 1 dr"
--7-coscr-f--7-cos0+-^co8y = -j-,
ds ds ds ' coso ds
dX , , dY dZ
-T- COS Ä H — 7-cos u + -j- cos 1/ = 0 ,
ds ^ ds ^ ^ ds
dX , . dF . dZ
-j-coslA — r-cos»i+-5-cosn = 0.
ds ' ds ^ ds
Diese Gleichungen geben :
dX dY dZ dr''
35)
und hieraus :
ds ds ds ds
coba cos/? cosy cosa
48 ALFRED ENNEPER,
Q'=pV(f)V(f)]oo....
Zwischen X, F, Z und r leitet man aus 29) und 30) folgende
Gleichung ab:
36) 3?+r*H--^ = r''*+(l— Ar*)(B»+C*— ^*).
Die vorhergehenden Resultate erfordern eine Modification für den
Fall A: = 1 , oder a = y. Es sind dann die Gleichungen 76), 77) und
79) von VI zu nehmen, welche Gleichungen sich auf folgende Weise
darstellen lassen:
a?cosa4-yco8/? + zcosy = 0,
. l^fcosA+ycos^ + ^cosy =^ (co8i'4-sintfsiny)jKjCOST — costf — -^=: — ,
4?cos Z+y^osw+^cosn = (cosn — cos0sin/)/CjCOST — smtf — -^ — .
Es ist der Winkel 0 durch die folgenden Gleichungen bestimmt:
38)
-[(F4-3f)*8inV-l]^H-2(F4-JM)cosn
^^^ = (F+M)*sinV+I
• [(F+Jlf)*sinV-l]^ + 2(^+JM-)co8,/
'^^ ^ (FH-M)»8inV+l *
Es bedeutet F eine beliebige Function von u, M ist nur von s ab-
hängig mittelst der Gleichung:
dM. cos« cos y
' ds (»sin'y
Für die Gleichungen 37) gelten wieder die Gleichungen 25) und
26). Wird die zweite und dritte Gleichung von 37) nach v differentiirc«
so folgt, mit Rücksicht auf die Gleichungen 26),:
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U. SPHÄRISCH EN ETC. 49
/T7 ü I A ' T. . . ^dR.cost\dQ
yöcosö = jcosflsmyit^cosT+sii^ö — 4x7- — l'T
, _ . . /^ . . dB. cos r dV ^cPR.cosrdV
+ {cos,. + 8inÖ8my)-^ ^-cosö-^— ^,
yösinfl = isin 08in/l(^co8r--co8d — ~ — | ^
+ (co8«-cosd8.ny)— ^^- — -«nfl— ^--^.
Die beiden yor8tehenden Gleichungen respective mit C08d und 8ind
multiplicirt und addirt geben:
/-77 . w> dQ ^ , . . ^dR.costdV
40) y Cr = 8inynjC08r-i-+(c08i'C08ö+c08nsin9} — ^tt^ ^
rf*jK^ cos rrfF
Für a = y giebt die Gleichung 1 ) :
/TT ff - ^^
S/G = r smy^.
Dieser Werth von ^G werde in die Gleichung 40) substituirt und
V statt V zur unabhängigen Variabeln genommen. Es ist dann r" durch
folgende Gleichung bestimmt:
j, . dd . T, ^^ . / /i . • ^dR.coBT d*jK.co8i
rsiny-p^ = sm ylCjC08r-™+ (cosycos Ö+ cosnsmffj — 4pF -7^5 — •
Durch Einführung des Werthes von 6 mittelst der Gleichungen 38)
folgt endlich:
„ , ' -n f-r-r -bm- • ^-^1 COS T
41) r smy = sinylCjCOsr — (F+3l)8iny. — -jy^ —
(F+Jff sinV+l rf^Jg^cosr
"^ 2 8iny dV^
Die Bedingung, dass r" von v oder F unabhängig ist, wird ausge-
drückt durch:
rf^J?, C08T
dV^ = ®-
60 ALFRED ENNEPER,
Hieraus folgt:
42) R^co8T= Ä-\-2BV-\-CV:
Die Gleichung 41) wird nach 42):
43) r" = ^— 2ßJ^f^-Ci^f*^-^4-
Haben X, Y und Z dieselben Bedeutungen wie in 11), setzt man
a = y, so findet man mittelst der Gleichungen 25), 37), 38), 42) und 43):
Xcos«H- Ycosß-^Zcoay = cosrlA — iBM-^CM*-^-^^-],
(COS fl\
— 3f cos p + —» — )
} . -rr r 23fc08« , /_., 1 \ 1
' \ ' I smy \ sirryf J'
(COS v\
— Mcosn : — I
smy/
+
C\ — : h(^ ^ö- cosn .
j smy ' \ sixr yj J
Durch Differentiation nach s erhält man aus den Gleichungen 39)
und 43):
1 dr" 2(— 5+CM)cosn 2Cco8y
4 5) 3— = r-i 1 7—7 •
' cosy as gsm y psin y
Werden die Gleichungen 44) nach s differentiirt, so folgt nach 39)
und 44) :
dX dY ^ dZ 1 dr"
-j— cos a -f- -j- cos p -f- -j- cos y = j-,
ds ' {fo '^ ^ ds ' cos y ds
dX ', dY . dZ
_co8^ + -^cosAi + -^cosa^= 0,
dX dY dZ
-3— cos/ + -7-cos»i+-T-cosn = 0.
ds ^ ds ds
Die vorstehenden Gleichungen lassen sich ersetzen durch:
I
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 51
dX dY dZ dr^
^. ds ds ds ds
46)
coser cos^ oosy cosy
Es ist also:
(^)'=PV(f)V(f)]
cos Y'
Die Summe der Quadrate der Gleichungen 44) liefert, wegen des
Werthes von r", die Relation:
47) X*+ F* + Z* = r'"+4(5* — ^C).
Die Gleichungen 46) und 47) können als besondere Fälle der Glei-
chungen 35) und 36) angesehn werden , wenn a = y genommen wird,
die in 36) und 47) . auftretenden Constanten sind keiner Beschränkung
unterworfen. Nach 11) und 25) ist:
{od — X)co8er+(y — F)cos/?+(;? — ^cosy ^=> — r" coso.
Wegen der Gleichungen 35) kann man a, /?, y als die Winkel an-
sehn, welche die Tangente zur Curve der Mittelpunkte der enveloppirten
Kugelflächen mit den Coordinatenaxen einschliesst. Wird statt 8 eine
Function von s als unabhängige Variabele eingeführt, die nachher wieder
einfach durch s bezeichnet werden möge, so kann man in den Glei-
chungen 48) X = $, F= ij, Z= f setzen, wo $, ij, f dieselben Be-
deutungen, wie in den Gleichungen 16) und 17) von III haben, ver-
tauscht man noch r" mit /S, so gelten für die oben betrachteten Fälle
wieder die Gleichungen 19) von III.
G2
52 ALFRED ENNEPER,
XI.
Ausdehnung der Transformation durch reciproke Eadii vectores.
Anwendung auf die Flächen mit einem System sphärischer
Klrümmungslinien , deren Kugelflächen die betreffenden Flächen
orthogonal schneiden.
Bei der in VIII dargestellten Transformation durch reciproke Radii
vectores entsprechen sich zwei Punkte P und P^ zweier geometrischen
Gebilde S und S^ derart, dass die beiden Punkte P und P^ mit einem
festen Punkte O auf einer Geraden liegen und ihre Distanzen durch
die Relation OP.OP^ =^* verbunden sind, wo ff eine Constante be-
deutet. Man kann statt eines festen Punktes O zwei feste Punkte O
und n nehmen und die Punkte P und P^ sich so entsprechen lassen,
dass die Verbindungslinien OP^ und HP parallel sind und die Gleichung
OP^.nP = ff^ besteht, wo wieder ff eine Constante ist. Ffir die in VIII
ausgeführten analytischen Rechnungen ist es ohne Belang, ob in Bezie-
hung auf einen festen Punkt, oder zwei feste Punkte, die Transformation
einer Fläche S in eine Fläche S^ ausgefahrt wird. Es werde nun der
Punkt n und die Quantität ff variabel angenommen, und zwar unter
den folgenden Bedingungen. Für eine bestimmte Curve K möge der
Punkt n eine bestimmte Lage und ff einen bestimmten Werth haben.
Die Transformation der Curve K in eine Curve K^ geschieht dann auf die
oben bemerkte Weise in Beziehung auf die Punkte O und ü. Die Curve
K liege auf einer Fläche und gehöre einem bestimmten System an , ftlr
welches von den beiden Variabein u und v nur u variire. Da im Fol-
genden nur von Krümmungslinien die Rede ist, so sei K einfach eine
Linie des Systems (w). Einem bestimmten Werthe u = u^ entspricht
eine bestimmte Curve JST^, ferner ein bestimmter Punkt J7^ und ein
Werth ff^ von ff. Lässt man u variiren, so nimmt der Punkt J7 ver-
schiedene Lagen an, die eine Curve F bilden, ebenso nimmt ff eine Reihe
von Werthen an. die von u abhängen. Werden alle Krflmmungslinien
der Fläche S transformirt , oder einfacher die Fläche S^ in Beziehung
UNTERSÜCHUNGENÜBER D.FLACHEN MIT PLANEN U.SPHARISCHEN ETC. 53
auf eine Curve F und einen variabelen Radius der Transformation , de-
finirt durch die Gleichung:
op^ .np= u.
so ergiebt eine, weiter unten ausgeführte Untersuchung, folgendes
Theorem :
Entsprechen bei der angegebenen Transformation den Krümmungs-
linien der Fläche /S auf S^ ebenfalls Krümmungslinien , so ist das
System (i;) der Krümmungslinien auf der Fläche S sphärisch und
die Kugelflächen des Systems schneiden die Fläche S orthogonal.
Auf der Fläche S^ ist dann das System {v) sphärisch oder plan,
die osculatorischen Kugelflächen oder die Krümmungsebenen des
Systems schneiden die Fläche S^ ebenfalls orthogonaL
Da man in der Rechnung mehrere Functionen von u hat, so lässt
sich zwischen denselben , wie weiter unten gezeigt ist , eine derartige
Verbindung herstellen, dass die sphärischen Krümmungslinien von 8^
deren Kugelflächen die Fläche 8 orthogonal schneiden , auf der Fläche
8^ in ebene Curven übergehen. Ist die Fläche 8^ bekannt, so lässt
sich aus derselben umgekehrt sehr leicht die Fläche 8 deduciren. Wegen
seiner Einfachheit und der Möglichkeit alle Rechnungen durchführen zu
können, verdient dieser Fall von Flächen mit einem Systeme sphärischer
Krümmungslinien eine besondere Darstellung.
Die Coordinaten f, ij, f eines Punktes J7 einer Curve doppelter
Krümmung seien Functionen einer Variabein u, oder von s, wo 8 von u
abhängig ist und ds das Bogenelement der Curve bezeichnet. Der Ein-
fachheit halber werde der Funkt O zum Anfangspunkt der Coordinaten
genommen. Bezeichnet U eine Function von u, so entspreche der Punkt
(^1»^!» ^i) ^i^^r Fläche 8^ dem Punkte (d?, y, z) einer Fläche 8 durch
folgende Gleichungen:
1) ^1 = ^nv^' Vi = ^ iyT' ^i = ^"IT'
wo:
2) N= (^— D'+(y-fl)*+(«'-f)*.
54 ALFRED ENNEPER,
Zur Abkürzung setze man ähnlich wie in VIII:
[x — $)co8a H-(y — ij)co86 + (5? — £)co8c = Q,
[x — f)co8a+(y — ij)cos6'-f-(5f — fjcosc = Q',
^ (^ — I) C08 a'H- (y — ij) C08 6"+ [z— t) co8 c" = Q^
Q'+ Q'*+ Q"* = N.
Die letzte der Gleichungen 3) ist natürlich wieder mit der Glei-
chung 2) identisch. Wendet man die Gleichungen von II an, so geben
die Gleichungen 1 ) nach v difFerentiirt :
^ = h''-^-^-'«-)¥-
Zur Vereinfachung der folgenden Formeln setze man:
SN ^l — tf ^ — «' ^ — r ^— TT'
^1 du~^' du"^' du''*" du~
Die Gleichungen 1) nach u differentiirt geben:
= (co86'-2ÖQ'\
6)
du
üt
+ |_t/ + 2Cy ^^: J j^ j^
UNTERSÜCHU NGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PL A NEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 55
Sollen für die Fläche S^ wieder u und v die Argumente der Krflm-
mungslinien sein, so hat man wegen der Orthogonalität dieser Curven:
^ du dv du dv du dv
Wegen der Gleichungen 5) und 6) reducirt sich die vorstehende
Bedingung auf:
8) U{^co8 a"+ij'cos6"+rco8(^")+ ^Q" = ö-
Setzt man:
2 .^^ \«
mH^hm=o,.
so geben die Gleichungen 4):
Die erste Gleichung 4) lässt sich nach 9) schreiben:
.7== -j-t = cos a"— 2 — ^ Q".
Piese Gleichung werde nach u differentiirt , wegen des Ausdrucks
» vtx <
für -T^ aus 6) lässt sidi der bemerkte Differentialquotient auf folgende
Form bringen:
_1_ dx^
MGl dv __2Q:^ / ,_ £:;J Aj_rfyg
"* du - t^ rftt+P*" N ^I^G dv
+ [ £7 (r cos a"+ tj' cos 6"+ JT cos c") + ir'Q"J 2 ^^.
Wegen der Gleichung 8) reducirt sich die vorstehende Gleichung auf:
.N^ dv _
du
56 ALFRED ENNEPER,
•Sind aber u und v die Argumente der Krümmungslinien, so ist die
rechte Seite der vorstehenden Gleichung durch -r— theilbar. Hieraus
folgt , dass
cosa — 2— ^ Q
proportional zu -^ sein muss. Dann ist auch, wegen der ersten Glei-
chung 6) :
dtjc
proportional zu -j^, also auch proportional zu:
^ j
cos d — 2 —Tr— Q'.
N
Bezeichnet A eine Unbestimmte, so lassen sich die folgenden Glei-
chungen aufstellen:
(tr+2C7«0(a?-f)-ür=^(co8a'— 2^^Q'V
10) (ü'+2l7U0(y-i2)— üi2'=.l(cos6'— 2^^Q'j.
(Cr+2C7*)(;?— f)— ür=>l(cosc'-2^^QJ,
wo zur Abkürzung:
11) V— 2f
gesetzt ist. Die Gleichungen 1 0) multiplicire man respective mit cos a,
cos 6 und cosc, bilde darauf die Summe der Producte, Analog verfahre
man mit den Factoren x — Sf y — V* ^ — f • ^ ergeben sich dann die
beiden folgenden Gleichungen , in denen die Bezeichnungen der Glei-
chungen 3) und 11) angewandt sind,:
UNTERSUCHUNGEN ÜBERD. FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHENETC. 57
2QQ'
(J7+2l7fP)Q— f^lS'cosa+Vcosfe-j-rcosc) =—A-^
(tr+2?7V)iV— UNV = —AQ.
Eliminirt man A zwischen diesen beiden Gleichungen, so föUt auch
y weg, es bleibt einfach :
12) l7(^cosa + i?'cos6+ Ccosc)^- U'Q = 0.
Die Gleichung 8) folgt auch durch Differentiation der Gleichung 1 2)
nach V. Die Gleichung 8) weiter nach v differentiirt giebt, wegen 12):
13) — [t7(|'co8a'+Vcos6'+rco8c)+ ^'Q']^^ + ^' SJG = 0.
Man setze zur Vereinfachung:
1 d\lG 1
14^ — — ' — =^ — .
^ \IeG du R^
Aus der Gleichung 13) folgt dann:
1 5) ü'(^co8 a + ij'cos6'+ ^cos c') + VQ' = U'R^.
Wird die Gleichung 12) nach v differentiirt, so ergiebt sich mit
Hülfe der Gleichung 8) einfach:
dv '
d. h. es hängt R^ nur von u ab. Nimmt man in den Gleichungen 1)
und 5) von IX, cosa =0, sina = 1, also p^=, 0 und q^ = R^, so er-
hält man wieder die Gleichung 1 4). Die in der Gleichung 1 2) enthaltene
Bedingung drückt also geometrisch aus, dass das System der Krümmungs-
linien {v) der Fläche iS sphärisch ist und die Kugelflächen dieses Sy-
stems die Fläche 8 orthogonal schneiden.
Die Gleichungen 12), 15) und 8) bringe man auf folgende Formen:
U'Q = — U{^co8a -{-rfcosb +fcosc),
16) tr(Q — JBJ = — Z7(S'cosa +Vcos6'+f'cosc),
U'Q''= — t;(S'co8a"+i?'cos6"+ircosO.
Mathem. aasse. XXVl 2., H
58 ALFRED ENNEPER,
Die vorstehenden Gleichungen respective mit Q, Q' und Q^ multi-
plicirt und addirt geben nach 2) und 3):
Aus der Summe der Quadrate der Gleichungen t6) folgt:
U'^(N-2QfR^+Rl)= t7^(^* + ,,'» + r*)
oder:
t'« -4-. «'* 4- f«
18) N—2Q[R^ = ü'^ ^rrt ^?'
U'
Wird E^ durch die Gleichung:
-•-m-^mH^i
definirt, stellt man mittelst der Gleichungen 6) den Werth von E^ auf,
80 lässt sich derselbe, wegen der Gleichungen 15), 17) und 18) wie folgt
schreiben :
M, =(^%^)',
oder:
19) sß, = -^^-^ -•
Die Gleichung 9) werde nach u differentiirt, in dem erhaltenen Re-
sultate setze man aus 14):
du ~ R^
ein, femer wende man die Gleichung 17) an, dann folgt:
dslGj^_ —U^ß-^U'R^ N—2Q'R
du —^^ N' ~- KT'
2
2
Wird diese Gleichung durch das Product der Gleichungen 9) und
19) dividirt, so ist weiter:
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN ü.8PHÄRISCHENE*l'C. 59
1 rfy/g, _ N—2Q[R^
Sl'E^G' du ~~ t7JKj
oder nach 1 8) :
^'^ W:g[ du -L^ — ir ^Aür;
Die rechte Seite dieser Gleichung ist nur von u abhängig« das Sy-
stem der Krümm ungslinien [v) ist also fflr die Fläche 8^ sphärisch;
die Kugelflächen gehn in Ebenen über, wenn zwischen U und JB^ die
Gleichung :
angenommen wird, welche Gleichung immer möglich ist, da die Function
U in den Gleichungen 1) keiner Beschränkung unterworfen ist. Die
Gleichungen 1) respective mit J', ij', C multiplicirt und addirt geben
nach 17):
22) ^ir+j^i'?'+^tr= ^^^~^u'.
Findet aber die Gleichung 2t) statt, so giebt die Gleichung 18)
N = 2Q'J82, die Gleichung 22) wird hierdurch:
23) ^x^+!fxn + z,t=-^ir.
Bezeichnet man durch ds das Bogenelement der Curve, welcher der
Punkt (^, fj, t) angehört, so kann man u als Function von s ansehn,
folglich auch V und R^. Die Gleichung 21) giebt dann:
Nach den in I gebrauchten Bezeichnungen lässt sich die Gleichung
23) schreiben:
1 du
^iC08«+j^iC0s/?+ZiC0sy = — "j ■^•
H2
60 ALFRED ENNEPER,
Setzt man bierin :
80 ist:
26) iTj co8er-|-yjC08/? + 2?jC08y = Q.
Dieses ist die Gleichung der Ebene einer planen KrOmmungslinie
(v) der Fläche 8^, welche Ebene gleichzeitig die Normale zur Fläche S^
im Punkte [x^, t/^, z^) enthält. Zu Folge der Gleichung 21) reducirt
sich nämlich die Gleichung 20) auf:
du
Die Combination der Gleichungen 24) und 25) giebt:
Man nehme hieraus:
27) U=2R^a.
Für den vorstehenden Werth von ü erhält man aus den Glei-
chungen 1) die folgenden Gleichungen zur Bestimmung von x, y und z\
X
x = H-2J?oi2
1
^?+yf+^?'
28) (l> = V + ^K,S /'
z =:-]-2R^ß ^'
Die Gleichung 26) fällt mit der ersten der in IVB aufgestellten
Gleichungen 44) zusammen, wenn dort x, y und z durch x^^ y^ und z^
ersetzt werden. Man hat also nur nöthig in den Resultaten von IVB
X, y, z durch x^^ y^. z^ zu ersetzen, darauf die Werthe von j?^, y^, z^
zu entwickeln und dieselben in die Gleichungen 28) zu substituiren.
Man erhält dann direct die Gleichungen für x^ y und z. Fflr a = —- ist
UNTERSUCHUNGEN ÜBERD.FLÄCHENMIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 61
in den Gleichungen 3) von IX p^ = o und q^ = R^. Die bemerkten
Gleichungen werden dann einfacher:
29) Sl = X — JBjCOsa, q^ =y — R^cosb\ f* = z — R^cosc.
Es bleibt noch übrig die Curve der Mittelpunkte der Kugelflächen
der sphärischen Krümmungslinien zu bestimmen. Substituirt man in
den Gleichungen 1 6) die Werthe von Q. Q' und Q", so werden dieselben :
[{x—^)ü'^u/]cosd^ [(y— il)tr+C7ij]cos6'+[(;r— f)Cr'+Cr|co8c'=== Ü'R^.
[(o?— I) D'4- £71'] cosa^H- [( y - ij) Cr'+ i/i,'] 0086"+ [(;?—:) Cr+ C/r] co8c"= 0.
In diesen Gleichungen sehe man («r — I) 17'+ ÜJ' etc. als Unbe-
kannte an. Es ergeben sich dann für dieselben folgende Werthe:
(o? _ S) U'+ m = V'R^ cos a\ (j^ — 1?) ?7'+ üij' = J/'-R^ cos b\
{z - f ) 17'+ ÜJ: = i/'U^ cos c'.
Diese Gleichungen mit den Gleichungen 29) verbunden geben:
30) fj = f— ■^, ijj = i^ — -^, f^=f__.
Man nehme wieder s als unabhängige Variabele, setze aus 25)
und 27):
Die Gleichungen 30) werden hierdurch:
31) i; = |+12j^, q; = , + 12^-, f;=f+U^_.
Der Punkt (f^, ij^i ^2) ^^^8^ folglich auf der Tangentenfläche der
Curve r*, welche zur Transformation der Fläche 8 in die Fläche 8^
dient. Die zu Ende des Abschnitts IX gemachten Bemerkungen finden
eine Illustration in den Entwickelungen dieses Abschnitts, dass die Mit-
telpunk tscurve der Kugelflächen der sphärischen Krümmungslinien für
die analytischen Bemerkungen nicht die einfachsten Verhältnisse giebt.
62 ALFRED ENNEPER,
Mittelst der vorhergehenden Entwickelungen , oder einfacher mit
Hülfe der Relationen 10), lassen sich die Gleichungen 6) durch folgendes
einfachere System ersetzen:
32) \ ^^-- ^^ — C080 ^ ^^,
^ cosc — 2-^f-Q,
\ VJBj du N
wo sjW^ durch die Gleichung 19) bestimmt ist. Die Gleichungen 4), 9)
und 32) zeigen, dass für die transformirte Fläche Sj die Richtungen der
Normalen und der Tangenten zu den Hauptschnitten genau durch die-
selben Formeln wie bei der Transformation durch reciproke Radii vec-
tores bestimmt sind Man hat in den Gleichungen 10), 12) und 13) von
VIII nur ^Q, jf^, Zq respective durch |, ij, f zu ersetzen. Sind r^' und
r* ^ die Hauptkrümmungshalbmesser der Fläche Ä^ im Punkte [^i^y^^z^^
so findet man, durch ähnliche Rechnungen wie in VIII:
XII.
Flächen, für welche ein System von Krümmungslinien sphärisch ist.
A. Die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen
Krümmungslinien liegen auf einer Curve doppelter
Krümmung.
Die Lösung des Problems, die Coordinaten eines Punktes einer
Fläche mit einem Systeme sphärischer Krümmungslinien, in Function
zweier Variabelen darzustellen, lässt sich auf analoge Weise durchführen,
wie bei den Flächen mit einem Systeme planer Krümmungslinien. Das
Problem für plane Krümmungslinien ist indessen, in analytischer Be-
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U. SPHÄRISCHEN ETC. 63
Ziehung, viel einfacher, wie für die entsprechenden sphärischen Curven.
In der Einleitung zu dieser Abhandlung ist schon erwähnt, dass Hr.
Bonnet im vierten Theile seines „Memoire**, welches den Titel trägt:
„Sur les surfaces dont les lignes de l'une des courbures sont sph^riques''
(Journal de TJ&cole Polytechnique t. XX p. 277 — 306) sich auf zwei
besondere Fälle beschränkt hat. Die allgemeinere Lösung ist von Hn.
Serret angebahnt, wenn auch unvollständig durchgeführt worden
(Comptes Rendus, 1856. t. XLII pag. 109—110 und 190—194). Die
Resultate des Hn. Serret basiren auf der Integration einer Differential-
gleichung dritter Ordnung , welche Integration drei Parameter involvirt,
wobei a priori bekannt ist, dass die Lösung des geometrischen Problems
nur zwei arbiträre Constanten erfordert. Die vorkommenden Parameter
sind keine absoluten Gonstanten , sondern Functionen einer Variabein.
£s ist einleuchtend, dass die bemerkte Bedingung die Aufstellung einer
Relation zwischen den drei Parametern erfordert. Um die Lösung des
Problems möglichst zu vereinfachen, hat Hr. Serret, gleich bei einer er-
sten Integration, welche die Differentialgleichung gestattet, die auftretende
Constante annuUirt. Hierdurch ist es dann gekommen, dass die von Hn.
Serret schliesslich gegebene Lösung, an Stelle zweier Functionen einer
Variabelen , eigentlich nur noch die Variabele enthält. Die vollständige
Behandlung der Differentialgleichung dritter Ordnung ist zuerst in den
„Nachrichten v. d. K. G. d. W.'* (Göttingen, 187 2) durchgeführt worden.
Die dabei gefundenen Resultate bilden einen Theil des vorliegenden Ab-
schnitts, zu dessen Vorarbeiten sie gedient haben.
Die oben erwähnte Arbeit des Hn. Serret enthält mehrere unge-
mein scharfsinnige Bemerkungen dieses ausgezeichneten Analytikers über
die Integration eines besondern Systems simultaner Differentialgleichun-
gen. Diese Bemerkungen haben später eine Verallgemeinerung erfahren
in Bonnet: ,,Note sur Tint^gration d'une certaine classe d'^quations
diffdrentielles simultan^es** (Comptes Rendus, 1861. T. LIII pag. 971
— 974). Die Verallgemeinerung des Hn. Bonnet besteht darin, /> Func-
tionen X, y, z^ . . . t, M, t; zu bestimmen, welche den p — 1 Differential-
gleichungen ;
64 ALFRED ENNEPER,
dx dy dz dt du dv
X — a y — h z — c ' * * t — / u — m v — n
und der endlichen Gleichung:
(a?-a)*+(y-6)* + (^— c)*+ . . . +(^-/)^ + (i^-m)*4-(v-n)» = r*.
genügen , wo a, 6, c . . . Z, »i, n, r als Functionen einer Variabelen ai
angesehn werden. Das obige System lässt sich nach Hn. Bonnet auf
ein ähnliches System reduciren, welches zwei Variabele weniger enthält.
Man kann die Anzahl der Variabelen um zwei Einheiten so oft verrin-
gern, wie man will, und gelangt so schliesslich zu den einfachsten Fällen,
welche sich integriren lassen. Es ist selbstverständlich , dass diese Me-
thode der Beduction fOr das Problem der sphärischen Krümmungslinien,
als einfachsten Fall, von keiner Anwendung sein konnte.
Da in den vorhergehenden Abschnitten schon einige besondere
Fälle von Flächen mit sphärischen Krümmungslinien behandelt sind, so
sollen die in IX und XI behandelten Flächen bei den folgenden Unter-
suchungen ausgeschlossen bleiben, nämlich: 1) die Kugelflächen des sphä-
rischen Systems sind concentrisch, 2) die Kugelflächen gehn durch einen
festen Funkt, 3) die Kugelflächen schneiden die Fläche orthogonal. Was
die Bezeichnungen betrifft, so sind natürlich die in II und III ge-
brauchten consequent durchgeführt, ausserdem sind theils dieselben, theils
ähnliche Bezeichnungen wie in IV gebraucht worden , wenn die rein
analytischen Probleme mit den in IV behandelten übereinstimmten.
Ist das System der Krümmungslinien [v) sphärisch, so hat man, in
Folge der Gleichungen 1), .3) und 5) von IX:
1) JBjCOsaspj, iZjSina = ^j^.
2) l\ =- X'\-'p^co^a — ^jcosa', ij* =y+jt)j^cos6 — q^Qo^H,
Es ist ($*. n\^ i\) der Mittelpunkt, R^ der Radius der Kugelfläche
der sphärischen Krümmungslinie, welche durch den Punkt {x, y, z) der
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 65
Fläche geht. Der Winkel, welchen JRg mit der Normalen zur Fläche im
Punkte («r, y^ z) einschliesst , ist durch a bezeichnet. Die sämmtlichen
definirten Quantitäten hängen nur von u ab. Da cosa von Null ver-
schieden angenommen wird, so ist es einfacher mittelst der Gleichungen
1) Pj und q^ statt R^ und a einzuführen.
Die zweite Gleichung 10) von II, nämlich:
S/G
giebt entwickelt:
(
du
1 rfy/ö
r' du
•
1-
99
r
^G
dsjG _
du
dr"
du
Wird -~— zwischen dieser Gleichung und der Gleichung 3) elimi-
nirt, so folgt:
4) g =(/-;,.) H.
WO zur Abkürzung:
gesetzt ist. Der Endpunkt des Hauptkrümmungsradius r" sei (X, F, Z)»
also durch folgende Gleichungen bestimmt:
6) X = jr+r^cosa, F =yH-r''cos6, Z = ^rH-r^cosc.
Die Gleichungen 2) von den respectiven Gleichungen 6) subtrahirt
geben :
IX — i; = (r"—;?^) cosa +^, cosa.
Y—ti\ = [r''—p^)coBb+q^co%h\
Z — f* = {r—p^)co%c-\-q^co^c'.
Die Summe der Quadrate der Gleichungen 7) giebt:
8) (x-i;)*+(F-ij;)*4-(^-r.)* = (»-"-p^'+ji.
MaOtem. Classe. XXVL 2. ^
66 ALFRED ENNEPER,
Werden die Gleichungen 6) nach i; differentiirt , so ist nach II 5):
dX dr" dY dr" , dZ dr"
9) -7- = j— cosa, -j- = -j-COSO, -j- = -r-cosc.
' dv dv dv dv dv dv
Sind X, Y, Z und r" bekannt, so ist dieses auch nach 6) und 9)
mit «r, y und z der Fall. Ausser der endlichen Relation 8) lassen sich
auf folgende Weise zwischen X, F, Z und r" Differentialgleichungen
herstellen. Die erste Gleichung 6) werde nach u differentiirt. Unter
Zuziehung der Gleichungen 2) und 4) von II folgt:
rfX dr
= -r- cos
du du
a + 1 1 r) V^jE? . cos a.
dr"
Man substituire für j- seinen Werth aus 4), setze nach 5):
du
(
i-%)\/E = q,H,
es ist dann einfacher:
dX
du
= Ur" — jt?,)cosa + jjjCosa'lH.
oder, wegen der ersten Gleichung 7):
dX
du
= (x-rjfl.
Man erhält so aus den Gleichungen 6) die folgenden:
'»> S=<^-«:»»' S=(i'-':)''' f=(^-o«
Die Gleichungen 4) und 1 0) geben noch :
dX dY dZ dr"
11)
du du du du
X-r. - Y-n\ - Z-Cl - r'-p.
Dieses sind die Differentialgleichungen zwischen X, Y, Z und r"
zu denen noch die endliche Relation 8) tritt. Der leichteren Schreib-
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHENMIT PLANEN U.SPHÄRISCHENETC. 67
weise wegen sollen die Gleichungen 1 0) beibehalten werden. Man diffe-
rentiire die Gleichung 8) unter Zuziehung der Gleichungen 4) und 10)
nach II, mit Rücksicht auf die Gleichung 8) selbst folgt dann :
•') (x-j:)f+(i'-<)^+(.2-c:)S-(''-?=)|'
Mit Hülfe der Gleichungen 10) und 12) lässt sich zwischen X,Y,Z
und r" eine solche lineare Relation aufstellen , dass dieselbe proportional
ihrem Differentialquotienten nach u ist. Zu diesem Ende führe man
statt I*, q*, C* und p^ andere Functionen ein, welche auf folgende Art
definirt sind:
X dSl ^dV dti\ rjdrt dt\ rff dp. ^dp*
Es ist U eine vorläufig unbestimmte Function von u. Die Glei-
chung 12) lässt sich nach 13) schreiben:
u) r[(x-E:,f+(r-,:,f+(^-::)^-(,--,.)£]
Setzt man:
15) {x-r^+qtm')r +{Y^n\+q^üti*)n* MZ-t\+q^m')V
80 Ifisst sich der Differentialqnotient von J nach «, wegen der OleichuDgea
10), 13) und 14) auf folgende Form bringen:
16) Tu = H-^»^*]^+*-är+V5jr'
wo:
*=r*+»j**+r*-i>**- *
12
68 ALFRED ENNEPER,
Bestimmt man V durch die Gleichung ^ = 0, setzt also :
1
so reducirt sich die Gleichung 16) auf:
17) f» + ,'»+f«__^*« =
dJ
.8) ^ = ^fl.
Nach 10) und 13) ist nun:
X-g;+g,ü?' dq,U
Mittelst der Gleichung 18) folgt hieraus:
Man setze zur Abkürzung:
20)
Die linke Seite der Gleichung 19) ist der Differentialquotient von
w^ nach w. Aehnliche Gleichungen ergeben sich für die Derivirten von
y^, z^ und T^ nach u. Man findet so:
d^ dy^ ^ dJ\ q^ü
du du du du J
'^ § 1? f /> ati
Die Gleichungen 20) respective mit |*, if, f* und — />* multiplicirt
und addirt geben, wegen der Bedeutung von J aus 1 5), :
22) a?,r+y,>?'+«,r-r,/»' = i.
An Stelle der Gleichungen 11) und 8) sind die Gleichungen 21)
und 22) getreten, aus denen sich die Werthe von äc^.y^, z^ und T^
23)
UNTERSUCHUNGENÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 69
mit Hülfe einer Differentialgleichung dritter Ordnung bestimmen lassen.
Man kann umgekehrt X, Y, Z und r" auf folgende Art durch x^,y^,z^
und T^ ausdrücken. Die Gleichungen 20) geben in Verbindung mit den
Gleichungen 8), 15) und 17):
22*) ^2+y2+;,t_rj = ^^•
Mit Hülfe dieser Gleichung entwickele man aus den Gleichungen
20) die Werthe von X, F, Z und r", setze in die erhaltenen Gleichungen
aus 6) die Werthe von X, Y und Z ein. Hierdurch erhält man :
z + r-c. c - r. + ,. ra- = ,. ^^'^ll _ r; ■
In diesen Gleichungen sind «Ti, y^, z^ und T^ vier zu bestim-
mende Functionen von u und v. In Beziehung auf i; geben die Glei-
chungen 23) differentiirt :
dr" _ 2q^U/dz, 2z ^ D'\ dr^ _ 2q^U IdT ^ 2T^iy\
^cosc— j^ [dv'^ D^ r dv~ D, \dv D^ /'
wo zur Abkürzung:
^ w dx, . dy, . dz. _ dT,
gesetzt ist. Von der Summe der Quadrate der drei ersten Gleichungen
24) werde das Quadrat der vierten Gleichung abgezogen; da
cos* a + cos* 6 -f- cos* c — 1 = 0
ist, so folgt:
70
26)
ALFRED ENNEPER,
c^hm
^^V(^)-(f^f=..
\ dv
Die Bestimmung der Werthe von a?^, y,, z^ und T^ lässt sich auf
wiederholte Differentiation der Gleichung 22) nach u basiren. Sieht man
^t> Vi^ ^i *^® Coordinaten eines Punktes einer Fläche an, so sind für
dieselbe u und v nicht mehr die Argumente der Krümmungslinien.
Dieses ergiebt sich durch folgende einfache Betrachtung. Die Glei-
chungen 21) geben:
27)
(Ar, _ r dT^
du
du
dy^^r^dT^
du p* du
dz^^^dl\
du /?* du
Die vorstehenden Gleichungen nach t; differentiirt geben:
^f±=ll^J^ rfV.^^^fl2\ d'z^ ^V d^T^
dudv p* dudv ' dudv /?* dudv * dudv p* dudv
Aus diesen Gleichungen und den Gleichungen 27) schliesst man
unmittelbar :
dudv
dudv
€pz^
dudv
dx^
du
du
dz^
du
dx^
dv
dv
dz^
dv
= 0.
Mit Rflcksicht auf die Gleichung 22) geben die Gleichungen 27) :
dx^ <ir, dy, dy ^ dzi dz,
du dv du dv du dv
('
dx
dv dz \ i dT dT dT
= IS -jT^^ "^"iTh 1^ I ^•"xr — "Ji: — iiT"'
(/t;
«Iv
(/r / j9* cfu (/u cfv
Die rechte Seite dieser Gleichung verschwindet nicht, nur wenn
T von u abhängig ist, dann ist nach 21) j9* = 0, die letzte Gleichung
13) zeigt weiter» dass p^ von u unabhängig, also constant ist. Die Fläche
ist eine Parallelfläche zu derjenigen, ffir welche p^ =z o ist.
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U. SPHÄRISCHEN ETC. 7 1
Die Gleichung 22) giebt zu analogen Rechnungen, wie die in IV
ausgeführten, Veranlassung. Um die nachfolgenden , allerdings compli-
cirteren, Entwickelungen mit denen von IV parallel gehn zu lassen,
dividire man die Gleichung 22) durch:
und setze:
^^^ cösa ~ qÖ^~ cösy~ cöstr ^ ^^ "^^ "^^' y/p^^^^^p" •
28*)
Die Gleichung 17) giebt wegen der vorstehenden Gleichungen:
1 sinn;
Mit Rücksicht auf diese Gleichung und die Gleichungen 28) nehmen
die Gleichungen 13) folgende Formen an:
29)
30)
cos a cos ß
du sinn; du * du ^mw du '
cos Y cos w
(2u sinw </w * rftt sinti; «^u '
Die Gleichungen 21) geben nach 28) zu den folgenden Veranlassung:
da?, cos a dT ^ dy ^ _ cos/? dT ^ dz^ cos y dT^
du cosM? du * du cosm; du ' du cosm; du
Die oben bemerkte Umformung der Gleichung 22) giebt:
31) 0?, cosa+y, cos/? + 2r, cosy j=i2+ T, cosic;.
Da cosa, cos/3 und cosy nur von u abhängen und nach 28) die
Gleichung cos* a + cos' /? -|- cos* y = 1 stattfindet, so kann man a, /?, y
als die Winkel ansehn, welche die Tangente im Punkte (|, q. f) einer
Curve doppelter Krümmung mit den Coordinatenaxen bildet. Man be-
zeichne wieder wie in I durch i, /i, p die Winkel, welche die Haupt-
72 ALFRED ENNEPER,
i
normale, durch /, m, n die Winkel, welche die Binormale des Punktes
(^1 fli t) bestimmen. In dem bemerkten Punkte sei p der Radius des
osculatorischen Kreises und r der Torsionsradius. Durch ds werde wieder
allgemein das Bogenelement der Curve bezeichnet, man kann dann s als
eine unbestimmte Function von u, oder umgekehrt, ansehn. Die wei-
tere Discussion der Gleichung 31) besteht wesentlich darin» dass nach
einer einmaligen und einer dreimaligen Differentiation nach u die Terme
auf der linken Seite, welche x^, y^ und z^ enthalten, dieselben sind.
Es ergiebt sich dann eine Differentialgleichung für T^ , die zunächst auf-
gestellt und dann integrirt werden soll.
In den Gleichungen 30) kann man einfach s an Stelle von u als
unabhängige Variabele setzen. Differentiirt man dann die Gleichung 31)
nach s, so folgt:
\ ^ \ dT^ dß ^ T.coBw
^ * ' *^* «^ ' 1 ' p cosw ds ds * ds
oder auch:
dß gsinw dT.sinw
32) iT, COSA-f-V, cosu-\-z. COSP = O-jf ^3 .
' « I j^ 1 r- I 1 "^ ds cos w ds
Man führe oi statt s als unabhängige Variabele durch:
ds
33) — = rfa)
ein. Ferner werde zur Vereinfachung:
rcotto
34) -T~^^
und
35) T, sinw = T
gesetzt. Mit Rücksicht auf diese Bezeichnungen lassen sich die Glei-
chungen 31) und 32) wie folgt schreiben:
36) ^j cosa-f-y, cos/?-f-a?^ cosy = i2-f- Tcotw.
Q da \ dT
37) X^ C0SA4- V, COSXi-f-a?, COSI' = — 3 -y— •
/ * » j^i r-^ I 1 r doo p d<o
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.8PHÄRISCHEN ETC. 73
Die Gleichung 37] werde nach s differentiirt, dann co als unabhän-
gige Variabele durch ds = rdvo eingeführt. Aus 34) setze man :
cot II? p
ein. Mit Rücksicht, dass nach 30) für eine Variabele u:
dx. dy. dz.
--r^cos;l+-T-^coSiM+ -j-^coBP = 0 ,
du * du '^ * du
giebt die Gleichung 37):
9^dß_ldT
T dü) p dto tS$
38) — (iTj co8/+yjCOsm+;?j cosn) = d ' , ^ — --\ \'pT.
Es ist nach 30) allgemein:
dx* du, dz.
-3^cos/+-3^coswi + -T^cosn = 0.
du 'du 'du
Man differentiire die Gleichung 38) nach co, addire dann die Glei-
chung 37). Hierdurch ergiebt sich zur Bestimmung von T die folgende
Differentialgleichung :
J_rfT Q^dä
' am p da) dm r dm
Zur Integration dieser Gleichung nehme man zuerst die folgende:
p dm
' d(o * p doo
Diese Gleichung mit:
.p_d(o^
Mathem. Glosse. XXVL 2.
74 ALFRED ENNEPER,
multiplicirt und integrirt giebt:
41)
r 1^ 1*
WO C^ eine Constante bedeutet, die auch verschwinden kann, da von
den links stehenden Quadraten eins negativ ist. Man setze C^ = 0 und
Die Gleichung 41) wird dann:
(T,cossp)4(^-/>co89)-ll = 0.
Es ist also:
•pco8
9) =1.
oder:
dq>
43) ^=1+^C08SP.
Aus dieser Gleichung ist y> in Function yon m zu bestimmen, wo-
bei es genügt, einen Werth von (p zu kennen, welcher keine arbiträre
Constante enthält. Setzt man zur Vereinfachung:
44) fp sin g> d(o = q ,
so ist nach 42) für:
45) t = ei,
Tf. = t ein particuläres Integral der Gleichung 40). Man setze in 40)
dg
r, = M^ei. Da nach 44) ^ = jvsin^p, so erhält man, mit Rücksicht
auf 43):
p da) . dM^
ä ;j^ + ___^(t+pcos,) = 0.
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHENMITPLANENU.SPHÄRISCHENETC. 75
Für:
wird die obige Gleichung einfacher:
47) d ^- \-M, (l+pcosy) = 0.
Aus 43) folgt unmittelbar, dass dieser Gleichung durch M^ =co8 9
genflgt wird. Man hat also nach 46):
T-^ = COSflP,
p dm ^
oder M^ = 3f , wo:
48) M =:fe^pcosg>d(o.
Setzt man also:
49) t^ = Me'^,
so ist T^ = t^ ein zweites particuläres Integral der Differentialgleichung 40).
Um das zweite Integral der Gleichung 47) darzustellen, setze man in
der bemerkten Gleichung:
60) Mj .= M^C089.
Es folgt dann :
^cos
**) ^ cfco =^r^^^» = -^cos^.tang,.
Da nun nach 43) und 44):
jlogggcosy
80 giebt die Gleichung 51) integrirt:
dM^ e^
--=-^C08Cp= .
dw ^ COS 9
K2
7^ ALFRED ENNEPER
EUeraus folgt weiter:
rfai cos*y*
Diese Gleichung nach 43) mit •
dw
multiplicirt giebt:
dM^ e^ df pe ^ .^rftangy pe~^
dio cos* 9 rfo) cos y diD cos y'
Durch Integration folgt:
(f taug 9
M.
= fe^^^da,-fP^-da..
J (ko J cos 9)
Die Anwendung der Integratio per partes giebt nach 44):
d(o.
/.rftangy . _. , fpe^sm^y
e-i — ^JL dw = ^-g tangcp + / ^
dw ^^ * J cosy
Es ist also:
M^ = ^^^tangy — fe'^^pcoBgfdo),
welche Gleichung nach 48) sich auch schreiben lässt:
M^ = ö'^tangy — M.
Man substituire diesen Werth von M^ in die Gleichung 50), die-
selbe giebt dann:
3fj = ^"^siny — Mcosg).
Mit Hülfe dieses zweiten particulären Integrals der Gleichung 47)
erhält man nach 44) und 48):
pM^ e^ = e^^^psing) — Me^p cos ^ = ^"^ ^ — ^J~»
d. i. nach 46):
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHENETC. 77
_ dM^ _ g-^^ + Af^
da) d(o *
also :
Multiplicirt man diese Gleichung mit e^, so ergiebt sich, wenn:
52) t^=ze'^+M^e'i
gesetzt wird, T^ = t^ als drittes particuläres Integral der Differential*
gleichung 40). Die Zusammenstellung der obigen Resultate giebt also:
dg>
53)
-TT = l+z^cosy, q =JpBmfd(o, M = fe^pcos^dw.
54)
Aus den vorstehenden Gleichungen leitet man leicht die folgenden ab:
t dt l dt.
— j- = ß^sincp, — j-^ = Jf^^sinjp + coscp,
p da) ^ p d(ß} ^ ^
— ^ = -Äf*^^8iny + 2jlfcos5P — ^"^siny.
p dto p d(o
d^ pt =: ß^cos^, d^ pt^ = Me^cosf — siny,
d^ pt^ = M^e^cosy — 2Msmq> — ^"^cosy.
Das Integral der Gleichung 39) hat nach Lagrange die Form:
65) T=Kt^K,t,+K^t^.
1^0 t, t^, t^ die particulären Integrale der Gleichung 40) sind. Nach
78 ALFRED ENNEPER,
bekannter Methode hat man zur Bestimmung von JT, K^ und K^ die
Gleichungen :
dK , rf^ , ^ _
dm*~^ d(o '»+ da» '* ~ *•
dK dt . dK, dt, dK^ dt^
56) da) d(o*^ da) d(o*^ d(o d(o *
r i^ 1 r i^ 1 r i*i 1
WO zur Vereinfachung:
Q da
doi p Q dß
' dm r doo ^'
gesetzt ist. Mit Bücksicht auf die Gleichungen 53) und 54) erhält man'
aus 56) :
r 1*? 1
dK i\.p dm l_
r -^ 1
Aus diesen Gleichungen sind JET, K^ und K^ zu bestimmen. Um
einfache Formeln zu erhalten, sollen einige Integrale durch wiederholte
Integratio per partes transformirt werden. Genügt T^ der Gleichung 40),
so giebt die Integratio per partes:
UNTERSUCHÜNGENÜBERD.FLÄCHENMITPLANENÜ.SPHÄRISCHENETC. 79
.- 1 dT.
p dm
d(o
-pTo\
r dio rSi
d — ; }-
da)
d(o
8l I 1^ ir ^— 1
o I p do) ^ 1 1 . ^ rf"> , ^-ß I
[.
Q da
' ' p dw ^ da) ' (>
da)
■]
da) Q
Es ist weiter:
Q da
1 dT.
i dT^ r da) ^ 1 dT. o dO,
^d — ; 001 =
p dm da)
p da) r da)
^p da) p dß ,
d ^ — T- da).
dm r dm
Mit Rücksicht auf den Werth von ü^ aus 57) geben die beiden
vorstehenden Gleichungen :
59)
r 1^ 1 r 1^ 1
■«2+-
\ dT. Qda
p dm r dco
+/
rßdT.
PQ dm
dm
f
PQ ^ dSl ,
^T^-j-dm.
r ^ dm
Es ist in dieser Gleichung zur Abkürzung:
Q^da
r da) rSl ^
d— 1 = £.
da)
Q
gesetzt. In den beiden Integralen auf der rechten Seite der Glei«
chung 59) setze man aus der Gleichung 34) für p seinen Werth ein,
nämlich :
P =
rcotw
80 ALFRED ENNEPER,
Eine weitere Anwendung der Integratio per partes giebt dann:
T
rw^ ^ , f ^ .8inw ,
= _cotwr^i2+l d-T— dco.
• ' J cosw am
60)
Hierdurch lässt sich die Gleichung 59) auf folgende Form bringen :
fr i^ 1 r l*'-^ 1
1a.
— coiwT^a-^' I d-j—do}.
" ' C08W OC»
Diese Gleichung gilt für die drei particuläi^en Integrale t, t^ und t^
der Differentialgleichung 40). Zur Vereinfnehudg der folgenden Eech-
nungen setzte man:
61)
d(o J ^
t
J= t -^^^—d^—dio, /- = I d-j—dvo^
cosw dko ^ I coQw aw
ß .Sinti; .
d — 5^ — ocü.
cosk; do9
Die Integration der Gleichungen 58) involvirt drei von w unabhän-
gige Quantitäten, welche nur v enthalten können und als Functionen
dieser Variabelen für K, K^ und K^ respective durch F, V^ und V^
bezeichnet werden mögen.
Es ist dann:
UNTERSÜCHUNGENÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 81
K =
F
2
K, = F,+
K, =
F,
2
1 dt.
p dm
dm
i dt.
■Pt-.
p dm
dm
w 1 dt
p dm
dm
J i2j dm,
— ptijßidm.
1
pt
Auf die rechten Seiten dieser Gleichungen wende man die Glei-
chung 60) an, setze darauf die erhaltenen Werthe von K, K^ und K^
in die Gleichung 55) und führe die abkürzenden Bezeichnungen aus
61) ein. Werden hierbei die Gleichungen 53) und 54) beachtet, aus
denen tt^ = 1 + ^f folgt, so lässt «^ich der Werth von T auf folgende,
sehr einfache Art, darstellen:
r= .ßcotw; +
V—J.
t-\'[y,+j,)t^ +
t^.
Diesen Werth von T substituire man in die Gleichungen 35), 36),
37) und 38), wobei die Gleichungen 53), 54) und 61) zur Anwendung
O cot M?
kommen. Es ist ferner nach 34) — = gesetzt. Zur Bestimmung
von Tj, a?j, t/^ und z^ bestehn dann folgende Gleichungen:
T^sinw = ißcotw; +
I-^2^^<i^i^V,-\-J^)Me^-i-\^{M'e^^e-%
■ß
V-J
62)
+ ■
F„-/
e? 4- ( F, + J, ) Me« + -^— '(itf * «« + e"«)] cot w.
x^ cos jI -{- yi cos fi-i-Zi cos V = —[Vi-\-Jy + {V^ —JjM]cos9
[
V—J.
e^-\-{V,-\-J,)Me^+
V„-J
(M* ei— e-^)] sin 9,
iTj COS l -\-yi cos m-\-Zi cosn = — [^+''^i + (^2 — J)Mjsin^
-j-T — : — *e»-f-( y .-¥-j.]JMet-i ~ — [M'e' — e
^^e'' + {V,-i-J,)Mei-\-^^^{M'^-e-i)]cos9.
Mathem. Classe. XXVI. 2.
82 ALFRED ENNEPER,
Die Gleichungen zur Bestimmung von T^, x^^ y^ und z^ lassen
sich auch auf folgende Formen bringen, welche in einigen Fällen zur
Vereinfachung von Rechnungen führen:
Tj sinw
= i2cotM;-f-^^=^#4-(F,+ /,)/, + ^5^^f2'
a?^ coscr + jj cos/? +^1 cosy
^j cos^+^i cosfe-f-^i cosf
62*) / l-F-J, i ät 1 rff, F,-/ 1 dt^i
a?! co8/+^j cosOT+^j cosn
(\ dt \ 1 \ dt^
( 1^
Aus den Gleichungen 62) ergiebt eine einfache Rechnung:
63) D, =a.?+y?+«?-r? = ^H-(F,+J,)'-(F-J,Mf^2-A
wodurch der gemeinschaftliche Nenner in den Werthen von x, y, z und
r" der Gleichungen 23) bestimmt ist. Zu Folge der Gleichung 26) können
die Functionen F, V ^ und V^ nicht alle arbiträr sein. Man differentiire
die Gleichungen 62) nach v, es ergiebt sich dann, ganz ähnlich wie die
Gleichung 63) die folgende:
dVdV.
\dvl'^\dv)^\dvf \dv f ~\dv I
2
dv dv
Da die linke Seite dieser Gleichung nach 26) verschwindet, so folgt:
/dT\V ^ dV dV^
^ \ dv I dv ' dv '
UNTERSUCH ÜNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN ü. SPHÄRISCHEN ETC. 83
Durch diese Gleichung ist die Anzahl der willkührlichen Func-
tionen in den Gleichungen 62) auf eine reducirt. Da die bemerkten
Gleichungen nur F, V^ und V^ enthalten, so kann man zwei derselben
als Function der dritten ansehn. Nimmt man z. B. V^ statt v als
unabhängige Variabele, so lässt sich die Gleichung 64) schreiben:
dV dV^
rfF, dV^
Von den beiden Functionen V und V^ ist also nur eine arbiträr.
Die Gleichungen 30) geben:
^1 HT'^^' "rfw" + ^1 rflT ~ ^^ ~du
a?jC08a+^j cos/S + ÄTj cosy — r^cosM? dT^
cosw; du *
d. i. nach 25) und 31):
dP^ 2S2 dT^
^ du cosM? du
Diese Gleichung folgt auch aus der ersten Gleichung 62) und der
Gleichung 63).
Die Berechnung von ^—r und ^ lässt sich auf folgende Art aus-
führen. Aus den Gleichungen 2) findet man leicht:
(1* — x) cos a+ [ril — y) cos fc + {£* — z) cos c — p^,
(i; — <r) cos a + {til —y) cos fc'+ (^l — z) cos c = —q^.
Differentiirt man die erste der vorstehenden Gleichungen nach w,
so folgt, mit Rücksicht auf die zweite Gleichung,:
cosa
du
+ cos6-^ + co8c^^+g,-^ =-^.
oder:
L2
84 ALFRED ENNEPER,
Wegen der Gleichungen 29) erhält man:
COS er cos/? cos/ cosir
66) cosaa-^ V-coBod-^ kcosca-j — . — d— t — = -^ ?--
' du ^^ du * du du Sl r
dr"
Die Gleichungen 24) geben, durch Einsetzung des Werthes von -^,:
z
1
Multiplicirt man die Gleichung 66) mit:
so folgt mittelst der Gleichungen 67):
a?j cos« y^ cos/? z^ cosy T^ cosii?
68)
dt; dt« ' dv du dt; du dt; du
sinti^ Dj y/^
— ""^"'ÄT/'-
Die linke Seite dieser Gleichung ist der Differentialquotient nach
V von:
cosa cosjS cosy
cost£;
.ß
du
=
69)
j?, cosa+^i C08/i{ + 2;, cosy — T, cos«;
I . S "
D, du
\ Idx^ , rfy, . , <fe, dT. \
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 85
Nun ist nach 30) und 31):
da?, . dy, , . dz, dT, dT, b\v?w
-j^ cos a + -j cos p + -r^ cosy 1— ^ cos w = -^-^ ,
du du du ' du du cosu;
x^ cosa+^j cosjS + ÄTj cosy — T^ cosm? = Sl,
Die rechte Seite der Gleichung 69) reducirt sich also auf:
sin* II? 1 dT^
SicoswD^ du
Da nun der DifTerentialquotient dieses Ausdrucks nach v gleich der
linken Seite der Gleichung 68) ist, so hat man zur Bestimmung von ■^-
folgende Gleichung :
r, _ 1 rfr.
,Z). v/jE .P, du
Diese Gleichung lässt sich mit Hfllfe der Gleichung 65) auch
schreiben :
T 1 dD
D, \/B _ Sinti; -Z>, dw
^~di^'V~ ~^Qr "Iti)
Die Gleichung
I>, =^\'^!f\+z]-T]
zweimal nach v differentiirt. giebt nach 26):
Durch Differentiation der Gleichungen 67) in Beziehung auf v er-
hält man:
86 ALFRED ENNEPER,
dv" '
Man bilde die Summe der Quadrate dieser Gleichungen , ziehe auf
beiden Seiten
ab. Unter Beinahme der Gleichung 71) folgt dann:
Die Gleichungen 62) geben:
/<?«,\* (d^y^V K«,\* (d^'^X _i^^i\
d*V.\* d*Vd^V^
dv* dv*
Die Gleichung 64) nach v differentiirt , darauf quadrirt und durch
die Gleichung 64) dividirt giebt:
Id^ F. \' _ \ dv dv* "^ dv dv* )
[dv* ) -
dVdVj
dv dv
also:
IdV (f F, dVj_ d'V\*
itXxt ^ ^^i _ U« rf»^* ~ dv dv' I
\ dv* / dv* dv* ~~ dVdV^
dv dv
Setzt man im Nenner des vorstehenden Ausdrucks wieder:
UNTERSUCHUNGEN ÜBERD. FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 87
dV rfFj /dV
\dv / '
dv dv
so lässt sich die Gleichung 72) auf folgende Art schreiben:
dV «f F, rfF, d* F>
". (^.^-^/^)'(^^)'°^<" "^j," "
dv
Durch diese Gleichung ist ^ bestimmt.
Die Gleichungen 62) {^eben «J^,»^,» ^, und T^ ; durch die Glei-
chungen 53) und 61) sind die Werthe von M, q tf und die Integrale
J. /, , J, definirt. Die Relation zwischen den Functionen F, V und
F^ ist in der Gleichung 64) enthalten. Durch die vorhergehenden
Quantitäten sind dann nach 67) cosa. cosft und cosc bestimmt Sub-
stituirt man in den Gleichungen 23) die Werthe von ^, jj*, f*, p* und U
aus 28) und 28*), zieht die Gleichungen 29) noch in Betracht, so sind
die Coordinaten o?, y, z eines Punktes einer Fläche mit einem System
sphärischer KrQmmungslinien vollständig als Functionen zweier Variabelen
dargestellt. An Stelle der Gleichungen 23) sind vortheilhafter die weiter
unten entwickelten Gleichungen 80) zu nehmen. DieCurve, auf welcher
die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen Krümmungslinien
liegen, lässt sich, analog wie in XI , durch eine andere Curve ersetzen.
Es sei:
oder nach 28) und 28*):
n.\ t _;:• ?2^21^ ^ _^> q^cQsß _ • q^cosy
75) §0— §2- sinw; ' ^0 — ^2 ^-^^ . fco— ^ 3i„^ •
Man kann {§^, ij^^, tj ^^^ Punkt 11^ einer Curve doppelter Krüm-
mung ansehn. In Beziehung auf diese Curve veisehe man alle in I de-
finirten Grössen mit dem Index 0 Die Gleichungen 7 5) geben dann,
wegen 29), nach u diff'erentiirt :
88 ALFRED ENNEPER,
dSf. cos« sin w
dsQ cos/? sin M?
rf^ö cosy -sinai?
Nimmt man
ds^ — 1 .sinw;
^ du S2 du '
80 ist cos er ^ = cos«, cos/?Q = cosjS, cosy^ = cosy. Hieraus folgt
weiter :
Aq = A, l^ =^ l, ^-^ z=i —, da)^ = dm etc.
In den Gleichungen 28), 29), 34) und 62) können alle von $ direct
abhängigen Grössen mit dem Index 0 versehn und dann als Functionen
von s^ betrachtet werden, wobei die Gleichungen 74) und 7 5) bestehn.
Lässt man der Einfachheit halber den Index 0 wieder weg, so bleiben
die Gleichungen 28), 29), 34) und 62) unverändert an Stelle der Glei-
chungen 7 4) und 75) treten die folgenden:
77) ^ = v^-q^m\ n==vl-q,uti', £ = :;-?, t/r.
' * ' sm m; '^ * ' 8in«^ • * sinw
In den Gleichungen 78) sind f, ij. ^ die Coordinaten eines Punktes
n einer beliebigen Curve doppelter Krümmung, für welche die in I auf-
gestellten Gleichungen gelten. Der Punkt (|*, ij*, f*) liegt auf der
Tangente des Punktes II. Die Gleichungen 78) gehn durch Vertau-
schung von w mit a^ direct in die Gleichungen 41) von IX über, sie
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 89
entsprechen ebenfalls den Gleichungen 3 1 ) von XI, wenn sin m; = 1 und
^j = 12, genommen wird.
Aus den Gleichungen 28), 28*) und 29) folgt durch Differentiation
nach u:
jP% — ^2 ^P* jPt — 9z cotit» — cosw; sinw
du du S2 du
Mit Rücksicht auf die Gleichung 76) folgt, wenn s statt s^ ge-
setzt wird:
^ri JJ, — ^_ __ ^r_2 ii _. cos M? 3- ,
du du du
oder:
79) p^ — q^ Up* = P2 — ^'jCOtw =i fcoswds.
Sub*8tituirt man in die Gleichungen 23) den Werth von U aus 28*),
ferner die Werthe von |*, ij*, £* und p^ aus 78) und 79), so folgt:
0? + ^ cosa — 5 = -f^ —
^.
80)
VH-rC0s6 — J? = -r-^ r— r , . , =- ,
^^ ' Sinn? a?J+j^J + arJ— Tj •
;?+ r cos c — f = -:_- ^^ 1 ..^ . ^2
^ / cos wdS =• -T^ r-j , .' ^f^.
J smw> J?J -\-y\ +zj — Tj
Die vorstehenden Gleichungen in Verbindung mit den Gleichungen
62) oder 62*) scheinen das einfachste System zu bilden, welches sich
für Flächen mit einem System sphärischer Krümmungslinien aufstellen
lässt.
Da:
dl dn . dt
^ = cos«, ^ = co8^, ^ = cosy,
Mathem. Glosse. XXVI. 2. M
90 ALFRED ENNEPER,
so geben die Gleichungen 78) und 79) zu dem folgenden symmetrischen
Systeme Veranlassung:
^* = fcosads-\- -r-^—cosa.
8»)
17* = f COS ß ds -{"^-^ COS ß,
^ ^ sinw;
n = Tcos y cb + -~^- cos y ,
^ J ' * Sinti? '
ü« == rcosw?{fc + -^^— cos«(?.
B. Die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen
Krümmungslinien liegen auf einer planen Curve.
Ist die Curve , gebildet aus den Mittelpunkten der Kugelflächen
der sphärischen Krümmungslinien, plan, so können für die Curve, auf
welcher der Punkt (5, tj, t) liegt, zwei Fälle eintreten. Die l)emerkte
Curve bleibt eine beliebige Raumcurve, oder sie ist ebenfalls plan. Im
letztgenannten Falle erfordern die in A. aufgestellten Formeln einige
Modificationen , welche wesentlich darauf beruhn, dass oc^.jf^, und z^
nicht mehr, wie im allgemeinen Falle, durch symmetrisch gestaltete
Gleichungen bestimmt werden. Diese Modificationen , welche keine
weitläufigen Rechnungen erfordern , sollen zuerst untersucht werden.
Es seien also t\ und t gleichzeitig constant. Nimmt man die Ebene
der planen Curven zur Ebene der x und y, so ist einfacher £* = 0 und
l = 0, also r = oo. Man führe den Winkel b durch die Gleichung:
_ ds
de = —
9
ein und setze:
cos« = sine, cos/? = — cos«, cosv = 0.
cosx = cose. C08/1 = sine, cosp = 0,
dz
Für f * = 0 geben die Gleichungen 21) -r-^ = 0, d. h. z^ ist nur
dx^ sin« dT^
dt/^ cos« dT^
d€ cosw de '
de sinw ds
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHENETC. 91
von V abhängig. In den Gleichungen 30) werde s an Stelle von u als
unabhängige Variabele genommen, unter Beachtung der Gleichungen 82)
folgt dann:
83)
Die Gleichung 31; reducirt sich auf:
84) ^jsin« — ^icos« = Si-\'TiC08w.
Wird diese Gleichung nach s differentiirt , so folgt, unter Anwen-
dung der Gleichungen 83);
a?jC08€+yiSin« = tangK^a — -7 ,
oder :
85) Tisinw = T, 86) cotw=:p,
gesetzt :
da 1 dT
87) ^iC08€+yi8in« = — — -— .
Eine weitere Differentiation der vorstehenden Gleichung nach s
liefert, in Verbindung mit den Gleichungen 83), 84) und 85), folgende
Differentialgleichung für T:
IdT
,p ds ^ d^Sl ^
Es sei:
89) q =^fpd€ =:=^ fcotwde.
Die beiden particulären Integrale von:
1 dT.
.^-,r. = o,
M2
92 ALFRED ENNEPER,
oder nach 89) von:
sind e^ und e~^. In der Gleichung 88) ist also :
90) r= iSTie^ + ATje-«,
wo für JiTj und K^ die folgenden Gleichungen stattfinden :
Die wiederholte Integratio per partes, uebst -^ = cotw, giebt:
— l^-te^ds = — -r-e« 4-J2e«cotw — / ^-.— ( cos* w — :i-|«'<fc.
Setzt man zur Vereinfachung:
80 geben die Gleichungen .91) integrirt:
dS2
2K^ = F, + — ^~^ + Ä«-^cotM? + Ji,
dSi
'lK^=V^—-^e^ +J2e^cotM; — J,.
Es sind Fj und F^ Functionen von v. Die Substitution dieser
Werthe von K^ und Ä^ ^^ die Gleichung 90) giebt für T folgenden
Ausdruck :
Man setze diesen Werth von T in die Gleichungen 84), 85) und
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U. SPHÄRISCHEN ETC. 98
87). Mit Rücksicht auf die Bedeutung der in 92) aufgestellten Inte-
grale /j und J^ folgt:
r, Sinti; = ,gcotif^ + -^^-^^g^+ ^^~*^^g~g,
i 2 2
I Ä rF 4-/ V —J 1
93) / d?,sin€— y.cos« = ^-^ \-\ ^Z ^^^4--^-;; — ^^""^ cotii?,
^ \ ^ ^* sin^ir L 2 2 J
I • ''^l • ^'l <1 1 ''^2 *'2 ^o
iT. cos€+^|8in« = ^— — ^ö»-| ^^-^7 — ^e ^
^ 2 2
Die vorstehenden Gleichungen geben:
\ rfv / \dv ) \dv f dv dv '
Hierdurch nimmt die Gleichung 26) die Form:
(^)'=
dv dv
an, wo z^ eine beliebige Function von v ist. Die Gleichungen 93) und
94) entsprechen den Gleichungen 62) und 64). Setzt man :
so behält die Gleichung 70) ihre Form bei, an Stelle der Gleichung 7 3)
ist folgende zu nehmen:
dv
Für die Gleichungen 93) bleiben die Gleichungen 80) unverändert,
nur dass f = 0 zu setzen ist.
Nimmt man f* von Null verschieden an so liegt der Punkt {§, ijy f)
auf einer beliebigen Curve doppelter Krümmung, die Gleichungen 62)
oder 62*) von A behalten dann ihre Gültigkeit. Es sei f* = A:, wo A:
eine Constante bedeutet, nach den Gleichungen 28) ist dann:
94 ALFRED ENNEPER,
95) cosy = kS2.
Nimmt man in 21) £* = k, so ist:
gJJ
du du ''
oder nach 22*):
du du
Bedeutet F {v) eine beliebige Function von v , so liefert die Inte-
gration der vorstehenden Gleichung:
96) z^ - F{v) = I {x\ +yf +z\- rf ).
Die Bestimmung der Function F[v) lässt sich, bei einiger Vorsicht,
mit massigem Aufwände analytischer Bechnungen ausführen, wobei sich
einige bemerkenswerthe Belationen ergeben. Man substituire in der
Gleichung 96) für z^ und a!\-\-y\+z\ — T\ ihre Werthe aus 62*) und
63). Das Resultat dieser Substitutionen lässt sich schreiben:
k PV P V
97) _j^(t,)__(F:-FF,) + -^-hP,F. + -^ + P. =0.
Es haben P, P^ und P^ folgende Bedeutungen :
/ 1 dt
— \ dt l n da) , , _
P = t cotw'cosv — — -j—cosp-^Xd^ pt Icosn ^kJ,
' p dw \ d(o ^ '
1 dt.
98) / T^ . \ dt, l ^p da) ,
' ^ P, =f, cotM?cosy r-^cosi'+Va^— 5 ptt Icosn — ATt/.,
* * ^ p du) \ acü ^ V '
1 dt^
r, i dt„ . [ ,P ^^ I
P^ =, t^coiwcosy -r^cosy + ya^— ^ pt^ Icosn — kJ^.
UNTERSUCHCNGENÜBERD.FLÄCHENMIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 95
Was den Werth von Pg betrifft, so lässt sich derselbe mittelst der
vorstehenden Gleichungen auf folgende Form reduciren :
* sin^w; 2sin'^w; 2 2 ' i i » 2^ • ^'
Man multiplicire diese Gleichung mit 2k und setze rechts nach 95)
kSi, = cos y. Es folgt dann :
Olli jV
Multiplicirt man das Integral / aus 61) mit k und setzt dann im
Integrale kSi = cosy, so ist auch:
c — c
I Si, ,sinK7 , I
: f d—r-d(o = f
/ LOSW du) J
t
100) kJ = k 1 d-r- dco = I d—i — dw.
I f /.r^^> 4« W(|; f cos W diO
Aus der Gleichung 34) ist:
-=i>tangw,
«
mittelst dieser Gleichung lassen sich die Differentialquotienten von cosy,
cosf^ und cosn nach co auf folgende Art schreiben:
cfcosv d cos j^ dcostt
101) —j — =^pthxigwcosp, —T — = — jotangM?co8y — cosn, —z — = cosy.
Es werde nun der Werth von P aus der ersten Gleichung 98) in
Beziehung auf m differentiirt. Es ist t ein particuläres Integral der
Differentialgleichung 40). diese Bemerkung genügt, um mit Hülfe der
Gleichungen 100) und 101) die Gleichung:
dP_
du) ~
darzuthun. Es ist also P eine absolute Constante. Dasselbe gilt von
Pj und Pj. Weniger einfach lässt sich die Unabhängigkeit des letzten
Terms P, der Gleichung 97) von cü beweisen In der Gleichung 99)
setze man die Werthe von kJ'\'P, kJ^ +^it **^2 +^2 ^"® ^^^ ^^®^'
96 ALFRED ENNEPER,
chungen 98) ein. Eine, unter Zuziehung der Gleichungen 53) und 54!,
leicht zu übersehende Rechnung, führt zu folgendem Resultate :
102) 2kP^ = \ + PP^ — PJ.
Setzt man hieraus den Werth von Pg in die Gleichung 97), so ist:
2kF[v)^ (ÄF+P,)(ÄF,+P) — (ArF,-Pj^+l,
wodurch F[v) in Function von F, F^ und F^ bestimmt ist. Aus den
Gleichungen 62*) lassen sich die Integrale /, J ^ und J^ mittelst der
Gleichungen 98) eliminiren. Man multiplicire die Gleichungen 62*) mit
k, setze dann kSl = cosy und
kV—kJ, =ArF+P,-{P,+A:J,). kV^ + J^ = ArF-P, + (P. +*/,).
kV^—kJ=kV^-\-P — {P+kJ).
In den so umgeformten Gleichungen sind die Functionen:
kV+P^, kV^~P^, kV,-^P
von V enthalten. Man kann, unbeschadet der Allgemeinheit, P = 0,
Pj =z= 0, P^ = 0 setzen, wodurch die in 64) enthaltene Relation zwi-
schen F, Fj und Fj nicht geändert wird. Mit Rücksicht auf die Glei-
chungen 53) und 54) entsprechen dann einer planen Curve der Mittel-
punkte der Kugelflächen der sphärischen Krümmungslinien folgende
Gleichungen :
Vt V t
J?lC08«+J^lC08/?4-|«j— -^-IcOSy = [y+Fi^, + — |-^]cOtMJ.
X. C08/+«, C08U + I«, j-JcOS»' = — T V. — ~ -^ —
1 lyi /~-ryi j^j 2 p dm ^ p dm 2 p
I . . / 1\ • VI « dm
Xi cosZ+yi co6m-{-\^^ — -rlcosn = -r\o^ pt
*2
dm '
1 dt
1 dt^
, rr l jP ^ 1 . 1^9 I . P rf«»
i
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U. SPHÄRISCHEN ETC. 97
Die dritte Gleichung 78) giebt f * =^ 0 gesetzt:
qj^ f
sin w cos Y
Die beiden ersten Gleichungen 78) lassen sich hierdurch auf fol-
gende Formen bringen:
ds ds
oder, wenn f zur unabhängigen Variabelen genommen wird:
£•=-£•4. •.•=-f4
C. Die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen
KrOmmungslinien liegen auf einer Geraden.
Analog wie bei den in B untersuchten Flächen können zwei Fälle
stattfinden, deren jeder eine besondere Ausführung erfordert, je nachdem
der Punkt (f, 1?, f) ebenfalls, wie die Mittelpunkte der Kugelflächen der
sphärischen Krümmungslinien, auf einer Geraden liegt, oder einer belie-
bigen Curve angehört. Es wird sich ergeben , dass die Curve plan ist.
Der Einfachheit halber, soll der erstgenannte Fall zuerst betrachtet
werden.
Liegt der Punkt (f , ij, f ) auf einer Geraden, wird dieselbe zur Axe
der z genommen, so hat man in den Gleichungen 28) cosa = 0, cos/? = 0
und cosv = 1 , also g* = 0, Jj* = 0. Die Gleichungen 30) und 31)
geben dann:
du du du cos 117 du ^ ^
Aus den beiden letzten Gleichungen findet man leicht:
Mathem. Classe. XXVI. 2. N
98 ALFRED ENNEPER,
i2
103)
sixrw '
i2 r Si
* * sin*M? J 81
8in*M?
rfw.
Es ist Fj eine Function von v. In den beiden rechts stehenden
Integralen ist w zur Integrationsvariabelen genommen. Mit Hülfe der
beiden vorstehenden Gleichungen reducirt sich die Gleichung 26) auf:
Ist %ff eine Function von v, F{y)) eine Function von %f), so lässt sich
die vorstehende Gleichung durch die folgenden ersetzen:
104) a?, = F''{xff) cos xf>-\-F'{%f))&my), y, = F" {%f))su\%i) — F" [y/] cos if) ,
F. = F"(v/) + F(V).
WO F'{\li) und F" [\p) die Derivirten erster und zweiter Ordnung von
F{}p) nach y; sind.
Der zweite Fall, wenn der Punkt (^, Jj, f) auf einer Curve liegt,
bildet eine Combination der beiden in B geführten Untersuchungen. Um
an dieselben direct anschliessen zu können, liege der Mittelpunkt der
Kugelfläche der sphärischen Krümmungslinien auf der Axe der y , oder
auch auf einer Parallelen zu derselben. Es sind dann f* und f*
constant, also nach 13) auch g* und f*. In Folge der Gleichungen
28) ist:
cosy t*
cosa £
• •
Stellt man das linksstehende Verhältniss aus den Gleichungen 78)
her, so ist auch :
oder:
{£:-£)r-{s:-i)r = o.
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D. FLÄCHEN MIT PLANEN U^PHÄRISCHEN ETC. 99
In dieser Gleichung sind nur f und f väriabeL Der Punkt (g. ij, f)
liegt also in einer festen Ebene, welche der ^-Axe parallel ist. Wird
die.^^e Ebene zur Coordinatenebene der ^r und y genommen , so ist
f * = f = 0 und V = 0. In den Gleichungen 21) ist also $* constant
und V = 0. Setzt man g* = A:, so hat man nach 21) und 22*) die
beiden Relationen :
iz^
du
— 0.
du 2 du
Die zweite Gleichung integrirt giebt:
105) x^ -F{v) = I (^J -\-y] +^?- rj).
WO F{v) eine Function von v bedeutet. Da f = 0, so gelten wieder
die Gleichungen 82) bis 93) von B, zu denen noch die Gleichung 105)
zu nehmen ist. Die Gleichungen 28) geben ^* = A: und cosa == sin«
gesetzt :
106) sin« = kß.
Wird aus der vorstehenden Gleichung der Werth von Si in die
Gleichungen 92) substituirt, so gehn dieselben über in:
Man setze aus den Gleichungen 93) und 106) die Werthe von
X , y , z^, T und J2 in die Gleichung 105), wodurch dieselbe sich auf
folgende Form bringen lässt:
8in B
wo:
P^ = (cotii?sin«+cos«)e~^ + A-/^,
P^ = (cot 10 sin « — cos c) e^ — kJ^ ,
N2
* ^ •* "
100 ALFRED ENNEPER,
Da ^ = cotw, so geben die Gleichungen 108) nach s differentiirt,
wegen der Werthe von J^ und J^ aus den Gleichungen 107):
d€ "' de ^'
d. h. P^ und P^ sind absolute Constanten. Mittelst der Gleichungen
108) lassen sich aus 93) die Integrale J^ und J^ eliminiren. Setzt man
P^ = 0 und Pj = 0 , was unbeschadet der Allgemeinheit geschehn
kann, ferner den Werth von ß aus 106) ein, so ergiebt sich das fol-
gende einfache System für T^, J?^ und y^ :
Ix^ — -T-i sin« — y^ cos« = -r{V^ e^+ ^2 ^^^)<'Otw,
Ui—j-j co86+y, sin« = y (— F, e^+ V^ e^^.
Da der Fall, dass die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen
Krümmungslinien concentrisch sind, in IX ausführlich hehaudelt ist, so
sollen nur einige Bemerkungen für diesen Fall , soweit sich dieselben
auf die vorhergehenden Entwickelungen beziehn , angeführt werden. Es
muss hierbei erwähnt werden , dass in IX das System [u] sphärisch ist,
um die Resultate von IVB unmittelbar anwenden zu können. Im vor-
liegenden Falle ist das System [v) sphärisch. Sind f*, q*, f* constant,
so ist dieses auch nach 13) mit $*, ij*, f* der Fall. Die Gleichungen
28) zeigen dann, dass
f* cosa ri* cos/?
t* cosy' £* cosy
constant sind. Aus den vorstehenden Gleichungen und den Gleichungen
78) folgt:
(?:-i)r~(:;-£)r = 0. (,;_i,)r-(f;-f)i?- = o.
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 101
Es liegt also der Punkt (f, tj, f) auf einer Geraden. Wird dieselbe
zur Axe der z genommen , so ist | = 0, ij = 0 , also |* = 0, jj* = 0
und f* = 0, ij* = 0. Diesen Annahmen entsprechen die Gleichungen
103) und 104). Nimmt man J* = Ar, wo Ar eine Constante bedeutet, so
1
ist nach 28) J2 ^= -7;. Die Gleichungen 103) reduciren sich für ein con-
stantes ß auf:
T^sinw = V^, z^ = -jT-i- V ^ coiw.
Da cosa = 0. cos/? = 0, also cosy = 1 , so giebt die dritte Glei-
chung 7 8) :
9z
sinn;
V
Nimmt man in den Gleichungen 104) einfach yj = v, setzt F{v) = -j-,
so hat man folgende Gleichungen:
kx^ = F" cos »H-F sin», Ay, = F"8in«— F'cos«, kV^ = V"-\-V.
kT^ sin w = F''+ F. kz, = \-\- (F"+ F) cotw.
1=0. fj = 0. t=—J^, s = t, kß=l.
Sin w
fcoswds = s.cosw-^fs. sinwdw = — q^ cotw — fq^ dw.
Hierdurch lassen sich die Gleichungen 80) auf folgende Art schreiben :
„ 2q2 V" cos v-^-V sin v
xA-r cosa= -r^ ^p^ ,
siuw JJ ^
1 n , ^Qo F"sinv— F'cosv
y + r cos 0 .= -T— ^ 77
r ' sinn? 1)
109) ( ^ q^ 14-F'— F'^ + 2FF''
^ z-^r cosc = -^-^ 7^
^ 2(F+F")sinii;— (F'*— 2FF"— F*+l)cosw
r + / q^ dw = -^ ^^ Yk '
' ^ ^^ Sinn; JJ ^
D^= y'2_2FF"— F*+l + 2(F''+F)cotM;.
102 ALFRED ENNEPER,
Die beiden letzten Gleichun<i:en 109) geben:
dr"
dv
Werden die drei ersten Gleichungen 109) nach v differentiirt, so
erhält man mittelst der vorstehenden Gleichung:
cosw—V&inw , .
cosa = 8inK?cost? + ^ . , rrg . Tr>2 (y cosv — V smvK
1 -f- V -f- V
cos 11^ r^sm w
ttO) / cos 6 = 8inii?siny+2 -rTTv^ x_ V'^ (Fsint?+ F'cost?)»
cosk; — Vsinw
cosc = cos K? ~ 2 17»^ yt '
Man differentiire die Gleichungen 110) nach v und setze:
yg _ 2(F4-F0cosi£? + (1— F^+r^— 2FF'^)sin^?
r" ~ i + F'+F'^
Für cosa", cos 6" und cosc" ergeben sich dann folgende Gleichungen:
2FF'cosv + (l + F*—F'*) sinv
cosa" =
cos 6" =
cosc" =
i + F*4-F'*
2FF8int;— (1 + F^— F^^)cost)
— 2V'
1 + F^+ F'^'
Es sind cosa". cos 6" und cosc" von u unabhängig, die betreffenden
Flächen sind also durch
d\jE _
dv
characterisirt. Diese Bedingung ergiebt sich durch Vertauschung von u
mit V aus:
d\JG _
du
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 103
Die Gleichungen 109) und 110) geben:
Ein weiterer Verfolg der Gleichungen 109) und 110) würde wieder
auf die in IX gefundenen Resultate führen. Uie Aufstellung der Glei-
chungen 109) und 110) ist in sofern nicht ohne Interesse, als dieselbe
auf den allgemeinen Formeln dieses Abschnitts beruht.
Anhang.
A. Bemerkungen über die Flächen, für welche die
Krflmmungslinien eines Systems gleichzeitig geodätische
Linien sind.
Die Flächen mit einem Systeme planer Krümmungslinien, deren
Ebenen die Normalen der Flächen enthalten , bieten ein besonderes In-
teresse , sowohl in Beziehung auf ihre Entstehungsweise , wie durch ihr
häufiges Auftreten bei geometrischen Problemen. Aus diesem Grunde
sollen die in IVB aufgestellten Gleichungen 48) und 50) noch einige
Umformungen erleiden , welche für verschiedene Anwendungen vortheil-
haft sind.
Man kann die Gleichungen 48) von IVB auf folgende Weise dar-
stellen, welche zu ziemlich einfachen geometrischen Interpretationen
Veranlassung giebt:
Ä?co8a+yco8/?+«co8y = — [/"(«>) +/(«>)] i
a?(co8feinaH--co8>lco8(o)+y(cosm8in(o+cos/tcos(o)+^(co8nsinai-|-coswo8co)
dV
1) ( = — /((o)8in(o — /'(co)co8(o-|- -T— cosi/z-f-T^siny/,
a;(cos/cosai — co8>l8in(o)+y(co8mco8(o — co8^8inco)-|-5?(cosncosco — cosi^sinco)
dV
= — y(co) cos CO +/' (co) sin co + -7— sin y; — V cos y/.
104 ALFRED b: NN EP ER,
Legt man die Gleichungen 50) von IVB zu Grunde, so lässt sich
an Stelle der vorstehenden Gleichungen 1) das folgende System auf-
stellen :
' {x — f]C08ff-|-{y — ij)co8/? + (^ — f)cosy = 0,
[x — ^) (cos /sin (o-f cos X cos co) + (y — ij) (cos^ts sin co4- cos fi cos co)
dV
j 4"(^ — tjicosnsinco + cosi'cosai) = -7— cosi^+Fsin^,
{x — I) (cos /cos CO — cos ^ sin co) + (^ — ^) (cos m cos co — cos /^ sin co)
. +(^ — f)(cosncosco — cosj'sinco) = -r— siny; — Fcos^.
In den Gleichungen 2) ist (f, ij, f) ein Punkt einer beliebigen
Curve doppelter Krümmung , für welche die in I entwickelten Formeln
gelten. Die in IV B gegebene Ableitung setzt voraus , dass /(co) nicht
der Differentialgleichung :
7 ET («>)+/(«»)]
r
») * SS +7/'M = ''
genügen darf, wenn man sich der Gleichungen 2) bedienen will. Findet
die Gleichung 3) statt, so sind die Gleichungen 1) zu nehmen. Nach
den in I gegebenen Formeln, sind cos/, cosm, und cosn die particulären
Integrale der Differentialgleichung 3). Bezeichnen x^, y^, z^ arbiträre
Constanten, so ist in 3):
4) — /(co) = XqCo^I-^ y^cosm-^-z^QO^n^
Aus der vorstehenden Gleichung folgt, durch Differentiation nach oi,
— f[w) =1 ai^coBX-\'y^cosfi-\'ZQQOBP,
7 [/*"(«>)+/(«>)] = ^0 <^08a+yo cos/J+5:^ cosy.
Die vorstehenden Gleichungen lassen an Stelle der Gleichungen 1)
ein System treten, welches unmittelbar aus 1) für /(co) = o und durch
Vertauschung von x, y, z respective mit x — x^, y — y^^ z — z^ folgt.
ÜNTERSÜCHUNGENÜBBR D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 106
Die Constanten x^, y^, z^ beziehn sich nur auf eine Verlegung des An-
fangspunkts der Coordinaten. Man kann also, ohne die Allgemeinheit
der Formeln zu verringern , o?^ = 0, y^ = 0, 2?^ = 0, d. i. nach 4)
f[(o) = 0 nehmen. Findet also für f((o) die Differentialgleichung 3\
statt, so setze man in den Gleichungen 1) /((o) = 0. Die Ebenen des
Systems planer Krflmmungslinien schneiden sich dann sämmtlich in einem
festen Punkte, dem Anfangspunkte der Coordinaten.
In den Gleichungen t) sind die Ebenen der planen Krflmmungs-
linien den Normalebenen einer Curve doppelter Krümmung F parallel.
Man kann die bemerkten Ebenen auch den rectificirenden Ebenen einer
Curve jTi im Baume parallel nehmen. Es ergeben sich dann sehr ein-
fache und symmetrische Gleichungen. Es verdient indessen hierbei her-
vorgehoben zu werden, dass diese Vereinfachung nicht für den allge-
meinen Fall planer Krümmungslinien stattfindet. In dem allgemeinen
Falle werden die Formeln im Gegentheil weitläufiger und dadurch für
Anwendungen weniger brauchbar.
Es seien ^^^ ß^^ y^ die Winkel, welche die Tangente im Punkte
JZ^ der Curve F^ mit den Coordinaten axen bildet. Bezeichnet man das
Bogenelement der Curve F^ allgemein durch ds^^ so können a^, ß^, y^
als Functionen von s^ angesehn werden.
Man setze:
5) cos/ sin CO + cos ^ cos (0 = cosa^, cosmsinco-f-cos^cosoi = cos/?^
cos n sin CO + cos r cosy = cos y ^ .
Auf die rechten Seiten der vorstehenden Gleichungen lassen sich
die in I aufgestellten Formeln anwenden, wenn alle dort vorkommenden
Quantitäten mit dem Index i versehen werden. Unter dieser Voraus-
setzung geben die Gleichungen 5) dififerentiirt:
COSCI^COSCO , COSJli , COSjScOSCO , CO8U. ,
ds = 'ds., 08 = -ds.,
9 ?i ' 9 ?i '
COS y cos Ol - cosi'. .
ds = -ds..
9 9i *
Mathem. Glosse. XXVL 2. O
106
ALFRED ENNEPER,
Nimmt man hierin :
6)
coswds ds
80 finden die Gleichungen statt:
7) — cosa = cos^i, — cos/? =
cos fl
cosy = COSfj,
Nach den Gleichungen I 8) und I 7) ist,
1 0 0
cos^^ cos fi^ cosa^^
cosa^ cosjSj cosy^
= cobZj,
cosa cos/? cos/
cos l cos m cos n
cosJl cos /u cos f^
= 1.
Bildet man das Product dieser Gleichungen, so folgt unter Anwen-
dung der Gleichungen 5) und 7):
cos /cos CO — cos ^ sin CO = cosZ^.
Es ergeben sich so die folgenden Gleichungen:
8) cosZcosco — cos^sinco = cosl^, cosmcosco — cos/usinco = cosm^,
cosncosco — cos i' sin CO = cosn|.
Differentiirt man diese Gleichungen, berücksichtigt die Gleichungen
7), so folgt:
siu (ods ds.
9) :r- = -:r-
Man setze:
10)
-f [/"(«,)+/(«,)] =i2,
WO S2^ eine Function von s oder s^ bedeutet. Mit Hülfe dieses Wer-
thes von ß^ , sowie der Gleichungen 6) und 9) erhält man einfach durch
Differentiation :
coso) ds Siicoswds ßidsi
-rf[f(co)cosco+/(co)sincoj =- [r(co)+/(co)J
d [/(co)8inco -f{aj)cosw] = [r((o)+/(co)]
sinw ds SiisinaMis Si^dsi
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN Ü-SPHÄRISCHENETC. 107
Durch Integration geben diese Gleichungen:
a.ds
11)
|/'(<i,)cosa,+/{<»;8in«,] = A, + f-T-^.
a.ds
/u as
wo h^ und h^ Constanten sind. Die beiden Constanten h^ und h^ kana
man annulliren. Da die rechten Seiten der beiden letzten Gleichungen
1) mit Hälfe der Gleichungen 11) transformirt werden sollen, so ver-
schwinden Äj und Äj wenn V durch F^+Ä, cosy; — A^ sin ^^ ersetzt
wird, wo V^ eine arbiträre Function von v bezeichnet In die Glei-
chungen 1) führe man aus den Gleichungen 5) bis 11) die bestimmenden
Elemente der Curve F^ ein, wobei noch A^ = 0, ä^ = 0 zu setzen
ist Das System 1) lässC sich durch das folgende einfachere System
ersetzen ;
/ iTCOSJli -f-yC08/t^ +^C08f ^ =^*^i'
12)
— -ds^ -{--T-co^xp -|- Fsiny;,
rSl^ ^ dV
a?cos/^ 4-ycosm^-|-2fcosnj =1 — ds^-\--^ Buxxp — Fcosy/.
Bei Anwendungen der Gleichungen 12) kann man den Index 1
einfach weglassen. Dieses ist im Vorstehenden unterlassen, damit nicht
dieselben Quantitäten a, Z, X etc. sich auf verschiedene Curven beziehn,
wodurch die Vergleichung von Resultaten erschwert wird.
In den Gleichungen 10), 11) und 12) von IV nehme man cosa= 0,
sinG = 1 und nach IVB Q =i w-^xp. Man führe ferner mittelst der
obigen Gleichungen 5), 7) und 8) die Winkel a^, X^, l^ etc. ein. Hier-
durch folgt:
13)
cosa =
cos 6 =
cos c =
cosa^ sinY' + cosZi cosi^,
cos/?^ siny'+cosWj cosy/,
cosy^ sin^ + ^ösn^ cos^.
cos a = cos X j ,
14) { cos 6' = cos fi^^
cosr = cosf^.
02
108 ALFRED ENNEPEE,
icos a" == cos ufj cos y + cos l^ sin tp,
cos 6" == cosjS^cosi^-f-cosm^sin^,
cosc" = cos}^^ cosy^-f-cosn^siny/.
Die erste Gleichung 12) gibt nach u differentiirt :
(cosa cosi^ +cosycos/tii +C08c'cOSf j)^jB
— (^cosai+j^cos/?i+5?cosyJ— -^^
1 ds. (U2t
— (ä?cos/, +ycosmi +2?co8ni)— ^ = -^.
Wegen der Gleichungen 1 2) und 1 4) giebt die vorstehende Gleichung :
du ckj du
gesetzt :
.—du da. . 1 r rSi. ^ dV . rr • 1
Wird die zweite oder dritte Gleichung 12) nach v differentiirt, so
erhält man mittelst der Gleichungen 15):
,-p.dv d^V , ^
Durch Differentiation der Gleichungen 1 3) nach u und v und Zu-
ziehung der Gleichungen 14) und 15) findet man:
^jB du sin tp cos tp \JG dv
' r' ds^ Pi ^1 **' ^V
Ist in den Gleichungen 1] f[(xl) =0, so ist nach 10) in den Glei-
chungen 12)i2j .= 0. Wenn /(co) nicht verschwindet, so kann man das
System der Gleichungen 2) statt der Gleichungen 1) nehmen. In den
Gleichungen 2) und 12) setze man:
UNTERSÜCHUNGENÜBERD.FLÄCHENMITPLANENU.SPHÄEISCHENETC. 109
dV dV
20) X = ^cos^+Fsini^, Y ^= j-sintfß — Fcos^.
Man kann X und Y als Coordinaten eines Punktes einer planen
Curve C ansehn, es sei O der Anfangspunkt des Systems der X und Y.
Die Gleichungen 2) und 12) bestimmen dann dieselbe plane Gurve C in
beliebig vielen Lagen , wenn die Ebene der Curve sich in einer be-
stimmten, gleich zu definirenden Weise fortbewegt. Es seien f, i}, f die
Coordinaten eines Punktes JI einer Curve doppelter Krümmung F. Die
Curve r hat unendlich viele Evoluten , es sei F' eine beliebig gewählte
Evolute von F und JI' der Punkt von F', welcher dem Punkte U ent-
spricht. Es sind dann:
cos/sinoi-f-cos>lcosco , cosmsinco-f-cos/ucosco , cosnsinco-f-cosi^cosco,
die Cosinus der Winkel» welche die Verbindungslinie der Punkte U und
n' mit den Coordinatenaxen einschliesst. Die Gleichungen 2) geben
folgende Entstehungsweise der durch dieselben analytisch definirten Flächen.
Theorem .
In einer Ebene werde eine feste Curve C angenommen und zwei
bestimmte zu einander orthogonale Geraden, welche sich in einem Punkte
O schneiden. Es sei F eine beliebige Curve doppelter Krümmung, F'
eine Evolute von F, ferner seien ü und ü' zwei Punkte von F und jT',
welche einander entsprechen. Die Curve C bewege sich nun so, dass
der Punkt O die Curve F durchläuft, dass die Ebene von C mit der
jedesmaligen Normalebene eines Punktes n von F zusammenfallt und
eine der beiden festen Geraden in der Ebene von C auf die Verbin-
dungslinie der Punkte 11 und 11' zu liegen kommt. Die Curve C erzeugt
dann die allgemeinste Fläche, auf welcher sie gleichzeitig Krümmungs-
linie und geodätische Curve ist.
Dieser Satz erfordert eine Modification, wenn sich die Curve F auf
einen Punkt reducirt, oder besser, die Ebene von C immer durch einen
festen Punkt geht. Ist die Curve F plan, so ist nach IV D die Fläche
die Enveloppe einer Rotationsfläche , welche sich so bewegt , dass ihre
Axe immer senkrecht zu einer Ebene H bleibt . und ein fester Punkt
110 ALFRED ENNEPER,
der Axe eine beliebige Curve F in der Ebene H durchläuft. Greht die
Ebene der Curve C durch einen festen Punkt, so sei derselbe der Anfangs-
punkt der Coordinaten, die Gleichungen 12) geben dann i2^ = 0 gesetzt:
dV
^ V . iTcosa^+ycosjSj+ifcosyj = ^ cosy^+Fsiny/,
dV
«rcos l^ +y cosrnj-f-^rcosn^ = -t~ sin^ — Fcosy/.
Diese Gleichungen geben folgendes
Theorem.
In einer Ebene E werde eine feste Curve C und zwei bestimmte,
zu einander orthogonale, Geraden angenommen, welche sich in einem
Punkte O schneiden. Die Ebene E drehe sich um den Punkt 0
derart, dass die beiden festen Geraden den Tangenten und Binor-
malen der verschiedenen Funkte einer Curve doppelter Krümmung
beständig parallel bleiben. Die Curve C erzeugt dann die allge-
meinste Fläche mit einem System planer Krümmungslinien, dessen
Ebenen die Normalen der Fläche enthalten und beständig durch
einen festen Funkt gehn.
Die Gleichungen 21) lassen noch folgende geometrische Deutung
zu. Durch Elimination von y; zwischen der zweiten und dritten der
Gleichungen 21) folgt:
22) j?cos/^ -j-^cosm^ + ^rcosnj = *(irco8Cfj -|-^cos/?j + xrcosy^),
wo 4^ eine beliebige Function ihres Arguments ist. Die vorstehende
Gleichung nach s^ differentiirt, giebt:
/ > *\
I l(irco8^^-{-^cos/t| + ^cosyj) = 0,
d. i.
iTcos^j +yco8^^ + 5:cosi'^ = 0,
was wieder die erste Gleichung 21) ist. Die in Rede stehende Fläche
UNTERSUC HÜNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 1 1 1
ist also auch die Enveloppe einer Cylinderfläche, deren Kanten den Haupt-
normalen einer Curve doppelter Krflmmung parallel sind.
Die Flächen, definiit durch die Gleichungen 21), haben eine geome-
trische Eigenschaft, die sich unmittelbar auf folgende Art ergiebt. Die
Summe der Quadrate der Gleichungen 21), nämlich:
^+/+^=(^)'+F'.
ist unabhängig von u. Durch Differentiation nach u folgt:
dx dv dz
oder:
24) XQO^ci-^jfcosh'-^zco^c' = 0.
Die Verbindungslinien der Punkte der Fläche mit einem festen
Punkte stehn auf den Tangenten zu einem der Hauptschnitte senkrecht.
Findet umgekehrt die Gleichung 23) statt, so ist G von u unabhängig.
Die Gleichung 24) nach v differentiirt giebt nämlich:
25) (j?cosfl"+ycos6" + arcosc'')--F= -A— = 0.
Die Annahme:
a?cosa'' + ycos6''+arcosc'' = 0,
oder:
dx ^ dy ^ dz
dv^^dv ' dv
zeigt in Verbindung mit der Gleichung 23), dass Äf*4"y*+^* constant
ist, der Punkt (<r, y, z) also einer Kugelfläche angehört. Von diesem
besonderen Falle abgesehn, gibt die Gleichung 25):
als allgemeine Lösung. Die Gleichung 24) zieht die Gleichung:
112 ALPRED ENNEPER,
d -^ = 0
du
nach sich. Ist eine Gleichung von der Form:
26) xco^a-i^yco^h-^zco^c = F fs/^^Z^IyT^I^]
gegeben, wo F{t) eine beliebige Function von t ist. so giebt diese Glei-
chung nach u und v differentiirt :
27)
(a?cosa'+yco86'+^co8c)|4 + ^^^^^Si|\/-E = 0.
{a^cosa''+ycosb''+zcosc)\X + ^ :)f^^ = 0.
Die Gleichungen 27) geben zu vier Annahmen Veranlassung, von
denen zwei auf die Kugelflächen führen, nämlich:
a?co8a +y cosft'+arcosc' = 0, «rco8a''+ycos6''-j"^co8c'' = 0
und:
1 1 F' [v/^q:y+?J
r
r" v/^ip^vqr^
Die letzte Doppelgleichung schliesst auch noch die Ebene ein. Mit
Beseitigung dieser besonderen Fälle werden die Gleichungen 27) allge*
meiner erfflUt durch:
oder :
iTcosa' + vcosi 4-2rcosc"= 0, -7 H / , :-- = 0.
Die beiden letzten Annahmen gehn durch Vertauschung von u und
V in einander über. Die erste der Gleichungen 28) hat wieder:
d^G _
du
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN ^SPHÄRISCHEN ETC. 1 1 3
zu Folge. Durch die Gleichung 26) sind die Flächen definirt , welche
die Eigenschaft haben, dass, in Beziehung auf einen festen Punkt O»
far jeden Punkt P der Fläche, die Projection des Radius vectors OP
auf die Normale im Punkte P zur Fläche, eine Function des Radius
vectors OP ist. Die Gleichung 26) lässt sich auch mit einem photo-
metrischeu Problem in Verbindung setzen. Es werde eine Fläche von
einem Punkte O aus beleuchtet, die Helligkeit in einem Punkte P der
Fläche ist abhängig von der Distanz OP und dem Incidenzwinkel, wel-
chen der einfallende Strahl OP mit der Normalen des Punktes P bildet.
Nach den Principien der Photometrie ist das Maass der Helligkeit im
Punkte P proportional dem Cosinus des Incidenzwinkels , dividirt durch
das Quadrat der Distanz des Punktes P vom leuchtenden Punkte O.
Setzt man statt des Quadrats der Distanz eine beliebige Function der-
selben , so hat allgemeiner die Intensität der Beleuchtung zum Maass
den Ausdruck :
^co8a4-^cos64-^cosc^ n/-^— — z—, — si ^
wo T zur abkürzenden Bezeichnung des links stehenden Ausdrucks ge-
setzt ist. Soll die Helligkeit in jedem Punkte einer Fläche, welche von
einem Punkte aus beleuchtet ist, dieselbe sein, so ist in 29) T constant.
Dann findet aber die Gleichung 26) statt, «r, y und z sind durch die
Gleichungen 21) bestimmt. Setzt man ihre Werthe aus 21) in die Glei-
chung 29), substituirt ferner die Werthe von cosa, cos6 und cosc aus
den Gleichungen 1 3), nimmt Ty = — 1 , wo ^ eine Constante bedeutet,
so folgt:
Für eine gegebene Function * ist aus dieser Gleichung V als
Function von y/ zu bestimmen. Ist V als Function von y/ bekannt, so
lässt sich mittelst der Gleichungen 20) die Curve finden, von deren Be-
McUhem. Glosse. XXV L 2. P
114 ALFRED ENNEPER,
Stimmung die Aufstellung gleichmässig beleuchteter Flächen abhängt.
Aus dem Vorstehenden ergiebt sich folgendes
Theorem.
Eine Fläche werde von einem Punkte O aus beleuchtet, die Hel-
ligkeit in einem Punkte P der Fläche sei dem Product proportional
aus dem Cosinus des Incidenzwinkels in eine Function der Distanz
der Punkte O und P, Alle Flächen, welche in jedem Punkte
dieselbe Helligkeit besitzen, haben die Eigenschaft, dass ein System
von 'Krümmungslinien plan ist, die Ebenen des Systems die Nor-
malen zur Fläche enthalten und sämmtlich durch den Punkt O gehn.
Nimmt man in 30) 4>[t) = -wp und g = f^^, so ist:
y, :dv\'^p + T ~ k'p'
Mm
Durch Integration folgt:
WO tpQ eine Constante bedeutet , welche auf die Relation zwischen X
und y, d. h. auf die Form der Curve C, von keinem Einfluss ist.
Diesem Werthe von V entsprechend hat man in 20):
1
Xcosy/o- I'sinv/o = *L'i»^^^(V^+V'o)J ^^^ Ip ^,7 '
1
X sin Vo + Fcos Vo = Ä [sin ^^- {f + Vo)]'' «° |^f •
Für den Fall der Natur ist /> = 1 , dann geben die vorstehenden
Gleichungen :
(X*+ ry = 2A:*(Xco8V/o — F8inv/o)(X8inv/o + I^cos v^o).
UNTERSUCHUNGEN ÜBERD.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 115
71
Nimmt man tp^ = —, so folgt:
was die bekannte Gleichung der Lemniscate ist. Die aus den Glei-
chungen 29) und 30) erhaltenen Resultate finden sich, soweit dieselben
auf Photometrie Bezug haben , zuerst mitgetheilt in den ,, Nachrichten
V. d. K. G. d. W. Aus dem Jahre 1866** (pag. 270 u. f.).
B. Die Flächen der Krümmungscentra, mit besonderer
Beziehung auf Flächen mit einem System planer Krüm-
m ungslinien.
Die Endpunkte der beiden Hauptkrümmungshalbmesser r und r"
liegen bekanntlich auf zwei Flächen, welche zuerst von Monge ange-
geben sind und die Flächen, oder auch die Schalen, der Krümm ungs-
centra heissen mögen*). Diese beiden Flächen geben zu einigen bemer-
kenswerthen Sätzen Veranlassung, wenn die primitive Fläche ein System
planer Krümmungslinien besitzt. Mit Hülfe der in II aufgestellten
Gleichungen lassen sich die Untersuchungen für die Flächen der Krüm-
mungscentra ziemlich einfach und leicht durchführen. Für die folgenden
Anwendungen ist eine Aufstellung der wesentlichsten Formeln erforder-
lich, eine Aufstellung, die um so mehr geboten erscheint, als ein nur
annäherend befriedigendes analytisches Material, bisher nicht vorhanden war.
Dem Punkte P einer Fläche S mögen die beiden Punkte P^ und
und Pj durch die folgenden Gleichungen entsprechen :
'*') Die erste Erwähnimg findet sich in der schon früher citirten Abhandlung
von Monge: »Memoire sur la theorie des d^blais et des remblais« in der Histoire
de rAcad^mie pour l'annöe MDCCLXXXI. (Paris 1784.) Auf pag. 693 ist die
Aufgabe gestellt »Trouver les ^uations de deux surfaces qui sont les lieux g^ome-
triques des centres de moindre et de plus grande courbure.c Diese Untersuchungen
finden sich erweitert in der »Application de Tanalyse i la g^om^trie.€ (Ginquieme
ed. Paris 1850) pag. 134—139, so wie den §§ XXIU, XXIV und XXV.
P2
116 ALFRED ENNEPER,
«r^ =.i?+rco8a, / x^ = j?+r"co8a,
0 \ Hx =y + »''co86, 2) j y^ =y4-r"co86,
z^ = ar+r cosc, ( z^ = z-^r'coBc.
Die beiden Punkte P^ und P^ liegen auf den beiden Schalen 8^
und 8^ der Krümmungscentra der Fläche 8. Die rechten Seiten der
Gleichungen 1) und 2) gestatten directe Anwendungen der in II aufge-
stellten Gleichungen , wobei es hinreichend ist, diese Anwendungen nur
für eins der Systeme 1 ) oder 2) vollständig durchzuführen. Da die Glei-
chungen 1) und 2) durch gegenseitige Vertausch ung von u und v in einander
flbergehn, so lassen sich ohne weitere Rechnungen aus Formeln, welche
für das eine System gelten, die Formeln für das andere System schliessen.
Analog den in II gebrauchten Bezeichnungen sollen für die Flächen
8^ und 8^ die folgenden stattfinden:
du dv du dv du dv '*
(Sf)V(|f)V(^f=...
dx^ dx^ dy^ dy^ dz^ dz^ ^ ^
du dv du dv du dv ^ ^*
Die Gleichungen 1) geben nach u und v difFerentiirt , unter An-
wendung der in II aufgestellten Formeln :
dx. dr ( dx. dt^ r" — / —
j dy. dr , / dv, dr r" — / —
du du * ' \ dv dv
r
dz. dr' f dz. dr r — r r^,
■^ = ^co8c. \ _=_co8c-h-^7r-V^cosc
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 1 1 7
Mit Rücksicht auf die in II aufgestellte Gleichung 13) geben die
vorstehenden Gleichungen 5) und 6] :
' d1f^ dz^ dy^ dzi _
^)
du dv
dv du
dz^ dXy^
du dv
dz^ dx^
dv du
dx^dy^
dx^dy^
= -(r'
— ( "
.drs^G ,
'du r
j^dr^sß
du r
^lir. \^ooBb\
\ du dv dv du
— f "
r j ^- -~r cos c .
'du r
Es ist weiter:
8)
9)
10)
d^x^ i
du*
du*
d*z^
du*
dx^
du
du
dz^
du
= (^"
dx^
dv
dv
dz^
dv
dudv
du dl
d^z^
) dudv
dx^
du
dVi
du
dz^
du
dx^
dv
dv
dzi^
dv
d^x^ cPyi
dv^ dv^
d*z,
dv*
dx^ djf^
du du
dz^
du
= —
1 *f
dx^
i <^yi
dzy
i^1
dr\' sJIEG
r r
= 0.
dv dv dv
^ 'duduslEXr"}'
Aus den Gleichungen 5) und 6) findet man :
idry r. ßA* , {r' — A* „ dr'dr'
118 ALFRED ENNEPER,
Sind r\ und r\ die beiden Hauptkrümmungshalbmesser der Fläche
S^ im Punkte Pj , so erhält man aus den Gleichungen 8), 9), 10)
und II):
12)
dr"
\ _ du \
T ^r ^ dr [r —r y
du
") (^^^y-^%9m=i^9i^\<^-^
rfr dt^ /V^\
£fu du
m-
Sind ferner r ^ und r'^ die beiden Hauptkrümmungshalbmesser der
Fläche S^ im Punkte Pj . so geben die Gleichungen 11), 12) und 13)
durch Vertauschung von u und v, also von jB, G, r und r" respective
mit G, jB. r" und r die nachstehenden
-) -.=(0+M-. <'.=g. -.=
rfr" rf/'
15)
du dv
dr^
dv 1
•«) t-^-.^)<-oi-f(t=(i"f)v[(-o^^-''r
rfr' rfr" yv/£\»
dv dv
m-
Die vorstehenden Gleichungen sind auf die Kugelfläche und die
developpabeln Flächen nicht anwendbar. Sieht man eine developpabele
Fläche als Tangentenfläche einer Curve doppelter Krümmung JT an, so
ist die rectiticirende Fläche der Curve F die Fläche der Krümmungs-
centra der endlichen Hauptkrümmungshalbmesser der Tangentenfläche
ÜNTERSÜCHUNGENÜBERD.FLÄCHENMITPLANENÜ.SPHÄRISCHENETC.119
von r. Werden bei einer Kegelfläche die Generatricen den Tangenten
einer Curve F parallel genommen, so ist die Fläche der Krümmungs-
centra wieder eine Kegelfläche , deren Generatricen den rectificirenden
Geraden von F parallel sind*).
In der „Application de lanalyse ä la g^om^trie'* (V. 6d. Paris
1850) finden sich der Reihe nach folgende von Monge sehr detaillirt
ausgeführte Untersuchungen in Beziehung auf die Flächen , für welche
eine der Schalen der Krümmungscentra gegeben ist.
§ XXIII. De la surface courbe dont toutes les normales sont
tangentes ä la surface d'une m^me sphere. (p. 246 — 286).
§ XXIV. De la surface courbe dont toutes les normales sont tan-
gentes ä une m^me surface conique a base arbitraire. (p. 286 — 321).
§ XXV. De la surface courbe dont toutes les normales sont tan-
gentes ä une m^me surface d^veloppable quelconque. (p. 322 — 368).
Die von Monge behandelten Probleme lassen sich in ein Problem
zusammenfassen, nämlich in die Bestimmung der Flächen, für welche
ein System von Krümmungslinien aus geodätischen Linien besteht.
Ist eine der Schalen der Krümmungscentra eine developpabele
Fläche. 80 sei dieses mit der Fläche S^ der Fall. In der Gleichung 1 2)
verschwindet die linke Seite, da r\ = oo oder r\ = oo, es ist also
dr" dG
-r— = 0, also auch -r— = 0.
du du
*) Die Gleichungen 12) nnd 15) geben, wenn r' — r" constant ist folgendes
Theorem.
Ist für eine Fläche in jedem ihrer Punkte die Differenz der Hauptkrümmungs-
halbmesser constant, so haben die beiden Flächen der Krümmungscentra überall
constantes, negatives Erümmungsmaass.
Es braucht wohl kanra bemerkt zu werden, dass sich nur besondere Fälle von
Flächen von constantem, negativem Erümmungsmaass ergeben können. Nimmt man
eine Helikoidfläche , so* sind die beiden Flächen der Erümmungscentra wieder Heli-
koidflächen. Aus der allgemeinsten Helikoidfläche , für welche die Differenz der
Hauptkrümmungshalbmesser constant ist, lassen sich nur zwei besondere Helikoid-
flächen von constantem , negativem Erümmungsmaass herleiten , wie eine Rechnung
ergiebt, deren Ausfuhrung hier, unterbleiben möge.
120
ALFRED ENNEPER,
Ist eine der Flächen der Krüinniuijgscentra eine Kugelfläche, so sei
dieses die Fläche 8^. Bedeutet k eine Constante, wird der Mittelpunkt
der Kugelfläche zum Anfangspunkt der Coordinaten genommen, so ist;
oder die Werthe von J?^* y«' ^2 ^^® ^) ^^bstitnirt:
17) (a?+/'co8af4-(j^4-r"cos6)*4-(;? + r''cosc)* = Ä:*.
Diese Gleichung nach v differentiirt giebt :
dv
18) (a?coso4"ycos6 + 2rcosc4-03~" = ^•
dr'
Nimmt man ^ = 0, so ist die Fläche 8 die Enveloppe einer Ku-
gelfläche von variabelem Radius, deren Mittelpunkt eine beliebige Curve
beschreibt. Die eine Fläche der Krümmungscentra reducirt sich dann
auf die beliebige Curve. Hiervon abgesehn, kann die Gleichung 1 8) nur
die Lösung:
19) a? cos a +y cos b + zcos c-\'r' = 0
geben. Die Elimination von r' zwischen den Gleichungen 18) und 19)
giebt:
20) 07*4"^* + ^ = Xr*-|-(a?cosa+ycos6 + 2fcosc)*.
Diese Gleichung enthält in der That die Bedingung, dass die Nor-
male des Punktes (o?, y, z) der Fläche /S eine um den Anfangspunkt
der Coordinaten mit dem Radius k beschriebene Kugelfläche berühre.
Die Gleichung 20) ist in der allgemeinen Form der Gleichung 26) von
Anhang A enthalten. Sie führt wieder auf die Gleichungen:
, . ,, , , dG
a? cos a +y cos 6 -f- ar cos c ^=0, -r— == 0.
du
Aus den Gleichungen 1) und 7) folgt:
21)
dx
du
dx.
du
dz
du
dz.
dv dv dv
____ / »
,dr'\lG
r)-j s- . [a!coaa-\-ycosb -\-zco%c).
ÜNTERSUCHÜNGENÜBERD.FLÄCHENMITPLANENU.SPHÄRISCHENETC.121
Es verschwindet die links stehende Determinante wenn
oleosa -{-ycosb' ^zcosc= 0,
die berührende Ebene zur Schale S^ im Punkte («r^, y^, z^) geht dann
durch einen festen Punkt, den Anfangspunkt der Coordinaten. Die
Fläche iS, ist also allgemein eine Kegelfläche, wenn für die primitive
Fläche S die Relation :
22) d?coso+ycos6-j"^cosc = *(a?*+y* + ^)
besteht , wo * eine beliebige Function ist. Umgekehrt , ist die Schale
S^ eine Kegelfläche, so verschwindet die linke Seite der Gleichung 21),
es ist dann allgemein:
X cos a H-y cos b' -f- ^cos c = 0
Diese Gleichung führt auf:
X cos a -{-y cos 6 -f- 5? cos c j «^^ +y* +^^
^ du = '^' ^—^—=^'
oder:
,rcosa4-ycos6 + ;?co8c = F^, x^-^y^-^z^ = V^,
wo V^ und V^ beliebige Functionen von v sind. Die Elimination von
V zwischen den vorstehenden Gleichungen reproducirt die Gleichung 22).
Aus den Gleichungen 11) und 14) folgt:
'\du 2 dv f 2 du "" ' ^\dv 2 du J
F, dG^
2 dv
oder auch:
' du dv ' dv du
Den beiden Systemen von Krümmungslinien der Fläche S entspre-
chen auf den Schalen S^ und S^ je zwei Systeme von Curven. Wegen
der Gleichungen 23) entsprechen dem System {u) der Fläche S auf S^
geodätische Linien , dem System (t;) von S entsprechen auf S^ geodä-
Mathem. Glosse. XXVI. 2. Q
122 ALPRED BNNEPER,
tische Linien, wie sich schon bei Monge findet. (Analyse, p, 137).
Um die anderen Curven zu untersuchen , sollen folgende Bezeichnungen
gebraucht werden. Auf der Fläche Ä^, bestimmt durch die Gleichungen
1), entspreche der Krüramungslinie (u) die Curve C\, der Krümmungs-
linie {v) die Curve C'\. Analog mögen auf der Fläche S^ , bestimmt
durch die Gleichungen 2), den Krümmungslinien (u) und (i?) der primi-
tiven Fläche S die Curven C ^ und C'\ entsprechen. Zur weiteren
Discussion der Curven C\ und C'\ hat man in den Gleichungen 1)
entweder u allein . oder v allein variabel zu nehmen. Dasselbe gilt für
die Gleichungen 2) in Beziehung auf die Curven C\ und C'\. Wie
schon bemerkt sind die Curven C\ und C^ geodätische Linien auf S^
und S^.
Sollen die Curven C\ und C\ zu einander orthogonal sein, so ist
jP^ = 0, wegen der Gleichung 9) sind die Curven C\ und C'\ dann
auch Krflmmungslinien. Es giebt die Bedingung F^ = 0 nach 14)
— = 0 und umgekehrt. Hieraus schliesst man, dass den Krümmungs-
linien einer Fläche 8 nur dann auf einer Fläche ihrer Krüramungscentra
wieder Krümmungslinien entsprechen können , wenn auf der Fläche S
die betreffenden Curven gleichzeitig geodätische Curven sind. Mit
Hülfe der in I aufgestellten Gleichungen lassen sich die Curven C\, C" ,
C\ und C'\ untersuchen. Für die Curven C\ und C'\ bezeichne man
die in I vorkommenden geometrischen Elemente, soweit dieselben in
den Gleichungen 1) bis 8) von I enthalten sind, mit dem unteren Index 1
und einem oder zwei Accenten. Für die Curve C\ ist dann ds\ das
Bogenelement, es sind ferner a\, ß ^, y\ ^^^ Winkel, welche die Tan-
gente zur Curve im Punkte (.r,, y^, z^) mit den Coordinatenaxen bildet.
Die analogen Quantitäten für die Curve C"^ sind durch ds\ und
a ^, /T^, y\ bezeichnet. Für die Curven C\ und C'\ auf 8^ sind die
in I vorkommenden geometrischen Elemente mit dem unteren Index 2
und einem oder zwei Accenten versehn.
Unter Zuziehung der Gleichungen von II geben die Gleichungen 1 )
nach u differentiirt:
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHENETC. 123
, ds . dr dy^ ^ ds dr
du * du du du ^ ^ du du
dx^
dz , ds . dr
du ' ^ du du
Nimmt man:
ds\ dr
^^^ du ~ du'
80 finden die Gleichungen statt:
25) cos« ^ = cosa, cos/J'j = cosb, cos/^ = cosc.
Man differentiire diese Gleichungen wieder nach u. Wird:
26) i.^_V?
Q y du r
genommen, so findet man:
27) cos^'^ = — cosa', cos^'^ = — cosft', cosy^ = — cosc.
Die Gleichungen 25) und 27) geben:
28) cosl\ = cosa", cosm^ = cos 6", cos»'^ = cosc".
Die vorstehenden Gleichungen geben nach u differentiirt, mit Rück-
sicht auf die Gleichungen 27):
29) . 1^^^ L?f^
^', du ^G dv
Durch Division der Gleichungen 26) und 29) ergiebt sich:
Q r dS/E
30) V = — 1== 4^'
^, \JEG dv
Nach den Untersuchungen von II auf pag. 15 der ersten Abhand-
lung, ist die rechte Seite gleich der negativen Cotangente des Winkels,
welchen die Binormale der Krfimmungslinie {u) im Punkte («r, y^ z) der
Fläche /S mit der Normalen desselben Punktes einschliesst. Hieraus
ergiebt sich folgendes
Q2
124 ALPRED ENNEPER,
Theorem :
Längs einer KrOmmungslinie K auf einer Fläche 8 bilden die Nor-
malen zu S eine developpabele Fläche , deren Wendecurve W sei.
