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ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH -PHILOLOGISCHEN CLASSE
DER KÖMGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.
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FÜNFTER BAND.
IN DBB KRIHK DKK DENKSCHRIFTEN l)BR XXI. BAND.
MÖNCHE N.
18 4 9.
AUF KOSTEN DER AKADEMIE.
GEDRUCKT IN DER J GEORG WEISS'schen BUCHDRUCKEREI
As
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^M
ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH-PHILOL. CLASSE
DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.
FÜNFTEN BANDES
ERSTE ABTHEILUNG.
ABHANDLUNGEN
DER
PHJLOSOPHISCH-PHILÖLOG. CLASSE
DER KÖMGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.
FÜNFTEN BANDES
ERSTE ABTEILUNG.
IN DER REIHE DER DENKSCHRIFTEN DER XXIV. BAND.
MÜNCHEN.
AUF KOSTEN WCR|ÄADpMIE.
GEDRUCKT IN DER J. GEORT^WEiIs?ch^BUCHDRUCKERE1.
SM
Inhalt.
I. A b t b e i I u ri g.
Ueber die Politik des Aristoteles, von Leonhard Spengel.
Die Amazonen, von Friedr. Aug. Ukerl in Gotha.
Zu Dr. Ludwig Schorn's im XII. Bande dieser Denkschriften 1835 abgedruck-
ter Abhandlung über das römische Denkmal in Igel bei Trier, von
./. A. Schmeller. (Mit lithogr. Abbildung.)
Ueber die Bücher des Königs Numa. Ein Beitrag zur Beligionsphilosophie
von Ernst v. Lasaulx.
Ueber die Mauern von Babylon und das Heiligthum des Bei daselbst, von
Dr. Franz Streber.
IL A b t h e i I u n g.
De locis quibusdam Aeschyli Lacunosis aut versuum transpositione sanandis
scripsit et in consessu classis I, die IV. Julii anni MDCCCXLVI exhi-
buit Fridericus Thiersch.
De locis in P. Cornelii Taciti vita Agricolae Lacunosis dissertationem classi
philolog. ac monac. die IX. Maii anni MDCCCXLV11 exhibitam praece-
denti epimetrum adjecit Fridericus Thiersch.
Ueber ein in den Besitz des k. Antiquariums übergegangenes silbernes Gefäss
mit Darstellungen aus der griechischen Heroengeschichte. Vorgetragen
in der Sitzung der I. Classe der k. Akademie der Wissenschaften am
4. Juni 1848 von Friedr. Thiersch. (Mit einem Kupfer.)
IV
Debet1 die Reihenfolge der naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles,
von Professor Dr. Leonh. Spengel.
Römische Inschriften, mit Bemerkungen von Professor Jos. v Hefnet. (Mit
zwei Tafeln Abbildungen.)
(01 rigenda.
III. Abtheilung.
Die ältesten Münzen der Grafen von Hohenlohe, oder zwanzig bisher meist
unbekannte Pfennige des Herrn Ulrich von Hohenlohe. Ein Beitrag
zur Geschichte der Grafen von Hohenlohe von 1371 bis 1408, von
Dr. Franz Streber. (Mit einer Tafel Abbildungen.)
Ueber das Erechtheum auf der Akropolis zu Athen. Von Friedrich T/üersch.
Erste Abiheilung.
Epistola Roscelini ad P. Abaelardum. Editore J. A. Schneller .
Ueber die Endung -ez [-es] spanischer und portugiesischer Familiennamen,
von J. A. Schindler.
Q. Valerii Catulli Veron. über. (Ex rec. C. Lachmanni. Berol. typis et im-
pensis Ge. Reimeri. A. 1829.) Vorschläge zur Berichtigung des Tex-
tes von Joh. v. G. Fröhlich.
Leber die
Politik des Aristoteles
von
Leonhurd Spengel,
auswärtigem ordentlichen Milgliede der Akademie der Wissenschaften in München;
Abhandlungen d. I Cl. d. lt. Ak. d. Miss. V. Bd. I. Abth.
Leber die Politik des Aristoteles
von
Leonhard Spengel.
Mwie Nikpmachische Ethik hat uns in ihrem Zusammenhange
und in der Ausführung wenige Zweifel erregt, nur die wichtige
Frage, ob die Bücher V., VI., VII., welche in derselben Form in
den Eudemien wiederkehren, ursprünglich diesen oder jenen an-
heimfallen, verlangte nähere Betrachtung; aber das Vorhandensein
zweier anderer ethischen Schriften desselben Inhalts unter dem Na-
men des Aristoteles forderte zur genauen Untersuchung auf, in wel-
chem Verhältnisse diese letzteren zu dem Originalwerke , den Ni-
komachieu, stehen *).
Dagegen hat sich von der Politik, der Fortsetzung der Ethik,
nur ein Werk erhalten, unbestritten acht und nicht etwa eine spä-
tere aus dem Originale gemachte Umarbeitung, wie die Eudemien
oder die sogenannte grosse Ethik; dieses selbst aber ist in Folge
und Ordnung der Bücher vielem Zweifel unterworfen, und hat die
entgegengesetzten Urtheile hervorgerufen.
M Vergl. Pansch, de Moralibus magnis subditicio Aristotelis libro.
Eutin 1841 , und Herrn. Bonitz, Obserrationes criticae in Aristote-
lis fjuae feruntur Magna Moralia et Ethica Eudemia. ßerolini 1844.
t
Bereits im sechszehnten Jahrhunderte hatte Antonius Scainius,
und unabhängig von ihm Angelas Segnius2) bemerkt, das« das
Ende des III- Buches und der Anfang des IV. nicht übereinstim-
men, vielmehr jenes erwarten lasse, was dieses als abgemacht vor-
aussetzt, während die Bücher VII. und VIII. wie äusserlich der
Form, so innerlich dem Inhalte nach über die ctq(ori] noknsCa sich
an das Ende von III. anschliessen und dadurch ein zusammenhängen-
des wenn auch nicht vollendetes Ganze liefern. Diese Umstellung der
Bücher, welche sich des Beifalls eines Sepulveda, Victorins, Jos.
Scaliger u. a. erfreute, wurde von H. Coming in seiner Ausgabe
der aristotelischen Politik, Introductio pag. 557 — 652 ausführlich
begründet, und ich halte den Kern dieser Abhandlung für voll-
kommen gesund; man sieht, dass er Inhalt und Gang der aristote-
lischen Politik sich mehr als viele der neuern angeeignet hat, G.
Schneider vermisste am Ende des III. Buches Einiges, suchte je-
doch den Büchern VII. und VIII. ihre Stellung zu vindiciren. Götl-
ling glaubte, alles sey im vollkommensten und trefflichsten Zustande
und viele glauben es ihm nach. Gleichwohl Hess sich der Franzose
Barthelemy Saint- Hilaire durch solche fruchtlose Versuche, die
/war sehr wohl gemeint seyn mögen, aber nicht von der besten
Einsicht zeugen, keineswegs abhalten, nicht nur die von früheren
Gelehrten empfohlene Ordnung wieder aufzunehmen, sondern gestüzt
auf Aristoteles Aussage, IV, 2., in welcher Folge er den letztern
Theil seines Werkes ausführen wolle, hatte er zuerst die wichtige
Bemerkung gemacht , dass die Ausführung mit jener Ankündigung
im Widerspruche stehe, aber durch die Umstellung des fünften und
sechsten Buches vollkommen hergestellt werde3), so dass in seiner
-) Vergl. Coming, Inlroduct. pag. 612. Scaini im Jahre 1577. Segni,
in der zweiten Ausgabe des Victorius 1576 nach Schneiders Bemer-
kung pag, 223.
') Den innem Zusammenhang der Bücher hatte Coming schon erkannt
5
Ausgabe die Bücher der Politik, wie wir überzeugt sind, vollkom-
men richtig, nachstehende Ordnung einnehmen: L, IL, HL, VII..
VIII. , IV., VI., V. Letztere Entdeckung ist von Woltmann in ei-
ner besondern Abhandlung : über die Ordnung der Bücher in der
Aristotelischen Politik 4) anerkannt, der seinerseits die gewöhnliche
Stellung der Bücher VII. und VIIL, welche sie in allen Codices be-
haupten, in Schutz nimmt; andere haben die ganze Anorduung von
St. Hilaire gebilligt5), andere ganz verworfen6).
Diese Fragen, um welche sich die Untersuchung über die ari-
stotelische Politik vorzüglich dreht, sicher zu entscheiden, ist noth-
weudig, ausser dem Zusammenhang im Ganzen die einzelnen Stel-
len in ihrer Beziehung richtig aufzufassen und jede falsche Erklä-
rung zurückzuweisen; die Verbindung dieser wird von selbst dar-
tbun, ob der Zustand und die Folge, in welcher die Bücher uns
überliefert sind, erhalten werden kann oder nicht. Im Allgemeinen
und er war der Ansicht St. Hilahes ganz nahe, pag. 635, wurde
aber durch die Verweisungen des sechsten Buches auf das fünfte
irre geführt und glaubte den jetzigen Zustand entschuldigen zu können.
4) Rheinisches Museum für Philologie. 1842. S. 321 — 54.
s) Kopp, in den Münchner gelehrten Anzeigen 1839- Nr. 87. Seite 702.
Stahr, Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik. 1838. Juli. pag. 1 —
23. Sept., welcher glaubt, jetzt sey das ganze Werk vollkommen
und vollständig erhalten.
6) Biese, Philosophie des Arist. II. 400, der meint, das Unnöthige sol-
cher willkührlichen Umstellung werde sich aus dem im Folgenden
nachgewiesenen Zusammenhange von selbst ergeben; da« müsste pag.
481. 504. 524. 532, nachgewiesen seyn, wo man nichts finden wird,
was nur einigermassen befriedigen kann. H. Biese scheint die
Schwierigkeiten gar nicht zu kennen. Forchhammer, unten Note 44.
Vergl. Hallische Litt. Zeitung. 1839. Nro. 198 — 200, wo der Re-
censcnl (Pansch?) die Verbindung des III. Buches mit VII. VIII. bil-
ligt, die Vertauschung aber von V. VI, verwirft.
6
ist zu bemerken, dass die IloMxiv.a unseres Philosophen zu jenen
Schriften zu zählen sind , welche im Ganzen zwar verständlich,
aber gleichwohl in sehr verderbter Gestalt auf uns gekommen sind,
was die neuesten Herausgeber Göttling, Stahr, St.-Hilaire, die al-
les Unhaltbare zu vertheidigen suchen, am wenigsten beachtet ha-
ben; ein näheres Studium, und die Vergleichung dieses Werkes
mit der Form anderer lehrt, was hier, wo die Handschriften keine
Aushülfe gewähren, der Conjekturalkritik noch zu leisten übrigbleibt.
Das erste Buch der Politik 7) lehrt, wie die Familie, oixuc,
die Grundlage der nöXig bildet, diese aber, wiewohl von jener
'') Am Schlüsse der Nikomachien beklagt Aristoteles, dass es keine allge-
meine Erziehung und Gesetzgebung gebe, wodurch ein besseres Ge-
schlecht herangezogen werden könnte; dieses giebt ihm Gelegenheit
zum Uebergang von der Ethik zur Politik, und damit zugleich die
Umrisse letzterer zu bezeichnen: naoaXtnövziov ovv ztov nqözEQOv
aveQeüvrjTOv zb nsol zrjg vo/.to&eolag , avzovg eTctoxexpaG&at \mXXov
ßeXziov l'owg xal oXcog öfj negl no Xizelag, ontog elg dvvauiv r.
neql zä av&qtömva cpiXoooyia zeXeitofrij . nqiözov /<eV ovv ei zl
xazä 1-ie.Qog el'qrjzai xaXiog vnb ztov nqoyeveozeqcov neiqa&fjijusv ercsX-
titiv, evca ix ztov Gvvrjy/itivtov noXizeiaJv $£toqrJGai zä nola otö^ei
xal (ptte/gei zag noXeig xal zä nola. exäozag ztov noXizeuöv , xal
ötä zivag alziag ai /.tiv xaXtög al de zovvavzlov noXizevovzaf d-eot-
Qr}&tvzü)v yäq zovztov zä% av fiäXXov ovvlöotuev xal nola noXizeia
äoiozrj , xal ntüg hxäczrj zay&eloa, xal zloi vo/.ioig xal Z'&eoi %Qio-
(xsvrj. X^yw/Aev ovv äo^äfievoi. Schneider hat pag. 4 diese Stelle
für die bestehende Ordnung der letzten zwei Bücher geltend ge-
macht , ohne jedoch das Unsichere selbst zu verkennen. Vielmehr
könnte man daraus beweisen , dass die aqiozrj rrnXizeia den übrigen
Verfassungen vorangeben müsse und die einzelnen ihr folgen.
Wollte man aber nach dieser Angabe die Ordnung der Bücher der
Politik beurtheilen , so müsste dem zweiten sogleich der Inhalt des
ausgehend bei aller Aehnlichkeit doch nicht bloss numerisch, sondern
specifisch von ihr verschieden ist. Da das natürliche Streben der
Menschen schon der erforderlichen Bedürfnisse wegen auf eine
solche grössere Verbindung geht, der Zweck des Menschen erst
im Staate, noXig, erreicht wird, er in diesem erst seine Vollendung
findet, die avrccQxeicc und das sv £rjv, nicht bloss das 'kif'p-, so wird
dieses selbst — s"o hoch steht dem Aristoteles der Zweckbegriff —
als der natürliche Zustand des Menschen betrachtet, und obschon
dem Entstehen nach nofag später als oh'Ja, doch dem Wesen und
der Potenz nach als das Erstere anerkannt 8).
Als nothwendige Bedingungen einer Familie treffen wir Herren
und Sklaven, die dsonoruetj , Mann und Weib, die yafUxj] und El-
tern und Kinder, TsxisojioitiTixtj. Nur der erste Punkt wird aus-
fünften folgen, was offenbar gegen den Plan ist, welchen die Poli-
tik selbst ausspricht. Hat Aristoteles, als er diese Worte geschrie-
ben, nicht bloss im Allgemeinen, was der Inhalt sey , andeuten wol-
len, sondern wirklich im Sinne gehabt, die Ausführung nach dem
hier gegebenen Plane zu liefern, so hat er später, in der Ausarbei-
tung der Politik selbst, diese seine Ansicht geändert, und die ganze
Stelle der Ethik kann weder für noch gegen die bestehende Ord-
nung der Bücher der Politik zeugen.
!) I, 2. r) ($' ix nleiövcov xcoiaov xotviovia teleiog nöXig, r) örj näarjg
s'xovaa niqag zfjg auvaQxetag a>g srcog einaiv , yivoj.ii.vrj /.isv ovv cov
Qrjv evexev , ovoci de xov ev Lrjv öio Tcccact nnkig cpvoet ioiiv ...
xal TiQÖveQOv öi] xft (pvöEt nöhig rj olxia xai txaoxog i]f.aov ioxlv
xo yaq oXov uqoxeqov ävayxalov elvau xov /.lioovg. Mit welchem
Rechte oder Unrechte Aristoteles das behauptet, gehört nicht hieher,
wie aber bei ihm das xfj yevioEi ttqoxeqov doch xo xfj ovoia l'oie-
pov seyn kann, und umgekehrt, sieht man besonders aus de part.
Anim. II. 1. pag. 646, 24; andere Stellen sind pag. 261, 14. 227, 20.
(Phystc V. 3 und Eudemus daselbst bei Simplicius) 310, b, 33. 778,
b, i. 989, 15. Muretus zur Oekon. III, 478. Göttling. p. 68.
8
fahrlieh Kap. 3 — 7 behandelt, und da der Sklave ein Besitzthum
ist9), Veranlassung genommen, von der Erwerbskunst Kap. 8 — 11
zu sprechen; die beiden andern Theile werden, weil sie tief in die
Politik eingreifen und demnach dort besser ihre Erklärung finden ,
hier übergangen10); wir haben sie nicht, sie müssen ihre Ausfüh-
rung in der Lehre der aQiozq nohrei'a gefunden haben ' *). Das
9) III, 4. xztjaig ex öeonözov xai öovlov. Die xzfjoig xai %Q£(.ia%t-
ozixrj wird mehr als man erwartet, behandelt. "
10) rzeqi de avdgög xai yvvaixbg xai zexvtov xai nuzQog zrjg ze ttsqI
exaozov avztöv aoezrjg xai zrjg ngog ocpag avzovg bf.nXiagl zi zo
xaXöig eott, xai ntög del zo f.iev ev ötcöxeiv zo de xaxtog tpevyeiv,
ev zolg neqi zag noXizeiag avayxalov eneX&elv.
1 ' ) Aristoteles beginnt nach einigen Vorfragen zuerst die äusseren not-
wendigen Bedingungen eines Staates aufzuzählen und ihre Bedeutung
nachzuweisen. Kap. 4 — 12. Das Prinzip ist Kap. 13. pag. 1332,
28 ausgesprochen: avayxalov zoivvv ex ztöv elqrj(.ievtov za f.iev vnüq-
%eiv, za de Tzagaoxsväoai zbv vo{.io&ezrjv dib xaz si%r)v ev%6[.iei)a
zr)v zrjg TiöXetog xsvozaoiv tuv rj zvyr] xvqia ' xvglav yag avzfjv vnag-
%£iv zl&efiev zo de ajzovdalav elvai zrjv tcoXlv ovxezi zv%r]g l'qyov,
aX)? e7iiozij[.ir]g xai 7iQoatgeoeiog. Der erstere Theil ist ganz erhal-
ten; von dem zweiten und wichtigsten, der ganz Sache des Gesetzge-
bers ist, der noXizeia avzrj , ist wohl der grössere Theil verloren;
wir haben noch davon, die schöne Grundlegung Kap. 13 — 15, dass
man alle agezai üben müsse, nicht etwa nur die eine 7ioXe/.uxrj, wie
die Spartaner, und dass Zweck aller Thätigkeit nicht aoiolia , son-
dern oy/>Xrj sei. Da von vorne begonnen wird , damit kräftige Kin-
der entstehen, so sind das Erste Verordnungen über die Ehe,
Cap. 16 , dann die Erziehung der Kinder nach der Geburt bis zum
siebenten, ferner bis zum vierzehnten Jahre, dem Eintritt der rjßrj,
dann bis zum einundzwanzigsten Jahre. Aristoteles folgt der Maxime
Solons in seinen Gedichten von der Siebenzahl, daher VII, 17.
pag. 1337, 1- statt ov xaXtög mit Muretus zu Rhet. II. 14. ov xaxtog
gelesen werden muss, oder die Negation wegfallen, vergl. Kapp,
Aristot. Staatspaedag. pag. 114 (ganz verfehlt ist Klotz, Auseinander-
erste Buch enthält demnach nichts als die ofaovopiy.rj als Ueber-
gangspunkt zur Politik12).
Im zweiten Buche werden die Ansichten der Vorgänger über den
besten Staat (ßnioxexpojjiie&ci nsgi rwv ano(privcc^vo)v tisqi rijg nofaxeiug
Setzung in Jahns Jahrbüchern XXVI. pag. 81), histor. Anim. V, 14.
pag. 544. b. 25. Ich vermuthe auch oben VII, 16- pag. 1335, 29.
rovg de n evTS xai xqiäxovxa für d' emä xai. Aristoteles erwähnt
die zur allgemeinen Jugendbildung damals gangbaren Unterrichtsge-
genstände VIII, 2. yQaf.tf.iara, yvfivaaxixr] , fiovüixrj, yqacpixrj, erste
und letzte als zum Leben nützlich, die zweite der avdqeia zuträg-
lich; die Frage aber, in wie ferne ftovaixiq geeignet ist, bildet eine
eigene Untersuchung, Kap. 3 — 6, womit unsere Politik schliesst.
Damit kann man höchstens die Frage über die fiovoixiq als vollendet
betrachten, nicht aber über die naböeia, denn die Knaben müssen
noch anderes lernen, und über die yqüfifiata ist oben nichts be-
merkt; gewiss hat sich Aristoteles darüber erklärt, ob man Homer
und die Tragiker, welche Piaton verbannt hat, aufnehmen dürfe und
warum. Vergl. VII, 17. pag. 1336, b. 20. Was sonst noch alles
ausser ftaiösla folgen musste, und der Gesetzgeber zu bestimmen
hatte, lässt sich im Ganzen mehr ahnen, als überall mit Zuverlässig-
keit angeben, üass Aristoteles aber auch hier oft ins Einzelne ge-
gangen ist, dafür zeugen folgende Stellen aus dem Obigen, in wel-
chen wir auf unseren besten Staat verwiesen werden. Zuerst I. 13
pag. 1260, b. 8 — 24. (vergl. oben Note 10.) über Mann und Frau,
Eltern und Kinder, was in nächster Beziehung mit Bildung der Ju-
gend steht; auch die yvvalxeg, die Hälfte der bürgerlichen Gesell-
schaft, sollen orcovöaiat werden. Mag man daher auch annehmen,
dass ein grosser Theil der tsxvoTtOLYjTixrj I, 3. schon durch VII, 16
— 17 erledigt sei, immer bleibt noch vieles, was nicht vorhanden ist.
VII. 10. zu Ende. Viva de öel tqonov %qrjo&ai, dovXoig, xai diöxv
ßelxtov naoi %o~ig dovXoig ad-lov rcqoxelod-ai rrjv elevd-eqiav, vaze-
qov eqovfiev. Weil im Oekonomlkos Kap. 5. dasselbe steht, so ver-
steht Göttling pag. 436 diese Schrift; abgesehen davon, dass dieses
Büchlein dem Theophrastus zugeschrieben wird, kann hier nur vom
Abhandlungen, d I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abtlil. 2
10
rijg aQt'oiqg), dann die bedeutendsten der bestehenden Verfassungen
vorgetragen; wie überall, knüpft Aristoteles auch hier in der ihm ei-
genen kritischen Richtung seine Lehre an das von andern gegebene;
der Gedanke, dass um selbst etwas in einer Sache zu leisten,
besten Staate die Rede seyn, also in der Darstellung der aqtozv no-
Xizela muss dieses gestanden haben. Ebenso unrichtig bezieht Gött-
ling pag. 430. die Worte VII. 5. pag. 1326, b. 32. zovzov de zov
bqov ei xaXwg rj (.irj xaXiog Xeyof.iev, vozeqov imoxeuzeov dxqißioze-
qov auf dieselbe Oekonomik, vielmehr ist VII. 7. und 15. gemeint.
VII., 10. pag. 1330, 3. neql ovooiziiov ze ovvdoxel näoi xqtj-
oiftov elvai zcüg ev xazeoxevaofievatg nöXeoiv vnüqxeiv, dt rjv <J' ai-
ziav ovvdoxel xal rjf-uv, vozeqov iqov/.iev. Man kann VII., 12. ver-
stehen, weil Behörden, Soldaten und Priester ihre besonderen
Plätze beisammen haben müssen, es ist aber möglich, dass in den
fehlenden Büchern dieser Gegenstand noch näher berührt wurde.
VII., 16. pag. 1335, b. 2. noitov de ziviov zaiv oiofidzwv vtzccq-
XÖvziov fiälioza ocpeXog eit] zolg yevva)f.ievoig eniozrjoaoL fxev (.idX-
Xov Xexzeov ev z'oig neql naid ovofiiag , zvmp de ixccvov eirteiv
xal vvv , gewiss nicht eine besondere Abhandlung, sondern im Ver-
laufe weiter ausgeführt, vielleicht ist damit das folgende Kapitel be-
zeichnet, in welchem wenigstens auch davon gesprochen wird.
VII., 17. pag. 1336. b. 24. vvv fxev ovv zovziov ev naqadqo/iifj
7te7toirji.ie&cc zov Xöyov, vozeqov de enioz^oavzag de~l dioqioai /.iSX-
Xov, euce (.irj del nqüJTOv eize del dtaTioqrjoavzag, xal ncög del' xazd
de zov naqövza xaiqov e/.ivrjO&r]iAev cug avayxalov. Hier ist mitun-
ter auf obiges Beziehung genommen, was Knaben sehen und hören
dürfen und wann; die vorausgehende Erwähnung von tafxßoi, und
xo)i.iü)dlai lässt schliessen, dass die platonischen Bedenken in jener
spätem Untersuchung gehoben worden sind.
VIII., 3. ozi fiev zoivvv eozl rzaidela zig rjv ovx wg xqrjoif.cqv
(scrib. xqijGL^iov) naidevzeov zovg vlelg ovd cug dvayxaiav , aXX wg
IXev&tqiov xal xaXrjv, (paveqov eoztv nözeqov de /.na zov aqi$f.iov
rj nXeiovg , xal zlveg avzai xal ntög , vozeqov Xexzeov neqt avzwv,
also hat Aristoteles noch von andern Bildungsmitteln ausser der Mu-
11
man wissen müsse, was andere darin geleistet haben, um das Gute
anzunehmen, das Falsche und Ungenügende aber zu verbessern und
vervollständigen, ist bei ihm überall verwirklicht zum Nutzen des
Lesers, der dadurch einen historischen Standpunkt gewinnt, und
die verschiedenen Seiten des zu behandelnden Gegenstandes ken-
nen lernt. Dass auch er die Absicht hat, gleich jenen, einen sol-
chen vollendeten Staat zu construiren, bezeugen schon die Ein-
gangsworte: end d's jiQoaiQovjue&cc S^swQtJGai tisqi rijg y.oivoi-
victg rrjg nokirmrjg, tj XQctTiGztj naawv toTg dvvct}x£voig £ij v
oxi jnaXiGrcc y.cct ev^tju^ dsi xctl rag uÄÄag knioyJ^aad-cci 710X1-
rsiag, und nuiss um so mehr hervorgehoben werden, als man es in
Abrede stellen wollte. Untersucht werden Piatons Republik und
Gesetze, Phaleas und Hippodamus Staaten, dann die Verfassungen
der Lacedaemonier, Kreter und Karthager; das letzte Kapitel er-
wähnt, was jeder der Gesetzgeber eigenes vorgebracht hat.13)
sik für die Jugend gesprochen, unser Buch endet mit dieser, oder
vielmehr in dieser.
12) Daher III, 6 das Buch mit den Worten bezeichnet wird: eiq^rat örj
xai xmcc %ovg nqiovovg Xöyovg ev oig 7V€qI olxovofilag dicoQio&t]
y.al deanoTsiag.
13 ) Dieses Kapitel hat Göttling pag. 346 mit allerlei Ausstellungen als
einen Zusatz späterer Zeit erklärt; ich würde es nicht erwähnen, in
der Hoffnung, der Verfasser werde durch wiederholtes Studium eine
bessere Ueberzeugung gewonnen haben, hätte nicht Stahr alles die-
ses als sicher anerkannt. Entfernt man dieses Kapitel, so fehlt der
Schluss dieses Buches; aber der Inhalt ist vollkommen acht, man
kann nichts tadelhaftes darin finden, dass die Gesetzgeber mit ihren
Eigentümlichkeiten zusammengestellt werden, dadurch wird auch
die athenische Verfassung erwähnt; schon der Ausdruck pag. 1274,
10 elg ttjv vvv drjiioxQaziav, der öfter in der Politik wiederkehrt
und acht aristotelisch ist, hätte von der Kühnheit abrathen sollen,
ein späteres Machwerk zu erblicken. Vieles ist Missverständniss und
zeugt, dass Sinn und Zusammenhang des Textes nicht richtig aufge-
2*
12
Erst im dritten Buche beginnt die Untersuchung über den
Staat ; auch hier werden zuerst einige Begriffe vorausgeschickt
und erläutert, weil, wer über notixeta reden wolle, zuerst über
Umfang und Bedeutung von nötig**) und notixtjg richtige Kenntnisse
haben müsse. Dieses sprechen die Anfangsworte deutlich aus: zw
nsoi notixeCag eniGxonovvxi xcd zig txt'coxt] xai noicc xig, G%ed6v
noabzt] Gxixpig negi nötsmg iö*€ii> xl nor Igziv rj nötig ... insi
Jt /; nötig xüöv Gvyxsijue'pwv .. drjtov bxi noöxEgov 6 notixtjg 'CtjXtj-
z£og' i) yag nötig notixwv ti ntfj&ög Igxiv , Soxs xiva /gi] xateiv
notixtjv xai rig 6 notixtjg ioxi oxenxiov. Die notwendigen Vorfra-
gen werden in den fünf ersten Kapiteln in Form von Aporien be-
sprochen. Solche Fragen aber sind zuerst die schon bezeichnete
x(g o notixtjg loxi, dann Kap. 3. : nöxs fj nötig tnga'^s xai nöxs ov%
rj nötig, ferner die bedeutungsvolle Kap. 4.: nöxegov xt]v avxtjv
uQSxijV dvdoög aya&ou xai notixov Gnovdaiov &£x6ov rj fxij xt)v avzrjv,
mit der Erklärung, dass sie in den verschiedenen Staatsformen
auch verschieden, und nur im absolut besten Staate identisch seyn
wird, endlich zuletzt Kap. 5.: nöztgov nothrjg IgzIv w xotvojveiv
X^>iv doxtjg, i] xcd xoig ßavavGovg notixag xrsxeov ; der beste
Staat wird sie ausschliessen 15), in den andern werden Umstände
fasst worden , -wie was über die Stelle von Solon gesagt ist, anderes
ist bei dem Zustande unseres Textes unbedenklich als corrupt anzu-
nehmen, wie die Worte rag <?' aq%ag ex zwv yviogiticov xai xiöv ev-
noQcov xazeoztjoe näoag Ix xdv nevraxootofteöifiviov xai ^evyizaJv
xai xq'lxov xeXovg xfjg xaXoviievrjg innädog , zb de xexaqxov &tj-
xixöv, wo wahrscheinlich xai xov stand; sind doch in diesem Kapi-
tel weit ärgere Fehler, z. B. pag. 1274. b. 9. ®aleov ö'l'Siov rj
xöjv ovoiwv avoiiäXiooig wofür Schneider s. v. avtoiiäXiooig , es ist
aber rj zuJv ovoiwv 6f.iaXöxrjg, das war das eigenthümliche seiner
Constitution. II., 7. pag. 1266. b. 15-
1 *) Das erste Buch sprach von nöXig nur in Beziehung auf oixia.
,6) pag. 1278, 8. rj de ßelxloxrj nölig ov noirjoei ßävavoov noVitrjv ...
13
mannigfache Aenderung herbeiführen; je mehr sie aber dem Ideale
näher treten, um so weniger solche als noförcti erkennen.
Das sechste Kapitel führt uns endlich znm eigentlichen Gegen-
staude, zur nokirsia, ob es nur eine Verfassung oder mehrere und
welche gebe: insi dz ravrce ö' iwoiGrai 3 ro y,sta rctvrcc oxsn-
T&OV 710XS00V fllaV &Zr£OV Tlol.irzlttV 7] TlXzCovg, XCIV 81 TlfeCoVQ , rtVZg
xal Tio o cu , xcd dicupooeii rivzg civriöv zIgiv. Indem Zweck und Be-
deutung von nöXig entwickelt und die verschiedenen Arten, wie
eine solche Gesellschaft geleitet werden kann, angegeben werden,
ist das Resultat, dass jeder Verfassung, welche das Wohl der
Untergebenen bezweckt, gut, und jede schlecht ist, in welcher die
Lenker und Leiter nur ihr eigenes Interesse verfolgen: (pcivsoöv
roCvvv cog oocti juzi> noXiructi ro xoivtj ovjuxpgoov GxonovGiv , civxcti
juiv oQ&al rvyyßvovGiv ovgcm xaret ro anZcog Sixaiov , oGcti 8z ro
Gip€rzqov i^iovov rwv <xQ%6vroiv , t]luaort]/uz'vcu naGcu xal naosxßctGzig
rwv nohxziwv dsGnorizcä yäo, f\ dz noZig xoivwvkt rwv zäzv&6qwv
zGriv. Ein Grundsatz, welchen schon vor Aristoteles Isokrates aus-
gesprochen hat i 6). Da nun überall entweder einer, oder mehrere,
oder alle herrschen, so entstehen folgende mögliche Formen, von
welchen die einen die guten, die andern die schlechten Verfassun-
gen ausdrücken : *
15.. enei yäo nXelovg elolv cu noXixsiai , xal eidt] ttoXixov avay-
xalov sivai tcXsuo , xal /.iceXioxa xov äoyo(.iivov noXlxov , iogx sv
(xiv xivi noXixelq xov ßävavaov avayy.a~i.ov elvat. xal xov drjza
noXLxag, iv xial d advvavov , oiov eXxig eaxiv rjv xaXo vaiv
aQLGxoxoaxixrjV xal sv rj xax aqexrjv al xificci öl öovx ac
xal xax ä§iav ov yäq olöv xe In ixrjdeva at, xä xrjg aqe~
xrjg "Qöivxa ßiov ßävavaov ij d- exixöv. Da uns der Theil der
aQioxrj noXixEia, -welcher diesen Punkt bespricht, noch erhalten ist,
so finden wir natürlich dieselben Angaben auch dort VII. , 9. pag.
1328, b. 34. vergl. VII., 6. 1327. 27.
»•) Panathen. Kap. 52. §. 132, sqq.
11
ßaaikefcc — TVQuvvig. J 7)
ccQiOTOZQcultt ■ — oXiyctqyJa.
nohrtia — dq/uoxQctxia.
Damit hat Aristoteles seine eigentliche Aufgabe bezeichnet;
denn jede dieser Verfassungen muss einzeln, wie sie entsteht, was
sie wirkt, und welches ihr innerer Zustand ist, behandelt werden,
und sollten die einen von diesen nur numerisch verschieden, in ih-
rem Wesen aber ganz gleich seyn, so muss dieses im Allgemeinen
ausführlich dargelegt werden. Man erwartet daher, dass er sofort
mit der Erklärung der erstgenannten Form, der ßaatislä beginnen
werde.
Das will auch Aristoteles, aber die eben gemachte Eintheilung
fordert noch einige Erörterungen, weil Schwierigkeiten auftreten,
die wegzuräumen Sache des Philosophen ist. Kap. 8. du Sk /mxqw
öia fxay.QOT^qwv alnuv xig txccGxt] xovxwv xiöv tioXixeuov iotiv • xccl
yccQ k%st xivetg ccno qCccs, tco ök ixeol kxäöTqv fxs&odov (piXoGo-
<povvxi y.al fjxt) fxovov ccnoßX^rcovxi nqög xo noäxxuv olxtiöv iaxt tö
fiy TzaQOQctv /ur{xs xi xaxaXsCnsiv, o.XXa drjXovv xi\v neol txaGxov äXq-
üuuv. Dies geschieht in den Kapiteln 8 — 13. Die erste
Schwierigkeit bezieht sich auf die gegebene Defiuitiou nobg zov
dtoQiGfiov pag. 1279, b. 20. — 1280, b., sie war nach der Quanti-
tät bestimmt, dieses kann aber oft nur ein Gvixßsßyxög seyn, und so
muss auch die Qualität berücksichtigt werden. Da hier von öXi-
17 ) Beide mitsammen, ßaaiXela und xvgavvlg, bezeichnet Aristoteles mit
(.lOvccQXia als dem generellen Ausdrucke, daher V., 10. pag. 1313, 5.
ein Absurdum enthält: ov ylvovrai d' tci ßaoiletac vvv , aXX
avTiEo yiviovxai, /.iov <xQ%La i xai xvqavviÖEg (.läXXov öia xb xxl.
das Richtige braucht sich nur sehen zu lassen all? avTieq yivcovxac
{tovagyiai , xvQavvldeg fiäk?*ov • auch Woltmann hat S. 329 das
Falsche des Textes nicht beachtet, so wenig als Biese II. 519.
15
yceqxte uud dij/uoxQctrict gesprochen worden, so knüpft sich nicht
unpassend Kap. 9. die nähere Bestimmung daran rivug oqovg AgyovGi
rrjg oXiyctQxlctg xcä dq/uoxQeniag xcä rC rö Stxaiov rö rs oXiyao/jxop
xcä drjjuoxQctrtxop •, alle haben gewissermassen in ihren Behauptungen
Recht, aber nur einseitig, nicht das xvqtwg dtxcuop, wobei zugleich
der schöne Beweis gegeben ist, dass nöXig nicht blos rov trjv spe-
xsp , sondern rov Zrjv svSceijuopojg xcä xaäwg, woraus die Noth wen-
digkeit für die ccQsrrj zu sorgen, von selbst hervorgeht. Eine an-
dere Aporia ist Kap. 10. rC dtt rö xvqiov sipm rijg noXstog; hier
ist grosse Mannigfaltigkeit, nArjd-og, nXovcioi, inisixsig^ ßsXrtarog
dg nctPTwv, rvqctppog , doch treten überall grosse Bedenken auf,
aber Aristoteles hält mehr auf nAtjdog, als auf einzelne ciqigioi,,
nach ihm hat die Masse des Volkes, wenn dieses nicht ganz av-
dgcmodwösg ist, mehr Einsicht und richtigen Takt als einzelne No-
tabilitäten 18). Kap. 11. pag. 1281, 40 — b. 21. Dadurch findet
eine damit zusammenhängende änooict ihre Erklärung: n'pojp deT xv~
otovg slvai rovg iXsv&soovg xcel rö nXrjd-og rwv noZirwp pag. 1281,
23. Das Volk nXtj&og soll xvqiov seyn, rov ßovÄsiistid-cti xcä xqIpeip
und darum müssen gute Gesetze vorhanden seyn. Ferner, da alle
das nohrixöp äya&öp als l'aop betrachten und darauf Anspruch ma-
chen, so ist die Frage notißp iGorqg iörl xcä tioi'wp ccpioört]g-y Kap.
12 — 13. nicht jede V7isooxt} und der Besitz eines jeden äya&öp
berechtigt zur nohnx^ vneqox^, dahin gehört, was zur Erhaltung
des Staates wichtig und unentbehrlich ist, die noXirixal äosrcä ig
wv noXig aupear^xs, also die tvyspstg, nXoioioi, tXevS-SQoi, clyaS-ol,
*•) Dieses ist gegen Piatons Ansicht, der überall den einzelnen Kundi-
gen gegenüber dem ganzen unwissenden Volke hervorbebt; ähnlich
hatte Sieyes seinen Antrag, man solle das ausführen, was die Mino-
rität, nicht was die Majorität wähle, motivirt: car la majorite est
toujours bete. Gegen diesen Satz kämpft Aristoteles unmittelbar,
wenn anders das Volk zu einigem Bewusstseyn gekommen ist.
18
und im Vergleiche zur geringeren Anzahl ol nhsiovg pag. 1283, 40.
Wäre nun ein Individuum , slg, so ausgezeichnet, dass es weit in
allem über die andern hervorragte, so müssten diese ihm folgen und
gehorchen; die schlechten Staaten entledigen sich ihrer, die Demo-
kratie durch Ostrakismus, die Tyrannis auf andere Weise, im be-
sten Staate aber müsste ein solcher über alle als ßaoiksvg gestellt
werden, und so waren ursprünglich die Könige.
Nach diesen Erörterungen, die, wie bemerkt ist, als eine Er-
läuterung des Obigen zu betrachten sind, wird zum Königthum über-
gegangen, dem ersten, was nach obiger Eintheilung vorzunehmen
war. Dass dieses einen eigenen Abschnitt bildet, lassen schon die
Einleitnugsworte erkennen :
"Iocog <?£ xccÄvÖg %XSI f*ST<* tovg siot] pivovg Xöyovg
[i€TCtßi]vat> xal oxsipctod-ctt, nsol ßaOiXsiag' y>a/uiv yao
twv oq&wv noXirsiwv fiCav zlvai ravrt]v ' oxsnriov dk tiotsqov
Gv^i(p^Q£i rfj fisXXovGrj xafaög olx^oeo&ai xal noXzi xal %<x>qcc
ßaGi?.£vsö9-ru, tj ov ciXfi cc?.Äri rig noXirsCcc [iccXÄov , ij nol
/ukv övfjuptou nol d1 ov Ov/uxpiosi.
aber man beachte wohl, alles was von der ßaoiXtiu gesagt wird,
Kap. 14 — 17, nachdem er die verschiedenen Arten aufgezählt
und ausgesondert hat, giebt keine andere Belehrung als die hier
bezeichnete, und dass er auch nichts anderes wollte, lehrt der
Schluss pag. 1288, 30. ksqI ,utv ovv ßaotfokig, rivag zyu Sicupoqctg,
xal jiotsqov ov ov/u<p€oei rotg noteotv fj oviuptou, xal xtoi xal ncög,
(iiwnfod-o) rov tqotiov rovrov.
Sollte Aristoteles damit die Lehre von dem Königthume für
vollendet gehalten haben? wie die Könige regieren, ihr inneres Le-
ben, ihre Wirkung auf das Volk verschwindet ganz. Aber da ihm
die einzeln regierenden Personen nur eine Form sind, die mehr in
17
der Vorzeit sich gellend gemacht hat, wo einzelne hoch über alle
andern hervorragten, während später allmählig die Vorzüge dieser
auf mehrere übergegangen sind, so ist der Unterschied von ßeiGi-
teia und äoiGroxoccTtec für den innern Zustand der Regierten nur
äusserlicb, und die obigen unmittelbar nachfolgenden Worte, Kap. 18,
sind es, welche vollkommen klar augeben, wie Aristoteles die
Lehre von den guten Staatsverfassungen aufgefasst und dargestellt
hat, Worte, die zwar öfter benutzt, aber nicht in ihrer Bedeutung
gewürdigt worden sind :
insl (5t rosig ipctfASP slvai rag oo&ag noXnsiecg, tovtcop
d' upuyxuTop äoiGztjP slvai r^V vno t(öv ccqCgtwp oIxopo/uov-
juspqp , toiavzrj J" sgtIp sp fi Gv^ißs'ßrjxsp q spci tivce Gv/unctp-
tüjp tj ygpog oäop r} nXrj&og vtisos^op sipcci zax aost^p, twp
fxiv ciQXSGd-ai dvvafxtvcov xiov fl1 äQ%sev noog xrjv alosriorcc-
rt]i> £a)i]vi9), sp ds rolg noojroig sdef,%&ri Xoyoig ort xi\p
19) Die Worte sind unverständlich, Gifanius übersetzt: quae partim parere
partim praeesse possit ad vitam maxime optabilem, aber dem ist die grie-
chische Construktion entgegen; mit eva xivcc ij yevog 6'Aövwird die ßa~
GiXela bezeichnet, der ßaGiXevg aber ist immer aQ%(x)v, darf nie be-
herrscht werden pag. 1288, 26- ovx cct-iovv aQzsad-ca xaxa fisQog. Dage-
gen wird mit nXrjd-og vneQe%ov %ax dqexrjv nicht die noXixeia, sondern
die doioxoxQaxla angedeutet, und alle an dieser Verfassung Theil-
nehmenden sind so gebildet, dass bei ihnen das agxso&cu und ccq-
%siv statt findet, ersteres in der Jugend, letzteres im späteren Al-
ter. Darüber gibt das dritte Buch allen erforderlichen Aufschluss'
Kap. 4. und 13. TCoXlx^g de xocrfi [iev 6 f.iexe%(.ov xou aq%eiv xai ccq-
%eo&ac , xaty exdaxrjv de rcoXtxelav eteQog, ngög de xtjv aQiGxrjv
6 dvv d/.ievog xah tcqo ai qov f.i ev og aq%ea&ai xai aQ%eiv
Ttgög zov ßlov xbv xccx' ctQezrjv. und ausführlich VII, 15- Da-
raus folgt, dass in unserer Stelle beide bezeichnet werden müssen,
sowohl die ßaGiXelg , als die ccqioxoi , erstere werden es richtig mit
den Worten xcüv 6 a.q%eiv , letztere aber unrichtig durch xwv f.iev
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. 3
18
avrijv civctyxcuov ctvdodg c(Q£xr{p alvai xal noktxov xijg noXsojg
xijg aoi'ocijg, (fdvsqoi' ort xov kvtöv xoojiov xal dia xdv airwv
(h't'jo xs yivsTcu GnovSalog xal no'Mv GvGxtJGSiev av xig äoi-
Oroxgaxovjutvyt' fj ßccGiAsvojugpqp , cuoV taxai xal naideta xal
t&i] xavxa a%sdöv xa noiovvxa Gnovdalov avdoa xal xa
TtOlOVVTCtTloXtTlXOV Xal ßaGlAlXOP- °) ' Ö* IWQlG jLltPCOV 0*S X O V-
xiov Tieoi xijg TtoÄixsictg ijdrj nsioctx£ov Xtysiv xijg
äqiGxrjg, xi'va Tityvxe ytveG&ai xqönov xal xa&-
CGxcixTcci nojg' civayxrj d rj xbv fx€).Xovxa nsoi avxifg
noirjGaG&ai xijv riQog^xovGccv Gx£\\)iv
so bricht das dritte Buch plötzlich am Anfange des Gedankens ab.
Aristoteles hat drei Verfassungen als richtig ood-al anerkannt; aber
nicht alle drei bilden ihm die aqCoxrj nofaxsCa, sondern von diesen
nur jene, welche von den ccqioxoi gelenkt wird, d. h. in welcher
ein einzelner, oder ein ganzes Geschlecht, oder auch viele an Tu-
gend ausgezeichnet hervorragen und die Regierenden alles noög xijv
aiQsxcoxdxtjp Zoii]v beziehen. Nun ist oben gezeigt worden, dass im
besten Staate ein guter Bürger mit einem tugendhaften Manne iden-
tisch ist, beide auf denselben Principien beruhen; folglich wird der
beste Staat, gleichviel ob von einem als ßaodstcc regiert, oder von
aQ%eo$ai di>vaf.itvcov , und die Aenderung -wird unentbehrlich, mag
man nun rwv [iiv agxeiv xal aqyßOd-ai övvaf.ievcov , oder genauer
T<Zv /<iV aQxeo&ai xal aQ%eiv dvvaftevcov schreiben.
,0) Coming glaubte noch xal aQiaroxQarr/.bv beifügen zu müssen und
Schneider und Coraes haben dieses gebilligt; vielmehr sind die
Worte xal ßaaiXixbv falsch, und aus dem obigen irriger Weise her-
untergenommen; Zweck der ßaailsla ist nicht, einen ßaoilixog
hervorzubringen sondern die Bürger gut und glücklich zu machen;
gerade dieser Begriff des guten Bürgers kann hier nicht entbehrt
werden, und schon der Gegensatz fordert xal rä noiovvxa tioXui-
xbv (oder noXlfqv) äyaüdv oder O7tovda~iov.
19
vielen als ciQiöxoxQccxta geleitet, auf dieselbe Weise errichtet wer-
den, wie einer zum tugendhaften Manne gebildet wird. Einen sol-
chen vollkommenen Staat will Arsitoteles jetzt geben, und was wir
anfänglich nach seiner Eintheilung erwarten durften, die Durchfüh-
rung jeder einzelnen der drei guten Verfassungen, ist von ihm an-
ders gewendet worden und in die Darstellung eines Idealstaates
aufgegangen, eines solchen wie er von allen als höchstes und letz-
tes Ziel gewünscht und ersehnt wird, xax w%i]v>, aber nicht un-
möglich ist21). Die eigenen Worte des Philosophen weisen uns
deutlich darauf hin , dass wir nicht eine Schilderung der ßaGiAei'a
und ccQiGToxQccri'a , sondern einen besten Staat zu gewärtigen ha-
ben , und wo anders wäre diese d^Carrj nohixsia unterzubringen,
wenn sie eine mögliche Existenz haben soll, als in der Lehre der
guten Verfassungen, deren höchste Potenz sie selbst ist und wel-
chen sie substituirt wird22). Die Erwähnung der naideicc waAb&rj
beweist, dass der Staat nicht mit wenigen Worten abgemacht,
sondern von Grund auf gebaut werden soll.
Diese äqtGxri nofaxaia, wenn auch nicht vollständig, doch mehr
als in ihren Anfängen und mit all der Grundlage, die er hier ver-
kündet, ist im VII. und VIII. Buche erhalten. Auch ist die äussere
Verbindung eine solche, dass sie augenscheinlich mit dem Schlüsse
des dritten Buches ein zusammenhängendes Ganzes bildet. Die An-
21) Wie er von Piaton sagt IL, 6- del fiev ovv vTtozl&eo&ai xax ev-
yr\v , fxrjdev (.lswol advvazov , und dasselbe mit Beziehung auf den-
selben Gegenstand VII. 4. dib ösl nolla rcooiJTioze&eZaS-at, y.a&drteg
£v%of.ievovg , eivai (.idvzot /.irj&iv xovxtov advvaxov.
22) Unsere Bücher versteht Cicero de Finibus V., 4. 11. und daselbst
Madvig. pag. 628. — Die dritte der drei angegebenen richtigen Ver-
fassungen, die TtoXixeia , fällt bei Aufstellung der ägioxr] rtoÄizeia
hinweg, und man hat diesen besten Staat nur in der ßaOiXeia oder
aQiOToxQavla zu suchen; vergleiche unten.
3*
20
knüpfung der ersten Worte des siebenten Buches: nsol nohxüag
uot'Grtjg xov iiiXXovxa noi/joaod-cu xijv TiQogrjxovoav '£tjxt]Giv ävdyxt]
jHioQiöccG&ai- tiqioiov rig cciQSTwrccTog ßi'og zu erklären, genüge die
Bemerkung, dass das eine Blatt (oder vielleicht richtiger das letzte
Blatt der einen Lage) mit den Worten : elvdyxr] Je xov /utMovxa
7i(()i avrijg .loit'jOc'.G&ai xrjv noogtjxovaav gx£\\>iv endete, das folgende
aber mit öioQfGao&cn ttqwxov x(g aiQsxujxcctog ßCog fortgefahren habe;
beide wurden aus ihrem Zusammenhange abgelöst, so dass der fol-
gende Theil ans Ende des Werkes gestellt wurde. Hier hatte
Jemand, wohl nicht aus eigener Einsicht, sondern aus dem Schlüsse
des dritten Buches, um den richtigen Anknüpfungspunkt zu bezeich-
nen, die zur Ergänzung des Satzes notwendigen Worte: tisqi no-
Zirtiag «Q(Gxrtg xov fx£X).ovxci noi/]Gc(Gd-cu xr\v noogrtxovGav ^rjrriGiv
ctväyy.i] beigesetzt, welche dann, weil sie unentbehrlich schienen,
in den Text aufgenommen worden sind. Wie dadurch die äussere
Form genau hergestellt wird, und nun ein Satz entsteht, so auch
die Gedankenfolge. Da Aristoteles vom ersten Ursprünge an be-
ginnen will, so können die jetzt abgerissenen Worte des dritten
Buches keinen andern Gedanken enthalten, als wie schon der obige
Ausdruck ixoog n)v txlQSTwiccTqv Cojtjv errathen lässt, die Zurück-
führung auf den höchsten Lebenszweck, wie wir es im siebenten
Buche finden.
Erst durch diese Anordnung wird der Inhalt der folgenden
Bücher recht verständlich, und nur so ist alles übereinstimmend.
Der Anfang des vierten Buches lehrt, dass es nicht genüge,
einen Idealstaat aufgestellt zu haben, wie die Philosophen zu thun
pflegen, Aufgabe der Politik sei auch, in das Leben herabzusteigen
und die verschiedenen bestehenden Verfassungen zu würdigen, sie
zu heben und ihren Mängeln abzuhelfen: ov ydo /uövov xt}v aqiGxr\v
du &tvjotiP, </,?.Xcc xai t^v duvaxijv, ouotvog Jt xecl xrjv yäio xccl xoi-
21
voxioav anäoaig • vvv <Jt ol /luv xrjv axQorärtjv xal dsoia'vqv TToAAijg
%oorjy{ag tyroiiGi juovov, ol Jfc paX).ov xoivrjv riva Xiyovrsg, rag vticiq-
%ovoag dvaioovvrsg no2.tr siag, rrjv Aaxvovixrjv r\ riva äÄÄrjv inaivovoiv.
Aristoteles zählt auf, wie viele Arten der Politiker zu betrachten
habe; erstens den absolut besten Staat, zweitens den relativ besten,
der für jede zumeist geeignet ist: aioxe dijXov ort, xal no2irsiav rtjg
ccvirjg ioxlv emoxtiurjg xr]v doio'rtjv &£(x>qijGcu xig iöxi xal noCa
zig av ovocc ud2iGx3 Sit] xar sv/jjv prjdsvdg spnodiCovrog nov
ixrög, xal rig rtGiv äo/xorrov gcc noXXolg ydq rtjg doiGirjg rv-
%€iv l'Gwg dSvvarov , &ors rrjv xowt(Gtt]v ra dn2wg xal xtjv ix xojv
vnoxsijuivcov aQiGxrjv ov Sei 2s2t]9^evai xov votuo&ixrjv xccl xov cvg
d2rj&wg nohrixöv. Drittens einen gegebenen bedingten Staat: tri
J« xoixrjv xr)v «| vnoS-iGswg- dsi ydq xccl xr)v do&uoav dvvaG&ai
freojosiv , tf dq/tjg rs ncög av yivotro , xal ysvo/uivq riva rqonov av
GWaOixo nXsloxov yqövov'1^. Asyoi d* olov si xivi noXsi Gu/ußißrjxs
/urjxs xtjv dqioxrjv noXixsvsG&ai noXixsiav d%oqijyr]x6v rs slvai xal rdov
dvayxaicov jurjrs ri]V IvSsyofxs'vriv ix rwv vnaqyövroiv , äXXä riva <pav-
Xoxiqav. Viertens den Staat, der zumeist Allgemeinheit hat, für
alle leicht erreichbar ist: naqd ndvxa Jfc xavra rijv fxaXiGxa naGaig
raig nö2sGiv dquoxxovGav dst yvcoqitsiv. Endlich fünftens muss man
die Mittel kennen, einen heruntergekommenen Staat aufzurichten:
dio noog xoig siqrjuivoig xal xaig vnaq%ovGaig noXixsiaig dsi dvvaG&ai
ßori&Biv xov no2ixixöv3 xa&dnsq lX£%&ri xal nqörsqov. Im nächsten
2S) Die Worte e£ <xQX*jg ••• XQOVov pag. 1288. b. 29. sind mir an dieser
Stelle nicht verständlich, in den obigen beiden Staaten ist von der
eigentlichen Construktion des Staates die Rede, der von vorne soll
gegründet werden; hier im Gegensatze davon handelt es sich von
einem schon vorhandenen und gegebenen Staat, dodsloav ; da nun
die Erklärung dieses dritten Staates in den Worten Xeyio e .. liegt,
so ist jener Satz et; ctQxrjg . . . %qnvov vielleicht auf die früheren
Verfassungen zu beziehen und v. 27. nach nolizixöv einzusetzen.
22
Kapitel werden die vier letzten Angaben wieder aufgenommen, nä-
her bestimmt, und im fünften und sechsten Buche auseinanderge-
setzt. Folgt nun nicht schon daraus augenscheinlich, dass die erste,
die cyt'aTij noXizniet, bereits vollendet seyn musste, da diese hier
ganz übergangen ist? Auch wird klar, warum Aristoteles unten
bei der Entwicklung der bestehenden Verfassungen oft kurz ver-
fährt; man hat das Ideal voraus und weiss von selbst, wie die
Sache seyn soll.
Dadurch treten die Bücher IV., V., VI. in eineu Gegensatz zu
den vorausgehenden und das ganze Werk der aristotelischen Poli-
tik theilt sich seinem Wesen nach — alles frühere sind nur Vor-
arbeiten dazu — nachdem III., 7, die möglichen Verfassungen nach-
gewiesen sind, in zwei Haupttheile, von welchen der erstere den
absolut besten Staat, der nicht immer und allen erreichbar ist, aber
welchen zu erreichen doch alle streben sollen, die c'.qlüTiq noAnsia, in
seinem ganzen Umfange und Inhalt darstellt; der letztere aber ab-
wärts steigend die verschiedenen wirklichen und im Leben ge-
wöhnlichen Staaten, welche zu jenem reinen sittlichen und tugend-
haften Streben sich nicht zu erheben vermögen, und darum auch im
Ganzen verfehlt sind24), betrachtet, deren Bedürfnisse erforscht,
*4) naoexßaoetg' IV., 2. l^rj[.iaQTrjiLi£vag und sonst. Eine wirkliche In-
konsequenz mag scheinen, dass Aristoteles seine noXirela zu den
oQ&ai rechnet , gleichwohl ihr in seinem besteh Staate keinen Platz
gönnt, sondern in die Nothstaaten verweist mit den gewöhnlichen
aQiOTOXQariai IV-, 7 — 9.; dort erklärt er sie Kap. 8. für eine
filzig 6?uy aQ%iag v.al drji-ioy.Qaziag. Diese beide aber sind schlecht,
wie kann nun das aus beiden Gemischte gut seyn? Ja sogar ist ihm
dort aoiotoxQazla im gewöhnlichen Sinne die Mischung aus ccQETr]
D.tv&eQia nXovxng, die noXirala aber aus slevdeQicc und nXovtog,
folglich selbst ohne ägerrj. Er sngt dort IV. , 8. , er habe sie ab-
sichtlich hieher gestellt, weil sie den besten Staat nicht erreichen und
23
ihre Gebrechen nachweist und wo möglich zu heilen sucht, damit
auch sie in ihrer niedrigen Sphäre dem Menschen ein wenigstens
erträgliches Leben zu geben im Stande seyen. Dadurch hat Ari-
stoteles die Einseitigkeit seiner Vorgänger vermieden, und theoreti-
gewöhnlich mitDemokratie und Oligarchie verbunden werden: ezdS,a-
f.isv 6 ovnog ovx ovoav ovcs zavzyv rcaqexßaatv ovze zag ccqte qtj-
&eioag aQiozoxgaziag , ort zb {iev dXrjd-eg näoai dirj/uccg-
TTqxaai, rrjg ogd- ozdzrjg noXiz eiag, erteiza xazaqi&iiovvzai
f.ieza zovztov , slal z avzwv avzai naqexßdaeig , äoneq sv zoig xaz
dgxrjv £iito/.tev. Aber warum hat er sie oben als eine OQ&rj tcoXl-
zela betrachtet? Etwa seiner Dreitheilung zu lieb? Weil, was in
der Wirklichkeit nicht oder höchst selten erscheint, die Theorie
nicht abhalten darf, anzunehmen. Es ist denkbar, dass in einem
Staate nicht blos einer oder ein Geschlecht , wie in der ßaGiXeia ,
oder mehrere wie in der aQiozoxqazia , sondern alle ohne Ausnahme
ihre Thätigkeit auf die Ausübung der gesammten Tugend abzielen,
dann wäre es die eigentliche rcoXizeia; theoretisch darf es nicht um-
gangen werden, wenn auch praktisch dieses nicht erscheint, und
die uoXizeia nur in der Gestalt auftritt, wie Aristoteles sie in dem
vierten Buche beschreibt. Er selbst hat dieses schon III. , 7. pag, 1279,
37. ausgesprochen: ozav de zö nXrj&og ngbg zb xoivbv noXizevrjzac
ovf.KpeQov, xaXelzat zb xoivbv ovo(.ia naowv zoiv noXizeicüv , noXi-
zela • av(.ißaivei tf evXöywg- eva {.iev ydq diacpegeiv xaz doevrjv ij
oXiyovg evöexezai, nXeiovg d' ijdr] y^aXeribv rjxQißtoo&ai ivgog näaav
aQEirjv, aXXd /.idXiaza zrjv 7ioXe/.tixrjv avzrj ydq ev nXrj&ei ylyvezar
diöneq xazd zavzrjv zrjv noXixelav xvqitozazov zb 7ZQ07toXsf.iovv, xal
{iezi%ovaiv avzrjg ol xexzrjf.ievot, zd orcXa. Also diese eine Tugend,
die 7ToXe(.axrj , berechtigt nicht zur dqioztj noXizela , wie in Kreta,
Lacedaemon, und so muss sie von diesem abgesondert werden. Aber
wie kann Aristoteles sagen av^ßaivei d' evXöytog? Will er nicht viel-
mehr das Gegentheil beweisen, dass dieses nicht leicht geschehe?
Ist vielleicht die Negation ausgefallen? — III. 17. pag. 1288, 12-
■rcoXizixbv de [nXfj&og ev y necpvxe xal ev eyylvead-ai] nXröog tzo-
Xe/.iix6v, dvvd(.ievov agyieaSac xal aq%eiv xazd vö(.iov zbv xaz
21
sches und praktisches innigst verbindend seine Universalität wie
sonst auch hier treffend an den Tag gelegt25).
•
Mit dieser Anordnung, bemerken wir, stehe das nachfolgende
in bester Harmonie. Wir finden nämlich Berufungen in den folgen-
den Büchern auf Vorhergehendes, was den besten Staat, also VII.,
VIII. betrifft, und was gar nicht erklärt Averden kann, wenn diese
Bücher am Ende stehen und nicht voraus gehen sollen. Dahin rech-
nen wir IV. 2.:
3Enel (f ev xrj noatzi] fieß-ödcp jxsqI twv noXixeiüJv diei-
X6jue&a xyeTg fxtv xag oo&ag noXnekig, ßaGiXeiav dqioxo-
xoaxiav noXixeCav, TQug de rag tovxüdv naQsxßäasig, xvQav-
vtSa jidv ßaGiXeCag, o%tyecQ%Cav de äqiGxoxQaxCag , drj^oxQa-
rlctv de noXixeCag 3 xal neol /uev aQiGxox QaxCag xal
ßaGiXeCag sfQrjrai (r 6 yccg tisqi xijg aQiGri]g noXi-
retag &sa)Qijöcei xavxö xal tisqI xovxoiv iatlp el-
neTv twv 6v o juaroDP' ßovXerat yäq exaxiqa xax
ccQsxrjp gvv sGxävai xsxoQt]yr]juipi]v^ , ext de xi dia-
(fit-QOvGti' aXXr\Xuiv e<QioxoxQaxi'a xal ßaotXeCa, xal noxe de?
ßaGiXeiav pojuCsip , duoqiGxai noöxeqov , X.omov neol noXi-
xelag dieXS-elv xtjg xto xoivtü TTQogayoQevoju^vrjg opo/uaxi, xccl
neol xwp uXXcov noXixeiüjv , oX iy ao%la g xe xal drjuoxoa-
riag xal rv qav v td og.
Diese Worte ' fordern unmittelbar, dass die Darstellung der
äolGxri noXixela im vollen Umfange vorausgegangen ist, damit aber
aS,lav öiavlf.invxa zolg evTtöqoig rag aqyäg. Die eingeschlossenen
Worte wie Vers 10. TiXrjdog o Tticpvxe (pegeiv , halten wir für fal-
schen Zusatz.
*5) Auch Plato erklärt zuerst seinen Idealstaat, und giebt nachher erst
die Beschreibung der anderen.
25
ist, wie wir gesehen haben, zugleich die ßaadsta und aqioxoy.Qaxlcc,
welches nur ihre äussere Erscheinung ist, erklärt, und Aristoteles
hat nicht nothwendig, darüber weiter vorzutragen.
Eine andere gleich wichtige Stelle ist IV. 3. :
txt TiQog Talg xaxa nXovxov diacpOQcclg r\ usv xaxä y£vog i]
<?« xax* ctQETfjv, xav Ht xi St] toioutov txaoov el'Qrjxai noXecog
slvai tusoog sv roTg nsQt ttjp a QiG^roxQdTiav • ixsc
yctQ 6 isiXö jus&a ix noövov jusqcop ccvayxaiiov iöxl
Ticcoct nöXig ' x ovxtov yd q xiov usqiqv o t s tuiv
navxa justsxsi TV S rtoXixetag, oxi dt iXäxxo), öxk
dt nXsCco.
Dass die Abhandlung über den besten Staat xä jisqI rt}i> ctQi-
axoxQccxtccp genannt wird26), kann nach Obigem nicht auffallen; die
Worte selbst hat man vielfach, aber vergebens im dritten Buche ge-
sucht und zu finden geglaubt; sie stehen VII. 8. und am Aufange
des 9- pag. 1329, 21 — b. 33; wo er die verschiedenen /us'Qt] sam-
melt und absondert27), so deutlich, dass darüber kein Zweifel ob-
walten kaun.
") Vergl. Vll. 14.
17 ) VII., 9. pag. 1329, 35. yeioqyol [.iev yaq xal zeyvltai xal Ttav zb
■9-rjTLxdv ävayxalov vzägysiv zeug nöXeaiv , fieQrj de zrjg noXecog zö
'TS onXizixbv xal ßovXevtixov , wo doch der Nominativ gegen alle
Norm ist und der Accusativ yecogyovg /.iev yaq xal zsyvlzag uner-
lässlich scheint. Solche grammatische Fehler finden sich in der Po-
litik sehr viele, welche allen Herausgebern entgangen sind, z. ß.
IV., 11. pag. 1296. b. 7. del yaQ ävayxalov eivcu ßeXxuo z-qv ly-
yvzaza zavzrjg , %eiqio de zqv acpeozrjxvlav zov f-ieoov nXelov, statt
ael yaQ ävayxalov .. ztjv eyyvzeQü), vergl. VIII. , 1. ael de zb
ßeXziazov rjd-og ßeXziovog al'ziov noXizeiag, wo es selbst wieder
ßeXziov heissen muss, wie VII., 14. pag. 1333, 21. «et yaQ xb
Abhandllungen d. I. Cl. d. 1«. Ali. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. 4
2(>
Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass eine Stelle
VII. 4. mit unserer Annahme in direktem Widerspruche steht, und
man hat nicht gesäumt, ihre Autorität für die gewöhnliche Ordnung
hervorzuheben: inst Je 7te(fQ0ijL(iaGrai ra vvv slorjfi&q nsol airwv ,
xal ttsqi rag aXXag noXirsCag r^iilv t£&t cu oqrai tiqotsoov,
tlQXy TWI' ^ot^^v tintu' tiqiötöv noiag nvag (hi rag vnoS-tGi-ig sivcci
nun rtjg jusMovoqg y.ax' sv/jjV cvvsotc'.pcu noXecog. Sie setzt den
Inhalt der Bücher IV., V., VI. voraus, indessen wäre sie auch
noch so gewichtig, sie würde doch nur vereinzelt gegen den Hi-
nein und äussern Zusammenhang dastehen, es lässt sich aber dar-
thun, dass jene Worte eine ganz ungeschickte Interpolation sind,
wie in unserer Politik auch andere Citationen der Art zu grosser
Verwirrung des Ganzen eingesetzt sind. Aristoteles hat am An-
fange VII. 1. bemerkt, ehe die Untersuchung über die aoiorrj noXi-
rzta beginnen könne, müssten die Fragen beantwortet werden, wel-
ches das beste Leben sey, und ob dasselbe, wie für den einzel-
nen, auch für den ganzen Staat gelte. Sie bilden die Einleitung
und sind in den drei ersten Kapiteln beantwortet, worauf er sofort
zu seinem Gegenstande übergeht und die obigen Worte anführt.
Er muss demnach sagen: nachdem die nöthigen einleitenden Vor-
fragen über den besten Staat abgemacht sind, haben wir diesen
selbst zu betrachten und zuerst nachzuweisen, was vorausgesetzt
werden muss, und von Aussen vorhanden seyn, die materiellen Be-
standteile und äussern Hülfsmittel zur Glückseligkeit eines Staates,
ra y.ar svytjv (Kap. 4 — 12)., dann die innern Ursachen, ra zur
aoHri]v (Kap. 13. sqq.) um jenen besten Zustand zu erringen. Hier
ist die dazwischen gesetzte Erwähnung von den andern Verfassun-
yüoov zov ßelxlovög egtlv Vvexer. Doch dergleichen Unrichtigkeiten
•wird jeder aufmerksame auf die Sprache achtende Leser von [selbst
heben.
27
gen — gleichviel ob diese vorausgegangen oder nicht — ganz am
unrechten Orte und unterbricht den Zusammenhang des Gedan-
kens28).
Wir haben, wie Aristoteles seine Politik durchgeführt hat, aus
dem Werke selbst nachgewiesen und bis jetzt die Einwürfe ande-
rer nicht berührt, sie heben sich durch die Angabe dessen, was
das Richtige ist, grösstentheils von selbst ; dennoch scheint es nicht
ungeeignet, das was man für bedeutend halten könnte, kurz anzu-
geben, um auch dadurch die wahre Folge und Ordnung zu be-
währen.
J. G. Schneider zu IV. 2. pag. 233 glaubt, dass am Ende
des dritten Buches einiges über die KQiaroxQcerta ausgefallen sey,
nimmt jedoch die Umstellung von VII. und VIII. aus folgendem
Grunde nicht an : scilicet libro tertio, uti sequentibus etiam, Aristo-
teles tractat rijv uqiax\]v xu>v vnaQ%ovG(jöi> ■; contra in libro septimo
octavo et nono qui intercidit, instituit ipse novam quae illi videbatur
esse optima, nee eam rtjv äyiGrqir twv v7iciQxovoa>i>, sed t^v ci^lonjv
riöv ftvvctTwv. Quae duae species quantopere inter se discrepent,
non est opus lectorem docere. Igitur illam virorum doctorum opi-
nionem vel snspicionem nulla ratione possum approbare, sed potius
ordinem vulgalum librorum Politicorum retinendum et servandum cen-
seo. WTie unrichtig es ist, dass Aristoteles nicht die absolut' beste
Verfassung, sondern nur die beste der bestehenden im dritten Buche
s) An neql avrcov hat Schneider Anstoss genommen, wir müssen nicht
blos die eigentlichen Worte, sondern auch wenigstens noch xiov loi-
tiwv für falschen Zusatz erklären; der nächste Abschnitt wird Bei-
spiele solcher willkürlicher Interpolationen liefern, mit welchen diese
Politik ausgestattet ist.
4*
28
dargestellt habe, leuchtet einfach daraus ein, dass diese letzte wirk-
lich IV. 11. behandelt wird; demnach hätte er ja zweimal dasselbe
gesagt, und so deutlich sind seine Worte dort, dass auch sie be-
weisen, wie jene beste Verfassung vorausgegangen seyn muss: zig
«f ctoiort] noXtzsta y.cü zig ctoiozog ßtog zeig nXblGzccig TtoAeoi xcd
zolg nXzi'oxoig zcov av&Qujniov, tui]ze Tioog doszijv GvyxolvovGi
zr\v vnzo rovg ld iojz ag, /utjzs 7ioog nct id tlav ij (pvot-cog dsT-
zcti y.ccl %0Qijyiag zv^rjoag, juqzs JiQog noXiz elciv tijp xccz* sv-
%ijv y ivojutvqv, uZ2.cc ßlov zu zov zolg nXuGzoig y.oivtovrJGcci dvvcc-
zöv y.cd tioäusIccv tfg zag nXzlozccg noXug hvd&y^zai juszaG/elv.
Göttling pag. XXII. findet in den Worten VII. , 9. xc.&cctisq
ycto sYno/Ltsv, ipdfyszou y.cd nc'cvzccg xoiviov?.lv nccvzcov xcd /utj nävzccg
nctvzwv , ccXXcc Tivag ziviuv, deutliche Beziehung auf IV. 14., wo-
raus dann folgen würde, dass das siebente Buch nicht vor dem
vierten stehen könnte. Aber Aristoteles spricht IV., 14. nur von
den Behörden (do%eci), die verschieden gewählt werden, entweder
nccvzsg ix nävrcov , oder zivig Ix zivcxjv , hier aber ist die Rede,
dass alle Bürger an allen Antheil haben, also kann jene Stelle gar
nicht gemeint seyn29). St. Hilaire versteht III.. 6 — 7, wo man
das Gewünschte gleich vergebens suchen wird; dagegen isi jener
Satz II., 1. pag. 1263. b. 37. vorgetragen worden, und also der
vorgeschlagenen Ordnung nicht entgegen.
Zuerst hat sich Wollmann in seiner Abhandlung gegen die Um-
stellung der beiden Bücher erklärt, S. 323 — 46. Ihm zerfällt die
Politik in drei Theile, von welchen die ersten drei Bücher den ei-
gentlich spekulativen Theil des Werkes enthalten, die folgenden
29) Ueberzeugt, dass Göttling zumeist seine Ausgabe als eine Jugendar-
beit anerkenne, deren grösstes Verdienst darin bestehe, die Auf-
merksamkeit auf Aristoteles gelenkt zu haben, unterlassen wir es,
mehrcres anzuführen.
29
drei eine mehr theoretisirend praktische Richtung haben, die zwei
letzten Bücher, in so fern sie den im ersten Theile gewonnenen Inhalt
zu einer Form bestimmen, und zu dieser Construktion die Bedin-
gungen angeben, die beiden ersten Theile des Werkes voraussetzen
und sie so zu sagen beide umschliessen.
Diese Annahme müssen wir durchaus bestreiten; die beiden er-
sten Bücher enthalten nur Einleitungen, das dritte hat die Aufgabe
darzuthun, in wie vielerlei Formen der Staat in die Erscheinung
tritt, die Entwicklung einiger hiezu nothwendigen Begriffe kann die-
sem nicht den Ruhm grösserer Spekulation sichern, als etwa die
Konstruktion des Idealstaates in sich trägt. Völlig ungegründet ist,
dass dieser (VII. VIII.) durch den Inhalt des zweiten Theils (IV.
V. VI.) irgend wie bedingt werde. Die oben angegebenen Stellen,
in welchen die späteren Bücher auf früheres sich beziehen, IV., 2.
IV., 3., werden aus dem dritten Buche gedeutet, da Aristoteles
schon hier über den besten Staat philosophirt habe; sie sind gänz-
lich missdeutet, so wie die Sitte unsers Philosophen zu citiren,
verkannt ist; wenn er sagt el'dtjzcfa iv zoig naQi ä^idzoxQaziav , so
muss es einen vollständigen Artikel darüber geben , nicht etwa
dass nur nebenbei die Benennung gebraucht ist, und so fordern auch
die Worte III., 9. a^iazoxQazucv /luv ovv zaXiog ly^t xc.Xh.lv tisqI fjg
Sit] X&o^sv iv zolg nqiözoig Xoyotg xzX. nichteine gelegentliche
Erinnerung, sondern förmliche Erklärung in den frühern Büchern.
Er nennt nicht einmal III., 4 — 5, wo von der aQsxij ävögog äyc-
■3-ov xcd noXlzov Gnovdafov gesprochen ist, die ciqigti] noXiztia am
Schlüsse, wo man es erwartet, sondern sagt nur ozi zivog tutv nö-
Xecog 6 avrog zivog d tzsqog, xäxsivog30) ov nag, d.XX* 6 nöXizixbg xal
xvoiog r{ dwa/Likvog s'ivai xvoiog. Der Name wird dort III., 4., pag.
') Vielmehr xaxEivrjg, nemlich auch in jener zig nöXig, in der
aqiairj wird nicht jeder so seyn , sondern nur der Tvokizixög.
30
['276. b. 37. angeführt: ov fxi)v <xXXu xcd y.ax uXXov roonov iaxl
dm-nooori'Tag insX&stv xov avxov Xoyov naql xijg aqioxtjg noAixzCag,
aber wie? ich zweifle, dass der Verfasser, der diese Worte wie-
derholt erwähnt S. 326. 341, sie richtig aufgefasst hat. Aristoteles
sagt, man könnte die Verschiedenheit des ävriQ ccycc&og und noXlxt\g
anoväcuog noch auf andere Art beweisen, nämlich dianoqovvxeg tisqI
ii;g aoförijg noXixhi'ag , indem man Zweifel und Bedenken über die
Möglichkeit der ciqi'ox)] nolixeia vorbringe. Es ist nämlich unmög-
lich, dass ein Staat aus lauter Guten und Tugendhaften besteht,
aber Jeder muss seine Sache gut treiben als Bürger, und so kann
er ein arroi'dcdog tiökirtß und doch kein dviJQ äyad-ög seyn. Aehn-
lich ist III, 13., einen über alle in allen Tugenden hervorragenden
Mann, der das Gleichgewicht mit den andern stört, weil er incom-
mensurabel ist, entfernen demokratische Staaten durch Ostrakismus,
die Tyrannen tödten ihn geradezu; alft inl rtjg aQi'oxqg noZixstag,
sagt Aristoteles, £'/« noXXtjv cmogiav, man kann ihn doch nicht in
dem besten und gerechtesten Staate davonjagen, noch weniger um-
bringen, also bleibt nichts übrig, als einem solchen sich gehorsamst
zu unterwerfen und ihn zum Könige zu ernennen. Das sind die
Stellen, in welchen, man sieht, nur im Vorbeigehen und durch Auf-
würfen von Schwierigkeiten, der beste Staat erwähnt wird, wer
wird aber aus diesen Angaben im Ernste behaupten wollen, Aristo-
teles habe im dritten Buche die Lehre der aQi'Gxrj nofaxsCct vorge-
tragen? Wenn die Frage aufgeworfen wird, ob der tugendhafte
Mann und der gute Bürger identisch sind, und das Resultat der
Untersuchung lehrt, absolut sey dieses nicht der Fall, aber bei ei-
nigen könne dieses allerdings eintreten, wird denn hier von dem
besten Staate gesprochen, oder ist vielmehr die Frage nur ange-
regt, um später den nöthigen Gebrauch davon zu machen? und die-
ser Gebrauch, wo anders wird er gemacht, als im besten Staate
selbst, nachdem schon vorher III., 18. pag. 1288, 39. hingewiesen,
dass man dort zu suchen habe, — und so finden wir VII., 13.
31
pag. 1332., 35 rovx c(qc( Gxtnxzov, ncog ävrjQ yivuxc.i Gnovdcuog'
und 14. pag. 1333-, 11. faul <?£ noXixov xcd ciQ%ovrog n}v aurtjv sl-
vcd (fuusv xcd tov ctot'Gxov nvdoog , rbv 8' alrov ccQ%6[Atv6v rs dsl
yiyveo&cd noorsoov xcd cio%ovrci vgxsqov , rovr av tut] reo ro/uoS-^rt]
noccy[icir£vr£ov , omog civdosg dycc&ol yivwvrcu, xcd dia rlvoiv imrt]-
dev/uatcov , xcd ri ro r$Xog rijg ciQi'Gxqg toiijg. Doch wozu noch Bei-
spiele, da der ganze aristotelische Staat auf dieser Grundlage aus-
geführt ist? und da die ßaGiXsic, nur eine seltene Erscheinung ist,
so ist dieser Staat in seinem Wesen agiGToxoctricc. Mit vollstem
Rechte also konnte Aristoteles IV., 2. von ccoiGroxociria und ßcc&i-
Xeia die Worte aussprechen: ro ycio neql rijg «QtGrqg nofarsiag
■9-scdqjjocci ravro xal nsol rovrtov t.Gxlv alnblv rcov oiso/aärcoi' , aber
auch nur, wenn sein Idealstaat, wie er ihn dargestellt hatte, vor-
ausgegangen war. Das richtige Verständniss des Inhaltes des drit-
ten Buches, namentlich des Schlusses desselben hebt alle Beden-
ken, die man vorgebracht hat und noch vorbringen kann.
II.
Welches die Folge der nächsten Bücher ist, ergiebt sich wie
aus der eigenen Angabe des Aristoteles, so aus dem innern Zusam-
menhange und der Durchführung des Gegenstandes. Aus ersterer
hat St. Hilaire die Bemerkung gemacht, dass die Ordnung des
fünften und sechsten Buches umzukehren sey, und so wenig auch
die französische Bearbeitung den Anforderungen der Critik und
Exegese genügen mag, diese schöne und richtige Bemerkung hat
meines Wissens noch keiner der vielen frühern Leser der aristote-
lischen Politik gemacht, ein Beweis, wie man vor Betrachtung des
einzelnen nicht zum Studium des Ganzen gekommen ist. Fünf
Hauptpunkte sind es, welche den Inhalt alles nachfolgenden ange-
ben, vollständig IV., 2. in der Einleitung aufgezeichnet:
32
i)iup de txqcoxop tutP diatotzs'op nÖGcu dia<pooal xojp noXt-
Tsuöi'j tinf-Q iarlp tfdr} nXsiopa xijg xs dijjuoxoaxiag xal xrjg
oXiyaQ/j'ag , tneixa zig xoipoxchj] xal rfg aiQSzajxazr] /usxd
zi)p aoi'üzyp' TXoXneCav , xap ei rig aXXrj xsxvpjxsp aoioxo-
ZQc.Tii'.r} xal GvPEGxajoa xaXwg, aXXa zeug TiXeCoxaig äofxox-
Tovöct noXfOi ri'g iariv ' insixa xal xwp v.XXwv xlg xiGip
cuQsrij ' xa%a yäq rolg /uev dpayxaia 8r\^ioxqaxta uäXXop
oXiyctQ%k(g , xoig dk avxi] aaXXov ix&tvyg' fisxa 3 k xavxcc
xiva xqönop dti xa&iGxapai xov ßovX.ouspop xavxag xdg no-
Xtxeiag, X^yio 8k dqjuoxQaxiag xe xa& txaGxop tldog xal
ru'iXiv oXiyciQxt'ocg • xiXog 6k näpxwp xovxcov oxav
no ir\ ow fASircc Gvpzcjuwg xi)p ipö^s/Oju^pjjp fxpsiap,
ixuqazhop tJieX&aTv ziptg tpd-ooal xal xlpeg Gioxtjotai xwp no-
Xirstcop xal xotpfj xal %o)Qtg txaoxtjg , xal did xCpag alxlag
xavxa fxaXioxa yi'psö&ai ntyvxsp.
Die Ausführung dieser Punkte ist so, dass der erste über die
Verschiedenheit der Verfassungen Kap. 3 — 10 des vierten Bu-
ches, der zweite die gemeinsamste Verfassung Kap. 11, der dritte,
welcher jede Verfassung geeignet ist, Kap. 12 — 13, der vierte
die Gründung und Anordnung dieser Verfassungen Kap. 14 — 16,
und besonders im sechsten Buche, der fünfte und letzte, was die
Staaten zu Grunde richtet und erhält, im fünften Buche behandelt
wird. Dieses Inhaltsverzeichniss des Aristoteles ist es, welches
St. Hilaire zu seiner Umstellung bewogen hat, und Woltmann ist
hierin gefolgt, nicht der innere Zusammenhang des Werkes selbst,
der uns ebenso laut dafür zu sprechen scheint, dass Aristoteles
unmöglich die jetzt vorhandene Ordnung gegeben haben kann.
Es ist Sitte des Aristoteles, wenn einige Abschnitte, die eine
nähere Verbindung mit einander haben, vollendet sind, das bisher
Vorgetragene mit wenigen Worten zusammenzufassen, um den Ue-
b ergang zu einem neuen Gegenstand und dessen Bedeutung mehr
33
hervorgehoben. So wird, nachdem die drei ersten Punkte bestimmt
sind, der Inhalt dieser am Ende des dreizehnten Kapitels wieder-
holt: dici xiva fAiv oiv siolv alxlav al noXixsTat, nXsiovg , xal öid xi
naqd xdg Xsyojuevag t'xsqai (ßijjÄOxqaxia xs ydq ov [M'a xov dqid-juöy
ioxt, xal xwv dXXcof Ofxoiiog), tri ös xivsg al öiacpoqal xai did rlva
alxiav ß.v/ußatyj&l,. nqog Jfc xovxoig xig dqCoxrj xöjv noXtxsiwu wg int
xo nXtiGxov binaXv, xal xwv dXXutv noia noioig douoxtsi xwv noXi-
xeiwv HQyjxai. Angedeutet wird dadurch, dass der nachfolgende
Punkt besondere Aufmerksamkeit verdient, und schon die ersten
Worte des nächsten Kapitels drücken es aus: ndXiv 8k xal xoivtj
xal %wqIs neql txdoxtjg Xgyojf.il- v tisqi xwv i(pn'§ijg, Xaßövxag dq-
%tjv xi\v nqogtjxova av avxwv. Nicht xiva xqönov dei xa&iöxä-
vai xov ßouXousvov xavxag xdg noXixeiag wird Kap. 14 — 16 ge-
lehrt , was zunächst erwartet wird , sondern nothwendige Vorbe-
griffe dazu werden gleichsam als Einleitung auseinandergesetzt;
Momente, auf welche der Gesetzgeber vorzüglich zu achten hat,
und von deren guten und schlechten Anordnung das Wohl und
Wehe der Staaten selbst bedingt wird, über den beratheuden Theil
xo ßovXsvo/usvov, den administrirenden , xo neql xdg aq^äg, und den
richtenden im Staate, xo dixaoxixov, die in den verschiedenen Ver-
fassungen wesentlich von einander abweichen; damit schliesst das
vierte Buch. Das fünfte giebt die Lehre von den oxaasig und aw-
xqqi'ai der Verfassungen mit vielen historischen Nachweisungen, aus
welchen Aristoteles mit dem ihm eigenen Geiste das Allgemeine auf-
zufinden und als Lehre aufzustellen weiss; dieser Theil ist vorzüg-
lich ausgeführt und man sieht, dass der Verfasser darauf besonde-
res Gewicht gelegt hat.
Das sechste Buch nimmt das am Ende des vierten Gesagte
wieder auf; es sey zwar von den drei Arten, dem ßovXevdusvov,
xo neql xdg dq%äg , xo öixaoxixöv gesprochen und gezeigt worden,
in welcher Form dieses in Demokratie und Oligarchie auftrete; da
Abhandlungen d. I. Cl. d. \.k\. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. 5
3t
es aber verschiedene Abstufungen von Demokratie und Oligarchie
gebe, so müsse das jeder eigene nachgewiesen werden; auch die
Combination jener drei Arten untereinander dürfe nicht übergangen
werden, weil ihre verschiedene Zusammenstellung auch auf die
Verfassung Einfluss habe. Vorausgegangen sey, welche Verfas-
sung jedem Staate angemessen, aber nicht bloss das müsse klar
werden, sondern auch, wie man diese Verfassungen einrichten und
anordnen müsse, was nachzuweisen die folgenden Kapitel 1 — 7
bestimmt sind. Damit ist der Verfasser zum eigentlichen Gegen-
stande, dem vierten oben angegebenen Punkte gelangt, der xaxa-
Graaig rwv nokireiwv, und man sieht, dass der Inhalt des sechsten
Buches sich aufs Engste an das Ende des vierten anschliesst, und
durch nichts Fremdartiges unterbrochen werden kann, wie das jetzt
der Fall ist. Nicht bloss die drei oben IV. 14 — 16 behandelten
Arten, die berathende, administrirende und richtende Behörde, wer-
den wieder neu aufgenommen, da sie ohnehin nur mehr als Einlei-
tung für den vierten Punkt dienen, sondern auch, damit gar nicht
Zweifel über den Zusammenhang bleibe, der dritte vorher erläu-
terte Gegenstand wird wiederholt, und an ihn der, welcher den
Inhalt dieses Buches bildet, angereiht; VI., 1. pag. 1317, 10. nokc
juiv ovv ötj^ioy.Qccricc TTQog noiccv aQjuorrsi nöliv, tögavTwg dt xccl noicc
twv ofayeiQyjivv noko TrAtjS-ni, iccd tcöv Xotncov Jfc noXizuoSv r(g ou/u-
(f£Q£l XlGlV , HQ1]TCa 7TQOTSQOV * OjLlWg J"fc $61 y£V^G&CU 8t]Xov jUt] flOVOV
noki rovrwv rwv nohreicov cnQsri] nolaig*1) nöXmiv , v.XXct xal
TTwg ÖSi xctTciGxtvci'Cstv iccd ravzag xc.l rag äÄZag tJii-A&wjusv ovv-
ro/ucog.
") So haben wir die Vulgata agiorrj zalg nöXsoiv geändert, es muss
der Inhalt des Vorhergehenden wiederholt werden, welcher IV., 12
ausgeführt ist zig noXizeia ziotv xal noia onficpegei noloig, als der
dritte Punkt, nicht der zweite Kap. 11. zig ccQiozt] nolizela. Ari-
stoteles hat oben IV. 2. pag. 1289. b. 17. denselben Ausdruck ge-
35
Also kann das fünfte Buch, die umfangreiche Lehre von den
Grausig und Gwr>]Qt'ai rwp nofoxsujüv, nicht dazwischen liegen, und
schon die Anfangsworte dieses weisen ihm seine Stelle nach dem
sechsten an; sie enthalten nämlich, wie sie jetzt stehen, eine Un-
wahrheit :
tisqI jusv ovv twc ccXkiav ihv n qosiäo /ue&a G%sdöv
el'Qt]TC(i tisqI n av r cov ix rlviav 8h. /LtsraßäAÄovoip al no-
AiTsicu aal noGuiv aal noCcov } aal rivsg §aäart]g noXixeiag
<p&OQai, aal la noiiov sig noiag /uaÄiöra /M&Cöraprai , tri
$s GiOT}]Qiai ri'psg zal aoipy aal %i»Qlg taaGrijg düCv , tri dk
diä rlvoiv av judAiöra Gw^oiro rwp nofarsicop taaGrt] 32),
Gxsnr£ov s<p£%rjg totg siQtjjue'po ig'
denn keineswegs ist alles, was Aristoteles sich vorgenommen hatte,
bereits besprochen und abgemacht, sondern die Einrichtung der Ver-
fassungen würde erst folgen. Es liegt aber in der Natur der Sache,
dass die Lehre, wie Staaten untergehen und wieder aufgerichtet
werden können, nicht früher als deren Gründung behandelt werde.
Sind die Staaten konstituirt, und es tritt im Laufe der Zeit eine
Verschlechterung ein, dann wird es nothwendig, dem wankenden
Zustande zu Hülfe zu kommen, wie auch Aristoteles zuerst die
(p&oQal und dann erst die GwrtjQiai behandelt; immer aber ist die
braucht eneixa xal nov alXiov zig x'iaiv algerrj. Uebrigens be-
achte man noch die Uebereinstimmung unserer Worte e7teX$a>f.i£v
ovvxö/Liwg mit oben IV. 2. reXog de, navzwv rovviov bcav Ttoirjoa')-
(.ted-a ovvzö j.iü)g rrjv evöexo/.ievrjv /.ivslav.
'■) Der Satz ezi de .. exäarrj enthält nichts Neues, und ist in den Wor-
ten xtoQig exäoTrjg enthalten, daher ihn mehrere Herausgeber als
ein falsches Emblem betrachtet haben, conf. V. 8. Erträglich wäre
es noch, wenn es hiesse y.al yjoQtg eKaonqg dt wv av (.idlioza. Gött-
lings Aenderung ist ganz unstatthaft, sowohl der Sprache als der
Sache nach.
* 5*
30
Gründung das erste, die Erhaltung das spätere und folgende 33)*
Ich halte dieses wie für den natürlichsten, so für den wichtigsten
und entscheidenden innern Grund, dass die jetzige Stellung der bei-
den Bücher eine völlig unhaltbare sey und die einfache Ordnung
wieder eintreten müsse.
Was sollen in der jetzigen Stellung die Kapitel 14- — 16 des
vierten Buches für eine Bedeutung haben? für sich allein bilden
sie keinen von Aristoteles besonders hervorgehobenen Theil; zusam-
menhängend mit dem sechsten Buche geben sie eine Art von Ein-
leitung.
Diese Gründe sind so gewichtig, dass wir uns durch keinen
noch so scheinbaren Widerspruch irre machen dürfen ; äussere
Beweise nemlich sprechen für die hergebrachte Ordnung, und zwar
nicht weniger als vier Stellen des sechsten Buches, in welchem das
vorhergehende fünfte angeführt wird. Diese wiederholten Citatio-
nen mögen vielleicht manchen frühern Leser , der dem von Aristo-
teles vorgezeichneten Gange folgte, abgeschreckt haben, weiter zu
forschen. Uns ist der innere Zusammenhang, der durch die Natur
der Sache gefordert wird , und der deutliche Ausspruch des Ver-
fassers selbst, in welcher Folge und Ordnung er seinen Gegen-
stand behandeln werde, das höchste, und da keine Vereinigung von
beiden möglich ist, man sich also für das eine oder andere ent-
scheiden muss , auch nicht das Geringste dafür vorgebracht werden
kann, dass Aristoteles seinem angegebenen Plane untreu geworden
sey, so wird mau nicht lange zweifelhaft bleiben, auf welche Seite
wir uns zu wenden haben. Wir wollen diese Stellen selbst näher
betrachten , ob sie enge mit den Gedanken des Autors verwachsen
sind und unvertilgbar an diesen haften, oder leicht entbehrlich, den
8S) Anders urlheilt Woltmann S. 349-
37
Zusammenhang störend, und sich schon dadurch als spätere Zusätze
zu erkenuen geben.
VI., 1. pag. 1316. b., 31.
Ilooca jutv ovv dici<poocd xcd xlvsg xov xs ßoväsvxixov xcd
xvqi'ov xijg noXixslcig xcd xijg nsoi xdg ccoyßg xci^soig xcd
tisqI dixaoxriQiiov xcd noicc noog noictv oupx€xccxxcci noXi-
xsicv [txi Js tisqI (p&ooccg xs xcd Gionjoiag xwv nofaxeiayv ,
sx noiwv xs yivsxcu xcd Sicc xtvag cuxiag], siorjxcti nqöxsQov
stisi dk TSTvyjijxsv sYörj nXsico dq/uoxQctTi'ag ovxa xcd xoiv äA-
hwv 6/uotwg nohrsiajv , ccjua rs nsoi sxsividv sl' xi loinöv,
ov xsiqov smoxsxpaG&cu, xcd xov olxslov xcd xov ovjiMps-
oovxa xqonov cmodovvca nqog ÜxccGztjV.
Hier kann man leicht sehen, dass die Berufung auf das fünfte
Buch den Zusammenhang stört. Die drei wichtigsten und obersten
Staatsbehörden, sagt Aristoteles, sind oben nachgewiesen worden
und wie sie in jeder Verfassung zur Erscheinung treten; weil aber
Demokratie und Oligarchie nicht einfach sind , sondern mehrere Ab-
stufungen und Arten bilden (von jeder werden vier aufgezählt), so
bleibt anzugeben, wie sie in jeder von diesen sich gestalten. Die-
ses und nichts anderes soll hier gesagt werden; erst als die Stel-
lung der beiden Bücher verändert war, schien eine Citation auf das
nun vorausgehende Buch über ocoxrjotat, und Gxaüsig unentbehrlich,
und wurde zum Nachtheil des in sich vollständigen Gedankens ein-
geschaltet.
VI, 1, pag. 1317, 35.
Der Gesetzgeber muss wissen, was jeder der verschiedenen
Demokratien zuträglich ist, um bei Errichtung dieser nicht fehl zu
greifen, und wenn Schadhaftes da ist, dieses zu verbessern : tyxovai
jusv ycto ol xctg noXixsCag xa&ioiävxsg anccvxa xcc oixsccc ovvccyccyslv
38
nodg '"//*' v^o&soit'j, aucoTCivovGi 8k rovto noiovvxag, xa&dnEQ iv
toig nsoi rdg (f&oodg xai rdg GiozqQtccg rwv noXirsiojp
tTotjrcti TiQ otsqop', gemeint ist, wie Woltmaun gegen St. Hi-
laire S. 348 richtig gesehen hat, V., 9., auch der Anfang34) deutet
darauf hin, so wie dasselbe schon III., 4., zur Sprache gekommen
ist. Der Satz kann fehlen, aber eben so stehen bleiben, wenn ioov-
tusi> vgtüqov statt tuQrjrai noorsoov gesetzt wird.
VI., 4., pag. 1319, 38.
nwg jukv ovp 8u xaraGxsvdtsiv rr\v ßeZrfärrjv xai nocortjj/
8i]f.ioxoariav, f-iQtjrai • ipavzqbv 8 k aal nwg rag a).Xag • tno-
fxspcog ydo 8si naosxßaCvuv xai ro xs*Qov ^si n2.tj&og %oj-
qCsijs • xi]V 8k rsfovraCav 8id ro nävrag xoivwvuv oure nd-
Gqg iari noAscog <p£qeiv , ovrs (jd8iov öia^vuv /utj roig vo-
jLioig xai roig bdsGiv ev Gvyxei/ut'vqp' \ß 8k (pdsiquv gvli-
ßaivu xai ravxr\v xai rag ccAAag nofardag , efoijrat noors-
oov rd nXsiGra G%s86v] noög 8k ro xad-iGxdvav ravrrjv rtjv
8t]/uoxoarlav xai rbv 8t]juov noiuv ig%vqov xrX.
Die Bemerkung, was diese und die andern Verfassungen ver-
derbe, ist hier, wo nur von Gründung der Demokratie die Rede
34) V. 1. p. 1301, 26. noXXai yeyavrjvtai noXizelai nävziov fusv oito-
XoyouvTiov zo dixaiov xai ro xaz avaXoyiav Yaov, zovzov de afiao-
zavövzojv , aigneg eiqrjzai xai tiqözeqov wo statt xai vielleicht elvai
zu setzen ist. Ibidem 1301- b. 35. 6(.ioXoyovvzeg de zo ctrcXöHg elvai
dixaiov , zo xaz d^iav diaipzoovxai, xaSänsq eXi%d-r) ttqÖzeqov ol
/lisv ozi , wo zu schreiben zo anXtog eivai dixaiov zo xaz a^iav ,
diacpiqovtai. 1301, 35. t%ovoi [tsv ovv zi näöai dixaiov, rj^tagzr]-
(.itvai d arcXwg eioiv, wenn zugegeben ist, dass sie ein dixaiov
zi haben, so können sie nicht absolut, anXoig, verfehlt seyn , der
Gedanke ist, sie haben nur ein dixaiov zi, verfehlen aber das an-
XöJg dixaiov. Daher vielleicht zu verbessern rjfiaQzrjxvtat di zov
anXaJg oder in ähnlicher Form mit diesem Sinne.
39
ist, höchst unerwartet, und ich finde die Art der Berufung selbst
auffallend. Aristoteles spricht von der letzten und schlechtesten
Demokratie und lehrt V., 5., dass alle Aenderung diu ttjv xwp drj-
/uaycoywp ccotXysiav erfolge. Wozu nun hier die Angabe, dass die
Lehre der Corruption auch von den übrigen Verfassungen gegeben
sey? man erwartet vielmehr, was diese letzte und die drei andern
Arten der Demokratie vernichte, da Kap. 2 — 5 nur von Demo-
kratie die Rede ist, und so könnte man noXixsiag zu tilgen veran-
lasst werden; dem aber widerspricht, dass diese einzelne Nach-
weisung im andern Buche keineswegs sich vorfindet, und wir glau-
ben hier einen spätem, minder passenden Zusatz zu erkennen.
VI., 5. pag. 1319, 33.
Der Getetzgeber hat nicht nur die Aufgabe einen Staat einzu-
richten, sondern weit mehr noch für dessen Dauer und Erhaltung
zu sorgen, worüber das vorhergehende Buch die nöthige Belehrung
gebe: ton dt- tqyop xoü po/uo&^xov xal xwp ßovÄojugpcop GvpiGxapai
nvä xoiavx?]P nohzeiav ov ro xaraGriJGai psyiGxop [%/o^]35) ovöe
juopop } alX oniag Gaj'^xai fxäV.op ... dio dsv nsQi iqp xe&satQi]-
rai tiqoxsqop , xipsg GooxijQfai xal (p&ooal xwp tioZixsiwp, ix xovxwp
TisiQao&cu xuxaGxsva^siP rrjv aG(pü?.siup , svZaßovjuspovg tutp rcc (pdsi-
qovtci, xi&eu£povg Jt xoiouxovg po/novg xal xovg ayQacpovg xal xovg
ysyoa/u/uapovg o'i 7U-Qi?>q\popxcti fkaXidxd xä gw~,opxu rag noAixsiag, xal
fxrj pojufceip rovr stvai dr^iorixop juqd oXiyaqy^ixbp o txoüJgi-i xijp nö-
Xip ort /uu^iGxa dq/LioxoaxMGS-ai ^ okiya^x,^0^1, » c{^% o nlzlGxop
Xqopop. Diese Stelle ist in so enger Verbindung mit den folgen-
den und vorhergehenden, in sich so trefflich, dass sie ' unmöglich
entbehrt werden kann. Die Worte tisqI wp xs&swgqxcu tiqoxsqop
5) Wir halten dieses zweite l'Qyov für einen falschen Zusatz , die frü-
heren Herausgeber haben das erste getilgt.
10
mit 8t. Hilaire pag. 310 zu streichen, was auch Woltmann billigt,
S. 352., beisst alle Construktion aufheben, und die Stelle unver-
ständlich machen. Ist aber, wie wir überzeugt sind, unser Buch
früher als das vorhergehende, so kann Aristoteles allerdings nicht
so geschrieben haben, und es stand entweder allgemein öio dei
&£coQovi>zag zCv£g ohne besondere Berufung auf die ausführliche
Abhandlung, oder das ursprüngliche ttsqI uov S-scoQt'jao/usv vors-
Qov hat nach erfolgter Umstellung der beiden Bücher die notwen-
dige Veränderung in z£&£woi]zcct txq6z£qov erlitten. Auch IV. 11
pag. 1296, 5. lesen wir zijv $' älztav voz£oov tv zoig tisqI zag us-
TttßoXds ZCOV TlO?UT.£W)V £QOVjLl£V.
Das gerechte Bedenken gegen solche gewaltsame Aenderung
wird grösstenteils dadurch gehoben, dass sich noch au zwei Stel-
len, auf welche bereits Woltmann aufmerksam gemacht hat, deut-
liche Spuren der ursprünglichen Ordnung erhalten haben, VI., 2.
pag. 1317. b. 34. rcov dk ccq%iov örjfjbozixiozcczov ßovZtf , onov fxi\
juio&ov SL'iiOQia nciöiv • ivzav&a yctQ äcpaioovvzai xal zavzijg zqg äo-
yrjg ztjv dvva/xiv ' dg avröv yäo avdyu zeig xoi'0£ig ndöag 6 drjfiog
SVTtOQWV JUIG&OU , X C! & Ci 7t € Q sY^fjZai £V Ztj /U £ & 6 S CO Z i] 71QO Z CCV"
zqg. Dieser Citation zufolge müsste das angegebene im vorhergehenden
fünften Buche stehen; dort findet sich aber nichts, sondern im vierten
Buche das angegebene, zwar nicht Kap. 4., wie Woltmann S. 352 meint,
wo nur ähnliches, nicht dasselbe, sondern Kap. 15. pag. 1299. b.
37. xctzaXmzai dt xal zrjg ßovXijg tf diva/Aig £v zaig zoiavzaig dtj/uo-
xoazkag Iv alg avxög ovviiov o dijibiog y_Qt]juazf££i 7i£ol ncivxiav ' zovzo
dz GvußutvMv ttiod-sv, ozav £vnooia zig f\ tj juiG&og [scrib. fj /uiöfrov]-
o//)?.('t^.opz£g yv.Q GvlXtyovzaC z£ noZXäxig xal anavza avzol xqIvov-
Gtv. So wird der Zusammenhang von Buch IV. und VI. bestätigt.
Einem möglichen Einwurfe will ich begegnen : /ug&odog ist hier, wie
sonst ein besonderer Abschnitt oder Gegenstand ; so sagt Aristote-
les VII. 1. pag. 1324. 2. vorn besten Staate inl zijg vvv {i£$ö§ov.
41
VII, 2. pag. 1324, 22. k'oyov xtjg /ue&odov xctvryjg. Nun bildet aber
IV, 14 — 16 mit dem VI. Buche ein zusammenhängendes Ganzes,
wie er auch in der Inhaltsanzeige IV, 2. nur einen Gegenstand, xo
xa&ioxc'cvca xi]V noXixziav , angibt , und so würde Aristoteles nicht
sagen können, iv xf\ {.is&odio xfi noo xavxr\g, da es ja dieselbe ist.
Da indessen die eigentliche Lehre der Constitution von Verfassun-
gen doch erst VI, 1. beginnt (pag. 1317, 18. fynxtov §i no6g xav-
xrjv xtjv jus&odov nävxa xv, drj^oxixd) , so kann, glaube ich, das
vorausgehende IV, 14 — 16, wenn auch dazu dienend und vor-
bereitend, doch gewissermasseu als abgesondert betrachtet werden.
Die Form der Citation iv fjj ^ad-odco xfj jiqö xavxr\g, wie der fol-
genden iv xoig noo xovxwv vermag ich durch keine Beispiele aus
Aristoteles zu belegen, halte sie jedoch für so natürlich, dass ich
darin keinen Grund erkenne, die Worte, wie geschehen, als unächt
zu streichen.
Die zweite Stelle ist VI, 4. Srj^oxoaxiöjv (T ovgwv xexxaqmv
ßsZxtoxrj juip r\ tiqcoxtj xa^si, xaO-änso iv xoig tiqo xovxcov
sXix&rj Aoyoig, auch dieses steht nicht im fünften Buche, wie es
seyn müsste, wenn die jetzige Ordnung die richtige wäre, sondern
im vierten Kap. 4.
Aber das sechste Buch, das wir nach obigen Bemerkungen an die
Stelle des fünften setzen, ist keineswegs vollständig, das haben Conring
pag. 636. 733. 735. und Schlosser beiSchneider zu VI, 5. pag. 384. 397
richtig erkannt. Nach der Anordnung der Demokratie und Oligarchie 3 6)
36) Ob Aristoteles hier nicht noch über anderes Nachweisung' gegeben,
wie Conring glaubt, wage ich nicht zu bestimmen, allerdings erwar-
tet man es nach dem Ausdrucke VI, 1. pag. 1316- b. 36. £iöt] TvXeico
örjfioxQciTiag ovtcc xai zcov aXXcov 6/.ioicog tc oX ltslcov, womit
ausser Oligarchie wenigstens Aristokratie inbegriffen ist; aber die
Ankündigung IV, 2. hat doch nur von diesen zwei Verfassungen zu
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. 6
42
■wird Kap. S von den Regierungsbehörden gesprochen, mit den Ein-
leitungsworten: kx6Xov&ov dt tolg slotj jli^vo ig sott ro diyoija-
ß-ai xäXmg ra tt&qi rag dgxäg, nÖGcci xvci n'vsg v.ctl xCviov , xa&dnsQ
sTq^tch ;:c<) ttqoxsqov • und die Abhandlung geschlossen: neoi fxiv
BVV xiöv cQyjoi' (6g iv rvnio a%zdöv siQijrai tisqI Tiaotov. An sich
mag man dieses daraus erklären, dass jeder neu eingerichtete Staat
seine notwendigen Behörden, c<Q%cä, haben müsse, aber der Anfang
des Buches gibt sowohl darüber, wie über Anderes, genügenden
Aufschluss. Es sollen nämlich zu den oben gegebenen wichtigsten
drei Staatsbehörden noch einzelne Erklärungen nachgeliefert wer-
den. Das Vorhandene ist nur ein Theil davon, die ccqxcu betref-
fend; ich zweifle nicht, dass auch von dem ßovfevo^isvov und div.a-
Gxr/.ov auf ähnliche Weise gesprochen war. Wenn oben IV, 14.
eine andere Ordnung befolgt war, in welcher die dqycd die mittlere
Stelle einnahmen, so finden wir dagegen VI, 2. pag. 1317, b. 18
— 30 bei einer ähnlichen Aufzählung aller drei Aemter die t'.qxcil
vortretend, und wie IV, 15. pag. 1300, 8. die Worte äXXä tisqI
/ubP tovtcov inl roGovrop siQrjc&w vvv auf ein späteres Wiedervor-
nehmen stillschweigend deuten, auf VI, 8. pag. 1323, 3, so mag
auch in dem fehlenden Artikel über das diy.aGxixöv seine nähere
Bestimmung erlangt haben, was IV, 16. pag. 1300. b. 37. nur zu
kurz berührt ist.
Noch etwas umfasste unser fünftes Buch, die mögliche Combi-
nation jener drei Behörden; im frühern war in Beziehung auf diese
das Prinzip in demokratischen, oligarchischen und aristokratischen
Staaten nachgewiesen worden, es könne aber eine Mischung ein-
treten, wenn z. B. die administrirende und berathende Behörde oli-
garchisch, die Gerichte aber aristokratisch sind, oder die Gerichte
reden versprochen xiva tqujcov del xadioiüvcti xbv ßovlofievov xav-
xag xag nolixuag, X£ya> de öt]f.ioxQaxlag xe xa& exaßiov eidog
xal näXiv oliy aqxi ctg.
43
und berathende Behörde oligarchisch , die Wahlen aber aristokra-
tisch sind; auch dieses müsse beachtet und betrachtet werden. VI
1. ttt ds xal rag Gvvayioyag avzwv rwv siotj/uspcov iniGxsnreop ndp-
riop rwv roonoiv • ravra ydq Gvpdva£6/uspa noiu rag no^ireCag InaX-
7.UTT&W, wgts aoiGroxqariag rs oXiyao^ixdg slvcct xal nohzsiag drjfjio-
xoazixcors'Qag . Myio de GvpdvaG/uovg, ovg dsi jutp in iGxonatv,
ovx iaxt ■fjLfXbvoi J" slol vvv, olov clv ro uiv^1) ßovZevo/uspov xal
ro ntol zeig dQ%aiQ£Giag oAiyao%ixa>g fj aupzsrayjuipop, rä §k neql rd
öixaGnqqia doiGzoxQarixwg , /; ravra jusp xal zo nsol rö ßovAevojus-
vov 6?uyaQ/jx(Zg , dqiGzoxqanxvög 8k ro tisqI rag do%aiQSGtag, q xar
dXXov nva rqonov /uy ndvra Gvprs&ij rd rrjg nohrtiag olxsTa. Von
dem allen ist nicht das Mindeste in unserm Buche zu treffen38).
Als sicheres Ergebniss der Untersuchung, wie solches aus vor-
liegendem Zustande des Werkes von selbst einleuchtet, sprechen
wir Folgendes aus. Die Bücher der aristotelischen Politik waren
im Alterthum auseinaudergerissen überliefert; was dem dritten fol-
gen sollte, die Lehre vom besten Staate, wurde ans Ende ge-
bracht und der vielleicht grössere Theil von diesem war ganz ver-
loren; das fünfte, unvollständig, hatte seine Stelle dem sechsten,
37 ) Die Concinnität der Sprache forciert auch hier rö ftiv neql to ßov-
Xsv6f.ievov, wie wir nachher statt rd nothwendig ro de neoi schreiben.
3") Mit unbegreiflicher Flüchtigkeit hat Biese II, 525- 532. diese avv-
dvußpLoi auf die im Buche dargestellten Verfassungen bezogen, auch
Göttling und andere haben alles für vollständig gehalten, Schneider
pag. 385 dagegen die Worte Kap. 8. noiag ovv aq^iörret ovvdyeiv
xal noiag xwqiteiv del /.irj lavdüveiv missverstanden, dort ist von
der Cumulation der Stellen, ao%al, die Bede, was mit den von Ari-
stoteles bezeichneten avvövao(.iol nichts gemein hat.
6*
11
■welchem wenigstens der Schluss fehlt, eingeräumt. In diesem Zu-
stande hatte ein Unbekannter, der den innern Zusammenhang der
Bücher und den Gong der Darstellung nicht beachtete, sondern
diese nun überlieferte verkehrte Ordnung für richtig hielt, die Poli-
tik emendirt und mehrere falsche Zusätze sich erlaubt; noch können
wir einige ganz unpassende Citationen auf die frühem Bücher in
der Ordnung, wie er sie vorgefunden, nachweisen, sind jedoch
nicht im Stande, diese Spuren weiter zu verfolgen. Eben so we-
nig vermögen wir die Zeit zu bestimmen, in welche diese Interpo-
lationen fallen. Die Politik, so lehrreich sie ist, scheint ausseror-
dentlich wenige Leser gefunden zu haben, und ausser ein paar zu-
fälligen Angaben bei den Alten39) kenne ich nur ein Zeugniss von
grösserm Belange. Der Abriss der peripatetischen Ethik bei Sto-
bäus ist nicht von diesem, sondern von einem andern Anhänger der
aristotelischen Philosophie, und kaiin Jahrhunderte älter als Stobäus
seyn ; die Ethik ist zum Theil nach andern Quellen als uns erhal-
39) Die Scholien zu Aristophan. Acharn. v. 92. führen einige Worte aus
dem dritten, v. 977. aus dem fünften Buche an 5 über Eubulus des
Philosophen Schrift neoi zwv IAqiozozeXel nobg zrjv IlXazcovog no-
Xixsiav dvzeiQYji-ievcüv suche Maio Collectio Vaticana tom. II. pag.
672 — 5 wo ein Fragment mitgetheilt ist; vielleicht dass andere Bi-
bliotheken noch das Ganze enthalten. Julian erwähnt pag. 260- sqq.
eine längere Stelle aus III, 16, (wo pag. 1287, 28. 6 f.iev ovv zbv
vovv xeXevojv agysiv doxsl xeXeveiv aq%Eiv zbv &sbv xal zovg vo-
/.iovq aus der Vossischen Handschrift des Julianus unser Text zu
emendiren ist was der Gedanke fordert zbv vofiov xeXeviov . . xal
zbv vovv fiovovg) und pag. 263 aus VII, 3- pag. 1325, b. 21- in
folgender Gestalt (xäXioza dt 7tQccTZ£ivXiyo/.iEvxvQlüjg xal zbzöiv e^iote-
qlxüjv 7iqaS,eiov zovg zrjg ö tavoiag äoyizexzovag. Dass Photius Worte
ioyaxiäv , l'ayazov zönov yfjg, rj zag vo/nag eyovza yioqia , cog xal
Idqiazoz&'krig iv zio r'j tieqI zrjv noXizEtag sich auf VII, 10. pag. 1330.
14, beziehen, hat Schneider pag. 417 richtig bemerkt.
45
ten sind, aber ihr ist pag. 322 — 334 ein Anhang über ohovof.uy.dg
und nofaxixog und summarisch über die nofaxizrj selbst beigegeben,
und hier lässt sich darthnn, dass ihr Verfasser nur die aristoteli-
sche Politik vor Augen halte und dass er sie in keiner andern Ge-
stalt kannte, als in welcher sie uns jetzt noch überliefert ist.
Da diese Verwirrung so weit hinaufreicht, mag es erlaubt seyn
auch auderes in Erinnerung zu bringen. Jedermann kennt Strabo's
Erzählung über das Schicksal der aristotelischen Bücher und Apel-
likons falsche Ergänzungen. Ob der trostlose Zustand der Politik
wirklich davon ausgeht, wage ich nicht zu bestimmen40), kann je-
doch nicht umhin, auf eine eigentümliche Erscheinung, die, so offen
sie daliegt, doch meines Wissens nicht beachtet worden, die Auf-
merksamkeit der Philologen zu richten.
Am Anfange des siebenten Buches wird über den besten
Staat bemerkt, man müsse zuerst bestimmen, welches das wün-
sclienswertheste Leben sey; ohne dieses könne die doiaxi] no-
faxeCcc nicht klar werden. Pag. 1323, 19.: dio dsi nowxov
ö/uoAoysi o&ai xig 6 naoiv wg slnuv cäosxwxccxog ßiog, /uexd d&
xovxo nöxaoov y.oivft xal x^Q^ ° ccvxög tj txsoog. Erstere Frage
wird dahin erörtert, dass es in einem thätigen, der Tugend gemäs-
sen Leben bestehe, und nach der Weise unseres Philosophen zuletzt
4o) Brandis, Rhein. Museum I, 242 ?)von Lücken, Ergänzungen und
kritischer Nachhilfe finden sich bestimmtere Spuren auf jeden Fall
in dem grössern und -wichtigem Theile der Aristotelischen Bücher
nicht, und vielleicht nur in den Bruchstücken über Xenophanes
Gorgias und Melissus, einige sehr zweifelhafte in dem
Werke von dem es am allerwenigsten glaublich ist,
dass es nicht schon vor dem Tode des Theophrast in
vielen Abschriften verbreitet gewesen, in der Politik.''
Welche Spuren sind wohl hiemit angedeutet?
40
b. 21 in wenige Worte zusammengefaßt, um zur Beantwortung der
zweiten Frage überzugeheu: oxt /uiv ovv ixaGxcp xijg svdai/uoviag
impäXkei xogovxov ogovtisq aqexijg xai tfqovrJGsojg xai zov nqdzzuv
xaxd xavxag, tffrto GvvcouoXoyt]ju^vov r^xlv . . . auch folgt diese unmit-
telbar, mit der Erklärung, dass, was von dem Einzelnen gelte,
gleichfalls seine Anwendung auf den ganzen Staat finde:
ijtofiBvov *T iotl xai xwv avxwv Xoyuav dsojuevov xai noXiv
ivdaiuova xrjv doi'Gxtjv aivai xai nqdxxovGav xaXwg. adv-
vaxov ds xaXwg nqäxxuv xolg /urj rd xaXd nqdxxovGiv * *) '
ovStv Js xaXov tqyov ovx dvdqög ovxs noAscog ftüioig doe-
xijg xai (pQOvrJGswg ■ avdqta b*k nöksojg xai §ixaioGvvr\ xai
(poov^Gig xtjv avxr\v i-%si dvva/xiv xai juooyrjv , a>v jusxaG%cbv
txaorog xwv ävd-Qumiov Xiysxai dixaiog xai (pqövijuog xai
GaHfoew*2^). dXXd yäo ravxa /usv Uni xogovxov sGxco
7ie(poo i/uiaG jutva zw Xöyco (ovzs ydq fxr\ O-iyydveiv av-
xwv dvvaxöv , ovxs ndvxag zotig oixsiovg ins^sX9-eiv ivSs^s-
zav Xoyovg- txtqag ydq ioxiv tqyov G%ohrjg xavxa)- vvv <T
vtioxsigO-u) xogovxov; ozi ßi'og jli&v aqiGzog xai %io-
qig txaGza) xai xoivtj xalg nöXsGtv 6 /uszd aqsztjg
xe%oqi]yrj juüvrig ini xogovxov wgxs tusx^ya iv xwv
xax aQ-szrjv nqd^swv. nqog Je xovg a/uyuGßqxovvxag
iaGavxsg ini zijg vvv /uefrodov diaGxsnxs'ov vgxsqov , u xig
roTg siQt]]u£voig xvyyjivu /xij nsi&o/usvog.