Sind P und P^ zwei correspondirende Punkte auf K und W, so
ist das Verhältniss des Krümmungsradius zum Torsionsradius der
Wendecurve im Punkte P^ gleich der negativen Cotangente des
Winkels, welchen die Binormale der Krünimungslinie im Punkte P
mit der Normalen desselben Punktes zur Fläche /S einschliesst.
Für die Curve C ^ hat man der Gleichung 30) entsprechend:
€± _ r" dsfG
r\ ~" ~ \JEG du '
Ist das System der Krümmungslinien (v) plan , so ist die rechte
Seite der vorstehenden Gleichung nach II 7] gleich cot ff, also:
^ = cota.
Da die rechte Seite dieser Gleichung nur von u abhängt, so ist
die Curve C^ eine Helix einer beliebigen Cylinderfläche. Man erhält
hieraus das
Theorem :
Einem planen System von Krümmungslinien entsprechen auf der
betreffenden Fläche der Krümmungscentra Schraubenlinien.
Weniger einfach wie die Formeln für die Curven C\ und C^
gestalten sich dieselben für die Curven C^ und C^. Da bei den frü-
heren Untersuchungen das System der Krümmungslinien (v) als plan
oder sphärisch angenommen wurde, so soll, um Wiederholungen zu ver-
meiden, die Curve C\ in Beziehung auf die Tangente untersucht werden,
es soll also in den Gleichungen 2) nur u variiren.
Mit Rücksicht auf die gewählten Bezeichnungen differentiire man
die Gleichungen 2) nach u. Ferner führe man die Bezeichnung aus
II 23):
\fEG du *
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHENMITPLANENU.SPHÄRI8CHEN,ETC. 125
ein, und setze dann nach II 10):
Es ergeben sich dann aus den Gleichungen 2) die folgenden:
Nimmt man in diesen Gleichungen :
-T^-h^y^^s/k^»'-
so sind « j, /fj und y\ auf folgende Art bestimmt:
32)
VI 9 , COSH
^,H-fl,.co8«j =H,cosaH — ;r-.
- y 4-, + «r cos /T , = H, cos 6 + ^! - .
4/1 2 , C08C'
Die Gleichungen II 25) und II 27) reduciren die Gleichungen
32) auf:
33) cosa, = cos/jj, cos/S'^ = cosm^, cosy^ := cosn^.
Es ist also die Tangente im Punkte {x^, y^, z^) der Curve C\
parallel der Binormale der Krümmungslinie (t;) im Punkte («r, jf, z) der
Flfiche 8, Aus dem Vorstehenden schliesst man folgendes
Theorem :
Auf den beiden Flächen der Krflmmungscentra einer Fläche S ent-
sprechen den Krflmmungslinien von 8 vier Systeme von Curven.
126 ALFRED ENNEPER,
Zwei dieser Systeme haben die Normalen von S zu Tangenten, die
Tangenten der beiden anderen Systeme sind den Biuormalen der
Krüramungslinien von Ä parallel.
Ein weiterer Verfolg der Gleichungen 32) oder 33) führt im all-
gemeinen Falle zu keinen einfachen Resultaten , nur für plane Krüm-
mungslinien ergeben sich einfache Verhältnisse, in den Gleichungen 33)
sind dann die rechten Seiten von v unabhängig, da die Binormale einer
planen Curve für alle Punkte der Ourve dieselbe ist. Substituirt man
in die Gleichungen 2) die Werthe von x, y, z und cosa, cos 6, cosc aus
den Gleichungen IV 4 0) und IV 10), ferner den Werth von r" aus
IV 43), so ist die Fläche Ä^^ der Krümm ungscentra durch folgende Glei-
chungen bestimmt:
34)
iT ^ (cos>Zco8y-t-cosfeiny]-|-y j (cos/icosy+coswisiny)+5?2 (cosi^co69>-[-co8nsin9))
_ W-{-J sin{Q-9)e-^^W-\-J
"""■'* dV "'"l — co8(y-9.) dV* '
x^lcosAsinyi — co8lco89)-\-yf{co8fism9 — co8mco89))-f-2,(co8f8iD9)^ — cosncos^))
- fW^ n.^ sin(g~y) W+J cos{6-9)e-^ W+J
"^^"^•^^^ ~1— cosifl — y)^ dV '^i—C08(B-9>) dV^ '
Für 9 bat man nach IV 20) den DifFerentialquotienten :
d6
35) _ = _[i_cos(ö — SP)]^^.
Lässt man in den Gleichungen 34) v oder V allein variiren, so er-
hält man mit Hülfe der Gleichung 35) eine Verification des oben aus-
gesprochenen Satzes, dass der Funkt (^2*^2*^2) d^^ Curve CT^ der Helix
einer Cylinderfläche angehört.
Man findet:
UNTERSUCHUNGENÜBER D.FLÄCHEN BflTPLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 127
cos «^ + cos/? j^ + cosy ^
- =s C08Ö.
m'H^hi^^
Die Generatricen der Cylinderfläche sind der Richtung parallel,
welche die Winkel a, ß und y bestimmen. Es ist a der Winkel, unter
welchem die Helix die Generatricen der Cylinderfläche schneidet. Was
die Curve C\ betrifft, so bietet ihre weitere Untersuchung keine Schwie-
rigkeit. Nach der Gleichung III 7) geben die Gleichungen 32), mit
Racksicht auf den Werth von //« aus 31h
cosa^ = cosacosa — cosasma,
2
2
cos ^2 = cos 6 cos (T — cos 6' sin a,
cos/ = cos c cos a — cos c sin a.
Wegen der Gleichungen IV 1) vereinfachen sich die vorstehenden
Gleichungen in:
coscr'j = cos«, cos^j == cos/?, cos/, = cosy.
Die Bestimmung der geometrischen Elemente der Curve C\ folgt
durch unmittelbare Anwendung der in 1 gegebenen Formeln auf die
vorstehenden Gleichungen. Zu sehr einfachen Verhältnissen für die
Curven C\, C\, C\ und C\ geben die in A betrachteten Flächen
Veranlassung, wesshalb eine Aufstellung der wesentlichsten Formeln aus-
geführt werden soll.
Mit Hülfe der in IX aufgestellten Gleichungen 11) bis 19) erhält
man aus den Gleichungen 1) und 2) durch leichte Rechnung:
/ (-^i — 5jco8a+(y, — ij)cos/5f-f-(z, _f)co8y = 0.
[x^ — 5)co8^ + (y, — ij)co8/i-f-(2f^ — f)eo8y = p,
^-pcos(ai+V')
(j?,— |)co8/+(3f,— ij)cosw+(^,— f)co8n= 8ip(ai4-y)
128 ALFRED ENNEPEE,
(^2 — l)co8a+(y2 — J?)co8/?+(2?, — f)co8y = 0,
{jD^ — J) (cos /sin CO -|- cos A cos co) + (y 2 — ^) (^^^ w sin ai + cos ^ cos ai)
dPV dV
37) < +(2?2— f)(cosnsinco+cosi/cosai) = — ^^TF^i» V + X|; cosV',
(iTg — 5) (cos/ cos Ol — cos ^ sin co) -f- {y^ — ij)(coswcosco — cos^sinoi)
(PV dV .
+ {z^ — f ) (cos n cos CO — cos y sin co) = -^y cos tp + -1— sin ^.
Die Gleichungen 36) lassen sich durch die folgenden ersetzen:
dV
»- 'j f 3 ocos(co+V)
x^ — I — pcos^ y^ — fi—Qcosfi z^ ~l — pcosr dxf) ^ v • x/
' cos / cos m cos n sin (co -f- xfi)
Die Fläche S^ wird aus den Krümmungsaxen der Curve gebildet,
deren Normalebenen die Ebenen de^ planen Systems von Krümmungs*
Knien parallel sind. Die Fläche 8^ ist also developpabel. Hat in den
Gleichungen 38) y/ einen bestimmten Werth , so gelten die bemerkten
Gleichungen für eine kürzeste Linie der developpabeln Fläche der Krüm-
mungsaxen einer Curve. Einem bestimmten Werthe von s entjipücht
eine Gerade.
Setzt man:
dV _ dV
X = -7— cosy/+ Fsiny/, K= — sin^ — Fcos^,
^®^ „ d*F dV . ^ d*F. , dV
80 kann man X, Y als Coordinaten eines Punktes einer planen Curve
an sehn , es sind dann X^, Y^ die Coordinaten des entsprechenden
Punktes der Evolute. Die Gleichungen 38; haben dieselben Formen, wie
die Gleichungen 2) von A, nur dass X und Y respective durch X« und
Y^ ersetzt sind. Es ist also die Flache Äj von derselben Art wie die
Fläche S.
Bedient man sich der in A aufgestellten Gleichungen 12) bis 19)
für Ä, = 0, so treten an Stelle der Gleichungen 36) und 37) die
folgenden :
ÜNTEBSUCHÜNGENÜBER D.FLÄCHEN MIT PL ANENÜ. SPHÄRISCHEN ETC. 1 29
af,C08Jl,+y|CO*i**l+«iC08»'i = ö»
i_dV
tat ^t^y
X. cosa, 4-^. cos/j, +«i cosy, = ; — - — ,
\_dV
X. C081, -hil. cosm. -\-z, cosn, = -r-^- — .
a? j cos Jl, H-y, cos/tt, + «j cosy, = 0
^j^ , a?,co8a,+5^,cos^, +«,co8y, = — ^ sin^H-^ cos^,
dCV dV
a?, cos /, 4-y, C08I«, +«, cosn, = "Ä«» ^°' ^+ Ä« "^ ^•
Die Gleichungen 40) lassen sich durch die folgenden ersetzen:
42)
X
\
=
Vx
—
!L^
cosy^
^1
—
rfF
dtp
9i
cosm
t
C08/?^
cosn^
sin
Durch diese Gleichungen ist eine Kegelfläche hestimmt. Die Kanten
derselben sind den rectificirenden Geraden einer Curve doppelter Krfimmung
parallel , deren rectificirenden Ebenen , die Ebenen des planen Systems
von Krümmungslinien parallel sind.
Die Gleichungen 40) oder 42) nehmen sehr einfache Formen an,
wenn statt der Winkel a^, A^, l^ etc. wieder die Winkel a, X, l etc.
mittelst der Gleichungen 5), 7) und 8) von A eingeführt werden und
femer nach 6) und 9) von A
p
— = — tangcu
gesetzt vidrd. An Stelle der Gleichungen 40) lassen sich dann die fol-
genden setzen :
M(x(hem. Classe. XXVI, 2, R
130 ALPRED ENNEPER,
43)
0?^ (cos/sincü+cos^cosoij+y , (co8i»8in£ü+cos^cosco)+2? ^ (cosnsinco+cosfcoscö)
rfF
smco
dtp
sin (co H- tp)
Xi (cos/coscü — cosJlsincoj+y , (cosiwcosoi — co8/isinco)-f-2r Jcosncoscü — cosf^iDco)
dV
cos to-j—
dtp
8in(co+V)
Diese Gleichungen reduciren sich einfach auf:
X, y, z, dV 1
' cos/ COS in cosn dtp sin(co-}-^)'
Nimmt man die Ebenen des planen Systems den Normalebenen
einer Curve F doppelter Krümmung parallel, 80 sind die Generatricen
der Kegelfläche , bestimmt durch die Gleichungen 44) , den Binormalen
der Curve F parallel.
Sollen die Gleichungen 36) eine Kegelfläche bestimmen, deren
Spitze im Anfangspunkt der Goordinaten liegt, so giebt die erste der-
selben a?j = 0, y^ = 0, 5?^ = 0 gesetzt:
|cosa-j-ijcos/5f-|-f co8y = 0.
Hieraus folgt:
WO ff eine Constante bedeutet. Der Punkt (|, q, f) gehört einer sphäri-
schen Curve an. Aus dem Vorhergehenden, erhält man unter Zuziehung
der in A angestellten Theoreme, folgende allgemeinen Resultate, fElr
Flächen, deren Krümmungslinien gleichzeitig geodätische Linien sind.
Theorem :
In einer Ebene werde eine feste Curve C angenommen und zwei
bestimmte zu einander orthogonale Geraden, welche sich in einem Funkte
O schneiden. Es sei F eine beliebige Curve doppelter KrOmmung, F*
eine ihrer Evoluten, einem Funkte J7 von F entspreche der Funkt IT
Ij NTERSUCHÜNGEN ÜBER D. FLÄCH EN MIT PLANEN Ü.SPHÄRISCHEN ETC. 131
von r\ Die Curve C bewege sich nun so, dass der Punkt O die Curve
r durchläuft, dass im Punkte 11 ihre Ebene mit der Normalebene von F
zusammenfällt und eine der beiden festen Geraden in der Ebene von C
die Verbindungslinie der Punkte JI und W ist. Die Curve C erzeugt
dann die allgemeinste Fläche 8, auf welcher C gleichzeitig Krümmungs-
linie und geodätische Linie ist. Die Evolute der Curve C erzeugt eine
Fläche 8^ , welche eine der Flächen der Krümmungscentra von S ist.
Den Krümmungslinien von 8 entsprechen auf 8^ wieder Krümmungs-
linien, dem planen System entspricht wieder ein planes System; dem
nicht planen System entsprechen auf 8^ Curven, deren Tangenten den
Tangenten der Curve F parallel sind. Die andere Fläche 8^ der Krüm-
mungscentra von 8 ist die developpabele Fläche der KrOmmungsaxen
der Curve F. Für eine sphärische Curve F ist die Fläche 8^ eine co-
nische Fläche. Ist die Curve F plan, so existirt nur eine Evolute F\
es findet dann für die Flächen 8 und 8^ eine ganz ähnliche Erzeugung
wie im allgemeinen Falle statt. Die Fläche der Krümmungsaxen gebt
in eine cylindrische Fläche über, welche auf der Ebene von F senkrecht
steht und die Evolute F' enthält.
Geht die Ebene der Curve C immer durch denselben festen Punkt
O, so drehe sich die Ebene um den Funkt O derart, dass sie der Nor-
malebene im Punkte II einer Curve doppelter Krümmung F parallel
bleibt und eine der beiden festen Geraden die Richtung der Verbin-
dungslinie nn' hat. Die eine Fläche der Krümmungscentra wird von
der Evolute von C beschrieben, die andere ist eine Kegelfläche, welche
den festen Punkt O zur Spitze hat und deren Generatricen den Binor-
malen der Curve JT parallel sind. Die Ebene der Curve C kann sich auch
um den festen Punkt O so drehn, dass sie den rectificirenden Ebenen
einer Curve F^ parallel bleibt, und zwei feste zu einander orthogonale
Geraden in der Ebene von C dabei die respectiven Richtungen der
Tangenten und Binormalen der Curve F^ annehmen Die Generatricen
der developpabeln Fläche der Krümmungscentra sind den rectificirenden
Geraden der Curve F^ parallel.
R2
132 ALFRED ENNEPER,
Anmerkung zu Anhang B.
Analytische Bestimmung der Flächen, fflr welche eine
Schale der Krfimmungscentra eine KegelflSche zweiten
Grades ist.
Wenn auch der Zweck der vorliegenden Untersuchungen wesentlich
in der Aufstellung möglichst allgemeiner Resultate besteht , soweit die
Allgemeinheit der Resultate durch die behandelten Probleme bedingt ist,
möchte es nicht ungeeignet erscheinen, die im Anhang B entwickelten
Gleichungen auf ein verhältnissmässig einfaches Beispiel anzuwenden.
Die sehr geringe Anzahl von Beispielen in Beziehung auf Flächen , fflr
welche die Schalen der Krfimmungscentra gegeben sind, kann wohl zur
Rechtfertigung einer speciellen Untersuchung dienen. Diese Untersu-
chung bietet in sofern einiges Interesse dar, als nur eine der Schalen
der Krfimmungscentra gegeben ist, während die zweite unbestimmt
bleibt
Ist die Fläche 8^ eine Kegelfläche, deren Spitze mit dem Anfangs-
punkt der Coordinaten zusammenfallt , so verschwindet die linke Seite
der Gleichung 21) von B, es ist dann «rcosa -f-ycos6' + 2?cosc = 0.
Die Gleichungen 12) und 14) von A geben £^ = 0 , also nach 10)
y^ (cu) -|-/(£u) = 0. Sind h^ und h^ Constanten, so ist
Man kann einfach A^ = 0 und A^ = 0 , also f(w) = 0 nehmen. Es
kommt dieses darauf hinaus in der zweiten und dritten Gleichung 1)
von A einfach V statt F+A^cosy; — A2sin^ zu setzen, wodurch die
Allgemeinheit nicht verringert wird , da V eine beliebige Function von
t; oder y/ ist. Die Gleichungen 1 ) von A geben /(co) = 0 gesetzt :
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLÄNENÜ.SPHÄRISCHENETC. 133
iv(cos28ua(o-|-cosJlcosa))-f'M<^^''*^^°'''H~co8/UCOs(io)-f-2(co8n8inca-{-co8«'co8ci>)
,)< =^co8V;+F8mv.
d?(cos/co8(o — cosisincoj-l-ytcosmcosco — cos^8in(o}-|-2r(co8nco8(o — C08i^8inai)
dV . ^
Durch die8e Gleichungen ist der Funkt («r, y, z) einer Fläche 8
definirt, für welche die Schale 8^ der Krammungscentra eine Kegelfläche
ist. Ffir einen Funkt [x^, y^, z^) dieser Kegelfläche bestehn die Glei-
chungen 44) von B, nämlich:
2) £l. -liL.^^.
' cosl cosm cosn
Da die Gleichung einer Kegelfläche von der Form:
\^1 ^J
ist , so zeigen die Gleichungen 2) , dass die Aufstellung der Fläche 8
auf die Untersuchung einer Gurve doppelter Krümmung hinauskommt,
welche durch die Richtungen ihrer Binormalen definirt ist
Sind/, y und h Constanten, liegt der Funkt («r^, y^^, z^) auf einer
Kegelfläche zweiten Grades, so findet die Gleichung statt:
3) /*^/ h*—^-
Mittelst der Gleichungen 2) giebt die Gleichung 3):
C08*/ . C08*l« cos*n
Es sei />y* Auf die Gleichung 4) lassen sich die in I g^ebenen
Formeln anwenden, bei welcher Anwendung, der Einfachheit halber,
die Gleichungen von I nicht weiter einzeln angefahrt werden sollen.
134 ALFRED ENNEPER,
Die Gleichung 4) nach s di£Perentiirt giebt:
(cos/ cos i cos m cos /^ cosncosa/X 1
d. i.
cos / cos i cos m cos ^ cos n cos 1/
5) -p I p ^ = 0.
Wird die Gleichung 5) nach s diflferentiirt, so folgt, mit Rücksicht
auf die Gleichung 4), :
/cos /cos a coswcosjS cosncosy\ 1 /cos'Jl cos^^t cos^i'i 1
Zur Vereinfachung der folgenden Rechnungen setze man:
und:
cos*Jl cos^ fi cos*!'
8) "7^"' ? ¥~^^'
Die Gleichung 6) wird dann einfacher:
cos /cos er cos in cos/? cos n cos v
9) — ^— + — ^5 ^^ = pq.
In der Summe der Gleichungen 4) und 8) setze man
co8*/ + cos*>l = 1 — co8*a etc.,
es folgt dann :
cos* «cos*/? co8*y 11 1
Die vorstehende Gleichung nach s di£ferentiirt giebt:
(cos a cos i cos /? cos ^ cosycosi'X 1 \ dq
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.PLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHENETC. 135
Setzt man hierin ds = rdm und aus 1) q = pr, so erhält man :
11)
COS er COS Jl cos/? cos /^ cos/ cos i^
pdq^
2 dw'
Unter Zuziehung der Gleichungen 4), 5), 8), 9), 10) und ll) folgt
cosa cos/? cos/
cosi cos^ cosi^
cos/ cosm cosn
d. i.
cos« cos/? cos/
COS^ COS|t cosi/
cos/ cosm cosn
1^' y'~ f^
1
1
1
pdq
r^?~h'~^' ~2 5a;'P«
2 rfco*
0
0
0
12)
[f9h)
-^=P^q^'
Die Gleichungen 4), 5) und 9) schreibe man wie folgt:
, cos / cos m
cos / -i;2- + cos in — 5—
/ 9
^cos/ cosm
cos X -j^ '\- cos fi — ^
cos/ .cosm
cos a —,^ + cos /> — r"
f 9
cosn
cosn
— COSI'
cosn
= 0,
= 0.
cosn
— cosy-p- ='pq.
cos / cos m
Sieht man in diesen Gleichungen "öt^ « ,
kannte an, so findet man unmittelbar:
— cosn
als Unbe-
, cos / cos m ^ — cos n
13) -7^ rrs/^j'COS«, — ;^— = pj'COS/J, ^ =Jpj'COSy,
r
/
Mittelst der vorstehenden Gleichungen erhält man durch Substi-
tution der Werthe von cos/, cosm und cosn in:
die Relation:
14)
COS /cos a + cos m cos /? + cos n 008 y = 0
/* cos* a + ^ cos* /? — A*cos*y 1= 0.
136 ALPRED ENNEPER,
^, . , N V :• V ^^^^ COS fl C08»'
Sieht man in den Gleichungen 5), 8) und 11) -yr ^ — r ♦ — li —
als Unbekannte an, so giebt eine einfache Rechnung:
co8>l ^ p da cosfi p dq ^
cosa' p dq
oder:
^, cosa cos/? — cosy
In den Gleichungen 9), 10) und 11) sehe man -75-» — j" » — u —
/' • ff'
cos er
als Unbekannte an. Fflr -j^ ergiebt sich die Gleichung:
cos« , , /l , ^ ^ \ P ^9 ^
T- =;^?cos/+^^+^ — p — jjcosa — ^^cosi
/
oder:
/ 1 1 \ p dq
pqcoal + ^^—jt — qjcoaa—^^coaA = o.
Setzt man hierin die Werthe von coal und coaJl aus 13) und 15)
80 folgt:
P ^
\2 dut)
«6) {pqf/*+^2-l,—q-- — f
Durch Substitution des "Werthes von p' au8 12), nämlich:
, L_
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN MIT PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 137
liefert die Gleichung 16) folgende Differentialgleichung zur Bestimmung
von qi
") (i|;)' = C^.*)V(,-,A)(^-,)(,+;i).
Um die Gleichung 17) auf die gewöhnliche Form einer elliptisch'en
Differentialgleichung zu reduciren, setze man:
^ 1^
1 1
18) ( 1 _ 1 k'cosd 1 _ 1 Ar' sind
7~~77T^>fc'*8in*l* ^~JVT^W^7
Ai^'sin'y ^ cos*y
*~ 1— yt*8in»9. ■
Bedeutet t eine Unbestimmte , deren Werth von q> unabhängig ist,
80 kann man setzen:
19)
20)
^ = tk'coBd, - = t^l-k'am'd, \- = tk'siud,
f 9 A
i-^'' i-.;fc»8inV
Mittelst dieser Gleichungen findet man:
^ jtii\ Ar'^n'y 1 ^ Ar* cos* y
*""/»~'^* 1— **8inV /~*~'^1— *»8inV
^ + P = ''*"T3:>F
• 2
sm 9
da
Nimmt man aus der Gleichung 17) den Werth von -^ positiv, so
ist nach 19) und 20) der Winkel ip durch folgende Differentialgleichung
bestimmt :
Maihem. Classe. XXVL 2. S
138 ALFRED ENNEPER,
^ 1 + Ä* tang* J sin* y d(o
Die Gleichungen 10) und 14) in Verbindung mit
bestimmen cosa, cosß und cos/. Nimmt man die Wurzeln positiv, so
folgt unter Zuziehung der Gleichungen 19):
^'cosJsincp ^ cos o) VT^ A:'* sin* J
22) cos« = / ,, . — , cos/? = -"7/7" ^ . 2~- ^
VI — A:*8in*y \\ — Arsin*y
k' sin d
cosy =
Vi— /fc*8in>
1
In den Gleichungen 1 3) und 1 5) setze man aus 12) p =
mit Hülfe der Gleichungen 19) und 22) findet man:
— cosy
Hco8 1 = sin cp tang J V 1 — ^ sin* J, H cos X = -t=====-==
VI — Arsin*y
, , . . ^ A:-sinyVl-rsin*J
Hcosm = Arsmocosy), H cos fi = ji y ■ ^^ ■ ,
sin*y
23) ( ^' '^ cos^v/i — ^fc^si
, ,,-,,, — A:* sin t sin «> cos g>
Hcosn = — VI — A:*8m*^, Hcosi/ = — ^ r / - ,
cosirv/TTrpsin*^
H = Vi +A:*tang*rfsin*y.
Durch die Gleichungen 22) und 23) sind die Factoren von o?» y
und z der Gleichungen 1) durch einen Winkel y> ausgedrückt, dessen
Bestimmung von der Gleichung 2 1 ) abhängt. Die weitere Untersuchung
dieser Gleichung mit Hülfe elliptischer Functionen bietet keine Schwie-
rigkeit, wesshalb diese Untersuchung hier nicht weiter ausgeführt werden
soll. Die Function V auf den rechten Seiten der Gleichungen 1) bleibt
unbestimmt, durch die bemerkten Gleichungen sind alle Flächen analy-
tisch bestimmt, für welche eine Schale der Krümmungscentra eine Ke-
gelfläche zweiten Grades ist. Für einen Rotationskegel ist / = ^ , nach
16) ist dann A: = 0, k' = 1 , die dritte Gleichung 22) reducirt sich auf
UNTERSUCHUNGEN ÜBER D.FLÄCHEN M [T PLANEN U.SPHÄRISCHEN ETC. 1 39
cosy = sind, durch welche Gleichung eine Helix einer beliebigen Cy-
linderfläche characterisirt ist. Die Gleichung 21) reducirt sich für A: = 0,
Ar' = 1 einfach auf
sm a 1— = 1 .
Findet zwischen/,^ und h die Gleichung /** — ^* = A' statt, so
ist nach 19)
Ätang*J = 1.
An Stelle eines elliptischen Integrals dritter Gattung führt die Glei-
chung 21) durch Integration nur auf ein elliptisches Integral erster
Gattung. Die vorhergehende Darstellung enthält eine bedeutende Ver-
einfachung von analogen Untersuchungen , welche in den „Nachrichten
V. d. K. G. d. W." aus dem Jahre 1871 (p. 231 — 242) enthalten sind.
\
Inhalt
Einleitung p. 1
VIII. Bemerkungen über die Transformation durch reciproke Radii vectores
oder die inversen Flächen. Anwendung auf Flächen mit sphärischen
Krümmungslinien » 4
IX. Einige Bemerkungen über Flächen mit sphärischen Erümmungslinien > 17
X. Flächen, für welche beide Systeme von Krümmungslinien sphärisch sind > 30
Anmerkung zu X. Ueber einige Flächen, für welche ein System
von Krümmungslinien aus Kreisen besteht »39
XI. Ausdehnung der Transformation durch reciproke Radii vectores.
Anwendung auf die Flächen mit einem System sphärischer Krüm-
mungslinien, deren Kugelflächen die betreffenden Flächen orthogonal
schneiden »52
Xn. Flächen y für welche ein System von Krümmungslinien sphärisch ist.
A. Die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen Erümmungs-
linien liegen auf einer Gurve doppelter Krümmung »62
B. Die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen Krümmungs-
linien liegen auf einer planen Gurve »90
G. Die Mittelpunkte der Kugelflächen der sphärischen Krümmungs-
linien liegen auf einer Geraden »97
Anhang.
A. Bemerkungen über die Flächen, für welche die Krümmungslinien
eines Systems gleichzeitig geodätische Linien sind » 103
B. Die Flächen der Krümmungscentra, mit besonderer Beziehung auf
Flächen mit einem System planer Krümmungslinien »115
Anmerkung zum Anhang B. Analytische Bestimmung der Flächen,
für welche eine Schale der Krümmungscentra eine Kegelfläche zweiten
Grades ist »132
ABHANDLUNGEN
DER
HISTORISCH -PHILOLOGISCHEN CLASSB
DER
KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
ZU GÖTTINGEN.
SECHSUNDZWANZIGSTER BAND.
Eistcr.-phiMog. Glosse. XXVI. 1.
Das Heerwesen der Muhammedaner
nach dem. Arabischen.
Von
I. Wüstenfeld.
(Vorgelegt in der EönigL Gesellsch. d. Wiss. am 6. December 1879.)
Vorwort
über die Gothaer Handschrift Nr. 258, deren erste Hälfte Fol.
l — 106 die „Regeln für die Diwane" von Ibn Mammäti enthält, habe
ich in der Abhandlung über die Greographie und Verwaltung Aegyptens
von Calcaschandi S. 35 und 148 einiges gesagt; es sind von den 15 Ca-
piteln, deren Inhalt die Vorrede angiebt, nur die ersten zehn erhalten,
aus denen ich in dem Folgenden noch ein Paar Stellen entnommen habe.
Der Codex Nr. 366 enthält gleichfalls nur diese zehn Capitel und bricht
noch zwei Zeilen früher als jener ab, so dass die Vermuthung nahe
liegt, dass schon eine ältere Handschrift, von welcher diese beiden ab-
stammen, nicht weiter reichte.
Als den Titel der zweiten Hälfte giebt Möller an : Liber perfecHonis
hoc est de arte equestri (et militari), und er hat durch den eingeklam-
merten Zusatz andeuten wollen, dass die ganze zweite Hälfte zu einem
und demselben Buche gehöre , was auch sehr wahrscheinlich ist , da das
Ganze einen sehr verwandten Inhalt hat und auch von einerlei Hand
geschrieben ist Nur mit der weiteren Angabe über die Zeit der Ab-
fassung, oder auch nur der Abschrift ,,anno i03i H. i62i Chr. absoluius^^
verhält es sich anders ; diese Jahreszahl steht in der Unterschrift eines
Besitzers der Handschrift , welcher darin gelesen hatte , vl^t \Sp ^ ^Lb^
*2
IV VORWORT.
derselbe Ausdruck ist von einem Amanten Emir Mu9tafa auf dem Ti-
telblatt gebraucht mit der Jahrszahl 1194 (1780), welcher also das Buch
geliehen hatte oder in der Bibliothek des damaligen Besitzers einsah,
denn dieser letztere hat mit derselben Jahrszahl seinen Namen Ahmed
el-Schdri el-Schdfi'i el-Azharl eingeschrieben.
Diese zweite Hälfte zerföUt wieder in zwei Abtheilungen, von denen
die erste Fol 110 — 147 den vollen Titel hat: gjyt^ x^u^-^^t y»^ JU5I vU^
I ti.il 9A^ L^U^t^ ^^\ oUj^3 rW^^ ^yi^^ oUUd^ <^(Aj ^y^l v^'^!^ r^'^' «'^^^
Buch der Vollkommenheit d. i. die Reitkunst, die verschiedenen Waffen
und die Anweisung zur Handhabung derselben, Beschreibung der Schwerd-
ter und Lanzen und Beschreibung der Pferde, ihrer Bacen und ihrer
Fehler.** Damit ist der Inhalt so gut angegeben, dass es einer weiteren
Ausführung nicht bedarf, leider! fehlt aber der letzte Abschnitt über
die Pferde ganz und auch ein Theil des vorangehenden ; in dem Capitel
über das Schwingen des Schwerdtes beginnt auf der letzten Seite noch
ein Abschnitt mit der Überschrift: „Wenn du Jemandem den Kopf
abschlagen willst**, und die etwas verschabte Schrift dieses Blattes lässt
deutlich erkennen, dass es längere Zeit ohne schützende Decke war, bis
es durch das Zusammenbinden mit dem anderen Theile in die Mitte des
Bandes kam. Aus dieser Abtheilung habe ich das Capitel über die
verschiedenen Schwerdter der Muslimen am Schlüsse dieser Abhandlung
abdrucken lassen.
Die zweite Abtheilung der zweiten Hälfte Fol. 149 — 215 ist ohne
Titel und enthält aus dem grösseren Werke die Abschnitte 8. 9. und
10^); im Inneren ist mit Ausnahme von ein Paar einzelnen VTorten
keine Lücke bemerkbar, der Abschreiber hat aber einige Capitel über-
schlagen, wie aus der Zählung derselben hervorgeht. Jeder dieser drei
Abschnitte hat die Ueberschrift i^^Ji*^' ,,die Unterweisung**, und es lässt
sich daraus ein Zusammenhang mit der vorigen Abtheilung folgern, da
in dieser einige Male in den Überschriften ebenfalls das Wort ,, Unter-
weisung** gebraucht ist.
1) Anstatt «^Uit 9 steht in der Oberschrift dieses Capitels «^LmÜI 7 durch ei-
nen in dem Arabischen Worte leicht möglichen mid öfter vorkommenden Schreibfehler.
VORWORT. T
Diese drei Abschnitte 8. 9. 10 handeln über das Heerwesen und
die Kriegfahrung und der Verfasser hat darin einen Theil der Taktik
des Aelianus aufgenommen, 4^on der bisher nicht bekannt war, dass
davon eine Arabische Übersetzung vorhanden sei. Eine Andeutung da-
von findet sich in dem von Lord Munster im J. 1840 lithographirt her-
ausgegebenen Verzeichnisse Arabischer Werke über Kriegswissenschaft,
welche er im Orient wollte suchen lassen und zu erwerben wünschte
L^Liui ^1 c^y ^1 v^l iu.^ vl^ S. rA. wo er unter den Schriften der
Griechen, Perser und Inder die Bücher des Aelianus und Polybius na-
mentlich anführt, JsrfyJl **iH i^ ^s^Ij^a^' ^«W' er '^^j^K welche aus dem Grie-
chischen in das Arabische übersetzt seien. Wenn man dieses Desidera-
ten-ßuch des Lord Munster genauer ansieht, so findet man, dass es in
der ersten Hälfte nach der Reihenfolge der Capitel oder Paragraphen
den Inhalt eines ganz gleichen Werkes angiebt, wie unser Fragment,
als wenn er vorausgesetzt hätte, dass über einzelne Themata daraus
noch besondere Bücher geschrieben seien. Danach ist als sicher anzu-
nehmen, dass die beiden Arabischen Verfasser ein und dasselbe ältere
Buch Über diesen Gegenstand benutzt haben, da einige Stellen , welche
Lord Munster etwas ausführlicher excerpirt hat. wörtlich mit unbedeu-
tenden Varianten auch in unserem Fragment vorkommen. Wo diese
Handschrift des Lord Munster sich befinden mag, ist mir ebenso unbe-
kannt, als ob sie die Übersetzung des Aelianus enthält, welche vielleicht
nur nicht als solche erkannt wurde, vermuthen lässt sich indess, dass
Lord Munster die Stelle unserer Abhandlung S. 10.8 und 11,7 u. 10
des Arabischen Textes vor Augen hatte, wo Aelianus und Polybius ge-
nannt werden, woraus aber nicht folgt, dass auch Polt/bius in das Ara-
bische übersetzt sei, da Aelianus nur ein Citat aus ihm giebt.
So wenig nun der Haupttitel des ganzen Werkes und der Inhalt
der anderen Abschnitte bekannt ist, ebenso wenig auch der Name des
Verfassers, und es ist unwahrscheinlich, dass die Übersetzung des Ae-
lianus von ihm gemacht wurde, vielmehr war sie schon vorhanden, so
dass er sie nur in sein Werk aufnahm, da ja auch der Verfasser des
Lord Munster* sehen Codex von Aelianus etwas wusste, oder beide über
VI VORWORT.
ihn ihren Vorgänger benutzten. Über sein Zeitalter kann man nur die
Vermuthung hegen, dass er um die Mitte des 8. Jahrhunderts d. H.
lebte, da er an zwei Stellen S. 17 u. 32 von der grossen Tataren*
Schlacht spricht, welche im J. 702 (Chr. 1302) bei Mar'g el-^uffar ge-
schlagen wurde [Abulfidd Annal. Tom. V. pag. 186), als wäre sie zu
seiner Zeit noch in guter Erinnerung. Die Schreibart, d. h. die ziem-
lich zahlreichen Verstösse gegen das classiscbe Arabisch, z. B. S. 1 Z. 9
— 10 die Nominative statt der Accusative, in der Übersetzung aus Ae^
lianus noch mehr als in den übrigen Stücken, sowie eine Menge von
seltenen oder bis dahin ganz unbekannten oder in besonderer Bedeutung
gebrauchten Wörter lassen ebenfalls auf ein spätes Zeitalter scbliessen
und weisen auf Ägypten hin als das Vaterland des Verfassers , und um
das Characterische nicht zu verwischen, habe ich das Arabische mit al-
len seinen Fehlern genau abdrucken lassen. Sollte durch diese Incor»
rectheiten hier und da eine fehlerhafte Auffassung veranlasst sein, so
wird man dies namentlich bei der Benutzung nur einer Handschrift
entschuldigen.
Die aus Äelianus ausgezogenen Stellen mögen etwa ein Drittel der
ganzen Taktik enthalten, sie sind durch die Cursivschrift kenntlich ge-
macht und dadurch von den Einschiebungen des Arabischen Übersetzers
unterschieden, zugleich habe ich zur leichteren Übersicht die Capitel-
Eintheilung unserer Griechischen Ausgaben angegeben. Was der Über-
setzer ausgelassen hat, mochte ihm zu ausführlich sein, oder er hat an-
deres an die Stelle gesetzt*, wie es zu seiner Zeit war; manches hat er
vielleicht auch nicht verstanden, da es nicht mehr in seinem Ideenkreise
liegen mochte. Er übersetzt oft so wörtlich, dass man das Arabische
ohne das Griechische kaum verstehen kann und dadurcli schien es ge-
boten, wieder das Arabische so wörtlich als möglich zu übersetzen, um
erkennen zu lassen, wie der Araber das Griechische aufgefasst hat.
Dazu war es aber auch erforderlich, von diesem Theile den Arabischen
Text vollständig zu liefern , und um das Ganze noch deutlicher zu ma-
chen, habe ich diejenigen Wörter, auf deren Erläuterung es besonders
ankam, in der Übersetzung Griechisch, Arabisch und Deutsch zusam-
VORWORT. vn
mengestellt; von den anderen Stücken habe ich nur einige Proben ge-
geben , um wenigstens den Inhalt des Ganzen übersehen zu lassen«
Das letztere gilt auch in Bezug auf die Übersetzung der Abschnitte,
welche noch auf Aelianus folgen. Zweikampfe wurden im Orient noch
gewöhnlicher als im Occident vor dem Beginn einer Schlacht gehalten;
von den Erzählungen derselben, welche der Verfasser aus glaubwürdigen
Quellen entnommen hat, habe ich einige beibehalten. Die zehnte Un-
terweisung hat schon der Abschreiber nicht vollständig copiert und es
ist nichts damit verloren, dass ich sie noch weiter abgekürzt und den
übrigen Inhalt nur nach den Überschriften angedeutet habe. Die bei
Belagerungen zu Zerstörungen zu verwendenden Mittel sind in einer
Geheimschrift geschrieben, welche ich entziffert und in den „Nachrich-
ten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften'* 1879 Nr. 15 er-
läutert habe.
Es ist zu bedauern» dass der Verfasser ungeachtet der besonderen
Überschrift zu dem Plane des Muslimischen Lagers eine weitere Erläu-
terung nicht hinzugefügt hat, weil darin einige Ausdrücke vorkommen
und Amter in der Begleitung des Fürsten und in der Armee namhaft
gemacht werden, welche sich in der Abhandlung selbst nicht wiederfin-
den ; möglich auch, dass das Exemplar, welches der Abschreiber copirte,
nicht mehr enthielt. Der Arabische Plan ist in der Grösse des Originals
mit den Einzeichnungen genau nachgebildet, bei dem Deutschen, wo
sich die Bezeichnungen in die kleinen Quadrate nicht gut hineinbringen
Hessen, sind die Felder nummerirt und die Erklärung dazu besonders
gegeben, wobei ich, vne auch bei mehreren anderen schwierigen Aus-
drücken mich des nie versagenden Rathes des Herrn Geh. Hofrath Pro-
fessor Fleischer zu erfreuen hatte.
F. Wüstenfeld.
Im Namen Gottes des barmherzigen des erbarmenden!
Hilf, gnädiger Herr.
Die achte UnterweisuDg.
ÜberTdie Zusammensetzung der Armeen, ihre Sammlung, ihre Be-
fehlshaber, Hauptleute und Führer und über die Anzahl ihrer Corps in
einer Weise, dass sie vor Unfällen, welche aus ihrer Schwäche entstehen,
sicher sind, und was damit zusammenhängt.
Eine Pflicht, welche dem Aufseher über sämmtliche Truppen ob-
liegt, ist, das? er bei der Anstellung der einzelnen Hauptleute nicht
nachlässig verfährt, weder in Bezug auf ihre Gtesammtzahl, noch auf
einen Theil derselben, sondern er muss sich bei ihrer Ernennung von
der Rücksicht auf das Allgemeine und auf eine vollständige Zuverlässig-
keit leiten lassen. In dieser Beziehung haben die Vorfahren bei sorg-
faltiger Überlegung nach verschiedenen Ansichten verschiedene Wege
eingeschlagen.
Erstes Capitel der achten Unterweisung.
Zu den Obliegenheiten des Fürsten gehört es für alle Angelegen-
heiten der Armee zu sorgen und ihr einen Führer zu geben, welcher
sich schon als General ausgezeichnet hat, und fest, umsichtig, erfahren
und kundig ist; einem solchen überträgt er den Befehl über die Armee.
Dieser Feldherr muss zur Übernahme seines Amtes vollkommen befähigt
sein, genügende Ausdauer und Schnelligkeit in seinen Bewegungen be-
sitzen . wenig persönliche Rücksichten nehmen , selbst in Kleinigkeiten,
auf die er zu achten hat, nicht nachlässig sein, denn die geringste Nach-
lässigkeit in der richtigen Beachtung der Verhältnisse kann für die ganze
Hütar.-phüolog. Classe. XX VI. L A
2 F. WÜSTENPELD,
Armee verderblich werden, weil, wenn er in irgend leiner Anordnung
nachsichtig ist, öfter ein Emir dem anderen zwei-, dreimal darin nach-
folgt. Zuweilen nimmt ein solcher Rücksicht auf einen Schwachen, auf
ein mageres Pferd und andere Dinge, worauf er besonders zu achten hat,
dann soll der Feldherr in dieser Beziehung in keiner Sache, und wäre
sie auch geringfügig, nachsichtig sein. Der Feldherr muss, wie man za
sagen pflegt, jf»:>j^j^ die Würze der Gesammtheit sein. Zur Führung
der Truppen und zur Austheilung der Befehle taugt nur ein Mann,
welcher vier, drei, zwei und eine Eigenschaft besitzt; die vier sind: Fe-
stigkeit, Geduld, welche in Schwierigkeiten vor Übereilung schützt ausser
unter günstigen Umstanden, Standhaftigkeit, welche durbh UnglücksföUe
selbst bei wiederholten Schlagen nicht gebrochen wird, Freigebigkeit,
welche grosse Reichthümer verachtet, wenn sie angesprochen werden;
die drei sind: Schnelligkeit in der Belohnung tapferer Soldaten für eine
Grossthat, Strenge in der Bestrafung der Pflichtvergessenen, Ungerechten
und solcher, welche Aufruhr anstiften und dem zeitigen Herrscher nicht
treu bleiben ^); die zwei sind: Entfernung des Thfirstehers, welcher die
Untergebenen abweist, gleichmässige Rechtsprechung zwischen den Star-
ken und Schwachen ; die eine ist : Wachsamkeit in allen Geschäften ohne
etwas von einem Tage zum andern aufzuschieben. Wenn er diese Ei-
genschaften besitzt, wird er dem Heere einen vollkommenen Schutz ge-
währen. Ihm zur Seite muss ein scharfsichtiger, gewandter Secretär
stehen, welcher über Alles Auskunft zu geben und die Befehle auszu-
führen versteht. Der Feldherr muss zu drei verschiedenen Malen über
das Heer Musterung halten, erstens beim Anfange der Zusammenziehung
der Truppen, zweitens beim Anfang des Zusammenstosses mit dem Feinde,
wobei es besonders auf die Schlachtordnung ankommt, und drittens die
Musterung bei der Beendigung des Feldzuges, wonach die Vertheilung
der Beute folgt; auch muss er in der Armee auf die Geschicklichkeit
im Reiten achten. Wir werden nun einige Abschnitte hiervon besonders
behandeln, welche, so Gk>tt will, dem Feldherm und seinem Secretär
eine Hülfe gewähren sollen.
1) hier ist eine Eigenschaft ausgelassen.
DAS HEERWESEN DER MüflAMMEDANER. a
Zweites Capitel der achten Unterweisung.
Über die sprachlichen AufidrQcke und gewöhnlichen Bezeichnungen,
mit Übergehung der selten gebrauchten Wörter. Wir wollen dies jetzt
der Reihe nach auffahren, indem wir bei der Vollständigkeit uns dem
Versprechen gemäss der KQrze befleissigen.
Hierher gehören zunächst die Bezeichnungen für die äussere Er-
scheinung eines Menschen. Der richtige Ausdruck für einen, der noch
nicht ganz ausgewachsen ist, ist c5>>o „Bursch*', wenn er sich der Mann-
barkeit nähert, heisst er ^j^^ „dem der FlauQ^ anfängt zu wachsen"; wenn
an der Stelle *^^Lä seiner Oberlippe einige schwarze Haare hervorkommen,
sagt man •V^ ^ *4;Lä ^ cäP* ..wenn ihm der Schnurrbart sprossf oder
H>U ^ „er bekommt an der Oberlippe einen Milchbart**, das erste ist
besser gesagt; wann dann in ähnlicher Weise der Bart aqf den Backen
und am Kinn zum Vorschein kommt, sagt man oLfiJt >-M^ H^^ ^ i:;^
„wenn sein Gesicht den Milchbart bekommt'' in der ersten Form des
Verbura ohne Verdoppelung des Käf; wenn sein Bart durchgehends
schwarz wird, sagt man iä^ c;Xail ^^^^ ,,wann sein Bart in Verbindung
kommt''; wenn das Haajr im Gesicht vollständig gewachsen ist, heisst er
vU „ein junger Mann**; wenn in seinem Barte einige wenige weisse
Haare zum Vorschein kommen, sagt man <^>^lAJt Jx3> ^^jy^ „wenn das
Alter Linien zieht**; veripehrt sich dies, so dass Weiss und Schwarjs
gleich werden , so sagt man J*^ „überein^tirnnjend** oder 04^ „ausge-
wachsen*'; wenn das Weisse sich mehrt und gegen das Schwarze vop-
herrschend wird, sagt man vr^' „alternd'; wenn d^s Weisse vollständig
geworden ist, so ist er g^ „ein Greis**. In die Arm^eliste wird die
Bezeichnung „Greis" nicht eingetragen, weil deren nur wenige vor-
kommen ^),
1) Hieraus geht hervor, dass io den Listen solche Rubriken für die Bezeich-
nung der Altersklassen gemacht wurden und davaus ergiebt sich der Zusammenhang
dieses sonst auffälligen Abschnittes mit dem Oanaen. Bbeoao gehört das Folges^e
«1 der Personalbescbreibwg des Soldateu, wie api Ende des G«ipjtels bemerkt ist.
AI
4 F. WÜSTENFELD,
lieber die Barte« Wenn das Barthaar nach allen Seiten üppig
gewachsen ist, so heisst der Mann ^^äü „bärtig, Vollbart**; ist der Bart
der Länge nach üppig, so heisst er %^vin d^^ ,, langbärtig*', einige be-
zeichnen auch dieses nur durch „bärtig'*; ist er am Kinn üppig und auf
den Backen dünn, so sagt man ejyso^lAit vJ^^ „dünn auf beiden Backen**;
wenn am Kinn und an den Backen nur wenig Haar ist, so sagt man
^^>^ ««mit spärlichem Bart"; sind der Haare so wenige, dass sie nur
sehr vereinzelt stehen , so sagt man JoL^ü ,,mit lockerem Bart**; wenn
sein Gesicht von Haaren ganz entblösst ist, so heisst er Ja^ oder Ja^t
,, bartlos**. Wenn in dem Barte die röthliche Farbe vorherrschend ist,
80 heisst er J^^ ,,blond*% ist es noch etwas mehr, so dass er roth ist,
so sagt man v^^' ^roth**. Wenn Jemand das Haar lang herabhängen
lässt, so sagt man jmjS^\ Ja^ym ,,mit herabhängendem Haar**, das Gegentheil
davon ist j«^t w>ju> „mit krausem Haar**.
Wir betrachten weiter die Farbe. Weiss schrieben die alten
Araber ein als (jsouit „weiss**, die späteren schrieben dafür ^jt^ «^ij^r „das
Gesprenkelte herrscht bei ihm vor** und die meisten stimmen darin über-
ein, ihn als j<wt ,, gesprenkelt** einzuschreiben; desshalb nehmen sie auch
keine Rücksicht auf die Farbenbezeichnung J^\ ,,blond** , weil das , was
zwischen diese kommt, nicht wieder vergeht; ein andermal loben sie
diese Farbe , nur muss sie ursprünglich sein , dann hat sie diesen
eigenen Namen. Ist der Mann weiss mit vorherrschender Röthe, so
sagt man 8,4.^ y^A^ j<wt „gesprenkelt mit Roth vermischt", ist er nur
leicht gesprenkelt, so heisst er f^^ „rothbraun**, ist es ein wenig mehr,
so heisst er iu>^5 j^Lfc ^t „hervorstechend rothbraun**, ist es viel mehr,
80 heisst er y^t „Goldfuchs**; wenn seine Farbe dunkel ist, wird ero^t
„schwarz** genannt.
Ferner betrachten wir das Haar, welches vom Kopfe an der Stirn
herabhängt; wenn es oben an der Stirn getheilt ist, heisst es gjJt „kahl'%
ist es nur wenig, so heisst es ^y^ „unmerklich**, ist es viel, so heisst es
ij^ „deutlich sichtbar**; befindet sich an dieser Stelle ein kahler Fleck,
80 sagt man jüi aa^jJ^ „an seinem Scheitel ist ein kahler Fleck** mit nä-
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 6
herer Bezeichnung der Stelle ob er auf der rechten oder linken Seite
ist; wenn es mehr ist als dieses, so sagt man ^t ,, Glatzkopfs und ist
es noch mehr als dieses, so sagt man gi:>t „Kahlkopf;*' so war 'Ali
ben Abu Tälib ; ^i^t sagt man, wenn der vordere Theil des Kopfes gänz-
lich kahl ist.
Wir betrachten nun die Stirn. Wenn sie breit ist, so heisst der
Mann J^^ ^l^ ,,mit breiter Stirn**, das Gegentheil davon ist ^^ (jf-y»
„mit schmaler Stirn**; wenn ihre Haut in Falten gelegt jmiXA ist, sagt
man o^^ ^ *«^^ ^^"^ Runzeln daran*^; wenn eine Narbe davor ist, so
wird besonders erwähnt, an der und der Seite; reicht diese bis an das
Haar, so heisst es v^lä o^Uia^ JooLi „bis an den Rand seines Haares rei-
chend** ; reicht sie bis an die rechte oder linke Augenbraune, so wird die-
ses bemerkt und gesagt aa:>-L« oj*^ ,.mit seiner Augenbraune verbunden*' :
ist ein Fleck darauf, so sagt man, daran ist ein unmerklicher oder ein
deutlich sichtbarer v3l3> Fleck auf der und der Seite.
Dann betrachten wir die Augenbraunen. Wenn sie an einander
stossen , sagt man ,^^A3* 3t ^ju UfJUj ^^ß^ „deulich oder unmerklich mit
einander verbunden'*; ist eine Falte als Trennung dazwischen, so sagt
man Ja^ UfUi ^^JU „verbunden, dazwischen eine Falte*' oder zwei Falten,
wenn es breiter ist; wenn es (jsoyüU „gefurcht** ist, sagt man •UÄSt UfJi^
„zwischen beiden eine Trennung'*; ist ein Fleck dazwischen, so wird
dies erwähnt. Dann wird die grössere oder geringere Menge ihrer Haare
ai)gegeben und gesagt: Ugg.*''»'>3t li-cK^tr (;;n:»:>|JI o>/^ „mit dicken oder
dOnnen Augenbraunen, die mit einander verbunden sind** ; oder sind die
Haare von einander getrennt, so sind die Ausdrücke dafür ^1 oder «^1
oder ^t; sind die Augenbraunen dünn und kurz, so sagt man l)t, in
der gewöhnlichen Sprache jg^j^; wenn das Haar derselben dick und
voll ist, so ist der Mann vJ^t, wenn es lang überhängt und gebogen
ist, so ist er u^t, wenn es dünn und spärlich gewachsen ist, so ist er
\jai\, wenn es nach vorn dick und nach hinten dünn ist, so ist er u^a>I,
und wenn ihm alle Haare ausgegangen sind, so ist er Joyli.
Hierauf betrachten virir die Nase. Wenn sie lang ist, so heisat
6 P. WOSTENPELD
der Mann s^^t S^ „langnasig**, wenn sie in die Höhe steht , heisst er
jM^t , umgekehrt ist j^s*^ ,,kurz*' ; wenn sie von hinten in die Höhe geht»
so ist er (^^ ^); ndiok'* ist -M^ nnd umgekehrt (j^ ,,dann''; wenn die
Spitze der Nase nach dem Munde gekehrt ist, heisst er ^Aj^^t cj^\ ^) ; sind
seine Nasenlöcher weit geöffnet, so heisst er ^j^^ j^JuU ; wenn sie in
der Mitte breit ist, so wird er u«^l genannt; wenn der hintere Theil
gebogen ist, sagt man o^^^^; wenn die Nase nach einer Ton beiden
Seiten gewandt ist, sagt man *>jy\; ist von ihrer Spitze ein StQck abge-
schnitten, so ist er gX:>t „verstümmelt** ; ist es an ^^^Lul %x»\ einem der
beiden Nasenflügel geschehen , so ist er fj^^; ist die Nase klein , eben-
m&ssig , so sagt man sjü^it ^) ; wenn sie kurz , entstellt ist , so sagt man
iy)f/\ sJÜ<3t; ist ihre Form stark in die Breite gedrückt, so sagt man
gJ^t; wenn dies noch mehr der Fall ist, so dass sie wie eine Rindsnase
aussieht, so heisst dies |«J^t; ist sie erhaben in Proportion, so sagt man
fM ; wenn ihre Spitze stark nach der Wölbung der Lippe geneigt ist, so
ist dies ^^^^; wendet sich dies nach einer von beiden Seiten, so heisst
es ^t; wenn die Spitze sich nach der Nasenscheidewand erhebt, heisst
der Mann ^.
Danach betrachten wir die Lippen. Wenn sie beide dick sind»
sagt man cßsÄAAil ik^U, das Gegentheil ist (J^; ist die Oberlippe auf-
geworfen, so heisst sie yJaJfS, ist sie kurz, so nennt man sie b^^nmJU „ange-
nagelt''; ist die untere aufgeworfen, nennt man sie f^'^XP oder KiJb; ist
in der oberen eine Scharte, so sagt man fJ^, bei der unteren heisdt dies
gJL&t; ist in der Mitte der oberen ein Zwischenraum zwischen dem Bart»
so nennt man sie fl^Jo, an der unteren nennt man sie f^ji.
Alsdann betrachten wir das Aeussere des Gesichtes. Sind
1) Dies wird im Kämüs erklärt „mit engen Nasenlöckem*^ ; die Handschr. hat
2) Im Kämüs '^/i^ '>>t^ „mit langer Nasenspitze/^
3) Darauf folgen die Worte ä:^L^ ib tJy^A mit darüber geschriebenem -i>
als Zeichen eine« Fehlers J^; den folgenden Ansdrock c/^ würde man ^er Toa
einer edlen Form erwarten.
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 7
die beiden Backen eingefallen, so sagt man ^j^if^ fy*^^^i steht der obere
Theil derselben hervor, so heisst es cnsAJi^?^'^ ij^'^ ^^^^^ ^^ Geeichte Po-
ckennarben deutlich sichtbar oder unmerklich , so sagt man ^1 ^ jy^
^^^A^; sind sie an einzelnen Stellen, so sagt man: in seinem Gesichte
sind i^jOc> «XJ einige wenige Pocken, und giebt dazu die Beschaffenheit
an und beschreibt die Stelle, an welcher sie sich befinden; dazu auch
die Farbe als roth oder deutlich schwarz. Auch werden die im Ge-
sicht befindlichen Male oder Flecken , lang oder breit , oder Narben u.
d. gl. angegeben.
Darauf betrachten wir die Zähne. Wenn zwischen ihnen ein
Zwischenraum ist, so heisst es ^t, und bUjÜt gJÜU ,,mit getrennten Vor-
derzähnen'* sagt man , wenn es sich auf diese besonders und auf die
nächsten und die Augenzähne bezieht, die unteren oder die oberen oder
beide, oben oder unten oder in beiden Reihen. Wenn einer von ihnen
ausgefallen ist , so wird dies erwähnt und die Stelle angegeben und wie
es vor dem Ausfallen war, unten oder oben, rechts oder links. Wenn
sie ganz oder theil weise eine dunkle Farbe bekommen, sagt man, sie
werden da und da O^Ji „schadhaft", und wenn sie an den Seiten deut-
s • «
lieh oder unmerklich abbröckeln, so ist ein solcher Mann ^y^ 3I cXs^ cr^'
nnd wenn sie soweit abbröckeln, dass sie mit der Wurzel gleich werden,
80 heisst er ^^^t; bricht ein Zahn ab, so heisst er fi^\ und wenn die
Zähne ganz weggehen und nur I^U^t ihre Kiefern bleiben, so ist er f^.
Nun betrachten wir die Ohren. Wenn er kleine Ohren hat,
heisst er ^^^, sind sie beide durchbohrt, so heisst er ^^^\ v>Sa^, ist es
nur mit einem der Fall, so wird dies erwähnt, und ebenso wenn ihm
beide Ohren abgeschnitten sind oder eins oder ein Theil desselben.
' Endlich betrachten wir das Aeussere und Innere seiner Hände
nnd seine Arme. Wenn daran eine Narbe von einem Hieb, von Feuer
oder d. gl. ist, so sagt man an seiner Hand ist das und das.
Dies ist in der Kfirze das, was gewöhnlich in der Armeeliste Tor«-
Icommt.
8 F. WÜSTENFELD,
Drittes Capitel der achten Unterweisung.
iutyüt ^. Ueber die Physiognomik d. i. über das, worauf man
bei einem Manne nach allen seinen Zuständen schliessen kann.
jmjS^\ iW^. Die Deutung der Haare. Weiches Haar deutet auf
Furchtsamkeit , hartes auf Tapferkeit ; viel Haar auf dem Bauch deutet
auf starken Geschlechtstrieb, viel Haar auf dem Bücken deutet auf
Tapferkeit, viel Haar auf den Schultern deutet auf Dummheit und »^(t)
Heimtücke , viel Haar auf der Brust und dem Bauche deutet auf gerin-
gen Verstand, aufrechtstehendes Haar auf dem Kopfe und auf dem gan-
zen Körper deutet auf Furchtsamkeit.
Diese Probe ma^ gentigen ; es folgt auf 8 Seiten die Auslegang über Character«
EigeDschaften und Fähigkeiten, woraaf die Beschaffenheit der übrigen Theile des
Körpers soll schliessen lassen: der Stirn, Aogenbraunen , Nase , des Anges, Mundes,
der Lippen, Zähne, des Gesichtes, des Lachens, des Ohres, Nacken, der Stimme, des
Athems, der Sprache, der Beleibtheit, Magerkeit, des Rückens, des Körpers, der
Fasse, and umgekehrt auf welche Beschaffenheit der Glieder Dummheit, Tapferkeit
und gute Anlagen schliessen lassen. — Das vierte Capitel fehlt.
Fünftes Capitel der achten Unterweisung.
J\ji^\f ^[t:iji\ ^. Die oberste Leitung der Truppen. Hierzu gehört
vor Allem, dass der Fflrst einen der ausgezeichnetsten Emire an die
Spitze stellt, welchem er den Befehl ertheilt, die Vorhut und die nächt-
lichen Patrouillen abzuschicken und Kundschafter und Bericiiterstatter
anzustellen. Dieser Emir muss die grösste Sorgfalt hierauf verwenden,
damit die Beschaffenheit der Wege und der Stand der Feinde ihm ge-
nau bekannt werde , so bald sie zu Gesicht kommen , und ihm nichts
von ihren Verhältnissen verborgen bleibe; er muss mit Hülfe des Post-
meisters die Richtungen der Wege, welche zu ihnen führen, von allen
Seiten inspicieren . um sich über die Zustände und Oertlichkeiten dea
Kriegsterrains zu unterrichten, vom Beginn des Ausmarsches an bis zur
Ankunft und dem Zusammenstoss. Dieser Posten ist einer der nütz*
liebsten für die Armee und dieser fl^ir mtiss auf die Kundschafter
DAS HEERWESEN DER MÜHAMMEDANER. 9
achten, welche mit Umsicht für die Islamitische Armee sorgen sollen
u. 8. w. ^).
Zur Ordnung des Marsches ^) ist erforderlich, dass der Feldherr
die Truppen in vier Corps eintheile, das erste bildet die Vorhut, das
sind diejenigen, welbhe vorangehen und für die Herstellung des Weges
sorgen, nachdem ein Emir als Wegweiser und ein Emir, welcher die
Bestimmung für das Haltmachen und den Aufbruch zu machen hat,
vorauigegangen sind. Das zweite Corps bildet die Nachhut, das sind
diejenigen, welche hinterher marschiren und die Nachzügler und die,
welche von dem Hauptcorps abkommen, decken und da, wo dieses zu-
sammengedrängt wird, so wie die von der Armee ab- und zugehenden
beschützen. Die beiden anderen Corps bilden die Mannschaft des rechten
und linken Flügels und decken diese beiden Seiten in ähnlicher Weise,
wie die beiden erst genannten Corps decken. Der Vorhut zunächst
folgen die Kaufleute und Krämer, die Bedienten und Lakeien, dann
kommen die Waffenvorräthe, die Kriegskasse, die Gepäck- und Proviant-
Träger, die Verwaltungsbeamten aus den Secretären und Vorstehern der
Bureaux, und was damit zusammenhängt. Daran schliessen sich die
Kammerherrn und die Ritter,- nämlich der Stab von Emiren und die
Gross-Emire reiten dem Inhaber und Führer der Truppen voran. So
sind die Truppen von ihren Kassen, den Vorräthen und den Emiren
umgeben, welche für ihre Bedürfnisse und ihre Sicherheit sorgen, und
dies trägt offenbar am meisten dazu bei, sie in gutem Stande zu erhalten,
und ist die sicherste Art ihres Schutzes. Dann giebt der Commandi-
rende den Emiren den Befehl, einige von ihren Mannschaften zur Dek-
kung und als Wache für die Nacht aufzustellen , und ebenso dem Of-
ficier der Wache, welche er für sich selbst aufstellt; sie müssen für die
Leute, welche zum Schutz der ganzen Armee dienen, wenn sie sich la-
gert , aufs beste sorgen und sich in grössere oder kleinere Abtheilungen
1) Es folgen noch weitere Vorschriften und Rathschläge für den Feldherm
und eine Anrede des Fürsten an die Trappen, womit er sie entlässt.
2) Der wesentliche Inhalt dieses Paragraphen bei Lord Munster S. öa fg.
Bistcr.'philolog. Glosse. XX VI. 1. ß
10 F. WÜSTENPELD,
theilen, gewöhnlich in zwei, von denen die eine den ersten Theil der
Nacht, die andere den zweiten Theil die Wache hat. Einer der frü-
heren Könige hatte dem Armeecommandanten gesagt, der Oberofficier
der Wache solle seine Leute in zwei Theile theilen und jedem Theile
befehlen, abwechselnd in gewissen Abtheilungen um die ganze Armee
herum zu gehen, so dass sie bei der Umkreisung wie ein Alle um-
schliessender Bing wären, sie sollten sich in mehrere Unterabtheilungen
theilen und zwischen je zweien derselben ein gewisser naher Abstand
sein, so dass während der Nacht durch die Runde der Wache keine
Seite der Armee ungeschützt bleibe, indem die ersten an die letzten
reichten, möchten sie marschiren oder still stehen.
Wenn die Armee sich auf den Marsch begeben soll, so wird ein
günstiger Tag zum Auszuge gewählt, denn der Prophet pflegte zu den
meisten seiner Feldzüge an einem Donnerstage aufzubrechen, und wenn
es an einem Donnerstage nicht möglich ist« so kann der Sonnabend ge-
wählt werden.
Wenn sich die Armee dem Feinde oder dem Kriegsschauplatze nä-
hert, so muss der Armeecommandant die Reihen ordnen und die Offi-
ciere auswählen für den Fall, dass er den Feind plötzlich überfallen
könnte. Sobald sie in Feindes Land einrücken, befielt der Anführer den
Ofiücieren und ihren Mannschaften, seinem Befehle nicht entgegen zu
handeln, denn wenn sie dies thuen, bleibt ihnen oftmals die Lage ihrer
Feinde verborgen. Dahin gehört, dass sie ihre Pferde nicht frei auf die
Weide gehen lassen, dass sie mit ihren Waffen kein Geräusch machen,
dass sie nicht gar zu oft den Gruss eh-saldm wiederholen, dass sie mit
Buhe marschiren , dass sie aufmerksam auf alles hören , was auf der
Seite des feindlichen Heeres vorgeht oder was möglicher Weise Besorg-
niss erregen oder zu besonderer Vorsicht veranlassen kann« denn wenn
viele Stimmen laut werden und Geschrei sich erhebt, so kann damit
leicht etwas bis zu den Gränzen des Heeres hinüber dringen, was seine
Aufmerksamkeit erregt und ohne den Lärm und Tumult nicht in dessen
Mitte oder auf einer anderen Seite desselben bekannt geworden wäre;
und wenn das Schreien und Lärmen nicht vermieden werden kann, sollen
DAS HEERWESEN DER MÜHAMMEDANER. 11
sie doch nicht so rufen, dass der Feind ihre Namen, oder gar ihre Pa-
role und andere Wörter versteht, weil dies dazu verhilft, dass Kund-
schafter zu ihnen eindringen und ihre Lage ausforschen. Dies alles ist
zum Schaden der Armee und in unserer Zeit hat man dies aus Vorsicht
unterlassen und es geschieht nur noch von den Soldaten, welche nach
Sts (an der Syrischen Gränze zwischen Antiochia und Tarsus) und an-
deren GrSntgebieten geschickt werden , weil sie dies von jeher so ge-
wohnt sind.
Der Feldherr muss ferner, wenn er sich dem Feinde nähert, die
Musterung der Truppen wiederholen, er lässt den Musterungs-Secretär
kommen und ihre Namen, Anzahl und Ausrüstung feststellen, mustert
ihre Bekleidung, sieht nach ob sie geputzt und ihre Waffen stark sind,
um jede Art von ihnen an ihren Platz zu stellen , wie wir gleich er-
wähnen werden. Nämlich die Leute mit vollständiger Bewaffnung und
vollkommen guter und passender Ausrüstung werden für das erste Glied
eingeschrieben, ihre Bekleidung reicht bis unten auf die Erde hinab;
dann sucht er dijejienigen aus , welche ihnen in der Ausrüstung am näch-
sten kommen, um sie für das zweite Glied zu bestimmen, dann die nächst-
folgenden für das dritte Glied; die für das zweite und dritte Glied haben
nicht so lang heri^breichende Ausrüstung. Ebenso sucht er dann die
darauf folgenden aus, welche in das vierte und fünfte Glied gestellt werden
sollen. Auf diese Weise wird das Heer geordnet. Hierauf inspicirt er
auch das Fussvolk und diejenigen, deren Ausrüstung bis auf die Erde
reicht, kommen in das erste Glied zu stehen, in einer Stärke, wie es
dem Feldherm passend scheint, je nachdem er sie in drei oder vier
Gliedern aufstellen will.
Über die Waffen der Krieger im Islam ^).
Die Bewaffnung besteht in einem festen dauerhaften Panzer, nicht
zu schwer und nicht zu leicht, in einem Helm, einer anschliessenden
Mütze unter dem Helm, zwei Armschienen, zwei Beinlingen und zwei
1) Diesen Abschnitt hat der Verfasser dem 2. Gap. des Aelian nachgebildet.
B2
12 F. WÜSTENFELD,
Beinschienen. Das Pferd zum Angriff muss einen festen Huf haben
und an der Brust, dem Vordertheil, Hals und Hintertheil stark sein.
Die Ausrüstung zum Kampfe besteht aus zwei festen starken Bogen,
30 Pfeilen mit geraden gefeilten Spitzen, hartem Mittelstück und eiser-
nen Vj^ Flügeln, aus einem massigen Köcher, der nicht zu gross ist
und dadurch beschwerlich wird, so dass er die Aufmerksamkeit ablenkt,
auch nicht zu klein, so dass er nicht alle Pfeile fassen kann und da-
durch ungenügend ist, von festen länglichen Lederstreifen, mit festen
Nähten und Bändern von wirklichem Leder, aus einer gJJU-oJt^^ iü^
Köchertasche mit starken Schnüren, einer starken Lanze mit heilem
Schaft, ganz gerade, nicht übermässig lang, aber auch nicht zu kurz, so
dass sie ihren Zweck nicht erfüllt, mit einer Spitze vom besten Eisen
mit vielen y^^ scharfen Kanten, von ausserordentlicher Härte mit einem
durchdringenden äussersten Ende; einem geraden Wurfspeer, einem
scharfen bewährten Schwerdt ganz von Eisen mit lobenswerther Treff-
f&higkeit oder kurz, handlich, schneidig^); einem spitzen zweischneidigen
Messer oder einer zugespitzten is^\i<^^ , einem starken j^ Streitkolben,
welcher den damit kämpfenden weder durch seine Schwere überwältigt,
noch durch seine Leichtigkeit ihn täuscht, um einen kräftigen, durch-
schlagenden Hieb zu thun, oder einem blanken j^ Beil auf beiden Seiten
geschärft mit einem festen Griff, womit man auf einen Hieb eine starke
Waffe zerhauen kann; aus 30 Steinen in zwei Beuteln, welche an dem
Sattelknopfe rechts und links herabhängen. Dies ist die Ausrüstung
eines zum Kampf bereiten Reiters und wenn etwas daran fehlt, so ist
er unvollständig ausgerüstet.
Nach dem, was oben in Bezug auf die Verschiedenheit oder Gleich-
heit der Bewaffnung über den Schlachtkampf gesagt ist, wenn Kavallerie
gegen Kavallerie, Infanterie gegen Infanterie oder Kavallerie kämpft«
giebt es neun verschiedene Mannschaften in den Armeen^): 1) Die Sol-
daten mit vollständiger Bewaffnung; 2) die Schildträger, welche
1) Vergl. den Zusatz am Schlnsse der Abhandlung.
2) Die folgende Stelle wörtlich bei Lord Munster S. ^t
DAS HEBRWESEN DER MüHÄMMEDANER. 13
Palisaden tragen; 3) die Leichtbewaffneten, das sind Qjät^jil^ iU5U#ljü
^^iIIJ!^ die Chorasanier, die Mischkrug-Schleuderer^) und die Naphtha-
Schleuderer , diese drei Classen bilden die Reihen der Fussgänger; 4)
die Reiter, welche lange Lanzen tragen, einige derselben sind o^^j) Krug-
Schteuderer; 5) die Reiter, welche mit (JM;'j^ kurzen Lanzen werfen;
6) die Reiter, welche mit Pfeilen schiessen ; diese drei bilden die Reihen
der Reiterei; 7) die Reiter, welche ganz in Waffen eingehüllt sind; 8)
diejenigen, welche die zusammen gekoppelten Pferde reiten, das sind
Xj^Lä^J die Knappen, welche die Handpferde nebenher fähren; 9) die
Bedienten und Elephanten- Wärter, wenn solche vorhanden sind, kommen
an diese Stelle, und das Gepäck dahinter.
Wenn der Feldherr einen Emir für das Haltmachen und Aufbrechen
ernannt hat, so muss dieser die geeigneten Lagerplätze wählen, wo
sich Wasser und Futter befindet, sie müssen in der Ebene liegen und
es ist dabei auf die Sicherheit, einen längeren Aufenthalt und einen
etwaigen Angriff Rücksicht zu nehmen; wenn es nöthig scheint, werden
die dahin führenden Hauptstrassen mit Wachen besetzt, und Alles wird
mit Umsicht passend und bequem eingerichtet. Sobald nun ein solcher
Lagerplatz bezogen wird, befiehlt der Emir vor Allem, noch an dem-
selben Tage ohne Aufschub und Zögern einen Graben zu ziehen, dieser
dient zur Deckung der Armee, verhindert das Desertiren, vereitelt die
Versuche eines Oberfalls und schützt gegen andere Gefahren, welche
durch die List des Feindes und unerwartete Ereignisse herbeigeführt
werden können. Jeder Zugang des Grabens wird einem zuverlässigen
Hauptmann übergeben, welcher die Aufsicht führt, um die Aus- und
Eingehenden zu fiberwachen.
^\^ oUJt i >15
Über den nächtlichen Überfall und Hinterhalt.
Dies ist etwas, wonach der Feldherr streben und wovor er sich
hüten muss, damit nicht der Feind eine Gelegen h/eit erfasst und die
1) Diese Bedeutung ergiebt sich aus der zehnten Unterweisung, wo das Wort
wieder vorkommt.
14 P. WÜSTENFBLP,
Muslimen gedeckt sind, während sie jenem einen Hinterhalt legen, dem
gemäss, was von dem Propheten überliefert ist, als er fiber die Ange-
hörigen der Ungläubigen gefragt wurde, wenn sie nächtlicher Weile
überfallen und ihre Frauen und Kinder betroffen würden; er antwortete:
sie gehören zu ihnen. Amr ben Dindr drückt es nach Ibn 'AbbAs be-
stimmter aus : sie gehören zu ihren Vätern. Die Richtigkeit dieser Ober-
lieferung ist begründet, sie ist von Muslim in seine Sammlung aufge-
nommen^) und von anderen, welche sie sämmtlich auf Saifjän ben 'Ojeina
zurückführen. Es ist ferner durch Ibn Omar überliefert, dass der Prophet
zweimal gegen die Banu el-Mu9talik einen Zug unteniommen habe um
ihre Heerden zu rauben; er schlug die Schlacht und nahm die Kinder
gefangen. Diese Überlieferung ist gleichfalls in der Wahrheit begründet»
Muslim hat sie aufgenommen, und darin liegt der Beweis, dass es erlaubt
ist, die Ungläubigen in ihrer Sorglosigkeit und Nachlässigkeit bei Nacht
zu überfallen und zu tödten , auch wenn ihre Kinder und Frauen mit
davon betroffen werden.
Wenn nun der Feldherr die Muslimen in einen Hinterhalt legen
will, so stellt er einen umsichtigen Emir an ihre Spitze, welcher darin
schon bewandert ist, und wählt für die Truppen des Überfalles solche
Pferde aus, welche wenig Geräusch machen, nicht wiehern, picht wieder-
holt dazu ansetzen, nicht im Halse kollern, nicht davon laufen, ruhig
sind und andere gute Eigenschaften haben, nicht uBgeatüm aufrennen,
sondern ruhig sind , wenn mit ihnen ein Angriff gemacht werden soll,
nicht iitörrig, so dass sie dem Zügel nicht folgen jund Sattel und Zügel
sich nicht wollen anlegen lassen, und die nicht scheu werden.
Der Reiter hierzu muss kühn sein, vor schwierigen Unternehmungen
nicht zurückschrecken, ein guter Reiter sein, nicht schreien, nicht husten,
nicht leicht durstig werden ^ nicht schnarchen, nicht im Halse röcheln,
keine rauhe Stimme haben, leicht erwachen ohnfe schlaftrunken zu sein,
nicht lange Abscheu haben, bei der Nachtwache nicht träge, nicht dumm,
nicht seh wachsicHig sein, aufhorchen, wenn sich ein Geräusch vernehmen
1) Muslim^ Corpus tradit. ed. Calcutt. Yol. IL pag. 143.
i
DAS HEERWESEN DER MÜHAMMEDANEB. 15
lässt, und wäre es noch so leise, rasch bereit, wenn ein Angriff und Verstoss
gemacht werden soll« nicht träge, nicht gleichgaltig, nicht zaghaft, beseelt
von dem Verlangen sich Ehre und Ansehen zu erwerben. Er wähle sich
eine fest gearbeitete, durchschlagende Waffe, nicht schartig, womit er einen
kräftigen Hieb ausfahren und schwere Verwundungen beibringen kann^).
Wer sich in einen Hinterhalt legen will, der wähle dazu einen Ort in
der Nähe von Wasser, damit nicht, wenn die Sache sich in die
Länge zieht, der Durst sich einstellt, da sie das Wasser nahe haben;
der Weg zu dem Wasser muss eben sein, die Pferde dürfen sich darauf
nicht drängen. Der Ort des Hinterhaltes muss an einer Stelle sein, wo
der Anfang zur Warte bei Nacht und bei Tage nicht beschwerlich ist,
hochgelegen, damit der oben stehende jede Person von weiten wahr-
nehmen, sich niemand verstecken oder heranschleichen kann, kein Hin-
derniss darf ihm dagegen im Wege sein. Jeder Theilnehmer muss die
nöthige Kleidung bei sich fahren , gegen die Kälte, wenn es Winter ist
und wenn es Sommer ist, dann dem entsprechend. Leichtsinn und Zer-
streuung mfissen sie abl^en, wo sie auch sein mögen, sie müssen ruhig
sein und sich des Schweigens befieissigen, Wild und Vögel nicht auf-
schrecken, denn durch das Stillsein wird ihr Versteck nicht verrathen
und sie haben deü Vortheil nicht bemerkt zu werden , und wenn sie
dann angreifen wollen» nehmen sie die Gelegenheit dazu wahr ohne Auf-
regung, Unruhe und Leidenschaft, sondern sie erheben sich mit festen,
gesammelten, ruhigen, nicht flüchtigen und verwirrten Gedanken und
vertrauensvollem, erhebendem und feurigem Muthe. Ihr Angriff muss
sein wie ein loderndes mit Donner verbundenes Feuer, welches alles,
was ihm vorkommt, grünes und trockenes verbrennt, damit sie einen voll-
ständigen Sieg über ihre Feinde davon tragen und ihre Absicht erreichen.
Die in einem Hinterhalt liegen, dürfen daraus nicht alle auf einmal
hervorbrechen, damit der Feind sie nicht für viele hält und ihm ihre
Anzahl zur Zeit ihres Angriffes verborgen bleibt; dabei müssen die
Wächter den Stand des Feindes sorgfältig beobachten, und wenn der
1) Im Auszöge dieselben Ausdrücke bei Lord Munster S. öa
16 F. WÜSTENFELD,
Hinterhalt sich in zwei Tbeile theilt, so ist dies besonders gut in der
Voraussetzung, dass der Feind, wenn er ihre Anzahl für gering hält, oft-
mals Lust bekohl mt, sie anzugreifen und sie, wenn dann der Hinterhalt
der Muslimen flieht, verfolgt, dann bricht der zweite Theil gegen sie
hervor. Keiner darf nach Beute begierig sein, sondern einer muss den
anderen anfeuern , den Feind anzugreifen , niemand darf sich von den
anderen entfernen, und wenn sie ihre Absicht erreicht haben, kehren
sie auf ihre Plätze zurück, ohne einen von ihnen zurückzulassen. Wenn
einem sein Pferd schwach wird, so lässt ihn der andere hinter sich auf-
sitzen und lässt ihn nicht im Stich, denn daraus entsteht ein grosser
Schaden, wie es bei den Truppen auf Expeditionen bekannt genug ist.
Einige der früheren Könige haben für den Hinterhalt*) die Hälfte
der ganzen für einen Krieg aufgestellten Armee bestimmt und gesagt,
der Hinterhalt sei das Fundament im Kriege, und wer keinen Hinter-
halt habe, der setze seine Truppen dem Untergange aus. Andere sind
der Ansicht, dass der Hinterhalt aus zwei Drittel der Armee bestehen
müsse, noch andere sagen, die geringste Anzahl sei ein Drittel, weniger
nicht. Wenn es für zweckmässig gehalten wird, so theilt der Feldherr
die Mannschaft des Hinterhaltes in drei Theile , der erste entfernt sich
nach beiden Seiten der Kundschafter nicht eine Meile weit und darüber
hinaus nach der Seite, wohin der Feind entfliehen könnte, soweit als es
die Aufstellung der Ungläubigen zulässt, und wenn die Länge der Linie
auf beiden Seiten der Ungläubigen eine Meile betrüge, so würden jene
an die äusserste Gränze der Meile, bis wohin das Ende der Linie des
Feindes reicht, zu stehen kommen und dies ist eine der beiden Seiten
der hinteren Schlachtlinie. Der zweite Theil des Hinterhaltes steht auf
der anderen Seite in derselben Ordnung und der dritte hinter der Armee
im Rücken der hinteren Schlachtlinie. Die beiden zu beiden Seiten des
1) Während das Wort ,,Hinterhalt^^ bisher von eioem Corps gebraDcht wurde,
welches dem Feinde auflauert, bezeichnet es im Folgenden in dem Siune von „Rück-
halte^ auch ein Corps, welches von der Hauptarmee getrennt steht, um zur geeigneten
Zeit als „Hülfscorps^^ einzugreifen, und in einigen Fällen sogar vor der Front seine
Stellung haben kann.
DAS HEERWESEN DER MUHAilMEDANER. 17
Feindes aufgestellten Hinterhalte hindern die Flüchtlinge desselben, sich
durch Umgehung auf die Muslimischen Truppen zu werfen und bilden
einen Damm zwischen ihnen und zwischen einem Hulfscorps, wenn ein
solches vorhanden ist, und bringen zu den Muslimen diejenigen zurück,
welche zu ihren Feinden flüchten wollen ; und der Hinterhalt hinter der
letzten Schlachtlinie der Muslimen dient ihnen als Hulfscorps. Wenn
eine Abtheilung desselben durch einen besonderen Befehl zu einer ge-
lagerten Truppe kommt, so nimmt der Hinterhalt hinter derselben seine
Stellung, dadurch dient er zum Schutz für diese gelagerten und dadurch
wird für die Sicherheit am besten gesorgt. Wenn die Aufstellung zur
Schlachtordnung sehr ausgedehnt ist, so ist es am zweckmässigsten, dass
der Hinterhalt sich in mehrere Theile theilt, um das Ganze zu schützen.
Wenn ein Corps zu schwach ist und zum Weichen gebracht wird, so
kommt ihm der hinter ihm stehende Hinterhalt zu Hülfe, vereinigt sich
mit den Weichenden und füllt die entstandene Lücke wieder aus. So
geschah es im J. 702 auf der so gen. Wiese el-^uffar^), freilich ohne
dass ein Hinterhalt aufgestellt war, sondern durch die Hülfe Gottes.
Als nämlich beide Armeen- in Schlachtordnung aufgestellt waren, warfen
sich die Tataren auf den rechten Flügel der Muslimen und durchbrachen
ihn, so dass ein Theil der Flüchtenden nicht wieder zum Stehen ge-
bracht werden konnte. Der linke Flügel der Muslimen konnte die Ta-
taren nicht sehen. Als nun die Trommeln geschlagen wurden, kehrte
ein Theil der Leute, welche schon geflohen waren, zurück, der linke
Flügel vereinigte sich mit dem Centrura und so wurde die Schlacht-
ordnung wieder hergestellt, als wenn keiner darin fehlte. So war also
der linke Flügel gleichsam der Hinterhalt der Armee und zwar durch
Gottes Fügung, nicht durch ihre Veranstaltung, und der Feind wurde
so total geschlagen, dass er nachher keinen Widerstand mehr leistea
konnte. Erkenne hierin, o kluger Feldherr, die That Gottes und seine
Leitung; der Einsichtige deutet dabei auf den Hinterhalt hin, denn er
befreiet die Armee aus sehr grosser Gefahr.
1) Abül'Fidä nahm Theil an dieser Schlacht; vergl. Annal.Muslem. T. V. pag. 184»
Histar.-phUolog. Glosse. XXVI . i C
18 F. WÜSTENFELD, ]
Über das Lager Jdes Fflrsten und der Truppen bei einer
Belagerung, über den Platz, welchen jeder einzelne von
ihnen im Lager einnimmt, nach der Ansicht der frftheren
Herrscher, und über die sorgfältige Deckung darin.
Plan.
Erläuterung zu dem Lager des Fürsten und der Truppen
und dem Platze jedes einzelnen Ton ihnen.
Um eine Festung, eine Burg oder d. gl. einzunehmen, (denn dazu
sind manche nothwendige Dinge erforderlich , von denen man nicht eins
entbehren kann) , ist es nöthig , dass der zum Commandanten ernannte
Emir ein treuer, er£ethrener, einsichtsvoller Mann sei, welcher auf den
ersten Blick erkennt, wer durch Einsicht und Kampfeslust zu dem Un-
ternehmen tauglich ist, so dass sie seinen Anordnungen, die zu dem
Unternehmen nöthig sind, bereitwillig folgen, ihm bündige Zusagen geben,
mit äusserster Tapferkeit zum Schutz und Schirm ihm vorangehen, nach-
dem sie ihm alle Waffen und Werkzeuge, welche zu einer Belagerung
gehören, herbeigeschafft haben, wenn sie zur Belagerung schreiten, d. h.
wenn der Sturm gemacht werden soll. Beim Angriff hängt der grösste,
vollständigste und sicherste Erfolg ab ^} von gut gearbeiteten festen Bogen,
langen und kurzen Pfeilen, ^1^^?, ißj^^ Armbrusten, runden und langen
Schilden, J^t^t grossen und kleinen Körben, ^|jtt Kübeln, grossen und
kleinen Wurfmaschinen, Schleudern, Indischen Bogen, welche in der
Kasse aushalten, Raucherzeugern mit ihren Wurf maschinen , den zu den
1) Der folgende Abschnitt ebenso bei Lord Munster S. vi.
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DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 19
verschiedenen Arten des Werfens und Schleuderns zugerichteten Steinen»
den Leitern mit Zubehör, den eisernen Instrumenten, womit die Stricke
durchgehauen werden, viereckigen auf vier Beinen stehenden ot^LZ>
leicht beweglichen Holzgerüsten , Spitzeisen , ^^ jUUm«^ Zangen ? — , ei-
sernen Hacken, Beilen, Messern, gekrümmten Haken, Kesseln zum
Schmelzen von Schwefel und Naphtha, scharfen Bohrern, Werkzeugen,
mit denen der geschmolzene Schwefel ausgefüllt und mit denen bren-
nende Naphtha geschleudert wird, Schwefel, Pech, Nutz- und Brennholz»
Hierzu kommen die Handwerker, wie Zimmerleute, Sattler, Stellmacher,
Pfeilschnitzer, Eisen- und Kupferschmiede mit ihren Werkzeugen. Stein-
hauer und Minirer, und aus allen diesen Fächern die Mannschaft bis
zu ihrem Meister, zur Aufsicht über das Ganze die Ingenieure, welche
wieder dem bei der Belagerung commandirenden Emir unterstellt sind.
Femer die Schuster, Riemer und Deckenmacher, und alles was bei Fe-
stungen an Proviant und Futter bereit gehalten werden muss und was
zur Ernährung und Stärkung nöthig ist, und zum Schutz der Brücken,
Gräben und oLu^^b eingefriedigten Plätze mit ihren Umzäunungen, Pfei-
lern, Mauern und Dämmen, die Wachthäuser und Warten mit ihren
Wächtern und Wärtern, die Pförtner, die Thore und Schlüssel und deren
Hüter und zuverlässige Aufseher, die Aufstellung der Mannschaften auf
allen Seiten und Enden, das Anzünden der zahlreichen, weithin sicht-
baren Leuchtfeuer, die Aufstellung jedes einzelnen Mannes an dem für
seinen Auftrag passenden Platze, — dies sind die Dinge, von denen
auch nicht das geringste verabsäumt werden darf.
Erklärung des Lager- PI anes.
«5JUt 1 der Fürst
f\jj^\ 2 der Vorplatz
jJ^jJt 3 die Flur
»ULtit^ f\J^'^\ 4 das Secretariat und die 'Ulema
y^^ ol^^ ^ ^^^ geheime Cabinet
s\Juoyi\^ (jo\^ vl;^ v^U» 6 Hof- Restaurant und Bedienung
«julU v^Lao 7 der Tafeidecker
C2
20 F. WÜSTENPELD,
g^t 8 die Kache
^l^ Jux^jA 9 Stall far die Pferde des Farsten
v3Ut v£;AdU 10 Kriegs-Casse
J^\ ^jjj^ 1 1 Sitzungszelt der Grossen
yjjJi 12 der Wezir
keiJJ^ J^t 1 3 Familie und Verwandte des Fflrsten
j\\X4^ 14 der Spiegelhalter (Kammerdiener)
^Luoi^ fjJj 1 5 Oberster der Eunuchen
^^ff^ 16 die Eunuchen
(jölü Äj\js> 1 7 Garderobe des Fürsten
0L:5u>m 18 die Moschee
'ii\^j^ qU^ ^ß^ 1 9 Wachen zu Pferde und zu Fuss
{j00^ s.fAS>\jo 2 0 Wach-Conimandant
(^jbit 21 die Strasse
fj^'i\ uJLsÜ' ^^ 22 Commandeur des Haupt-Centrums
f^'i] wJLsüt o^l§ ^\^\ 23 Gefolge des Commandeur des Hauptcentrum
<ie5üLU ^Lbt 24 die Prinzen
^LjI 25 ihr Gefolge
Ä^^t crl; Oul5 26 Commandeur der Spitze des rechten Flügels
XJU^I ^\j oul5 vl-^t 27 Gefolge des Commandeur der Spitze des
rechten Flügels
jy^ ^jatL} 28 ein Theil der Magnaten
ÄJUdvit u,A>Ud 29 Commandeur des rechten Flügels
xjUAit uA^Ud wl^^^ 30 Gefolge des Commandeur des rechten Flügels
hL^ 31 die Wachen
iXAfyot 32 ein General
^?y>^l 33 die Brüder
BjAM^t Q^j^mMi\ i\ (jf^^l 34 Hauptweg zur Armee von der linken Seite
^ U t^aJl^ 8jii3* Q5^^ *^^ 30 Schritt breit und so lang er sein kann
iX^jJt 36 die Wächter
iXAfyot 36 ein Greneral
o!>^^l 37 die Brüder
Ü\ vl^t 38 Gefolge des Generals
DAS HEERWESEN DER MüHAMMEDANER. 21
ÄdUJt voUö 39 Gommandeur des Nachtrabes
ÄdLJt v^.o*U) vl^' 40 Umgebung des Gommandeur des Nachtrabes
(•^Lyt 41 deren Oefolge
^Uo'i\ 42 die Ärzte
cfeJl^^J 43 die Augenärzte
iss5?.ljS^ 44 die Wundärzte
^tt^tf o' *1^' 45 die Elephanten Wärter, wenn vorhanden
iUUil vIjä u,a^U) 46 öflFentlicher Restaurant
J?jAl! vLÄot 47 die Leibwache
v^Ül 48 der Oberst Cammerherr
^j^ 11^5 VjcU J(^t 49 der dienstthuende Portier des Fürsten»
jüJt ^Lä^I welcher ihm die Eingaben fiberreicht
fJ\M\ v^s^Ad 50 der Untersuchungsrichter in Klagsachen
9^.M^\ hLt 5 1 die Wachen des linken Flügels
Hy^\ ^\j cKjfe 52 Gommandeur der Spitze des linken Flügels
(jjtJoi\ iüaafti 53 Wegkundschafter
vyiUXU^ A^\ 54 die Rechtsgelehrten und Notare
O^t jriQ^ \S\ Joall 55 Betplatz beim Herannahen des Festes
Ä:?^liXll 56 die Wegemacher
(kX^ 57 die Dienerschaft
^LaoÜ ^^kXSa 58 Vorsteher der Eunuchen
jULäH Ja^tj^ 59 gemeinschaftliche Stallungen
erj^j^' 60 Oberst Wach-Gommandant
*i^5 «^Lül 6 1 die Prinzen
^LsJt 62 der G&dhi
^r^'**^ 63 der Polizeidirector
vl(;J' v^^^^' 64 die berittene Leibgarde
'iJij\OjÄi\ 65 Portiers
^2j^l vXxfyot 66 General des rechten Flügels
cr^' iXAfyoI ^i^\jo\ 67 Gefolge des Generals des rechten Flügels
v^t Ouls 68 Gommandeur des Gentrums
v*ÜÜ' «\»I5 v^^^^' 69 Gefolge des Gommandeur des Centnuns
xu^t Q%ji^MMi\ i? (jf:!jUt 70 Hauptw^ zur Armee von der rechten Seite
22 F. WÜSTENFELD,
jIj Lo djhi\^ H^Lis> Qj:»^ ÄÄ>^-ß 30 Schritt breit und so lang er sein kann
cX^-fyöt 71 ein General
Jükoit u.*^U> 72 der Feldprediger
^:A^I äülp^ 73 Waffen-Depot
(kX5j <^5iAJ{ |»wxii u^^Uj 74 der oberste Diener, welcher die Leute
ki^\ X\ ^\J^\ bei dem Fürsten eintreten lässt
(jJiJ^^ v*^^ 7 5 der Wegweiser
j\js>'i\ 76 die Adligen
^^ 77 Fahnen-Emir
^'5^J-"3 o>y^'^ i3>*^' vl-^^^' 78 Trommler, Hom- und Zinkenbläser
oLyij^J vpjL^udt 79 die Paukenschläger
^Luoü 80 die Eunuchen
HjmJ,\ ^^Aj>Lo 81 Commandeur des linken Flügels
HyMA\ u^^Lö vl^^^^' 82 Gefolge des Commandeur des linken Flügels
Ä:>-^{i>J{ 83 die Wegemacher
fjjjai\ 'Mafti 84 die Wegkundschafter
iu\j^ er ^x^-*^' vi' (jM;^' 8 5 Hauptweg zur Armee von der Rückseite
^ 1^ siyLl\^ BjLs^ ^^il5 KA>j^ 30 Schritt breit und so lang er sein kann
^ojdi 86 der Wall und Graben
OüoyJ 87 die Wächter
xta^yt iüs=OL^ 88 Posten bewaffneter Reiter
j^^M^\ ^\ (jMj^' 89 Hauptweg zu den Truppen
^ U JjJaJJ^ BjL:> ^jSilS ÄÄ>^ 30 Schritt breit und so lang er sein kann
^Lyaü ^J^^^ 90 Oberster der Eunuchen
^y^{ 91 der Marktplatz
e;N:i>LeiaJ{ 92 die Köche
^y*JI (jsow^ 93 und ein Theil des Marktes
xX4^\ jüL^ >UL*odt 0I4I 94 Schutz wache zur Stütze des rechten Flügels
^Laj^I^j und Gefolge
jU^xit iLu-y« 95 rechte Seite des rechten Flügels
iU4jd5 v-a1j 96 Centrum des rechten Flügels
'xUjJL\ s^M-ijua 97 linke Seite des rechten Flügels
cJäJI v-Jd 98 Mitte des Centrums
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 23
,^1 jüL^ iuUxi\ 8l4l 99 Schutz wache zur Stütze des Centrums
^^\üd\y v'^!^ r*^' 1 00 das kleine und grosse Vieh und die Krippen
^^^3 o^^y^^ 101 die Hirten und ihre Knechte
g^l jük^ jUL^{ 8l4l 1 02 Schutzwache zur Stütze des linken Flügels
Hy^\ HjmigA 103 linke Seite des linken Flügels
Uy^\ v^ 1 04 Centrum des linken Flügels
Hj^\ ÄJUey« 105 rechte Seite des linken Flügels
Ä^\jXi\ iÜL>pt 106 Schildträger zu Fuss
^sXi\^ vJ^Ä-Jt vL=s^5 '^^J^ 107 Fussvolk mit Schwerdt und rundem Schild
^l$ji\^ jUyü'l^ jÜL>^t 108 Fussvolk mit langem Schild und Lanze
jy^\y oj-w^Jl» v)^' '^^^ 109 Fussvolk bei den Wagen mit Schwerdt und?
J^l Ä>S3 JiajJt JÜL>, 1 1 0 Fussvolk ohne WaflFen und Wagenführer
üjmJA juW iUUit sL^ 1 1 1 Schutzwache zur Stütze des linken Flügels
»3t; ,>Iä> sX^^ und zur Wiederherstellung einer Unord-
nung, die sie bemerkt
v^t Xit^ 5UJU« bLJI 1 1 2 Schutzwache zur Stütze des Centrums und
nj\j JJj> iXmy zur Wiederherstellung einer Unordnung,
die sie bemerkt
XJUs^t iü{B^ iUJUtt sL^ 1 1 3 Schutzwache zur Stütze des rechten Flügels
»y^ ,>J^ sXm^ und zur Wiederherstellung einer Unord-
nung, die sie bemerkt
Auf die richtige Zeichnung des Planes in Bezug auf die Grössen-
Verhältnisse wird man nicht zuviel Gewicht zu legen haben; wollte man
z.B. die unter Nr. 34. 70. 85 u. 89 angegebene Maasse der Hauptwege
von 30 Schritt Breite zu Grunde legen, so würde die ganze Länge des
Lagers höchstens 450 Schritt, die Breite höchstens 280 Schritt betragen,
ein Platz, welcher nur für ein sehr kleines Belagerungscorps ausreichen
würde« zumal da man die Hälfte desselben für die verhältnissmässig ge-
ringe Anzahl von Personen in der Umgebung des Fürsten, für die Officiere
und Beamten rechnen muss. In kleinerem Maassstabe und weniger aus-
führlich sind ähnliche Zeichnungen von Muhammedanischen Lagern aus
Arabischen Handschriften nachgebildet von Lord Munster a. a. O. S.
44 — 46, und S. 61 finden sich dieselben Figuren der Schlachtordnungen,
24 F. WÜSTENFELD,
wie sie in den folgenden Abschnitten Torkommen, ein Beweis mehr fflr
die Verwandtschaft der beiden Werke. — Einige Ausdrücke weisen auf
den Persischen Ursprung hin. Der Fahnen- Emir (77) gehört hier nur
zu dem Gefolge des F&rsten und hat mit der Belagerung nichts zu thun.
Sein Amt war, den zu Statthaltern in den Provinzen ernannten Per*
sonen als Zeichen der ihnen übertragenen Würde und Macht von Seiten
des Sultans eine Fahne zu fiberbringen. Vergl. Meninski Lexic« s. v. j^jA.
JUä3! ^ o>aJ5^^l iu^- ^
Neunte Unterweisung.
Die Aufstellung des Feldherrn zur Schlachtordnung.
Gott spricht (Sure 61, 4): Siehe, Gott liebt diejenigen, welche für
seine Sache in Schlachtordnung kämpfen, als wären sie ein fest zusam-
mengefügtes Gebäude. Und Gott spricht (Sure 3, 117): Und sieh' da,
du gingest frühmorgens von deiner Familie, um den Gläubigen einen
Platz zum Kampfe zu bereiten. Useid überliefert von dem Propheten:
am Tage von Badr, als wir uns geordnet hatten, und sie sich gegen uns
ordneten, sprach er: wenn sie euch nahe kommen, dann gebraucht eure
Pfeile. Dies ist eine wahre Überlieferung, der Ausdruck (*^>e^' bedeutet
(*^^j^ sie kommen euch nahe, u^^Xit ist v^t die Nähe, er meinte: schiesst
nach ihnen, wenn sie euch nahe sind, aber schiesst nicht nach ihnen
aus der Entfernung. Nach einer anderen Version heisst es in dieser
Tradition: wenn sie sich um euch schaaren, (*^j^^ in der Bedeutung
von (»^^j^t wenn sie in grosser Zahl zu euch anrücken, dann schiesst
auf sie, aber zieht nicht f^^i^ eure kurzen Pfeile; oder nach anderen:
wenn sie euch nahe kommen, so schiesst auf sie, aber zieht nicht die
Schwerdter, bis sie an euch herangekommen sind, d^ Nabl sind die
Arabischen ^^ Sihäm (kurzen) Pfeile, sie sind zierlich und nicht so
lang, wie die übrigen v^-^ Nuschschäb ^Tfeile , und die qU^m^j» Husbdn-
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 25
Pfeile sind noch kleiner als die Nabl und werden von grossen Bogen
mit der Armbrust ^j^ geschossen, als nom. unit. KiU^j» Husbäna.
el-Muleihl überliefert nach seinen Gewährsmännern von el-Bard
ben 'Azib i) : Der Prophet stellte am Tage von Ohod an die Spitze eines
Corps Fussgänger von fünfzig Mann den Abdallah ben tjubeir und sprach:
Wenn ihr seht, dass die Vögel uns wegholen, so weichet nicht von
diesem eurem Platze, bis ich zu euch schicke, und wenn ihr sehet, dass
wir die Leute in die Flucht schlagen, und unter die Fasse treten, so
weichet nicht, bis ich zu euch schicke. Sie schlugen sie dann in die
Flucht und (erzählt el-Bard) ich habe bei Gott! die Frauen davon laufen
sehen, dass man ihre Fussspangen sehen konnte und ihre Beine ihre
Kleider in die Höhe hoben. Da sprach Abdallah ben Gubeir zu seinen
Begleitern, [welche hinzu eilen wollten]: habt ihr vergessen, was euch
der Qottgesandte gesagt hat? Sie erwiederten: Wir wollen gehen und
die Leute einholen. Als sie dann hinkamen, wurden ihre Gesichter
umgekehrt [sie wurden zur Umkehr gezwungen] und sie wandten sich
zur Flucht, und jetzt war der Zeitpunkt, wo der Bote sie zuletzt zu
Hülfe rufen wollte, da bei dem Propheten nur noch zwölf Mann zurück-
geblieben waren. Während sie nun zuerst von uns geschlagen waren,
erlitt der Prophet danach durch die ungläubigen einen Verlust von 140
seiner Anhänger, von denen die eine Hälfte gefangen genommen, die
andere getödtet wurde. Abu SuQän rief den Leuten dreimal zu: ist
Muhammed unter euch? Allein der Prophet verbot ihnen, ihm zu ant-
worten. Dann rief er dreimal: ist (Abu Bekr) Ihn Abu Kuhäfa unter
euch? und noch dreimal: ist (Omar) Ihn el-Chattäb unter euch? Hier-
auf kehrte er zu seinen Leuten zurück und sprach: diese sind bereits
getödtet. Da konnte Omar nicht länger sich selbst beherrschen und
rief: bei Gott! du lügst, o Feind Gottes! die du da hergezählt hast,
sind aile noch am Leben, und dir ist noch vorbehalten, was dich ver-
derben soll. Er erwiederte ^) : ein Tag (bei Ohod) gegen den anderen
1) VergL d-Bohhari traditions Mabometaoes par KrehU Vol. IIL pag. 78.
2) Yergl. Ihn Hisch&m^ Leben Mahammeds. S. &82.
Histor.-phüolog. Glosse. XYVI. 1. D
26 F. WÜSTENPELD,
(bei Badr), das Kriegsglück ist veränderlich; dann sprach er in Reimen:
erhebe dich, Hubal! Jetzt sprach der Prophet: wollt ihr ihm nicht
antworten? sie entgegneten: was sollen wir sagen? Er sprach: rufet:
Allah ist der höchste und gepriesenste. Jener erwiederte: Wir haben
die Göttin 'Uzzä, ihr habt keine 'Uzzd. Der Prophet fragte abermals:
Wollt ihr ihm nicht antworten? — Sie: was sollen wir sagen? — Er:
rufet: Allah ist unser Herr, ihr habt keinen Herren. — Dies ist eine
wahre Überlieferung.
Ihn Ishdk erzählt in den „Feldzügen*' i), dass der Prophet am Tage
von Ohod den Berg, nämlich den Ohod, in seinen Rücken genommen
habe, dann sprach er: kämpfet nicht eher, bis wir euch den Befehl
dazu geben. Der Gottgesandte, welcher 700 Mann bei sich hatte, stellte
diese in Schlachtordnung und berief an die Spitze der Bogenschützen
den Abdallah ben Gubeir, welcher an dem Tage mit einem weissen
Überwurf bekleidet war; die Zahl der Schützen betrug fünfzig. Dann
sprach zu ihm der Gottgesandte: halte von uns die Reiter durch Pfeile
ab, damit sie nicht von hinten über uns kommen, mag das Treffen sich
für oder gegfen uns wenden, so bleibe fest auf deinem Posten, damit
wir nicht von deiner Seite angegriffen werden. Als nun die Ungläubigen
sich zur Flucht wandten, eilten die Bogenschützen den Truppen nach,
um an der Plünderung Theil zu nehmen, dadurch gaben sie den Rücken
dem Angriffe der Reiterei preis, welche sie nun von hinten überfiel.
Im Kriege muss man wachsam, umsichtig, listig und trügerisch sein ;
Gott spricht (Sure 3, 47): Sie (die Juden) waren listig, aber auch Gott
war listig und Gott ist unter den Listigen der beste. Nach einer Über-
lieferung des Gäbir ben Abdallah hat der Gottgesandte gesagt : der Krieg
ist ein stcO^ Betrug; dies ist eine sichere Überlieferung, welche Muslim
unter seine Seltenheiten aufgenommen hat ^). Das Wort äcO^- kann auf
<• o «
dreierlei Weise ausgesprochen werden: erstens «A^ als Nomen vicis,
dann bedeutet es nach el-Chattdbi, dass der Krieg so (ein einmaliger Be-
1) YergL Ibn Hischäm pag. 560.
2) MiisUm, Corpus tradit. ed. Galcati Tom. II. pag. 142; auch Bochäri, par
JEreU. Vol. IL pag. 254.
DAS HEERWESEN DER MÜHAMMEDANER. 27
trug) ist, wenn damit das Morden der Leute beendigt und nicht zum
zweiten Male wiederholt wird, in dem Sinne: die Sache wird mit einem
Male entschieden; zweitens mO^- ein Betrug als Nomen von g>^, wie
man sagt äajü ein Spiel; drittens KccX:> Täuschung in dem Sinne, dass
der Krieg die Leute täuscht, Erwartungen in ihnen rege macht und sie
nicht erfüllt. List und Trug sind übrigens im Kriege gegen die Un-
gläubigen erlaubt, wenn sie auch in anderen Fällen unerlaubt sind.
Fussvolk und Reiter im Kriege zur Schlacht zu ordnen ist eine
alte Sitte der Fürsten und Gewohnheit der kämpfenden Parteien, nur
sind sie über das Wie? der Aufstellung verschiedener Meinung, je nach-
dem sich die Ansicht jedes einzelnen Fürsten oder Feldherrn darüber
entschied und auch die Anhänger des Islam und des Glaubens an die
Liebe Gottes zu ihnen unterscheiden sich durch die Art ihrer Schlacht«
Ordnung. Gott spricht (Sure 61, 4): Siehe, Gott liebt diejenigen, welche
für seine Sache in Schlachtordnung kämpfen , als wären sie ein fest zu-
sammengefügtes Gebäude. Sie erlangen diese Auszeichnung, wenn sie
die Schlachtordnung gut machen, wie sie kein anderer hat, und sie
haben die rechte Weise. Gott spricht (29, 69); Und diejenigen, welche
für uns kämpfen, werden wir unsere Wege führen. Ihnen ist die Ver-
heissung des Sieges gegeben, Gott wird ihnen den Sieg verleihen. Gott
spricht auch (Sure 22, 41): Gott wird dem zum Siege helfen, der ihm
hilft.
Cbdlid ben el-Wdlid war in der Aufstellung zur Schlachtordnung
erfahren und dabei umsichtig; es wird erzählt, dass er niemals eine
Schlacht geordnet habe, ohne Sieger zu sein, und in der Chronik von
Syrien ist seine Art der Anordnung angegeben. — Wenn nun die Schlacht
und der Kampf sich naht und das Niederstrecken der Streiter beginnt
und die Helden gegen einander stürmen, dann geht mancher aus sich
heraus, er fühlt sich dadurch beengt, dass er einem anderen gehorchen
soll und möchte sich in Überhebung dessen Befehlen und Verboten ent-
ziehen, allein wenn der im Range und Commando über ihm stehende
befiehlt, so wird er dessen Befehle willig folgen. Die Griechen be-
Sassen in dieser Beziehung eine bewundernswürdige Selbstbeherrschung
D2
/
28 F. WÜSTENFELD,
bei der Ordnung ihrer Glieder und Corps und in dieser Eigenschaft lag
neben ihrer Tapferkeit eine bedeutende Macht. Die Perser haben in
ihren Kämpfen mit den Türken sehr ausgedehnte Aufstellungen gemacht,
wie es in ihren Chroniken berichtet wird. Der Krieg ist eine gegen-
seitige Jagd und der JSger muss nothwendig List anwenden, bis die
Jagd beendigt ist. Wir wollen nun durch Figuren der Reihe nach die
verschiedenen Schlachtordnungen beschreiben , welche die erfahrenen
früheren und die Islamitischen Herrscher angewandt haben.
Der Herrscher muss sich des Rathes der älteren Emire und des
Armee-Commandeurs in Angelegenheiten des Krieges bedienen, wie Gott
spricht (Sure 3, 153): und frage sie um Rath in den Angelegenheiten.
Ihn Ishäk erzählt in den „Feldzügen***): Als der Gottgesandte von
Wddil-^'afrä aufbrach und hörte, dass die Kureisch gegen ihn im An-
marsch seien, fragte er seine Leute um Rath und zuerst redete Abu
Bekr sehr schön, darauf folgte Omar und redete ebenfalls sehr gut,
dann erhob sich el-Mikddd ben Amr und sprach: O Gesandter Gottes!
gehe wohin dir befohlen ist, und wir werden mit dir sein;
wir werden nicht sagen wie die Kinder Israels : gehe du und
dein Herr und kämpfet, wir werden hier stehen bleiben; sondern:
gehe du und dein Herr und kämpfet, wir werden in Gemeinschaft mit
euch beiden kämpfen. Bei dem, welcher dich in Wahrheit gesandt hat,
wenn du mit uns nach Birk el-Gimdd ^) ziehen wolltest, wir würden
dahin an deiner Seite fechten, bis du es erreichtest. Der Gottgesandte
erwiederte ihm: wohl gesprochen! und er segnete ihn. Dann wandte
er sich um und sprach: gebt auch ihr mir euren Rath; er meinte die
-An^är 5) , weil ihrer eine bedeutende Anzahl war ; da sagte Sa'd ben
Mu'dds: es scheint, o Gottgesandter, als wenn du uns meintest. Aller-
dings, erwiederte er, und Sa'd fuhr fort: Wir haben an dich geglaubt
und dich für wahrhaftig gehalten und bekannt , dass das , was du uns
1) Yergl. Jhn Hischäm pag. 434 auf dem Zuge nach Badr.
2) Vergl. Jäcüt Bd. 1. S. 589.
3) Die mit ihm nach Medina geflüchteten Mekkaner. -^..
DAS HEERWESEN DER MÜHAMMEDANER. 29
gelehrt hast, die Wahrheit sei; wir haben dir dafür den Schwur geleistet
und bekräftigt, dass wir hören und gehorchen wollen. So gehe nun,
o Gottgesandter, wohin dir befohlen ist, wir werden mit dir sein; bei
dem, der dich in Wahrheit gesandt hat, wenn du mit uns dieses Meer
tiberschreiten wolltest, wir wfirdeo uns mit dir hineinstürzen, nicht einer
von uns würd^ zurückbleiben; wir haben nichts dagegen, dass du morgen
mit uns unseren Feind treffen willst, wir sind gewiss standhaft im Kriege,
zuverlässig im Kampfe, vielleicht wird Gott dir an uns zeigen, was dein
Auge erfreut; so ziehe denn mit uns unter Gottes Segen. Der Gott-
gesandte freute sich über die Rede des Sa'd und wurde sehr lebhaft in
seinen Worten, dann sprach er: auf! verkündet frohe Botschaft, denn
Gott hat mir eine von beiden Abtheilungen ^) versprochen; bei Gott! es
ist mir, als wenn ich jetzt schon die Leute hingestreckt sähe. Omar
sprach : bei dem, in dessen Hand mein Leben ist, sie werden nicht ver-
fehlen, sie hinzustrecken.
Die früheren Herrscher hatten verschiedene Arten, in denen sie
die Schlachtordnung aufstellten, denn darin bestand die grösste Kunst
der Kjiegfflhrung, und wir wollen jetzt damit beginnen, was die früheren
Aber die Aufstellung der Armee gesagt haben , ohne etwas zu ihren
Worten hinzuzusetzen, oder davon wegzulassen; der Einsichtige, welcher
ff
für die Verhältnisse des Krieges ein Verständniss hat, wird, wenn er
dieses Buch liest und überdenkt, die darin befindlichen Pläne benutzen
und andere Dinge davon auswählen, je nachdem es die Schlachtfelder
für ihn erforderlich machen oder wie es nach seinem Belieben der Lage,
in welcher er sich befindet, angemessen ist. Gelobt sei Gott, welcher
uns lehrt, was wir nicht wissen; ihm sei Lob und Dank dafür!
Erster Theil.
Über die Schlachtordnung, mit sieben Figuren.
Einer der früheren Schriftsteller sagt bei der Beschreibung der
1) D. i. entweder die Caravane der Mekkaner, die er aber verfehlte, oder die
zu deren Schutz aiMgezogenen Mekkaner« welche er bei Badr schlag.
30
F. WÜSTENFELD,
Schlachtordnungen, dass er für jede Ordnung einen besonderen Abschnitt
gemacht habe mit ihrer Abbildung und der Aufstellung ihrer Mann-
schaften. Von diesen zeigt die erste die Gestalt einer Mondsichel und
dies ist die vorzüglichste aller Aufstellungen nach dem Urtheile der äl-
teren Persischen Könige. Hiervon giebt es zwei Formen, die eine die
ausgedehnte mondsichelförmige, welche auch die Schutzwehr oder die
sichelförmige spitzige genannt wird , und dies ist diejenige mondsichel-
formige , in welcher die beiden Bogen auf beiden Seiten zusammentreffen
und die beiden Rückseiten zwei convexe Winkel bilden nach der Figur
des Mondes, etwa in dieser Form
Die zweite Form ist diejenige, in welcher jeder Bogen von den
beiden Reihen der beiden Seiten und der Rückseite zwei abgetrennte
Enden hat und die beiden Enden des grossen Bogens über den kleinen
um etwa den vierten Theil dessen herausgehen, was zwischen den beiden
Enden des kleinen Bogen liegt. Die Figur ist in dieser Form
DAS HEERWESEN DER MÜHAMMEDANER. 31
Welche von beiden Aufstellungen nun auch für die Armee nöthig
sein sollte, so muss, wenn sie nicht zahlreich ist, die Anzahl der Glieder
in ihrer Mitte am grössten sein, das Commando der spitzigen, ausge-
dehnten Flügel muss den besten und umsichtigsten Officieren übertragen
werden, welche mit der grössten Ausdauer die grösste Festigkeit, Muth
und Tapferkeit verbinden. Zwischen ihnen und zwischen den beiden
als Hinterhalt aufgestellten Corps muss bis an die Seite der Rundung
eine Entfernung von etwa einer viertel Meile ^) sein und bis an die
Gränze der Linie des Feindes eine Entfernung von einer Meile; zwischen
diesem Hinterhalt und seinen Pfeilschützen, welche nach der Seite des
Feindes zu voranstehen , ist eine Entfernung von einer halben Meile.
Der Bogen der Mondsichel, welchen die die Hälfte der Armee aus-
machenden Glieder einnehmen, hat eine Ausdehnung von anderthalb
bis zwei Meilen; zwischen dem Centrum seines Bogens und der Mitte
seiner Sehne ist etwa eine viertel Meile oder mehr, je nachdem die Armee
im Stande ist den Bogen zu machen und sich nach beiden Seiten aus-
zudehnen. Zwischen der Gränze seiner Sehne und zwischen dem Platz
der ihr zunächst stehenden mittleren Vorhut ist eine Entfernung von einer
Meile und zwischen dieser und zwischen der ersten Vorhut eine Entfernung
von einer halben Meile. Der Tummelplatz der Reiterei für die vorderen
Glieder ist zwischen der Mitte seines Bogens und der Gränze seiner Sehne.
In dieser Ordnung sind die Glieder der Armee zum Vormarsch aufgestellt
in einer Weise, dass an dieser Ordnung, wie sie einmal ist, nichts ge-
ändert wird und wenn sie mit dem Feinde in dieser Aufstellung zu-
sammenstossen , so bleibt die Mannschaft des Centrums fest auf seinen
Plätzen stehen, ohne sich davon zu entfernen, dagegen die Mannschaft
des rechten und linken Corps rückt ganz allmälig vor und die äussersten
Enden der beiden Flügel gehen etwas rascher vor, als die ihnen zunächst
stehenden; z. B. wenn die Mannschaft des rechten und linken Corps
einen Schritt vorgeht, so geht die Mannschaft der spitzen Flügel zwei
Schritt vor, was in der Wendung nach Innen einen Raum von andert-
1) Eine Arabische Meile wird einer Englischen etwa gleich gerechnet.
32 F. WÜSTENFELD,
halb Fuss nach Innen beträgt. Dies geschieht in verhältnissmässiger
und gleich massiger Weise, bis dass, wenn das Hauptcorps mit einem
Theile seiner Seiten zusammentrifft, Halt gemacht wird, wobei die Vor-
posten auf den Seiten sich mit den Ofiicieren der äussersten Enden der
Flügel vereinigen. Die Mannschaft des Centrums geht nicht einen Schritt
vor, ausser wenn ein Bückzug der feindlichen Armee bemerkiich wird,
dann rückt sie langsam ein wenig vor und zwar halb soviel, als die
Mannschaft des rechten und linken Corps vorrückt; das Stehenbleiben
ist für sie besser, so lange die Schlacht noch im Schwanken ist, sei es
dass man auf eine Umkehr gefasst «ein oder einen Hinterhalt befürchten
müsste und sie hört nicht auf, geduldig und fest Stand zu halten« Die
Mannschaften der beiden Flügel rücken nach und nach ein wenig vor,
so weit es ihnen möglich iat, ohne dass ihr Voi^ehen auffallend bemerkt
wird, bis es damit soweit gekommen ist, dass sie mit dem Hauptcorps
und durch die Verbindung mit der Mannschaft des Hinterhalts den Bing
um den Feind acbliessen können und der Feind in ihre Mitte zu stehen
kommt. Wenn sie etwas von dem, was ich erwähnt habe, versäumen,
so wird ihre Ordnung verdorben und ihre Glieder bekommen eine andere
Richtung, als sie vorher bestimmt hatten. Zuweilen wird die Anordnung
so sehr verändert und verschlimmert» dass der Armee-Commandeur dar-
über besorgt wird und selbst die Bunde bei ihnen macht, um ihre Vor-
gesetzten anzuweisen, wie sie mit je einem oder mit je zwei Schritten
v<»*gehen sollen, er zeigt ihnen dies, treibt sie dazu an und ermuthigt
sie fest zu stehen und auf ihren Plätzen auszuharren. Es ist mir be-
kannt geworden, dass el-Malik el-Dhdhir, als die Tataren sich in Schlacht-
ordnung gestellt hatten, bei seinem Vordringen gegen Cfisarea nach
diesem Muster seine Truppen geführt habe, biis er jene in einen Bing
fasste und ihnen die berühmte Niederlage beibrachte, welche in 4efi
Annalen erwähnt wird und wie man nichts ähnliches gehört hat. Hierzu
wird sich jeder tapfere, kühne ^ verwegene Held entschiiessen , welcheir
den Tod nicht fürchtet, sondern sein Leben an Gott verkauft, wie Qott
spricht (Sure 9, 112): siehe, Gott kauft von den Gläubigen ihrp Habe
und ihre Seele u. s. w. ; denn er ist bemilht, zu dieser Art der Schlacht-
DAS HEERWESEN DER MOHAMMEDANER.
33
Ordnung die Anleitung zu geben, weil in ihr da8 Princip der Überlistung
im Kriege und die Kunst den Feind Gottes zu fassen und über ihn zu
siegen enthalten ist.
Die dritte Form. Diese Form hat eine hohe Bedeutung und
gewährt einen grossen Nutzen ; die Perser haben sie angewandt und die
Sicilianer haben sie bei ihren Schlachtordnungen nie verlassen und damit
ihre Absicht erreicht. Bei dieser Aufstellung muss die Länge ebenso
sein als die Tiefe, z. B. wenn die Länge zwei Meilen ist, muss die Tiefe
eine Meile sein, wie diese JFigur^)
£r^ will damit sagen, dass die Länge der zweimaligen Tiefe gleich
sein muss, ungeachtet er sie quadratisch nennt, und dies ist eine von
den Figuren des Euklides, welche quadratisch mit rechten Winkeln und
verschiedenen Seiten genannt wird. Man bestimmt also ihre Tiefe bei
der Aufstellung der Reiterei, dann muss nach der Zahl der Glieder in
der Länge die Aufstellung für die Pferde in der Tiefe halb so gross
werden, als ihre Aufstellung in der Länge, und wenn in dieser Weise
richtig verfahren wird, so kommt bei der genauen Richtung der Glieder
die quadratische Figur heraus durch die Gleichmässigkeit in ihrer Auf-
bauung. Dieser Anordnung kann die Aufstellung des Feindes nur dann
schaden, wenn diese sichelförmig und die Reihe des Feindes weiter aus-
gedehnt ist, alsdann muss ein umsichtiger Feldherr der Mannschaft des
1) Der Arabische Text reicht hier bis unten auf die Seite nnd deshalb sind
die Worte hinzugesetzt „auf der folgenden Seitens hier fehlt aber die Figur und der
Text föhrt in der obersten Zeile fort.
2) d. i. der hier benutzte Autor; vergL Aelianw Taktik, Cap. 18.
Hi8tar.^hüoloff. Claase. XXVI . t £
34 F. WÜSTENFELD,
obersten Hinterhaltes den Befehl geben, Aber die äusserste Länge der
Beihe soweit vorzugehen, dass er der Flügelspitze der feindlichen Armee-
reihe gleich kommt, was ungefähr eine halbe oder eine viertel Meile
betragen kann und gewöhnlich wird diese Entfernung nicht überschritten,
80 dass es nöthig würde, sie auf eine Meile auszudehnen, mit Beziehung
darauf, was wir als feststehend angenommen haben, dass die Ausdehnimg
eines der beiden Heere zwei Meilen betrage; dann findet die Erweiterung
in gleicher Weise nach beiden Seiten statt. Ist dieses in einigen Fällen
besonders angezeigt, so muss der Heerführer die Hinterhalte der Flanken
in drei, vier oder fünf Theile theilen, je nachdem es die Umstände erfor-
derlich machen, und wenn es noch mehr als diese sein müssten, so wird
er die Anordnung treffen, und wenn es nöthig sein sollte, die Hälfte der
Armee als Hinterhalte aufzustellen, so wird er es thun und sich dadurch
den Rücken decken. Zu diesem Zweck stellt er den ersten Hinterhalt,
welcher seiner Armee am nächsten ist, von dieser in gerader Richtung
auf die Länge von eineic viertel Meile auf und weiter nach vorn auf eine
halbe Meile. Der zweite Hinterhalt, welcher in der Nähe jenes ist, ent-
fernt sich von ihm nach rechts hin auf eine weitere viertel Meile und
Abtheilungen davon gehen noch weiter nach vorn vor bis auf eine halbe
Meile oder noch mehr, wenn dies von jeder Seite geschehen kann. So
wird ein vollständiger Schutz für diese Aufstellung erreicht, seine Officiere
mit seinen Fahnen bilden ringsherum einen Kreis, wie wir es beschrieben
haben und in der Mitte des Centrums bleibt ein freier Platz wie die
Hälfte eines kleinen Bogens, wo der Heerführer sich befindet, um die
Truppen zum Kampf anzufeuern, und wo der Fürst einen Ausblick hat,
um die Lage der Truppen übersehen zu können» vor sich einen grossen
Theil der kostbaren Gewänder, der Kriegskasse, der Pferde u. d. gl.«
in einiger Entfernung der Heerführer in der Mitten der Truppen bei
der Theilung des Centrums, ohne dass zwischen ihm und dem Heer-
führer, welcher in dem Centrum des Bogens steht, Jemand hindernd im
Wege steht, so dass er Zeuge ist von der Besorgniss bei den einen und
dem Verlangen nach dem Gebet bei den anderen u. s. w. Zuweilen
geht der Fürst vor, bis dass er die Lage des Heeres beobachten kann
und sich in die Mitte des Bogens stellt, um dadurch den Math der
DAS HEERWESEN DER MÜHAMMEDANER. 35
Mannschaft in den Gliedern auf beiden Seiten und der nächsten in den
darauffolgenden Gliedern zu stärken, zuweilen redet er sie auch selbst
an, flösst ihnen Muth ein und verspricht ihnen von Gott die Belohnungen
in jenem Leben und von sich jährliche kostbare Geschenke und schickt ih-
nen ein Corps nach dem anderen, einen Trupp nach dem andern zur Hülfe;
und wenn einer der Hinterhalte zu schwach ist, schickt er ihnen Ver-
stärkung, ohne dass sie ihren Platz verlassen. Die Unterstützung der
Hinterhalte und anderes gehört zu den Veränderungen der Neuzeit, wo-
durch der Muth der Truppen gestärkt und, wenn sie es von dem Fürsten
selber hören, ihre Kraft gefestigt wird.
Die vierte Form der Schlachtordnung. Zu den Aufstellungen,
welche im Kriege gemacht werden, gehört auch diese Ordnung, weil sie
wegen ihrer VortrefFlichkeit , wegen der Deckung, welche sie gewährt
und wegen ihrer kräftigen Wirkung mit dem Namen v^Lv^Jt \Jü^\ el-gaff
elndahbähi ,,die verdeckte Ordnung^)*' bezeichnet wird. Ihre Tiefe richtet
sich gewöhnlich nach der Stärke der Nachhut zu beiden Seiten, und die
Nachhut nach der Länge der beiden Flügel, und es wird damit eine
Täuschung beabsichtigt, zuweilen um die Stärke des Feindes abzuschätzen,
zuweilen um die Stärke des eigenen Centrums gering erscheinen zu
lassen, zuweilen zu anderen Zwecken. Ein Bild davon giebt diese Figur
1) Diese Bedeatnng scheint der später (wiederkehrende Ausdruck dahhSbi zu
haben, eigentlich „heranschleichend and nach andjnach sich entwickelnd^'; vergl.
Lord Munster S. 1*; man findet zwar auch ^U3üt elrdsuhähi geschrieben, was man
durch „scharf, schneidig*^ wie die Schärfe des Scbwerdtes Vf^J erklären könnte, aber
nicht so passend.
£2
36
F. WÜSTENFELD,
Diese Ordnung gewährt eine vollkommene Deckung, besonders
wenn dabei der Zugang zu einer der Hauptstrassen gegen den Feind
eingenommen wird. Das Verfahren dabei ist dieses, dass die vorderen
Hinterhalte grösser sind als die ersten Linien, und der erste Hinterhalt
muss auf einer von beiden Seiten von dem äussersten Ende derselben
in der Entfernung von einer halben Meile vorgehen und nach vorne
eine halbe Meil^ vormarschiren und wird dabei dadurch unterstützt, dass
ein anderer der Hinterhalte seinen Platz wieder ausfüllt, und so fort
bis in die letzte Eeihe auf beiden Seiten. Der Zweck bei dieser An-
ordnung ist, nicht merken zu lassen, wie oft die Hinterhalte vorgeschoben
werden können, und wenn die Hinterhalte in dieser Weise nach der
Zahl der Glieder zweimal aufgestellt würden, so dass sie zwei Drittel
ausmachten, so würde dies zulässig oder von besonders grossem Nutzen
sein. Diese Form nähert sich in ihrer Anordnung der umgekehrten
sichelförmigen Aufstellung in ihrem Aufbau.
Die fünfte Form der Schlachtordnung hat die Form eines
Bhombus und die Aufstellung ist länglich gleichseitig. Diese Aufstellung
hat eine geringe Tiefe bei ausreichender Länge, sie ist die leichteste
Art in der Anordnung, bei einer Verwirrung und Störung am wenigsten
einer Veränderung ausgesetzt, wird in unserer Zeit am häufigsten an-
gewandt, erfordert am wenigsten eine grosse Geschicklichkeit und Er-
fahrung in der Zusammensetzung, und die Herstellung erfolgt durch
einen augenblicklichen Befehl an die Gesammtheit. Die Figur ist diese
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 87
Diese Aufstellung hat einen grossen Nutzen, um den Feind bei
der Ausdehnung ihrer Länge und ihrer Bauart durch die grosse Zahl
in Furcht zu setzen und obendrein erfordert sie weniger Hinterhalte
als eine andere, und wenn diese doch in grösserer Menge vorhanden
sind, so ist das Richtige, dieselben in drei Theile zu theilen, so dass
ein Drittel an vier Stellen den Vortrab bildet, das zweite Drittel auf
den beiden Flügeln der Mitte der Armee an zwei Stellen steht und das
übrige Drittel hinter der Ruckseite an drei Stellen, auf der Spitze der
Rückseite und auf der Mitte derselben. Wenn es für gut gehalten
wird, dass der ganze Hinterhalt aus dem dritten Theile der ganzen
Armee bestehen soll, so ist dies angemessen; wenn er so weit verringert
werden soll, dass er aus dem vierten Theil der Armee besteht, so mag
dies noch passend sein, aber nicht weniger als dieses. Diese Aufstellung
wird genommen, wenn der Feind in solchem Maasse an Zahl überlegen
ist, dass dadurch unter den Muslimen Muthlosigkeit entsteht, dann
suchen sie sich selbst zu ermuthigen und nehmen diese breite Stellung,
damit durch ihre Ausdehnung ihr Geschrei verstärkt wird und der Feind
desshalb sie fürchtet. Ihre Tiefe darf aber nicht weniger betragen als
drei auf einander folgende Corps. Zuweilen nehmen sie dabei keine
Reiterei hinzu, wenn sie ebensoviel Fussvolk und Leichtbewaffnete bei
sich haben, dann entstehen im Ganzen sechs Glieder für sechs Emire.
Auch wird wohl ungeachtet der Menge und Starke diese Aufstellung
genommen in zwei Fällen, einmal wenn die Armee den Feind erfasst
bei der Vereinigung der Wege von der linken und rechten Seite durch
ihre Ausdehnung, zweitens richtet sich ihre Ausdehnung zuweilen nach
der Ausdehnung einer Ebene, sodass die beiden äussersten Enden der
Armee nach beiden Seiten an eine unwegsame Fläche oder an den
Fuss eines Berges oder ^n rauhen Boden hinanreichen, durch deren
Deckung eine grosse Sicherheit erzielt wird.
Die sechste Form der Schlachtordnung. Unter den Aufstellungen
ist eine, welche die langgestreckte genannt wird und deren Länge viel
geringer ist als die Tiefe; z. B. wenn das Maass einer Aufstellung nach
beiden Seiten eine Meile beträgt, so beträgt die liefe sechs Meilen und
j
38 F. WÜSTENFELD,
darüber. Das Centrum einer solchen Aufstellung ist anter dem Namen
,yhalber Rhombus** bekannt*) und von grossem Nutzen um eine Haupt-
strasse zu bewachen, und wenn die Anzahl der Hinterhalte grösser
sein kann als die Hinterhalte des Hauptcorps , so gewährt dies den
Mannschaften einen äusserst grossen Nutzen, und ebenso, wenn sie nach
der Seite des Feindes hin eine grössere Anzahl aufstellen wollen,
z. B. dass drei Viertel derselben nach der Seite des Feindes stehen
und das übrige Viertel als Hülfshinterhalte in fünf Theile getheilt, da-
von einer zur Bechten, der andere zur Linken, zwei an den beiden
Winkeln der Rückseite und der fünfte gegenüber dem Commandeur der
Rückseite in der Mitte. Der Vormarsch des ersten Hinterhaltes auf
jeder Seite dieser Armee geschieht von der Stelle aus, die dem Feinde
zunächst ist, und so fort der Frontseite entlang in Entfernung einer
Meile und marschirt ihr voran in Entfernung einer Meile auf gleiche
Weise, bis die Hinterhalte über die beiden Enden der Frontauf-
stellung der feindlichen Armee hinaus sind. Bei dieser Aufstellung
ist kein Unglück zu befürchten , ausser wenn die Soldaten den Muth
verlieren, durchbrochen werden und die Flucht ergreifen, denn eine
schlechte Ausführung derselben bekommt die Vergeltung und erreicht
den Zweck in keiner Weise und die durch die Verwirrung entste-
hende Veränderung ist für die Gemüthstimmung der Leute sehr nach-
theilig, wesshalb man bei der Anwendung derselben in solcher Lage
sehr vorsichtig sein muss.
Die siebente Form der Schlachtordnung. Eine der Formen
1) In dem Arabischen Texte S. 9 ist die Figur umzukehren.
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER.
39
ist die Kreisform, welche manche den Ofen nennen. Diese Aufstellung
wird aus verschiedenen Anlässen gewählt, einmal wenn die Zahl des
Feindes so gross ist, dass sie die der Muslimen mehrfach übersteigt, und
das Schlachtfeld ist weit, so werden sie, wenn sie sich darauf ausbreiten,
indem sie die vorher erwähnten Stellungen annehmen , zerstreut und
ihre Widerstandsfähigkeit wird in den Augen der Feinde gering geachtet
und sie machen Halt um in Geschwindigkeit ihre Anzahl abzuschätzen;
zweitens werden zuweilen die ihren Kundschaftern gegebenen Befehle
schlecht ausgeführt, einige ihrer Hinterhalte vermischen sich mit den
Hinterhalten des Feindes, und ähnliche Fälle, dann ist es nöthig, dass
sie sich von allen Seiten auf einen Angriff gefasst machen und sie stellen
sich in nach dieser Figur in einander verschlungenen Gliedern auf,
um nach allen Seiten hin gesichert zu sein und die Möglichkeit zu
haben sich gegenseitig zu unterstüzen und den Sieg davon zu tragen.
Diese Aufstellung ist in sich selbst und in den Hinterhalten von allen
die unbedeutendste, schwächste und der Zahl nach geringste, es kommt
aber oft vor, wenn die Truppen der Muslimen sich in Feindes Land wie
in ein Meer hineingewagt haben und die Wogen plötzlich über ihnen
zusammenschlagen, so dass sie mitten darin sind, sie dann kämpfen
und nach allen Seiten hin sich vertheidigen müssen.
Die Arabische Übersetzung der Taktik des Aelianus.
Von
F. Wüstenfeld.
(Vorgelegt in der KOnigL Geaellsoh. cL Wiss. am 10. Januar 1880.)
Zweiter Theil.
Über die Glieder, ihre Namen und ihre Anzahl nach der
Meinung der Alten.
Wir beginnen jetzt mit der Erklärung der Glieder, ihrer Anzahl
und ihrer Form.
Nach dem, was Äe Hanns in seinem Buche sagt (Cap. III), ist das
Erste j was nöthig ist, wenn Jemand sich die Kenntniss in der Taktik
verschaffen will, dass er, wenn unter der Mannschaft sich viele Leute be-
finden, welche noch keinen Begriff von Aufstellung und keinen Sinn für
Ordnung haben ^ unter ihnen eine Auswahl trifft und einen jeden von ihnen
an den Platz stellt, für welchen er passend ist, d. h. in die Glieder, von
welchen in den vorangehenden Abschnitten gehandelt ist, damit sie eine
angemessene schöne Form bekommen. Denn viele von den Soldaten wissen
in der Schlacht nicht, wie und wo sie stehen sollen und manche von
ihnen haben das 50ste und 60ste Lebensjahr überschritten, aber noch
nie eine Schlachtordnung gesehen, und wenn auch manche von ihnen
jeden Tag die fünf vorgeschriebenen Gebete verrichten, aber in der
Schlacht nicht ordentlich in Reih und Glied zu stehen wissen, was nützt
da ihr hohes Alter, wenn sie noch keine Heeresaufstellung gesehen ha-
ben. Jedem Vernünftigen und Einsichtigen wird es also nöthig erschei-
nen , sich die Kenntniss dieser Wissenschaft zu erwerben , damit er die
Histor.-philolog. Glosse. XXVL 2. F
I
I
J
42 F. WÜSTENFELD,
Feinde Gottes bekämpfe nach dem Worte des Propheten : Wer stirbt
und nicht von selbst das Verlangen nach dem Kampfe hat, der stirbt
an einer Art von Heuchelei. So ist von den beiden Scheichen*) in ih-
ren Traditionssammlungen überliefert, weil ein solcher seinen Sold ver-
zehrt, den er zu seinem Unterhalt bekommt, um sich dafür den Musli-
men nützlich zu machen , aber nicht um den Contract zu brechen , der
auf dem Blatt in der Armeeliste über ihn niedergeschrieben ist, und er
soll seinen Sold nicht auf eine Weise verzehren, welche noch mehr ver-
boten ist als das Fleisch von gefallenen Thieren und von Schweinen.
Die Erlernung der Taktik gehört nun zu den Dingen, welche den Mus-
limen von grösstem Nutzen sind und sie muss erlernt werden, damit
man sie beim Ausbruche des Krieges kennt.
Nämlich die Ordnung des Heeres ist ßlr den Aufbruch, ßlr den Marsch
und ßlr das Zusammentreffen mit dem Feinde sehr wichtig zur Erlangung
des Sieges und wir finden in den Geschichtsbüchern , da^s grosse Heere
von kleinen Heeren mit Gottes Willen besiegt und in die Flucht geschla-
gen sind wegen der schlechten Ordnung jener und der guten Ordnung dieser^
wie Gott spricht (Sure 2, 250): wie oft hat ein kleines Heer ein grosses
besiegt mit Gottes Willen und Gott ist mit den Standhaften; und wie
es in einer oben angeführten Tradition vorkommt, und wie Chdlid ben
el-Walid bei MAta die Schlacht ordnete, wo 100000 Griechen standen,
welche noch von 100000 Christlichen Arabern unterstützt wurden, wäh-
rend die Muslim nur 3 bis 4000 Mann stark waren, denen die Ungläu-
bigen nichts anhaben konnten, nachdem Chälid die Truppen geordnet
hatte, so dass der Prophet die (oben angeführten) Worte sprach.
Nach dem, une Aeneas die Taktik definirt hat, so ist sie die Kennt-
1) So werden bekanntlich Bochäri und Muslim genannt. Indess nach einer
Benachrichtigung des Herrn Prof. Krehl kommt eine solche Stelle bei Bochäri nicht
vor, wohl aber bei Muslim, Bulaker Ausg. IV. S. 314, Caicuttaer Ausg. II, S. 236,
und in dem Commentar Mubärik elraehär des Ihn Mälik zu dem Traditionsverzeich-
nisse des Sagäni ist die Erklärung: wer auf diese Weise stirbt, der gleicht den
Heuchlern, welche sich von dem heiligen Kampfe zurückziehen.
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 43
mss der militärischen Bewegungen^); was Polyhius betrifft^ so behauptet
er, ihre Definition sei, ^.eine Masse von Soldaten zusammen zu fassen, sie
abzutheilen, ihre Glieder zu ordnen und sie zu unterweisen, wie sie sich bei
der Schwenkung nach rechts und links zu verhalten haben , bis ihnen*
dies zur Gewohnheit geworden ist^'
Der Sammler dieses Buches bemerkt hierzu: Was Polgbius angiebt,
das sind die Anfangsgründe, welche die Lehrer aufgestellt haben, damit
durch sie dem Krieger die Kenntniss beigebracht werde; dann haben
die Lehrer daraus eine Spielerei gemacht und eine Einrichtung um da-
durch den Unterhalt zu haben, und nachdem sie dies so eingeführt ha-
ben, hat es aufgehört, aufrichtig den Absichten Gottes zu dienen, viel-
mehr ist es nur des schnöden Gewinnes wegen beibehalten und desshalb
vergessen, so dass nur noch wenige eine Kenntniss davon besitzen und
diesen wenigen sind die Anfangsgründe unbekannt; denn wenn sie sie
kennten und zu Gottes Ehren lehrten, so würden sie gegen die Feinde
Gottes aufrichtig unterstützt werden, ohne dass sie von anderen Men-
schen gegenseitige Hülfe verlangten, und dies wäre eine grosse Wohl-
that für den, der es wollte oder verstände, für diese und für jene Welt.
Einer der älteren Schriftsteller macht bemerklich, dass eine Zusam-
menziehung und Zusammenordnung der Truppen eine unerlässliche Pflicht
des Feldherrn und ihm nicht erlaubt sei zu gestatten , dass einer von
ihnen aus irgend einem Grunde sich von seiner Compagnie trenne. Ein
anderer bemerkt über die geringste Anzahl derselben, ein Theil der frü-
heren Könige sei der Meinung gewesen, die geringste Anzahl, welche
unter einen gemeinschaftlichen Namen zusam menge fasst werden könne,
müsse sechs Mann sein, und sie bewiesen dies damit, dass 6 eine voll-
kommene Zahl sei, weniger als diese könnten es also nicht sein; (Cap,
IV) andere sagen dagegen, die kleinste Zahl sei 10, noch andere sagen ^ sie
bestehe aus 12 Mann, und einige von ihnen behaupten^ es könnten nicht we*
niger als 16 Mann sein. Ich selbst bin der Ansicht, dass es 8 sein müs-
1) Darch die VerkennaDg des Namen Aeneas ist der Arabische Text 8. HZ. 7
entstellt und zu lesen ^JLaJI j^ K^coü^Jt xcLUg ^Lbt a^ 0^> L5^b
F2
44 F. WÜSTENFELD,
sen, denn in nnsrer Zeit hat der Eifer in allen Dingen nachgelassen,
warum nicht auch hierin? Denn gewöhnlich, wenn man die Rotte zu
16 annimmt, sind darunter 8 streitbare (voll ausgerüstete) Reiter und 8
geringere von den Leichtbewaffneten , welche dahinter aufgestellt sind,
welche nur mit kurzen Lanzen, Schleudern, Pfeilen u. dgl. werfen, und
hinter ihnen die Trabanten. Jede Abtheilung von diesen heisst jloxog SmXto
Rotte und jede von ihnen hat zwei Führer, der erste heisst Hauptmann
der geschlossenen Rotte, der andere in der zweiten Reihe heisst Führer
des hinteren Gliedes, und jede von diesen Rotten hat zwei nach dieser
Aufstellung.
(Cap. V) Man hat auch die geschlossene Rotte so deßnirt, sie sei eine
Zusammenordnunff von Führern und Anschliessenden, wekhe sich nach dem
Grade ihre Tapferkeit anschliessend (Cap. VI) Die .Verbindung hei der
Büdung der Reihen geschieht auf die Weise, dass neben der ersten Rotte
eine eben solche zweite aufgestellt tvird^ nämUch neben den Rottßlhrer der
ersten Reihe der Rottßlhrer der zweiten Reihe, neben den fönenden Mann
in der ersten Reihe der folgende Mann in der zweiten Reihe und nach dieser
Weise wird in den Folgenden die Verbindung geordnet, und wenn in dieser
Ordnung diese Reihen geordnet werden, so heisst diese Aufstellung die Ver^
bindung bei der Bildung der Reihen oder gxxXay^ hJo[Sü\ ojA»aJt «L4j>-.
(Cap. VII) Man gebraucht auch die Ausdrücke Stirn (Front), Gesicht,
Randeinfassung, verbundene Linie, Mund, Centrum, Herz, Richtung, Vor-
dergtied der geschlosseneii Rotte. Was den Theil des geordneten Heeres
hinter der Front und dem Gesicht bis an die Stelle der Mannschaft des
hintersten Gliedes betrifft, so wird er ßädog Uojä Tiefe genannt, und wenn
das erste Glied und die darauf folgen der Länge nach gerade gerichtet sindy
sa heisst dies J^vyelp Wyöi verbunden sein, und wenn die Hauptleute der ge-
schlossenen Rotten und die Hauptleute des Hintergliedes reihenweise der Tiefe
nach gerade gerichtet sind, so heisst dies aroix^lv I^Lßj geschlossen sein.
Die Armee wird in zwei grosse selbständige Theile getheilt von der
Front bis zur äussersten Tiefe, einer von diesen beiden T heilen heisst der
rechte Flügel oder Kopf, der andere der Unke Flügel oder Schwanz; ihre
Theilung in der Länge wird Nabele Mund oder Herz (Centrum) genannt.
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 45
Die hinter der Linie der Schwerbewaffneten aufgestellten Fussgänger heissen
o y
tpiXal JjA Lekhtbewaffnete^ ein einzelner von ihnen i3jfit, und diese werden
zuweilen auch an anderen Punkten aufgestellt^ je nachdem es die Umstände
nSthig machen, und die Bestimmung hierüber hängt* von dem Feldherrn
ab, und wir werden dies, so Gott will, in der Folge angeben. Jetzt
werde ich übei' die Anzahl der Schwerbewaffneten, der Leichtbewaffneten und
der Reiter handeln, wie viel es sein müssen, une jedes von diesen Corps
geordnet werden muss, je nachdem die Umstände es erfordern, urie, wenn es
nöthig ist, die Form der Schlachtordnung mit Schnelligkeit geändert werden
kann, und was sonst noch über die Bewegungen jedes einzelnen dieser Corps
beschrieben werden muss.
Ich sage also: (Cap. VIII) Man kann sich nicht damit begnügen, die
Anzahl der Truppen, welche ein Corps enthalten soll, bestimmt festzustellen,
der Taktiker muss die Bestimmung hierüber nach dem Verhältniss der An-
zahl der Soldaten der ganzen Armee treffen und eine solche Zahl wählen^
welche gestattet die Form der Armee, je nachdem die Umstände dazu nöthi-
gen, zu verändern, d. h. wenn er die Länge der Linie verdoppeln will, so
dass sie zweimal so lang wird, als sie war, oder um mehrere Male er-
weitern, oder wenn er von der Länge etwas abziehen unll, die Anzahl,
welche er ordnet, muss hierzu geeignet sein. Aus diesem Grunde haben
schon die Alteren eine Zahl gewählt, welche es gestattet, sie immer in zwei
Hälften zu theilen, bis sie zur Einheit kommt. Au^ dieser Ursache haben
die meisten, welche etwas über Taktik geschrieben haben, die Zahl der Schwer-
bewaffneten zu 16384 angenommen, die Linie der Leichtbewaffneten zur
Hälfte von dieser Zahl und die Linie der Reiter zur Hälfte der Linie der
Leichtbexcaffneten , weil nämlich diese Zahl sich immer in zwei Theile theilen
lässt, bis man zur Einheil kommt Diese Zahl ist nur gewählt, um als
Norm und Beispiel zu dienen, weil, da wir die geschlossene Rotte zu 16
Mann angenommen haben, in dieser Zahl 1024 geschlossene Rotten vorhan-
den sein müssen. Diese Rotten werden in verschiedene Arten getheilt, deren
jede ihren besonderen Namen hat, wie folgt.
über die Namen. Je sechzehn Mann heissen eine Rotte, (Cap.
IX) je zwei Reihen von diesen geschlossenen Rotten heissen dtkoxla äa-
46 F. WÜSTENFELD,
•
eine Schotar , die Anzahl der Leute darin beträgt 32 Mann und der Vor^
gesetzte derselben heisst Schaarßlhrer ; je vier geschlossene Rotten heissen
t€TQaQX^ v^AJU eine Section, der, welcher an ihrer Spitze steht, wird See-
tionsßlhrer genannt und die Anzahl der Leute darin beträgt 64 Mann. Je
zwei Sectionen heissen rd^$g cr^^j^ ^^ Zug, die Anzahl der Leute darin
besteht aus 128 Mann oder aus 8 geschlossenen Rotten und der Vorgesetzte
derselben heisst ixaropzdQXVS '^•^^ v-a^^ Centurio oder er wird ra^iaQxV^
ijf^ß\ {j^j Hauptmann des Zuges genannt. Je zwei Züge heissen avyiay/ia
Ji^ oder auch »^ eine Compagnie^ die Anzahl der geschlossenen Rotten
darin beträgt 1 6 Rotten und der Mannschaft 256 Mann , und der Vorge-
setzte derselben ist avpiayfiarccQxVS iV*^^' 3' äSaäII (j^^ der Hauptmann der
Compagnie; jede Compagnie enthält zu dieser Zahl noch fünf Mann beson--
ders^ nämlich arifisioffOQog Mj^' v^>»L»ö einen Fahnenträger ^ ovgayog v,A>La
KdUJt einen Zugschliesser^ oa^myxiijg vJ5)<J' ua5>L»ö einen Trompeter, vnriQdijg
P>LÄ! einen Adjutanten^ — *). So wird es angegeben; ich bemerke dazu,
dass diese fünf in unserer Zeit zu der jöLä/ (? nächsten Umgebung des
Feldherrn) und zu denen gehören, welche er auswählt, um als seine
Bedienung ihm unmittelbar zu folgen; sie sind wie die geschlossenen
Rotten geordnet, so dass sie nicht aus den Linien heraustreten. — Die
Form der Compagnie ist quadratisch^ so wie das Schachbrett 8 mal 8 Fel-
der hat, so hat diese 16 Mann in der Länge und 16 in der Breite. Je
zwei Compagnien werden iu5^ eine Division^ genannt, die Anzahl der
Mannschaft darin beträgt 5i2 Mann und die der geschlossenen Rotten 32
und der Anführer derselben heisst nsvraxoaidQX^S »^^^ u^j Hauptmann
der Division. Je zwei Divisionen bilden /*^iap/to h^ ein Bataillon, die
Anzahl der Mannschaft darin beträgt 1024 Mann und die der geschlosse--
nen Rotten 64 Rotten und ihr Inhaber wird X^^^^(fX^S ^j^j}^ u^j Bätallions-
commandant genannt. Je zwei BatalKone bilden eine dvoxi^iagxla oder /is-
QctQxla ^)^ Halbbrigade ^ die Anzahl der Mannschaft darin beträgt 2048
1) Der fünfte Name für ^utoxiJQV^ Herold fehlt im Arabischen.
2) Im Griechischen fehlt hier das Wort nePTaxoa$aQxice und kommt erst in 'dem
folgenden Satze vor.
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 47
Mann, der Anführer derselben heisst fisQccQx^s Äft^LUt {j»^j Commandant der
Halbhrigade^ und darin sind 128 geschlossene Rotten; einige nennen die
Halbbrigade tiXog iULjüt «Lgi.! (die volle Truppe) ein Regiment, der Anfüh-
rer desselben heisst xaXdQxris ä^LäJJ «L^J \j^^ Regimentscommandeur. Je
zwei Regimenter werden gfaAayyctQxtcc ^Aa^ eine Brigade genannt , die An-
zahl der Mannschaften darin beträgt 4096 Mann und darin sind 256 ge-
schlossene Rotten und ihr Anfährer heisst gxxAayyaQX^S \J^-ü^^ u^j Briga^
dier; einige nennen es atQaTrjyta ^X-*^ Corps und den Anführer nennen sie
OTQanjyög u*^' oJS Brigade- Commandeur. Je zwei Brigaden heissen rfi-
ifaXayyagxl^ Doppelbrigade lt-h^ fünftheiliges Corps ^)^ die Anzahl der
Mannschaft darin beträgt 8192 Mann oder 5 12 geschlossene Rotten; einige
nennen das fünftheilige Corps /u^Qog VJuii^ Armeecorps , andere x(Qag Flügel
ÄÜI5 Colonne und der Commandirende heisst iJiLäit {j^j Colonel. Je zwei
fänftheilige Corps heissen xhXQaffaXayyaQxi^ vierfache Brigade fJas:^\ ^<*i^t
die grosse Armee, darin sind 1024 geschlossene Rotten und an Mannschaft
16384 Mann, und dies ist die zuerst genannte Zahl. Die ganze Armee
besteht also aus 2 Colonnen, das sind 4 Brigaden oder 32 Divisionen^ 64
Compagnien, 128 Züge^ 256 Sectionen. diese Menge sind 512 Schaaren
und die Zahl der Rotten, wie vorhin angegeben ist, nämlich 1024.
(Cap. X) Der beste der Brigadiers wird auf den rechten Flügel ge-
stellt, der ihm an Tapferkeit der nächste ist, auf den linken Flügel; dann
der an Tapferkeit dritte an die Seite des rechten Flügels und der vierte
an die Seite des linken Flügels, so werden zu Anführern der ersten und
vierten Brigade diejenigen, welche in der Tapferkeit die erste und vierte
Stelle einnehmen, und zu Anführern der zweiten und dritten Brigade dieje-
nigen, welche in der Tapferkeit die zweite und dritte Stelle einnehmen, da
sie im zweiten und dritten Range stehen. Es wird weiterhin vorkommen,
dass die erste und vierte dvra/uig 8^ Stärke der zweiten und dritten gleich
üt, und folglich die Stärken der ersten Führer gleich sind. Unter den Füh'
rem der Halbbrigade findet dasselbe Verhältniss statt: der erste an Tapfer-
1) Nämlich aus Vortrab, Centrum, zwei Flügeln und Nachtrab bestehend.
2) Anstatt Jkx^\ CTJ ^^* sicher zu lesen Uj\J!o ^jn^l^ÄI ^J^ ^ ^ixi\ ^j^
48 F. WÜSTENFELD,
keit wird auf den linken Flügel der ersten Brigade gestellt, der zweite auf
den rechten Flügel der zweiten Brigade, der dritte auf den Unken Flügel der
dritten Brigade und der vierte auf den rechten Flügel der vierten Brigade.
Die Aufstellung der Führer der geschlossenen Rotten geschieht in jeder See-
tum in gleicher Weise, nämlich der tapferste unter ihnen für die erste Rotte,
der zweite an Tapferkeit für die vierte Rotte, der dritte an Tapferkeit fUr
die dritte Rotte und der vierte an Tapferkeit für die zweite Rotte. Nach
diesem Muster werden nämlich ihre Stärken in den Schaaren gleich werden,
weil der erste und vierte an Tapferkeit unter den Führern zu der ersten
Schaar kommen und zu der zweiten Schaar der zweite und dritte. Denn die
Wissenschaft der Mathematik zeigt, dass wenn vier Grössen in gleichem
Verhältniss stehen , das Product der ersten und vierten gleich ist dem Pro-
dv>ct der zweiten und dritten; weil jede Compagnie aus vier Sectionen be-
steht, — *)
Z. B. Wenn vier Zahlen in gleichem Verhältniss stehen, so dass
das Verhältniss der ersten zur zweiten gleich ist dem Verhältniss der
dritten zur vierten, so ist das Product der ersten und vierten gleich dem
Product der zweiten und dritten, und die Theilung der ersten in die
zweite gleich der Theilung der dritten in die vierte und ebenso die
Theilung der zweiten in die erste gleich der Theilung der vierten in die
dritte. Z. B. bei 2 3 4 6, da das Verhältniss der ersten d. i. 2 zur zwei-
ten d. i. 3 ist wie das Verhältniss der dritten d. i. 4 zur vierten d. i. 6.
weil zwei */s von drei und vier */» ^^^ sechs ist, so ist das Product aus
der ersten und vierten gleich dem Product aus den beiden mittleren,
man sieht, dass die Summe in beiden Fällen 12 ist; ebenso ergiebt die
Theilung der ersten durch die zweite ebensoviel als die Theilung der
dritten durch die vierte, man sieht, dass der Quotient in beiden Fällen
*/s von eins ist; und ebenso ergiebt die Theilung der zweiten durch die
erste ebensoviel als die Theilung der vierten durch die dritte, weil der
Quotient in beiden Fällen 1 7« ist. Wenn also hiernach vier Zahlen in
1) Die Arabische Uebersetzang bricht hier ab, nm das Gesagte erst noch an %
ein Paar Zahlen-Beispielen zu beweisen.
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 49
dem Verhältniss stehen , dass sich die erste zur zweiten verhält wie die
dritte zur vierten, so ist das, was wir behauptet haben, richtig. Ein
anderes Beispiel. Wenn vier Zahlen in einem Verhältniss stehen und
sie werden versetzt, fso bleiben sie in einem Verhältniss. Z. B. Wenn
vier Zahlen a b c d in dem Verhältniss stehen a verhält sich zu 6, wie
c zu rf, so sage ich, dass sie , auch wenn sie versetzt werden , in einem
Verhältniss stehen, a verhält sich zu c, wie b zu d.
Die Absicht ist, dass die Rotten an Stärke gleich sein sollen, und weil
in jeder Compagfiie vier Sectionen sind, so ist es nöthiff, die Sectionen nach
diesem Verhältniss so zu ordnen , dass bei jeder Compagnie , welche aus vier
Sectionen zusammengesetzt ist, in der ersten Section unter den Führern der
erste an Tapferkeit auf dem rechten Flügel steht, der Führer der vierten
Section auf dem Unken Flügel steht und der zv)eite an Tapferkeit ist, der
Führer der dritten Section auf dem rechten Flügel steht und der dritte an
Tapferkeit ist, und der Führer der zweiten Section auf dem linken Flügel
steht und der vierte an Tapferkeit ist
(Cap. XI) Es wird jetzt nSthig sein, über die Entfernung zu handeln,
welche zwischen den Schwerbewaffneten stattfinden mtiss, und Über die Ent-
fernung des Abstandes, in welchem sie der Länge und Tiefe nach von ein--
ander stehen. Es giebt davon drei verschiedene Arten; nämlich erstens ist
ihre Aufstellung in sehr weiter Entfernung unter gewissen Umständen, welche
dazu nöthigen ; dann können sie in geringerer Entfernung aufgestellt werden,
so dass sie sich gleichsam schon auf einander drängen , endlich in noch ge-
ringerer Entfernung, so dass sie sich gleichsam gegen einander drücken.
Alles dieses wie es die Umstände erfordern. Der in Schlachtordnung
aufgestellte Mann nimmt an Platz vier Ellen in der Linie ein, der gedrängt
stehende nimmt einen Platz von zwei Ellen, der gedrückt stehende einen Platz
von einer Elle ein. Die gedrängte Stellung ist diejenige, wenn die gewöhn-
lich angenommenen Entfernungen für den Neben- und Hintermann nach der
Länge und Tiefe verkürzt werden, jedoch so, dass es noch möglich ist in der
Rotte die Wendung zuzulassen; die gedrückte Stellung ist die, wenn die
Armee noch mehr als in der eben beschriebenen gedrängten Stellung in den
anstossenden Neben- und Hintermännern zusammengedrängt wird, so dass
Histor.-philolog. Glosse. XXTL 2. G
50
F. WÜSTENFELD,
darin eine Wendung weder nach rechts noch nach Unks mSgUch ist. Die
gedrängte Steüung mrd angenommen, wetm man dem Gegner nahe kommt,
die gedruckte, um sich gegen einen plötzlichen Angriff des Feindes zu ver-
theidigen, und ebenso bei einem nächtlichen Überfall.
Da nun die Zahl der Anführer der geschlossenen Rotten, welche m
der Front der Armee aufgestellt sind, 1024 Führer betrat, so ist es klar,
dass sie in der Schlachtordnung in der längsten Ausdehnung einen Raum
van 4096 Ellen einnehmen, das beträgt 10 atdSia Stadien o^ä P/eilschuss^
weiten und 96 EUen, wenn sie gedrängt stehen, nehmen sie einen Baum wt,
dessen Ausdehnung 5 Pfeilsckussweiten und 48 Ellen beträgt, und wenn sie
gedrückt stehen, ist die Ausdehnung ihres Raumes 2^\% Pfeilschussweiten und
24 Ellen.
(Cap. XII) Was die Art der Waffen för die Armee betrifft, so be-
stehen sie in Schild und Lanze; der beste Schild ist der aus Erz^ die Ma-
cedonier bedienten sich desselben und diese waren io der Kriegskunst er-
fahren ; es ist nicht nSthig, dass der Schild sehr stark ausgehöJdt sei, damit
man ihn leicht handhaben kann; die Lanze muss acht EUen lang sein,
dies ist J3l das wenigste^), was zulässig ist, damit der Soldat leicht damit
stossen und sie bewegen kann.
(Cap. XIII) Die Anführer der geschlossenen Rotten müssen so be-
schaffen sein, dass sie Niemand in der Armee Übertrifft, die ausgezeichnet-
sten darin an KOrpergrösse , Kraft uud Fülle der Erfahrung und welche
am besten im Stande sind, ihre Zungen gegen schnöde Reden im Zaume
zu halten. Denn dieses ^vyop o/^^ sJ^\ verbundene Glied ist die Stütze
der ganzen Armee und sein Nutzen für sie grösser als irgend etwas anderes.
Denn sowie das Schwerdt wuchtig wird, wenn das Eisen, welches zu dessen
Schneide verwandt wird, schwer ist und dadurch seine Kraft hervortritt, so
muss man auch annehmen, dass die Armee eine Schneide habe und iiass diese
Schneide die Führer der geschlossenen Rotten seien, und man nmss anneh-
men, dass das, was die Kraft, FüUe, Schwere und Grösse dieser Linie ver-
mehrt, der Heerhaufen sei, welcher hinter ihr airfgestellt ist
1) im Oegentheil y^t^&tov das längste.
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 51
In gleicher Weise ist es ntthig , d<iss der Feldherr ßkr das dahinter
stehende zweite verbundene OUed Sorge trage, nämHch dadurch^ dass ihre
Lanzen vorgestreckt werden^ so dass sie den Lanzen der Mannschefft des
ersten Gliedes nahe sind, dem Feinde grade entgegen, und die demselben
am nächsten sind^ können in vielen Fällen von grossem Nutzen sein; und
wenn einer aus dem ersten Gtiede von seinem Pferde stürzt oder fällt, so
nimmt sein Hintermann seine Stelle in der Linie wieder ein , so dass er da- •
durch die Glieder in Verbindung hält und darin keine Lücke entsteht. Das
dritte verbundene Glied und die Obrigen, welche dahinter folgen^ werden aus
den Leuten geordnet, welche nach der Abschätzung in der Stärke jenen am
nächsten kommen.
(Cap. XIV) Die Macedonier pflegten die Linien ihrer Schlachtordnung
aus einer geringen Anzathl von Truppen zu bilden, aber wegen der Vortreff-
Hchkeit ihrer Aufstellung war es Niemandem möglich in sie einzudringen,
und ich werde, so Gott will, in dem Folgenden ihre Aufstellung er-
klaren *).
Nämlich jeder Mann von ihnen stand in seinen Waffen zur Zeit des
Kampfes und der gedrängten Stellung auf einem Platze von zwei Ellen, und
die Länge einer von ihren Lanzen wurde zu 16 Ellen angenommen, (die
Magribiner haben noch bis auf diese unsre Zeit diese Länge sorgfältig
beibehalten ,) in Wahrheit betrug sie nur 14 Ellen und sie ging unter die
Hand des Kriegers und dehnte sich hinter ihm aus eine S trecke von vier
EUeny so dass sie vor ihm 10 Ellen über das erste verbundene Glied her-
vorstand. Die Mannschaft des zweiten Gliedes blieb [mit ihren Lanzen]
hinter ihnen die Strecke von Zwei Ellen zurück, nämlich hinter den Lanzen-
spitzen des ersten Gliedes , das dritte Glied hinter den Lanzen des zweiten
um zwei Eüen^ das vierte hinter den Lanzen des dritten um zwei Ellen, das
fünfte hinter den Lanzen des vierten um zwei Ellen vor dem ersten Gliede.
Das sechste GUed und die noch weiter zurückstehenden Reihen konnten ihre
Lanzen nicht über das erste GUed hinausbringen. Ich glaube, dass das
sechste Glied aus den Bedienten, Paucken und Gepäck bestand, weil
1) Anstatt ^uji\ lese ich ^t.
G2
52 F. WÜSTENFELD,
man sich in unsrer Zeit um diese Reihen nicht mehr bekümmert, dess-
halb haben wir uns auf fünf Glieder beschränkt. Wenn nun der Feld-
herr diese Glieder in der Weise, wie ich es beschrieben habe» ordnet,
80 kann, so Gott will, keiner von dem Feinde ihm etwas anhaben; iml
er jeden einzelnen van ihnen zwischen fünf Ldinzen sieht ^ welcher Anblick
könnte dem Feinde furchtbarer sein als dieser ? und der Mann , welcher sich
van ßlnf Lanzen umgehen sieht^ fühlt sich ungemein stark , wenn er bedenkt^
dass sein Leben durch fünf Lanzen und durch die Kraft van fünf Männern
beschützt mrd^ und er verlässt sich somit auf Gott in allen seinen Lagen ;
denn die Aufstellung, weil sie beständig — ^) und lässt den Gedanken
an die Flucht in ihm gar nicht aufkommen. Einige haben die Spitzen der
Lanzen dieser fünf Glieder bis auf den gleichen Endpunkt gebracht , dies
ist von dem vorigen abweichend, indess zweckmässiger und wirksamer.
Dann hält das erste Glied die Spitzen der Lanzen zwei Spann über der
Erde, das zweite Glied zwei Spann darüber, das dritte zwei Spann über
diese, das vierte zwei Spann darüber und das fünfte zwei Spann darü-
ber; auf diese Weise sind ihre Lanzen überall, so dass, wenn Jemand
vor ihnen mit kurzen Lanzen, Steinen oder etwas ähnlichem werfen
sollte, dies an den Spitzen ihrer Lanzen abprallen und zur Erde fallen
würde und dadurch keine Stelle bliebe, durch welche der Feind ein-
dringen könnte, gleichviel ob es ein Reiter oder Fussgänger sei.
Wenn nun der Feldherr die gedrängten Rotten vermehren will, da
mit das Heer in den Augen des Feindes einen furchtbaren Anblick be-
kommt, so (Cap. XV) bringt er die Leichtbewaffneten hinter den Rotten
nach der Form der vorhin beschriebenen Aufstellung auf die gleiche An-
zahl van 1024 wie die Ratte des Hauptcarps^ sa dass die erste van den
Rotten der Leichtbewaffneten sich der ersten der gedrängten Ratten des Corps
anschUesst^ die zweite der zweiten und in dieser Weise weiter^ nur dass es
nicht nöthig ist^ dass die Anzahl der Ratten der Leichtbewaffneten 16 sei,
sondern es können deren weniger sein nach dem Gutdünken des Feld-
1) Hier ist etwas aasgelassen, der Text zeigt keine Lücke.
DIE TAKTIK DES AELIANU6. 63
herrn, und wenn er ßlr jede Rotte acht Mann bestimmt, so ergiebt dies für
{024 Rotten der Leichtbewaffneten 8192 Mann.
(Cap. XVI) Die Namen derselben sind folgende: Je vier Rotten der
Leichtbewaffneten heissen eine Schaar und die Anzahl der darin beßndUchen
Leute beträgt 32 Mann; je zwei Schaar en heissen eine Section und die An-
zahl der darin befindlichen Leute beträgt 64 Mann ; je zwei Sectionen heissen
ein Zug und die Anzahl der darin befindlichen Leute beträgt 128 Mann;
je zwei Züge heissen eine Compagnie und die Anzahl der darin befindlichen
Leute beträgt 256 Mann; je zwei Compagnien werden eine Division genannt
und die Anzahl der darin befindlichen Leute beträgt 512 Mann; je zwei
Divisionen heissen ein Bataüion und die Anzahl der darin befindlichen Leute
beträgt 1024 Mann; je zwei BataUione heissen ein Regiment und die Anzahl
der darin befindlichen Leute beträgt 2048 Mann ; je zwei Regimenter werden
eine Brigade genannt und die Anzahl der darin befindlichen leichtbewaffneten
Leute beträgt 4096; je zwei Brigaden werden ein Armeecorps genannt und
die^ Anzahl der darin befindlichen Leute beträgt 8192 Mann^ welche 1024
Rotten bilden. Zu Führern dieser Rotten werden auserwählte Männer
genommen, welche in allen Stücken erfahren sind und in allem, was
ihnen befohlen wird, ihren Vorgesetzten gehorchen.
Über einige Stellungen, welche die Sachkundigen nach den Figuren
des Euklides angewandt haben. Hierzu gehört (Cap. XVIII) die dem
Rhombus ähnliche Form^ deren sich die ThessaUer bedienten, welche kräf-
tige Reiter waren. Der erste, welcher ihnen die Anweisung zur Anwen-
dung dieser Form gab, war ein Mann Namens Jason, sie ist auch vrirk-
lich eine für alles Nöthige geeignete Form und gestattet den Reitern, welche
sich ihrer bedienen, sich rasch na4:h jeder Seite, von welcher der Feind
sich zeigt, zu drehen und zu wenden, ohne von der Wendung etwas zu
fürchten zu haben und ohne dass dadurch das Verderben der Reiter
herbeigeführt wird. Die besten Reiter werden nämlich an die Seiten der
Form gestellt, die Führer auf die Ecken und zwar stellt sich der Corps-
führer auf diejenige Ecke, welche nach vom ist, die Beschützer der Seiten
werden auf die rechte und linke Ecke gestellt und auf die noch übrige Ecke
der Commandant der Rückseite. Danach entsteht diese Figur
54 F. WÜSTENFELD,
Diese Aufstellung ist schön und der Ursprung der unter dem Na-
men eJrbucca (der Spiegel oder das Carr^) bekannten Schlachtordnung,
woraus man zu allen beliebigen Schlachtordnungen fibergehen kann, wie
es der Feldherr für gut findet. Die übrigen Figuren, welche Euclides
erwähnt, sind nach dem bisher Gesagten für jeden Sachverständigen bei
weiterem Nachdenken die Grundlagen der Schlachtordnungen.
Die quadratischen Formen sind diejenigen^ deren sich die Perser^ Sici-
Ikmer und viele von den Griechen bedienten, weil sie glaubten, dass das
Reiten in dieser Form von Anfang an am leichtesten sei, und die Reit-
kunst und die Geschicklichkeit, um sich den Sieg zu verschaffen, kann
sich in vielen Formen zeigen. Die Aufstellung ist nämhch in dieser Weise
leichter für die geschlossene und verbundene Form und in ihr stehen die
Fuhrer mit ihrer ganzen Armee dem Feinde in einer Schlachtordnung ge-
genfiber. Die beste Aufstellung eines Corps ist so, dass die Anzahl der
Mannschaft in der Länge doppelt so gross ist als in der Tiefe ^ z. jB» dass
in der Länge zehn und in der Tiefe fünf sind; diese Aufstellung nämUch
ist zwar an Zahl in der Länge und Tiefe verschieden^ in der Form aber
quadratisch^ weil die Länge des Pferdes vom Kopfe bis zum Schwänze im
Verhältniss zu seiner Breite bei der gedrängten Stellung in der Rotte einen
grösseren Aufstellungsplatz erfordert. Einige haben auch die Anzahl der in
der Länge aufgestellten dreimal so gross angenommen als die in der Tiefe
aufgestellten in der Meinung^ dass dies die quadratische Form ergebe, weil
die Länge des Pferdes in den meisten Fällen dreimal so gross als seine
Breite anzunehmen sei^ und danach haben sie in der Front neun und in der
Tiefe drei aufgestellt. Nämlich bei den Schwerbewaffneten hat die Menge
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 55
der Reiter nicht den Nutzen^ welcher aus einer tiefen Aufstellung des Fuss-
Volks erwächst^ welches van hinten auf die Vordermänner drängt; denn die
Reiter können in manchen Fällen nicht nach dem Ghrade ihrer Stärke mit
Nutzen verwandt werden, weil sie auf ihre Vordermänner nicht zugleich auf-
drängen wie bei dem Fussvolk.
Ich bemerke hierzu : Aus diesem Grunde muss ein jeder der Emire
einen Lehrmeister annehmen, welcher die jungen Leute unterrichtet, bis
sie in der Führung der Lanze so geObt sind, dass es ihnen zur Gewohn-
heit geworden ist, damit, wenn etwas ausgeführt werden soll, wozu ihre
Mitwirkung nöthig ist, sie dazu im Stande sind und nicht als unbrauch-
bar zurückbleiben; oftmals werfen sie ihre Lanzen von sich und der
Sinn der Worte des Aelianus ist der, dass das ganze Corps einen ge-
meinschaftlichen Angriff machen soll. Diese quadratische Form ist die-
jenige, aus welcher die erste Rennbahn und die Doppelringe herrorge»
gangen sind, welche man Doppelreihe nennt, dies^) ist eine quadratische
Form mit zwei Rundungen, welche vor zwei Kreisen voraufgehen (?);
auch sind noch viele andere Formen daraus hervorgegangen, wie oben
erwähnt ist — Hieraus folgt immer, wenn die Anzahl der Reiter in der
Länge gleich ist lArer Anzahl m der Tiefe^ dass die 2iahl quadratisch und
1) In der Handschrift steht ^^^JüJtJU ^jA ^ ^^^
56 F. WÜSTENFELD,
die Form quadratisch ist, der Unterschied in der Quadratur liegt nur in
dem^ was oben über^den Unterschied der Länge und Tiefe gesagt ist.
(Cap. XIX) Man iglaubt^ dass die dem Rhombus ähnliche Formation
des Heeres aus einer Nothwendigkeit entstanden sei. Wenn nämlich der
Corpsßlhrer sich selbst als den ersten aufstellt, so ist es nicht nothwendig,
dass die an seiner Seite aufgestellten Reiter in gleicher Richtung sich an ihn
anschliessend sondern sie müssen hinter ihm bleiben, so dass die KSpfe (der
Pferde) dieser Reiter nahe an die Schultern des Corpsführers heranreichen
und einer gegen den anderen zurücksteht d. h, sowohl die auf der linken
und rechten Seite, als auch die dahinter befindlichen, damit nicht unter ihnen
Verwirrung entsteht, weil die Pferde öfter einander schlagen, so dass aus
diesem Grunde die Reiter öfter abgeworfen werden. Von denen, welche
die Pferde in den dem Rhombus ähnlichen Formen geordnet haben, sind ei-
nige der Ansicht gewesen , dass die Reiter in verbundenen Reihen , andere,
dass sie in geschlossenen Reihen, noch andere, dass sie weder in gebundenen
noch geschlossenen Reihen stehen müssten. Eine jede von diesen Stellungen
wird auf folgende Weise aufgeführt.
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Diejenigen, welche die gebundene und geschlossene Form der Reiter an-
nehmen, stellen das längste Glied des Corps in der Mitte auf, wie oben ge-
sagt ist» und setzten für die darin befindlichen Reiter eine ungerade Zahl
fest, z. B. ii 13 15 u. d. gl. und ordnen auf den beiden Seiten dieser ge-
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 57
hundenen lAnie zwei Reihen, eine vor und eine hinter dieselbe, und machen
jede von diesen beiden, g^g^^ die vor ihnen befindliche Reihe um zwei kürzer;
z. B. wenn die grösste gebundene Reihe aus 15 Reitern besteht^ so kommen
in jede der beiden ihr zunächst stehenden Reihen i3 Reiter^ in die darauf fol-
gende H Reiter und in dieser Weise erfolgt die Verkürzung in den folgen-
den Reihen immer um je zwei^ bis dass nur einer übrig bleibt; die Summe
des ganzen Corps beträgt dann 113 Reiter.
Beschreibung der Stellungen beim Zusammenstoss.
Wenn die Aufstellung der Ungläubigen quadratisch ist und die der
Muslimen mondsichelförmig, so muss der Feldherr darauf achten, ob die
Anzahl der Ungläubigen eben so gross ist als die Anzahl seiner eigenen
Leute, dann ist er sicher, so Gott will, zu siegen; er muss auf die bei-
den Seiten des Bogens mit der grössten Sorgfalt achten und die Truppen
mfissen mit der grössten Ausdauer Stand halten. Das beste ist, wenn
er die vorderen Glieder des Centrums nach den Seiten des Bogens di-
rigirt, um den Leuten auf den Flügeln zu HOlfe zu kommen und der
Mannschaft der beiden mondsichelförmigen Reihen zur Stütze zu dienen,
damit sie den rechten und linken Flügel der Ungläubigen durchbrechen,
wobei er sich von dem Centrum derselben zurückhält, Zweikämpfe un-
terlässt, ruhig aushält, den Kampf gegen sie aber mit aller Kraft führt
in einer Weise, die dem Feinde seine Überlegenheit deutlich zeigt, und
besonders die Ecken und die Flügel in die Flucht zu schlagen sucht,
denn dies ist das grösste und wichtigste; die Mannschaft des Centrums
dehnt sich so weit aus, dass sie wo möglich die Hälfte der Front ein-
nimmt und dadurch wird dann die Action zu Ende geführt, selbst wenn
die Ungläubigen ihre Aufstellung in die Rhombus-Form umändern, und
nichts darf daran hindern, dass die Mannschaft des Centrums sich aus-
breite, weil sie vor allem anderen mit dem Kampfe beschäftigt ist, was
bei der ersten Aufstellung nicht der Fall war. Das Verfahren dabei ist,
dass die beiden Enden des Bogens sich verengern in der Absicht, die
Aufstellung der Ungläubigen zu umfassen, und dass die Mannschaften des
Histar.-phUolog. Glosse. XXYL 2. H
58
F. WÜSTENFELD,
Yortrabs, des Vordertreffens und des Nachtrabs bis an die Ecken der
hinteren Linie des Feindes vorgeben und ihm von beiden Seiten Scha-
den zuzufügen suchen und seine Schlacl^tordnung in Unordnung bringen.
Ebenso wenn die Aufstellung der Ungläubigen lang ausgedehnt ist, so
wird sie dadurch geschwächt wie vorhin und die Action der Muslimen
ist dabei ganz dieselbe wie vorhin. Wenn die Aufstellung der Ungläu-
bigen knaul- oder ringförmig ist, so ist sie gegen die mondsichelförmige
viel schwächer und diese jener überlegen. Wenn die Schlachtordnung
der Ungläubigen mondsichelförmig und die der Muslimen quadratisch
ist, so ist das richtige, dass sie alles daran setzen, um auf beiden Seiten
über die Seiten der mondsichelförmigen Aufstellung des Feiitdes hinaus-
zukommen; wenn dieses gelingt, so ist damit die Übermacht gewonnen,
die Mannschaften des rechten und linken Flügels müssen die Enden der
Bogen zu durchbrechen suchen, dies ist eine der schwierigsten Unter-
nehmungen. Was die Mannschaft des Centrums betrifft, so ist es ihre
Aufgabe, den Auftrag, welcher ihr zu Theil geworden ist, gut auszufüh-
ren, nämlich die Mannschaft der äussersten Enden der Bogen stutzig zu
machen und wenn es ihr durch einen gemeinschaftlichen Angriff gelingt,
sie zu werfen , so dass sie die Fersen zeigt , so ist es am besten , wo
nicht, so ist die äusserste Anstrengung zu machen, um die beiden Enden
der Mondsichel zu durchbrechen, wie es auch gehen mag* Wenn die
Muslimen im Rhombus aufgestellt sind, so ist diese Form überlegener
als die erste, weil die beiden Ecken desselben gewöhnlich weit ausge-
dehnt sind und die Stellung seiner beiden Seiten und des Hintertreffens
ein Centruro von äusserster Stärke bilden.
Wenn ihre Aufstellung dabbdbi (die verdeckte) ist, so geschieht der
Vormarsch in der Weise, dass sie das ganze Vordertreffen in zwei Theile
theilen nach rechts und nach links und die Nachhut näher kommen las-
sen, bis sie in der Richtung, wo die Lücke zu beiden Seiten entstanden
ist, in die Linie des Hintertreffens eintrit, damit die Mannschaft der
beiden Corps auf den beiden Flügeln sich nach und nach mehr als die
anderen an dem Kampfe betheiligen kann. Sollte die Aufstellung der
Muslimen die lang gestreckte Form haben, so ist sie zum Widerstände
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 59
zu schwach, weil die vorderen Reihen den Kampf nicht aushalten kön-
nen, und ihre Deckung muss so wie bei der dabhähi Aufstellung erfolgen.
Die schlechteste aller Schlachtordnungen ist die Ring- und Knaul-Auf-
stellung, und wenn es irgend möglich ist, muss sie behutsam und vor-
sichtig in eine andere verändert werden in einer Weise, dass ihre Rei-
hen nicht in Unordnung gerathen und der Feind nichts davon merkt,
das ist die Hauptsache« und wenn dies nur langsam geschehen kann, so
werden sämmtliche Reserven und Hintertreffen nach der rechten und
linken Seite dirigiert, das ist noch das wirksamste, was man dabei thun
kann.
Wenn die beiden Schlachtordnungen in gleicher Weise aufgestellt
sind, quadratisch oder anders, mit Ausnahme der mondsichelförmigen und
Ring-Stellung, so ist die Action darin gleich, nur dass der Kampf und
die gute Ausführung den Gliedern in der Front obliegt, und wenn der
Angriff oder die Annährung erfolgt, so dass z. B. die eine Partei qua-
dratisch, die andere lang ausgedehnt oder in Rhombus-Form oder ähn-
lich aufgestellt ist, so ist die Action dabei nahe zu so, wie wir beschrie-
ben haben. Von der Mondsichelform ist oben schon die Rede gewesen
und was die Knaulform betrifft, so wird es selten vorkommen, dass beide
Heere in dieser Weise zugleich auftreten; sollte es aber der Fall sein,
so ist die Aufgabe des Feldherrn der Muslimen die, dass er den Gegner
umzingelt und eine mondsichelförmige oder eine andere z. B. die Rhom-
bus-Bildung ausführen lasst, dies sind Grundlehren der Taktik. Wenn
die Armee sich in einer Ebene befindet und rund aufgestellt ist, so soll
man sie nicht für gering halten, weil die Kreisfigur geringer erscheint,
als sie in Wirklichkeit ist, wenn man ihre Ausdehnung berechnet und
den Raum, welchen der Kreis umgiebt. Im anderen Falle, wenn die
äusseren Seiten einer Armee lang gedehnt sind, oder ein Theil dersel-
ben gepresst oder gekrümmt ist oder viele Ecken hat, so soll man
sie nicht für zahlreich halten. Wenn eine Armee auf einem Beige
oder auf einer Anhöhe ist, so erscheint sie grösser, als wenn sie auf
ebenem Boden steht, und man muss sehen nach der vorhin angedeu-
teten Berechnung die Wahrheit zu ermitteln oder dem richtigen Ver-
H2
«0 F. WÜSTENFELD,
hfiltnisse nahe zu kommen, denn das ist die Hauptsache im heiligen
Kampfe. —
Wenn der Feldherr die angenommene Schlachtordnung verändern
will , (Cap. XXIV) so muss er dazu ein bestimmtes Zeichen festsetzen , da-
mit^ wenn er dieses Zeichen giebt, die Truppen in der Weise ihre SteJhmg
ändern^ vne er es bezeichnet Einige der früheren Heerführer haben da^
ßir bestimmte Benennungen angenommen, wie Wendung, Umkehr, Schwen-
kung^ Graderichtung der 8chwenkung% kleine Drehung^ grosse Drehung,
Rotten schliessen, Glieder verbinden, Rückkehr zu der vorigen Stellung^ der
entwickelte Rundgang, Verdoppeln, dem rechten und linken Flügel folgen,
ßankirte Colonne, rechteckige Colonne^ schräge Colonne, Einordnen, Vorgehen,
Ausfallen, Hinterstellung ^ ein Glied nach dem andern, Anschliessen.
(Cap. XXV) Mit dem Ausdruck xXlaig ^^ Wendung bezeichnen ei-
nige die freie (einzelne) Wendung und zwar die nach der rechten Seite heisst
die Wendung nach der Lanzenseite und die nach der linken Seite heisst die
Wendung nach der Schildseite; zwei Arten. Die freie Wendung ist die
Drehung nach den anderen Seiten. MnaßoXr^ sr^ÜüJ Umkehr ist die Wen-
dung nach rückwärts und dies ist die Wendung zur Flucht. ^En$arQoy>^
JUiSt Schwenkung hat die Bedeutung^ wenn die Schwerbewaffneten sich so
zusammengedrängt haben , da^s sie wie ein KSrper geworden sind , und sie
wenden sich dann nach der rechten oder linken Seite ^ als wenn sie sich um
den ersten Hauptmann der geschlossenen Rotte im Kreise drehten^ und
schwenken sich und bleiben auf dem Platze, der vor ihnen ist. ^ApaarQo^rl
i\JüSi\ Das Umwechseln ist die Umstellung des hinteren Gliedes nach vom
und der Rückgang der vorderen Reihen auf den Platz des Hintertreffens;
dabei findet die Wendung zweimal statt, einmal auf der Stelle, (?) das
andere Mal, dass sie dem Feinde gerade ins Gesicht sehen und die Ab-
theilung, welche bisher im Kampfe war, sich ausruht. Darin liegt nach
meiner Ansicht eine Schwäche, weil der Feind, wenn er ihre Umstellung
1) Das Arabische deckt sich hier und weiterhin nicht genau mit dem Griechi-
schen, es hat eine ümstellong mit einem Schreibfehler stattgefunden and mfisste
danach JUxi^t^ K^yMOÜt^ heissen : Gradaasmachen, Umwechseln.
DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 61
bemerkt, oftmals in dieser Lage plötzlich auf sie einen Angriff macht
und über sie einen Vortheil erreicht; es darf also nur eine solche Wen-
dung sein , welche der Feind nicht wahrnimmt. ^Eg ÖQ&dp dnodavPM
x^y^^Jt Gradausmachen ist die Schwenkung und Rückkehr der Compagnie
auf den ersten Platz, nsgionaofidg ^j;jkfci\ 8^tc>JU»^l die kleine Drehung ist
eine Bewegung von zwei Schwenkungen des Zuges, bis dass er den Platz
einnimmt, welcher hinter ihm ist ^ExnsQianaafiög ^^*hn\\ 8^t<>JÜM^t die grosse
Drehung ist die Bewegung des Zuges in drei Schwenkungen hinter einander^
wodurch er die Stellung nach der Seite des Kampfes bekommt, wenn
sie nach rechts erfolgt, steht er dem Feinde nach rechts gegenüber, und wenn
sie nach links erfolgt, steht er nach links gegenüber.
(Cap. XXVI) JStoix^tp jUJxi\ in Rotten geschlossen sein sagt man^
wenn jeder einzelne Mann, welcher sich in der Rotte befindet, zu dem Haupt-
mann der geschlossenen Rotte und zu dem Inhaber der letzten Stelle in ge--
rader Richtung steht^ indem die Entfernung zwischen ihnen gleich ist; tvyBiv
i^ySi\ in Rotten verbunden sein sagt man , wenn jeder einzelne Mann , wel-
cher sich in der Rotte befindet, mit seinem Nebenmanne in der Front in ge-
rader Richtung steht ^ indem die Entfernung zwischen ihnen ebenfalls gleich
ist, so dass die Hauptleute der Rotten in gerader Linie stehen. JmXaoMa-
fi6g vjLuuayüt die Verdoppelung geschieht dadurch , dass die Anzahl derer,
welche in den Rotten stehen^ vermehrt wird, sei es in der Länge oder in der
Tiefe ; wenn der Feldherr verdoppeln will und es bestehen die geschlossenen
Rotten z. B. aus acht Mann, so commandirt er, dass vier von diesen zwi--
sehen den Rotten eintreten, dann bleiben in der Länge jeder Reihe der ge-
schlossenen Rotten vier Mann und die Rotten sind doppelt so stark, als sie
anfangs waren, und diu:h die Verbindung unter den Hauptleuten der Rotten
ist eingetreten. Wenn man dann die Verminderung unter ihnen tvieder her-
stellen will, so commandirt man, dass diejenigen, welche zwischen getreten
sind, wieder auf ihren vorigen Platz zurückkehren. Einige halten dies nicht
für zweckmässig , sondern lassen die Leichtbewaffneten auf dem rechten und
Unken Flügel sich ausbreiten und ebenso die Reiter.
(Cap. XXVII) ^Bi€jL$yfi6g Entwickelung XfiltiW b^Ijüu-^I der entwickelte
Rundgang. Davon giebt es zwei Arten, die eine in der Schlachtordnung der
€2 F. WÜSTENFELD,
geschlossenen Rotten, die andere in der Schlachtordnung der verbundenen
Betten y wie oben bemerkt ist; jede dieser beiden Arten hat drei Formen^
die eine ist ntzch den Makedaniern benannt, die andere nach den Lakedämo-
mem^ und die dritte ist unter dem Namen der Persischen oder auch der
Kretischen bekannt und heisst auch (j[6gto$ die im Reigen geführte) (^5^>iJI
die ländliche^). Die erste ist diejenige^ wobei die Truppe^ wenn sie Tor-
warts geht, den Platz vor der Linie einnimmt und sich mit dem Oesicht
nach vom wendet; die zweite ist diejenige^ wobei die Truppe den Platz hin-
ter der Linie einnimmt mit verbundenen Rotten, welche auf den Plätzen^
welche sie anfangs einnehmen^ Halt machen, d. h wenn sie Halt machen^
stehen die ersten auf dem Platze der letzten und die letzten auf dem Platze
der ersten,
(Cap. XXX) nXdywg vJ^^^ (quer) flankirt heisst die Colonne, wenn
ihre Länge doppelt so gross ist als ihre Tiefe; nagafifjxijg oblong ^<i>.Y.»i*> ^
rechteckig heisst sie^ wenn sie nach einer von beiden Seiten geht und ihre
Tiefe doppelt so gross ist als ihre Länge^ und im Allgemeinen sagt man von
jeder Art^ sie sei lang, wenn ihre Länge grösser ist als ihre Tiefe ^ und sie
sei rechteckig^ wenn ihre Tiefe grössei' ist als ihre Länge. Ao^og y^y^ Die
schräge Cohnne ist diejenige^ deren rechter oder linker Flügel^ welcher von
beiden es sein mag^ dem Feinde genähert und im Kampfe begriffen ist^ wäh-
rend die andere Seite in der Entfernung vereinigt zusammen bleibt.
(Cap. XXXI) naga/ißoAtj o»jJl Einordnen ist, wenn Leute geordnet
sind und man zwischen sie in die Zwischenräume, welche zwischen jedem ein-
zelnen von ihnen gelassen waren^ andere von den hinter ihnen geordneten ein-
treten lässt^ bis sie mit ihnen in eine gerade Linie kommen. IlQoata^i^g
Ä^AAjil Seitenstellung ist^ wenn auf beiden Seiten der Schlachtordnung oder
auf einer derselben Leute hinzugenommen werden^ so dass sie über den
rechten oder linken Flügel hinaus mit der Linie in Front stehen, ^Erta^ig
Einschieben j2^\ Ausfüllen heisst^ wenn der Feldherr die Leichtbewaffneten
einen Mann nach dem anderen in die Zwischenräume der Linie einordnet.
1) Der Arabische Übersetzer hatte also anstatt %öqkog iu seinem Oriechischen
Texte x^^^C von xaiqu Jjb Land.
DIE TAKTIK DES AELIANUS. 6a
YnoraS^ i3v>ijit Hintersteüung heisst^ wenn er die Leichtbewaffneten hinter
die Flügel der Linie ordnet, so dass ihre Aufstellung eine in einander grei-
fende wird^ und ihr Verhältniss das Verhältniss von etwas, was drei Thären
hat , bekommt
Dies sind die Commandos der Älteren, so dass, wenn sie sich nach
irgend einer Seite wenden sollten, der Hauptmann der Compagnie eina
von diesen Commandos gab, dann wandten sie sich nach der Seite, wo*
hin sie commandirt waren. Die Späteren haben dies alles auf zwei
Worte abgekürzt und ihre Commandos lauten hüguwwä und hübarrd^
das ist also kürzer als alle die anderen Worte, so ruft der Hauptmann
und die Soldaten müssen ihn sorgfältig im Auge haben, damit sie, wenn
er sich nach einer Seite wendet, mit ihm dieselbe Wendung machen,
ohne dass einer von ihnen zurückbleibt, sondern einer muss dem ande-
ren nachfolgen. Im Laufe der Zeit hat man dann vergessen, was hü-
guwwd und htibarrd ursprünglich bedeutßt hat, einige sagen, hüguwwä
habe den Sinn [? nach dem Anklang von wu'gdh tu'gäh], dass die Ge-
sichter sich gegen einander kehren und hübarrä, dass die Rücken sich
gegen einander kehren sollen; man weiss nicht mehr, aus welchem
Grunde dies ursprünglich so festgesetzt wurde. Andere dagegen be-
haupten, die Ausdrücke seien vom Spielen hergenommen und hätten ur-
sprünglich die Bewegungen bezeichnet, welche, wie, oben angegeben ist,
im Kriege zu machen sind. Auch ich hatte dies angenommen, bis der
Gross-Emir el-Mu'gdhid N. N. el-B&sitl mich belehrte, dass jedes von
diesen beiden Wörtern eine bestimmte Bedeutung für sich habe, wie ich
es nachher, so Gott will, auseinandersetzen werde.
Die Kreisstellung ist nämlich eine bekannte Formation in der
Schlacht, bei den Darstellern finde ich aber die Kreisstellung nicht ab-
gebildet und die Formation nicht beschrieben, sie reden nur davon als
von etwas unbekannten. Desshalb will ich mit Gottes Hülfe erwähnen,
was die Älteren darüber gesagt haben, damit man wisse, was die Kreis-
stellung sei. Die Sache verhält sich im Wesentlichen so: Wenn ein
Corps den Kreis formiren soll, so ruft der Commandirende hübarrä, das
verstehen die Soldaten und führen es aus, und wenn er ruft hüguwwd.
64 F. WÜSTENFELD,
ebenso^), so dass es einer langen Rede nicht bedarf; denn sie befinden
sich in einer Lage, in welcher es nicht angebracht ist, viele Worte zu
machen, weil jeder einzelne mit sich selbst beschäftigt ist ans Furcht
vor dem Tode oder aus Liebe zum Leben. Wenn also das Commando
in dieser Weise erfolgt, so müssen es die Soldaten von ihren Instructo-
ren annehmen, bis sie es lernen und ihre Glieder mechanisch sich daran
gewöhnen, damit ihre Wendung zur Kreisformation wie von einem Manne
erfolge. Denn dies ist eine Action, welche in der Schlacht ihren Nutzen
hat, und wer das ausser Acht lässt, der hat keine Kenntniss davon, und
wer keine Kenntniss davon hat, der ist wie ein Esel, der die Säcke mit
Datteln trägt, er trägt sein Gepäck und seine Waffen, und weiss nichts
von dem, was wir gesagt haben. Gelobt sei Gott, der uns lehrt, was
wir nicht wussten.
1) d. h. sie verstehen es und öffiien den Kreis.
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 65
Über den Zweikampf
und was darin Grosses geleistet worden ist im Gegensatz
zu dem bisher Gesagten.
Wenn die Reihen von beiden Seiten in Schlachtordnung aufgestellt
waren und längere Zeit einander gegenüber standen und die Reiter zu
kämpfen verlangten, so pflegten die Truppen seit alter Zeit im Heiden*
thum und Islam sich zum Kampfe herauszufordern, dies war der Anfang
der Schlacht, und wenn beide Heere damit einverstanden waren, so fan-
den nur Zweikämpfe statt. Einer der Gelehrten sagt: der Zweikampf
ist zweierlei Art, gewünscht und erlaubt ; gewünscht wird, wenn ein Mann
von den Ungläubigen vortritt, dass sich ihm einer von den Muslimen
gegenüber stellt, gemäss der Überlieferung^), wonach am Tage der Schlacht
bei Badr 'Otba und Scheiba, die Söhne des Rabfa, und el-Walld ben
'Otba vortraten und 'Otba sprach: wer will den Kampf wagen? Da
ging ihm ein junger Mann von den An9dr^ entgegen, den fragte er:
wer bist du? er antwortete: einer von den An9dr. Jener entgegnete:
dich kann ich nicht gebrauchen, ich verlange einen von den Söhnen
meines Oheims •). Nach einer anderen Überlieferung sagte er: ich kenne
keine An^dr, wo sind statt deiner die Kureischiten ? Jetzt sprach der
Prophet zu Hamza, 'Obeida ben el-Hdrith und 'All ben Abu Tdlib:
1) Vergl. Ibn Hischäm^ Leben Mahammed's, S. 443.
2) d. i. Hülfsgenossen , die mit Mahammed aus Mekka nach Medina geflüchtet
waren.
3) d. i. einen von meinen näheren Verwandten.
Histarrphüdlog. Glosse. XXVI. 2. 1
66 F. WÜSTENFELD,
gehet zu ihnen hinaus. Da trat Hamza dem 'Otba, 'AU dem Scheiba
und 'Obeida dem Walid entgegen, Hamza tödtete den 'Otba und 'Alf
den Scheiba, zwischen el-Walid und *()beida war der Kampf nach zwei
Gängen unentschieden, jeder von beiden hatte seinen Gegner schwer
verwundet. 'AU erzähU weiter: da wandten wir uns gegen el-Walid,
tödteten ihn und nahmen X)beida mit uns. Dies war also der erste
Zweikampf im Islam auf Befehl des Propheten. Es wird auch erzählt,
dass 'AU ben Abu Tälib den 'Amr ben 'Abd Wudd el-'Amirl herausge-
fordert habe; da sprach zu ihm *Amr: wer bist du? er antwortete: ich
bin 'AU ben Abu Tdlib. Jener erwiederte: ich möchte nicht gern dich
tödten, mein lieber Vetter; worauf 'AU entgegnete: aber ich möchte gern
dich tödten. Darüber wurde 'Amr aufgebracht und griff ihn an, aber
'AU tödtete ihn*).
Ein anderer Zweikampf und zwar der grösste, welcher auf dem
Erdboden stattgefunden hat, ist der zwischen dem Gottgesandten und
Obeij ben Chalaf. Dieser Obeij hatte nämlich in Mekka ein Pferd,
welchem er täglich zu fressen gab um es recht herauszufüttern und so
oft er den Propheten sah, sagte er: auf diesem Pferde werde ich dich
tödten; worauf der Prophet erwiederte: im Gegentheil, ich werde dich
tödten. Am Tage von Ohod nun, als der Gottgesandte einen Hieb über
den Kopf erhalten hatte und viele von den Muslimen getödtet und ver-
wundet waren , schritt 3er Prophet vor , da sprach zu ihm einer der
An^dr: da kommt Obeij ben Chalaf auf dich zu, erlaubst du, dass einer
von uns sich ihm entgegen werfe? Er antwortete: lass ihn; und damit
nahm der Gottgesandte dem Hdrith ben el-Qimma eine kurze Lanze aus
der Hand, schwang sie und traf ihn damit an der Kehle und ritzte ihm
die Haut, indess konnte er sich nicht auf seinem Pferde halten. Seine
Cameraden sagten ihm : wenn einer von uns eine solche Wunde bekom-
men hätte, die würde ihm nicht schaden; er aber erwiederte: wenn er
(Muhammed) auf den Bergen von Tihäma stände, so würden sie zer-
schmelzen. Er starb auf dem Rückzuge in Sarif. So erzählt el-Buchär£
1) Vergl. Ibn Hiacham S. 677 fg.
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 67
in dem CaWh, und Hassan ben Thdbit hat darüber einige Verse ge-
dichtet, unter denen dieser ist:
Geerbt hatte den Irrthum von seinem Vater
Obeij am Tage, da der Gesandte den Zweikampf mit ihm bestand^).
Heil dem, der so handelt, wie der Prophet gehandelt hat.
Erlaubt ist es, dass der Muslim zuerst zum Zweikampfe heraus-
fordert, denn wenn er in sich die Kraft zum Kampfe fühlt, so stärkt er
dadurch den Muth der Muslimen; wir sagen nur, dass es nicht erwünscht
ist, weil es doch vorkommt, dass ein solcher getödtet wird, und dann
wird dadurch der Mulh der Muslimen gebrochen. Es knüpft sich daran
die Frage , ob der Zweikampf gestattet sei ohne Erlaubniss des Vorge-
setzten oder dessen Stellvertreters; wenn der Vorgesetzte oder dessen
Stellvertreter ihn erlaubt, so findet keine Meinungsverschiedenheit darüber
statte dass er gestattet sei, aber darüber ist man verschiedener Meinung,
wenn er nicht mit Erlaubniss stattfindet. Die meisten halten ihn auch
dann für gestattet und beweisen dies damit, dass, als 'Otba zum Zwei-
kampfe herausforderte, mehrere der An9dr noch vor Hamza, 'Ali und
'Obeida ohne Erlaubniss gegen ihn vorgingen. Diese Frage zerfällt noch
in mehrere Unterabtheilungen, Ober welche wir, so Gott will, in der
Folge handeln werden.
Ein anderer Zweikampf fand statt am Walle von Medina, wo 'Amr
ben 'Abd Wudd dazu aufforderte.
Ein anderer bei Cheibar zwischen Marhab und 'Alf*).
Einen anderen Zweikampf erwähnt der Korankundige Ihn Manda
1) Vergl. Ihn Hischäm S. 575. Die Erzählung selbst findet sich bei Bochäri
und Muslim nicht, sondern die Worte der Überlieferung bei Bokhari par Krehl III.
S. 86 und Muslim^ Bnlaker Ansg. IV. 8. 241. Galcuttaer Ausg. II. S. 175 »Gottes
Zorn entbrannte über einen Mann, welchen der Gesandte Gottes für seine Sache ge-
tödtet hattet, werden von den Commentatoren auf Obeij bezogen.
2) Der erste ist der schon oben nach Ihn Hischam S. 67 erwähnte Zweikampf
hier in anderer Ausschmückung wiederholt ; bei dem zweiten bezieht sich der Ver-
fasser auf Ihn Ishäkj indess kommt bei Ihn HiscMm S. 760 nichts davon vor, dass
auch hier 'Ali mit Marhab gekämpft und ihn erlegt habe.
12
68 F. WÜSTENPELD,
in seiner Chronik von I^pahdn*). Abdallah ben Bureik ben WarcA er-
hielt von dem Chalifen Omar ein Schreiben mit der Weisung: Mar-
schiere nach I^pahdn. Er marschierte hin und der Fürst el* Fad usabdn
kam heraus ; als sie auf einander stiessen« sprach zu ihm der Ffirst : ich
will deine Leute nicht tödten, tödte du auch die meinigen nicht, son*
dern lass uns beide kämpfen , wenn ich dich tödte , so kehren deine
Leute um, und wenn du mich tödtest, so werden meine Leute mit dir
Frieden schliessen. Abdallah willigte ein und der Fürst fragte: willst
du zuerst mich angreifen, oder soll ich dich angreifen ? Abdallah erwie-
derte: greife du mich an. Da stürzte sich der Fürst auf ihn, haute zu
und traf den hervorragenden Theil des 'Sattels, so dass er ihn zerbrach
und die Riemen am Halse des Pferdes und die Gurte durchhieb. Ab-
dallah fiel herunter, stand aber sofort wieder auf den Füssen, schwang
sich auf das Pferd ohne Sattel und rief: stehl Der Fürst wandte sich
gegen ihn und sprach: ich möchte nicht gern dich tödten, denn ich sehe,
dass du ein tapferer Mann bist; kehre desshalb zu deinen Truppen zu-
rück, ich will mit dir Frieden machen und dir die Stadt übergeben un-
ter der Bedingung, wer will, kann bleiben, und wer will, kann gehen.
Einige Fragen in Bezug auf den, welcher einen Zweikampf
unternehmen will.
1. Frage. Wie muss der Ritter beschaffen sein, welcher zum
Zweikampf vorgehen will?
Antwort. Er muss das Herz auf dem rechten Fleck haben« eine
grosse Kraft besitzen, voll Verlangen nach seinem Feinde, äusserst vor-
sichtig sein, körperlich vollkommen gesund, behände mit seinem Thiere,
vollständig bewaffnet als Reiter auf dem Rücken des Pferdes, in allen
Waffen geübt, geschützt durch seine Kleidung und Rüstung, er muss
Geistesgegenwart, einen klaren natürlichen Verstand und viel Erfahrung
besitzen und die Jahre der Jugend schon überschritten haben. Die
1) Vergl. Beladsori liber expngn. regionum ed. de Goeje. S 312.
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 69
Frage bezieht sich auf die Wissenschaft der Soldaten und wer das nicht
weiss, der ist kein Soldat.
2. Frage. Wie soll der Ritter zu seinem Gegner zwischen die
beiden Schlachtreihen hinausziehen?
Antwort. Er soll nicht rennen, wenn er zu seinem Gegner hin-
auszieht, — ^).
3. Frage. Wie soll er sich verhalten, wenn zwei Reiter auf ihn
los kommen, sich dann trennen und beide ihn angreifen?
4. Frage. Wie soll er sich verhalten, wenn einer von den bei-
den besser bewaffnet ist und ein behänderes Thier hat? welchen von
beiden soll er zuerst angreifen?
5. Frage. Wie soll er sich verhalten, wenn einer von beiden
mit der Lanze, der andere mit Pfeilen bewaffnet ist?
6. Frage. Wer muss sich angreifen lassen und wer muss zuerst
den Angriff zu machen suchen ? und wie ist dabei seine Bewaffnung ?
Zehnte Unterweisung.
Über die Kriegslisten durch Anwendung von Feuer, Rauch
u. d. gl.
In dieser Unterweisung habe ich die Kriegslisten von Alexander
und anderen kundigen Männern wie Bariuffi^, Aristoteles und anderen
gesammelt, es ist nützlich, dies zu wissen, es anzuordnen und damit zu
operiren.
Erste List. Nimm gestossenen gelben Schwefel, thue ihn in
einen ^\f^ ^^ Wasserkrug mit grüner Glasur, thue dazu ebensoviel
dunkle Naphtha, binde die Öffnung des Kruges fest zu und vergrabe
ihn in frischen Dünger 40 Tage und tausche diesen um, so oft er er-
1) Ich habe es für genügend gehalten, nur die gestellten Fragen anzugeben,
ohne die zum Tbeil sehr aasföhrlicben Antworten hinzozafagen.
2) Ein entstellter nicht zn errathender Name.
70 F. WÜSTENFELD,
kältet, bis die bestimmte Zeit verflossen ist; dann nimm gestossenen
grOnen Eisenstein« thue ihn in einen eben solchen grünen Krug, thue
dazu ebensoviel Urin von Knaben» binde den Krug fest zu, vergrabe
ihn gleichfalls 40 Tage in frischen DQnger und vertausche diesen, so
oft er erkaltet. Wenn du dann dies herausnehmen willst, so binde
dir die Nasenlöcher zu und nimm dich vor dem Geruch in Acht; und
wenn du es herausnimmst, wirst du finden, dass alles eine Masse ge-
worden ist von schwarzer ins Grüne schlagender Farbe; auch der Eisen-
stein ist schwarz geworden wie verbrannt; nun kläre den Urin beson-
ders und die Naphtha besonders durch ein Haarsieb und mische dann
beides zusammen in einem passenden Gefäss und thue dazu ebensoviel
alten scharfen Wein (d. i. Weinessig) , als eins von den beiden Gefössen
enthält; dann stelle es zur Seite bis zu der Zeit, wenn es gebraucht
werden soll.
Zweite List. (Ein in ganz ähnlicher Weise bereitetes Mittel)*).
Wenn du nun eine Burg oder eine Mauer von fester Bauart zerstö-
ren willst, so befiel den zarrdkün Mischkrug-Schleuderern*) oder ande-
ren, welche mit dieser Sache vertraut sind, das sie von dieser zuberei-
teten Flüssigkeit in oL>U^ (? Buchsen) füllen und diese nach dem Orte
werfen, welchen du zerstören oder verbrennen willst, dann befiel den
Naphthaschleuderern , dass sie Feuer werfen und wenn dann das Feuer
die Gerüche dieser Flüssigkeit riecht, nimmt das strahlende Licht des-
selben zu, setzt es in Flammen, man hört davon ein starkes Knattern
und heftiges Summen und sieht schreckliche Gestalten, deren Anblick
man nicht ertragen kann. Alles dieses wird ausgeführt, wenn man den
Wind im Rücken hat, und man muss sich hüten, dass er nicht von vorn
ins Gesicht kommt, sonst ist man unfehlbar verloren. Wenn dieses so
geschieht, so siehst du, wie die Festung zerstückt wird, ein Theil über
den andern schlägt und Stücke wie Berge herunterfallen mit einem Ge-
tose wie der Donner; und wenn sie von Lehm- und Backsteinen ist»
1) über die dabei angewandte Geheimschrift vergl. das Vorwort.
2) Vergl. S. 13.
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 71
siehst du 8ie in Zeit einer Stunde wie Staub zusammenstürzen. Bei
jedem Orte, der dir beschwerlich ist, wende diese zubereitete Flüssig-
keit an und hüte dich, dass du selbst den Geruch davon riechst, sonst
wirst du zu Grunde gehn.
Wenn du die Burg menschenleer machen willst, so nimm zu der
zubereiteten Flüssigkeit Rebenholz, dann warte einen Tag ab, an dem
der Wind heftig ist, und befiel nun den Naphthaschleuderern über dies
Holz diese zubereitete Flüssigkeit zu giessen und schiess damit Naph-
tha-Pfeile ab. Sobald die Leute in der Burg den Geruch hiervon rie-
chen, kommen sie sämmtlich um, es wird nicht einer von ihnen gerettet,
ausser wer nichts davon riecht. Wenn das Thor von Eisen ist, so wende
dagegen diese Flüssigkeit an, zünde sie an, so wird es verbrennen und
augenblicklich zur Erde fallen.
[Es werden sechs ähnliche Mittel angegeben.]
über die Eäuchermittel.
Diese Mittel sind sehr nützlich in Engpässen , wenn Jemand den
Rauch riecht, stirbt er sofort auf der Stelle, und wenn Jemand etwas
davon vorsichtig auf Holz thut und dies dem Feinde zuschickt, so steigt,
wenn er es zur Bereitung der Speisen oder sonst benutzt und die
Flamme hinzutritt, ein Geruch davon auf, welcher jeden, der ihn riecht,
tödtet.
Erstes RäuchermitteL Man nimmt von dem Baume eUkdkdt
die Zweige, Blätter und Wurzeln und besprengt sie mit Camel-Urin
drei Tage lang fortwährend, so oft der Urin trocken wird, wiederholt
man es täglich mehrere Male; dann nimmt man Mist von Camelen,
welche mit ausgepressten Ölkuchen gefuttert sind, zerreibt ihn sehr fein,
schüttet Camel-Urin darüber und lässt dies drei Tage lang in der Sonne
stehen, so dass sich ein starker Gestank entwickelt; während der drei
Tage wird der Urin, so oft er abnimmt, erneuert. Dann mischt man
sorgfaltig ^^f^ s^i^-tf^^ Assa foetida darunter und rührt es mit einem Holz
72 F. WÜSTENPELD,
um, dann mengt man das aus dem zuerst genannten Baum Hergestellte
nach und nach dazwischen, bis sieh alles genau mit einander vereinigt
hat; hierauf nimmt man von den Wurzeln der Tamarinde etwas, nach-
dem der Baum so ziemlich vertrocknet war, streicht über die Wurzeln
etwas von dem zubereiteten Mist, so dass sie ganz davon umgeben wer-
den, lässt es etwas trocken werden und bewahrt es auf. Wenn man
dann damit Feuer anzündet, so muss Jeder, welcher den Geruch davon
riecht, augenblicklich oder nach einem Tage sterben. Will derjenige,
welcher damit operirt, vorsichtig sein, damit es ihm nicht schadet, so
nimmt er zwei Lappen, tränkt sie mit Veilchenöl, nachdem Kampfer
und etwas Sandelholz in Rosenwasser zerrieben dazu gethan ist^), dann
nimmt er das zum Räuchern zubereitete Holz theilweise d. h. eine Hand-
voll nach der anderen, und lässt es am Feuer anbrennen; auf diese
Weise riecht keiner diesen Rauch , er kann in seine Nasenhöhlen ein-
dringen und einige Zeit sein Gehirn einnehmen, ohne dass er stirbt.
[Es folgen noch vier andere solcher Räachermittel. Auf welche Eintheilang
sich die folgende Überschrift »Fünftes GapiteU bezieht, ist nicht ersichtlich.]
Fünftes Capitel.
Über die Vorbereitung zu einer Reise, Unterweisung fflr
unterwegs und Bequemlichkeit bei der Einkehr.
[Den näheren Inhalt von sechs Seiten glaube ich übergehen zu dürfen.]
Über Verwundungen.
Wenn eine Wunde frisch und nicht von grossem Umfange und
nicht tief ist, so muss man die beiden Ränder derselben genau mit ein-
ander vereinigen und zubinden und sich vorsehen, dass weder Salbe
noch Haare damit in ßerührung kommen, denn dies verhindert, dass
1) Hier ist hinzuzudenken : und bindet sich diese Lappen vor die Nasenlöcher.
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 73
sie zuwächst. Wenn sie tief ist, so muss man ein Pflaster darauf legen,
wovon das Fleisch wieder wächst, und muss dies ausfflUen und zubin-
den. Wenn sich die beiden Ränder der Wunde wegen der Grösse der-
selben nicht vereinigen lassen, so muss sie an einer, zwei, oder drei
Stellen zusammen genäht werden, je nach dem Umfange, so dass die
Bänder nicht mehr auseinander stehen; L3>I3> s:^^^ Ut^ und wenn sie
auf gewöhnlichem Wege nicht geheilt werden kann , so muss man sie
bis auf den Grund aufstechen , damit der Eiter nicht zurückgehalten
wird.
Beschreibung eines Pulvers, welches den Schnitt mit einem Schwerdt,
Messer u. d. gl. zusammenzieht und das Blut stillt, ^jjr^^ SarcocoUa
zwei Theile, sanguis draconis, ^Ui:> Granatapfelblüthe , jXi^ jyi^ Weih-
rauchrinde von jedem ein Theil, dies wird gemischt, durchgesiebt und
aufgelegt.
Ein blutstillendes Mittel bei Wunden, jt^ Aloe, Weihrauchrinde,
von jedem zehn Drachmen, iu^lt Hy^ getrockneter Coriander sieben
Drachmen, ^y Kupfervitriol vier Drachmen, verbranntes Papier ebenso-
viel , terra sigülata sieben Drachmen , Drachenblut acht Drachmen , L^
Saft aus der Schote der spina Aegyptiaca und Saft von (j»tJ^^b^ Co-
südds von jedem sechs Drachmen, Myrrhen zehn Drachmen, dies wird
gestossen, Hasenhaare und Eiweiss genommen, das Mittel darauf ge-
streut und auf die Stelle befestigt, nachdem Spinngewebe darauf gelegt
war.
[Fünf andere Mittel zu ähnlichen Zwecken.]
Über die Pflaster. Zur Verhütung von Blasenziehen beim
Verbrennen mit Feuer, wird Gummi arabicum gestossen, mit Eiweiss zu
einer Masse gerührt und damit bestrichen.
[Zwei andere Pflaster gegen Brandwanden.]
Eistar.-phaolog. Glosse. XXVI. 2. K
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12 F. WÜSTENFELD,
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DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 13
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14 F; WÜSTENFELD,
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DIE TAKTIK DES AELIANUS. 15
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16 F. WÜSTENFELD,
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DIE TAKTIK DES AELIANüS. 17
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Eistor.-pkOolog. Glosse. XXVL 1 u. 2. c
18
F. WÜSTENFELD,
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DIE TAKTIK DES AELIANÜS. 19
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20
F. WÜSTENFELD,
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DIE TAKTIK DES AELIANUS. 21
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22 . F. WÜSTENFELD,
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DIE TAKTIK DES AELIANUS. 23
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24 F. WÜSTENFELD,
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DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 25
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Histor.-phüölog. Glosse. XXVI. 1 u. 2. d
26 F. WÜSTENFELD,
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DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 27
Zusatz ZU S. 12 Note 1.
In dem ersten Theile unseres Werkes „aber die Beitkundt** findet
sich dn besonderer Abschnitt über die Schwerdter. Schon die 4iken
Araber bezogen das beste Eisen oder Stahl aus Indien und China, ent-
weder war es dort schon zu Schwerdtem fertig gemacht, oder es wurde
in -Jemen dazu verarbeitet und danach erhielten sie ihre Namen : KV.iU^t
die Jemenischen von Stahl aus Beilamdn in Indien und Sarandfb (Insel
Ceylon), und in Jemen verarbeitet; iU«iäJI aus K«iS Kal'a d. i. der Burg
der Stadt ^ Kaleh in Indien^); x^^xXf» die Indischen; aus Chords&n
wurden Schwerdter eingefAhrt und zwischen den Indischen und KaVäl-
sehen fflr solche ausgegeben; K^ULcJt aus Beilamdn; KjMJwXi^t aus Sa-
randib, zuweilen in Persien verfertigt mit Goldverzierungen. Diese Ar-
ten hiessen "die alten d. h. nicht vor alten Zeiten, sondern nach alter,
solider Weise hergestellten, im Gegensatz zu den weniger geschfitzten
neueren, wie die sogen* Blanken ujoa^J, welche in Kufa verfertigt wur-
den und von den eigentlich Persischen nicht sehr verschieden waren;
*i^ji^^ die Fränkischen mit einem goldenen Kreuz; )m/aJI aus Bafra;
iufiA^tJül die Damascener, unter den neueren die besten, und i^/aXI die
Aegyptischen oder in Mi9r verfertigten. Es werden noch besondere un-
terschiede und Eigenschaften angegeben und ich lasse hier den Arabi-
schen Text ohne Uebersetzung folgen, weil wegen der grossen Incorrect-
heit der Sprache und einer Menge wenig oder gar nicht bekannter tech-
nischer Ausdrücke sich zu viel Schwierigkeiten bieten.
1) Nach CaeuAnl Tb. U. S. 69, wenn dies nicht eine VermnthnDg der Araber
ist und beide Namen ein und denselben Ort bezeichnen.
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28 F. WÜSTENFELD,
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L-ifci *Uw^t L«JLe v*aüj »MUjJI oöj»^' J* c»?h ^3 soyadi ^öy^J er Jss^M» (-^^
DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER. 29
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il# SOäL^yoÜ A^sysi L5JJt j^l iX:>5, jL*r 2*^^ jU*fl üüji g«^ «p-l ^1 *],» ^r '>^ß^
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30 F. WÜSTENFELD,
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DAS HEERWESEN DEB MÜHAMMEDANEB. 31
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32 F. WÜSTENFELD, DAS HEERWESEN DER MUHAMMEDANER.
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Die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitär und
Pada- Texten der Yeden
Ton
Theodor Benfey.
Ffinfte Abhandlung.
Gomposita, welche am Ende eines vorderen Gliedes a^ iy u m
der Samhitä lang, im Pada kurz zeigen.
Ente Äbtheilang.
(Vorgelegt in der EODigl. Oesellsch. d. Wies, am 10. Janaar 1880.)
XVI.
§ t-
Allgemeine Regel.
I. Vor magha — aasgenommen Gen. Si. maghasya (vgl. Ausn.
unter 3- und Bern. 1) — ist a, » gedehnt — u kömmt nicht vor —
(RPr. 538; 557).
Es sind folgende Fälle:
1 . &QT ft-magha.
(In der 2ten Silbe) Rv. VII. 71,1.
2. eitr ä -magha.
(In der 2ten) Rv. VII. 75, 5; 77, 3. — VIII. 58 (V41. 10), 3.
(4 in 8) Rv I. 48, 10.
3. tuT f-magha.
(2) Rv. V. 57. 8.
(6 in 8) Rv. I. 29. 1—7 (= Ath. XX. 24, 1—7) Refrain. —
VIII. 61 (50), 18(=Sv. II. 6. 3. 7. 2); 81 (70). 2 (= Sv. II.
1. 2. 6. 2); 92 (81), 29 (= Sv. II. 2. 1. 18. 2. = Ath. XX.
60. 2).
Hiator.-phüolog. Classe. XXVI. 3. A
2 THEODOR BENFEY,
Ausnahme : tuvi-maghdsya.
(6 in 11) Rv. V. 33, Q \ vvv — |, wo das Metrum keine Länge
forderte, vielmehr | vv^ — | viel häufiger ist als \v — n — |.
4. <;at ä'-magha.
(6 in 8) Rv. VIII. 1, 5; 34. 7. — IX. 62, 14.
(10 in 12) Rv. VIII. 33, 5.
5. <;rut ä'-magha.
(6 in 8) Rv. VIII. 93 (82), 1 (= Sv. I. 2. 1. 4. 1 = Ath.
XX. 7, 1).
6. sahäsr ä-magha.
(3 in 11) Rv. VII. 88. 1.
Bem. 1. Ausser dem unter 3 angeführten Beispiel für die Aus-
nahme, erscheint noch:
6
mdhi-maghasya Rv. I. 122, 8 metrisch, wie dort | vvv — \.
Bem. 2. Unter den 16 Stellen, in denen a, i vor magha gedehnt
erscheint, sind 1 5, in welchen die Dehnung in Silben auftritt, in welchen
Dehnung von W^ortauslauten nothwendig (6 in 8; 10 in 12) oder sehr
häufig (in der 2ten; 4ten) ist; nur eine einzige (No. 6) kömmt vor (in
3 in 11), die wir nicht aus dem Einfluss des Metrums zu erklären ver-
mögen. Es ist also wahrscheinlich, dass wir trotz dieses Falles diese
Dehnung nur dem Einfluss des Metrums zuschreiben dürfen. Dafür
sprechen auch die beiden Ausnahmen unter 3 und in Bem. 1, in denen die
Kürze bewahrt ist, weil das Metrum an dieser Stelle des Stollens (6 in 11)
keine Dehnung erforderte. Ferner, dass rffva, citrd, gatd, frutd und
sahdsra im Rv. als vordere Glieder sonst nur kurz auslauten, über tuvi
und sahdsra s. § 2, No. 67; 145. Die nicht-metrische Dehnung (No. 6)
erklärt sich vielleicht aus dem Einfluss der 15 Fälle, in denen vor
magha gedehnt ward.
In nicht-vedischen Werken ist bis jetzt keine dieser Zusammen-
setzungen nachgewiesen.
II. Vor vasu — ausgenommen, wenn va>su auch das vordere Glied
bildet und in sahd-vasum — werden a, ». u gedehnt (RPr. 538; 555;
558).
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJK H.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 3
7. äkshit ä-yasu.
(6 in 8) Rv, VIII. 49 (Vdl. 1), 6.
8. äghrift i-vasu.
(10 in 12) Rv. VIII. 60 (49), 20.
9. 6p ä-vasu.
(6 in 8) Rv. VI. 56. 6.
(10 in 12) Rv. IX. 84, 3; 86, 33.
10. ritä-vasu.
(6 in 8) Rv. VIII. 101 (90), 5,
1 1 . gürt ä'-Tasu.
(6 in 8} Rv. X. 132, i.
Vgl. über das Metrum RPr. 905 und M. Möller p. CCCXIII, 5.
Ich folge dem Präti^dkhya, insofern ich dem ersten Stollen acht Silben
gebe; um die überschüssige neunte zu entfernen, lese ich mit Einbusse
des auslautenden m vor Vocalen : Ijnnid für ijdndm /d', dass auslautendes
m vor Vocalen mehrfach eingebüsst wird, ist bekannt und auch von den
Indern erkannt. Genaueres darüber bei Behandlung des vedischen Sandhi.
12. Citrä-Vasu (VPr. III. 96; TPr. III. 4).
(2) VS. III. 18 = TS. I. 5. 5. 4; 7, 5.
Zwar in einem Yajus, aber der Anfang ist sicherlich erster, und
zwar achtsilbiger, Stollen eines Verses; darin bildet trd die zweite Silbe.
[13. jeDyä-vasu. Ich gebe dieses Wort in Klammern, weil es
vom Standpunkt des Präti^dkhya nicht hieher gehört; denn
auch der Pada-Text hat ä; allein es ist keinem Zweifel zu
unterwerfen, dass auch hier das d Dehnung des ä im Thema
j^yä ist.
(6 in 8) Rv. VIII. 38, 7, z. 1. jenidvasü.
(10 in 12) Rv. VII. 74, 3 (= VS. XXXIII. 88) ebenfalls z. 1.
jeniä^].
14. pnrü'-yasa (vgl. VPr. III. 96; Whitney zu AthPr. III. 12).
(2) Rv. V. 42, 7. — VII. 32, 24 (= Sv. I. 4. 1. 2. 7); —
VIII. 46, 13.
(6 in 8) Rv. I. 81, 8 (= Ath. XX. 56, 5). — VIII, 3, 3 (=
A2
4 THEODOR BENFEY,
Sv. I. 3. 2. 1. 8 = VS. XXXIIL 81 = Ath. XX. 104. 1);
4, 15; 5, 4; 8, 12; 32, 11; 46, 1 (= Sv. I. 2. 2. 5. 9); 61
(50), 3. — X. 24, 1.
Bern, zu Ry. X. 24, 1 : Vers \ — d dieses Hymnus sind nur schein-
bare Astdrapankti (8 + 8 + ^^ + 12), wie sie die Inder bezeichnen.
In Wahrheit sind sie, wie die drei andern (4 — 6) Anushtubh, aber mit
Einschiebung von vi vo mdde nach jedem dritten und vivakshase nach
jedem vierten Stollen (vgl. X. 2 1 , wo sie in allen acht Versen, und X.
25, wo sie in allen elf Versen in gleicher Weise den Refrain bilden).
(10 in 12) Rv. I. 47, 10. — IL 1, 5. — V. 36, 3. — VIIL
1, 12 (= Sv. I. 3. 2. 1. 2 = Ath. XIV. 2, 47); 46, 7; 49
(VÄl. 1), 1 (= Sv. I. 3„ 1. 5. 3 = Ath. XX. 51, 1); 52
(Vdl. 4), 5; 71 (60), 10 (= Sv. II. 7. 2. 8. 1); 103 (92), 5.
(6 in 11) Rv. VI. 22, 4 (= Ath. XX. 36, 4). — VII. 38, 1.
Beidemal | v — v — |, während, die Kflrze den häufigeren Rhyth-
6
mus I VW — I ergeben haben würde.
Bemerkung zu No. 14. Wir haben also purü'vasu in 21 metrisch
entstandenen Fällen; in zweien nur (6 in 11) ist keine metrische Er-
klärung zulässig; der eine (VI. 22, 4) gehört einer verhältnissmässig
späten Zeit an, wie die wirkliche Einbusse des anlautenden a in asun
raghndh wahrscheinlich macht. In beiden Fällen mag die Länge viel-
leicht erst von Recitirern eingeführt sein, weil sie in allen übrigen Stellen
sich durch das Metrum geltend gemacht hatte, oder auch, weil sie vor
^vasu sonst stets die Länge bemerkt hatten.
15. piabh ü'-yasn.
(6 in 8) Rv. VIIL 45, 36.— IX. 29, 3 (= Sv. IL 9. 1. 1.3);
35, 6.
(10 in 12) Rv.L 57, 4 (= Sv. L 4. 2. 4. 4 = Ath. XX. 15,4).
(6 in 11) Rv. VII. 22, 2 (= Sv. IL 3. 1. 13. 2) | v-Äv — |.
Bemerkung: In vier Stellen erklärt sich also die Länge durch den
Einfiuss des Metrums (6 in 8 und 10 in 12); in einer (6 in U) nicht«
da hier auch | vw — | eben so gut gewesen sein würde; wir dürfen sie
aber hier wohl aus dem Einfiuss jener vier erklären« Auf demselben
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJffl. ü. PADA-TEXTEN D. V. 5
beruht wohl auch, dass Prabkävasu als Eigenname eines Dichters (von
Ry. V. 35 und 36 und IX. 35 und 36) mit langem ü gesprochen und
geschrieben ward; oder sollte hier die Dehnung dazu dienen, das Wort als
Eigenname vom Adjectiv zu scheiden, ähnlich wie im Griechischen mehr-
fach die Accentuation ? Im gewöhnlichen Sanskrit erscheint prabhu als
vorderes Glied nur in zwei Zusammensetzungen prabhü-deva und prabhu-
bkakta, in denen die Kfirze bewahrt ist.
Vgl. No. 17 vibhitvasu und No. 138 Vaibhüva$d.
16. rad&-Yasn.
(10 in 12) Rv. VIII. 32. 18 (= Sv. I. 4. i. 2. 8 = Ath. XX.
82, 1); also metrisch.
Bem. Leider erscheint das Wort bloss im Vocativ, so dass fiber
die Accentuirung desselben keine absolute Sicherheit zu gewinnen ist;
allein ohne die Länge, also in der Pada-Form radä-vasu, tritt es in die
entschiedenste Analogie mit dem Eigennamen tnMsd-dasyu ^ welcher ent-
weder fflr einstiges trasdd-dasyu (für ursprüngliches trasat^^) steht, oder
eine mit diesem begrifflich identische Bildung ist; es verhält sich dazu,
wie z. B. griechisch ^BQB'-aid^Xo ^ y>€Q(-noyo und andre der Art zu
fSQeg-aaxig fflr g>eQSt-aaxig, worin y>€g€T -= sskr. bharat in bhardd-v/lja^ und
bedeutet 'Die Dasyu's (Feinde) erzittern machend' (von tras 'zittern, sich
fflrchten\ mit Uebertritt in die transitive Bed. 'zittern machen, wie das im
Veda bei intransitiven Verben nicht selten, vgl. z. B. ran 'sich freuen*
und 'erfreuen'). Die metrische Kürze des a steht in trasdäasyu auf jeden
Fall fest (vgl. Rv. I. 112, 14; IV. 38, 1 und VIII. 19, 36 [wo ä in 6
in 11 vv ]; IV. 42. 8; 9; VIL 19, 3 [wo es in 7 in 11 — w —];
X. 120, 5 [wo 7 in 12 —vv—]; V. 27, 3 [wo 9 in 11 v ]; VIII.
9
49 (V41. 1), 10 [wo 9 in 12 v — v — ]; sogar kurz in 6 in 8 [wo mit
verbal tnissmässig sehr wenigen Ausnahmen nur Länge erscheint, in Rv.
VIII. 8, 2 I w ^ |]; endlich auch in der zweiten Silbe V. 33, 8;
VIII. 36, 7; radavasu und trasädasyu, in denen das vordere Glied genau
dieselbe categorische Bedeutung hat, wie die vielen Zusammensetzungen
des Griechischen, in denen dieses auf s endigt — nämlich die eines das
hintere Glied regierenden Ptcp Fräsen tis {rada-vasu *Reichthum spen-
6 THEODOR BENFEY,
dend') — treten also in die strengste Analogie mit diesen im Griechischen
so zahlreichen vorderen Compositionsgliedern auf s und, wie ich es
1838*) zuerst gewagt habe, auf zwei sanskritische Bildungen —die ein-
zigen die mir damals zugänglich waren — und sehr wenige des Zends
hin die arischen Zusammensetzungen dieser Art mit den griechischen
zu identificiren, so halte ich jetzt für wahrscheinlich, dass der Mangel
eines auslautenden t in trasd- und rada-, wodurch sie mit den griechi-
schen dieser Art, z. B. dQX^-xaxog, der Bildung nach ganz zusammen-
fallen, dafür spricht, dass Formen ohne dieses auslautende t schon als
indos:ermanisch anzuerkennen sind.
Möge es mir verstattet sein hierbei kurz zu bemerken , dass auch
die dem begriflFlichen Werthe nach hieher gehörigen griechischen Zu-
sammensetzungen auf auslautendes oi im ersten Glied , wie dooat-dixog^
dtoat-nvyos, Nppr Jwat'&eog^ dsiai-da^fiwp. SsiOtSsos^ Aval^dixog und viele
andre ebenfalls in — soviel mir bekannt — zwei sskritischen Beispielen
widergespiegelt werden, nämlich in dctti-vära (Rv. L 65, 4; 167, 8; III.
51, 9; V. 58, 2; VI. 24, 2; VII. 15, 12; 42, 24), welchem ein grie-
chisches *dwaC-ffiQO 'Wünschbares gebend' entsprechen würde, und ranti-
deva, nur als Eigenname bewahrt, aber (von ran) *die Götter erfreuend*
bedeutend. Auch diese Bildung scheint demnach schon der indogerma-
nischen Zeit angehört zu haben.
17. vibhft'-vasu.
(10 in 12) Rv. IX. 72, 7; 86, 10 (= Sv. II. 4. 1. 1. 1).
Metrisch.
1) in den ^Ergänzungsblättern zur (Hallischen) Allgemeinen Literatur-Zeitung\
1838 Mai, S.338. Rosen hat gleichzeitig dieselbe Bemerkung gemacht, allein, obgleich
sie in demselben Jahr in seinen Anmerkungen zu 'Rigveda-Samhita, Über primus*
p.XXIsqq. gedruckt ward, kam dieses Werk doch erst bedeutend später in dieOefient-
lichkeit, weil Lassen ersucht war, es fortzusetzen. In dessen Händen war es noch
im August 1838, wo er mir die Anmerkung zeigte, zugleich voll Erstaunen über
das Zusammentreffen und noch mehr — wie er sagte — über meine erfolgreiche
Kühnheit
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 7
18. vi(jvä'-vasu (vgl. SvPr. 218 (das Wort findet sich jedoch
nicht im Sv.); VPr. IIL 100; Whitney zu AthPr. III. 9).
(6 in 8) Rv. X. 85. 22 (= Ath. XIV. 2. 33 mit VV. LL.) —
VS. II. 3 (der Anfang von a ist ein achtsilbiger Stollen).
(2) Rv. X. 85, 21 ; 139, 4.
19. SYä-yaSU (vgl. AthPr. III. 12).
(10 in 12) Rv. V. 44, 7 (zu lesen sud'-vasuh).
(6 in 11) Ath. VII. 50, 3 (v -' v — es ist nämlich ebenfalls
suavasum zu lesen).
6
Die Dehnung ist im letzteren Fall nicht metrisch, da | vw — | noch
häufiger. Der Vers ist aber identisch mit Rv. V. 60, 1, wo V. L. sväva^
sum (zu lesen sua-vasum) mit kurzem a.
Bem. Also einmal (10 in 12) metrisch; in dem anderen Fall ist
die Leseart sehr zweifelhaft. Zu der Zeit, als sie sich im Ath. fixirte,
konnte die Dehnung durch Einfluss der so häufigen Dehnungen vor hin-
terem 'Vasu herbeigeführt sein, oder selbst durch Bekanntschaft mit der
Regel des RPr. (citirt in § 1. II).
Ausnahmen zu IL
väsü-vasu Rv. X. 76, 8 in der 2ten Silbe, wo die Dehnung
nicht nothwendig.
6
Bahä-yasum, Rv. IL 1 3, 8, in 6 in 12 | ran? — | , wo die
Kürze in grösster Majorität vorherrscht.
Bemerkung zu IL Es sind also 42 Fälle, in denen sich die Deh-
nung aus metrischem Einfluss erklärt, 5, in denen dies nicht der Fall
ist, sie aber durch Einfluss von jenen — also, wenn auch nicht unmit-
telbar, doch mittelbar — ebenfalls durch das Metrum entstanden sein
mochte.
8 THEODOR BENFEY,
§ 2.
Aufzählung der übrigö'n hieher gehörigen Zusammen-
setzungen in alphabetischer Ordnung nach dem Anlaut des
vorderen Gliedes,
20 — 22. a- privativum.
Es erscheint lang in drei Wörtern und zwar in
20. &'-deya (RPr. iso).
(7 in 12) Rv. II. 22, 4, zu lesen abh( ö^devam (der Vera
kehrt Sv. I. 5. 2. 3. 10 wieder, wo aber adevam mit
kurzem a und noch andre VV. LL.). — VIII. 59 (VAl.
11), 2. In beiden Stellen {vv-^ — ).
Bemerkung: In den Göitinger Nachrichten, 1874, S. 641 habe
ich angenommen, dass d'devih auch Rv. VI. 49, 15 — , wo die Inder
die anlautende Länge für grammatisch nehmen, sie also auch im Pada-
Text bewahrt ist — für ddexÜh stehe; ich habe dabei flbersehen, dass
auch Grassmann (Wtbch 177, vgl. auch Uebersetzung, 1876, I. 279) es
schon so aufgefasst hat. Auch Ludwig (Uebersetzung, 1876, I. 233)
nimmt es eben so. Ausser dem für diese Auffassung in den Nachrichten
angegebenen Grund — welchen ich weiter hätte fassen sollen , näm-
lich: dass überhaupt solche theil weise Wiederholungen eines vorhergehen-
den Stollens sehr häufig sind (vgl. z. B Rv. I. 137, 1 — 3 (in allen
dreien im ersten und dritten Theil der Strophe); 138, 1 — 3; 139, 1 — 4
und 6—10 — IL 43, 2 — IV. 1, 1; 2; 3; 27, 5. — V. 2, 12; 41.
16; 17. — VI. 2, 11; 15, 3; 15; 48, 15 u. aa.) — vgl. man vlfoh
idetth VIII. 96 (85), 15*). — Da» d fällt m die 3te Silbe.
1) Beiläufig, bemerke ich, dass adeva schwerlich in anderer Weise za erklären
ist, als in der von Säyana zu Rv VI. 49, 15 gegebenen — trotz dem dass es ge-
rade an dieser Stelle, wie bemerkt, für adeva steht. Er fasst es als eine elliptische
Bahuvrihi-Composition: agata devä yäsu ^zu welchen die Götter gekommen*. Sie
passt Rv. IV. 1. 1, wo Agni so genannt wird als Repräsentant des Opfers, zu wel-
chem die Götter kommen; das vor d'devam stehende vigvam übersetzt Grassmann
(I. 8. 107) durch 'steten* (als Beisatz des Agni), Ludwig (I. S. 359) durch Men all*
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJfH.- ü. PADA-TUKTEN D. V. 9
An eben derselben Stelle der Nachrichten S. 639 ff. habe ich auch
in Bezug auf Rv. IL 23, 16 die Ansicht auszufahren gesucht, dass da*
selbst statt A devä'näm zu lesen sei ä'devändm^ ebenfalls mit Dehnung
des Anlauts für ddevdnäm. Hier fällt das anlautende ä in die erste
Silbe des Stollens.
21 (2). ä'-rnplta (RPr. 179).
f
(5 in 11) Rv. IV. 5, 7 i-^vv —).
22 (3). &'-sant (RPr. 179; 180; Whitney zu AthPr. IIL 21 und
IV. 90).
(10 in 11) Rv. VII. 104. 12 = Ath. VIII. 4, 12.
(2) Rv. V. 12. 4.
(7 in 11) Rv VIL 104. 13 = Ath. Vlll. 4, 13 {— v -1 — ).
zu lesen hanti ä'sad.
(6 in 11) Rv. IV. 5, 14 {v -^ v —).
(5 in 11) Rv. VII. 104. 8 = Ath. VIII. 4, 8 (-i w —).
Bern, zu 20 — 22: Nur in der 2ten Silbe und in 10 in 11 kann
gegenwärtigen*; Grassm. üebersetzung ist völlig nnznlässig (in seinem Wtbeb fehlt
diese Bedeotung nnd aach diese Stelle). LDdwig's lässt sich darch die im späteren
Sskrit erscheinende Bed. ^Alles in sich enthaltend' (8t. Petersburger Wtbch V. 1223 n«
d. W. 1. c) yertheidigeu. Nor worde ich dann diese Bed. selbst oder 'allumfassend*
gewählt haben. Die drei ersten Verse des Hymnus gehören zn den mit sehr künst-
liehen Metren nnd den eben im Texte erwähnten mit theilweisen Wiederholungen,
welche yerhältnissmässig jüngeren Ursprungs zn sein scheinen. Nicht unmöglich
wäre aber auch, dass wir in den beiden Wörtern die Vertreter eine der Zusam-
mensetzungen zu erkennen haben, über welche ich zuletzt in den Nachrichten 1878,
8. 193 ff. gesprochen habe, sodass die wörtliche Üebersetzung 'den — allen — Götter-
besuchten* bedeutet 'zu dem alle Götter kommen*.
Eben so passt diese Bedeutung Rv. VII. 92, 4, wo die Opferherm als ä'devd"
sah 'solche, zu denen die Götter [natürlich gern] kommen*, bezeichnet werden.
Grassmann hat 'den Göttern treu' (1.371), Ludwig 'den Göttern benachbart' (11.333).