So redet Aristoteles sonst nicht, dass wenn man diesen seinen jetzt
vorgebrachten Gründen nicht glaube, er später sich darüber weiter
erklären wolle, aber das ist klar, er hat damit seine beiden Vor-
4I) Vielmehr %r\v /.irj xä .xalcc tiqccxv ovaav, denn von nöXig ist die
Rede.
4l) Von den Substantiven fehlt otocpQoovviy, von den Adjektiven ävdgelog.
47
fragen abgemacht, und will zum eigentlichen Gegenstande eilen.
Wie niuss man aber staunen, wenn man sieht, dass die zwei fol-
genden Kapitel pag. 1324, 5. — 1325, b. 32. die letzte Frage, ob
was für das Individuum gelte , auch beim ganzen Staate seine An-
wendung finde, in der Art wieder aufnehmen, dass sie die voraus-
gegangene Beantwortung gar nicht kennen? nöxaoov Se rrjv sldai-
/.wviav xijv avxtjv aivai (faxiov tvög ze [y.äoxov xwv ccv&qojtxcov y.al
noÄswg fj firj xtjv avxtjv Xotnov iaxiv einstv auch ist der Be-
weis im Ganzen derselbe, aber zwei andere neue Fragen treten
hier zum Vorschein, die er oben absichtlich, wie man glauben
möchte, umgangen hatte; aXXd ravx rjdrj ovo iöxtv a dePtai axäipews,
ev /usv 7iOT8Qog atoexcäzsoog ßiog , 6 öia xov Gv^nohrtvead^ca y.al
xoivoivuv TioJ.scog rj /.laÄZov 6 !-£vix6g "/.cd xtjg noZixtxijg zoivvavlag
anolzXvutvog } tri de rfvct noXirstav xrsxsov y.al nolav dici&SGiv no-
Xaojg doicsxtjv, &¥ts näoiv bvtog alosxov xoivoivuv noäscog iure y.al xiöl
/uiv juij roig dz nfeloroig. Ob man sich mit Staatsgeschäften abgeben
soll, haben die Philosophen der verschiedenen Schulen verschieden
beantwortet, für die peripatetische Schule ist hier wie die einzige
Stelle des Stifters, so auch ausführlich darüber belehrend; aber da-
mit Niemand im Irrthume sey, worin das Wesen der ganzen Unter-
suchung bestehe, so sprechen es die Schlussworte des dritten Ka-
pitels deutlich aus: ort /ntv ovv rov avxov ßiov ävayxaTov
alvai rov äoitixov ty.äoxto re xwv dv&QWJiiov y.al zoivjj
ratg noAsoi [y.al rolg civ&ownoig]*^, giaveoöv toxi.
Da an der Aechtheit nicht zu zweifeln ist, beide aber Aristo-
43) Diese Worte sind ein falscher Zusatz, da was ausgedrückt werden soll,
deutlich genug im xal xoivfj xalg TtoXeoiv liegt; dagegen III, 6. pag.
1278. b, 23. /.idliaza fiep ovv zovz soxt xilog xal xoivrj ftäoi
xal %ioqLq ungern das £xdorq> vermisst wird; sonst steht gewöhn-
lich xal xoivfj xal y,tOQig, ohne ersteres xal VII, 1. pag. 1323- 21.
48
teles nicht zu gleicher Zeil gegeben haben kann, so läge die Ver-
inuthung nahe, das die ausführliche Darstellung ihr Entstehen der
aufgefundenen Originalhandschrift verdanke , und ich wünsche hier-
über, oder wie überhaupt diese Erscheinung erklärt werden kann,
das Irlheil von Kennern der Schriften unseres Philosophen zu er-
fahren44).
*4) Noch eine neue Beurtheilung mag hier erwähnt werden, Forchham-
iner in den Verhandlungen der Philologen-Versammlung in Cassel
1843 pag. 81 — 91 sucht nachzuweisen, dass die Eintheilung der
Lehre des Aristoteles über die Staatskunst auf der Lehre der vier
Ursachen, und die Ordnung dieser Eintheilung auf der Ordnung,
welche dieselben in der Natur der Dinge haben, und in welcher sie
in der Physik aufgezählt werden, beruhe; das erste Buch enthalte
das VTioxsiitEvov, die vXrj des Staates, das zweite, dritte und vierte
gebe ausführliche Kunde von den Formen der Staaten, das fünfte und
sechste lehre die Ursachen der Veränderungen und der Erhaltung,
so wie der neuen Gründung der Staaten, das siebente und achte
stelle den höchsten Zweck des Staates auf, bestimme darnach den
besten Staat und lehre die Bedingungen und Mittel seiner Verwirkli-
chung. Darnach erledige sich die Frage über die Ordnung der Bü-
cher von selbst zu Gunsten der Handschriften, und wenn auch Ari-
stoteles IV, 2. ankündige, dass der Inhalt des sechsten Buches dem
des fünften vorausgehen solle, so müsse es dennoch bei der jetzigen
Ordnung bleiben ; das wiederholte Zeugniss desselben Autors im
VI. Buche über das, was er gethan habe, müsse doch mehr gelten
als die Ankündigung im IV. über das was er thun wolle, uud so sey
einleuchtend, dass nach dem eigenen Zeugniss des Aristoteles die
jetzige Ordnung die Aristotelische sey. Man ist gewohnt bei dem
Verfasser das zu vernehmen, was man mit dem Namen mirabilia
bezeichnet; hier hat er sich selbst übertroffen. Weil die Physik
in Untersuchung der Dinge nach den verschiedenen Ursachen fragt,
und die causa materialis, formalis, efficiens, finalis unterscheidet,
soll die ganze Politik nach diesen vier Gründen geordnet und aus-
geführt seyn! Aristoteles gibt überall Methode* und Gang der Un-
tersuchung an; von dieser neuen Entdeckung aber, denn eine solche
19
müssten wir sie nennen, weiss er offenbar seihst nichts. Und wie
sollte er davon schweigen und mit keinem Worte seinen Plan den
Lesern mittheilen? Das wäre einzig in seiner Art, ist aber dem
in der Politik deutlich bezeichneten Gange, den wir nachgewiesen
haben, geradezu entgegen. Es war ein unglücklicher Gedanke, aus
einigen Stellen der physiologischen Bücher, worin öfter jener al'zicc
Erwähnung geschieht, den kühnen Sprung auf die Politik zu wa-
gen. Oder sind selbst jene so ausgeführt? Die Thiergeschichte
enthält das ozi , die Bücher negl Coicüv [.ioqiiüv und ysviaeiog das
diozi , die al'zia, aber keineswegs sind diese in der Folge der vier
Ursachen, wie sie die Physik angiebt, erklärt; sie gehen oft in ein-
ander und dort ist das o&ev rj ctQyi] zrig yevicfscog zuletzt; das kann
jeder sehen, der mehr als den Anfang des einen oder anderen Bu-
ches, der das Ganze vergleicht. Und welche Willkühr hat sich der
Verfasser dieser Hypothese in der Deutung dieser Bücher selbst er-
laubt! Betrachten wir jene vier aristotelischen Ursachen mit Bezie-
hung auf den Staat, so ist einleuchtend, die vhj, der Stoff, das
was Aristoteles VII, 4 — 12 angiebt, elöog die nnXizcia avrrj, wie
sie dort 13. sqq. angegeben ist, o&ev rj agyrj zrjg xivrjoeiog ist der
Mensch als U(Jjoi> no)uxix6v , der in der noiviovia leben will, end-
lich zelog ist die evdai(.iovla selbst, das ev Ltjv. Man sieht, dass
diese Gegenstände zwar auch in der Politik vorkommen, und natür-
licher Weise darin vorkommen müssen, aber die Ordnung der Bü-
cher nicht davon im Geringsten abhängig ist. Von dem richtigen
Verständnisse des Einzelnen muss das Verständniss des Ganzen aus-
gehen, jedes einzelne Werk muss aus sich selbst vollständig erklärt
werden, und dieses ist bei Aristoteles viel leichter als bei Piaton,
nicht aber fremde Begriffe dürfen als Grundlage gesetzt und das
unterste zu oberst gekehrt werden, wie etwa hier Seite 83 die
Ethik als Fortsetzung der Politik, S. 89 das ei>exd zov für ou svsxa
d. h. das Mittel für den Zweck genommen wird Die gerühmte
Gründlichkeit der deutschen Philologie hat in Beziehung auf die ari-
stotelische Politik nicht nur das richtige nicht geahnet, sondern sich
als wenig fähig bewiesen, den von Italienern und Franzosen richtig
erkannten Zusammenhang des Werkes auch nur zu würdigen und zu
verstehen; leicht könnte ein Fremder Hesiodus Verse mit seinem
gutem Beeilte auf uns in Anwendung bringen.
Abhandllungen d. I. Cl. d. k. Ali. d. YViss. V. Bd. I. Ablhl.
Die Amazonen.
Von
Friedrich August Ukert in Gotha.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. b. Akad. d. W. V. Bd. I. Abthl. j[
Die Amazonen1).
Von
Friedrich August IJhert in Gotha.
Oav/maürov ovk 'IOtiv Int npäy/maStv ovtcj
naXaioU nXotvo&ai rijv iSropCav.
Plut. Thes. 27.
Zu den bekanntesten und oft erwähnten Sagen gehören die
von den Amazonen,2) die in früher wie in später Zeit auf die man-
nigfaltigste Weise erzählt, ausgelegt und gedeutet sind. Bald be-
trachtete man sie als wahre Geschichte, bald behandelte man sie
als Allegorie, oft diese oder jene tiefe Weisheit darin suchend, die
man auf die verschiedenste Art darzulegen und zu enträthseln sich
bemühte.
Nicht zu übersehen ist, dass uns aus der reichen Fülle von
Sagen über diese kriegerischen Weiber nur abgerissene Nachrichten,
einzelne Andeutungen erhalten sind. Suchen wir diese zusammen-
zuordnen, zu beachten, wie sie im Laufe der Zeit anders, und an-
ders gestaltet wurden, und so zu bestimmen, was von jenen Ama-
zonen zu halten sei.
Wir finden die Amazonen zuerst in den Homerischen Gedich-
ten erwähnt. Priaenos erzählt,3) er sei als kriegerischer Beistand
1*
nach Phrygien gegangen , als das Heer der Phrygier am Samga-
rius lagerte; er erklärt:
— ich ward als Bnndesgenoss mit ihnen gerechnet.
Jenes Tags, da die Hord' amazonischer Männinnen einbrach.
Wir werden, nach dieser Angabe, nicht irren, wenn wir die
Kriegerinnen im Nordosten Kleinasiens annehmen.4) Eben daselbst
mochte der Sänger sie suchen, wenn er berichtet,5) dass der König
von Lybien dem Bellerophon gefährliche Unternehmungen aufgetra-
gen habe , damit dieser seinen Tod dabei finden solle , und
dass er unter andern die Amazonen bekämpfen musste. Der
Held bestand auch dieses Abentheuer glücklich , da es von ihm
heist:6)
drauf zum dritten erschlug er die männliche Hord Amazonen.
Wahrsheinlich fiel auch dieser Kampf in Kleinasien vor, und wohl
ebenfalls im nordöstlichen Theile.7) Welche Ansicht man sonst von
diesen muthigen Frauen hegte, wird nicht angegeben. Auf sie be-
zog man aber noch eine dritte Stelle in der Iliade,8) wo von einer
Anhöhe bei llion gesagt wird:
Draussen liegt vor den Thoren der Stadt ein erhabener
Hügel,
In dem Gefild' abwärts, und umgehbar hierhin und dorthin.
Dieser wird Batieia genannt von sterblichen Männern,
Einigen heisst er das Mal der sprunggeübten Myrina.
Der Dichter sagt nichts weiter über diese Myrina, auch nicht, wie
sie ihr Leben eingebüsst , und warum ihr ein so ausgezeichneter
Grabhügel aufgeschüttet worden. Spätere Ausleger erklärten sie
für eine Tochter des Dardanus, oder eine Amazone,9) und berich-
teten:10) sie sei gegen Troja gezogen, habe dort ihren Tod gefun-
den, und die anderen Amazonen hätten, zu ihrer Ehre, die Stadt
Myrina gebaut.1 J)
Es ist vorher bemerkt, dass man wahrscheinlich die Amazonen
im Nordosten Kleinasiens wohnen liess. Betrachten wir diese Ge-
gend näher, so gibt sie uns Aufschluss über die Entstehung der
Sage von diesen Kriegerinnen. Das grosse Gebirge, das unter dem
Namen Kaukasus am Ostende des Pontus hinzieht, mag frühzeitig
die Scheide zwischen Völkern verschiedenen Stammes, verschiede-
ner Sprache, Sitte und Cultur gewesen sein, und aus den nördlichen
Gegenden mochten früh, wie noch später, grössere und kleinere
Schaaren , von den Griechen nachher Scythen im Allgemeinen ge-
nannt, den Versuch machen, gegen Süden vorzudringen, und sich in
Kleinasien anzusiedeln. Das genannte Gebirge stösst gegen Mittag
an ein anderes, das Vorderasien nach Westen hin durchzieht, und
einen gegen den Pontus abgedachten Küstenstrich bildet, den eine
Menge von Flüssen durchströmt, unter denen der Phasis, Thermo-
don, Iris, Halys am bekanntesten sind. Dieses Ufeigebiet, nach
manchen noch weiter westlich, hatten Scythen in Besitz genommen,
deren Nachbarn gegen Abend Thraker waren.12)
Bei den Völkerschaften im Kaukasus, und nördlich und östlich
von demselben, finden wir eine eigentümliche Sitte angeführt, die
den Hellenen vorzüglich auffallen musste, und daher oft erwähnt
wird, die Frauen nahmen Antheil am Kampf und Krieg. Eine Kö-
nigin der Saken schlug den Cyrus, und in ihrem Heere waren Tau-
sende von Weibern.13) Nach Ktesias14) fochten die Frauen der
Saken zu Pferde. Hippokrates15) bemerkt, bei den Sauromaken, am
Tanais, reiten die Frauen, schiessen mit dem Bogen, werfen Wurf-
6
spiesse vom Pferde und kämpfen gegen die Feinde , so lange sie
Jungfrauen sind. Plato erklärt,16) er wisse dass Tausende von
Weibern, Sauromakides genannt, am Pontus lebten, die nicbt blos
ritten, sondern auch Bogen und andere Waffen führten, wie die
Männer. Nicolaus Damascenus17) sagt im Allgemeinen: die Frauen
der Scythen sind nicht weniger kriegerisch als die Männer, und
gehen, wenn es möglich ist, mit in die Schlacht; daher (sagt man)
sie wären Amazonen. Als Pompejus im Kaukasus kriegte, schlug er
die Albaner und Iberer, am Fluss Kyros, und zwang sie Geissein
zu geben. Unter diesen und den Gefangenen waren viele W7eiber,
die Wunden hatten wie die Männer. Sie schienen Amazonen zu
sein, setzt Appion hinzu.18) Mag nun, fährt er fort, in der Nach-
barschaft das Volk der Amazonen leben, die sie damals zu Hülfe
riefen, oder mögen die Barbaren in jener Gegend kriegerische Wei-
ber überhaupt Amazonen nennen.19)
Nachrichten der Art, dass Frauen in jenen Gegenden Völker
beherrschten, ihre Schaaren in die Schlacht führten, muthig im
Kampfe dem Feinde entgegentraten, mochten frühzeitig zu den Hel-
lenen kommen und ihre Aufmerksamkeit erregen. Die Ferne ist
das Gebiet der Wunder, die Sage wächst im Fortgehen, und bald
sprach mau von einem Staate kriegerischer Weiber, schilderte ihre
Einrichtungen und handelte über ihre Geschichte. Es ging wie mit
allen solchen Nachrichten. Was der erste einfach, abgerissen er-
zählte, verband und schmückte der nächste, und je ferner die Zeit
des Entstehens der Sage, desto umständlicher und bestimmter stellt
der Erzählende nun alles dar, mit scheinbarer Genauigkeit.
In den aus dem Hesiodischen Zeitalter uns zugekommenen Ge-
dichten, werden die Amazonen nicht erwähnt; dass aber ihr Name
sich erhielt, ihr Ansehen stieg, sie berühmt wurden, zeigen Spätere.
Unter den Griechen gingen in dieser Periode grosse Veränderungen
vor, in Bezug auf den Staat, das bürgerliche Leben, Sitten und Ge-
bräuche, und vorzüglich in religiöser Hinsicht. Die Homerischen
Gedichte wurden allgemeiner bekannt, und die von dem Sänger ge-
feierten Helden und mehrere der von ihm verherrlichten Frauen be-
trachtete man als Mittelwesen zwischen Göttern und Menschen, als
Heroen, im höheren Sinne des Wortes. Man rief sie an um Schutz
und Hülfe, und ihnen ward eine Verehrung zu Theil, wie den un-
teren Gottheiten. Mit Recht sagt von ihnen unser vaterländischer
Dichter :
Grosser Thaten herrliche Vollbringer
Klimmten zu den Seligen hinan.
Der unternehmende, thatenfrohe, kampflustige Hellene konnte sich
seine Helden nur als durch Thatkraft, kühne Wagnisse, Züge in
ferne Gegenden, Kriege, Vertilgung schädlicher Ungeheuer, Bekäm-
pfung roher Barbaren , Anlage von Colonien u. dgl. zur Verehr-
ung berechtigt denken. Die Amazonen schienen ihnen würdig, sich
den Heroen anzuschliessen, und man brachte ihnen, wie diesen,
Opfer.2 o)
Ihr Ansehen stieg, als man sie in genaue Verbindung mit einer
Gottheit setzte, die in einem grossen Theil der damals bekannten
Welt mit Ehrfurcht angebetet ward, der jungfräulichen Artemis,
deren Verehrung bei wachsendem Verkehr mit dem Osten und Nor-
den sich immer mehr hob, wie die des jugendlichen Gottes, des
Apollo.21) Als hochheilig erschien, nach der Homerischep Zeit,22)
die Ephesische Göttin. Die Sage erzählte, Amazonen hätten ihr
Bild aufgestellt,23) oder ihren Tempel gebaut,24) oder wären als
Flüchtende zu ihr gekommen und hätten Schutz gefunden.25) Sie
erschienen dann als ihre Begleiterinnen und Dienerinnen. Pausanias
bemerkt26) „die Ephesische Diana wird in allen Städten verehrt,
und die Männer besonders halten sie vor allen anderen hoch. Der
Grund ist, wie mir scheint, der Ruf der Amazonen, die, der Sage
nach, ihr Bild aufstellten, und dann, dass der Tempel seit uralter
Zeit erbaut ist. Noch dreierlei trug ebenfalls bei zu dein Ruhme:
die Grösse des Tempels der alle anderen Bauwerke tibertraf, die
Blüthe der Stadt der Epheser und endlich das Ansehen der Göt-
tin.- 7)<k Seitdem man die Amazonen als Heilige betrachtete, nannte
man sie als Gründerinnen mancher Städte in Kleinasien , und, wie
tiberall die Erbauer, wurden sie mit Opfer und Gebet verehrt.28)
In den Kämpfen gegen von Aussen andringende Feinde lernten
sich die Griechen als Ein Volk betrachten, und nannten sich Helle-
nen, im Gegensatz von den Fremden, den Barbaren29). Ihr Haupt-
heros war Herkules, und wie die frühere Sage ihn im Westen das
Ende der Welt erreichen Hess, so sollte er, der späteren gemäss,
auch im Osten zu dem äussersten Volke gekommen sein, das in der
Gegend des Phasis wohnte, der lauge als der entfernteste Strom
im Osten galt. Oft erwähnt wird sein Zug gegen die Amazonen,
um den Gürtel der Königin zu holen; so wie man auch den Dio-
nysos zu ihnen kommen liess.
Die bald erwachende Eifersucht zwischen Dorern, an deren
Spitze die Spartaner standen, und Joniern, unter denen die Athener
die ersten waren, brachte diese letzteren bald dahin, da Herkules
immer mehr als Dorer betrachtet ward, einen heimischen Heros zu
erheben. Die Zeiten der Gefahr sind auch die Zeiten des Glaubens,
der schwache Sterbliche, seiner eigenen Kraft nicht allein vertrau-
end, sucht Schutz und Beistand höherer Wesen, sein Hülfernf zieht
sie herbei, und die erregte Phantasie zeigt sie oft in verklärter
menschlicher Gestalt dem Bedrängten Beistand leistend. In Attika
mochte Theseus früh als heimischer Heros genannt werden, die Ho-
merischen Gedichte zeichnen ihn aber nicht vor anderen aus30).
9
Sein Ansehen scheint in der Hesiodischen Zeit sich gehoben zu
haben.31) In der Marathonischen Schlacht aber glaubte man ihn
kämpfen zu sehen32) und bald wurden ihm Heiligthümer errichtet,
und er erschien als Hauptheros des Landes,33) den man durch
Opfer verehrte.
Nach dem Vorbilde des Herkules gestaltete man allmählig den
Mythus vom Theseus. Hatte aber jener sich als Wohlthäter der
Menschheit vorzüglich durch Bezwingung schädlicher Thiere und
Ungeheuer gezeigt, so liess man den Theseus übermüthige Gewal-
tige, die den Frieden und Verkehr störten, bestrafen. Auch zum
fernsten Osten zog er, der Sage nach, gegen die Amazonen, ent-
weder mit dem Herkules, oder ohne ihn, aber den Erfolg des Kam-
pfes erzählt man auf andere Art, als in den Sagen, die blos vom
Herkules handelten. Die Athener hatten im siegreichen Kampf bei
Marathon , vorzüglich durch ihre Tapferkeit Hellas von der Herr-
schaft gefürchteter Barbaren befreit; sie sollten nun schon in grauer
Vorzeit als Vorkämpfer der Freiheit, als Besieger Verderben dro-
hender Heerschaaren des Orients ercheinen, und so liess die Sage
das berühmteste, ferneste Volk, das als den Göttern nahestehend
betrachtet ward , in Hellas erobernd mit Racheplanen eindringen,
wo aber durch die heldenmüthige Anstrengung der Athener, das
Verderben abgewendet ward.34)
Betrachten wir diese Ansichten jener Zeiten, so erklärt es
sich , wie die Amazonen nach und nach so allgemein ein Gegen-
stand der Aufmerksamkeit wurden. Aus den abgerissenem Nach-
richten, die uns über sie aus dem Alterthume erhalten sind, ergibt
es sich, wie Alles um die Zeit der Perserkriege dazu beitrug, sie
zu verherrlichen, und den Glauben an sie zu befestigen. Seit der
Zeit waren ihre Züge und Thateu der Gegenstand der Gesänge
der Dichter; aber auch dem bildenden Künstler war es ein er-
Abhandlungen der I. Cl. d. k. b. Alsad. d. W. V. Bd. I. Abthl. 2
10
Wünschte? Stoff, Wesen die der Glaube geheiligt hatte und hoch-
hielt, kämpfend, .siegend, unterliegend, zu Fuss und zu Pferde, be-
waffnet und ohne Waffen, in allen möglichen Lagen darzustellen
und die Herrlichkeit des menschlichen Körpers in den verschieden-
sten Gruppen und Stellungen zu zeigen. An den heiligsten und be-
suchtesten Orten wurden sie abgebildet, und die Ehrwürdigkeit des
Ortes, so wie des dort verehrten Hauptgottes, hob diese Heroinen,
wer sie dort gesehen, verliess mit festerem Glauben, mit grösserer
Ehrfurcht die heiligen Bezirke. Redner und Rhetoren benutzten
was die Sage von den Amazonen erzählte, um ihr Land, ihre He-
roen durch den Kampf mit ihnen zu erheben, stellten alles dar, als
ob kein Zweifel daran Statt finden könne. Wer die Athener loben
wollte, durfte diese Erzählungen nicht übergehen. Philosophen spre-
chen von den kriegerischen Jungfrauen, die Logographen bemühten
sich, das Historische auszuscheiden, und der Geograph suchte die
Wohnsitze dieses Volkes, das man nie ganz aufgab, das sich aber
immer weiter in unbekannte Ferne zurückzog, zu ermitteln.35)
Sehen wir jetzt, wie das was wir im Allgemeinen hier ange-
geben haben, durch die uns erhaltenen Bruchstücke der Dichter und
durch die Prosaike bestätigt wird.
Aretinus, um den Anfang der Olympiaden, sang von den Ama-
zonen und sie heissen Töchter des Ares und Thrakerinnen, da man
damals die nördlichen Länder im Allgemeinen Thrakien nannte36)
und als den vorzüglich daselbst verehrten Gott den Ares anführte.37)
Der genannte Dichter liess die Penthesilea den Troern zu Hülfe
kommen. Andere, als man die kriegerischen Jungfrauen in Verbin-
dung mit der Artemis setzte, erzählten, dass von der Ephesus, einer
Dienerin der Artemis, die berühmte Stadt den Namen erhielt. Ihre
Tochter war die Amazone, und davon bekamen die Jungfrauen den
Namen Amazonen.37*) — Die Cycliker haben folgende Sage:38)
11
Eurystheus, lieisst es, hatte dein Herknies befohlen,39) für seine
Tochter den Gürtel der Amazonenkönigin zu holen, der, vom Ares
gegeben, ausgebreitete Macht und Herrschaft verleihen sollte.40)
Die Amazonen waren ein kriegerisches Volk. Sie lebten wie Män-
ner, und wenn sie Mädchen zur Welt brachten, hinderten sie das
Wachsthum der rechten Brust,41) damit sie die Waffen desto bes-
ser führen konnten. Herkules steuerte mit einem Schiffe nach The-
miskyre.42) Hippolyte kam zu ihm und versprach den Gürtel aus-
zulieferu. Here indess, die Gestalt eiuer Amazone annehmend, regte
die Menge auf, indem sie vorgab, die Herrscherin werde entführt.
Alle warfen sich auf die Pferde und eilten bewaffnet zum Lan-
dungsplatz. Herkules, der Verrath ahnte, erschlug die Hippolyte
und nahm den Gürtel. Es entstand ein Kampf, nach demselben
schiffte der Heros ab.
Um die Zeit der Perserkriege finden wir dann, wie schon be-
merkt worden, die Amazonen häufig erwähnt. Nach Pindar sind
sie in Kleinasien,43) haben treffliche Pferde und führen den Bogen
von Erz.44) Er sang von Bellerophon, der von seinem geflügelten
Ross die Jungfrauen bekämpfte45), liess den Herakles mit dem Jo-
laus gegen sie ziehen46) und schilderte ihr Unternehmen gegen
Athen und den Theseus47). Auf diesem Zuge gründeten sie den
Tempel zu Ephesus. Theseus heirathete die Antiope, zeugte mit ihr
den Demophoon, nach anderen den Hippolytus, als jene starb ver-
mählte er sich mit der Phädra48). Auch mit den Göttern setzt er
die Amazonen in unmittelbare Verbindung, da er den Apollo zu ihnen
wie zu den Hyperboreern wandern lässt.49)
Aeschylus erwähnt sie öfter.50) Er nimmt an, dass sie aus
nördlicheren Gegenden südlich zogen, da er sie früher westlich von
der Manotis wohnen lässt,51) später in Themiskyre, an Thermo-
don,52) auch nennt er sie53) s
2*
12
die Kolchis Flur bewohnen,
IMädchensichwänn, in Schlachten furchtbar.
Sie leben ohne Männer54) und nähren sich von Fleisch. Er ge-
denkt des Einfalls der Amazonen in Attika, und lässt die Athener,
in Bezug auf den Areopagus sagen55): er war
■ — — — einst der Amazonen Sitz
Und Lager (als neidvoll auf Theseus ihre Macht
Zum Streit daherzog, und der Stadt, der jugendlich
Emporgethürmten, Gegenthürm aufbauete,
Dem Ares opfernd, dass davon den Namen trägt
Des Ares Felsenhügel56).
Euripides führt oft den Herkules, den Theseus57) und die Amazo-
nen an58), die er ebenfalls als Reiter schildert59). Sie verehren
vor allen die Artemis60).
Als Beglaubigung für den Zug des Herkules gegen die Ama-
zonen zeigte man in Delphis gestickte Teppiche,61) die er den
Kriegerinnen abgenommen und dort als Weihgeschenke niederge-
legt hatte.
Denkmäler anderer Art, aus der Zeit der Tragiker, erhielten
und verbreiteten den Ruf der Amazonen immer mehr, da Bildhauer
und Maler ihre Kämpfe an den heiligsten und besuchtesten Orten
darstellten.
An den Querriegeln, welche die Füsse am Thron des Olym-
pischen Zeus hielten,62) war der Kampf des Herkules mit den
Amazonen abgebildet; Theseus war mit unter den Gefährten jenes
Heroen. Die Schlacht des Theseus gegen die kriegerischen Jung-
13
frauen war an dem Fusschemmel des Gottes dargestellt.63) An
einer Mauer im Tempel hatte Panaeos, des Pliidias Bruder,64) die
sterbende Penthesilea gemalt, wie Achilles sie hielt. DasS die Ama-
zonen hier so hervorgehoben wurden , mochte auch mit dadurch
veranlasst sein, dass die Artemis vorzüglich in Elis verehrt ward,
und, wie Strabo sagt,65) das Land voll von ihren Tempeln war.
Auch an der Aussenseite des Tempels, in dem Giebelfelde des Opi-
stodomos, hatte Alkamenes den Herkules gebildet, wie er der Ama-
zone den Gürtel nahm.66) Als aus alter Zeit herrührend betrachtet
mau die vom Aristokles gearbeitete Gruppe, die im Hain zu Olym-
pia stand, wie Herkules einer Amazonin zu Pferde den Gürtel rau-
ben wollte.663)
Gehen wir nach Athen, so sah man dort in der Pökile, einer
Halle am Markte, den Kampf der Athener unter Theseus gegen die
Amazonen, neben der Eroberung von Ilion und der Schlacht von
Marathon.67) Derselbe Gegenstand war im Tempel des Theseus
dargestellt.68) Auf dem Schilde der Schutzgottheit Athens, der
Athene, fand man ihn ebenfalls abgebildet,69) sowie in dem Tempel
derselben Göttin zn Elatea in Photis.70)
Zu Delphi, in der Lesche, hatte Polygnotus die Penthesilea
gemalt.71)
Im Tempel der Artemis zu Ephesus standen Bildsäulen der
Amazonen von Phidias, Polykletus und anderen.72)
Dass bei solchen Verhältnissen die Priester und Exegeten nicht
unthätig geblieben sind, das Ansehen der Amazonen zu heben, ist
wohl mit Sicherheit anzunehmen, wenn uns auch bestimmte Nach-
richten darüber fehlen.
u
Die Logographen nahmen die auf solche Weise ausgebildeten
und überlieferten Sagen von den Amazonen auf, behandelten sie als
Geschichte , und suchten den Wohnplatz, dieses Volkes zu bestim-
men. Pherukydes nannte als ihren Vater den Ares,73) ihre Mut-
ter Harmonia,74) die jener im Akmonischen Hain umarmte,75) in
Plirygien.76) Aus jenem Geschichtsschreiber ist wohl die Bemer-
kung,77) in der Nähe vom Gefilde des Akmon wären drei Städte
der Amazonen, Lykastia, Themiskyre und Chalkobia.78) Er liess
den Theseus zu den Kriegerinnen gehen, mit den Phorboes, seinem
Wagenlenker, und die Antiope rauben.79) Plutarch bemerkt,80) die
meisten, zu denen Phernkydes, Hellanikus und Herodorus gehörten,
hätten den Theseus später als den Herkules, mit eigenen Schiffen
zu den Amazonen führen lassen. Er habe eine Amazone mitgenom-
men. Nach Bion raubte er diese durch List; denn da die Amazo-
nen die Männer liebten, hätten jene den Theseus nicht gemieden,
sondern schikten Geschenke. Er liess die Ueberbringerin ins Schiff
kommen und entführte sie dann.81)
Gegen die Zeit der Logographen haben sich die griechischen
Colonien in Kleinasisn gehoben, und mit ihrer zunehmenden Bedeut-
samkeit wuchs auch das Verlangen, sich Rechenschaft über die
frühere Zeit zu geben. In ihnen selbst traten Männer auf, die sich
mit diesen Untersuchungen beschäftigten. Wie man aus Allem sieht,
waren es einzelne abgerissene Sagen, die sich aus der Vergangen-
heit erhalten hatten, Namen von Flüssen, Bergen, Quellen,82) Grab-
mäler83) u. dgl. erinnerten, wie man annahm, an Personen und Be-
gebenheiten, und man suchte ein Ganzes daraus herzustellen, wobei
die Phantasie freies Spiel hatte. Man half sich durch Etymologien,
und da man gern uralt erscheinen wollte, ging man gewöhnlich auf
eine von Göttern unmittelbar abstammende, oder ihnen nah verwandte
Person als Stifter des Ortes zurück. Die Amazonen waren um
diese Zeit als Heroinnen verehrt, mit der grossen Göttin von Ephe-
15
sns in Verbindung gesetzt, und man fing an, mehrere von ihnen als
Gründer der griechischen Colonien in Asien zu nennen.
Hekatäus von Milet erwähnte die Amazonen in Themiskyre
und führte mehrere Namen an, die Städte von ihnen erhalten hat-
ten.84) Hellanikius erzählte,85) dass alle Helden in der Argo mit
dem Herkules gegen diese kriegerischen Frauen gezogen wären.
Den Theseus Hess er später mit einer eigenen Flotte hinschiffen,86)
und die Antiope heimführen. Von ihrem kühnen Muth getrieben und
weil die Penthesilea von Achilles Mutter zu werden wünschte, was
ihr auch gelang, sollen die Amazonen den Troern zu Hülfe gekom-
men sein.87) Er überging auch nicht ihren Zug nach Athen, wo-
bei sie ihren Weg über den gefrornen Gimmerischen Bosporus neh-
men.88) Vier Monate dauerte das Unternehmen, dann kehrten sie
zurück.89)
Herodot lässt zu seiner Zeit Syrer am Thermodon und Parthe-
nius wohnen,90) spricht aber von den Amazonen,9 *) dass sie früher
von Thermodon aus nach Attika vordrangen, und erzählt von Hel-
lenen,, deren Führer er aber nicht nennt,92) die an jenem Fluss das
Heer der Weiber besiegten und in drei Schiffen so viele Gefangene
fortführten, als sie konnten. Diese bemächtigten sich, indem sie die
Männer tödteten, der Fahrzeuge, trieben, da sie des Seewesens un-
kundig waren, nach der Mäotis, landeten bei Kremii, verbanden sich
suletzt mit jungen Scythen, zogen mit ihnen über den Tanais, und
von ihnen stammen die Sarmaten.93) Er bemerkt,94) die Scythen
nennen die Amazonen Oiorpata, was Männermordende bedeute, da
die Scythen einen Mann Oior nennen und Pata tödten heisst.95)
Nach seiner Ansicht96) reiten die Amazonen, schiessen mit dein Bo-
gen und werfen Wurfspiesse, besorgen aber keine weiblichen Ar-
beiten. Sie reden eine andere Sprache als die Scythen.
U)
Hippokrates führt au,97) dass sie die von ihnen gebornen Kna-
ben /.um Kampfe unfähig machten, ohne über ihren Wohnplatz etwas
zo bemerken. Xenophon, der die Gegend, wo sie sonst erwähnt
wurden durchzog,98) spricht gelegentlich99) von dem ihnen eigen-
tümlichen Beile, beachtet sie aber sonst nicht weiter. Herodotus
aus Heraklea,100) sein Zeitgenosse, handelt über den Zug des Her-
kules gegen sie.101) Plato102) erhebt, unter den Grossthaten der
Athener, ihre Kämpfe gegen Eumolpus, die Amazonen und die Per-
ser. Wer nur dem ruhmsüchtigen Volke in Athen gefallen wollte,
sprach von diesen kriegerischen Frauen, als ob man wahre Ge-
schichte behandelte, benützte die bis jetzt angeführten Züge und
malte manches weiter aus, das Iuteresse zu steigern, wie uns Red-
ner und Rhetoren zeigen. Demosthenes103) hebt hervor, dass das
ganze in Attika einfallende Heer der Amazoueu vernichtet sei, ja
dass sie sogar vom Phasis verdrängt worden. Lysias104) gibt aus-
führlich an, die Amazonen wären Töchter des Ares, sie wohnten
am Thermodon, allein von allen Völkern daselbst waffneten sie sich
mit Eisen , und sie zuerst waren Reiter. Sie waren sehr tapfer,
fährt er fort, und herrschten über viele Länder. Mit den kriegeri-
scheu Völkern im Runde zogen sie gegen Athen, fanden jedoch alle
ihren Tod. Sie verschafften den Athenern unsterblichen Ruhm, ihr
Land aber verlor seinen Ruf. Isokrates105) erklärt, man könne
sich eine Vorstellung von dem kriegerischen Muth der Athener ma-
chen , wenn man ihre Thaten in früher Vorzeit gegen Amazonen,
Thraker und alle Peloponnesier bedenke.106) Bei einer anderen
Gelegenheit107) gibt er an, die Thraker unter Eumolpus wären in
Attika eingefallen, eben so die Scythen mit den Amazonen, der
Antiope wegen, die mit dem Theseus gegangen sei. Im Panegyri-
kus setzt er auseinander108), die Thraker unter Eumolpus, dem
Sohne des Poseidon, und die Scythen mit den Amazonen wären
nicht zu gleicher Zeit gegen Athen gezogen, sondern als jedes die-
ser Völker gerade die Herrschaft in Europa gehabt habe, und sie
17
hätten geglaubt, wenn sie die Eine Stadt bewältigt hätten, so wä-
ren sie Herren über alle. Sie fanden aber ihren Untergang, als
wenn sie gegen alle Krieg geführt hätten. Was sie aber litten,
argumentirt er dann, das sei klar. Die Nachrichten von ihnen wür-
den sich nicht so lange erhalten haben, wenn nicht ihre Unterneh-
mungen sich vor allen anderen ausgezeichnet hätten. Man erzählt,
von den in Attika eingedrungenen Amazonen sei keine heimgekehrt,
und die in ihrem Vaterlande zurückgebliebenen wären durch diese
Unfälle so geschwächt, dass sie aus demselben vertrieben worden109).
Um diese Zeit waren diese Sagen in Bezug auf Attika und
die anderen Gegenden von Hellas ausgebildet, man zeigte alte Grä-
ber, Hügel, zu ihrer Bestätigung. Aufs genaueste glaubte man alles
nachweisen zu können, wie Clidemus oder Clitodemus110). Ihnen
und Anderen folgend erzählt Plutarch1 £ *): der Kampf sei nicht un-
bedeutend gewesen, und die Stellung der Amazonen zeige, dass sie
Herren der Gegend waren ; dass sie fast in der Stadt lagerten er-
gebe sich, meint er, aus den Namen der Plätze und den Gräbern
der Gefallenen112). Lange habe man auf beiden Seiten anzugrei-
fen gezaudert, endlich habe Theseus, nach einem Orakelspruche,
dem Phöbus geopfert und den Angriff unternommen, im Monat Boe-
dromion, wesshalb die Athener auch zu seiner Zeit noch gewisse
Opfer brächten. Clitodemus berichtete, der linke Flügel der Ama-
zonen sei nach dem Amazoneion gerichtet gewesen, der rechte nach
der Pnyx. Die Athener kämpften gegen diesen vom Musäum
her, und man zeigte die Gräber der Gefallenen an der Strasse, die
zu dem Peiräischen Thore führt, am Heroon des Chalkedon hin.
Dort wären die Athener bis zum Tempel der Eumeniden zurück-
gedrängt. Auf dem rechten Flügel siegten sie, tödteten viele der
Frauen und warfen sie bis zum Lauer zurück. Im vierten Monat
kam ein Vertrag zu Stande, durch die Hippolyte. Einige erzählten,
sie habe mit dem Theseus gegen die Amazonen gekämpft und sei
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 3
18
von der Molpadie getödtet. Ihr Grabmal sei bei dein Tempel der
Olympischen Gä i J 3). Manche sagten, dass die verwundeten Ama-
zonen heimlich von der Antiope nach Chalkis geschafft worden, dass
man dort Sorge für sie getragen, und dass einige bei dem Ama-
zoneion bestattet worden. Um zu beweisen, dass der Krieg durch
einen Vertrag beendigt ward, berief man sich auf den Namen des
Platzes beim Tempel des Theseus, der Horkomosion hiess, und auf
die Sitte den Amazonen vor dem Theseus zu opfern.
Auch die Megarer zeigten bei sich ein Grab einer Amazone,
am Bache Runs, wenn man vom Markte kömmt. Es war wie ein
Rhombus gestaltet. In der Gegend hatte man auch das Grab der
Hippolyte 114). Von ihr erzählten die Megarer folgendes: als die
Amazonen wegen der Entführung der Antiope nach Attika zogen,
fanden viele derselben in der Schlacht, welche Theseus gegen sie
gewann, ihren Tod; wenige, unter Anführung der Hippolyte, der
Schwester der Antiope, flüchteten nach Megara, wo die Führerin,
aus Kummer über den Verlust und an der Heimkehr verzweifelnd,
starb. Man begrub sie dort und ihr Grab hat die Gestalt eines
Amazonenschildes.
Bei Chäronea fanden ebenfalls einige der Kriegerinnen ihren
Tod, und wurden an dem Bach begraben, der, wie manche annah-
men, Thermodon hiess, später Hainion * * 5). Eine Gegend in Böo-
tien hatte von den Amazonen den Namen * * 6). In Thessalien
zeigte man auch Gräber der Amazonen bei Skotusase und Kynos-
kephalae ' J 7).
Im Peloponnes wies man, in der Gegend von Trözene, einen
Tempel des Ares i 1 8) „weil Theseus auch dort die Amazonen be-
siegt habe." Selbst in Lakonien, in der Umgegend von Pyrrhichus,
sollten die Tempel der Artemis Astrateia und des Apollo Amazo-
19
nius an der Stelle stellen, wo die Amazonen ihren Kriegszug en-
deten119). Beide hatten Bildsäulen und man sagte, die Frauen
vom Thermodon hätten sie geweiht120).
Das bisher Mi tgeth eilte zeigt, wie mannigfaltig man den My-
thus von den Amazonen gestaltete ; auch Spätere verfuhren auf glei-
che Art und gaben Muthmassungen statt Geschichte. Ephorus, des-
sen Vaterstadt vorzüglich die Amazonische hiess, 121), meinte 122),
die Amazonen wären von den Männern übermüthig behandelt wor-
den ; als diese einmal zum Kriege auszogen, tödteten die Frauen die
zurückgebliebenen und nahmen die aus der Fremde heimkehren-
den nicht wieder auf 123). Ihren Wohnplatz sucht er zwischen
Jonien, Mysien und Lydien124). Er scheint vorzüglich die An-
sicht aufgestellt zu haben, dass viele der Städte an der Westküste
von Kleinasieu von den Amazonen gegründet worden 125). Später
zogen diese, wie er sagt 126), zu den Sauromaten, die den Na-
men Tvvcuxox$>citovuzvoi erhielten, wie jene JZcevQo/uciTideg genannt
wurden.
Wie lebendig sich das Andenken an die Amazonen, ihre Ta-
pferkeit und Grossthaten erhalten hatte, beweist der Versuch vieler
Geschichtschreiber Alexanders, ihren Helden dadurch zu verherrli-
chen, dass sie erzählten127), die Königin dieser Frauen sei im
fernen Asien zu ihm gekommen, ihn zu begrüssen und mit ihm der
Liebe zu pflegen 12S). Den Alexandrinischen Dichtern, die gern
ihre Gelehrsamkeit zeigten, boten die Erzählungen von diesen all-
berühmten Kriegerinnen einen erwünschten Stoff, den sie auf man-
nigfaltige Weise benützten. Apollonins der Rhodier besang die Ar-
gonautenfahrt. Er Hess, wie Pherekydes und andere, die leiden-
schaftlichen, kampflustigen Jungfrauen129) in der Gegend von The-
miskyre, am Thermodon, im doiantischen Gefilde 130) drei Städte be-
wohnen l31). Oestlicher ist die Insel Aretias 132), wo die Köni-
3*
20
ginnen der Amazonen, Otrere und Antiope, einst auf einem Feld-
zuge 133), einen steinernen Tempel erbauten, wo sie Pferde opfer-
ten ,34). Zur Zeit der Argonaulen hielten sich Vögel dort auf, die
Federn aus ihren Flügeln als Geschosse entsendeten 135). Der
Dichter hat die Sage aufgenommen 136), dass Herkules bei seinem
Zuge nach dieser Gegend die Melanippe überraschte, und von der
Schwester derselben, der Hippolyte, den Gürtel als Lösegeld
erhielt.
Kallimachus lässt137) die Amazonen in der Ufergegend von
Ephesus das Bild 138) der Artemis aufstellen, wo nachher der vor
allen ausgezeichnete Tempel gebaut ward139). Lykophron erinnert
an die Unternehmungen des Theseus und Herkules140), und seiner
Ansicht zufolge fallen die Amazonen, von Norden her, über den
Ister gehend, in Hellas ein und verheeren Attika. Er hat auch die
Sage, dass Amazonen nach Italien gekommen unter Klate, einer
Dienerin der Penthesilea 141) und eine Stadt in der Gegend von
Croton bauten, die später von den Bewohnern der letzten zerstört
ward M2).
Skymnus der Chier erwähnt Amazonen als ehemalige Bewoh-
ner der Umgegend von Sinope143), ohne ihre weiteren Schicksale
anzugeben. Da man aber, als man in diesen Gegenden tiefer ge-
gen Norden -vordrang, besonders zu den Zeiten der Römer, die-
selbe Erscheinung, die Anlass zu der ganzen Sage gegeben, wie-
derfand, dass bewaffnete Weiber, zu Pferd und zu Fuss, an dem
Kampfe Theil nahmen, erhielt sieh die alte Sage und wir finden
die Amazonen häufig erwähnt.
Ueber die Unternehmungen des Pompejus im Mithridatischen
Kriege schrieb sein Freund Theophanes von Mitylene 144), der
selbst mit an dem Feldzuge Theil nahm. Er berichtete 146) zwi-
21
sehen den Albanern und Amazonen lebten die Gelan und Segae,
Scythiscbe Völkerschaften und zwischen diesen und den Amazonen
ströme der Fluss Mermadalis. Metrodorus der Skepsier und Hypsi-
krutes **7), die ebenfalls der Gegend kundig waren 148), behaup-
teten, dass sie den Gargariern benachbart in den nördlichen Ab-
hängen jener Kaukasischen Berge wohnen, welche Keraunien heissen.
Die erwähnten Schriftsteller geben folgende Schilderung : die
meiste Zeit des Jahres verrichten die Amazonen alles für sich al-
lein, sie säen und pflanzen, sie besorgen die Heerden, besonders
die Pferde. Die rüstigsten veranstalten oft Treibjagden zu Ross
uud üben sich in Kriegsgeschäften. Allen wird schon als Kindern
die rechte Brust ausgebrannt, damit sie ungehindert zu jedem Ge-
schäft den Arm gebrauchen könuen, vor allem aber zum Wurfspiess-
werfen; sie bedienen sich aber auch des Bogens, der Streitaxt und
des Schildes, uud machen sich aus Thierfellen Helme, Deckmäntel
und Leibgürtel. Zwei bestimmte Monate aber haben sie im Früh-
ling I49), in welchen sie den die Gargarier und sie scheidenden
Berg besteigen; auch jene kommen, bringen mit ihnen Opfer und
pflegen der Liebe ohne Wahl, wie Manu und Weib sich treffen.
Wenn die Amazonen niederkommen, behalten sie die Mädchen, die
Knaben bringen sie den Gargariern.
Man sagt, dass die Gargarier zugleich mit den Amazonen aus
Themiskyra nach dieser Gegend zogen, dann von ihnen abfielen
und in Krieg mit ihnen gerietheil : später schlössen sie Frieden un-
ter den vorerwähnten Bedingungen.
Einige Geschichtschreiber erzählen150), in einer Schlacht zwi-
schen den Römern und Albanern hätten die Amazonen mitgefochten.
Als nach dem Kampf die Römer die Barbaren plünderten, hätte man
Schilde und Schuhe der Amazonen gefunden, aber keinen weibli-
22
eben Leichnam. Andere berichteten151), in jener Schlacht habe
man viele Weiber zu Gefangenen gemacht, die eben so grosse Wun-
den «als die Männer gehabt hätten. „Es schienen Amazonen zu
sein, erklärt der Historiker, mögen nun diese Nachbarn der Alba-
ner sein, oder vielleicht Hernien die Barbaren daselbst kriegerische
Weiber Amazonen."
Solche Begebenheiten mochten in Rom oft besprochen werden
und das Andenken an die Amazonen erneuern, so dass sie häufig
erwähnt werden 152). Cäsar berief sieb im Senat darauf153), dass
die Semiramis und die Amazonen einen grossen Theil Asiens be-
wältigt hätten 154).
Man sprach von ihren Zügen gegen Athen und Cilikien 155),
auch wie Lyder als Heiter glücklich gegen sie gekämpft hätten.
Man wollte Nachrichten haben von ihren Zügen zum Euphrat, nach
Ninus und Babylon, unter Eurypyle 1 56). Trogus Pompejus han-
delte ausführlich über die Amazonen. Er stellte die Ansicht auf 157):
Ylinos und Scolopetos, zwei Königssöhne der Scythen, von der
Heimat durch die Vornehmen vertrieben, nahmen junge Leute mit,
Hessen sich an der Küste Cappadociens, am Fluss Thermodon nie-
der und eroberten die anstossenden Gefilde von Themiskyre. Viele
Jahre beraubten sie die umliegenden Völker, und fielen dann durch
einen Hinterhalt. Die Weiber ergriffen darauf die Waffen und ver-
teidigten ihre Grenzen. Sie ermordeten die zurückgebliebenen
Männer und lebten mit den benachbarten in vertraulichem Umgänge.
Die von ihnen geborenen Knaben tödteten sie sogleich, die Mädchen
übten sie in den Waffen, im Reiten und in der Jagd. Damit der
rechte Arm freier zu gebrauchen sei, brannten sie ihnen die rechte
Brust; daher hiessen sie Amazonen. Sie. eroberten, als Marpesia
und Lampedo über sie herrschten, einen grossen Theil Europas und
manche Distrikte Asiens, wo sLe Ephesus und viele andere Städte
bauten.
23
Marpesia, die, das Stammland, zu vertheidigen, am Theimodon
zurückgeblieben war, fiel im Kampf gegen die Umwohnenden. Ihr
folgte die Schwester Orithya, die durch ihre stete Jungfräulichkeit
und Tapferkeit sich auszeichnete. Herkules erhielt daher vom Eu-
rystheus den Auftrag, die Waffen der Königin zu erbeuten. Er
sammelte die ausgezeichnetste Jugend Griechenlands und fuhr auf
neun Schiffen ab, um die nichts vermuthenden Amazonen anzugreifen.
An der Spitze derselben standen damals die Schwestern Antiope
und Orithya. Jene, plötzlich überfallen, konnte, da Orithya mit dem
Heere ausser Landes war, nur unbedeutenden Widerstand leisten.
Viele Amazonen fanden ihren Tod oder geriethen in Gefangenschaft,
unter diesen die Schwestern der Antiope, Melanippe und Hippolyte,
deren letztere dem Theseus als Belohnung zufiel, der sie heirathete.
Herkules gab die Melanippe der Antiope zurück, und erhielt dafür
ihre Waffen. Orithya, als sie hörte, der Herrscher von Athen habe
diesen Zug veranlasst, entflammte ihre Untergebenen zum Krieg und
erhielt Unterstützung vom Scythenkönige Sarpillus, eine Reiterschaar,
die sein Sohn Panasagoras führte.
In Attika entzweite sie sich mit diesen, ward von den Athe-
nern geschlagen, fand aber Schutz im Lager der Scythen und kehrte
dann, durch diese gedeckt, in ihre Heimat zurück. Der Orithya
folgte Penthesilea, die im Trojanischen Kriege sich durch Tapfer-
keit auszeichnete, im Kampf aber fiel. Die geringe Anzahl, welche
am Theimodon zurückgeblieben, hielt sich mit Mühe bis auf Ale-
xander. Thalestris suchte diesen auf, kehrte in ihr Reich zurück
und fand bald mit den übrigen ihren Tod.
Auch Diodor von Sicilien behandelt diese Sagen als wahre
Geschichte158), in manchen Umständen vom Trogus abweichend.
Seiner Ansicht nach waren die Amazonen ein Scythisches, von
Weibern beherrschtes Volk am Theimodon, wo die Frauen sich wie
21
die Mänlier im Krieg auszeichneten. Eine Königin bekämpfte glück-
lich die umwohnenden Völker, unterwarf sie und nannte sich Toch-
ter des Ares. Sie Hess die Männer Wolle bereiten und die häus-
lichen Geschäfte besorgen; den Knaben verdrehte sie Schenkel und
Arme, damit sie zum Kriege unbrauchbar wären, den Mädchen
brannte sie die rechte Brust, damit sie nicht im Kampfe gehindert
würden. Von dieser Sitte heissen sie Amazonen.
Sie baute eine grosse Stadt, Theniiskyre, an den Mündungen
des Thermodon und schmückte sie durch eine berühmte königliche
"Wohnung159). Prächtige Opfer bestimmte sie für Ares und Arte-
mis Tauropolos. Dann bezwang sie das ganze Land vom Tanais
bis Thrakien, nachher unterwarf sie einen grossen Theil Asiens
bis Syrien.
Es folgten dann mehrere Königinnen, das Volk nahm an Grösse
und Ruhm zu. Herkules bekriegte die Amazonen; zur Zeit des
Trojanischen Krieges zog Penthesilea dem Priamos zu Hilfe. Sie
soll die letzte Amazone gewesen sein, die durch Tapferkeit sich
auszeichnete. Das Volk ward dann immer schwächer und sank;
daher, sagt Diodor, halten auch viele in neueren Zeiten, wenn von
der Tapferkeit desselben die Rede ist, diese alten Nachrichten für
erdichtet.
In dieser Sagenreihe fehlt ganz der Theseus, und das Volk
verschwindet allmählig.
*o"
Nach einem anderen Mythus erzählt Diodor 160): die Amazo-
nen hassten die Athener, weil Theseus die Königin Antiope, nach
anderen Hippolyte, als Sclavin fortgeführt hatte. Sie verbanden
sich mit den Scythen, setzten über den Cimmerischen Bosporus, ei-
len durch Thrakien und schlagen endlich in Attika, an der Stelle,
25
die man Amazoneion nennt, ihr Lager auf. Theseus zieht ihnen
entgegen, besiegt sie, und die dem Kampfe entronnenen entsagen
dem Vaterlande, gehen nach Scythieii und wohnen daselbst mit den
Scythen.
Wie man die einzelnen Begebenheiten ausführlich schildert, zeigt
ebenfalls Diodor, indem er von den Thaten des Herkules, offenbar
nach einem Gedichte, handelt. Dieser bekam den Auftrag 161J, den
Gürtel der Hippolyte zu holen. Er schiffte hin und schlug sein La-
ger bei der Stadt Themiskyre auf. Er verlangte die Auslieferung
des Gürtels, als diese verweigert ward, kam es zur Schlacht. Die
tapfersten Amazonen stellten sich dem Herkules gegenüber. Aella,
von ihrer Schnelligkeit so genannt, fand doch, dass ihr Gegner
schneller war. Philippis erhielt gleich beim ersten Angriff eine tödt-
liche Wunde. So werden noch zehn Kriegerinnen charakterisirt,
alle erschlug Herkules, auch die Führeriu des ganzen Heeres, die
Melanippe, verlor, wie es heisst, den Befehl. Die meisten von
dem ganzen Volke fanden ihren Tod auf der Flucht, so dass es
vernichtet ward. Herkules schenkte von den Gefangenen die An-
tiope dem Theseus, und eiitliess die Melanippe für den Gürtel I62).
Nicolaus Damascemis 162a) meint, die Frauen der Scythen sind
nicht weniger tapfer als die Mänuer und ziehen mit ihnen in die
Schlacht, wenn es sein muss. Desshalb waren auch die Amazonen
so sehr tapfer, die einst bis Kilikien und Athen vordrangen, als
sie noch an dem Maeotis wohnten. Er sprach auch von ihrem Zug
gegen Athen *6 2b^
Das zu seiner Zeit wieder lebendig gewordene Interesse für
die kriegerischen Weiber veranlasste den Strabo zu folgenden Be-
trachtungen 163): „etwas Eigentümliches zeichnet die Sage von den
Amazonen aus. Alle anderen Sagen enthalten Fabelhaftes und Ge-
Abhandlungen der I. Cl. d. k. b. Akad. d. W. V. Bd. I. Abthl. (A.) 4
26
schichtliches gesondert; denn das Alte und Lügenhafte und Wun-
dervolle heisst Fabel, die Geschichte aber will das Wahre, sei es
alt, sei es neu, und will das Wundervolle entweder gar nicht, oder
.sehen.
Von den Amazonen hingegen wird, sowohl jetzt, als vormals
immer dasselbe erzählt, lauter Wundervolles und Unglaubliches.
Denn wer wird glauben, dass jemals ein Heer, oder Staat, oder
Volk aus Weibern ohne Männer bestand ? und nicht nur bestand,
sondern auch Einfälle machte in fremdes Gebiet, und nicht nur die
Nachbarn bezwang, so dass es sogar bis zum jetzigen Jonia vor-
drang, sondern sogar über Meere eine Heerschaar absandte bis At-
tika '? Fürwahr, das ist eben so, als ob jemand sagte, die dama-
ligen Männer seien Weiber, die Weiber Männer gewesen. Und
doch wird alles dieses noch jetzt von ihnen erzählt."