Endlich auch in der dritten und letzten Stelle Rv. IL 4. 1 d'deve jdne 'bei dem
von den Göttern besuchten Volke'. Damit trifft Ludwig (I. 321) durch 'mit den
Göttern verkerend* fast ganz zusammen. Grassmann hat (L 10) 'gottergeben*.
Eistar.'phOolog. Glosse. XX VI. 2. B
10 THEODOR BENFEY,
die Länge als metrisch mit einiger Sicherheit betrachtet werden; in
allen übrigen Fällen (7 in 12; 5 in 11; 6 in 11; 7 in 11) passte die
Kfirze auf jeden Fall eben so gut ins Metrum. Es entsteht daher
die Frage, ob in diesen Fällen — und eben so in den griechischen 4-
9äpccT0, h'xdfiaro, b'V^(peXo — die Länge nicht eher auf der ursprfinglicheren
Form an- beruht, welche bekanntlich im Deutschen (goth. un-) und La-
teinischen {in-) die allein herrschende blieb, im Sskr. und Griech. aber
sich nur vor vocalisch anlautenden Zusammensetzungen — oft überein-
stimmend z. B. sskr. dn'Ofva =: ap-inno — erhalten hat. Wurde sie
einst, wie im Germanischen und Latein, auch im Sskrit noch vor Con-
sonanten gebraucht, so entstand Beschwerung durch Position^ welche
nach Einbusse der Position sich — neben dem kurzen a — als langes a
erhalten konnte (vgl. z. B. von kläm durch Wirkung der Positions-
beschwerung klän-tä, von jan (vermittelst ^antd, dann *jdntd, mit Ein-
busse des n) jätä.
Ich glaube sogar die ursprüngliche Dehnung des a privativum auch
noch in einer Stelle annehmen zu müssen, in welcher sie die Inder
nicht annahmen, nämlich Rv. L 63, 5, wo der erste Stollen in der Sam-
hitd lautet:
tY&f& ha tydd Indrd'rishanyan
aber zunächst, mit den bekannten Aenderungen, um die Silbenzahl (elf)
zu erhalten, zu lesen ist
t\x&& ha tyäd Indara drishanyan.
Dalin erhalten wir jedoch den Rhythmus
t; V \ — VW \ V
mit I — VW I im zweiten Fuss. In den Beiträgen zur vedischen Metrik
werde ich aber beweisen, oder wenigstens höchst wahrscheinlich machen,
dass, wie eine auslautende Kürze an dieser Stelle (8 in 11 und 12) ge-
dehnt ward, so auch weder eine in- noch anlautende Kürze in ihr er-
laubt war, der Dichter also, wenn das a privativum zu seiner Zeit wegen
seiner Entstehung aus an vor Consonanten lang gebraucht werden
konnte — wie wir eben annahmen — er es auch hier vor r lang sprach,
und also in einem Versuch die ursprüngliche Form des Rv. herzustellen
D. OÜANTITATSVERSCHIEDENH. IN D. SAJlfH.- U. PADA-TEXTEN D. V. 11
d'rishanyan zu schreiben ist In Rv. IX. 111, 3 (= Sv. II. 7. 3. 10.
2), wo der 3te Stollen lautet
väjra9 ca ydd bhdvatho änapacyutä
V — \ W V \ V V — I
die 8te Silbe also ebenfalls in der Samhitä kurz erscheint, ist das n von
^m, nach der allgemeinen Regel (vgl. z. B. nemannishtih Rv. I. 56, 2
aus neman-ish), welche übrigens im Veda nicht durchweg herrscht und
bei dem an- priv. nicht gilt, dennoch vielleicht verdoppelt gesprochen.
23. akshä-näh (RPr. 547).
(2) Rv. X. 53, 7, also nur metrisch.
[aCChä-Yäkä TS. VII. l. 5. 5 erscheint auch im Pada-Text
mit langem ä und ohne Trennung der Zusammensetzung; vgl.
IVte Abhdlg 1, S. 8, wonach der auslautende Vocal in äcchä zur
Vedenzeit lang war].
[att-kä^ TS. I. 2. 2. 2 ohne Verkürzung und ohne Trennung
im Pada; vgl. Pdn. VI. 3, 122; 123].
24. adht-Yäsä (im Pada getrennt und mit i nach VPr. III. 96
und TPr. III. 7 ; im Rv.-Pada dagegen ungetrennt und mit
i; vgl. Pdn. VI. 3, 122; 123).
(2) VS. XXV. 39 = TS. IV. 6. 9. 2 (= Rv. I. 162. 16).
(Rv. I. 140, 9. — X. 5, 4)
in allen drei Stellen metrisch.
25. ananü-yäjä (TPr. III. 7 vgl. anäyajd).
(Prosa) TS. VI. 1. 5. 3.
26. toap&-Yrit (RPr. 559, vgl. apdvrita äpavritij.
(8 in 11) Rv. VI. 32, 5. — X. 89, 3.
Metrisch.
27. anÜ-käQ& (VPr. III. 128; TPr. III. 7; vgl. aMäfd).
(Prosa) VS. XXV. 2. — TS. V. 3. 1. 3.
28. anü-jahir^ (Whitney zu AthPr. IlL 12).
(2) Ath. XVIII. 3, 46. Diess ist, wie Wh. a. a. O. p. 120
B2
12 THEODOR BENFEY,
aasdrflcklich bemerkt, die Leseart aller Mscpte des Athar-
vaveda. Im Ry. dagegen, wo sich der Vs X. 15, 8 (mit W.
LL.) findet, erscheint in der Samhitft anü/nri, welches der
Pada-Text in amt'iUtü^S trennt.
29. anü-bandhyä' (TPr. iii. 7).
(Prosa) TS. II. 2. 9. 7.
30. anü-yaj4 (TPr. III. 7 ; nur in den Taittirfya-BQchem, Sfiyana
zu Aitar. Brähm. I. 11; im Rv. nur anuydjd, z. B. X.
51, 8; 9).
(Prosa) TS. IL 6. 9. 4 (zweimal); VI. 1. 5. 4.
Auch in der Ableitung
z. B. an ü-y^i vat TS. VL i. 5. 3
und Zusammensetzungen
z. B. an-anü-yäj& TS. VI. i. 5. 3.
prayäjän ü-ylij4 z. B. TS. L 7. i. i.
31. anft-rädhi (Whitney zu AthPr. IIL 12; TPr. IIL 7).
(6 in II) Ath. XIX. 1 5, 2 (| v -2- | ein sehr auffallender
Khythmus , da durch anu der regelmässigste \ vv { ent-
standen wäre. Als Name der Mondstation erscheint Ath. XIX.
7. 3 anürddhd \ v f , aber in TS. IV. 4. 10. 2, in Prosa,
anärädhd').
31. anü-yrfj (Whitney zn AthPr. III. 12; TPr. III. 7).
(6 in 8) Ath. IX. 4, 12; metrisch.
(Prosa) TS. V. 7. 23.
33. annä-YHdh (RPr. 560).
(2) Kv. X. 1, 4; metrisch.
34. Apart-vrita (RPr. 559).
(3 in 11) Rv. II. 10, 3 (I tn; — t? I , vielleicht metrisch, da sonst
8
der erste Fuss tn;w geworden wäre).
35. apä-mäl^i (VPr. III. 128; ob auch der Pada-Text des Ath.
apu' hat, ist bei Wh. AthPr. nicht angegeben ; im classischen
Sskrit ist die Dehnung, durch Einfiuss der vedischen Stellen,
D.QUANTITATSVERSCHIEDENH. IN D. SAME.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 18
in denen sie durch Einfluss des Metrums (2te Silbe) entstan-
den war, fizirt, vgl. Seh. zu Pftn. III. 3. 121 und VI. 2. 144;
es ist nicht mit dem St. Ptsb Wtbch in apa-A- zu trennen, wie
auch Aih. IV. 18, 7 apdmdr^ö 'pa mdrshtu zeigt, wo die bei-
den letzten Worte gewissermassen die Etymologie geben).
(2) VS. XXXV. 11.— Ath. IV. 17. 6; 18, 7; 19, 4. — VU.
65, 3.
Metrisch.
36 4p&-TrIta (RPr. 543).
(10 in 12) Rv. I. 57, 1 (= Ath. XX. 15, 1).
Metrisch; doch auffallend, dass die Länge gerade vor « so
oft erscheint. Tgl. No. 37; 38; 40; 43; 44; 45; 82; 83; 103
— 108 und in der gewöhnlichen Sprache prdv<xra a. aa. 8. St.
Ptsb. Wtbch.
37. Apä-Triti (RPr. 543).
(10 in 12) Rv. VIII. 66 (55), 3.
Metrisch, vgl. jedoch zu No. 36.
38. ap&-Trftya (nicht von Whitney im AthPr. erwähnt, aber
wahrscheinlich, wie 36 zu betrachten).
(2) Ath. XII. 2, 34.
Metrisch, vgl. aber zu 36.
39. apt-jA' (RPr. 559).
(10 in 12) Rv. II. 31, 5; metrisch.
40. ipt-Trita (RPr. 543).
(2) Rv. I. 121, 4. — IL 11, 5. — X. 32, 8.
Metrisch; vgl. aber zu 36.
41. abht-modamüd (Whitney zu AthPr. IIL 12).
(2) Ath. XI. 7, 26 = 8, 24. Metrisch.
42. abht-läpaUp (Whitney zu AthPr. III. 12).
(2) Ath. XL 8, 25. Metrisch.
43. abht-Targi (Whitney zu AthPr. IIL 12), vgl. zu 36.
(6 in 8) Ath. IIL 5, 2. — VL 54, 2.
(2) Ath. XL 2. 4.
14 THEODOR BENFEY,
Metrisch.
44. abht-yartä (RPr. 544 ; VPr. III. 96; AthPr.X, 12) vgl. zu 36.
(2) Rv. X. 174, 1; 3 = Ath. L 29, 1; 3. Metrisch.
(In Prosa) VS. XIV. 23.
45. abhf-yrita (RPr. 543; TPr. III. 7; Whitney zu AthPr.
III. 12).
(6 in 8) Rv. IIL 44, 5. — - VIII. 39, 5; 100 (89). 9. — X.
176, 3 (= TS. III. 5. 11. I).
(10 in 12) Rv. L 164, 29 (= Ath. IX. 10. 7). — VI. 70, 4.
(2) Rv. I. 35, 4. — X. 73, 2 (RPr. 584).
Alle metrisch; vgl. aber zu 36.
Dagegen Kurz (in 2) obKx-vHtya (folgt eine positionslange Silbe
wity^) Rv. X. 174, 2 I w — V I (RPr. 441).
46. abht-sMh (TPr. III. 7).
(Prosa) TS. II. 3. 2. 6 [abhishdhä).
Bemerkung: Der Nominativ Sing, dieses Themas, nämlich abfd-^
shA't, welcher im Rv. (VII. 4, 8) und im Ath. XII. 1, 54 erscheint«
wird im Pada-Text ganz wie in der Samhitd geschrieben, und diese Regel
gilt auch ffir alle Nom. Sing, derartiger Zusammensetzungen; im Rv.
also für riski-shä't^ jand-shä't, turd-shä't, nish-shä% purd-shnt, pritanä'Shdt,
praQU-shä't, bhüri-shdtt^ rajfi-shä't^ vane-shat, vträ-shät, vnthd-shat^ satrd-
shat; demgemäss findet sich im RPr. über die Länge des dem sh vor-
hergehenden Vocals in abhishat, jandshät^ turdshclt^ virdshd't keine Regel.
In dem VPr. dagegen und dem AthPr. findet sich ausdrücklich ange-
merkt, dort V. 30, hier IV. 70 (vgl. II. 82), dass die dort erwähnten
Wörter auf shd't im Pada nicht getrennt werden; im AthPr. endlich
wird die Dehnung von Vocalen vor -shdt bemerkt (III. 1), aber im Pada
erscheinen sie wie in der SamhitA (s. Whitney zu AthPr. II. 82 und
IV. 1); in der VS. finden sich nur zwei hieher gehörige Wörter und
nur in dem einen derselben, ritdshät, ist der Vocal vor sh ursprünglich
kurz. In dem Ath. erscheinen, ausser den schon aus dem Rv. ange-
führten abfäshd't und turdshd% noch drei hieher gehörige, nämlich fiishä%
vifvdshdt und faträshd't. In der TS. finden sich ritdshd't und turär-
*^
D. QJJANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAilfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 15:
shSt im Pada ungetrennt und ohne Verkflrzung (s. Whitney zu TPr.
p. 99).
Der gedehnte Vocal findet sich
(in 2) in abhishd't Ath. XII. 1 , 54 und XIII. 1, 28 — faträ-
shä't (vgl. unter ^trü-S&h No. 139) Ath. V. 20, 11. — ri-
tdsMt VS. XVIII. 38 (= TS. III. 4. 7. 1).
(4 in 11) in turä$hät Rv. III. 48, 4. — Ath. II. 5, 3. — in
nUhä't Ath. V. 20, 11.
(1 0 in 1 1) in turdshd't Rv. V. 40. 4 (= TS. I. 7. 13. 4 = Ath. XX.
12, 7). — VI. 32, 5. — X. 55, 8. und in viräshä't Rv. I. 35, 6.
In diesen drei Silben kann die Dehnung durch metrischen Einfluss
erklärt werden. Dies ist aber schwerlich möglich, wo sie erscheint in
(7 in 8) in Ti^TäsM'f Ath. XII. 1, 54.
und (6 in II) in abhi$hd't Rv. VII. 4, 8 | t) -5 j, wo
6
\ w I viel besser gewesen wäre , und in janäshd't Rv. I.
54 , 11 \ V -^v — |. Diese drei Fälle und die Länge in o-
hhishdhd in Prosa in der TS. scheinen gegen metrische Ent-
stehung derselben fast entscheidend zu sprechen. Dennoch
ist es dem gegenüber auffallend, dass wir keine Dehnung in
rishi'Shä't, prdfVnshdt^ bhüri-shä't und rayi-^hä't finden, während
die Dehnung des i in (ü>hi sich in No. 41 — 45, d. h. in allen
übrigen Fällen, durch metrischen Einfluss erklärt, und eben so
sonst auch in letzter Instanz die des a in tnpvo- (vgl. No. 128
— 134); ich glaube daher, dass auch in viQvdshä^t die Länge
in 7 in 8 sich aus metrischem Einfluss erkläre, nämlich ent-
weder unmittelbar durch den Einfluss der später geltend ge-
wordenen Umwandlung der vedischen Anushtubh in den ^loka,
in welchem im zweiten Fuss des ersten und dritten Stollens
vorwaltend , nächst | v — — v \ , wie hier im Ath. , der
Rhythmus v 2. — herrscht (vgl. meine Chrestomathie aus
Sanskritwerken S. 324), oder mittelbar durch Einfluss von
YiQYä-S&h, wo sich das d durchweg durch das Metrum er-
klärt (s. No. 133). Dann bleibt mxx janäshd't, dessen langes A
16 THEODOR BENFEY,
sich wohl dadurch erklärt, dass im Veda in Folge des metri-
schen Einflusses sich keine Form auf -äsh^'t erhalten hatte.
47. ainitr&-yüdh (RPr. 560).
(3 in 12) Rv. III. 29» 15.
Wflrde uumetrisch sein. Sollte es aber nicht vielleicht aus
amitra-A'yüdh bestehen?
Die Verbindung des Präfixes ä mit yudh erscheint zwar in der ve-
dischen Sprache nur im Nomen a^yndh^i^ wohl aber im späteren Sskrit
(auch pra-d'),
48. avä-yatf (RPr. 560).
(8 in 12) Rv. VIII. 91 (80), 1; kanyd^ ist, wie — mit einer
einzigen Ausnahme — allenthalben, dreisilbig, vielleicht noch
in der ältesten Form kaniä' zu lesen (auch IV. 58, 9 wohl
kanieva statt kanyd-iva, im Pada kanyä^h-iva, vgl. Gott. Nachr.
1879, S. 396 ff. und insbesondre die Iste dieser Abhdlgen
S. 246 ff.)
Metrisch.
[ay &-<^ring& TS IL l. 8. 5, aber im Pada-Text weder Verkür-
zung, noch Trennung der Zusammensetzung, Whitney zu TPr.
p. 99. Prosa.]
[asb#ä- (AthPr. III. 2 betrachtet ashtä- als vorderes Glied ei-
niger Zusammensetzungen als Vertreter von ashta-, allein in
demselben Prdti9dkhya wird IV. 94 ausdrücklich vorgeschrieben,
dass der Pada-Text die Samhitä-Form nicht verändern soll.
Aehnlich giebt SvPr. 225 — 227 Regeln über Dehnungen des
Auslauts von ashta--, wenn es vorderer Theil einer Zusammen-
Setzung; aber der einzige Fall dieser Art, welcher im Sv. vor-
kömmt ashtd'-padt (Sv. II. 3. 2. 9. 3) hat ebenfalls im Pada-
Text dieselbe Form wie in der SamhitA. Ausserdem stimmen
AthPr. III. 2 und SvPr. 225. 227 auch darin überein, dass
sie auch Beispiele geben, welche weder im Ath. noch Sv.
vorkommen.. Die Regeln sind augenscheinlich aus andern
grammatischen Arbeiten in diese Präti9dkhya's hinübergenom-
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJIf H.- U. PADA-TEXTEN D. V. 17
men. Dennoch will ich hier die Fälle mit asktä- und ashtä-
im vorderen Glied, welche ich aus den Veden notirt habe,
mittheilen. Man vgl. dazu 'Abhdig III, S. 11', wo man Z. 15
hinter 'Rv. X. 27, 15' hinzufügen möge: 'wo Contraction ein-
getreten ist'; ausserdem vgl. man noch Pän. VI. 3, 47; 49; 126.
1) Mit langem d:
ashfä'-kapäla (vgl. P4n. vi. 3. 126).
VS. XXIX. 60 = TS. VII. 5. 14. Prosa.
ash#ä'-cakra.
(2) Ath. X. 2, 31. — XI. 4, 22.
asb#&Catvärl«<<^ (abgeleitet von ashtä-catvdrimfat).
VS. XIV. 23 = TS. IV. 3. 8. Prosa.
ash#äda^ (abgeleitet von ashtd-dafan).
VS. XIV. 23 = TS. IV. 3. 8. Prosa.
ashfä'-paksha.
(2) Ath. IX. 3, 21.
ashfä'-pada, fem. dt.
(2) Rv. I. 164. 41 (= Ath. IX. 10, 21). — II. 7, 6. — VS.
VIII. 30. — Ath. V. 19, 7.
(4 in 8) Rv. VIII. 76 (65), 12 (= Sv. II. 3. 2. 9. 3 = Ath.
XX. 42. 1). — Ath. X. 1, 24.
astafä-yogä.
(6 in 8) Ath. VI. 91, I.
asbfä'-yandtaura.
(2) Rv. X. 53. 7.
ashfäTi«>Q& (abgeleitet von ashtä^-vüt^ttj.
(2) Ath. XIX. 8, 2.
astaf&'-YlH^ti.
VS. XVIII. 25. Prosa.
2) Mit kurzem a.
asbfä-kariti, fem. nf.
(9 in 12) Rv. X. 62, 7.
Der Stollen lautet:
Eistor.-phädog. Glosse. XXVL 2. ^
i
18 THEODOR BENFEY,
sahdsram me dädato ashtakarnyäh,
und das letzte Wort ist ashtakamiah zu sprechen; ^Ufi bildet die erste
Silbe der iambischen Schiussdipodie, welche in weit überwiegender Mehr-
zahl karz ist; auch ist die folgende Silbe ^kanfi positionsschwer.
ashiä-pntra.
(9 in II) Ath. VIIL 9, 21. Aehnlich, wie im letzten Fall
bildet Ha^ die erste Silbe des in der weit überwiegenden
Mehrzahl elfsilbige Stollen schliessenden Bacchius und die
folgende Silbe hat ebenfalls Position.
ashlä-yonL
(2) Ath. VIII. 9, 21, also in demselben Verse, in welchem das
vorige Wort mit kurzem ä erscheint. Auffallend ist die Kürze
in der 2ten Silbe, und ich wäre sehr erfreut, wenn der SchoL
zu AthPr. IV. 94 mit Recht ashtä^-yom mit langem d aufge-
führt hätte. Allein Whitney bemerkt ausdrücklich zu dieser
Regel des Pr. , dass der Samhitft- sowohl als der Pada-Text
kurzes a haben; auch ist im AthPr. III. 2 unter den The-
men, vor welchen ashtd- mit langem ä erscheint, yoni nicht
aufgeführt. Ich würde daher fast glauben, dass die Kürze
durch Einfluss von ashta-putra in demselben Vers herbeige-
führt sei, wenn ashta-^oni mit a nicht auch in Taitt. An I.
13 erschiene. Der Atharva V. ist übrigens stark von der
späteren Sprache beeinfiusst, so dass manche seiner Formen
für die alte — speciell vedische Sprache — von keinem gro-
ssen Gewicht sind.
ashfä-yrishi.
(4 in 8) Ath. V. 16, 8; es ist yddi ashP zu lesen.
Bem. Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass sich ashtd- mit ä im
vorderen Compositionsglied noch in vielen Wörtern der sich an die
Veden schliessenden Literatur findet und selbst in der späteren, so
z. B. (nach PAn. a. den aa. OO.) allein vor Zehnern z. B. nur Mhtd^
dofan, achtzehn; neben ä von 'vierzig' an, z. B« ashtä-catoärim^t und
ashtd-catodrim^ 'acht und vierzig^; von 'hundert' an wird nur ashtä-
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 19
in der späteren Sprache erlaubt, z. B. nur ashta^fata 'hundert und acht\
aber im Cat. Br. X. 4. 2. 23; 24 findet sich auch statt dessen oakfä-'
^ta. Man siebt, dass die kleineren — häufiger als die grossen — ge*
brauchten Zahlen die alte Form bewahrt haben, die grossen dagegen
haben, der allgemeinen Regel gemäss, wonach Themen auf n, wenn sie
das vordere Glied einer Zusammensetzung bilden, nur dieses n einbQ-
ssen, ohne eine Veränderung des ihm vorhergehenden Vocals zu erleiden,
ashta- als vorderes Glied.
Von den übrigen Zahlwörtern, deren Thema auf an auslautet, näm*
lieh pdncan, saptän, nävan und däfan erscheint das Thema als vorderes
Glied stets mit kurzem ä im Auslaut, z. B. päncä-rofmi^ sapta-dhätu^
n(bD€hpad, ddfa-bhuji. Sollen wir danach annehmen , dass ashtä" als vor^
deres Glied seine auslautende Länge nur dem Metrum verdanke? Frei-
lich erscheint sie nur in der 2ten und 4ten Silbe, und in der 6ten eines
achtsilbigen Stollens, in denen metrische Dehnung so überaus häufig ist;
allein sie erscheint ausserdem sehr häufig in Prosa und hat sich selbst
in der späteren Sprache erhalten. Ja! der Umstand, dass die Pada-Ver*
fertiger sie nicht zu kürzen wagten, scheint — zumal in Verbindung
mit ihrer Verwendung in Prosa und in der späteren Sprache — dafür
zu sprechen, dass sie zu ihrer Zeit in der Sprache lebendig war. Dies
alles blos aus den — zumal im Verhältniss zu den in der lebendigen
Sprache sicherlich sehr häufig gebrauchten Zahlwörtern, wie 18, 28, 38,
arbiträr 48, 58, 68, 78, 88, 98 — sehr wenigen Fällen, wo die Länge
dem Metrum zugeschrieben werden kann, ableiten zu wollen, scheint
mir doch höchst gewagt, ja wohl kaum zulässig.
Ich schwanke zwischen zwei Erklärungen und gestehe, dass ich
bis jetzt kein Moment erkennen konnte , durch welches eine der beiden
entschieden überwiegend würde; doch neige ich mich ein wenig mehr
der zweiten zu, weil sie in Analogie mit dem Griechischen und Latein
tritt Ich werde sie beide kurz mittheilen, in der Hofi^nung, dass es
einem der Mitforscher gelingen wird, einer dieser beiden durch Hervor-
hebung eines mir entgangenen Momentes ein entscheidendes Ueberge*
wicht zu verschaffen, oder eine andre unzweifelhafte zu gewinnen.
C2
20 THEODOR BENFET,
Die erste Erklärung betreffend, so ist keinem Zweifel zu unter-
werfen (vgl. weiterhin latein. octin^gentCj^ dass die thematische Form ur-
sprünglich ohne Veränderung vortrat, also im Sanskrit deren Reflex
ashtan. Geschah dies nun vor consonantisch anlautenden hinteren Glie-
dern , dann trat durch die Position eine Beschwerung des dem n vor-
hergehenden Vocals ein, welche, nach Einbusse des n, sich in der Deh-
nung desselben erhalten konnte. Die so entstandene Dehnung wäre in
den Fällen, wo ashtd- erscheint, bewahrt. Diese Erklärung tritt in Ana-
logie mit den ebenfalls nur wenigen Fällen, in denen a des an- priva-
tivum lang erscheint (s. S. 8 ff.).
Die zweite Erklärung findet nicht einen bloss quantitativen, ge-
wissermassen zufälligen Unterschied in diesem ashtd- und ashtä-, son-
dern einen grammatischen. Im Griechischen sowohl als im Lateinischen
finden wir wesentlich zwei Bildungen dieses Zahlwortes, wenn es als
vorderes Element einer Zusammensetzung erscheint, nämlich griech. dxtm^
(z. B. dxTfo-ddxrvXos) = latein. octo (z. B. octo-jugis) ; 2) griechisch orra-
(z. B. oxta'-ddxTvXog) ; diesem entspricht lateinisch octm-, wie dies durch
das Verhältniss des latein. octin-genti zu griech. ixTa^x6aio$ und die so-
gleich zu gebende Erklärung desselben über allen Zweifel erhoben wird*
Was nun Sxta)-^ latein. octo- betrifft, so sind sie augenscheinlich
die Form, welche dieses Zahlwort, indeclinabel geworden, in diesen Spra-
chen stets hat, und darin ist sicherlich ein ursprünglicher Nominativ za
erblicken, welcher genau dem vedischen Nominativ desselben ashtä' ent*
spricht (wahrscheinlich Nominat. plur. für ursprüngliches aktdnä, vgU
IV. 3, S. 17 unter sapta; in den so häufig gebrauchten Zahlwörtern
traten bekanntlich Verstümmelungen sehr häufig und wohl schon früh
ein). Demgemäss bezweifle ich kaum, dass sskr. ashtä — als vorderes
Glied einer Zusammensetzung — mit diesem Nominativ identisch ist und
ixTw^ lat. octo- genau widerspiegelt.
Was dagegen dxta^ als vorderes Glied betrifft, so ist schon lan^
— seit Bopp — bekannt, dass auslautendes a im Griechischen gewöhn-
lich dafür entscheidet, dass ein ursprünglich folgender Nasal hinter ihm
eingebüsst sei, z. B. ein m in hv^a für hvtpafi, ein r im er- privativum
D. QÜANTITATSVERSCHIEDENH. IN D. SA MR. U. PADA-TEXTEN D. V. 21
•
für «y-, welches sich nur — gerade wie im Sskrit — vor Vocalen hielt,
während es im Latein und Deutschen auch vor Consonanten bewahrt
ist Griech. oxra- deutet daher auf ein einstiges ixTa/i- oder Sxtap^.
Von einer Form dieses Zahlworts mit auslautendem m findet sich aber auch
nicht die geringste Spur; es ist also nur an dxrap zu denken, und diese
Annahme erhält ihre unbezweifelbare Bekräftigung durch das schon an-
gedeutete Verhältniss von dxra- in oxTa-xoatot zu latein. ocHn-ffenti; lat.
Om- verhält sich zu ^a- genau so wie «n- privat, zu a- privat. Diesem
so erschlossenen dxray entspricht aber genau das sskr. ashtdn, welches
die wunderbar grossen indischen Grammatiker als Thema dieses Zahl-
wortes aus der Declination desselben gefolgert haben.
Es ist demgemäss in lateinisch octm- ^=- grdsprachlich aktan-- das
Thema dieses Zahlworts zu erkennen, welches nach der allgemeinen
Regel gebraucht ward , wo dieses Zahlwort das vordere Glied einer Zu-
sammensetzung bilden sollte. Dasselbe liegt im Griech. ixta--^ sskr.
ashtor' zu Grunde« hat aber in beiden Sprachen , den in ihnen geltenden
Regeln gemäss, das n eingebüsst; vgl. Göttinger Nachrichten, 1880 S. iff.].
49. ähutt-Tf*ldh (RPr. 554; die Dehnung wird von Whitney nicht
zu AthPr. III. 12 und überhaupt nicht erwähnt; sollte sie auch
im Pada-Text des Ath. erscheinen und dieser die Zusammen-
setzung nicht trennen?)
(6 in 8) Rv. IX. 67, 29 = Ath. VIII. 32, 1.
Metrisch.
50. [ishfä-pftrti (Im Rv., der VS. und dem Ath. (vgl. Whitney
zu AthPr. IV. 50) hat der Pada-Text weder Trennung der Zu-
sammensetzung, noch Verkürzung des d in isktän. In dem
TPr. III. 6 dagegen wird beides für einige Fälle vorgeschrieben,
für andre nicht). Dass das auslautende d in ishtd- ursprüng-
lich kurz war, versteht sich wohl von selbst ; denn ein Dvandva-
Compositum ist es schwerlich. Auch erklärt sich die Deh-
nung, wo sie in Versen erscheint, durch metrischen Einfluss,
da sie nur in der 2ten Silbe vorkömmt; hier hat sie auch
die TS. wie die andern Samhit&'s sowohl in der Samhitd als
22 THEODOR BENFET,
im Fada. In Prosa dagegen hat die TS. sie nur in der Samh., nicht im
Pada, wo auch getrennt ist; nur in Prosa erscheint in der TS. das da-
von abgeleitete ishf äpürtfD»
Die durch metrischen Einfluss entstandene Länge hatte sich in
diesen Wörtern so fest gesetzt, dass sie auch in die Prosa überging. In
den Hymnen wagte man nicht die Zusammensetzung zu trennen und die
Quantität zu ändern, wohl aber in der Prosa.
(2) ishtäpitrtd Rv. X. 14, 8 (= Ath. XVIII. 1, 49). — VS.
XV. 54 = TS. IV. 7, 13, 5. — VS. XVIII. 60 = TS. IV.
7. 7. 2. — Ath II. 12, 4; III. 12, 8; 29, 1; XVIII. 2, 57.
(In Prosa) ishtäpürtä (Pada: ishta^ürfi) TS. III. 3. 8. 5.
(In Prosa) ishiäpürUn (Pada: ühtä-pürfi) TS. I. 7. 3. 3].
51. nkthä-madä (RPr. 546 [es erscheint aber nicht in der Rv.-
Samh. ; der Commentar zum RPr. giebt ein Beispiel aus dem
Ait. BrAhm]; TPr. IlL 2; Whitney zu AthPr. IIL 12).
(4 in 11) Ath. V. 26, 3; wohl metrisch.
(Prosa) TS. IL 4. 11. 6. — III. 3. 2. 1. — V. 6. 8, 3 (vgl.
No. 50).
52. nkth ä-Qasträ (VPr. III. 1 28).
(5 in 8) VS. XIX. 28.
Nicht metrisch. Das Wort ukthäftBStrdni ist aber eine Dvandva-
Composition und besteht höchst wahrscheinlich aus zwei Nom. plur. Ntr.
ükthä und castram, die ursprünglich nur zusammengerückt waren ; indem
die Zusammenrflckung den Character der Zusammensetzung annahm,
büsste das vordere Glied zwar seinen Accent, nicht aber seine, in den
Veden vorherrschende, grammatische Form ein.
53. ugrä-deva (RPr. 559).
(2) Rv. I. 36, 18. Metrisch.
[nttard-S&d. Das VPr. erwähnt es nicht; es wird also hier
auch im Pada-Text, wie in der Samhitft langes ä haben und
mit Recht: denn das vordere Glied ist das Adv. uttarä' (vom
Thema üttara = vctbqo^ mit Accentwechsel, weil der ursprüng-
liche Instrumental Adverb geworden ist; eben so in den zu
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SA JtfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 23
Adverben gewordenen Accusativen und Ablativ uttaräm, utta-
rdm^ uttarä't); die Kdnva-Recension hat aber kurzes o.
(Prosa) VS. IX. 35; 36].
[npä-näh. Nach Pdn. VI. 3, 116 ist das ä 'sa^^ihitdydm'
lang; daraus sollte man schliessen, dass im Pada die gram-
matische Kürze einträte; allein weder bei diesem (vgl. Whit-
ney zu TPr. p. 99 und zu AthPr. p. 130), noch den in dem-
selben Sdtra angeführten pr 4-vrl^ , marm ä-vidh , ist dies im
Veda der Fall; eben so wenig sind die Glieder der Zusam-
mensetzung im Pada getrennt; beides dagegen geschieht in
dem ebenfalls in diesem Sütra aufgeführten ritt-shdh. Die
verschiedene Behandlung dieser Wörter im Pada ist immer
auffallend, da es keinem Zweifel zu unterwerfen ist, dass
die Verfertiger desselben sich im Allgemeinen bestrebten, die
grammatische Form an die Stelle einer in der Samhitd erschei-
nenden, von ihr abweichenden, zu setzen. Mir ist nicht un-^
wahrscheinlich, dass die Verfertiger des Pada nicht zu ent-
scheiden wagten, ob das d in den drei ersten Wörtern eine
Verbindung von a-4 {upa-d-nah, pra-d^vrish, marma-d^vidh)
oder blosse Dehnung des a sei.
(2?) Ath. XX. 133, 4.
(Prosa) TS. V. 4. 4. 4; 6. 6. 1].
54. nrft-ftaBä (RPr. 547; Whitney zu AthPr. IIL 12).
(2) Rv. X. 14, 12 =^ Ath. XVIII. 2, 13.
Metrisch.
56. rltl-vrldh (RPr. 548; VPr. lU. 96; TPr. III. 2; Whitney
zu AthPr. III. 24).
(6 in 8) Rv. I. 13, 6; 14, 7; 23. 5 (= Sv. II. 2. 1. 7. 2);
44, 14; 47, 1 (= Sv. I. 4. 1. 2. 4, WO aber VL.); 3; 5;
142, 6. — IL 41, 4 (= Sv. II. 3. 1. 7. 1 = VS. VII. 9 =s
TS. I. 4. 5). — III. 62, 18 (= Sv.II. i. U 5. 3). — V. 66, 2.—
VI. 52, 10; 59, 4. — VII. 66, 10. — IX. 9, 3 (= Sv. II.
3. 1. 16. 2); 42, 5; 102, 6. — X. 16. 11 (= VS. XIX. 65);
24 THEODOR BENFEY,
154. 4 (= Ath. XVIII. 2. 15). — VS. JCVII. 3, zweimal.—
Ath. XL 6, 19.
(10 in 12) Rv. I. 106, 3; 159. 1. — IIL 2, 1. — V. 44, 4. —
VI. 15, 18; 75. 10 (= VS. XXIX. 47 = TS. IV. 6. 6. 4). —
VII. 66, 13; 82, 10. — VIII. 89 (78), 1 (= Sv. I. 3. 2. 2. 6
= VS. XX. 30). — X. 65, 3; 7; 66, 1.
(2) Rv. I. 2, 8 (= Sv. II. 2. 2. 6. 2).
(14 in 16) VS. IV. 12; XXVIIL 5; den Schluss bildet eine
Dipodia iambica | v ~ v — | . so dass die 1 4te Silbe durch
Einfluss des Metrums ihren Vocal gedehnt hat.
Alle bisher aufgeführten Fälle metrisch.
Nicht metrisch ist ein einziger Fall, nämlich (6 in 11) Rv. VI.
50, 14 (= VS. XXXIV. 53). Dadurch entsteht \ v-^ v — \ im zweiten
Fuss , während | vvv — | häufiger ist , jedoch auch | r — r — | nicht
selten. Dieser eine Fall fällt gegen die fibrigen allsammt, d. h. 35. in
denen sich die Länge durch das Metrum erklärt, natürlich nicht ins
Gewicht; er könnte dadurch herbeigeführt sein, dass sonst stets die
Länge erscheint; s. Bem. zu 46 und vgl. z\x tuviräva No. 67.
56. [ritä-sM'f siehe Bem. zu No. 46 abht-shah].
Bemerkung zu 55 und 56.
Man könnte auf den ersten Anblick glauben, berechtigt zu sein, zu
sagen, die ä sind /in ritä-vridh und ritd-sMt nicht Folge des Metrums,
sondern sie stehen an diesen Stellen der Stollen, weil sie eben lang
waren. Dagegen entscheiden aber die vielen andern Fälle, in denen
Tita als vorderes Glied von Zusammensetzungen mit kurzem a im Veda
erscheint wie rita-^it, rita-jd\ ritd-jata^ ritärjdtorsatya ^ ritorjit, rita-jür^
ritorjnd^ ritdnjya^ yita-dyumna^ ritd-dhäman, ritdrdhiti^ rita-nt, ritarpd\ riti-
pefos^ ritdhprajdta^ ritd-pravita, rita-psu^ rita-ytikti, rita-yuj^ rita-vdkäy rita-
vddin^ Xitonsdd^ ritor-sddana ^ ritä'-sdtaj rita^-säp^ rita-stäbh^ rita^sthd\ rita-
sprif.
Wenn man hier sieht, dass das grammatische Thema rita in 28 Zu-
sammensetzungen sein a ungedehnt bewahrt, und nur in zweien lang
zeigt t in denen sich die Dehnungen — mit einer einzigen Ausnahme
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJffl.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 25
unter 36 Fällen — aus dem Metrum erklären lassen, so wird, ja darf
man kein Bedenken tragen, die Länge in diesen beiden Zusammen-
setzungen der Wirkung des -Metrums zuzuschreiben.
57. riti-sMb (Pada riix-sah; RPr. 540; VPr. III. 128; vgl. P&n.
VI. 3, 117).
(2) Rv. I. 64, 15.
(6 in 8) Rv. VI. I4, 4. — VIII. 45, 35; 68 (57), 1 (= Sv.
I. 4. 2. 2. 3); 88 (77), 1 (= VS. XXVI. 11 = Ath. XX. 9. 1).
Metrisch.
58. rldft-p^ 1 ,Rp^ ,^,.
59. rldft-THdhä/ ^^^' '''^•
?^^^f:. ..K. } »- VIII. 77 (66), 11.
(6 in 8) ndü-vrldhd ) ^ ^
Die Dehnung könnte metrisch sein; aber in den Göttinger Nach-
richten 1879, S. 189 ff. ist nachgewiesen, dass riM die grammatische
Form ist (Femininum von ^ridü) und dem zendischen Fem. eredvi =
aredtl = ardvt entspricht. Der Pada-Text hat also irrig das ü fflr ve-
dische Dehnung genommen; eben daselbst ist auch von vedisch ridüddra
gehandelt, welches die Pada-Verfertiger gar nicht gewagt haben zu tren-
nen, wahrscheinlich weil sie über die Theilung eben so zweifelhaft waren,
wie ich es noch bin; mag man aber — wie a. a. O. entwickelt — ridil-
liddra theilen, oder ridü-ddra (worin der Accent noch auffallender als
in ridü-uddra s. a. a. O.), auf jeden Fall ist auch hier das vordere Glied
ridü, mit grammatisch langem ü.
60. eT&-Tädäsya (RPr. 56 1; vgl. Illte Abhdlg. S. 12 und IVte,
1, S. 32).
(2) Rv. V. 44, 10.
Metrisch, oder Bewahrung der ursprfinglichen Länge (Instrumental
Sing, von eva- = olo für olf'Ot in adverbialer Bedeutung).
61. kshetr A-sa m (RPr. 56i).
(2) Rv. IV. 38, 1.
Metrisch.
Histar.-phüolog. Glosse. XXVI. 2. D
26 THEODOR BENFEY,
62. ghHt fi-Trfdhi (RPr. 56 1).
(6 in 8) Rv. VI. 70, 4.
Metrisch.
63. carshait t-dhrf t ) (RPr. 545; SvPr. 238; VPr. III. 128;
64. carshait t-säh ) TPr. III. 7).
(6 in 8) carshani-dhritas , Rv. I. 3, 7 {= VS. VII, 33 = TS.
I. 4. 16. 1). — III. 37, 4 {= Ath. XX. 19); 59, 6 (= VS.
XI. 62 = TS. III. 4. 11. 5 [mit VL.] = IV. 1. 6. 3).
carshani-dhritam, Rv. IV. 1, 2.
carshata-säham , Rv. V. 35, l. — VIII. 1 , 2 (= Sv. IL 6. 1.
5. 2 = Ath. XX. 85, 2).
carshani'Sähd, Rv. VII. 94, 7.
carshani'Sä/ie , Rv. IX. 24, 4 (:= Sv. II. 3. 2. 3. 5, wo VL.
carshofä-dhr/tih).
(10 in 11) carshani-dhrit, Rv. VIII. 96 (85), 20, zu lesen:
sd vritrahd' rndara9 carshanidhrit.
(10 in 12) carshani-dhritam, Rv. IV. 1, 2.
carshani-dhritd, Rv. VIII. 90 (79), 5 (= Sv. I. 3. 2. 1. 6, wo,
wie eben, carsharä-dhritih).
carshani'Sdham, Rv. L 119, 10. — VI. 46, 6 (= Ath. XX. 80,
2). — VIIL 21, 10 (= Ath. XX. 14, 4).
carshani'Sähahj Rv. VIII. 19, 35.
Bis hierhin sind alle Dehnungen metrisch.
Nicht metrisch dagegen sind folgende drei Fälle
(3 in 12) carshanUdhritam, Rv. IIL 51, 1 (= Sv. L 4. 2. 4. 5).
(7 in 11) carshani-dhrit, Rv. IV. 17, 20.
Hier würde ohne Dehnung als zweiter Fuss | — vw \ entstehen,
ein schwerlich zu duldender; doch der durch die Dehnung entstehende
I — V — V ( ist selten.
Femer Rv. X. 89, 1 , wo durch die Dehnung der im Pathos be-
liebte zweite Fuss | — v — — | entsteht , so dass man hier noch einen
metrischen Einfluss erkennen könnte. Allein ( — vv — | ist auf jeden
Fall viel häufiger.
•^m^m
D. OüANTITÄTSVEßSCQIEDENH. IN D. SAJtfH.- U. PADA-TEXTEN D. V. 27
Ich vermuthe daher, dass die Länge in diesen drei Fällen eher
dadurch herbeigeführt ist, dass in den übrigen — 14 — Fällen die
Länge metrisch eingetreten war, und sich dadurch als characteristisch für
diese beiden Composita in der vedischen Sprache fixirt hatte. Vielleicht
verdankt das einzige noch übrige Compositum mit vorderem carsham,
nämlich carshani-prd\ die Bewahrung des kurzen t nur dem Umstand,
dass auf i Position folgt, welche ihm den Werth einer Länge verleiht.
[Janäshä'f, s. Bem. zu No. 46 abhtshih S. i4].
65. tardä-pati (Whitney zu AthPr. IIL 12),
(2) Ath. VL 50. 3.
Metrisch.
66. tugryä-vrldh (RPr. 548).
(6 in 8) tuffryd'Vridhah, Rv. VIIL 1, 16.
tugrtfä-vHdham , Rv. VIII. 45, 29; 99 (88), 7 (= Sv. L 3. 2.
5. l = Ath. XX. 105, 3).
Es ist tugri{jf)d'ifi zu lesen, und so las, wie aus Pdnini IV. 4, 115
hervorgeht, eine Cdkhd des Rv. in I. 33, 15, wo unser Text tügryäsu hat.
Wenn, wie Pada und RPr. annehmen , das & in tugryä'-vridh Deh*
nung von ä ist, so ist die Dehnung metrisch. Naighantuka L 12
führt aber tügryd in der Bedeutung 'Wasser' auf, und danach erklärt
Sdyana nicht bloss tügryasu in Rv. L 33, 15, sondern auch in der Zu-
sammensetzung tugrgd-vridh an allen drei Stellen, zu VIIL 45, 29 mit
ausdrücklicher Beziehung auf das Naighantuka. Dies war entschieden
nicht die Ansicht der Verfertiger des Pada und Präti9dkhya; denn sonst
hätten sie das ä als grammatisch fassen müssen und nicht dafür a sub-
stituiren dürfen. Sie haben wahrscheinlich Recht und Tugrya (oder
vielmehr Tugria) ist Patronymicum von Tugra.
[turäsM'f s. Bem. S. 14 zu No. 46 abhtshih].
67. tnyt-r&Ta (RPr. 539).
Während tum- als vorderes Glied in ziemlich vielen Zusammen-
Setzungen stets mit kurzem 1 erscheint, vor folgendem --magha (s. § 1,
S. 1) nur an Stellen, wo das Metrum es fordert, mit langem Auslaut
(aber kurz, wo das Metrum einflusslos), erscheint es in der vorliegenden
D2
28 THEODOR BENPEY,
Zusammensetzung an allen drei Stellen, in denen es vorkömmt, mit U
ohne dass man sagen könnte, dass das Metrum die Länge nöthig ge-
macht hätte, nämlich an der 6ten Stelle eines zwölf- und zweier elfsil-
biger Stollen, wo dadurch als zweiter Fuss ( v — v — | entsteht, während
dieser sonst | vw — ( lauten würde, was häufiger; vgl. jedoch zu No. 46
und zu No. 80.
(6 in 11) Rv. X. 64, 16; 99, 6.
(6 in 12) Rv. X. 64, 4.
68. dtrghä-dhf (RPr. 560; TPr. III. 5).
(2) Rv. II. 27, 4 = TS. IL 1. 11. 4.
Metrisch.
69. dynmn &-8äliam (RPr. 540).
(2) Rv. I. 121, 8.
Metrisch.
70. dbänyä-krftaik (RPr. 545).
(10 in 12) Rv. X. 94, 13 zu lesen dhdnidkritah.
Metrisch.
71. naghä-rfsMm (Whitney zu AthPr. III. 12. S. 130).
(6 in 8) Ath. VIII. 2, 6; 7, 6. — XIX. 39, 2; der letzte Vers
ist eine Pankti (5 x 8), deren erster Halbvers 3 Stollen um-
fasst, während der zweite 2 enthält (vgl. RPr. 1050).
Metrisch.
72. -ni-ka^ (VPr. III. 128) in babhrü-nf^ und dhämrm-tifi
(wohl in Prosa) VS. XXIV. 18.
73. ntthi-Vld (RPr. 554).
(2) Rv. III. 12, 5 (= Sv. II. 7. 3. 2. 1). Metrisch.
74. nt-nähi (Ath. XIX wird im AthPrdti9. nicht berücksichtigt
s. Whitney AthPr. p. 251).
Ath. XIX. 57. 4.
(wohl Prosa).
75. [lll-V&'ra(VPr.III.104, bleibt aber im Pada ungetrennt (VPr. V.37),
und kömmt in der Bedeutung 'wilder Reis' nur miti vor; in der TS.
bleibt es im Pada ungetrennt und mitLänge, Whitney zuTPr. p. 99).
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAMH.- U. P ADA-TEXTEN D. V. 29
(Prosa) VS. XVIII. 12 = TS. IV. 7. 4. 2.]
76. nl-vid (Whitney zu AthPr. III. 12).
(6 in 8) Ath. XI. 7, 19.
Metrisch; im Rv. findet sich nur ni^vid mit kurzem i, aber
keine der Stellen, in denen es im Rv. erscheint, ist im Ath. wiederholt;
dagegen erscheint es Ath. V. 26, 4 mit t, wo das Metrum die Länge nicht
fordert: das Wort praishA\ womit der Vers beginnt, ist entweder drei-
silbig zu lesen, oder vertritt drei Silben ; n% ist dann im zweiten Fuss die
2te Silbe, welche in elfsilbigen Stollen in der weit überwiegend grössten
Mehrzahl kurz ist.
Ich lese diesen Stollen:
praSshd' yaj- ' -ri6 nividah
t;
sud'hd
— w — V
In der VS. XIX. 25 findet sich m sogar in 6 in 8, wo, wie wir
sahen, Ath. dehnt; beiläufig bemerke ich, dass nioid in dem St. Ptsbr.
Wörterbuch (auch in den Nachträgen) fehlt und Ath. XI. 7, 19 unter
nivid au%eführt ist.
77. [nt-sM'f, s. Bern, zu No. 46 abhtsh&h].
78. [Wegen VPr. IIL 104, wo gelehrt wird; 'dass % in m vor hdra
gedehnt wird, wo keine Trennung im Fada statt findet; dagegen kurz
bleibt, wo der Fada-Text trennt', bemerke ich, dass nihard 'Nebel', und
mhdrä 'Lohn', zwei verschiedne Wörter sind. Jenes wird auch im Fada
mit I gesprochen und nicht getrennt (vgl. VFr.V. 37. — Rv. X. 82, 7(=VS.
XVII. 31 = TS. IV. 6. 2. 2). — VS. XXIl. 26 (= TS. VII. 5. 1 1. 1).—
XXV. 9) weil es eben kein Compositum ist ^). Dieses dagegen wird
1) Ich habe nihära (in GWL. 11. 54) von snih abgeleitet (vgl. Suffix ära in
meiner VoUständ. Gramm, d. Sskritspr. S. 151), nnd diese Ableitung ist mir noch
jetzt wahrscheinlich, obgleich ich keine ganz analoge Fälle für { statt e im Sanskrit
nachzuweisen vermag. Auffallend ist, dass anch griechisch ytipm statt ytlq>w einge-
treten ist. Die Einbasse von Grnppen anlautendem s ist bekanntlich eine in ver-
schiedenen Sprachen — und auch im Sanskrit — sehr häufige Erscheinung, vgl.
z. B. nara und nird, Wasser (mit i wegen Accent, wie in pUä von pA und vielen
andern), auch im Griecb. N^Qsiig und NijXevgj ,vom grundsprachlichen Verbum 5nd,
'fliessen, schwinunen, wa8chen\
30 THEODOR BENFEY,
im Pada getrennt, s. VS. III. 50, vgl. Mahfdhara zu dieser Stelle und
St. Petersb. Wtbch u. har mit ni\.
79_84. pari- (RPr. 547; VPr. IIL 128; TPr. III. 7; Whitney
zu AthPr. III. 12) in folgenden:
79. part-ft&<^9 8. zu 79—84.
(10 in 12) Rv. L 54, 1.
Metrisch.
80. pir t-ftas-am (TPr. III. 7); s. zu 79—84.
(6 in 8) TS. IL 2. 12. 6 = Rv. III. 24, 5. Doch hat der Pada-
Text des Rv. und Sv. (in den übrigen Samhitä's kommen keine
Formen — ausser der aus der TS. schon angeführten Stelle
und im XXten Buche des Atharvav. — von pdrinas oder parinasd
vor) weder an dieser Stelle noch an der anderen Verkürzung des
f und eben so wenig Trennung des Wortes in zwei Theile.
Bem. zu 80: Die mit pärtnasam zusammenhängenden Formen,
welche ausserdem vorkommen, sind
pariftasäm.
p&r t-ftasaA.
p&rtftasä) dieses auch in den Zusammensetzungen:
gö-partftasä (und
göpar tftasam, als VL. desselben in Sv. IL 1. 1. 7. 3, wäh-
rend Ath. XX. 22, 3 mit Rv. stimmend göparinasd hat).
p&rtfiasl (nur im Sdmaveda L 1. 1. 3. 14 als VL. von Rv.
VIIL 84 (73), 7, YfO pirtmsdh).
In allen diesen haben Rv.-Pada und Sv.-Pada partnas-, die Ver-
fasser dieser Pada's haben es also weder für eine Zusammensetzung ge-
nommen, noch das i für eine ungrammatische Länge. In dem erstren
Punkte haben sie sicher Recht, ob im zweiten ist zweifelhaft, wie mir
scheint, sogar nicht richtig. Erst nach ihnen, als die etymologische
Erklärung die Herrschaft erlangte, fasste die Ansicht, welche wir bei
S&yana finden (zu Rv. I. 56, 2; III. 24, 5; V. 10, 1), dass das Wort
eine Ableitung von dem Verbum nas mit pdri sei, festen Fuss, und
führte die Pada-Lesung in der TS. herbei. Dass pdrinas eine Ableitung
J
D.QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJtfH.- U. PADA-TEXTEN D. V. 31
von par 'füllen' sei, findet sich in meiner Vo.-Qr. d. Sskritspr. [1862]
S. 165« § 414 ausgesprochen; an eine Trennung des Wortes in zwei
Theile ist demnach nicht zu denken. Wer aber die Abhandig 'Ueber
einige Wörter mit dem Bindevocal i im Bigveda' (im XXIVst. Bde) und
den Aufsatz über 'Das sanskritische Suffix ina u. s. w.' (in Göttinger
Nachrichten 1879, S. 109 S.) gelesen und sich der Wörter mit unmit-
telbar antretendem nas (wie z. B. dp-nas) erinnert, wird kaum umhin
können, die ursprüngliche Länge des ( sehr zu bezweifeln, und dieser
Zweifel erhält keine geringe Berechtigung, wenn man sieht, dass das i
in allen sieben Wörtern und zwar, mit einer einzigen Ausnahme, in
allen Fällen an Versstellen erscheint, in denen es höchst wahrscheinlich
durch metrischen Einfluss entstanden ist. Es findet sich nämlich in
(6 in 8) Rv. IIL 24, 5 (= TS. II. 2. 12. 6). — IV. 31, 12. —
V. 10, 1 (= Sv. L 1. 2. 4. I, wo aber eine andre Leseart). —
VIIL 21, 7; 45, 4 (= Sv. IL 1. 2. 7. 3 = Ath. XX. 22, 3);
77 (66), 9; 84 (73), 7 (= Sv. L 1. 1. 3. 14); 97 (86), 6. —
X. 62, 10.
(10 in 12) Rv. L 56, 2; 129, 9 (zu lesen rdiÖL)\ 133, 7 (=
Ath. XX. 67, 1).
(2) Rv. IX. 97. 9 (= Sv. IL 4. 2. 1. 3).
In diesen 13 Fällen darfen wir also die Länge des % als Folge des
Metrums betrachten.
Nicht entschieden metrisch ist die Länge in
(6 in 11) Rv. I. 166, 14, wo dadurch \v — v — | als zweiter
Fuss entsteht, während | vw — \ häufiger ist, vgl. jedoch zu No. 46 und
67. Auf keinen Fall ist dieser einen unmetrischen Länge, den 13 übrigen
gegenüber, ein Gewicht beizulegen; sie konnte auch durch die Zahl der
letzteren herbeigeführt sein.
Ist diese Annahme richtig, so steht partnas- für ursprüngliches por-
rinas- und % ist der gewöhnliche Bindevocal, welcher sich, im Gegen-
satz zu dr-nas, -bhamas aus dem vocaliscben Theil des r entwickelt hat,
und durch den Einfluss des Metrums zu 1 geworden ist (vgl. die er-
32 THEODOR BENFEY,
wähnte Abhdlg 'Ueber einige Wörter mit dem Bindevocal f insbesondre
§ 7, S. 20 ff.)-
81. part-ftih-aml
* ,,. * y 8. zu 79 — 84.
par t-u&h-i f
(6 in 8) Ath. XIX. 48, 1.
Metrisch; nicht entschieden metrisch (aber vgl. zu No. 4 6 ; 67 ; 8 0) in
(6 in 11) Rv. I. 33, 8.
vgl. pä'rt-itahya No. 87.
82. pari-Täpä, 8. zu 79 — 84.
(2) VS. XIX. 21.
83. päri-Trita, s. zu 79—84.
(6 in 8) Rv. I. 130, 3«. — Ath. X. 2, 33; 8, 31.
(10 in 12) Rv. I. 130, 3^; 144, 2. — II. 17, 1; 23, 18. —
IV. 45, 2 — X. 113, 6.
Metrisch, vgl. jedoch zu 36; nicht entschieden metrisch in
(6 in 11) Rv. VII. 27, 2 (wieder v ~ v — wie schon mehrfach,
vgl. zu No. 81).
84. pari-<^ä, s. zu 79—84.
(6 in 8) Ath. V. 14, 3.
Metrisch.
85. parvat ä-Trfdh (RPr. 554).
(6 in 8) Rv. IX. 46, 1.
(10 in 12) Rv. IX. 71, 4.
Metrisch.
86. paTi-nasA (Whitney zu AthPr. III. 12).
(2) Ath. VIII. 6, 21.
Metrisch.
87. pä'r 1-ftahya (TPr. III. 7). abgeleitet von part-ftäh (vgl. 81),
[^ in welchem die Länge des ( in letzterem zu der Zeit der TS.
fixirt war.
(Prosa) TS. VI. 2. 1. 1.
88. pfb&-plba (RPr. 545).
I
^«^^n^^Hi«i^U«M«l
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. 8AJKH.- U. PADA-TEXTEN D. V. 33
(2) Rv. IL 11, 11. — X. 22, 15.
Die ursprüngliche Länge (vgl. IVte Abhdlg, 1 Abthlg S. 34 unt^r
kalpayci) ist im Torderen Oliede entweder bewahrt, oder durch das Me-
trum wieder hervorgerufen.
89. piirl-t&t (VPr. III. 128; Whitney zu AthPr. III. 12). Es
ist kaum zu bezweifeln, dass paritat (P4n. VI. 3, 116 Seh.,
Vdrtt. zu VI. 4, 40, Vopad. 26, 78) eine Variante davon ist
(vgl. Colebrooke's paritat statt puritat im Amarak. 2. 6. 2. 17
und St. Petersb. Wtbch unter puritdt). Welche Form die
richtige sei, kann zweifelhaft scheinen, allein die Erklärung
Mahidhara's zu VS* XXV. 8 hridaydcchädakam antram und
die Vergleichung der Bedeutung *Leib, Körper' (als Burg des
Purusha gedacht) von pur (St. Petersb. Wtbch IV. 775 unter
2 pur, 2), pura, n. (ebdslbst 776, 2), purt, f. (ebdslbst 13, 6),
sowie die Identität von pur% mit purt machen es kaum zwei-
felhaft, dass die Form mit u die richtige ist.
(2) Ath. X. 9, 15.
(Prosa) VS. XXV. 8. — XXXIX. 9, — Ath. IX. 7, 11.
Das i könnte in der ersten Stelle metrische Dehnung sein; die
grammatische Form purt- würde dann entweder als Locat. Sing, von
dem in den Veden allein erscheinenden pur zu betrachten sein, oder als
das in den Unddi-Sdtra IV. 142 angeführte Thema puri, das treue
Spiegelbild von noXi, beide für älteres pdri\ denn die Oxytonirung am
angeführten Orte ist sicherlich entweder irrig, oder spät, A^ purt nur
eine Umwandlung (durch Kürzung des t) von puri dem Femin. von piira
ist, welches also wie dieses (und das griechische n6X$) wohl sicherlich
paroxytonirt war.
Bei beiden Annahmen würde die grammatische Form, wie VPr.
und Ath.-Pada annehmen, in derXhat puri-tät sein. Allein das vordere
Glied konnte auch puri selbst sein und dann wäre die Samhitd-Form
auch die grammatische und es würde sich leichter erklären, warum die
Länge auch in Prosa erscheint
Dann entsteht aber die Frage, was dann die Verfertiger des VPr.
Histar.-phüolog. Classe. XXVL 2. E
• • . • *• •<
84 THEODOR BENFEY,
und des Ath.-Pada hätte bewegen können, die Kürze des i in der gram-
matischen Form anzunehmen. £s lässt sich zur Lösung derselben wohl
einiges vorbringen, aber nichts — so viel ich sehe — entscheidendes;
daher ich, zumal die Sache nicht von besonderer Wichtigkeit ist, fär
jetzt nicht weiter darauf eingehen will.
[purü-räyas wird in keinem der Veda-Pada*s getrennt, oder
mit ü statt ü geschrieben (vgl. Whitney zu TPr. p. 99). Den-
noch ist es keinem Zweifel zu unterwerfen, dass die grammatische Form
des vorderen Gliedes puru- ist. Die Entstehung der Länge könnte im
Rv. metrisch sein. Denn sie erscheint in der 2ten Silbe und — was
zwar nicht entschieden metrisch ist, aber schon mehrfach hervorgeho-
6
ben — in 6 in 11 ( v— v — | statt | vw — | ; vgl. Bem. zu 80.
Die Länge in der Prosa des Yajus Hesse sich aus den vier oder
sechs Stellen erklären, wo sie metrisch im Bv. entstanden ist. Viel-
«
leicht ist aber die Dehnung Folge davon, dass das Wort Eigenname ist.
(2) Rv. L 31, 4. — X. 95, 2; 5; 15.
(6 in 11) Rv. X. 95, 7; 11.
(Prosa) VS. V. 2 = TS. L 3. 7. 1].
90. purft-vrft (Whitney zu AthPr. III. 12).
(2) Ath. X. 2, 11.
Metrisch.
91. pütl gandhÄ (TPr. III. 7).
(Prosa) TS. II. 2. 2. 4 (ist im St. Petersb. Wtbch mit i ge-
druckt, ohne Bemerkung, vgl. daselbst, puti-karanja , neben
pütt'k^.
92 — 96. prati- wird im Ath.-Pada in den, mit i in der Samhitä
vorkommenden, vier Wörtern mit % geschrieben und ge-
trennt (s. Whitney zu AthPr. III. 12); im Rv. kömmt
nur ein Wort vor, in welchem praH- für pratf- erscheint, f
nämlich pratt-^, aber im Pada ebenfalls mit Länge und '
ungetrennt. Ausser diesen fflnf habe ich keines mit
• ••• • •
: • • • :
* • . • •
D. QUANTITATSVERSCHIEDENH, IN D. SA JfH.- U. PADA-TEXTEN D. V. 35
pratt' in den Veden notirt. Ausserhalb der Samhitd's er-
scheint aber prati- als vorderes Qlied einer Zusammen-
setzung sehr oft. s. St. Petersb. Wtbch IV, 988 ff. Man
vergleiche auch Pdn. VI. 3, 122; 123.
92. prati-kä^
(6 in 8) Ath. IX. 8. 6.
93. prati-bodhi.
(2) Ath. VIII. 6. 15. — IX. 35, 3.
(6 in 8) Ath. V. 30, 10.
Nicht metrisch (aber das Metrum mir noch nicht ganz klar)
in Ath. VIII. 1, 13.
94. prati-yart4.
(2) Ath. VIII. 5. 4.
(6 in 8) Ath. VIIL 5. 16.
95. prat i-Mrk.
(2) Ath. XL 7, 12.
96. prativf; pratt wird im Fada, wie schon bemerkt, weder ab-
getrennt, noch dessen I gekfirzt; es erscheint nur der Accus.
Sing. praHvyäm, zu sprechen pratki'am.
(6 in 8) Rv. VIIL 23. 1 (= Sv. L 2. 1. 1. 7); 26, 8; 39, 5*.
Bemerkung zu 92 bis 96:
Unter allen aufgezählten Fällen ist nur einer, der nicht metrisch
zu sein scheint; ich sage scheint, weil, wie bemerkt, mir das Metrum
noch nicht klar ist. Wir dfirfen also, ohne Rficksicht auf die 1 für f
ausserhalb der fflnf Vedentexte, mit ziemlicher VtTahrscheinlichkeit an-
nehmen , dass in der Vedenzeit nur präti gesprochen ward und deren
pratt- durch metrischen Einfluss entstanden ist.
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L
Geschichte der Fatimiden Chalifen
nach den Arabischen Quellen.
Von
F. Wüstenfeld.
Vorgelegt in der Sitzoog der EönigL Gesellschaft der Wissenschaften am 8. Juli 1880.
2.
C»
575.
3.
t
630.
4.
C»
662.
5.
t
672.
6.
t
681.
7.
t
732.
8.
t
808.
Die zn dieser Geschichte benutzten Qnellenschriftsteller sind nach der Reihen-
folge ihres Zeitalters:
1. C* 366. *Ar!b. An account of the establishment of the Fatemide dynastj
in Africa [ascribed to el Mas'üdi] by /. Nicholson. Tübingen 1840. ">^
Gamäl ed-din J^jJI^L^t bist, regnornm. Cod. Ms. Gothan. Nr. 245.
Ibn el-Athlr Chronicon ed. Tornherg.
Ibn *Adhari histoire de TAfrique et d^Espagne publice par IL P.
Ä. Dojsy. Leide 1848.
Georgiiel-MakinihistoriaSaracen. op. TA. J^j>ßnn. Lugd. B.1625.
Ibn Ghallikani vitae illastrinm virornm.
Abnlfedae Annales Maslemici.
Ibn Chaldün Chronicon ^1 v^xT Bülak 1284 (1867).
Histoire des Berberes par Ibn Ehaldoun. Texte Arabe publ. par
le Baron de Slane. T. 1. 2. Alger 1851. — trad. par le m^me.
T. 1—6. Alger 1852.
Histoire de TAfrique sons la dynastie des Aghlabites, texte Ar.
d'Ebn Khaldoun, trad. par Ä. Nod des Vergers, Paris 1841.
9. t 845. Mac rizi Geschichte von Ägypten ^L;:*::^»^ J2«:J^I Bülak 1270 (1853).
10. t 874. Abnl-Mahasin Ibn Tagribardii Annales ed 7. G. J. Juynbolh
T. 1. 2. Lngd. Bat. 1861. — Der Auszug Maured allatafet Jemaleddini
filii Togri-bardii ed. J. D. Carlyle. Cantabr. 1792 ist sehr dürftig
und in dieser Ausgabe fehlerhaft
11. t 911- Galäl ed-din el-Sujüti^y^lJ-^^j--^ Bülak.
12. f 1092. Mohammed ben Abil-Reini el-Kairouäni histoire de TAfrique ^
trad. par JE. Pellisier et Remusat. In der Exploration scientif. de
TAlgerie.. Sciences bist, et geogr. VII. Paris 1845.
Memoires historiques sur la dynastie des Ehalifes Fatimites par M. Quatrefuere <.
in dem Journal Asiat. III. Serie. T. 2. Aout 1836. Dieser aus dem grossen Ge-
Histor.'pMlolog, Classe. XXVI. 3. A
\
Schichtswerke d-Mukaffd des Macriei genommene Artikel geht nicht üher die Ab-
stammung des Obeidallah hinaus und ungeachtet der Unterschrift „La fin ä un
proehain numero" ist eine Fortsetzung nicht erschienen. Dagegen findet sich in dem-
selben Bande S. 401 und T. 3. Jan. et F^?r. Vie du Khalife Fatimite Moezz-li-din-
Allah par M. Quatremhre^ in einer nach den Quellen zusammengetragenen ausführ-
lichen Bearbeitung.
Silvestre de S(icy expose de la religion des Druzes — et la vie du Khalife
Hakem-biamr-allah. T. 1. 2. Paris 1838.
Die Frage nach dem Verhältniss dieser Historiker zu einander verdient noch
eine nähere Untersuchung. Ahul-Mahasin citirt in dem gedruckten Theile seiner
Annalen seinen Lehrer MacrUi nur an zwei Stellen, hat aber sicher mehr aus ihm
genommen ; den Ihn ChaUikän nennt er viel öfter. Wenn Ibn Chäldün nicht selten
in längeren Abschnitten mit Ibn el-Äthir übereinstimmt, so folgt daraus noch nicht,
dass er sie aus demselben entlehnt hat. Fast alle oben genannte Chronisten haben
noch andere ältere Werke benutzt, welche uns noch nicht näher bekannt sind^),
aus denen der eine diese, der andere jene Nachricht mag herübergenommen haben,
so dass sie in manchen Punkten wortlich mit einander übereinstimmen, in anderen
sich gegenseitig ergänzen. Selbst der jüngste Keirawäni hat bei aller Kürze (35
Seiten für die ganze Dynastie) einzelne Nachrichten, welche man bei den anderen
nicht findet und welche man gleichwohl nicht in Zweifel ziehen kann; das Arabische
haben die Herausgeber soweit verstanden, dass man ihrer Übersetzung trauen kann,
die sonstige Geschichte und Literatur der Araber scheint ihnen aber ziemlich unbe-
kannt gewesen zu sein, denn eine Menge von Namen haben bei ihnen eine Gestalt,
die sich selbst mit der Magribinischen Aussprache nicht wird entschuldigen lassen.
Zu diesen Historikern kommen die Geographen, welche bei einzelnen Africa-
nischen Orten viele geschichtliche Nachrichten mittheilen.
Description derAfrique septentrionale par Abou-Obeid el-Bekri. Texte Arabe
par deSlane. Alger 1857. — Übers, im Journ. As. V. Serie. T. 12 et 13. 1858—59.
Description de TAfrique et de l'Espagne par Edrisi, texte Arabe avec une
traduction par B. Doey et M. J. de Ooeje. Leyde 1866.
Descriptio al-Magribi sumta ex libro regionum al^aqubüj ed. M. J. de Goeje.
Lugd. Bat. 1860.
Nach den Angaben dieser Geographen habe ich unter Zuziehung neuerer
Hülfsmittel eine Karten-Skizze entworfen ,^ welche zum Yerständniss beitragen wird.
1) loh will nar an die sehr gesohätste Chronik von Eeirawän von Hasan ben Rasohik f 463
erinnern. Die Ägyptischen Historiker, welche als Zeitgenossen der Fatimiden deren Geschichte ge-
schrieben haben , el-Hasan Ihn Züläk f 887, Mohammed ben Abdallal el-Muaabbihi f 420, Moham-
med ben 8al&ma ^UCudhd^i f 454, werden von Biacrizi öfter citirt.
fLÄJt^yO^^ JLJÜ^L JÜjlUJt 'iiyXiS
Die Herrschaft der 'Aliden in Africa, Ägypten und Syrien.
»Der Fakih Gamdl ed-Dln Abul-Hasan Ali ben Dhäfir. der Sammler
ihrer Geschichte , dem man in dem , was er erzählt , vollen Glauben
schenken kann, sagt: Die Ansichten über den Ursprung dieser Dynastie
sind sehr verschieden und es wird fQr eine grosse Schande gehalten, dass
die Häupter derselben sich erdreistet haben zu behaupten, dass sie zu der
Familie des Propheten gehörten und von Alf und Fdtima, Muhammeds
Tochter, abstammten, woher sie den Namen Fatimi den erhielten. Der
Glaube ihrer Herrscher war die reine Gottesläugnung, und die Heuchelei,
welche das Gegentheil der inneren Überzeugung ist, trat bei ihnen offen
hervor; sie sind der Ursprung der Karmaten, welche die Religion dem
Abgrunde nahe brachten, sich gegen die Anhänger des Islamitischen
Glaubens offen empörten und sie als Feinde behandelten* Was ihre
Abstammung betrifft« so hat schon der fromme Scherif el-Hasanl aus
Damascus in seinem Buche gesagt, dass der so genannte el-Mahdi,
der erste Herrscher von ihnen, in Salamia ursprünglich Sa'id hiess mit
der Genealogie Sa'id ben Husein ben Ahmed ben Abdallah ben Meimdn
ben Dei^dn, Der bekannte Philosopsh el-Gazzdll hat hierüber in seinem
Werke el-Mustadhiri^) gehandelt, und schon vor ihm der Cadhi Abu
Bekr Ibn el-Teijib in seiner Schrift „Enthüllung der Geheimnisse und
Zerreissung der Schleier***). Sa'id war von seinem Oheim Muhammed
ben Ahmed mit dem Vornamen Abul*Schalaglag erzogen, und einer der
1) Hagi Chalfa No. 11942 giebt nur den Titel an,
2) Abu Bekr Mahammed ben el-Teijib el-Bäkiläni, ein angesehener Schola-
stiker zu Bagdad, starb daselbst im J. 403. Um ChalUkän No. 619. — Ibn 'Adhän
pag. 157 fuhrt dasselbe Buch an.
AI
4 F. WÜSTENPELD,
stärksten Beweise von der Richtigkeit dessen, was der genannte Scherif
über sie berichtet, — dass sie, nämlich die Vorfahren des „el-Mahdi**
betitelten Sa'id. Anhänger und Sendlinge (nicht Abkömmlinge) des
Muhammed ben Ismd'il ben Ga'far el-^ddik waren, welche die Leute
für ihn zu gewinnen suchten und vorgaben, er sei bis zu ihrer Zeit am
Leben erhalten, — ein solcher Beweis findet sich in einer von el-Farganf ^)
mitgetheilten Ca9lde des Abul-Hasan Ahmed ben Jahja el-Muna'ggim
als Entgegnung auf eine Ca^ide des Abd el-Rahman (d. i. Muhammed
el-Cdim), Sohnes des Sa'M mit dem Titel el-Mahdi. deren Anfang lautete :
Ich bin freudig bewegt, doch zieht es mich weder zu den fröhhchen Jungfrauen,
noch ist das Scherzen meine Art, noch das Spielen mir ein Bedürfniss.
Er rühmt sich darin selbst und schmäht auf die 'Abbasiden-Chalifen,
erwähnt auch darin Schagab, die Mutter des Muctadir billahi, und meh-
rere der ersten Dichter haben darauf geantwortet. Zu der oben er-
wähnten Ca9ide des Ihn el-Munaggim *) gehören als Antwort darauf die
beiden Verse, worin er den Sa'fd anredet:
Hast du nicht jüngst erst zur Huldigung eines anderen als du aufgefordert,
welcher nach deiner Meinung der erwartete Imam sei?
1) Abu Muhammed Abdallah ben Muhammed (oder Ahmed) el-Fargäni ist der
Verfasser einer Fortsetzung ^y^ zu den Annalen des Tabari, genannt KLait „der
Anhang", Hagi Chalfa No. 2250 und 2268, woraus Ibn ChalliMn No. 556, Fase.
VI. pag. 58 die Notiz nahm, dass Eäfür el-Ichscbidi im J. 357 gestorben sei, und
welcher auch von ^Ärtb in seinem nur wenige Jahre später verfassten Geschicbts-
werke citirt wird; vergl. Ibn ^j^dhäri, introduct. pag. 34. Mithin mnss el-Pargäni
an die Zeit des Obeidallah el-Mahdi herangereicht haben.
2) Nicht der Vater Jahjä, sondern der vierte Ahnherr Abu Man9Ür Abän war
als Munag'gim, Sternkundiger, bekannt und desshalb steht hier zur Bezeichnung des
Dichters Ahmed besser der Familien-Name Ibn el-Muna^im. Da Schagab bald
nach der Ermordung ihres Sohnes im J. 320 den Tod fand und Jahja 59 Jahre alt
im J. 300 gestorben ist, so wird man annehmen können, dass sein Sohn Ahmed mit
Abd el-Rahman (geb. 278) ziemlich in gleichem Alter gewesen ist und dieses Ge-
dicht etwa zwischen die Jahre 310 bis 315 fällt, alsSa'id seine Herrschaft in Africa
ausgebreitet und Abd el-Rahman sogar in Ägypten schon einige Erfolge erreicht
hatte, welche er freilich zur Zeit wieder aufgeben musste.
GESCHICHTE DER PATIMIDEN CHALIFEN. 5
Nan bist du selbst der geworden, welcher nach deiner Behauptung
dein Imäm sein sollte, du elender ! grosstes aller Wunder !
„Fast wäre zur Zeit des von ihnen mit dem Beinamen el-'Azlz be-
legten ihre Lüge mit dem Winde davon gegangen und ihr Betrug wie
flüchtiger Staub geworden, als 'Adhud ed*daula Fannächosruin Bagdad
herrschte, weil er die Scherife, die wirklichen Nachkommen des Abu
Tdlib, aus allen Gegenden von 'Irdk zusammenkommen Hess und über
jene befragte; keiner erkannte sie an, alle verläugneten sie und sagten
sich von ihnen los. Da nahm er ihre Schriften, verbrannte sie und
hoffte dadurch ihr Andenken zu verlöschen und die Muslimen vor ihren
Ketzereien zu bewahren. Er liess ein sehr zahlreiches, mit allem Be-
darf wohl ausgerüstetes Heer ins Feld rücken um gegen el-'Aziz zu
marschiren, bevor dies indess zur Ausführung kam, legte sich sein Bru-
der Fachr ed-daula ins Mittel, da er sah, dass dies wegen der Nähe des
feindlichen Landes ein sehr schwieriges Unternehmen sein würde; er
begab sich zu ihm, beruhigte ihn darüber und Fanndchosru kehrte nach
Bagdad zurück, wo er bald nachher starb ^).
„Soviel ich sehe, hat nicht einer der Genealogen es unternommen«
einen Stammbaum für sie aufzustellen, mit Ausnahme des bekannten
Scherff el-'Omari und seines gewöhnlich nur Scheich genannten Lehrers,
welche beide unter ihrer Herrschaft deren Aroma eingesogen und die
Süssigkeit ihres Goldes und ihrer Milch genossen hatten; aber die ver-
schiedenen Angaben über die Namen und die Anzahl der Vorfahren sind
ein genügender Beweis, dass alles nur gemachte Lüge und selbsterfun-
dener Betrug ist.**
Diese Vorrede des Gamfll ed-Din el-Halabl soll nach den anderen
Quellen zunächst etwas weiter ausgeführt werden.
Der als Stammvater genannte D e i 9 ä n , von Geburt ein Perser, war
Dualist*) und nach ihm werden die Anhänger der dualistischen Lehre
1) Dass der Verlan! doch ein etwas anderer war, werden wir nnten im Leben
des Chalifen el-'Aziz sehen.
2) i^^y^\ d. h. er nahm zwei Grundstoffe an, Licht und Finstemiss; rergl.
6 F. WÜSTENFELD,
Deifänier genannt. Sein Sohn Meimtin war Augenarzt und hatte den
Beinamen Kaddäh, d. i. Operateur , weil er mit einem Instrumente
mikdah in das Auge einstach, um das Wasser daraus zu entfernen; sein
Glaube war der Supernaturalismus oder Atheismus, worüber er ein Buch
unter dem Titel oIj**^' el-Mizän „die Waage*)'* geschrieben haben soll,
während er öffentlich sich als Schfit und Anhänger der Familie Muham-
meds bekannte. Sein Sohn Abdallah, welcher nach einigen der
Augenarzt mit dem Beinamen Kadddh gewesen sein soll, war in allen
Satzungen, Überlieferungen und Lehrmeinungen wohl bewandert; er
stellte ein System von neun Stuffen der Weihe auf, welche der Mensch
hinansteigen müsse, bis er sich von aller Religion frei mache, er wurde
Muattü Gottesläugner und Ibdhi Freigeist*), der in jenem Leben weder
Belohnung erhoffte, noch Strafe befürchtete, und war der Überzeugung,
dass er und seine Olaubensgenossen sich auf dem richtigen Wege und
ihre G^ner sich auf dem Irrwege befänden. Seine Absicht dabei war,
sich Anhänger zu verschaffen, und er gebrauchte dazu das Mittel, dass
er die Leute aufforderte, den Muhammed ben Ismä'll ben Ga*far el-C&dik,
welcher im sechsten Gliede von 'AU ben Abu Tdlib abstammend damals
in einigem Ansehen stand und in der später erfundenen Genealogie als
der vierte oder fünfte Ahnherr des Obeidallah el-Mahdi erscheint, als
Scharastäni übers, von Haarbrücher, Th. 1. S. 293. Es ist wohl nicht zweifelhaft,
dass die späteren Araber diesen Dei9aD mit IbD Dei9äD (Bar Dei9ai)) d. i. Bardesanes
für ein and dieselbe Person gehalten haben, während zwischen beiden ein Zeitraum
von mindestens 700 Jahren liegt. In der Bnlaker Ausgabe des MacrUfi^ Th. 1. S.
348, ist J^t and Xi^l za verbessern in (^^^JvaJI und Ä^yuül.
1) So Äbulfeda, Annal. Tom. IL pag. 310. Diese Stelle kannte de Sacy^ Re-
ligion des Druzes, Tome I. pag. LXVIII, behielt aber pag. CCCCXXXVIII die dar-
aas verschriebene Lesart der Handschrift des Nuweiri ^tJüLjt Ältnenddn bei, was
keine Bedentong hat, and dass der Yater des Dei9an, Sa*td mit dem Beinamen
Gadhbän, der Verfasser gewesen sei, Vergl. Um el-Aihir, Tom. VIIL ri, 6.
2) Mu^afpH genauer „der Leermacher*^, welcher die Eigenschaften Gottes läug-
net, ihn derselben entkleidet; Ibahi welcher alles für erlaubt hält. Scharastäni Th.
L S. 222 and 280.
GESCHICHTE DER FATIiUDEN CHALIFEN. 7
rechtmässiges Oberhaupt der Muslimen anzuerkennen. Er war aus sei-
ner Heimath Kara^ zwischen Hamadsän und I^pahän^) nach Ahwdz
gekommen und hatte hier durch seine Gelehrsamkeit und sein offenes
Bekenntniss für die Rechte und die Lehre der Schf iten einige Berühmt-
heit erlangt und Anhäger gewonnen, welche er als Sendboten aussandte,
um seine Ansicht zu verbreiten; da er dort aber auch Widerspruch er-
fuhr und auf unangenehme Weise belästigt und verfolgt wurde, floh er
nach ßa^ra, und als auch da seine Sache ruchbar wurde, begab er sich
nach Salamia in Syrien.
Hier wurde ihm ein Sohn geboren, den er Ahmed nannte und
welcher nach des Vaters Tode in dessen Fusstapfen trat. Er war der
erste, weichet^ eine Verwandtschaft seiner Familie mit 'Ali behauptete,
indem er vorgab, dass sie von dessen Bruder 'Akll ben Abu Tdlib ab-
stammte, was später in eine directe Abkunft von 'Ali umgeändert wurde.
Er schickte einen gewissen Husein el-Ahwäzi als seinen Sendboten nach
Irdk, wo er in der Umgegend von Kufa mit Hamddn ben el-Asch'ath,
genannt Carmat*)» zusammentraf, welcher bis dahin eine eigenthümliche
religiöse Richtung verfolgt und sich durch seinen frommen Wandel be-
kannt gemacht hatte. Carmat, nach welchem in der Folge die berüch-
tigten Carmaten benannt wurden, liess sich von Husein überreden seine
Lehre anzunehmen und wurde bald der Parteiführer der Schi'iten in Irdk.
Ahmed hatte zwei Söhne, Husein undMuhammed mit dem Vor-
namen Abul-Schalaglag, und als Ahmed starb, übernahm Husein in 'Irdk
1) Die Stadt Earag lag von Hamads&n 52 Parasangen, von l9pah&n 30 Para-
sangen entfernt. Jäcüt geograph. Wörterb. Bd. IV. S. 251.
2) Ja^y carmat bedeutet im Arabischen y,iu engen Linien schreiben'* im Gegen-
satz zu der damals üblichen grossen und weitläuftigen Ejifischen Schrift, oder ,;mit
kurzen Schritten gehen^* und Hamdän soll von kleiner Gestalt gewesen sein, nach
cPHerbdot Dagegen sagt Ihn el-AtUr, Chron. Tom. VUI. pag. 310 fg. das Wort
sei eine leichtere Aussprache fttr dass Nabataische ää^^ Karmttay welches „mit
rothen Augen*^ bedeute, die aber Hamdän nicht selbst, sondern ein Mann in Kufa
gehabt habe, in dessen Hause er als Kranker gepflegt war und nach welchem er
benannt wurde.
8 F. WÜSTENFELD,
die Führerschaft für die Rechte der 'Aliden. Während Abul-Schalaglag
in Bagdad blieb, verlegte Husein seinen Wohnsitz wieder nach Salamia,
wo er noch von seinem Grossvater Abdallah el-Caddäh her Besitzungen
hatte, welche von Verwaltern und Dienerschaft bewirthschaftet waren.
In einer Gesellschaft kam die Rede auf die Frauen von Salamia und es
wurde ihm die Wittwe eines Jüdischen Schmiedes als durch ihre Schön-
heit ausgezeichnet beschrieben; er heirathete sie und nahm ihren Sohn
Namens Sa'fd, welchen sie von dem Juden hatte, an Kindes Statt an,
gewann ihn lieb und sorgte für seine Erziehung und einen guten Unter-
richt. Indess starb Husein frühzeitig ohne selbst Söhne zu hinterlassen,
und da sein Adoptivsohn Sa'id erst etwa zehn Jahre alt war, trat Abul-
Schalaglag an die Spitze der Partei, Hess sich aber die weitere Aus-
bildung des Sa'id sehr angelegen sein.
Er schickte den Abu Abdallah el-Husein genannt el-Schi'i, einen bei
seinen Unternehmungen eben so schlauen als erfahrenen Mann, welcher
aus ^an'd in Jemen stammte und sich den Schf iten in Kufa angeschlossen
hatte, nach Jemen zurück mit dem Auftrage, sich mit Abul-Casim el-
Hasan ben Fara'g ben Hauschab el-Canddikf (d. i, Kistenmacher) zu ver-
binden, welcher in 'Aden schon für ihre Sache thätig war. el-Schi*i kam
nach Jemen im J. 270 und blieb dort mit jenem mehrere Jahre zu-
sammen; er entwarf den Plan, die Berberischen Stämme in Africa für
die 'Aliden zu gewinnen, nachdem dort schon einige Sendlinge vorgear-
beitet hatten, und reiste in dieser Absicht mit seinem älteren Bruder
Abul-Abbds el-Machtüm zunächst zur Messe nach Mekka*). Hier trafen
sie mehrere Kaufleute von dem Berberischen Stamme Kitdma*) und nach
mehrmaligen Unterredungen und Besprechungen, wobei el-Schfi sich
1) Nicht zur Wallfahrt, bemerkt Ihn 'Adsäri Tom. I. pag. 118, weil der ße-
such von Mekka und Medina nicht za den Vorschriften der Scht'iten gehört, viel-
mehr der des Grabes des Hnsein.
2) In diesem Namen finden sich in den Handschriften in der ersten Silbe alle
drei Vocale beigeschrieben, so dass die Aussprache Katäma, KitAma oder Kutama
lauten kann. Auf die Anspielung des Abu Abdallah el-Sch$'i auf eine Ableitung
von dem Arabischen Kitniän „das Verborgensein** ist nicht viel zu geben.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIPEN. 9
Aber die Verhältnisse ihres Landes unterrichten liess, die er fflr seine
Zwecke sehr günstig fand, wusste er schlauer Weise es so zu wenden,
als wenn er durch sie nach vielen Bitten sich überreden liess, mit ihnen
zu ziehn. Er reiste mit seinem Bruder in der Verkleidung der Kauf-
leute mit ihnen und erreichte nach manchen Fährlichkeiten, welche die
Schfitischen Geschichtschreiber sehr ausgeschmückt haben, um die Mitte
des Babf L 280 (Anfang Juni 893) die Gränze des Gebietes der Kitdma,
nachdem ihm schon einige der Kaufleute vorangeeilt waren und ihre
Stammesgenossen auf seine Ankunft vorbereitet hatten.
Er begab sich zunächst nach dem Berge Iki'gän *), der Hauptnieder-
lassung der Kitdma , und wurde alsbald von dem grössten Theile dieses
Stammes als Führer anerkannt. Als der Emir von Africa, der Aglabit
Ibr&him ben Ahmed , von diesen Erfolgen hörte , schickte er zu seinem
Verwalter von Mila*), um nähere Erkundigungen einzuziehen, und er-
hielt die Antwort, el-Schfi sei ein wohlwollender und gottesfOrchtiger
Mann, und damit beruhigte er sich. Indess fand el-Schfi auch eifer-
süchtige Gegner unter den Kitdma und noch mehr bei den anderen
Berbern, bis einer der angesehensten Häuptlinge der Kitdma Namens
Hasan ben Hdrün ihn unter seinen Schutz nahm und mit ihm nach
•
Td9rüt^) zog, wo sich ihre Anhänger sammelten, die Berbern in die Flucht
schlug und ihnen viele Beute abnahm. el-Schfl verschanzte sich bei
1) Die Aussprache des Namens steht schon bei den Arabischen Geographen
und Historikern nicht fest ; 'Gamal ed-Din hat immer Inkigän geschrieben and auch
Jäcüt Bd. I. S. 392 hat ihn nach dem Alphabet mit Angabe der Yocale unter
JnJdgän eingereiht, bemerkt aber, dass man auch Inkagän sage; andere sprechen
Jkigän. In den Handschriften des Edrisi^ pag. 105, findet sich die ganz abweichende
Lesart ItJciggän^ welcher die Herausgeber den Vorzug geben möchten. Der Berg
erhielt in der Folge den Beinamen „Haus der Flucht'S weil dort ihr Imäm el-Mahdi,
ebenso wie der Prophet Muhammed in Medina, eine Zuflucht fand.
2) Eine Stadt drei Tagereisen oder 18 Meilen. von Bi^äja (Bngia), eine Tage-
reise von Constantine*
•3) In dieser Lesart ci^jadIj scheinen die verschiedenen anderen zusammen zu
kommen o^^, o>J^^* ^^y^. ^^j)^^ {yj^'
Exstar.-phüolog. Classe. XXV L 3. B
10 P, WÜSTENPELD,
Tllfnlt, hier fanden noch mehrere Kämpfe statt, doch endlich wurde
Friede geschlossen.
Unterdess war Ibrdhim ben Ahmed im J. 289 gestorben und sein
Sohn Abul-Abbds Abdallah zur Regierung gekommen, welcher seinen
Sitz in Tunis nahm. Die unter el-Schfl vereinigten Berbern rückten
vor Mila, belagerten die Stadt und nahmen sie durch Verrath eines ge*
wissen Hasan ben Ahmed in Besitz; el-Schfi baute sich hier ein Resi*
denzschloss. Abul-'Abbds schickte ihm noch in demselben Jahre eine
Armee unter seinem Sohne Muhammed el-Ahwal M über Satif und Bilizma
entgegen , el-Schfi wurde geschlagen , zog sich über Td9nlt ins Ge-
birge von Iki'gdn zurück und sein Schloss in Mila wurde wieder zer-
stört. Eine zweite Schlacht fiel so zweifelhaft aus, dass sich jede Partei
für geschlagen hielt und el-Ahwal nach Tunis uud el-Schfi in das Ge-
biet der Kitdma zurückkehrte. Abul- Abbds rüstete eine neue Armee
aus, und auch el-Schfi verstärkte sich wieder, doch während die beiden
Heere auf dem Marsche nach Satif begriffen waren, wurde Abul- Abbds
auf Anstiften seines Sohnes Zijadatallah am 29. Scha'bdn 290 ermordet»
welcher sich der Regierung bemächtigte, seinen Bruder el-Ahwal zurück-
rief und ihn nebst den übrigen Prinzen umbringen liess. Diese Vor-
gänge und die darauf folgenden Aufstände konnten für el-Schfi nur
günstig sein, zumal da Zijadatallah sich einem zügellosen ausschweifen-
den Leben ergab, und endigten damit, dass el-Schi'i die Haupt- und
Residenzstädte Keirawdn und Raccdda im Ra'gab 296 einnahm, nachdem
Zijadatallah mit seinem ganzen Hofstaate und mit eiligst zusammen-
gerafften unermesslichen Schätzten nach Ägypten geflohen war und mit
ihm die Herrschaft der Aglabiten ihre Ende gefunden hate.
1) Das Adjectivuin eines Fehlers „schielend", wie der Name erklärt wird, kann
nur Ahwal lauten, „er schielte indess nicht wirklieh, sondern blinzelte mit den
Augen , wenn er Jemand ansah" ; also ist el-^nwal oder Abul-^uwal , wie einige
schreiben, mi richtig; allenfalls wäre noch Abul-^awal zulässig.
i
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 11
Bevor wir zur Geschichte der Dynastie selbst fibergehen, ist es
nöthig, die Abstammung derselben von einer anderen Seite zu betrachten.
Schon der Name Fatimiden-Chalifen drückt es aus, dass man ihren
Ursprung von 'AU und seiner Frau Ffitima herleitete und sie selbst
haben diese Verwandtschaft behauptet und geltend zu machen gesucht,
und vielleicht noch mehr ist dies von ihren Anhängern geschehen. Unter
den besten Arabischen Historikern giebt es zwei Parteien, von denen
die eine an dieser Abstammung festhält, während die andere sie be-
streitet und verwirft und die oben von uns gegebene mit geringen Ab-
weichungen annimmt. Zu den letzteren gehören elnFargdni und ^Arib
ums J. 357—366. Aha Bekr el-Bdküäni f 403 (vgl. oben S. 3), 'GamM
ed-din el-Halabi, Jäcdt^ eUMaktn, Ihn ChaUikän^ welchem AbuUMähdsm
folgt, Ibn 'Adsdfi, Abul-Fidd, eUNuweiH und elr-SujüH. Ihn eUAihir führt
Tom. VIII. p. 20 eine Menge Aliden-Schriftsteller an, welche die Ver-
wandtschaft mit 'Ali vertheidigt haben und er selbst scheint ihrer An-
sicht zu sein, legt dann aber seiner Darstellung eine Geschichte von
Africa und Magrib zu Grunde, deren Verfasser, ein gewisser Emir Abd
el-Aztz, eine Jüdische Abkunft des Obeidallah annahm. Ausdrücklich
für die Abstammung von 'Alf hat sich Ibn Chaldün erklärt und am ent-
schiedensten Macrtzi, welchem de 8acy sich angeschlossen hat.
Die Gründe dafür sind besonders folgende. Zu der Zeit, als el-
Mu'izz sich in Ägypten zum Chalifen ausrufen Hess, war die Nachkom-
menschaft 'Alfs so zahlreich und so weit verbreitet, dass ein trügerisches
Vorgeben einer Verwandtschaft sogleich hätte entdeckt werden müssen
und die damals sehr mächtige Partei der Schfiten würde sich selbst
nicht soweit erniedrigt haben, dass sie den Nachkommen eines Magiers
oder eines Juden für einen der ihrigen erklärt und als ihr Oberhaupt
anerkannt haben würde. Es lag aber im Interesse der 'Abbasiden-
Chalifen die Emporkömmlinge verdächtig zu machen, desshalb suchten
sie und ihre Anhänger die Abstammung derselben von 'All in Zweifel
zu ziehen und dazu wurde eine Genealogie erfunden, welche die Fati-
miden-Dynastie recht verächtlich machen sollte.
B2
12 F. WÜSTENFELD,
Dagegen ist einzuwenden, dass in diesem Falle den Schfiten um so
mehr hätte daran liegen müssen, die Zugehörigkeit der sogen. Fatimiden
nnd die Ächtheit ihrer Abstammung von 'AU unzweifelhaft zu beweisen,
was sie nicht vermocht haben. Wenn der Chalif el-Hdkim eine solche
Abstammung öffentlich behauptete, so ist sie gleichzeitig im J. 402 durch
ein in Bagdad aufgenommenes öffentliches Instrument geläugnet, s. unten;
das war aber nichts neues, denn wir haben oben S. 4 gesehen, dass
schon früher beim Auftauchen der Fatimiden-Frage derselbe Streit ge-
führt wurde.
Es ist der grösste Stolz der Araber, einer berühmten Familie an-
zugehören, in ganz besonderem Ansehen stehen aber die Nachkommen
des 'AU, welche sich den Titel „Scherif" , etwa „Hoheit", beilegten.
Zu allen Zeiten sind ihnen gewisse Vorrechte zugestanden, die ihnen
selbst ihre Gegner nicht haben streitig machen können und nicht streitig
gemacht haben, sobald sie nur nicht gegen die bestehende Regierung
sich auflehnten, und um zu verhüten, dass nicht unbefugte sich durch
falsche Angaben in die Familie eindrängten, waren in Ägypten noch
unter den Türkischen Sultanen angesehene 'Aliden besonders damit be-
auftragt, auf die Reinheit ihres Geschlechtes zu achten*). Unter solchen
Umständen muss es höchst auffallend erscheinen, dass man über die
Abkunft des Stifters einer grossen Dynastie ganz verschiedene Angaben
findet, so dass nicht einmal über den Namen seines Vaters, viel weniger
über seine Vorfahren Übereinstimmung herrscht. Selbst die Vertheidiger
der Fatimidischen Abkunft gestehen diese Widersprüche ein und führen
sie selbst an, und sie lassen sich am leichtesten übersehen in diesem
Stammbaum.
1) Vergl. m. Abhandl. Cälcaschandi ^ die Qeographie und Verwaltong von
Ägypten, S. 183 fg.
GESCHICHTE DBK FATIMIDEN GHALIPEN.
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14 F. WÜSTENPFLD,
Die den Namen vorgesetzten Zahlen bezeichnen die Reihenfolge
der vor ihnen als ihre Oberhäupter, Imdme, anerkannten Personen,
welche historisch beglaubigt sind; der zwölfte derselben verschwand als
Knabe von zehn Jahren im J. 265 und seine Rückkehr wurde von den
Schfiten erwartet. Nun soll also der Stifter der Dynastie dieser er-
wartete, welcher in Africa den Namen 'Obeidallah angenommen habe,
oder dessen Bruder gewesen sein , welcher sich gleichfalls eUMahdi „der
auf dem rechten Wege befindliche*' nannte. Nach einer anderen An-
gabe bei Um ChalUkdn und nach einer Lesart bei Ihn el-Äthlr war
'Obeidallah (3) ein Vetter des Verschwundenen. Eine grosse Partei
lässt 'Obeidallah von dem sechsten Imdm Ga'far el-^ddik durch seinen
Sohn Ismä'il abstammen, nach welchem die von den Schi'iten abgezweigte
Secte der Ism&'iliten benannt ist, und hier giebt es wieder vier verschie-
dene Reihen um auf X)beidallah zu kommen; in der ersten (4), welche
Ihn ChalUkdn und Ibn ChaMün anführen, gelten die drei Vorgänger el-
Ridhä, el-Wa£[ und el-Taki auch sonst als historisch richtig und führen
den Namen el-Mastürün „die Verborgenen**, weil sie wegen der Nach-
stellungen der *Abbasiden-Chalifen sich stets im Verborgenen hielten.
Die zweite dieser Reihen (5) ist die von Ibn Chaldün und Macrizi als
richtig angenommene, und ersterer bemerkt dazu, dass Muhammed el-
Maktüm (der verborgene) und sein Sohn Ga'far und sein Enkel Muham-
med die drei sogen. „Verborgenen** gewesen wären. Die (6.) und (7.)
Reihe werden von Abulßdd erwähnt, aber verworfen, die (7.) von Jdcüt
bezweifelt, und die letzte (8.) noch bei Ibn Challikän vorkommende Reihe,
wonach 'Ali ben fiusein erst in Africa sich 'Obeidallah genannt haben
soll, kann am wenigsten in Betracht kommen.
Am meisten hätte noch die Abstammung von den ,, Verborgenen*'
einige Wahrscheinlichkeit für sich, aber sie gerade geben auch einen
starken Gegenbeweis. Die Partei der Schi'iten, von denen doch der bei-
weitem grösste Theil nicht von 'Ali abstammte, war sehr zahlreich und
von den Chalifen gefürchtet, sie schürten überall und es gelang ihnen
auch, einige bedenkliche Aufstände in Gang zu bringen, allein es ge-
brach ihnen an einer einheitlichen Leitung, es fehlte ihnen ein hervor-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 15
■
ragender Führer. Mit der neuen Glaubenslehre und ihrer systematischen
Weiterbildung, welche in der Folge in der Religion der Drusen einen
ihrer Gipfelpunkte erreichte , war es nicht gethan , es musste offen ge-
handelt werden , wenn ein bleibender Erfolg gegen die 'Abbasiden er-
ziehlt werden sollte, und dazu fehlte es den ,, Verborgenen'* noch mehr
an Muth, als den elf Imamen, welche wenigstens offen sich gegen die
Chalifen erklärten, dafür aber auch um so strenger überwacht wurden.
Wenn nun endlich ein solcher Führer auftrat und, kaum der Verfolgung
entronnen, in einem entfernteren Lande die Schaaren sammelte, welche
schon gut vorbereitet waren, so ist es nicht zu verwundern, dass sie
ihm folgten ohne nach seiner ebenbürtigen Abstammung viel zu fragen
und sie zu prüfen, und nachdem die Dynastie sich befestigt hatte, liess
sich der grosse Haufen leicht überreden, die Herrscherfamilie für Ab-
kömmlinge ihres vergötterten 'Alf zu halten. — Einige Arabische Histo-
riker, welche die Abstammung von All nicht anerkennen, aber auch
Ihn Chaldün, nennen nach dem Stifter 'Obeidallah die Dynastie 'Obeiditen,
andere 'Aliden, um indess Irrthümer zu vermeiden, mag man den Namen
Fatimiden-Chalifen beibehalten.
Wir kehren nach Salamia zurück. Abul-Schalaglag erzog den jungen
Sa'id in den Grundsätzen der Secte, verheirathete ihn mit seiner Tochter
und stellte ihn seinen Anhängern vor, welche ihn nach dem Tode des
Abul-Schalaglag als ihren Imdm anerkannten. Dies ist die Angabe selbst
eines 'Aliden, des Abul-Cdsim el-Abjadh, und Sa'M nahm jetzt den Na-
men Obeidallah an und gab sich für einen Sohn des elften Imdm el-
Hasan el-'Askarl aus, also für einen Bruder des verschwundenen Muhammed.
Obeidallah entwickelte eine grössere Thätigkeit nach aussen als seine
Vorgänger und benutzte dazu sein sehr bedeutendes Vermögen, womit
er seine Anhänger unterstützte und neue gewann. Schon durch seine
Beichthümer angelockt, noch mehr aber durch seine Umtriebe beunruhigt,
suchte der Chalif el-Muktafi ihn in seine Gewalt zu bekommen, doch
wusste er dessen Nachstellungen immer zu entgehen.
16 F. WÜSTENPELD,
Um diese Zeit schickte Abu Abdallah el-Schi'l zu ihm, welcher die
Verbindung mit den Führern in Salamia fortwährend unterhalten und
schon seit dem J. 288 die Berbern aufgefordert hatte, dem Obeidallah
als ihrem Oberhaupt zu huldigen, setzte ihn von seinen Erfolgen in
Magrib in Kenntniss und Hess ihn durch Abgeordnete der Kitdma und
wahrscheinlich auch durch seinen eigenen Bruder Abul-'Abbds, da wir
diesen nachher in seiner Begleitung treffen, einladen, zu ihm zu kommen,
um sich als Imäm ausrufen zu lassen und den offenen Kampf gegen die
'Abbasiden Chalifen zu beginnen. Obeidallah raffte alle seine beweg-
liche Habe zusammen und verliess mit seinem kleinen Sohne Abul-Cdsim
Abd el-Rahman und einigen Getreuen Salamia in der Absicht sich nach
Jemen zu begeben, da er aber unterwegs erfuhr, dass 'AU ben el-Fadhl,
der Nachfolger des Ihn Hauschab in der Leitung der Schfitischen Be-
wegungen, durch sein schlechtes Benehmen an Ansehen und Einfluss
verloren habe, schloss er sich als Kaufmann verkleidet einer Karawane
von Kaufleuten an, um über Ägypten nach Magrib zu kommen.
el-Muktafi hatte seinen Statthalter in Mi^r Isa el-Nüscharl *) schon
benachrichtigt, ihm eine genaue Personalbeschreibung des Obeidallah ge-
schickt und ihm befohlen, ihn im Betretungsfalle festzunehmen. Ein
Hofbeamter, ein heimlicher Anhänger der Schfiten. hatte hiervon Kunde
bekommen und beeilte sich Obeidallah zu warnen , welcher dann auch
nach kurzem Aufenthalte von Miijr wieder aufbrach. el-Nüscharf sandte
1) el-Nüscbari war Statthalter von Ägypten yom 7. Gumädä U. 292 bis zum
26. Scha^bän 297, schon desshalb ist die Angabe bei Ihn 'Ädsäri S. 214 unrichtig,
dass Obeidallah im J. 289 in der Verkleidung eines Kaufmanns nach Ägypten ge-
konunen sei. Durch die Empörung des Muhammed el-Chalan^ war aber die Statt-
halterschaft zehn Monate vom Ramadhän 292 bis zum Ra'gab 293 unterbrochen, und
da Ibn ^Adsäri S. 134 die Einkerkerung des Obeidallah in Si^ilmäsa schon unter
dem J. 292 erwähnt, so muss die Flucht desselben und seine Reise durch Ägypten
in der Mitte dieses Jahres stattgefunden haben, wenn auch wegen der weiten und
beschwerlichen Reise und des mehrmaligen Aufenthaltes die Ankunft und Einker-
kerung in Si^^lmäsa erst gegen das Ende des Jahres erfolgt sein mag, so dass die
Oefangenschafb etwa 3Vs Jfthr gedauert hat.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. IT
seine Späher aus und ging auch persönlich auf die Suche ; er traf Obeid-
allah, man sagt in der Nähe von Alexandria, glaubte ihn nach der er-
haltenen Beschreibung zu erkennen , hielt ihn fest , liess ihn in einen
Garten einkehren und begann ihn zu verhören. Darüber kam die Mit-
tagszeit herbei, und el-Nüscharl forderte ihn auf etwas zu essen, er lehnte
dies aber ab unter dem Vorgeben , dass er ein Fasten , welches er sich
auferlegt habe , nicht brechen wolle. el-Nüschari wurde stutzig , da er
wusste, dass die Schfiten nie fasten, er zog gelindere Seiten auf und
bat ihn, über sich die Wahrheit zu sagen, dann wolle er ihn frei lassen.
Obeidallah setzte ihn nun durch Betheuerungen in Furcht, verläugnete
sich und seinen Stand und hörte nicht auf, bis er ihn durch Drohungen
und Güte dahin brachte, dass er ihn frei liess und sich noch erbot ihm
eine Bedeckung mitzugeben, die ihn wieder zu seinen Reisegefährten
brächte, was indess Obeidallah ablehnte. Einige sagen, el-Ndschari
habe sich bestechen lassen; seine Begleiter tadelten sein Verfahren, er
bereute es selbst und wollte ihm schon nachsetzen lassen. Als Obeid-
allah seine Gefährten einholte, fand er seinen Sohn sehr betrübt über
einen Jagdhund, den er vermisste, die Diener meinten, er könnte in dem
Garten zurückgeblieben sein, und Obeidallah ging sogleich zurück um
ihn zu suchen. el-Ndscharl war noch dort und als er ihn sah und den
Grund seiner Rückkehr hörte, sagte er: Ihr wolltet mich veranlassen
diesen Mann festzunehmen und zu tödten ; wer sich schuldig fühlt und
für sein Leben besorgt sein muss , der wird sich beeilen heimlich davon
zu kommen und nicht umkehren um einen Hund zu suchen ; und er
liess ihn wieder fortgehen.
Obeidallah beschleunigte nun seine Flucht, wurde aber bei Tdhdna^)
von Räubern überfallen, welche ihm einen grossen Theil seiner Habe
1) Jäcüt Bd. lU. S. 487 macht die unrichtige Angabe, dass dieser Ort bei
CoBstaDÜne gelegen habe. Nach Edrtsi pag. 137 lag er auf dem Wege von
Alexandria durch die Wüste nach Barka und zwar nach den angegebenen Entfer-
nungen der Zwischenorte nur 102 Meilen oder eine Tagereise von Alexandria, nach
der auf der folgenden Seite sich findenden Bemerkung, dass 1150 Meilen zu 11 Vi
Tagereise d. i. 100 Meilen auf eine Tagereise gerechnet werden.
Histor.-philolog. Classe. XXVI. 3. C
18 F. WÜSTENFELD,
abnahmen, darunter die unersetzlichen, von seinen Vorfahren fiberkomme-
nen Schriften ^^^Xi d. i. Prophezeiungen über die Schicksale der zu-
künftigen Reiche und ihrer Herrscher^). Man sagt, dass sein Sohn Abul-
Cdsim auf seinem ersten Zuge gegen Ägypten diese Schriften in dem
genannten Orte oder in Barka wieder erhalten habe.
Obeidallah kam mit seinem Sohne nach Tripolis, verabschiedete sich
hier von seiner kaufmännischen Reisegesellschaft und schickte Abul-
'Abb4s, den Bruder des Abu Abdallah el-Schfl, der ihn begleitet hatte,
mit einigen anderen nach Keirawän vorauf, um zu den Kitdma zu ge-
langen. Unterdess war Zijädatallah von Bagdad aus schon fiber die
Reise Obeidallahs und seine Plane unterrichtet und Hess alle Reisende
streng überwachen, und so auch den Abul-Abbds, als er nach Kei-
rawän kam; er wurde aufgegriffen und verhört, läugnete aber jede Be-
kanntschaft und sagte: ich bin ein Kaufmann und in einer Karawane
mit einem mir unbekannten Manne gereist Indess wurde er einge-
kerkert, und als Obeidallah dies erfuhr, ging er nach Castilia weiter,
wo er sich durch Geschenke das Wohlwollen des dortigen Statthalters
sicherte, so dass dieser, als er von Zijddatallah den Befehl erhielt ihn
fest zu nehmen, antwortete, dass Obeidallah bereits wieder abgereist sei.
Er entkam auch den ihm nacheilenden Verfolgern und erreichte Sigil-
mdsa^, wo er den Statthalter el-Jasa' ben Midrdr sich gleichfalls durch
1) Diese Erklärung giebt Ihn Chäldün, Prolegomenes par Quairem^e II* Partie
pag. 176 (Not. et Extr. des Mss. Tome XVII); Traduction par M. O. de SUme.
Tome II. pag. 205 (Not. et Extr. Tome XX) ; vergl. de Sacy Chrestom. 2. Edit.
Tome II. pag. 298. — Hagi Chalfa No 12841 hat nur die Rubrik j,^>Xt ^ ohne
hier weitere Bücher über diesen Gegenstand zu nennen; FlügeCs Übersetzung Doc-
trina pugnarum magnarum ist hier nicht treffend genug, besser schon in der Um-
schreibung, welche er in der Einleitung Tom. I. pag. 36 gemacht hat. Daher ist
auch No 12877 im Singular 'lU-^vU nicht durch Strages magna Danidis^ sondern
in der Kürze durch Prophetia Danielis wiederzugeben.
2) Es ist auffallend, dass Obeidallah von Castilia aus nicht das näher gelegene
Gebiet der Kitäma zu erreichen suchte, und sich soweit wieder entfernte; vermuth-
lieh lagen Berberische Stämme dazwischen, welche sich nicht mit den Eit&ma ver-
einigt und sich noch nicht für el-Schi'i erklärt hatten.
GESCHICHTE DER FATIÄUDEN CHALIFEN. 19
«
Geschenke geneigt zu machen suchte. Als aber auch dorthin die Steck-
briefe des ZijÄdatallah gelangten, woraus el-Jasa' erst erfuhr, dass sein
Fremder derjenige sei, welchen el-Schfi znm Oberhaupt ausgerufen hatte,
warf er ihn und seinen Sohn jeden in ein besonderes Gefängniss.
Unterdess war gegen el-Schl'i ein gefährlicher Gegner aufgestanden,
ein Verwandter Namens Ibrdhfm ben Chanbasch^), welcher freilich nicht
kriegserfahren war, aber durch Austheilung von Geschenken eine Armee
von 40000 Mann um sich vereinigt hatte, die sich bei seinem Vormarsche
um das Doppelte vermehrte Er kam nach Constantine» wo noch grosse
Abtheilungen des Stammes Kitäma, welche sich gegen el-Schfl erklärt
hatten, sich ihm anschlössen. el-Schl'i zog sich ins Gebilde zurück und
verschanzte sich dort, und nachdem Ihn Chanbasch sechs Monate ver-
gebens auf einen Angriff gewartet hatte, beschlos» er selbst dazu über-
zugehen und ging zwei Tagereisen nach der in einer weiten Ebene ge-
legenen Festung Bilizma^ vor. el-Schfi hatte ein ausexiesenes Reiter-
corps zum Recognosciren ausgeschickt, welches alsbald von Ibn Chanbasch
angegriffen wurde, und als el-Schl'l dies gemeldet wurde, kam er mit
seiner ganzen Armee herbei und schlug die Feinde in die Flucht, nach-
dem sie ihr ganzes Gepäck abgeworfen hatten, welches den Siegern in
die Hände fiel. Ibn Chanbasch, selbst verwundet, floh bis Keirawän
und el-Schfi schickte einen Vertrauten in der Verkleidung eines
Schlächters, welcher Fleisch verkaufte, nach Si'gilmdsa zu Obeidallah,
um ihm von diesem Erfolge Nachricht zu geben und ihm heimlich eine
grosse Summe Geldes zustecken zu lassen.
Indess fühlte 8ich el-Schfl wohl nicht stark genug um schon da-
mals diesen Sieg ganz auszunutzen, und im J. 293 sandte Zijddatallah
wieder ein Heer gegen ihn aus nach el-Urbus') unter Anführung von
1) Verschiedene Lesarten: Chnneisch^ ^ubeisch, Habaschi.
2) Mehrfach verschrieben in K^, ^jt^ Eabuna.
3) (jw^i^t etr-TJrbus d. i. Laribus drei Tagereisen von Keirawän mid zwei von
Tunis. JäcM Bd. L S. 184. Edrisi pag. 117 fg. Man erkennt leicht, dass das
anlautende I im Arabischen in den Artikel- d übergegangen ist und nur bei Bekri^
C2
20 F. WÜSTENFELD,
Mudli'g ben Zakarijd und Ahmed benMasrdr; diese beiden lehnten sich
aber am 10. Gumddd IL auf und kamen am 16. d. M. mit der Armee
wieder vor Keirawdn an; das Volk zog hinaus und trieb sie zurück,
wobei das Pferd des Mudlig stürzte und er auf der Stelle getödtet
wurde; Zijddatallah wollte sich schon selbst hinausbegeben, als er diese
Nachricht erhielt, und Hess nun in Keirawdn und dem ganzen Districte
einen Sieg verkünden. Der Grund der Auflehnung war gewesen, dass
Zijädatallah wegen eines I^ndgutes, gen. el-Guleidia, einen Rechtsstreit
gegen ihn geführt und der Cadhi von Keirawdn Gammds ben Marwdn
gegen Mudli'g entschieden hatte, woraus ein gegenseitiger Hass ent-
standen war.
Bald nachher kam ein Schreiben des Chalifen el-Muktafi an alle
Bewohner Africas, Zijddatallah zu Hülfe zu kommen und ihn in dem
Kriege gegen el-Schfi zu unterstützen. Dieses Schreiben wurde überall
verlesen und Zijddatallah zog selbst hinaus nach el-Urbus, lagerte sich
westlich von der Stadt und sammelte hier ein grosses Heer; er vertheilte
ungeheure Summen Geldes, jeder Mann erhielt ungezählt eine Schaale
voll Dinare, liess sie sich in seine Tasche schütten, setzte sich damit
zu Pferde und verschwand, ohne sich wieder sehen zu lassen. Zijddatallah
richtete seinen Marsch nach Bdgdja und nahm die Festung Tubna zum
Stützpunkte, in welche er eine starke Besatzung legte unter dem Com-
mando seines Kammerherrn Abul-Mukdri' Hasan ben Ahmed, welchem
Schabtb ben Abu Schadddd el-Camüdl und Chafd'ga el-'Absl, die sehr
streng waren, als Verwaltungs-Beamte zur Seite standen, mit dem Be-
fehle gegen die Kitäma Streifzüge zu unternehmen, und es fanden hier
auch mehrere Gefechte statt, in denen von beiden Seiten viele getödtet
wurden.
Indess el-Schfi bemächtigte sich in der Folge der Festung Bilizma,
und Tubna ergab sich am letzten Tage des Jahres durch Capitulation ^) ;
TAfrique pag. 46 kommt die ursprüngliche Form \j^^ vor. Da man statt Laribos,
als Ablativ gedacht^ auch als Nominativ Lares findet, so würde die oft vorkom-
mende Punctation ^jM^^t el-Ares ebenso ihre Berechtigang haben.
1) So nach Ibn 'AdsArt pag. 136; nach Ihn el-AtW VIII, 31 hielt die Stadt
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 21
der Statthalter Abul-Mukdri' Hasan kam ihm mit den genannten beiden
Einnehmern entgegen, um ihm den vorräthigen Tribut auszuliefern; dem
einen, welcher den Zehnten gesammelt hatte, gab er diesen zurück mit
dem Befehl ihn den Contribuenten wieder zuzustellen, der andere hatte
von den Juden und Christen die Kopfsteuer erhoben, aber nur halb so-
viel genommen, als er nach der Verordnung des Chalifen Omar berech-
tigt gewesen wäre. Diese Abgabe fand el-Schfl in der Ordnung, nahm
sie an und vertheilte sie unter seine Soldaten. Mit Ausnahme einer
geringen Armensteuer wollte er von anderen Auflagen nichts wissen und
erwarb sich dadurch das Vertrauen der ganzen Bevölkerung, die ihm
ihre Unterwürfigkeit erklärte.
Auf die Nachricht hiervon wurde Zijddatallah sehr bestürzt und
Hess el-Schfl auf den Kanzeln verfluchen; er sammelte noch mehr
Truppen und schickte von dem Sammelplatze el-Urbus, wo er sich selbst
befand, einzelne Corps unter besonderen Anführern nach verschiedenen
Seiten aus. Schon in der Mitte des Muharram 294 ging Ibrdhtm ben
Habaschi mit einer Armee wieder gegen Tubna vor; Hdrün Ihn el-
Tubni zog mit 12000 Mann nach Ddr Mallül, einen starken Tagemarsch
westlich von Tubna, ermordete die Bewohner, welche sich für el-Schfi
erklärt hatten, und zerstörte die hoch gelegene Citadelle. Auf dem
Rückmarsche stiess er auf ein Streifcorps, welches el-Schfl unter dem
Befehl des Garraweih (oder 'Artlba) ben Jtlsuf auf Recognoscirung aus-
geschickt hatte. Beim Anblick desselben schraken Hdrün*s Leute zu-
sammen, erhoben ein grosses Geschrei und ergriffen die Flucht, ohne
einen Kampf zu wagen. Garraweih glaubte dies sei eine Kriegslist und
zögerte mit der Verfolgung, als er aber einsah, dass es wirklich eine
Flucht sei , eilte er ihnen nach , und eine unzählige Menge , darunter
der Anführer Hdrün, wurde getödtet. Die Stadt Tfgis ergab sich
Tobna eine schwere Belagerung aus, bis durch die ao die Mauer herangebrachten
Maschinen ein Thnrm zum Einsturz gebracht und nach einem heftigen Kampfe die
Stadt genommen wurde; die Anführer hatten sich in die Festung zurückgezogen
und wurden noch belagert, bis sie capitulirten.
22 F. WÜSTENFELD,
an Jüsuf el-Gassäni, einen General des Schl*l, und Zijddatallah , wel-
cher sich in el-Urbus nicht mehr für sicher hielt, übertrug den Ober-
befehl über die dort versammelten Truppen an Ibrdhtm ben Ahmed ben
Abu Ikdl, begab sich nach Raccdda und liess diese Stadt durch eine Mauer
von Backsteinen in Vertheidigungsstand setzen.
Im übrigen setzte er sein zügelloses Leben fort, machte Lustfahrten
auf dem See, veranstaltete allerlei Vergnügungen und Zechgelage mit
Herumstreichern, verschmitzten jungen Leuten, Sängern und Schlemmern,
und wenn er ja einmal in dem Gedanken an den Untergang seines
Reiches und dass der Feind schon den grössten Theil seines Landes er-
obert hatte, sich der Betrübniss hingeben wollte, kam einer der Lustig-
macher und sagte: Mein Gebieter, kennst du nicht das schöne Lied so
und so? lass es dir vorsingen, wir wollen dazu trinken, und lass diesen
Trübsinn fahren. Dann erschienen die Sänger und sangen ein Lied mit
dem Refrain:
Fttlle den Becher und lass uns trinken, bis es genug ist.
Dadurch wurde Zijddatallah wieder aufgeheitert, er flberliess sich wieder
dem Essen und Trinken und allen Vergnügungen, und seine Genossen
halfen ihm darin nach. Einmal hatte einer seiner Leibpagen Namens
Chattdb sich erdreistet, diesen seinen Namen auf die Gold^ und Silber-
münzen prägen zu lassen; das war dem Fürsten doch zu viel und er
liess ihn ins Gefängniss werfen und in Ketten legen. Indess bald nacsh-
her wusste ihn eine Sängerin in einem Liede an Chattdb zu erinnern
und fßr ihn um Begnadigung zu bitten, und er wurde durch ihren Ge-
sang so bezaubert, dass er ihm nicht nur die Freiheit schenkte, sondern
auch wieder an seinen Hof nahm.
Als el-Schfi im Scha'bdn sich der Stadt Bdgäja, drei Tagereisen
von Constantine und vier von Tubna, bemächtigte, vermehrte sich die
Besorgniss bei Zijddatallah und er fragte Abdallah Ibn el-^dSg um Rath»
was er thun solle; dieser rieth ihm, heimlich nach Ägypten zu flüchten
und in Africa einem General den Oberbefehl über die Armee zu über-
tragen und diesem die nötbigen Geldmittel zurückzulassen. Er ging
darauf ein und befahl 500 Gamete für den Transport seiner Habe an-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 23
zukaufen; dann aber wurde er wieder zweifelhaft und fürchtete, dass
das Volk gegen ihn aufstehen und sich an ihm rächen würde, und er
stand davon ab. Ibrahim ben Habaschi hatte gemerkt, was er beab-
sichtigte, er redete ihm zu, hielt ihm das Beispiel seiner Vorfahren vor,
sprach ihm Muth ein und verhiess ihm mit Gottes Hülfe den Sieg; Zijddat-
allah hörte auf seine Worte, er fühlte sich neu gestärkt und Hess seine
Leute mit den Camelen nach el-Urbus abziehen.
Zwischen hier und Bdgdja machte nun die Seiterei von beiden
Seiten beständig Streif züge hin und her, rings um Raccftda wurden Zelte
und Baracken aufgeschlagen und die Einwohner von Keirawän richteten
Nachtpatrouillen um die Stadt ein, um sich gegen plötzliche Überfälle
zu sichern; Zijädatallah- erneuerte seine Heeresmacht, suchte sich Alle
durch Geschenke geneigt zu machen und begab sich im Muharram 295
nach Tunis, um auch dort alle seine Angelegenheiten zu ordnen.
el-Scbfi breitete unterdess seine Herrschaft immer weiter aus durch
verschiedene Colonnen, die er entweder selbst führte, oder bewährten
Führern anvertraute. Die Stadt Ma'ggdna, drei Tagereisen von Con-
stantine, wurde mit Sturm genommen, der feindlich gesinnte Stamm
Nafza fiberfallen, Ttfäsch, eine Tagereise von el-Urbus, ergab sich dem
dahin gesandten Corps und eine von dort an el-Schf{ abgeschickte De-
putation der Häuptlinge erklärte ihm ihre Unterwürfigkeit, nur nahm
Ibrdhim bald darauf von jenen Gegenden wieder Besitz. el-Schfi selbst
rückte über Miskijdna und Tabissa nach Madbara ^) , wo er auf eine Ver-
sammlung von Leuten ausCa9r el-Ifriki, Marma'ganna, Ma'ggdna und an-
deren Orten stiess, welche sich dorthin geflüchtet und verschanzt hatten.
Als er die Belagerung und den Kampf begann, erkrankte er an Steinbe-
scbwerden, die ihn zuweilen heimsuchten, so dass er mit sich selbst ge-
1) Ibn elrAthir YIU. 38, 4. Ein sonst nicht Torkommender Name; auch in
den Varianten ist kein bekannter Ort zu entdecken. Prof. de Ooeje hält es für
sicher, dass 8^<X« Madgara zu lesen sei, welches als Name des Berber-Stammes für
ihre Hauptstadt stehe, die sonst Miliäna heisst. Vergl. cU-Jagubij pag. 99. Dann
ist auch 8^£Ju als Ort Ibn 'Adsdri IV 13 und als Stamm Behri, VAb. 75 uli der-
selbe Name.
24 F. WÜSTENFELD,
nug zu thun hatte und die Vorgänge nicht überwachen konnte, und
während sich die Belagerten ergeben wollten und ein Theil seiner Armee
die Capitulation annahm und die Festung besetzte, drang ein anderer
Theil ein und fing an zu morden und zu plündern, worüber el-Schi*i
sehr ungehalten wurde. Er zog dann ab und belagerte el-Ca^rein (die
beiden Festungen) von Camüda, deren Besatzung sich ergab.
Zijddatallah hatte inzwischen den Oberbefehl seinem Verwandten
Ibrdhim ben Abul-Aglab übertragen, welcher auf die Nachricht, dass el-
Schfi Raccdda bedrohe, wo Zijddatallah nur wenige Truppen hatte, el-
Urbus verliess und bis Durdamin^) vorging. Hierhin richtete auch el-
Schfi seinen Marsch, seine Vorhut kam mit dem Feinde ins Gefecht,
eine grosse Anzahl derselben wurde getödtet, die übrigen ergriffen die
Flucht, als el-Schi'l, der sich verspätet hatte, mit der Hauptarmee noch
eben rechtzeitig eintraf, die Fliehenden schon durch sein Erscheinen
ermuthigte und zur Umkehr brachte, so dass sie den Angriff erneuerten
und unter der Armee Ibrahims ein Blutbad anrichteten, welches erst durch
die Nacht unterbrochen wurde. el-Schi'f wandte sich nun gegen Castilia*),
welches sich nach einer kurzen Belagerung ergab; er nahm hier alle
Schätze und Vorräthe weg, welche Zijädatallah zurückgelassen hatte, zog
dann nach Caffa®), dessen Einwohner um Frieden baten, kam hierauf
wieder nach Bdgdja, wo er eine Besatzung zurückliess, und kehrte zu-
letzt in sein Winterquartier im Gebirge von Iki'gdn zurück. Diese Ge-
legenheit wollte Ibrahim benutzen, um Bdgäja wieder zu gewinnen, er
erschien dort mit seiner Armee und schloss die Stadt ein ; auf die Nach-
richt hiervon sammelte el-Schfl in Eile ein Corps von 12000 Reitern
und befahl dem Anführer, wenn er nach BdgSja komme und Ibrahim
wieder abgezogen sei, ihn nicht weiter zu verfolgen. Die Besatzung
hatte unterdess allein sich zur Wehre gesetzt zur Bewunderung und
1) de Goej^s Verrnnthnng ist wohl nicht zweifelhaft, dass dies derselbe Ort
sei, welchen Edrisi p. 91 Dur Madin nennt, sechs Tagemärsche von Ca9rein.
2) Name eines Districtes, der auch für die Hauptstadt Tauzar gebraucht wird.
3) Ein Knotenpunkt, wo die Strassen von mehreren Seiten zusammentreffen,
von Eeirawän 3 bis 4 Tagereisen, von Tauzar V/% Tagereise.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 25
Entmuthigung der Belagerer, und als das HQlfscorps sich näherte, trat
Ibr&him den Bückzug nach el-Urbus an, so dass jenes Corps bei seiner
Ankunft keinen Feind mehr antraf und nur einige zurückgelassene Ge-
genstände als Beute davontrug.
Beim Anbruche des Frühlings, als das Wetter günstig wurde, sam-
melte el-Schfi wiederum seine Truppen, die sich jetzt auf 200000 Mann
Reiter und Fussvolk beliefen, und auch Ibrdhfm vereinigte bei el-Urbus
eine zahllose Armee. el-Schff hatte seinen Leuten verboten Streifzüge
zu unternehmen oder überhaupt ihren Platz zu verlassen, und sie blieben
fast zwei Monate auf derselben Stelle ohne eine Bewegung zu machen,
so dass einige meinten» er sei krank, andere sogar, er sei gestorben.
Als er einmal eine Recognoscirung nach Castilia unternehmen liess, er-
griffen die dortigen Anführer Abu Muslim Man9Ür ben Ismd'il und
Schabfb ben Abul-^drim die Flucht und zogen sich auf die Stadt Tauzar
zurück; die Reiter el-Schffs schwärmten umher, verbrannten die Dörfer
und stachen die Viehheerden nieder. Dies war die Veranlassung, dass
am Hofe zu Raccäda sich eine Intrigue abspielte. Abdallah ben el-
^d%, der Ratbgeber des Zijddatallah , war zur Zeit des Emir Ibrdhim
ben Ahmed Secretär jenes Abu Muslim gewesen, es hatte aber zwischen
ihnen immer ein schlechtes Verbal tniss stattgefunden, und sobald Ihn el-^dlg
der Vertraute des Fürsten geworden war, hatte er nicht geruht, bis er
Abu Muslim von seiner höheren Stellung verdrängt hatte. Jetzt mass
er ihm alle Schuld an den Unglücksfällen bei Castilia bei und wusste
den Fürsten so sehr gegen ihn aufzubringen, dass er sein Todesurtheil
unterschrieb und Schabib zusandte. Dieser überreichte es selbst dem
Abu-Muslim, welcher es mit grosser Gelassenheit las und dann sagte:
Der unerfahrene junge Mann ist betrogen und wird sein Reich verlieren.
Dann ergriff er mit der linken Hand seinen Bart und schlug mit der
rechten sich selbst mehrmals an den Hinterkopf und sprach: Dies ist
die Vergeltung für den, der gegen Gott ungehorsam war und den Men-
schen gehorchte und unschuldiges Blut vergossen hat; wenn ich ihn
sich selbst überlassen und ihm nicht den Rath gegeben hätte, seine
Oheime und Brüder umzubringen, so wäre von seiner Seite das nicht
Histor.'phüolog. Glosse. XXV I. 3. D
26 F. WÜSTENFELD,
über mich gekommen, was mir jetzt bevorsteht. Dann wandte er sich
an Schabtb und sprach : Gewähre mir noch eine kurze Frist, bis ich mich
gewaschen und zwei Gebete gesprochen habe» womit ich mein Leben
beschliessen will. Dies wurde ihm gewährt, er betete und weinte, dann
trat er vor und ihm wurde der Kopf abgeschlagen und sein Leichnam
an's Kreuz geheftet und am zweiten Tage begraben. Dies geschah in
der Mitte des Monats ^afar^).
Am 1. Gumädd II. 296 brach el-Schfi auf, die beiden Heere
stiessen auf einander, es entstand ein furchtbarer, lange anhaltender
Kämpft der Sieg neigte sich schon auf die Seite der Truppen des Zijd-
datallah, da wählte el-Schfi 600 Mann zu Fuss aus und befahl ihnen,
«
den Feind zu umgehen und im Rücken anzugreifen. Ibräbim hatte den-
selben Plan gehabt und diese beiden Corps trafen in einem Hohlwege
zusammen; Ibrahims Leute ergriffen die Flucht und es verbreitete sich
in seiner Armee schnell das Gerücht, el-Schfi habe einen Hinterhalt
gelegt, wodurch die einzelnen Schaaren veranlasst wurden, sich eiligst
davon zu machen und sich in ihre Gebiete zu zerstreuen. Ibrdhim ent-
kam mit einigen, die ihm treu geblieben waren, nach Keirawän ; el-Schi'i
machte viele Gefangene, erbeutete Pferde, Lagergeräthe und andere
Dinge und zog am 23. Gumädd II. in el-Urbus ein, wo ein allgemeines
Blutbad angerichtet wurde. Ein grosser Theil der Einwohner hatte sich
in die Moschee geflüchtet und hier wurden über 3000 Personen^ nie-
dergemetzelt, so dass das Blut in Strömen floss; die Stadt wurde den
Soldaten zur Plünderung preisgegeben, dann ging el-Schl*i nach BdgAja
zurück, weil er fürchtete, dass sämmtliche Africaner sich gegen ihn ver-
einigen würden.
1) Ob in dieser aus verschiedenen Quellen zusammengetragenen Erzählung
der Begebenheiten immer die richtige Reihenfolge beobachtet ist, wage ich bei der
spärlichen Angabe der Zeitbestimmungen nicht zu behaupten.
2) So Ibn d'ÄtMr Tom. Yia. pag. 35; bei Ibn'Ädsäri pag. 143 übertrieben
in 30000, soviel konnten unmöglich an einem Tage von Morgen bis Abend umge-
bracht werden.
GESCHICHTE DEE FATIMIDEN CHALIFEN. 27
Zijddatallah erhielt die Nachricht von dieser Niederlage in Raccdda
am folgenden Morgen, Sonntag den 24, Dumfidd IL*); vor Schrecken
Hess er das, was er in der Hand hielt, auf die Erde fallen, er wusste,
dass er nun sein Eeich verlassen mflsse. Ihn el-^^ suchte noch das
Gerficht davon zu dfimpfen und liess vielmehr einen grossen Sieg aus-
rufen; zum Beweise hatte er in die Kerker geschickt und den Gefange-
nen die Köpfe abschlagen lassen, welche, nun als die Köpfe der erschla-
genen Feinde öffentlich gezeigt wurden. An den Thoren von Raccfida
liess er bekannt machen, dass jeder Keiter, welcher sich wollte anwerben
lassen, ein Handgeld von 20 Dinaren, ein Fussgänger 10 Dinare bekom-
men solle. Allein das Volk liess sich nicht täuschen, die eiligen Zu-
rflstungen zur Flucht, welche im Schlosse selbst getroffen wurden, Hessen
keinen Zweifel. Ibn el-^&ig versuchte noch einmal Zij&datallah zu be-
wegen, dass er dableiben möchte, dieser aber erklärte gerade heraus,
dass er ihn ffir einen Verräther halte, der mit eUSchfi im Einvernehmen
stehe. Er liess alle seine Habe auf die bereit gehaltenen Camele packen»
auch ein Theil seiner Frauen wurde mitgenommen. Ein junges Mädchen,
welches keinen Platz mehr hatte finden können und zurfickbleiben sollte,
ergriff im letzten Augenblicke der Abreise die Harfe und sang (aus
einem filteren Liede):
Nie werde ich den Tag des Abschiedes vergessen, als sie da stand
die Augen in Thränen gebadet.
Und als sie sprach, da der Zng sich in Bewegung setzte:
da verlassest nns, o Herr, und gehst davon?
In Gottes Schutz befehle ich eine Gazelle, die über die Trennung
trauert) und mir macht die Trennung brennende Qaalen.
Zijddatallah's Augen fällten sich mit Thrfinen, als er diese Worte von
ihr hörte, aber im Drange der Umstände und in seiner gedrückten Lage
konnte er sie nicht mitnehmen^. — Da bedenkliche Unruhen entstanden,
1) In diesem Jahre fiel nach unserer Rechnung der Sonntag auf den 25.
'Onmad& II., indess abgesehen davon, ob ein Datum vor oder nach Sonnenuntergang,
wo schon der folgende Tag beginnt, bestimmt ist, differirt die Africanische Rechnung
meistens um emen Tag.
2) So Ibn ^Adsäri pag. 144; nach Nuweiri in der Note von Noel des Vergers
D2
28 F. WÜSTENPEliD,
wurde schon die nächste Nacht auf den Montag ffir den Aufbruch be-
stimmt, und während das letzte Abendgebet gehalten wurde, schwang
sich Zij&datallah auf sein Pferd, zog sein Schwerdt, um sich nöthigen
Falls einen Weg durch die Menge zu bahnen, und indem er die Camele
vorangehen Hess, stellte er sich an die Spitze seiner Frauen und Kinder,
verliess Racc&da und begab sich nach Tripolis und nach einem Aufent-
halte von 17 oder 19 Tagen von da nach Ägypten^).
Ihn el-^ä^ dachte noch fOr sich und seine Umgebung zu sorgen
und hatte mit einigen Verwaltern öffentlicher Gelder verabredet, dass
sie dreissig Camele jedes mit 6000 Mithkäl beladen und sich dann an
einen bestimmten Ort begeben sollten, wo sie sich treffen wollten; in-
dess die Verwalter hintergingen ihn, sie schlugen bei Nacht einen an-
deren Weg ein und zogen nach Süsa, wo sie aber von dem Präfecten
Ihn el-Hamddnl festgenommen wurden, welcher das Geld in die Burg
bringen Hess, bis es den Schfiten in die Hände fiel. Ihn el-^^ ging
zu Schiff, um sich nach dem Orient oder nach Sicilien zu begeben,
wurde aber durch widrige Winde nach Tripolis verschlagen, wo sich
Zijddatallah damals noch aufhielt. Dieser liess ihn vor sich kommen
und machte ihm Vorwürfe, dass er ihn verlassen habe, er entschuldigte
sich, dass er in der Verwirrung und Angst ihm nicht habe folgen kön-
nen, und Zijddatallah wollte ihm das Leben schenken, jedoch seine ganze
Umgebung bestand auf seinen Tod, und ein Schwarzer Namens Rdschid
erhielt den Befehl ihm den Kopf abzuschlagen.
Am Morgen nach der Flucht des Emir entstand vollständige Anarchie,
ein grosser Theil der Einwohner von Baccdda war nach Keirawän ge-
flachtet, dagegen kamen die aus Keirawän und plünderten in Raccdda
zu Ebn Khaldouny bist, de TAfrique, pag. 154 nnd dessen Bist, des Berberes par
de Slane^ Tome 1. pag. 442, liess Zijädatallah einem Manlthiere seine Ladung ab-
nehmen nnd sie daranf setzen.
1) Seine ferneren Schicksale verfolgen wir hier nicht weiter, das Wesent-
lichste davon ist schon in der Abhandlung über die Statthalter von Ägypten, Abth.
IV. S. 9 (Bd. 21.), gesagt.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHAUFEN. 29
alles, was noch zorfickgelassen war. Ibrdhim ben el-Aglab, welcher
nun auch sich dahin begeben und von dem Palast Besitz genommen
hatte, dachte diese Lage zu benutzen und sich selbst zum Emir aus*
rufen zu lassen» allein das Volk wollte davon nichts wissen und er
musste froh sein, dass er ohne weiteren Unfall nur von Verwünschungen
begleitet^) zum Thore hinauskommen und sich Zijädatallah anschliessen
konnte.
Sobald el-Schfi erfuhr, dass Zij&datallah geflohen sei, brach er von
el*Urbus auf^), um sich nach Keiraw&n zu begeben; die Leute waren
in grosser Angst und für ihr Leben besorgt und die Gelehrten und An-
gesehenen der Stadt wollten ihm entgegen gehen , indess durch die Da-
zwischenkunft des Mahbüb ben Abd rabbihi el-Hawwdrf trennten sie sich
wieder bei dem Orte Haf; Bärdcas zwischen der Stadt Dalüld und den
Bädern el-Surädik und kehrten am Mittwoch d. 27. &umädi II. in der
niedergedrücktesten Stimmung in die Stadt zurück. Sie richteten dann
ein Schreiben an el-Schfi, worin sie ihre Lage schilderten und sich ent-
schuldigten und ihn baten einen Ort zu bestimmen, wo sie ihn treffen
könnten; er bezeichnete ihnen den Canal bei Mamas auf den Sonnabend.
Er schickte nun den Garraweih ben Jüsuf el-Malüsl mit einer Abthei-
lung Reiterei ab, um die Stadt Raccäda zu besetzen und das Eigenthum
zu sichern, und dieser zog Freitag den letzten Gum&dd II. dort ein; er
traf die Leute frei aus- und eingehen und nur dies hinderte er durch
die Sperrung der Thore, damit sie nichts mehr fortschleppen könnten,
sonst war er sehr leutselig, el Schfi folgte mit sieben Armeecorps, an-
geblich 300000 Mann, Reiter und Fussvolk, und hielt seinen Einzug
Sonnabend Morgens den 1. Ra'gab. Die Gelehrten, Vornehmen und an-
gesehenen Kaufleute aus Keirawdn waren ihm bis an den bezeichneten
Canal bei Mamas entgegen gegangen, begrüssten ihn, bezeigten ihm
ihre Ehrerbietung und baten um Gnade; er sicherte ihnen Amnestie zu
1) Das Arabische Wort heisst auch „mit Steinwürfen verfolgt''.
2) Also war er nach dem RfickzDge nach Bägäja (S. 26) am anderen Tage
wieder nach el-Urbus vorgegangen. *
30 F. WÜSTENFPLD,
und versprach nach Recht und Billigkeit zu verfiJiren. Früher hatte er
den Anführern und Mannschaften der Kitäma versprochen, dass er ihnen
Keirawfin fiberantworten werde, wo sie schalten und walten und das
ganze Besitzthum der Einwohner unter sich theilen könnten. Als sie
jetzt hörten, dass er sie amnestirte, wurden sie darüber unwillig, redeten
ihn darauf an und erinnerten ihn daran, was er ihnen versprochen hatte,
doch als Antwort citirte er ihnen den Koranvers (Sure 48, 21): ,,der
anderen (Beute) habt ihr euch noch nicht bemächtigt, aber Gott hat sie
schon in Sicherheit gebracht'', und er setzte hinzu: dies ist Keirawfin.
Da beruhigten sie sich. Er liess dann das Heer rings um die Stadt
Raccftda sich lagern und ging hinein, indem ein Vorleser die Worte las
(Sure 29, 2): Er war es, welcher die ungläubigen Schriftbesitzer (Juden)
aus ihrem Lande trieb bei der ersten Vertreibung — bis ans Ende des
Verses, und (Sure 44, 24): Wie viele Gärten und Quellen haben sie
verlassen, — bis ans Ende der Sure. Er stieg in dem so gen. Burg-
schloss ab und da alle Cassen leer waren, sandte er Garraweih ben Jüsuf
nach Süsa, welcher die Einwohner begnadigte und auf 28 Camelen die
dort aufbewahrten Schätze herbeiholte. Auch die Angehörigen der Fa-
milie Aglab und ihre Führer, welche Zijddatallah zurückgelassen hatte,
wurden begnadigt; nur die Neger-Sklaven dieser Familie wurden umge-
bracht, und ein persönlicher Feind Ibrähtm el-Tamtml mit dem Beinamen
el-Kaus wurde erdrosselt, als er festgenommen werden sollte, und el-
Schfl sagte später: ich hielt mich in Africa nicht für sicher, bis ich el-
Kaus aus der Welt geschafft hatte.
el-Schi'i schickte dann nach Tripolis und liess seinen Bruder Abul-
'Abb&s holen, welcher aus Keirawdn entkommen, aber in Tripolis wieder
eingefangen war, so auch dessen Begleiter Abu Ga'far el-Chazra^ und
die Mutter des Obeidallah, die bei el-Chazra'g{ lebte. Zum Statthalter
von Keirawän wurde el-Hasan ben Ahmed Ibn Abu Chinzir ernannt
• ■
und er erhielt den Befehl alle zu tödten, welche bei Nacht ihre Woh-
nungen verliessen oder berauschende Getränke tranken oder bei sich
führten. Die Statthalterschaft der Stadt el-cofr el-cadim (Altenburg) er-
hielt Chalaf ben Ahmed, der Bruder des Hasan Ibn Chinzir, mit dem-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 31
selben Befehle. Bei dem Gebetausruf liess el-Schfi nach dem „Herbei
zum Gebet!'' noch „Herbei zu dem besten Werke'* hinzusetzen und bei
dem Frflhgebet die Worte „Beten ist besser als schlafen'' weglassen.
Die in Baccäda geplfinderten Werthgegenstände mussten eingeliefert
werden, die Sklaven des Zijddatallah wurden zusammengebracht und ffir
den Unterhalt seiner Sklavinnen gesorgt; die Aufsicht hierüber erhielt
Ahmed ben Farruch el-Tubnl. Vorstand der Mfinze wurde der Philosoph
Abu Bekr gen. Ihn el-Camüdi, das Geprfige der Münzen lautete : Gelobt
sei Gott» der Herr der Welten, und sie hiessen Seijidia. Die Inschrift
des Siegelringes des Schfi war (Sure 27, 81): „Also setze dein Vertrauen
auf Gott, denn da stüztest du dich auf die lautere Wahrheit**; und auf
dem Siegel, welches auf die Decrete gedruckt wurde, stand (Sure 6, 115):
„Vollkommen sind die Worte deines Herren in Wahrheit und Gerech-
tigkeit, Niemand soll an seinen Worten etwas ändern, und er hört und
weiss alles.** Das auf dem Hintertheil der Pferde eingebrannte Zeichen
war: „das Reich ist Gottes." Auf den Fahnen stand geschrieben (Sure
54, 45): „In die Flucht wird geschlagen werden die gesammte Hotte
und wird den Bücken kehren"; oder (Sure 17, 83): ,»Die Wahrheit ist
gekommen und die Lüge vergangen, denn die Lüge ist vergänglich", und
viele Verse aus dem Koran in ähnlichem Sinne. Er befahl in dem
öffentlichen Gebete auch des 'All ben Abu Tdlib zu gedenken nach dem
Gebete ffir den Propheten, Fdtima, Hasan und Husein; er zeigte offen
seine Anhänglichkeit an 'All und seine Abneigung gegen diejenigen,
welche einen anderen der Begleiter Muhammeds höher stellten als ihn.
Die Lehre über die Bevorzugung 'Alfs d. i. die Lehre der Schflten ge-
wann bald Eingang unter den Angesehenen des Stammes Kitdma und
dann auch unter dem Volke, man nannte sie Orientalismus, weil
man darin einem aus dem Orient gekommenen Manne folgte.
Vorstehendes ist die Erzählung nach Ihn *Ad8&n pag. 146; bei Um eUAthir
Vin, 35 liest man über die Ereignisse nach der Flucht des Zijädatallah in einigen
Punkten abweichend oder ergänzend folgendes:
32 F. WÜSTBNPELD,
el-Schi'i hatte bei Sabfba, zwei Tagereisen von Keirawän. Halt ge-
macht ; als er erfuhr, dass Zijddatallah geflohen sei, brach er auf, lagerte
dann im Wddil-Naml, Ameisen-Thal, und schickte Garraweih ben Jdsuf
und Hasan Ibn Abu Chinzir mit Tausend Beitern vorauf nach Baccäda.
Sie fanden die Leute mit plündern beschäftigt, stellten Ruhe und Ord'-
nung wieder her, traten aber Niemandem hindernd entgegen, sondern
Hessen einem jeden, was er mit sich genommen hatte. Die Nachricht
hiervon verbreitete sich rasch nach Keirawän, wo man darüber sehr er-
freut war. Die Gelehrten und Vornehmen der Stadt gingen el-Schfl ent-
gegen, und als sie ihn trafen, grüssten sie ihn und wünschten ihm Glück
zu seinem Siege , er erwiederte ihren Gruss höflich , unterhielt sich mit
ihnen und versprach ihnen Sicherheit ihres Lebens und Eigenthums.
Sie waren über seine Leutseligkeit ganz verwundert, freuten sich und
tadelten Zijddatallah wegen seiner Schlechtigkeiten, worauf er ihnen er-
wiederte: Er war nur ein kräftiger Mann und hatte Selbständigkeit
und eine grosse Macht, und Hess sich darin keine Beschränkung auf-
legen, aber dem Bathschluss Gottes kann man weder ausweichen, noch
sich ihm widersetzen. Da hielten sie ihre Rede im Zaume und kehrten
nach Keirawdn zurück.
Sonnabend den !• Ea'gab 296 hielt el-Schfi seinen Einzug in Rac-
c&da; er bezog eines der Schlösser, vertheilte die von den Einwohnern
verlassenen Häuser an die Kitdma und Hess eine allgemeine Amnestie
bekannt machen, worauf die Leute nach ihren Wohnplätzen zurückkamen ;
dann schickte er neue Präfecten in die Provinzen und Hess die Übelge-
sinnten aufgreifen und hinrichten. Was Zijddatallah an Werthgegen-
ständen, Wafien u. d. gl. noch zurückgelassen hatte, wurde zusammen-
gebracht; es waren auch noch viele junge Mädchen von besonderer
Schönheit zurückgeblieben und auf seine Frage, wem er die Sorge für
" sie anvertrauen könne, wurde ihm eine fromme Matrone genannt, welche
Zijddatallah gehabt hatte; er Hess sie kommen, empfing sie gnädig und
' übertrug ihr die Aufsicht über sie und sorgte für alle ihre Bedürfnisse,
ohne eine von ihnen gesehen zu haben. Am nächsten Freitag, als in
Keirawän und Raccdda der öffentliche Gottesdienst gehalten wurde.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIPEN. 33
durfte in dem Gebete kein Name eines Regenten genannt werden; auch
die Münzen, welche geprägt wurden, hatten keinen Namen, sondern auf
der einen Seite stand : „Der Rathschluss Gottes ist erfüllt**, auf der an-
deren: „die Feinde Gottes mögen zerstreut werden"; die Inschrift für
die Waffen lautete: „Rüstzeug für die Sache Gottes**; das auf den
Hintertheil der Pferde eingebrannte Zeichen war: „das Reich ist Gottes**.
Sein Anzug bestand wie bisher aus einem rauhen Unterzeug und seine
Mahlzeit aus weniger, harter Kost.
In Tripolis hatte Zijddatallah den Abul-'Abbds noch angetroffen,
ihn zu sich kommen lassen und noch einmal ins Verhör genommen, ob
er der Bruder des Schfl sei; er blieb standhaft dabei, dass er ein Kauf-
mann sei und el-Scbfi nicht kenne, worauf er ihn frei Hess, und el-
Schfi freute sich sehr, als er endlich in Raccdda ankam. Er war ein
schwatzhafter, geistig etwas beschränkter Mensch und wollte in Keirawftn«
wahrscheinlich zur Vergeltung für seine Gefangenschaft, alle diejenigen
ausrotten, welche der Lehre der dortigen Gelehrten folgten. Sein Bru-
der gab ihm darin freilich nicht nach, ernannte ihn aber doch zum Statt-
halter von Africa, stellte ihm indess den Abu Zdki Tammdm ben Mu'drik
el-A'gdbf an die Seite.
el-Schfi hatte nun schon seit Jahren öffentlich ausgesprochen, dass
seine ganze Sorge und Thätigkeit nur darauf gerichtet sei , Obeidallah
zum Oberhaupt der Muslimen zu machen und seine Rechte auf das
Imamat und seine Lehre zur allgemeinen Anerkennung zu bringen, und
nachdem die Hauptfeinde, die Aglabiten, gestürzt und vertrieben und
die grössten und angesehensten Berber Stamme ihm beigetreten waren«
kam es nur darauf an, den Imdm aus seiner Gefangenschaft in Si'gil-
mdsa zu befreien. Die Anwerbungen und Rüstungen zu einem Zuge
dahin waren ungeheuer und an einem Donnerstag in der Mitte des
Ramadhän 296 brach ein Heer, ausgedehnt wie die Heuschrecken, von
Raccdda auf. In dem Gefolge befanden sich auch mehrere ausgezeich-
nete Gelehrte, welche für die Verbreitung der Glaubenslehre der Schfiten
Histor.-phüohg, Glosse. XXVI. 5. E
84 F. WÜSTENFELD,
wirkten, wie Ibrdhim ben Mahammed el-Scheibdnl gen. Abul-Jasar der
Secretär, der Arzt Zijäd ben Cbalfdn, ein Freigelassener der Aglabiten
Familie; als Soldat zu Fuss machte den Feldzug mit Ahmed ben Muham-
med ben Sirin, ein Rechtsgelehrter nach den Grundsätzen der Lehre der
'Irakaner^), der sich durch die Geltendmachung der Rechte des Imdm
ein besonderes Verdienst zu erwerben hoffte und zur Belohnung für
seinen Eifer in der Folge zum Cadhi von Barca ernannt wurde. Ganz
Magrib erbebte vor einem solchen Heere, der mächtigste Stamm der
Zandta fürchtete sich» andere wichen dem Zuge nach beiden Seiten aus
und schickten Abgeordnete, um ihre Unterwürfigkeit zu erklären. Um
keinen Feind im Rücken zu lassen , war das nächste Ziel Tdhart , wo
die Banu Rustam seit 130 Jahren ein kleines unabhängiges Reich be-
sassen. Die Stadt ergab sich auf Gnade und Ungnade, der damalige
Fürst Jacdhdn ben Abul-Jacdhdn und mehrere Mitglieder seiner Familie
wurden hingerichtet, ihre Köpfe nach Raccdda geschickt und erst hier,
dann auch in Keirawdn in den Strassen umhergetragen und zuletzt am
Thore von Raccdda aufgesteckt. Die Verwaltung der Provinz Tdhart
wurde von el-Schi'i dem Abu Hamid Dawwds ben Qauldt el-Lahidhf und
Ibrdhim ben Muhammed el-Jemdni gen. el-Hawwdri mit dem Beinamen
„der kleine Herr** übertragen.
Als el-Jasa' ben Midrdr, Emir von Sigilmdsa, von diesen Vorgängen
Nachricht erhielt, liess er den gefangenen Obeidallah nochmals über
seine Abkunft und sein Verhältniss zu el-Schff fragen, und ob dieser
seinetwegen heranzöge ; Obeidallah betheuerte, dass er el-Schi'l nie gesehen
habe und ihn nicht kenne. Ebenso geschah es mit seinem Sohne Abul-
Cdsim, welcher dieselbe Antwort gab wie sein Vater, und sie wurden in
strenger Einzelhaft gehalten in den oberen Zimmern der Mirjam, der
Tochter des Midrdr; einige Diener, welche sie noch bei sich hatten, wurden
verhört und gefoltert, aber sie legten kein Geständniss ab. Sobald el-Schi'i
dies erfuhr, war er sehr besorgt für das Leben der Gefangenen und
1) Irakaner heissen die Anhänger des Abu Hanifa. Yergl. Schahrastäni
übers, von Hmrhrücker. Th. 1. S. 243.
ae*i
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 35
schickte an el-Jasa* ein freundliches Schreiben, worin er ihn versicherte,
dass er nicht komme um Krieg gegen ihn zu fuhren, er habe wichtigere
Pläne, und er machte ihm schöne Versprechungen. el-Jasa* warf das
Schreiben zu Boden und liess die Abgesandten umbringen. el-Schff
machte einen zweiten Versuch, um ihn durch Güte zu gewinnen aus
Besorgniss für Obeidallah, dessen Namen er aber gar nicht erwähnte;
auch diesmal wurde der Abgesandte getödtet. Nun beschleunigte el-
Schff seinen Marsch und als er vor der Stadt erschien, kam el-Jasa*
heraus, es wurde Sonntag den 6. Dsul-Hi'g'ga den ganzen Tag gekämpft
und man trennte sich, ohne dass eine Entscheidung erfolgt war; sobald
indess die Nacht anbrach, ergriff el-Jasa' mit seiner Familie und den
Söhnen seines Oheims die Flucht. el-Schl'i brachte die Nacht in grosser
Sorge zu, da er nicht wusste, wie es Obeidallah und seinem Sohne er-
gangen sein möchte, bis am Morgen die Einwohner herauskamen und
ihm meldeten, dass el-Jasa' geflohen sei. Da zog el-Schfi mit seinem
Gefolge ein , begab sich sogleich an den Ort , wo Obeidallah sich auf-
hielt, und als er ihn sah, fiel er vor ihm nieder und vergoss Freuden-
thränen^). Dann führte er ihn und seinen Sohn hinaus und stellte ihn
1) Hier ist eine ganz verschiedene höchst auffallende Nachricht einzaschalten,
welche 'Gamal ed-Din und Ibn Challikän Nr. 365 erwähnen, ersterer freilich mit
einem „man sagt^^ „Als nämlich el-Jasa' sich von dem Schlachtfelde znrückzogf
verbot el-Schi'i ihn zu verfolgen; jener ging in die Stadt, raffte seine Habe zusam-
men, nahm seine Familie mit sich nnd|floh unter dem Schutze der Nacht Man
sagt; er habe die bei ihm gefangen gehaltenen Personen umbringen lassen und als
el-Schi'i hinkam und dies erfuhr , fürchtete er sich vor den Kitama , weil er ihnen
versprochen hatte, dass er ihnen den Mahdi herausführen werde, welcher nach seiner
Behauptuüg die ganze Erde beherrschen würde. Er war nun in Angst, dass er mit
Schande bestehen und von ihnen umgebracht werden und damit sein ganzes Streben
in Nichts zerfallen könnte. Er nahm also einen Jüdischen Sklaven, den er bei dem
Ermordeten antraf und der ihn bedient hatte , fährte ihn hinaus und stellte ihn der
versammelten Menge vor mit den Worten: Dies ist euer Imäm und der Imäm der
Israälliten".
An sich hat diese Erzählung nichts unwahrscheinliches, im Gegentheile es
wäre auffallend, wenn el-Jasa^ sich an dem, welchen er für die Ursache seines Un-
E2
36 F. WUSTENFELD,
seinen Begleitern vor, indem er sprach: Dies ist mein und euer Imäm,
Gott hat seine Verheissung erfüllt, er hat ihm Gerechtigkeit wieder-
fahren lassen und seine Sache ans Licht gebracht. Die Menge brach
in einen unbeschreiblichen Jubel aus, als wenn sie von Sinnen kommen
wollte, er Hess beide zu Pferde steigen, ging ihnen mit den Häuptern
der Stämme zu Fuss voran und führte sie in ein Zelt, welches mittler*
weile aufgeschlagen war. Zum Statthalter von Si'gilmdsa ernannte Obeid-
allah den Ibrahim ben Gdlib el-Mazätl und Hess bei ihm 500, nach
anderen 2000 Reiter der Kitdma zurück, und 40 Tage nach der Ein-
nahme der Stadt brach er in der Mitte des Muharram 297 mit seiner
Armee wieder auf, nachdem noch kurz zuvor der Berber-Stamm der
Banu Chdlid durch eine Gesandtschaft seine Unterwürfigkeit erklärt
hatte. Schon wenige Wochen nachher, Dienstag d. 3. Rabf 1.*) em-
pörten sich die Einwohner von Si'gilmdsa, ermordeten den Ibrdhim ben
Gdlib und setzten el-Fath mit dem Beinamen Wfisdl, einen Prinzen aus
einer Seitenlinie der abgesetzten Regentenfamilie Midrdr, als Emir ein.
In Tdhart hatte unterdess Muhammed ben Chazar ben Cildt el-
Zandtl einen Aufstandsversuch gemacht; er war dahin gekommen in der
glucks halten musste, nicht gerächt hätte, da er in seiner Gewalt war. Nur sein
Sohn Abnl-Cäsim und el-Scbi'i selbst kannten Obeidallah persönlich und eine Täu-
schung war daher leicht möglich. Allein es muss als ganz unmöglich angesehen
werden, dass ein Jüdischer Sklav in die Lehren und Absichten der Schielten so weit
eingeweiht war, um die Rolle eines Imäm übernehmen und so glänzend durchführen
zu können« wie es geschehen ist, und dass der schlaue Scht'i später, als er wohl
wusste, dass er seinen Einfluss auf Obeidallah verloren habe, und für sein eigenes
Leben besorgt sein musste, jenem nicht sollte zuvorgekommen sein und ihn auf die
eine oder die andere Art unschädlich gemacht haben, ehe er selbst durch ihn bei
Seite geschafft wurde. Wir tragen also kein Bedenken, diese Erzählung für eine
Erfindung der Gegner zu halten.
1) Dieses Datum hat Ibn ^ytdsärt S. 154 und drückt es S. 156 in anderer
Weise aus, dass der eingesetzte Statthalter Ibrahim nach 50 Tagen ermordet sei,
mithin war die Ernennung drei Tage vor dem Abmärsche erfolgt. Man könnte ver-
muthen, dass bei Ibn Chaldün in der Übersetzung Tome L pag. 263 Deux annees
plus tard ein Schreibfehler sei für DetAX mois^ allein im Arabischen Text Tome L
pag. 169 steht ausdrücklich die Jahreszahl 98, die nach Ibn Ädsäri unrichtig ist.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 37
Absicht sich der Stadt zu bemächtigen , den Statthalter Da w was zu ver-
treiben und el-Schff bei seiner Rückkehr den Weg abzuschneiden. Er
zog die angesehene Familie der Banu Dalds ins Complot und sie sagte
ihm ihre Unterstützung zu, indess der Plan wurde verrathen und Daw-
wds liess die Familie verhaften und in der Burg der Bazfa'gdna^) in Alt-
Tdhart, fünf Meilen westlich von der neuen Stadt, einkerkern. Muham-
med ben Chazar begann dennoch den Kampf, und bemächtigte sich
einiger Häuser in der Vorstadt von Tdhart, und als Dawwäs dies sah,
flüchtete er zu Ibn Hamma in dessen Schloss*). Die Bewohner der
Burg der Bazfa'gdna fielen jetzt über die bei ihnen gefangen gehaltene
Familie Dalds her und tödtete sie, und das Volk von Tähart vertrieb
den Muhammed ben Chazar, verfolgte ihn und tödtete auch ihn, dann
wurde Dawwds davon benachrichtigt und kehrte zurück.
Obeidallah hatte den flüchtigen Emir el-Jasa* und seine Verwandten
verfolgen lassen, sie hofften bei den Banu Chdlid eine Zuflucht zu finden,
wurden aber von ihnen gegen die Verheissung ihrer Sicherheit und
Straflosigkeit an Obeidallah ausgeliefert, welcher sie in Fesseln mit sich
fortführte. Als sie nach der Stadt Arfd kamen und die Geschichte mit
Muhammed ben Chazar erfuhren, wussten sie ihrer Haft zu entkommen
und gingen in die Wüste; el-Jasa' indess, welcher krank war, wurde
eingeholt, zurückgebracht und auf Obeidallah's Befehl getödtet.
Um dieselbe Zeit während des Rückmarsches im Monat ^afar fand
auch in Keirawdn eine öffentliche Hinrichtung statt. Die beiden Rechts-
gelehrten Ibrahim ben Muhammed el-DhabW gen. Ibn el-Birdsaun und
Abu Bekr Ibn Hudseil, in mancherlei Wissenschaften sehr bewanderte
1) Bei Bekriy TAfriqne pag. 67 a. 69 heisst der Stamm Barkagänna.
2) Nach Ibn ^Adsari pag. 154 ist x*». ^t der Name des Besitzers des
Schlosses oder des Schlosscommandanten, wenn man annehmen will, dass das Schloss
in der Stadt lag, dann wäre aber nicht nöthig gewesen an ihn zn schreiben; es
scheint also ein Schloss im Besitz des Ibn Hamma in der Nähe der Stadt gewesen
zn sein. Nicholson pag. 109 hat übersetzt: to the Castle of the son of his father-in-
law, er las also x*»> ^t, was besser f^^s^ ^t lanten würde.
38 F. WÜSTENFELD,
Männer, waren bei dem Statthalter Abul-Abbäs denuncirt, dass sie auf
die Regierung geschmäht und 'Ali ben Abu Tdlib mit Abu Bekr, Omar
und Othmän auf eine Stufe gestellt hätten; Muhammed el-Kild'f, ein
bei den Schfften wegen seiner milden Gesinnung beliebter Mann, und
seine Freunde, welche der Lehre der 'Irakaner zugethan waren, hatten
diese Denunciation angebracht. Abul- Abbäs Hess die beiden ins Ge-
fangniss werfen und ertheilte dem Ibn Abu Chinzir den Befehl, sie hin-
zurichten, nachdem Ibrdhim Ibn el-Birdsaun vorher noch 500 Peitschen-
hiebe bekommen haben würde, weil die Aussage gegen ihn gehässiger
und die Beschuldigung grösser war. Ibn Abu Chinzir irrte sich in der
Person und Hess Ibn Hudseil auspeitschen und dann umbringen, während
Ibn el-Birdsaun ohne weitere Strafe getödtet wurde. Ihre Leichen wur-
den nackend durch die Hauptstrasse von Keirawdn geschleift und dann
ans Kreuz geschlagen und Abul- Abbäs machte darüber einen Bericht
an seinen Bruder el-SchfL Dieser war darüber sehr aufgebracht gegen
ihn, tadelte ihn und antwortete: Du hast uns einen sehr schlechten Ge-
fallen gethan der Stadt und dem Volke gegenüber, eine solche Zurecht-
weisung war von unsrer Seite nicht nöthig. — Noch auf dem Wege
schickte Obeidallah nach Iki'gän, liess durch eine Karawane die dort
vorhandenen Schätze herbeiholen und nahm sie mit sich.
L Obeidallah el-Mahdi.
Im dritten Zehnt ^) des Monats Babf IL 297 (Anfang Januar 910
Chr.) langte Obeidallah vor Raccdda an; die Einwohner der Stadt und
die von^Keirawdn waren ihm entgegen gegangen, mehrere Gelehrte und
Vornehme näherten sich ihm und brachten ihm ihre Huldigung dar,
sie wünschten ihm Glück, bezeigten ihre Freude über seine Ankunft und
baten ihn/ das Versprechen der Amnestie zu wiederholen ; er entgegnete:
1) So nach Ibn^'Adsäri; nach 'Gamal ed'Din Donnerstag den 21. Rabi' II.,
wobei Wochentag und Datum nicht zusammen passen.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 39
„Ihr und eure Kinder seid eures Lebens sicher**, von Eigenthum er-
wähnte er nichts. Desshalb wiederholten einige die Bitte, die Sicherheit
auch für ihr Eigenthum zu gewähren, da wandte er sich von ihnen ab
und die Einsichtigeren fürchteten ihn seit dieser Zeit. — Bei seinem
Einzüge trug er ein dunkelseidenes Gewand und einen eben solchen Turban
und ritt ein braunes Pferd, hinter ihm sein Sohn Abul-Cdsim trug ein gelb-
seidenes Gewand und einen solchen Turban und ritt einen Fuchs, el-Schfl
vor Obeidallah trug ein helles Gewand, leinenen Überwurf und Turban
und eine Alexandrinische Schärpe, ritt einen Schecken und hatte in der
Hand ein Tuch, womit er sich den Seh weiss und Staub vom Gesichte
abwischte^). Das Volk um ihn und vor ihm grüsste ihn, er erwiederte
den Gruss huldvoll und befahl ihm, sich nach Hause zu begeben. Er
stieg in dem so gen. Schlosse el-^ahn ab, sein Sohn in dem Schlosse
des Abul-Fath. Am nächsten Freitag*) wurde in dem Gebete in den
Moscheen sein Name genannt mit dem Beinamen el-Mahdi, Fürst
der Gläubigen, und damit war nicht blos die völlige Lostrennung
von der Herrschaft der 'Abbasiden zu Bagdad ausgesprochen , sondern
die Gleichberechtigung mit ihnen, ja die Superiorität über sie in An-
spruch genommen. Nach dem Gottesdienste nahm ein Mann, der sich
Scherif nannte, in der Moschee Platz und liess durch seine Helfer die
Leute mit Gewalt herbeiführen und auffordern, sich zu ihrem Glauben
zu bekennen; wer dem folgte, erhielt eine Belohnung, und wer sich
widersetzte . wurde ins Gefängniss abgeführt. Nur wenige traten ihrer
Lehre bei, viele, welche der Aufforderung nicht Folge leisten wollten,
wurden getödtet. el-Schfi stellte Obeidallah die zurückgebliebenen Frauen
des Zijddatallah vor, er wählte aus ihnen eine Anzahl für sich aus , die
übrigen vertheilte er unter die angesehensten der Kitdma.
1) Nach Ibn eUÄthir VIII, 38 schritt ihm el-Schl'i mit den Häaptlingen der
Eitäma zu Fass voran.
2) Ibn Chaüikän No. 365 sagt „Freitag d. 20. Rabt' IL, was man als richtig
annehmen kann, wiewohl dann der 19. als Tag der Ankanft nicht in das dritte
Zehnt des Monates fiel.
40 F. WÜSTENFELD,
Zunächst wurden dann die Regierungs- und Verwaltungs-Bureaux
eingerichtet, die Beamten ernannt und neue Statthalter in die Provinzen
geschickt: Nach Sicilien kam noch vor Ablauf des Jahres el- Hasan ben
Ahmed Ibn Abu Chinzlr^); zu Kammerherrn wurden ernannt Abul-Fadhl
Ga'far ben 'Ali, Abu Ahmed Ga'far ben 'Obeid, Abul-Hasan Teijib ben
Ismd'il gen. el-Hddhim und Abu Sa'ld Othradn ben Sa'id gen. Muslim
aus Si'gilmäsa; die Stelle des Staatssecretär erhielt Abul-Jasar Ibrdhim
ben Muhammed el-Scheibdnl aus Bagdad, Schatzmeister wurde Abu
Ga'far el-Chazari, Steuerdirector Abul-Cdsim Ibn el-Cadim, Münzdirector
Abu Bekr Ibn el-CamAdl, Almosenier 'Abddn ben Habdsa, Cftdhi von
ßaccfida Aflah ben Hdrün el-Maldsl und Cddhi von Keirawdn el-Mar-
wazf. An den Moscheen , grossen Cisternen , Schlössern und Brücken
jiess Obeidallah die Namen ihrer Erbauer ausmerzen und seinen Namen
an ihre Stelle setzen. Er kekannte seine Schfltischen Lehren oflFen und
schmähte auf die Begleiter Muhammeds und seine Frauen mit Ausnahme
von 'Ali ben Abu Tdlib, el-Micddd ben el-Aswad, 'Ammdr ben Jäsir,
Salmdn el-Ffirisf und Abu Dsarr el-Gifdrl, und behauptete, dass ausser
diesen alle nach dem Tode des Propheten von seiner Lehre abgewichen
seien. Der genannte el-Marwazi verbot den Richtern nach anderen
Grundsätzen Recht zu sprechen als nach denen, welche er für diejenigen
des Ga'far el-^ddik ausgab, z. B. dass eine absolute Ehescheidung nicht
stattfinde, oder wie die Töchter an der Erbschaft theilnehmen u. d. gl.
Aber nicht überall fügten sich die Berberischen Stämme dem neuen
Herrscher« selbst unter den Kitdma erhob sich ein Häuptling Bab&b und
versammelte eine grosse Anzahl um sich; Obeidallah schrieb an die ihm
ergebenen Kitdma und befahl ihnen, jene zu bekriegen, der grösste Theil
wurde getödtet, Babdb selbst gefangen genommen und in Keirawdn ein
Siegesbericht öffentlich verlesen. Auch der Stamm Zanfita erschien vor
Tdhart und belagerte Dawwds ben ^aulat darin; gegen sie wurde ein
1) Die weitere Geschichte von Sicilien kann ich hier übergehen, da Amari
iu seiner vortrefflichen Storia dei Musulmani di Sicilia dieselben Quellen theils
gedruckt, theils handschriftlich schon ben atzt hat.
GESCHICHTE DER FATIMTOEN CHALIFEN. 41
Corps unter Anführung des so gen. Scheich el-Maschd£ch oder Ober-
Häuptling der Kitdma geschickt, t^elcher sie in die Flucht schlug und
viele tödtete. el-Schff selbst musste noch einen Feldzug unternehmen,
um einige Unruhen zu schlichten, die Sicherheit der Wege herzustellen
und die Aufstände mehrerer Stämme gegen ihre Präfecten zu unter-
drücken; er unterwarf die Städte, liess einige der Anführer hinrichten,
andere als Gefangene abführen und im ganzen Reiche wurden die Be-
richte über seine Siege bekannt gemacht
Das Fest der beendigten Fasten am Ende des Ramadhdn gab Ge-
legenheit, dass der Prinz Abul-Cdsim zum ersten Male sich öflFentlich
zeigte, er begab sich mit el-Schfi und einem Gefolge von Generälen der
Kitdma in einem Aufzuge nach dem Betplatze in Raccdda, sprach das
Gebet und hielt vor dem versammelten Volke eine Predigt, und dies
Ereigniss wurde von Obeidallah durch ein Schreiben, welches in Kei-
rawdn und dessen Districten von den Kanzeln verlesen wurde, zur öflFent-
lichen Kenntniss gebracht.
Bisher hatte el-Schfl alle Gewalt allein besessen , er musste sich
desshalb sehr beschränkt fühlen, seitdem er die Herrschaft an Obeidallah
übertragen und dieser sich seinem Einflüsse alsbald entzogen hatte, und
er bereute es, eine solche Übereilung begangen und eine so grosse Macht
aus den Händen gegeben zu haben. Sein Bruder Abul-'Abbds war auf
dieselben Gedanken gekommen, und in einer vertraulichen Unterredung
machte dieser jenem den Vorwurf, dass es der grösste Fehler gewesen
sei, die Regierung ganz abgetreten zu haben; sie beide kennten doch
ihre geheime Lehre am besten und hätten sich mit Obeidallah nur unter
der Voraussetzung verbündet, dass sie die ganze Welt anders ordnen,
den Islamitischen Glauben abschaffen, die Länder unter sich theilen,
die Freuden des Lebens geniessen, die Männer beherrschen und Weiber
und Kinder als Gemeingut behandeln wollten. el-Schfl musste ihm
darin Recht geben und sann auf Mittel den begangenen Fehler wieder
gut zu machen.
Noch in ^en letzten Tagen des J. 297 musste el-Schfi abermals
eine Expedition gegen die Zandta unternehmen, diesmal fünf oder sechs
Histor.-phüolog. Classe. XXVI. 3. F
42 F. WÜSTENFELD,
Tagemärsche über Tdhart hinaus bis nach der befestigten Stadt Tanas
nicht weit von der Meeresküste. Als er hier in der Nähe des Vorge-
birges el-Thaur lagerte, versammelte er am 27, Dsul-Hi'g'ga um sich die
obersten Officiere der Kitdma, unter denen sich Garraweih ben Jüsuf,
Abu Zäki Tammdm und trabr ben el-Cdsim befanden. Er hielt an sie
eine lange Anrede, worin er ihnen auseinander setzte, dass Obeidallah
in seinen Handlungen nicht dem Mahd! gleiche, zu dessen Huldigung
er aufgefordert habe, jener habe alle Gewalt an sich gerissen und sie
davon ausgeschlossen; er müsse sich in der Person geirrt haben und es
ihm so ergangen sein wie Abraham, als er in finsterer Nacht einen
Stern sah und ausrief: Dieser ist mein Herr (Sure 6, 76). Es gäbe
noch ein Erkennungszeichen, sowie nämlich Muhammed zum Beweise
seines Prophetenthums ein Mal zwischen den Schultern gehabt habe, so
müssten auch zwiscjben den Schultern des rechten Imäm die Worte stehen :
,,el-Mahdi der Gesandte Gottes*'; auch müsse er Wunder thun können.
Wenn das eine nicht zuträfe und er das andere nicht vermöchte, so müsse
er beseitigt werden. Alle Anwesenden stimmten überein, diese Proben
anzustellen, sobald sie nach Raccäda zurückkämen; Tammdm rief aus:
bei Gott! ich werde mir alle Mühe geben um die Tage abzukürzen, wo
der Rinderhirt (er meinte Garraweih) mein Anführer ist^). Ein anderer
äusserte: bei Gott! wir werden nicht von ihm gehen, bis er diese Schlösser»
die er als Geschenk bekommen hat, unter uns getheilt und unsere Ver-
hältnisse wieder so hergestellt hat, wie sie gewesen sind; wir werden
unser Geld wieder mit uns nehmen, wir haben das Vorrecht an dem»
was wir ihm dargebracht haben. Abul- Abbds, der Bruder des Schfi«
sprach: bei Gott! wir werden nicht dulden, dass ein Haus, welches wir
mit unseren Händen gebaut und an dem wir uns abgemüht haben, von
einem anderen bewohnt wird, bis wir selbst oben darin sitzen, oder wir
werden das oberste zu unterst kehren.
Der Feldzug dauerte noph mehrere Monate in das J, 298 hinein»
1) d. i. um diesem Feldzuge sobald als möglich ein Ende zu machen.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 43
bis die Stämme ^adina und Zandta unterworfen, mehrere ihrer Städte
eingeäschert, die Männer getödtet, Beute gemacht und die Kinder ge-
fangen fortgeführt wurden, dann kam das Heer nach Raccäda zurück.
Garraweih war der Verräther, welcher Obeidallah alles mittheilte, was
in Tanas vorgefallen und verabredet war; Obeidallah sah sich dadurch
zu erhöhter Wachsamkeit veranlasst, was wiederum dem Schfi nicht
entgehen konnte, so dass es ihm klar wurde, es müsse ein Verrath
stattgefunden haben. — An die Stelle des am 16.Gumdd^I. verstorbenen
Staatssecretärs Abul-Jasar war Abu Ga'far Muhammed ben Ahmed el-
Bagdad! gekommen, ein junger Mann, der in Spanien, besonders in Cor-
doba eine vielseitige Bildung erhalten hatte und bei den angezettelten
Intriguen durch seinen Rath von grossem Nutzen war.
Der erwähnte Ober- Scheich, welcher wie viele andere durch die um-
laufenden Gerüchte irre geworden war und sich Klarheit verschaffen
wollte, begab sich zu Obeidallah und sagte: Wenn du der erwartete
el-Mahdi bist, so lass uns ein Wunder sehen, wir fangen an, an dir zu
zweifeln. Statt der Antwort Hess er ihn umbrin|;en.
Die Gelegenheit, einen der Hauptverschworenen zu entfernen, bot
sich bald. In der Provinz Tripolis hatte sich der Stamm der Hawwdra
aufgelehnt und den Abu Hdi-ün el-Hawwdrl an seine Spitze gestellt,
viele von den Zan&ta, Lamdja und anderen Stämmen waren zu ihnen
gestossen und belagerten Tripolis. Obeidallah schickte Abu Zftkf Tam^**
mdm mit einer grossen Armee der Stadt zu Hülfe, welcher die Anführer
schlug und zerstreute und viele Köpfe der Getödteten und Ohren mit
Ohrringen nach Raccdda sandte. Jetzt erhielt der Stadthalter von Tri-
polis Abu Jdsuf Makintin el-A'gabi, ein Oheim des Abu Zdki, den Be-
fehl, diesen umzubringen; er zeigte ihm das Schreiben und als Abu
Zdki es gelesen hatte, sprach er: ,,mein Oheim! thu', was dir befohlen
ist'S er bot seinen Nacken dar, jener schlug ihm den Kopf ab und
meldete dies durch eine Brieftaube nach Baccdda, welche alsbald die
Nachricht dahin brachte. Dies geschah Dienstag früh den ^1. Dsul-
^i'g'ga 298.
Jetzt glaubte Obeidallah die Zeit gekommen, wo er den Haupt*
F2
44 F. WÜSTENPELD,
streich führen könnte; er befahl Garraweih und Gabr ben el-Cdsim sich
hinter seinem Schloss in einen Versteck zu stellen und wenn el-Schf{
und sein Bruder Abul- Abbäs Torüberkämen, sie zu überfallen und mit
der Lanze niederzustossen. Sie nahmen einige ihrer Leute mit sich und
versteckten sich, während jene beiden wie gewöhnlich zur Tafel einge-
laden wurden, und als sie an dem Orte vorüberkamen, stürzten sie sich
auf sie; el-Schfl rief: o Garraweih! thu' das nicht, mein Sohn! Er er-
wiederte: dem du zu gehorchen mir befohlen hast und den du absetzen
wolltest, nachdem du ihn eingesetzt hast, der hat mir befohlen dich zu
tödten. Damit versetzte er ihm einen einzigen Stoss, der ihn todt zu
Boden streckte; Abul-Abbds erhielt fünfzehn Lanzenstiche. Dies ge-
schah Dienstag d. 1. Dsul-Hi'gga gegen Sonnenuntergang*) und die bei-
den Leichen blieben bis zum anderen Mittag liegen, dann Hess sie
Obeidallah in dem Park begraben und hielt ihnen selbst eine Grabrede»
worin er die That zu rechtfertigen suchte.
Hiemach hielt sich Obeidallah mehrere Tage vor den Kitdma,
welche an der Verschwörung theilgenommen hatten , verborgen , dann
that er wieder freundlich gegen sie, liess sie indess aus Besorgniss
einzeln zu sich kommen, um sie zu beruhigen und sicher zu machen,
und nach und nach wurde eine grosse Anzahl von ihnen auf verschie-
dene Weise umgebracht. Es entstand ein Aufruhr, die Freunde der
Ermordeten griffen zu den WaflFen und wiegelten das Volk auf; Obeid-
allah erschien selbst zu Pferde, beruhigte die Leute und nachdem dies
gelungen war, verfolgte er die Aufrührer, bis er sie niedergeworfen hatte.
Einen zweiten Strassenkampf zwischen den Kitdma und den Einwohnern
1) Ihn ChalUMn Nr. 198, MacrUn I, 351 u. II, 11 und Ibn Chaidün I, 522
setzen die EIrmordDang schon in die Mitte des 'Oamäda 11. 298, was nach der Rei-
henfolge der Ereignisse nicht wahrscheinlich ist. Äbtdfidä U, 230 hat sich darin
geirrt, dass er angiebt, Ibn el-Äthir setze diese Ermordang in das Jahr 296; er er-
wähnt sie freilich anter diesem Jahre, welches Tom. YIII, 10 anfängt, erzählt aber
die Geschichte des Schi'i dann gleich im Zusammenhange weiter bis zu seinem Tode
im J. 298 (S. 39), ohne indess hier ein Datum anzugeben, nur sagt er S. 41, dass
er an demselben Tage getödtet sei wie Abu Zäkt.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 45
von Keirawdn schlichtete Obeidallah i ebenfalls durch seine persönliche
Dazwischenkunft, nachdem bereits eine grosse Anzahl gefallen war, und
er stand davon ab, yon dem Volke das Bekenntniss der Scbfitischen
Lehre zu fordern. — Noch vor dem Schlüsse des Jahres empörte sich
auch der Stamm Lawdta; ein zahlreiches Heer unter Sei ben Daucdn
und Ra'g& ben Abu Carna unterwarf sie bald undj^kehrte mit Beute und
gefangenen Kindern zurück; die Siegesnachricht wurde in dem ganzen
Districte von Keirawdn verlesen.
Bei dem Beginn des Jahres 299 sah sich Obeidallah schon wieder
genöthigt, eine grosse Armee gegen die Zandta zu schicken, welche in
einer mörderischen Schlacht bei dem Orte Falack Madik^) ungeheure
Verluste erlitten; indess in ihrer Hauptstadt Tdhart nahm das Volk
gegen den Statthalter Dawwds eine so} drohende Stellung an, dass er mit
Tausend Reitern nach Alt-Tdhart flüchtete, wo er sich verschanzte, aber
einen grossen Theil seiner Mannschaft verlor. Die Einwohner von Tdhart
riefen den Häuptling Muhammed ben Chazar zu Hülfe, ernannten ihn zu
ihrem Führer» stellten die Mutter und die Familie des Dawwds unter seinen
Schutz und überlieferten ihm den grössten Theil von dessen Waffen.
Man fand sich jedoch von beiden Seiten in seinen Erwartungen getäuscht,
Muhammed ben Chazar verliess sie wieder und kehrte in seinen Wohn-
sitz zurück. Nun erschien ein zahlloses Heer vor Tdhart und begann
am letzten des Monats Muharram die Belagerung ; drei Tage lang wurde
gekämpft, bis die Stadt durch Verrath genommen wurde. Am Dienstag
d. 4. ^'afar drang der Feind ein und richtete ein solches Blutbad an,
dass 8000 Einwohner umkamen, und die Stadt wurde grössten Theils nie-
dergebrannt. Die Statthalterschaft erhielt Ma^dla ben Habtis el-Mikndsf,
indem Dawwds nach Raccdda zurückberufen und bald darauf ermordet
wurde. — In diese Zeit fallt ein Erdbeben in Keirawdn, welches be-
sonders den an der Seeküste gelegenen Ort el-Bds betraf, wo Mauern
und Häuser einstürzten und versanken.
Die Kitdma erinnerten nun Obeidallah an sein Versprechen, dass
1) Bei Nicholson S. 129 steht Falk MiddaJc.
46 F. WÜSTENFFLD,
er ihnen die Stadt Keirawän zur Plünderung preisgeben wollte, er hatte
noch immer versucht sie damit hinzuhalten und zu beschwichtigen, ihr
Übermuth und ihre Gewaltthätigkeiten gegen die Einwohner nahmen
aber immer mehr zu und diese hatten lange dazu geschwiegen, bis ihnen
endlich die Geduld riss. Am Dienstag d. 29. Scha'bdn sahen sie, wie
ein Soldat der Kitdma einen Kaufmann misshandelte und zu Boden
warf, und als sie ihn von demselben frei machten, zogen die Kitdma die
Schwerdter und wollten die Schankbuden plündern, die Marktleute riefen
um Hülfe und es wurden über Tausend Kitdma getödtet. Der Statt-
halter Ahmed ben Abu Chinzir erschien zu Pferde, stellte die Ruhe
wieder her und Hess die Erschlagenen fortschaffen und in die Abzugs-
canäle werfen. Die Kitdma zogen sich nun aus Keirawdn und der Um-
gegend in ihr Gebiet zurück und lehnten sich offen gegen Obeidallah
auf; sie wählten einen jungen Mann, Kddti ben Mu'drik gen. el-Mdwati
aus der Familie Aurtsa, zu ihrem Oberhaupt, erwiesen ihm eine so
hohe Ehre, dass sie sich beim Gebet nach ihm hinwandten, behaupteten,
dieser sei der erwartete el-Mahdt, und schrieben ein Religions- und
Gesetzbuch, welches ihnen angeblich offenbart war. Sie bemächtigten
sich des ganzen Gebietes am Flusse Zdb, drangen bis Mila vor, ihre
Macht nahm zu und sie wurden sehr gefährlich. Obeidallah schickte
Truppen g^en sie aus unter mehreren Anführern, von denen einer
^auldt ben Gunda, mit etwa 200 Mann zu dem Feinde überging.
Endlich übertrug Obeidallah seinem Sohne Abul-Cdsim den Ober-
befehl; er verliess Raccdda Sonnabend d. 25. Ramadhdn, eroberte Con-
stantine und andere Städte der Kitdma und lieferte el-Mdwati mehrere
Schlachten. Zu diesem waren freilich noch einige höhere Officiere über-
gegangen, indess sie kamen zurück, nachdem ihnen Abul-Cdsim Straf-
losigkeit zugesichert hatte. Im Anfange des J. 300 gelang es ihm,
MdwaÜ mit seinem Gefolge gefangen zu nehmen, er kehrte mit ihnen
nach Raccdda zurück, dann wurden sie auf Camelen durch die Strassen
von Keirawdn geführt mit hohen spitzen Mützen, die mit Hörnern und
Affenbildern verziert waren, und zuletzt in Baccdda hingerichtet.
Noch im J. 299 hatte sich Obeidallah mehrerer hoher Beamten in
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 47
Keirawdn entledigt, welche in dem Verdachte standen, mit el-Schfi als
Verschworene im Einverständniss gewesen zu sein. Zu den mit dem
Tode bestraften gehörten unter anderen der Marktmeister (Polizeichef)
Muhammed ben Abu Sa'id el-Mili, Abdallah ben Muhammed gen. Ihn
el-Cadim , Muhammed ben Abu Ra'ggdl el-Bdgäf , Abul-Wahb ben Amr
ben Zurdra el-'Abdari und mehrere Mitglieder und Würdenträger der
vertriebenen Aglabiten, sowie auch Abu Ibrdhim gen. Ihn el-Bi^wf
el*Kureschf, welcher schon unter dem drittletzten Aglabiten Ibrdhim ben
Ahmed mit den Einwohnern von Tunis einen Aufstand gemacht hatte.
Der Statthalter von Tripolis, M&kinAn ben Dabdra el-A'gdW, hatte
nach und nach seine Stammesgenossen von den Kitdma dahin nach sich
gezogen, welche sich allerlei Vorrechte anmassten und sich grosse Un-
gerechtigkeiten zu Schulden kommen Hessen. Desshalb erhob sich das
Volk gegen sie, es gewann die Oberhand, schloss die Thore, tödtete
sämmtliche Kitdma, welche in der Stadt waren« und wählte selbst
Muhammed ben Ish&k gen. Ihn el-Karlln zum Präfecten. Mdkinün war
bei Zeiten entkommen und hatte sich zu Obeidallah begeben und dieser
schickte Truppen hin . welche die Stadt mehrere Monate ohne Erfolg
belagerten. Nun ging wiederum Abul-Cdsim mit Verstärkung dahin ab;
er brach von Kaccdda auf Sonntag d. 3. Dumdda I. ^) 300 und gleich-
zeitig Hess Obeidallah 15 Kriegsschiffe^) auslaufen. Als diese vor Tri-
polis erschienen, fuhren ihnen die TripoHtaner mit ihren Schiffen ent-
gegen, verbrannten die ganze feindliche Flotte und vernichteten die
Mannschaft. Abul-Cdsim war durch einen Kampf mit dem Stamme
Hawwdra unterwegs aufgehalten, und als er endlich eintraf, schloss er
die Stadt so fest ein, dass darin eine Hungersnoth entstand und die Ein-
wohner schon ihre Todten verzehrten, bis sie Abul-Cdsim um Gnade
baten und sich ergaben. Er gewährte ihnen Amnestie mit Ausnahme
von drei Personen, deren Aburtheilung er sich vorbehielt: Muhammed
1) Ibn eUÄthir VIII, 50 sagt: im Oumddd II.
2) 'Arib hei Nicholson S. 135 giebt 60 Kriegsschiffe an; Ibn OrAMr erwähnt
die Expedition zur See nicht.
48 F. WÜSTENFELD,
ben Ishdk el-Kureschl^), Muhammed ben Na9r und ein Mann mit Namen
el-Huwei'g. Nach seinem Einzüge legte er den Einwohnern eine Con-
tribution von 300000 Dinaren auf, sie mussten ausserdem alles liefern,
was seine Armee nöthig hatte, eine Anzahl Geissein stellen , und nach-
dem er einen neuen Statthalter ernannt hatte, kehrte er mit den drei ge-
nannten Personen nach Raccdda zurClck, welche dann mit hohen spitzen
Matzen auf Camelen in Keirawdn umhergefClhrt und hiernach hinge-
richtet wurden.
Um sich gegen einen plötzlichen Überfall zu schützen, wie er be-
vorgestanden hätte, wenn die Verschwörung des Abu Abdallah el-Schff
und der Kitdma zum Ausbruch gekommen wäre, oder, wie erzählt wird,
in Folge einer Weissagung, welche Obeidallah in ihren Schriften ge-
funden haben wollte, dass einmal ein Empörer Namens Abu Jazid das
Reich bedrohen würde, fasste er den Entschluss, einen Platz zu suchen,
wo er sich eine neue befestigte Residenz bauen könnte, in welcher er
mit seiner Familie eine sichere Zuflucht hätte. Er durchzog die Gegend
yon Tunis, Carthago und an der Seeküste, bis er auf der Rückkehr nach
der Halbinsel Hamma^ kam, die ihm für seinen Zweck am geeignetsten
schien; er traf dort in einer Höhle einen Einsiedler, welcher auf die
Frage, wie der Ort heisse, antwortete: „die Insel der Chalifen". Dies
nahm Obeidallah für eine gute Vorbedeutung, der Bau wurde im J. 300
begonnen*), und nachdem im Rabf I. 304 die Ringmauern und Thore,
von denen jeder der eisernen Flügel Hundert Centner wog, und im J.
305 oder 306 der innere Ausbau vollendet war, stieg Obeidallah oben
auf die Mauer und befahl einem Bogenschützen einen Pfeil nach Westen
abzuschiessen ; er fiel auf dem öffentlichen Betplatze nieder und Obeid-
allah sagte: „dies ist die Stelle, bis wohin der Eselreiter kommen wird**,
1) Vermathlich der oben genannte von ihnen erwählte Präfect.
2) Dozy^ Ihn Adsari S. 170 giebt der Lesart 'Gamma den Vorzug.
3) Nach anderen erst am 6. Dsal-Ca*da 303. Über die weitere Beschreibung
vergl. Behi, TAfrique S. 29. JacOtt IV, 693. Edrisi S. 107. Abtdfeda, Geogr. S. 140.
GESCHICHTE DER PATIMIDEN CHALIFEN. 49
womit er Abu Jazid meinte. Nachdem er alles besichtigt und seinen
Erwartungen gemäss gefunden hatte, rief er aus : „Jetzt bin ich beruhigt
über das Schicksal der Fatimidinnen**, womit er seine Töchter meinte.
Aber erst im J. 308 bezog el-Mahdi seine neue Eesidenz, welche er
el'Mahdia nannte.
Ein Kaufmann aus Spanien Namens Abu Ga'far Ibn Habnim,
welcher in Keirawän eine prächtige Moschee und die Logirhäuser für
die Kaufleute in der Nähe des Gefangenhauses hatte bauen lassen, wurde
bei dem Cadhi el-Marwazf angeklagt, dass er einen grossen ihm anver-
trauten Schatz bei sich habe und nachdem dies durch Zeugen erhärtet
war, wurde er zur Herausgabe aufgefordert und so lange gefoltert, bis
er starb.
Im J. 301 begann Obeidallah den weiteren Kampf gegen die 'Ab-
basiden, welche in Africa noch Truppen unterhielten; er sandte eine
Armee unter dem Befehle des Chubäsa ben Jüsuf aus, welcher zunächst
in die Stadt Surt ohne Kampf einzog» nachdem die 'Abbasidische Be-
satzung geflohen war. Ebenso ging es mit A'gddbia, Barca und anderen
Städten, und so oft er eine derselben einnahm, brandschatzte, marterte
und tödtete er die Einwohner und hatte daran sein Vergnügen^). In
Barca z. B. traf er eine Gesellschaft, welche mit Tauben spielte, er liess
ein Feuer anzünden und sie um dasselbe herum Platz nehmen , dann
befahl er, ihnen Stücke Fleisch abzuschneiden, dies zu braten und von
ihnen selbst essen zu lassen, danach warf er sie ins Feuer, indem er
behauptete, sie hätten Brieftauben, welche ihnen Nachrichten von den 'Ab-
basiden brächten. — Er liess auch in Barca öffentlich bekannt machen,
wer ein Geschenk oder eine besondere Belohnung zu haben wünsche,
solle zu ihm kommen; es liess sich dann eine grosse Anzahl bei ihm
einschreiben und er befahl den Vornehmsten der Kitäma, sich diese
1) Hier und in dem Folgenden mnsste der Vollständigkeit wegen einiges aus
»r Abhandlung aber die Statthalter von Ägypten 4. Abth. wiederholt werden.
Histor.-phüolog. Glosse. XXVI. 3. G
50 F. WÜSTENFELD,
Personen zu merken» indem er einem jeden von ihnen einen derselben
zum Geschenk machte. Er bestellte sie dann auf den folgenden Morgen
wieder zu sich und als sie erschienen, um die Geschenke in Empfang
zu nehmen, liess er sie sämmtlich umbringen, es waren ihrer gegen
Tausend. Ihre Leichen wurden zusammengelegt, darüber ein Thron er-
richtet, auf den er sich setzte, dann wurden die vornehmsten Einwohner
herbeigeführt, um dieses grässliche Schauspiel anzusehen, bei dessen An-
blick drei derselben vor Furcht und Schrecken starben. Nach einer so
grausamen Behandlung schalt er sie noch aus und sagte dann, wenn sie
ihm am nächsten Morgen nicht 100000 Mithkdl (Ducaten) brächten,
wfirde er sie sämmtlich tödten lassen; und sie brachten ihm das Geld.
Chubdsa liess in Barca auch Hdrith und Nizllr, die Söhne des Ham-
mdl el-Mandzi, mit mehreren ihrer Söhne und Vettern umbringen, ihre
Frauen verkaufen, ihr Vermögen einziehen, alles wie Obeidallah ihm
befahl, weil dieser vorgab, dass sie ihn auf seiner Reise von Ägypten her
ausgeplündert hätten, und als die Einwohner von Barca bei Obeidallah
sich hierüber beklagten, entschuldigte er sich bei ihnen und schwor,
dass sein Befehl sich nur auf drei Personen erstreckt habe, zugleich
schrieb er an Chubdsa von dort abzuziehen und dieser rückte desshalb
weiter nach Ägypten vor. Eine Armee, welche unter Abul-Jumn von
Fustdt aus gegen ihn geschickt wurde, brachte ihm anfangs mehrere
schwere Niederlagen bei, wurde aber zuletzt von ihm in die Flucht ge-
schlagen und verfolgt. Abul-Cdsim kam nun auch von Raccdda mit
100000 Mann im Dsul-Hi'gga nach Barca und zog am 1. Muharram
302 mit Chubdsa ohne Widerstand in Alexandria ein, weil die Stadt
leer war, indem die Einwohner sich auf die Schiffe gerettet und alle
ihre leicht fortzuschaffende Habe mit sich genommen hatten; was zurück-
gelassen war, eigneten sich die Sieger an und marschirten dann weiter,
während im ^afar ein Hülfscorps des Chalifen aus Irdk in Mi^r eintraf.
Für den ferneren Vormarsch hatte Abul-Cdsim den Oberbefehl dem
Abu Farldun übertragen und Chub&sa befohlen, bei ihm zu bleiben.
Das empörte diesen aber so sehr, dass er im Arger ausrief: Nun, da ich
nahe dabei bin das Land in Besitz zu nehmen, soll Abu Faridun den
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIPEN. 61
1
Yortheil und Ruhm davon haben I Er verliess die Armee heimlich mit
etwa dreissig Reitern, seinen nächsten Verwandten, und begab sich auf
den Rückweg nach Magrib. Abul-C&sim schrieb an die Districts-Beamten,
und befahl ihnen auf die Flüchtlinge zu fahnden und sie im Betretungs-
falle fest zu nehmen, zugleich setzte er seinen Vater Obeidallah Ton
dem Vorfalle in Kenntniss*).
Als nun die feindlichen Armeen im Gumdd^ I. auf einander stiessen,
kam es zu einer furchtbaren Schlacht, in welcher auf beiden Seiten viele
Tausende blieben, bis die verbündeten Agyptier und Irdkaner den Sieg
errangen, wonach sie die Magribiner aus Alexandria vertrieben und bis
Barca verfolgten. Diese hatten 7000 Mann an Todten und Gefangenen
verloren und der Rest des Heeres kam in dem kläglichsten Zustande
wieder nach Magrib; sie hatten kaum ihre leichten Gegenstände an
Waffen und Kleidern mit sich fortbringen können, die Nachhut hatte
ihre Zelte, Waffen und Geräthe im Stiche lassen müssen.
Chubdsa hatte sich durch das Gebiet von Barca nach Nafzdwa be-
geben und brieflich seinen Bruder Garraweih ben Jdsuf, der sich gegen
Obeidallah aufgelehnt hatte, benachrichtigt, dass er zu ihm nach Tdhart
kommen wolle, um mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen. Da er
verfolgt wurde, trennten sich seine Begleiter von ihm, er wurde gefangen
genommen, zu Obeidallah geführt und eingekerkert ; Garraweih hatte die
Flucht ergriffen, wurde am Berge Aurfis eingeholt und getödtet und
sein Kopf zu Obeidallah gebracht. Da dieser jetzt erfuhr, dass Chubfisa
mit ihm im Einverständniss gewesen sei, liess er ihn und alle seine Ver-
wandten aus dem Geföngnisse holen und ihnen die Köpfe abschlagen,
denen Papierstreifen mit ihren Namen an die Ohren gehängt wurden, und
als man sie so Obeidallah zu Füssen legte und er die Köpfe der beiden
Brüder betrachtete« sagte er: Wie wunderbar ist doch der Lauf der Welt!
der Orient und der Occident war zu eng für diese Köpfe, nun kann sie
1) Die Angabe bei Äbtd-Mahäsin 11, 193, dass Ghnbäsa in der Schlacht in
Ägypten gefallen sei, ist eben so unrichtig, als dass Obeidallah selbst diesen Feld-
zag unternommen habe.
G2
52 F. WÜSTENFELD,
dieser Kasten fassen. Er befahl, sie heimlich in die Moschee von
Alexandria zu bringen.
Als Abul-Cäsim auf der Flucht wieder durch Barca kam, empfingen
ihn die Einwohner mit Glückwünschen und er redete ihnen ein, dass
er nur Chubdsa verfolgen wolle, um ihn zur Strafe zu ziehen für die
schlechte Behandlung, die er ihm habe zu Theil werden lassen; er be-
fahl ihnen, die Beschädigungen ihrer Stadt wieder auszubessern, und
liess einen der Kitdma als Präfecten zurück. Nachdem er sich aber ent-
fernt hatte und die näheren Umstände bekannt wurden, wesshalb er aus
Ägypten zurückgekehrt sei, rottete sich das Volk zusammen und tödtete
den Präfecten sammt seiner Begleitung. Abul-Cdsim kam am 1 0. Dsul-
Ca'da 302 wieder in Raccdda an.
Das Jahr 303 machte sich bemerklich durch eine in Africa und
den angränzenden Ländern wüthende Pest, welcher auch viele Gelehrte
und Beamte zum Opfer fielen. — Der Cadhi Abu Ma'mar 'Imrfin ben
Ahmed wurde mit der Regelung der Grundsteuer beauftragt und führte
ein gemässigtes System ein, indem er von allen bebauten Flächen von
Africa den höchsten und niedrigsten Ertrag des Zehnten in einem Jahre
berechnete, hiervon die Hälfte nahm und dies als Abgabe von jedem
Acker festsetzte.
Obeidallah war in dieser Zeit durch die Angelegenheiten Siciliens
sehr in Anspruch genommen, indess hatte er ein neues Heer ausgerüstet,
welches unter Anführung des Abu Madini Ihn FarrAch wieder gegen
Barca marschirte , aber erst nach einer Belagerung von i 8 Monaten,
während welcher eine grosse Zahl der Einwohner umgekommen war,
gelang es im J. 304 die Stadt zu erobern; viele mussten jetzt noch den
Scheiterhaufen besteigen, ihr Vermögen wurde eingezogen und eine
Menge schickte Abu Madtni noch zu Obeidallah, welcher sie umbringen
liess. Abu Madini blieb als Commandant in Barca, bis er im J. 306
starb.
Zu denen, welche Obeidallah schriftlich angefordert hatte, seine
Oberhoheit anzuerkennen und seine Lehre anzunehmen, gehörte auch
Sa*id ben ^älih , ein kleiner Fürst zu Nakdr fünf Meilen vom mittel-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 5S
ländischen Meere, welcher indess eine beleidigende abschlägige Antwort
gab. Desshalb ertheilte Obeidallah seinem Statthalter in Tdhart, Maffila
ben Habtis, den Befehl nach Naktir zu marschiren und Sa'id mit Elrieg
zu überziehen. Er brach am 1. Dsul-Hi'g'ga 304 mit seiner Armee yon
Tdhart auf, und als er eine Tagereise von Nakdr bei dem Orte Nas&ft
lagerte, kam ihm Sa'id entgegen, und es wurde drei Tage lang gekämpft,
ohne dass eine Entscheidung erfolgte. Sa'id hatte in seinem Gefolge
einen äusserst tapfern Mann Namens Hamd «ben el-'Ajjdsch^) aus der
Familie Ituweft, welcher den Plan fasste, mit sieben Reitern in Ma9dla*8
Zelt einzudringen ; er stürzte hinein, aber die Leute erhoben ein Geschrei,
er wurde überwältigt und mit seinen Begleitern gefangen genommen.
Als Ma9dla befahl, ihnen die Köpfe abzuschlagen, entgegnete Hamd:
Ein Mann wie ich wird nicht getödtet. — Warum nicht? fragte Ma^äla.
— Weil du nur durch mich gegen Sa*id etwas erreichen kannst. Er
liess ihn am Leben, behielt ihn in seiner Nähe und wurde so vertraut
mit ihm, dass er ihm ein Corps übergab, womit er unvermuthet von
einer schlecht bewachten Seite in das Lager Sa'id's eindrang, dessen
Truppen sich zur Flucht wandten. Da Sa'id die Unmöglichkeit sah
Widerstand zu leisten, schickte er eiligst nach der Stadt Naktir und
befahl, seine Angehörigen, namentlich seine drei Söhne ^älih, Idris und
Mu'ta^im, nebst den Kostbarkeiten aus dem Schlosse auf eine Insel im
Hafen zu bringen, während er selbst kämpfte, bis er getödtet wurde.
Ma9äla zog Donnerstag den 3. Muharram 305 in die Stadt ein, gab sie
der Plünderung preis, liess die Männer umbringen, die Frauen und
Kinder als Gefangene abführen und meldete Obeidallah diesen Sieg, in-
dem er zugleich die Köpfe des Sa'id und seiner Begleiter mitschickte,
welche in Keirawdn im Triumphe umhergetragen wurden.
Die flüchtigen Prinzen setzten nach Spanien über und blieben unter
dem Schutze des Chalifen el-Nd9ir Abd el-Rahman in Malaga und Pechina.
1) So bei Behrij TAfriqae pag. 95, Journ. Asiat. Tome XIII. pag. 176, wo-
far in der ganz gleich lautenden Erzählang bei Ihn ^Ads&ri S. 182 Ahmed ben
el-*Abbäs vorkommt.
64 . F. WÜSTENFELD,
Ma^ftla verweilte in Nakür sechs Monate, dann setzte er einen Officier
aus seinem Gefolge Namens Dsalül zum Präfecten ein und kehrte nach
Tdhart zurück. Bald nachher lehnten sich die Soldaten gegen Dsalül
auf und sobald die vertriebenen Prinzen dies erfuhren, beschlossen sie,
ihr Reich mit Hälfe der ihnen treu gebliebenen Berbern wieder zu er-
obern. Sie kamen überein, in drei Schiffen hinüberzufahren, und wer
von ihnen zuerst die Africanische Küste erreichte, solle Regent werden.
Der jüngste Qdlih kam noch in derselben Nacht, wo sie zu gleicher Zeit
abgefahren waren, in die Bucht von Nakür und lief am anderen Morgen
in den Hafen von Wadil-Bacar bei Tamsämfln ein und auf die Nachricht
hiervon strömten die Berbern herbei, erkannten ihn als ihren Herrscher
an und nannten ihn wegen seiner Jugend den Waisenknaben. Sie zogen
gegen Dsalül, nahmen ihn mit seinem Gefolge gefangen und kreuzigten
sie sämmtlich an beiden Ufern des Flusses von Nakür.
Während der Zeit hatte Ma9^a in die ihm verliehenen westlichen
Provinzen einen Feldzug unternommen, sich der Hauptstädte Fds und
Si'gilmdsa bemächtigt und Jahjd ben Idris gezwungen, die Oberhoheit
Obeidallahs anzuerkennen. In Fds setzte er Jahjd gegen Bezahlung
eines Tributes wieder als Regenten ein und Sigilm&sa theilte er dem
Gebiete seines Vetters Müsd ben Abul-Afia zu, welcher als Häuptling
der Mikndsa in Tasül seinen Wohnsitz hatte; dann trat Ma9dla den
Rückweg nach Keirawdn an.
Obeidallah hatte fortwährend Verbindungen mit der unzufriedenen
Partei in Ägypten unterhalten, wiewohl der dortige Statthalter Dsukd
mit aller Strenge verfuhr und die Verdächtigen ausweisen oder ins Ge-
fängniss werfen oder umbringen liess, bis im J. 306 ein zweiter Zug
dahin unternommen wurde. Abul-Cdsim hatte ein grosses Herr von
Kitdma und anderen Berberischen und Arabischen Stämmen gesammelt
und brach damit am Dienstag den 1. Dsul-Ca'da auf; in seiner B^lei-
tung befanden sich unter anderen Chalfl ben Ishdk, der Secretär Abu
Gdnim und Mannallah ben Hasan ben Abu Chinztr, welcher bis dahin
Präfect von Keirawdn gewesen und jetzt durch den bisherigen Statt-
halter von Sicilien Abu Sa'td Müsd ben Ahmed el-Dheif ersetzt war.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 55
Nachdem Abul-Cftsim über Barca bis an die Gränze bei Lübia und
Makdria gekommen war, schickte er den vorzugsweise aus Berberischen
Reitern vom Stamme Kitllma bestehenden Vortrab unter Suleimän ben
Kdfi nach Alexandria voraus. Die Einwohner wurden in völliger Sorg-
losigkeit überrascht und flüchteten zu Wasser und zu Lande nach Syrien,
ein grosser Theil derselben kam aber unterwegs um. Abul-Cäsim rückte
mit der Hauptarmee nach und hielt am 8. Cafar 307 seinen Einzug in
die Stadt, welche der Plünderung preisgegeben wurde, und setzte seinen
Vater von der erfolgten Einnahme in Kenntniss. Hierauf ging Suleim&n
ben Kdfi bis Fajjüm vor, welches mit dem Schwerdt erobert und eben-
falls geplündert wurde ; die Kinder wurden zu Gefangenen gemacht und
die Zehntabgaben eingefordert. Von der Africanischen Armee folgte ein
Theil dem anderen nach, Abul-Cäsim erhielt unzähligen Zuzug und ver-
legte sein Hauptquartier von Alexandria nach Fajjdm, nachdem der
Ort Tarnüt an der Hauptstrasse zerstört war; im Ra'gab wurde auch el-
Uschmunein besetzt. Hier lagen die Früchte auf den Tennen, ohne
schon au%espeichert zu sein; die Soldaten nahmen davon, was sie ge-
brauchten, aber die Vergeudung hatte bald einen allgemeinen Mangel
und Theuerung zur Folge, wozu sich noch sowohl unter den Einwohnern,
als auch in der Armee verschiedene Krankheiten gesellten, namentlich
die Pest, welche diese wahrscheinlich von Africa einschleppte, wo sie
in diesem Jahre sehr heftig auftrat.
Unterdess hatte sich Dsukd gerüstet, um sich dem Feinde entgegen
zu stellen, aber es kostete grosse Mühe die widerstrebenden Truppen
zum Ausmarsch zu bewegen; sie bezogen erst bei Giza ein Lager, der
Steuerverwalter Husein vertheilte Geschenke unter sie, um sie zufrieden
zu stellen, dann wurden die Vorbereitungen zu einem Kampfe mit allem
Eifer betrieben, auch eine Verschanzung um das Lager angeworfen, um
gegen einen Überfall sicher zu sein. Da erkrankte Dsukd und starb in
Giza Mittwoch Morgens den U. Rabf I. 307.
Während der Zeit hatte der Chalif in Bagdad ein neues Heer aus-
rüsten lassen, welches er unter der Anführung der Emire Ibrdhim ben
Keigalag und Mahmdd ben Hamal zur Hülfe nach Ägypten schickte.
56 F. WUSTENFELD,
und es traf noch im Rabf I. dort ein, als Dsukd eben gestorben war.
An seine Stelle aber sandte der Chalif den früheren Statthalter Takln
wieder dahin , welcher am 2 1 . Scha'bän ankam , die Ausrüstung eifrig
fortsetzte und eine zweite Verschanzung um das Lager aufwerfen liess.
In Alexandria hatte die Auswanderung immer mehr zugenommen, viele
hatten sich besonders nach Dsukd's Tode nach Culzum und Hi'gdz be-
geben, indess kehrten nach Takin's Ankunft manche wieder zurück.
Aus Africa war eine Flotte von 80 SchiflFen Abul-Cdsim zur Hälfe
gesandt und hatte bei Alexandria die Anker geworfen, sie wurde von
dem Eunuchen Suleimdn und Ja'cüb el-Kitdmf befehligt, welche sich be-
reits durch Tapferkeit und regen Eifer ausgezeichnet hatten. Der Chalif
liess desshalb auch eine Flotte von Tarsus aus den Syrischen Häfen
unter Abul-Jumn und Thamil nach Ägypten segeln; sie bestand freilich
nur aus 25 SchifiPen, war aber mit Naphtha und anderem Kriegsmaterial
wohl versehen. Bei Raschid (Eosette) wurde Sonntag den 18. Sohawwäl
eine grosse Seeschlacht geliefert, in welcher die Schiffe des Chalifen den
Sieg erfochten ; der grösste Theil der feindlichen Flotte wurde verbrannt,
die Mannschaft getödtet oder zu Gefangenen gemacht. Die letzteren,
grösstentheils vom Stamme Kitftma, wurden nach Fustdt gebracht und
•
im Triumphe durch die Stadt gefQhrt, darunter befanden sich die beiden
Anführer Suleimdn, der im Geföngnisse zu Fustdt starb, und Ja'cüb, der
nach Bagdad geschleppt von dort entkam und nach Africa zurückkehrte.
Die Magribiner hatten wegen der erschlaffenden und verheerenden
Krankheiten längere Zeit fast ganz unthätig in Fajjdm zugebracht, selbst
Abul-Cfisim war schwer erkrankt und mehrere der ersten Corpsfahrer,
unter ihnen Däwüd ben Chubdsa, waren gestorben. Endlich in dem-
selben Monate Schawwdl setzten sie sich in Bewegung gegen Fustdt;
Takin erwartete sie in seinem verschanzten Lager und es kam hier zu
einem heftigen Kampfe, aus welchem Takfn als Sieger hervorging. In-
dess brachte ihm dieser Sieg weiter keinen erheblichen Vortheil, die
Magribiner wandten sich nach Ober -Ägypten und er kehrte nach
Fustdt zurück und blieb hier, bis im Muharram 308 Münis mit 3000
Mann frischer Truppen aus 'Irdk eintraf. Es währte jedoch noch längere
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 57
Zeit, ehe Takin zum Angriff überging und Ibrdhira ben Keigalag mit
einem Corps nach eMJschmunein schickte; da dieser aber am 1. Dsul-
Ca'da in el-Bahnesd starb, so hatte auch dieser Zug weiter keine Folgen.
Die Magribiner hatten sich in Fajjüm , Uschmunein und mehreren
anderen Städten festgesetzt, und Takin war ihnen nicht gewachsen, um
sie angreifen zu können, bis im Dsul-Hi'gga ein zweites Hülfscorps aus
'Irak unter Anführung des Eunuchen Ginnf eintraf, welches gleich nach
Giza weiter marschirte, und nun ging die ganze Armee zum Angriflf vor,
lieferte den Magribinern bei Fajjüm und Alexandria mehrere Schlachten
und Gefechte*), bis Abul-Cäsim sich wieder ganz nach Barca zurückzog
und Sonnabend den 1. Ra'gab 309 nach einer Abwesenheit von zwei
Jahren und acht Monaten in el-Mahdia eintraf, wohin Obeidallah am 8.
Scha'bdn 308 schleunig mit seiner Familie übergesiedelt war, weil in
Keirawdn und Raccdda durch unaufhörlichen Regen die Wohnungen
grossen Schaden gelitten hatten. Die erst im J. 263 von dem Aglabiten
Ibrdhim erbaute Residenz Raccdda wurde nun von den Einwohnern ver-
lassen und verfiel sehr bald gänzlich in Ruinen.
Gleichzeitig mit der Expedition nach Ägypten hatte Obeidallah
eine andere nach Westen unternehmen lassen, indem Ma9dla mit einer
Armee im J. 308 wieder nach Nakür gesandt wurde. ^*dlih ben Satd
kam ihm von dort entgegen und verschanzte sich bei dem Berge Abul-
Husein, konnte es aber nicht verhindern, dass Ma9dla sich der Stadt
bemächtigte. Dieser setzte dann nach einiger Zeit seinen Marsch weiter
fort nach Fds, um Jabjd ben Idris wieder zu unterwerfen, welcher den
Tribut verweigert und gegen Müsä ben Abul-Afia Feindseligkeiten be-
gonnen hatte, um ihn dafür zu züchtigen, dass er Ma9dia gegen ihn
1) In einer Schlacht sollen 50000 Magribiner geblieben sein und davon das
Schlachtfeld im Districte von 'Giza den Namen ardh d-chamstn das Land der Fünfzig
(Tausend) erhalten haben. In dem Ortsverzeichnisse des Ibn Mammäfi ist ^^_¥-»j^
vocalisirt, was el-chnmsin oder el-chumsein lauten nnd „die FünfteP^ oder „zwei
Fünftel" bedeuten würde nnd sich anf die Äcker oder die Abgaben davon beziehen
könnte.
Histor.-phOolog. Glosse. XXVL 3^ H
58 F. WÜSTENFELD,
•
unterstützt hatte. Nachdem zuerst die befestigte Residenz el-Zeitün ein-
genommen war, wurde nach einer Gegenwehr von einigen Tagen auch
Fäs erobert und Jahjd gefangen genommen, er musste gegen die Aus-
lieferung aller seiner Schätze seine Freiheit erkaufen, wurde dann ver-
trieben*) und die Verwaltung von Fds dem Kitämier Eihän übertragen.
Von hier wandte sich Ma9äla im Jahre 309 nach Si'gilmäsa, eroberte und
plünderte die Stadt im Muharram, tödtete den Fürsten Ahmed ben
Midrdr und setzte einen von dessen Verwandten, el-Mu'tazz ben M uham-
med Ibn Midrdr, zum Regenten ein, welchem nach seinem Tode im
J. 321 sein Sohn Muhammed folgte.
Als Mafdla von diesem Zuge im Scha'bftn 310 nach el-Mahdia zu-
rückkehrte, schickte ihn Obeidallah einige Tage nachher wieder nach
Tdhart. Er unterwarf von hier aus die Zandta und machte viele zu
Gefangenen, als er aber dann ein Reitercorps, in welchem sich die besten
seiner Leute befanden, in das Gebiet des Häuptlings Ibn Chazar ent-
sandte und nur wenige Truppen bei sich behielt, wurde dies Ibn Chazar
hinterbracht, er wich dem ihm entgegen geschickten Corps aus und
ging dann direct auf Ma^dla los, es entspann siöh zwischen ihnen ein
harter Kampf, in welchem Ma9dla fiel und seine Armee Freitag den 19.
Scha'bdn 312 in die Flucht geschlagen wurde.
Wie streng die Befolgung der Schf itischen Lehren und Vorschriften
gehalten wurde, zeigte sich bei vielen Gelegenheiten. Im J. 307 wurde
'Abdüs, der Gebetausrufer an der Moschee Ibn 'Ajjäsch in Keirawän,
ein frommer Mann, der sich mit Getreidemahlen und Mattenflechten
sein Brod erwarb, angeklagt und durch das Zeugniss einiger Anhänger
des Orientalismus für überführt erklärt, dass er beim Ausruf die Worte
»,herbei zum besten Werke!*' weglasse; nachdem er gegeisselt und ihm
die Zunge ausgeschnitten war, wurde er getödtet. — Besonders der
1) Nach der Reihenfolge der Ereignisse Ende 308 oder Anfang 309, nicht
307, wie Bekri, TAfrique, pag. 155 sagt.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 59
Fräfect.YOD Keirawdn Abu Sa'id Müsd verfuhr mit rücksichtsloser Strenge
auch aus persönlicher Rachsucht. Der Arzt Zijdd ben Chalfün, welcher
schon den Aglabiten Fürsten gedient hatte, war als ein gelehrter und
einsichtiger Mann auch von Obeidallah zu Rathe gezogen und er hatte
ihn gern in seiner Nähe. Da er wusste. dass er mit Abu Sa'id auf
gespanntem Fusse stand, warnte er ihn und rieth ihm, niemals Keirawdn
zu betreten, wenn Abu Sa'id dort sei. Zijäd richtete sich danach, bis
er einmal doch in Keirawdn übernachtete, während Abu Sa'id in Raccdda
war; dieser wurde sogleich durch seine Spione davon benachrichtigt«
schickte einen Helfershelfer in seine Wohnung und liess ihn dort um*
bringen im J. 308. — Ein anderes Opfer seiner Privatrache wurde in
demselben Jahre 'All ben Muhammed ben Abdallah el-Teimf aus der
Nachkommenschaft des Chalifen Abu Bekr. Diesen hatte Abu Sa'id
Müsd im Verdacht, dass er an Obeidallah ein Schreiben gerichtet habe,
worin er ihn beschuldigte, er wolle mit den Einwohnern von Keirawdn
einen Aufstand gegen ihn anstiften. Obeidallah verurtheilte ihn, er
wurde ins Geföngniss geworfen und dann erdrosselt.
Um seinen Lehren weitere Verbreitung zu verschaffen , hatte Obeid-
allah im J. 309 den Munib ben Suleimdn el-Mikndsl nach der Umgegend
von Tdhart geschickt, wo er den Orientalismus predigte; er begab sich
auch in seine Heimath am Berge Wdnscharis, indess die Schändung
ihrer Frauen und noch Verhöhnung dazu wollten sich die Berbern nicht
gefallen lassen, sie tödteten mehrere seiner Begleiter und machten sich
dadurch frei. — Dagegen hatten die communistischen, atheistischen und
cynischen Grundsätze in Keirawdn, Bdga und Tunis Eingang gefunden,
Weibergemeinschaft fand offen statt, man ass Schweinefleisch und trank
Wein selbst in dem Fastenmonate Ramadhdn öffentlich, Hohen und
Niedern war dies bekannt, selbst Abul-Cdsim musste, als er in Fajjdm
war, Schmähreden darüber höhren und es wurde viel darüber gesprochen.
Hierdurch sah sich Obeidallah endlich genöthigt dagegen einzuschreiten,
er schrieb an die Statthalter der genannten Orte, die Compromittirten
festzunehmen und gefesselt zu ihm zu bringen, es wurden gegen 200
Personen ins Gefängniss gebracht, von denen die meisten darin starben.
H2
60 F. WÜSTENFFLD,
Es waren lauter in Africa bekannte Leute, wie der Sklavenhändler
Ahmed el-Balawf. welcher das Amt des Vorbetens versah und, solange
Obeidallah in Raccdda wohnte, sich beim Gebete dahin nach Westen
gewandt hatte, und nachdem er nach el-Mahdia gezogen war, sich dahin
nach Osten wandte. Er pflegte zu sagen: ,,ich gehöre nicht zu denen,
welche ein Wesen anbeten, das man nicht sieht**; er stellte sogar
Obeidallah zur Rede; „steige auf gen Himmel, wie lange willst du noch
auf der Erde bleiben und in den Strassen umhergehen?*' Den Ein-
wohnern von Keirawdn redete er vor. dass Obeidallah alle ihre geheimen
Gedanken und Absichten kenne; eines Tages, als er eben dies sagte,
näherte sich ihm ein Mann, ergriff ihn beim Ohre und rief hinein:
„Obeidallah, von dem du sprichst, ist ein liederlicher Mensch, der Sohn
einer liederlichen Dirne, wenn er gewusst hat, dass ich dir dies sagen
würde, so hätte er dem zuvorkommen sollen.** Da schrie jener laut
auf und sprach: ,, Du Elender, er weiss es sehr wohl, aber er beeilt sich
nicht**. — Ein anderer Namens Ibrdhim ben Gdzl in Ca^r el-Tüb in
der Nähe von Susa, welcher zur Zeit der Aglabiten ein so frommer und
eifriger Muslim gewesen war, dass ihn die Einwohner von Susa zum
Vorbeter beim Freitags-Gottesdienst wählen wollten, hatte jetzt nach der
neuen Lehre das Fasten im Ramadhän nicht gehalten, sondern öffentlich
gegessen und sich andere schwere Sünden zu Schulden kommen lassen.
— Mehrere Bewohner von Keirawän erschienen mit ihren Frauen und
Kindern vor dem Prinzen Abul-Cäsim, beklagten sich vertraulich über
die Ungerechtigkeit des Abu Sa'id und seiner Wachen und schilderten
ihre Verworfenheit und ihre Eingriffe in ihre Eigen thumsrechte; Abul-
Cdsim verschaffte ihnen eine Audienz bei seinem Vater und sie wieder-
holten hier in Gegenwart des Abu Sa'id dieselben Klagen, worauf
Obeidallah heilig versicherte, dass er von ihrer Bedrückung nichts ge-
wusst habe, und er entliess sie mit dem Versprechen, Abhülfe zu schaf-
fen. Dann befahl er dem Abu Sa'id, seinen Secretär und die Mann-
schaft seiner Wache zu ihm zu schicken, er Hess letztere ins Geföngniss
stecken und gab dem Secretär den Abschied.
Gleichwohl verfolgte Obeidallah seinen Plan weiter. Den Rechts-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 61
gelehrten Abu 'Ali Hasan ben Mufarra'g , den frommen Muhammed el-
Schadsüni und andere, welche bei ihm angeklagt waren, dass sie einigen
Begleitern des Propheten vor 'Alf den Vorrang gäben, liess er hinrichten.
— Der nächste Weg, um von Keirawdn die Pilgerreise nach Mekka zu
machen, ging weit an el-Mahdia vorbei, Obeidallah befahl aber, dass die
Pilger über el-Mahdia reisen und niemand daran vorbeigehen solle, um
hier erst eine bestimmte Abgabe zu bezahlen. Die Einwohner von
Keirawdn hatten ein altes Sprüchwort, um das Unternehmen einer
widerwärtigen Sache zu bezeichnen: ,,Wenn du die Pilgerreise machen
willst, so nimm den Weg über Banddn**; dies war ein Dorf auf dem
Wege nach der Halbinsel Hamma, auf welcher el-Mahdia erbaut wurde;
als nun Obeidallah jenen Befehl erliess, wurde das alte Sprüchwort zur
Wahrheit.
Im J. 310 liess Obeidallah in der Moschee von Keirawdn ein
Schreiben verlesen über eine Schlacht, welche zwischen Faldh ben Camun
und den Ägyptischen Truppen bei Dsdt el-Humdra zwischen Barca und
Alexandria stattgefunden haben sollte. — Um dieselbe Zeit hatte er
einen seiner Generäle, Abu Ma'lAm Fahlün el-Kitdmf nach dem Berge
Aurds geschickt, welcher die Leute über die Maasse bedrückte und sie
zwang, ihr Viehfutter nach el-Mahdia zu bringen. Sie gaben sich den
Anschein, als ob sie ihm gehorchen wollten, und fingen an, seinem Be-
fehle nachzukommen, aber in einer Nacht überfielen sie ihn und die
Soldaten von Kitäma, welche er bei sich hatte, und machten sie sämmt-
lich nieder. — Auf der anderen Seite lehnte sich der Stamm der NafAsa
auf; sie wählten Abu Batta zu ihrem Anführer, um welchen sich eine
grosse Schaar sammelte, die sehr bedrohlich wurde. Obeidallah liess
den 'All ben Abu Salmdn mit einem zahlreichen Corps gegen sie mar-
schiren, doch als er in ihre Nähe kam, griffen sie ihn an und tödteten
viele von seinen Leuten, die übrigen ergriffen die Flucht und trennten
sich von 'AU. Dieser begab sich nach Tripolis und berichtete darüber
an Obeidallah, welcher nun seinem Verwalter in Cdbis den Befehl gab,
alle Flüchtlinge, welche in jener Gegend vorüberkämen, zu tödten, und
dieses Urtheil wurde an vielen von ihnen vollzogen. Dem 'AU schickte
62 F. WÜSTENFELD,
er ein frisches Corps, womit er die Nafdsa in ihrer Festung scharf be-
lagerte, bis er sie nach mehreren Gefechten Dienstag den 17. Scha'bdn
311 einnahm und zerstörte; die Männer wurden niedergemacht und die
Kinder gefangen weggeführt.
Vorher, Sonnabend den 19. Gumddä II. 311, war Ishdk ben Abul-
Minhäl seines Postens als Cadhi von Keirawän enthoben, nicht wegen
eines Vergehens, wie ihn Obeidallah wissen liess, sondern weil er zu
milde und nachsichtig sei; an seine Stelle kam Muhammed ben 'Imräo
el-Nafti, welcher bisher Cadhi von Tripolis gewesen war, wo er durch
Bestechungen und Erpressungen grosse Summen zusammengebracht hatte,
die er jetzt Obeidallah überreichte, wodurch er sich bei ihm in hohe Gunst
setzte. Indess starb er schon im Rabf I. 312, nachdem er sich auch
hier für seine Urtheilssprüche hatte bestechen und sich vielerlei Unge-
rechtigkeiten hatte zu Schulden kommen lassen. Nun berief Obeid-
allah den Ishdk ben Abul-Minhdl wieder und schrieb in sein Anstellungs-
decret: Wegen deiner Milde und Nachsicht hatten wir dich entlassen
und wegen deines Glaubens und deiner Treue setzen wir dich wie-
der ein.
Der Rechtsgelehrte Muhammed ben el-'Abbds el-Hudseli wurde in
der Moschee nackend ausgepeitscht und so mit Ohrfeigen tractirt, dass
ihm das Blut am Kopfe herunterfloss , dann wurde als Grund hiervon
öffentlich auf den Marktplätzen von Keirawfin bekannt gemacht, dass
Anhänger des Orientalismus bezeugt hätten, er habe auf den Fürsten
geschimpft und nach der Lehre des Mdlik Recht gesprochen. — Masrür
ben Suleimdn ben Kdfi war in die Oasen eingedrungen, wo mitten in
der Sandwüste zwei Burgen lagen, welche unter einem Präfecten des
Beherrschers von Ägypten standen; diesen vertrieb Masrür, nahm seine
Kinder und einen Sohn seines Bruders gefangen und bemächtigte sich
des Ortes ; dann brach die Pest unter seinen Leuten aus, er zerstörte die
beiden Burgen, nahm die Früchte mit sich und kehrte nach Barca zu-
rück. Dies wurde als Siegesbotschaft Donnerstag den 22. Muharram
312 in Keirawdn öffentlich bekannt gemacht.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 63
Muhammed ben Chazar war in Folge der Niederlage, welche er
Ma9dla beigebracht hatte, bis Tähart vorgedrungen and bedrohte die
Stadt, wurde aber zurückgeschlagen und Obeidallah schickte den Miäsi
ben Muhammed el-Kitdml mit mehreren Corpsführem zu seiner Ver-
folgung nach. Als diese nach Tubna kamen, zog sich Ihn Chazar in
die Wüste zurück und überliess die Führung seines Hauptcorps seinem
Bruder Abdallah, welcher in den Pässen des Gebirges Matmdta den
Feind erwartete, und hier kam es zu einer grossen Schlacht, in welcher
die Truppen des Ibn Chazar einen vollständigen Sieg errangen. Durch
diesen Erfolg kam ganz Magrib in Bewegung, vergebens schickte Obeid-
allah ein Corps unter Ishdk ben Chalifa zur Hülfe, die Lamdja und die
angränzenden Stämme erhoben sich, setzten sich mit Ibn Chazar in Ver-
bindung und baten ihn um Unterstützung, er sandte ihnen seinen Bru-
der Abdallah als Anführer, welcher den Schfiten mehrere Schlachten
lieferte. Endlich entschloss sich Obeidallah seinen Sohn Abul*Cdsim
mit einer neuen Armee zu entsenden. Er brach Donnerstag den 10.
9afar 315 von el-Mahdia auf, nahm seinen Weg über Keirawdn und
lagerte bei el-Urbus mehrere Tage, um die Truppen um sich zu sammeln ;
dann marschirte er über Bdgdja nach Kitfima und gelangte an einen
Berg, wo ihm die Banu Barzdl und Leute vom Stamme Makldta den
Weg verlegten; er griff sie an, bis er sie zurückdrängte und wandte
sich nach Madgara, dann nach Sük Ibrdhlm. In dieser Gegend blieb
er über einen Monat, weil ein strenger Winter eintrat und in den grund-
losen Wegen die Pferde nicht von der Stelle konnten. Ein Mann aus
der Umgebung des Obeidallah erzählt: Ich befand mich mit mehreren
von seiner Dienerschaft und seiner Umgebung bei ihm , es waren lange
keine Nachrichten von Abul-Cdsim angekommen, so dass er sich um
ihn Sorge machte, da wurde von ihm ein Schreiben an seinen Vater ge-
bracht, grade als wir zugegen waren, und als er es geöffnet und gelesen
hatte, fing er an zu weinen. Wir fürchteten, dass etwas Schlimmes vor-
gefallen sei und wollten auch anfangen zu weinen, da hub er an zu
reden und sprach: o Gott! du weist, dass ich nur desshalb gewünscht
habe, dass er nach Magrib auszöge, um dir wohlgefällig zu sein, deiner
64 F. WÜSTENFELD,
Religion zum Siege zu verhelfen und deine Feinde zu unterwerfen ; es
wird mir nicht leicht, nur einen Tag von ihm getrennt zu sein *). Dann
wandte er sich zu uns und sprach: Euer Gebieter schreibt in seinem
Briefe, dass er auf ein und demselben Lagerplatze einen vollen Monat
gelegen habe , jeden Tag mit Regen vom Morgen bis Abend , dass er
viele Strecken habe zu Fuss machen müssen, weil das Reiten wegen der
beschwerlichen Wege nicht möglich war, und dass er manchen Tag nur
ein Ei oder etwas Ahnliches genossen habe, weil die ganze Armee grosse
Noth litt.
Erst mit dem Beginn des neuen Jahres konnte Abul-Cdsim den
Marsch gegen die feindlichen Stämme fortsetzen und am 16. Muharram
B16 erschien er auf der mit Steinen bedeckten Ebene vor der Festung
Agzar und fing an, sie zu belagern. Die Mauer wurde berannt, bis sie
einstürzte und darunter eine grosse Menge der Vertheidiger, welche dar-
auf und daneben gestanden hatten, begraben wurde. Als die Belagerten
sahen, dass sie unterliegen würden, verbrannten sie ihre Geräthe, schnitten
den Pferden und Rindern die Fusssehnen durch und kämpften dann, bis
sie getödtet wurden, nur wenige ergaben sich als Gefangene; die Festung
wurde ausgeplündert und die Hawwdra und Lamdja erklärten die Schfi-
tische Lehre annehmen zu wollen, worauf Abul-C&sim sie begnadigte.
Er zog hierauf nach der Gegend von Tdhart, blieb dort etwa einen
Monat und rückte dann weiter vor nach Tdmagilt, wo er zwei Monate
verweilte, um Ibn Chazar zu erwarten, welcher sich damals in Wdhrän
(Oran) aufhielt. Plötzlich bog Abul-Cdsim nach Tubna ab und kehrte
nach el-Mahdia zurück, ohne mit Ibn Chazar zusammengetrofiPen zu sein.
Als Grund hiervon wird angegeben , dass sein Sohn Cdsim ihn benach-
richtigt habe, die Leute redeten davon, Obeidallah wolle seinem Sohne
Abu 'Alf Ahmed als seinem Nachfolger huldigen lassen, dieser habe
schon am Feste der beendigten Fasten des Ramadhfin und am Opferfeste
den 10. Dsul-Hi'g'ga das öffentliche Gebet gehalten, (was sonst nur von
1) Merkwürdige Äusserungen eines Gottesläugners , den das Mitleid und die
Besorgniss am einen geliebten Sohn übermannt hat.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CH ALIPEN. 65
dem Herrscher geschieht,) und dies beunruhigte ihn so sehr, dass er
nach el-Mahdia eilte.
Auf diesem Feldzuge*) gründete Abul-Cäsim eine neue Stadt,
welche er nach seinem angenommenen Namen Muhammed el-Muham-
media nannte. Das Gebiet gehörte den Banu Barzdl und Banu Kamldn,
die letzteren Hess er von dort auswandern und verpflanzte sie in die
Umgegend von Keirawdn, weil er von ihnen nichts Gutes erwartete und
sie desshalb unter Aufsicht in seiner Nähe haben wollte, was sich frei-
lich später als sehr nachtheilig erwies, da sie sich an den Aufrührer
Abu Jazfd anschlössen. Zum Ersatz Hess er andere Familien nach
Muhammedia übersiedeln und befahl dem Statthalter, stets reichliche
Vorräthe für die Truppen bereit zu halten, so dass die Magazine dort
immer gefüllt waren.
1) Ibn 'Ädsärt pag. 196 und 223 und BeJcri pag. 59 setzen die Erbauung
schon in das J. 313, wo Abul-Cäsim gar nicht in jener Gegend gewesen ist; Jäcüt
IV. 430, Ibn el'AtUr VIII. 131 und Abulfidä pag. 139 geben das J. 315 an; Ibn
elrÄthir und Ibn Chaldün IL 527 bemerken , dass die Gründung auf der Rückkehr
von dem Feldzuge stattgefunden habe, mithin kann sie erst in das J. 316 gesetzt
werden. Mit der Leitung des Baues wurde 'Ali ben Hamdün el-'Gudsämi gen. Ibn
el-Andalüsi beauftragt und auch, als sie fertig war, dort zum Statthalter der Provinz
el-Zäb ernannt. In der Folge hiess der Ort el-Masila. Bei Edrisi kommt der Name
Muhammedia nicht vor und er sagt S. 85, dass Mastla unter der Regierung des
Idrts ben Abdallah (gest. im J. 175) erbaut sei. Man könnte nun annehmen, Abul-
Cäsim habe den Ort Mastla nur erneuern, in der von ihm umrittenen Ausdehnung
vergrössern und mit einer Mauer umgeben lassen, und dass er ihn hierauf Muham-
media genannt habe, wenn man den von Abulfidä*s Gewährsmännern gebrauchten
Ausdruck OcX^I „etwas ganz neues machen'^ nicht zu streng nehmen wollte, so dass
der neue Name Muhammedia nicht recht aufgekommen , sondern der ältere Masila
im Gebrauch geblieben wäre. Nur darin irrt Edrisi y dass er den Leiter des Baues
Ibn el-AndalÜ8i in die Zeit des Idris setzt, da *Ali im J. 334 in einer Schlacht
blieb und sein Sohn Ga^far ihm als Dynast von Zab folgte und bis zum J. 360
dort blieb. Ibn Challikän No. 136 stimmt damit überein, nur sagt er, Masila sei
von 'All Ibn el-Andalüsi erbaut, was man aber auch von dem Wiederaufbau nach
einer Zerstörung verstehen kann; auch er erwähnt den Namen Muhammedia nicht.
Ihn 'Ädsdri pag. 233 sagt: Masila nennen die Schiiten Muhammedia.
Histor.'philolog. Glosse. XXV L 3. I
66 F. WÜSTENFELD,
Um diese Zeit traten in Africa mehrere neue Sectenstifter auf.
Mit Abu Muhammed Hdmim*) ben Mannallah gen. el-Muftiri d. i.
,,der Lügner*' im fernen Westen bei TitdwAn (Tetuan) und Tan'ga
(Tanger) kamen die Sehnten nicht in Berührung, desto gefahrlicher für
sie wurde Abu Jazld Machlad el-Zandti. Sein Vater Keiddd*), ein
Kaufmann in Tauzar, der Hauptstadt des Gebietes von Castilia, hatte
■
eine Frau Namens Sabika vom Stamme Hawwftra, mit welcher er in
Handelsgeschäften nach Sddftn gereist war, und hier wurde Abu Jazid
in der Stadt Kdkü geboren. Nach ihrer Rückkehr nach Tauzar wurde
er in die Schule geschickt und lernte den Kordn» gerieth aber dann in
die Gesellschaft der Nakkarier, einer Secte der ^ufria, an deren Spitze
Abu 'Ammfir Abd el- Hamid el-A'ma stand, nahm ihre Lehren an und
begab sich darauf nach Tdhart, wo er den Kindern Unterricht gab.
Hier war er zu der Zeit , als el-Schff dorthin kam , um zur Befreiung
des Obeidallah nach Si'gilmAsa zu marschiren ; damals verliess Abu Jazid
Tähart, wandte sich nach Takjds, einem freundlichen Städtchen zwischen
el-Hamma und Gafpa, kaufte sich hier eine Besitzung und setzte den
Unterricht der Schulkinder fort. Er hatte sich nun ein eigenes com-
munistisches System ausgebildet, lehrte die Auflehnung gegen die Re-
gierung, Weiber- und Gütergemeinschaft, Mord, Verleitung zum Abfall
von dem orthodoxen Glauben, schimpfte auf 'AH ben Abu Tdlib und
tadelte die Leute wegen vieler ihrer Handlungen, besonders wegen ihrer
Bereitwilligkeit von ihrem Vermögen Abgaben «u geben. Sein Anhang
wurde immer grösser und im J. 316 stachelte er das Volk auf, den Ver-
walter von Takjüs umzubringen und dies wurde ausgeführt. Nach der
1) Der Name H'ämim ist ans den beiden Buchstaben A4 nnd mtm gebildet,
welche zn Anfang mehrerer Sarea des Koran stehen und einen mystischen Sinn
haben sollen. Der Berg Qamtm bei Tetuan^ wo Abn Mohammed wohnte, hat von
ihm den Namen«
2) An vielen Stellen findet sich die Lesart Eand&d, z. B. Abülfedu, Annal.
T. n. pag. 430 , wo der Verfasser selbst in dem Pariser Codex 6\0jS KandÄds vo-
calisirt hat.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 67
Thai gerieth Abu Jazid doch in Angst und er verliess die Stadt, um die
Wallfahrt zu machen, als er indess nach Tripolis kam, war daselbst von
Obeidallah ein Schreiben eingegangen, die durchziehenden Berbern an-
zuhalten. Er ergriff desshalb die Flucht mit seinem Lehrer Abu'Ammftr,
der ihn begleitet hatte, und kehrte nach Takjüs zurück. Aber auch
hier war bereits der Befehl zu seiner Verhaftung eingetroffen und er
musste sich längere Zeit verborgen halten.