„Was aber jene Eigenthümlichkeit noch vermehrt, ist, dass das
Alte mehr geglaubt wird, als das Neue. Denn man behauptet, die
Erbauung und Benennung mehrerer Städte , wie Ephesus, Smyrna
u. s. w. durch Amazonen ; man erwähnt Grabhügel und andere Denk-
mäler; Themiskyra endlich, und die Ebenen am Thermodon und die
überliegendeu Berge nennen alle der Amazonen Gebiet und sagen,
dass sie daraus vertrieben worden. Wo sie aber jetzt sind, dar-
über geben uns Wenige unerwiesene und unglaubhafte Nachrichten."
Er zeigt dann, wie unhaltbar die Sage von der Thalestris sei, und
dass die Erfinder derselben mehr der Schmeichelei als der Wahr-
heit huldigten.
Am glaubwürdigsten für seine Zeit scheinen ihm die Nachrich-
ten, die man durch die Begleiter des Pompejus erhalte, von denen
schon mehrere mitgetheilt sind 164).
27
Mela erwähnt den ehemaligen Aufenthalt der Amazonen am
Thermodon 165); für seine Zeit aber sucht er sie viel weiter nörd-
lich. Nach seiner Ansicht zieht ein grosses Gebirge vom Kauka-
sus gegen Mitternacht zu den Rhipäen, die am Nordrande der Erde
sind, es dacht sich ab zum Maeotis und zum Tanais, östlich zum
kaspischen Meere und zum Canal desselben. Auf einem Theil die-
ses Gebirges, der von ihnen den Namen erhielt, lebten die Ama-
zonen, nach dem kaspischen Meere hin. In diesen nördlichen Ge-
genden wohnten sie auch nach Späteren, bald dem Tanais, bald
dem kaspischen Meere näher, und man wies ihnen ein kleineres
oder grösseres Gebiet an 166). Ptolemäus 167) setzt sie in's Asia-
tische Sarmatien, zwischen den Fluss Rha und den Hippischen Ber-
gen. Nach Ammianus wohneu sie am Tanais, dem er aber einen
eigenthümlichen Lauf gibt16S)
Wir haben bis jetzt vorzüglich die Sagen beachtet, welche die
Amazonen mit dem Herkules und Theseus in Verbindung setzen ;
wir finden sie aber ebenfalls in den Mythos vom Dionysos verfloch-
ten, der auch als Heros durch kriegerische Unternehmungen und
Verbreitung von Cultur der Unsterblichkeit wTerth erscheinen sollte.
Er wird als Eroberer geschildert, wie er gegen Osten vordrang,
und manche erklärten ihn für älter als Herkules. Er gerieth in
Kampf mit den Amazonen, und mehrere von diesen, vor ihm flie-
hend, suchten Schutz beim Altar der Artemis in Ephesus, der ihnen
auch zu Theil ward169). Die Sage sollte darthun, dass der Tem-
pel älter sei, als die annahmen, welche ihn von den Amazonen auf
ihrem Zuge gegen Athen gründen Hessen. Pausanias 170), bemerkt,
als ob er es mit geschichtlichen Nachrichten zu thun hätte : „Pin-
dar, der diese letzte Ansicht hegt, scheine ihm nicht alles gehört
zu haben, w7as die Artemis angehe, denn die kriegerischen Frauen
hätten dort auf diesem Zuge geopfert, da sie den Tempel schon
kannten, als sie auf der Flucht vor dem Herkules dahin kamen,
4*
28
und noch früher als Flehende gegen Dionysos Schutz suchten, Kre-
sös und Ephesos wären die Erbauer, jener ein Autochlhon. Lele-
ger, die zu den Karen gehörten, und Lyder besassen in früher
Zeit diese Gegend, und als Hilfesuchende wohnten andere, auch
Frauen der Amazonen, um den Tempel171).
Die Sage erzählte auch, dass flüchtige Amazonen nach Ephe-
sus gekommen wären, von dort sich aber nach Samos begeben hät-
ten. Dionysos habe Schiffe gebaut, sei ihnen gefolgt, und im Kampfe
wäre der grösste Theil der Frauen erschlagen, und der Platz wäre,
von der Fülle des strömenden Blutes, nävaifxa genannt172). An-
dere fielen bei Phloeum und dort zeigte man ihre Knochen 173). Ei-
nige erzählten, durch ihr heftiges und lautes Geschrei sei die Stelle
geborsten.
Ein anderer Mythus zeigt uns die Amazonen im Heere des
Dionysos. Als er Indien besiegt habe, heisst es, nahm er luder
und Amazonen 1 7 4) und zog gegen Baktrien, das er auch bewältigte1 7 5).
Noch eine ganz verschiedene Ausbildung der Sage von den
Amazonen finden wir dann hei einigen Schriftstellern erwähnt. Dio-
nysius 176) gab an, sie hätten in Libyen gewohnt. Durch Stärke
ausgezeichnet bewältigten sie die benachbarten Völker und kamen
selbst nach Europa, wo sie viele Städte gründeten. Sie unterwar-
fen sich auch das Atlantische Volk, das mächtigste in Libyen. Ze-
notheinis 177) erzählte, sie hätten in Aethiopien gelebt, wären in
das gegenüberliegende Land gegangen und dort pflogen sie der Liebe
mit den Männern. Gebaren sie Mädchen, so erzogen sie diesel-
ben, die Knaben gaben sie den Männern.
Vielleicht diese Quellen benutzend erzählt Diodor von Sicilien
Ausführliches178). In Libyen, in den westlichen Gegenden, am
29
Ende der bewohnten Erde, soll ein von Weibern beherrschtes Volk
gewesen sein, das anders lebt, als bei uns gewöhnlich ist. Die
Jungfrauen ziehen in den Krieg, nach gewissen Jahren haben sie
Umgang mit den Männern, die alle Hausgeschäfte und was ihnen
die Frauen auftragen betreiben, indess diese die Regierung und das
ganze Gemeinwesen besorgen. Sobald ein Kind geboren ist, müs-
sen es die Männer mit Milch und nährenden Sachen auffüttern, den
Mädchen werden die Brüste gebrannt, damit diese nicht wachsen
und ihnen hinderlich sind; davon haben sie den Namen Amazonen.
Sie sollen eine Insel bewohnt haben, die, weil sie gegen Abend
lag, Hespere genannt ward, im See Tritonis 179), der nicht weit
vom Oceanus war, und von einem hineinfallenden Fluss Triton je-
nen Namen erhielt. Der See ist nahe bei Aethiopien und dem Berge
Atlas, der nicht fern vom Oceanus ist, der höchste jener Gegend
und in den Oceanus vorspringend.
Die Insel soll gross sein und mit Fruchtbäumen besetzt, wovon
die Bewohner leben, sie haben auch eine Menge Vieh, Ziegen und
Schaafe, deren Milch und Fleisch sie essen. Getreide kannte man
damals nicht.
Die Amazonen, kräftig und kriegslustig, unterwarfen sich zu-
erst die Städte der Insel, nur Maua nicht, die für heilig gilt und
von Aethiopen, den Ichthyophagen, bewohnt wird; es soll dort viel
Feuer auflodern und eine Menge kostbare Steine geben, die von
den Hellenen Anthraces, Sarder und Smaragden genannt werden.
Nach Eroberung der anderen Städte bezwangen sie viele der be-
nachbarten Libyer und Nomaden und bauten eine grosse Stadt
am See Triton, die sie nach der Gestalt Chersonesus nannten.
Dann bekriegten sie viele Völker, so zuerst die Atlanten, die
sanftesten Leute jener Gegenden, die ein fruchtbares Land und
30
grosse Städte besassen. Bei ihnen sind, der Sage nacli, zuerst die
Götter entstanden. Myrina, die Königin der Amazonen, habe ein
Heer von 30000 Frauen zu Fuss und 2000 Reitern. Zu Schutz-
waffen dienten ihnen Häute von grossen Schlangen, zum Angriff
hatten sie Schwerter, Lanzen und Bogen, mit denen sie auch auf
der Flucht rückwärts schiessen. Von den Atlantiden schlugen sie
die, welche Cerne besassen, und um die Benachbarten zu schrecken,
behandelten sie die Gefangenen grausam, mordeten die Männer und
führten Frauen und Kinder als Sklaven fort. Die Stadt Cerne zer-
störten sie. Die anderen Atlanten ergaben sich, wurden freundlich
aufgenommen, und die Myrina baute, statt der zerstörten Stadt, eine
neue, der sie ihren Namen gab, und dahin die Gefangenen versetzte,
so wie auch andere dort sich niederlassen durften. Dann wurden
die Gorgonen , die Feinde der Atlanten , bekriegt , und das Heer,
welches den Amazonen entgegentrat, ward gänzlich aufgerieben.
Die von den Amazonen, welche gefallen waren, wurden auf drei
Scheiterhaufen verbrannt, man warf ihnen grosse Grabhügel auf,
die noch jetzt Gräber der Amazonen heissen. Die Gorgonen erhol-
ten sich jedoch und wurden wieder ein zahlreiches Volk. Dies be-
kriegte nachher Perseus, als Medusa ihre Herrscherin war, zuletzt
wurde es vom Herkules gänzlich vernichtet, sowie die Amazonen,
als dieser nach Westen zog und die Säule in Libyen aufrichtete.
Es schien ihm nämlich unrecht, da er aller Menschen Wohlthäter
sein wollte, Völker bestehen zu lassen, die von Frauen beherrscht
würden.
Myrina durchzog den grössten Theil Libyens, griff Aegypteu
an und befreundete sich mit dem Horus, der dort herrschte. Von
den Arabern fanden viele ihren Tod im Kampfe, Syrien ward dann
bezwungen, und als die Cilicier mit Geschenken ihr entgegenkamen,
Hess sie diese frei, und sie heissen daher noch jetzt Eleutherocili-
ces. Dann bezwang sie die Völker am Taurus, gieng durch Gross-
31
phrygien ans Meer, und Hess den Laikos das Ziel ihres Zuges
sein. In dem eroberten Lande baute sie mehrere Städte: einer gab
sie ihren Namen, die anderen benannte sie nach ihren Begleiterinnen,
die das Herr führten : Cyme, Pitane, Priene. Auch im Binnenlande
gründete sie mehrere Städte. Ebenfalls eroberte sie Inseln, unter
andern Lesbos, wo sie eine Stadt anlegte und Mitylene nach ihrer
Schwester nannte. Auf der Fahrt nach anderen überfiel sie ein
Sturm, sie that der Göttermutter Gelübde, und als sie ein ödes Ei-
land erreichte , widmete sie es derselben und brachte feierliche
Opfer. Sie nannte es Samothrake, was heilige Insel bedeutet. An-
dere erzählen, die Insel habe Samos geheissen und da Thraker sich
dort niederliessen, sei sie Samothrake genannt. Nachher gieng My-
rina auf das Festland zurück.1 79a)
Sie ward später von dem Thraker Mopsus, den der König
Lyknrgus vertrieben hatte, und von dem Scythen Sipylus, der aus
dem an Thrakien grenzenden Scythien verjagt war, angegriffen, und
sie selbst sowie ein grosser Theil der Amazonen fiel in der Schlacht.
Da auch in den folgenden Kämpfen die Thraker immer siegten,
kehrten endlich die übrig gebliebenen Amazonen nach Libyen zu-
rück, und das ganze Volk vernichtete zuletzt, wie schon bemerkt
ward, Herkules.180)
lieber die Kleidung und die Waffen der bis jetzt geschilderten
Amazonen finden sich manche Angaben bei Griechen und Römern.
Einiges ist schon vorher gelegentlich angeführt, und vergleichen wir
die uns erhaltenen Statuen 3 Basreliefs und Vasenbilder , \ 8 ° a) so
sieht man, dass die Künstler sich grosse Freiheit gestatteten. Nach
Herodot sind sie Reiter181) und führen Bogen182) und Wurf-
spiesse.183) Xenophon spricht von einer ihnen eigenthümlichen Art
von Axt.184) Polygnotus malte in Delphi die Penthesilea185) als
Jungfrau, mit einem Scythischen Bogen, über die Schultern hatte sie
32
ein Pardelfell geworfen. Strabo schildert sie ebenfalls als Reiter,
und gibt ihnen Wurfspiesse, Bogen, Axt und einen Schild.1 86) Aus
Thierfellen machen sie sich eine Art Helme,187) Wams und Bein-
kleider.188) Virgil entwirft ein lebendiges Gemälde der rüstigen
Kriegerinnen :
Vorn an dem Schwärm Amazonen mit mondlicher Tartsche
gebietet
Penthesilea voll Muth, und umringt von Tausenden flammt sie,
Unter geöffneter Brust umschnallt mit goldenem Gürtel,
Kriegrisches Muths, und Männern sogar naht kämpfend die
Jungfrau.
Ganz nach Art der Amazonen schildert er die Camilla:
Mitten dem Morde hindurch frohlockst du, geköcherte Heldin,
Eine Brust entkleidet dem Kampf, Amazone Camilla.
Jezo dicht mit der Hand die geschmeidigen Schafte verstreut
sie;
Jezo rafft unermüdet ihr Arm die gewaltige Streitaxt.
Golden ertönt an der Schulter Geschoss und Rüstung Dianas.
Jene sogar, wenn einmal rückwärts die vertriebene weichet,
Pflegt mit gewendetem Bogen die fliehenden Pfeile zu senden,
Aber umher das erlesne Geleit, Laiina die Jungfrau,
Tulla zugleich und schwingend die eherne Barte Tarpeja:
Italerfrauen, die selber zum Schmuck sich die hehre Camilla
Auserkohr , gleich fertig , im Streit und im Frieden zu
schalten.
So wie am Strom Thermodon der thrakischen Mäuninnen
Heerschaar
Trabt, und zum Krieg ausziehn in farbiger Wehr Amazonen;
Sei's um Hippolyte, sei's, wenn die martische Penthesilea
33
Heimwärts fährt mit Gespann und umher iii jubelndem Auf-
ruhr
Weibliches Schaarengewühl frohlockt mit mondlichen Tau-
schen.189)
Die bisher mitgetheilten Ansichten von den Amazonen erhielten
sich auch später, wenn gleich auf mancherlei Weise modificirt. Der
Glaube, dass es ein solches wunderbares Volk gebe, blieb, und bis
auf die neueste Zeit glaubte man es bald in diesem, bald in jenem
Lande gefunden zu haben. Uebersehen wir kurz die uns erhaltenen
Ansichten.
Philostratus lässt190) die Amazonen auf der ungastlichen Seite
des Pontus wohnen, wo die Taurischen Gebirge sind, wo der Ther-
modon und Phasis, von Bergen herströmend, das Land umschliessen.
Seiner Ansicht nach191) kommen der Thermodon, wie der Ister
und Phasis , von den Scythen her. Er erzählt ein Unternehmen
dieser kriegerischen Frauen, das, nach seiner Angabe,192) der hi-
storischen Zeit angehört. In der Olympiade, in welcher Leonidas
der Rhodier siegte, (165 vor Chr.) griffen sie die vor dem Ister
liegende Insel Leuke an. Der Heros Achilles, dem sie geheiligt
war, machte ihre Pferde wild, so dass diese die Amazonen zerris-
sen, sich selbst aber von einem Vorgebirge in's Meer stürzten. Ein
Sturm zertrümmerte dann die Schiffe, auf welchen sie gekommen
waren. Mehrere der Kirchenväter sprechen von ihnen als von ei-
nem wirklichen Volke.193) Solinus194) nahm des Planus Ansich-
ten auf.
Unter Aurelianus wurden Gothische Frauen , die man in der
Schlacht gefangen hatte, im Triumph aufgeführt, und man erklärte
sie für Amazonen.195) Vom Ammianus ist schon angegeben,196)
dass er Amazonen östlich vom Tanais wohnen Hess, als ihre Nach-
Abhandlungen der I. Cl. d. h. Akad. d. Wiss.V. Bd. I. Abthl. (A) 5
31
barn nennt er die Alanen.197) Ueber ihre früheren Schicksale be-
merkt er, sie Maren aus nördlichen Gegenden an den Tliennodon
gezogen, das ganze Heer, das gegen Athen aufbrach, ward vernich-
tet, die zurückgebliebenen suchten später die alte Heimath auf. In
jenen nördlichen Gegenden wohnen sie auch nach Claudianus, der
von ihrem Kampf mit den Gothen, die er Geten nennt, handelt.198)
Die Nachrichten, welche Justinas über die Amazonen aufge-
nommen hatte, wurden nachher von vielen benuzt, so von Orosius,
der auch im Mittelalter viel gelesen ward, wie von den Dichtern,
Virgil, 199) und dadurch erhielt sich das Andenken an diese Krie-
gerinnen lebendig.
Um's Jahr 500 nach Chr. finden wir mehrere griechische Dich-
ter, die zum Gegenstand ihres Gesanges die Begebenheiten des Tro-
janischen Krieges wählten und den Homer fortsezten. Sie benuz-
teu die von den Kyklikern und Logographen überlieferten Sagen
und behandelten ausführlich die Schicksale der Penthesilea, und ihres
Gefolges.200) Prokopius201) spricht von den Amazonen im Kau-
kasus, und wie sie später gegen Mitternacht von demselben wohn-
ten. An den nördlichen Ocean sezt sie der Anonymus Ravennas,202)
und im Norden sind sie auch nach Alfred.203) Adamus Bremen-
sis204) meint, dass sie an der Ostsee wohnen; von einem Trunk
Wasser empfangen sie Kinder, oder von vorbeireisenden Kaufleuten,
oder von Gefangenen, oder von Ungeheuern, deren es dort viele
gebe. Er spricht auch von den Rhipäen und meint, an denselben
gebe es seltsam gestaltete Menschen, Amazonen, Cynocephali und
andere. Nach Paulus Diakonus205) fand man Amazonen im Inneren
Germaniens.
Gehen wir weiter herab, so glaubte man bei vergrössertem Ver-
kehr in allen Welttheilen Amazonen gefunden zuhaben. Chardin206)
35
versichert, dass man von ihnen noch im Kaukasus spreche, andere
sezteu sie in's östliche Asien207) oder nach Tibet.208) Viele mein-
ten, sie wären in Afrika.209) Orellana erreichte 1542 den Ama-
zonenstrom und fand streitbare Weiber.210) Wilhelm Raleigh, der
1595 aus Guyana nach England zurückkehrte, erzählt in seiner Rei-
sebeschreibung2 * *) vom Eldorado, Leuten ohne Kopf und von Ama-
zonen daselbst , und Columbus glaubte ebenfalls welche gefunden
zu haben.212)
Bei den Orientalen, um diese nicht zu übergehen, kommt we-
nig vor über die Amazonen.
Sie erzählen:213) Alexander habe vierzig Weiber bei seinem
Heere gehabt, die immer vor demselben herzogen und die feindli-
chen Heere schlugen. Die Veranlassung, durch die sie zu Alexan-
der kamen, war folgende : Als Alexander auf seinem Zuge zu den
Inseln Chalidat2 j 4) kam, fand er dort zwei Inseln, deren eine von
Männern, die andere von Weibern bewohnt war. Die Männer ka-
men jährlich einmal zu den Weibern und schwängerten dieselben.
Waren die Kinder Mädchen, so wurden sie von den Weibern zu-
rückbehalten, die Knaben aber schickten sie den Männern. Ale-
xander zürnte, wollte sie aus der Insel vertreiben und bot ihnen
Schutz und Heil an. Sie aber unterwarfen sich ihm nicht, sondern
stritten wacker mit dem Heere Alexanders, das vor ihnen floh, in-
dessen er die Männer der anderen Insel bezwang. Da schrieb Ale-
xander dem Aristoteles: ich habe zwei Inseln gefunden und in einer
derselben nichts als Weiber, Sie haben mich überwältigt und mein
Kriegsheer geschlagen. Was heisst du mich mit ihnen thun? Ari-
stoteles schrieb zurück: „Thue diesen Weibern nichts zu Leide,
wenn du sie überwindest, so hast du wenig Ruhm davon, wenn sie
dich aber besiegen, der Schande viel. Das Beste ist, du machst mit
ihnen Frieden und kehrst zurück." Als der Brief des Aristoteles
5*
36
ankam, schickte Alexander den Weibern die Botschaft, er wolle
sich von ihnen entfernen, wenn vierzig derselben ihn begleiten und
wider seine Feinde streiten wollten. Da erschienen vierzig Wei-
ber, jede so gross, dass ein Pferd unter ihren Füssen durchlaufen
und sie in keinem Zelte wohnen konnten, und in allen Gefechten
flohen die Rosse vor ihnen. Fiel ein Feind in ihre Hände, so tha-
teu sie ihm weiter nichts, als dass sie ihm den Kopf oder die Fiisse
abschnitten. Alle feindlichen Heere flohen vor ihnen, und Alexan-
ders Ruf ward so mächtig, dass er bald die Welt eroberte."
37
Anmerkungen.
1) Ueber die Amazonen ist viel geschrieben. Die älteren Werke s. b.
Meusel. Bibl. bist. 1, 62. — C. Sagittarii, Antiq. Amazon. Jen. 1685. 4. —
P. Petitus de Amazonibus. Arast. 1687. 8. — D. Guil. Mollerus de Amaz.
Altenb. 1692. 8. — Wollenius de republica Amazonum. Upsal. 1721. 8. —
Guyon, bistoire des Amazones anciennes et modernes. Paris 1740. 8. — Fre-
ret, obss. sur l'histoire des Amazones in dem Mem. de l'Ac. des Inscr. T.
XXI, p. 106. — d'Anville in den Mem. de l'Ac. F. XXXV, p. 573. — de
Guignes das. p. 539. — Ingbirami Monum. Etruscbi, Bronzi. p. 241. — Creuzer
Symbolik. T. II. p. 116. etc. — Nagel, Fr., Geschichte der Amazonen. Stutt-
gard 1838. 8. — Le Amazzone rivendicate alla veritä della storia con un
quadro dell' origine, delle costumanze, della religione, delle imprese, del
decadimento et della totale dispersione avvalorito con documenti tratti dalle
tradizioni, dagli storici et dei monumenti di Francesco Predari. Milano
1838. 8.
2) Wie in so vielen Fällen, suchten die Griechen auch bei den Amazo-
nen sich durch Etymologie Aufschluss über ihre Eigenthümlichkeiten zu ver-
schaffen. Einige erklärten (Harpocrat. Etym. m. Suid. v. Idj.tal^iov. Diod. Sic.
II, 45. Schob Villois. II. III, 189. Eust. ad Dion. Per. 823. ad 11. III, 182,
p. 402), sie hiessen Amazonen, weil sie, um im Gebrauche der Waffen
nicht gehindert zu werden, die rechte Brust brannten, oder sie im Wachs-
thum hinderten, oder abschnitten, oder weil sie gar keine Brüste hätten, oder
nicht säugten. Andere erklärten (Eust. ad Od. 1, 1428) Id^iaCfav , fj
f.iovotua^og.
Manche waren der Ansicht, sie führten den Namen (Eust. ad II. III. 183,
p. 402), nccQcc zo rcoXXa f^irj %orjod-ou f.iä'Qaig, xqeaat de, xai tiov xai %eloj-
vaig, xai oavgaig xai ocpeaiv. Themistagoras (ev rjj y,qvarj ßißlco, Cramer
Anecd. gr. Vol. 1. p. 80) erklärte, die Frauen in Alope, das nachher Lybien
38
hiess (Steph". B. h. v. Etym. m. p. 70) bei Ephesus, hätten alle weiblichen
Arbeiten aufgegeben, hatten Gürtel und Waffen getragen und alle Geschäfte
der Männer besorgt, ja sie erndteten sogar, indem sie den Gürtel anlegten,
]}u(ov oitv avrcuQ Uoraig, o iaziv e&eqi^ov, dia zovzo xal ldf.ictt,6vag xsxXfj-
o&ai, zag avv Talg ttovaig a/.itoaag. — Einige meinten (Eust. ad Dion. Per.
824. Steph. B. x.^'EcpEGog, das Volk habe seinen Namen von der Tochter des
Ephesus oder Samorna, die Amazon hiess. Man nennt sie auch Sauromatides
(Steph. B. v. ^Aj-iauibv. Eust. ad Dion. Schob Apoll. Bhod. II, 49. Pherecyd.
fragm. ed. Sturz, p. 86. ), weil sie im Sauromatischen Scythien wohnten, oder
Sauroputides dia zb aavqag ndoao&at, o eozt yEvoaoO-ai, zoiovzcov yecQrja&iov
xQEtov. (Bemerkungen über 'uif-iatovidtg s. bei Eust. ad Dion. Per. 224. 652.
— Steph. Byz. gibt auch an: Xiyszat xal 'AfiaCwv dqoEVLXiZg, und man
mochte es so gebrauchen, wenn man es in der Bedeutung nahm, die das
Etym. m. anführt: 3 ' *df.iaL,6v£g, Xiyovzai ovzio xal ol nivi]zeg, ol /.id^av ovx
i'yovzeg.
3) II. III. 189: TJfiaTi, z(o ozs z rjXd-ov ' Af.ia"Q6vEg dvzlavEiqai.
4) Eustath. ad Od. p. 403. 635.
5) II. VI, 186.
6) zb zqizov au xazinEcpvEv Idf.ia'Qnvag avziavEiqag. Einige änderten auch
im Homer und lesen Amazonen statt Alazonen:
jivzaq '^iß^wwc 'Odlog xal 'ETilozqocpog rjqxov ,
*Elt>6vz e!; 'Alönrjg, oö-' 'Apa^ovldcov yivog eazl —
Heyne ad Homer. 11. II. 856. T. IV. p. 427. Polit. ad Eust. T. II. p. 684, not.
4. p. 790. not. 1.2. Hug Untersuch, über den Mythos etc. p. 315. — Strabo XII,
550, zeigt die Unhaltbarkeit dieser Lesart. — Aus einem Schriftsteller , der
sie angenommen, hat Steph. Byzant. (y.AXömq) die Bemerkung: zqlvrj Tlovzov,
d(p r\q Ilav&EolXsia. — Bei Späteren heisst es, dass die Amazonen nach Troja
gezogen wären; dieser Ansicht gemäss änderte man den Schluss der Uiade
(vid. Schob Vict. II. XXIV, v. ult.):
wg oi y a/.icplenov zdcpov "Exzoqog, ijlds ö' Afia'Qojv ,
Ziqtjog &vyäir]o, f.iEyaXiqzoqog, dvdqoyovoio.
7) Plut. de mulier. virt. v. Avx'iai. — Grotefend nimmt ohne hinreichen-
den Grund an (Allgem. geogr. Ephemer. XL VIII, 3- S. 264.), das Vorgebirge
Chimära trenne die Lykier von den fabelhaften Solymern und Amazonen, (11.
VI. 179.), es wurde in das Ungeheuer umgeschaffen, welches Bellerophon
erlegte.
39
8) H., 814: zrjv yvoi avdqsg Bazieiav y.ixXrjoxovoiv,
dtfdvazoi de zs orj/.ia tioXvokciq'^/hoio JMvqivrjg.
9) Strab. XII., 573. XIII, 623. Eust. ad II. IL p. 354. — Stephanus he-
merkt — v. Bazieia — zörcog zrjg Tqolag vxprjXng. xixXyrai and Bazelag
zivdg, wg'EXhdvixog iv ngiorrj TqcolxoJv. rj and zov rcätov ziöv Inniov, rjyovv
zrjg TQO(prjg, zqonfj zov n elg ß. rj and zwv ßäziov.
10) Schol. Lycophr. 243.
11) Vergl. Strab. XII, 573: evaxaQÜ-ftovg 'innovg Xeyea&at , did zd
rä%og, xäxelvrjv ovv noXvoxaod-riov did zd and zrjg ijvioyelag zäyog.
12) Strabo XII, 542 : Schol. Apoll. Rhod. II, 397. Schol. Villois. II.
III, 189.
13) Ctes. Pers. 3. Diod. Sic. II, 34, 44. Perizon. ad Aelian. var. hist.
XII. 34.
14) Demetr. de elocut. §. 213. ed. Goeller p. 44. Tzetz. Chil. XII, 894.
15) de aere etc. c. VI. §. 89. ed. Coray.
16) de legg. VII, 804.
17) ap. Stob. tit. V. de temperantia. Tit. 1. p. 165. ed. Gaisf. — fragm.
Nie. Dam. ed. Orelli p. 142.
18) Appian. B. Mithr. c. 103. Plut. Pompej. c. 34.
19) Spätere erzählen auch, dass bei den Mysern Frauen auf Streitwagen
in der Schlacht kämpften. Tzetz. Antehomer. 275- Chil. XII, 952. Philostrat.
Heroic, p. 691. —
Man suchte auch den Grund anzugeben , warum im Norden die Weiber
wie die Männer lebten, und meinte, die Luft mache in jenen Gegenden den
weiblichen Körper stärker als den der Männer. Steph. B. v. ^ia^w. ■ —
Ptolemäus,- de astrol. judic. üb. II. ed. Norimb. 1535. 4. p. 18. sucht aus der
Stellung der Gestirne darzuthun, warum in der Gegend von Phrygien, Bilhy-
nien und Colchis die Männer weibisch und leicht zu beherrschen sind, die
Weiber hingegen, wie die Amazonen, die Waffen lieben und die Mädchen
früh an kriegerische Uebungen gewöhnen. Beispiele von kriegerischen Wei-
bern jener Gegend in neuer Zeit s. b. Lamberti relation de Mingreli, im Re-
cueil de voy. au Nord. T. VIII. p. 183. Herrmann Beitr. z. Gesch. x des Rus-
sischen Beichs, Leipzig 1843. 8. S. 182.
20) Plut. Thes. 27. vgl. Proclus ad Plat. de rep. V. p. 418. ed. Plat.
Basil. 1534. Fol.
21) Man beachte den Einfluss derjenigen Orakel, denen Apollo vorstand.
10
— Ein Apollo Amazonius wird auch erwähnt Pausan. III, 25- Ueber seine
Verehrung in Kleinasien s. Strab. XIII, 537.
22) Voss mythol. Briefe.
23) Man erzählte, die Amazonen hätten die Ephesische Artemis vomPon-
tus nach Ephesus gebracht, wo sie als Göttermutter verehrt ward. Pausan.
VI. 31. VII. 2. Cic. de nat. Deor. III. 23. vgl. Callim. H. in Dian. 237. Dionys.
Per. 828. — Nach einigen soll das Bild der Ephesischen Göttin vom Himmel
gefallen seyn. Grotius ad Act. XIX, 35. Vales. ad Sozom. hist. eecl. III. 5.
Heeren Bibl. d. alt. Litt, und K. X. — eben so das der Artemis in Taurien.
— Eurip. Iph. Taur. 87. 977. 986. 1384. Ovid. ex Pont. III, 2, 45. vgl.
Strabo. XII, 535.
24) Eudoc. Violar. p. 38. Eine Amazone soll in Ephesus zuerst die Ar-
temis verehrt haben. Etym. m. p. 364 (402).
25) Im Tempel der Ephesischen Artemis waren Jungfrauen als Priesterin-
nen, die Plutarch mit den Vestalinnen vergleicht, an seni sit gerenda resp.
24. — Die Priester, Megalobyzi, waren Verschnittene. Strab. XIV. 641.
26) IV, 31.
27) Wie die Artemis überall verehrt ward, zeigen viele Beispiele. Als
die Perser Athen bedrohten, gelobten die Athener der Göttin ein grosses
Opfer — Xenoph. Anab. III, 2, 11. vergl. Schol. Aristoph. Eq. 637. Plut.
de malign. Herod. 26. Aelian. var. hist. II, 25. — Sie gaben dem Apollo und
der Artemis den Zehnten. — Xenoph. 1. c. V, 3, 4. Als Xenophon und die
Zehnlausend glücklich Cerasus erreicht hatten, weihten sie dem Apollo und
der Artemis Geschenke. Den Antheil des Gottes schickte er nach Delphi, für
das der Göttin bestimmte Gold baute Xenophon einen Tempel zu Scillus, in
Triphylicn, ganz nach dem Voi'bilde des Ephesischen und Hess das Bild aus
Cypressenholz nachmachen. Ueber andere Tempel der Artemis s. Pausan. II,
3. VIII, 23, 30. Sie ward vorzüglich in Elis verehrt. Strab. VIII, 343. —
vergl. Callim. H. in Dian.
28) Creuzer meint — Symbol. II, 111 — es liegen in der Sage von den
Amazonen, die als Erbauerinnen mehrerer Jonischen Städte, z. B. Smyrna's,
genannt werden, Spuren alter Religionswanderungen. — Auf gleiche Weise
erklärt Movcrs — Phönizier S. 20 — : die Mythen von den Amazonen seien
die Wanderung der Kleinasiatischen Göttin, die Verbreitung des Cultus der
grossen Artemis, der Em azzah, *"i|M r^\», „starken Mutter."
29) Thucyd. I, 3. Strab. VIII, 370. XIV, 661. 663.
30) II. I. 265- Der Vers ist später eingeschoben, um den Iheseus zu
verherrlichen, Eustathius und der Villois. Scholiast erwähnen ihn nicht; vrgl.
41
Wolf Prolegg. p. 27; er ist aus Hesiodus Scut. Herc. 182, entlehnt; vrgl.
Voss Mythol. Br. II, 265. Böttiger, Griech. Vasengera. 1, 3, 123. In der
Odyssee werden Theseus und Ariadne erwähnt, XI, 321 und XI, 630 Theseus
und Pirithoos. — Wäre er früh bedeutend gewesen, so hatte Klisthenes eine
Tribus nach ihm genannt. Pausan. I, 5- — Aeschylus hebt ihn nicht sehr,
desto mehr Euripides.
31) Hesiodus nennt — Scut. Herc. 182 — bei demLapithenkampfe:
Qrjöia % ^älyeldiqv snieixelov a&avüxoioiv.
32) Plut. Thes. 35.
33) Nach dem Perserkriege befahl die Pythia die Gebeine des Theseus
aus Skyros zu holen. Dies geschah: sie wurden feierlich empfangen und ihm
ein Heroon geweiht. Plut. Thes. 36. Cimon 8. Pausan. I, 17, 6. 18, 1. III,
3, 6. Diod. Sic. IV, 89. Aristid. Orat. Plat. II. Valck. ad Ammon. p. 155.
Plin. XXXIII, 56. XXXV, 25, 35. — 6 Qrjolcog arjx.6g — to Qrjoecog leqöv —
QrjGeiov. vrgl. Herodian. bei Hermann de emend. Gr. gr. p. 208.
34) Pausanias V, 11, 2 nennt dies Unternehmen %b ]Ad-r]va'aov tcqiotov
dvÖQayä&t]/.ia ig ov% 6(.iO(pvlovg. — Wie Spätere Motive, die ihrer Zeit ange-
hörten, liehen, zeigt z. B. Dio Chrysostomus — Or. XI de Troj. expugn. p.
163: — Theseus, meint er, habe vom Thermodon eine Amazone weggeführt,
weil es in jener Zeit Sitte war, Verwandtschaft mit entfernten Herrschern zu
suchen.
35) Die meisten dachten wie Ax-rian. Er bemerkt — Exped. Alex. VIII,
13, — dass die besseren Historiker nichts von Amazonen sagten, die zum
Alexander gekommen; erklärt jedoch, dass er nicht ganz das Dasein einer sol-
chen Art von Weibern läugnen möge, da so viele sie besungen, da der Zug
des Heikules gegen sie, ihre Niederlage durch Theseus in Europa, sie ver-
herrlicht hätten, da Mikon diese Schlacht eben so wie die gegen die Perser
gemalt habe, Herodot oft über sie spreche, und alle, welche in Athen eine
Lobrede auf die im Kriege Gefallenen hielten, stets die Thaten der Athener
gegen die Amazonen anführten, vrgl. Plut. Alex. 46.
36) Ukerts Geogr. d. Gr. und Kömer.
37) Prodi Chrestom. in d. Bibl. d. alt. Litt, und Kunst. 1 Th.' Ined. p.
33. — Auch andere meldeten, sie redeten Thrakisch. Schob Apoll. Rhod. II,
953. oi i-is&voot —avünai Xeyovcai naga Gga^iv (jj dtalixTfij %qwvtccl xai
^4fxa^6veg). — In der Aethiopis ward auch eine Amazone erwähnt, als Toch-
ter des Ares, Schob II. XXIV, 804 :
Abhandlungen d. I. Cl. d. li. Alt. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 6
12
"ißg o'i y a(.iq>UTtov Tcccpov "ExToqog. ?]l&e $" Idf.ia'C.wv
^■iqijog xhiydvrjQ f.ieyaXrjroqog, drÖQoqiövoio.
Den Ares nennen manche als Vater, Eurip. Herc. für. 413. Isocrat. Panegyr.
c. 19. Eysias Orat. 31. Philostrat. Heroic. c. 19. Eustath. ad Dion. 654. Serv.
ad Virg. Aen. XI, 661. Lactant. ad Stat. Theb. V, 146. Tzetzes Antehomer.
22. Als Mutter -ward die Harmonia angeführt, Diod. Sic. II, 44. Schol. Apoll.
Rhod. II, 1033, 992. Eust. ad II. V. pag. 305. Justin. II, 4; vrgl. Hock Kreta
1, 293; — oder die Aphrodite — Schol. II. I, 189. — Bei Lykophron — Cassand.
1332 — heissen die Amazonen ort ^vvaifioi naqdevoL Nenovvidog, in Bezug
auf Ilippolyte. — Andere betrachten sie als Gefährtinnen des Ares. Proclus
ad lib. V. rep. Plat. p. 418.
37a) Eust. ad Dion. Per. 828.
38) Apollodor schöpfte aus ihnen II, 5, 9. Ueberblicken wir, was er über
Thescus und Herakles mittheilt, so ist der Unterschied auffallend. Die Thaten
des letzteren erzählt er ausführlich im Zusammenhang und kommt gelegent-
lich oft auf ihn zurück; über Theseus findet sich hie und da etwas — I,
8 — 9. II, 5. 6. 10. 16 — und seine Kämpfe mit den Amazonen werden gar
nicht erwähnt. Wir möchten nicht sagen, wie man gethan hat, dass etwas
im Apollodor verloren gegangen sei, sondei'n die von ihm benutzten Quellen
enthielten diesen Theil des Mythus noch nicht , da er später erst ausge-
bildet ward.
39) Apollod. II, 5. 9.
40) Ueber diesen Gürtel hatte man viele Sagen. Schol. Ap. Rhod. II, 778:
no?.?.ol de Xoyoi neql xov ^(oorrjqog eloiv. TLveg [iev yaq < InTcoXvTrjg, aXXov
de Jälvxrjg. ""ißvxog de lölcog ioxoqüv Oiolvxrjg qir^olv eivai rfjg Bqiäqeo)
dvyccTQÖg. —
Apollodor II , 5. 9 nennt den Gürtel : Z4qeog tcootrjqa , ovfißoXov
xov TtqiOTEieiv auaocov. — Dass vorzüglich der Gürtel der Amazonenkönigin
als Siegespreis gefordert ward, mochte, ausser anderen oft angegebenen Ur-
sachen, auch darin liegen, dass der Gürtel bei den Scythen von eigentüm-
licher Art war und auf eigene Weise angelegt ward, so dass sie sich dadurch,
wie durch ihre Art mit dem Bogen zu schiessen, auszeichneten. Die Sage
Hess daher schon den Herakles der Echidna anbefehlen, — Herod. IV, 9, —
wenn die mit ihr erzeugten Söhne herangewachsen wären, den im Lande zu
behalten, der sich auf die Art, wie er es zeigte, gürten werde (xal reo £to-
otfjut- Ttoöe xazä zäde "Ciovvvfxevov).
41) e&itlißov. — Bei den Meisten wird vom Brennen gesprochen; Ptole-
43
maeus, de judic. astrol. 1. 2. p. 18, lässt die rechte Brust abschneiden. Gale-
nus ■ — ad Aphorism. XLIII. sect. 7. — sucht den Grund anzugeben: Tag
yovv ld[.ia£,ovldag aviog <p>]Otv knixaieiv xbv öe^iöv tit&ov, 'Iva elg xhv
Tclrjotov xeiqa TiXeiovog VQoeprjg acpixvoui-ievrjg, evQtoaiia zig avvtj TiQogyevriTai,
tog Tijj cpvoei ye xal zavxrjg vnaQXOvotjg ao&evovg.
42) Andere Hessen ihn zu Fuss durch Kleinasien gehen , Apoll. Rhod.
II, 778.
43) Strab. XII, 544. — Lyriker und Tragiker mögen auch die Sagen von
den Amazonen am meisten ausgebildet und umgebildet haben, -wie die vom
Theseus ; und Pausanias I, 3, erklärt: ,,die meisten der Hellenen wären der
Geschichte unkundig und glaubten, was sie von Jugend auf in Chorgesängen
und Tragödien hörten."
44) Nem. III, 65. — Den Bogen führen sie auch bei Aeschylus Eumen.
614. Suppl. 302.
45) Nem. XIII, 124 ed. Thiersch. Unrichtig sezt der Scholiast die Ama-
zonen ganz in den Norden, zu den Hyperboreern. Eine ähnliche Sage mochte
Servius vor Augen haben in der verschriebenen Stelle Aen. XI, 858, wo
Burmann statt annuloforos lesen will ovXocp6(>ovg, Servius schrieb wohl afiaX-
Xocpoqovg.
46) Nem. III, 65.
47) Pausan. VII, 2. vrgl. Etym. m. Y."E<f)£Oog — Die Chronologen bemüh-
ten sich, die Zeit des Zuges nach Griechenland zu bestimmen; man nahm an,
er sei 25 Jahre nach Trojas Zerstörung gewesen. Clem. Alex. Strom. 1. p.
336 — als Aeneas in Latium herrschte. Euseb. Chron. p. 33.
48) Plut. Thes. 28. Man hatte Sagen über ihre Eroberungen in Asien,
von denen nachher einiges angeführt werden soll. Mela bemerkt, I, 17: Ephe-
sus, ibi Dianae clarissimum templum, quod AmazonesAsia potitae consecrasse
dicuntur. — Die Sege ward auf mancherlei Art erzählt, Meziriac. ad Ovid.
T. 1, p. 319. —
49) Olymp. VIII, 62.
50) Ueber den Einfluss der Tragiker auf die Umbildung der Sagen zu
Lob und Tadel s. Plut. Thes. 16. Diod. Sic. IV, 53. 56. — Dass .die Sagen
vom Herkules und Dionysus gemäss der erweiterten Länder- und Völkerkunde
ausgebildet und umgestaltet wurden, vgl. Strab. XI, 501.
51) Prom. 728. — vrgl. Serv. ad Virg. Aen. XI, 659.
52) 1. 1. 720.
53) Prom. 415.
6*
44
54) Suppl. 301.
55) 1. 1.
56) Dass Thescus der Gefährte des Herkules gewesen, war ein verbrei-
teter Glaube und gab zu dem Sprichwort Gelegenheit: ovk avev ye Qrjoiwg.
Zenob. Proverb. Cent. V, 33. — Den Namen Areopag erklärte man auf ver-
schiedene Weise, s. Steph. B. h. v. Schob in Plat. Phaed. ed. Behker T. II.
p. 312.
57) Die Theseiden stellten die Begebenheiten des Theseus mit den Ama-
zonen auf verschiedene Art dar. Plutarch — Thes. v. 28 — sucht mit Unrecht,
geschichtliches und ungcschichtliches zu scheiden; er bemerkt bei einer Er-
zählung: nsQiq>avtüg soixe fiv&fß xal nXdo/.iazi.
58) Hera für. 408. 1163. Heraclid. 216. Ion. 1144. Hippol. 10. Vom Her-
kules heisst es:
zbv Innevrdv z Id^iaCpvwv ozgazov
31aituviv a[i(pi noXvnozanov
l'ßa di Ev^eivov olöj.ia Xl{.ivag,
ziv ovx ci(p EXXaviag
ayoqov aXioag (plXoyv,
xÖQCtg ccQsiag nenXojv
XqvoeoozoXov cpdgog,
KcooziJQog oXsdQiovg aygag;
zä xXeivd d' cEXXdg l'Xaßa
ßctQßocQOV y.ogag Xdcpv-
qcc, xctl oto^ez ev Mv/.Tqvaig.
59) Hippol. 312. 587. Herc. für. 408.
60) Hippol. 215.
61) Eurip. Ion 1159.
62) Pausan. V, 11.
63) Pausan. V, 11. 2. I, 17. 2.
64) Pausan. V, 11. z. B. über einem Gemälde zu Delphi. Paus. X, 31, 3.
65) Strab. VIII, 347. Auch den Apollo finden wir häufig in den Ge-
schichten vom Thescus und den Amazonen erwähnt. So erzählte man — Macrob.
Sat. I, 17. ■ — hanc vocem, id est 'i'e Tiaidv, confirmasse oraculum Delphicum
Atheniensibus petentibus opem Dei (Apollinis) pdversus Amazones Theseo
regnante; namque inituros bellum jussit bis ipsis verbis semetipsum auxilia-
torem invocare hortarique.
45
66) Denselben Gegenstand hatte Aristokles behandelt. Pausan. V, 25, 11.
vrgl. Böckh. Inscr. 23. p. 39.
67) Pausan. I, 15. PHn. XXXV, 35. vrgl. Böttigers Ideen zur Archäologie
der Malerei S. 254. 278.
68) Pausan. I, 17.
69) Pausan. \, 17. 24. X, 34. PHn. XXXVI, 4.
70) Pausan. X, 34. — Wie dem Bildhauer und Maler "der Amazonenkampf
ein erwünschter Gegenstand war, so bot die Sage vom Theseus einen anderen,
der Gelegenheit gab in den Gestalten, wo die edlere thierische Natur des
Rosses mit dem Menschen vereint war, die Kunst aufs mannigfaltigste zu zei-
gen — s. d. Bemerk, von Demetrius de elocut. §. 76 p. 19 ed. Göller. —
Dies war der Kampf des Theseus mit den Lapithen und Centauren. Phidias,
Alkamenes und andere hatten ihn im Parthenon , in Olympia u. s. w. darge-
stellt. PHn. XXXVI, 5. 4. Pausan. V, 10. I, 23. Stuart ant. of Athen T. II.
Hancarville T. III, 81. Mus. Pio Clem. T. V. tab. 12. vrgl. Böttiger, Ideen
u. s. w. 157. 257. — Ueber Gemälde des Theseus s. PHn. XXXV, 40. 36.
Plut. de gloria Athen. 2. — Gemälde der Amazonenschlacht aus späterer Zeit
6. Pausan. I, 25, 2.
71) Pausan. X, 31.
72) PHn. XXXIV, 19 (8).
73) Fragm. VI. ed. Sturz, p. 86. vgl. Apollon. Rhod. II, 992. Steph. B. v.
L4x/.t6via.
74) Nv(.icprj Na'i'g. Pherecyd. vgl. Schol. Apoll. Rhod. II, 990. Porphyr,
de antro Nymph. c. 10: Nv{.iq)ag de Natöag Xeyof.iev xal tag twv vöärtov
naqsarcüGag övväfj.eig.
75) Steph. Byz. v. ld*\.iövia. Joiavzog nedlov. — Schol. II. III. 189 ist
l^Qfxoviag zu lesen statt ^Aq^ieviag.
76) Schol. Apoll. Bhod. II, 990. OvdsTtoxe aXoog ^4x/.ioviov ediqlioGev
Elqrjvalog. eoxi de neoi tbv QeQ[.ti6dovta. Me(.ivrjtai avtov (DeQexvdrjg
iv ß. — Schol. Paris. EiQrjvaiog f.isv ovöa/.iov IdrjXwosv eivat. OeqExvdrjg de
iv Geoficüdovri cprjoiv eivai.
77) Schol. Apoll. Rhod. II, 373.
78) So der Pariser Scholiast; der früher gedruckte liest: XaXvßia.
79) Schol. Pind. Nem. V, 89.
80) Theseus c. 16.
81) Auch die Heimfahrt des Theseus ward mannigfaltig erzählt. Mene-
krates, der die Geschichte der Stadt Nicaea in Bithynien schrieb (Plut. Thei.
IG
26% Hess auf der Rückkehr den Theseus mit der Antiope dort verweilen und
die Stadt Pythopolis gründen. Wie es mit den Sagen gieng, zeigt der Zusaz:
ein Ort in der Umgegend habe nach einem Begleiter des Theseus den Namen
1Eq/,iov olxla erhalten; Plutarch sezt hinzu: ovx OQ&ütg xr)v öevTeoav ovX-
Xaßr^' neqiartiövxeg, xai rt]v öö^av ini $eov and rJQtoog (.lexaTL&ivxeg.
82) Eust. ad Dion. Per. 828.
83) Grabmäler von Amazonen zeigte man in mehreren Gegenden von
Hellas und von Kleinasien, um das Dasein der Amazonen zu bestätigen. Bei
Strabo XI, 505 ist statt xai IJdcpov, wo auch mehrere Codd. ndgpag und
nd<pai haben, xai xacpdg zu lesen, was, wie Groskurd richtig bemerkt, zu
dem folgenden akla imnf.ivrji.iava passt. vrgl. XII, 573.
84) Schob Apoll. Rhod. II, 1003: Xadiqoiag de avxdg elnev 'Exaxalog
otto xov xaöfjaai. — Schob Ap. Kh. II, 948 handelt von dem Siege, vrgl.
Creuzer ad Hecat. fragm. p. 79. 183. 202. — Steph. B. v. Xaöiaia. XaXiaLa.
85) ap. Schob Pind. Nem. III, 64.
86) Plut. Thes. c. 28.
87) Tzetz. Posthomer. 13. Tzetz. ad Lycophr. 1327.
88) Plut. Thes. I, 26. Tzetz. 1. 1.
89) Nach Herodor dem Pontiker erhielt Theseus damals die Antiope,
die entweder mit ihm selbst kämpfte oder von der Amazonin Molpadia ver-
wundet ward und fiel, oder, vom Ares gesandt, mit Geschenken nach Athen
kam. Ihr Grab zeigte man in Athen. Pausan. I, 2.
90) II, 104. VII, 72. 76. V, 49.
91) Herod. IX, 27. Larcher Herod. T. 6. p. 108. 109.
92) IV, 110.
93) Eustatbius, ad Dion. Per. 653, entlehnt aus anderen die Nachricht,
dass die Amazonen nach Scythien gekommen und dort die Sauromaten gebo-
ren hätten, entweder als sie an der Nordküste des Pontus hinzogen, um nach
Hellas zu gehen, oder als sie Herkules aus Asien vertrieb.
94) IV, HO.
95) Klaproth — ■ Reise in den Kaukasus, Nch. S. 655 — leitet Aiorpate
ab aus dem Armenischen. Air heisst ein Mann, Sban oder Sbanoph Mörder,
daher Ariausban oder Ariausbanoph Männermörder.
96) IV, 114.
97) Hippocrat. de art. §. 58; er sezt hinzu: ei /xev ovv dlrjöea xavtä
toxi, iyw fxev ovx olöa. — Der Verfasser der Schrift de aere, aquis et locis
nennt die Amazonen nicht, schildert aber die Frauen der Sauromaten wie der
47
Maeotis, (§. 89), und gibt von ihnen an, was bei anderen sich über die Ama-
zonen findet. Den Scythen, welche die Amazonen aufforderten, mit ihnen der
Liebe zu pflegen, soll eine Kriegerin geantwortet haben: agiora de %ioXbg
olcpeT, was sprichwörtlich ward. Eust. ad II. III , 402. Diogenian. Proverb.
Cent. II, 2. Athenaeus. Man hat gefragt (Müller, Orchomenos 1,357): sind
nicht aber auch die Amazonen — Hierodulen , streitbare Gottheiten, ■ — ■ ur-
sprünglich Dienerinnen der Böotischen Enyo? (vrgl. S. 223). Wenigstens
zum Theil. Daher erscheinen sie in den Altattischen Mythen als Nachbarvolk,
wie die Thraker des Eumolpus. Auch in Böotien war ein Amazonikon (Steph.).
Und finden sich nicht Thermodon und Triton, die beiden eigentlichen Ama-
zonenströme, in Böotien zusammen, und zwar schon hier in Beziehung auf
Amazonenschlachten und den Cultus kampfrüstiger Göttinnen?"
Eine unbefangene Betrachtung der bisher mitgetheilten Ansichten zeigt,
dass nichts für den dauernden Aufenthalt der Amazonen in Böotien spricht,
und dass, in Bezug auf sie, von einer Enyo die Rede nicht seyn kann. Für
die letzte der oben angegebenen Behauptungen vom Thermodon und Triton
und den damit verbundenen Schlachten und Göttinnen wird auf Duris, beim
Plutarch (Demosth. c. 19. Thes. c. 12, soll 27 heissen) verwiesen, der jedoch
keinen Beweis für das Angegebene liefert. Es wird erzählt, den Untergang
der Freiheit Griechenlands habe die Sibylle vorhergesagt ; ein alter Spruch
derselben laute:
Trjg etil Osq/.kÖöovti liö%r]Q ccrcdvsv^s yevot/.irjv.
u-llatog ev verpeeooi %ai rjeQt- ^rj^aaad-ai
KXaiEL 6 vixrjtfeig, 6 de vixiqoag anöXioXev.
Um darzuthun, dass die Sibylle das Richtige angegeben, behauptete man,
der Thermodon sei ein kleines Flüsschen, das bei Chäronea in den Kephisos
falle. Plutarch bemerkt aber, dass man zu seiner Zeit kein Gewässer des
Namens dort kenne ; er mulmasst jedoch, der Haemon möge zur Zeit der
Schlacht Thermodon geheissen haben. Er fliesse bei dem Herakleum, wo
man die Hellenen bestattet habe; wahrscheinlich sei er durch den Kampf mit
Blut und Todten gefüllt Morden, und so habe er seinen Namen geändert. Diese
Deutung des Sibyllenspruchs mochte vielen nicht gefallen, da suchte man sich
auf andere Weise zu helfen. Man erzählte: als einer, um ein Zelt aufzurich-
ten, dort in der Gegend grub, fand er eine kleine Statue von Stein, und eine
Inschrift sagte, es sei der Thermodon, der eine verwundete Amazonin trage.
— Fröret, Mem. de l'Acad. T. XXI, 118, versuchte eine andere Erklärung;
er meint, die Amazonen wären nicht nach Attika gekommen, man habe aber
48
die Kriege der Athener gegen die Thraker damit verwechselt; vrgl. Böttiger
gr. Vasengem. 1, 3, 168. Miliin monum. ined. 1, p. 346.
98) Xenoph. Anab. V, 9.
99) Xenoph. Anab. IV, 4.
100) Athen. XI, 509. Weichen über Apollonius p. 156.
101) Tzetz. ad Lycophr. 1332. Hellanic. fragm. p. 38.
102) Menex. p. 239.
103) Oratt. Attic. ed. Bckker 8. T. V. p. 582.
104) ed. Reiske p. 54. — f.iv^/.irjv TtctQa xrjg (pfyirjg laßtov.
105) Areopagit. c. 32.
106) Hier, wie in mehreren Stellen — Panath. c. 78. Panegyr. ed. Lange
p. 71. Archidam. c. 16. — erwähnt er, wie auch andere, die Unternehmungen
der Thraker und Amazonen ■ als ganz verschieden. Diejenigen irren daher,
welche die Amazonen als Thraker und jene als Nachbarn der Athener betrachten.
107) Panathen. 78.
108) ed. Lange, p. 71. 72. — Isaeus (Harpocrat. v. ld[iaQ6viov) sprach
in der Rede gegen denDiokles, tzsqi TÖivlä.j.iat>öviOv acpiegojoeiog '^dSrjvrjaLV.
}u4/.if.itoviog ev zip 7teQi ßiofiwv xal &vaitov' l'ozi de iegov b ' ' JL^iaQövEg iöqv-
oavzo. Vrgl. Suid. v. ' 'udj.iatöveiov.
109) vgl. Aristid. Panath.
110) s. Voss, de histor. graec. ed. Westermann, p. 418.
111) Theseus c. 26. 27.
112) Auf gleiche unhaltbare Weise argumentirt noch St. Croix Exam.
crit. des histor. d'Alex. Ed. II. p. 324. — Nachdem er Arrians Zweifel — ■
exped. Alex. VII, 13 — angeführt, meint er, fetes, monumens, tout appeloit
ä Athenes cctte derniere tradition qu' on ne peut entierement rejeter. Er
beruft sich auf Larcher zum Herod. VI- p. 108.
113) Eine Säule einer Amazone erwähnt Plato — Axiochus. p. 365. ed.
Bip. XI, p. 182 — am Itonischen Thor.
114) Pausan. I, 41.
115) S. Anmerk. 97.
116) Steph. Byzant. v. Id^ioX^övEiov. — Paläphatus c. 7, dachte wohl an
den männlichen Sinn der Sphinx, wenn er erzählte, Cadmus sei mit einer
Amazone, Namens Sphinx, nach Theben gekommen. Als er die Harmonia
heirathete, habe jene, darüber erzürnt, eine Anzahl Böotier an sich gezogen,
das Gebirge Sphingium (~(plyyiov) besezt, und die Gegend unsicher gemacht,
49
bis Oedipus sie erschlug. Dieselbe Geschichte b. Eudocia: s. Anecd. gr. ed.
Villois. T. I. p. 380. Euseb. Chron. ed Scalig. p. 29.
117) Eben so zeigte man in verschiedenen Gegenden Gräber der Frauen,
die mit Dionysos gegen Perseus zogen und im Kampfe ihren Tod fanden.
Pausan. III, 22. 20. Nonnus Dionys. XLVIII, 528. Eratosth. ap. Clem. Alex.
Strom. I, p 236. Seneca Oedip. 487. — Vieles, was im Homer erwähnt wird,
wollte man aufgefunden haben, so ydoaxa xov Bellegocpövrov und iä<f>0Q
neiaävöonv. Strab. XIII, 630.
118) Pausan. II, 32, 8. Er sagt hierzu: vielleicht waren es Amazonen,
die schon gegen den Theseus und die Athener gekämpft hätten.
119) Pausan. III, 25, 2.
120) Pausanias — VIII, 2, 3 — bemerkt mit Recht: brinam ös /.w&o-
Xoyiq[xaaiv dxovovteg rrjöovTai . TzecpvKauL xal avvoi emteoatEVEG^cti xai
ovvo) zolg akqtf&öiv eXvfirjvavTO avyyieQavvvvreg avza Ftpsvo/^ifvoig.
121) Steph. B. v. 'AiiaQövEinv. Kv^irj. Strab. XI, 505. 550. XIII, 623.
122) Hb. IX ap. Schol. Apoll. Rhod. II, 965.
123) Strab. XII, 550.
124) Von ähnlicher Art ist die Geschichte, welche Stephanus — v. A.f.ia-
tyveiov — erzählt. Die Stelle ist aber verstümmelt. — Wie verschieden man
ihre Wohnsitze bestimmt, zeigt z. B. die Angabe des Paläphatus (ap. Strab.