Zu der Noth und dem Elend, in welches in den Jahren 316 und
317 die ganze Nordküste von Africa durch eine verheerende Pest und
gleichzeitige Theuerung versetzt wurde, kamen die erneuerten Aufstände,
wodurch mehrere Provinzen auf längere Zeit für Obeidallah verloren
gingen. Bald nach dem Abzüge des Abul-Casim war Muhammed ben
Chazar wieder vor Tdhart erschienen und hatte sich des ganzen Gebietes
el-Zdb bemächtigt. Zu gleicher Zeit erklärte sich Müsä ben Abul- Afia
in Fds für unabhängig und marschirte gegen Nakür, eroberte die Stadt
im J. 317, tödtete den Fürsten el-Muajjid ben Abd el-Badf , vertrieb
die anderen Idrisiten aus ihren Besitzungen, ebenso die Besatzungen und
*
Präfecten des Ihn Chazar und machte sich zum Herrn des ganzen Landes
von T&hart bis el-Süs el-ac(ä. Obeidallah war damals nicht im Stande
ihm einen Widerstand entgegen zu stellen, und selbst, als ohne seine
Erlaubniss im J. 318 sich der General Humeid ben Ja9il^) nach Tdhart
begeben hatte, um für ihn thätig zu sein, Hess er ihm durch dessen
Vater, den dortigen Statthalter Ja9il ben Habds befehlen, unverzüglich
wieder zurückzukommen, und er leistete diesem Befehle augenblicklich
Folge. — Noch bedenklicher wurde die Lage für Obeidallah, als im
folgenden Jahre 3 1 9 Müsd sich unter den Schutz des Abd el-Rahman
1) Ibn'Adsart pag. 202 J^^aj, Behri pag. 128 ^joaj I9II, Ihn Chaldün ^J^JX^a^
in der Übersetzung Tome I, 268 und II, 528 Isliten, was auch der Name eines
Berberischen Stammes ist, Bekri pag. 94; in der zweiten Stelle des Ibn Chaldün
ist jedenfalls Ahmed unrichtig statt Humeid.
12
68 F. WÜSTENFELD,
el-Ndfir, Chalifen von Cordoba, stellte, der sein desfallsiges Gesuch sehr
freundlich aufnahm , ihn mit Geld und Waffen zu unterstützen ver-
sprach und ein damit beladenes Schiff von Spanien abschickte/ welches
in dem Hafen von Gurdwa landete. Dieser Ladung bemächtigte sich
indess der dortige Herrscher el-Hasan ben Abul- Aisch und weigerte sich
sie wieder herauszugeben, als Mdsd sie forderte, ungeachtet sein eigener
Cadhi und die angesehenen Einwohner der Stadt ihm desshalb Vorstel-
lungen machten. Müsd zog desshalb von Nakür gegen ihn aus, kam
zunächst nach ^d, vertrieb daraus 'Amir ben Abul-' Aisch, den Bruder
des Hasan, während er die Einwohner in Ruhe liess, und wandte sich
dann nach Zugdwa, wohin ihm Hasan ben Abul- Aisch entgegen ging.
Als dieser aber die Menge der Feinde sah, kehrte er um, ohne einen
Kampf zu wagen, Mdsd verbrannte die Umgegend von Gurdwa und
scbloss die Stadt ein ; dann kam es zu Unterhandlungen, Ihn Abul-'Aisch
wünschte Frieden zu machen und verstand sich zur Herausgabe des
Weggenommenen, worauf der Friede geschlossen wurde und Musa in
sein Land zurückkehrte.
Bald darauf zog er nach Auzakkdr und die Einwohner von Kulu'
Gdra baten Ibn Abul- Aisch gegen ihn um Hülfe, dieser schickte ihnen
ein Reitercorps, welches einen Einfall in das Gebiet des Mdsd machte,
ihm viele Camele wegführte und die Beute mit Ibn Abul-'Aisch theilte,
und in Folge dessen fing der Krieg zwischen ihnen aufs neue an. Die
Einwohner von Gurdwa schrieben an Müsa, luden ihn ein, zu ihnen zu
kommen, und stellten sich unter seinen Schutz; dann wandte er sich
gegen die BanuMan^dr und forderte sie auf, sich ihm zu unterwerfen, einige
gehorchten, die übrigen zwang er und tödtete viele derselben. Unter
den Gefangenen befand sich die Frau des Ibn Abul- Aisch, eine Kure-
schitin, und seine Kinder, auch seine Pferde und Waffen fielen in seine
Hände; ihre Stadt verbrannte er, kehrte dann in seinen Wohnsitz zu-
rück und schickte die Frau unter sicherer Bedeckung einiger Einwohner
von Guwdra ihrer Familie zu.
Alle diese Vorgänge beunruhigten Obeidallah so sehr, dass er an die
Stämme von Magrib schrieb und sie aufforderte, sich ihm anzuschliessen.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 69
xind er machte sie geneigt, ihm Hülfe und Beistand zu leisten. Mehrere
Häuptlinge, deren Treue nicht zuverlässig war, wurden von dem Statt-
halter von T&hart, Humeid ben Ja9il, aberfallen und Donnerstag den 2.
Gumddä II. 320 drei Monate lang in der Burg des Abu Hamlil einge-
schlossen, darunter dieser Abu Hamlil selbst, Ddwüd ben Ma9dla und
Sin&n, viele ihrer Anhänger wurden getödtet.
Um dieselbe Zeit hatte Muhammed ben Chazar an Müsd ben Abul-
'Afia geschrieben und ihm seine Unterstützung gegen Ihn Abul- Aisch
angeboten; Mdsä hatte dies Anerbieten unwillig zurückgewiesen, da er
allein ihm gewachsen zu sein glaubte oder weil er eine verrätherische
Absicht dahinter vermuthete, und zum Dank unternahm er in aller
Stille einen mehrtägigen Marsch, überraschte ihn, griff ihn an und schlug
ihn in die Flucht, wobei Ihn Chazar viele seiner Leute verlor, dann
kehrte Müsä nach Guräwa zurück.
Auf die Vorstellung der einflussreichsteu Personen, die Idrisiten
nicht gänzlich dem Elende und Untergange Preis zu geben, hatte ihnen
Müsä einen einzigen Ort, die Festung Ha'gar el-Nasr^), als Aufenthalts-
ort gelassen, jedoch in deren Nähe bei Tdwint ein Observation scorps
unter Abu Camh aufgestellt, um den Verkehr mit ihren Anhängern zu
Verhindern; sein Sohn Madjan war Befehlshaber in Fäs. Dies dauerte,
bis im J. 321 Humeid ben Ja^il in Begleitung des Hamid ben Hamdün
el-Hamadänl, welcher schon früher in Fds eine Rolle gespielt hatte, dort
erschien; Madjan ergriff die Flucht und Hdmid wurde als Statthalter
eingesetzt. Inzwischen war es den Idrisiten doch gelungen ein Heer
zusammen zu bringen, sie überfielen Abu Camh, schlugen ihn in die
Flucht und erbeuteten fast seine ganze Feldequipage. Bei Obeidallah's
Tode erhob sich Ahmed ben Bekr ben Abd el-Rahraan el-OudsSml in
Fäs, bemächtigte sich der Regierung, tödtete Hamid und seinen Sohn
und schickte ihre Köpfe an Müsä ben Abul-'Afia, welcher sie weiter
nach Cordoba gelangen liess So gingen die Erfolge Humeid's wieder
1) d. i. Adlerstein, zwischen Sabta and Fäs, wahrscheinlich einerlei mit
(ilachra el-Nasr d. i. Adlerfels, S. 72 vorl. Z.
70 F. WÜSTENFELD,
verloren, welcher überdies, da er den Zug ohne Obeidallah's Auftrag
unternommen hatte, bei seiner Rückkehr eingekerkert war und als er
aus dem Gefängnisse entkam , sein Heil in der Flucht nach Spanien
suchte.
Obeidallah starb Dienstag den 14. Babf I. 322 in dem Alter von
62 bis 63 Jahren nach einer Regierung von 24 bis 25 Jahren; er hin-
terliess von sechs Frauen sechs Söhne und sieben Töchter. Die Söhne
waren : Abul-Cdsim Abd el-Rahman , welcher sich selbst den Namen
Muhammed beilegte; Abu 'Ali Ahmed gest. in Mi9r Mitte Dsul-Cada
382; Abu Tdlib Müsä gest daselbst im Dsul-Calda 363; Abul-Husein
'Isä gest. in Raccäda im J. 382; Abu Abdallah el-Husein gest. in Magrib
noch unter el-Cälm's Regierung und Abu Suleimän Däwüd gest in
Magrib im J. 341^). — Die obersten Richterstellen bekleideten Abu
Ga'far Muhammed ben 'Ammftr el-Marwarrüdsi , starb nach seiner Ab-
Setzung im J. 303; Ishäk ben Abul-Minhdl, welcher nach Sicilien ver-
setzt wurde; Muhammed ben Mahfddh el-Camüdl gest. im Muharram
307; Muhammed ben Imrän el-Naftl gest. im J. 310, und Ishdk ben
Abul-Minhdl zum zweiten Male. Sein Kammerherr war Ga'far ben 'Alf,
sein Sonnenschirm träger Mas'üd el-^aklabi, darauf Girs el-Qaklabi
IL Abul-Cäsim Muhammed el-Cäim.
Abul-Cdsim Abd el-Rahman, mit dem angenommenen * Namen
Muhammed, war von seinem Vatier zum Nachfolger designirt und hatte
schon bei dessen Lebzeiten die Huldigung empfangen, Decrete mit seinem
Namen unterzeichnet und die Ehre genossen , dass bei AufzQgen der
Sonnenschirm über seinem Kopfe getragen wurde, und noch am Todes-
tage seines Vaters wurde die Huldigung erneuert*), wobei er sich den
1) Es wird wohl 381 heissen müssen, weil auch hier steht „unter eUCfiim's
Regierung^S wenn dies nicht aus der Yorigen Zeile unrichtig wiederholt ist.
2) Diese Angabe yon 'Ganml cd-Bin und Um 'Adsäri S. 216 ist wahrschein-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 71
Beinamen el-Cdim biamrillahi d.i. der Standhafte in der Sache Gottes,
beilegte. Während Obeidallah niemals in Person einen Feldzug unter-
nommen oder eine Schlacht geschlagen hatte, war sein Sohn schon in
jungen Jahren an die Kriegführung gewöhnt, und wenn auch die beiden
Expeditionen nach Ägypten nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatten,
so hatte er sich doch darin bewährt und Erfahrungen gesammelt, so
dass er in der Folge mehrmals die Armeen seines Vaters zum Siege
führte, nachdem andere Führer vergebens darum bemüht gewesen waren.
Gleich bei seiner Thronbesteigung erhob sich gegen ihn Ibn
TAI dt el-Cureschf in der Gegend von Tripolis, welcher sich für einen
Sohn el-Mahdi's ausgab; er sammelte eine grosse Menge von Berbern
am sich, die ihm Glauben schenkten, und zog mit ihnen nach Tripolis.
Hier setzten sich ihm die Einwohner zur Wehre und tödteten eine An-
zahl seiner Anhänger, und als die Berbern einsahen, dass er sie be-
trogen habe, tödteten sie ihn selber und brachten seinen Kopf zu ei-
Cdi'm. — Dieser erliess an die Präfecten im ganzen Reiche den Befehl,
Waffen und Kriegsgeräth aller Art anfertigen zu lassen, dann sandte er
den Eunuchen Meisdr mit einer grossen Armee wieder nach Magrib, um
Fds und Nakdr*) zum Gehorsam zu bringen. — In F&s hatte Müsä ben
*Abul-'Afia den Ahmed ben Bekr ben Abu Sahl el-Oudsdml zum Re-
genten eingesetzt und dieser kam Meisdr bei seiner Annäherung ent-
gegen, um sich ihm zu unterwerfen, indess Meisdr täuschte seine Er-
wartungen , nahm ihn gefangen und schickte ihn nach Mahdia. Die
Einwohner von FÄs dachten aber nicht daran, sich gutwillig zu ergeben,
ernannten vielmehr den Hasan ben Cdsim el-Lawdtf zu ihrem Ober-
haupte und Meisdr führte den Krieg sieben Monate lang, ohne etwas
zu erreichen. Da er längere Zeit keine Nachricht nach el-Mahdia hatte
licher als die des Ibn d-Äthir VIII, 212, dass er den Tod seines Vaters ein Jahr
lang verheimlicht habe ans Furcht vor einem Anfatande, bis er sich stark genug
fohlte, um selbständig seine Pläne durchzuführen, wie es bei seinem Tode el-Man9Ür
machte.
1) So ist unstreitig bei Ibn d-Athir VHI, 212 zu lesen anstatt Takrür.
72 F. WÜSTENFELD,
gelangen lassen, wurde el-Cdl*ra um ihn besorgt und schickte ihm ein
Hülfscorps unter dem Eunuchen ^'andal naöh, welches im Gamddd II.
323 aufbrach, (^andal marschirte aber zunächst auf Nakür zu, welches
der Idrisit Ismd'il ben Abd el-Malik nach der Zerstörung im J. 317
wieder aufgebaut, bevölkert und zum Sitz seiner Regierung gemacht
hatte. Auf dem Wege dahin hielt er in Gurdwa bei Hasan ben Abul-
'Aisch einen Ruhetag und zog dann weiter nach Harrds, von wo er an
Ismd'll schrieb und ihn aufforderte zu ihm zu kommen. Ismd'fl hatte
Nakdr schon verlassen und sich in die Festung Akri eingeschlossen und
versicherte in einem Antwortschreiben seinen Gehorsam. Damit nicht
zufrieden Hess ^andal seine Aufforderung durch Abgeordnete wiederholen,
welche aber von Ismd'il umgebracht wurden. Nun rückte ^ndal gegen
Akri vor, lagerte in der Nähe bei Nasäft, dem Orte, wo Ma9dla den
Sa'id ben ^dlih getödtet hatte, und nach achttägigen Kämpfen, in deren
letztem Ismdil und die meisten seiner Leute fielen, wurde die Festung
an einem Freitage im Schawwdl 323 erobert und die Frauen, Verwandten
und zwei Kinder des Ismä'il zu Gefangenen gemacht. Qandal setzte
einen Kitämier Namens Marmäzü als Statthalter von Nakür ein» sobald
er aber abgezogen war, kehrten die geflöchteten Einwohner in die Stadt
zurück, ernannten Mdsd ben el-Mu'tajim gen. Ihn Riimf von den Banu
l9liten im Gebirge Abul-Hasan zu ihrem Oberhaupt, tödteten Marmdzii
mit allen seinen Begleitern und schickten den Kopf des ersteren nach
Spanien an Abd el-Rahman el-Ndjir.
^andal hatte sich mit Meisdr vereinigt, welcher von Fäs herkam,
sie wandten sich der Küste zu, wo sie durch die Idrisiten Gebrüder
Hasan, Ibrdhlm el-Ramünf und el-Cdsim gen. Kuniin, Söhnen des
Muhammed ben el-Cdsim , mit ihren Truppen unterstützt wurden , und
mit ihrer Hülfe gelang es, Müsd ben Abul-'Afia so in die Enge zu trei-
ben, dass er sich in die Wüste flüchten musste, nachdem sein Sohn el-
Büri in Gefangenschaft gerathen war. Meisiir übertrug aus Dankbarkeit
an Kunün die Regentschaft unter der Bedingung die Oberhoheit el-
Cdlm's anzuerkennen, Kuniin nahm seinen Sitz in ^achra el-Nasr und
Meisür kehrte im J. 324 nach el-Mahdia zurück.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 73
Gleichzeitig hatte el-Cdlm noch im J. 322 oder 323 eine Flotte
unter dem Befehle des Ja'ctlb ben Ishäk aaslaufen lassen, welche zu-
nächst an der Küste von Frankreich grosse Verheerungen anrichtete und
viele Gefangene machte, hierauf vor Genua erschien, welches nach kurzer
Blockade erobert wurde, dann segelte sie hinüber nach Sardinien und von
hier an die Küste von Calabrien, zuletzt nach Carcana^), überall mordend
und plündernd und die Schiffe verbrennend, und kehrte wohlbehalten
wieder zurück.
Im J. 323 machte el-CÄlm einen dritten Versuch Ägypten zu er-
obern. Er schickte dahin eine Armee von 10000 Mann unter dem
Eunuchen Zeidün in Begleitung von 'Amir el-Ma'gniin und Abu Zurära;
in Barca schloss sich noch ein Theil der dortigen Besatzung an, die aus
Kitdmiern bestand. Nachdem sie schon in Alexandria eingerückt waren,
sandte ihnen der Agjrptische Statthalter Muhammed ben Tug'g seinen
Bruder Obeidallah mit 15000 B^itern entgegen, welche sie wieder aus
der Stadt hinausdrängten und ihnen 38 Arabische Meilen von dort bei
Dsdt el-Humdm eine solche Niederlage beibrachten, dass sie mit Zurück-
lassung vieler Gefangenen in voller Flucht wieder in Barca ankamen.
Das Gebirge Auräs, welches einen Theil des Atlas bildet und sich
7 oder 1 2 Tagereisen lang ausdehnt, wurde von den Stämmen Hawwdra
und Miknäsa bewohnt, die darin zahlreiche feste Burgen besassen und
sich zu der Secte der Ibfidhier bekannten; dort war auch der Wohnsitz
ihrer Wahrsagerin. Die alte Hauptstadt el-Rummdnia in der Nähe von
1) Eine kleine Insel in dem Golf von C&bis, Safakis gegenüber. Jäcüt geogpr.
Wörterb. IV, 66. Edrtsi S. 127. Dieser Name liegt in den Varianten bei Ibn d-
Athir Vm, 232 i^e^^j^» äa^^, iUi^ viel näher als X^jL^ Cä^rea an der Syri-
schen Küste, wie de Slane, bist, des Berb^res 11, 529 geändert bat, and es ist nicht
wahrscheinUch , dass die Flotte sich soweit entfernt habe. Da Cäsarea die Station
eines Theils der Syrischen Flotte war, so wäre es schon der Mühe werth gewesen,
sie dort anfzusnchen und zu vernichten, indess scheint ein solches Unternehmen
doch zu gewagt und die unbehelligte Ansführnng ohne eigene Verluste nicht glaub*
lieh; ein so wichtiges Ereigniss würde auch von anderen Seiten nicht mit Still*
schweigen übergangen sein, wir wissen aber sonst nichts darüber.
Histor.^hüolog. Gasse. XXVI. 3. K
74 F. WÜSTENFELD,
Masila lag damals schon lange in Trümmern und der eine Tagereise von
Mastla entfernte Ort 'Adsina^) war gerade in der Zeit, als Meisür sich
auf dem Rückmärsche befand, von dem Statthalter 'Alf ben Hamdiln
Ibn el-Andalüsl zerstört, vermuthlich weil Abu Jazid dort sein Unwesen
trieb, da er besonders unter den Ibddhiern sich einen grossen Anhang ver-
schafft hatte. Er wusste die Leute über seine eigentliche Absicht und
Meinung zu täuschen und redete zu ihnen, als wenn er der rechtgläu-
bigste Mann sei, der sie zu der wahren Religion führen und die Lehren
der Sunna gegen die Schfiten vertheidigen wolle. el-CtIm konnte dies
Treiben nicht ruhig ansehen und sandte nach Castilia den Befehl, Abu
Jazid festzunehmen, welcher sich der Ausführung dadurch entzog, dass
er den Schauplatz seiner Umtriebe für einige Zeit verliess und jetzt eine
Wallfahrt nach Mekka unternahm. Von dort im J. 325 sehr erschöpft
zurückgekehrt, dachte er sich in Tauzar zu erholen, seine Ankunft wurde
indess durch den Präsidenten Ibn Furcdn dem Statthalter angezeigt, wel-
cher ihn ins Gefängniss bringen liess. Auf die Nachricht hiervon eilten
die angesehensten Zanäta unter ihnen sein Lehrer Abu 'Ammdr herbei
und verlangten seine Freilassung, und um Zeit zu gewinnen, gab ihnen
der Statthalter die Antwort, dass sie erfolgen würde, sobald sie den rück-
ständigen Tribut würden bezahlt haben. Nun sammelten sie sich um
Fadhl und Jazid, zwei Söhnen Abu Jazid's, machten einen Angriff auf
das Gefängniss, tödteten die Wachen und setzten Abu Jazid in Freiheit.
Er begab sich in das Gebiet der Banu WarkaUn, blieb dort ein Jahr
lang und ging dann bei den verschiedenen Stämmen im Gebirge Aurds
umher um sie auf seine Seite zu ziehen, wobei Abu 'Amm&r statt seiner
das gegenseitige Gelöbniss gab und nahm, dass sie gegen die Schfiten
kämpfen und dafür gleichen Antheil an dem erbeuteten Vieh und den
Gefangenen haben, und nach der Eroberung von el-Mahdia und Keira-
wän die Regierung von einem Rath der Ältesten geführt werden solle.
1) So Bekri TAfr. pag. 144, nicht Masila selbst/^'wie Ibn 'Adsäri pag. 222
sagt, welches erst im J. 316 von Ibn el-Andalüsi erbaut und ! seine Residenz war;
vergl. oben S. 65.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 75
So war das Ende des J. 331 herbeigekommen und im Anfange des
Jahres 332 war Abu Jazid so mächtig, dass er es mit den gegnerischen
Armeen aufnehmen konnte, er schlug sie in mehreren Treffen, zwang
el-Cälm sich nach el-Mahdia zurückzuziehen und richtete seinen Marsch
nach Keirawän, wo er im Monat ^afar einzog. Durch sein Wohlwollen
gewann er das Volk, er zeigte seine Rechtgläubigkeit dadurch» dass er
bei der Erwähnung der Namen der Cbalifen Abu Bekr und Omar den
gebräuchlichen Segensspruch folgen Hess, er forderte zum heiligen Kampfe
gegen die Schfiten auf und befahl, nach den Lehren des Imam Mdlik
Recht zu sprechen. Die Rechtskundigen und Frommen erschienen auf
den Märkten, wünschten sich Glück und sprachen den Segen über den
Propheten Muhammed, seine Begleiter und seine Frauen und pflanzten
zuletzt ihre Fahnen vor der Moschee auf. Am nächsten Freitag wurde
ein Festzug zu Pferde nach der Moschee veranstaltet mit Waffen, Fahnen
und Trommeln; es befanden sich darunter zwei grüne Fahnen mit In-
schriften, auf der einen stand das Bismillahi und Muhammed ist der
Gesandte Gottes , auf der anderen : „Hülfe von Gott und der Sieg ist
nahe durch den Scheich Abu Jazid; o Gott! hilf deinem Stellvertreter
gegen die Schmähungen seiner Gegner/* Andere Fahnen hatten In-
schriften von Koran-Versen, wie Sure 9, 12. 14. 40. Als die Leute in
der Moschee Platz genommen hatten, bestieg Abu Jazid die Kanzel und
hielt eine begeisternde Rede, worin er zum heiligen Kampfe aufforderte
und schilderte, welche Belohnungen dafür bevorständen, und sprach
schliesslich den Fluch aus über Obeidallah und seinen Sohn Abul-Cäsim.
Dadurch gewann er einen bedeutenden Zuwachs für seine Armee, so
dass er weitere Züge unternehmen konnte. Da er indess der Haupt-
macht el-CSl'm's, welche in der Nähe von Keirawdn und Raccdda stand,
sich noch nicht gewachsen fühlen mochte, wandte er sich erst wieder
nach Westen» um den Zuzug der Berbern von dort her auf seine Seite
zu ziehen. Seinen bisherigen Truppen hatte er die Weisung gegeben,
wenn sie unter den Gegnern auf Einwohner von Keirawän stiessen, ihnen
auszuweichen und den Kampf mit ihnen seinen jetzigen Anhängern von
K2
76 F. WÜSTENFELD,
dort zu aberlassen, damit diese sich gegenseitig bekämpften und ihm keine
Vorwürfe gemacht werden könnten.
Sein nächstes Ziel war Bägdja; den Commandanten , welcher ihm
von dort entgegen kam, schlug er zurück, konnte aber die Stadt selbst
nicht einnehmen; er gab nach einiger Zeit die Belagerung auf und
richtete an die Stämme von Castilia die Aufforderung, sich ihrer Haupt-
stadt Tauzar zu bemächtigen. Jedoch auch diese Stadt widerstand im
Anfange des J. 333 einer Belagerung, dagegen eroberte Abu Jazid Ta-
bissa und Ma^anna, deren Mauern er zerstörte, während er die Ein-
wohner begnadigte, dann zog er in Marma'ganna ein. Hier führte ihm
einer der Einwohner als Geschenk einen wohlgebauten grauen Esel vor,
welchen Abu Jazid von nun an beständig zum Reiten benutzte, woher
er den Namen Hammär Eselreiter bekam. Abu Jazid war von kleiner,
unansehnlicher Gestalt und trug eine kurze wollene 'Gübha Joppe.
Er schlug dann die Kitdma in die Flucht, entsandte ein Corps nach
Sabiba, welches erobert und dessen Präfect gekreuzigt wurde, er selbst
zog nach el-Urbus, eroberte, plünderte und verbrannte die Stadt und
liess die Einwohner, die sich in die Moschee geflüchtet hatten, hin-
schlachten. Als diese Nachricht nach el-Mahdia kam, geriethen die Be-
wohner in grosse Besorgniss, sie kamen zu el-Cdüim und stellten ihm vor»
el-Urbus sei das Thor von Africa, bei dessen Einnahme die Herrschaft
der Aglabiten ein Ende genommen habe; er aber erwiederte gelassen
nach der Vorhersagung seines Vaters: Es leidet keinen Zweifel, dass
Abu Jazid bis an den Betplatz hier in el-Mahdia kommen wird, aber
dort wird ihm ein Ziel gesetzt werden. Indess schickte er doch seine
Armee hinaus, um das Land zu beschützen, ein Corps nach Baccäda,
ein anderes unter Meisür nach Keirawän, und sammelte neue Truppen.
Abu Jazid wagte nicht sie anzugreifen und beschloss, zuvor die übrigen
Städte von Africa zu erobern und zu zerstören; sobald er aber erfuhr,
dass das neue Corps unter dem Eunuchen Buschra nach Bä'ga marschirt
sei, liess er 400 Reiter ihr Gepäck ablegen. Überfiel mit ihnen Buschrä,
eroberte dessen Zelte, und schlug ihn in die Flucht, so dass er sich nach
Tunis zurückzog, wobei eine grosse Anzahl der angesehensten Kitäma
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 77
den Tod fand. Abu Jaztd zog in Bäga ein, pländerte es, steckte es in
Brand, tödtete die Kinder und nahm die Frauen gefangen; er schrieb
an die umwohnenden Stämme, sich ihm anzuschliessen, sie kamen auch
herbei und er liess für sie Zelte, Fahnen und Kriegsgeräth anfertigen.
In Tunis vertheilte Buschrd Geld unter die Leute und zog dadurch
wieder eine grosse Menge heran, welche er ausrüstete und gegen Abu
Jazid aussandte; dieser wurde in die Flucht geschlagen, indess begnügten
sich Buschrä's Truppen damit. Beute zu machen, und kehrten nach
Tunis zurück. Hier brach bald nachher ein Aufstand aus, das Haus
des Präfecten wurde geplündert, er selbst vertrieben und Abu Jazid ein-
geladen dorthin zu kommen; er that dies, ertheilte eine allgemeine
Amnestie, ernannte einen aus ihrer Mitte Namens Rahmün zum Prä-
fecten und begab sich dann nach Fah^ Abu Qälih^), Die Leute fürch-
teten sich vor ihm, viele flüchteten nach Keirawfin, manche schlössen
sich ihm aus Furcht an. el-Cäim befahl jetzt Buschrd, ein Corps zum
Eecognosciren auszuschicken, Abu Jazfd that ein Gleiches und ertheilte
dem Anführer den Befehl , auf seinem Wege Niemand zu schonen , um
alle in Schrecken zu setzen; beim Zusammenstoss in der Nähe von
Harakla 18 Meilen von Susa wurden Abu Jazid's Truppen geschlagen
und verloren 4000 Todte und 500 Gefangene, welche in Fesseln nach
el-Mahdia geschleppt und dort hingerichtet wurden.
Über diese Niederlage war Abu Jazfd sehr aufgebracht, er sammelte
alle seine Streitkräfte, zog damit den Kitäma entgegen, schlug sie bei
Harfria in die Flucht und die Berbern verfolgten sie bis Raccdda; er
lagerte dann mit 100000 Reitern auf der Westseite von Keirawdn und
stand am anderen Morgen östlich von Raccdda. Indess der Statthalter
Chalfl ben Ishäk bekümmerte sich gar nicht um ihn, obgleich die Leute
zu ihm kamen und ihm die Annäherung des Feindes meldeten, vielmehr
verbot er zum Kampfe hinauszugehen, er wollte die Ankunft Meisür's
1) So Ihn elrAtUr Vm, 317 ; bei Keirawäni pag. 98 steht daför Fahg Abu
Tälib, lieu encore connu de nos jours et qui se trowve pres de Zarauan. Dies Zaga-
wän ist das Gebirge zwischen Tanis and Eeirawan.
78 F. WÜSTENFFLD,
mit seiner Armee abwarten. Abu Jazid dagegen Hess eine Abtheilung
seiner Truppen an die Stadt heranrücken, um die Einwohner zu engagi-
ren , es entspann sich ein grosser Kampf, in welchem die Belagerten
mit grossen Verlusten zurückgeschlagen wurden. Auf wiederholte drin-
gende Vorstellungen sah sich Chalil endlich genöthigt, gegen seinen
Willen aus den Thoren von Keirawdn hinauszugehen, als aber der Feind
sich näherte, zog er sich wieder zurück und schloss sich in seine Woh-
nung ein, um Meisürs Ankunft zu erwarten; einige Berbern waren zu-
gleich in die Stadt eingedrungen, wo ein Strassenkampf stattfand. Um
diese Zeit hatte Abu Jazfd noch ein Corps unter Ajjüb el-Zuweill nach
Keirawdn abgeschickt, welches am letzten ^afar sich vollends der Stadt
bemächtigte, plünderte und mordete und auf die schrecklichste Weise
hauste. Chalil wurde in seiner Wohnung belagert, ergab sich zuletzt
mit seinen Leuten auf Gnade und Ungade und wurde zu Abu Jazid ge-
führt, welcher ihn umbringen Hess. Die Ältesten von Keirawdn begaben
sich zu Abu Jazid, welcher noch in Raccdda war, und baten um Frieden ;
er suchte sie durch Versprechungen hinzuhalten, während seine Soldaten
das Morden und Plündern fortsetzten, und auf die wiederholte Klage,
dass die Stadt zerstört werde, antwortete er : sind nicht auch Mekka und
Jerusalem zerstört? Endlich befahl er der Verwüstung Einhalt zu thun,
jedoch hörten die Berbern nicht auf, bis sich die Nachricht verbreitete,
dass Meisür mit einem grossen Heere im Anzüge sei, worauf sie die
Stadt verliessen.
el-Cdim hatte in Erfahrung gebracht, dass die Banu Kamldn, die
sich bei Meisür befanden, an Abu Jazid geschrieben hätten, sie wollten
ihn in seine Gewalt bringen; el-Cdi'm benachrichtigte Meisür hiervon,
ermahnte ihn zur Vorsicht und rieth ihm die Banu Kamldn zu ent-
lassen. Dies geschah, sie gingen zu Abu Jazid über und sagten ihm,
wenn er sich beeile, werde er den Sieg davon tragen. Er brach sogleich
auf, bei el-Achawdn zwischen Keirawdn und el-Mahdia fand am Mitt-
woch den iO.Rabf I. ein harter Kampf statt, sein linker Flügel wandte
sich schon zur Flucht, da machte er einen Angriff auf Meisür, dessen
Umgebung dadurch ins Weichen kam, und indem Meisür sein Pferd
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIPEN. 79
herumwarf, stürzte es, er fiel herunter, seine Soldaten vertheidigten ihn
BQch, da eilten die Banu KamlÄn herbei und nach einer verzweifelten
Gegenwehr wurde Meisür getödtet, worauf seine ganze Armee das Weite
suchte. Sein Kopf wurde zu Abu Jazid gebracht und danach durch die
Strassen von Keirawän getragen und dieser Sieg im ganzen Lande ver-
kfindet.
Durch diese Niederlage wurde nun auch el-Cälm ffir sich und die
Seinigen in el-Mahdia besorgt; die Leute zogen aus den Vorstädten in
die innere Stadt hinein und suchten Schutz hinter ihren Mauern ; el-
Cdim verbot ihnen dies und verhiess ihnen den Sieg und sie kehrten nach
Zuweila^) zurfick. Abu Jazid blieb zwei Monate und acht Tage in dem
Zelte des Meisür und sandte von hier aus Streifcorps nach allen Seiten,
welche Beute machten und dann zurückkehrten. Ein solches Corps kam
auch nach Susa, die Stadt wurde mit dem Schwerdt erobert und in
Asche gelegt, die Männer umgebracht, die Frauen gefangen weggeführt,
man schonte selbst das Kind im Mutterleibe nicht; in ganz Africa blieb
kein Haus, kein Dach stehen, die Überlebenden kamen nackt und bar*
fuss nach Keirawän, und die der Gefangenschaft entgingen, starben vor
Hunger und Durst. Am letzten Rabi' II. 333 Hess el-Cdlm noch einen
Graben um die Vorstädte von el-Mahdia ziehen und schrieb an Ziri beu
Mandd, den Fürsten der ^anhä'ga, und an die Oberhäupter der Kitdma
und anderer Stämme und forderte sie auf nach el-Mahdia zu kommen
zum Kampfe gegen die Gottesläugner , und sie rüsteten sich zu die-
sem Zuge.
Sobald Abu Jazid hiervon Nachricht erhielt, rückte er näher nach
eUMahdia vor, lagerte 15 Meilen davon und Hess Streifcorps bis an die
Stadt ausschwärmen , welche alles plünderten und tödteten , was ihnen
vorkam; die Leute zogen sich in die Stadt zurück und die Besatzung
der Kitdma beschloss einen Ausfall zu machen, als sie erfuhren, dass
der Feind sich auf Raubzügen zerstreut habe, und dies wurde Donnerstag
1) In diesem Gregensatze bedeutet die ianere Stadt die befestigte Residenz
und Zaweila die eigeatlicbe Stadt von el-Mahdia.
80 F. WÜSTENFELD,
d. 22. Gumddä I. ausgeführt. Bei Abu Jazid traf grade sein Sohn Fadhl
mit einer Armee aus Keirawän ein, er schickte ihn sogleich den Kitäma
entgegen und sie stiessen sechs Meilen von el-Mahdia auf einander.
Abu Jazid sammelte die Truppen, die er noch bei sich hatte, eilte ihm
nach und fand die Seinen schon im Rückzuge begriffen , nachdem sie
viel Mannschaft verloren hatten; sobald aber die Kitäma ihn gewahr
wurden, standen sie vom Kampfe ab und zogen sich zurück, Abu Jaztd
folgte ihnen, am Siegesthore drängten sich die Massen, er drang mit
einigen Berbern hinein und stand dicht vor der Residenz. Er kehrte
indess um, bezog bei Tarnüt sechs Meilen von der Stadt ein Lager und
erneuerte erst acht Tage später im Dumädä II. den Angriff auf das Sie-
gesthor, drang in Zuweila bis an das Thor Bekr vor, erstieg den neuen
Wall und kämpfte oben auf demselben weiter; von hier gelangte er
mit einer kleinen Schaar an die Seeseite und kam durch das Wasser,
welches den Pferden bis an die Brust reichte, der neuen Mauer entlang»
bis auf den grossen Betplatz, welcher von dem Schlosse nur einen
Pfeilschuss weit entfernt war.
Seine Soldaten hatten sich unterdess in Zuweila zerstreut, wo sie
plünderten und mordeten, ohne zu wissen, wo Abu Jazid sei; besonders
am Siegesthore warfen sich die Kit&ma den Berbern entgegen und rich-
teten ein grosses Blutbad unter ihnen an. Abu Jazid hörte aus der
Ferne das Getümmel und erfuhr zugleich, dass Ziri ben Manäd mit den
^anhäga angekommen sei und eilte, um ihnen in den Rücken zu fallen,
mitten durch die Stadt herbei, so dass, als die Einwohner seine Trommeln
hörten und seine Fahnen sahen, glaubten, el-Cdlm selbst komme ihnen
aus dem Schloss zu Hülfe, sie jubelten ihm entgegen, fassten wieder
Muth und erneuerten den Kampf. Abu Jazid stutzte, er wurde erkannt,
sie wandten sich gegen ihn und nur dadurch, dass einige seiner Soldaten
eine Mauer demolirten, durch die er ins Freie kam, entging er dem Tode
und erreichte gegen Abend das Lager. Sein Erscheinen belebte den
Muth der Seinen und sie drängten ihre Verfolger zurück. Indess war
er und seine Armee so erschöpft, dass er längere Zeit in dem Lager
bei Tamüt blieb und dasselbe mit einem Walle umgeben liess, um
GESCHICHTE DER PATIMIDEN CHALIFEN. 81
gegen einen Überfall gesichert zu sein. Hier sammelte sich nun wieder
um ihn eine grosse Menge aus Tripolis, Cdbis, Nafdsa, el-ZAb und dem
fernen Magrib, er schloss die Stadt eng ein und gestattete Niemandem
den Ein- und Ausgang, bis er am 22. Gumddä II. einen neuen Angriff
unternahm. Er kam wieder selbst bis nahe an das Thor, hier erkannte
ihn einer der feindlichen Soldaten, ergriff sein Pferd am ZOgel und rief:
dieser ist Abu Jazid! und nur dadurch, dass einer von seinen Leuten
hinzusprang und dem anderen die Hand abhieb, wurde Abu Jaztd ge-
rettet. Da er einsah, dass er gegen el-Cfilm nichts ausrichten könne,
schrieb er an seinen Statthalter von Keirawdn und befahl ihm. alle streit-
bare Mannschaft von dort zu ihm zu schicken, und er machte dann am
letzten Ra'gab einen neuen Angriff, der ebenfalls mit grossen Verlusten
abgeschlagen wurde, und ebenso wenig Erfolg hatte ein vierter Sturm,
welcher im letzten Zehnt des Schawwdl unternommen wurde.
In el-Mahdia herrschte indess grosse Noth. Zwar hatte el-Cdlm
die Magazine geöffnet und vertheilte die von seinem Vater gesammelten
Vorräthe, aber diese Wohlthat kam nur seinen Soldaten zu Gute, das
Volk litt durch Hunger entsetzlich und ass nicht nur Pferde, sondern
seine eigenen Todten. Viele, besonders Marktleute und Händler suchten
die Stadt zu verlassen, allein diese Unglücklichen fielen den Berbern in
die Hände, welche ihnen den Leib aufschnitten in der Meinung, darin
verschlucktes Gold finden zu können.
Ein Corps der Kitäma, welches noch im Anzüge war und bei Con-
stantine lagerte, machte Abu Jazid etwas besorgt, er schickte ihnen aber
einen seiner Generäle mit einer bedeutenden Schaar vom Stamme War-
fa^g^^na und anderen entgegen, welcher sie in die Flucht schlug, so dass
sie sich zerstreuten. Die Berbern kamen noch fortwährend aus allen
Gegenden zu Abu Jazid, aber sie hatten es nur auf Morden und Plün-
dern abgesehen, dann kehrten sie in ihre Wohnsitze zurück, und als es
in Africa nichts mehr zu plündern gab, blieben sie weg, bis er nur noch
die aus Aurds und die Banu Kamldn bei sich behielt.
Dies benutzte el-Cdlm um einen Ausfall machen zu lassen, und am
6. Dsul-Ca'da fand ein heftiger, aber unentschiedener Kampf statt, und
Histor.-phüdlog. Glosse. XXV L 3. L
82 F. WÜSTENFELD,
als die Belagerten am anderen Morgen wieder hinauszogen, kam ihnen
Niemand entgegen. Abu Jazfd musste erst seine Truppen herbeirufen,
ehe er aus seinem verschanzten Lager hervorkam, und als einer seiner
besten Anführer fiel, zog er sich wieder hinter den Wall zurück. In-
dess erneuerte er nachher den Kampf, es erhob sich ein heftiger Wind,
der Staub verfinsterte die Luft, so dass man einander nicht sehen konnte,
die Truppen el-C6Sm*8 wurden mit grossen Verlusten zurückgeschlagen
und die Belagerung stand wieder auf dem Punkte wie vorher, und aber-
mals flüchteten viele nach Sicilien, Tripolis, Ägypten und Syrien. Am
letzten Dsul-Ca'da, als Abu Jazid wieder einige Verstärkung bekommen
hatte« rückte er wieder gegen die Stadt heran, die belagerten Kitdmier
wählten 200 Reiter aus ihrer Mitte aus und machten einen Ausfall wie
ein Mann, tödteten viele ihrer Feinde und nahmen eben so viele ge-
fangen; fast wäre Abu Jazid selbst in ihre Hände gefallen, als er noch
von seinen Soldaten herausgehauen und gerettet wurde. In der Stadt
verbreitete sich grosser Jubel und man führte die Gefangeneu gebunden
hinein.
Im Anfange des J. 334 trat in Africa ein Mann auf, welcher die
Leute aufforderte sich ihm anzuschliessen und seiner Führung zu folgen;
er gab sich für einen *Abbasiden von Bagdad aus und erschien mit
schwarzen Fahnen. Er erhielt auch einigen Anhang, indess genügte eine
Abtheilung Soldaten, welche Abu Jazid ausschickte, um ihn gefangen
zu nehmen, er wurde zu ihm geführt und hingerichtet.
Bedenklicher für Abu Jazfd war es, dass ein Theil seiner Truppen
desertirte. Sie waren bei ihm verläumdet, es war zu Reibungen mit
anderen Truppen gekommen , sie verliessen das Lager und gingen nach
el-Mahdia über. Bei dem nächsten Ausfalle waren sie betheiligt, Abu
Jazid erlitt eine Niederlage und dies hatte zur Folge, dass auch andere
ihn verliessen und nur die Hawwdra, die von Aurds und die Bana
Kamldn bei ihm blieben, auf die er sich noch verlassen zu können
glaubte. Aber auch diese fielen bald nachher von ihm ab ; denn die
Anführer beriethen sich unter einander und stellten dann ihren Mann-
schaften vor. sie wollten nach Keirawän gehen, dort die Berbern sammeln
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 83
und wieder zu Jazid zurückkehren, da sie jetzt bei ihrer geringen Zahl
nicht sicher wären, von el-Cäi'm überfalle zu werden. Der grösste
Theil der Reiterei und des Fussvolkes brach also auf, ohne Abu Jazfd
etwas zu sagen, und als er hinter ihnen her schickte, um sie zurück-
zurufen, weigerten sie sich ihm zu gehorchen. Desshalb zog er selbst
mit den letzten 30 Mann eiligst ab, indem er sein Gepäck zurückliess,
und kam am 6. Cafar nach Keirawän, wo er auf dem grossen Betplatze
von Niemandem als von seinem Präfecten empfangen wurde, selbst die
Kinder spotteten über ihn und lachten ihn aus.
Nach seinem Abzüge kamen die Leute aus el-Mahdia und fanden
in dem Lager ausser dem Gepäck und den Zelten auch noch bedeutende
Mundvorräthe, welche ihnen nach der schweren Belagerung vortrefflich
zu Statten kamen, und el-Cä'im schickte in die nächsten Orte seine Ver-
walter, welche die des Abu Jazid vertrieben.
Als die Einwohner von Keirawdn die geringe Anzahl der Truppen
des Abu Jazid sahen, fürchteten sie sich vor el-Cälm und wollten Abu
Jazid festnehmen und ausliefern, es fehlte ihnen indess an Muth und sie
wandten sich schriftlich an el-Cdlm, um ihn um Gnade zu bitten, er-
hielten aber keine Antwort. Dies erfuhr Abu Jazid und machte dem
Präfecten darüber Vorwürfe, sowie Über seine schlechte Verproviantirung
und anderes, und befahl ihm, die Truppen aus Keirawän hinaus in den
Kampf zu führen. Er that dies, beruhigte die Leute über die unwilligen
Reden Abu Jazid's und setzte sie zugleich in Furcht vor el-Cälm,
so dass sie sich zum Auszuge verstanden und sich ihm noch viele aus
der Umgegend anschlössen. Indess die sesshaften Bewohner der Städte
und Dörfer ergriffen die Verwalter Abu Jazid's, tödteten einige derselben
und schickten andere nach el-Mahdia. Auch die Einwohner von Susa
hatten so mehrere aufgegriffen und zu el-CaYm gebracht, welcher ihnen
dafür dankte und ihnen sieben Schiffe mit Lebensmitteln zusandte.
Abu Jazid schickte nun seine neu gesammelten Truppen aus mit
dem Befehl , überall zu morden , zu plündern , zu zerstören und zu ver-
brennen; sie kamen auch nach Tunis, drangen am 20. Qafar mit dem
Schwerdt in die Stadt, tödteten die Männer, nahmen die Frauen und
L2
84 F. WÜSTENPELD,
Kinder gefangen und zerstörten die Moscheen; viele, die sich zur See
retten wollten, kamen in den Wellen um. Die Truppen, welche el-
Gdlm zur Hälfe dahin schickte, wurden bei Wddi Mulidn in die Flucht
geschlagen, die Nacht unterbrach ihre Verfolgung, sie retteten sich in
das Blei- Gebirge, 'Gabal el-rofä^j dann nach I^tafüra; hier wurden sie
Yon dem ihnen nacheilenden Feinde eingeholt, hielten aber jetzt besser
Stand und brachten ihm eine solche Niederlage bei, dass sie am 5.
Babf I. in Tunis eindrangen und die Soldaten des Abu Jazid hinaus-
trieben; grosse Vorräthe an Lebensmitteln fielen hier in ihre Hände.
Abu Jazid hatte einen Sohn Namens Ajjdb, welcher auf die Nachricht
hiervon mit einer grossen Armee herbeikam, die Vertriebenen an sich
heranzog und damit Tunis wieder eroberte und in Asche legte ; dann
wandte er sich nach Bd]^a, welches gleichfalls verbrannt wurde.
In dieser Zeit war ein Morden, Gefangennehmen und Zerstören,
das jeder Beschreibung spottet. Eine Verschwörung gegen Abu Jazid,
welche el-Cdlm gebilligt und zu unterätützen versprochen hatte, wurde
entdeckt und die Betheiligten hingerichtet. Einige Berbern hatten bei
Nacht einen Einwohner von Keirawdn überfallen und ihm sein Geld
und drei erwachsene Töchter geraubt. Am anderen Morgen, als die
Leute sich zum Gebet versammelten, stand der Mann in der Moschee
auf, rief laut und erzählte, was ihm widerfahren sei ; ein grosser Haufen
rottete sich zusammen, begab sich zu Abu Jazid und liess ihn harte
Worte hören; er entschuldigte sich bei ihnen, beschwichtigte sie und
befahl, dem Manne seine Töchter wiederzugeben. Auf dem Heimwege
fanden sie einen Ermordeten und nach näherer Erkundigung erfuhren
sie» dass Fadhl, ein anderer Sohn des Abu Jazid, ihn getödtet und seine
schöne Frau geraubt habe. Sie trugen den Ermordeten in die Moschee
und riefen : wir gehorchen keinem anderen mehr als el-^dlm. Sie wollten
Abu Jazid überfallen, doch schützten ihn seine Soldaten, machten ihm
aber Vorwürfe, dass er selbst seiner Sache schade, zumal da el-Cdlm
ganz in der Nähe sei. Er liess desshalb das Volk zusammenkommen,
entschuldigte sich und gab die Versicherung, dass das Morden und
Plündern aufhören und ihre Frauen in Ruhe gelassen werden sollten.
GESCHICHTE DER FATIMn)EN CHALIFEN. 85
el-Cdlm hatte unterdess seinen Statthalter 'Ali ben Hamddn auf-
gefordert, ihn mit seinen Truppen aus Masila, Satif und der Umgegend
zu unterstützen, und nachdem sich ihm auch einige von Harrds ange-
schlossen hatten, brach er nach el-Mahdia auf. Dies erfuhr Ajjüb ben
Abu Jazid, der noch in Bä^a war, was 'Ali nicht wusste; er ging ihm
entgegen, umzingelte ihn, schlug ihn in die Flucht und erbeutete das
Gepäck. Ein Reitercorps, welches Ajjdb alsdann einer Abtheilung von
el-CAlm's Armee, die gegen Tunis anrückte, entgegensandte, warf diese
zweimal zurück, unterlag aber bei dem dritten Angriffe und musste mit
Zurücklassung des Gepäcks nach Keirawän flüchten; dies geschah im
Rabf I. 334. Abu Jaztd hielt durch diesen Schlag seine Lage für so
bedenklich, dass er Keirawdn verlassen wollte, es wurde ihm aber zu-
geredet zu bleiben und sich nicht zu übereilen; er sammelte neue
Truppen und sein Sohn Ajjdb führte sie wieder gegen 'Ali ben Hamddn.
Bei Balta im Gebiete von Bä]^a wurde mit abwechselndem Glücke ge-
kämpft; 'Ali glaubte die Bewachung des Ortes nur sicheren Wächtern
anvertraut zu haben, es befand sich aber darunter ein Verräther Namens
A^med, welcher gegen eine Belohnung Ajjdb die Übergabe anbot und
das ihm zur Bewachung angewiesene Thor den Truppen desselben
öffnete, so dass 'Ali sich kaum noch mit 300 Reitern und 400 Fuss-
gängern in das Gebiet der Kit&ma rettete. Er erliess hier einen Auf-
ruf an die Kitdma, Nafza, Mazäta und andere Stämme, brachte wieder
ein grosses Heer zusammen, welches er nach Constantine führte, während
eine Abtheilung gegen die ihm feindlichen Hawwdra marschirte, sie
schlug und ausplünderte. Von diesen grade hatte Abu Jazid Verstär-
kung und Unterstützung erwartet und musste nun selbst grosse Truppen-
massen dorthin schicken, um sich 'Ali entgegen zu werfen; ein Corps
folgte dem anderen, es fanden viele Schlachten statt, in denen 'Ali stets
Sieger blieb, bis er Ti^s und Bdgdja erobert hatte. Jetzt machte Abu
Jazid die äussersten Anstrengungen, sammelte noch einmal alle seine
Streitkräfte und begab sich am 6. Gumddd II. selbst nach Susa, wo
das Hauptheer el-Cd¥m's stand. Er fing eine strenge Belagerung an,
täglich wurde gekämpft mit wechselndem Erfolg, er Hess Sturmdächer
86 F. WÜSTENFELD,
und Wurfraaschinen aufrichten , viele von den Bewohnern von Susa
fanden ihren Tod, und mitten in dieser kritischen Lage erkrankte el-
CSlm, machte im Ramadbän sein Testament, worin er seinen Sohn
Ismd'il zu seinem Nachfolger ernannte, und starb 55 Jahr alt Sonntag
d. 13. Schawwdl 334 in el-Mahdia nach einer Regierung von 12 Jahren
7 Monaten und 1 Tage.
Er hinterliess sieben Frauen, vier Töchter und sieben Söhne, diese
waren: Abul-Tdhir Ismail, Abu Abdallah Ga'far, welcher unter dem
Chalifat el-Mu'izz starb, Hamza, 'Adndn und Abu Kinäna, welche in
Magrib starben, Jüsuf, gest. zu Barca im J. 362, und Abul-Furdt Abd
el-Gabbdr, gest. im Ra'gab 337 in Ägypten. — In den ersten Jahren
seiner Regierung blieb Ishdk ben Abul-Minhäl in seinem Amte als
Ober-Cddhi, dann folgte ihm Ahmed ben Bahr, bis ihn im J. 333 Abu
Jazid hinrichten liess, worauf Ahmed ben el-Walfd von dem Volke ge-
wählt und von el-CfiSm bestätigt wurde. — Sein Oberst-Kammerherr hiess
Ga'far ben 'Ali. — Wiewohl el-Cdim in einigen Fällen sich sehr nach-
sichtig und wohlwollend zeigte, soll er doch in der Befolgung der Schfi-
tischen Lehren und in der Forderung, sie von anderen anerkannt zu sehen»
noch viel strenger gewesen sein als sein Vater; er spottete auf die Pro-
pheten und liess sie als Betrüger öffentlich verfluchen und stand mit dem
Karmaten Abu Tdhir in Verbindung, welcher auf sein Geheiss in Bahrein
und Hagar die Moscheen und Koran-Exemplare verbrannte.
IIL Abul-Tähir Ismä'ü el-Mangür.
Abul-Tdhir Ismd'il war im J. 301 oder 302 zu Keirawdn geboren,
mithin bei seiner Thronbesteigung 32 oder 33 Jahr alt^); er war sehr
1) ^Artb bei Nicholson pag. 133 nennt ihn Abnl-Tähir Ismd'il ben Abnl-
Tdhir anstatt ben Abnl-Casim durch einen Schreibfehler, welchen Ibn 'Adsäri
pag. 167 nachgeschrieben hat, wiewohl bei ihm pag. 226 das richtige steht. Seine
Geburt setzen beide in das J. 299, Ibn 'Adsärt in der zweiten Stelle in das J. 302;
Ibn Chattikän Nr. 97 hat das J. 301 oder 302, bei 'Oamäl ed-Dtn sind Schreib-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 87
begabt, in mancherlei Wissenschaften bewandert und wusste seine An-
sichten in beredter Weise darzulegen und seine Fähigkeit in der Krieg-
führung und seine persönliche Tapferkeit und Unerschrockenheit hatte
er schon bei mehreren Gelegenheiten bewiesen. Er verheimlichte
den Tod seines Vaters, damit nicht Abu Jazid daraus Vortheil ziehen
könnte, und Hess noch lange Zeit die Aufschriften der Münzen und
Fahnen unverändert, sowie auch sein Name nicht gleich in dem Kanzel-
gebet genannt werden durfte; nachher nahm er den Beinamen el-
Man^dr an.
Er ergriff mit kräftiger Hand die Zügel der Regierung und liess
sogleich Schiffe bemannen und mit Lebensmitteln versehen und schickte
sie nach Susa unter dem Commando des Secretärs Raschtk und des
Ja'ctib ben Ishäk mit der Weisung, den Kampf nicht eher anzufangen,
bis sie seine Befehle erhielten. Am anderen Morgen brach er selbst
nach Susa auf, ohne dass seine Umgebung seine Absicht kannte; erst
als er mitten auf dem Wege war, erfuhren sie es und drangen in ihn
umzukehren und sich nicht selbst der Gefahr auszusetzen; er gab ihren
Vorstellungen nach, kehrte um und ertheilte nun Raschik und Ja'ctib den
Befehl, den Kampf mit aller Kraft zu beginnen. Abu Jazid hatte
schon Holz herrichten lassen , um Feuer an die Mauer zu legen , ein
grosses Gerüste war als Sturmdach aufgestellt, da kam die Flotte bei
Susa an ; die Mannschaft derselben vereinigte sich alsbald mit der Be-
satzung, sie machten einen Ausfall, Abu Jazid erschien selbst zu Pferde
und es entspann sich ein heftiger Kampf; schon kamen die Truppen
el-Man^dr's ins Weichen und suchten die Stadt zu erreichen , da warf
Raschik selbst Feuer unter das angesammelte Holz und an das Sturm-
gerüst, der Dampf verfinsterte die Luft, das Feuer breitete sich weit aus,
Abu Jazid und seine Soldaten geriethen in Furcht und glaubten, dass
fehler in den Jahrszahlen, da er aber seine Lebenszeit auf 39 oder 40 Jahre an-
giebt nnd das Todesjahr 341 nDbestriiten ist, so mnss die Angabe Ibn ChalUkän's
als die richtige angenommen werden. In el-Mahdia kann er nicht geboren sein,
Ibn ^Adsäri pag. 226, weil diese Residenz damals noch nicht erbaut war.
88 F. WÜSTENFELD,
ihre Cameraden in jener Gegend unterlegen wären, und es den Truppen
el-Man9Ür'8 gelungen sei das Feuer anzulegen, da einer den anderen
nicht sehen konnte. Abu Jazid ergriff mit den Seinen die Flucht, die
Besatzung kam wieder aus der Stadt heraus, überfiel die Berbern und
verbrannte ihre Zelte, und Abu Jazid floh in solcher Eile, dass er noch
an demselben Tage vor Keirawdn ankam , während seine Leute sich
nach allen Seiten zerstreuten und die dem Schwerdte entgingen, vor
Hunger und Durst umkamen. Die Einwohner von Keirawän verweigerten
Abu Jazid den Eintritt in die Stadt, begaben sich vielmehr vor die
Wohnung des Statthalters, belagerten ihn und wollten schon das Thor
erbrechen, als er ihnen Goldstücke fiber die Köpfe streute, wodurch sie
veranlasst wurden sich von ihm abzuwenden. Er eilte nun hinaus, Abu
Jazid nahm seine Frau, die Mutter des Ajjüb, mit sich, seine Hofbe-
amten mit ihren * Familien folgten ihm und sie begaben sich in die
• Gtegend von Sabiba, zwei Tagereisen von Keirawdn, wo sie sich lagerten.
el-^Man9ibr kam nun selbst am 22. Schaww&l nach Susa und liess
vor der Stadt sein Zelt aufschlagen ; aus Freude über das Benehmen der
Einwohner von Keirawän ertheilte er ihnen vollständige Amnestie, wäh-
rend er wegen ihrer Anhänglichkeit an Abu Jazid Ursache gehabt hätte,
gegen sie aufgebracht zu sein; ein Herold verkündete diese Botschaft
und nachdem auf diese Weise die Gemütber beruhigt waren, reiste er
am 24. Schawwäl selbst nach Keirawdn, wo ihm die Einwohner entgegen
kamen und er sein Versprechen wiederholte. Er traf dort noch mehrere
Frauen und Kinder des Abu Jazid, liess sie nach el-Mahdia bringen und
sorgte für ihren Unterhalt.
Abu Jazid sammelte indess seine Truppen wieder und schickte ein
Corps zum Recognosciren nach Keirawdn, welchem el-Man9Ür auf er-
haltene Nachricht ein Corps entgegensandte; es fand ein Zusammenstoss
statt, die Truppen des Abu Jazid hatten einen Hinterhalt gelegt und
zogen sich in verstellter Flucht zurück, und als ihre Gegner ihnen folg-
ten, brach der Hinterhalt hervor und brachte ihnen eine vollständige
Niederlage bei. In Folge davon sammelte sich bei Abu Jazid wieder
eine grosse Menge, mit welcher er wieder nach Keirawdn zog, wo el-
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 89
MaD9Ür sein Lager mit einem Walle hatte umgeben lassen; Abu Jaztd
theilte seine Truppen in drei Abtbeilungen und führte die tapferste selbst
gegen die Verschanzung, wurde aber zurückgeschlagen. Bei dem wieder-
holten Angriffe leitete el-Man9Ür in Person von 500 Beitern umgeben
die Schlacht, wobei der über seinem Haupte getragene Sonnenschirm
als Feldzeichen diente« bald rechts bald links sich wendend; er wurde
aber von Abu Jazid durch eine Übermacht von 30000 Mann zur Flucht
gezwungen, so dass die Verschanzung schon genommen war und das
Lager geplündert wurde. el-Man9tir hatte nur noch etwa 20 Reiter bei
sich und wurde jetzt von Abu Jazid selber angegriffen, er zog sein
Schwerdt, behauptete seinen Platz und stürzte sich auf Abu Jazid, so
dass er ihn beinahe getödtet hätte. Dieser wandte sich zur Flucht, el-
Man^dr streckte alle nieder, die er erreichte, Hess die Flüchtlinge, die
schon den "Weg nach el-Mahdia und Susa eingeschlagen hatten, zurück-
rufen und verwandelte die anfängliche Niederlage in einen so vollstän-
digen Sieg, dass dieser zu den denkwürdigsten aller Zeiten gerechnet
wird, und die persönliche Tapferkeit, welche er dabei bewiesen und
welche man ihm nicht zugetraut hatte, vermehrte die Ehrfurcht vor ihm.
Es war gegen das Ende des Dsul-Ca'da 334, dass Abu Jazid von
Keirawän abgezogen war, indess kehrte er bald zurück, es kam aber
Niemand aus der Stadt heraus, dagegen setzte el-Man^ür durch öffent-
lichen Ausruf einen Preis von 10000 Dinaren auf seinen Kopf. Als
er dann die Erlaubniss zu einem Kampfe gab, wurden seine Truppen
geschlagen, die Verschanzungen erobert, dann wieder genommen, und
dies wiederholte sich so mehrere Male, bis Abu Jazid die Verbindung
zwischen el-Mahdia, Keirawän und Susa abschnitt und zu el-Man9Ür
schickte und bat seine Frauen und Angehörigen in Freiheit zu setzen,
dann wolle er sich mit seinen Leuten ihm unterwerfen; er bekräftigte
dies mit einem feierlichen Eide. el-Man9Ür ging darauf ein, beschenkte
noch die Familie mit Kleidern und entliess sie mit einer ehrenvollen
Begleitung. Sobald sie bei Abu Jazid eintraf, brach er seinen Eid und
sagte: er hat sie nur aus Furcht vor mir hergeschickt.
Unter solchen Verhältnissen ging das Jahr 334 zu Ende und es
Histor.-phUolog. Glosse. XXVL 3. M
90 F. WÜSTENFELD,
begann das neue; am 5. Muharram 335 fand wieder eine grosse Schlacht
statt, in welcher die Berbern unterlagen und nach bedeutenden Ver-
lusten sich zurückzogen. In der Mitte des Monats ordnete el-Man9Ür
seine Truppen zu einer regelmässigen Schlachtordnung: auf den rechten
Flügel stellte er die Africaner, den linken bildeten die Kitfima und er
selbst führte das Centrum, welches aus seinen Leibregimentern bestand.
Beim Beginn einer mörderischen Schlacht warf sich Abu Jazid auf den
rechten Flügel und brachte ihn zum Weichen, dann wandte er sich
gegen das Centrum, aber el-Man^dr eilte herbei und rief: heute ist. so
Gott will, der Tag des Sieges. Er machte mit seinem Corps einen ge-
meinschaftlichen Angriff, Abu Jazid wurde zurückgedrängt, seine Leute
fielen unter den Hieben ihrer Gegner, sie ergriffen die Flucht mit Zu-
rücklassung ihres Gepäcks und Abu Jazid musste ihnen folgen. Die
Zahl der Gefallenen war so gross, dass die Kinder aus Keirawdn 10000
Köpfe zusammentrugen. Abu Jazid zog sich nach Tah Madit^) zurück.
el-Man^ür beschloss nun, Abu Jazid keine Ruhe zu lassen, sondern
weiter zu verfolgen und brach am letzten Rabf L auf, indem er Mardm
el-^aklabl') als Statthalter zurückliess, und marschirte über Sabiba und
Tabissa auf Bd^ zu. Bis hierher war Abu Jazid gekommen und da
ihm die Einwohner den Eintritt in die Stadt verweigerten, hatte er sie
belagert und war nahe daran sie zu erobern, als er bei der Annäherung
el-Man9Ürs abzog und einen Ort suchte, wo er sich einschliessen könnte,
aber überall war ihm el-Man^ür zuvorgekommen , bis er nach Tubna
kam. Hier erhielt er die Nachricht, dass Muhammed ben Chazar el-
Zandti sich von ihm losgesagt und bei el-Man9Ür um Amnestie gebeten
habe, welche ihm gewährt war unter der Bedingung, dass er sich an der
Verfolgung Abu Jazid's betheilige, und unter Zusicherung eines Geld-
geschenkes von zwanzig Last, wenn er ihn gefangen nähme. Als dann
el-Man9Ür in Tubna einrückte, kam ihm Ga'far ben *All, Gouverneur
von Masila, entgegen und überreichte ihm eine bedeutende Geldsumme.
1) Ein nnbekanDter Ort; vergl. die Varianten Ibn d-Äthir VIII, 329.
2) Ibn eUÄthtr VIII, 329 Mudsam el-gikilli, Ibn Chaldün II, 537 Merah.
GESCHICHTE DEE FATIMIDEN CHAUFEN. 91
Die Verfolgung wurde nun eifrig fortgesetzt; Abu Jazld machte von
Biskara aus noch einen Versuch , Muhammed ben Chazar wieder für
sich zu gewinnen, aber vergebens, und suchte dann Schutz in den Bergen
der Banu BarzdL welche seine Anhänger waren, und ging in die Sand-
wüste, damit die Verfolger seine Spur verlören. Hier sammelten sich
wiedfer viele um ihn, er kehrte zurück nach Maccara, einem Orte zwi-
schen Tubna und Masila, wo el-Man9iir stand, und legte sich hier in
einen Hinterhalt. Als el-Manfdr dies gewahr wurde, ging er vorsichtig
vor, Abu Jazid ordnete desshalb seine Leute zur Schlacht und drängte
den rechten Flügel el-Man9Ürs zurück, dieser machte aber dann selbst
einen Angriff und schlug Abu Jazid, so dass er die Berge Sdldt zu er-
reichen suchte. el-Man9Ür folgte ihm auf dem Fusse, trieb ihn durch
unwegsame Gebirge und tiefe Schluchten vor sich her und wollte noch
immer weiter vordringen, doch machten ihm die Wegkundigen begreiflich,
dass es für eine Armee unmöglich sei, weiter zu kommen, das Futter
und Wasser für die Pferde sei nicht anzuschaffen und dann kämen erst
die unbewohnten Sandwüsten und Einöden von Süddn, wenn Abu Jazid
sich dahin begeben würde, so wolle er lieber vor Hunger und Durst
umkommen, als durch das Schwerdt sterben. Durch diese Vorstellungen
Hess sich el-Man9tir bewegen, nach Maccara zurückzukehren und hier
kam zu ihm der Emir der ^anhd'ga, Ziri ben Mandd, der Stammvater
der nachherigen Dynastie der Ziriden, welchen er sehr ehrenvoll empfing
und auszeichnete, und bald darauf meldete Muhammed ben Chazar, dass
er Abu Jazid's Aufenthaltsort in der Wüste in Erfahrung gebracht habe.
Allein el-Man5tir verfiel hier in eine schwere Krankheit und konnte sich
erst am 2. Ra^ab, nachdem er sich erholt hatte, nach Masila begeben,
wohin ihm aber Abu Jazid, als er von der Erkrankung hörte, zuvorge-
kommen war, so dass er die Stadt schon belagerte. Indess bei el-Man^ürs
Annäherung zog er ab und wollte sich nach Süd&n durchschlagen,
woran ihn die Banu Kamldn und Hawwära hinderten, die jetzt treulos
gegen ihn verfuhren. Er wandte sich desshalb in die Berge der Kidna
und 'A^sa, nahm dort eine feste Stellung und zog wieder Mannschaften
zu sich heran, welche von hier aus Raubzüge unternahmen. Am 10.
M2
92 F. WÜSTENPELD,
Scha'bän traf el-Man^dr dort ein, da aber Abu Jazid nicht herab kam*
zog el-Man^ür wieder ab, und nun überfiel Abu Jazid die Nachhut;
daraus entspann sich eine Schlacht, da el-Man9Ür rasch umgekehrt war,
und Abu Jazid wurde geschlagen, brachte. aber noch seine Kinder und
Angehörigen in Sicherheit. Zwei Reiter holten ihn ein, schnitten seinem
Pferde die Fusssehnen durch, so dass er herunterfiel; einer seiner Sol-
daten nahm ihn zu sich aufs Pferd, nun kam Ziri ben Manftd hinzu,
traf ihn mit der Lanze und warf ihn herunter, es entstand ein heftiger
Kampf um ihn, bis er von seinen Leuten gerettet wurde; an diesem
Tage waren über 10000 seiner Anhänger geblieben.
el-Man9ibr setzte am 1. Ramadhdn die Verfolgung fort, es wurde
von beiden Seiten hartnäckig gekämpft, ohne dass es zu einer Entschei-
dung kam, weil die Schluchten und das schwierige Terrain eine Ent-
faltung der Streitkräfte nicht möglich machte. Endlich musste Abu
Jazid sich doch zurückziehen , er verbrannte sein Gepäck, seine Leute
erstiegen die Berge und warfen mit S.teinen herab, el-Man9dr war immer
mitten im Kampfe, öfter wurde man handgemein und man hätte glauben
sollen, dass sie sich sämmtlich gegenseitig vernichten würden, zuletzt
rettete sich Abu Jazid in eine befestigte Burg [Cata) der Ki&na und
schloss sich darin ein.
Die Hawwära und der grösste Theil der übrigen Anhänger des
Abu Jazid baten jetzt um Frieden ; el-Man^ür willigte ein und zog dann
vor die Burg, belagerte sie und schloss sie von allen Seiten ein. Die
Besatzung vertheidigte sich tapfer und erst nach wiederholten Angriffen
gelang es einen Theil der Burg zu erobern ; sie warfen Feuer hinein,
wodurch die anderen zur Flucht gedrängt wurden, und Abu Jazid zog
sich mit seinen Kindern und den Anführern in das Castell der Burg
zurück. Die Thore wurden in Brand gesteckt und el-Man9Ür befahl
auch das Gebüsch am Berge anzusteckei), damit Abu Jazid nicht in der
Dunkelheit entkommen könne, und die Nacht war taghell erleuchtet.
Gegen Morgen nahmen ihn einige Leute auf die Schultern und machten
einen unerwarteten Ausfall, man Hess sie durchkommen und er war in
Freiheit Nachher kam ein grösserer Theil von der Burg herab, sie
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 93
wurden fest genommen und erzählten, das8 Abu Jaztd die Burg bereits
verlassen habe und el-Man9Ür befahl ihn zu verfolgen, indem er sagte:
er muss noch ganz in unserer Nähe sein; und siehe, da wurde er schon
herbeigebracht. Nämlich die drei Männer, welche ihn aus dem Bereiche
des Kampfes fortgetragen hatten, weil er an einem Fusse gelähmt war.
hatten ihn dann verlassen, er schleppte sich allein fort um von dem
Abhänge hinunter zukommen, fiel dabei in eine Vertiefung, wurde hier
gefunden und zu el-Man9iir gebracht, welcher bei seinem Anblick nieder-
fiel und Gott dankte, während die Umstehenden ein Freudengeschrei
erhoben. Dies geschah Sonntag den 24. Muharram 336 und Abu Jazid
lebte danach noch vier Tage, dann starb er an den erhaltenen Wunden;
el-Man^ür Hess ihm die Haut abziehen, sie mit Stroh ausstopfen und. in
einen eisernen Käfig setzen, worin zwei Affen um ihn spielten^). Dies
Ereigniss wurde im ganzen Lande verkündet
Diese siebenjährigen ununterbrochenen Kämpfe gegen Abu Jazid
hatten noch ein kurzes Nachspiel, indem sein Sohn Fadhl die flüchtigen
Truppen wieder sammelte» sich mit Ma'bad ben Chazar^ verbündete
und der Nachhut el-Man9Ürs auf der Rückkehr bei Biskara und Tubna
den Weg verlegte ; ein Corps unter den Freigelassenen SchafT und Kei^ar,
von Ztri ben Manäd mit seinen ^'anhd'ga unterstützt, zerstreute ihre
Banden, el-Man^ür verfolgte Ma*bad selbst noch bis Masila, wo er seine
Spur verlor. Er erfuhr hier aber noch, dass Hamid ben Ja^il, sein
Präfect in Tähart, ihm den Gehorsam verweigert und sich in Tianas nach
Spanien eingeschifft habe; er begab sich desshalb nach Tähart, setzte
hier und in Tanas neue Statthalter ein, wandte sich hierauf gegen die
1) So Um elrAthtr nnd nach ihm Ihn Chaidün II, 539; bei letzterem III,
2U aod bei Ibn*Adsär% pag. 228 heisst es, dass er in einem Käfig lebend mit nach
el-Mahdia genommen, dort {Ibn Chald. gegen das Ende des J. 335 gestorben) nm-
gebracht und vor dem Tbore, an welches er einst mit seiner Lanze angeklopft hatte,
ans Kreuz geschlagen sei; jedoch kennt Ibn 'Ädsäri anch die andere Überlieferung
nach el-Cadh&*i.
2) Ibn d-Äihir VIII, 332 nennt Mnhammed ben Ghazar, welcher sich aber
el-Manfür nnterworfen hatte, anch lässt er beide getrennt sich auflehnen.
94 F. WÜSTENFELD,
Law&ta und trieb sie in die Sand wüste, und verfolgte dann el-Fadhl
weiter, der sich nach Castilia zurückgezogen hatte, kam nach Caffa, von
hier nach Maddila im Gebiete el-Zdb. eroberte die benachbarte Festung
M&dds, gab es aber endlich auf, ihn zu erreichen, weil er sich in die
Wüste geflüchtet hatte und kehrte nach el-Mahdia zurück, wo er im
Ramadhdn 336 seinen Einzug hielt. el-Fadhl zeigte sich später wieder
im Gebirge Aurds, erschien plötzlich vor Bdgdja, welches er zu belagern
anfing, wurde hier jedoch von einem seiner eigenen Leute , Batit ben
Ja'lä, ermordet, der seinen Kopf zu el-Man9Ar brachte. — Auch Ajjdb.
der andere Sohn des Abu Jazid, wurde bald nachher von Abdallah ben
Bakkdr, einem Häuptling der Magrdwa, überfallen und getodtet, welcher
ebenfalls seinen Kopf zu el-Man9Ür brachte, um sich dessen Gunst zu
erwerben.
el-Hasan ben 'Ali el-Kalbl, welcher wegen seiner ausgezeichneten
Leistungen, die er als Anführer in den Kämpfen bewiesen hatte, bei el-
Man^ür in hohen Ehren stand , erhielt gleich darauf unter sehr schwie-
rigen Verbältnissen die Statthalterschaft von Sicilien, und während nun
dort gekämpft, auch noch eine Flotte an die Italienische Küste geschickt
wurde, verliefen die nächsten Jahre in dem ganz erschöpften Africa
ruhig. Es gelang noch im Anfange des J. 341 Ma'bad und seinen Sohn
gefangen zu nehmen und sie wurden in Man9Üria hingerichtet.
Abu Ga'far Ahmed ben Muhammed el-Marwarrildsl erzählt aus
seinem Leben: Ich begleitete el-Man^dr auf einem seiner Züge gegen
Abu Jaztd und ging neben ihm her ; er hatte zwei Lanzen in der Hand,
von denen er eine mehrmals fallen Hess, ich hob sie auf, reichte sie ihm
hin und indem ich darin eine gute Vorbedeutung fand, citirte ich den
bekannten Vers :
Da warf sie ihren Stab hin und der Wohnplatz machte sie freudig bewegt^
Wie sich im Auge des Wandrers bei der Heimkehr die Freude ausdrückt.
Da sagte er: weist du nichts besseres als dies? treffender wäre doch
(die Koranstelle Sure 7, 114 — 116): ,,Und wir offenbarten dem Moses:
Wirf du den Stab hin; und siehe, dieser verschlang, was sie trügerisch
gebildet hatten. So kam die Wahrheit an den Tag und wurde das.
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIFEN. 95
was sie gemacht hatten, zu nichte, dort wurden sie besiegt und umge-
kehrt in Verachtung gebracht." Da erwiederte ich: o Herr! du bist
der Nachkomme des Gesandten Gottes und redest so nach deiner Pro-
phetengabe. Abu Ga^far setzte noch hinzu: el-Man9dr hatte einen
scharfen Verstand, klare Einsicht,* tiefe Kenntniss und eine vorzügliche
Beobachtungsgabe. Ich recitirte ihm einmal einige Verse, worin ich
darauf hindeutete, dass er seinem Sohne Maadd als seinem Nachfolger
möchte huldigen lassen , da antwortete er : ich hoffe, man wird auf den
Kanzeln von Mekka, Medina und anderen Orten für ihn beten; und so
geschah es.
Nach seiner Rückkehr Hess el-Man9Ar in der Ebene von KeirawAn,
wo das Haupttreffen gegen Abu Jazid stattgefunden hatte (vergl. S. 89),
eine neue Stadt erbauen ; hier stand die Vorstadt ^abra, welche erweitert
wurde und einen schönen Palast erhielt, den er im J. 337 bezog, und
die Stadt nannte er Man9Üra oder Man^üria^). Das Ganze bildete
dann nur einen zweiten Theil zu Keirawdn, da aber auch die Markt-
plätze dahin verlegt wurden, zog sich der ganze Verkehr dahin und die
Altstadt Keirawdn gerieth in Verfall, Noch mehr hatte el-Mahdia durch
die Verlegung der Residenz zu leiden und 6s verfiel noch rascher wieder,
als es dreissig Jahre zuvor entstanden war.
Um die Mitte des Jahres 341 hatte el-Man^ür einen Ausflug nach
Safäkis und Tunis gemacht und war dann nach Cäbis gereist, von wo
aus er die Einwohner der benachbarten Insel Garba zum Gehorsam auf-
forderte; sie erklärten ihre Unterwürfigkeit und als Unterpfand ihrer
Treue nahm er einen Mann von dort mit sich. Die Reise hatte einen
Monat gedauert und nach seiner Rückkehr erliess er eine Bekanntmachung,
worin er seinen Sohn Ma'add zu seinem Nachfolger ernannte. Im Ra-
madhdn unternahm er dann eine Vergnügungsreise nach Galülä, einem
Städtchen eine Tagereise oder 24 Arabische Meilen von Keirawän auf
1) Es scheint, als wenn dieser neue Name, ebenso wie Mnham media für Ma-
sila, nicht recht in Gebrauch gekommen ist; Edrisi nennt nnr Qabra und das von
ihm erwähnte Man9Üria ist ein ganz anderer Ort.
96 F. WÜSTENFFLD,
dem Wege nach el*Urbus und Masfla , in dessen Nähe Sarddnia , der
schönste und angenehmste Aufenthaltsort* von Africa, liegt; besonders
prangt dort das Obst in üppigster Fülle und z. B. Citronen erreichen
eine Grösse, dass vier Stück eine Camellast ausmachen! Solche Pracht-
exemplare waren nach dem Schlosse zu Man9Üria gebracht, Cadhib. die
bevorzugte Geliebte el-Man^ilrs , hatte sie hier bewundert und den
Wunsch geäussert, sie an Ort und Stelle an den Zweigen hängen zu
sehen. Dies war die Veranlassung zu der Reise nach Galülä mit einem
Gefolge; nach einigen Tagen trat aber eine sehr strenge Kälte ein und
es erhob sich ein heftiger Wind, so dass el-Man9dr beschloss zurückzu-
kehren; unterwegs fiel hoher Schnee, er selbst ertrug das Unwetter
standhaft, während mehrere von seinen Begleitern starben. Er kam
ganz durchfroren und erschöpft in Man9Üria an und wollte ein Bad
nehmen, was sein Arzt Ishdk ben Suleimän el-Isräl'U verbot; er Hess
sich indess nicht abhalten und nach dem Bade nahm die natürliche
Wärme nur noch ab und es trat Schlaflosigkeit ein. Da nach den
Mitteln, welche Ish&k jetzt verordnete, die Schlaflosigkeit fortdauerte
und ihm dies unerträglich war , fragte er einen der Diener, ob denn in
Keiraw&n nicht ein anderer Arzt sei, der ihn davon befreien könnte,
und erhielt die Antwort, dass grade ein junger Mann Namens Ibrdhim
dort angekommen sei. Er liess ihn holen und nachdem er ihm seinen
Zustand beschrieben hatte, mischte jener ein Schlafmittel, that es in
eine Flasche , hielt sie ans Feuer und liess ihn darauf riechen ; nach
einiger Zeit schlief er ein und Ibrähtm entfernte sich sehr erfreut. Nun
kam Ishftk hinzu um den Kranken zu besuchen, und als er erfuhr, dass
er schlafe, sagte er: wenn er etwas bekommen hat. wonach er schlafen
sollte, so ist er auch bereits gestorben. Als sie eintraten, fanden sie
ihn todt, und wollten nun Ibrdhim zu Leibe gehen, Ishäk erklärte in-
dess, dass jenen keine Schuld treffe, er habe ihn nach der Vorschrift
der Arzte behandelt, nur habe er den Grund der Krankheit nicht ge-
kannt und sie hätten ihm denselben verschwiegen; er selbst habe die
natürliche Wärme beleben und dadurch den Schlaf herbeiführen wollen,
da durch das angewandte Mittel diese Wärme nur noch mehr unterdrückt
GESCHICHTE DER FATIMIDEN CHALIPEN.
97
sei» 60 habe er wissen können, dass er bereits todt sei. Er starb Freitag
den letzten Schawwäl 341 nach einer Regierung von 7 Jahren und 16
Tagen und wurde in seinem Palaste zu ^abra oder in^el-Mahdia be-
graben.
el-Man9Ür hinterliess fQnf Söhne: Abu Tamim Maadd, Hdschim,
Heidara, welcher im J. 382 in Ägypten starb, Abu Abdallah el-Husein
in Magrib gestorben, und Abu Da'far Tdhir, ebenfalls in Magrib im
Muharram 357 gestorben; dazu fünf Töchter und drei legitime Frauen.
— Die Ober-Cadhis während seiner Regierung waren nach einander:
Ahmed ben Muhammed ben Abul-Walid, Muhammed ben Abul-Mandhdr,
Abdallah ben Hdschim, 'Ali ben Abu Schu'aib in Man^üria, Abu Muham-
med Zurära ben Ahmed und Abu Hanifa el*Nu*män ben Mu^jiammed
el-Tamimi; sein Oberst-Kammerherr hiess Da*far ben 'Alf.
Sistor.-phiMog. CbMe. XXVI. 3.
N
J
Die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitä- und
Pada- Texten der Veden
von
Theodor Benfey.
Fünfte Abhandlung.
Composita, welche am Ende eines vorderen Gliedes a, i^ um
der Sawhitä lang, im Pada kurz zeigen.
Zweite Abtheilang.
(Vorgelegt in der Königl. Gesellsch. d. Wies, am 6. März 1880.)
97 — 106. prä- (scheint in mehreren Fällen für jöro- eingetreten zu
sein, wird aber fast nie im Pada getrennt und verkürzt,
mehrmals aber verkürzt, ohne getrennt zu werden; vgl.
RPr. 587; VPr. III. 103; V. 37; Whitney zu TPr. III.
5 und zu AthPr. IIL 12, S. 130). Hierhin gehören:
97. präkä^9 jedoch sehr fraglich: es ist eher eine Ableitung
von prakdfd (vgl. St. Petersb. Wtbch unter prdkdfd und
unter präkägä IV. 903. g, auch Pän. VI. 3. 123, wonach
das a von pra vor -kdfa nicht gedehnt werden darf).
(Prosa) TS. I. 8, 18 (im Pada ohne Kürzung und ohne Tren-
nung).
98. prägtaarmas&d; Sayana zu Rv. VI. 73, 1 scheint prä für
prä zu nehmen, aber weder im Rv. noch im Ath. findet
Kürzung und Trennung statt
(5 in 11) Rv. VI. 73, 1 = Ath. XX. 90, 3.
Nicht metrisch.
99. präftätai; ein pranäha ist zwar bis jetzt nicht nachgewiesen,
doch könnte prärfi auf einem solchen beruhen, oder pra-^
dndha sein, oder eine Ableitung von pra-d-nah.
Histor.-phihlog. Classe. XXVI. 4. A
THEODOR BENPET,
In der ersten Silbe Ath. IX. 3, 4, also
nicht metrisch.
100. (k^sara)-pr äbandtaä.
(5 in 8) Ath. V. 18, 11.
nicht metrisch; Eigenname, vgl. die Iste Abthlg, S. 34.
101. prä-yäs&y im Pada getrennt und verkürzt (VS. III. 103);
im St. Petersb. Wtbch unrichtig accentuirt; vgl. präydsa.
(Prosa) VS. XXXIX. 11.
102. präyogiy im Pada weder getrennt noch verkürzt; Säyana
nimmt aber prd für pra und im St. Petersb. Wtbch s. v.
(IV, 1151) wird sogar vermuthet, dass die Kürze statt der
Länge in den .Text zu setzen sei. Das wage ich nun nicht;
ebenso wenig kann ich der im St. Petersb. Wtbch aufge-
stellten Theilung in prayo-gd beistimmen; präyog&ca ist in
Rv. X. 106, 2, der einzigen Stelle, in welcher es vorkömmt,
wegen der Duale ushtA'rd^ dütä\ frayethe u. s. w. irrig im
Pada für präyogä'-iva genommen; es steht aber für präyogam'
iva mit der bekannten und anerkannten, wenn gleich nicht
regelmässigen, aber ziemlich häufigen, Einbusse des tn vor
Vocalen. Die A9vin's werden im ersten Stollen mit einem
Paar Ochsen (ush-tdr für ursprünglicheres ^uksh-tär, von dem-
selben Verbum wie uksh-an nach bekanntem Lautgesetz, was
ich wegen Orassmann's Etymologie bemerke) verglichen, im
dritten sind sie Boten; so ist nichts natürlicher, als dass der
zwischen diesem stehende zweite Stollen aussagt, dass sie
sich, um den Botendienst ausrichten zu können, ^anschirren
lassen'; prayoga, welches im Veda nicht vorkömmt, was
aber sicher rein zufällig ist, würde, von pra yuj 'anschirren'
(wörtlich 'vorspannen') abgeleitet, die Bedeutung 'Anschirrung'
haben ; davon ist dann das Adjectiv prdyogd abgeleitet , mit
der Bed. 'sich auf die Anschirrung beziehend'. Der Stollen,
in welchem dieses Wort vorkömmt, lautet:
pr&yogöva fvd'tryä fä'sur öthah;
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAMB.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 3
darin ist Qvätryä (zu lesen fvatriä) von S&yana, wahrschein-
lich auch schon seinen Vorgängern, beirrt durch die Duale
ushtä'rA, dütA\ mahishd' und das als Dual gefasste prdyogi^
ebenfalls so aufgefasst; es ist aber Acc. plur. des Adjectivs
fvA'trya, dessen Bedeutung erkannt zu haben, eines der grossen
Verdienste des St. Petersburger Wtbchs ist; als Mittel dazu
diente die Vergleichung der Basis desselben fvdtra mit dem
zendischen qAstra; die arische Grundlage von beiden ist
*svad-\-tra i); im Veda ist f für s eingetreten, wie z. B. in
fru für sru, wahrscheinlich durch Einfluss einer Volkssprache
(vgl. Lassen, Inst. 1. PrÄcrit. p. 395; 401; 406; 417; 423);
fvA'tryd, etymologisch 'die versüssenden' bezeichnet die *So-
matränke' (vgl. Rv. X. 49, 10, und fvAtrd Adj. VS. IV. 12;
VI. 34). Demgemäss übersetze ich diesen Stollen wörtlich:
*Ihr (A^vin's) kommt heran zu den süssen (Tränken),
lyelche einer sich auf Anschirrung beziehenden Aufforderung
vergleichbar sind'
d. h. *Ihr kommt zu den Somatränken, welche bewirken»
dass ihr euch dazu anschirren lasst als Boten unsre Wünsche
auszurichten'.
Beiläufig bemerke ich wegen Ludwig's Uebersetzung des 4ten Stol-
lens (Bd. I, S. 85) —
mft'pa sthfttam mahish^vävapänät
durch: 'haltet euch nicht ferne wie Stiere von der Tränke' —
1) sv&ä'\-trd beruht auf dem Nomen agentis von sviid, welches *svad4ar dann
svattar lauten musste und ^Versüsser* biess; davon dann dies Adj. sv&tträ (wie z. B.
von tvdshfar das Adj. tväshfrä far tväsTifar-d), mit ( für s uod Einbusse des einen t,
welches wegen der vorhergehenden Länge schwerUch stark ins Ohr fiel, gväträ als
Adj. ^versüssend, schmackhaft^ als Ntr. sbst. eigentlich ^etwas schmackhaftes*, dann
^schmackhafte Speise*, davon durch Suff, ia (für ia) (vätria (für gvättfia) später
(v&'trya gesprochen, adj. mit gleicher Bedeutung; wegen des Accents vgl. man z.B.
von tnitrd: mitriya (für mUrta ans mitrta) und mitryä sowohl als mürya^ jenes
mUria^ dieses mÜria zu lesen (vgl. dieAbhdlg ^Ist ... ein nominales Suffix ia oder
ya anzusetzen* in Bd XVI, S. 95 n.).
A2
4 THEODOR BENFEY,
dass dies, obgleich wörtlich treu scheinend, einen Sinn giebt, welcher
die Absicht des Dichters gerade umkehrt.
Ich glaube wenigstens, dass Jeder diese Fassung so verstehen wird,
als ob der Dichter sagen wollte 'Bleibt nicht fern, wie Stiere (Büffel) von
der Tränke fern bleiben*. Da bekanntlich Büffel zu der Tränke so rasch
als möglich zu kommen suchen, will aber der Dichter augenscheinlich
sagen : 'Gleich wie Büffel nicht fern von der Tränke bleiben , so .bleibt
auch ihr nicht fern!' Ich habe schon — ich glaube öfters — darauf
aufmerksam gemacht, dass die Negation ursprünglich den positiven Ge-
gensatz bezeichnete (vgl/Gött. Nachrichten 1880, No. 1, S. 2; 19; 90)
und zwar sehr oft stärker als eine positive Wendung und bin desshalb
der Ansicht, dass die wörtliche Uebersetzung : 'Als wäret ihr zwei Büffel,
bleibt nicht fern von der Tränke' so zu verstehen ist, als wenn wir
sagten 'Eilt rasch herbei (zum Somatrank) wie ein Büffelpaar zur Tränke'.
103. prävaitä (im Rv. und der VS. wird das ä verkürzt, aber die
Zusammensetzung nicht getrennt, s.RPr. 587; VPr. III. 103;
V. 37; in der TS. wird auch getrennt, s. TPr. VII. 7).
In der ersten Silbe. Rv. IIL 22, 4 = VS. XII. 50 = TS. IV.
2. 4. 3.
Also nicht metrisch; es kann aber, wie schon im St. Peters-
burger Wtbch IV. 1154, bemerkt ist, auch eine Ableitung you prävand
sein. Ich wage keine Entscheidung, da mir der Sinn der Stelle nicht
klar ist. Säyana zu Rv. und Mahidhara zu der VS. weichen in der
Auffassung von einander ab.
104. prävargä, nur in Rv. VIII. 4, 6, wo Sdyana das d, mit Be-
rufung auf Pdn. VI, 3, 122, für Dehnung nimmt; das Wort
ist im Ptsb. Wtbch wohl sicher richtig als Ableitung von
pravargd gefasst.
105. prä'Vf*ita, in den Pada's weder verkürzt noch getrennt (vgl.
VPr. V. 37).
(8 in 11) Rv. I. 162. 2 (= VS. XXV. 25 = TS. IV- 6. 8.
1). — Ath. XVIII. 3. 3.
(5 in 11) Rv. X. 82, 7 (= VS. XVII. 31 = TS. IV. 6. 2. 2);
D.QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 5
es entsteht dadurch der pathetische Fuss | — i; | statt
des häufigsten \ vv |.
(Prosa) Ath. XL 8, 15.
Die Pada- Verfertiger haben nicht zu trennen gewagt, weil sie nicht
zu entscheiden vermochten, ob das d Dehnung von a oder Zusammen-
ziehung von ®a-4^ (prä-ä-vrita) sei. SÄyana glossirt das Wort zu Rv. I.
162, 2 durch sancato veshtita; da sarvatah seine gewöhnliche Glosse fär
das Präfix d ist, so dQrfen wir daraus schliessen , dass er pra-d-vnta als
grammatische Form annahm. Die unter No. 36 (Iste Abthlg, S. 13)
aufgeführten Nummern u. s. w. sprechen aber sehr dafür, dass das
Präfix nur Repräsentant von prä sei.
106. [prävHtya.
(3 in 8) Ath. XL 8, 15.
Nicht metrisch; vgl. Iste Abthlg zu No. 36 und weiterhin Be-
merkung hinter No. 111].
107. [prävHsh (Pän. VI. 3, 116 betrachtet das d als Dehnung
von a, vgl. upänah Iste Abthlg, S. 23; die Pada's trennen
weder noch verkürzen sie).
(6 in 8) Ath. XII. 1, 46; könnte metrisch sein.
(5 in 11) Rv. VIL 103, 3 und 9 | -5^ w — | zu lesen: prä-
vrishi ij(gatdydrn\.
108. [präYf^istafftäy wie die Basis prdvrish unverkürzt und un-
getrennt im Pada.
(5 in 11) Rv. VIL 103, 7 | -5 v |].
109. prä-Qriugä (in der VS. getrennt und ä verkürzt, s. VPr.
III. 103; in der TS. weder getrennt noch verkürzt, Whitney
zu TPr. p. 99).
(Prosa) VS. XXIV. 17. — TS. IL 1. 3. 1; 4; 5.
HO. [präsacä (weder getrennt, noch d verkürzt).
(Prosa) TS. VIL 5. 11. !].
111. prä-Säh (getrennt und d verkürzt RPr. 541; TPr. III. 5;
AthPr. III. 1).
(6 in 8) Rv. L 129, 4^
6 THEODOR BENFEY,
(8 in 12) Rv. I. 129, 4^ (entweder vifvääjfum zu lesen, oder
im 2ten Fasse nur 3 Silben; ich ziehe die erstre Lese-
weise vor).
(4 in 8) Rv. V. 23. 1 = TS. I. 3. 14. 6 {präsdha steht für
prdsähdh Genetiv zu dyumndsya gehörig; & für as wie mehr-
fach, vgl. Iste Abhandlung in Bd. XIX, S. 255 ff.)«
(4 in 11) Rv. X. 74, 6.
In der ersten Silbe Rv. VIIl. 46, 20.
Kurz (9 in 11) Rv. VI. 17, 4.
In 6 in 8 , 8 in 1 2 , und 4 in 8 und 1 1 lassen sich die Längen
als metrisch entstanden betrachten, dafUr könnte man auch die Kürze
geltend machen; allein die Länge in der ersten Silbe ist entschieden
nicht metrisch und die Kürze, da sie nur in 9 in 11 erscheint,
also in einer Silbe, in welcher Kürze weit überwiegend vorherrscht, könnte
durch metrischen Einfluss an die Stelle der Länge getreten sein.
Bemerkung zu 97 — 111.
In den unter diesen Nummern aufgeführten Wörtern lässt sich die
Länge in fr& mehrfach durch Einfluss des Metrums erklären, vielleicht
auch durch andre — wie man z. B. in einigen Fällen geneigt sein könnte
der folgenden Liquida i; einen solchen zuzuschreiben (vgl. Iste Abthlg,
No. 36) — ; allein die Fälle, welche sich nicht dadurch erklären — wie
die Länge in Prosa, in der Isten und 3ten Silbe, in 5 in 8, vor h —
sind in verhältnissmässig so beträchtlicher Anzahl vertreten , dass, wenn
wir nicht eine rein zufallige Entstehung dieser Längen annehmen wol-
len — wozu man sich auf dem heutigen Standpunkt der Sprachwissen-
schaft schwerlich verstehen wird — man sich auch hier zu der Vermu-
thung getrieben fühlt, dass — wie so vieles Uralte — so auch in frA
sich in diesen Fällen — vielfach durch das Metrum geschützt, eine ur-
sprünglichere Form dieses Präfixes erhalten haben möge; und dafür
spricht schon im Allgemeinen der Umstand, dass diese Länge auch im
Zend in frd erscheint (s. Justi unter frd S. 195, ferner von frdSpa,
S. 202, an in mehreren Zusammensetzungen, endlich in der Verbindung
mit Verben z. B. unter i: frdryant^ unter karet: frä-kerehtat u. s. w.).
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENfl. IN D. SAJtfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 7
Dass die Indeclinabilia auf ä grösstentheils sicherlich einst statt dessen
auf d auslauteten und in diesen Formen der alte Instrum. Sing, ihrer
thematischen Basen zu erkennen, ist schon mehrfach bemerkt. Hier
hat sich zumal diese alte Form in einem Worte erhalten, welches wir
gewissermassen als Nebenform von prd betrachten können, nämlich in
purä' (für älteres pard\ vgl. purds = ndQog und GWL. I. 136 ff.; Fick,
Indog. Wtbch I. 141); aber auchp-d selbst ist in sskr. prä-tär bewahrt,
welchem der Bed. nach^riech. nQcJt entspricht; wie man auch über dast
in diesem letzteren Worte entscheiden mag (vgl. Fick I. 663), das n^co
davor , so wie das entsprechende althochd. fruo , in welchem ein Reprä-
sentant des griech. # fehlt, dfirfen wir unbedenklich dem sskr. prd in
prdtdr gleichstellen.
Sind diese Zusammenstellungen aber richtig, dann wage ich auch
das TT^cü in ngvö^ro damit zu identificiren und in diesem ein nach Ana-
logie von ziiaQ'to (= sskr. catur-thd, lat. quar-to für quatvar-to u. s. w.)
ni/in-jo (= lat. quin-to für quinc^to = zend. pukhdha für arisches "^pank-^
tha) &-T0 (= lat. seX'to^ sskr. shash-tha für älteres svaks-tha) u. s. w.
aus nQ(o- gebildetes Ordinale zu sehen, vgl. sskr. pra-tha-ma.
Demgemäss dürfen wir — wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit —
vermuthen, dass prd- in manchen der unter No. 92-7IO6 aufgeführten
Fälle, vielleicht in allen, die ursprüngliche Form des Präfixes pra sei,
welche sich theils unter dem Schutze des Metrums, theils unmittelbar
hier erhalten hat.
112. plthft-kirJta (VPr. III. 128, vgl. SvPr. 217, wo ausser
diesem auch noch andre Zusammensetzungen aufgeführt wer*
den, in denen ein auslautendes a des vorderen Gliedes vor
folgendem -karna gedehnt werde; aber keines der übrigen ist
bis jetzt, so viel mir bekannt, belegt).
(Prosa) VS. XXIV. 4. (Die theilweis entsprechende Stelle in
der TS. V. 6. 12 hat V. L.).
8 THEODOR BENFEY,
113 — 114. makshü" (Trennung der Zsstzg und Verkürzung des
4, s. RPr. 437; 441 , vgl. Illte Abhdlg, S. 24 unter
makshü, und IVte, 3te Abthlg, S. 4; 5; so wie die
VIte Abhandlung unter makshü).
Vorbemerkung: Durch einen unglücklichen Zufall ist in der
IVten Abhdlg, 3te Abthlg. S. 5 hinter der 5ten Zeile der Schluss des
Artikels makshÜ, sowie der ganze Artikel ma^A und der Anfang des
Artikels madata übersehen worden.
Ich muss daher bitten hinter dieser Zeile folgendes in den Text
zu setzen, nämlich für makshü die hier in den Text aufgenommenen
Belege von *(4 in 8)' an bis zu der Note, für mada und madata das
in der Note mitgetheilte.
(4 in 8) Rv. I. 39, 7.
(4 in 11) Rv. I. 58, 9 = 60, 5 = 61, 16 (= Ath, XX. 35.
16) = 62, 13 = 63, 9 = 64, 15 (Refrain). — IIL 31, 20
(vgl. sogleich)
(5 in 8) Rv. VIII. 81 (70). 9.
(5 in 11) Rv. IX. 88 (77), 7.
(5 in 12) Rv. VIII. 22, 10 I -J— t; — I 1).
In der Zusammensetzung erscheint im vorderen Glied makshü- in
113. maksh ü'-makshü.
(2) Rv. III. 31, 20 (vgl. oben Z. 15).
1) Dahinter bitte ich in IV. 3, S. 5 hinzuzufügen:
„126. mada (RPr. 501).
Rv. X. 63, 8 (eigentlich 8 in 12 : denn es ist suastäye zu lesen , vgl. Ute Abhdlg,
XIU. §. 6). Nimmt man es für die 2te Sing. Imptivi, dann erklärt sich die
Länge durch die Zweizeitigkeit derselben (s. lYte Abhdlg, 1 S. 34 kalpaya);
wahrscheiDÜch ist es aber die Iste Sing, für madäni (vgl. Ludwig in Abhdlgen
d. böhm. Ges. d. W. 1874, S. 22).
127. madata (RPr. 502; SvPr. 246). Der Auslaut war doppelzeitig, 8. IVte
Abhdlg, 2te Abthlg, S. 10 unter caJcpma.^^
Dano folgt IVte Abb., 3te Abth., Z. 6.
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAMH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 9
114. maksh ü'-javastama.
(2) Rv. VI. 45, 14.
Bemerk, zu 113. 114:
makshü mit kurzem u erscheint nur in dem Worte
makshüm-gamd (Ry. VIII. 22, 16], in welchem auch makshü mit
langem ü verkürzt worden wäre (s. Vollst. Gramm, der Sskrit-Spr. S. 137,
§. 374; Pänini VI. 3. 66), so dass diese Kürze nicht für ein Thema auf
kurzes u entscheidet; eben so wenig giebt das dem späteren Sskrit an-
gehörige gleichbedeutende mankshu das Recht im Veda makshü als Basis
anzusetzen. Dennoch ist ein zu Grunde liegendes nominales Thema auf
ü kaum wahrscheinlich ; in primären Bildungen auf ü , deren Zahl ge-
ring ist, sind, wie schon (Vo.-Sskr.-Gr. S. 158) bemerkt ist, gross tentheils
ursprüngliche Feminina von Themen auf ü zu erkennen. Auch spricht
die in der IVten Abhdl., 3te Abth., S. 5 angedeutete Etymologie dafür,
dass ein reduplicationsloses Desiderätiv zu Grunde liegt« von welchem
bekanntlich die Nomina des den Verbalbegriff vollziehenden durch u ge-
bildet werden. Wir haben demnach auch für makshü' als Basis der Ab-
leitung m^kshu zu Grunde zu legen; daraus können wir m^ikshü!, wo es
in der 2ten und in der 4ten Silbe erscheint, durch Einfluss des Metrums
erklären; allein wo es in der 5ten Silbe (in 8, 11 und 12 silbigen Stollen)
erscheint, ist dies kaum erlaubt; ich wage desshalb für diese Fälle mit
Entschiedenheit makshü als eine Zusammenziehung von makshü-A, vedi-
schem Instrumental Sing, von makshü. zu betrachten (vgl. IVte Abhdlg,
2te Abth., S. 15), welches, wie so viele Instrumentale, zu Adverb ge-
worden ist. Eben so ist makshü alsdann natürlich auch in den Fällen
zu betrachten , in denen es andern Falls als metrisch entstanden anzu-
sehen sein würde, d. h. wo es sich in der zweiten und vierten Silbe
eines Stollens zeigt. Stimmt man mir hierin bei, dann dürfen wir auch
in m^ikshum-gamd das ü für ursprünglich halten; das ü in mankshu
dagegen werden wir als eine in den Adverbien so häufige Verkürzung
des Auslauts betrachten. In den in der VIten Abhdlg aufzuführenden
Ableitungen von makshü, nämlich makshü'bhis, makshittama und makshüjfü^
Histor.'philolog. Glosse. XXVI. 4. B
10 THEODOR BENFEY,
in denen das ü nur in der 2ten Silbe vorkömmt, schreibe ich dagegen
die Länge dem Einfluss des Metrums zu.
115. matt-Tfd (VPr. III. 96).
(6 in 8) VS. XXII. 12.
Metrisch.
116. mann ä-Tfdh (im Ath.-Pada weder getrennt noch mit ver-
kürztem Vocal, doch wird Dehnung angenommen, vgl. Ath-
Pr. III. 3; IV. 68 und dazu Whitney; ö. auch Pdn. VI.
3, 116).
(2) Ath. XL 10, 26.
Metrisch.
117—118. mfthü- (RPr. 545) 8. Bemerkung zu 117—118.
117. mlth Ü-kritam (dass das Thema mithükrit, nicht, wie Sdyana
und St. Petersbger Wtbch annehmen, mithükrita sei, ist
schon von Grassmann bemerkt; die Bed. ist 'wetteifernd').
(6 in 8) Rv. X. 102, 1.
1 1 8. mlth ü-drfQä.
(6 in 8) Rv. L 29, 3 (= Ath. XX. 74, 3).
(10 in 12) Rv. n. 31, 5.
Bemerkung zu 117 — 118.
mithü erscheint in den Veden nur mit langem ü (vgl. noch VPr. IIL
128; TPr. IIL 14); jedoch findet es sich unzusammengesetzt nur an
Stellen, in denen ein auslautendes a, i^ u nach der allgemeinen Regel
gedehnt wird, nämlich
(8 in 11) Rv. VL 18, 8.
(10 in 11) Rv. I. 162, 20' (= VS. XXV. 43 = TS. IV, 6. 9. 4).
Kurzes Uy nämlich mithü, erscheint in TBr. und Kfith. (s. St. Pe-
tersb. Wörterb. s. v. mithu V. 776); ausserdem beweist der vedische ad-
verbiale Instrumental mithüyä! (Rv. VIL 104, 13) unzweifelhaft, dass das
Thema auf u auslautete. Da sich nun auch die Länge in den Zusam-
mensetzungen (6 in 8 und 10 in 12) nur in Stellen fand, in denen sie
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJlffl.- U. PADA-TEXTEN D. V. 11
durch metrischen Einfluss entstanden sein kann, so könnte man geneigt
sein , dem Pada und den Prdtifäkhya's beipflichtend , mithü als eine nur
durch das Metrum herbeigefQhrte Umwandlung von tnühü zu betrachten;
es würde dessen Acc. sing. ntr. in adverbialer Bedeutung sein. Aber
eben so gut kann die Länge grammatisch sein, nämlich aus dem alten
Instrum. sing, mithud (wie S. 9 in makshü') durch Zusammenziehung von ud
zu ü entsanden; dieses wird durch mithuyd' wahrscheinlich; dann wäre
in dem späteren mCthü das u Verkürzung, wie oft insbesondre in inde-
clinabel gewordenen Casus (im Instr. der Themen auf a auch in der
grOssten Categorie der Nomina, vgl. Abhdlg IV, Abthlg 1, S. 28 ff.).
119. yajftä-s&h (RPr. 540).
(2) yajnd-sä'ham Rv. X. 20,7 (über d in -sdham vgl. VIte Abhdlg).
Metrisch.
120. yavl-yüdll (RPr. 553). Von unserm Standpunkt aus würde,
wenn das lange f wirklich als Dehnung einer grammatischen
Kürze zu betrachten wäre, dieses Thema in die VIte Ab-
handlung zu verweisen sein. Denn es ist keinem Zweifel zu
unterwerfen, dass es keine Zusammensetzung ist, sondern
ein suffixloses Nomen, beruhend auf dem Frequentativ von
yudh, gebildet nach Analogie der vedischen Frequentative
tavitu von tu (Rv. IV. 40, 4), navinu von nu (Rv. VI. 3, 7;
VII. 87, 2). Demgemäss ist das { nicht als Dehnung zu be-
traehten, sondern nach den angeführten Analogien, zu denen
dann in Bezug auf dieses i auch noch andre treten, wie z. B.
von yam Frequentativ ganigam, yon phan: pani-phan^), deren i
1) Beiläufig erwähne ich die aus 'Verz. d. Oxforder Handschriften 160, b, 5'
im St. Petersb. Wtbch mitgetheilte Stelle mit den drei analogen Frequentativen
von Jor, hhar, har
yo 'khilani jagat |
carikarti baribharti saip jariharti lilayälj.
Ich übersetze sie: welcher spielend die ganze Welt wiederholt schafiFt, erhält und
zerstört.
B2
12 THEODOR BENFEY,
auch weder von den PrdticAkhya- noch den Pada- Verfassern
verkürzt, also als grammatisch betrachtet wird, yaviyüdh ist
demgemäss ein sufiixloses Nomen agentis mit Intensivbe-
deutung und heisst ein gewaltiger Kämpfer.
Pada, Prdti^dkhya und Säyana fassen das Thema aber als eine Zu-
sammensetzung; Sdyana speciell, wie wir aus dessen Commentar zu Rv.
X. 61, 9 ersehen, als eine von einem, bis jetzt nicht belegten Thema yam^
welches er von yu 'mischen, mengen, verwirren' in der Bed. stören (vgl.
im St. Petersb. Wtbch 2yw m\lä, udnä, pra, sam) ableitet vlxxA yudh\ er glos-
sirt es demgemäss durch yajnami^ayitrindm rakshahprabhriHnäm yoddhä *Be-
kämpfer der das Opfer störenden Rakshas und andrer Dämonen*. Zu Rv.
VIII. 4 , 6 fehlt in den Handschriften A. Ca. und B. 1 und demge-
mäss in M. MüUer's Text die Erklärung von yaviyüdhd; in der Varietas
lectionis (T. IV, p. 21) wird jedoch eine aus B. 4 mitgetheilt, nämlich
vajrdyudhena yuddhamdnena^ wo also das erste Wort ebenfalls durch yat;t,
das zweite durch yudh und das Compositum durch *mit dem Donnerkeil
kämpfend' erläutert wird; hier scheint yavi von 3 yu *fern halten, ab-
wehren' abgeleitet zu sein; das ganze Compositum wird dann im Text
mit hala *Heer' identificirt.
Diese indische AuiFassung ist ein weiteres und eines der schlagend-
sten Zeugnisse für die geringe Kenntniss der vedischen Sprache, welche
die Inder zur Zeit der Pada- und Pr4ti9dkhya-Abfassung besassen und
zugleich welch geringen Einfluss die weitere Zunahme derselben bis zu
Sdyana's Zeit auf die Interpretation auszuüben vermochte.
Die Stellen, in denen das Wort vorkömmt, haben das i in der
lOteu Silbe eines elfsilbigen Stollens Rv. X. 61, 9 und eines zwölf-
silbigen Rv. VIII. 4, 6. Die Länge könnte also Folge des Metrums
sein. Dasselbe ist auch in der Mehrzahl der übrigen im Rv. erschei-
nenden Intensiva mit i möglich, nämlich (10 in 12) in samtdvitvat Rv.
IV. 40, 4 wo aber samtdvitiuxt zu lesen (= VS. IX, 14 wo aber VL.
= TS. I. 7. 8. 3 wo, wie im Rv.), (10 in \\) in navinot Rv. VL 3, 7
und VII. 87, 2; (10 in 11] in avarivuh Rv. X. 51, 6 (dass es für ava-
rivaruh steht, ist wohl nicht zu bezweifeln; Säyana nimmt an, dass ve-
D. QUANTITÄT8VERSCHIEDENH. IN D. SAJtfH.- U. PADA-TEXTEN D. V. 13
disch die Endung us eingebüsst sei; eher ist diese erhalten und ar ein-
gebüsst, um den Stollen in Analogie mit den übrigen drei elfsilbig zu
gestalten; die Einbusse wurde durch die Lautähnlichkeit des vorherge-
henden vari nahe gelegt. Da übrigens zwölfsilbige Stollen und elfsilbige
Stollen oft in einem und demselben Verse gemischt sind, könnte die
Einbusse vielleicht noch eher einem der Recitirer, auf welchem der Text
unsrer Stelle in letzter Instanz beruht, zuzuschreiben und anzunehmen
sein, dass der Dichter die volle Form gebraucht habe); ferner 10 in 12
in vdrivrijat (Rv. VI. 58, 2); dann noch (ebenfalls 10 in 12), in pänipha-
nat Rv. IV. 40, 4 (= VS. IX. 14 = TS. L 7. 8. 3) und Ath. III. 10, 6
in sarisripdm\ endlich in 6 in 8 in sarisripdm Rv. X. 162, 3 = Ath. XX.
96, 13; ebenso Ath. XIX 48, 3.
In allen diesen Stellen war t\ wenn es ursprünglich kurz war, noth-
wendig zu dehnen, da die lOte Silbe in elf- und zwölfsilbigen Stollen,
so wie die 6te in achtsilbigen wohl nie kurz sein durfte (darüber wird
eingehend in den 'Beiträge zur vedischen Metrik' gehandelt werden).
Dagegen erscheinen zunächst drei Stellen, in denen die Länge sich
in der 2ten Silbe zeigt, nämlich varivrijat (Rv. VII. 24, 4), vdnivdnah
(Rv. X. 47, 7), sarisripä'ni (Ath. XIX. 7, 1); so wie eine, wo in 4 in
11, nämlich avanivah in Rv. X. 129, 1; da die 2te und 4te Silbe auch
häufig kurz erscheinen , könnte man hier zweifeln , ob die Länge dem
Einfluss des Metrums zuzuschreiben sei; allein wir haben in diesen Ab-
handlungen schon so viele Fälle gesehen, in denen ursprünglich kurze
Vocale an diesen Stellen gedehnt wurden (vgl. auch Ite Abhdlg, S. 231
d und e), dass wir wohl berechtigt sind, auch hier den Einfluss des Me-
trums anzunehmen.
Ferner findet sich eine Stelle, wo die Länge in 7 in 11 erscheint,
ganiganti Rv. VI. 75. 3 (= VS. XXIX. 40 = TS. IV. 6. 16. 1), so
dass als zweiter Fuss | — t; — — | entsteht; die Dehnung ist zwar weit
entfernt an dieser Stelle vom Metrum gefordert zu werden, da | — vi — !
viel häufiger ist; allein jener Fuss scheint unter besonderen Umständen
— wo ein gewisses Pathos beabsichtigt ward, wie mir scheint — jsehr
41 THEODOR BENPEY,
beliebt gewesen zu sein und ich erblicke deshalb auch hier die Mög-
lichkeit, dass die Länge durch das Metrum herbeigeführt sei. .
Stimmt man hierin bei, dann bleibt im Rv. nur eine Stelle, in
welcher die Länge nicht als metrisch entstanden aufgewiesen werden
kann, nämlich Rv. L 164, 31 = X. 177, 3 = VS. XXXVIL 17 =
Ath. IX. 10, 11, wo vartvartti (so mit tt, wie VS. richtig hat, ist im
Rv. und Ath. statt varivarti zu schreiben) mit i in der 3ten Silbe eines
elfsilbigen Stollens (es ist bhüvaneshu antäh zu lesen) erscheint. Dass
das Metrum eine Dehnung in der 3ten Silbe habe veranlassen können,
scheint mir bis jetzt weder bewiesen noch auch nur wahrscheinlich ge-
macht werden zu können. Ich glaube aber kaum, dass diesem einen
Fall — welcher schwerlich durch den sogleich zu erwähnenden zweiten
aus der VS. Unterstützung erhält — den verhältnissmässig zahlreichen
gegenüber, deien Länge sich aus dem Metrum erklärt, ein Gewicht bei-
zulegen ist, zumal wenn man bedenkt, dass aus Fduinfs Lehre über die
Intensiv - Reduplication (VII. 4. 82 — 87; 90 — 92) geschlossen werden
darf, dass in den Schriften, auf welchen seine Regeln für classisches
Sanskrit beruhn — und dies sind natürlich nicht die Veden-Samhita's —
langes i herrschte (z. B. schreibt er von skand a. a. O. 84 caniskadya
caniskand vor, wie der Seh. mit Recht annimmt, während Rv. VII. 103, 4
kdmshkan mit kurzem i hat); gewiss konnte dieses spätere Vorherrschen
der Länge irgend einen der Recitirer, auf welchem in letzter Instanz
die Fassung dieser Stelle beruht, dahin beeinflussen, dass er auch hier
vartvartti statt vartvartti ^) sprach.
Ausser dieser Stelle giebt es, wie schon angedeutet, nur noch eine
zweite, in welcher das 1 sich nicht mit Entschiedenheit oder hoher Wahr-
scheinlichkeit aus dem Einfluss des Metrums erklären lässt; aber wenn
überhaupt die vedischen Stellen , welche sich nicht im Rv. finden , für
die Erkenntniss der vedischen Sprache nur mit Zurückhaltung benutzt
werden dürfen, so ist dies speciell bei dieser dadurch noch mehr ge-
1) Die Schol. zu Pan. YII. 4. 90 führen beide Formen als Beispiel auf, was
ich nnr beiläufig bemerken will.
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 15
boten, dass einmal der Vers, in welchem das für uns wichtige Wort er-
scheint, entschieden an Verderbniss leidet und zweitens die Taittirlya-
Samhitd, in welcher dieser Vers ebenfalls vorkömmt, statt dieses Wortes
eine Variante hat.
Der Vers lautet in der VS. XXIII. 7
ydd vä'to apö agan^an priyä'm Tndrasya tanväm |
ei&& stotar an^na pathft' pünar ä9vam d' vartaydsi nah ||.
Die TS., wo er sich VII. 4. 20. 1 findet, hat dgamad statt des gegen
die Regel — da es von ydd abhängig ist — accentlosen aganigan , dann
mit anderer Ordnung und Schreibart Tndrasya tanüvam priydm und etina
statt anina. Das Metrum wird im Commentar zu der VS. als Brihati
bezeichpet, d. h. 8-f-8+l2 + 8; das soll es auch unzweifelhaft sein,
trotz dem, dass in beiden Texten der 3te Stollen nur 1 1 Silben hat und
in der VS. der erste 9 statt 8. Was den 3ten betrifft, so ist der Schluss:
pathä pünar der regelmässige der zwölfsilbigen \ v — v -^ j , so dass der
Mangel in den beiden ersten Füssen liegt, wohl am ehesten in dem
zweiten; denn wenn der erste Fuss mangelhaft sein sollte, nur drei-
silbig: I eid^ sto \ , dann würde das auslautende a in anina (oder eUna)
die 8te Silbe repräsentiren und hätte als die achte eines zwölfsilbigen
Stollens nach der allgemeinen Regel gedehnt werden müssen. Den ersten
Stollen können wir mit Leichtigkeit auf die richtige Zahl reduciren,
wenn wir das anlautende a von aganigan durch das vorhergehende 6 ab-
sorbiren lassen; dadurch ist dann auch der Accentfehler weggeräumt, indem
der Accent dieses a in Folge davon mit dem von 6 in apö zusammen-
fällt; freilich widerspricht diese Streichung des« dem VPr., indem diese
Stelle nicht unter denen angeführt wird, in denen a hinter o einge-
büsst sei. Das ist aber kein Grund uns abzuhalten; denn die Veden
haben Fehler genug, welche älter als die Pr&ti9dkhya's sind. Dass im
2ten Stollen tanüam, oder mit der TS. tanüvam zu lesen sei, wodurch die
richtige Silbenzahl herauskommt, versteht sich von selbst.
Der gewöhnliche Schluss eines achtsilbigen Stollens ist bekanntlich
eine Dipodia iambica | t; — v -^ |. Diesen bietet weder die Leseart der
VS. noch die der TS. im ersten Stollen. Doch ist der gewöhnliche Schluss
16 THEODOR BENFEY,
überaus häufig durch andere ersetzt und es kömmt sowohl der der TS.