XII, 551), sie hätten erst bei Alope, dann bei Zeleia gewohnt.
125) Ephesus, Smyrna, Cumae, Myrina wurden vorzüglich als solche
genannt. Strab. XII, 508. XIII, 623. Plin. V, 29(31); man rechnete auch Anaea
dazu. Steph. B. v. Livcücc, vgl. Eust. ad Dion. Per. 828. Später hatte Phy-
laixhus ähnliche Ansichten. Steph. B. v. Qlßa. — Wie man sich durch Ety-
mologien half s. Eust. ad Dion. 828.
126) Scymn. Chius p. 2. Ephori fragm. ed. Marx p. 193. Eust. ad Dion.
Per. v. 828.
127) Strab. XI, 505. Plut. vit. Alex. 46. Justin. XII, 3. Diod. Sic. XVII,
77. Curtius VI, 5. c. not. Freinsh. St. Croix, examen. crit. — Merkwürdig ist
Arrians Argumentation. Er sagt — de exp. Alex. VII, 13: — bei keinem
der besseren Schriftsteller finde sich die Nachricht, dass Alexander Amazonen
angetroffen, und ihrer Königin hätte sagen lassen, er werde zu ihr kommen.
Er glaube auch nicht, dass die Amazonen damals noch existirt hatten, da Xe-
nophon nichts von ihnen sage, der auf seinem Wege sie hätte treffen müssen.
Doch dürfe man nicht zweifeln, dass die Amazonen wirklich existirt hätten,
da so viele sie besungen, da Herkules zu ihnen gegangen sei uud den Gürtel
Abhandlungen d. I. Cl. d. 1«. Ah. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 7
50
der Hippolyte nach Griechenland gebracht haben solle, da Theseus und die
\thener sie geschlagen hätten, als sie Europa angegriffen, da Mikon die
Schlacht gemalt hätte, eben so wie die der Athener und Perser. Auch Hero-
dot spreche oft über sie, und wer die im Kampfe gefallenen Athener preise,
der erwähne auch den Kampf der Amazonen gegen Athen. — Der Irrthum
Arrians — Alex, exped. IV, 15, — dass die Chorasmier Nachbarn der Amazo-
nen wären, findet sich auch in Itiner. Alexandri ed. Majo c. 96, p. 63: sed
Pharasmenes quoque Chorasmiorum rex equites adduxerat Alexandro milita-
tum, vicinus Scythis unimammis.
128) Die meisten nennen die Königin Thalestris, bei Justin. XII, 3, heisst
sie Minithya. — Martianus Capeila VI, 925 ed. Kopp. p. 718. erzählt: quid
Amazones non ad calamos arma traetabant? quarum una, quae coneipiendi stu-
dio venerat, quum Alexandrum salutaret, donata tibicine, ut magno munere.
gratulata discessit.
129) Apoll. Rhod. II, 987:
Ov yag !A/j.a^ovlöeg f.iäXy emjzeeg, ovöe d-e/^iiozag
ziovoai Ttediov Joiävziov af.i(peve(.iovzo.
aXK vßgig azovöeaaa xai Ageog egya fxeurjXsi.
örj yag xai yeverjv eoav Zigeog lAgf.iovirjg ze
Nv/nq>rjg, r\ z 'Agrfi quXortzoXeftovg texe xovgag.
aXoeog Idx^ovloio xaza nzv%ag evvq&eloa.
130) id. II. 1373. 970 — 1000.
131) II, 373: nöXrjeg zgiaaai l4fxat,ovid(av, und v. 996:
Ov yag 6/.ir]yege£g fiiav afi rtöXiv, aXX* avä yalav
xexgif.ievat xaza cpvXa dict zgi%a vaiezäaaxov
vöaept fxev cad' avzai, trjaiv tote xoigaveeOKEv
1 InnoXizt], vnacpi de Avxüoziai a^i(peve(xnvzo.
132) II, 382. 1032. etc. vrgl. Orph. Argon. 743.
133) Der Scholiast bemerkt, II, 387: noiav de oigazeiav. ovdeig edijXwoev.
134) II, 1177.
135) II, 1033, etc.
136) II, 966.
137) Hymn. in Dian. 237.
138) 1. 1. v. 238:
2oi xai Idf-ia^oviäeg, noXi^iov eni^vfxrizeigai ,
}'Ev xnze naQgaXijj 'Ecpeoov ßgezag idgvaavzo,
(frrjyio vnb 7zgef.iv({>' zeXeaev de zoi legov Inntä.
yivzai d\ Ovni avaaoa, negi ngvXiv logxrjoavro,
51
floiüza /uev ev aaxhaaiv evönXtnv, av&i de xvy.hij
2zrjod/.ievai %nqbv evqvv vnrjeioav de Xlyeiai
AenzaXeov ovgiyyeg, Iva nXrjooiooiv bfxaozrj.
a\ de nndeaoiv
OvXa ■/.azev.qozdXiCpv , enexpöcpenv de (paqezoaL-
Kelvn de zoi fxezeneiza neqi ßqezag evqv &eii£&Xov
J(j)(.nfjd-rj. zov d'ovzi ^ealzegov nxpezai r]tog ,
Ovo' ä(pveioz£QOV gea xsv Flv&wra naoeX&ot.
Eudocia, Violar. ed. Villois. p. 279, bemerkt : den Tempel ai Afxa'Cöveg
enni'rjoav ev noe/tvi/), o eaziv ev koq/.ioj nzeXeag. — Ueber ein wunderthäti-
<*es Marienbild, das in einem Baume aufgestellt ist in der Wallacbei, s. Sul-
zer, Gesch. des transalpin. Daciens I, 351. — Ueber den Tempel schrieb
Forster, in den Memoires de la Societe des Antiquites de Cassel. T. I, p.
192; er behandelt die Geschichte der Amazonen, als ob man mit wahrer,
glaubhafter Geschichte zu thun hätte.
139) DiePlejaden sind, nach Kallimachus, Schol. Theocrit. XIII, 25, Töch-
ter der Amazonenhönigin. Sie waren Jungfrauen und führten zuerst Chor-
tänze auf. Man nennt sie: Kokkymo, Glaukia, Protis, Parthenia, Maia. Sto-
nycbia, Lampatho.
140) Lycophr. Alex. 1320 etc.
141) Lycophr. Alex. 993 — 1007:
Koozwviäzai d' aozv neooovoiv noze
!A/.ia^6vog, (ptyeooavzeg azgo/.tov %6qr\v,
KXrjzrjv, dvaaoav zrjg encovv/.iov ndzqag.
vrgl. den Scholiast. und Tzetzes. — Auch andere sprechen von Amazonen in
Italien, so Hess Possis, in seiner Amazonis, sie mit den Tyrrhenern kämpfen.
— - Athen. Deipnos. VII, p. 296. — Auf eine solche Sage bezieht sich wohl des
Stephanus Bemerkung — v. AfiaCöveg : — eazi Kai Laf.iaZ.nvla nöXig Meo-
oanlag. Das Etym. m. p. 517 bemerkt: KXeizrj fxia ziöv A/naK6viov, tjzig iX-
irovoa elg 'izaXLav coxrjoe xal nöXiv exzioev, rjv an avzrjg KXeizrjv wvöuaoav,
xai eßaolXevoe zov zövcov xai al dn avzrjg ds%6fievai zrjv ßaaiXeiav KXei-
zai (ovo/.idad-rjoav.
Ueber Züge der Amazonen in ferne Gegenden musste es eine Menge von
Sagen geben, wie aus abgerissenen Nachrichten, die uns nur erhalten sind,
sich ergibt. So sollte das Aegaeische Meer von einer in demselben ertrun-
kenen Amazonenkönigin den Namen haben, wie Festus (de significat. verb. T.
II, p. 21) angibt; vrgl. über eine andere Erzählung Serv. ad Virg. Aen. XI,
7*
52
S42. Die (Chronographen hahen die Sage erhalten, dass Ama/.onen, mit Cim-
meriern verbunden, in Kleinnsien eingefallen wären und dort den Tempel zu
Ephesus in Brand gesteckt hätten. Euseb. Chron. ed Scalig. p. 35 ed. Aucher
T. II. p. 145. Syncell. p. 142. c. — Nach Eusebius, p. 27, zündeten sie ihn
au. als Demophoons Sohn, des Theseus Enkel, in Athen herrschte; vrgl. p.
131, 132. — Für die Zeitfolge nahm man an, ohne die abweichenden Ansich-
ten über das Fortziehen der Amazonen und ihren Uebergang zu beachten,
von denen schon gelegentlich gesprochen ist, und ohne auf die Schwierigkei-
len Rücksicht zu nehmen, die sich zeigen, wenn man die Sagen über die
Cimmerier vergleicht, dass die Amazonen den Kampf mit dem Herakles be-
standen (Pausan. I, 15. Euseb. Chron. 1. 1.), dann gegen Athen zogen, später
den Trojanern Hülfe leisteten, und nachher mit den Cimmeriern, oder ohne
dieselben, in Kleinasien einfielen. Die Angaben über den Bau des Tempels
zu Ephesus durch die Amazonen hat Eusebius gar nicht.
142) Eine Sage, die nach Alexander gehört, wie die Angabe über den
Zug des Herkules nach Indien zeigt, lässt diesen Heros (Iscrizioni antiche
delle ville e de1 palazzi Albani raccolte etc. dall' Abate Gaetano Marini. In
Roma 1785- 4. p. 154) von Scythien aus gegen die Amazonen ziehen, die
Hippolyte erschlagen, ihre Stadt erobern, die Amazonen verjagen und Helle-
nen dort ansiedeln. Er kehrt dann durch Scythien nach Thrakien zurück; —
vrgl. Eust. ad Dion. 653- 823- — Nach einigen schenkt er einen Theil der
Beute von den Amazonen der Omphale. Plut. quaest. graec. XLV.
I43j Scymn. Ch. fragm. 209.
144) Ükert, Gesch. d. Geogr. S. 172.
146) Strab. XI, 503.
147) s. Vossius de hist. graec. ed. Westermann pag. 180. 457.
148) Strabo, 1. 1.
149) In diesen nördlichen Gegenden suchte sie auch Servius, bei dem
wohl, ad Aen. XI, Ö95, statt Sintiis zu lesen ist: stato die solitas Sindis coire.
150) Plut. Pomp. c. 35.
151) Appian. B. Mithrid. c. 103.
152) Vielleicht dürfte man zur Vertheidigung der von Buttmann (Mytho-
logus II, 366) als unächt bezeichneten Verse des Horatius (Od. IV. 4, 18 —
21) hieran erinnern. Man bildete die Sage, die Amazonen hätten Bhäter und
Vindeliker aus Thrakien vertrieben, die sich dann in den Alpen niederliessen,
und Schilde und Beile wie die Amazonen führten. Porphyr, ad 1. 1. Jani ad
1. c. Servius ad Virg. Aen. I, 243, lässt den Horaz die Rhäter und Vindeli-
ker als von den Amazonen abstammend betrachten. — Spätere erwähnen Ama-
53
zonen neben Geten. Stat. Achill. II, 85. Claudian. de rapt. Proserp.
II, 20 59.
153) Sueton. vit. Caes. c. 22.
154) Man hatte die Sage, Caystrus sei der Sohn der Penthesilea, er hei-
rathete die Derketo und ward der Vater der Semirarnis. Strab. XVI, 574.
Cramer. Anecd. T. II, p. 235. Etym. m. p. 492. 447. Hecat. fragm. ed. Creu-
zer. p. 183.
155) Nie. Damasc. ed. Orelli p. 52. 142 Strab. XI, 504. Justin. II, 4.
Heyne ad Virg. Aen. 1, 490.
156) Eust. ad Dion. Per. 772.
157) Justin. II, 4; vrgl. XLII, 3. — II, 14. Scythae Parthos Bactrianosque,
feminae eorum Amazonum regna condidere. — Predari — le Amazzoni etc.
p. 25, sucht Justin und Diodor zu vereinigen und citirt noch den Apollodor,
II, 55 9, der nach ganz anderen Ansichten erzählt, bemerkt aber: dipinge
questa battaglia, ma aggiungendo, come e sempre di lui, fantasia alla storia.
Der Vorwurf trifft, wie die Vergleichung zeigt, den Beurtheiler selbst.
158) Diod. Sic. II, 45.
159) Diod. II, 46; IV, 16.
160) Diod. Sic. IV, 28.
161) Diod. Sic. IV, 16.
162) Wesseling zu Diodor 1. 1. macht aufmerksam, dass die Schriftsteller
in Hinsicht der Namen der vom Herkules gefangenen Amazonen nicht überein-
stimmen.
Wir finden eine Menge Namen angeführt, alle griechisch: — Diod. Sic.
IV, 16. Steph. B. v. eißa, Uvaia. Eust. ad IL III, 189. p. 403. ad Dion. Per.
827. Schol. Villois. 1. 1. Hygin. fab. XXX. CXII. CLXIII. CLXXXVI. Justin.
II, 4. Eust. ad Dion. Per. S. 23. Tzetz. Posthomer. 176. Q. Smyrn. I, 36. 41
164- — Aella, Agave, Alce, Alcibia, Alcippe, Amastris (Steph. B. h. v. nach
einem Demosthenes iv xzioeoiv. s. Steph. B. v. 'Ohi^wv), Anchimache, Andro,
Androdaixa, Anaea, Andromache, Antandre, Antianeira, Antibrote, Antioche,
Antiope (Schol. Apoll. Bhod. II, 387) Aspidocharme, Bremusa, Celarmo, Chal-
kaor, Clonie, Clymene, Coma, Coenia, Cyme, (Steph. h. v.) Cynna, Deinomache
(Miliin. nion. ined. T. I. p. 335), (Steph. B. h. v.) Dejanira, Derimacheia,
Derione, Dioxippe, Elaea (Eust. ad Dion. 823) Enchesimargos, Ephesus, Eri-
boea, Euandre, Eukleia, Eurybia, Eurylophe,Eurypyle, (Eust. adDion. 772) Glauce,
Gorytoessa, Gryne, (Serv. ad Virg. Aen. IV, 345) Harmothoe, Hekate, Hip-
polyte, auch Orthosia genannt (Lycoph. 1331), Hippothoe, Iodoke, Ioxeia,
Iphinoma, Isokrateia, Knemis, Koia, Laomache, Lyce, Lysippe, (Plut. de fluv.
v. Tanais), Marpe, Melanippe, Myrrina, Myrleia, Myrto (Schob Apoll. Rhod. I.
752) Ocyale, Oistrophe, Otrere, Palla, Pharetre, Penthesilea, Philippis, Phoebe.
Polemusa, Prothoe, Sanape (Schol. Apoll. Rhod. II, 946), Sisyrbe (Steph. B.
li. v. Vgl. Strabo. XIV, 633), Smyrna, Tekmessa, Themiskyre (Appian. Mithrid.
78)i Thermodossa. Theseis, Thiba, Thoreke, (Eust. ad Dion 828), Toxoa-
nassa, Toxophone, Tralla, Xanthe.
162a) fragm. ed. OrelH. p. 142.
1621)) 1. 1. p. 140. — Er erklärt, die Abier, ein Volk im fernen Norden,
habe sie auf diesem Zuge nicht begleiten wollen; andere (Eustath. ad 11. XIII.
6. p 916) Hessen jene sich weigern mit gegen Asien zu ziehen.
163) Hb. XI, p. 504; vgl. Eust. ad 11. III, 189, p. 402.
164) S. 20 f.; vgl. Eust. ad Dion. 652. Bardesanes ap. Euseb. praep.
ev. VI, 10. Zonas. An. X, 4.
165) Mela I, 2, 41; I, 19, 9, 29. III, 5, 4. 36.
166) PHn. V, 27. VI, 7, 14. — Valer. Flacc. Arg. IV, 602, V. 120. Se-
neca Herc. Oet. 1450. Amin. Marc. XXII, 8, 7. Sallust. ap. Serv. ad Aen. XI,
659. Plut. de fluv. XIV. Dion. Per. 655. — Dass sie in Rom ein Gegenstand
der Aufmerksamkeit blieben, zeigt die dem Raiser Hadrian zugeschriebene
poetische Spielerei (H. Meyer. Anthol. vett. lat. epigr. et poem. T. I. p.
71. n. 210):
Ut belli sonuere lubae, violenta peremit
Hippolyte Teuthranta, Lyce Clonon, Oebalon Alce ;
Oebalon ense, Clonon jaculo, Teuthranta sagitta.
Figitur ora Clonus, latus Oebalus, ilia Teuthras ;
Plus puero Teuthras, puer Oebalus, at Clonus heros.
Oebalus ibat equo, curru Cloas, at pede Teuthras.
lphicli Teuthras, Doryli Clonus, Oebalus Idae,
Argolicus Teuthras, Moesus Clonus, Oebalus Areas.
167) Ptol. Geogr. V, 9.
168) XXII, 8. Nachdem er von Pantikapaeum und dem Hypanis gespro-
chen, setzt er hinzu: Itineribus huc extensis, Amazones adusqueCaspium mare
poriectae circumcolunt Tanain: <]ui inter Caucasias oriens rupes per sinuosos
labitur circumflexus, Asiamque disterminans ab Europa, in stagnis Maeoticis
delitescit. Vgl. XXXI, 2, 16.
Die Geschichte der Amazonen erzählt ei auf folgende Weise:
Er nennt Iris und Pai ihcnius, und fährt dann fort (XXII, 8, 17. 18): der
Thermodon sei in der Nähe, Themiscyraeos interlabens lucos: ad quos Ama-
zones quondam migrare necessitas subegerat talis. Attritis damnorum adsidui-
DJ
täte finitimis, Amazones veteres, quae eos cruentis populabantur incursibus,
altiora spirabant: viresque suas circumspectantes his, quae propinqua saepius
adpetebant, validiores, raptae praecipiti cupiditatis ardore, perruptis nationi-
busfplurimis, manus Atheniensibus intulerunt: acrique concertatione effuse
disjectae, omnes nudatis equitalus sui lateribus corruere. Harum interitu cog-
nito residuae ut imbelles domi relictae, extrema perpessae, vicinitatis eis re-
pensantis similia funestos impetus declinantes, ad pacatiorem sedem transiere
Tbermodontis: quarum progenies longe deinde propagata per numerosam su-
bolem, manu firmissima ad loca reverterat genitalia, sequuto tempore populis
diversarum originum formidabilis.
169) Viele Städte in Kleinasien nahmen für berühmte Tempel daselbst
das Recht des Asyls in Anspruch, und wendeten sich, als man es ihnen we-
gen Missbrauch streitig machte, nach Rom. Die Ephesier führten unter an-
dern an — Tacit. Annal. III, 61. — ipsum illic Apollinem post interfectos
Cyclopas Jovis iram vitavisse ; mox Liberum patrem, bello victorem, supplici-
bus Amazonum, quae .aram insederant, ignovisse. — Die folgenden Capitel
zeigen, in wie vielen Städten Apollo und Artemis verehrt wurden.
170) Pausan. VII, 2.
171) Manche Städte mochten früher angelegt sein, als die Verehrung der
Amazonen dort eingeführt ward, und daraus mögen sich die doppelten Sagen
über die Gründung erklären. Als von jenen Kriegerinnen angelegt nennt man :
Ephesus, Smyrna, Kyme, Myrina, Paphos, Myrlea, (Strab. XI, 505. XII, 550.
XIII, 623) Latoreia bei Ephesus (Athen. 1. I, c. 57. p. 31. Eust. ad II. X,
p- 815) Kynna, einen Flecken bei Heraklea (Steph. v. Kvvva). Man schwankte
aber, ob Smyrna vom Tantalus gegründet sei, oder vom Theseus, oder von
einer Amazone (Tac. Annal. IV, 55). Man sagte auch (Steph. R. v. ~[AVQva),
Tantalus habe es angelegt und damals habe es Naulochus geheissen, später
habe es den Namen Smyrna von einer Amazone erhalten. Ephesus sollte nach
einer Amazone genannt sein, oder man nahm Etymologien zu Hülfe, es mit
ihrer Geschichte in Verbindung zu setzen (vgl. Heraclid. Pont, de pol. p. 455).
Andere, um es uralt erscheinen zu lassen, erklärten, es habe den Namen von
Ephesus, dem Sohn des Kaystros. (Pausan. VII, 2. Etym. m. Steph. R. h. v.
Plin. V, 29). Kynna Hess man so nach einer Amazone heissen, oder nach dem
Kynnas, dem Sohn des Koeos (Steph. R. v. Kvvva). Von Amastris sagte man
(Steph. R. h. v.), es habe seinen Namen von einer Tochter des Oxyathres,
der ein Rruder des Darius war (Strab. XII, 544), oder von einer Amazone
(Steph. R. y^iaoTQig, vgl. ^aa^iov und. die Anmerkung von Holstenius p. 290,
.')0
der richtig u4fiaoigig liest, statt Jäf.tazQig, wie auch der Cod. Paris, hat (die
Ephesische Artemis wird dort verehrt, wie die Münzen zeigen). Eben so
schwankt man bei Myrlea. (Steph. Byz. h. v.)
172) Plut. quaest. graec. LVI.
173) Euphorion sprach auch von grossen Knochen in Samos (Aelian. de
nat. an. XVII, 28), erklärte sie aber für Gebeine grosser Thiere; s. Meineke,
ad Euphor. p. 76. Suid. v. Ntj'l'g.
174) Polyaen. Strateg. I, 1. — Amazonen im Heer des Dionysos. Diod.
Sic. III, 73. Nonnus Dionys. XV, 13. XL, 26. Andere sprachen nur von Frauen,
die mitzogen : so Philochorus ap. Euseb. Chron. ed. Scaliger. p. 31.
175) Bei der Geschichte der Tomyris erwähnen einige die Amazonen,
nach Polyaen. Strat. V11I, 28, durch die lateinische Uebersetzung irre geführt,
der griechische Text hat ro Maooaytjzixov.
176) Schol. Apoll. Bhod. II, 965.
177) Schol. Apoll. Bhod. II, 965.
178) Diod. Sic. III, 53 — 55.
179a) Dieselben Ansichten finden wir in einem Epigramme — Anthol.
vett. lat. epigr. ed. Meyerus T. I. p. 33. n. 704:
Inter Amazonidas, quas insula celsa Tritonis,
Hespera, progenuit, qui me nescire Myrinam
Dixerit, ignarum sese fateatur oportet,
Eximiae laudis Libyamque Asiamque subegi.
180) Diese Sage von den Amazonen ist wahrscheinlich erst in späterer
Zeit entstanden, wie sich aus mancherlei Andeutungen schliessen lässt. Im
Jahr 400 v. Chr. mochte man mehr Nachrichten über die Westküste Libyens
erhalten, wodurch die Aufmerksamkeit erregt ward, die auch nachher auf
jene Gegenden gerichtet blieb; doch gelang es nicht viel Bichtiges zu erfah-
ren. Noch Strabo erklärt (XV11, 829) diese abendliche Küstengegend für das
Land der Fabel und bemerkt: rtkelaza de TiXa.Qf.taza zrj ytißüxfj na^aVia %ft
ixzog TtQoaeifjevoavzo ol avyyqacpeig. Seit Hannos Beisebericht in Griechen-
land bekannt geworden, sprach man von der Insel Kerne im westlichen Ocean.
— vgl. Gosselin Becherch. sur la Geogr. it. T. I, p. 78; — wie mangelhaft
aber die Kunde war, zeigt Strabo, der sagt (I, 47), sie werde von manch en
genannt, aber keiner kenne sie. Hanno machte auch auf Feuer, die dort lo-
dern, aufmerksam. Durch Skylax erfuhr man manches über grosse Seen und
Inseln daselbst.
Die frühere Sage berichtete von einem grossen See Tritonis , an der
57
Nordküste Libyens (cf. Herod. IV, 178. Tzschuck. ad Mel. 1, 7. Vol. III, p. 1,
p. 186), und setzte ihn mit den Argonauten in Verbindung: die spätere ver-
legte ihn aus jener heller gewordenen Gegend nach den unbekannteren. Manches,
was Herodot von Völkern in der Nachbarschaft dieses Sees berichtet, mochte
dazu Anlass geben, auch von Amazonen in Libyen zu sprechen. Oestlich vom
Fluss Triton -wohnen ihm die Machlyes (IV, 178), westlich die Ausees. Die
Jungfrauen beider Völker kämpfen jährlich, einer Gottheit zu Ehren, in ei-
ner Schlacht mit einander, worin viele ihren Tod finden. Weiter gegen Abend
sind die Zauekes (IV, 193), bei denen die Weiber im Kriege die Wagen
lenken.
Um alle weiteren Nachforschungen abzuschneiden, berichtete die Sage
(Diod. Sic. III, 55), dass der See durch ein Erdbeben verschwunden sei, wie
man dasselbe von der Insel Atlantis erzählte.
Sehen wir auf die vorher mitgelheilten Sagen zurück, so finden wir,
dass man die Amazonen nach Euboea gehen Hess (Plut. Thes. 26. 27), eben
so nach Samothrake und Lesbos (Diod. Sic. II, 15), und dass man viele Ge-
genden in Kleinasien als von ihnen bewohnt nannte. Nach Zenothemis (Schob
Apoll. Rhod. II, 965) sollen sie in Aethiopien gelebt haben, von wo aus sie
ihre Züge unternahmen. Nach ihnen daher, oder nach der Artemis, mochte
man in den genannten Inseln und in Vorderasien manche Gegenden Aethio-
pien nennen: Steph. Byz. v. ^dittiörtiov , wo nach naqa "YXXco vielleicht die
Worte rj Eußoiag ausgefallen sind; vgl. Harpocration v. ^dldiömov. Suid.
Hesyeh. v. ^äi&loxp. — Müller Geschichte hellen. Städte u. s, w. I, 119,
Anm. 3, sezt es in zu frühe Zeit, indem er angibt: „Die Inseln Samothrake
und Lesbos heissen mit altem Namen u4ldionla. Hesyeh. ^4i&. Plin. V, 39.
Auf beiden, wie in Kyma und Troas, wohnt die Amazone Myrina, und die
Amazonen sind Aethioperinnen : Schob Apoll. II, 967. Als nun aber Aethio-
pien um Hesiods Zeit ein Land geworden war, wurden auch die Amazonen
daher verjagt; vgl. Dupuis: Mein, de l'Inst. nat. an. 7 Thl. 2, S. 51, wo indess
alles in anderem Sinne zu nehmen ist."
180a) Nachweisungen über bildliche Darstellungen der Amazonen s. bei
Müller, Handbuch der Archäol. der Kunst, S. 663, 99, 107, 109, 139, 635.
181) Herod. IV, 114. Eurip. Hippol. 312- 547. Philostr. Heroic. 19. —
Nach Lysias, Orat. funebr. XXXI, 2, erfanden sie das Reiten. Sie sollen feuer-
schnaubende Pferde gehabt haben, Eust. ad II. II, 402. — Sie opferten weisse
Pferde, Schob Aristoph. Lysistr. 191.
182) Aeschyl. Eumen. 614. Suppl. 301. Pind. Ol. XIII, 125. Nem. III, 64.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 8
58
183) atöviiov. — Lucian. Imagg. ed. Hemsterh. T. II, p. 463, rechnet
zu den gepriesensten Statuen des Phidias zrjvlif.icx^öva srt€Qeiöo/.i£vr]v xü doQarUt).
184) -äyagig. — Diese Art von Beil führten auch andere, so die Saken,
Perser, Mosynoeken, Massageten. Xenoph. Anab. IV, 4, 16. Herod. IV, 5, 70.
VII, 64. Arrian. Exped. Alex. VIII, 13. Hesych. v. cäyaqtg. Suid. h. v. Mon-
ge/ Mein, de l'Inst. IV7. p. 67. Fr. Jacobs Uebers. von Xenoph. über die Reit-
kunst, Anm. p. 202. — Es war eine Art Doppelbeil. Die Römer nennen es
securis, bipennis. Virg. Aen. XI, 651. Ovid. Met. XII, 611; ferrum Amazoni-
ura; Senec. Agam. 735. — Penthesilea wird als Erfinderin genannt, Plin.
VIII, 57. Rhäter und Vindeliker führten ein solches Beil. Hör. Od. IV, 4, 20.
— Herkules gab das Beil, welches er der Hippolyte nahm, der Omphale; es
blieb lange den lydischen Königen: Plut. quaest. gr. XLV.
185) Pausan. X, 31, 3.
186) Der Schild der Amazonen wird niXzrj genannt und manche erklä-
ren ihn für thrakisch (Max. Tyr. Diss. XXIII, c. 2. Hesych. v, Tt&Xztj). Lydus
(de magistrat. I, 11, p. 26 ed. Paris.) bemerkt: die Leute nördlich vom Ister
die nicht zu Fuss kämpften, hätten kleine Schilde, die sie zu Pferde führten,
bei den Römern würden sie parma genannt, bei den Scythen jielzai. Sueto-
nius — Nero 44 — erzählt, Nero habe seine Concubinen ausgerüstet: securibus,
peltisque Amazonicis. — Ueber die Gestalt sagt Pollux,lib. I, 10: nekzrj L4/.ia^ovixrj,
lüq (pi]Oi ÜzEvocpäiv TiccQSOixvZa xizzov nezäkii), Xenophon spricht jedoch nicht
von den Amazonen, sondern führt an, Anab. V, 4, 12, die Mosynoeken hätten
yaoga Xsvxcöu ßoöjv öaoia, elxaof.i£va xizzov nszäXo). Theophrast. Hist.
plant. XII, 5, vergleicht die Pelta mit dem Blatte der Indischen Feige; Plin.
XII, 11, vgl. III, 6 spricht vom Feigenblatt und fügt hinzu, Unteritalien habe
auch diese Gestalt; vgl. Marc. Capeila ed. Kopp VI, 639, p. 521. Dieser kleine
Schild heisst bei Virgil (Aen. I, 490. XI, 662) lunata — Servius sagt: scuta
brevissima in modum lunae jam mediae, — bei Ovid (ex Ponto III, 1, 95)
excisa, Quintus Calaber schildert ihn (I, 143) halbmondförmig und Claudianus
(de raptu Proserp. II, 62) singt:
Qualis Amazonidum peltis exultat aduncis
Pulcra cohors.
Als einen Halbkreis, oder etwas länglich, und von der geraden Seite
ausgeschnitten zeigen ihn auch die Abbildungen der Amazonen.
Mit unrecht gibtDionysius vonHalikarnassus, Hist. rom. II, c. 70. den Saliern
nilzrjv &Qaxiav, und nicht passend ist die Erklärung vom Lydus, de magistrat. 1. 1.:
ayxilia de e£ 'ElXrjvixfjg, Alolix^g orftiaolag, eiqrjvat, uoavd d/.i<pi Isla
(Cod. ä/xcpllia),
59
T« yag TteXzägia zwv l4fiatovcov zoiavza. Plutarch, Numa c. 13, unterscheidet
Ancilia und Pelta. Er scheint, Thes. c. 27, den Amazonenschild für ein
Viereck zu halten und nach solchen Angaben haben Suidas und Phavorinus:
niXzai, Xöyiai xal aonlöia zszqdyiova.
187) Strab. XI, 504 nennt sie Enlxgava, öoovxQava oder neqixQava, Quin-
tus Calaber, I, 145, hat xoqvv und Propertius sagt von der Hippolyte,
IV, 3, 44:
Et texit galea barbara molle Caput.
Nach den Vasengemälden trugen sie eine Mütze von Leder.
188) oxeTiccGfiaza — öia^cöfiaza, Strab. XI, 504. Böttiger, Griech. Va-
sengemälde I, 3, 184.
189) Vgl. Stat. Silv. V, 1, 130. Achill. II, 84. Callimach. H. in Dian. 212.
Propert. III, 14, 13. — Ueber den Gürtel s. vorher Anm. 40; an die Scy-
thische Art ihn umzugürten erinnert auch Martial. Epigr. IX, 102, 5:
Pellatam Scythico discinxit Amazona nodo.
Die Amazonen nannte man ttovoydozgiegnüch Hesychius; vgl. Böttiger, Griech. Va-
sengem. 1, 3, 177. — Dassdie Amazonen als Reiter gehleidet waren, bemerkt Arrian.
Exped. Alex. VII, 17 im Allgemeinen. Curtius sagt, VI, 5, 27: vestis non toto
Amazonum corpori obducitur; nani laeva pars ad pectus est nuda, cetera deinde
velantur; nee tarnen sinus vestis, quem nodo colligunt, infra genua descendit. In
voller Rüstung, nach griechischer Art, erscheinen sie bei Quintus Calaber
I, 140 u. s. w. Tzetz. Posthorn. 58; vrgl. NonnusDionys. XXXVI, 265. XXXVIII,
117. — Demetrius (de elocut. ed. Goeller §. 138. p. 31) theilt folgende
Schilderung mit von einer schlafenden Amazone : zo zo^ov ivzsza/.i€vov
e'xeizo xal rj cpagezga nX^Qtjg , zö yegQOv etci zft xecpaXfj, zovg de Ü,coazrjgag
ov Xvovzai. Er sezt hinzu : ev ydg zovzw xal 6 vöfiog siQt]zat 6 nsql zov
^toozrJQog xal ovx l'Xvae zov tyoozrjga.
Wie Viigil, Aen. XI, 661, die Penthesilea auf einem Wagen in die
Schlacht fahrend schildert, so finden wir auch Amazonen fahrend auf Vasen-
gemälden.
Polygnotus hatte die Penthesilea gemalt, als Jungfrau mit einem Bogen,
der den Scythischen ähnlich war, und mit einem Pardelfell auf der Schulter.
Das Gemälde war in der Lesche zu Delphi. Pausan. X, 31, 3. — Vgl. Nonn.
Dionys. XXXVI, 265. XXXVIII, 117. Quint. Calab. 140, 158.
190) Heroic. c. 19. — Philostratus erzählt, die Amazonen hätten Schiffer
und Schiffsbaumeister, die ein Sturm an ihre Küste warf, gefangen genommen,
an Krippen gebunden und eine Zeit lang gefüttert, um sie an die menschen-
8-
60
fressenden Scythen jenseits des Phasis zu verkaufen. Sie erhielten aber durch
die Verwendung einer Amazone die Freiheit, erzählten von der Insel Leuke
und dem Achilles daselbst, bauten eine Flotte, und die kriegerischen Frauen
unternahmen den ihnen so verderblichen Zug. — Philostratus bemerkt sie
säugten die von ihnen gebornen Mädchen nicht, sondern nährten sie mit
Pferdemilch und dem süssen Thau, der sich wie Honig auf das Rohr auflegt.
Vrgl. Senec. ep. 84. Salmas. ad Solin. pag. 717.
191) c. 17.
192) 1. 1. C 19.
193) Clem. Alex. Strom. V, 1. ed. Potter p. 481. V, 4, p. 59t. Euseb.
Praep. ev. VI, 10. Tertullian. adv. Marcian.i, 1: Hamaxobiis instabilior, Massa-
getis inhumanior, Amazonis audacior.
194) c. 17.
195) Vopisc. Aurel. 34: duetae sunt et decem mulieres, quas virili ha-
bitu pugnantes inter Gothos ceperat, cum multae essent interemtae, quas de
Amazonum genere titulus indicabat.
196) Anm. 146.
197) XXII, 8, 18. XXXI, 12, 16.
198) de raptu Proserp. II, 62:
Qualis Amazonidum peltis exultat aduncis
Pulcra cohoi-s, quoties Arcton populata virago
Hippolyte niveas ducit post proelia turmas ;
Seu ilaveos stravere Getas, seu forte rigentem
Thermodontiaca Tanain fregere securi.
Er nennt den Pontus auch den Amazonischen : in Eutrop. II, 261.
199) Jotnand. de reb. get. c. 5. 7. Freculf. Ab. Ursprng. 1. II. c. 16.
200) Fassen wir kurz zusammen, was Quintus Smyrnaeus, Tryphiodorus,
Coluthus und andere, auch Spatere, über die Amazonen mittheilen, so ist es
Folgendes: Penthesilea ist die Führerin des Heeres, das vom Thermodon
nach Troja aufbrach (vgl. Tzetz. Antehonl. 12, 22. Posthorn. 54). Nach Ei-
nigen hatte sie die Hippolyte erschlagen und musste desshalb das Land ver-
lassen (Diod. Sic. II, 46. Quint. Smyrn. I, 18. Schol. II. III, 189), nach An-
deren trieb kriegerischer Muth die Jungfrauen zu diesem Unternehmen, und
der Führerin Wunsch von einem der Heroen Mutter zu werden (Tzetz.
Posthorn. Tz. ad Lycophr. 1327. Serv. ad Virg. Aeneid. XI, 661; Malalas p.
159. Gedrenus p. 105). Manche geben an , die in den Krieg ziehende Schaar
sei nicht gross gewesen, einige (Dictys Gretens. IV, 2) Hessen bedeutende
Haufen von den benachbarten Völkern zu dem Unternehmen mit aufbrechen.
61
Als sie in die Nähe von Troja kommen, hören sie, dass Hektor gefallen ist,
und Penthesilea will zurückkehren, lä'sst sich aber endlich bewegen zu blei-
ben. Nach einigen Tagen kommt es zur Schlacht, die vier Tage dauert (Tzetz.
Posthorn. 114). Penthesilea mit ihrer Reiterei steht in der Mitte der Schlacht-
reihe, ihr gegenüber befehligt Achilles. Nach mancherlei Vorfällen verwun-
det dieser mit seinem Speer die Penthesilea und reisst sie bei den Haaren
vom Pferde, die anderen Amazonen fliehen. (Abweichend erzählten einige —
Ptol.Hephaest. ap.Phot. p.251,H. — die Königin habe den Achilles erschossen,
auf Bitten seiner Mutter riefen ihn die Götter ins Leben zurück, und er töd-
tete dann seineGegnerin, vgl. Teiles ap.Eust.adOd. A, 538. p. 430 Lips. (III, p. 1696,
ed. Born.). Nach Quintus (JacobsadTzetz.Posthom.20) bestatteten dieTrojaner eh-
renvoll die Penthesilea; anderen zufolge (Dictys Cret. IV, 2) beabsichtigten die
Griechen, den Leichnam in einen Fluss zu werfen und von Hunden zerreis-
sen zu lassen. Einer Sage gemäss stürzt Diomedes sie ins Wasser; verschie-
dene erzählten, Achilles habe sie bestattet (Tryphiodor. 37. Tzetz. Posthorn,
209. Serv. ad Virg. I, 491; vgl. Propert. III, 11, 15. Pausan. V, 11). Manche
nahmen an, (Dio Chrysost. Vol. I, p. 353. Dares Phryg. 36. Anthol. vett. lat.
epigr. ed. Meyer. T. I, p. 233. 705), Neoptolemus, des Achilles Sohn, habe
die Penthesilea erschlagen.
201) B. Goth. IV, 4.
202) I, 1; IV, 4.
203) Dahlmann, Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte, 1, 413.
Turner history of the Anglo-Saxons Vol. II.
204) De situ Daniae c. 228, in Lindenbrog. Scriptt. rer. germ. sept. Hamb.
1706. Fol. pag. 59. 61.
205) De gestis Longobardorum 1, 15. Er lässt die Amazonen in Kampf
mit den Longobarden gerathen; bemerkt aber, dass viele so etwas nicht glaub-
ten : omnibus enim, quibus veteres historiae notae sunt, patet, gentem Amazo-
num longe anteaquam haec fieri potuerunt esse deletam ; nisi forte, quia loca
eadem, ubi haec gesta feruntur, non satis historiographis nota fuerunt, et vix
ab aliquo eorum vulgata sunt, fieri potueril, ut usque ad id tempus hujusce-
modi inibi mulierum genus haberetur. Nam et ego referri a quibusdam audivi,
usque hodie in intimis Germaniae finibus gentem harum existere foemina-
runv — Vgl. Gundlingiana 3 St. S. 273. 6 St. S. 122. Er meint: „die erste
Idee von der Amazonen Tapferkeit haben den Griechen Sarmatische, Gothische,
Teutsche Weiber eingedrückt."
206) Voy. T. I, p. 121.
207) Marco Polo ed. Marsden. Anm. 1319.
208) Klaproth, Mag. Asiat. T. I, p. 23. Bitter, Erdkunde. Asien. Thl. 3. S. 210.
02
209) Rec. gen. des voy. T. V. p. 100. P. Jean de Sunto descr. de l'Ethio-
pie Orientale. — Clapperton, in seiner zweiten Reise, erzählt von einer Leib-
wache eines Königs im Innern Afrikas, die aus jungen berittenen Mädchen bestand.
210) Herrera bist. gen. Dec. VI. Hb. VIII, c. 7. Hb. IX, c. 2.
211) Edinb. Review 1840. April v. 143. p. 30; vrgl. La Condamine relat.
p. 101. Guy, Nachricht vom Lande Guyana. Hamburg 1795. S. 103.
212) Tagebuch der ersten Reise. Th, IL p. 270; v. Humboldt, krit. Un-
tersuchungen über d. histor. Entwickelung der geogr. Kenntnisse von der
Neuen Welt. Th. I, S. 275.
213) Nach H. v. Hammer — in Eöttigers griech. Vasengem. I, 3, 196 —
linden sich über die Amazonen nur Nachrichten in dem persischen Werke:
Adschnibal-Machlukat, der Abschnitt ist überschrieben: „die Weiber derAdi-
ten beim Heere Alexanders."
214) Gewöhnlich die Canaiischen Inseln, s. Herbelot Eibl. or. h. v. H.
v. Hammer meint aber, es müsse auch eine andere Gegend bedeuten. — Ei-
nen inselähnlichen Aufenthalt in Asien gibt ihnen auch Julius Valerius — res
gestae Alex. ed. Majo III, 70— der sie selbst diesen, in einem Rriefe an Ale-
xander, auf folgende Weise schildern lässt: scito igitur primum colere nos
interamnanum a Machonico flumine locum omnem quo consistimus ambitum,
eo fluenle circiter spatio cpjo una sit aditicula eaque vix aecolis nota, qua
septem flumina vel irrumpi oporteat vel emergi: ejusque alvei tanta est dif-
ficultas quanta nos a quibusvis periculis tueatur. Sie nennen das Gebiet, im
Verhällniss zu ihrer Zahl, da ihrer 200,000 sind, nur klein. Jährlich gehen
sie über den Fluss, zu einem Fest, Hippophama genannt, dort treffen sie
Männer und pflegen mit ihnen der Liebe.
Alexander unterscheidet diese Amazonen von denen am Thermodon, da
er in einem Brief an Olympias schreibt: — III, 82. — Dieser Fluss stehe
keinem an Grösse nach und ströme durch ebene und reiche Gegenden in
grosser Fülle. Propter hunc Thermodonta genus Amazonum colit, mulieres
magnitudine corporis ac pulchritudine cetera hominum genera superveetae,
amietae vero ut in picturis est visere unimammas, et omnis hisce ferme amic-
tus est arma vel ferrum. Igitur cum haud proeul Ins ageremus, ipsarum qui-
dem potiri haud facile erat, utrumque nostrum a congressu magnitudine flu-
minis dispertiente. Sed praeter illius agmen bestiae quoque nonnullae aspe-
ritatesque impedimento erant. — At enim comperto illae quod ceterae quo-
que Amazones de nostra amicitia coeptassent, ipsae etiam periculi causam do-
nis a nobis et obsequiis redemerunt. Alexander zieht dann zum rothen
Meer und trifft dort Menschen ohne Köpfe.
63
Berichtigungen.
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\MLoi~(w+.
Zu
JJr. Eätidwlg Schorn's
im XII. Bande dieser Denkschriften 1835 abgedruckter
Abhandlung
über das
römische Denkmal in Igel
bei Trier.
Von
JT. A, HchmeHer*
Mit lithographischer Abbildung.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Alt. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A)
Zu
Dr. Ludwig Schorris
im Xu. Bande dieser Denkschriften 1835 abgedruckter Abhandlung
über das
römische Denkmal in Igel
bei Trier.
Von
«7. A. Schneller.
Mehrern der verehrten CoIIegen ist noch der Vortrag im Ge-
dächtniss, welchen unser seitdem leider hinübergegangenes Mitglied
am 3. December 1831 in ihrer Mitte gehalten hat. Dr. Schorn,
nachdem er die verschiedenen Beschreibungen und Abbildungen die-
ses Denkmals und die Meinungen über dessen Zweck und Bedeu-
tung, die bisher bekannt geworden sind, hinreichend besprochen, hat
seinerseits den Versuch gemacht, die darauf vorkommenden Bild-
werke vollständig zu erklären. Es kommt mir nicht in den Sinn,
auf diesen Versuch selber hier einzugehen, und mich so auf ein Ge-
biet zu versteigen, auf welchem dem Neuling keine Stimme zuste-
hen kann; dagegen hoffe ich nicht ganz unwillkommen zu seyn, wenn
ich die Geschichte der frühem Beschreibungen und Abbildungen
durch die eine oder andere Thatsache, auf welche ich zufällig in
meinem täglichen Beruf gestossen bin, zu ergänzen suche.
Von altern Erwähnungen und mehr oder minder flüchtigen Be-
schreibungen des Monuments fand die eine Wyttenbach in einer
dermal verloren gegangenen Handschrift des XIII. Jahrhunderts, die
68
andere soll in einem auf der Trierer Stadtbibliothek liegenden Co-
dex des angehenden XV. Jahrhunderts, (GestaTrevirorum) enthalten
seyn (s. Schoru's Abhandlung S. 261., wo von der altern Meinung,
„die Igeler Pyramide sey zum Andenken der Ehe des Constantinus
Vhiorus und der Helena errichtet worden," die Rede ist). Die nächste
nach diesen Beschreibungen ist unter den bei Schorn angemerkten
wohl die von Job. Herold aus Höchstätt, der in seinem a. a. 0. S. 263 als
ein seltenes angegebenen Büchlein (welches, im Vorbeigehn gesagt, dieK.
Bibliothek zweimal besitzt, und das ohne Zweifel, wie sein „de
Romanorum in Rhetia littorali stationibus commentariolus, 1555 zu
Basel gedruckt ist) cap. 23. die Meinung ausspricht, das Denkmal
sey zu Ehren des Germanicus und zur Verherrlichung der Ge-
burt des Caligula errichtet, auf dessen künftige Thaten durch die
Bildwerke angespielt werde, so wie nach ihm der Ort auch seinen
Namen Egle erhalten habe. Abraham Ortelius bezieht in seinem
Itinerarium per nonnullas Galliae belgicae partes 1584 Fol. 52 — 53
dieses Denkmal lediglich auf die in der Inschrift genannte Familie.
Nicht zur Hand ist mir das Werk, auf welches Schorn in Be-
treff aller frühern über das fragliche Denkmal aufgestellten Meinun-
gen sich bezieht (Abbildung des römischen Monumentes in Igel, ge-
zeichnet und lithographirt v. Christoph Hawich mit einem erläutern-
den Text v. Matthias Neurohr, Trier 1826 in fol.), auch nicht das
im Jahre 1829 zu Koblenz erschienene (das römische Denkmal in
Igel und seine Bildwerke, mit Rücksicht auf das von Herrn Zumpft
nach dem Original ausgeführte 19 Zoll hohe Modell, beschrieben
und durch Zeichnungen erläutert von Carl Osterwald) ; indessen darf
ich wohl annehmen, Schorn selbst werde wenigstens keine der al-
tem Beschreibungen unerwähnt gelassen haben. Unter dieser Vo-
raussetzung kann ich die Reihe derselben durch ein paar bisher,
wie es scheint, minder beachtete ergänzen, die wahrscheinlich schon
dem zweiten Zehen des XVI. Jahrhunderts angehören.
69
Wenn man bedenkt, welche Feinde ein im Freien stehendes
Denkmal der Art, wenn es auch haus- d. h. über 70 Fuss hoch
und verhältnissmässig breit und tief ist, nicht nur an der Zeit und
den Einflüssen der Witterung, sondern auch an den Menschen und
manchmal gerade an Liebhabern des Alterthums habe (um das Jahr
1570 machte ein Graf Peter Ernst v. Mansfeld den Versuch das
Igelmonument nach Luxeuburg in seinen Garten zu versetzen; im
Jahre 1765 hatte es so sehr gelitten, dass ein Schultheiss zu Ecter-
nach Theodor Lorent, der in einer französischen Notiz über das-
selbe auf Herolds Idee von Caligula zurück kam, von den Luxen-
burgischen Ständen den Auftrag erhielt und ausführte, das Schad-
hafte auszubessern), wenn man dies bedenkt, so müssen Nachrichten
über den Zustand desselben um so höher angeschlagen werden, als
sie älter sind, und als sie namentlich über solche Versetzungs- und
Ausbesserungs-Unfälle zurückreichen.
Die eine dieser Beschreibungen findet sich in einem durchaus
von des berühmten Nürnberger Arztes und Literators Hartmann Scbe-
dels Hand geschriebenen und im Jahre 1505 vollendeten „Liber an-
tiquitatum cum epigrammatibus" (Nr. 716 unter den lateinischen Hand-
schriften der k. .Bibliothek).
Es sind in demselben, ohne Zweifel für spätem Druck, die
Inschriften sehr vieler Bau-, Grab- und anderer Kunstdenkmäler
sowohl Griechenlands und Italiens als auch Deutschlands, die darin
besprochen und zum Theil durch Federzeichnungen dargestellt
werden, zusammengetragen. Zwischen den Blättern 313 u. ,314 hat
er noch in einem der letzten seiner 74 Lebensjahre (er starb 1514)
zwei neue eingefügt mit Notizen, die ihm sein Freund Wilibald
Pirckhamer über Denkmäler in und um Trier mitgetheilt. „Wili-
baldus Pirchameir hec epigrammata collegit in dieta Treuerensi anno
douiini 1512" bemerkt er am Schlüsse derselben. Eine dieser Noti-
zen, die siebente, lautet wie folgt:
In villa Egle longe a Treveri miliare.
Structura antiqua alta et variis imaginibus ornata : »am in
fronte imago est quam aliae duae imagines junctis tenent manibus.
A tergo est zodiacus et in medio solis currus. a lateribus vero tri-
umphi et sacrificia quam plurima. In columnis pueruli nudi. in base
vero imagines una legens et aliae circum stantes. in alto vero aquila
expansis alis super globum stans. Sed imagines ut plurimum tempore
et tempestate exesae sunt, principium vero literarum deletum est.
ceternm quae legi possunt haec sunt:
LI • SECVNDINI SECVRI ET • PV-*)
BLIAE PAGA1A • E • CONIVGI • SE
CVNDINI • AVENTINI • ET • ISACC-
10 • MODESTO • ET • MODESTOM-
ACEDONI FILIO • ET IVSSV . . E • SE-
CVNDINVS AVENTINVS ET SEC-
VNDINI SECVRVS PARENTIBVS.
FF- CVNCTISET
Es galt deshalb nachzusehen, ob in dieses nicht minder be-
rühmten im Jahre 1530 verstorbenen Nürnbergers, (der zwar von
Geburt ein Eichstätter war) eigenen Werken, wenigstens so weit
.sie, durch Goldast gesammelt und im Jahre 1610 herausgegeben, zu-
gänglich sind, nichts der Art finden lasse. In der That liest man hier
S. 93 ein „fragmentum de origine, antiquitate et eversioue atque in-
*) Die Abtheilung der Zeilen ist die der Schedeischen Hs.
stanratione urbis trevirensis descriptum ex mithographo Bilibaldi",
worin es heisst: „Variae juxta Trevirim conspiciuntur antiquitates jn-
ter qoas praecipua est quae in villa Egle adhuc integra permanet,
nisi quautura tenipestatis injuria exesa est. Moles euim in altum
fastigiata undique simulacris ac signis exornata est. In fronte tres
conspiciuntur imagines juuctis astare manibus. Ex qua re accolae
fabulam finxere, Constantinwrn et Helenam illic desponsatos fuisse.
Sed ex literis, quae adhuc ex parte extare videntur, clare depre-
hendi potest, illud Monumentum esse. Ita enim ex literis colligitur
LI. SECVNDINI. SECVRI. ET. PVBLIAE. PA. GAIAE.
CONIVGISECVNDINI.AVENTINI.ET.ISACIO.MODESTO.ET.
MODESTO. MACEDONI. FILIO. ET. IVSV . . . SECVNDINVS.
AVENTINVS. ET. SECVNDINI. SECVRVS. PARENTIBVS. F. F.
CVNCTIS. ET . .
in medio: principium vero penitns abolitnm est. A tergo vero Phae-
tontis currus ac triumphi insculpti sunt, in apice vero aquila expan-
sis constitit alis circulari insistens globo: sed caput longo temporis
decidit aevo. Villam vero ex illa aquila nomen sortitam esse con-
jecturare licet, Galli enim aquilam eglam nominare consueverunt, nee
longum est ex quo euneta a Gallis habitata fuerunt."
Dies wären die beiden, wenigstens von Schorn nicht namhaft
gemachten, altern Beschreibungen, die freilich kurz und oberflächlich
genug sind. Ueberhaupt sind Worte wenig geeignet, von so einzig
auf das Auge berechneten Gegenständen eine hinlänglich befriedi-
gende Vorstellung zu vermitteln. Dazu sind unumgänglich Abbildun-
gen vonnöthen. Dass aber dergleichen von einem Denkmal solcher
Höhe und solches Umfanges, das mit seinen vier Seiten selber eine
Art kleiner Glyptothek von Sculpturen ist, die, wie es scheint, hie
und da nur wenig über das Flache hervortreten, zu fertigen, keine
72
leichte und eine ohne Gerüst kaum ausführbare Arbeit sey, braucht
nicht gesagt zu werden. Scliorn hält das im Jahre 1829 unter sol-
cherlei Vorkehrungen von Herrn Zumpft, Modelleur der Sayner Ei-
senhütte, gemachte Modell (wovon ich einen dem Herrn Geheimen
Rath v. Walther gehörigen Abguss in Eisen, durch Güte dieses un-
sers verehrten Mitgliedes abermals vor Augen stellen kann) und die
v. Osterwald darnach genommene Zeichnung aus innern Gründen
für so getreu, dass man sich, auch ohne die anderthalbtaasendjährige
Vorlage selbst gesehen zu haben, auf dieselben verlassen könne, so
wie er denn auch seiner Abhandlung eine lithographirte Copie der-
selben beigefügt hat. Was aber ältere Kupferstiche, die man davon
besitze, betrifft, so seyen sie alle, was somit auch von dem im
Jahre 1783 durch Dr. Pars gefertigten, von Edw. Booker gestoche-
nen Blatte, welches S. 272 eigens citirt wird, gelten muss, höchst
unvollkommen und oberflächlich. Unter den neuern Abbildungen
scheinen ihm die in Labordes Monumens de la France, 1816 Band
I. Blätter 96 — 99, ebenfalls nur flüchtig gemacht, und so auch die
von Hawich lithographirten v. 1826 zu mangelhaft gezeichnet, als
dass man sie für treu halten könnte.
Aus alledem glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass
unserm seligen Schorn keine über die Zeit der von ihm aus dem
XVI. Jahrhundert citirten Beschreibungen hinaufreichende Abbildung
des Denkmals von Igel bekannt gewesen sey. Denn wäre ihm un-
ter den altern Kupferstichen, von denen er spricht, etwas der Art
vorgekommen, so hätte ers ohne Zweifel, auch abgesehen von der
Treue oder vom Kunstwerthe, schon der Zeit wegen, für wichtig
genug halten müssen, eigens davon zu reden.
Nun gibt es aber eine solche Abbildung als Handzeichnung,
die, wie die Züge der erklärenden Zeilen von denen sie begleitet
ist schliessen lassen, aus den ersten höchstens zwanzig Jahren des
73
XVI. Jahrhunderts herrührt. Sie ist enthalten auf einem grossen
einzelnen Papierbogen, der in die k. Bibliothek aus jener der Jesui-
ten in Augsburg, und in diese ohne Zweifel mit der Sammlung von
Büchern und Handschriften gekommen ist, die der letzte der Peu-
tinger, als Erbschaft vom berühmten Ahnherrn Dr. Conrad f 1547
her, im Jahre 17 IS dem dortigen Collegium vermacht hatte.
Wenn man den lebhaften Verkehr bedenkt, welcher zwischen
den ausgezeichneten um die Wette auf die Reste des Alterthums
ausgehenden Gelehrten, die um jene Zeit sowohl Nürnberg als Augs-
burg unter seine Bürger zählte, gerade einem Hartman Schedel,
Wilibald Pirckhamer, Conrad Peutinger, statt gehabt, so ist kaum
der Gedanke abzuweisen, dass eben bei Gelegenheit des Trierer
Reichstages v. 1512, dem von Nürnberg aus nebst Erasmus Top-
ler auch W. Pirkhamer angewohnt, unsere Zeichnung, vielleicht für,
wo nicht durch diesen selber ausgeführt, au Freunde wie Schedel
und Peutinger mitgetheilt worden, und endlich in des Letztern Samm-
lung geblieben sey. Möchte ich doch sogar aus einer dialektischen
Eigenheit, die sich in den erwähnten Zeilen kund gibt, (dem eyden
statt jeden) den Schluss ziehen, wenigstens der Schreiber, wo nicht
auch der Zeichner, sey ein Nürnberger gewesen. Es bietet nemlich
der Bogen in vier abgesonderten Partien die Ansichten der vier
Seiten des Monumentes, zuerst die zwei breitern, die nach Nord
und die nach Süd, sodann die beiden schmälern, die nach West und
die gegen Osten dar.
Oben zwischen dem einen und dem andern Paar ist in* flüchti-
ger deutscher Cursiv zu lesen:
Der stain ist vierecket vnd ist auff einer eyden seytten besun-
der fiegnren wie dan hie ein wenig v er zeichnet ist. Neben
der Südseite steht: Das ist die vorder seyten do die geschrifft stet,
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 1 0
74
neben der Nordseite: das ist die seytcn hindert gegen der geschrifft.
Oben zwischen den Spitzen des andern Paares ist zu lesen: das
seyndt die zwo neben seyten die eine gegen lutzenburg die ander
gegen frier.
Der bescheidene Ausdruck: wie dan hie ein wenig verzeichnet
ist, gibt den Massstab, nach welchem das Blatt zu beurtheilen seyn
wird. Augenscheinlich enthält es nicht einen ersten unmittelbar am
Platze selbst gemachten Entwurf, der wol ohne Gerüst oder andern
besoudern Apparat und vielleicht auch nicht in lauter für alle Sei-
ten gleich günstigen Tagesstunden gefertigt war, sondern eine spä-
tere mit einer gewissen einiges Spiel eigener Phantasie nicht völlig
ausschliessenden künstlerischen Sorgfalt, glaublich von einer andern
Hand, vorgenommene Ausführung desselben.
Vergleicht man nun diese Zeichnungen, die zwar, da der Bo-
gen lange unter andern als unnütz verworfenen Papieren gelegen
hatte, an ein paar Stellen etwas gelitten haben, im Ganzen aber
noch ziemlich gut erhalten sind, mit den spätem Darstellungen bei
Laborde und mit den von Zumpft und Osterwald gelieferten und
hauptsächlich mit dem Modelle, so wird man gestehen, dass mit Aus-
nahme eines freilich wesentlichen Dinges, worüber nachher die Rede
seyn soll, das was in den neuem Bildern deutlich ausgedrückt ist,
so ziemlich auch in diesen altern vorkommt, die dagegen manches
enthalten, was in jenen als zur Zeit nicht mehr vorhanden oder
nicht mehr erkennbar natürlich hatte wegbleiben müssen.
Dieser Umstand darf, wie mir scheint, dem ursprünglichen Zeich-
ner das Vorurtheil zuwenden, dass er bei seiner Arbeit nicht so
ganz obenhin verfahren sey, sondern so weit sein Auge trug, nur
was er sah oder zu sehen glaubte, gegeben habe, und dass nament-
lich die vier nackten Figuren (Genien ?) die nach ihm über den vier
75
Ecken der Attica auf würfelförmigen Vorsprüngen als Akroterien
stehen, und die man über diesen Vorsprüngen auf den spätem Abbil-
dungen vergebens sucht, nicht etwa eine müssige blos von ihm be-
liebte Zuthat seyen. Die „pueruli nudi in columnis" der Pirkhei-
nerischen Beschreibung werden wol nicht auf diese Akroterien son-
dern auf die Relief-Figuren gehen, die an den Eck-Pilastern sicht-
bar sind. Jedenfalls waren solche freistehende Statuen*) am mei-
sten der Gefahr ausgesetzt heruntergenommen und anderwärts ver-
wendet, wo nicht aus Muthwillen zerstört zu werden. Viel minder
begreiflich scheint der Umstand, dass ganz zu oberst einer der vor
andern ins Auge fallenden Bestandtheile, der auch in beiden Be-
schreibungen ausdrücklich genannte Adler (aquila expansis alis su-
per globum stans), von welchem sogar die spätem Abbildungen we-
nigstens noch die Flügel zeigen , in unserm alten Bilde gänz-
lich fehlt.
Etwas, das dem Kunstwerke so sehr zur Zierde gereichen
musste, eigenmächtig wegzulassen, dazu konnte der Zeichner doch
unmöglich einen Grund haben. Wäre es vielleicht zur Zeit, als er
zur Stelle war, nur zufällig abgenommen gewesen, da diesem merk-
würdigen Reste des heidnischen Alter thums, über dessen vergleichs-
weise gute Erhaltung durch so viele zerstörende Jahrhunderte und
so hoch im Norden, selbst wenn er für christlich gegolten hätte,
man sich mit Recht wundern darf, wol schon zu jener Zeit mitun-
ter auch eine pflegende, ausbessernde und so notwendiger Weise
manches verändernde Hand nicht gefehlt zu haben scheint/"""5) Wenn
*) Auch Franz Kugler in Chr. W. Schmidts Baudenkmalen um Trier. 1845.
2tes Heft S. 98 setzt dergleichen Akroterien voraus.
**) An vielen Stellen sind neue Steine zur Ausbesserung des Schadhaften
eingesetzt, ja neu gemeisselt, sagt Kugler a. a. O. S. 97. 103. 107.
112. 114.
10*
70
die neuesten Heraasgeber der Gesta Treviroruin, Trier 1838 3r Bd.
S. 291, bei Gelegenheit des im Jahre 1769 erschienenen oben er-
wähnten Werkes von Lorent behaupten, der in dessen Abbildung oben
aufgesetzte vermeintliche Adler sey ein verstümmelter Genius (For-
tuna familiae Secundinorum), der auf einer Kugel ruht, wie man denn
neuerlich in der Nähe dieses Mausoleums wirklich den Kopf eines
Genius gefunden habe, so wird diese Behauptung gegen die klaren
Worte der obigen Beschreibung kaum Stand halten können, es
müsste denn Schorns Ansicht dazwischen treten, der über der Ku-
gel den Ueberrest einer jugendlichen mit etwas Gewand bekleideten
Figur zu erkennen vermag, die von einem Adler, dessen ausgebrei-
tete Flügel noch übrig sind, um die Hüfte gefasst und empor ge-
tragen werde, und die ohne Zweifel ein Ganymed gewesen sey und
symbolisch auf den frühen Tod der im Denkmal gefeierten Personen,
sodann auf die von den Göttern geliebte unvergängliche Jugend des
im Denkmal verewigten Geschlechtes hingedeutet habe. Der Adler
könne zugleich als eine Erinnerung an Aquileja, dem nach einer
Inschrift bei Gruter I. p. XXXVI. 15 vermutheten Stammort der
Seeundini genommen werden.
Die Kugel hält Schorn für ein Sinnbild der Erde, die Halb-
karyatiden, auf denen sie ruht, und welche in der alten Abbildung,
nicht so in der neuen, Kronen tragen, für ein solches des Wassers,
und die schlangenfüssigen Gestalten an den Ecken des Kapitells,
das auf der halsförmigen, in der alten Abbildung noch ganz ge-
schuppten Pyramide liegt, nimmt er für Giganten, als Ausdruck des
Feuers, so dass von da an aufwärts bis zum Adler alle vier Ele-
mente versinnbildlicht wären.
Auf den vier Giebelfeldern sieht er die vier Tageszeiten sym-
bolisch angedeutet. Wenn indessen, was an der am meisten ver-
waschenen Wetterseite hier die Neuem erkannt haben (ein Mann
77
— Mars — der mit Schild und Speer zu einer sitzenden Nymphe
tritt), das Richtige ist, so hat der alte Zeichner bedeutend falsch
gesehen.**)
Was die Hauptfelder des Cippus betrifft, so stimmt die obere
Abtheilung des östlichen so ziemlich zu Schorn's Erklärung, dass
sie die Geburt des Hercules darstelle, wobei der alte Zeichner nur
das von der Ilitbya etwas barbarisch angefasste Kindlein übersehen
hätte, das übrigens auch in A. Wiltheims (zwischen 1630 u. 1694
genommenen) Abzeichnung nicht zu erkennen und auch in jüngster
Zeit von Kugler (a. a. 0. 124) nicht wahrgenommen ist. In der un-
tern Abtheilung dieses Feldes gewährt das alte Bild noch deutlich
eine Gruppe von drei Figuren, während in neuerer Zeit nur noch
ein Kopf mit einem rechten Arme sichtbar ist.
Der Inhalt des westlichen Hauptfeldes , auf welchem unser
Archäolog in einer obern Abtheilung den Kampf des Hercules mit
der lernäischen Hydra, in einer untern die Erbeutung der hesperi-
schen Aepfel zu erkennen glaubt, stellt sich in der alten Zeichnung
durchaus anders dar. Dieses Feld ist nicht wagrecht, sondern von
oben nach unten in zwei Bilder, das eine mit zwei, das andere mit
vier Figuren, getheilt, deren eine einer andern auf den Schultern
sitzt, während eine derselben in der That mit einer Doppelschlange
zu kämpfen scheint.
*) In diesem Relief war vielleicht wegen der Höhe und wegen der Aus-
ladungen um das Giebelfeld bei gerade ungünstiger Tageszeit das Ein-
zelne schwerer zu unterscheiden; indessen wird von Kugler a. a. O. be-
merkt, dass gerade dieses Relief vortrefflich gearbeitet sey und sich
(also trotz des Wetterschlages) vor allen übrigen durch gute Erhal-
tung auszeichne. Neuere Zuthat?
78
Auf der gegen den Berghang gerichteten und am hesten erhal-
tenen Nordseite sieht Schorn endlich die Apotheose oder Himmel-
fahrt seines Heros. Während der alte Zeichner hier richtig eben-
falls den Thierkreis, und an den Ecken die vier Winde andeutet,
setzt er zwischen die auf dem Wagen fahrende und die ihr aus
den Wolken entgegenkommende Figur, beide geflügelt, noch eine
dritte , welcher von der zweiten ein Apfel gereicht zu werden
scheint.
Auf dem Dedicationsrelief endlich, welches an der Mittags-
oder Hauptseite über der Inschrift angebracht ist, zeigt die alte
Abbildung noch vollständig die drei Figuren, wovon die mittlere der
ihr zur Linken stehenden die Hand reicht, selbst aber von der zur
Rechten an der Schulter berührt wird. Der Raum für die Inschrift
ist leer gelassen.*)
Dagegen finden sich unter demselben am Würfel deutlich die
Figuren, „una legens et aliae circumstantes," wie die Beschreibung
sagt, nemlich eine sitzend und vortragend und zwölf andere an
zwei Tischen dastehend ausgedrückt. Schorn sieht hier zwei Ster-
bende und die feierliche Aufnahme ihres Testamentes.
*) Von dieser hatte zwischen den Jahren 1630 und 1694 P. Alex. Wilt-
heim noch gelesen:
D. T. SECVNdino. Securo et. VOCAtiae. M.
conjugi eius et Securo AventiNO
hüls SECVND1NI. SECVRI. ET PVBLIAE PA
GATAE. CONIVGI. SECVNDINI. AVENTINI. ET. L. SAC
CIO. MODESTO. ET. MODESTIO. MÄCEDONI. FILiO. EI
VS. I. SECVNDINVS. AVENTINVS. ET. SECVNDI
NIVS. SECVRVS. PARENTIBVS. DEFVNCTIS. ET
SIbl. YTVT • • * • FECERVNT.
79
Der Würfel der Nordseite enthält nach unserer alten Zeich-
nung deutlich vier Figuren, zu ihren Füssen einen dreigeschwänz-
ten Drachen, auf welchen sie mit Speeren oder Stangen zu stossen
scheinen. Schorn dachte sich die jetzt noch übrigen Spuren dieser
Darstellung als die eines Kampfes des Achilles mit Simois und
Skamandros den Flüssen.
Das Relief am Würfel der Abendseite ein von Maulthieren ge-
zogenes vierrädriges Plaustrum {ß^a'^a), das mit Waaren beladen
aus einem Thore jVs Freie gelenkt wird, ist in der neuen wie in
der alten Darstellung gleich deutlich.
Ebenso ist was sich sowohl am Fries als an der Attica jeder
Seite, nach Schorns Deutung in Bezug auf die Gewerbs- und Han-
delstätigkeit der Secundinischen Familie, abgebildet findet, in der
alten Auffassung so ziemlich mit der neuern übereinstimmend, nur
dass in jeuer manches mit Grund oder Ungruud bestimmter gehalten
erscheint.
Von den Reliefen an den Sokeln hat der alte Zeichner gänz-
lich Umgang genommen.
Da dieses merkwürdige „Monumentum Eglense Secundinornm"
welches vor Wiltheim's Luciliburgensia Ausg. v. 1842 „cis-alpino-
runi princeps" genannt ist, hoffentlich noch fernere Jahrhunderte
stehen, und wie schon dem einfachen Wanderer der die Heerstrasse
vorbeizieht, so auch manchem andern gelehrten Archäologen noch
zu denken geben wird, hat es mir nicht unpassend geschienen, der
eingangs erwähnten Abhandlung unsers seligen Collegen diese kur-
zen Notizen, besonders die über eine frühere, unter den jetzt be-
kannten wahrscheinlich die älteste, Abbildung desselben, sey sie
auch nicht blos in dem Sinne, in welchem ihr Urheber den Ausdruck
gebraucht hat, ein wenig verzeichnet, bei solchem Anlasse nachzusenden.
Über
die Bücher des Königs Numa.
Ein
Beitrag zur Religionsphilosophie
von
Ernst vonldustmlüc.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A.) 11
Über
die Bücher des Königs Numa.
Von
Ernst von Lasanlx.
So oft mir beim Studium der römischen Literaturgeschichte die
merkwürdigen Zeugnisse alter Schriftsteller über die Bücher des
Königs Numa begegueten, hat es mich stets befremdet, wie wegwer-
fend von neueren Gelehrten dieser Gegenstand behandelt wird1. Ich
*) Rernhardys Grundriss der römischen Litteratur p. 73: ein weitläufiges
Machwerk, vorgeblich des Königs Numa, das man im Jahre 571 auffand,
wurde sogleich als untergeschoben erkannt und vernichtet. Ebenso urtheilt
Puchta in seinem Cursus der Institutionen I, 121: dass der Entdeckung eine
Mystification zu Grunde gelegen, durch welche die, von denen der Schatz
fabricirt und zur Auffindung hingelegt war, auf Volk und Staat hätten einwir-
ken wollen, und dass die Sache wahrscheinlich mit der einige Jahre vorher
entdeckten bacchanalischen Verschwörung zusammengehangen habe. Noch
abenteuerlicher will Härtung in seiner Religion der Römer I, 215: in der
zufälligen Auffindung und Verbrennung des kostbaren Fundes die Züge jener
Sagenbildung erkennen, aus welcher die Erzählung von den Sibyllinischen
Prophezeiungen und der Mythus von dem Etruskischen Tages hervorgegan-
gen seien, dergestalt, dass sogar der Name des Schreibers Terentius oder
Tarutius identisch sei mit Tarquinius oder Tarchun ! Desgleichen Grotefend,
zur Geographie und Geschichte von Altitalien III, 5: die Art und Weise, wie
man schon im J. 180 vor Chr. dem Numa Pompilius allerlei Schriften unter-
11*
84
dachte an ein bekanntes Wort Lichtenbergs2, und beschloss die
Sache zu untersuchen. Die Untersuchung selbst und ihr Ergebnis
siud folgende.
Der altrömische Annalist L. Cassius Hemina erzählte im vierten
Buche seiner Jahrbücher also: Unter den Consuln P.Cornelius Ce-
thegus und M. Baebius Tamphilus (im Jahre der Stadt 573) habe
der Schreiber Cn. Terentius beim umgraben seines Ackers am Ja-
niculum den Sarg des Königs Numa gefunden und in demselben auf
Papier geschriebene Bücher, mit Cedernöl getränkt und in Wachs-
schnüre eingewickelt. Der Inhalt der Bücher sei Pythagorisch ge-
wesen, und der Praetor Q. Petilius habe sie verbrennen lassen, weil
sie eben Philosophie enthalten hätten. Aus den übrigen Annalisten
notirt Plinius3 einige nähere zum Theil abweichende Angaben:
schob, gibt uns ein Recht (!), an der Echtheit der Senats- und Volksbeschlüsse
und anderer Urkunden, welche nach Suetoniu9 Vesp. 8 fast bis zum Ursprünge
der Stadt hinaufreichten, eben so sehr zu zweifeln, als an dem noch höheren
Alterthume der Sibyllinischen Bücher. Relativ besonnener Bährs Bömische
Litteraturgeschichte II, 11: was man von Schriften des Numa Pompilius er-
wähnt, ermangelt der historischen Grundlage. Die bei Bahr angeführte Dis-
sertation von Gh. G. Joecher de Numae Pompilii libris, Lips. 1755 habe ich
mir leider nicht verschaffen können; ich kann aber kaum glauben, dass ein
so nüchterer Gelehrter wie Joecher auf Grund einer selbständigen Untersu-
chung sich gegen die Echtheit der Bücher Numas erklärt haben sollte.
2) Lichtenbergs Vermischte Schriften II, 305. — 3) Plinius XIII, 13: Cassius
Hemina, vetustissimus auctor annalium, quarto eorum libro prodidit, Cn.Teren-
tium scribam agrum suum in Janiculo repastinantem offendisse arcam, in qua
Numa, qui Romae regnavit, situs fuisset. In eadem libros eius repertos P. Cor-
nelio L. F. Cethego, M. Baebio Q. F. Tamphilo Coss. ad quos a regno Nu-
mae colliguntur anni DXXXV, et hos fuisse e charta, maiore etiamnum mira-
culo, quod tot infossi duraverunt annis, quaproptor in re tanta ipsius Hemi-
nae verba ponam. Mirabantur alii quomodo illi libri durare potuissent, ille
ita rationem reddebat: lapidem fuisse quadratum circiter in media arca vinc-
tum candelis quoquoversus. in eo lapide insuper libros impositos fuisse; prop-
85
L. Calpurnius Piso erzähle, sieben der genannten Bücher hätten von
dem oberpriesterlichen Rechte gehandelt, sieben andere seien Py-
thagorischen Inhaltes gewesen; C. Seinpronius Taditanus gebe an,
die Bücher hätten die Verordnungen Numas enthalten; Q. Valerius
Antias spreche von zwei Lateinisch geschriebenen Pontificalbüchern
und von eben so vielen Griechisch geschriebenen Büchern philo-
sophischen Inhaltes,
Aus den Werken des gelehrtesten aller Römischen Altertums-
forscher, des M. Terentius Varro, hat uns Aurelius Augustinus4
folgende Nachricht erhalten: Ein gewisser Terentius habe ein Grund-
stück am Janiculum besessen ; dort habe der Pflüger, als er nahe
dem Grabe des Numa Pompilius den Pflug führte, aus der Erde die
Bücher des Königs ausgeackert, in denen die Gründe seiner gottes-
dienstlichen Anordnungen aufgeschrieben waren. Terentius habe
diese Bücher zu dem städtischen Praetor Petilius getragen, und
dieser, als er den Hauptinhalt eingesehen, die Sache für so wichtig
terea arbitrari eos non computruisse. et libros citratos fuisse; propterea arbi-
trarier tineas non tetigisse. In his libris scripta erant pbilosophiae Pytbago-
ricae; eosque combustos a Q. Petilio praetore, quia philosopbiae scripta es-
sent. Hoc idem tradit L. Piso Censorius primo commentariorum; sed libros
septem juris pontificii totidemque Pythagoricos fuisse ; Tuditanus decimo ter-
tio, Numae decretorum fuisse; ipse Varro Humanarum antiquitatum sexto, An-
tias secundo, duos pontificales Latinos, totidem Graecos praecepta philosophiae
continentes. idem tertio ponit, quo comburi eos placuerit.
4) Augustinus de C. D. VII, 34: apudVarronemlegiturinlibro decultudeorum:
Terentius quidam, cum haberet ad Janiculum fundum et bubulcus eius juxta sepul-
crumNumaePompilii trajiciensaratrum eruisset e terra libros eius ubi sacrorum
institutorum scriptae erant causae, in Urbem pertulit ad praetorem. At ille
cum inspexisset principia rem tantam detulit ad senatum, ubi cum primores
quasdam causas legissent, cur quidque in sacris fuerit institutum, Numae mor-
tuo senatus assensus est, eosque libros tanquam religiosi patres conscripti,
praetor ut combureret, censuerunt.
86
gehalten, dass er sie dem Senate vorgelegt ; und da hätte, nachdem
die Vornehmsten einige der Gründe gelesen, warum ein jegliches
im Gottesdienste angeordnet sei, der Senat mit seinem Urtheile dem
verstorbenen Numa beigestimmt, und es hätten die Väter als fromme
Männer beschlossen, dass der Praetor diese Bücher verbrennen solle.
Am ausführlichsten erzählt die Sache Livius folgendermassen5:
In diesem Jahre, sagt er (unter dem Consulate des P. Cornelius
Cethegus und des M. Baebius Tamphilus im J. d. St. 573) sind auf
dem Acker des Schreibers L. Petillius unten am Janiculum, als die
Feldarbeiter die Erde tiefer aufgruben, zwei steinerne Särge ge-
funden worden, acht Fuss ohngefähr ein jeder lang und vier Fuss
breit, die Deckel mit Blei fest verschlossen. Beide Särge hatten
eine Lateinische und eine Griechische Iuschrift, zu Folge welcher
in dem einen Numa Pompilius, des Pompo Sohn, König der Römer
begraben, in dem andern die Bücher des Numa enthalten waren.
Als auf den Wunsch seiner Freunde der Besitzer die Särge geöff-
net, habe man den einen, in welchem nach der Aufschrift der König
begraben lag, leer gefunden, ohne alle Spur eines menschlichen Kör-
pers oder sonst einer Sache, weil durch die Verwesung in so vie-
len Jahren alles verschwunden war; in dem andern aber enthielten
zwei Pakete in Wachsschnüre eingewickelt je sieben Bücher, die
nicht nur unversehrt sondern wie neu aussahen. Die sieben Latei-
nischen handelten von dem oberpriesterlichcn Rechte, die sieben Grie-
chischen von der Lehre der Weisheit, wie sie nemlich in jenen
Zeiten sein konnte. Valerius Antias setzt hinzu, sie seien Pytha-
gorische gewesen, indem er sich durch diese wahrscheinliche Lüge
der gewöhnlichen Meinung anbequemte, wonach Numa ein Zuhörer
des Pythagoras gewesen sein soll6. Zuerst nun sind die Bücher
von den Freunden die zugegen waren gelesen worden; darauf, als
') Livius XL, 29. ") in altera duo fasces candelis involuti septenos
87
sie durch die mehreren Leser bekannt worden, nahm dieselben, neu-
gierig sie zu lesen, der städtische Praetor Q. Petillios. Es bestand
nemlich ein befreundetes Verhältniss zwischen ihnen, da Q. Petillios
als Schatzmeister jenen in die Decorie der Schreiber aufgenommen
hatte. Als aber der Praetor nach Durchsicht des Hauptinhaltes der
Bücher wahrgenommen, dass sie geeignet seien den bestehenden Reli-
gionscultus grossentheils aufzulösen, sagte er dem L.Petillius: er werde
diese Bücher ins Feuer werfen; ehe er jedoch dieses thue, wolle er
ihm überlassen, von jedem Rechtsmittel Gebrauch zu machen, wo-
durch er sich die Bücher wieder verschaffen zu können glaube; er
könne das unbeschadet ihrer Freundschaft thun 7. Da wandte sich
der Schreiber an die Volkstribunen; die Tribunen aber überwiesen
die Sache dem Senate. Der Praetor versicherte, er sei bereit ei-
nen Eidschwur zu leisten, dass diese Bücher nicht gelesen und auf-
bewahrt werden dürften8. Darauf erklärte der Senat, es sei hin-
reichend, dass sich der Praetor zu dem Eide erbiete; die Bücher
müsse man alsobald auf dem Comitium verbrennen; der Preis der
Bücher, so hoch ihn der Praetor und die Mehrzahl der Volkstribu-
nen bestimmen würden, sollte dem Eigentümer ausgezahlt werden.
Der Schreiber nahm das Geld nicht an. Die Bücher wurden auf
dem Comitium in einem von den Opferdienern angezündeten Feuer
vor den Augen des Volkes verbrannt9.
habuere libros, non integros modo sed recentissima specie. septem Latini
de jure pontificio erant, septem Graeci de disciplina sapientiae, quae illius
aetatis esse potuit. Adjicit Antias Valerius Pythagoricos fuisse, vulgatae opi-
nioni, qua creditur Pythagorae auditorem fuisse Numam, mendacio pro-
babili adcommodata fide. <
7) Lectis rerum summis quum animadvertisset pleraque dissolven-
darum religionum esse, L. Petillio dixit : sese eos libros in ignem con-
jecturum esse, prius quam id faceret , se ei permittere uti si quod
seu jus seu auxilium se habere ad eos libros repetendos existimaref,
experiretur : id integra sua gratia eum facturum. *) Praetor se jusju-
randum dare paratum esse ajebat, libros eos legi servarique non oportere.
9) Libri in comitio, igne a victimariis facto, in conspectu populi cremati sunt.
8S
Nach dem Vorbilde des Livius, den er augenscheinlich vor
sich hatte, aber in einem Punkte von ihm abweichend, erzählt Va-
lerius Maximus in seiner Beispielsammlung altrömischer Frömmigkeit
dieselbe Sache also10: Auch uuter den Consuln P. Cornelius und
Baebius Tamphilus bewiesen unsere Vorfahren ihre grosse Sorgfalt
für Erhaltung der Religion. Auf dem Acker des Schreibers L. Pe-
tillius unten am Janiculum fanden die Erdarbeiter, als sie das Feld
tiefer aufgruben, zwei steinerne Särge, deren einer der Aufschrift
zufolge den Leib der Numa Pompilius in sich barg, der andere die
Bücher desselben: sieben Lateinische über das oberpriesterliche Recht
und eben so viele Griechische über die Lehre der Weisheit. Die
Lateinischen Hessen sie mit grosser Sorgfalt aufbewahren; die Grie-
chischen aber, weil man glaubte dass sie theilweise die Religion
auflösen könnten, liess der städtische Praetor Q. Petillius auf das
Gutachten des Senates in einem durch die Opferdiener angezündeten
Feuer im Angesichte des Volkes verbrennen. Denn die Alten woll-
ten nicht dass man irgend etwas in der Stadt aufbewahre, wodurch
die Gemüther der Menschen von der Verehrung der Götter abge-
zogen werden könnten11.
Bei Plutarchus im Leben des Numa lesen wir i 2 : Numa selbst
habe verboten seine Leiche zu verbrennen; man habe daruui zwei
steinerne Särge gemacht und diese am Fusse des Janiculum einge-
senkt: der eine habe den Leichnam enthalten, der andere die hei-
ligen Bücher des Königs, welche er selbst geschrieben wie die Hel-
lenischen Gesetzgeber ihre Tafeln. Gelehrt nemlich habe er das
10) Valerius Maximus I, 1, 12. J1) Latinos magna diligentia adservandos cura-
verunt; Graecos quia aliqua ex parte ad solvendam religionem pertinere exi-
stimabantur, Q. Petillius praetor urbanus ex auctorüate senatus per victima-
rios igne facto in conspectu populi cremavit. Noluerunt enira prisci viri quic-
quam in hac adservari civitate quo animi hominum a deorum cultu avoca-
rentur. ,2j Plutarchus v. Numae 22 p. 74, C.
89
Geschriebene die Priester noch während seines Lebens, und ihnen
die Beschaffenheit und den Sinn von allem lebendig eingeprägt;
begraben aber solle man die heiligen Bücher mit seiner Leiche da-
rum, weil durch todte Buchstaben Geheimnisse nicht gut gehütet
würden. Aus welchem Grunde auch die Pytliagoräer wie man sagt
ihre Lehren nicht in Schrift niederlegten, sondern ungeschrieben den
Würdigen mittheilten, auf dass sie derselben eingedenk wären und
dadurch erzogen würden . . Die dem Antias folgen erzählen, es
seien zwölf Pontificalbücher und zwölf andere philosophische in Hel-
lenischer Sprache in den Sarg gelegt worden. Ohngefähr nach vier-
hundert Jahren, unter den Consuln P. Cornelius und M. Baebius,
wurden die Särge in Folge grosser Regengüsse, die den Grabhügel
ringsum abgerissen, herausgespült, und als die Deckel herabgefallen,
sah man den einen ganz leer ohne irgend ein Ueberbleibsel des
Körpers; in dem andern aber wurden die Schriften gefunden, von
dem damaligen Praetor Petilius anerkannt und vor den Senat ge-
bracht; und hier erklärte er, es scheine ihm unerlaubt und sündhaft,
die Schriften der Menge bekannt werden zu lassen: wesshalb dann
die Bücher auf das Comitium gebracht und dort verbrannt wurden 13,
Eine sehr ungenaue Erzählung derselben Thatsache begegnet uns
bei Lactantius, der was er über die Einrichtungen Numas überhaupt
bei Cicero14, und über die Wiederfindung seiner Bücher bei Va-
lerius Maximus gelesen, nach der Weise seiner Polemik folgender-
massen entstellt hat 1 5 : Der Urheber und Anordner des Römischen
Aberglaubens, jener Sabinische König, habe um die rohen Gemüther
desto fester zu umstricken, seine Sazungeu für die der Göttin Egeria
13) p- 74, F; ev de zfj eveocc zcjv yQafXf.täzu)v evqed-evtiov avayvcovai uev
avza Xeyezai IleiiXiog oiqanqyüiv zöce, nqng de zrv avyxXrjzov xo/.iloai,
/j.tj doxelv auvoj i^eßtcov eivat, /.irjde oainv £'ktvvovcc zolg noXXolg zä yeyQa/.i-
fxeva ysvea&ar du) xal xoj.uo (&eloag eig zb xnulviov zag ßißXovg xazaxctrjvca.
,4) Cicero de Rep. II, 14. 15) Lactantius I, 22.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Alt. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 12
90
ausgegeben, mit welcher er nächtliche Zusammenkünfte habe; wie
vor ihm der schlaue Minos seine Geseze von Zeus empfangen zu
haben behauptete; und dergleichen Dinge den altrömischen Hirten
aufzubinden sei nicht schwer gewesen. So habe er die Priesterthü-
mer der Pontifices, Flamines, Salii und Augures geschaffen, die Götter
nach Familien eingetheilr, den wilden Sinn des Volkes gesänftigt
und vom Kriegshandwerk den Künsten des Friedens zugewendet.
Doch indem er andere täusche, habe er sich selbst nicht getäuscht.
Denn nach vielen Jahren, unter den Consuln Cornelius und Baebius,
seien auf dem Acker des Schreibers Petilius unten am Janieuluni
zwei steinerne Särge von den Erdarbeitern wiedergefunden wor-
den, in deren einem der Leib des Numa gewesen, im andern sieben
Lateinische Bücher über das oberpriesterliche Recht, und eben so
viele Griechische über die Lehre der Weisheit: welche nicht nur
die von ihm selbst gestiftete, sondern überhaupt alle Religion völlig
zerstört hätten. Die Sache sei darum an den Senat gebracht und
von diesem befohlen worden, dass die Bücher vernichtet würden;
und so habe dann der städtische Praetor Q. Petilius dieselben in
der Volksversammlung verbrannt; was freilich eine Thorheit gewe-
sen sei, da die Ursache ihrer Verbrennung, weil sie nemlich den
Religionscultus auflösen würden, doch offenkundig geworden sei.
Alle damaligen Senatoren seien also Tölpel gewesen.16
16) Scd quum alios falleret, scipsum tarnen non fefellit. Nam post an-
nos plurimos Cornelio et Baebio coss. in agro scribae Petilii sub Janiculo
arcae duae Iapideae sunt repertae a fossoribus : quarum in altera corpus
Numae fuit, in altera Septem Latini libri de jure pontificio, item Graeci toti-
dem de disciplina sapientiae scripti: quibus religiones non eas modo quas
ipse instituerat, sed omnes praeterea dissolvit. Qua re ad senatum delata de-
cretum est, ut hi libri abolerentur. ita eosQ. Petilius praetor urbanus concione
populi concremavit. insipienter id quidem, quid enim profuit libros esse com-
bustos, quum hoc ipsum, quod sunt ideo combusti quia religionibus deroga-
bant, memoriae sit traditum. Nemo ergo tunc in senatu non stultissimus.
91
Die lezte kurze Notiz über diese Bücher, aus der Varronischen
wie es scheint gemacht, findet sich bei S. Aurelius Victor: Numa
an einer Krankheit gestorben sei auf dem Janiculum begraben, wo
nach vielen Jahren ein Kästchen mit Büchern von einem gewissen
Terentius ausgeackert worden; welche Bücher, weil sie für religiöse
Gebräuche einige leichte Gründe namhaft machten, nach dem Gutachten
des Senates verbrannt worden seien.17
Dass diese sieben verschiedenen Erzählungen derselben That-
sache einzelne Widersprüche enthalten, ist ebenso unleugbar als dass
sie in der Hauptsache übereinstimmen. Einige der abweichenden
Nachrichten ergänzen sich gegenseitig, andere scheinbare Wider-
sprüche verschwinden bei näherer Betrachtung oder lassen sich ge-
nügend erklären; alle Angaben in Uebereinstimmung zu bringen ist
unmöglich, so unmöglich als eine vollkommene Harmonie der apo-
stolischen Evangelien. Es giebt kaum zwei Menschen welche die-
selbe Sache sehend sie auf dieselbe Weise schildern; geschweige
dass sieben fast in eben so vielen Jahrhunderten lebende Schrift-
steller, welche ganz verschiedene schriftstellerische Zwecke verfolg-
ten, ein Ereignis, das möglicher Weise kaum einer von ihnen mit-
erlebt haben konnte, völlig übereinstimmend erzählen sollten.
Ebenso verkehrt urtheilt Augustinus C. D. VII, 34. 35 wenn er meint, der
Senat habe jene Bücher Numas als gottlose verbrennen lassen: illos libros
tarn perniciosus esse judicavit, ut juberet flammis aboleri nefanda monumental
17) S. Aurelius Victor de viris iliuslribus 3: morbo solutus in Janiculo se-
pultus est, ubi post multos annos arcula cum libris a Terentio (AI. Tarentio s. Ta-
rentino) quodam exarata; qui libri, quia leves quasdam sacrorum causas con-
tinebant, ex auctoritate patium cremati sunt. — Eine der Zeit nach noch spä-
tere kurze Notiz über die Wiederfindung der Biicber des Numa steht bei Fe-
stus p. 173, 27; doch lässt sich daraus wegen der Lückenhaftigkeit unseres
Textes nichts entnehmen, als dass auch sie aus Varro entlehnt ist. Die Worte
lauten : Numam Pompilium JanicuA? in monte silum esse ferunt, in quo arcam
ejus iaveniam cum libris Numae nominis a Terentio quodam scriba repasti-
nante agrum. Das cursiv Gedruckte ist Ergänzung von Scaliger und Müller.
1-2*
92
In Angabe der Zeit und des Ortes, da die Bücher des Numa
wiedergefunden und auf Befehl des Senates durch den städtischen
Praetor Petilius im Jahre 573 verbrannt wurden, stimmen alle Nach-
richten überein ; auch über den Hauptinhalt derselben, den keiner der Be-
richterstatter aus eigener Einsicht kannte, berichten sie ziemlich
einstimmig. Nach Tuditanus enthielten die Bücher die decreta Nu-
mae, nach Varro die causae sacrormn a Numa institutorum; die
übrigen berichten übereinstimmend dass die eine Hälfte derselben,
die Lateinischen de jure ponfificio, die andere Hälfte, die Griechi-
schen de disciplina sapientiae gehandelt haben. Hemina, Piso, An-
tias bezeichneten diese Weisheit als Pythagorische, indem sie der
weitverbreiteten Meinung sich anschlössen, welche den Numa zu
einem Pythagoräer gemacht hatte.
Als weitere Einzelheiten, scheinbare und wirkliche Wider-
sprüche, ergeben sich folgende. Die verschiedenen Angaben über
die Veranlassung des Fundes: dass nach der einen Feldarbeiter
beim tiefern Umgraben des Ackers die Särge gefunden; nach der
anderen heftige Regengüsse sie aus der Erde herausgespült hätten:
schliessen sich nicht aus, der Regen könnte den Feldbauern vorge-
arbeitet haben. Wenn Plinius nur von einem Sarge spricht, wäh-
rend Livius und die* Folgenden von zweien reden, so ist das nicht
sowohl ein Widerspruch als eine Ungenauigkeit; Plinius hat gar
nicht die Absicht eine genaue Erzählung des ganzen Herganges der
Wiederfindling zu geben, sondern spricht nur von den e Charta
bestehenden Büchern, auf welche ihn der Zusammenhang seiner Un-
tersuchungen über das Alter des Schreibpapiers geführt hatte. Varro
erwähnt der Särge gar nicht, da auch er nur von den Büchern und
ihrem Inhalte handelt. Ebenso leicht Hessen sich die verschiedenen
Angaben über die Zahl der Bücher erklären : nach der einen wären
ihrer je zwei, nach der andern je zwölf, nach der dritten bei Piso,
Livius und den Folgenden je sieben Lateinische und Griechische
gewesen: aus der Zahl VII konnte leicht XII und daraus nach Ab-
93
fall des ersten Zeichens II werde«. Wie unzuverlässig solche
Zahlangaben seien, beweisen die des Plinius und des Plutarchus
über die desfallsige Nachricht des Antias : bei Plinius lesen wir
Antias duos pontificales Latinos, bei Plutarchus ol mql ^Avxlav
iGtoQovoi dwdsxa ilvai ßi'ßÄovg hoocpavTiadg. Hemina nennt den
Besizer des Grundstückes auf welchem die Bücher gefunden wur-
den Cn. Terentius scriba, Varro einfach Terentias quidam; Livius
nennt ihn L. Petillius scriba, und berichtet, dass der städtische Prae-
tor Q. Petillius während seiner Quaestur denselben in die Decurie
der Schreiber aufgenommen, und dass daher ein familiaris usus
zwischen ihnen bestanden habe. Da Fremde, wenn sie das Römische
Bürgerrecht erhielten, gewöhnlich den Namen desjenigen annahmen
dem sie die Wohlthat der Civität verdankten * 8 , so wäre es eine
Möglichkeit die Verschiedenheit der Namensangaben auch hier da-
durch zu erklären * 9 ; doch will ich auf diesen Einfall kein Gewicht
legen. Die Verschiedenheit mag fortbestehen mit der anderen, ein-
zig wesentlichen: dass nemlich nach den übrigen Berichterstattern
alle wiedergefundenen Bücher des Numa verbrannt wurden, nach
der Angabe des Valerius Maximus dagegen nur die Griechisch ge-
schriebenen Bücher philosophischen Inhaltes.
18) Vergl. Cicero ad Famm. XIII, 35 und 36: cum Demetrio Mega mihi ve-
tustum liospitium est, familiaritas autem tanta quanta cum Siculo nullo. Ei
Dolabella rogatu meo civitatem a Caesare impetravit, qua in re ego interfui.
Itaque nunc P. Cornelius vocatur. 19) Es Hesse sich diese Vermuthung um
so wahrscheinlicher machen, als der Name Terentias handschriftlich gar nicht
sicher ist, indem bei Victor der Cod. Havn. a Tarentio qaodam uud die Codd.
Paris. etAgripp. a Tarentino quodam lesen. Ob auch bei Plinius und Augusti-
nus dieselben verschiedenen Lesarten sich finden, kann ich aus der Silligschen
Ausgabe des ersteren und aus der Mauriner des lezteren, welche allein mir
zur Hand sind, nicht ersehen.
94
Dieser Widerspruch ist auf eine völlig befriedigende Weise
nicht zu lösen. Man könnte sich zwar leicht versucht fühlen, einen
Schriftsteller wie Valerius Maximus, wenn seine Nachrichten in
Widerspruch stehen mit denen des Hemina, Varro, Livius, unbedenk-
lich preiszugeben; aber aus dem allgemeinen kritischen Uuwerthe
eines Schriftstellers folgt noch nicht, dass er für jede Thatsache
die er allein bezeugt, keinen Glauben verdiene. Hat Valerius im
vorliegenden Falle nur aus Livius geschöpft, so hat er was er von
ihm abweichend berichtet, geradezu erlogen: die Verbrennung aller
Bücher des Numa kam ihm unwahrscheinlich vor, religionsgefährlich
konnten nur die Griechisch geschriebenen philosophischen Inhaltes
sein, es war hinreichend diese zu verbrennen, und er hat darum auf
seine Faust die Lateinischen de jure pontificio aus den Flammen
gerettet! Möglich aber ist auch, dass diese Bücher wirklich nicht
verbrannt worden seien, und dass Valerius Maximus seine von Li-
vius abweichende Nachricht anderswoher überkommen habe. Ja es
könnte einer so etwas sogar in den Angaben Heminas und Varros,
selbst in der abgerissenen Form worin uns dieselben bei Plinius und
Augustinus erhalten sind, angedeutet finden und zwischen den Zei-
len herauslesen. Denn Heminas Angabe: Petilius habe die Bücher
verbrennen lassen, weil sie eben Philosophie enthalten hätten, qaia
philosophine scripta essent: geht ja nur auf den philosophischen
Theil der Bücher; Varro aber drückt sich darüber noch vorsichtiger
aus, indem er sagt: der Praetor habe, als er den Hauptinhalt der
Bücher gelesen, die Sache für so wichtig gehalten, dass er sie dem
Senate vorgelegt, und dieser habe dann, nachdem die Vornehmsten
einige der Gründe gelesen, warum ein jegliches im Gottesdienste an-
geordnet sei, mit seinem Urtheile dem verstorbenen Numa beige-
stimmt, und es hätten die Väter als fromme Männer beschlossen,
dass der Praetor diese Bücher (eosque libros) verbrennen solle.
Wollte man nach heutiger Redeweise den Hemina und Varro für
Jesuiten oder Diplomaten halten, so Hessen ihre Worte allerdings
95
eine mentale Reservation zu, und würden der bestimmten unzwei-
deutigen Angabe des Valerius Maximns nicht widersprechen. Doch
will ich auch auf diesen Einfall kein Gewicht legen; die Alten ha-
ben zwar dergleichen Misbrauch der Sprache za casuistischen
Kunststücken wohl gekannt, ihr grader männlicher Sinn aber hat
selten Gebrauch davon gemacht. Dass jedoch Valerius Maximus
seine Nachricht nicht willkürlich ersonnen hat, beweist die That-
sache, dass auch Tertullianus jene Lateinischen Bücher des Numa
zu kenneu scheint, und dass Fulgentius sogar ein Fragment ans
ihnen erhalten hat; dessen Echtheit eine besonnene Kritik nicht da-
rum leugnen darf, weil es ein später Grammatiker ist der dasselbe
anführt. 2 °
20) Fulgenlius de abstrusis sermonibus 14 : Varro in pontificalibus
ait tutulos sacerdotes dici brevium (Lerscb emendirt; trium) deorum. Nu-
ma vero Pompilius , et ipse de pontificalibus scribens, tutuluin dicit pi-
leum quo sacerdotes Caput tutabant cum ad sacrificium accessissent. si-
cut et Virgilius (Ae. III, 545) '. et capita ante aras Pbrygio velamur ami-
ctu. Die Worte Varros de L. L. VII, 44 lauten; tutulati dicti ii qui in
sacris in capitibus habere solent ut metam; id tutulus appellatus. Womit zu
vergleichen ist Festus p. 355, 29: tutulum vocari aiunt Flaminicarum capitis
ornamentum, quod fiat vitta purpurea innexa crinibus, et exstructum in altitu-
dinem. Quidam, pileum lanatum forma metali figuratum, quo flamines ac pon-
tifices utantur, eodem nomine vocari. Vergl. unten Anm. 85. Zwei andere
Fragmente aus den philosophischen Büchern Numas, deren Echtheit ich nicht
vertheidige, geben Apuleius de Orthographia §. 26 : atha per. th. infans VIII
annorum Cursor admirandus. Numa in dogmatum philosophiae libro tertio —
und Joh. Lydus de ostentis 16 p. 292, 3: xrj(>vt; öi xQv ürcoQQiqxüJv 'tj (pvoig.
wgx ovx h'^o) (pqevoßXaßsiag f.i€fx(povxai xcäg (.ledööoig öi cüv xov /.liXXovvog
ozo%äteod-ai elaayö/.te&a' ovde xo tcsql xrjv xwv aoxeowv ^eoiqiav anaoyßXovv
i'^u) ÜEoaeßeLag noier aXX' svl (.iSXXov xtjV nävooqjov l'ati öicc xwv sgycov
aviüv ftecoorjoai. noövoiav xov navxtöv aqqrjtov TzaxQog, xal $av[.iäoaL xtjv
xpvyyv ävd-QWTTov dvvao&cu rjyov/.ievov &sov xal negl xwv ovoaviojv, (hg 6v-
vaxöv , diaXeyeo&cti. xavxa (iev ovv OovXßiög (piqatv ix xwv xov Novf.iä
9(>
Doch wie dem auch sei, die Echtheit der wiedergefundenen
Bücher des Nuina hat keiner der Alten bezweifelt: in keinem der
erhaltenen Berichte begegnet die leiseste Spur eines Verdachtes,
dass die Bücher unechte oder untergeschobene gewesen seien. Der
Fund geschah in Rom, unter den Augen der Regierung, wurde von
ihr amtlich untersucht, von dem Haupte der städtischen Rechtspflege,
dem nachmaligen Consul Q. Petillius 2 * , und von den ersten Män-
nern des Senats, in welchem damals auch M. Porcius Cato, der
gelehrteste Alterthumsforscher seiner Zeit mitstiminte22. Ein ver-
suchter Betrug hätte nothwendig entdeckt werden müssen, und wahr-
heitsliebende Männer wie Varro, Livius, Plinius hätten uns den Be-
trug nicht verschwiegen, wenn ihre Quellen, die alten Annalisten,
desselben erwähnt oder wenn sie selbst au einen solchen geglaubt
hätten. Der uns bekannte älteste Gewährsmann der Thatsache, L.
Cassius Hemina, von Plinius vetustissimus auctor annalium genannt,
schrieb wie wir wissen um das Jahr 608 23, also nur 35 Jahre
nach Ausgrabung der Särge, so dass er entweder als Augenzeuge
berichtet oder doch was er von Augenzeugen gehört hatte. Geschrie-
ben waren die Bücher in Charta d. h. auf Baumrindenbast, einem
der ältesten Schreibmaterialien24. Um diesen vor dem Wurm zu
iotogrjOag. Die Hälfte des Textes ist erst durch Restitution der lückenhaf-
ten Handschrift gewonnen.
2t) Er fiel als Consul im Kampfe gegen die Ligurer im Jahre
578 : Livius XLI , 18. 22) Cato war geb. im Jahr 520 , seit seiner
Quaestur 550 Mitglied des Senates, und starb 605. Sein Geschichtswerk
hatte er fortgeführt bis zum Jahr 604: Nepos v. Catonis 3. 23) Censo-
rinus de die nat. 17. 24) Symmachus Epist. IV, 28: mallem Aborigenum
more dictionem salutis aeternae ligno aut corticibus scribere. IV, 34: Marti-
orum vatum divinatio caducis corticibus inculcata est. Auch das Wort Über,
dem Aeolischen ItrcoQ, Xenog entsprechend, bezeichnet ja ursprünglich nichts
anderes als Bastblatt, corticis pars interior: Cicero de N. D. II, 47. Servius
ad Ecl. X, 67. Cassiodorus Var. XI, 38. Isidorus Orig. XVII, 6, 16. Ebenso
ßißlog Bast, und das deutsche Wort Buch hängt ohne Zweifel auch mit der
Buche zusammen.
97
schützen, waren sie mitCedernöl getränkt, cifrati2S, nnd in Wachs-
schnüre eingewickelt, cantlelis involuti; denn dass Honig nnd Wachs
gegen Fäulnis schützen, war den Alten wohlbekannt26. Ausserdem
waren die Deckel der Särge mit Blei fest verschlossen, opercula
plumbo devincta. Wem von uns die fünfhundertjährige Erhaltung
der Bücher unglaublich vorkommt, der vergisst, dass wir noch jezt,
ohne alle diese Vorsichtsmaasregeln Handschriften von mehr als
doppelt so hohem Alter, und mehr als vierhundertjährige Drucke
besitzen von so neuem Aussehen als hätten sie gestern die Presse
verlassen.
Wenn aber die Bücher echt waren, ein wahrhaftiges Werk
des Königs Numa, dessen religiöse Satzungen für die Römer wa-
ren was die Mosaischen den Juden: wie ist es dann denkbar dass
dieselben, als mau sie nach fünfhundert Jahren wiederfand, auf Be-
fehl des Senates öffentlich verbrannt worden sind ?
Heminas Angabe: die Bücher seien verbrannt worden, weil sie
eben Philosophie enthalten hätten: ist offenbar in dem Geiste ge-
dacht, wonach, wie er selbst es miterlebt hatte, durch den Consul
L. Postumius im Jahre 581 die Epikureer Alkios und Philiskos aus
der Stadt verwiesen wurden27; wonach ferner durch einen von
dem Praetor M. Pomponius ausgeführten Senatsbeschluss im Jahre
593 bestimmt wurde, dass den Philosophen und den Rhetoren der
Aufenthalt in Rom nicht gestattet werden solle 2 8 ; und wonach sie-
25) Vergl. Vitruvius II, 9, 13: cedrio etiam libri a tineis et a carie non
laeduntur. 26) Darum legten die Babylonier ihre Todten in Honig und die
Skythen überzogen sie mit Wachs: Herodotus I, 198. IV, 71. Für die Kennt-
nis der Römer: Columella XII, 45, 4. Plinius XV, 17, 65. XXII, 24, 108.
27) Athenaeus XII, 68 Aelianus V. H. IX, 12. 28) Gellius XV, 11, 1:
C. Fannio Strabone M. Valerio Messala coss. senatusconsultum de philosophis
et de rhetoribus Latinis. factum est: M. Pomponius praetor senatum consuluit
Abhandlungen d. I. Cl. d. h. AU. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 13
98
ben Jahre später bei Gelegenheit der bekannten griechischen Ge-
sandtschaft der drei Philosophen Karneades, Diogenes und Kritolaus
auch der alte Cato wiederholt gerat hen hatte : die griechischen
Schwäzer mit guter Manier aus der Stadt zu schaffen, damit sie
zu Hause mit den griechischen Jünglingen nach wie vor klügeln,
nicht aber die Ohren der römischen Jugend von den Worten der
Obern und der Gesetze abwenden möchten.29
Näher deuten Varro, Livius und Plutarch die Gründe der Ver-
brennung an: einmal nemlich habe Numa selbst, indem er die Bücher
mit sich ins Grab genommen, unzweideutig gewollt, dass seine Reli-
gionsgeheimnisse nur mündlich den Würdigen mitgetheilt und von
diesen im Herzen bewahrt werden sollten; dann aber habe auch
der Senat nach Einsichtnahme des Hauptinhaltes jener Bücher wahr-
genommen, dass wenn dieselben dem Volke bekannt würden, sie
geeiguet wären den bestehenden Religionscultus grossentheils aufzu-
lösen. Und in der That, wer mit den alten Religionen bekannt ist
und sich den damaligen Zustand der römischen Religion vorstellig
macht, wird unschwer einsehen, dass diese Gründe hinreichend und
der leztere völlig entscheidend sein musste, die Bücher im Interesse
der Republik zu vernichten.
Alle alten Religionen hatten eine disciplina arcani, selbst das
offenbar gewordene Mysterium, die christliche Offenbarung der Ge-
heimnisse Gottes, befiehlt das Heilige nicht zu profaniren.30 Hätte
quod verba facta sunt de philosophis et de rhetoribus. De ea re ita censu-
erunt: uti M, Pomponius praetor animadverteret curaretque uti ei e republica
fideque sua videretur, uti Romae ne essent.
*») Plutarchus v.Catonis p.350, A. Allen besonnenen Staatsmännern konnte es nicbt
entgeben, dass die Lehrmeinungen jener Philosophen unter dem Einfluss des sinken-
den nationalen Lebens der Griechen entstanden seien, und -wenn sie in Rom her-
schendwürden, auch hier zur Auflösung des Staates bei tragen würden.3 °)Matthaeus
99
der Senat die wiedergefundenen unzweifelhaft echten Bücher des
Nuina vom Volke allgemein lesen lassen und der individuellen Kri-
tik preisgegeben, so würden viele in Rom eingesehen haben, wie
ganz verschieden der damalige Göttercultus von dem ursprünglichen
Numas geworden sei, jeder würde erkannt haben, dass wie Varro
sich ausdrückt, von vielen Salzungen Numas nicht Hand noch Fuss
mehr übrig sei 3 * : unbesonnene Eiferer würden gestützt auf die Auc-
torität jener heiligen Schriften versucht haben, den in jedem Sinne
ausgewachsenen Cultus wieder auf die Stufe seiner Kindheit zurück-
zuführen, und es würde dort wie anderswo eine religiöse Revolu-
tion entstanden sein, wTelche den ganzen Staat, der aufs innigste
mit seinen sacris verwachsen war, erschüttert und das bürgerliche
Leben dauernd vergiftet hätte: -vor welchen Übeln theologischer
Zänkereien der politische Verstand des Senates das altrömische
Reich bewahrt hat. 3 2
Waren aber jene Bücher echt, woran zu zweifeln kein ver-
nünftiger Grund ist, so haben wir erstlich im Interesse der Reli-
1, 6: Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und euere Peilen nicht
vor die Säue werfen.
31) Varro bei Nonius Marcellus p. 282, B, 4: haec Numa Pompilius fieri.
si viderit, seiet suorum institutorum nee volam nee vestigium apparere.
S2) Aehnlich fasst auch Beaufort in seiner Bömischen Republik I, 98, 99.
die Verbrennung der Bücher auf, als einen Staatsstreich der Palricier, damit
es nicht offenbar werde, wie sehr die ursprüngliche Beligion Numas im Lauf
der Jahrhunderte verändert worden sei, und damit man nicht die Entdeckung
dieser grossen Veränderungen zum Tadel der bestehenden Religion mis-
brauche. Auch Niebuhr R. G. I, 251 scheint die Echtheit der Bücher nicht
leugnen zu wollen; obgleich dies mit seiner allgemeinen Ansicht über die
römische Rönigsgeschichte nicht zusammenstimmt. Seine Behauptung, dass
des Pyihagoras historische Persönlichkeit nicht sicherer sei als die des Numa
d. h. gleich unsicher, ist frevelhaft, da wir über Pyihagoras ein Zeugnis des
fast gleichzeitigen Heraklitus bei Diogenes L. IX, 1 besitzen.
13-
100
gionsphilosophie keinen Verlust im ganzen Urnfang der alten Littera-
tur schmerzlicher zu beklagen, als den Untergang dieser Bücher.
Vieles in den alten Religionen was jetzt ein kaum zu lösendes
Räthsel ist, wäre uns klar, besässen wir sie. Doch freilich, hätte
auch die Staatsklugheit des römischen Senates sie nicht verbrannt,
wir besässen sie dennoch nicht, so wenig als irgend ein anderes
der zahlreichen altrömischen Religionsbücher uns erhalten ist.33
Zweitens aber, wenn jene Bücher echt waren, so sind sie. der un-
widersprechlichste Beweis, dass Numa nicht eine mythische Perso-
nification, sondern eine völlig historische Person ist, so historisch
wie Moses und Pythagoras, mit deren Satzungen die seinigen, so
viel wir davon wissen, die grösste Aehnlicheit hatten. Ich sage,
der unwidersprechlichste Beweis — und, so viel wir davon wissen;
denn auch ohne seine Bücher steht die historische Persönlichkeit
Numas vollkommen fest, und vieles von dem was jene Bücher ent-
hielten, wissen wir aus anderweitigen Quellen so sicher wie aus
ihnen selbst.
Die heiligen Sagen welche an Numa sich knüpfen, machen
die geschichtliche Wahrheit seines menschlichen Daseins nicht un-
sicherer, als ähnliche Züge das Leben von Moses und Pytha-
goras; und derselbe leichtfertige kritische Hochmuth, welcher
die Persönlichkeit jener priesterlichen Gesetzgeber leugnet, könnte
mit demselben Rechte auch Karl den Grossen und Napoleon in
Mythen auflösen ; er misachtet mit der historischen auch die phi-
losophische Wahrheit, dass an der Spitze aller weltgeschichtlichen
Bewegungen Personen als die Träger der Ideen stehen, welche
33) Alle Römischen Priester hatten wie die unsrigen für die bei bestimm-
ten Feierlichkeiten üblichen Gebete eigene Ritualbücher. Gellius XIII, 22:
comprecationes deum immortalium, quae ritu Romano fiunt, expositae sunt
in libris sacerdotum populi Romani.
101
ohne sie niemals verwirklicht werden. Dass aber der wesentliche
Inhalt jener wiedergefundenen Bücher des Numa auch in den Ritual-
bücheru enthalten war, welche er nach den ausdrücklichen Zeug-
nissen der Alten den von ihm eingerichteten Priestercollegien der
Pontifices, Flamines, Salier und Vestalinnen übergeben hatte3*,
versteht sich als in der Natur der Sache liegend von selbst, und
die Insinuation des Lactantius, die wiedergefundenen Bücher
hätten nicht nur seine eigene sondern alle Religion aufgelöst,
bedarf keiner Widerlegung. Cicero bezeugt wiederholt dass
die Gesetze Numas noch zu seiner Zeit in öffentlichen Denk-
malen erhalten seien35; was der Gallische Brand theilweise zer-
stört hatte 3 6 , wurde aus anderweitigen Abschriften wiederher-
gestellt, wie später das in dem Neronischen Brande zerstörte Reichs-
archiv, welches gegen dreitausend Erztafeln enthielt aus allen Jahr-
hunderten seit Gründung der Stadt, unter Vespasianus wiederherge-
stellt wurde37. Der Indigitamenta Pompiliana d. i. der Weisthümer
Numas erwähnt noch Arnobins.38
34) Cicero de Rep. II, 14. Livius, l, 20: pontificem deinde Numam Mar-
cium M. F. ex patribus legit eique sacra omnia exscripta exsignataque adtri-
buit. I, 32: Ancus Marcius . . sacra omnia ex commentariis Numae pontifi-
cem, in album relata, proponere in publico jubet. Dionysius II, 63:
TiEQiXaßtov 6i arcaaav rfjv tcsql ra &eia vof.iodeolav yqacpaig, dielXev elg
oxtcj fioiyag, oaat, rwv leqäv rjoav al avfi^OQiai. 35) Cicero de Rep. II, 14:
Pompilius . . piopositis legibus his, quas in monumentis babemus. V, 2: qui
legum etiam scriptor fuisset quas scitis exstare. 36) Livius VI, I: quae in
commentariis pontificum aliisque publicis privatisque erant monumentis, in-
censa urbe pleraque interiere. Ebenso Clodius bei Plutarchus v. Numae p.
59, F. 37) Suetonius y. Vespasiani 8: aerearumque tabularum tria millia,
quae simul confiagraverant, restituenda suscepit: undique investigatis exempla-
ribus, instrumentum imperii pulcberrimum ac yetustissimum confecit, quo con-
tinebantur paene ab exordio urbis senatusconsulta , plebiscita de societate et
foedere ac privilegio cuicunque concessis. 88) Arnobius II, 73: non doc-
102
Ich will nun im Nachfolgenden das Merkwürdigsie dessen was
uns von den religiösen Gesezen Numas sowol ihren Worten als
ihrem Inhalte nach überliefert ist, zusammenstellen und mit analogen
Bestimmungen anderer Religionen des Alterlhums vergleichen. Die
meisten dieser Sazungen stimmen auf eine sehr merkwürdige Weise
mit Mosaischen üherein; doch möchte ich daraus nicht auf einen di-
recten Zusammenhang beider Gesetzgebungen scbliessen, der jeden-
falls historisch unerweislich ist. Es liegt nahe an die priesterlichen
Institute Aegvptens als eine beiden gemeinsame Quelle zu denken,
um so mehr als auch die verwandten Hellenischen Culte und viele
Pythagorische Sazungen dort ihre Wurzel haben. Doch zur Sache.