I — vvv I vor (vgl. z. B. bei Max Müller, Rig-Veda-Sanhita, translated etc^
Preface p. CXXI — II), als der der VS. (vorausgesetzt, dass man ganigan
liest) \ — v~v \ (vgl. z. B. ebds. CXVI— VIII). Auch der 2te Stollen
hat in der VS. nicht den gewöhnlichen Schluss, sondern | vvvv |» statt dessen
aber die TS., jenen bietet \ v — v — |. Welche der beiden Lesearten 'gor-
nigan (denn aganigan^ glaube ich, därfen wir unberücksichtigt lassen),
oder dgamat die ursprüngliche des Dichters sei, ist mit Sicherheit schwer-
lich zu entscheiden. Wäre sie *ganigan^ dann hätten wir f in einer
Silbe, der siebenten eines achtsilbigen Stollens, in welcher zwar die
Länge mehrfach erscheint» aber fast nie (fast habe ich wegen des in
der Abhdlg 'Ueber einige Wörter mit dem Binde vocal i u. s. w. S. 25 ff.
besprochenen durdharitum^ Rv. X. 20, 2 hinzugefügt) von dem Metrum
hervorgerufen ist. Allein in diesem Fall würde ich — gestützt auf Unter-
suchungen und dadurch empfangene Eindrücke in Bezug auf den Cha-
racter und das Alterverhältniss des Yajurveda zum Rv., welche bestimmt
sind in der Einleitung zu der Grammatik der vedischen Sprache ver-
öffentlicht zu werden — unbedenklich wagen zu vermuthen, dass das
Wort 'ganigan vom Dichter durch Einfluss des im Rigveda überlieferten
gantganti gewählt sei und dass er in einer Zeit lebte, in welcher sich
für die Intensiva mit eingeschobnem i schon, wie in Pdnini's Zeit, die
Länge desselben zu überwiegender Geltung erhoben hatte. Freilich
kann ich nicht leugnen, dass, obgleich 'ganigan dem dgamat der TS. ge-
genüber den Eindruck einer doctior lectio macht, ich dennoch eher noch
vermuthen möchte, dass dgamat vom Dichter herrührte und dass irgend
ein Recitirer, oder die, welche den Text der VS. im Gegensatz zu dem
der TS. fixirten — in einer Zeit, wo — wie Paniui's Regeln über die
Intensivbildung durch die beträchtliche Zahl von Intensiven, die noch
in keiner Schrift belegt sind , zeigen — der Gebrauch von Intensiven
sehr beliebt war, die nach ganiganti des Rv. gebildete Form ganigan an
die Stelle von dgamat gesetzt haben.
Doch mag man darüber auch anders entscheiden, ich glaube den-
noch mit Bestimmtheit behaupten zu dürfen, dass dieser zweite Fall
D. OÜANTITÄTSVERSCeiEDENH. IN D. SAJlfH.- U. PADA-TEXTEN D. V. 17
den 16 gegenüber, in denen sich die Länge durch das Metrum erklärt»
noch viel weniger Bedeutung hat, als der erste.
Ich wage demnach unbedenklich anzunehmen, dass die Intensiva
mit eingeschobenem i zur Vedenzeit aus solchen mit t durch Einfluss
des Metrums entstanden sind und dafür spricht auch der Umstand, dass
wir im Rv. — wahrscheinlich auch in den andern Veden, Ober welche
ich nur nicht mit derselben Sicherheit sprechen kann, weil ich in deren
Betreff meine Sammlungen nicht so leicht zu verificiren vermag, wie
die für den Rv. — nicht ein einziges Intensiv mit f vor Position
antreffen, wie deren Pdn. so viele vorschreibt — so z. B. im Rv. ffani-
^am in ganiganti^ aber gänigm-at-am — ; denn dass tdvitvat (Rv. IV. 40,
4) vom Dichter tavituat gesprochen ward, ist schon oben bemerkt.
Ist dem Vorhergehenden gemäss das lange J nur durch metrischen
Einfluss aus kurzem t entstanden — und ich glaube, dass man diess
trotz der zwei Stellen, in denen diese Erklärung nicht zutrifft, kaum
bezweifeln wird — dann fallt die von mir in *Kurze Sanskrit-Grammatik'
§. 90, S. 41 (1855) aufgestellte Entwicklung der Intensiv -Bildung zu
Boden. Die irrige Auffassung findet ihre Entschuldigung — ja ihre da-
malige Berechtigung — darin, dass, bei der damals noch geringen Kennt-
nisQ der Veden-Grammatik und des Verhältnisses derselben zu der des
classischen Sanskrits , ich speciell in diesem Fall fast ganz auf Pdnini's
Grammatik bauen musste, in welcher i an dieser Stelle fast allein er-
laubt war, % — und zwar neben i — nur in der ersten Form (d. h.
der ohne Suffix ya) und zwar einzig bei Verben , welche ri als letzten
oder vorletzten Buchstaben in den indischen Wurzel Verzeichnissen haben
(Pdn. VII. 4, 91— 92).
Es würde nun zwar nothwendig sein, die richtige Auffassung an
die Stelle jener unrichtigen zu setzen , allein diese ausführlich zu er-
weisen, würde einen viel grösseren Raum in Anspruch nehmen, als ich
mir hier verstatten mag, und eine viel längere Zeit, als ich jetzt wich-
tigeren Aufgaben entziehen darf. Ich beschränke mich daher fürs erste
darauf die vorzunehmenden Correcturen mit wenigen Worten anzugeben.
Auch dieses würde ich mir nicht erlauben, wenn ich bei meinem Alter
Histor.'phüolog. Glosse. XXVL 4. (^
18 THEODOR BENFEY,
hoffen dürfte, dass es mir noch vergönnt sein möchte, die Abhandlungen
abzufassen, welche bestimmt sind einerseits die Brücke vom Indoger-
manischen über das Arische hin zum vedischen Sanskrit und andrerseits
von diesem zum classischen zu schlagen; denn hier erst kann die Ent-
wicklung der Intensiv- oder vielmehr Frequentativ-Bildungen volles Ver-
ständniss finden.
Mit Unrecht habe ich die durch Verdoppelung gebildeten Nomina,
wie cardcarä, in der kurzen Sskr. -Gr. mit den Frequentativen zu eng
verbunden; diese treten in enge Beziehung zu den durch Verdoppelung
und Affix i gebildeten Adverbien (Vo.-Gr. d. Sskritspr. §. 682, III, S: 280;
Pdn. IL 2, 27; V. 4, 127). Ferner ist die Frequentativ-Bildung von
mit a anlautenden Verben (so ist auch ri statt ar aufzufassen), wie ofdf,
zu welcher ich Sn-mn mit Recht stellte (vgl. Leo Meyer, Vgl. Gramm,
der Griech. u. Lat. Spr. L 429), als eine besondre von der der conso-
nautisch anlautenden zu trennen. In der letzteren hat die indc^er-
manische Grundlage kein der Reduplicationssilbe folgendes t gehabt
(griech. dt'-ndXXio von ätdXXio ist sicher nur eine phonetische Umwand-
lung von &t~(naXX(o), wie schon dadurch wahrscheinlich wird, dass sich
in keiner der verwandten Sprachen ein Reflex dieses t oder ( findet (in
zend. carekavy gegenüber von sskr. karikar und carikär, ist zend. e schwer-
lich Reflex von sskr. i, sondern das gerade hinter r oft eingeschobene
— vgl. z. B. karena = sskr. kdrna — so dass ihm sskr. carkar ent-
spricht). Den vollen Beweis dafür liefern aber Formen , wie z. B. yo-
nigam (in gärngmat-am) ganigam (in ganiganti). Denn wenn das t ( ur-
sprünglich wäre, so stand nichts entgegen gamlgam, gamigam zu bilden;
sie sind vielmehr augenscheinlich aus gangam oder mit nasalirtem a
gägam {sip&ier jangam) hervorgegangen, d. h. zu einer Zeit, wo das y
der Reduplication noch nicht zu j geworden war (vgl. gdngd) ; dem durch
folgende Consonanten bestimmten Nasalen stand aber der dentale Nasal
am nächsten, vgl. khan aus khanj (Vo.-Sskr.-Gr. §. 79, Bem. 3, S. 48).
Dass nur % ursprünglich zwischen Reduplication und Stamm trat und
nur in Folge des Metrums gedehnt ward, hoffe ich im Obigen höchst
wahrscheinlich gemacht zu haben. Einige Einzelheiten, welche einer
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJJfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 19
Erläaterung bedürfen, muss ich für die eingehende Behandlung auf-
bewahren.
121. rathä-säh (BPr. 540).
(6 in 8) Rv. VIII, 26. 20.
Metrisch.
122. yaynnä-yfd (RPr. 554; VPr. III. 96; TPr. III. 2).
(8 in 12) Rv. V. 81, 1 = VS. V. 14 = TS. I. 2. 13. 1 =
IV. 1. 1. 1.
Metrisch.
123. Tasü-jü' (RPr. 560).
(6 in 8) Rv. VIII. 99 (88). 8.
Metrisch.
124. vl-barbi (Whitney zu AthPr. III. 12).
(5 in 8) Ath. II. 33, 7.
Nicht metrisch.
125. Tibh ü-dä'yan (TPr. III. 7).
(Prosa) TS. III, 5. 8. 1 ; 9. 2.
126. YibhYä-S&b (RPr. 540).
(6 in 8) Rv. IX. 98, 1 (= Sv. I. 6. 2. 1. 5, wo VL. wJÄd-
sdham, auch im Pada; vgl. auch £d. Calcutt, IL 160—162).
(4 in 8) Rv. V. 10, 7.
Metrisch; von vtbhvä oder dem gleichbedeutenden vüfhvan,
127. [Tlr &Shä'f s. Vte Abhdlg. Ite Abthlg. S. 14, Bern, zu No. 46
abhtsb&h].
128—134. Vi^vä- in
128. Ti^yä'-nara (im RvPada ohne Trennung und ohne Verkür-
zung des d' ; eben so im Sv. — trotzdem SvPr. 218 die Deh-
»ung des a lehrt; vgl. P&n. VI. 3 , 129; in dem VSPada
wird verkürzt, aber nicht getrennt, s. VPr. III. 101; V. 37).
(in 2) Rv. I. 186, 1 (= VS. XXXIII. 34). — VII. 76. 1. —
VIII. 68 (57), 4 = Sv. I. 4. 2. 3. 6.
C2
20 THEODOR BENFEY,
(4 in 12) Rv. X. 50, 1 (= VS. XXXIII. 23).
Die Dehnung ist demnach ursprünglich wohl nur metrisch, aber
durch die ausnahmslose Erscheinung derselben in den Veden für die
spätere Zeit durchgehends fest geworden. Dafür spricht auch das davon
abgeleitete vaigvdnard, welches im Rv. 63 mal vorkömmt, und zwar 61
mal in der 2ten und 2 mal (nämlich Rv. VIII. 30. 4; IX. 61 , 16) in
der 4ten Silbe, also beidesmal an Yersstellen, in denen überaus häufig
ursprünglich kurze Silben gedehnt werden. Vergleiche jedoch vifvd'fnitra,
129. Yl^^Tä-pÜSh (RPr. 560; VPr. IIL 100).
Das Wort erscheint nur zweimal, beidemal in 8 in 12 und zwar
das eine mal (Rv. I. 162, 22 = VS. XXV. 45) mit langem 4, das
andere mal (Rv. VIII. 26, 7) mit kurzem ä. Wir können daraus mit
Entschiedenheit schliessen, dass die Länge nur metrisch ist. Denn
da die Länge in 8 in 1 2 beliebt ist, würde sie sicher auch in der letzteren
Stelle erscheinen , wenn sie grammatisch wäre ; sie ist nicht eingetreten,
weil sie nur am Ende eines Wortes regelmässig durch Dehnung herbei-
geführt wird, in Mitten eines solchen aber nur sporadisch.
130. Vi<JVä-bhÜ' (RPr. 560; VPr. IIL 100).
(10 in 12) Rv. X. 50, 1 = VS. XXXIIL 23.
&n. Asy. Wenn aus vifvä und bhü zusammengesetzt, wie die Pada's,
Prdti^dkhya's und indischen Commentatoren wohl mit Recht annehmen,
dann ist die Länge metrisch entstanden. Sie wäre grammatisch, wenn
Ghrassmann s Annahme richtig wäre, dass es aus vifva-dbhü' zusammenge-
zogen sei; diese wird aber durch den Accent unwahrscheinlich, welcher
in diesem Fall wohl auf der vorletzten Silbe des Themas stehen würde.
13L Vl^JV ä'-mltra (in dem TSPada getrennt und ä verkürzt, s.
TPr. III. 5; in dem der VS. d verkürzt, aber die Composi-
tion nicht getrennt, s. VPr. III. 101; V. 37; in denen des
Rv. und Ath. weder Verkürzung noch Trennung, vgl. Pdn.
VL 3, 130 und SvPr. 219).
(2) Rv. in. 1, 21; 53, 7; 9; 12; 13. — X. 89. 17. — Ath.
IV. 29, 5. — XVIIL 3, 15; 16.
D. QÜANTlTATSVERSCfflEDENH. IN D. SAJUTH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 21
(4 in 12) Rv- X. 167, 4 (vgl. TS. III. 1. 7. 3. — V. 4. 11. 3,
wo Vip)am%tra- Jamadagnt im Pada getrennt sind und das d
natürlich nicht verkürzt ist; an beiden Stellen in Prosa).
(6 in 11) Rv. III. 18, 4 (vgl. Bern,).
(Prosa) VS. XIII. 57. — TS. IV. 3. 2. 2.— V. 2. 3—4; 4; 10.
5; 4. 2. 2.
Bern. Kurz erscheint vifvamitra (in 6 in 11) Ath. XVIIL 3, 63.
Dass auch hier die Vifvdmitriden' gemeint sind (nicht etwa
die Kürze, nach Seh. zu P&n. VI. 3, 130, Abkömmlinge von
irgend einem andern als dem Rishi bezeichne) , zeigt das
ganze Gedicht (des). Da weder das St. Petersb. Wtbch noch
Whitney im AthPr. diese Form mit kurzem a statt des
langen erwähnen, so möchte ich glauben, dass es ein
Druck- oder anderer Fehler ist.
Uebersehen wir die Stellen, so giebt es im Rv. nur eine, in welcher
sich die Länge nicht als metrisch entstanden betrachten lässt; ausserdem
mehrere in Prosa. Ich bin demnach geneigt, wie bei vifvä'nara, auch
hier anzunehmen, dass sie ursprünglich wohl nur metrisch war, aber
durch das verhältnissmässig häufige Vorkommen im Rv. fest geworden
ist. Doch will ich nicht in Abrede stellen, dass es nicht unmöglich ist,
dass sie eintrat, um den Namen des grossen Rishi von andern — auch
wohl etwaigem appellativen Gebrauch des Wortes — zu unterscheiden.
Sehen wir doch z. B. im Grriechischen nicht selten aus demselben
Grund Accentwechsel eintreten, z. B. ^ap&og, Adjectiv, aber Sdr&og,
Nomen proprium.
132. vl<JVi-r*'J (TPr. V. 3, im Pada getrennt und ä von vifvä-
verkürzt, vgl. Pdn. VI. 3, 128; SvPr. 218).
(2?) TS. I. 3. 2. 1; scheint in der zweiten Silbe eines acht-
silbigen Stollens zu stehen (in der VS. V, 24 fehlt dieser
Satz); in diesem Fall wäre die Länge metrisch.
133. Ti<;Y&-säh (RPr. 540; VPr. IIL 100; TPr. IIL 5).
(2) Rv. IIL 47, 5 (= VS. VIL 36 = TS. I. 4. 17). — VUL
92 (81), 1 (= Sv. L 2. 2. 2. 6).
22 THEODOR BENFEY,
(4 in S) Rv. VI. 44, 4 (== Sv. I. 4. 2. 2. 6).
Metrisch.
Vi<jvä-8hä'# 8. Bemerk, zu No. 46 in der leten Abtheilung dieser
Vten Abhdlg, S. 14.
134. vl^väTlä (Im Rv.-Pada und im Sdmaveda-Pada erscheint
das Wort wie in der Samhitd, d. h. die vorsichtigen Verfasser
dieser Pada's nahmen entweder die SamhitÄ-Form für die
grammatische, oder waren — was mir wahrscheinlicher —
über die grammatische Auffassung zweifelhaft. Säyan^ bietet
drei, oder vielmehr nur zwei Erklärungen; ob diese schon
aus der Zeit der Pada-Verfertigung des Rv. stammen, ist
natürlich zweifelhaft. Am häufigsten fasst er das Wort als
eine Zusammensetzung von vifva und ähd, vedisch für dhäni,
*alle Tage' (vgl. die grammatische Erklärung zu Rv. I. 100,
19); so zuRv. I. 25, 12; 90, 2; 100, 19; 102, 11; 160, 3. —
III. 16, 2. — VII. 98, 1. — X. 18, 12; 53» 11. Diese
Erklärung stimmt mit der Accentuation (vgl. z. B. vtQvdjfu
aus tnpt;a-4yti) , passt an allen Stellen, ist von Grassmann
(Wtbch 1306) mit Recht als einzige hingestellt und allent-
halben genügend. An fünf Stellen des Rv. und der einzigen,
in welcher es im Sv. erscheint, glossirt er es durch sarvadä,
ohne eine grammatische Erklärung zu geben. Da dieses
wörtlich 'zu allen Zeiten' bedeutet, so föllt es wesentlich mit
der ersten Erklärung zusammen; allein die Häufigkeit (zu
Rv VI. 47, 19; 75, 8; 17 (= Sv. IL 9. 3. 6. 3, wo ebenso
glossirt ist). — X. 37, 2 (zweimal); 7) und noch mehr dieUeber-
einstimmung mit der Erklärung von vifvdha (zu Rv. VII. 21,
9) und vifvdhd (zu VI. 47, 15. — VIII. 43, 26; 44, 2. —
X. 78, 6; 88, 14; 91, 6) scheint mir auf eine andere gram-
matische Auffassung zu deuten, in welcher vigvcthd nicht in
vifva-ahd au%elöst ward, sondern das auslautende hd mit dem
auslautenden hd in vifvähd, oder noch eher, vi^cthd geradezu
mit %nfvdhd und vifvdhä identificirt ward (wie dies ja auch
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAMI.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 23
im St. Petersb. Wtbch VI. 1240 und 1236 geschieht, wo zu-
gleich eine Identität mit vigvädha und vigvädhä (VL 1229) ange-
deutet wird). DafQr spricht auch der Umstand, dass auch t»p-
vahä und vifvähd, wie eben vifvä'hä, durch vifveshv ahahsu glossirt
werden, jenes zu Rv. IL 12, 15. — VIII. 48, 14; dieses zu I.
111, 3; 160, 5. — II. 24, 15; 32, 3; 35, 14. — IV. 31.
12. — X. 100, 4; das letztre auch noch durch sarveshu kdleshu
•zu allen Zeiten*, was mit 'alle Tage' wesentlich identisch.
Ausser diesen wesentlich gleichen Glossen hat Säyana an einer
Stelle (zu Rv. IV. 42, 10) eine ganz abweichende, nämlich vifvasya hantar
•Tödter, Vernichter von allem'. Sie wird bei Sdyana ohne grammatische
Erläuterung gegeben. Wir werden dieser aber sogleich bei Mahidhara
zu der VS. XVII. 48 begegnen.
Die Vf. des VPr. sind nicht so zurückhaltend, als die des RPr. Aus
VPf. III. 101, verglichen mit V. 37 , ergiebt sich, dass die Trennung
in Compositionstheile zwar für den Fada-Text der Vdjasaneyi verboten
ist, die Verkürzung des et in vifvd dagegen vorgeschrieben wird, also im
Pada vifvähd zu schreiben war. Die grammatische Auffassung, welche
hier zu Grunde liegt, ist die, welcher wir eben in SÄyana's Glosse zu Rv.
IV. 42, 10 begegnet sind, welche uns jedoch nur einmal, in Mahi-
dhara's Commentar zur VS. XVII. 48, aber etwas modificirt und zugleich
mit der andern, durch ein 'oder' verbunden, entgegentritt; sie lautet
hier vi^Tähä Ti^^TäU sarvdn (so bei Weber) gaträn a samantdd hanti\
er zerlegte also vigvA'hä in mcva-dnhA, vielleicht des Accents wegen;
doch ist damit wenig gewonnen, da das Präfix d — wenigstens der Regel
nach — nicht bewirkt hätte, dass die bei der Auffassung dieses Wortes
als vifvä-hd mit der Bedeutung 'alles tödtend' nöthige Oxytonirung sich
in Paroxytonirung verwandeln konnte^); neben dieser Erklärung er-
scheint dann die andre durch sarvdny ahäni und sarvadä. An den übri-
gen Stellen VS. VII. 10 (= Rv. IV. 42, 10); VIII, 5; XVI. 49; XVIL
78 und XXIX. 45 wird das Wort durch vifvany ahäni und sarvadä glossirt.
1) In der Samhitä ist hier bei Weber viQv£ hä in zwei Wörtern gedruckt, was
natärUch zu ändern ist, da vifvd allein paraxytonirt sein würde.
24 THEODOR BENFEY,
In dem TPr. wird nun noch weiter gegangen; III. 5 wird gelehrt,
dass in vi^ä-, wenn es das erste Glied eines Compositum ist und im
Pada Trennung Statt findet (vgl. III. 1 und 7) , das ä verkürzt wird.
Whitney hat vifvä-hd zwar in seinem Commentar zu III. 5 nicht auf-
geführt; aber in der TS. IV. 6. 4. 5 findet sich im Pada (s. ed, Weber
T. I. S. 393) in der That vifva-hä', und zwar mit bei dieser Auffassung
richtiger Oxytonirung, im Gegensatz zu Rv. (VI. 75, 17), Sv. (II. 9. 3.
6. 3) und VS. (XVII. 48). wo der Accent auf Opvrf'- fällt. Allein die
TS. weicht in diesepi Verse auch in andrer Beziehung von Rv., Sv. und
VS. ab, welche wenigstens in der Paroxytonirung von vifvä'hd mit ein-
ander übereinstimmen. Sie hat nämlich als zweiten Halbvers
I'ndro nas tdtra vritrahd' vi9vdhd' 9ärma yacchatu ||
während Rv. und Sv. wesentlich identisch , statt dessen folgende drei
Stollen darbieten
tdtrd (Sv. täträ s. Illte Abhdlg, S. 16) no brdhmanas pdtir
A'ditih 9drma yacchatu
vi^vd'hd (drma yacchatu ||.
Bezüglich der drei Stollen — statt der zwei der TS. — stimmt
auch die VS. mit Rv. und Sv. ; allein hier lauten sie
tdtra (so NB. ohne Zusammenziehung von -a i- zu ^) Tndro Brihdsp^tir
A'ditih 9arma yacchatu
vi9vd'hd^) (drma yacchatu ||.
Die Hauptabweichung, oder wenigstens die für uns wichtigste, ist,
dass die TS. vor vifvdha als V. L. vritrahä' hat; denn dem Einfluss
dieses Wortes wird wohl am Ende die Erklärung von vifVifhä als 'AU-
tödter' und in der TS. auch die Versetzung des Accents zu verdanken
sein; der Commentar erklärt es hier wesentlich in Uebereinstimmung
mit der 3ten oder vielmehr 2ten im Rv. ducch paraMyasarvaprdmghdH
'Vernichter aller feindlichen Geschöpfe' (TS. ed. Calc. T. IV, p. 613, Z. 2).
Ausserdem, bemerke ich beiläufig, bietet die TS. denselben Laut-
complex, aber paroxytonirt IV, 6. 6. 3 (= VS, XXIX. 45 = Rv. VI.
1) 8. Note zu S. 23.
D.QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJfH.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 25
75, 8), WO der Pada-Text ihn richtig als eine Composition von m^a-aha
fasst und der Commentar ihn , wie im Rv. und der VS. vorwaltend,
durch 'alle Tage' erklärt (ed. Calc. T. IV, p. 640).
Endlich erscheint er auch ,proparoxytonirt und zugleich paroxytonirt
vifvd'hd, wo er natürlich aus zwei Wörtern vifvd und dhä besteht. Die
Stelle findet sich TS. IV. 6. 2. 6. Wenn sie alt ist, erhebt sie die
überwiegend vorherrschende Auffassung von vifvahd als Composition von
vifva und ahan im Plur. Acc. Ntr. dhä (= ähäni) über allen Zweifel.
Ich kann aber nicht leugnen » dass ich, obgleich es sich nicht streng be-
weisen lässt, überzeugt bin, dass nur das vifvä'hä des Kigveda überliefert
war und sowohl das vifvd'hd als vifvdhä' der TS. auf den zwei andern
versuchten Interpretationen beruhen. Wir haben dann hier zwei Fälle,
wo der Interpretation zu Gefallen der ursprüngliche Accent auf zweierlei
Weisen willkürlich geändert ist.
Bemerkung: Ich konnte nicht umhin, im Vorhergehenden vifva-
dhd^ vifvadhä^ vifvahä und vifvahä zu erwähnen und war genöthigt auch
den Auslaut dieser Wörter zu untersuchen ; diese Untersuchung bestätigt
zwar im Wesentlichen nur, was ich schon in meiner Vo.-Sskr.-Gr. (1852)
S. 237, CLI bemerkt habe, allein da es sich jetzt vollständig und mit
wenigen Worten erweisen lässt. möge es mir verstattet sein, diese Ge*
legenheit dazu zu benutzen.
viQvädhd, txifvädha und vifvdhä kommen — so viel ich bemerkt
habe — nur im Rv. vor; vifvähd im Rv. und ausserdem an drei Stellen
des Atharva, welche sich nicht im Rv. finden. Der Pada-Text hat an
allen Stellen dieselbe Form wie die Samhild; so würde ihre Betrachtung
eigentlich weder in diese Vte noch auch in die IVte Abhdlg gehören;
allein, da es keinem Zweifel zu unterwerfen ist, dass der Auslaut ur-
sprünglich entweder nur lang oder kurz sein konnte, so erlaube man
mir einen von den Fällen dieser Art, welche die Präti^dkhya's unberück-
sichtigt gelassen haben und von mir für eine Vllte Abhdlg aufgehoben
\faren — die aber wenigstens fürs erste nicht veröffentlicht wird —
festzustellen.
Histor.-philolog. Classe. XXV 1. 4. D
26 THEODOR BENFEY,
Da88 die Formen auf d (d. h. alte Instrum. Sing.) die ursprüng-
liche widerspiegeln, geht aus folgendem hervor.
vi^ädhd findet sich zwar nur einmal, nämlich Kv. I. 141, 6 an
einer Stelle, wo es nicht nothwendig metrisch hätte entstehen müssen,
nämlich in 7 in 12 (— r -2. — ); dafür äher das, davon nur durch den
bekannten Uebergang von dh in h verschiedene,
vifvähä in mehreren, und zwar für den grammatischen Character
des Auslauts entscheidenden, nämlich
1) am Ende eines Verses: Rv. IL 32, 3. — X. 91, 6. — Ath.
XU. 1, 17. — XIX. 50, 2.
2) am Ende eines Halbverses: Rv. VIII. 43, 26; 44, 22. —
X. 78. 6. — Ath. XII. 1, 27.
3) am Ende eines Stollens: Rv. I. 111, 3; 160, 5. — IL 24,
15. — X. 100, 4.
In diesen drei Fällen ist kein metrischer Einfluss denkbar, so dass
diese 12 Stellen dafür entscheiden, dass in der vedischen Zeit der Aus-
laut dieses Wortes, so wie der des mit ihm identischen vi^adhä noch
mit Länge gesprochen ward.
Aus den beiden Formen mit a, nämlich vifvädha und vifvmhä, möchte
man nun vielleicht geneigt sein zu schliessen, dass in der Vedenzeit
auch die Aussprache mit kurzem Auslaut sich geltend gemacht habe.
Ich zweifle aber sehr, ob dieser Schluss gerechtfertigt sein würde. Diese
beiden Formen erscheinen nämlich nur an Versstellen, in denen ein
auslautender Vocal gedehnt werden muss, aber vor Position nicht ge-
dehnt werden darf (vgl. Ute Abhdlg). An allen diesen Stellen folgt
ihnen nun Position und ich glaube daher, dass in der langen Zeit der
Corruption, oder selbst erst bei der Feststellung des Textes , an diesen
Stellen eben durch diese Position das a seine Länge eingebflsst habe
(vgl. weiterhin zu Rv. VII. 21, 9). Hält man diese Annahme für zu
kühn, so könnte man vermuthen, dass die Kürze zu einer Zeit einge-
treten sei, wo sich die Verkürzung in dem Suffix dhä und A4, wie in
ddha^ saha\ so auch in vifvädhd und vifvdhä angefangen hatte geltend zu
machen und wegen der folgenden Position das Metrum nicht störte.
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAME. U. PADA-TEXTEN D. V. 27
Nicht unmöglich ist auch , dass die Verkürzung durch den Eiitfluss der
Volkssprachen herbeigeführt ist, in denen eine natürliche Länge vor Po-
sition verkürzt ward (vgl. Lassen Inst, 1. Pracr. p. 138, E. Kuhn, Beitr.
z. Pdli-Gr. S. 17).
Die hieher gehörigen Fälle sind in Betreff von:
Yl^^Yädhä:
(8 in 11) Rv. L 63, 8 (vor ksh),
(10 in 11) Rv. L 174, 10 (vor sy), — IV. 16, 18^) (vor sy).
von yi^yähä:
(8 in 11) Rv. IL 12, 15 = Ath. XX. 34, 18 (vor>r). — Rv.
VIIL 48, 14 (vor pr).
Demgemäss (vgl. noch einen Grund am Ende dieses Absatzes) be-
trachten wir in vifvddhd die oben angeführte Länge in 7 in 1 2 als gram-
matisch; eben so auch wo sie in 8 in 12 erscheint, Rv. IX. 79, 2; auch
wo in 10 in 12, Rv. V. 8, 4. — Ebenso die in vifvdhd (in 7 in 11)
Rv. IL 35, 14. — VL 1, 3. — X. 88, 14, und (in 10 in 12) Ath.
LX. 2, 19.
Ferner werden wir Rv. IV. 31, 12, wo die Krasis der beiden ersten
Stollen aufzuheben ist eifvähä schreiben, wie auch der Pada-Text hat»
und können es nur billigen, dass der Pada*Text überhaupt, wo eiüe
Krasis aufzuheben ist, die Länge schreibt, so vifvädhd Rv. VII. 22, 7
(so wohl auch in Ath. XX. 73, 1, dessen Pada mir aber unbekannt)
und Rv. VIIL 5, 1 (= Sv. I. 3. 1. 3. 6 wo aber vifvdthä). — Ebenso
vifvähd Rv. VI. 47, 15. Auch in diesem Verfahren der Pada- Verfertiger
dürfen wir einen weiteren Grund für unsre Annahme erkennen, dass in
den Veden nur langes d als Auslaut anzuerkennen ist.
Endlich ist in Rv. VII. 21, 9, wo sich vifväha vor Position findet,
scheinbar in der 9ten Silbe eines elfsilbigen Stollens, statt
sdkhdyas ta Indra vi9v£hä syäma
zunächst
1) In M. Müller's Index S. 530 ist lY. 16, 18 unter vifvädhä zu streichen
und unter vifvddhä hinzuzufügen; femer ist lY. 19, 6 unter vifvddhä zu streichen.
D2
28 THEODOR BENFEY,
sdkhdyas tendra
zu lesen (vgl. IVte Abhdlg, 3te Abthl., S. 11). Dadurch wird die letzte
Silbe von vifväha die achte und zwar, dh siäma zu lesen ist, eines elf-
silbigen Stollens. Da also diese Position nur scheinbar ist, würde nach
der allgemeinen Regel das a, selbst wenn es ursprünglich kurz wäre, zu
dehnen sein, musste also auf jeden Fall hier seine Länge bewahren.
Dass es kurz erscheint, ist sicherlich wieder nur Folge der scheinbaren
Position und bestätigt die oben ausgesprochene Vermuthung, dass das a
auch, wo es sonst kurz erscheint, nur durch die Einwirkung der Po-
sition verkürzt ist. Dass der Dichter hier vi^dhä sprach, ist keinem
Zweifel unterworfen und in einem Versuch, dessen Fassung herzustellen,
werden wir unbedenklich
vi9väh& sidma
lesen.
135. Vishü-Vrit (RPr. 554; Whitney zu AthPr. III. 12).
(2) Rv. II. 40. 3. — X. 43, 3 = Ath. XX. 17, 3.
(10 in 12) Ath. X 2, 11.
Metrisch (vgl. mit kurzem u vishu-drüha^ vishu-rüpa).
136. TrIshä-yÜdh (RPr. 552); vgl. Bem. zu 137.
(2) Rv. I. 33, 6.
137. Yrishä-ravä (RPr. 559; SvPr. 216, ohne dass es sich im
Sv. findet).
(2) Rv. X. 146, 2.
Bem. zu 136. 137. Sonst im Veda stets vrishä" als vorderes Glied,
z. B. vrisha-kratu u. s. w. (im St. Petersb. Wtbch VI. 1337 ff.); nur
vrisha-kapi macht eine Ausnahme, welches aber auch im Pada mit d
geschrieben und nicht getrennt wird; wie aber in NoI 136. 137 die
Dehnung unzweifelhaft nur dem Metrum verdankt wird, so kann dies
auch in diesem Wort der Fall sein, denn auch dieses erscheint nur in
(6 in 8) Rv. X. 86, 1; 3; 4; 8; 18; 20; 22 (= Ath. XX.
126, 1; 3 u. 8. w. in denselben Versen),
D. QÜANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAME.- ü. PADA-TEXTEN D. V. 29
(in 2) Rv. X. 86, 2 (= Ath. XX. 126, 2).
(in 4) Rv. X. 86, 12 (= Ath. XX. 126, 12).
Eben so auch in vrishä-kapäyin
(in 2) Rv. X. 86, 13 (= Ath. XX. 126, 13).
SvPr. 216 führt noch, viishämodani und vrishädarhha an, welche sich
aber in keiner der Veden-Samhitd's finden; das erstere — aber in der
Form vrishämodirA — erscheint im Kdthaka, das zweite im Mahdbhärata.
■ •
138. YaibhÜ-Tasä (RPr. 554); Patronymikum von vibhitvasu (s.
No. 17), anomal gebildet; müsste, der Regel nach, -vasava
auslauten.
(2) Rv. X. 46, 3.
Metrisch.
139. <^trü-säb (RPr. 540).
(2) fatrüshd'hah Rv. VIII. 60 (49), 6. — fatrüshd't Ath. V. 20,
11 (vgl. Bern, zu No. 46 in der ersten Abthlg dieser Ab-
hdlg S. 14; über das -4- vgl. die VIte Abhdlg).
Metrisch.
140. <;iiftfh a-k&r«ta (VPr. III. 128)
(Prosa) VS. XXIV. 4.
141. <^Tä'-pada (im Rv.-Pada, wie in der Sawihitä, geschrieben;
ebenso im Ath.-Pada, obgleich AthPr. III. 1 0 das d als Deh-
nung von a auffasst, vgl. Whitney zu der Regel; die Deh-
nung erwähnt auch SvPr. 220, obgleich das Wort im Sv.
nicht vorkömmt, vgl. Kd9ikd zu Pän. VI. 3, 137).
fvä'pada erscheint in
(6 in 8) Ath. XI. 9, 10; es ist fuä'padam zu lesen.
(10 in 12) Rv. X. 16, 6 = Ath. XVIII. 3, 55; auch hier ist
fuä'padah zu lesen.
(2) Ath. XI. 10, 8 ebenfalls fuö!^ zu lesen.
In allen drei Fällen kann die Dehnung also durch metrischen Ein-
80 THEODOR BENFEY,
Aqss herbeigefahrt sein, und dass dies wirklich stattgefunden habe, wird
durch fvdpadäm (von fvapad ^) in Ath. VIII. 5 , 11 und XIX. 39 , 4
höchst wahrscheinlich ; denn ft?a- erscheint in beiden Versen in der vierten
Silbe eines achtsilbigen Stollens, in welcher die Länge nicht nöthig ist,
aber doch so häufig vorkömmt und durch Dehnung herbeigeführt wird,
dass man mit Sicherheit behaupten darf, dass, wenn in fvA- als vor-
derem Glied das d grammatisch, und nicht metrisch wäre, die Länge
sicherlich in dieser Versstelle erhalten wäre. Dass in beiden Stellen das
hier in Frage kommende a — das erste in gvdpad — der vierten Silbe des
Stollens angehört, ist keine Frage ; fraglich ist nur ob ähnlich wie in pt^-
paula zu lesen sei fuä^, oder vielmehr fva^ und vidghrdh statt vydgkrah.
Für die letztere Lesung spricht — fast entscheidend — dass vidghrd in allen
metrischen Stellen, in denen es — so viel mir bekannt — im Veda
vorkömmt, dreisilbig zu lesen ist, nämlich VS. XIX. 9. — Ath. IV. 3,
1; 3, 6. — VL 38, 1; HO, 3 (wo auch dhni a^ z. 1.); 140, 1* (der
zweite Stollen ist entweder verderbt oder in metrischer Beziehung sehr
unregelmässig). — XII. 2, 43. — XIX. 46, 5. (In XIL 1, 49 ist es
des Metrums wegen zu streichen).
142. <jvä-vfdh (VPr. IIL 96; TPr. IIL 2; in AthPr. UL 3 wird
zwar die Dehnung anerkannt, aber nach IV. 68 wird im
Pada nicht verkürzt und nicht getrennt, s. auch SvPr. 220»
Pdn. VL 3, 116).
(In 1) VS. XXIIL 56.
(3 in 8) Ath. V. 13. 9-
(Prosa) VS. XXIV. 33. — TS. V. 5. 20.
Bem. Die Länge ist wohl durch Einfluss von fvd'pada (No. 141)
fixirt.
143. sadanä-säde (RPr. 56i).
1) Denn dass gvä'pada eine Ableitung von gvdpad durch sekundäres a sei, ist
wegen des Accentes sehr unwahrscheinlich. Wäre sie es dennoch, dann wäre die
Länge grammatisch ; allein die indische Grammatik betrachtet sie als nnregelmässig
{nip&m), vgl. die angeführte Stelle der Eä^ikä mit Fan. VI. 3, 136.
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJtfH.- U.PADA-TEXTEN D.V. 31
(6 in 8) Rv. IX. 98, 10 = Sv. IL 5. 2. 18. 3.
Metrisch.
144. saiftdhan ä-Jf t (Whitney zu AthPr. IIL 12, p. 130).
(6 in 8) Ath. XVII. 1, 1.
(10 in 11) Ath. V. 20, 3.
(10 in 12) Ath. XIIL 1. 37.
Metrisch.
145. sahasr ä-p08h& (Whitney zu AthPr. III. 12, p. 130).
(3 in 11) Ath. VII. 48, 2 (aber Rv., wo der Vers II. 32, 5
erscheint, hat ä).
(Metrum dunkel) Ath. VI. 79, 3.
Kurz (5 in 8) Ath. VI. 141, 4.
146. sumat !-yrf dh (VPr. IIL 96).
(6 in 8) VS. XXII. 12.
Metrisch.
147. gü-y&män (Whitney zu AthPr. III. 21. p. 138 und n. f);
vgl. Bern.
(5 in 12) Ath. IV. 27, 1 (wodurch | -^t? |, statt | w |
entsteht).
Bemerkung. Im Rigveda findet sich st^ätna stets mit kurzem ü
und ebenso in den entsprechenden Stellen in den übrigen Samhitä's; so
Rv. I. 180, 1.— II. 24, 15; 27, 17 = 28, 11 = 29, 7. — III. 7. 3;
61. 2. — V. 28, 3 (= VS. XXXIII. 12 = Ath. VII. 73, 10); 55,
1. — VII. 35, 2 (= Ath. XIX. 10, 2). — IX. 81, 4. — X. 44, 2 (=
Ath. XX. 94, 2); 85, 23 (= Ath. XIV. 1, 34 wo aber V. L.) Ausser-
dem swfdma auch im Ath. VII. 82, 3. Selbst in der Stelle, wo es
mit Länge angefahrt ist, Ath. IV. 27, 1 , hat der gedruckte Text nach
zwei Handschriften die Kflrze; Whitney corrigirt diese a. a. O. jedoch
ausdrücklich ; ob mit Recht, wage ich nicht zu entscheiden. Etwas zwei-
felhaft werde ich dadurch, dass sü — ausser in einigen Stellen, welche in
der folgenden No. angefahrt werden — nur an Stellen gedehnt erscheint,
in denen die Dehnung sich aus dem Metrum erklärt (vgl. IVte Abhdlg,
32 THEODOR BENFEY,
3te Abthlg, S. 19 ff. und in der VIten Abhdlg sümdya , wo die Länge
in 8 in 11 erscheint, also auch metrisch ist).
148. sü-y&vasa, su-yavasä'd, sü-yavaslnf, sü-yayasyti (RPr.
544; TPr. III. 7; Whitney zu AthPr. III. 21); vgl. Bern,
zu No. 147.
(8^in 11) Rv. VI. 27, 7 {süyavasyii).
Entschieden metrisch.
Dagegen fraglich ob metrisch.
Rv. I. 190, 6 süydvaso IL 27, 13, süyävasd. — VI. 28, 7 siiyd-
vasam (= Ath. IV. 21, 7. wo süyavase). — VIL 18, 4, sütfä--
vase. — X. 106, 10 süydvasdt
In allen diesen Stellen (I. 190, 6 ist supraituh entweder Repräsen-
tant von vier Silben , oder wahrscheinlich wirklich viersilbig supraituh
zu lesen) erscheint die Länge in der 5ten Silbe elfsilbiger Stollen, so
dass —w — statt des minder gebräuchlichen wv — als zweiter Fuss
eintritt.
Nicht metrisch:
(1 Silbe) Rv. L 164, 40, süyavasd'd {— Ath. VIL 73, 11 =
IX. 10, 20). — VIL 99, 3 süyavasini (= VS. V. 16 = TS.
L 2. 13. 2).
(3 in 8) Rv. I. 42, 8, süydvasam.
Sollte das häufige Vorkommen von sü mit metrischer Dehnung
die nicht metrische Dehnung in diesen Zusammensetzungen herbeige-
führt haben?/ oder wäre sie auch hier metrisch z. B. um bei süyavasint
in Rv. VIL 99, 3 u. s. w. den Proceleusmaticus vwv im ersten Fuss
4
zu vermeiden? Ich kann darauf noch keine bestimmte Antwort geben,
ehe die Beiträge zur vedischen Metrik vollendet sind.
149. stanä-bhüj (RPr. 545).
(2) Rv. L 120, 8.
Metrisch.
150. SVä-dhr (TPr. IIL 5).
(2) TS. I. 3. 14. 6 ; es ist suädhiyam zu lesen. Der Vers ist aus
D. QUANTITÄTSVERSCHIEDENH. IN D. SAJffl.- U. PADA-TEXTEN D. V. 33
Rv. 1. 71, 8, wo der Pada-Text su-ädhyäm theilt. Derselbe
Vers erscheint auch in der VS. XXXIII. 1 1 ; dessen Pada-
Text ist mir leider nicht zugänglich; wenn wir aber wagen
dürfen anzunehmen, dass der Commentator Mahidhara ihn
gekannt hat, dann stimmte er mit dem des Rv. fiberein;
denn die Glosse lautet sushpu {= gu) samantät (= ä) dhydyate
[= dht). Sdyana zu der TS. erklärt svädkt hier und in der
sogleich zu erwähnenden Stelle durch svdyattacitta (TS. ed.
Calc. I. 578 und 580).
(10 in 11) TS. L 3. 14. 5 (es ist suAdhth zu lesen) = Rv. X.
45, 1 = VS. XII. 18. Auch hier theilt Rv.-Pada s^ddhCh
und der Commentator zu der VS. glossirt auch hier, als ob
der Pada-Text ebenfalls su-ädk(h getheilt habe, nämlich po-
bhand (= SU) dhitd (= ä) dMh; die damit wesentlich über-
einstimmende Glosse zu TS. ist schon erwähnt.
Ueberhaupt kennt in allen Stellen, in denen svddhC im Rv. er-
scheint — und es sind deren ziemlich viele — der Pada-Text nur ^u-
ddh<\ auch im Sv.-Pada erscheint I. 6. 2. 1. 4 (= Rv. IX. 101, 10)
I SU I ddhyah |. In Sv. I. 5. 2. 5. 4 (= Rv. IX. 65 , 4) erscheint statt
der Leseart des Rv. eine stark abweichende Variante.
151. hart-^yä' (VPr. III 127 in der Kdnva- Recension der VS.)
(6 in 8) VS. V. 8 (in der K&nva-Rec. cf. Weber's Ausg. p. 169;
die Mddhyandina hat hart-. Die Dehnung ist wohl das rich-
tigere; natürlich ist sie nur metrisch).
152. ]iasft-mud& (Whitney zu AthPr. IV. 50. Der Pada-Text
liest wie die Samhitd; es ist wohl kein Dvandva-Compositum,
vgl. St. Petersb. Wtbch u. d. W.)
(6 in 8) Ath. VII. 60, 6.
(2) Ath. XIV. 2, 43.
Metrisch.
153. briday ä-yf dh (RPr. 654; VPr. in. 96; TPr. III. 2; Ath-
Pr. III. 3, vgl. IV. 68, wonach es im Ath.-Pada, wie in
der Samhitd; Pän. VI. 3» 116).
Histor.^hUolog. Classe. XXVI. 4. E
34
THEODOR BENPEY,
(6 in 8) Ath. VIII. 6, 18.
(8 in II) Rv. I. 24, 8 (= VS. VIII. 23 = TS. I. 4. 45. 1).
Metrisch.
154. br&dmi !-THt (RPr. 554).
(10 in 12) Rv. V. 54, 3.
Metrisch.
Erklärung hebräischer Wörter
von
Paul de Lagarde.
In der königlichen gesellschaffc der Wissenschaften vorgelegt am 1 Mai 1880.
Wer ein hebräisches Wörterbuch schreiben will, hat zuerst filr einen /
text des alten testaments zu sorgen, dem sämmtliche erreichbaren Va-
rianten der handschriften, übersezungen und grammatiker, und alle einem
sachverstandigen erwänungswert scheinenden conjecturen der kritiker
untergelegt sind.
er hat danach aus den alten übersezungen, den nachbiblischen
Schriften der Juden, soweit dieselben der vor dem siege der arabischen
cultur liegenden zeit angehören, den lexikographen des mittelalters und
den Schriften indoceltischer philologen und theologen eine vollständige
Übersicht über die tradition und über die deutungsversuche derer zu
liefern, welche die tradition nicht kannten, oder aber eine tradition
nicht hatten, natürlich wird er angeben, was kirchenväter und rabbiner
über die ausspräche der Vokabeln brachten, und er muß neben der pa-
laestinischen auch die babylonische vocalisation verzeichnen.
er hat danach das alte testament selbst zu studieren: seine bücher
chronologisch zu ordnen: seine Synonymik zu ergründen: durch syste-
matische vergleichung der anderen semitischen dialekte festzustellen, was
in der sogenannten hebräischen spräche semitisch, was hebräisch, was
israelitisch, was jüdisch ist.
er hat die ergebnisse seiner forschung durch parallele Untersuchun-
gen der geschichte und der religion des alten testaments zu controllieren.
nichts von dem allen ist bisher geschehen: man begreift sogar
nicht einmal, daß es geschehen müsse.
die aufgäbe meines lebens wäre, soweit dieses leben wissenschaftliche
Histor.'phüolog. Glosse. XXVL 5. ^
2 PAUL DE LAGARDE,
aufgaben hat, gelöst, wenn ich nur einen teil der an erster stelle ge-
nannten arbeit, so gut es gehn will, geliefert hätte.
aber wer das ziel seit mehr als dreiJßig jaren im äuge hat, sieht
nicht nur das, was unter seinen fußen ist, und was er schritt für schritt
hinter sich bringt, sondern wenigstens ab imd zu auch den weg in der
ferne sich bergan winden, den er selbst nie wandeln wird, möge was
er so gesehen zu haben meint, dereinst sich denen als tatsache erweisen,
welche daran vorübergehn werden.
mir scheint ratsamer was ich zum hebräischen lexicon zu bemerken
habe, in eignen heften vorzulegen als es in commentare unterzustopfen.
APeyron verzeichnet 150 als oberaegyptisch ein weibliches oTporac,
dem iuj^ der Araber entlehnt sei, mit den citaten Zoega 355 SdeSacy
Abdallatif 153, und läßt riB^M der Hebräer und olqii der Alexandriner
dem oTpome consonare : danach ein memphitisches , ebenfalls feminines
«nroinu aus Kircher 143. er unterläßt anzufüren, daß PEJablonsky
opuscula I 182 183 und noch vor diesem der von ihm citierte anonymus
der göttingischen Zeitungen von gelehrten Sachen »IX 549«, vermutlich
IDMichaelis, nS^K neben das koptische mnu gestellt hat.
Zoega hat an der angefürten stelle seines katalogs das «np jenes
oTpoinc als unbestimmten artikel angesehen, denn er sagt in der anmer-
kung omc T tnoditiSf epha. ein memphitisches oyuuiu dürfte ebenfalls zu
beanstanden sein. Kirchers ^oTpranu mag sein crf dem einflusse des ent-
sprechenden Ä>jjJt danken, denn in meinen texten findet sich nur mnu.
um dies zu erhärten, muß man nur beobachten, wie teilungszalen
mit unmisverständlichen Wörtern verbunden werden.
TO xitaQXOV xov sip Exod 29, 40 Num 15, 4 5 28, 5 6 = ^peS ncri^m:
ro TQltov Tov stp Num 15, 6 = «fpcc nor^m: td ij/iiov xov etr Num 15, 9 10
= ^t^ugi itoYgiii. danach wird td dixcctop tov olysl ^pejuuc*r ncrfauiu heißen,
wenn dem oiips^ mnu entspricht: sonst ^pejuoc^ nofoxainu. wir lesen
aber stets nur c^pejum^ ncrfiiuiu.
folglich ist ^^lunu ein fehler: es muß imnu heißen, dem natürlich
im ^aid ein -romc entsprochen hat.
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 3
daß nun die Griechen in älterer zeit oiy>€i, nicht vyij vq>s$ vyi, ge-
schrieben, erhellt aus Epiphanius 26, 6. der bei Hultsch I 272, 8 9
sinnlose text ist durch S hergestellt worden, man konnte aber ogfsv
wol nur dann als original von oiy«i ansehen, wenn oiyfci in der anderen
sylbe ein € hatte, daß der einfall an sich wertlos ist, bedarf keiner
auseinandersezung. ^o^ = ^^pi^ meint den singular des bekannten duals
D^JSn Exod 9, 8 Levit 16, 12 Ezech 10, 2 7. in Eccles 4, 6 wird D^JDn «bo
für die säze des Epiphanius sehr erläuternd mit nkriQoifiata dvo ÖQaxmv
gegeben.
wenn HD^K richtig mit /oFi'if übersezt ist, so enthielt sie so viel
mehl oder graupen, wie ein rüstiger mann an Einem tage verzehrte:
Boeckh staatshaushaltung der Athener*! 128 396.
Die lexikographen leiten, meines wissens mit nur einer einzigen aus-
name, hH von der wurzel bw ab. ich behaupte, daß es von "htH herstammt.
Wer sich über \h eine meinung bilden will, muß zuerst wissen,
daß dies nomen sich auch' im assyrischen, phoenicischen und homeriti-
sehen findet, daß es im syrischen und nord-arabischen nicht vorkommt.
Allerdings verzeichnen die arabischen Wörterbücher Jt (unter Wh)
und J^l: man lese EWLane 137, um zu erfaren, daß von J^t die Araber
selbst wissen, daß es in irer spräche nicht ursprünglich ist. Jt bedeutet
im arabischen relationship : gibt man ihm irgendwo den sinn ^ott^ so
ist das für das hebräische one belang, da hn nie, J' überall ein dop-
peltes L hat, mithin J5 yott mit b» ^ott nicht verwant, sondern Jl ff Ott
aus Sm entlehnt ist.
PSmith behandelt 150 151 \ju]: niemand, der Smiths material über-
sieht, und dabei praktische kenntnis des aramäischen besizt, wird ^j
far echt -syrisch halten.
Wol aber ist hs phoenicisch. PSmith citiert als belag aus des
Hieronymus briefe 136 Phoenicibus II qui Hebraeis El. der brief an
Mtocella , welcher früher die nummer 136 trug , und bei Vallarsi die
25 trägt (I 128 129 Vallarsi* ), enthält diese worte nicht, aber in dem
stücke, welches Eusebius ngonagacxavt] I 10 aus Sanchuniathon erhalten,
A2
4 PAUL DB LAGARDE,
wechselt 36^ Viger = I 80, 13 Gaisford IXog HXog HXios, 37** = I 82
IXos HAog OXog: zu 40^ = 90,6 ist Valckenaer de Aristobylo 15 (= IV
354 355 Gaisford) nachzulesen.
so ganz one vorbehält vermag ich dies nicht anzunemen.
wie gering der wert der ausgäbe Gaisfords ist, weiß jeder der sie
gebraucht hat: wie dürftig die für die TtgonaQaaxsvfj zu geböte stehen-
den hülfsmittel sind, kann bekannt sein: die in einem codex vom jare
411 erhaltene syrische übersezung der bücher Eusebs negl &eog>ar€t(igy
weiche große stücke der nQonagaaxsvi^ in einem besseren texte als dem
Gaisfords zur Verfügung stellt, werde ich gelegentlich nuzbar machen.
über Sanchuniathon selbst sind die akten noch nicht geschlossen,
ich gebe zu bedenken, daß noch nicht erwogen worden, wie unfolge-
richtig die Umschreibungen semitischer Vokabeln in dem stücke sind.
Das homeritische Sm ist seit EOsiander ZDMG X 53 nie bezweifelt
worden, seine ausspräche ist sicher iL gewesen, da IXdaagog Strabos
one frage mit recht von EOsiander ZDMG XX 237 für mß^S» gehal-
ten wird, da wir ^^^ [= n^JW oder |nJV] überliefert finden, und Xa-
^$ßafjX des Periplus insofern dazu stimmt, als ij sicher wie i gesprochen
wurde: vergleiche nur das Xri/ua und i^i^a mancher zeugen Matth 27, 46
= UJ , das mit dem syrischen Xs/ia und dem hebräischen Xa/ia wechselt,
lieber das assyrische il schreibt mir lulius Oppert — es ist selbst-
verständlich , daß man über assyrische« nur bei ihm fragt — :
das assyrische zeichen, welches gott ausdrückt, ist eines der ersten,
die erkannt worden sind, schon de Sacy, Grotefend, Löwenstem und
de Saulcy waren über seine bedeutung nicht im unklaren, seinen
sylbenwert an hat erst Hincks 1849 gefunden, die assyrische aus-
spräche HiU hat Rawlinson festgestellt, und in seinem 1851 veröffent-
lichten, leider unvollendet gebliebenen commentare zur Inschrift von
Behistun veröffentlicht, er fürt daselbst die babylonischen ziegel an,
welche für Babylon entweder die zeichen tor-gott ra ki = land, erde
geben, oder diese ideographischen zeichen durch die sylbenzeichen ba
Bi I Lü, BA Bi LU, BAB Bi LAv uud äulichc crsczeu. Oppert fand dann
1855 in einem syllabare das zeichen an durch tlv erklärt.
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER • 5
auf sumerisch heißt gott dingib oder dimir, was Rawlinson schon
Tor langer zeit mit dem mongolischen tenghri verglichen hat.
aber die ausspräche ilu oder m, plural ilb oder iL^n, ist keineswegs
die primitive des Zeichens an, das einen achtstraligen stem vorstellt.
Oppert glaubte früher, diese hieroglyphe bedeute stern, doch hat er
selbst diese Vermutung zurückgenommen, diese acht stralen bezeich-
nen wie im indischen die acht richtungen des himmels, und die hie-
roglyphe bedeutete ursprünglich himmel, auf sumerisch anna, woher
der sylbenwert an stammt: assyrisch lautet dasselbe zeichen dann
SABfB: die gewönlichste bezeichnung des semitischen worts ist an-e,
das heißt, himmel mit dem phonetischen complemente e. so heißt
AN KI nicht gott der erde, sondern ist der gewönliche ausdruck fftr
himmel imd erde.
verdoppelt — übereinander gesezt — hat ^ den sylbenwert nap,
was im medischen und susianischen gott bedeutet; dreimal gesetzt
^AN entsteht das zeichen stern, syllabisch mül, assyrisch kakkab.
ich hatte vor 32 jaren den monatsnamen blbw ^ia2^^ mit hti in Ver-
bindung gebracht, ich weiß, seitdem im September 1865 Oppert ZDMG
XX 180 eine liste der assyrischen monatsnamen gegeben, daß ülulu
die Urform von h)hH ist, mithin SiSm, mag Ululu selbst herstammen
woher es will, mit bn nichts zu schaffen hat.
«
Für ausgemacht halte ich nach dem vorstehenden, daß hH bei As-
syriern, Phoeniciern, Homeriten II lautete, was wir so wie so ansezen
müssen, wenn wir das tiberiensische Sk (mit ^^i^) ins semitische zurückfüren.
dabei kommen vielleicht noch ßahvXog und ßattvjliop in betracht:
ich bin aber nicht kenntnisreich genug, um über sie zu reden.
Es fragt sich nun, wie man dies II erklären soll.
Eusebius nQonaQaaxevij XI 6, 20 nennt eXvosi/i und tjX verwant.
iXw%lfi naQci ro ijX. tovto Si igutivevovGir iaxvv xal dvvafi^p.
Hieronymus im briefe an Marcella (25 oder 136 = 1 129 Vallarsi*):
primum nomen dei est El, quod Septuaginta deum, Aquila, hvfjioXoytav
eins exprimens, loxvQÖr, id est fortem, interpretatur. am rande Gs
findet sich dies ioxvQog häufig für b».
6 PAUL DB LAGARDE.
die wurzeln ijf und *Jf halte ich gar nicht für dreiconsonantig, son-
dern — seit jaren habe ich dies öflFentlich gelehrt — für zweiconso-
nantig, erachte aber den langen vocal des ersten buchstaben für ursprüng-
lich, grund: niemand vermag one künstelei f&\ o^pn oder oä nop aus
aqwama qawamta zu erklären, zumal da mv (3)^ «.mqa und die vielen
änlichen genügend erhärten, daß ein waw als zweiter radical semitischen
oren durchaus nicht fremdartig klang: .j>j^ und «.mqa sind unverwant.
damit föllt für mich die nötigung fort, Vw narr, und die berech-
tigung Jj' erster mit b» ^ott auf dieselbe wurzel zurückzufüren.
v5" ist alltäglich als synonym von ^ji zwei beispiele in meinem
psalterium Hieronymi 157 mitte: ECastle citiert aus Erpenius lohann
16, 20 ^ i^ ^yA c^j^ = ^ ^vnti v/i(5p slg /ajaV yertjasta$, Philipp 1,19
ül^t i,\ ^^ d^ ^Lu&'it 9cX^ = tovtd fioi änoßtjasrai eig acorriQtaPf und aus
dem Polyglotten -Araber Philipp 2, 23 i^jy*^ *äJ5 ^yS U ms^}j IJt =: cig &9^
äntdio td nBQl ifii {wohin es mit mir hinaus mit), es ist billige gelehr-
samkeit aus Hariri' 33, 4 ^^1 j^JJI Uit imd 424i Jtt^ ^ zu citieren. nur
stellen wie die lezt angefürte möchten den einen oder andern auf die
bedeutung der wurzel zu weisen scheinen, welche man als die gebräuch-
liche ansieht, stark sein.
KAbel hat an andern orten und in PLindaus nord und Süd IX 359 ff
darauf aufmerksam gemacht, daß die ältesten sprachen an homonymen
überreich sind, ich habe ihn daran erinnert, daß die Chinesen durch
den accent buchstäblich gleich lautende sylben differenzieren, daß mit-
hin die homonymie nicht so ausgedehnt gewesen zu sein braucht, wie es
auf den ersten anblick scheint, nichts destoweniger muß ich auch f%Lr
das semitische, das ja freilich keine einsylbige spräche, aber doch in
der zal der wurzeln höchst beschränkt ist, cm dem glauben festhalten,
daß in den verschiedenen semitischen dialekten gleich aussehende wurzeln
völlig unverwant sein können, weil sie ganz verschiedenen Ursprungs
sind, vl^ ^ brachte (Dozy Supplement 238) entstand aus v »l^, und ist
mit ursprünglichem v^-^ nicht zusammen zu werfen: auch ist denkbar^
daß schon in der ältesten zeit ursprünglich einander fremde wurzeln sich
vereinigt, wie das in fc^i = ^jfoj = {^^ und U>^= \f^ = ^^ der fall
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 7
gewesen ist, one daß die dilettanten es gemerkt haben, welchen wir in
unsrer Weisheit handwörterbüchei zu schreiben gestatten.
die bedeutung dick^ stark sein scheint mir die wnrzel bw nicht
gehabt zu haben: aus h^H vndder, V« hirsch, V« hülfe vermag ich sie
nicht zu erschließen, und um V» tsQißtv&og aus ihr herzuleiten bin ich
vollends zu unbegabt, übrigens sind ^^« p« == äßotj&fitos Psalm 88, 5
und nV« ßai]&e$a Psalm 22, 20 syriasmen: was PSmith bietet, reicht
zum erweise dieser behauptung völlig aus.
es wäre neu, nachdem man sich überzeugt hat, daß die Aramäer
Sm ffott nicht kennen, das hebräisch-assyrisch-homeritische htt gerade aus
einer aramäischen wurzel erwachsen sein zu lassen.
wie alt Vm widder und S^M kirsch ist, kann man daraus erschließen,
daß die Kopten (Ignaz de' Kossi etymologiae aegyptiacae 249 45) es lüis
foiAi = oiAe und eicrfA kennen: leute, welche deutsch als muttersprache
reden, sollten, um dies beiläufig zu bemerken, sich schämen, T^fiH mit
hmdm zu übersezen , welche bildung (man sagt binde) mit kühin, stutin,
rickin, hennin auf Einer linie steht, was selbst im heutigen Deutschland
noch nicht gewagt wird.
^H gott als nächsten verwanten von h^H widder und Sw hirsch zu
betrachten — nun, auch dazu gehört ein kräftiger glaube, den ich weder
besize noch zu erwerben geneigt bin.
Sehen wir uns einmal nach analogien um.
htt gott behält sein c^r^ in der verbindungsform der einheit, vor
dem suffixum der ersten person singularis und in beiden formen der
mehrheit: alle anderen gestalten des Wortes sind nicht nachweisbar,
unverglichen müssen bleiben ba = S)f2 als nicht eigentlich hebräisch:
^n = *ö^^^ (vgl «-Q^ = (J^ Lagarde zu Prov 25, 1 0) : rjf = J^ : HJf = TMP :
OT = Oin: tt^B^ = u-<>^ Lagarde armenische Studien §2129: TB^, weil
paraUel mit |MBf, und darum von nK2^ abzuleiten. Vn hat neben sich S^,
wie pn neben sich p^n hat: D3 scheint schreibefehler statt 03.
unverglichen müssen femer bleiben nn yr\ |n IT IT) W T\H 12^» ÜH \M SK
,Sn ]v yp ip ^ yi 03 13 |o 2h na p
ebenso jn von jfT, ein infiinitiv: rp, das «ä^s neben sich hat, weil
8 PAUL DB LAGARDE,
ein bHH undenkbar ist: nji IT WO 13 "^Jf, weil Sk ^ott kaum ein neutro-
passives particip sein kann: Jf"), weil m als fremdwort (von l:^ = is^j)
und noch dazu als ein von den Aramäem übernommenes fremdwort f&r
das den Ajramäem fremde b» nicht als analogie dienen darf.
desgleichen p yjf oty und nt^ = c>--', weil sie in den Verbindung»-
formen des plurals und p wie ot^ vor Suffixen den ersten consonanten
nur mit halbem vocale sprechen : IM, da die herkunft dunkel, wie Hi Isa
16, 6 und üjf Ps 45, 2, da die formen mit Suffixen und die plurale un-
belegbar sind: 3J, weil es schwer verstanden werden kann (vergleiche
zu Regn y 6, 9 Lagarde armenische Studien § 499): V^ und p, weil sie
keine nomina sind.
so bleiben M Isa 50, 6 usw, OMDD = OMDty, und bedingungsweise
O^Va , der plural zu ^^3 , zu dem verglichen werden kann , daß >>V^ ^
auch als \\jliJ^ auftritt.
damit dürfte erwiesen sein, daß bK zur wurzel nbw gehört.
Wenn es sich nunmer darum handelt, die ursprüngliche bedeutung
dieses Sh zu finden, so müssen dem versuche es zu tun einige vorbehalte
vorauf geschickt werden.
falls hn ursprünglich den planeten Saturn bedeutet, und erst später
die allgemeine bedeutung gott angenommen hat — man mag denken,
der Saturn als fernster planet sei als lezte instanz am himmel angesehen
worden, und so hn der name dessen geworden, der die weitgreifendste,
ja allumfassende gewalt im himmel und auf erden besizt — , dann wird
der sinn von b» ein anderer sein, als wenn der umgekehrte weg gegan-
gen worden.
ich sehe keine möglichkeit, eine entscheidung für die eine oder die
andere alternative zu treffen, da das gesammte System jenes uralten glau-
bens, dessen reste einer hn sein wird, mir unbekannt geblieben ist, und
nur die einsieht in das ganze mir gewär dafür leisten würde, daß ich
seine einzelnen teile nicht zu gröblich mis verstanden habe.
sodann sollte man nie vergessen, daß die spräche und die religion
nicht den bedürftiissen entsprungen sind, sich mit dem nicht-ich durch
eine phrase abzufinden — phrasen kann der mensch nur brauchen und
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 9
wendet sie nur an, wenn er weiß daß, er mag sie anwenden oder nicht,
alles troz irer seinen geregelten gang geht — , daß sie vielmehr einer
epoche entstammen, in welcher man durch tägliche kämpfe und versuche
erobern und sich fttgen lernte, in der ältesten spräche stand man, wenn
es galt, göttlichen wesen einen namen beizulegen, lebendigen personen
gegenüber: dieser personen namen flössen aus dem eindrucke, welchen
die personen auf den nennenden machten, je genehmer eine etymologie
derartiger Wörter modernem empfinden ist, desto sicherer ist sie unrichtig.
also nur eine Vermutung gebe ich, freilich eine Vermutung, welche
mich glaubUch däucht.
fünf mal findet sich die redensart ^T hvh 2^% Genesis 31, 29 Deut
28, 32 Mich 2, 1 Prov 3, 27 Nehem 5, 5. daß diese bedeutet es steht in
meiner gewalt^ ist zweifellos, daß nicht die famose wurzel Vi» dieses Vm
hervorgetrieben hat, ist mir sicher, da V^M widder und V» hirsch nicht mit
einem bH zusammenhangen werden, welches nicht — wir würden sagen :
pferdekraft — sondern ethisches vermögen bezeichnet, der tractat D^TBO 4, 9
hat ein böses gewissen, wenn er dies Vm als hvn bezeichnet, es ist für
mich mit hn ffott identisch : beide bedeuten das wm in reichweite liegt^ Vm
gott vielleicht rfen, wekhem man zustrebt. wLäJ Hafis 487, 4. ich wieder-
hole , daß eine bestimmtere deutung von hn gott zur zeit noch unerlaubt ist.
nS» er schwor steht neben JfaB^n, arabisch sjül^- neben jm**5 und ^\
IV V imd Vin : syrisch braucht man Ua* (daher — mit artikel — lAiooio,
was vielfach pluralpunkte erhält, aber eine bildung wie »Uj-« ist) : aethio-
pisch cPiiiAI — zum beweise, daß die anschauungen über den eid bei
den Semiten sich oft verändert haben : denn diese Vokabeln müssen jede
eine andere auffassnng der sache spiegeln, oder aber die ceremonie be-
zeichnen, welche dep schwur begleitete und darstellte, vergleiche was
ich über das persische o^jy^ ojS^jm* in meinen beitragen 1 8, 1 6 ff gelehrt habe.
yaß^n nun erläutert sich aus Genesis 21, 28 [Herodot y 8] imd den
parallelen: nS«, wenn ich nicht irre, aus Genesis 24,29 47, 29. bedeu-
tete yat2^n zwischen sieben opfertieren oder opf er tier stücken eine heilige
handlung vollziehen, so muß n^M hinstrecken, hinreichen nach bedeutet
haben.
Histar.-phüolog. Glosse. XXVI. 5. B
10 PAUL DE LAGARDE,
diese Vermutung wird bestätigt durch eine andere ableitung der
Wurzel n^M, durch die praeposition b», mehrheit ^Vm, arabisch in länge-
rer form viJ, arabisch, syrisch, hebräisch, aethiopisch auch kürzer ^ ^ b A*
A? deute ich J^. U : ist es ein nomen, so ist klar, warum i^ sowol ac-
cusativ als dativ bezeichnen kann : es bezeichnet eben keinen von beiden,
sondern ]j^^-V «aou ist = er gab in die gegend des mannes, ]|*"vV \j^u>
= er schlug los auf den mann.
und nun noch das phoenicische pH gott^ dessen ausspräche alon
Plautus bewart, dessen eigentliche gestalt zuerst der sarcophag des
"ITJfiOß^» geboten und der herzog de Luynes erkannt hat.
bei pH an eine wurzel bw zu denken ist mindestens nicht notwendig.
Olshausen nennt § 2 1 5^ als nomina, welche durch -dn von holen wur-
zeln abgeleitet sind, Tru w\ |1T |t9B^, auch jxb und einige eigennamen : er
verschweigt nicht, daß diese nomina (was bei einer abstammung von
iy auffallig ist) in der Verbindung und vor suffixen ihr erstes a ver-
lieren, aber er hätte bedenken sollen, daß |rUI vermutlich zu r**^ ge-
hört, y^h sicher ^^v qUJ A>*i1I neben sich hat, daß »eigennamen«
wenig, »einige« eigennamen gar nichts beweisen, da wir |KJI pM TDK
\Hm pn |n pv py p* pn |m ]W\ unzweifelhaft von wurzeln *^ oder lV ab-
leiten müssen, ist mindestens warscheinlicher, daß wir pH alon bei ff?K
unterzubringen haben, es zu deuten überlasse ich andern.
wenn ich vorhin |rui zu ^*-\^ gestellt, so weiß ich, daß zu Gen 2, 13
|ny die gelegentlich nach 1 2 verschlagenen worte /ao/icrrcr § ixxvwiQ ^ mij&og
gehören. nachHieronymusonoml6, 23 Geon pectus sive praeruptum, nach
dem anonymus ebenda I 189, 98 Fsicop aifj&og ^/cfö/ia ^ diato/nij x^^^Q^os,
Hoffmanns glosse 2865 ^^^ o*"^*^ v)^' Uj>* ^ •jolasASd |xju ^**js^, wo
der punctator mit unrecht die Cor /? 9, 7 für IXagos vorkommende stei-
gerungsform von ^^ er freute sich suchte, da das aramäische aequi-
valent von ntn brüst PSmith 1200 gemeint war, und man ^^ nicht als
particip 11 Dozy II 248, sondern als übersezung jenes d^crw/itj anzusehen
haben dürfte: Lane 2361*. |n = X^Q^Sj aber i = dimo/ifjf
ra
Epiphanius schreibt negl fiitgam xäl axa&fjmv 21, 10 ßddw, nicht
i
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 11
ßätog: er sagt, das wort sei awwpvjnfog %i5 ijLaiozQißeüp xaXovfi^w ßt&*
ßäiw yccQ §pfsfipev€tai iJlaiOTQißsiap.
dagegen steht ßddos bei Epiphanius im griechischen und syrischen
texte 21,5 und ßdms in den xsq>djlata 3, 6. an lezterer stelle geben
S ^ S * am rande \^\^. daneben gelegentlich ßä&og.
ßddos brauchen Lucas 1 6, 6 nach LSX (wo AB und viele andere
ßdtos haben) : losephus archaeologie ij 2, 9 : Hesychius , der ßdxos erst
in zweiter linie auffürt.
G nimmt na nicht originaliter herüber: na /o^vV Regn y 7, [26] 38:
fiitQOv Paral/?2,9 Ezechiel 45, 10: fterftfnjs Paral /? 4, 5: xegd/nor Isaias
5, 10: xoviXti Ezechiel 45, 14 — eine abscheuliche liste, durch Hie-
ronymus IV 75* (Vallarsi*) lernen wir, daß Isaias 5, 10 soli LXX trans-
tulerunt laguncula (er meint x^gdfiiop^ dessen syrisches aequivalent irtip
[mit artikel urfnp] Epiphan §29, 1 32, 3 37, 2 [= Wpto Epiphan54, 1 =»/>
Praetertoissa 39, 84] = äIS Dozy Supplement II 387 das original zu Epi-
phans xöXXa&ov ist), omnes alii batum interpretati sunt, quod hebraice
dicitur beth.
dies beth des Hieronymus ist identisch mit dem Regn y 5, 25 für
13 auftretenden ßmd' oder /f«^, wo andere ßadwr^ der Syrer meiner
Fragmenta |^)a: Theodorets frage 21 zu BaaUsmr y (I 304 Sirmond ;s
I 466 Schulze) Nicephors catene 11 677. hier hat G die richtige lesart
anfbewart. batus, sagt Hieronymus IV 75^, in liquidis speciebus dici-
tur, so daß er zum oele paßt, was der für trockene gegenstände be-
stimmte T3 nicht tut. es ist nicht auszumachen, ob TD in la oder in
na zu ändern ist.
zunächst steht fest, daß p in meinen Geoponikem m 13 seite 85,22
ganz unverkennbar das Werkzeug ist, mit dem man oliven presst. Hoff-
manns glosse 2246 f^i^\ yaJM U J^ d^ß U y»^ iXJI cO U*-*Aa p ]p. Buxtorf
belegt 260 das wort aus dem talmÜD, RDozy Supplement I 56 weist vX#
im sinne dieses f^ im arabischen nach, das iXatotQ^ß^lov Epiphans ist
mithin gerechtfertigt.
na kann füglich eine zusammenziehung aus nia sein: ein U^ ge^
walt kennen die Wörterbücher.
B2
12 PAUL DB LAGARDE,
ßddog entspräche dem masculinum p, ßdS'og und ßdrog dem femi-
ninum na , und zwar wäre ßä&og die ungelehrte, ßdtog die gelehrte, auf
die ungeschriebene Verdoppelung des aus ni entstandenen n rücksich-
tigende ausspräche.
Epiphanius 26, 3 lehrt, im hebräischen sei ;|fo7i'i| männlichen ge-
schlechts. er kann nur na meinen, das allerdings bei Isaias 5,10 wie
sich geziemt weiblich, aber bei Ezechiel45, 10 nach Gesenius 251 männlich
ist : aus Epiphans Worten wird folgen, daß im vierten jarhunderte das n
in na vöUig unverstanden, und na nur männlich wax. wer na für männ-
lich ansah, durfte nur ßd&og, nicht ßdtog, sagen.
die tochter heißt hebräisch na mit a, arabisch vi^Jb mit i: in na
geht a neben i und s (FsS) her: so möchte ßsd^ sich erklären lassen,
nnjf jezt, ein accusativ von njf = my zeit, ist sehr belehrend fOr das
Verhältnis von ^a na ߀&. Gesenius nennt an einer stelle, wo sie nicht
zu nennen waren, monumenta 11 404, als beispiele der zusammenziehung
von dt in t = tt nS aus niS, nriK aus niHK und andere.
doch ist auch möglich, wenn gleich sehr unwarscheinlich, daß ße&
gar nicht einem na, sondern einem la entspricht. auslautendes n
schreiben die übersezer nicht selten &, wie auslautendes i ;f , um die
anhauchung der buchstaben auszudrücken, dies ist so bekannt, daß
umgekehrt FoXiaS^ = n^Sü, weil der Syrer sein & für identisch mit dem
von iaj9 Lagarde psalterium Hieronymi xiv onomastica I 206, 75 oder
von q.uiL^p-= Tll nam, Fragmenta 65, 41 73, 20 und oft als fAi^<\^, daß
daJLB& = nSl Praetermissa 148, 19 und oft als ji^ erscheint.
da nach dem gesagten p der Stempel ist, welcher in der presse auf
das zu pressende niedergedrückt wird, dürfte ^ mit la drag>0Qsvg y>OQsvg
fiox^og d$(oanJQ axvtdXfj identisch sein.
der p arbeitet sehr gewaltsam, denn oliven werden nicht so one
mühe zerquetscht wie weinberen : folglich muß der ^ eine starke stange
gewesen sein, so daß ia füglich tragestange , hebel, vorlegebalken be-
deuten konnte.
dadurch, daß ßddog neben na steht, ist unwiderleglich bewiesen^
daß das maß na nicht unter die wurzel nna gehört.
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 13
SSn und rmn
So weit meine kenntnis der einschlagenden litteratur reicht, hat
man sich noch niemals daran erinnert, daß es etwas anderes ist, den
psalter, etwas anderes, die psalmen auslegen. dasselbe was ich in
den Symmicta I 55 im jare 1870 für die ersten stücke des jüdischen
canons, was ich ebenda 142 im jare 1876 für das jezt erste buch
unter äen propheten getan habe, tue ich hier für das jezt erste stück
unter den hagiographen : ich frage , wie der psalter als ganzes zu ver-
stehn ist.
ihn für ein zufalliges aggregat von liedem zu lialten geht nicht an.
die zuerst bei Hippolytus von Rom erwänte eintcilung des psalters
in fünf bücher muß vom Sammler selbst herrüren, da niemand glauben
wird, daß irgend welcher spätere ansehen genug besessen, die Schluß-
formeln 41.14 72, 19 89, 53 106,48 zu bes tandteilen des heiligen textes
selbst zu machen, was dieselben one frage bereits für den ältesten grie-
chischen übersezer allesammt, was die des vierten buches fttr den Ver-
fasser von Paral a 16, 36 gewesen, hat aber der Sammler sein werk
eingeteilt, so hat er auch nach einem plane geordnet.
die fünf teile des psalters können nicht ursprünglich fünf einzelne
hymnenbücher gewesen sein, wären sie das gewesen, so würde gott,
falls anders mir und D^hSk nach bestimmten grundsäzen abwechseln,
allemal in ganzen büchem, nicht aber in teilen von büchem, unter glei-
cher bezeichnung vorkommen, nun hat aber das dritte buch des psal-
ters in 84 bis 89 mehr mn% wärend es in 42 bis 83 meist D^hSk verwendet,
außerdem findet sich in elohistischen teilen miT, in jahwistischen DVtS»
zum beweise dafür, daß der gebrauch von mn^ und D^hSk nichts charak-
teristisches für die einzelnen bücher als einzelne bücher ist.
alles erklärt sich durch die anname, daß die fünf teile des psalters
für fünf verschiedene teile des gottesdienstes bestimmt gewesen sind.
wie es für die einzelnen Israeliten je nach den umständen einen
Vk oder hSk oder D^nS» oder nifP gab, so auch für die gemeinde: es
kann füglich ein fest mit der anrufung von D^hSk anheben, und mit
der anrufring von m!T schließen: es kann füglich an einem bestimmten
14 PAUL DE LAGARDE,
punkte der liturgie für angezeigt gegolten haben, unter die nennung
mn^s die D^nSüs, unter die nennung D^nSKs die ni,T8 zu mischen.
bekanntlich finden sich einzelne psalmen des einen buches in einem
andern wieder, ich kann mir nicht denken, daß die synagoge dies nicht
bemerkt haben sollte, hat sie es aber bemerkt, so würde sie die Wie-
derholungen beseitigt haben, wenn dieselben nicht einen ihr bekannten
zweck gehabt hätten, dieser zweck kann nur der gewesen sein, der ge-
meinde oder aber dem tempelchore ein an verschiedenen tagen des syna-
gogenjares beim gottesdienste gebrauchtes lied jedesmal in der gestalt in die
hand zu geben, in welcher es an dem einzelnen tage gebraucht wurde.
schon der umstand stimmt für meine auffassung günstig, daß die
ersten lieder des psalters, in dem 1 und 2 als Vorwort galten, nämlich
3 und 4, abendlieder sind : der jüdische tag hob mit dem abende an, da-
her mußte eine für den gottesdienst bestimmte Sammlung an irer spize abend-
gebete haben, daß die psalmen 113 bis 118 bei dem paschagottesdienste
angewandt werden, kann helfen, den zweck des psalters zu ergründen.
die Sammlung ist natürlich eine Sammlung einzelner lieder, welche
vielleicht von dem sammler selbst nach bedarf bearbeitet oder aus eignen
mittein vervollständigt worden sind, der ursprüngliche sinn eines jezt im
psalter stehenden gedichtes braucht durchaus nicht der zu sein, welchen
der Sammler ihm unterlegte, s^ wenig wie der von dem sammler ihm
untergelegte sinn der gewesen zu sein braucht, welchen die christliche
kirche mit ihm verband, das leben nimmt seine narung überall her,
und macht dasjenige was es ergreift, eben dadurch sich nuzbar, daß es
dasselbe sich amalgamiert: so lange es eine geschichte gibt, ist es so
gehalten worden, was nicht erlaubt werden darf, ist nur das, daß der
verstand, das heißt hier: die protestantische dogmatik, das sich anmaße,
was das leben tun darf, und das andere, daß christliche, theologie sich
herausneme zu behaupten, der sinn, welchen die christliche kirche aus
einem alten Schriftstücke heraushört, weil sie ihn im herzen trägt, sei
auch der ursprüngliche sinn des Verfassers dieses Schriftstückes, welcher
christliche gedanken und empfindungen im herzen zu tragen schlechthin
außer stände war.
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 15
wer den psalter verstehn will, muB die Ordnung des gottesdienstes
kennen, bei welchem der psalter in anwendung kam. wer die psalmen
verstehn will, muB zuvor den psalter verstanden haben, weil one weiteres
gewiß ist, daß der Sammler des psalters diejenigen psalmen, welche
nicht von vorne herein für die Sammlung angefertigt wurden, so zu-
recht gemacht haben wird, daß sie seinem zwecke dienten, alle Inter-
polationen und textumgestaltungen mithin nur nach der idee des psal-
ters erkannt werden können.
der gottesdienst der Synagoge hat sich merere male geändert, er
wird ein anderer im tempel Salomons, ein anderer im tempel des Esdras,
ein anderer im tempel des Herodes, ein anderer in den am ende der rö-
mischen republik und zu anfang der Caesarenherrschaft an so vielen
orten zu findenden proseuchen gewesen sein.
in welche epoche gehört nun der psalter?
sicher nicht in die epoche der proseuchen, weil er notorisch älter
ist, als alle nicht in Palaestina selbst gelegenen proseuchen, man müßte
denn proseuchen auch den zur zeit des leremias und firüher nach Aegypten
geflüchteten Juden zuschreiben, es wird sich unten erklären, warum der
name uhTV\ den namen poloiio ^1^ <^lti^^^^l zu derselben zeit
plaz machte, in welcher an die stelle des zerstörten dritten tempels end-
gültig die von da ab Synagogen genannten proseuchen traten.
da nun an die zeiten des tempels Salomons niemand denken darf,
weil eine lange reihe von psalmen ersichtlich spät ist, so bleibt nur
übrig den psalter als das im tempel des Esdras gebräuchliche gesang-
buch anzusehen.
mithin wird, wer den psalter auslegen will, sich eine Vorstellung
von dem gottesdienste des zweiten tempels zu verschaflFen haben.
ich hoffe wenigstens eine kleinigkeit dazu beitragen zu können,
eine solche Vorstellung zu ermöglichen, daß im talmÜD und den ihm
gleichwertigen Schriften vieles hergehörige steht, weiß ich: leider bin
ich außer stände diese bücher ganz durchzulesen, um es zu sammeln,
und one eine ganz vollständige Sammlung der vorhandenen notizen wird
man sicheres nicht gewinnen.
16 PAUL DE LAGARDE,
Wir haben im jüdischen canon mehr als eine stelle, in welcher
die musikeinrichtungen des hebräischen und jüdischen gottesdienstes er-
wänt werden, am sichersten wird sein, von Nehemias 12, 27flF auszu-
gehn , weil wir da eine im wesentlichen auf Nehemias selbst zurückzu-
ftlrende Urkunde vor uns haben.
es wird die einweihung des zweiten tempels beschrieben, bei dieser
sind Leviten und priester tätig, die Leviten wonen im landbezirke von
Jerusalem, heißen onniBW, und müssen, um bei der feier mitzuwirken,
besonders beschickt werden, daraus folgt nicht notwendig, daß sie beim
gewönlichen gottesdienste nichts zu tun hatten: jedes außerordentliche
fest wie die tempelweihe war eigens anzusagen, die Leviten wirken
mit drei Instrumenten: D^nV»D, D^SSJ und nnj3. hingegen die priester
sind in Jerusalem selbst angesessen: beim feste brauchen sie nach 34
nn^rWl. den Leviten wird 27 nachgesagt, daß sie Ttt^ai mwai rmotM fOJn
machen, wonach wir berechtigt sind, die nun und den n^tt^ auf ire drei
Instrumente zu verteilen, und vermutungsweise die nun den D^nS^TO,
den ^W den ü^hsi und THSS zuzugesellen.
Paral /? 5, 1 2 flf spielen unter Salomon die DmWO O^^lS auf D^nV»D,
D^bad und rnSS: sie stehn dabei unter der leitung von Asaph, Haeman,
und Iduthun. inen zur seite werden priester genannt, welche m^TOtn
blasen, hier werden D^Ssj und n"U3 deutlich als Ttt^ ^Ss bezeichnet,
man meint aus 13 herauslesen zu dürfen, daß den priestem und iren
mviltn zukam bSnS, wärend es der Leviten sache war nHflS. schreibt
der gewärsmann sorgfaltig, so gehören die D^nb^TO dem Asaph, die D^Sm
dem Haeman, die THSS dem Iduthun. aus Paral « 1 6, 5 ergibt sich we-
nigstens, daß dem Asaph in der tat die D^nS^O eigneten: noch Esdr a
3, 10 haben die sone, das heißt: nachkommen, Asaphs D^nS»0 in bänden.
Paral a 16, 1—3 ist — Regn ß 6, 17—19 anfang: Paral a 16, 43 ist
= Regn /? 6, 19 ende 20 anfang. Paral « 16, 8 — 36 ist eine Zusammenstel-
lung von Psalm 105, 1 — 15 96 106, 1 47 48. so bleibt in der erzälung, wie
David die stiftshütte nach Sion bringt, selbstständig nur Paral a 16, 4 — 7.
hier haben wir schwerlich den ursprünglichen text vor uns. es erscheinen
auch hier wieder D^nV»D> D^Ssj, niJa und mviVH, allein die m^TWl sind
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 17
42 den Leviten überwiesen, wärend sie in den vorher angefÄrten steUen
den priestem eigneten, und auch 6 von priestem geblasen werden, auch
daß 4 den Leviten nachgesagt wird , sie seien SSflSl nunSl lOTflbl , föUt
auf, da Paral /? 5, 12 das SSfl allein den priestem zuzustehn scheint: G las
fttr T3tnSl vermutlich D^jnDtt^O = ävafpwvovvtag , was durch das fehlen
von xcui sich als echt erweisen dürfte : 5 ist nach ^Sss wol TK^ ausgefal-
len : freilich G iv iQydpoig = D^SSS. es wird nicht ratsam sein, auf einen
abschnitt, in dem so viel bedenkliches zu tage liegt, irgend welche an-
sichten zu gründen. jedenfaUs auch hier vier instrumente.
Paral a 25, 1 ff ist etwas verlässiger, aber auch in diesem abschnitte
ist der text nicht unbeschädigt, denn von Haeman wird 5 yyp OHflS
ausgesagt, und bei Asaph wird ein Instrument gar nicht genannt, die
redensart pp O^in hat Regn cc 2, 10 Ps [75, 5 6] 89, 18 92, 11 148, 14
Thren 2,17 einen ganz bestimmten sinn (das hom blasen heißt losue 6, 5
\lpi 1ä^ö)j 80 daß unter vergleichung von Paral /? 29, 15 (wo miT <naT3
neben "f?on niit103 steht) nur übersezt werden dürfte: um auf gottes
geheiß [dem könige] mut zu machen. $oUte nicht nach Paral « 15, 16
blp3 D^nS zu schreiben sein? als für die majf zur zeit Davids tätig
werden 1 die söne Asaphs und Haeman und Iduthun, werden 6 Asaph,
Iduthun, Haeman genannt, die instrumente sind dieselben, welche wir
bisher stets gefunden, nur ist ire reihenfolge unsicher : 1 nnj3, D^SsJ, D^nS^TO:
6 D^nViTO, D^Sm, m». vers 6 dürfte das richtige bieten, ich vermisse
die erwänung der nnvixn, die Unterscheidung von Leviten und priestem.
eine wichtige notiz gibt endlich der abschnitt Par er 6, 18 — 32. im
musikantenpersonale des hauses Jahwes werden zu Davids zeit Haeman
der nachkomme Cahaths, Asaph der nachkomme Gersons, Aethan der
nachkomme Meraris aufgezält. die drei hauptabteilungen der Leviten-
kaste sind mithin in der heiligen kapeile vertreten, jnw für pniT be-
gegnet hier zum ersten male.
das ergebnis der bisherigen auseinandersezung ließe sich so zusam-
menfeissen: die CjDK ^3 — Gersoniden — spielten bei der tempelmusik
die D^nSino, die JtD^n 'J3 — Cahathiden — die O^SSJ, die \IVH ^M oder
pniT ya — Merariden — die n"U3. die leistungen dieser drei abtei-
Histor.-phüolog. Glosse. XXVL 5. C
18 PAUL DB LAGARDE,
lungen zusammen hießen nun. U*^2i und mJS fürten den gemeinschaft-
lichen namen ^W ^Ss. den priestern stehn die nnxwn zu: was sie mit
diesen verübten, hieß SSn.
mir fallt nicht ein, in betreff von mitivn etymologische Untersuchun-
gen anzustellen, n kann ^ oder ^, y kann {jo {je Jt> und sogar -b sein :
man kann n»»1 von n»1 ableiten, und zwar als ^Wä5 für ^'r\'m oder
als iV^H^' (Kosegarten grammatica arabica §339, 3 383), oder aber man
kann es zu y^y^ stellen, an einer stelle , an der so viel sandbänke und
Strudel drohen, lenke ich mein schiff vorbei: beobachtung des Sprach-
gebrauchs reicht übrigens für meine zwecke aus.
Num 10, 2 wird ausdrücklich angegeben, zu welchem behufe Moses
die ersten nn»5tn angefertigt hat: WHtDn DH JfDtDSl rxi^n KnptDS if) vn.
es wird Num 10, 7 ausdrücklich vermerkt, daß wer niifWia Jfpn, etwas
anderes bezweckte als wer n'liTIltna Jf^n, und Num 10, 8 erscheinen die
nn^5tn als ausdrückliches eigentum der Aharoniden, oSjf npnS ÜSh Vfl
OO^n'lTS. musik wurde mithin auf den mvixn nicht gemacht: man gab
durch sie signale.
man sollte, wenn man Wörter der semitischen- dialekte vergleicht,
Genesis 11, 6 — 9 nicht vergessen, die dort erzälte sage kann doch nur
auf grund einer beobachtung entstanden sein, und beobachtet wird man
haben, daß die semitischen dialekte, welche für Semiten naturgemäß
als ausgangspunkt der erwägungen dienten, gelegentlich gleichen wur-
zeln und Wörtern verschieder^e bedeutung gaben: daß der Semitismus
^\sXj!o\ besizt. daß wir uns oft — troz der viel genannten türkischen überse-
zung des Qdmüs durchaus nicht immer : denn die bildung der semitischen
idiome liegt jartausende vor unsrer zeit, ist in einer der unseren völlig
unverwanten periode der entwickelung des menschengeschlechts vor sich ge-
gangen, und zwar one zeugen und one deutlich redende denkmäler — daß
wir uns oft die verschiedenen bedeutungen desselben wertes aus einer
einzigen ableiten können, oder aber uns einbilden, sie ableiten zu können,
beweist nichts gegen mich, etwa pit^jf und (j^, üvh und j%^, MK und
<>', TOn und Jm-^5^, Vriin und ^1mo| waren den Semiten gerade in den jar-
hunderten, in welchen sich ire dialekte im großen und ganzen noch
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 19
wenig unterschieden, rätsei, welche sie nicht lösten, sondern auf die
Genesis 11 erzälte weise bei seite schoben.
in betracht kommt auch hier was» ich 6 8 über hH handelnd erwänt habe/
ich lene es also ab, die nach allen seiten auseinander stralenden
bedcutungen von bfl \\oi (jczt auch Numeri xy 19) J^ unter eine einzige
zusammen zu quälen, welche notwendigerweise eine blaß kranke sein
müßte, und seze bfl er leuchtete und Sn er schrie als grundverschiedene
urwurzeln neben einander.
ASprenger lehrt im leben Muhammads III 527 nach arabischen
gewärsmännem, J^ II bedeute »er sagte die formel JJ! iH Jt "i«, hingegen
J^ IV »er sagte AaJ» : über die XxJLf siehe die chroniken von Mekka
I 9, 9 16, 4.
die formel äIH "il äK *i ist islamisch : wenn J^ II heißt sie hersagen,
so wird das eine neue wendung der bedeutung der wurzel sein, welche
selbstverständlich nicht semitisch sein kann, zu bedenken bleibt die
möglichkeit, daß dies ^ aus vV*^ entstanden sei, und f^^ ist eine ab-
leitung eben jener fornxel, gehört also gar nicht zur wurzel JP: ERoe-
diger de origine .... .arab libr v t histor interpr 105 nennt es neben
vJi<L JJuc> vjdjc>> ^Jtx^ vV^S*« d"^^^ J*>^ £^y^' (J^J^ J^-*-^**^«
V\Svnrti ist der gegensaz zu }* >o = Pi^p totenklage^ außerdem der
name einer psalmodie: jblbfl der jüdischen Aramäer das hochzeitslied.
mithin ist sicher, daß "Sfl nicht jeden ruf, sondern den neu erwa-
chendes leben grüßenden, vielleicht den verpflichtenden ruf bedeutet hat.
ich möchte J^ (UAAI ist lehnwort) aus diesem J^ erklären, nicht
aus dem andern, was leuchten übersezt wird, denn ^tXj und ß wie m^
(DC'i.' ^J* (wozu g-5;b) und nno jk^ km» WUC-' ^^^ V^ der Assyrier
und Homeriten sind so dunkler ableitung, daß man darauf verzichten sollte,
irgend einen mondnamen — der gewiß stets zu den ältesten Wörtern ge-
hört — überhaupt, und gar aus einer wurzel leuchten zu erklären : außerdem
ist der neumond bei den Semiten gegenständ religiöser Verehrung, und
von 'vorne herein warscheinlich, daß er mit rücksicht auf diese genannt
worden : drittens hat man, vorausgesezt daß JiL^ alt ist, nicht das recht,
es als einen Infinitiv anzusehen , sondern man muß es mit »^t 'und an-
C2
20 PAUL DE LA6ARDE,
liehen auf Eine stufe stellen, das heißt, qitdl für maqtiil nemen. dann
wäre S^ der mit €>uwJ angerufene.
die priester hätten, wenn sie m^xna iSSn, dem volke angezeigt,
daß sie den irgendwie sich zu erkennen gebenden Jahwe grüßten, wel-
ches analogon der Wandlung im mess-opfer als erscheinung Jahwes ange-
sehen worden ist, darf ich hier dahingestellt sein lassen.
^S ist kein name wie die namen der übrigen patriarchen, sondern
ein adjectiv. ^^h bedeutet sowol Levi wie Levit: zu D^lS ^S vergleiche
D^yTV |TV: es wird Exod 6, 19 ^Sn gesagt wie lud 11, 23 nOKfl und
Gen 10, 16 ^DW^n.
das hauptwort, von welchem ^h abgeleitet sein muß, ist nicht mit
unbedingter Sicherheit anzugeben, da es männliche oder weibliche form
gehabt haben, da es mit Dtt^ von jm*^, mit U von nw, mit riKB = *a^
und 7)Hü = *^9 oder mit AMD occtop analog gewesen sein kann, die Wur-
zel wird i^ oder i^ji sein, ich ziehe lezteres vor, stelle mithin ^S neben
^Q^, welches ich lange vor GHoffmann ZDMG XXXII 753 als mehrheit,
und zwar als mehrheit eines verschollenen 1a^ = Tvh angesehen habe.
ich erinnere, bevor ich weiter schreibe, daran, daß so wenig ein
gotischer könig in Attilas tagen das war, was ein deutscher könig des
jares 1880 ist, ganz genau so wenig ein pa und ^^h am Sinai das ge-
wesen zu sein braucht und gewesen sein wird, was er unter Salomon
und Esdras war: ich erinnere weiter daran", daß wir auf dem gebiete
der Wissenschaft allesammt darauf angewiesen sind zu combinieren, und
daß ich mir in folge davon das recht nicht nemen lasse, ebenfalls zu
combinieren, und meine combinationen auch dann vorzutragen, wann sie
andern nicht gefallen, subjectivität gegen subjectivität: es fragt sich
nur, welche der über das altertum forschenden subjectivitäten dem alter-
tume, das heißt, dem ursprünglichen leben, innerlich am verwantesten
ist: denn diese wird recht behalten.
ich habe, an on^Sjf "Un PnSi Isa 14, 1 und nw^ Sk mSjn "Ojn p Isa
56, 3 denkend, lange die ansieht mit mir umhergetragen, die Leviten
seien diejenigen Aegypter gewesen, welche sich den aus dem Nilgebiete
nach Asien zurückwandernden Semiten angeschlossen haben, denn daß
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 21
Aegypter mit Osaxsiph-Moses gezogen sind, wissen wir aus £xodusl2, 38
(Num 11, 4 ?) : so spät diese Urkunde ist, verdient sie in dieser nachrioht
glauben, weil es gewiß keinem mitgliede des rassenstolzesten und dün-
kelhaftesten Volkes der erde freude machte zu gestehn, daß sein blut
nicht ganz rein blau sei. aegyptische art ist in Israel erkennbar genug :
die erzälung von den paradiesesflüssen (Lagarde armenische Studien § 1 4)
die beschneidung (Symmicta I 117, 2 7 ff) und vieles andere bezeugen es.
die erzälung £xod 2, 1 — 10 braucht keinen andern wert zu haben als
die fabeln der Perser, daß Alexander der große ein son des Darius, die
der Aegypter, daß er ein son des Nectanebus gewesen : war Moses nicht
israelitischer, sondern aegyptischer herkunft, so erklärte sich, warum er
in den* O^^lS, seinen mit ihm gewanderten stammesgenossen, vorzugsweise
seine stüze suchte und fand (umgekehrt, aber doch sehr vergleichbar
die jl»oj\ Muhammads) : es erklärte sich, warum die Leviten die geistige
leitung der israelitischen nation übememen konnten — sie waren eben
als Aegypter im besize einer höheren kultur als diejenigen, mit denen
sie ausgezogen waren — : es erklärte sich , warum die Leviten im ge-
lobten lande nicht als wirklicher stamm auftraten : es erklärte sich end-
lich, was die aegyptischen quellen über den auszug der Israeliten aus
Aegypten aussagen. Symmicta II 35^
Israel ließ in alter zeit die bundeslade vor sich hergehn. die y^
bedurfte eines geleites : die D^^lb mögen die sie geleitenden gewesen sein,
vergleiche Regn fir6, 15/S15, 24.
mag man diese oder jene oder irgend welche andere erklämng des
namens ^iS für warscheinlich halten, mag man D^ns und D^^S für ur-
sprünglich nahezu oder ganz gleichwertig oder ungleichwertig erachten,
das alles gilt in unserm zusammenhange gleich wenig, für den aUein der
umstand von belang ist, daß im cultus zu der zeit, von welcher ich rede,
ü^iTO und D^^S unterschieden wurden.
ich seze meinen versuch fort, in den cultushandlungen einen sinn
zu finden, da ich nicht der meinung bin, daß nur um ire lungen zu üben,
die U^iTO geblasen, nur des Vergnügens wegen . die O^^S musiciert haben.
wenn bSn, das den priestem eignete, semitisch ist, so ist das den
22 PAUL DE LAGARDE,
Leviten zustehende nun nur aramäisch und spät-hebräisch. (^>' und
ÄffPXPl (Dillmann 934) zeigen andern sinn als ^^] und mW: möglich,
daß nach einem systematischen Studium der semitischen Symbolik ein
weiteres Verständnis gewonnen werden wird, wie etwa ^^^^^ n3tt^ er pries
gott sich durch die anname mit g^ er schwamm vereinigen läßt, daß
beim ^^^^ (dies ist natürlich lehnwort) bewegungen, namentlich Stel-
lungen der bände und arme, vorgeschrieben waren, welche den bewe-
gungen der schwimmenden glichen: beachte schon iC^N***^ Lane 1291
Hariri*680, 8 und das Verhältnis, in welchem Ail't'Tfl?P; zu dem doch
nahe verwanten ^joAäJ steht.
mich däucht, nHH bezeichne die Zustimmung der durch die Leviten
vertretenen gemeinde zu dem Jahwen von den priestem gespendeten
grüße, sie ist so vielstimmig und viel tönig wie möglich, um auszu-
drücken, daß alles einig ist, den rum des den Aharoniden sich zeigenden
gottes zu verkünden.
Ij?oZ ist €vxccQ$at(a auch in dem streng kirchlichen sinne dieses von
Suicer* I 1269ff Bingham lat^ VI 230 ff = englisch* V 210 ff behandelten
Wortes, je tiefer die kirche sank, desto mehr wurde U?o2 (und ^V>^) auf
das bekenntnis zu einer dogmatischen formel beschränkt, wärend sie ur-
sprünglich die anerkennung, des offenbarten lebens gottes und den dank
für dasselbe bedeutete.
wenn mir möglich wäre, hier auf die opfer des alten testaments
mich einzulassen, so würde ich besprechen, daß nach Lev 7, 11 — 21 der
D^DStWI nat in drei arten zerfallt, nunn Hat, niJ und nSÜ, und daß, da
nij und nai3 unzweifelhaft auf specialfalle gehn, nun ein generale, der
dank für die gesammte fürung des lebens durch gott, sein muß.
Es wird sich jezt auch ein versuch machen lassen die namen in
den Überschriften der psalmen zu deuten, wenn man Psalm 88 nip ^»S
neben ^nnwn \0^rh liest, und Psalm 39 pnn^b neben UlS, wenn man
in eilf Überschriften nnp yaS findet, so hätte von vorne herein für ver-
boten gelten müssen, diesen formein den sinn unterzulegen, als nannten
sie Verfasser, in der art, in welcher Scribe und Meilhac zusammen gearbei-
tet, haben die mp ^3, oder |0^n mit den nnp ya, oder in mit pn^T sicher
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 23
nicht zusammen gearbeitet, wollte man annemen, in Psalm 88 und 39 seien
zwei ursprünglich allein lebende angaben später'^zusammengeflossen, für
nip ^i2 reicht das nicht aus: niemand hätte meinen dürfen, daß ein
ganzes geschlecht einzelne psalmen gedichtet, etwa wie das apostolische
symbolum aus bekenntnissen der einzelnen zwölf zusammengewachsen
sein soll.
ich vermute, r)DKS wie nip y^S und alle änlichen ausdrücke haben
den psalm der auffürung durch eine bestimmte riege der tempelmusik
zugewiesen, wo dann möglich war, daß ein und dasselbe gedieht sowol
den rnp ^i2 als dem chore des jo^n zuerteilt wurde.
inh ist mir kein hindernis. so gut es in Oxford und Cambridge
Queens' und Queen's College neben Gonville and Caius und Balliol und
Oriel = Oratoriolum , so gut es unter den professoren den ßegius neben
Margaretes und SaviHan und Laud's und Hulsean und Lord Almoner's
gibt, ganz genau so gut konnte im tempelchore die eine abteilung nach
David, die andere nach Aeman oder Core oder sonst wem heißen.
auch das rürt mich nicht, daß eine reihe von psalmen dem Hl*?
zusäze beifügen, welche das gedieht ai^f Vorgänge aus des königs David
leben beziehen, denn einmal sind diese zusäze augenscheinlich wertlos;
David wird zum beispiele, als er vor Abessalom floh, wenn er in dieser
läge überhaupt »dichtete«, Jahwen ganz andere dinge vorgetragen haben
als wir im dritten psalme lesen : abgesehen davon, daß individuelle poesieu
kaum geeignet sind gemeindelieder zu werden, sodann sind die Über-
schriften dem Syrer unbekannt, mithin nicht ursprünglicher bestandteil,
ich will gar nicht sagen, der einzelnen psalmen, sondern: auch nur des
tempelgesangbuches.
es erklärt sich in diesem zusammenhange weiter, wie D^Sfln dem
namen ja-«'j^ ^loioiio iP'Hö^^^'fl plaz gemacht. nSnn — gebildet
wie nSsn Wnn nSnn «/»j SdeSacy§628 01shausen§ 213^ — macht nSpin,
wenn es im eigentlichen sinne gebraucht wird, O^Sfln, wenn es übertra-
gen — nicht in bezug auf den Inhalt, sondern auf die äußerliche Ver-
wendung bezeichnet — werden soll, immer aber wird nSflH und O^Snn TDD
etwas gewesen sein, was auf den tempeldienst beschränkt blieb : was den
24 PAUL DB LAGARDE,
proseuchen zu brauchen verstattet war, trägt, däucht mich, deshalb die
bezeichnung lotö» und diese mußte O^Snn verdrängen, nachdem nach
dem falle des tempels der Sf^ der priester unmöglich geworden, und
nichts als D^IOtÖ noch denkbar waren.
den namen niH^ sprach bekanntlich der hohe priester Einmal im
jare auch zu einer epoche aus, in welcher er sonst durch ^ilH ersezt
wurde : am versönungsfeste. es ist in der Ordnung, daß die HDS W THSiH
den iViA^j hausvätern schon erlaubt hat, als die priester noch im tempel
des SSn warteten. Israel steht in der meinung der damaligen theologie
dem nicht-Israel so gegenüber, wie der pa dem y^HT\ DJf, dessen beauf-
tragter Vertreter der ^)h war: der nOS ist der geburtstag des priestervol-
kes, daher jedem Israeliten an ihm der v)-J^' wenigstens dem namen nach
verstattet wurde.
Sehen wir die stammlisten Paral cc 6 näher an , so ergibt sich, daß
von Levi bis auf Aethan (Levi und Aethan selbst mitgerechnet) 1 4 glieder
gezält werden: von Levi bis Asaph sind irer 15, von Levi bis Haeman
22, wärend die hohenpriesterliste von Levi bis auf Achimaas, den Zeit-
genossen Davids, der also auch zjeitgenosse von Asaph, Aethan und Hae-
man sein müßte, 1 5 geschlechter aufweist, daran kann kaum gezweifelt
werden, daß man in Israel über die reihenfolge der hohenpriester na-
mentlich in der zeit vor Saul bescheid wußte : daß Achimaas der eilfte
hohepriester — ich sage nicht: nach Aharon — war, scheint mir eine
sichere tatsache. die eilf geschlechter der Aharoniden, welche zu Da-
vids zeit gezält wurden, geben eine gewär dafür, daß die genealogie
Aethans und Asaphs im wesentlichen richtig ist, da sie ungefar ebenso
viele glieder zwischen der zeit Davids und den anfangen der israeliti-
schen geschichte rechnet wie die genealogie der Aharoniden. zugleich
aber sehen wir, daß die auf Haeman auslaufende reihe falsch sein muß :
es sind in ihr 7 oder 8 namen zu viel, doch können wir noch hinter
die warheit konmien. Haeman ist ein enkel Samuels, und Samuels
Stammbaum ist auch Regn a 1 , 1 erhalten, ich neme an, daß von Elcana,
dem Vater des großen Samuel, merere genealogien umliefen, die Paral
a 6, 18 — 23 (wo Elcana dreimal vorkommt), statt als Varianten neben
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 25
einander gestellt zu werden, über einander geschoben sind, im volke
wußte man oflFenbar das geschlecht Samuels nicht über die namen hin-
auszufuren, welche in diesen Varianten genannt werden: diese namen
allein halte ich für die namen von einzelpersönlichkeiten : was Paral a
6, 22 und 23 über sie hinausliegt, sind eponymen von nSK ^M, die von
gelehrter forschung dem wirklich bekannten Stammbaume aufgesezt wur-
den, ich schreibe die namen, welche ich für identisch halte, unterein-
ander : in der lezten reihe sind die obersten glieder in der Urkunde ver-
steUt: ^tt^oy und n^ntjf sind das eine aus dem andern oder beide aus
einem dritten verlesen:
r^iphn bw^ iriTy n^M» x nnn
80 verUeren wir 8 namen, und finden, daß Haeman als der vierzehnte
von Levi im hause Cahath gegolten hat, ganz wie Aethan als der vier-
zehnte von Levi im hause Merari galt, und Asaph der fünfzehnte von
Levi unter den Gersoniden sein woUte.
mich däucht, wir sind mit den namen Asaph, Aethan, Haeman als
den namen von musikmeistern unter David durchaus auf geschichtlichem
boden. das haus Samuels ist schwerUch nach seinem höchsten glänze
so tief in den schatten getreten, daß seine angehörigen der nation aus
den äugen gekommen wären: Haeman, Samuels enkel, wird sich nicht
anzweifeln lassen, das gleichweitreichen aber der Stammbäume von Hae-
man, Aethan und Asaph spricht für die gleichzeitigkeit der drei, also
auch für die geschichtUchkeit Aethans und Asaphs. man wird im zusam-
menhange dieser tatsachen den namen pH* fOr echter halten als den an-
derswo an seiner steUe erscheinenden pniT.
Regn y 5, 1 1 heißt Salomon weiser als SaSai JO^m ^rhTH?1 \r)^H
Simo ya ymi? wobei dahingesteUt bleibt, ob diese vier gerade Zeitge-
nossen Salomons waren : man sollte es fast nicht denken. Sino ^J3 Ueße
sich wie l^tt^n UM Eccl 12, 4 deuten, und neben ^Sno = MooXbi, steUen.
die stelle erläutert und ergänzt sich aus Faral er 2, 4 if. dort hat
Histw.-philolog. Glosse. XXVI. 5. D
26 PAUL DB LAGARDE,
mr, ein son des erzvaters Inda, fünf söne jmi SsSsi \0^m |nW not.
weiterhin erscheint nD"0 |3 "Dy als naher verwanter der ebengenannten.
dadurch kommen wir auf losue 7, 18 und nnt |3 nat p nsna p }3Jf
rmm p.
offenbar sind wir in einem ganz andern Überlieferungskreise als
vorher, dort Leviten, hier ludäer oder aipvioi : dort namen, die in erb-
ämtem sich erhalten haben, hier namen, die halt- und zeitlos in der
luft schweben, oder aber im höchsten altertume unterzubringen sind,
der Verfasser der Urkunde, aus welcher Paral «2,4 Regn y 5, 1 1 geschöpft,
hat offenbar von Aethan und Haeman als Stammvätern zweier für den
tempeldienst wichtigen familien keine kenntnis: er kann diesen tempel-
dienst selbst nicht kennen, da Esdras CjDK ^3, also im gründe alle drei
familien nennt, werden wir zu dem Schlüsse berechtigt sein, daB der
Verfasser von Regn y 5 Par a 2 zu einer zeit geschrieben hat, in der
vom tempeldienste keine rede war, also nach 586 und vor 450.
der name |n^» ist nun völlig gesichert, da ihn zwei von einander
unabhängige Überlieferungen bieten, die vergleichung dieser Überlie-
ferungen ergibt aber noch mehr als das negative resultat, daß pniT
unhaltbar ist.
Da unmöglich jemand zu gleicher zeit von väterlicher seite von
Levi und von Inda abstammt, kann ^fTITKn p^K nicht wohl ttVH der
Levit sein, oder wir müssen unsere bisherigen ansichten über die Le-
viten aufgeben.
nach der darstellung der Genesis 3 8 hat Inda von der Thamar zwei
söne, |ns und n"IT : lezterer hatte eigentlich anspruch auf die erstgeburt,
allein sein zwillingsbruder sah tatsächlich das licht der weit vor ihm.
■nsn ist das land, welches von den yolptxsg = DHOn ^^oipbnj genannt
wurde, in diesem sollte von rechts wegen rnt die erste rolle spielen, das
heißt mW, der autochthone, Lev 16, 29 18, 26 vgl Ps 37, 35 : tatsächlich
aber ist |nB herr, das heißt, der gewaltsam eingedrungene fremde, der
>lflöiif ff? wie die bekannte Inschrift bei Procop BavdiX /? 1 0 den losue nennt,
allein Israel vermochte nicht die ureinwoner völlig oder auch nur zum
größeren teile auszurotten, und so wonten Phares und Zare als zwillings-
ERKLÄBUNG HEBRÄISCHEB WÖBTER. 27
brttder nebeneinander, heißen JtD^^ und |ri^M Ps 88, 1 89, 1 Regn y 5, 11
^mtK, oder heißt rnt Paral a 2, 6 der vater von Haeman und Aethan,
80 bedeutet das, die — wie wir anderweitig wissen, im tempeldienste
an hervorragender stelle bediensteten — familien Haeman und Aethan
waren keine Israeliten, sondern Phoenicier. sie galten aber als rnin^ ya,
weil ire wonsize in dem Inda zugewiesenen gebiete lagen, sie konnten
aber auch D^^S heißen, weil sie ämter beim gottesdienste bekleideten,
die celtischen Halloren zu Halle gehören politisch zur provinz Sachsen,
halten sich für Deutsche, und könnten, da sie seit unvordenklichen zel-
ten das recht und die pflicht haben, die in Halle gestorbenen zur gruft
zu befördern, auch kirchendiener genannt werden.
V^n n mit dem objecte rfntt^ bedeutet Gen 41, 14 Regn /? 12, 20 er
vertauschte = ijXJlaSs. die Syrer brauchen ihi* <*^Nm n ebenso, nament-
lich gilt inen <^Sm H vom wechseln des geldes: PSmith hat aus sei-
nem Cyrill 367, 16 Vamo < i*^\ »aV> äQyvQa/io$ßot citiert: ich berufe mich
auf meinen Epiphanius § 54, 25. das n der Wurzel lautet im arabischen ^.
von V^n II bildet sich das von Buxtorf 772 behandelte V\)hT\ aXXayfAa.
die phoenicische gestalt dieses Wortes erkenne ich in i vyv xöJLJLvßog
dJLÄayii lulius PoUux C 170, xoXXvßw JUnwp n vofAUSfidtiw derselbe ^72.
die consonanten sind, da x^^^^9^S für Griechen so unhörbar und un-
sprechbar war wie S^Qtx^, verändert worden, vgl Sdtpaxog mit nDSn.
in FPassows wörterbuche finde ich H 1777* der fünften ausgäbe
die bemerkung »das wort soll phoenikisch seyn« : alle näheren angaben
fehlen.
Unabhängig von IClericus habe ich im Januar 1868 mn^ als ein
causativum erklärt: siehe meine Symmicta I 104, 8 ff psalterium iuxta
Hebraeos Hieronymi 153 — 158 armenische Studien § 214.
da man den für solche entdeckungen als publicum in betracht
kommenden leuten alles doppelt und dreifach sagen muß, bemerke ich,
daß erstens infecta der vierten form durchaus keine »der alten zeit
fremde abstraction der namenfiindung« voraussezen, wie die von mir 1874
D2
28 PAUL DE JUA GARDE,
angefurten, ausgiebig concreten beispiele yn^ ^iWaSi cX^am^ vXaSs^ i^jJoäjt
hinreichend erhärten:
daß zweitens es nichts gegen mich beweist, daß ein causativ von
n^n = mn im hebräischen nicht vorkommt, man nimmt den mund voll
wie ein commissionär, wenn man sagt »in den jartausenden, die wir über-
blicken können, nicht vorkommt«, denn das älteste stück hebräischer
spräche, welches wir übrig haben, ist die um 900 vor Christus fallende
inschrift des Mesa — von David oder gar von Moses ist uns sicher keine
zeile übrig — : die hebräische spräche geht durch das babylonische exil,
also nicht vierhundert jare nach jener inschrift, als lebende spräche unter:
nur technische formein dauern noch in der talmilDischen epoche : der
gegen mich angerufene Aharon der son des Elias aus Nicomedien sprach
als muttersprache neugriechisch, schrieb um 1350 unsrer aera hebräisch
nicht anders als ein heute lebender pandit sanskrit oder ein italienischer
priester lateinisch schreibt, und beweist für den Sprachgebrauch Davids
oder Mosis genau gar nichts: es fallt uns also gar nicht ein, »jartausende
des lebens der hebräischen spräche überblicken« zu können, allerdings
stammt die punctation des jüdischen canons schon aus dem siebenten jar^
hunderte unsrer Zeitrechnung: von einem in dem unpunctierten talmÜD
vorkommenden ausdrucke weiß kein mensch, wie er im altertume ge-
sprochen worden, also auch nicht, zu welcher form ein talmünisches mno
zu ziehen ist. von ^tf gibt es kein ^1^!, obwol von dem mit ^tf identi-
schen p ein l^an alltäglich war : umgekehrt braucht man c^', wenn schon
iVTHn imbelegbar bleibt, man könnte meinen, es liege in der natur der
dinge, daß von einem zur copula gewordenen zeitworte ein causativum
gewönlich nicht gebildet werde, sondern wenn es vorkommt, emphatischen
Charakter tragen müsse : man könnte sogar das fehlen von ninn und der
übrigen formen der vierten als beweis dafür ansehen, daß T))iV als cau-
sativum gedacht wurde: dann würde der heilige name gehindert haben,
die Wurzel in der form zu brauchen, welche ihn hervorgebracht hatte:
daß drittens nach altem sprachgebrauche die zweite und die vierte
form des verbums sich überall erheblich von einander unterscheiden:
daß mithin, wenn wirklich ein nifl II im talmÜDischen eherechte vor-
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 29
handen war, dies so gewiß nichts gegen die existenz von mn IV beweist,
wie qL^ II gegen die existenz von qL^ IV :
daß es viertens eine petitio principii ist, gegen oder fdr eine deu-
tung von nin^ daraus zu argumentieren, daß mn^ alt oder aber jung sei-
wir wissen, daß könig Mesa um 900 vor Christus den mn^ als den
israelitischen gott dem tM33 als dem moabitischen entgegengestellt, daß
der hexateuch als ganzes der zeit des Perikles angehört, daß über das
alter der abschnitte Exodus 3 6 mit Sicherheit nichts behauptet werden
darf, darüber, ob JVSV ein aus dem Semitismus überkommener ausdruck
oder aber ein theologumenon ist, und darüber, welcher zeit er angehört,
falls er das leztere wäre, darüber wissen wir aus unsem Urkunden nichts,
vorausgesezt, daß wir diese Urkunden mit der andern Urkunden gegenüber
überall geforderten kritik benuzen, vermuten läßt sich, daß nW nicht
semitisch, sondern ein israelitisches theologumenon, und zwar kein beson-
ders altes theologumenon ist. denn mn^ mag zur ersten oder zur vierten
form gehören, immer nimmt man als die dem mn zukommende bedeutimg
sein an. mn hat aber gar nicht ursprünglich die bedeutung sein^ sondern
die bedeutimg fallen, darüber hat ASchultens im jare 1748 zu Pro-
verbien 10, 3 gehandelt, und WGesenius im jare 1829 im thesaurus 375
geschrieben, paene recepta opinio est, primam significationem esse in
cadendo, so daß es unzulässig ist, für diesen gemeinplaz HLFleischer
als vermeintlichen entdecker aufzulohen, es muß also mn schon in me-
taphorischer bedeutung üblich gewesen sein, ehe es einen gottesnamen mn^
hergeben konnte, in semitischer zeit würde mm als IV den faller, als I
den faller bezeichnet haben, lezteres würde höchstens passen, wenn man
mm als baetyl, ersteres nur, wenn man mn^ = S^BtD als gewittergott an-
sehen wollte : für keine der beiden ansichten haben wir eine empfehlimg.
folglich ist mm ein theologumenon.
es gehört eine übermenschliche geduld dazu, gegen üblen willen
zu kämpfen, wenn er mit einem so ungewönlich großen maße von leicht-
fertigkeit und Unwissenheit vergesellschaftet ist, wie in dieser firage zu
tage tritt.
vergleiche Lagarde Symmicta II 221.
30 PAUL DE LAGABDE,
was den vokal anlangt, mit welchem das infectum der ersten seinen
praeformanten ausspricht, so sollte man einsehen, daß bei den Hebräern
nicht alle Zeitwörter über Einen kämm geschoren gewesen sind, soge-
nannte gutturale können beigetragen haben, einen fremdartigen vokal zu
erhalten, geschaffen haben sie ihn nicht: so wenig HX^ sein a dem M
dankt oder BH^ das seine dem n oder ma^ das seine dem n — wir ha-
ben eben verba mediae i vpr uns — , ganz genau so wenig rürt das a
von nnr^ und anderen bei Olshausen § 240* verzeichneten von n oder
p her. vielmehr wie 3t8f^ = v^ den praeformanten des imperfects mit
1, Dp mit a, SSM mit ä, btM und nriM mit i sprechen und seit unvordenk-
lichen Zeiten sprachen — die Aegypter werden es uns noch einmal er-
weisen — , ganz ebenso ist bei Hin den Hebräern die urform des imper-
fectum YfflWAY noch in späten tagen geblieben und stets von [yahwi oder]
TAHWE so wesentlich verschieden gewesen, daß nicht etwa ein tahwb ein
archaisches TrawB hat sein können.
■O
Da die arabischen Wörterbücher unter ji' ein hauptwort Jf auff^en,
welches ein maß trockner dinge bezeichnet, scheint zweifellos, daß is
mit j^ identisch ist.
Zamaxiiari sagt in der s^'ÜS iUAJU nur (J^ ^j^y^j^^ wo (j^ = g|L»o «A^^Müft,
so daß der ji' 720 ^ wäre, der Qämds I 647 beschränkt das wort auf
IrAq m ^yMij\^ IjJö oi^^^^j^j^^^ ^^ d^J^ ^^ r^^/^ woraus; zu fol-
gen scheint, daß die xanl9fi = xanij^ig = jfJi^ = ^mal|^i = psp = j^
Lagarde armenische Studien § 1108 Symmicta H 128 BZuckermann das
jüdische maßsystem 38 — 40 sich zur aQtäßti so verhielt, daß 60 X€cn(&ai
= 40 äqmßm waren.
da Lucas 1 6, 7 xoqos vorkommt, und da G auch an stellen, in denen
nicht "O, sondern "lon im urtexte steht, xoqos verwendet, ist gewiß, daß
der "O auch in südwestAsien, nicht bloß in Babylonien üblich gewesen ist.
dies folgt, die richtigkeit der gleichung "O = ^ vorausgesezt, auch
daraus, daß die Griechen xoffog mit Einem q schreiben, denn wenn otj>
= ^ = pn KccQQa&j das arabische ntD = ^ fivQQa lautet, wird xÖQog =
•D derselben landschaft angehören, welche nTJf Tafa, nv Tvffog^ n^as
ERKLÄBUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 31
KdßetQog, ü^TO KCnop^ "UD XirvQaj na ßd&og oder ßdzos, 13 xddog^ 3p xdßos
sprach, das heißt, es wird in Palaestina zu hause sein.
Epiphanius 21,7 allerdings leitete 13 nicht von y^, sondern von rn3 ab.
YU seinem x^Q vergleiche die glosse in meiner Genesis zu 2, 13. jHyBteci,
meint Epiphanius', dno tijs rov ßovvai vnoSiaecog* X^Q^ Y^9 xaAeltai
ßovpog* ßovvia&iriBg yaQ ol tQidxopta /uddiOi nowvai, g>oQtfop xafiijXov.
Up ist vorhanden. Elias von Nisibis in meinen Praetermissa 79, 100
erklärt es KliAil f\jh : die vokale der handschriften habe ich nicht ange-
merkt. GHofFmanns glosse 4853 spricht X^Q^^' von weizen und gerste
— roggen und hafer wurden eben nicht gebaut — bedeutet dies x^Q^^
was von stroh — abfall, sollte ich ftlr uns verständlicher sagen — auf
dem worfelplaze gereinigt und an Einer stelle gesammelt wird (il^jXa
besen) = sLäjl« iClaJ^ oder ^5^". des in Palaestina geborenen Juden Epi-
phanius landsmann, der die Paralipomena ins »chaldäische« übersezt hat,
gibt /? 3 1 , 6 nony durch pin^3 : andere landsleute, C *C', Exodus 8, 1 4 [=10]
Numeri 11, 32 ontDn durch pin3, das im Exodus den vokal a fttr sein 3
erhält, mithin genau zu Epiphans x^9^^ stimmt, schon der alte Ascher
hat die von SDLuzzatto 54 bestätigte bemerkung gemacht, daß der
traktat omj in der spräche von den übrigen traktaten des talmilD ab-
weiche: SDLuzzatto nennt omj und nnj palaestinisch , und omj 19*
steht ^•O ftlr häufen. Nathan ü^p* (1532) gibt nichts näheres, bemerke,
daß für ^p Exod 8, 14 nach FFieldhexaplaI163 eine glosse nötig ist, mit-
hin v^P später oder in manchen gegenden unverständlich war. PSmith
1806 1807.
(j?y in Hoffmanns glosse ist der plural des im spanischen nach
Dozy-Engelmann * 9 3 als alcora fortlebenden «y , das sich zu ^ ly ver-
hält wie äUi zu LäJ: was Kosegarten § 656 bietet, genügt nicht, weil JUt
XJU UjSi schwerlich fttr H^l 8>u h^ stehn, also nur 8/ und 8;! für die
regel beweiskräftig sind: WWright* I § 299® nennt allerdings wie Kose-
garten 5^5 jJiM» XiLft, aber Kjü iüü äU^ daneben, man denke noch an 8^ und
Uyi. der plural (j?/ von «y hat seine analogie an ^yü von WJ : da «y —
pedantisch gesprochen — für »jy gilt , vergleiche man auch ^^ J^ ^
von y^/ M^ ^. man lese auch Olshausen § 147^
32 PAUL DB LAGAßDE,
ist nun h^ von \/ möglich, so ist y one taSdid von ly wenigstens
höchst unwarscheinlich, denn O^ stammt nicht von I^Xj, sondern die spä-
tere spräche, welche trilittera als die regel erachtete, hat so getan, als
stamme es davon oder von vXXj.. allenfalls darf man mit Olshausen 146*
^W = Kß^ herziehen : bedenke ijf von Icke : das von Olshausen 159 verzeich-
nete Ttt^ lobs = i^sM würde genau zu "O stimmen, nimmt man diese er-
klärung an, so würde das bb des iraqischen y wie das dd des von Flei-
scher in den glossis habichtianis I 9 belegten, mir aus christlich arabi-
schen handschriften sehr geläufigen sXj^ = yadd anzusehen sein.
für die durch Epiphanius überlieferte erklärung des "O mag iren
Urhebern gesprochen haben, daß xoQog Levit 27, 16 Num 11,32 Ezech
45, 13 von G für non gebraucht, und ontDH Exod 8, 14 [=10] den sinn
von &fifAij9vla hat, welches ^tifiiOpCa A@ lob 21, 32 G lob 5, 26 (dieser
mit SXa}pog) für tSfna, G Cant 7, 3 für TWHjf, also so brauchen, wie Epi-
phanius es für sein x^Q^^ wünschen muß: atogig dgay/ucrwr Hesychius.
^ wäre wie lOT\ hau/en: erst danach ein bestimmtes maß.
G gibt Sophonias 2, 9 nSo ÜDt) &fi/i(OPla &X(ovog^ wo c aXog hat:
SBochart hierozoicon y 16 = opera® II 872 weiß von der lesart &Xoi}\¥og'\
nur aus Jf {y^^^ *^j*)9 da er c oder einen abdruck von c benuzt, erläu-
tert aber TTOO Sijfifopta aus pina C* C Exod 8, 10 [=14] und dem tal-
mÜDischen ^"O. ich weiß, daß die classiker d:fifiopid gesprochen haben sollen.
^rh = Xs&ix.
Epiphanius erklärt 21, 8 fnaq/ia. Gesenius im thesaurus 764 läßt
Tnb ab effundendo gesagt sein, was FMühlau und WVolck wiederholen :
die etymologie steht mit der bekannten des lucus a non lucendo auf
Einer höhe. ERoediger hat 96 zu Gesenius nichts nachzutragen gefun-
den, und Mühlau und Volck wissen, trozdem BZuckermanns buch über
das jüdische maßsystem schon 1867 erschienen ist, noch 1878 aus 45 46
desselben nicht, daß der talmÜD ^nb merere male braucht.
Epiphans hiaQfia erläutert sich aus der von Zuckermann citierten
stelle KjnrO N33 80^ welche jeder jezt in ASammters übersezung 80 xmd
in IMRabbinowicz l^gislation civile du Thalmud ITL 355 nachlesen kann,
es wird Ionen Abülwalld 360,9—12 anzusehen, dessen fj>\SiS\'i:^ij^
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 33
= den nWpJW ni»0 WW) O^bSm a Salomon Parchons 34* sind: das heißt,
der na = ItDn ist auf 7200 unzen gerechnet, denn der ^nb ist der halbe
•O = non. wenn Abülwalid den ^nb für den gJB erklärt, so muÄ Lane
2437* verglichen werden, bei dem fiJ^\ ßS sich aus Epiphanias § 21, 19
erläutert. AMerx hat in seinem archive I eine jüdisch-arabische über-
sezung des Osee veröffentlicht, in der ^ön = v^^ [f/»/»*- Lagarde arme-
nische Studien § 536] und ^nS = vJ^*ai ist.
die Wurzel ^nS existiert im syrischen, one daß ich absähe, wie sie
zur erklärung unsres wertes zu nuzen wäre. Hoffmanns glossen 5287
—5290 1955 7203 Athanasius 33, 16 46, 1 Praetermissa 113, 10.
Nach dem vorgange von Philipp Buttmann (mythologus I 152 ff)
imd ChrKIBimsen (es genügt sein bibelwerk, bibelurkunden 1 51ff, zu citie-
ren) stellt man aus Genesis 4 5 jezt vielfach folgende tafel zusammen
TW
mrp
erjK
on»
p?
S«SSno
nSenno
Stnno
und macht darauf aufmerksam, daß die listen zwei namen, *pn und *^b,
geradezu gemein haben, daß |^p dem p^p, m^Jf dem IT, Sk^TO dem
bttSbmo, biWintD dem nStJ^ntD sehr änlich sehe, man schließt aus diesen
tatsachen, daß die hebräische überlief enmg ursprünglich nur Eine ge-
nealogie der ältesten menschen gehabt, und erst später, nachdem sich
in diese genealogie Varianten eingeschlichen, zwei listen entstanden seien.
zuvörderst muß bemerkt werden, daß G in allen echten texten einen
bttenno gar nicht kennt, sondern den vater des Lamech, der von Cain
abstammt, ganz wie den vater des von Enos hergeleiteten Lamech nSttfino
nennt, wodurch die Übereinstimmung noch größer wird.
Genesis 4,18 JUad^ovaccXa = A&«i«<rfc«.A«. (auch die pariser handschrif-
Histor.-phüolog. Glosse. XXVI. 5. E
34 PAUL DB LAGARDE,
ten nach AFalle t one Variante) = W^uiß-nLuutqm (fast so auch der unter
Ephraims von Edessa namen laufende armenische commentar 36, 15) =
(^'Ptt\l' in einem scholion von b, welches ich auch in meinem r ge-
funden, lesen wir: naQa toig ißdo/uijxoyta Ma&ovaäXa xslxai. tovto d%
nXdvfl yQaq>$xtj icii. i yaQ Ma&ovaäXa ix rf^g avpeatuiaijg yereäg iatl tov
JSij&. 8 [+ yaQ r] äno tov Käiv Ma&ovaaXa xaXsirm, og i^oig^ctai /iura
riSv XomdSr. diese worte stehn unter der aufschrift äd^Xov auch in der
catene des Nicephorus I 116, wo nur der nachkomme Cains MaSovaaXä
geschrieben wird, dieser scholiast will also den frommen und den gott-
losen durch den accent unterscheiden: später ist man dreister geworden,
in Holmes 130 hat der rand mit roter färbe nagd tolg o Ma&ovaaXa
ix€$TOj S naQadi(OQ&waafi€P, yQag>iXtjp evQOPtsg nXdpijp oiaap. b yaQ Ma^
&ovaaXa vlog iativ tov 'Epoixy i^ ^ff avpeavoiaijg yspsag mip and tov ^Addfi,
6 di MaSovaarjX änoyopog (Sp tov Kdip i^ÖQtctog äno t<3p Xomdp %w¥
optwp xt§. ziemlich dasselbe soll unter dem namen des Origenes codex
127 geben. Holmes merkt aus 16 130 134 Ma&ovaariXa, aus 71 Jlfe-
S'ovacnjX an: et sie in primo loco cum ijX a manu secunda in rasura, in
secundo loco Ma&ovaariXa 131. ich habe in meinem r fia&ovaaijX als
correctur des MCrusius gefunden, der Syrer Cerianis hat das bei ihm
zu erwartende ^Iaoaso (monumenta H 16).
ob bei losephus a 2, 2 in allen handschriften Ma&ovadXag gelesen
wird, hoffen wir aus BNieses ausgäbe bald feststellen zu können. Philo
TiBQlKdiP ixy6p(ap 21 (= I 239 Mangey) hat nicht allein Ma&ovaaXa auch
unter Cains nachkommen, sondern erklärt sogar iSccnoatoXi] tov &apdtov :
da T\hte in G oft genug durch iSanioteiXs gegeben wird (KKircher 1992flf),
ist völlig gewiß, daß Philo Genesis 4, 18 nicht SsB^WtD, sondern nStJ^no
gelesen, ein scholion in meinem r Ma&ovaaXa &dpatog i^anoaxBXXofiBPog
will auf dieselben Vokabeln hinaus, welche Philo suchte. MccSovaaXd
in meinen Onomastica I 203, 11 geht nach dem accente auf den Cainiten:
die übersezung did nQoawnop XaXfjaag^ dneataX/uiPog ist nicht ganz ver-
ständlich. Hieronymus sezt ebenda I 8, 10 eine glosse Mathusale mortis
emissio (so FH, concussio B) vel mortuus est et interrogavit zu Genesis
5, 21 — einer stelle, in welcher n^B^WO von niemandem bezweifelt wird:
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 35
das mortuus est et interrogavit entspricht ebenso augenscheinlich dem
hnw ntD = SsB^intD der Genesis 4, 1 8 im synagogentexte und bei Origenes,
wie mortis emissio das zu Genesis 4,18 alter lesung gehörige iSceTioinoAff
zov ^avdtov Philos ist.
über den SK^intD oder Sw^^ntD unsres textes ist vorläufig nichts un-
bedingt sicheres zu sagen. Philo n^fii Kdtv ixyovwp 20 (= I 238) er-
klärt den namen, welchen er — oder tun es nur unsere drucke seiner
werke? — MsriX schreibt, durch ccn6 fco^ff &hov, hat mithin Sm ^^ntD in
dem namen gesucht und Genesis 4, 18 unzweifelhaft nicht SsSbno ge-
lesen. Hieronymus OS I 8, 9 folgt dem Philo, wenn er außer quis est
dominus deus = htH Tt^ Klfl ^ü zu Mauiahel ex vita deus sezt. bei
Theophilus an Autolycus ^S 3 0 hat die venediger und hat die oxforder hand-
schrift JtffiijJl, wo Fell und Wolf MaXeXBtiX haben drucken lassen. MmrjX^
was mit MerjX identisch ist, bieten bei mir Acmr, eine fülle minuskeln
bei Holmes, und der Armenier, dem Sw^intD entspricht so ziemlich MaovitiX
meines E, aus dem mir Ds juaovia und das bei Wilkins (aus dem hun-
tingdonianus 33?), in folge davon bei mir, und in einem pariser codex
Fallets auftretende aicot**^ verstümmelt scheint (A wurde A gelesen),
ob wol Cyrill I 2 1 ® einen nominativ Maavtas und einen accusati v Maovtap
vorfürt, hat aber Holmes recht, die glosse seines 130 Maov^vctp wQy
forte pro w^iy = wQiy€$^rig zu deuten, so würde MaovtariX (denn das
muß fiaov^vav meinen) eine correctur des dritten jarhunderts sein, für
welche ich es von anfang an gehalten habe : MaovfjX und MaovitiX wären
ebenso Verstümmelungen dieses origenischen MaoviarjX wie das schon
erwänte Maovia-g CyrilLs.
diesem MsriX und MaoviaijX steht nun in abz MaXsXsijX, bei dem
Aethiopen <^AAÄ>AI» i^ Fallets Gopten jüLeAeAenA gegenüber, welches
dem sethitischen bKbSntD ganz genau entspricht, mindestens also ist er-
wiesen, daß ^K^intD nicht die einzige lesart in Genesis 4, 18 war: da
wir schon drei namen in den beiden listen identisch fanden, und die
anname unmöglich scheint, daß in alter zeit ein Sethitenname absicht-
lich in die Cainitenreihe übertragen sein sollte, möchte ich Genesis 4, 1 8
SMbSntD für ursprünglich erachten.
E2
36 PAUL DB LAGARDE,
ich kann mir auch denken, warum SkSSiio in Genesis 4, 18 besei-
tigt wurde : der name klang für einen Cainiten zu fromm : ist die deutung
des Sk^TO oder Ss^^ntD von gott geschlagen richtig, so spricht sie für mich,
denn einmal wird der frechste gottesleugner — und als solchen dachte
man sich ja jeden Cainiten — sicher nicht ein neugeborenes kind von gott
geschlagen nennen : das kann nur ein diaskeuast oder ein lexicograph für
möglich halten, sodann ist nno er schlug ein Aramaismus : U*^ = \joj^
steht für yntD und ist von nntD = ^ himmelweit verschieden, nur ein
ganz später Hebräer, dem aramäisch muttersprache war, war im stände
bw^inü von gott geschlagen zu bilden : die Variante bw^^no scheint ursprüng-
licher, da bitOp aramäisch ^M^ lautet.
die Elohim - Urkunde ist es, welche diesen Sprachfehler begangen
hat: sie muß aus aramaisierender zeit stammen, wenn G Genesis 4, 18
wirklich McckeXeriX gegen MaovicnjJi oder MetjA bevorzugt hat, ist die
Cainitenliste ihm nicht bloß aus dem buche, sondern aus dem leben be-
kannt gewesen.
mithin ist fast gewiß, daß nach G die beiden listen nicht zwei, son-
dern vier namen identisch haben.
dieser umstand gewinnt dadurch an bedeutung, daß G sich im
namen T)^ als höchst unterrichtet erweist, denn Fatdad kann seines y
und seines a# wegen nicht lesefehler, sondern muß alte überliefenmg sein.
Faidad ist eigentlich one Variante überliefert. im armenischen
Ephraim I 36, 15 ist fA-*^»^ leicht aus f/A-i/.»^ hergestellt: yaXda amrande
meines r ist wol nur schreibefehler, ebenso r^ii'ÄAA einer handschrift bei
Fallet, yatdag bei Theophilus an Autolycus /? 30 würde, wenn es auf
handschriften beruht, graecisierung von ya$decd sein: t'yl'pb'tyt der Ar-
menier ist ein offenbarer fehler, zu dessen entstehung Ti^Jf Hs und
Cerianis ?j-i'^ mitgewirkt haben mögen.
Philo negl Kdiv ixydvwp 19 (1237) erklärt noCfiviov. dies beweist,
daß Philo HV)f in einem hebräischen codex gelesen, imd das vermeint-
lich oder wirklich gesehene yVjf in einem wirklichen wörterbuche nach-
geschlagen hat. "ny ist oft durch not/ipiop übersezt: von Faidai konnte
niemand auf nofupiop kommen.
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 37
Wie losephus den namen gesprochen hat, werden wir durch BNiese
lernen, a 2, 2 liest man lagsdrig^ in der lateinischen übersezung larad:
ich vermute AiQadijg sei das richtige, hat losephus laQsdfig oder iagad
geschrieben, so würde iTJf der Cainiten mit TV der Sethiten sich decken.
Hieronymus hat TTJf, wol wegen der abweichung der hebräischen
von der griechischen form, in seinem onomasticum ausgelassen, denn
da die drei namen Irad Iram Iras in den verschiedenen handschriften
dieses onomasticum an verschiedenen stellen stehn (in FH zwischen 2S\^
Gen 10, 29 und natt^^ Gen 11, 29 — wo sie alle drei unpassend sind — ,
in B zwischen nn^ Gen 36, 40 und SkIO^ Gen 46, 10 — wo wenigstens
Jrad nicht geduldet werden durfte), so wird der Schluß erlaubt sein,
daA sie als zusaz eines gelehrten lesers, welcher sie vermißte, am rande
eines exemplares nachgetragen waren, und von da her in verschiedenen
abschriften an verschiedenen pläzen eingeschaltet worden sind, auch
die erklärung von lV)f durch civitatis descensio (TJf und yv) stimmt
nicht zu dem sonderbaren Fmdad t^rsix^afAivri Onomastical 180, 54 (woher
das femininum?), dürfte also nicht alt sein.
G hat durch sein Fmdad bewiesen, daß der name ihm noch aus
lebendiger Überlieferung bekannt war. yojuoQ = ^ü)f {j^^ dpay/iccta
Psalm 128, 7 in JfPjf^ vgl Jf^j^*^, C 1 29, 7 ntDJttD), XodoXXoYOfioif = nojfbma,
BagyccX = bjfin (sollte QaJLyajL aus 0adyajL verlesen sein? jedenfalls
haben alle zeugen y für Jf), Psy/na = ntDJfl, Fo/iOQQa = mtDJf, Fd^a
= ntjf, Fat. = iy, Soyoga = njfV, FmßaX = Sa^Jf lehrt, daß diese
namen den ältesten übersezern nicht bloß aus der rolle bekannt waren,
welche sie zur Übertragung vor sich hatten : die namen sind also nach
mereren richtungen hin von bedeutendem werte, dasselbe was von inen
gilt, wird auch von H!^ gelten, wenn G dafür Faidad hat, nur daß aller-
dings ein fehler in unserem texte angenommen werden muß.
ITJf ist nach analogie von irn und Sa^Jf zu sprechen: es gehört zu
vXft. Olshausen § 181* Kosegarten § 676. Kaivav = p^p unsrer liste ist
wol nur scheinbar analog, da es vermutlich nicht zu qS, sondern zu {^^ steht.
was losue der son Levis in ro"! fl^B^K'ia 23 über die namen der Caini-
ten insgesammt und "n^Jf insbesondere vorträgt, imtememe ich nicht zu
38 PAUL DB LAGARDE,
deuten, wann werden wir von den ältesten denkmälem der nachbibli-
schen litteratur der Juden brauchbare ausgaben besizen, die so one un-
nüze gelehrsamkeit bearbeitet sind wie MSZuckermandels nSDW?
wenn die Cainiten wirklich dieselben namen tragen wie die Se-
thiten, muß Faidad als die älteste gestalt von HV^ und T)^ gelten, er
steht in einer lahwe-, nicht in einer Elohim-urkunde.
Nöldeke ZDMG XXXII 401, 23 Lagarde Symmicta II 95 § 10.
Wie die Phoenicier das participium activi ausgesprochen haben,
ist noch nicht gewiß, daß die Punier genau dieselben vokale gehabt
haben wie die Carthager, und zwar zu allen zeiten, will mir nicht glaub-
lich scheinen, aus den seit Bochart viel genannten formen rufe = MB"!
arzt^ iusim = 0^K5P exeuntes^ suffes [doch wol sufes?] = üBtSf möchte
ich daher gegen das allerdings nach allen richtungen hin bedenkliche
twq)tiaafirip = odgarov xatomm = D^tDB^ ^M Sanchuniathons nicht ope-
rieren, aber wenn die Griechen avQiyS haben, so haben sie vermutlich
ein particip der Wurzel p'ltSf in altphoenicischer form, von dem dann
weiter avQtitsiP avgfadsp in Griechenland selbst hergeleitet worden sind.
GCurtius* 287 erklärt f-iy^ in adiniyS q>6QfHY^ Xmy^ njLdmtyS für
»individualisierend«, wobei ich mir nichts zu denken vermag, wie das
niederländische die französische endung -esse stark, und auch da ver-
wendet, wo es eigne mittel des ausdrucks hätte, so kann -^yy- aus einer
fremden spräche in das griechische gedrungen sein, da das allein ste-
hende dSb Prov 16, 11 Isa 40, 12 ^ontj axa&fiog bedeutet, wäre nicht
unmöglich, daß gleich nAäanyS ein mit der fremdartigen endung bela-
stetes note gewesen, für vollkommen entscheidbar halte ich derartige
controversen nicht. WJ^ bespricht RRoth ZDMG II 229, und sezt das
avestische kameredha daneben, die Araber aber nennen dasselbe glied
H^ Avicenna I 563, 25 566, 18: wo ist die heimat? welche die etymo-
logie? die 8^ ist so alt wie die Schöpfung, und jeder mann trägt sie.
So lange hebräisch geredet worden ist, hat p tSw bedeutet er
zeugte einen san. denken wir nun Araber an der stelle von Hebräern^
ERKLÄRUNG HEBRÄISCHER WÖRTER. 39
80 würden sie von «^J^l und oJ^ II cXJ^' oder hJuJ^*, auch wol 8*aJ^*, her-
leiten, nur mit dem bemerken, daß diese bildungen zur vierten zu ziehen
nicht mehr üblich sei, da man sie als derivate der zweiten zu brauchen
sich gewönt habe, j^ji^o^ J^-JÜt Praetermissa 10, 3.
ECastle 943 citiert Avicenna I 142, 12 Joi^ «O^ä^^^ ^^Ifyojt U JyioJ»
:= weil sie schleim erzeugt.
danach kann OITUK fllSin nur dasjenige sein, was Abraham erzeugt
hat, das heißt, Abrahams söne und nachkommen.
ist dies der Sprachgebrauch, so müssen wir ihn überall fest halten.
dann aber ist Genesis 2, 4 fehlerhaft, denn in dieser stelle ist der
Sprachgebrauch nicht fest zu halten.
bekanntlich streiten die allezeit uneinigen ausleger noch darüber,
ob der vers ganz oder teilweise Überschrift oder ganz oder teilweise
Unterschrift sei. die entscheidung ist für diese Untersuchung gleichgültig.
y^HTlD O^tDB^n niSin kann in dem einen wie in dem andern falle nur be-
deuten dcisjenige was himmel und erde erzeugt haben, himmel und erde
haben aber nach hebräischer Vorstellung gar nichts zu erzeugen: zu
anfange der Genesis haben sie es erst recht nicht, wo alles darauf an-
kommt, Jahwen als Ursache und herm der weit darzustellen, welcher,
weil er dies ist, das recht und die macht habe, den sich zu ihm be-
kennenden (losue 24, 15 Lagarde Symmictal 55,40) das gelobte land auch
ein anderes mal zu schenken.
die nnDtD berichtet I 81 (Frensdorff) »StDl «StD 3 nnbin, wozu Frens-
dorff »die form findet sich dreizehnmal in der bibel: zweimal Gen 2, 4
Ruth 4, 18 doppelt plene: einmal Gen 25, 12 doppelt defectiv: dreimal
defectiv nach n und plene nach 1 (Gen 36, 1 9 37, 2) : die übrigen sieben
male plene nach dem T\ und defective nach dem 1« [wie es sein sollte
= tauliddt]. vergleiche ns^ n^B^K"^3 bei Ramon Martinez pugio fidei
III 2, 8 (seite 481 Voisin). ich möchte auf diese tatsachen kein gewicht
legen, da änliches oft genug vorkommt, one von wert für die kritik des
textes zu sein.
ich glaube nicht, daß Genesis 2, 4 mbw so, wie die Tiberienser es
sprechen, gesprochen werden dürfe.
40 PAUL DB LAGARDE,
in meinen hagiographen 206,5 wird der Esther vorgeworfen, daß
sie nnnbni ntDJf nicht angezeigt : es gibt mithin ein nSn herkunft. ebenda
244, 9 heißt es vom menschen »raa nwib^nS: es gibt mithin ein y^T\
gehurt^ der Vorgang des geborenwerdens.
sollte nicht dies leztere wort Gen 2, 4 gesucht werden müssen? das
durch omana erklart wäre? vergleiche die parallelen in der nachher
aus na"t n^B^ina angezogenen stelle, wenn wir dails ^ Hagiogr 244; 9 gel-
ten lassen, läge eine form wie tt^^vn most^ IwaSfl kleidnng vor : doch wäre
des Samaritaners iSm zu erwägen, neben dem Thn aus Adlers evan-
geliar zu stehn käme, bildungen, auf welche näher einzugehn ich außer
Stande bin, neben denen ich aber das über oSj^ von üdj\ [= iXJ^ VIII,
vgl Jd^ und ^ Lane 298® 299*) herstammende SiU Hamäsa 31, 13 Js^
Ham&sa 699, 23 Hariri* 317, 6 wenigstens erwänen will.
ich würde die Vermutung nicht geäußert haben, wenn nicht aus dem
hexateuche selbst ihr ein helfer erstünde.
ehe ich ihn herbeirufe, muß ich freilich behaupten, daß Gen 36, 8
die Worte DIU ^aK )Vf}f mVlfl rhH) als fehlerhafte Wiederholung aus vers 1
zu streichen sind, der augenschein hilft mir.
erinnern wir uns an die nach IFürst von ThNöldeke Untersuchungen
16 17 bemerkte Wiederkehr der zal 70 in der Genesis, so können wir
auch glauben, daß die mbwformeln, an denen sich ja die erzälung wei-
terhilft, durch eine heilige zal gemessen seien, um so mehr als von Adam
bis Noe, und von Noe bis Abraham je zehn geschlechter angefürt wer-
den, also auch an einem andern punkte das aus Matthaeus 1 bekannte
princip zur geltung zu kommen scheint — den wert von Opperts ent-
deckung Lagarde Symmicta 11 6 allezeit vorbehalten.
es sind uns dann im hexateuche zehn glieder geblieben:
DTK mbin 1BD nr Gen 5, 1
w ni^n nS» Gen 6, 9
ro ya rrh)T\ rhn) Gen lo, i
oBf mbin rhn Gen ii, lo
mn mSin nSni Gen ii, 27
SKjnoB^^ mSin nSni Gen 25, 12
ERKLÄBÜNO HEBRÄISCHER WÖRTER. 41
prop mbm nVwi Gen 25, 19
IBfJf mSw rhH) Gen 36, 1
apy^ mSin nb« Gen 37, 2
pn« mbm nS«i Num 3, 1.
ich habe allerdings gegen diese anschauung das bedenken, daß der
Sprung von lacob auf Aharon ein sehr weiter ist, und gebe zu erwägen,
ob nicht Gen 46, 8 ^nOV in mSw geändert werden muß. aus KOinJn BflTO
60^ 16 Wien = 24*^ 31 Bomberg (woraus üipS^ zu Exod 1, 1 schöpft)
hebe ich beiläufig hervor, daß die Juden zwischen nS» und hSkI einen
unterschied machen, wonach mit Adam, Noe, Sem, lacob die hauptab-
schnitte anheben würden.
auf jeden fall läuft der Schematismus auf die Abaroniden aus, das
heißt, es kommt dem hexateuchiker auf das priestertum an. dadurch
allein wird der hexateuch als ganzes aus der königszeit herausgewieseji.
so lange ein nachkomme Davids auf dem throne saß, war es unmöglich,
das haus Aharons in den mittelpunkt der geschichte zu schieben, dies
konnte man nur entweder vor David oder nach dem exüe tun. da nun
aber an die zeiten vor David und Saul zu denken nicht angeht, so er-
härtet Num 3, 1 und das Verhältnis dieser stelle zum ganzen werke» daß
der hexateuch nach dem exile, mitten in der theokratie, zusammenge-
tragen ist.
die tatsache ist um so interessanter, als wir noch eine antwort der
monarchisch gesinnten partei auf diese von den theokraten in Umlauf
gesezte anschauung der jüdischen geschichte besizen.
Ruth 4, 18 erscheint der saz |nB mSin hShi. die priesterpartei
konnte den umstand, daß Ruth Davids ahnfrau gewesen, gegen die nach-
kommen des alten königshauses benuzen: angesichts des gebots Deut 23, 4
und der Esdr /} 13, iff erzälten Vorgänge wird man geneigt sein zu glauben,
daß es wirkHch geschehen sei. der Verfasser des buches Ruth will nun
durch anwendung der geheiligten formel des hexateuchs das haus Davids
dem hause Aharons als gleichwertig zur seite stellen, man weiß, daß
jezt sein werk nur unter den O^SirO erscheint: totzuschweigen muß es
aus ims unbekannten gründen nicht gewesen sein.
Histar.-philölog. Glosse. XXVI. 5. F
42 PAUL DE LAGARDE, ERKLÄRUNO HEBRÄISCHER WÖRTER.
JJWetstein hat aus nai n^B^KTS 12 zu Matth 1, 1 folgende säze an-
gemerkt: aüe$ hat töl^DöT: himmel und erde nach Genesis H^ 4: die herge
nach Psalm 90^2: regen und tau nach lob 38^ 28. . . . alles was tSPDöT hat,
stirbt und wird alt, ist geschaffen und nicht schiefer: alles was keine töl^DÖT
hat, stirbt weder noch wird es aU^ ist schöpf er und nicht geschaffen, daß diese
stelle unter berücksichtigung von Matth 1, 1 gegen die kirchenlere von
lesus gerichtet ist, leuchtet ein: recht schmackhaft wird die polemik
erst durch die anname, daß der Verfasser Curetons evangelium vor sich
hatte, welches mit ^^oa*? oi2^oi^ |äAs anhebt: die spätere kirchenüber-
sezung hat oito^AXi^, gegen welches der rabbiner das nicht hätte sagen
können, was er gesagt hat.
)Z^o2 Gen 2, 4 ist, soweit ich sehe, ein hebraismus. man sagte'
echt syrisch tViSs? ouooi? Mi> (vgl Titus von Bostra 9, || [syr 13, 5] 13, 37
[18, 13] 19/20 [25, 31] 65,38 [81, 9] Athanasius festbriefe *-a«^ 6) wie
arabisch (jM^ o^i^ ^'^ ^^^^ meinen materialien II 1 . hingegen ^(Sp£iJ^l
scheint mir, dem wenig sachverständigen, echt aethiopisch. ADillmann
grammatik § 1 1 1 weist "tA J?*! daneben nach, und heißt tewled und tül^d
lesen, ich erblicke in diesem ■^flJ'AJP'I ^^^ seitenstück zu v^Uj <iU^ und
änlichen: nach Dillmanns wörterbuche 888 für ixywor n€ttQ$d yi9fsais.
lieber den Hebräer Ephraims von Edessa
von
Paul de Lagarde.
Zu Genesis 1 bis 88.
In der königlichen gesellschaft der Wissenschaften vorgelegt am 6 MftrE 1880.
JM ur wenigen unter den vielen , welche . sich mit dem alten testamente
abgeben, wird bekannt sein, wie unsicher der boden, auf welchem sie
wandelet, auch in lexikalischer hinsieht ist. bei einer langen reihe von
hebräischen .Vokabeln kann von einer Überlieferung in betreff irer be-
deutung im ernste nicht die rede sein : wir übersezen oft nur nach Ver-
mutung, und sollten uns dadurch, daß eine Vermutung schon in alter
zeit ausgesprochen worden, nicht verleiten lassen, sie für ein durch treue
gewärsmänner an uns gelangtes wissen zu halten.
allen lexikographischen versuchen muß die kenntnis der lexikalischen
tradition und der lexikalischen conjectur voraufgehn. auf den folgenden
blättern stelle ich einige notizen zusammen, welche fttr die hebräische
Philologie nicht one wert sein werden, falls sie sich bequemen sollte,
auf den von mir gewiesenen weg einzulenken.
Ich habe schon 1862 im Vorworte zu meiner ausgäbe der dua:d^B$g
dnonoXmv auf die zu Venedig 1836 veröffentlichten tHumlArnfpaLff-ltii^ Eph-
raims aufmerksam gemacht, um diese handelt es sich in dieser abhand-
lung, und zwar nur um iren ersten band, es ist nach mehr als Einer
richtung hin unmöglich gewesen, die Untersuchung auf den ersten wurf
zu ende zu füren.
vor allem auf die eigentlich notwendigen vorläufigen betrachtungen
über die echtheit und Unversehrtheit der von den Mekhitharisten mitge-
teilten armenischen übersezungen Ephraims und über ihr Verhältnis zum
F2
44 PAUL DB LAGARDE,
römischen drucke und den handschriften habe ich nicht die mu£e mich
zu verbreiten: auch fehlen die erforderlichen typen. fElr die diesmal
verfolgten zwecke durfte ich zum glücke auf jene beti:uchtungen ver-
zichten, da mein material sich in den meisten fallen aus in ihm selbst
liegenden gründen als zuverlässig erwies.
auch werden sich noch von mir übergaixgene stellen der catene fin-
den, welche als bemerkungen des Hebräers angesehen werden dürfen,
obwol der Hebräer nicht ausdrücklich genannt ist. sie zu besprechen,
reicht mein material nicht aus.
C * C * C7 G H S sind leicht verständliche abkürzungen, die ich auch
sonst schon gebraucht habe: W nenne ich dieses mal die in meinen
materialien veröffentlichte arabische catene zur Genesis, über welche jezt
auch Lagarde Symmicta II 7 nachzusehen sein wird.
die vorliegende abhandlung ist nicht als die erste einer reihe be-
zeichnet worden, da ich vorläufig keine neigung spüre, die feder zu
eignen Schriften weiter in die band zu nemen.
1. Genesis 2, 12 onB^n ]2H) üSlSn Ottf. Ephraim 10, 4—8.
G ix€l S äp&Qa^ xaX 5 Jtf&og i nQccoiPog : den Aquila wage ich nicht
zu eitleren, S nicht zu deuten, aus G floß was Ephraims Hebräer be-
kämpft, der selbst ««^f. /wf f «i/i^m L w^mti^ ifmnflLiiffiiiV^ dort perle und edle steine
übersezt. daß nVra den Juden als perle galt, erhärtet SBochart hierozoicon
« 5 : für Hariris' 27, 7 28, 1 ^ verwendet noch Harizi nSia. für orWH ]M
bietet auch C * nur das unbestimmte ptD paK : sein pSn«l ist glosse : eine
Überlieferung über DÜtt^ hat weder C* noch Ephraims Hebräer besessen.
2. Genesis 2, 14 IWK HüTp I^HH H)n. Ephraim 10, 8— 10.
G ovtog & nQono^svöfispos xcn' fvavu ^AaavQüoPf wonach S odi Al^^o}
io4 \\noo\ ^1??: vergleiche WnnnS für ntDJf'? Exodus 25, 27 [28, 27] und
meinen Epiphanius § 63, 2 und sonst, falls G in nwK die Assyrier suchte,
konnte er mit der notiz nichts anfangen, daß der Tigris östlich von
HWK fließe : unter den älteren Ptolemäern war ein Jude in Alexandria
gewiß wenigstens soweit unterrichtet über Assyrien wie Strabo <c 1? 1 es
unter Augustus gewesen ist. daher das farblose X€af ^a$nc^.
CMJ* Saadias sahen in nWK die Stadt ^^t YiqAt I 119, 16 HI 113, 22
Ober den Hebräer Ephraims von edessa. 45
Assemani III* 709 711 Hoffmanns glosse 1799, also — grob gesagt —
Jj^t Lagarde Praetermissa 52, 3 , einst nach Ptolemaeus Aaßßapa =
tuilerie, danach >äc;;{ [o^ =^ =]y Ydqdt IV 683, 10 [Hamza 47, 18]
geheißen, da der Tigris wirklich östlich von diesem j^\ fließt, hatten
sie keine veranlassung, noip umzudeuten oder abzuschwächen.
Ephraim las '^^C^ ^pP''^ q-tiT jm^q^äiA y^unfbummb^ ^ also, da ^tiT
jmiiifptnA TiQoownop TtQÖg ngöamnov Gen 32, 30 oder xarä ngoaconot^ Ezech
41, 21 ist, im wesentlichen wie GS. gegen ihn wendet sich der He-
bräer mit jt^p^its ^^iidtubt y^unphummbli^ aber in sehr unverständiger weise,
denn allerdings stellt er an der östlichen seite (vergleiche M Exod 36, 12)
richtig her, aber er läßt Aseyriens^ und damit den stein des anstoßes för
aUe unterrichteten, stehn.
Ydqdt |%.Äo I 119, 17 ^yJ^ 102, 3 nennt neben j^\ auch jf\ und j^\.
es muß (siehe ^yAßf) y^S hergestellt werden. Abulfarag fürt freilich,
wenn ich mich recht erinnere, nur aus Palaestina an, daß man ^ wie ^a
gesprochen habe, allein ^ f&r f^ kennen auch Gauhari U 322 BusOdni
1644*, das timgekehrte \i>J^' für U^J^* Ihn HiSdm 152, 4, so daß^yt nicht
unwarscheinlich ist.
3. Genesis 2, 21 nOTin. Ephraim 11, 10 — 11.
G ixataag^ S iiNa : gegen lezteres, das der übersezer *^/»^ Schlummer
übertragen, richtet Ephraims Hebräer sein ^"li schlaf, in der tat sezt
C* für nOTin Gen 2, 21 lob 33, 15 Kpnsjf HiW^ Sam a 26, 12 Mß^pn KÄ^tt^,
Gen 15, 12 Hü^ü2 Kp'OJf KJttf, sogar S lob 4, 13 IniVis \xm.
4. Genesis 2, 23 nMrjf^ D^ WSH nKT. Ephraim 12, 10—12.
S (vergleiche Exod 10, 17 l^oi Uoi doch wol = DJfSn ^H gegen ri«T
njfßn IAaöI hat ludd 1 6, 28 : für die Stellung n^an HT Esdr 3, 12) ist es nicht,
gegen den Ephraims Hebräer sich wendet, sondern G. der Hebräer
übersezt u^u mJmLaflti jttT au^p jnu^hpui^ jtJhß dicsc \isi\ mctnc ehefrau, bein van
meinen beinen.
in nai n^BfNia i8 heißt es r» TH ara 'Sjf tt^^pn^ m^nyitf K^n iwr
nS» rfj'bn te ynüjfSü nn^nttf K^^ ir ptDm anr ptDjf» TO«nin. nun wird py»
Exod 28, 33 39, 25 26 von C* mit St, von S mit sjs^^l = i2^ (vergleiche
fMitrfiüf) übersezt, Lagarde abhandlungen 41, 10 Studien § 751. dies aus
46^ PAUL DB LAGARDE,
ist zusammengefallene St erscheint in einzelnen büchern als S\t : Rabbi-
nowicz hat zu natt^ 54* 58* keine Variante bemerkt, misno n^i 6, 2 nDO
5° 46 sind noch one apparat: aus der miSno nennt Abtllwalid 578, 7 (wo
der bequeme herausgeber kein citat gibt) ebenfalls S)% wärend er 9 St bie-
tet, und aus Num 6, 4 nach Überlieferung deutet, durch dies S\t lag nahe,
bei St = JüyS an s^ol l^avyog zu denken, um so näher, als der St oder
x(öd(OP einen Saj'Jf oder f/ußo^og haben mußte, und so die zote unschwer
zu Stande kam : ifißoXog als klöppel der glocke bin ich außer stände zu
belegen, die Araber haben irem J^aaä und äJLjac wie Mie talmÜDisten dem
baj^ (Buxtorf ^^) eine semitische etymologie zurecht gemacht.
sollte Ephraims Hebräer nicht auf diesem wege seine ehefrau aus
OJfB herausgedeutet haben?
5. Genesis 3, 8 DVn mnV Ephraim 19, 9.
G tb 3$U&r6r, S U>oQ*? oiii^S (Ephraims syrische werke I 33^ 140*),
was gleichbedeutend ist: anjf nusS to nQog dsUfig Gen 24, 63. delXti Exod
18,14 = aijf abends aber Regn y 1 8, 29 vertritt — das von dsUij abgeleitete
imd darum mit ihm nicht identische — t6 dsiJLivor oniTVil, die zeit, wo
die sonne am j^ = ^014 des himmels steht und abwärts zu steigen be-
ginnt : ^L3 abend braucht, wenn ich nicht irre, Ibn Arabädh : «-^xa steht
als icniQa dem ^^ n^oit gegenüber Macc a 10, 80: die mitte zwischen
mittag imd Sonnenuntergang ist nach Elias Praetermissa 57, 18 6^yj^
'^ocu} ouxa = die zeit zwischen mittag und drei uhr nachmittags, der
armenische übersezer Ephraims drückt übrigens die ableitimg des «jlls
von \i^ inap^jLds Reliqq 76, 3=gr46, 14 dadurch aus, daß er gpf f ««i»/^
miMLfü braucht: denn f »«3Er«i^ = inaviQX^^^^^ L^c 19, 15 und oft.
dieser erklärung sezt Ephraims Hebräer '^ iif */_ utLaLfii entgegen.
ifÄ^ stammt von i^f : ich notierte es mir für anSr (object diga)
Sap 7, 3 : anäa&ai {jnäxcuQor) Marc 14, 47 : iXxis^p {/idxtt^gav) loh 18, 10 :
in$anäa&a$ {oie&QOp) Sap 1,12: ßäUsiP ißiXog) Sap 5, 12: ismtPBiv {xbIqu)
Gen 3, 22 {äyxigag) Act 27, 30 [dtxwa) Prov 1, 17 [oiQOPhv (Sasl diQf$r)
Ps ip = ^, 3. daher i^aA^ nuL^tAwß ort zum ausbreiten der neze =* tfnfy/ios
aaytjrmr Ezech 26, 5 14. die redensart ifA^ mtMLfb habe ich nirgends
sonst gelesen: die erklärung Ephraims verstehe ich nicht.
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA. 47
ich hüte mich um so sorgföltiger, mich bindend zu äuBem, als die
lesung der stelle Gen 3, 8 unsicher ist. durch meine ausgäbe der quae-
stiones des Hieronymus 6, 23 ist ans licht gekommen, daß die handschrif-
ten des stridonensers zwischen barua haium und laroe aiom schwanken, da
niemand, der den text der Tiberienser für heilig hielt, laroe anzutasten
veranlaßt war, da dies dem üblichen nilS entsprach, halte ich barua =
m"\3 für die dem Hieronymus eigentümliche lesart. ob Ephraims He-
bräer mia statt TVrh gelesen, kann ich noch nicht feststellen: wenn er
dem alten gAq, i^wnitw^ sein '^ ^f^L entgegensezt , scheint er allerdings
eine andere praeposition als das in ouoäX vorliegende ^ haben andeuten
zu wollen, wenn endlich AbdlwaHd 670, llff Sam « 16, 23 lob 32, 20
Esther 4, 14 Exod 8, 11 Gen 32, 17 mit DVH mi'? Gen 3, 8 zusammen-
bringt, dürfte er nicht wie die Tiberienser ausgesprochen haben: er
übersezt J^^ ^^^ i imd erklärt ^\ ^ if^y^\ o»: Lane 1182.
jedenfalls wich Ephraims Hebräer in der deutung des ausdruckes
wesentlich von GS ab. ich verweise auf NFuUers miscellanea sacra 3, 5
= critici sacri (Amsterdam) VHI 970.
6. Genesis 3, 24 |ty pb DipO ptC^^. Ephraim 24, 10—14.
G hat Gen 3, 24 einen vollständigeren text gehabt als wir haben,
oder er hat — was ich nicht glaube — aus eignen mittein seine vor-
läge vervollständigt : nach pBf^l + WK, nach |ty + TOJf^ oder D»n oder
p^. S wie H, nur gibt S far pttf^ >4ö|o: W 44, 28 47, 4 folgt zum
teil G, der römische Ephraim I 39^ der venediger (A. ^mmbmg) I 24, 10 und
Hoffmanns glosse 700 lesen wie Lee: Mimmbi_ neQ$xvxJLow Gen 19, 4 Num
21, 4 losue 7, 9 xvxXwp ludd 19, 22 20, 5: für hncvXtoCB^v Matth 27, 59
ipsiAeip Marc 15, 46 3(€iy loh 19, 40 braucht M %u»inlri_^ wo der Syrer >4^
verwendet, vergleiche auch l>o5v2i^ oitop mit t^iiumhuig "^ ^uiiiXmjtnt^u Lucas
2, 7 : ioJWb* Praetermissa 38, 60 — dies bemerke ich beiläufig — und ^m^Zmptu^
sind ein und dasselbe wort, wie nicht nur aus Luc 2, 7, sondern auch
aus Ezech 16, 4 Sap 7, 4 leicht erhellt, wenn man N und D neben ein-
ander liest, ich bitte überhaupt das armenische für das syrische nicht
außer acht zu lassen, wenn wir zum beispiel neben ljf^[AAS>] Praeter-
missa 29, 60 Michaelis 485 Hoffmanns glosse 5451 h^ Michaelis 525 an-
1
48 PAUL DB LAOARDE,
treffen, so möchte ich dies leztere nicht von vorne herein verwerfen, da
Jmm.m!b im sinnc von Vorratskammer, Weinkeller ein sicheres armenisches
wort ist : ich entneme dem großen venediger wörterbuche 11 2 1 0 ' das citat
Faustus von Byzanz d \2 [= 108, 17 JuhlmuL^ fP"-v] ^^^ stelle fest, daß
aus Euseb KG y 6 das wort dhuLtA citiert wird , aber in dem 1877 er-
schienenen abdrucke [y 6, 2 seite 155 lezte zeile des alten texts] ver-
schwunden ist : ein neuer belag für die kritiklosigkeit der Mekhitharistea.
S hat sich also die Cherubim die runde machend, nicht an Einer stelle
postiert gedacht, und schwerlich pVf^) vor sich gehabt, sondern 30^:
vergleiche «-aj-opIc für yao^l Ezechiel 47, 2. ihm sezt Ephraims Hebräer
in Übereinstimmung mit C ^s C ^s ntt^W i^'^V'S'us er machte wonen entgegen.
7. Genesis 4, 15 n« fpS mrr Dan. Ephraim 36, 28—29.
Der Hebräer L- *^ «4/» l^«! '^ k'^h'h. dies entspricht S \2\ U}io >QflDo
^Ias und der armenischen bibel (G xaX f&sto xvQiOs i d'sog atifieloy jfp
Kdiv\ so daß ich mein Unvermögen die glosse zu begreifen, bekennen muß.
8. Genesis 4, 24 pp op' 0'njf3» O. Ephraim 39, 26—27.
Der Hebräer sagt f^ fAr^ d^y Lßtt ^mmaL^nJIt ^mmnLgmL. ^lyt^. da
ist ^mmmLßuJß = ävt&fjUü&ta Cot/? 6, 1 3 ; äyiaTtodo/ia Luc 14, 1 2 Rom 11,9:
dnidofuc Num 8, 1 1 : dd/ia Num 3,9: kurz, = ^tea. ebenso alltäglich
^mmnLßmlitr£. aber was soll der aorist ^»«in^iifi. ?
9. Genesis 9, 5 rrn Sa TO. Ephraim 49, 31—33.
Statt zu sagen Euer blut werde ich von allen Heren suchen, sagt der
Hebräer Von den händen aller lebendigen, vergleiche G ix x^^^s näptior
tmp &fiQk0p, S l-iouj- \5o ^ ^.
10. Genesis 10, 10 11. Ephraim 53, 22 ff.
Es ist sicher , daß die worte jirpipt jtf/btRuUk lr/_ mun^lrumtAInyb Gen
10, 11 dem Mo^l ^^s^ ^ \^\ ^ Ss entsprechen: an die stelle der bei-
den lezten Vokabeln wird Aj. '""''^ gesezt, one daß gesagt würde, ob dies
dem i^X&BP *AaaavQ [^Aoovq acrtz] Gs oder dem nWK KT Hs entspre-
chen soll.
nach dieser mitteilung greift die catene auf 10 zurück und berich-
tet ipt^L (= Oq8X Gs, nicht ^] Ss, da dessen ausspräche durch Hoffmanns
glosse 1498 feststeht) sei »c«^», also A^ß Edessa: '«pmi^mß- (= einem
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA. 49
in fSA] verlesenen, aus AQX^t^ Grs entstandenen fdi\^ über dessen A^ = ?
oben Seite 1 2) sei l^p^*, also e)is*-ya3 "SisiUs : ^usquAt (= JfaAanj G mtz,
liicht U^ Hoffmanns glosse 4733) sei a^u^n"b Ctesiphon. hierzu stimmt
in der römischen ausgäbe I 58^ liSoo « r^^^^ cu^]^ p| « ho}] cfu£u|^ yA]
^oam*^ du£u|2, nur daß die erklärten namen in den formen Ss, nicht
in denen Gs vorUegen. ebenso stimmt dazu C* pSDMDpl |'3'Vil Din, wo
C WDMDp: zum dritten namen sezt C^ DWJWl [?], C hzSl-
man möchte glauben, daß die erklärung des y)H durch Edessa nur
dadurch enstanden sei, daß man ^-lOiiGJ für entstellung jenes yiK ansah:
man kann von GHoffmann ZDMG XXXII 742 743 lernen, was diese an-
sieht wert ist.
es gibt eine Stadt ^^t auf dem wege von Beroea in Coelesyrien na^
Palmyra, die Ydqilt I ?10, 16 Arak spricht, dabei aber meldet. Ihn Duraid
nenne sie Urak (also genau = Oqsx). aa sich wäre es nicht unmöglich,
daß diese früher bedeutend gewesen, und später — etwa durch Palmyra
— herabgekommen wäre, wie ja das bei Isaias 10, 9 36, 19 und leremiaa
49, 23 als mächtig genannte 1S1M bis auf ERoediger zu Gesenius the-
saurus 112 Nöldeke ZDMG XXV 258 Haußknecht und Kiepert ebenda
655 hat warten müssen, um mit *>l3;<, drei meilen nördlich von Halab
an der straße nach KfjLiCa identificiert zu werden: sie könnte G sein
Oq€X geUefert haben , one daß darum y)H selbst nicht «l^^y t Ydqüt IV
922, 13 wäre, für welche die Assyriologen (wer unter inen zuerst?) jezt
•pK halten.
wie elend der text der armenischen catene ist, möge daraus erhellen,
daß Ss Worte < »So iW:» |quuj Aas^ ^£o^o < »\n\o I^j^o /nn»nS durch
^tLafaß- ^utt^ui^ L q^mqiu^ f^fifuplj^ L qy-utuiriT gegeben wcrdcn. man er-
kennt in Dasem pn, in Hroboth Mni, in Chalakh nSs : f^uit^m^ möchte
des römischen Ephraim I 5 8 ^ glosse i*'^»!»* sein , in dem *ä in «-^ verle-
sen worden, also Adiabene Lagarde Semitica I 28: Chark steht auf jeden
fall an der unrichtigen stelle, und mag sich aus Saadias erläutern, der
zu gut über Edessa, Nisibis und Ctesiphon bescheid wußte, um die hier
genannten, in IJfJB^ gelegenen, städte in inen zu erkennen, imd daher
T^K durch ^ [welcher der vielen orte des namens?], 13K durch ^\j^\
Histor.-phüolog. Glosse. XXVL 6. G
50 PAUL DB LAÖARDE,
[plural von y^ , durch einen Sapores gegründet] , rute durch [das vom
khalifen Omar erbaute] 'ih^ erklärt.
der römische Ephraim läßt seite 5 8 zeile 1 6 U^^^, welches, da ?i\^
bereits in zeile 15 dagewesen (die punctation ist schwerlich alt, durch
welche die römischen herausgeber die beiden ?^No unterscheiden), ver-
mutlich in i m\o umzuschreiben ist , \\^ ^Axqu , M»^ (das wäre pl)
Uj^ jLi) Pioaipa sein.
für das syrische Wörterbuch merke ich an, daß TWi (Lagarde ar-
menische Studien § 1605) vom Armenier Namraud gesprochen wird: auf
au ist dabei kein gewicht zu legen: das a der ersten silbe darf man
nicht one weiteres vergessen.
11. Genesis 10, 21 hUT) nS' ^HK. Ephraim 54, 22— 24.
Die armenische catene gibt mit irqjiopti ^^mflrp-ji tp^gat. den text der
armenischen bibel, nicht den Ss wieder, zur erläuterung bemerke ich,
daß irpt/f nicht, wie der berliner akademiker IHPetermann einst dem von
ihm nicht genannten Schröder nachschrieb (Lagarde armenische Studien
§ 722) = IsQsvg ist, sondern den erstgeborenen bedeutet, der Armenier
drückt nur frei Gs ädsXyc^ *ld^e& rov /asl^orog aus. Dachsei belehrt
I 147 148 über die accente Hs. der Hebräer Ephraims sezt dieser auf-
fassung der stelle entgegen hqfopb {im^bp-^ np AVb t ^»tb qUm dem bruder
laphets, welcher größer ist als er, womit er doch wol dem Sem die erst-
geburt zuzuschreiben gesonnen war. C^ wagt noch nicht von der auf-
fassung Gs so abzugehn, daß er den Sem zum erstgeborenen erklärte
— die öffentliche meinung muß damals noch den laphet für den ältesten
gehalten haben — : er zieht aber hlSn schon zu 'HK und deutet dem an
gottesfurcht großen bruder laphets, wo der bescheidene mann bei großen
natürlich größeren dachte.
12. Genesis 10, 21 najf 'ia. Ephraim 54, 19—22.
Statt zu sagen '|S^ ^^^^^ ^2 v<x»ia| Xiamo der Hebräer ya Sai pmaK
^tr^ajf. ich habe gleich hingesezt was C* gibt, denn dessen auffassung
teilte Ephraims Hebräer.
von "UJf stammten nicht bloß die später allein nach "UJf genannten
onajf her, da er jht (heißt das gii an der straße von Ba9ra nach YamAma ?
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA« 51
Wüstenfeld Bahrein und Jemama 175 und auf der karte : YAqüt III 910^
3 — 21) und |üp' = qL£3^v3 zu sönen hatte, also nord- und süd- Araber,
und erst von Phalegs son Ragau Abraham herkommt. Ephraims Hebräer
und C* meinen nun den heiligen text corrigieren zu müssen: es wäre,
mögen sie gedacht haben, eine wertlose bemerkung gewesen, daß von
Sem alle von Phaleg und loctan ihr geschlecht herleitenden abst|tmmen
— wozu gerade diese auszeichnen ? — : hingegen lonte es anzumerken., daß
die später so berümten Hebräer par excellence Sem zum ahnherm haben,
da nur durch diese nachkommen jener alte mensch einen wert erhalten hat.
13. Genesis 13, 11 Dipo tDlS JfO^V Ephraim 58, 33—35.
G xal dn^Qs A(bt and ävmoXdiv^ S Uur^ ^ ^o^ ^Ioäc, C ^ KWTOO tDlS StDJV
Abraham wonte zu der zeit, von welcher hier geredet wird, nach 13, 3
^Jfil \^y\ Sk n'a pa. war Lot bei Abraham, so konnte er nicht von osten
aufbrechend nach dem j^ä kommen, deshalb hat Ephraims Hebräer
juipLhiJiß von Osten durch jutimt^i^yl verbessert, das == ngots^ov loh 9, 8
[hier mit to] Hebr 4, 6 usw. was er sich aber dabei, und was sich C"
bei seinem |'ü1pSo gedacht, weiß ich nicht, jedenfalls hat auch n'tt^KT3
T\y\ § 41 für nötig gefunden, dem texte ein Schnippchen zu schlagen:
oSlJf hw «WipO WVJf Jf'DH: blatt 51* 4 Stettin.
Ephraim selbst schreibt «i «•£# für ülS, sein Hebräer ^|^»<f«. icji
weiß nicht, ob das absieht ist: vergleiche 75, 29 32 77, 36 78, 23. tä
xjLiPÖ/uspop T^g y^vxfis 7t(fog to aia&rixoy sldog Philo über , die Wanderung
Abrahams 3 (I 438 Mangey): vinctussive declinatio OS I 8, 5: ligatus aut
declinans aut vacans 65, 6: declinans sive vinctus 73, 3. daraus erhellt,
daß 176, 49 JleAvTQWfiiPog ^ änoxJtelwp j 181, 75 isÄVTQW/uipog ^ 194, 51
ixxXriaiaaiov avrov § JleXvtQCDfiiPog Soxcctop^ 203, 9 dndxAsiaig bedenklich
sind , zumal declinatio auch durch Hieronymus VI 575^ (Vallarsi *) ge-
sichert wird: mindestens muß anoxXlviov für dnoxÄsfwp und än6xÄta$g
für änöxkBtaig geschrieben werden. für das Verständnis der Variante
iimi^ qn^m bleibe ich ratlos.
14. Genesis 13, 12 '^'STS nya att^V Ephraim 58, 35 36.
Der |Tl^n "03 ist bekanntlich mit der nBQtx(OQog rov ^logiccpov des
Matthaeus 3, 5 xmd dem ^ der Araber identisch: die Urkunde meinte
G2
62 PAUL DB LAGARDE,
wol, die Städte seien die durch feuer nachmals untergegangenen Gomorra
Adama Seboim Zogora : es folgt aus irem ülD TJf SnK^% daß sie Sodoma
als die von Bethel und Gai fernste derselben angesehen hat.
G hat dies nicht verstanden : sein xcmpxtiasv iv nöAsi tcw nsQix^Q^'^
nimmt "03 etwa in dem sinne, in welchem es Nehem 12, 28 steht, wä-
rend S den terminus technicus beibehält : jao? U^qjcia iäA*. die armenische
catene hat A. fLm^^bgutt. '^ 4J"1!^^ f-ui^jA i^n^mbm^ i^tti^ay. ich vermute
hier einen fehler der Überlieferung, ob noch der Hebräer redet, weift
ich nicht, y^mpvy scheint mir jao? Ss ausdrücken zu sollen, in welchem
falle vorne ein ^ weggefallen wäre, dann besagte der text, daß für
jao? Ss, das natürlich dem Ephraim vorlag, zu sezen sei i^iaim^ti. 'HV^
ist M>J^ Lagarde armenische Studien § 569 = nsdlov Gen 4, 8. Ephraims
Hebräer würde mithin gegen G zu dem tniy^io 'in^pa C *s stehn. in der
venediger ausgäbe würden nach qju^mjtb und vor lV^«"/»«g/ anfClrungszeichen
zu sezen sein.
15. Genesis 16, 7 1W TTTa. Ephraim 66, 39— 67, 3.
Statt zu sagen h^^m ^pk^tulj^ '^ 4t CU ^««^'^fv/'^/'^ "c ^*^t(» '^ qln^m^
zunächst steht fest, daß schon Ephraim den fehler unsrer ausgaben
Ss in seinen exemplaren gefunden hat ^fs^?» wo es so gut wie sicher ^k^j
{reQaQODV Socin* 207) heißen muß.
sodann ist Wß'uipu^ eben die ^A&aQcc, deren nennung bei einem ar-
menischen historiker ich in den gesammelten abhandlungen 183, 15 nicht
wiederfinden konnte, und welche darum in den Studien § 21 ein gedächt-
nisfehler heißt: in den Symmicta H 111 ist er — was ich bedaure —
nicht erwänt: vergleiche Studien § 846.
ist nun \\P^uipu^ = ^A&ccQa nach Straboic4, 27 mit der ^AraQ/ang und
JsQxsTüi identisch, so ist mir äußerst unwarscheinlich , daß der text der
catene richtig sei. bis ^miSL geht was aus S stammt, kein Hebräer
dürfte so unwissend gewesen sein, ^W an der grenze Aegyptens mit
■Wtt^K zu verwechseln , und nw Tm3 für auf dem wege nach Assyrien zu
erklären, -das steht aber in der catene, und vor dem sagt der Hebräer
lesen wir auf dem wege von Athara. ich vermute, dies sei was der He-
■■ip^n
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA. 53
bräer als berichtigung von S geboten hat, und es entspreche iingefär
dem rwSn 1W Cs.
über die wüste Gißlr, PwSn ="'EJLavoa, und tron C*C*s handelt
FTuch ZDMGI 173—181, über 1W sehe man noch Wellhausen text der
bücher Samuelis 97'. weiter vergleiche Lane unter Jual^.
16. Genesis 19, 20 Kin njfWO nSh. Ephraim 78, 4—6.
S «-I01 likiibi )oi, aber so hat Ephraim nicht gelesen, die catene statt
iren namen 8eg6r zu nennen^ sagt der Hebräer »Arto'n«: y^siehe, klein ist sien.
das wäre ja eben was unser S bietet und auch C^ gibt K^n ina^ »Sn.
die hiermit gewonnene ursprüngliche lesart Ss halte ich fUr die wieder-
gäbe des noch unverfälschten urtextes. Lot will die stadt verschont
wissen, weil sie njfVtD sei, und fragt zum beweise des Tjf^oseins heißt sie
denn nicht ebendarum njfV, tveü sie nur njfWO ist?
17. Genesis 20, 12 'üK na hS ^H Kin '3» T\2 ^T\T\H nJtDK US).
Ephraim 55, 15 — 17.
G zdi ydq dAfi&(Se ädsX^tj fiov iaxlp ix ntngogj äJU' oix ix /iijrQÖg
= S »j^l 4=> Po «-«^ 4^ ^-«o» *7*^ Mw« >o^. Ephraims Hebräer mp^mpL
^ypuiß-^L. t ^iT in«. '^ ^o^t ^ "i, wn. '^ io/if . der unterschied besteht darin,
daß für ^n//i Schwester ^^/>««P^l a& Schwester gerechnet gesezt ist, um dem
Patriarchen den Vorwurf der blutschande abzimemen. das stimmt im
principe zu C * WO'K nD^JJlO kS On^ K'H MKl KHK IVU ^nHK KIDtt^ipa Onai.
der römische Ephraim I =g l4*-b «-^^^ t^ o^'^ ^'^ ^«" Jcumj oiAx» oX
Po diAa^ jju Zoai AjLao duixs ^ cfi^oaiQ^ AciM)^ ^ <'^ ^^ Inimi UpQJ A^
oiAxai' jnSviSo ]}X&\o di^o ^oW lo^^o «jdq^^ C^.. vergleiche was
HRoensch Leptogenesis 370 371 zusammengestellt hat.
18. Genesis 21, 15. üVr\WT] IHK nnn. Ephraim 82, 26—28.
Statt zu sagen 't^^P-^V ^qt^y '^V^ ^^ff^ ^^ Hebräer '^ ^^p^y &mtL,y,
G ^oxarw fiias iXdtris, dem entspricht dem ersten anscheine nach der
text, gegen welchen Ephraims Hebräer sich richtet : iXdnri wird auch in
der aus G geflossenen armenisclten bibel an imserer stelle k^Lfb ^ma,
übertragen. S Umod ^ ^ iUj^Z zeigt schon durch den plural, den er
anwendet, daß er mit dem texte in Ephraims catene nicht stimmt: sein
54 PAUL DB LAGARDE,
U*i» ist deutlich O^n^tt^. Ephraims Hebräer sezt nun dem iJLcmj das
einfache bäum entgegen, das stimmt mit C * KyS'K |ü TTI ninn : aus C *,
der viel mehr als C* hat, ergibt sich nichts genaueres.
die pflanzen weit zerfallt Gen 2, 5 — 9 in r\W^ 31^ und yy. die ent-
stehung von T\W imd 2ti^ wird gar nicht erzält, so daß entweder hinter
6 und auch wol später irgendwo etwas fehlt (da 5 den eindruck macht,
geschrieben zu sein, um eine erzälung über die Schaffung von n^Bf und
attfj; einzuleiten), oder aber der Verfasser ungeschickt und unachtsam ist :
die O'VJf erscheinen besonders, und jedenfalls sind sie von n'B^ und 38^
verschieden, bekanntlich zerfallt 1, 11 [12?] die Vegetation (KKH) nur in Sü^
und yjf, und tritt zu derselben zeit ins dasein, nun ist ^ cjajo» Avi-
cenna I 79, 13 256, 44 Qazwini I 289, 17 Ibn Baitdr II 75 wenigstens
im mittelalter (als sceha in Europa) absinthium marinum, jezt artemisia
maritima = semensacrum = seestrandbeifuB. aus Plinius xl^ 28 (45 — 52)
interessiert uns, daß im Pontus pecora pinguescunt illo, aus Xenophon
anab a 5, 1, daß in der arabischen wüste längs des Euphrat eine menge
ätpfp&iop (Lagarde beitrage 5, 7 Studien § 2401) wuchs, es ist also ganz
in der Ordnung, daß Hagar in der wüste iren son D'n^tC^n 1T\H T\T\T\ legt :
wir haben in nordDeutgchland wildwachsenden beifuß von etwa fünf fuß
höhe, so daß auch bei uns ein kind in seinen schatten gelegt werden
könnte. G nun wie Ephraims Hebräer und C *C * kennen diese tatsachen
nicht, haben also ferne von gegenden' gelebt, in denen D'n'iy in menge
und als geschäztes viehfutter wuchsen — der morgenländische wermut ist
nur wenig bitter: je weiter nach norden sie wächst, desto bitterer wird
die pflanze: A^y^JSi^ heißt eine gegend wie die von Xenophon anab
a 5, 1 geschilderte — : S wußte bescheid. Tabemaemontanus* 24 D 23 D.
nun schreibt das große Wörterbuch der Mekhitharisten I 654® unter
berufung auf »ärzte« und ein »altes Wörterbuch«: ir^ti heißt auch eine
art Wermut, es sezt it^t/n®r^, ägtsfAiaCa aus Galenus, i^fr/itlrjriui#t , fnfuil
tbtkß^b^ ^U'i seme santo, ^imm^iS^ pphimu^q. zur erläuterung daneben, da
erkennt man sofort UüJjfji = c-*^Lf?^ Dioscorides y 26 : für ^aquA möchte
ich fo^iiA haben, und dies als das türkische qI-^. ansehen, OBlau bos-
nisch-türkische Sprachdenkmäler 155 226 246. Dozy supplöment 179*808*.
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA. 55
ich darf nicht zweifeln, daß es wirklich ein armenisches htiLffb wermut
gibt: dadurch wird ungewiß, was der text besagte, gegen welchen
Ephraims Hebräer kämpft.
19. Genesis 22, 2 rrnöH pK Sk. Ephraim 82, 31—32.
G €ig tfip yijp tijV iipijjLijp^ S lj?Qio|? h^iV : lezterem entspricht in der
catene j^pitp^ mJhi-ii^uigutß ^ dem der Hebräer j^pitc^'^ JhiiL^uißL.ag gegen-
überstellt.
es ist bekannt, daß allerdings losephus archaeol a 13, 1 von ro Jlfcrf-
Qiov oQog redet, wenn er von Abrahams opfer erzält, und daß Paral /? 3, t
der tempelberg nno heißt: daß aber Philo über Abraham 32 (= H 25)
das o^ayMOM inl 'nvog vifnjAotdTov xoXmvoVy noQQwidixo nöÄecog änondvta
tQt(3p 666p fifieQ(3p behandelt, also nicht an den tempelberg gedacht hat:
daß freilich C * KjnSw yi«V überträgt, aber C T\'^'r/0 IlttS bietet, durch
Ephraims Hebräer kommen wir etwas weiter, dieser hat ilHO aus einem
aramäischen documente, und jedenfalls defectiv geschrieben gehabt, sonst
hätte er nicht Mar- sezen können, sein JmiL^mß^ steht zu Maria, wie
^'"VLt'^st GaUier zu fmqjjiut FctXXfa steht, aber wofür er die Mariter
gehalten hat , in deren land er den Abraham ziehen läßt , das weiß
ich nicht.
20. Genesis 24, 63 mBfS. Ephraim 85, 34.
ZJttL Ep't ^«»2««"4"^ der catene gibt Ss INomo oaXoiiäQj^. dem
sezt der Hebräer jiuqop-u ^uii_ im gebete stehn gegenüber. C * 'BJWa HkS^
tna, C* K^pna ÜKSäS. G Aquila Symmachus stimmen sicher nicht zu S.
der römische Ephraim 1173® stimmt zum venediger : oai^oiMS? «icn t *^\,»
U}^;^ >Q^] QiS^>n\, wozu schon JPerles meletemata »peschitthoniana« 51
aus nai n'tt^Kia § 60 die Worte nSsn Vhn nma^ \^» citiert hat.
21. Genesis 25, 25 ijftt^ nilKS. Ephraim 86, 13—15.
yjMrbuJb ^irp^ "bnpui t^mbt^nt^ tp» der catcuc entspricht Ss ]^%^ oC^^o
]i:ajD? so leidlich: alle seine hare waren kraus: in Praetermissa 12, 42
werden Ip^j»? |Arb»» durch j«äJJ Jaa3. erklärt: ludd 16, 19 cn^^^l Uy^ =
vyLäi Jü>a^ : vgl 1 3 . wenn anders toi^ richtiger als Vßp^ ist , sind in
lo\^ die zwei arabischen Wörter ^yi^ und iötj© Praetermissa 10, 2 zu-
sammengeflossen, dagegen der Hebräer o/iifftf ^uAi^kplu t/mfkql^ wie ein
66 PAUL DB LAGARDE,
kleid von hären, über ^uAqJrpZ Lagarde armenische Studien § 1239, über
iRuflrqfk ebenda § 1401.
auch hier stimmt der römische Ephraim zum venediger. es heiBt
I 173^ U^^ ^] )p^ U^^^l 1»^^? ]i^V^ SL^^. atoXii ist ^iiA^/>a
Apoc 7, 9 13.
22. Genesis 26, 26 wav 1B^. Ephraim 86, 32—33.
G b dfX^OTQatfiyog v^g dvm/iscDS ntvtoVj M «i^utpiuMihm qopiu^ ^npm, die
catene wie K. Ss IN im *äJ entspricht dem armenischen ausdrucke nicht, da
*a* weit allgemeiner als ummpiuMiinH Lagarde Studien § 2044. der Hebräer
Ephraims sezt ^^^«"ir^ q^c^s ^"/»«"^ also herr statt reiterfürer.
23. Genesis 29, 15 Oin ymajfV Ephraim 92, 13—16.
Statt zu soffen «i^ Ir^-k JmpP- jtb^ jtgt ^^^ 4"'L ^ ^««.«^A^ ^W ^^i^ sagt
der Hebräer ^wn.u^tr^irp ^*bl Zp^ mJu iroP^. was bekämpft wird, deckt sich
weder mit S noch mit G. n^ irß-t braucht man wie ]oo\ P : vergleiche
Genesis 45, 8 ^pAjJ ]ooi \1 l^mo = L ut^/. n^bfH: t^m^ habt mich hierher ge-
schickt^ sondern gott: Matth 10, 20 ^\ loci )] = n^ b^-t ^«^ seid es, die
reden, sondern der geist: so daß in der tat ein syrisches original vorge-
legen zu haben scheint : nicht ist es dir möglich zu bleiben und mir umsonst
zu dienen, dafür soll nun der Hebräer haben du dientest mir umsonst
sieben jare, womit ich nichts anzufangen weiB.
24. Genesis 30, 32 Dia Ephraim 95, 38—96, 1.
Statt zu sagen mtnrüuyb ^t^mui^mp^L. JitP b% Sagt der Hebräer uiärbmjb np
fß-^m^yU jaiJ^mpu ^n. Unmittelbar vor diesem saze wird Gen 30, 13 Moijp,
unmittelbar nach ihm Gen 31, 20 ixJtetps besprochen, so daß aus dem
zusammenhange nichts zu erschließen ist. ein ^«T b% = oooi w^i^ oder
i/io( siai lese ich bei SG nicht, weiß also denjenigen nicht zu finden,
gegen den Ephraims Hebräer kämpft. ^mymmlumpftL. und p-^ut^yi' unter-
scheiden sich jedenfalls so, daß das erste helles grau, das lezte dunkles
grau bedeutet.
zunächst bedenke man, daß Qamhi 139 [sehr 237 Elias Levita] lehrt,
S'K «np^ putt^ ptD nnvi »aai att^s Kip^ njtc^ p «in le^Kai «in "wk atc^si B^as
imd 218 S^K Kip^ HJ^tD Snan O r\W ja tC^aa Nipi, wozu nach unseren
begriffen von styl nicht ganz gut paßt, daß Lev 12, 6 23, 12 Num 6, 14
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIBIS VON EDESSA. 57
U8W «u Bf33 ausdrücklich irUBf p, zu p|»33 Num 6, 14 PIWB^ HS und zu
ÜWSS Num 7, 17 usw HJC? ^3 zugesezt wird: wozu gar nicht paßt, was
der QkmAs I 845 aussagt jOU^^ ^i>:^y> Jot^t ^1 U5 J^jfi^t undDamiri II
316 g;J Ü5 JyüJj ^5 Ul J^^ o"^ er* <^' ^ o^' vM üM», wärend S sehr gut
dazu stimmt, wenn man bei ihm Gen 30, 32 33 mit FSmith 1228 in
fiboMA nicht eine bezeichnung der färbe {Avdg&a — bemerke das aspi-
rierte ^ , wie in Mag&a B^Q&a FadigS-a xaßog&a aaaQ&a — Epiphanius
negi fUiQiop § 64, 2), sondern *ä^ ^S ^^ 1^^^^ Praetermissa 78, 67 (ein
anderes wort Praetermissa 42, 56) sieht: wenn Elias § 16, 4 = Praeter-
missa 42, 53 Ippk (jö^l bietet, so wäre •J=>ri^ ^Qig>og selbst, und auch dies
würde zu Qamhis behauptung stimmen, seit 1866 weiß man durch mich
(jezt armenische Studien § 2391) daß ^©2,= 4l«"«-2. aus ••^^i> entstanden
ist, und für tOSS gegen 3Bf3 wie für den vokal a gegen i zeugt, siehe
auch ESchrader keilinschriften und geschichtsforschung 2 1 6', der 7 9 wie
WvBaudissin Studien II 270 Lagardes Symmiota I 121' ignoriert.
Hoffmanns glosse 672 geht auf unsere stelle, und gibt U^aMia >os\
durch v4^' ^]y^ r^': r^' Hamdsa 90, 16 179,4 348, 11 Amrulqais
Seite 34, 2 (Slane): v^^t Hamdsa 305, 29 JLevxSg Apoc 19, 14® Zach 1, 8
6, 3 6 : das beste ambra ist v^' Avicenna I 231, 6 [aus Castle]: EBöh-
mer romanische Studien I 287, zu welcher stelle ich anmerken will, daß das
dort von mir vermutete ,y^ sich in meinen Praetermissa 79, 94 PSmith
1580 (unter U-^ wirklich gefanden hat: Dozy I 319 hat es eingetragen.
dies mußte besprochen werden, weil ich mich gegen den einwand
zu sichern hatte, S für unsem ausdruck nicht ausgenuzt zu haben.
so möchte ich für HSGrC K) *Saadias , deren text wenig erfreulich
ist, folgende tafel aufstellen:
i^j .^aaua ^apt6g imi midi JaÄJyi
trho *^ didisvxog mnj> jnpn (jh^
hierbei erläutert sich ti^rni^ aus meinen abhandlungen 75 Studien
§ 1887, wo zu ,^\nn zu bemerken ist, daß es Praetermissa 58, 56 durch
das zu itOi stimmende j^Jj^ erklärt wird: «-»40 nicht aus K^ lob 2, 7^
= SBM9 ==^ SZxog^ wozu m^ = ulceratio Avicenna IV y2y 15 = II 75, 19,
Hiaor.-phOolog. Glosse. XXVL 6. H
58 PAUL DB LAGARDE,
sondern aus syüJ ^ U ^f^\ «-^ ^ t^^ Gauharis: ^^^ aus EBöhmers
romanischen Studien I 230 290 und Jf Zacharias 1 und 6.
Ephraims Hebräer scheint sich so wol gegen >^\ Ss, wie gegen
ipmbg Gs zu richten: er will eine dunklere färbe — p-^mi^yb wäre ^-
XdyxQOvg — haben als yia^og, das nicht >Qoo|, sondern >osi\ ist.
26. Genesis 33, 17 TOÜ. Ephraim 100, 1—2.
Statt zu sagen Er nannte seinen namen SacMth, der Hebräer Zelte.
die glosse steht an der unrichtigen stelle, sie geht gegen S, denn nur
aus /nnrt)^ nicht aus -Sbx/co^ konnte um^mlß- fließen, über i»^ siehe
Lagarde Symmicta 1116,15—19. C^C* behalten nWTO.
26. Genesis 36, 24 D^O^H HK KVtD. Ephraim 99, 37— 39.
Statt zu sagen Er fand eine quelle wasser, als er die numlesel seines
Vaters weidete, sagt der Hebräer Er fand riesen in der wüste^ maulesel sind
nicht, in unserem S steht das vom Hebräer bekämpfte nicht, denn der
hat It^pöo U^ oi^ wKdal : wol aber bieten griechisßhe handschriften als
lesart des SvQog^ und zwar schon unter der auctorität des Diodor von
Tarsus, «vp« ntiyrjy ip vfj igr^fjuo. maulesel fttr D^O^ treffe ich — wol aus
flfju-'Ovog geraten — bei Hieronymus 57, 6 — 8 meines abdruckes, bei C*,
bei Saadias (W I 41, 22 und im citate bei Abdlwalid 284, 30), bei
Scharrird, den Abdlwalid mit |Auyio und JL«* anftlrt, bei Qamhi 196 und
dem Graecus Venetus: Aquila Symmachus Theodotion behalten D^^ ori-
ginaliter bei, das heißt, sie hatten keine Überlieferung über das wort.
Ephraims Hebräer geht mit C*, der an D^O^M Gen 14, 5 gedacht haben
wird, als er K^"OJI übertrug. Perles meletemata 9/10 52.
27. Genesis 37, 2 njfj. Ephraim 103, 10—14.
Der Hebräer, statt zu sagen Er wurde erzogen mit den sönen der
BaJ\l\a und Zelpha, sagt Er war jünger als die söne der Balla und Zelpha.
der Hebräer hat wol nur einem chronologischen Systeme zu liebe den
text verdreht: das was er verwirft, steht in C* ^3 DJf ^a'UlO vhü «\%X\
"J nnSa und C * "a ^M oy ^ano «im wie in S >q:^ ?ooi t)5 ooio und Saadias
28. Genesis 37, 3 D^OB T\iTQ. Ephraim 103, 25—24.
G /iTcoi^er nouctXov^ Aquila tunicam daxQaydXwr [so Field für astra-
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA. 59
galon meiner drei handschriften] id est tunicam talarem, Symmachus
tunicam manicatam = /«tora ;|rf i^i^coioi^, S ]^i^7 ) ^ >^no , C ^ mn DSnOy
C * ^DSl K3W3, Saadias ^L^ *ajh« ^^^r DSns nagayrndfig i^wp&qom siehe
mich an den in den armenischen Studien § 1863 angefürten stellen, über
JCäIh Dozy Supplement I 155.
die catene 2mal^^u ß-tfutttko^, da ist z«"^t = iS^ = g^^e** Lagarde
Symmictal 35, 7 Studien § 1678. ß-h^i dürfte xgöxij übersezen Levit
13, 48 ff, und dem otfuAiDv = «»Ä-t^ gegenüberstehn. p-b^mbhiy so viel
wie p-k^ituLjfp, das Elisch^ 213 (ende) als ^JtptuYt^ winterlich dem l^qap
mJmpmü^ = dem sommerltchen xoXoßioy entgegenstellt: vergleiche in des
Hieronymus quaestiones 57 quod haberet manicas: antiqui enim magis
colobüs utebantur mit DuCange 684 HLFleischer glossae habichtianae
I 32 und HNoo == ^JlfiJ'^ ^!>-*J' Praetermissa 20, 36 =^3^5 ebenda 36, 26.
RDozy läßt im dictionnaire des v^temens v^ ganz aus , im Supplement
II 390^ erkennt er es nicht als das von dem (von GCurtius^ 585 für gut
griechisch angesehenen) xoXoßog herstammenden xoX6ßu>v^ das durch seine
ableitung erweist, daß kleider mit langen ärmeln ursprünglicher waren
als solche mit kurzen: man kann doch ein ärmelloses kleid nicht ein
verstümmeltes nennen, wenn man nicht ein ärmelkleid für das ord«
nungsgemäße ansieht, über ^4^* gibt Dozy im Supplement I 739^ weniger
als im dictionnaire des v^tements 216 — 219 und vor ihm Freytag 11 405*.
entstanden ist die deutung ärmelkleid bekanntlich dadurch, daß man
D^DS als mehrheit von Ima nam, Praetermissa 9, 84 10, 91.
diesem ärmelkleide sezt Ephraims Hebräer i^^tk" "^k'^pt^" ^"lA^'V''
entgegen = buntes geblümtes kleid.
29. Genesis 37, 33 rHjn n^n. Ephraim 107, 17—19.
Statt zu $agen Irgend ein tier zerbrach den loseph mein sönchen^ sagt
der Hebräer Irgend ein böses tier fraß ihn. die getadelte übersezung kehrt
in der catene 109, 31 wieder: sonst finde ich sie nirgends, für tjltD tjlü
gleich nachher hat S y^^l ^A^, was zu k^k^ veranlassung gegeben haben
könnte, dem Piyn entspricht |Aaao S, nwtiQOv G, Kntt^3 C*: des C^
ma nvn meint so viel wie nyn irn.
H2
60 PAUL DE LAGARDE,
80. Genesis 38, 9 lS kS. Ephraim 100, 29—31.
Statt zu soffen Es wußte Onän daß [nicht] ihm sei der same, der He^
hräer Und es wußte Onan, daß nicht auf seinen namen genannt werde sein
same. zeUe 29 fehlt «^, das ich ergänzt habe. GS übersezen H wört-
lich: C^ i^aa pp^K noitf ^ kS on« pw jm, c* rxov Sjf kS n« ]s\h jn^
Kjnt Hpno, also beide annähernd wie Ephraims Hebräer.
81. Genesis 1,2. Ephraim 2, 9 ff.
durch meine schuld an der richtigen stelle ausgelassen.
Die venediger catene hat gleich durch ire ersten Worte gezeigt,
daß sie wenigstens teilweise auf syrische quellen zurückgeht, denn
^mumuMmnLlß'^iii kp^^ff UUd f^iuumiumnLp-pil ^p^p^ ist dcUtUch U^ÖA A* und
\i>A] tu = «UJt oü und (joyi\ oto W 4, 18: über ^uiumium sehe man
Lagarde armenische Studien § 1249: das von ^mum«« abgeleitete
^wummmnifiptl übcrsczt Pctr /? 3, 17 (mjQiyfjuig^ Phil 1, 7 Hebr 6, 16 ßs-
ßala}a$g, Hebr 3, 14 11, 1 vn6ciaa$g.
auch nachher ist syrisches original in ß-f^ i^ f «4 erkennbar, das Ss
01QOO fj^l wiedergibt, aber in der besprechung dieses ausdruckes wird
der Grieche erwänt, welchen Ephraim selbst kaum eingesehen haben
dürfte (2, jg = äoQtnog xal äxctraaxsvaatog).
endlich 3, 11 lesen wir der Hebräer statt zu sagen p-n^ L ^n^ sagt
^mp L fuuiuup^ worauf die worte folgen II ^lULiup mitp '^ 4^p'^ t"'P''B^ mä-
rend 2, 26 für O^on ^3B Sjf Itsmi /wim-m/» Lu tp 't 'I^P'^ «Ä^t/^r^ gesezt
worden war : vgl den römischen Ephraim I 8^ fcoooiZ wäS^ \S^ Jooi uili}^; U^oam.
über p-n^ und pa^ = ß-n^ und f »^ habe ich schon in meinen bei-
tragen 80, 15 eine bemerkung gemacht: vergleiche jezt auch oben 48, 33.
oiQ£x> oioZ möchte troz oiooioZ? (zwischen oiioZ und V^ Assemani
BO HI* 268, 17) und oiooioo Hoffmanns glosse 2279 nicht ganz gegen den
verdacht geschüzt werden können ein hebraismus zu sein, wäre dieser
verdacht begründet, so folgte, daß mal IHD bei den Juden eine alltäg-
liche redensart gewesen ist, denn nur solche gehn in der weise in schwe-
sterdialekte über, in welcher yns\ IHD in das syrische übergegangen ist.
daß die Verbindung y!XS\ liin im hebräischen sehr gebräuchlich war, er-
hellt in der tat daraus, daß das urspüngliche a des \ sich in ihr er-
i
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA. 61
halten hat, wie es das auch in iriDl mi Isa 41, 29 und inni OBK Isa 40, 17
getan: gelehrte, welche aus lerem 4, 23 [Isa 34, 11] schließen wollen,
daß Gen 1, 2 dem leremias [und Isaias] bekannt gewesen und als Vor-
bild benuzt worden ist, werden gut tun, die überlieferte ausspräche von
mai zu ändern, oder einzugestehn haben, daß alle diejenigen, welche
englisch schreibend die auch in Deutschland noch übliche redensart
forgive and forget brauchen, aus Shakespere Richard II 1, 1 AU's weU
5, 3 Lear 4, 7 entlenen — und so fort.
die griechischen übersezer wenden zur wiedergäbe von ^^^S\ mn ne-
gationen an: G aogettog xäi äxcnaoxevaatog ^ Aquila (dem gnostiker mit
irem nÄfjgwfia bekannt sein mochten) xirco/ua xul ovdir = weder an In-
halt noch an form etwas, Symmachus a^yor xm äduxxgttov^ Theodotion
(dessen erst durch mich in irer waren gestalt bekannt gewordene über-
sezung von einzelnen handschriften Bar Eßrdyds mit >o^ Xh >o^, aber
nicht von Larsows drucke 3* 13 bestätigt wird) ^Iv xal av&ip.
C* fügt zu seinem K^nai K^nn die glosse unbewont von menschen und
leer an vieh, C* greift aus dieser glosse sein N^jpm K^TV heraus, der
Samariter dürfte sein rupni notW aus C* haben. Saadias gibt h^äämn* 8^U
(vgl Hamdsa 567, 16 Nächte [BAldq*] 11 132, 27 Ihn Arabsdh TunAr
[Golius] 246, 11 neben 245, 8): der arabische übersezer der Samariter
überarbeitet dies zu BjS^JHm^^ ^y^*
W 4, 18 6, 3^5^^.--^ jA^[3] jü^ü^, anderswo iu^l3^ 'a^]j>.
zu diesen deutimgen tritt nun die hinzu, welche Ephraims Hebräer
gegeben, [nnp steht sonst für ßo&vpog Lagarde abhandlungen 223, 17 oder
(Sap 4, 3) ßd&og, ^iug.iup ist = persischem ^^L:> ßnstemis Studien § 982.
das sind üble ratereien.
inn ist lob 12, 24 die weglose, unbehagliche wüste = Psalm 107, 40
lob 6, 18 Deut 32, 10. Isa 41, 29 steht PDl mn mit DBK pK, Isa 49, 4
Vam innb mit p^h parallel, Isa 59, 4 mn neben KlBf, nach Isa 40, 17 ist
ym soviel wie inw OBWO, nach Isa 40, 23 yvh soviel wie IPirO. endlich
Regn <r 12, 21 erscheint ITID auf die götter der nichtlsraeliten angewendet,
wozu Isa 44, 9 zu vergleichen ist. bemerkt werden muß, daß mn im
zweiten teil des Isaias und im lob, Schriften, welche in der zweiten
62 PAUL DB LAGARDE,
hälfte des sechsten jarhunderts zu lerusalem verfaßt worden sind, so
häufig ist. die redaction des hexateuchs gehört ebenfalls nach lerusalem,
nur fallt sie etwa achtzig bis hundert jare später als lob und die redac-
tion des Isaias. wie man aus T\WD oSx Gen 1, 26 — in älterer zeit
sagte man niOOl "IMD Gen 39, 6 — etwas schließen darf, so sicher auch
aus mal inn, das dem ersichtlich nach Mesopotamien gehörenden He-
bräer Ephraims eben darum ein ziel für Vermutungen war, weil es dem
westlichen zweige des Aramaismus angehörte, noch die Swittf^ yiH THSH
(Rasi zu Genesis 47, 2), also unser nai D^C^Kna tt^llO (Zunz gottesdienst-
liche vortrage 176) braucht die wurzeln Kfln und Kfla, und ist in Palae-
stina geschrieben. 1 leidet vor sich a in ip W, o in I3jf wy iSc? WBf, 6
in U iSttf, i in V3K VPK VB, aber niemals e: fttr hagw gilt napi, fttr
qi9W mtp, für nidw rnj. auch die Araber sprechen nach Kosegarten
§253 badu hülu, von denen sich ina und inn nur durch die im Systeme
von Tiberias notwendige Umwandlung des u in cholem unterscheiden.
ich erlaube mir einige worte auch übei; Ephraim 3, 14 zu sagen,
wo Ss lÄWfio durch ipftp i^ ^/tfi^/» ausgedrückt wird, sehr bekannt ist
ja was der Sv^s ctp^Q dem Basilius 8, 18 ff [Frohen*] über insyifQeto =
avri&ccXne xäi if^woyopsi berichtet hat : mein m 23^ hat es aufgenommen,
Ambrosius hexahemeron a 29 abgeschrieben, Diodor von Tarsus bei Ni-
cephorus I 16/17 m 23^ Hieronymus quaest 4, 10 haben es berücksichtigt,
Diodor mit der bemerkung (Symmicta IE 1 86^) (og ag>€PdonjTfig § toSotijß nag'
tlfiiv fAhf dia fA^äg Xi^Biog orifialpstm^ nagä SvQoig dl öui ovo [die schlecht
syrische hexäpla ludd 20, 16 Regn ^ 3, 25 ^5J^ gegen t^Nnn |^? Ss],
ovwi xai %6 'Ensyiigsto fita juh iaü Xi^^g nag* 'Eßgato^^ nag* fifuv dl 3ux
fii&g Xi^Biog ovx &y nagatrtatij. Ephraims if^tp entspricht dem UiaoiA^,
womit Hoffmanns glosse 6671 Iaa»}^ erklärt (der glosse arabische über-
sezungen stammen aus den verschiedensten schriftsteilem, und sind alle
dogmatisch krank): das von ZTH'L Exod 25, 11 abgeleitete zjPLbL &^d
sich oben § 20 für oa^oiio, es steht für nsgiiQX^^^^ Sap 6, 17 Tim a
5, 13 Act 19, 13 (das activ iffiri_fi€TaaTQig>siy Gal 1, 7) usw. fff«/., das
zunächst in betracht kommt, kann ich nicht belegen. fpf^L — ^^^ ftpf
anaXdg Deut 28, 54 56 Isa 47, 1: mit «uplfi» aneetaXioaa Tim a 5, 6: mit dem
ÜBER DEN HEBRÄER EPHRAIMS VON EDESSA. 63
sonst %fvg>€QSg übersezenden ^m^uL.^^ zusammen für Bvna&i5p Psalm 91,15
-^ nsQitpvxBty Sir ach 30, 7 : auffallig für no^nevso&ai Maccab ß 11, 25:
vergleiche auch die alte armenische übersezung des Basilius 35, 28 32
mit dem griechischen 8, 21 Frobens*, obwol sie vermutlich aus dem sy-
rischen gemacht ist : denn wie il^l^ (so die leidener handschrift) in der
arabischen übersezung des Dioscorides «10 auf i^h h^^ = iJLayioßoaxor^
wie is3\^ jß ebenda a 124 nicht auf anig/ia dxiijg^ sondern auf Ifro?? J^^l,
wie tria^t ebenda er 12 nicht auf dce^Jußj sondern auf ein als das rela-
tivum enthaltend angesehenes tm^ii^?, wie ^Uil^^ $^ ebenda «124
nicht auf xvngoQj sondern auf ein verlesenes oder verschriebenes l^dos
PSmith 1799 zurückgeht, wie ^Ud^^d»» ^^^4^ v5wXJt w^aJl = avxdfuva ^Xa
ebenda «129 auf ein original fürt, in welchem ^ und fl> oder ^ verwech-
selt werden konnten, und dies alles auf eine syrische vorläge der ge-
dachten übersezung hinweist, so schließe ich aus S^iy»fuAl^%^ oder ^i^^mig^^
30, 20 = OvaXenlvoi 7, 12 und änlichem auf syrischen urtext, denn troz
der. feinen erläuterungen des großen Wörterbuchs I 1004^ dürften hier
Ujjj? Jaiaaphai anhänger des Bardesanes gesucht werden müssen.
Ephraim hat das insg>iQ6w oder img^sQil/ispor der verschiedenen
Griechen mit der durch den Syrer des Basilius in umlauf gesezten er-
läuterung vereinigt.
Anhang. Zum zweiondzwansigsten psalme.
ll'^n^M P8&lm22, 5 beweist, daB die redende person sich aus einer yielheit von individnen
zusammensest» daß sie Israel ist. der redende ist entschieden derselben art wie die vftter.
der psalmist braucht dieselben ausdrücke wie der herausgeber des Isaias: es genügt neben-
einanderzustelleü
isa 41, 14 nyVin Psaim 22, 7 nySin
diese ausdrücke keren auch bei Nehemias wieder, bei dem es 2, 19 yon Samaritern, Ammoni-
tem und Arabern heiBt ^yfyjf )ty)' die äalichkeit wird noch schlagender, wenn man bedenkt,
^^ lA )Xyh^ Torau%eht, und Psalm 22, 8 i^ "iXyh^ "^tV) So "»g*-
wir wissen Ton vier feinden der aus dem elende zurückgekehrten ludäer: die Samariter,
Tobias der Ammonit, Sanaballat der Horonit, Gosem der Araber stehn gegen sie zusammen«
Tobias und Sanaballat waren beide nachkommen Lots.
der zweiundzwanzigste psalm schildert die den sprechenden bedrängende not einmal als durch
krankheit, das andere mal als durch tiere veranlaßt.
64
an tieren werden genannt
n^M 1^ ^ ui^d 1^^^ ^^^ meinong vieler v^ 17 :
Qi^^^ 17, wo AkSymm ^Qtnai, Hieronymus venatores = kaUoBim: yy^ 21.
dazn kommen scheinbar die Q^l ^^ verses 22.
ich beziehe die Q^lfi anf die Ammoniter, den TVIH ^^ Otoaem, die Q'^^S^ auf die Samariter.
die krankheit ist der anssas. der anssaz aber ist ein, typus im lob , den ich mit der alten
Synagoge als ^y\ffJ2 üemso, und eigentlich überall im alten testamente. aber ^^ 17 ans syrischem
^^t PSmith I 878 €M8$az zu erklären geht nicht, weil die entsprechong der stieben zerstOrt würde.
wir haben nämlich jedesmal sieben glieder (ich lese mit Saadias >3n ^' **rD) *
Q>an tans ^3iMD " ^ro&m a>oo *•
tan^ö ^ 1XÖ " Jana ^yy n'»n
QW ^:iMD ^3 *' ^3n cnna «o^ *•
daraus folgt vielleicht, daS ^HO troz dessen was IDMichaelis in der onentalischen und exe«
getischen bibliothek XI 209'-220 auseinandersezt, richtiger als 1*11^0 ist, . sicher, daft vers 17 an
der fiftlschen stelle steht.
arabisches Q^ i9t das wilde rind, also kaum ein geftrliches tier: es steht neben ^jjf Pt
29, 6 oder ^^(^ Deut 33, 17 oder Qi^fi lu^d p^'>3H Isa 34, 7: es ist scheu und unzftmbar lob
39,9 10, dann aber auch dem menschen nicht feindlich, daraus folgt, daß Ps 22, 22 O*»0n n^f
der poetisch sein sollende fehler eines die spräche seiner väter nicht wirklich kennenden spät«
lings fOr 0^£) üt: ^^ 21, n'^HH ^uid Q[K]l 22 sind tD^^2 (c^Ibo gegen AqSymmHieronymua
zu sprechen) 17, n^HK 1^* ^H 17% Q^^fi 13^ Sanaballat und Tobias gelten nur fOr Einen feind.
Verbessere
8, 32 den hedUrfnissen in dem hedürfnuee.
19, 26 im ersten aethiopischen ,
28, 28 im aethiopischen werte muß das lezte zeichen in der siebenten form stehn.
28, 9 Übrig schreibe erhalten,
88, 10 Punier schreibe Phoenieier.
Die armenischen typen der officin sind, weil viele jare hindurch nicht gebraucht, durch rost
in einen häufen meist vOllig wertloser metallstäbchen verwandelt worden : es hat groBe mühe
gekostet, so viel in brauchbarem zustande befindliches ntfttft">l zusammenzubringen wie verwen«
det worden ist, aber selbst durch die lupe ließen eich g und d und änlioh gleiche gestalten im
correctursaze nicht immer unterscheiden, ich lene sowol was den sezer als was mich selbst an-
geht, jede Verantwortung für die zum glücke wenig zalreiohen fehler ab, weiche im armenischen
saze sich finden, welche ich nicht einmal hier verzeichnen kann.
Praetermissa 45, 38 ist yt^ gemeint
Symmicta 11 224 streiche zeile 11.
Im drucke beendet am 5 Jum iSBO.
Zur Erinnerung
an
KARL VON SEEBACH,
Von
O. IClein.
Vorgetragen in der Sitzung der KönigUchen Gesellschaft der Wissenschaften
am 1. Mai 1880.
GOTTINGEN,
in der Dieterichschen Verlags - Buchhandlung.
1880.
l
JMoch lebt in Aller Gedächtniss die Erinnerung an jenen Morgen
des 21. Januar, an dem die Trauerbotschaft unsere Stadt durchlief, Prof.
von Seebach sei gestorben und wenn es auch leider nur zu gewiss war,
dass bei der Schwere seines Leidens keine Hoffnung auf Genesung ge-
wesen, so traf die Nachricht von dem Dahinscheiden doch ein jedes Ge-
müth, musste man sich sagen, dass der Tod einen der Besten in der Blüthe
seiner Jahre und mitten aus segensreichstem Wirken hinweg gerafft hatte.
Karl Albert Ludwig Freiherr von Seebach wurde am 13.
August 1839 zu Weimar geboren als ältester Sohn des Major Kammer-
herrn von Seebach und seiner Gemahlin, einer Freiin von Oldershausen.
Schon früh traten bei dem leichtbeweglichen und für alles Schöne und
Gute empfänglichen Knaben die vielseitigsten Anlagen hervor ; Vater und
Mutter waren bestrebt dieselben auszubilden und durch Anerziehung ei-
nes selbstständigen Charakters Halt und bestimmte Richtung dem Wesen
des heranwachsenden Jünglings zu verleihen. Selten haben der edle,
ritterliche Sinn eines Vaters und der klare, umfassende Verstand einer
Mutter harmonischer zusammengewirkt in solchem Bestreben , das von
dem bestem Erfolge gekrönt war, so dass der Sohn recht eigentlich das
geistige Ebenbild seiner Eltern genannt werden konnte.
Von seinem neunten Jahre an besuchte Seebach die Fröbel'sche Erzie-*
hungsanstalt zu Keilhau bei Rudolstadt, damals unter der Leitung von
Barop und Middendorf stehend, welche Männer auf die ihnen anvertrauten
Knaben den wohlthätigsten Einfluss rücksichtlich der Ausbildung von
Verstand und Gemüth übten. Die Pflege des Körpers wurde dabei nicht
versäumt und die freie Zeit mit allerhand jugendlichen Spielen im Freien,
Ausflügen in die nächste Umgebung ausgefüllt Auf einer solchen Fe-
rienreise lernte Seebach die grossartige Alpennatur des Salzkammergutes
kennen und bestieg den Watzmann. Die angeborene Beobachtungsgabe
des Knaben fand bei solcher Lebensart reichliche Anregung, die Freude
an der Natur wurde geweckt und der Keim für den zukünftigen Beruf gelegt.
Mit dem 15. Jahre kehrte er in's elterliche Haus zurück und trat
in das Gymnasinpi seiner Vaterstadt ein, an dessen Spitze seit 1845 Her-
mann Sauppe stand. Die klassischen Studien traten nun in ihre Rechte,
ohne dass die ein mal liebgewonnene Beschäftigung mit der Natur zu-
rückgedrängt worden wäre. Für diese Beschäftigung war es von ganz
besonderer Bedeutung, dass Seebach's Vater sich vom Militair zurückge-
zogen hatte und dadurch dem Sohne sich sehr widmen konnte. Frei-
herr von Seebach war in jungen Jahren ein Liebling Goethe's gewesen,
der ihm wiederholt seine eigene Mineraliensammlung gezeigt, erläutert
und selbst eine kleine Sammlung angelegt hatte. Diese ward vervoll-
ständigt, geordnet; daneben wurden vom jungen Seebach die Versteine-
rungen der Umgegend gesammelt und so die Grundlage zu dem Mate-
rial gelegt, auf Grund dessen er sich später den Doctorgrad erwarb.
Seine erste wissenschaftliche Arbeit über die Entomostraceen Thüringens
stammt sogar noch aus der Gymnasialzeit (1857).
Sämmtliche Sammlungen Seebach's, auch die, welche er später auf
seinen Keisen zusammenbrachte, hat er in hochherziger Weise dem geo-
logischen Museum der Universität Göttingen geschenkt, dem sie dauernd
zur Zierde gereichen werden.
Von hervorragendstem Einfluss auf die ganze Geistesrichtung See-
bach's war es aber, dass er grade die Zeit, in der das G^müth noch für
hohe und hehre Eindrücke besonders empfanglich und durch sie bildsam
ist, im Vaterhause zubrachte. Musste es nicht auf das Günstigste auf
ihn einwirken, dass eine Reihe bedeutender Männer, in denen die Tra-
ditionen des alten Weimar lebend^ waren, daselbst verkehrten! In
solcher Umgebung konnte der hohe Sinn entwickelt werden, der dem
Wesen des Mannes später ein so eigenartiges Gepräge verlieh und all
sein Thun und Lassen kennzeichnete.
Zu Ostern 1859 verliess Seebach nach vorzüglidi bestandenem Exa-
men das Gymnasium. Zunächst widmete er sich zu Kamsdorf den prak-
tisch-bergmännischen Arbeiten, bald aber wurde der Drang nach wissen-
schaftlicher Beschäftigung so mächtig , dass er nach einem Jahre die
Universität Breslau bezog, um unter Ferd. Römer's Leitung sich der
Geologie und Paläontologie ganz zuzuwenden.
Die Breslauer Zeit hat zu den glücklichsten seines Lebens gehört und er
gedachte ihrer und seines von ihm hochverehrten Lehrers stets mit vieler Liebe.
Von Breslau« ging er Ostern 1861 nach Göttingen und vollendete
seine Studien unter Beyrich's Leitung in BerKn. .
In die Zeit des Breslauer Aufenthalts fällt eine von Seebach un-
ternon mene Reise in die Karpathen, dann ging er^mit Römer nach
Russland und besuchte später Dänemark und England.
Seine Arbeiten und seine ausgedehnten Bekanntschaften, nicht
minder endlich seine ganze hervorragende Persönlichkeit, hatten früh die
Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf ihn gelenkt und so geschah es —
ein gevnss seltener Fall — dass noch bevor er promovirt hatte ihm die
Uebernahme der neu begründeten ausserordentlichen Professur für Geo-
logie und Paläontologie in Göttingen angetragen wurde.
Dabei ward die Erwartung ausgesprochen, dass er demnächst eine
j^össere wissenschaftliche Arbeit veröffentlichen werde. Sein Werk über
den hannover'schen Jura erfüllte jene Vorbedingung.
1862 promovirte Seebach in Göttingen mit seiner Arbeit über die
Conchylien-Fauna der Weimar'schen Trias und trat 1863 die Professur
an mit dem Vorbehalte jedoch im nächsten Jahre noch eine grössere
wissenschaftliche Reise unternehmen zu können. Er unternahm dieselbe
1864 nach Centralamerika. Dort wandte er sich ganz vorzugsweise dem
Studium der Vulkane^ zu und hat seine Beobachtungen in einem grös-
seren Werke, der Hauptarbeit seines Lebens, das leider durch den Um-
stand nicht veröffentlicht werden konnte, dass seine epochemachenden
Untersuchungen über das mitteldeutsche Erdbeben v. 6. März 1872 da^
zwischen kamen, niedergelegt Möge es gelingen jenes Werk im Geiste
des Entschlafenen zu veröffentlichen und so dem wissenschaftlichen Pub-
likum seinen reichen Inhalt zugänglich zu machen!
Von seiner Rückkehr aus Centralaraerika bis zu seinem Tode wirkte
Seebach ununterbrochen als Lehrer in Göttingen. 1870 zum ordentli-
chen Professor ernannt, betheiligte er sich nun noch mehr als frflher
an den Angelegenheiten der Universität, der er, trotz eines verlockenden
Rufs nach Strassburg, treu blieb. — 1876 ehrte ihn die Königliche
Gesellschaft der Wissenschaften durch Ernennung zum ordentlichen
Mitgliede.
In den Ferien betheiligte er sich an den Arbeiten der preussischen
geologischen Landesaufnahme und bearbeitete mehrere thüringische Sec-
tionen der grossen Karte. Auch die Umgegend von Göttingen zog er in
den Kreis seiner -Beobachtungen, es war ihm aber nicht mehr beschieden
diese Arbeit zum Abschluss zu bringen.
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Einer wissenschaftlichen Reise nach Santorin, in den Frühjahrsfe-
rien des Jahres 1866 unternommen, ist hier noch zu gedenken.
Im Frühjahre 1867 verheirathete er sich mit Bertha Sauppe, der
zweiten Tochter des Geh. Reg. Raths H. Sauppe. Kein schöneres und
innigeres , auf gegenseitiges Verständniss und Liebe gegründetes Fami-
lienleben, dessen Kreis vier prächtige Kinder zierten, kann gedacht werden»
und sicher hat jeder Freund und Fachgenosse, der von der Gastfreund-^
Schaft des Hauses Seebach Gebrauch machte, diesen wohlthuenden Ein-
druck empfangen.
In seiner Eigenschaft als Lehrer war es Seebach, wie wenig An-
dern, gegeben, anzuregen und zu zünden. Von der studirenden Ju-
gend hochverehrt , die begeistert an den Lippen ihres Lehrers hing, hat
er es verstanden dem Fache Jünger in ansehnlicher Zahl zuzuführen
und über die Kreise derselben hinaus seine Wissenschaft geehrt und
angesehen zu machen.
Eine seiner grössten Leistungen ist die Gründung der geologisch-
paläontologischen Sammlung, die heute in dem neuen grossen Gebäude
prächtig aufgestellt, ein ausgezeichnetes Lehr- und Arbeitsmaterial dar-
bietet. Und wie ganz anders war es als Seebach die Stelle antrat !
Von einer Sammlung nur soviel vorhanden, theilt er in seinen Aufzeich-
nungen mit, als eine mittelmässige Realschule heutzutage besitzt, dabei
in ui]gleichmä88igster Art durcheinander, Kostbares und Werthloses gleich
schlecht behandelt und nur erst durch langes Mühen, entsagende emsige
Arbeit in den Zustand zu bringen , in dem durch jahrelange Pflege die
Sammlung heute ist und von der wie eine Fabel das Wort klingt, das
Seebach, als er sie übernahm, niederschrieb:
,,Nie in meinem Leben habe ich etwas so Trauriges gesehen , als
der Zustand der acad^mischen Sammlung damals war/* —
Wohl stand er vor der Vollendung seines Werks auf der Höhe
seiner Entwickelung, eine imponirende, vornehme Erscheinung, aber dem
aufmerksamen Beobachter entging nicht eine;:* leise Veränderung in sei-
nem Wesen: der Keim jener entsetzlichen Krankheit, der er erliegen
sollte, hatte sich in seine Brust gesenkt.
„Ich kann nichts mehr arbeiten, lieber Freund,** das waren die
Worte, die er mir fast täglich wiederholte, und' die ich Anfangs im Glau-
ben, es handle sich um eine vorübergehende Abspannung immer, aber
leider stets erfolglos, ihm auszureden suchte.
So kam der Herbst 1877 heran. Auf der Versammlung der deut-
schen geologischen Gesellschaft zu Wien fasste man den Beschluss im
kommenden Herbste 'die Versammlung in Göttingen abzuhalten und See-
bach, in Wien anwesend, konnte und mochte sich den Wünschen seiner
Fachgenossen nicht entziehen. Nun galt es den Umzug der Sammlungen
und die Aufstellung in's Werk zu setzen! Eine Schonung war dabei
nicht möglich, denn die Zeit drängte.
Zu all dem gesellte sich bei Seebach im Winter 1877/78 ein hef-
tiger Katarrh, der beim Aufenthalt in den schlecht heizbaren und zum
Theil überhaupt nicht zu erwärmenden Räumlichkeiten immer mehr um
sich griff und edlere Theile in Mitleidenschaft zog. Alles Bitten, alle
ernsten Vorstellungen waren umsonst , zu einer Schonung seiner Person
war Seebach nicht zu bringen. Der Sommer 1878 brachte wenig Besse-
rung, mit knapper Noth ward die Vorlesung zu Ende geführt. Im Herbst
1878 fanden die Theilnehmer der deutschen geologischen Gesellschaft
ein vorzüglich geordnetes und eingerichtetes Institut vor — aber See-
bach's Kräfte waren erschöpft. Viele, die ihn in den Jahren seiner
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Kraft gekannt hatten, erschracken ob seines Aussehens, kaum konnte er
während der Tage der Versammlung sich aufrecht halten«
Es musste nun ernstlich daran gedacht werden, etwas zur Wieder-
erlangung der Gesundheit zu thun und so fasste Seebach den Beschluss
den Winter im Süden zuzubringen. Er wählte hierzu Portugal, welches
Land ihm auch überdies in geologischer Beziehung Manches zu bieten
schien. Aber gerade hierin lag vielleicht etwas Verderbliches für ihn.
Von der Schönheit des südlichen Portugal angeregt und durch den geo-
logisch interessanten Bau des Landes zur Erforschung desselben getrie-
ben, arbeitete Seebach dort rastlos, wie eiu Gesunder. Zeuge desseü
sind die erheblichen Sammlungen, die er in kurzer Zeit zusammen-
brachte. Von der portugiesischen Regierung aufs Liberalste unterstützt,
konnte er Material und Daten zu einer neuen Arbeit sammeln, die er
nach der Heimkehr vorzunehmen gedachte.
Leider hielt die Besserung nach der Rückkunft nur kurze Zeit an.
Bald wurde er kränker als je, und als der Winter kam, mussten sich
seine Freunde sagen, dass es um ihn geschehen sei.
Er selbst mag sein herannahendes Ende nur ganz vorübergehend
gefühlt haben, jedenfalls hat er unter der aufofrfemden Pflege seiner
Gattin und seiner Schwester Anna doch recht oft wieder der Hoffnung
auf Besserung Raum und Ausdruck gegeben.
Noch kurz vor seinem Hinscheiden sprach er mit mir eingehend
über das im Sommer Vorzunehmende. Da verschlimmerte sich gegen
den 18. Januar 1880 sein Befinden merklich, grosse Abspannung trat
ein und am Morgen des 21. entschlief er ruhig und sanft.
Am 24. Januar wurde er unter grosser Betheiligung von Universität
und Bürgerschaft, die ihn seines treuen nationalen Sinnes wegen hoch
verehrte, bestattet. — Der Tag war bitterkalt und Strauch und Baum
bereift, prangte die Landschaft in winterlicher Pracht, — es war als ob
die Natur ihr Festkleid angelegt hätte um den im Tode zu ehren, dem
sie so oft im Leben ihre Geheimnisse entschleiert hatte.
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Von der grossen Vielseitigkeit des au früh Geschiedenen legt die
nachfolgende Liste seiner Arbeiten, nach -dem zugänglichen Material zu-
sammengestellt, Zeugniss ab. Die Bedeutung Seebach*s als Gelehrter hat
sein nächster Fachcollege Prof. Benecke in einem Nachrufe mit folgen-
den Worten hervorgehoben:
„Dass die Umgebung in der er aufwuchs, Seebach zunächst zu pa*
läontologisch-stratigraphischen Arbeiten anregte, ist begreiflich. Die
Trias und ihre organischen Einschlüsse war Gegenstand seiner ersten Un-
tersuchungen. Zu einer in grossen Zügen gegebenen Zusammenfassung
des hannoverschen Jura veranlasste ihn der Aufenthalt in Göttingen.
Eine Reihe kleinerer Afbeiten rein paläontologischen Inhalts zeugen von
seiner ausserordenlichen Combinationsgabe, wir erinnern nur an die ,,Phyllo-
somen*'. Am liebsten beschäftigte er sich jedoch mit den Vulkanen.
Seine umfassenden Studien über dieselben sollten in dem grossen
Werke über Centralamerika niedei^elegt werden. Die Vulkane leiteten
zu den Erdbeben hinüber und die Arbeit über das mitteldeutsche Erd-
beben ist ein sprechender Beweis seines ausserordentlichen Talents. Sel-
ten wird es vorkommen, dass ein Forscher, dessen Untersuchungen sich
bisher ausschliesslich in dem sogenannten beschreibenden Gebiete be-
wegten, sich plötzlich der exacten Sichtung mit solchem Erfolge zu-
wendet''.
18Ö7. Entomostraceen ans der Trias Thüringens. Zeitschr. d. d. geol. Ges. Bd. IX.
S. 198.
1860. Über den wahrscheinlichen Ursprung des sogen, tellurischen Eisens von Gross-
Eamsdorf. Das. Bd. XIL S. 189.
1861. Die Conchylienfanna der Weimarischen Trias. Das. Bd. XIII. S. 551 und
Inaugural-Dissertation. Göttingen, 1862.
1862. Notiz über ein neues Vorkommen von Analcim. Nachricht d. kgl Gesellsch.
d. Wiss. zu Göttingen. S. 334.
1864. Über Orophocrinus ^ ein neues Crinoidengeschlecht aus der Abtheilung der
Blastoideen. Das. S. HO.
— Der Hannoyer'sche Jura. Berlin.
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1865. Reise darch Gnanacaste (Costa Rica) 1864 and 1865. Petermann's geogr.
Mittheil. Bd. 1865. 8. 241.
— Besteigung des Vulkans Turrialba in Costa Rica. Das. S. 321,
— Beiträge zur Geologie der Insel Bornholm. Zeitschr. d. d. geolog. Gtesellsch.
Bd. XVII. S. 338.
— Über den Vulkan Jzalko und den Bau der centralamerikanischen Vulkane im
Allgemeinen. Nachricht d. kgl. Ges. der Wissensoh. zu Göttingen. S. 521.
1866. Bericht über die vulkanischen Neubildungen bei Santorin. Das. S. 149.
— Die Zoantharia perforata der paläozoischen Periode. Zeitschr. d. d. geolog.
Gesellsch. Bd. XVIII. S. 304.
— Über die diluviale Säugethierfauna des oberen Leinethals und über einen
neuen Beweis des Alters des Menschengeschlechts. Nachricht, d. kgl. (}es. d.
Wissensch. S. 293.
— Vorläufige Mittheilung ttber die typische Verschiedenheit im Bau der Vulkane
und deren Ursache. Zeitschr. d. d. g. Ges. Bd. XVIII. S. 643.
1867. Erster Bericht über die geognostisch- paläontologische Sammlung der Univer-
sität Göttingen. Nachricht d. kgl. Ges. d. Wissensch. zu Göttingen. S. 19.
— Zur Kritik der Gattung Myophoria Bronn und ihrer triasinischen Arten.
Das. S. 375.
— Der Vulkan von Santorin, nach einem Besuch im März und April 1866. Vir-
chow-Holtzendorff, Vorträge. No. 38.
— Über den Vulkan von Santorin und die Eruption von 1866. Abhandl. d. kgl.
Ges. d. Wissensch. zu Göttingen. Bd. XIII.
1868. Über die Entwickelung der Elreideformation im Ohmgebirge. Nachr. d. kgl.
Ges. d. Wissensch. in Göttingen. S. 128.
— Über die vulkanischen Erscheinungen in Centralamerika. Verhandl. d. geolog.
Reichsanst S. 219. (Brief an Prof. v. Hochstetter.)
— Über Estheria Alhertii Voltz sp. Nachr. d. Kgl. Ges. d. Wissensch. z. Göt-
tingen. S. 281.
1869. Zweiter Bericht ttber die geognostisch-paläontologische Sanmilung der Univer-
sität Göttingen. Das. S. 71.
— Über die Eruption von Methana im 3. Jahrhundert v. Chr. Geb. Zeitschr. d.
d. geol. Gesellsch. Bd. XXI. S. 275.
1870. Dritter Bericht ttber die geognostisch - paläontologische Sammlung der Univer-
sität Göttingen. Nachrichten d. kgl. Ges. d. Wissensch. zu Göttingen. S. 7.
1871. Vierter Bericht ttber die geognostisch-paläontologisohe Sammlung der Univer-
sität Göttingen. Das. S. 158.
— Über Peniphix Alhertii aus dem unteren Nodosus-Kalk des Hainberges. Das. S. 1 85.