Thatsachen sind nicht davon abhängig, dass die Gelehrten sie ver-
stehen, und die Wissenschaft gewinnt mehr dabei, auch die nicht
erklärten als solche anzuerkennen, als sie darum zu ignoriren weil
ihre Erklärung bis jezt nicht gelungen ist.
Uebereinstimmend ist erstlich die jüdische und altrömische Sitte,
die Gottheit ohne Bild zu verehren. Das bekannte Gebot der Mo-
saischen Dekaloges: du sollst dir von Gott kein Bildnis machen zur
Anbetung39: findet sich wieder in den Gesezen Numas. Plutarchus
torum in litteris continetur Apollinis nomen Pompiliana indigitamenta nescire?
Seivius ad Ge. 1,21: in indigitamentis i. e. in libris pontificalibus, qui et no-
mina deorum et rationes ipsorum nominum continent: quae etiam Varro dicit.
Glossae Philoxeni: indigitamenta, leQCtzixa ßtßkia. Das Nähere über ihren
Inhalt, die darin verzeichneten Götter, deutet Censorinus an in der Schrift de
die natali 3, und nach ihm Ambrosch über die Religionsbücher der Römer,
Ronn 1843. Das Wort indigitamenta, indigitare oder indegetare gehört zu
demselben Stamme wie digilus, indicium, öslxvv^a, del^ig, zeigen, anzeigen,
weisen, und bezeichnet nichts anderes als Fingerzeige, Weisthümer.
3a) Moses II, 20, 4. V, 4, 16. 27, 15. Diodorus XL, 3. Strabon XVI. p.
523, 39 ff. Josephus Ant. Jud. III, 5, 5 und Adv. Appionem II, 6. Tacitus
Hist. V, 5: Judaei mente sola unumque numen intelligunt. profanos, qui deum
103
sagt ausdrücklich40: die Geseze Numas über die Cuhusbilder seien
nahe verwandt mit den Dogmen des Pythagoras.41 Wie dieser an-
genommen, das Urwesen sei weder den Sinnen noch dem Leiden
unterworfen, sondern ein unsichtbares, unerschaffenes, geistiges; so
habe auch Numa den Römern verboten sich von Gott ein menschen-
oder thierähuliches Bild zu machen.42 Und wirklich hätten sie in
der früheren Zeit weder ein gemaltes noch ein plastisches Bild
der Gottheit gehabt, sondern während der ersten einhundert und
siebenzig Jahre zwar Tempel gebaut und heilige Capellen, ein Göt-
terbild aber hätten sie sich nicht gemacht, weil es unheilig sei das
Bessere durch das Schlechtere abzubilden, und unmöglich Gott an-
ders als durch das Denken zu erfassen. Dieselbe Nachricht hat
uns Augustinus43 aus Varro erhalten mit dem Beisaze, dass dieser
bereits die Römische mit der Jüdischen Sitte verglichen und be-
merkt habe, dass wenn dieselbe fortbestände, die Göttervereh-
rung reiner wäre; die dem Volke zuerst Götterbilder aufgestellt,
hätten ihm die Gottesfurcht genommen und den Irrthum gegeben.
iniagines mortalibus materiis in species hominum effingant: summum illud e
aeternum neque imitabile neque interiturum. igitur nulla simulacra urbibus
suis nedum templis sinunt.
40) Plutarcbus V. Numae 8 p. 65) B. 41) t'azi de za negi zcov acpiÖQV-
(.täzwv vo/.io&£zrj[iaza nttvz6.na.oiv adslya zwv IIv&ayoQov doy(.iäziov.
42 ) öiexto/.vo£v av$Qü)noeidrj xai Ku>6[.iOQcpov eixöva ■Seov c Pcofialovg vof.il'QELv.
Ebenso Zonaras VII, 5 : av$Qiono£tdfj zs xai tui6[.ioq(pov eixöva &tov ävi-
azäv 'Pco^iaioig ccn£iQt]xev. 43) Augustinus de C. D. IV, 31: Varro dicit
antiquos Romanos plus annos centum et septuaginta deos sine simulacro co-
luisse. Quod si adhuc, inquit, mansisset, castius dii observarentur. Cuius sen-
tentiae suae testem adhibet inter cetera etiam gentein Judaeam: nee dubitat
eum locum ita concludere ut dicat, qui primi simulacra deorutn populis posu-
erunt, eos civitatibus suis et metum dempsisse et errorem addidisse; pruden-
ter existimans deos facile posse in simulacrorum stoliditate contemni.
101
Clemens von Alexandrien und nach ihm Eusebius, der erstere
aus Plutarchus schöpfend, behaupten geradezu Numa habe seine Sa-
zung von Moses entlehnt;44 was sich freilich nicht erweisen lässt
und um so weniger angenommen zu werden braucht, als jener bild-
lose Göttercultus vielen Völkern des Alterthums auf einer gewissen
Culturstufe gemein ist. Selbst die Aegyptischen Tempel sollen in
der ältesten Zeit ohne Götterbilder gewesen sein45, und die Got-
tesverehrung auf dem Carmel bestand noch zu Tacitus Zeit ohne
Bild und Tempel46; und von den Persern wird einstimmig bezeugt,
dass sie ihren Göttern weder Tempel noch Bildsäulen errichtet,
sondern einfach auf hohen Berggipfeln geopfert47, und dass erst
Artaxerxes des Darius Ochus Sohn Götterbilder unter ihnen einge-
führt habe.48 Aehnliches bezeugt bekanntlich Tacitus von den Ger-
manen, die damals noch in den Wäldern Deutschlands auf dersel-
ben Stufe religiöser Entwicklung standen wie ihre Brüder in Asien
tausend Jahre früher. Die Germanen, sagt er, erachten es der
Grösse des Himmlischen unangemessen, die Götter in Tempelmauern
einzuschliessen und unter menschlicher Gestalt nachzubilden : Haine
und Waldreviere weihen sie ihnen und benennen mit Götternamen
44) Clemens Alex. I, 15 p. 359. Eusebius Praep. Ev. VW, 6. 45) Lucianus
deSyria dea 3: xo naXaLov xai nag ^diyvnxioiai a^öavoi vrjoi eoav. 46) Ta-
citus Hist. II, 78: nee simulacrum deo aut templum : sie tradidere majores,
aram tantura et reverentiam. ") Herodotus I, 131: ayälfiaxa fiiv xai vrjovg
xai ßcof.invg ovx iv vo/.ap 7toiev(.tivovg lÖQuea&ai, aXXa . . . vo[.iitovoi Jii,
ini xcc vxprjXöxaxa xwv ovgitov avaßaivovxeg, Svolag f'gösiv. Xenophon Cyrop.
VW, 7, 3 : KvQog Xaßcov legsla e&vs Jil xs naxQtoo) xai cHXi(o xai xdlg aX-
Xoig d-eolg ini xwv axgwv, wg TTigoai S-vovoiv. Dinon bei Clemens Alex.
Cobort. 5. p. 56, 25: xovg Tligaag xai xovg Mr>5ovg xai xovg Mäyovg d-veiv
iv vnaL'tgct) 6 Jiviov Xiyei, öeiov ayäX/.iaxa /xova xb tcvq xai vöcog vofxil^ovxag.
Strabon XV. p. 503, 55: IJigaai ayäX^iaxa xai ß<x>(j.ovg ovx iögvovxai, &vovoi
öi iv viprjhZ xön(i). 48) Berosus bei Clemens Alex. Cobort. 5 p. 57, 1 ff.
p. 69. 70 der Richterschen Fragmentensammlung.
105
jenes Geheimnisvolle das nur im Schauer der Ehrfurcht geschaut
wird.49 Dasselbe darf auch im ältesten Griechenland von den Pe-
lasgern angenommen werden, die wie Herodot50 berichtet, opferten
und beteten zu Göttern ohne Namen und Beinamen, und sie verehr-
ten als die Ordner des Weltalls und die Vertheiler aller guten Ga-
ben. Wie Abraham in dem Terebinthenhaine zu Mamre5 £ betete
und opferte unter der Eiche Ogyges,52 die seit Erschaffung der
Welt dort gestanden haben soll53 und noch zur Zeit des Hierony-
mus auf abergläubige Weise verehrt ward;54 so die ältesten Grie-
chen unter der heiligen Bucheiche zu Dodona,55 und die Römer zu
Numas Zeit in der Stille heiliger Haine auf einfachen Altären von Rasen.5 6
Auch Numas Anordnung des ewigen Feuers im Tempel der
Vesta scheint übereinzustimmen mit dem ewig brennenden niemals
verlöschenden Feuer des Altars, welches das Mosaische Gesetz
vorschreibt:57 dem ignis foci publki sempüernus^8 zu Rom liegt
49) Tacitus Germ. 9: nee cohibere parletibus deos , neque in
ullara humani oris speciem assimulare , ex magnitudine caelestium ar-
bitrantur. lucos ac nemora consecrant , deorumque nominibus adpel-
lant secretum illud, quod sola reverentia yident. Vergl. 43. Grimms D. M.
Vorrede p. XLIII und p. 60 ff. 93 f. und die Abhandlung meines Freundes
H. Müller in Dieringers Zeitschrift III, 1 p. 219 ff 5ü) Herodotus II, 52.
51) Moses I, 13, 18. 21, 33. 52) Josephus Ant. Jud. I, 10, 4. 53) Josephus de
Bell. Jud. IV, 9, 7. 54) Eusebius v. Const. III, 53. Hieronymus de situ et no-
minibus locorum Hebraicorum T. III col. 130. 195. 55) S. die Abhandlung über Do-
dona p. 9f. S6)PliniusXII, 1, 3: haeefuere numinumtempla,priscoqueritu simplicia
rura etiam nunc deo praecellentem arborem dicant. Nee magis auro fulgentia
atque ebore simulacra, quam lucos et in iis silentia ipsa adoramus. Tertullia-
nus ad INationes II, 17 und Apolog. 25: etsi a Numa coneepta est curiositas
superstitiosa, nondum tarnen aut simulaciis aut templis res divina apud Roma-
nos constabat: frugi religio et pauperes ritus, temeraria de cespite altaria,
et vasa adhuc Samia et nitor ex illis, et deus ipse nusquam. nondum enim
tunc ingenia Graecorum atque Tuscorum hngendis simulacris urbem inunda-
Terant. 57) Moses III, 6, 12 f. 58) Cicero de Legg. II, 8: virgines Vestales
in urbe custodiunto ignem foci publici sempiternum.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Al<ad. d. Wiss. V- Bd. I. Abthl. (A.) 14
100
dieselbe Idee zu Grunde wie dem tivq acßsorov69 zu Jerusalem,
beide sind das älteste und natürlichste Symbol der Gegenwart Got-
tes, das Römische vielleicht auch im Mittelpunkte des Staates ein
Abbild des heiligen Centralfeuers in der Mitte des Weltalls, von
dem man sich Licht, Wärme und Leben ausströmend dachte durch
die gesammte Natur.60 Aber nicht blos zu Jerusalem und in Rom,
fast in allen nationalen Heiligthümern der alten Welt finden wir
ein solches ewiges Feuer: in dem grossen Pyreum der Persischen
Provinz Ardabigana unterhielten die Magier ein immerwährendes
nie verlöschendes Feuer;61 in dem Tempel des Amun in Libyen
brannte ein hvyvog ctoßsorog-,62 in allen Prytaneen der griechischen
Städte auf dem öffentlichen Herde ein ewiges Feuer:63 zu Syra-
kus,64 zuTarent,65 zu Olympia,66 zu Athen,67 von welchem Staats-
herde alle Auswanderer auszogen und an dem heiligen Feuer der
Mutterstadt die Lebensflamme der neuen Pflanzung anzündeten.68
59) Josephus B.J, II, 17,6 adv. Appioneml, 22. Auch heidnische Schriftsteller
gedenken dieses ewigen Feuers des Altars und des Leuchters im Tempel zu
Jerusalem: Hecataeus von Ahdera heiEusebius praep. evang. IX, 4: inlzovxcjv
cp<Zg eozlv avanöoßeozov xal zag vvxzag xal zag fjf.i£qag. Diodorus XXXIV
fr. 1, 4: adävaxog Xeyöfxsvog naq avzolg Xvxvog xal xaio/.i£vog adiaXsinxcog sv
zu) vcto). 60) Die Pythagoreer nannten dieses Centralfeuer den Herd des Weltalls,
das Haus des Zeus, die Mutter der Gölter, den Altar und Zusammenhalt und
das Maass der Natur. Philolaus Fragm. XI p.94: OiXöXaog nvq ev /.leoto neql
zb xtvxqov, oneq eaxiav zov navxbg xaXel xal Jibg oixov xal urjxeqa &ecöv,
ßwj.i6v ze xal ovvox'jV xal filxqov cpvoscog. Vergl. Plutarchus v.Numae p. 67, C. D.
61) Procopius de Belle- Persico II, 24 p. 259. Vergl. Kleukers Zendavesta III
p. 237. 62) Plutarchus Mor. p. 410, B. 6ä) Casauhonus ad Athenaeum Tom.
XIII p. 354 ff. Bip. 64) Theocritus XXI, 36. 65) Euphorion bei Athenaeus
XV, 60. 66) Pausanias V, 15, 5: nvq ava naaäv ze r^ilqav xal iv ndor]
vvxxl woavxwg xaiexai. 07) Pollux Ouom, I, 7: ovxo) d'av xvqiüxaxa xaXotrjg
zrjV Iv nqvzaveüo eoxlav, iq? rtg zb nvq zb aoßeovov avdnxexai. 68) Herodo-
tus I, 146 mit den Anmerkungen Larchers, Elymol. M. p. 694, 28: Tlqvxavala'
bxt zb leqbv nvq snl zovxtov anöxzLzav xal xovg onoi noxe anoixiav oxiX-
Xovxag, avxöitev aveo&ai. zb anb zrjg iaxiag nvq, oniq eatt tionvqelad-at,:
107
Gleicherweise brannte auf dem Opferherde zu Delphi ein nvQÖg
(piyyos ci(p9-iT0i>; eg in dem Tempel der Athene Polias auf derAkro-
polis zu Athen ein aoßsorog Xvyyog yj>vasos;1Q im Tempel der De-
meter und Kora zu Mantinea ein tivq äüßsotov;1 1 im Tempel der
Athene Itonia zu Alalkomene legte täglich eine Frau Feuer auf den
Altar der Jodama und rief dreimal die Worte : Jodama lebt und
verlangt Feuer;72 im Tempel des Hephaestos zu Aetna unterhielt
man eine tivq äoßsotov zal äxof/jiqtop}? s im Tempel der Aphrodite
zu Argyrus eine lucer na semper ardens1 4 , und gleicherweise im
"Tempel des Apollon zu Antiochien eine ewige Lampe, zu deren
Unterhaltung die Gläubigen an dem jährlichen Feste des Gottes das
Ol beisteuerten : 7 3 und die ewigen Lampen in unseren Kirchen,
stammen nicht auch sie wie unzähliges andere aus dem heidnischen
Cultus?76
Gleicherweise entsprechen sich in beiden Gesezgebungen viele
das Priesterthum überhaupt und insbesondere den Oberpriester be-
treffende Bestimmungen.
Als notwendiges Erfordernis zur Verwaltung eines Priester-
und dem Scholiasten des Aristides T. III. p. 48, 8: ev zip 7tQvzavei(p icpvldz-
TSVO ZO 71ÜQ, €§ OV XCtl Ol CCTIOIXOI ^ri^})]VaiCOV (.1 El cid f.1 ß '(XV OV '.
69) Aeschylus Choeph. 1033. Calllmachus hym. in Apoll. 83: dsvaov nvQ, Plu-
tarclius Mor. p. 385, C: tivq dd-ävazov , und v. Nuraae p. 66. E : nvo aßeozov.
70) Strabon IX p. 273, 13. Plutarchus v. Numae p. 66, B. C und v. Syllae
p. 460, B. Pausanias I, 26, 7. 71) Pausanias VIII, 9, 1. 7ä) Pausanias IX,
34, 1: ^Iodä^av Lqv xal alzeiv tivq. 73) AelianusH. A. XI, 3. 74) L. Ampelius
8. 75) Julianus Misopog. p. 363, B. 76) Dass die hängenden ehernen Lam-
pen in den Griechischen und Römischen Tempeln sehr beliebt waren, be-
zeugt Plinius XXXIV, 3, 8: placuere et lychnuchi pensiles in delubris; im
vierten Jahrhundert gedenkt ihrer in den christlichen Kirchen wiederholt
Paulinus, Bischof von Nola, Poem. XIV, 99: clara coronantur densis altaria
lychnis luminaria ceratis adolentur odore papyris, nocte dieque micant. XIX,
14*
108
thums bestimmte das Römische Gesez: Integrität, leibliche und sitt-
liche;77 ebenso das Mosaische Gesez: keiner solle zum Altar her-
zutreten und das Brod seines Gottes opfern an dem irgend ein
Fehler sei.78 Trat während der Amtsführung ein Gebrechen ein,
so wurde der Priester des Dienstes unfähig, hier wie dort.79 Die-
selbe körperliche und sittliche ätptäsict forderten die Aegyptischen80
und Hellenischen Pricstersazungen.81
Der Römische Pontifex Maximus hatte seit ältester Zeit die
Verpflichtung die nach ihm benannten annales maximi zu schreiben,
d. h. ein kurzes Verzeichnis der merkwürdigsten Hauptereignisse"
467: continuum scyphus est argenteus ad usum. XXVI, 389: tectoque superne
pendentes lychni spiris retinentur ahenis . . mit den Noten p. 932 ed. Mura-
tori. Von dem Papste Sabinianus I, dem Nachfolger Gregors des Grossen,
berichtet Piatina de vitis pontif. p. 76: eius hoc fuisse institutum fertur,
ut in ecclesiis accensae lampades continuo retinerentur, potissimum in eccle-
sia b. Petri; und ebenfalls aus dem sechsten Jahrhundert bezeugt Anastasius
Monachus, angeführt in Suicers Thes. Eccl. II p. 32, dass in dem Kloster auf
dem Sinai zu Ehren der h. Jungfrau eine ewige Ampel brannte: xavdrjka
aoßeazog In 6v6(.iazu zrjg ayiag Üeozöxov xqefxazai. Mehr in dem gelehr-
ten Werke des Fr. Fort. Scacchi: sacrorum elaeochrismaton myrothecium c.
6. 7 p. 21 ff der Amsterdamer Ausg. vom J. 1710, wo auch gute Abbildun-
gen dieser Lampen gegeben sind.
,7) Dionysius II , 21 : <xQ£tjj diacpoqovg xal /.irjdiv rjXaTzco/.iEvovg
zwv Tiepi zb oöJf-ict. Seneca Exe. Controv. IV, 2: Lex: sacerdos inte-
ger sit . . Sacerdos non integri corporis quasi mali ominis res vitanda
est. hoc etiam in victimis notatur, quanto magis in sacerdotibus. 78) Mo-
ses III, 21, 17 ff Josephus Ant. Jud. III, 12, 2. 79) Vergl. für die Römer
Seneca am angef. Orte, für die Juden Josephus XIV, 13, 10. 80) Heliodo-
rus VII, 8: ixavojg i'xeiv IptiypjQ zs af.ia xal atö[.iazog fiqbg rag leQoavvrjg
Xurovqylag. 81) Ein altattisches Gesez bei Aeschines adv. Timarchum §.21
bestimmt ausdrücklich: iäv zig Id&rjvaiog ezaiQrjor], [.ti] s^eazo) avtio ....
UQtoavvrjv ieQaoaoÜai. Mehr bei Piaton de Legg. VI p. 428, 6 ff Etymol.
M. und Hesychius v. aepekrjg.
109
des Jahres, die Jahrbücher des Staates;82 ebenso war bei den Ju-
den der Hohepriester verpflichtet die Geschlechtsregister -zu halten
und die Geschichte des Volkes Gottes zu schreiben.83 Auch die
Aegyptier hatten ebensolche priesterliche Jahrbücher.84
Uebereinstimmend sind ferner die Bestimmungen : dass der Pon-
tifex Maximus und der Flamen Dialis wie der Jüdische Hoheprie-
ster das Haupt nicht entblössen, sondern stets bedeckt oder mit ei-
ner Stirnbinde umwunden haben;85 und dass die einen wie der an-
dere jede Berührung eines Todten vermeiden sollten, um sich nicht
8t) Cicero de Ornt. II, 12. 83) Josephus c. Appionem I, 6. 7. 84) S. die
von Bunsen: Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte I p. 26 ff. angeführten
Zeugnisse. Nach Diogenes L. IX, 49 hatte der vielgereiste Demokritus über
die heiligen Schriften in Babylon und inMeroezwei besondere Werke gesehrie-
ben, 85) Lydus de Magistr. II, 4 und de Mens. I, 18 : l'öiov aal yiyove %(ov
aQXiEqäoiv ttjv x£q>a?»r]v oxe7ZEtv ij öiadeo/.ieiv raivia. Varro de L. L. V,
84: flamines, quod in Latio capite velato erant semper ac Caput cinetum
habebant filo , flamines dicti. Gellius X, 15, 16: Dialis cotidie festatus
est, sine apice sub divo esse licitum non est. Appianus B. C. I, 65: 6
iegsiig 0Xaf.iivrag tov /dibg niXocpoQEi f.iovog asl, xöiv aXXwv ieqecüv iv
[xövaLg niÄocpoQOvvTCov zalg uQOVQyiaig. Pauli Exe. p. 87, 15: flamen Dialis
dictus quod filo assidue veletur. Servius ad Ae. VIII, 664: flamines
in capite habebant pileum , in quo erat brevis virga desuper habens
lanae aliquid, quod cum per aestus ferre non possent , filo tantum capi-
ta religare coeperunt. nam nudis penitus eos capitibus incedere nefas
fuerat. Vergl. ausserdem die oben Anm. 20 angeführten Stellen. Moseß
III, 21, 10. 11: Welcher Hohepriester ist unter seinen Brüdern, auf dessen
Haupt das Salböl gegossen und seine Hand gefüllt ist, dass er angezogen
•würde mit den Kleidermde r soll sein Haupt nicht blossen und seine Kleider
nicht zei'reissen; und soll zu keinem Todten kommen, und soll sich weder
über Vater noch über Mutter verunreinigen. Vergl. Josephus Ant. Jud. III, 12? 2.
110
zu verunreinigen.86 Doch findet sich der leztern Bestimmung Aehn-
liches auch in anderen Culten: auch die Aegyptischen Priester ent-
hielten sich der Todtenberührung,87 und die Priester der Syrischen
Göttin durften, wenn sie einen der Ihrigen zur Erde bestattet hat-
ten, sieben Tage lang den Tempel nicht betreten, und mussten sich
reinigen wenn sie einen Todten auch nur gesehen hatten.88
Die Bestimmung dass der Pontifex Maximus eine reine Jung-
frau heiratheu solle,89 ist völlig identisch mit der Mosaischen, wo-
nach der Hohepriester nur eine unberührte Jungfrau, keine Wittwe
noch Verstossene noch Geschwächte heiratheil durfte;90 dasselbe
Gesez aber bestand auch in Athen für den Archon Basileus,91 und
wahrscheinlich auch für die Aegyptischen Priester.92 Die weitere
altrömische Bestimmung, wonach der Pontifex Maximus und der
Flamen Dialis sich nicht zum zweitenmal verheirathen durften,93
6G) Seneca Consol. ad Marciam 15 : Tiberius Caesar ipse pro rostris
laudavit filium araissum , interjecto tantummodo velamento , quod pontificis
oculos a funere arceret. Servius ad Ae. III, 64: moris Romani fuerat, ramum
cupressi ante domum funestam poni, ne quisquam pontifex per ignorantiam
pollueretur ingressus. Vergl. Dion Cassius LIV, 28. 35. LVI, 31. Gellius X,
15, 24: flamen Dialis locum in quo bustum est, nunquam ingreditur: mortuum
nunquam attingit: funus tarnen exsequi non est religio. 87) Porpbyiius de
Abst. II, 50. 88) Lucianus de Syria dea 52. 53. 89) Dies folgt aus Plinius
Panegyr. 83: Tibi (Trajano) uxor in decus et gloriam cedit, quid enim illa
sanctius, quid antiquius? nonne si Pontifici Maximo deligenda sit conjux, aut
hanc aut similem (ubi est autem similis?) elegerit? 90) Moses III, 21, 13 f.
Josepbus Ant. Jud. III, 12, 2. 9') Demosthenes adv. Neaeram §. 75:
ttjv yvvatxa avxov vöfiov h'&evzo aazrjv eivai, xal firj eminsfxiy^ievrjv eregcp
dvögi, dXXd nao'&hov ya/.ielv. 92) Diodoius I, 80: yafxovoi. öiTiaq" AlyvmLoig
ol /iiiv IsQtlg [ilav, %(äv dJ dlXiov boag dv exaorog 7TQoaLQ?jzai. 93) Ateius
bei Plutarchus Mor. p. 276, D. Massurius Sabinus bei Gellius X, 15,
22: flamen Dialis uxorem si amisit flaminio decedit; matrimonium flarainis
nisi morte dirimi non est jus. Tertullianus de exhort. cast. 13: pontifici ma-
111
kehrt wieder in dem bekannten Ausspruche des Apostel Paulus:
der Bischof solle eines Weibes Mann sein, welcher wahrscheinlich
mit altjüdischer Priestersitte zusammenhängt.94 Doch findet sich
ähnliches auch im Aegyptischen und im Griechischen Priesterleben: zu
Priestern des Apis nahm man nur Einmalverheirathete,95 und der
Hierophantes der Eleusinien musste aller geschlechtlichen Gemein-
schaft sich enthalten.96
Auch das schöne völkerrechtliche Institut der Fetialen, von
Numa eingesezt zur Verhinderung ungerechter Kriege,97 findet sich
bei den Juden, welche gesezlich keinen Krieg beginnen durften
ohne vorher Recht gefordert und friedliche Vermittelung umsonst
versucht zn haben.98
ximo iterare matrimonium non licet. Ad uxorem I, 7: regem saeculi pontifi-
cem maximum rursus nubere nefas est. De monogamia 17: pontifex maximus
et flaminica nubunt semel. Hieronymus Epist. 123, 8: flamen unius uxoris ad
sacerdotium admittitur, flaminica quoque unius mariti eligitur uxor. Adv. Jo-
vinianum I, 49: nullam sacerdotem digamam, nullum flaminem bimaritum.
94) Paulus ad Titum 1, 6: j-iiag yzivaixbg avrjQ, und ad Timothum I, 3, 2: Sei
%bv £7ilo%07iov elvac fuag yvvaiv.bg avöga. Appollinaris Sidonius Epist. VII, 9
p. 188: illi ex canone non requiruntur qui ad secundas nuptias transierunt.
Hieronymus adv. Jovinianum I, 15 : primus Adam monogamus, secundus aga-
mus ; qui digamiam probant, exhibeant tertium Adam digamum quem sequan-
tur. Epist. 123, 6: ab officio sacerdotii digamus excluditur. 95) Hieionymus
Epist. 123, 8: ad tauri Aegyptii sacra semel maritus assumitur. 96) Origenes
adv. Celsum VII, 48 verglichen mit Dioscorides mat. med. IV, 79- Julianus
Orat. V p. 173, C: naoa ld.dTqvu.Loig ol ztuv dqQrjrcov amöf-ievot navayelg el-
ar y.al 6 tovrcov e^äqxwv leQocpecvzTjg aTisazQamai nüoav ti]P' ysveoiv.
Hieronymus Epist. 123, 8: hierophanta apud Athenas ejurat virum et aeterna
debilitate fit castus ; und adv. Jovinianum I, 49: hierophantas Atheniensium
usque hodie cicutae sorbitione castrari et postquam in pontificatum fuerint ad-
lecti, viros esse desinere. 97) Dionysius II, 72. Plutarchus v. Numae p. 68,
A. 98) Moses V, 20, 10 ff. Josephus Ant. lud. IV, 8, 41. V, 2, 9.
112
In dem Principe der Sühnopferlelire, Seele für Seele, dem Cen-
trum aller positiven Culte, stimmten wie ich anderswo nachgewiesen
habe, die altrömischen Pontificalbücher mit der Mosaischen Lehre
vollkommen überein; welche Lehre freilich dem ganzen Alterthum
gemeinsam ist." Die Angabe des Plinius:100 Numa habe ange-
ordnet den Göttern Feldfrüchte und Opferschrot d. h. geröstete mit
Salz vermischte Körner von Dinkel oder Spelt darzubringen,101
bezieht sich wahrscheinlich auf die Erstlingsopfer nach der Erndte,
wie wir sie auch bei den Juden102 und bei den Griechen103 fin-
") Servius zu den Worten Virgils Ae. II, 118: aniina lilandum Aryolica:
Videtur sane peritia juris pontificalis animalis hostiae mentionem fecisse; nara
et animam dicit et litare, verbo pontificali usus est i. e. sacrificiis deos pla-
care. Den weiteren Nachweis in der Abh. über die Sühnopfer p. 5 ff.
10°) Plinius XVIII, 2, 7: Numa instituit deos fruge colere et mola Salsa sup-
plicare atque, ut auctor est Hemina, far torrere, quoniam tostum cibo salubrius
esset. Id uno modo consecutum, statuendo non esse purum ad rem divinam
nisi tostum. Is et Fornacalia instituit farris torrendi ferias et aeque religio-
sas terminis agrorum. Hos enim deos tunc maxime noverant, Seiamque a
serendo, Segestam a segetibus appellabant, quarum simulacra in circo videmus.
Tertiam ex bis nominare sub tecto religio est. Ac ne degustabant quidem
novas fruges aut vina, antequam sacerdotes primitias libasscnt. Ueber Letz-
teres vergl. die vorerwähnte Abh. p. 18. 101) Festus p. 141, 31: mola vo-
catur far tostum et sale sparsum, quod eo molito hostiae aspergantur. Ser-
vius ad Ecl. VIII, 82 : far pium i. e. mola casta, salsa, utrumque enim idem
significat, ita fit: virgines Vestales tres maximae ex nonis Maus ad pridie
Idus Maias alternis diebus spicas adoreas in corbibus messuariis ponunt, eas-
que spicas ipsae virgines torrent, pinsunt, molunt, atque ita molitum condunt.
Ex eo farre virgines ter in anno molam faciunt, Lupercalibus, Vestalibus,
Idibus Septembribus, adjecto sale cocto et sale duro. Über das Salz als
nothwendige Zugabe aller Opfer heisst es bei Moses III, 2, 13: Alle deine
Speisopfer sollst du salzen., in alle deinem Opfer sollst du Salz opfern; bei
Plinius XXXI, 7, 89: maxime in sacris intelligitur auctoi'itas salis, quando
nulla conficiuntur sine mola salsa. 102) Moses II, 23, 19. IV, 15, 20 f. 18,
12 f. V, 26, 2 ff. ,03) Aristoteles Eth. Nie. VIII, 11 extr. Maximus Tyr.
113
den; vielleicht auch hat er zu Dankopfern vorzugsweise diese ein-
fachsten aller Gaben bestimmt;104 dass er nur unblutige Opfer an-
geordnet und alle Thieropfer verboten habe, wie neuere Forscher
behaupten105, ist an sich sehr unwahrscheinlich,106 und wird durch
drei von ihm erhaltene Gesezesbestimmungen über die Ehrenbeute
siegreicher Feldherren, 107 über die Wiederverheirathung der
XXX, 5. und die ausführlichen Nachweisungen über die Identität der jüdi-
schen und heidnischen Sitte hei Spencer de leg. Hebr. rit. III, 1, 9. p. 714 ff.
ed. Pfaff.
lo4) So Plutarchus v. Numae 8 p. 65, C: xoftidjj xal rä rwv Svoitov e%s-
%av rrjg IIvO-ayoQixrjg ayiaisiag' avaif.tay.roL yctq rjaav af re noXXal, öl äl-
q>Lrov xal OTtovörjg xal riov evieXearäziov nenoLrjftevaL. I05) Pellegrino (Krjn-
koff) über den Religionsunterschied der Patricier und Plebejer p. 9. 71.
106) In dem auf die Sazungen Numas gegründeten Gesezesentwurf Ciceros de
Legg. II, 8 werden Früchteopfer und Thieropfer erwähnt: certasque fruges
certasque bacas sacerdotes publice libanto: hoc certis sacrificiis ac diebus.
itemque alios ad dies ubertatem lactis feturaeque servanto . . quaeque quoique
divo decorae grataeque sint hostiae providento. Die Behauptung des Ovidius
Fast. I, 337 ff. dass vormals nur unblutige Opfer dargebracht worden seien :
ante, deos homini quod conciliare valeret, far erat et puri lucida mica salis. .
In sacris nullum culter habebat opus: bezieht sich nicht sowol auf Numa als
auf die älteste Zeit unter der Herschaft des Janus, und scheint überhaupt
mehr ein Philosophumenon als eine historische Thatsache zu sein. Die Nach-
richt des Zonaras VII, 5 Numa habe unblutige Opfer angeordnet, weil die Götter
als die Wächter des Friedens und der Gerechtigkeit rein sein sollten von
allem Blutvergiessen , ist eine im Sinne der Pythagoreer gedachte Aus-
schmückung der Plutarchischen Angabe, die er vor Augen hatte. 107) Plutar-
chus v. Marcelli p. 302, C und Festus v. opima spolia p. 189, 11: *esse etiam
Pompilii regis legem opimorum spoliorum talem : cuius auspicio classe pro-
cincta opima spolia capiuntur, Jovi Feretrio darier oporteat, et bovem caedito
qui cepit aeris ducenta. secunda spolia in Martis aram in campo solitaurilia
utra voluerit caedito. tertia spolia Jano Quirino agnum marem caedito, centum
qui ceperit ex aere dato, cuius auspicio capta, dis piaculum dato.
Abhandlungen der I. Cl. d. b. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A.) 15
IM
Wittwen,108 und Aber die Concubinen 109 ausdrücklich wider-
legt.
Über die Weinopfer enthielt ein Gesez Numas die Bestim-
mungen: dass man den Scheiterhaufen nicht mit Wein besprengen
— und: dass bei den Weinspenden, welche man den Göttern dar-
bringe, nur Wein von beschnittenen Reben gebraucht werden solle.
Plinius meint, die erstere Bestimmung habe ihren Grund darin, dass
der Wein damals noch kostbar und selten gewesen sei; die andere
aber habe Numa gegeben, um die trägen Winzer zum Beschneiden
der Weinstöcke zu zwingen. * * ° Trankopfer von Wein verordnet
auch Moses;111 gleicherweise das Beschneiden der Weinstöcke
wie aller Fruchtbäume, und dass nur die Frucht beschnittener Stöcke
rein sei, die der nichtbeschnittenen aber unrein. l *■ 2
108) Wittwen die sich vor Ablauf der gesezlichen zehnmonatlichen Trauer
■wieder verheiratheten, mussten eine trächtige Kuh als Sühnopfer darbringen.
Plutarchus v. Numae 12 p. 67, F: rj 7Tq6t€QOv yafArjd-sloa ßovv eyxv/nova xaze-
dvoev ixetvov vo/.io&eTrjoavTog. 109) S. unten Anm. 159. 110) Plinius XIV,
12, 88: Numae regis Postumia lex est: vino rogum ne respergito. quod san-
xisse illum propter inopiam rei nemo dubitat. Eadem lege ex imputata vite
bari vina diis nefas statuit, ratione excogitata, ut putare cogerentur, alias
aratores et pigri circa pericula arbusti. XIV, 19, 119: quoniam religione Tita
constat, prolibare diis nefastum habetur vina imputatae vitis , fulmine tactae,
quamque juxta hominis mors laqueo pependerit, aut vulneratis pedibus con-
culcata, et quod circunicisis vinaceis profluxerit, aut superne deciduo immun-
diore lapsu aliquo polluta; item Graeca, quoniam aquam habeant. Plutarchus
v. Numae p. 69, E: to {.irj ouivdeiv &£oig e§ at-inilcov dt/.i^T(ov. Vergl. Festus
p. 262, 15 : resparsum vinum apud antiquos significat vinum rogo inspersum,
quod in sacris novendialibus vino mortui sepulcrum spargebatur. quae sacra
fiebant die nono. — Die solenne Formel bei den Weinlibationen war: macte
hoc vino inferio esto, sei mir geehrt durch diesen Opferwein: Cato de re rust.
132, 134. Arnobius VII, 31. in) Moses II, 29, 40. IV, 15, 5. 7. 18, 12.
V, 32, 38. ll2) Moses III, 19, 23 f. vergl. Johannes Ev. 15 mit der Erklä-
rung und den rabbinischen Parallelstellen in Sepp's Leben Christi I, 193. II, 442.
w
Ein Gesez Numas über die Fischopfer sezte fest: dass Fische
welche keine Schuppen hätten, den Göttern nicht geopfert werden
sollten: Hemina meint, er habe dies aus Sparsamkeit ersonnen, da-
mit die öffentlichen und privaten Gastmale und die Göttermalzeiten
leichter bestellt werden könnten, und damit nicht die für den Opfer-
schmaus anschafften, des Geldes weniger schonten und vorwegkauf-
ten.113 Wahrscheinlicher ist, dass der Grund ein religiöser war.
Auch die Aegyptier und die Juden assen nur solche Fische, die Schup-
pen uud Flossfedern hatten, indem die übrigen für unrein galten ;,u
dass die Juden auch Fische geopfert hätten, wird im Mosaischen
Gesez nicht erwähnt.
Numas Bestimmungen über die Gelübde, welche nach dem Zeug-
nisse Tertullians den Mosaischen sehr ähnlich waren, kennen wir
nicht in der ursprünglichen Fassung, nur aus dem Ciceronischeo
Gesezesentwurf. Dort heisst es: Gelübde sollen behutsam gemacht
und gewissenhaft erfüllt, und die Rechte der Religion nicht unge-
straft verlezt werden. Keiner solle darum seinen Acker verloben;
Gold, Silber, Elfenbein solle mit Maass gewidmet werden.115 Bei
11 3) Plinius XXXII, 2,20: pisces marinos in usu fuisse protinus a condita
Roma, auctor est Cassius Hemina, cuius verba de ea re hie subjiciam: Numa
constituit, ut pisces qui squainosi non essent, ni pollucerent; parsimonia com-
mentus, ut convivia publica et privata coenaeque ad pulvinaria facilius compa-
rarentur , ni qui ad polluctum emerent, pretio minus parcerent eaque prae-
mercarentur. Vergl. Festus p. 253, 17: pollucere merces quas cuivis deo
liceat, sunt far, polenta, vinum, panis fermentalis, ficus passa , suilla, bubula,
agnina, casei, ovilla, alica, sesama et oleum, pisces quibus est squamä praeter
squarum: Herculi autem omnia esculenta, poculenta. 114) Für die Aegyptier:
Porphyrius de Abst. IV, 14; für die Juden: Moses III, 11, 9 ff. 115) Cicero
de Legg. II, 9, 22: caute vota reddunto: poena violati juris esto. quocirca
ne quis agrum consecrato: auri argenti eboris sacrandi modus esto. Gesezlich
bindend waren Privatgelübde nur dann, wenn die Pontifices sie bestätigt
hatten. Festus v. sacer mons p. 321, 7: quod privati suae religionis causa
15*
116
feierlichen Gelübden der Magistrate pflegte der Pontifex die Formel
vorzusprechen.116 Gleicherweise befiehlt das Mosaische Gesez:
Wenn du dem Herrn ein Gelübde thust, deine Seele verbindend,
darfst du das ausgesprochene Wort nicht schwächen ; Gott wird es
fordern von dir, und es wird dir Sünde sein. Gelübde der Frauen
und Töchter, heisst es dann weiter, seien nur gültig mit Zustim-
mung ihrer Männer und Väter.117 Denn, sagt ein Salomonisches
Sprichwort,118 es ist dem Manne ein Strick, Heiliges zu verschlin-
gen und nach dem Gelübde es wollen untersuchen: d. h. vorschnell
zu versprechen und dann zu suchen wie man loskomme. Der gehei-
ligte Acker konnte gelöst werden, wenn der, so ihn gelobt hatte,
den fünften Theil des Geldes um das er geschäzt war, darüber
gab.119
Das Sacrilegiengesez Numas bei Cicero lautet: Wer Heiliges
oder an heiliger Stätte Hinterlegtes gestohlen oder geraubt hat, soll
wie ein Vatermörder (mit dem Tode) bestraft werden.120 Ein
ähnliches althellenisches Gesez schimmert bei Piaton121 durch. In
der Mosaischen Gesezgebung findet sich zwar eine legislatorische
Bestimmung über Tempelraub nicht; doch erzählt das Buch Josua,
dass Achan, der etwas -von dem Cherem d. i. von dem heiligen
Weihegnt der Stiftshütte gestohlen hatte, nachdem er den Diebstahl
eingestanden, gesteinigt und verbrannt worden sei;122 und im Tal-
mud heisst es geradezu: wenn jemand ein heiliges Gefäss stiehlt,
aliquid earum rerum deo dedicent, id pontifices Romanos non existimare
sacrum. at si qua sacra privata suscepta sunt, quae ex instituto pontificum
stato die aut certo loco facienda sint, ea sacra appellari, tanqum sacrificium.
11 G) Beispiele bei Brissonius de Formulis p. 105 ff. und p. 118 der Pari-
ser Ausg. von 1583. '") Moses IV, 30, 3 ff. V, 23, 21 ff. 118) Proverb.
20, 25. 119) Moses III, 27, 19. 1S0) Cicero de Legg. II, 9, 22: sacrum
sacrove commendatum qui clepserit rapsitque, paricida esto. ,21) Piaton de
Legg. IX. p. 120. 121. Vergl. das Amphiluyoniscbe Gesez bei Aeschines adv.
Ctesiph. §. 107 ff. i2i) Josua 7.
117
den können die so für den Herrn eifern auf frischer That ergrei-
fen und tödten.123
Übereinstimmend ferner, oft bis in die kleinsten Einzelheiten,
war in beiden Gesezgebungen die Feiertagsordnung: nur dass die
Römische im Ganzen geschäzt milder war als der harte Buchstabe
der Jüdischen. Die von Numa angeordneten Fest- und Feier-
tage124 sollten als den Göttern geweihte vor allem Tage der Ruhe
sein, der Feier von aller Arbeit, den Opfern, Festmalzeiten und
Spielen gewidmet. Aller Hader und Streit sollte ruhen, nur gute
Worte am guten Tage gehört werden, auch das Hausgesinde sollte
nach gethauer Arbeit an der Feier Theil haben. * 2 5
Da das römische Leben wesentlich auf den Ackerbau gegrün-
det war, so beziehen sich die meisten der uns erhaltenen Rechts-
bestimmungen über das was am Feiertage zu thun erlaubt oder
nicht erlaubt war, auf die regelmässig wiederkehrenden Geschäfte
des Landlebens.126 Nicht erlaubt war an Feiertagen zu ackern
123) Mischnah IV. p. 147. §.6. der Rabeschen Übersezung (Sanhedrin 9, 6.)
124) Vergl. Hartungs Religion der Römer 1, 153 ff. 188 ff. wo jedoch die eigentlichen
loci classiciCatos und Columellas übersehen sind. 125) Cicero de Legg.11,8, 19:
feriis jurgia amovento, easque in famulis operibus patratis habento. Ovidius
Fast. I, 71: prospera lux oritur. Unguis animisque favete: nunc dicenda bono
sunt bona verba die. Lite vacent aures, insanaque protinus absint jurgia. diflfer
opus livida turba tuum. Macrobius Sat. I, 16: Numa ut in menses annum, ita in
dies mensem quemque distribuit, diesque omnes aut festos aut profestos aut
intercisos vocavit. festi dies dis dicati sunt., festis insunt sacrificia, epulae,
ludi, feriae. Servius ad Ge. I, 268: feriae operae deorum creditae sunt.
126_) Die Zeugnisse der Alten, welche der nachfolgenden Darstellung zu Grunde
liegen, sind Cato de re rust. 2, 4: per ferias potuisse fossas veteres tergeri,
Tiam publicam muniri, vepres reeidi, hortum fodiri, pratum purgari, virgas
vinciri, spinas runcari, expinsi far, mundicias fieri. 138: boves feriis conjun-
gere licet, hoc licet facere, arvehant ligna, fabalia, frumentum, quod non
daturus erit. mulis, equis, asinis feriae nullae, nisi si in familia sunt. Virgi-
lius Ge. I, 268: quippe eliatn festis quaedam exercere diebus Fas et jura
118
und die Erde aufzugraben; die Felder zu bewässern; die Aussaat
zu besorgen; die Saaten neu zu unihägen; Bäume zu setzen oder
sie zu liebten; Heu zu mähen, zu binden, einzufahren; Schaafe mit
Fellen zu übcrkleiden, zu scheeren, sie zu waschen, ausser der Ge-
sundheit wegen um die Räude zu verhüten; Weinlese zu halten.
Verboten war ferner die Männer (zum Heere) einzuberufen, und
einen Todten zu begraben. Nöthigten die Umstände eine dieser
Arbeiten an einem Feiertage vorzunehmen, so musste zur Sühne ein
sinunt: rivos deducere nulla Religio vetuit, segeti praetendere saepum, Insi-
dias avibus moliri , incendere vepres, Balantumque gregem fluvio mersare
salubri. Columella II, 22: Pontifices negant segetem feriis sepiri debere.
vetant quoque lannrum causa lavari oves, nisi propter medicinam. . sunt enim
vitia, quorum causa pecus utile sit lavare. Feriis autem ritus majorum etiam
illa peiunittit: far pinsere, faces ineidere, candelas sebare, vineam conduetam
colere, piscinas lacus fossas veteres tergere et purgare, prata sicilire, stercora
aequare, foenum in tabulata componere, fruetus oliveti conduetos cogere,
mala pira ficos pandere, caseum facere, arbores serendi causa collo vel mulo
clitellario afferre; sed juneto advehere non permittitur, nee apportata serore,
neque terram aperire, neque arborem collucare : sed ne sementem quidem
administrare, nisi prius catulo feceris; nee foenum secare aut vincire aut
vehere, ac ne vindemiam quidem cogi per religiones pontificum foriis licet,
nee oves tondere nisi prius catulo feceris. Defrutum quoque facere et de-
frutare vinum licet, uvas itemque olivas conditui legere licet, pellibus oves
vestiri non licet, in horto quiequam olerum causa facias, omne licet. Feriis
publicis hominem mortuum sepelire non licet. M. Porcius Cato mulis equis
asinis nullas esse ferias dixit; idemque boves permittit con jüngere lignorum et
frumentorum advehendorum causa. Nos apud pontilices legimus, feriis tantum
denicalibus mulos jüngere non beere, ceteris licere. XI, 1, 20: tum etiam per
ferias instrumentum rusticum, sine quo nullum opus effici potest, recognoscat
et saepius ins[>iciat ferrumenta. Macrobius Sat. I, 15: Verrium Flaccum juris
pontificii peritissimum dicere solitum refert Varro, quia feriis tergere veteres
fossas beeret, novas facere jus non esset. 16 p. 288: Varro in augurum libris
scribit inesse haec verba; viros vocare feriis non oportet, si voeavit piaculum
esto.
119
Ferkel geopfert werden. Erlaubt dagegen waren an Feiertagen
altem Herkommen gemäss nach geistlichem und wehlichem Rechte
folgende Arbeiten, deren Vergünstigung, wie man sieht, vorzugsweise
den Armen zu Gute kam: den Gemeindeweg ausbessern, Hecken
aushauen, im Garten graben der Gemüse wegen, die Wiesen reini-
gen und mit der Sichel nachmäheu, Ruten binden, Dornen ausrotten
und verbrennen, Dinkel stampfen, Ochsen anspannen zur Einfuhr
von Holz, Bohnenstroh und Getraide, das nicht verkauft wird, Bäche
ableiten, Netze aufstellen gegen schädliche Vögel, Kienfackeln
schneiden, Talglichter ziehen, einen gepachteten Weinberg bestellen,
Fischbehälter, Teiche, alte Graben trocken legen und reinigen, Mist
breiten, Heu auf den Boden bringen, gepachtete Oliven pflücken,
Apfel, Birnen, Feigen, auf die Darre legen, Käse machen, Wein
einkochen, Bäume des Versezens wegen auf dem Halse oder auf
Saumthieren herbeibringen; sie auf einem Wagen herbeizubringen war
nicht erlaubt. Auch pflegten sorgsame Landwirthe an den Feier-
tagen ihren ganzen Hausrath, insbesondere die Eisenwerkzeuge zu
besichtigen, ob alles noch in gutem Stande sei.
Wer sich gegen die Feiertagsordnung unwissentlich versündigte,
musste ein Schwein zur Sühne opfern ; absichtliche Sünde Hess nach
Scaevolas Ausspruch keine Sühne zu. Auf die Frage, welche Ar-
beiten überhaupt an Feiertagen erlaubt seien, erwiderte der genannte
Pontifex : diejenigen, deren Unterlassung Schaden bringe. Wenn ein
Ochse in die Grube gefallen und der Hausvater ihn mit Hilfe seiner
Knechte herausziehe, so schände er den Feiertag dadurch nicht;
eben so wenig wer einen geborstenen Balken stütze um sein Haus
vor dem Einstürze zu bewahren. 127
127) Macrobius Sat. I, 16: praecepti negligens multabatur. praeter multam
vero affirmabatur eum , qui talibus diebus imprudens aliquid egisset, porco
piaculum dare debere; prudentem expiare non posse Scaevola pontifex affirma-
bat. sed Umbro negat eum pollui qui opus vel ad deos pertinens sacrorumve
120
Das Mosaische Gesez über die Feier des Sabbatbs und der
Festtage bestimmte einfach, dass dieselben als Tage der Ruhe und
der Freude durch Brand-, Speise- und Trankopfer gefeiert werden,
und dass Menschen und Thiere sich an denselben aller Dienstar-
beit enthalten sollten. Du sollst kein Werk thun, weder du selbst
noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine
Magd, noch dein Vieh, noch der Fremdling der in deinen Thoren
ist. 1 - s Wer den Tag vorsäzlich entheiligt und daran arbeitet, soll
des Todes sterben ; * 2 9 wer aus Unwissenheit oder Irrthuui das
Gesez bräche, sollte wie die Rabbiner lehrten, ein Sühnopfer dar-
zubringen schuldig sein. * 3 ° Dieselben Schriftgelehrten haben dann,
ähnlich den römischen Pontifices, die Arbeiten, welche am Sabbath
zu thun verboten und welche erlaubt seien, bis ins kleinste detaillirt,
und der ersteren neununddreissig sogenannte Vaterarten und noch
mehr Kinder- oder Unterarten herausgerechnet. Die den römischen
parallelen Bestimmungen des Talmud sind folgende. Als den Sabbath
schändend war verboten: das Säen, Ackern, Unkraut ausjäten,
Bäume beschneiden, erndten oder lesen, es sei Getraide oder Baum-
frucht, Garben oder Büschel machen, dreschen, worfeln, Früchte
ausklauben, Mehl machen, es sieben, kneten, kochen, backen, Wolle
scheeren oder waschen oder cartetschen, färben, spinnen, zetteln,
causa fecissct, vel aliquid ad urgentem vitae utilitatem respiciens actitasset
Scaevola denique consultus quid feriis agi liceret, respondit, quod praetermissum
noceret. si bos in specum decidisset eurnque paterfamilias adhibitis operis
liberasset , non est visum ferias polluisse; nee ille qui trabem tecti fraetam
fuleiendo ab imminenti vindieavit ruina. Servius adGe. I, 272: qui diseiplinas
pontificum interius agnoverunt, ea die festo sine piaculo dieunt posse fieri,
quae supra terram sunt, vel quae omissa nocent, vel quae ad honorem deorum
pertinent, et quidquid fieri sine institutione novi operis potest. . .
l"j Moses II, 20, 10. Über die Festtage II, 12, 16. III, 16, 29. 23, 21.
25. 28. 30 f. 35 f. 129) Moses II, 31, 14- 1J0) Mischna II p. 36. §. 6. der
Kabeschen Übersezung (Sabb. 11, 6.)
121
weben, einen Knoten knüpfen oder auflösen, nähen, Vögel oder Rehe
jagen, schlachten, die Haut abziehen, sie einsalzen, ausarbeiten, von
Haaren säubern, in Riemen schneiden, schreiben oder etwas auslö-
schen um zu schreiben, bauen es sei viel oder wenig, niederreissen,
Feuer auslöschen oder anzünden, mit dem Hammer schlagen, und
etwas von einem Orte zum andern tragen.131).
Schuldig der Übertretung der Sabbathgeseze ist: wenn einer
auch nur so viel Stroh austrägt als eine Kuh, so viel Ähren als
ein Lamm, so viel Gras als ein Ziegenböcklein im Maule fasse»
kann; 132 schuldig wer auch nur so viel Wein austrägt als zur
Mischung des Segenbechers erfordert wird, so viel Milch als ein
Mensch auf einen Schluck trinkt, so viel Honig als man auf eine
Wunde legt;133 schuldig wer auch nur so viel Pergament austrägt,
dass man zwei Worte, Höre Israel, darauf schreiben kann;134 oder
so viel Holz als man braucht um ein Ei zu kochen , 1 3 5 wer sich
seine Nägel einen mit dem andern oder mit den Zähnen verkürzt
oder abbeisst, oder ein Haupt- oder Barthaar ausreisst, eine Frau
die sich die Haare scheitelt oder flicht, oder die Augen sich
schminkt:136 und dergleichen mehr, wodurch, nachdem die Strenge
des Gesezes das störrige Volk zum Gehorsam gewöhnt hatte, der Aber-
wiz seiner Ausleger ihm mit Pflichten wie mit Fussatigeln den ganzen
Lebensweg gepflastert hat. Verboten war ferner am Sabbathe Waffen
zu tragen und alles was die Waffenruhe des Friedenstages störte;137
131) Mischna II. p. 25 f. (Sabb. 7, 2.) 132) Am angef. Orte p. 26.
133) p. 27. 134) p. 28. 135) p. 31. 136) p. 34. 137) Mischna II. p. 22.
(Sabb. 6, 4.) : ein Mann darf am Sabbath nicht ausgehen mit einem Schwert
noch mit einem Bogen, weder mit einem dreieckigen noch runden Schild
noch mit einem Spiess, und so er damit ausgeht, ist er eines Sündopfers
schuldig. Wirfers biblisches Realwörterbuch v. Sabbath p. 406. 407: „an
Schwärmerei grenzte es, wenn jüdische Heere am Sabbath sich des Gebrauchs
der Waffen enthielten und von den Feinden niedermetzeln Hessen: I. Macc.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A.) 16
122
verboten auch einen Todten zu beerdigen , * 3 8 obgleich man
sonst ihm alles thun durfte was nöthig war: ihn waschen, salben,
die Kinnbacken ihm binden, nur dass man kein Glied ihm be-
wegte. 139 Erlaubt dagegen war am Sabbathe: Geräthe von der
Stelle zu bringen, es sei um der Geräthe willen oder wegen des
Plazes;140 vier, fünf oder auch mehr Kufen oder Kasten Stroh
oderGetraide auszuräumen, wenn es zur Erfüllung eines anderwei-
tigen Gebotes nöthig war;141 Bündel von Stroh oder Zweigen weg-
zutragen, wenn man sie zum Futter brauchte;142 Wein durchzusei-
2, 32 ff. II, 6, 11 Josephus B. J. II, 17, 10. vit. 32. Die Wahrnehmung wie
hiebei der Feind stets in sicherem Vortheil sei (vergl. Josephus Ant. XIII
12, 4. XI V, 4, 2), bewog die besonnenen Heerführer, Waffenruhe am Sab-
bath nur hinsichtlich der Offensive zu beobachten: I. Macc. 11, 34. 43 ff. Jo-
sephus Ant. XII, 6, 3. XIII, 1, 3. XIV, 4, 2. XVIII, 9, 2. 10, 2. " Über die
prahtischeren Römer Macrobius Sat. I, 16 p. 288: Sciendum est eligendi ad
pugnandum diem Romanis tunc fuisse licentiam, si ipsi inferrent bellum; at
cum exciperent, nullum obstitisse diem quo minus vel salutem suam vel publi-
cam defenderent dignitatem, quis enim observationi locus cum eligendi facul-
tas non supersit?
13s) Dies war schon zur Zeit Davids der Fall, wie die Erzählung der
Gemara Babyl. Sabb. Fol. 30, B. beweist. Dort heisst es: David pflegte jeden
Sabbath beim Studium des Gesezes zu sitzen. Als nun an dem Tage da seine
Seele zur Ruhe gehen sollte, der Engel des Todes vor ihn trat, konnte er
ihm nichts anhaben, da der Mund des Königs nicht inne hielt mit dem from-
men Lesen. Da sprach der Engel : was soll ich mit ihm thun? Es hatte
aber David einen Park (Bustana) hinter seinem Hause; hier schüttelte der
Todesengel in den Bäumen, so dass David herauskam um nachzusehen ; wie
er aber auf die Leiter trat, brach die Sprosse unter ihm, worauf er schwieg
und den Geist aufgab. Und als dann Salomon das Synedrium befragte, was
mit der Leiche seines Vaters anzufangen sei, erhielt er zur Antwort, man
dürfe sie nicht vom Platze bringen bevor die Sabbathfeier -vorüber sei." Ich
verdanke die Mitlheilung dieser Notiz meinem Freunde Professor Ilaneberg.
J39) Mischna II. p. 58. (Sabb. 23, 5.) ,4°) Am angef. Orte p. 46. 141) p.47f.
l4t) P. 48.
123
gen und Honigwein zu machen;143 einFass aufzubrechen um dürre
Feigen daraus zu essen.144
Dass man ein Schaf, das am Sabbathe in die Grube, einen
Ochsen oder Esel der in den Brunnen gefallen, herausziehen durfte,
ist aus den neutestamentlichen Schriften bekannt;145 und auch das
andere Beispiel des Römischen Pontifex, „einen zerbrochenen Balken
am Sabbathe mit einem Stuhl oder Bettbrette öder Fensterladen zu
stützen, nicht zu erhöhen, sondern nur dass er nicht weiter weiche,"
wird im Talmud erwähnt.146«
Völlig übereinstimmend ist das Numaische Gesez: verflucht sei
sammt seinen Ochsen wer einen Grenzstein ausackert: 147 mit dem
Fluchgeseze Mosis: Verflucht sei wer seines Nächsten Grenze
engert, und alles Volk soll sagen Amen.148 Doch finden sich
ähnliche Bestimmungen auch bei Piaton, 149 in dem Etruskischen
Fragmentum Vegoiae, 15° und in den meisten alten Gesezge-
bungen. 1 5 *
Sehr nahe auch stehen sich in beiden Gesezgebungen die Be-
stimmungen über Mord undTodtschlag. Ein Gesez Numas bestimmte:
wer einein freien Menschen durch List wissentlich den Tod giebt,
143) Mischna II p. 51. 52. 144) Am angef. Orte p. 55. 145) Matthaeus
12, 11. Lucas 14, 5. ,46) Mischna II. p. 58. (Sabb. 23, 5.). i47) Dio-
nysius II, 74 und Pauli Exe. p. 368: Numa Pompilius statuit, eum qui ter-
minura exarasset, et ipsum et boves sacros esse. 14a) Moses V, 27, 17.
149) Piaton de Legg. VIII p. 103, 3 Bekker. ,5°) W. Goesius Rei agrariae
auetores legesque p. 258: qui contigerit moveritque possessionem proniovendo
suam, alterius minuendo, ob hoc scelus danmabitur a diis. si servi faciant,
domino mutabuntur in deterius; sed si conscientia dominica fiet, celerius
domus exstirpabitur gensque ejus omnis interiet, etc. läl) Vergl. W. M.
Goethe de fragmento Vegoiae p. 12 ff; C. F. Hermann de terminis eorum-
que religione apud Graecos, Gottingae 1846; und für das germanische Recht
J. Grimms D. R. A. p. 546.
16
*
124
soll als Vatermörder (d. li. mit dem Tode) bestraft werden.152 Im
Mosaischen Gesez wird der Elternmord legislatorisch nicht erwähnt,
aber auch nach ihm wird, wie nach Aegyptischem Rechte, 153jederMord
d. h. jede wissentliche Tödtung eines freien Menschen mit dem Tode
bestraft: „wer irgend einen Menschen erschlägt, der soll des Todes
sterben." * 5 4 Für unvorsäzlichen Mord bestimmte Numa wie das
altattische Recht, dass der Thäter den Agnaten, die zur Blutrache
verpflichtet waren, für das Haupt des Getödteten einen Widder zur
Sühne darbiete;155 der israelitische Gesetzgeber errichtete hiefür
besondere Freistätten, wohin die Unglücklichen fliehen und bis zum
Tode des regierenden Hohenpriesters bleiben sollten: früher ein
Lösegeld zu nehmen verbot er. 1 5 6 Zur religiösen Sühne der Un-
that verordnete auch er vielleicht, dass dem Herrn ein Widder als
Schuldopfer dargebracht werde ; i 5 7 wenigstens wissen wir, dass
wenn ein von unbekannter Hand Erschlagener auf dem Felde ge-
funden wurde, zur Sühne des Mordes eine junge Kuh geopfert
werden musste. 1 5 8
Rücksichtlich der Kebsweiber waren die Geseze Numas stren-
ger als das nach der Sitte der Asiaten nachsichtige Mosaische
t:'2) Paulus Exe. p. 221, 15: parieida non utique is qui parentem occi-
disset dicebatur, sed qualemcunque hominem indemnatum. Ita fuisse indicat
lex Numae Pompilii regis his composita verbis: Si qui hominem liberum dolo
sciens morti duit, parieidas esto. ,53) Diodorus 1, 77, 6. 154) Moses III, 24,
17. vergl. I, 9, 6: Wer Menschenblut vergiesst, dess Blut soll auch durch
Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde
gemacht. 155) Festus v. subici ari'es p. 347, 2. Servius ad Ge. III, 387 und
ad Ecl. IV, 43: in Numae legibus cautum est, ut si quis imprudens oeeidisset
hominem, pro capite occisi et natis eius in cautione (Scaliger 1. in concione)
offerret arietem. 156) Moses II, 21, 13. IV, 35, 11 ff- 157) Moses III, 5, 15-
16. 6, 6; 19, 21. IV, 5, 8. 158) Moses V, 21, 1 ff. Über die Blutrache über-
haupt vergl. meines sei. Freundes J. Kalthoff Handbuch der Hebräischen Al-
terthümer p. 342 ff
125
Gesez. Numa verordnete: die Beischläferin eines verheiratheten
Mannes solle den Altar der Juno nicht berühren, berühre sie ihn,
so solle sie mit aufgelösten Haaren der Göttin ein weibliches Lamm
opfern. ' 5 9 Das Mosaische Gesez gestattete jedem Manne neben sei-
ner rechtmässigen Frau noch Beischläferinnen zu halten; Hessen sich
diese mit einem andern Manne ein, so musste derselbe für seine
Schuld dem Herrn vor die Stiftshütte einen Widder zum Schuld-
opfer bringen. I60
Ohne Parallele im Mosaischen Gesetz sind die Bestimmungen
Numas über die Bestattung der vom Blitz Erschlagenen und der Selbst-
mörder. Die erhaltenen Gesezesfragmente sagen : Wenn einen Men-
schen der Blitz des Jupiter erschlagen hat, soll er nicht über die
Kniee erhoben (d. h. über die Kniee auf den Schooss gelegt, ge-
waschen und angekleidet) werden ; und : Ein Mensch der vom Blitz
erschlagen worden, soll nicht mit den gebührenden Feierlichkeiten
bestattet werden.161 Er durfte nämlich nicht verbrannt werden,
sondern wurde an der Stelle, wo er vom Blitz erschlagen worden, still
eingescharrt.162 Dasselbe geschah nach altgriechischem Rechte.163
159) Pauli Exe. p. 222, 3. Gellius IV, 3: pellex asam Junonis ne tagito,
si taget, Junoni crinibus demissis arnum feminam caedito. Das Gesez Numas
•war auch in das Jus Papirianum aufgenommen, wie aus den Dig. L, 16, 144
hervorgeht. 160) Moses III, 19, 20 f. 161) Festus p. 178, 18: occisum a necato
stingui quidam, quod alterum a caedendo atque ictu fieri dieunt, alterum sine
ictu. itaque in Numae Pompilii regis legibus scriptum esse: si hominem fulmini-
bus (Scaliger: fulmen Jovis) occisit, ne supra genua tollito (Scaliger: tollitor).
et alibi: homo si fulmine occisus est, ei justa nulla fieri oportet. Der Ausdruck:
supra genua tollere heisst s. v. a. curare, pollingere et vestimenta funebria in-
duere. Vergl. La Cerda zu Virgilii Ae. VI, 218ff. 162) Plinius II, 54, 145: ho-
minem ita (fulmine) exanimatum cremari fas non est, condi terra religio tradidit.
Quintilianus Declam. 274: quo quis loco fulmine ictus fuerit, eo sepeliatur.
Vergl. Gutherius de jure manium in Graevii Thes. XII p. 1090 ff. und Meur-
sius de funere in Gronovii Thes. XI p. 1140. 163) Marcellinus ad Hermoge-
120
Über die Selbstmörder aber bestimmten die Römischen Pontifical-
bücher: dass wer seinem Leben durch den Strick ein Ende «emacht
habe, unbegraben liegen bleiben solle;164 eben so die Statuten einer
Dianenbruderschaft zu Lanuvium: wer immer aus was immer für
einer Ursache sich selbst den Tod gegeben, soll eine feierliche Be-
erdigung nicht erhalten.165 Eben so befahl auf Kypros ein Gesez
der Donassa, dass wer sich selbst das Leben genommen, unbegra-
ben hingeworfen werde; 166 das altattische Recht, dass wenn einer
sich selbst getödtet, die Hand, welche die That vollführt, vom Kör-
per getrennt und abgesondert begraben werde: 167 wie denn auch
Piaton will, dass man die Selbstmörder an einer unfruchtbaren ein-
samen Stelle ohne Grabsäule beerdige. 168 Das Mosaische Gesez
enthält, wenn man nicht das Noachische : euer Blut will ich fordern
von eueren Seelen: darauf bezieht, 1 6 9 keine legislatorische Bestim-
mung über den Selbstmord; doch galt er auch den Juden als ein
grosses Verbrechen, und Josephus bezeugt ausdrücklich: die Seelen
der Selbstmörder nehme der finsterste Hades auf, Gott räche den
Frevel noch an den Nachkommen, und, sagt er: auch bei uns pflegt
nera bei Walz IV p. 269: vo/nog zbv zvqavvov vtxeqÖqlov Qinzeo&ai' -Kai zbv
<jy.i]7TT<~> ßlt]de:vza avzoü danteodai ob sueosv. Artemidorus II, 8 p. 9t: ov
yaq xsoavvcoO-evzeg /.levazL&svzac aXX ozov av vnb zov nvqbg xazaXsicp&cü-
aiv, ivzav&a iyämovxat.
ls4) Seivius ad Ae. XII, 603: cautum fuerat in pontificalibus libris, ut qui
laqueo vilam finisset, insepultus abjiceretur. 165) Inscriptio Lanuvina bei
Momrasen de collegüs et sodalitiis Romanorum col. II. vers 5: item placuit,
quisquis ex quacunque causa mortem sibi adsciverit, eius ratio funeris non ha-
behitur. 16°) Dio Chrysostomus Or. LXIV p. 592, D: zöv auzöv aTioxzsl-
vavta azacpov QiTtzsa&at, devveoog ouzng drjf.tovüaorjg vö/xog. ts7) Aeschi-
nes adv. Ctesiphontem §. 244: käv zig avxbv öiaxo^arjxai,, zijv X£^Qa T^v
zovvn Tcgdt-aoav %u)Qtg zov aco/^azog &ct7Zzo{iev. 169) Piaton de Legg. IX. p.
158. 16S) Moses I, 9, 5 nach der Erklärung meines Freundes Prof. Haneberg,
dem ich auch diese Nachweisung verdanke.
127
man ja die Selbstmörder bis zu Sonnenuntergang unbegraben hinzu-
werfen. * 7 °
Die Beschränkung der väterlichen Gewalt durch ein Gesez
Nunias, welches bestimmte: dass wenn der Vater seinem Sohne er-
laubt habe sich eine Frau zu nehmen, welche an seinen Opfern und
an seinem Vermögen gesezüchen Antheii nahm, er denselben nicht
mehr in die Schuldknechtschaft verkaufen dürfe:171 kann weder im
Mosaischen noch im althellenischen Rechte ein Analogon haben; da
die Strenge der Römischen patria potestas sich überhaupt bei kei-
nem andern Volke des Alterthums wiederfindet. i 7 2
Die auffallende Identität der meisten dieser Sazungen Numas
mit denen des Mosaischen Gesezes ist auch dem gelehrten Tertul-
lianus nicht entgangen, der die heidnischen Religionen wie die jüdi-
sche und christliche aus dem Leben und aus der Litterafur so genau
kannte. Er bezeugt diese Übereinstimmung wiederholt, sie war un-
leugbar und gewiss von \ielen seiner Zeitgenossen bemerkt und
vielfach gedeutet worden. Da ein historischer Zusammenhang sich
nicht nachweisen Hess, so erklärte er sich dieselbe durch die selt-
same Annahme, dass der Teufel als Lügner von Anbeginn
in dem Cultus der Heiden überall die Lüge des wahren Gottes-
dienstes aufgestellt,173 und auch hier die göttlichen Satzungen des
170) Josephus de hello Jud. III, 8, 5: zovg yovv avsXövzag havzovg naqa f.tiv
Tj(.üv (.lexgig ijklov dvoswg acäqovg ixQinzsiv l'xQivav. 171) Dionysius II, 27:
lav Tiarrjo vlijj ovyyvu)Qr'jorj yvvaixa ayayeof)ai, xoivwvov lcof.i&vtjv isqcüv ze xal
%QT]l.iäztov xaza zoug vöf.iog, (.irjxäzL zrjv e^ovoiav eivai zt£> tcucqI nioXelv zbv
vtöv. Ähnlich Plutarchus v. Numae 17 p. 71, E. 172) Institut. I, 9, 2: jus
potestatis quod in liberos habemus proprium est civium Romanorum. nulli
enim alii sunt homines, qui talem in liberos habeant potestatcm qualem nos
habemus. 173) Tertullianus de Corona 7: mendacium divinitatis diabolus ope-
ratur, a primordio mendax. Am ausführlichsten erklärt er sich über diese
überall -wiederkehrende Hypothese: dass der Satan und seine Engel, die bösen
Daemonen als feine listige schnelle Geister die Aussprüche Gottes durch die
128
Moses iu denen des Numa listig nachgeäfft habe. Seine Worte
sind: Der Teufel, dessen Theil es ist die Wahrheit zu verdrehen,
ahmt selbst die göttlichen Sacramente in den Mysterien der Idole
nach: auch er taufet einige, nämlich seine Gläubigen und Getreuen,
und verheisset Tilgung der Sünden durch das Bad; 175 er bezeich-
net in den Mithrasmysterien seine Streiter auf der Stirne, feiert auch
das Opfer des Brodes, stellt vor das Bild der Auferstehung, und
erkauft unter dem Schwerte die Krone.176 Den Oberpriester
heisset er eines Weibes Mann sein, * 7 7 hat Jungfrauen und Ent-
haltsame. * 7 8 Endlich wenn wir des Numa Pompilius superstitiose
Sazungen durchgehen, die priesterlichen Pflichten, Insignien und Pri-
Propheten diesen gleichsam vom Munde weggeschnappt und zur Verführung
der Menschen gemisbraucht hätten: im Apologeticus 22. Ihm folgt Lactantius
II, 16. Beiden voran gieng in dieser Erklärungsweise Justinus Martyr. Apolog.
I, 54. 64. 66. Dial. cum Tryph. 69. 70.
17 *) Tertullianus de praescriptionibus haereticorum 40: Diabolus, cuius
sunt partes invertendi veritatem, ipsas quoque res sacramentorum divinorum in
idolorum mysteriis aemulatur. Tingit et ipse quosdam, utique credentes et
fideles suos; expiationem delictorum de lavacro repromittit ; et si adhuc rae-
mini Mithrae, signat illic in frontibus milites suos, celebrat et panis oblatio-
nem, et imaginem resurrectionis inducit, et sub gladio redimit coronam. Quid
quod et summum pontificem nuptiis statuit? habet et virgines, habet et con-
tinentes. Ceterum si Numae Pompilii superstitiones revolvamus, si sacerdo-
talia officia insignia et privilegia, si sacrificantia ministeria, et instrumenta et
vasa ipsorum sacrificiorum , ac piaculorum et votorum curiositates considere-
mus: nonne manifeste diabolus morositatem illam Judaeae imitatus est?
175) Derselben Taufe in den Eleusinien und in den Mithrasmysterien gedenkt
er in der Schrift de baptismo 5. 176) Anspielung auf die christlichen Märty-
rer die unter dem Schwerte des Henkers die Krone des Lebens sich verdien-
ten. Das Nähere über diese Mithrasmysterien in der Schrift de Corona mi-
litis 15. ,77) S. oben Anm. 93. 178) Bezieht sich auf die Römischen Vesta-
linnen, die jungfräuliche Priesterin der Hera zu Aegium, der Pythien zu Del-
phi, und der Priesterinnen der Africanischen Ceres: deren er in den Büchern
ad uxorem I, 6 und de monogamia 17 gedenkt.
129
vilegien, den ganzen Opferdienst und die dabei üblichen Werkzeuge
und Gefässe, und alle Wunderlichkeiten der Sühnungen und Gelübde
betrachten: ist es dann nicht offenbar, dass der Teufel darin die
Majestät des jüdischen Gesezes nachgeahmt hat?" Und an einer
andern Stelle 179 betrachtet er den Numa gerade so als einen Vor-
arbeiter Christi, wie sonst Moses aufgefasst wird: Numa habe die
noch rohen Menschen durch die Menge seiner Götter erschüttern
und durch ein beschwerliches Ritualgesez zur Menschlichkeit heran-
bilden ; Christus den schon gebildeten und durch die Bildung selbst
getäuschten Menschen zur Anerkennung der Wahrheit die Augen
öffnen wollen.
i]
Diese Erklärung der Übereinstimmung Mosaischer und Nümai-
scher Institutionen aus des Teufels Gewalt begehre ich nicht
zu vertheidigen : so lange menschliche Mittel ausreichen , mag
der Teufel füglich aus dem Spiele bleiben; die menschenmöglichen
Erklärungsmittel aber sind in der Altertumswissenschaft noch lange
nicht erschöpft. Die Ansicht aber von einer der Stellung Mosis zu
Christus parallelen Stellung Numas nehme ich von dem christlichen
Apologeten gerne an. Die beschwerliche Disciplin180 der von
Numa augeordneten Sacra, sein ganzes lästiges Caerimonialgesez ist
dem Mosaischen allerdings ähnlich, ja die beiden Völkern gemein-
same ängstliche Scrupulosität in der pünktlichsten Erfüllung aller
l79) Tertullianus Apolog. 21: homo fuit Pompilius Numa, qui Romanos
operosissimis supeistitionibus oneravit. Licuerit et Christo commentari divi-
nitatem rem propriam; non qui rupices et adhuc feros homines multitudine
tot numinum demerendoiutn attonilos efliciendo ad humanitatem temperaret,
quod Numa; sed qui jam expolitos et ipsa urbanitate deceptos in agnitionem
veritatis ocularet. — 180) Cic. de Eep. II, 14: sacrorum ipsorum diligentiani
difhcilem, apparatum perfacilem esse voluit. Über Lezteres, die Einfachheit
der von Numa angeordneten Sacra, vergl. de N. D. III, 17. Parad. I, 2, 11.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Akad- d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A.) 17
130
gesezlich vorgeschriebeneu Förmlichkeiten l s l ist frappant : und wenn
Paulus das Mosaische Gesez einen Erzieher nennt, der zu Christus
hinführe , * 8 2 so ist es dem Geiste des grossen Heidenapostels
schwerlich zuwider, dieselbe Wahrheit auch auf die Saznngeii
Numas anzuwenden. Denn dass die neue Weltreligion der geisti-
gen Freiheit, die wahre Lehre Christi, das pantheistische Princip
der heidnischen und das monotheistische der jüdischen Religion in
sich bescbliesse, 183 dass die Römer nur darum die Mission hatten.
Jerusalem zu zerstören, weil was in ihm ewig war, bei ihnen wie-
der auf- und fortleben sollte, kurz dass das christliche Rom auf
den Trümmern des Heidenthums wie des Judenthums erbaut sei : das
ist für die Philosophie der Geschichte eine unzweifelhafte Wahrheit.
181) Vergl. Plutarchus v. Coriolani 25 p. 225 f. v. Marcelli 4 p. 300, A.
Arnobius IV, 31. 37. 182) Gal. 3, 24: vöfiog Tcaidaycoyög dg Xoiotöv.
t83) Vergl. die treffliche Abhandlung von J. H. Deinhardt über den Gegensaz
des Pantheismus und Deismus (vielmehr : Monotheismus) in den vorchristlichen
Religionen, ßromberg 1845.
U e b e r
die Mauern von Babylon
un(
das Heiligthum des Bei daselbst
Dr. Franz Streber.
17*
t eber
die Mauern von Babylon
und
das Heiligthuin des Bei daselbst
Dr. Franz Streber.
Babylon gehörte unstreitig zu den ältesten und berühmtesten
Städten der alten Welt, von denen Kunde zu uns gekommen.
Wer kennt nicht die mosaische Erzählung, dass die Völker
schon zu der Zeit, als noch Eine Sprache auf Erden war und
einerlei Rede, sich in der Ebene Senaar eine Stadt bauten und
einen Tlsunn, von da aber zerstreut wurden über alle Gegenden l)'?.
So prangt der Name Babel schon in den ältesten Urkunden als dei-
chte Sitz der bürgerlichen Gesellschaft und die Wiege der Cultur.
und bereits ein Enkel des Cham, Nimrod 2), oder wie die Profan-
ScL-riftsteller berichten, Bei 3), wird als ein mächtiger Herrscher
daselbst geschildert.
Nicht minder herrscht über die Grösse und Pracht dieser alten
Königsstadt nur Eine Stimme. Als Nebucadnezar von seiner Burg
') Genesis, cap. 11. 2) Genesis, cap. 10- 3) Vergl. Perizonii Origines
Babylon, cap. VIT. pag. 93.
134
die uuermessliche Stadt überschaute, die der Sammelpunkt von al-
len Reichthümern und Schätzen geworden war, konnte er mit Recht
ausrufen '): „Ist das nicht die grosse Babel, die ich zur Wohnung
des Königs erbaut durch meine starke Macht und zu Ehren meiner
Herrlichkeit ■?" und die Propheten des alten Bundes stimmen ein in
dieses Urtheil und nennen Babel „die grosse, die weltgepriesene,
die stolze Zierde der Chaldäer." Auch die alten Schriftsteller des
Occidents bestätigen solches. Herodot 2) nennt Babylon die berühm-
teste und stärkste unter den vielen Städten Assyriens. Philo von
Byzanz 3) zählt die Mauern der Stadt und die schwebenden Gärten
unter die sieben Wunder der Welt. Dasselbe wiederholt Strabd *).
In ähnlicher Weise berichtet Plinius 5): „Babylon diu summam cla-
ritatem obtinuit in toto orbe." Selbst zur Zeit Alexanders des Ero-
berers musste diese Stadt noch viele Denkmäler ihrer alten Pracht
aufzuweisen haben, denn Curtius 6J schreibt: „ipsius urbis pulchri-
tudo ac vetustas (venustas) non regis modo sed etiam omnium ocu-
los in semet haud immerito converth," und bekanntlich gedachte Ale-
xander, voll von weitaussehenden Plänen, Babylon zum Mittelpunkte
seines neuen Reiches und zum Herzen des Welthandels zu Was-
ser und zu Land zu machen.
Es wäre nun gewiss nicht uninteressant, wenn wir uns über
die vorzüglichsten Bauwerke dieser Stadt, zumal gerade diese ih-
ren hohen Ruhm begründeten, ein sicheres und klares Bild zu ver-
schaffen vermöchten. Auch fehlt es uns nicht an Nachrichten hiezu.
Allein bei näherer Prüfung derselben erscheint manches dunkel, und
wenn man die einzelnen Nachrichten miteinander vergleicht, erheben
sich selbst bedeutende Widersprüche.
') Daniel, cap. 4. v. 26. 2) Herodot, Lib. I. cap. 178. 3) Philo Byz.
Lib. de 7 orbis spectaculis. *) Strabo, Lib. XVI. cnp. 5- 5) Plinius. Hist.
Nat. Lib. VII. cap. 26. 6) Curtius Riifus. Lib. V. cap. t.
135
Das Dunkle aufzuklären ist mit grösserem oder minderem Glücke
mannigfach versucht worden ; die Widersprüche entweder als solche
festzustellen oder miteinander auszugleichen, noch nicht, wenigstens
meiues Wissens nicht mit Erfolg. Zu beidem einen Beitrag zu lie-
fern, ist der Zweck der folgenden Abhandlung.
Zu den am meisten in Widersprüche verwickelten Nachrichten
der Alten gehört, was uns über die Mauern der Stadt, nämlich
ihre Länge, ihre Verdoppelung oder Verdreifachung, ihre Höhe und
Dicke berichtet wird; am dunkelsten ist die Schilderung des Hei-
ligthums des Bei. Diess sind demnach die Gegenstände, die hier
näher erörtert werden sollen.
136
Von der Länge der Mauern.
Die Länge der Mauern Babylons wird bei den verschiedenen
Schriftstellern des Alterthums in nachstehender Weise angegeben.
Herodüf schreibt *): „Babylon liegt in einer grossen Ebene, in
der Grösse von hundert und zwanzig Stadien an jeder Seite und
ist ein Viereck; so dass sich der Stadien des Umfangs der Stadt
zusammen vierhundert und achtzig ergeben. Das ist die Grösse der
babylonischen Stadt". Kisrai &v Titdüo jutycuipj fi^ycc&og tovoa usrvo-
iov sxccotop ttxooi xul ixccrov Gradiwv, tovoqg rtTQaywvov ovroi
Grädioi rijg nsQiodov zijg nöXiog yivovrm Gvvänavvsg oyd'uvcoi're. y.iü
r&zQccjcooioi. to fiiv vvv fstiyaS-ög togovtoi' igt/ tov «ortog tov Bk-
ßvXatvtov.
Ctesias?) berichtet, Seiniraniis habe, den Euphral in die Mitte
nehmend, die Stadt mit einer Mauer von dreihundert und sechzig
Stadien umgeben, worauf viele grosse Thürme. 3j7ioÄaßovot! dt
(Zt-iiiou/mg) rov Ev<fqurriv noretjiidv elg f.iiGov mottßc'cÄtro Tfi/og ti]
noXsi GTC(diwi> TQiaxoGloyv t^rjxoi'ra <$ihihiu(.ibvov nvoyoig nvxvolg xcu
ui-yü'/Mig,
*) Herodot. Lib. I. cap. 178. '*) Diodbr Sicul. Li?>. II. c.,p. 8.
137
Clitarchm und einige Andere, die nachher mit Alexander nach
Asien kamen l), geben die Länge der Mauern auf dreihundert fünf
und sechzig Stadien an und fügen hinzu, Semiramis habe, da eben
soviele Tage im Jahre sind, die gleiche Zahl von Stadien anbrin-
gen wollen, cog Ss KÄsCxaojrog xal xvov vgxsqop just3 'AÄs^avdoov dia-
ßqvxmv zig xrjp \4okiv xivig äv^oaipav, xqiaxoGloiv k^xoisva xal ngvze
oxadliov xal nQogxi&iaGiv ort xwv Xgvov i]jusqcui/ sig xbv iviavxöv ovovijv,
i(piZoxi/Lü]0-t] xov ioov aoiü/udv xuiv GxaSiwv dnooTijGag&ai.
Philo von Byzanz 2) redet von einer Befestigung von dreihun-
dert und sechzig Stadien im Umfange. BaßvÄwva ycio txsixtae
(seil. JZsjuiQajuig) xoiaxooiwv t&jxovxa Gxadiwv ßäÄÄovoa {rs^i-XiwaiVy
wGxe xr\v nsQi/usxQOv xrjg nöXswg ^jusqoöqojuov xog/uov (xonov) £%siv.
Strabo 3) setzt den Umfang der Mauer auf dreihundert fünf
und achzig Stadien, xov ds xvxXov &%si xov xsfyovg xoiaxooiiov
oydotjxovva nsvxs Gxadiwv 4).
Plinius 5) schreibt : Babylon sexaginta millia passuum am-
plexa.
Curtius Ruf us meldet6): Totius operis ambitus CCCLXVIII
stadia complectitur: singulorum stadiorum strueturam singulis diebns
perfeetam esse memoriae proditum est.
Nach Philostratus 7) war Babylon in einem Umfange von vier-
') Diodor Sicul. loc. cit. *) Philonis liyz. libellus de 7 orbis speetacu-
lis. 5) Strabo Lib. XVI. §. 5. ed. Tsch. p. 249. 4) Es ist wohl nur ein Druck-
fehler, wenn Hirt in seiner Geschiebte der Baukunst, B. I. S. 135 schreibt,
Strabo gebe den Umfang der Mauern auf dreihundert und drei und achzig
Stadien an. 5) Plinius Hist. Nat. Lib. VII. cap. 26 6) Curtius Rufus , de
rebus Alex. Lib. V. cap. 1. ') Philostratus, de vita Apollonii Tyanensis Lib.
I. cap. 25.
Abhandlungen d. I. Cl. d. h. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 18
1 :5S
hundert und achzig Stadien befestigt. BaßvAaJp r^xuxiorcti /utp 6y-
fiorixovza xcd TSTQaxooiec Gttxdiec xvzZq).
Solinus *) beliebtet : Urbs est sexaginta millia passunm cir-
euitu patens.
Bei Oroftius endlich2) lesen wir: Cetermn ambitns ejas qua-
dringentis et octoginta stadiis circumvenitur.
Es ist also in den Angaben der verschiedenen Schriftsteller
des Alterthums über die Länge der Mauern von Babylon keine Ueber-
einstiminung. Wir lesen von einem Umfange von 480, 385, 368,
365 und 360 Stadien.
Nothwendig entsteht hiebei die Frage : sollen wir diese Ab-
weichungen durch die Annahme erklären, dass sich die meisten Be-
richterstatter eines Irrthums oder doch die Abschreiber einer Unge-
nauigkeit schuldig gemacht? oder ist es vielleicht möglich, diese
verschiedenen Nachrichten ihrer Abweichungen ohnerachtet ganz
oder doch theilweise miteinander auszugleichen ?
Allerdings scheint nichts naheliegender, als dort, wo sich Wi-
dersprüche finden, sogleich Irrthum oder Uugenauigkeit vorauszuse-
tzen, allein zu solch einem Urtheile sind wir erst dann berechtiget,
wenn wir vorher die Sache genau geprüft und nach allen Seiten
hin wohl erwogen haben. Ich bin nun weit entfernt zu behaupten,
alles was uns die Schriftsteller des Alterthums zumal über ein so
ferne liegendes Reich wie das babylonische berichten, sei über je-
den Zweifel erhaben; ich behaupte im Gegentheil, bei diesen Be-
richten habe sich hie und da eine Ungenauigkeit wirklich einge-
schlichen; nichts destoweniger jedoch glaube ich, dass gerade die
') Solinus, Polyhistor, cap LX. 2) Orosius, Hist. Lib. II. cap. 6.
139
scheinbar grössten Widersprüche ohne Mühe ausgeglichen werden
können. Ich versuche dieses in nachstehender Weise zu zeigen.
Betrachten wir vorerst die verschiedenen Nachrichten im All-
gemeinen, so lassen sich die Schriftsteller, die von der Länge der
Mauern Babylons berichten, füglich in zwei Classen theilen. Auf
der einen Seite stehen diejenigen, die von viermal, auf der andern
die, welche mit etwas grösserer oder geringerer Abweichung von
dreimal hundert und zwanzig Stadien sprechen.
Zu der ersten Classe gehören Herodot, Plinius, Philosfratus,
Soli/ms und Orosius. Diese fünf Schriftsteller stimmen genau mit-
einander überein ; denn wenn Plinus, und nach diesem Solinus, den
Umfang auf 60,000 Schritte berechnen, so kömmt dieses Maass den
480 Stadien gleich, von denen Herodot, Philostratus und Orosius
Meldung thuu.
Die Angaben der übrigen Schriftsteller schwanken zwischen
eiuem Längeninaasse von 385 und 360 Stadien. Ctesias nämlich
und Philo von Byzanz reden von 360, Clitarchus von 365, Strabo
von 385, Vurtius Rufus endlich von 368 Stadien. Da sie sämmt-
lich von den erstgenannten bedeutend, unter sich selbst aber nur
wenig abweichen, bilden sie zusammen eine zweite Klasse.
Unsere erste Aufgabe wird nun seyn, zn untersuchen, was von
den geringeren Abweichungen der Schriftsteller der zweiten Klasse
zu halten sey, dann erst können wir fragen, ob und in wieferne
zwischen ihnen und den ersteren eine Uebereinstimmung gefunden
werden möge.
Am befremdendsten erscheinen die Angaben des Strabo und
Curtius. Schon die Zahlen an sich, auf deren Bedeutung später
noch hingewiesen werden soll, scheinen verdächtig; ferner liegt ein
18*
110
Widerspruch in den eigenen Angaben des Curtius; endlich deutet
eine genauere Vergleichung der Nachrichten des Strabo mit denen
des Curtius nicht unklar darauf hin, dass sich in Bezug auf die
Länge der Mauern ein Irrthum wirklich eingeschlichen habe.
Vergleichen wir zuerst die Angaben beider Schriftsteller mit-
einander, so ist mit Ausnahme des Längenmaasses zwischen ihnen
eine so auffallende Uebereinstimmung, dass keinen Augenblick ge-
zweifelt werden kann, Curtius habe entweder den Bericht Strabos
vor sich gehabt, oder beide haben aus der nämlichen Quelle ge-
schöpft.
Strabo ist der erste und einzige Schriftsteller, der, abweichend
von allen übrigen, die Dicke der Mauern auf 32 Fuss angibt, nd-
%og 8k rov rsixovg, schreibt er, nodwv dvo xccl Tqicixovra. Curtius
folgt ihm hierin wörtlich, indem er berichtet : „spatium XXX et duo-
rum pedum latitudinem amplectitur".
Andere Schriftsteller bedienen sich, um die Dicke der Mauern
zu bezeichnen, des Ausdruckes: so und so viele Wagen hätten auf
derselben nebeneinander Platz gehabt; Ctesias redet von sechs,
Philo von vier, Diodor von mehr als zwei Wagen. Strabo ist
der erste und einzige, der, obgleich er das Maass der Breite ohne-
hin schon genau angegeben, dennoch hinzufügt, die Mauer sei so
breit gewesen, „dass Viergespanne auf derselben mit Leichtigkeit
einander ausweichen konnten", ohne übrigens näher anzugeben, wie
viele Viergespanne nebeneinander Platz gehabt. CH 8k ndoodog im
rov T€i'%ovg, schreibt er i), cog rid-Qinna hvnvriodQoiLisiv e>X%r]?,oig qci-
dliog. Auch hierin folgt ihm Curtius wörtlich, indem er, nachdem
') Strabo
141
er gleichfalls die Breile ohnehin schon auf 32 Fuss angegeben, hin-
zufügt: „quadrigae inter se obcurrentes sine periculo comraeare di-
cuntur".
Strabo ist endlich der erste und einzige, der ein bestimmtes
Maass der Thürme angibt und sie um zehn Ellen höher ansetzt als
die Mauer. c'Yipog Js tuiv fxtv [xsoonvQybvw ttjjfcsig nsvnqzovrci , ta>v
dt TivQytov t'i^xovra. Auch hierin stimmt Curtius genau mit ihm
übereiu : „ Altitudo murorum L cubitorum eminet Spatio : turres de-
nis pedibus quam murus altiores sunt".
Man sollte nun erwarten , Curtius werde auch in der Angabe
der Länge der Mauer dem Strabo folgen. Diess ist jedoch nicht
der Fall, denn der eine setzt den Umfang der Stadt auf 368, dej
andere auf 385 Stadien. Dieser Umstand berechtiget uns um so
mehr zu der Annahme, dass sich hier ein Schreibfehler oder sonst
eine Unrichtigkeit eingeschlichen habe, als sich weder die Zahl 368
noch 385 bei irgend einem anderen Schriftsteller findet. Ohne Zwei-
fel wollten beide, wie Clitarchus und andere, 365 schreiben *).
Diess gewinnt, was wenigstens die Angabe des Curtius be-
trifft, noch mehr an Wahrscheinlichkeit, wenn wir erwägen, dass
dieser Schriftsteller gerade in Bezug auf das, was er von der Länge
der Mauern sagt, mit sich selbst in Widerspruch kömmt. Er gibt
nämlich den Umfang der Mauern auf 368 Stadien an, fügt aber un-
mittelbar hinzu, dass je ein Stadium in einem Tage fertig gebaut
worden sey. „Totius operis ambitus", sind seine Worte, „CCCLXVIII
stadia complectitur : siugulorum stadiorum structuram singulis diebus
l) Strabo mochte, als er ,,365 Stadien" schreiben wollte, sich an die äl-
tere Angabe von 400 und achzig Stadien erinnern und nun, beide Angaben
miteinander verwechselnd, dreihundert fünf und achzig statt drei hundert fünf
und sechzig setzen.
112
perfectam esse memoriae proditum est". Diesen Zusatz nahm Vurtim
offenbar aus Diodor von Sicilien, welcher erzählt '), Semiramis habe,
um den Bau schneller zur Vollendung zu bringen, jedem ihrer
Freunde ein Stadium zugemessen und die hiezu nöthigeu Auslagen
angewiesen und sie aufgefordert, das Werk in einem Jahre zu
vollenden {öiccy.eXsvoa^vri tsXoq smd-sivca roig tQyoig Iv iviavzw).
Auf jeden Fall könnte der Zusatz, es sei an je einem Tage ein
Stadium fertig gebaut worden, nur dann einen Sinn haben, wenn
hiemit zugleich angedeutet ist, dass in solcher Weise innerhalb Jah-
resfrist der ganze Bau fertig geworden sey. Das Jahr hat aber
nicht 368 Tage.
Vollends begründet scheint endlich die Annahme, dass die von
Sfrabö und Vurthis angegebenen Zahlen ungenau seyen, wenn wir
auf die Zahlen selbst Rücksicht nehmen, und diess führt uns zur
näheren Prüfung der Angaben des Ctesias, Clitarchus und Philo
von Byzanz.
Ctesias gibt den Mauern von Babylon einen Umfang von 360
Stadien, Clitarchus und Philo geben denselben auf 365 an. Diese
beiden Zahlenangaben haben offenbar beiweitem mehr Glaubwür-
digkeit für sich als die von Sfrabo und Curfius- angeführten. Denn
es ist unzweifelhaft und auch von den Archäologen anerkannt, dass
die Völker des Alterthums in der Anlage der Heiligthümer sowohl
als der Städte sich von einem tiefeu Natursinne und von religiösen
Anschauungen leiten Hessen. Wie die Stadt Babel nicht aus blos-
sem Zufalle in einem Vierecke erbaut und nach den vier Weltge-
genden angelegt war, sondern hiebei die uralte Natur und Elemen-
tenzahl „Vier" zum Grunde gelegt wurde, so sollte auch, wir kön-
nen kaum daran zweifeln, die Länge der Mauer symbolisch hin-
') Diodor Sicul. Lib. II. cap. 7.
143
deuten auf den ältesten Cultus der Babylonier, nämlich auf die Ver-
ehrung der Umkreisung des Himmels und hiemit auf den immer wie-
derkehrenden Kreislauf des Jahres. Diese Erklärung ist übrigens
keine neue, schon die Alten haben es so aufgefasst. Clitarchus
und andere sprechen es geradezu aus, dass die Erbauer den Mau-
ern darum eine Länge von 365 Stadien gegeben haben, weil sie die
Zahl der Stadien der Zahl der Tage im Jahre gleichmachen woll-
ten. c£2g f)« KfeirciQxog , schreibt Diodor x), xal tmv votsqov /ust
\4Xa^c'cvÖQ0v d LußüvTvov eig rtjv 'Aoiav nvkg ävtyQcctyav , romzooimv
i'irizovxu zdi nsvrs Gradiwv, xal TtQogri9-£ciGiv ort xwv Yawv tfjuSQiuv sig töv
tvMVTQV OVGWV igjlZoTljUlj&t} XOV löOV CCQld-UÖV T(OV GTCtdCwV VTlOGTfJ-
GC(G\)-C!l.
Hat diese Deutung ihre Richtigkeit, muss in dem Längeninaasse
der Mauer eine Symbolik gesucht werden, so haben wir einen
Grnnd mehr, in den Angaben des Strabo und Curtius einen Fehler
zu suchen, und den Angaben des Ctesias, Clitarchus und Philo den
Vorzog zu geben.
Wenn die letztgenannten Schriftsteller, da Ctesias von 360,
Clitarchus aber und Philo von Byzanz von 365 Stadien reden, nicht
ganz genau übereinstimmen , so ist doch der Unterschied von 5 Sta-
dien zu unbedeutend, als das« es der Mühe lohnte, hierauf ein be-
sonderes Gewicht zu legen. Sollte übrigens dennoch ein besimmter
Ausspruch gethan werden, so würde ich, da Quinctüian über Cli-
tarchus scheibt: „Clitarchi probatnr ingenium, fides infamatur",, der
Angabe des Ctesias, als der glaubwürdigeren, den Vorrang ein-
räumen.
M Diodor. Sicul. Lib. II.
cap.
III
Doch dem sei wie ihm wolle, wir mögen den Umfang der
Mauern mit dem älteren Ctesias auf 360, oder mit dem jüngeren
Clifarckus, mit welchem Philo von Byzanz genau übereinstimmt und
von dem selbst Strabo und Curtius nur unbedeutend abweichen, auf
365 Stadien setzen : immerhin bleibt uns noch die Hauptschwierig-
keit zu lösen, wie sich nämlich diese Nachricht mit den Angaben
der Schriftsteller der ersten Klasse, welche, Herodot an der Spitze,
von 480 Stadien reden, ins Gleichgewicht bringen lasse. Sollte
Herodot, der mit Recht der Vater der Geschichte genannt wird,
der allgemein als ein glaubwürdiger Schriftsteller anerkannt ist, der
hier überdiess als Augenzeuge redet, da, wo er über die alte Kö-
nigsstadt am Euphrat berichtet, für minder zuverlässig gehalten
werden, wie Ctesias, der Leibarzt des Artaxerxes Memnoii zu Susa,
oder Clitarchns, der beständige Begleiter Alexanders auf seinem
Zuge nach Asien ?
Einige schenken nur dem Herodot Glauben, ohne auf die Anga-
ben der übrigen Schriftsteller die mindeste Rücksicht zu nehmen ;
andere verwerfen umgekehrt die Nachrichten Herodots als fabelhaft
oder verfälscht *) und halten sich an die Neueren, denn die Beglei-
ter Alexanders, sagen sie 2), haben sich länger aufgehalten und ge-
nauer gemessen. Die Meisten endlich führen die verschiedeneu
Nachrichten an, ohne sich selbst für die eine oder andere mit Be-
stimmtheit auszusprechen.
Ich glaube, wir haben nicht nöthig, an der Wahrheitsliebe und
Genauigkeit dieser Schriftsteller zu zweifeln, vielmehr ist der Wi-
') Vielleicht, sagen Einige, schrieb Herodot Palaestea oder Palmen, de-
ren lünf eine Elle ausmachten und diesen richtigen Ausdruck verfälschte et-
wa irgend ein Abschreiber und machte, um das Wunderbare zu vergrössern.
Ellen daraus. 2) Vergl. Bredow Untersuch, über alte Gesch. II. 541.
145
derspruch, für so gross man ihn im ersten Augenblicke halten mag,
nur ein scheinbarer. Durch eine aufmerksame Prüfung der Nach-
richten Herodots wird dieses klar werden.
Herodof gibt, wie bereits oben erwähnt worden, den Umfang
der Stadt auf 480 Stadien an. Diese Nachricht haben bisher sämmt-
liche Erklärer so verstanden, als rede Herodot von den Mauern.
Allein einer solchen Auslegung muss ich widersprechen. Ich be-
haupte im Gegeiltbeile, Herodot sage mit keiner Silbe, dass die
Mauern den erwähnten Umfang gehabt haben. Nachstehende Dar-
legung mag meine Behauptung rechtfertigen.
Der Bericht, den uns Herodot über Babylon gibt, zerfällt in
drei Theile. Zuerst entwirft er ein allgemeines Bild von der Lage,
der Gestalt und dem Umfange der Stadt, ohne sich vor der Hand
auf eine Schilderung oder auch nur eine Erwähnung der einzelnen
Theile oder Merkwürdigkeiten derselben einzulassen. Sodann be-
schreibt er, nunmehr zu dem Einzelnen übergehend, die Befestigungs-
werke und zwar, als wollte er den ankommenden Fremdling als
Führer den einfachsten und kürzesten Weg weisen, zuerst den Gra-
ben mit seinen Dämmen, dann die Mauern mit ihren Tbürmen und
Tboren und endlich den Wall zu beiden Seiten des die Stadt in
zwei Hälften theilenden Euphrats. Zuletzt geht er auf die Merk-
würdigkeiten über, die sich im Innern der Stadt finden, erwähnt in
Kürze der Königsburg, spricht dann ausführlich von dem Heiligthume
des Bei und führt sonst noch an, was ihm besonders des Gedächt-
nisses werth schien. Diess ist der Gedankengang, der dem Berichte
Herodots zum Grunde liegt. Lassen wir ihn nun, soweit es für un-
seren Zweck nöthig ist, selbst reden.
„Assyrien", schreibt Herodot *), „hat zwar noch viele andere
l) Herod. Lib. I. cap. 178.
Abhandlungen d. I. CI. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (Aj 19
146
grosse Städte, aber die berühmteste nnd stärkste, und seit der Er-
oberung der Ninusstadt auch der Sitz des Königthums war Baby-
lon. Die Stadt aber war also beschaffen, iovoa xoiavxn dtj xig
nö/.ig. Sie liegt in einer grossen Ebene, in der Grösse von hundert
und zwanzig Stadien auf jeder Seite und ist ein Viereck, so dass
sich der Stadien des Umfang* der Stadt zusammen vierhundert und
achzig ergeben, ovxoi Gxädioi xijg jxsqioöov xrjg noÄtog yivovxai
avvcinavTsg oydcpxovxa xal xsxqcsxooioi.
So lauten die Worte Herodots und die hier angeführte Stelle
ist die einzige, in welcher von einem Umfange von 480 Stadien die
Rede ist. Nun frage ich, wo findet sich hier die Behauptung ge-
rechtfertiget, Herodot gebe die Länge oder den Umfang der Mauern
auf 480 Stadien an ? Er spricht hier einzig und allein nur von
dem Umfange der Stadt. „Die Stadt war also beschaffen", mit die-
sen Worten eröffnet er die Schilderung, die er von Babylon geben
will ; „das nun ist die Grösse der babylonischen Stadt, xo fxiv vvv
ueya&og xooovxöv toxi xov aoxsog xov BaßvXwvCov", mit diesen Wor-
ten scliliesst er das allgemeine Bild, das er entwerfen wollte. Von
den Mauern ist hier ganz und gar keine Rede ; es wird derselben
gar nicht gedacht.
Deutet vielleicht Herodot im zweiten Theile seines Berichtes,
in welchem er ausführlich von den Befestigungswerken und somit
auch von den Mauern handelt, darauf hin, dass letztere gemeint
seien , wenn vom äussersten Umfange der Stadt die Rede ist, dass
diese sonach in einer Länge von 480 Stadien sich ausgedehnt ha-
ben ? Auch das nicht; Herodot sagt im Gegentheile, dass nicht die
so berühmten Mauern, sondern ein breiter Graben die Grenze der
Stadt gebildet habe. Lassen wir auch hier wieder ihn selbst reden.
„Es war aber dieselbe (nämlich die Stadt] eingerichtet", schreibt
er, „wie keine andere Stadt unseres Wissens, ixexooutjxo ds wg
147
ovSkv uXXo nöXiopa twv lausig ifipsv. Fürs erste umgibt sie ein tie-
fer, breiter und wasserreicher Graben, racp^og juiv nowxä piv ßa-
frea re xm svoicc xccl nXhr\ vdcaog TieQi&esi, dann aber eine Mauer
von fünfzig königlichen Ellen in der Breite und zweihundert in der
Höhe, fxsrd dt zsixog x.t.Z." Zulezt, nachdem er noch etwas aus-
führlicher von der Beschaffenheit dieser Bauwerke, von dein hiezu
verwendeten Material, von den Thürmen und Thoren u. s. w. ge-
sprochen, schliefst er diesen zweiten Theil seines Berichtes mit
den Worten : „In solcher Weise nun war Babylon befestigt, its-
TSi%iGro piv vvv f\ BaßvAwv rorma) roundn".
Es ist also auch hier, wo die Befestigungswerke beschrieben
werden, nirgend gesagt, dass die Mauern die erwähnte Länge ge-
habt haben; Herodot behauptet vielmehr mit klaren Worten, dass
die ringsum 480 Stadien messende Stadt zuerst, das ist nach aussen
durch einen hreiten Graben, und dann erst, das ist nach innen mit
einer hohen und dicken Mauer befestiget gewesen sey. Diess heisst
offenbar so viel als, nicht die Mauern, sondern die äussere Linie
des Grabens hatte einen Umfang von 480 Stadien.
Sollte dennoch ein Zweifel übrig bleiben, ob Herodot bei dem
Umfange der Stadt wirklich den dieselbe umschliessenden Graben
mitgerechnet habe, indem es ja viel natürlicher sey, die Grösse ei-
ner Stadt nach dem Umfange der Mauern als nach dem ausserhalb
derselben befindlichen Graben zu berechnen: so wird auch dieser
Zweifel durch den weiteren Bericht Herodots gelöst. Nachdem er
nämlich in der bezeichneten Weise von dem Graben sowohl als von
der Mauer Melduug gethan, geht er unmittelbar zu der näheren
Schilderung derselben über und sagt, man habe den Bau mit ge-
brannten Ziegeln und heissem Erdpeche aufgeführt und zwar „bau-
ten sie in solcher Weise zuerst die Ränder des Grabens und zwei-
tens die Mauer selbst auf gleiche Art, Msipccv nqwxa piv rrjg rdtp-
19*
US
oov rc'c yet'Asa , dtVTSQcc (U avTO ro reTyog top civtöv tqotiov". Hier-
aus ergibt sich, dass wir hier durchaus nicht an einen gewöhnli-
chen Graben, sondern an ein ordentliches Befestigungswerk zu den-
ken liaben und zwar auf gleiche Art, top ccvtov roönov, erbaut, wie
die Mauer selbst. Ja, da Herodot, wo er von dem Baue dieses
Grabens redet, nicht blos vom Rande desselben, sondern in der Mehr-
zahl von den Rändern spricht, Iduucv tcc ysiXsa , da sonach der
Graben auf jeder Seite mit einem festgemauerten Damme eingeschlos-
sen war. so bildete dieser ein für sich selbst bestehendes, von der
Mauer gesondertes Bollwerk und zwar dem Feinde gegenüber das
erste, die Mauer aber das zweite. Es war sonach für Herodot
Grund genug vorhanden, bei dem Gesammtumfange der Bauwerke
von Babyion auch den Graben, insoferne dieser ebensogut wie die
Mauer selbst zu den Befestigungswerken der Stadt gehörte, mit zu
rechnen.
Wenn nun aber Herodot nirgend behauptet, dass die Mauern
einen Umfang von 480 Stadien gehabt haben, so steht auch seine
Angabe mit der des Ctesias und Clitarchus nicht im Widerspruche,
vielmehr erklärt sich die Sache ganz einfach dadurch, dass Herodot
vom Umfange der ganzen Stadt mit Einschluss särnmtlicher Bollwerke
redet, während die übrigen Schriftsteller blos von der Länge der
Mauern Erwähnung thun.
Diese Unterscheidung wird übrigens durch die Berichterstatter
selbst bestätiget, denn blicken wir nochmal auf die Nachrichten der
einzelnen Schriftsteller zurück, so finden wir, dass alle diejenigen,
die den Umfang Babylons auf 360 oder 365 Stadien angeben, deut-
lich und einzig nur. von dem Umfange der Mauern reden, während
die übrigen, ihrem Gewährsmann Herodot folgend, wenn auch min-
der klar, allemal von den Mauern nur die Höhe und Dicke , von
der Stadt aber den Umfang erwähnen. Jlsoiißc'dtro rsiyog vi} nö-
149
khi , schreibt Ctesias, Grccdkov TQictzoGtwv &!*iJ}coptc'.. — Töv dk xv-
zXöv b/€i rov T£t%ovg TQiaxoGtow 6ydoi]}covta n£vrs öraddov, sind
die Worte Strabos. — BccßvJuovci yaQ Irsf^ios tquixogicop t^xovza
Gradiiov ßctXXovGcc &elueAi'wGti> , berichtet Philo von Byzanz. Selbst
der Ausdrock des Curtius, „totius operis ambitus CCCLXVIII sta-
dia complectitur" kann, da er unmittelbar vorher von dem Material
der Mauer und ihrer Dicke und Höhe und dem Maasse ihrer Thürme
gesprochen hat, nur auf die Mauer selbst bezogen werden. Wenn
aber dagegen Plinius schreibt : „Babylon, chaldaicarum gentium Ca-
put, — sexaginta millia passuum amplexa, niuris ducenos pedes al-
tis, quinquaginta latis", was dann fast wörtlich Salinus nachge-
schrieben; oder wenn Orosius berichtet: „Haec (Babylouia), campi
planitie undique conspicua, natura loci laetissima, castrorum facie
moenibus paribus per quadrum disposita; murorum ejus vix credibilis
relatu firmitas et magnitudo id est latitudine cubitorum quinquaginta,
altitudine quater tanta. Ceterum ambitus ejus (seil, urbis) quadrin-
gentis et octoginta stadiis cirenmvenitur", so lässt sich nicht verken-
nen, dass Plinius, wie Herodot, zuerst vom Umfange der Stadt
überhaupt und dann erst von den Maassen der Mauer redet, Oro-
sius aber umgekehrt zuerst die Höhe und Dicke der Mauern und
dann den Gesammtumfaug der Stadt anführt.
Hat das bisher Gesagte seine Richtigkeit; so ergibt sich nun
von selbst die Lösung einer weiteren Frage, wie wir uns nämlich
das Verhäliniss des Grabens zur Stadtmauer vorzustellen haben.
Wenn der Bezirk der ganzen Stadt zufolge der Angabe Hero-
dots auf jeder Seite 120 Stadien mass, die Mauer aber nach Cte-
sias auf jeder Seite eine Länge von 90 Stadien hatte, so blieb zwi-
schen dem äussersten Rande des Grabens und der eigentlichen Stadt-
mauer auf jeder Seite ein Zwischenraum von 15 Stadien.
150
Ein solcher Zwischenraum mag zwar übergross scheinen; al-
lein Herodot sagt ausdrücklich, der Graben sey breit gewesen; und
in der That, da derselbe Schriftsteller überdiess hinzufügt, aus der
Erde, die aus dem Graben gestochen wurde, habe man diejenigen
Ziegel geformt, die zur Erbauuug nicht nur der Räuder des Gra-
bens, sondern auch der Stadtmauer, ja selbst der über derselben
befindlichen Thürme erforderlich waren, diese Bauten aber ihrer un-
glaublichen Höhe und Dicke wegen eine ausserordentliche Menge
von Ziegeln erforderten: so müssen wir uns den Graben sehr breit
vorstellen.
Ferner ist schon oben darauf aufmerksam gemacht worden,
dass der Graben auf beiden Seiten mit einem gemauerten Damme
befestiget war. Hieraus folgt, dass das Wasser des Grabens die
Stadtmauer nicht unmittelbar bespülte, sondern zwischen dem inne-
ren Damme und der Stadtmauer sich noch ein Zwischenraum be-
fand. Dieser mag in Vereinigung mit dem breiten Graben und des-
sen Dämmen immerhin eine Breite von 15 Stadien eingenommen
haben.
Uebrigens wird sich das Verhältniss des befestigten Grabens
zur grossen Mauer erst dann vollkommen deutlich herausstellen,
wenn wir näher betrachtet haben, was sonst noch von inneren und
äusseren Mauern erwähnt wird. Bevor wir jedoch zu diesem Ge-
genstande übergehen, prüfen wir noch die verschiedenen Nachrich-
ten, welche sich bei den Schriftstellern des Alterthums über die
Höhe und Breite der Mauern finden.
151
II.
Von der Höhe der Mauern.
Wie die Länge, so wird auch die Höhe der Mauern bei den
verschiedenen Schriftstellern verschieden angegeben. Ich führe die
einzelnen Nachrichten der Reihe nach an.
Herodot l) bemisst die Höhe auf zweihundert königliche Ellen.
Mszä Je r£i%og n^vxrir.ovxa /usp n^yjojv ßaOiAqtojv sov ro svqog, vipog
d£ dirjxoGiwv nrj/Jvov.
Ctesias bei Diodor von Sicilien 2) drückt sich in doppelter Weise
aus. Zuerst bemerkt er im Allgemeinen, die Höhe der Mauern sei
so gross, dass es, wer sie nicht selbst gesehen hat, unglaublich
findet, ro d* vxpog amorov roig äxovovaiv, dann aber gibt auch er
ein bestimmtes Maas an, nämlich fünfzig Orgyien , ro php vtpog nev-
rtjxovrcc doyvivüv.
Andere Schriftsteller, welche Diodor 3) nicht mit Namen, son-
dern nur im Gegensatze zu Ctesias als „einige Neuere" bezeichnet,
sprechen von fünfzig Ellen. 10g d1 tvioi rwv vswrgowi' eyocapav^ mj-
%ojv mvxiqxovrc!.
Philo von Byzanz schreibt 4), die Höhe habe mehr als fünfzig
Ellen betragen, xcä ro juep vxpog iorl rov ral^ovg ntäov f\ mvrijxoprct
l) Herodot. Lib. 1. cap. 178. 2) Diodor. Sicul. Lib. II. cap. 7. 3) Diod.
Sic. loc. cit. 4) Phil. Byz. lib. de 7 orbis spectaculis.
IB2
Nach Strabo ') erreichte die Höhe der Mauern zwischen den
Thürmen fünfzig Ellen, vipog Js xa>v juiv jusaojivQyicjf niq/sig nav-
riqxovra.
Plinius 2) berechnet sie auf zweihundert Fuss ; muris, schreibt
er, ducenos pedes altis.
Curtius Rufus 3) meldet: Altitudo murorum C (L) cubitoruai
eminet spatio.
Phitostratus 4) spricht von einer Höhe von drei Halb-Plethren.
refyog (5fc ccvzijg tQia fxkv ro vyjog ij/uitiXsS-qk.
Solinus 5 ) schreibt in Uebereinstimmung mit Plinius : Urbs mu-
ris circumdata quorum altitudo ducentos pedes detinet.
Orosius endlich 6) berichtet : murorum ejus vix credibilis relatu
firmitas et magnitudo id est Iatitudine cubitorum quinquaginta, altitu-
dine quater tanta.
Was ist nun von diesen Nachrichten zu halten ? Sind auch
hier die Abweichungen nur scheinbar, wie diess bei der Angabe
des Unifangs der Mauern der Fall ist, oder finden sich wirklich
Widersprüche? Ich glaube, es sei beides der Fall.
Dass die Nachrichten des Herodot, Ctesias und Plinius, ob-
wohl jeder in anderer Weise sich ausdrückt, einander nicht wider-
sprechen, darauf hat bereits schon Olearius hingewiesen 7), und wir
brauchen nur dem von ihm angedeuteten Wege zu folgen, um hier-
über ohne Mühe ins Klare zu kommen.
') Strab. Geogr. Lib. XVI. §. 5- 2) Plin. Hist. Nat. Lib. VII. cap. 26.
3) Curt. Ruf. de rebus Alex. Lib. V. cap. 1. 4) Pläloslrat. de vita Apollonii
Tyanensis Lib. I. cap. 25. 5) Solinus Polyhist. cap. LX. 6) Orosü Hist. Lib.
II. cap. 6- 7) In: Philostrati de vita Apollonii Tyan. Lib. I. cap. 25.
153
Herodot gibt die Höhe der Mauern auf zweihundert königliche
Ellen an, Ctesias auf fünfzig Orgyien. Da aber eine Orgyie vier
Ellen enthält, so kommen fünfzig Orgyien zweihundert Ellen gleich.
Ein Unterschied zwischen diesen beiden Angaben besteht demnach
nur darin, dass Herodot hier nicht die gewöhnliche Elle meint, die
nach seiner eigenen Angabe 4) sechs Handbreiten d. i. zwei Span-
nen oder anderthalb griechische Fuss beträgt, sondern ausdrücklich
die königliche Elle nennt, die, wie er hinzufügt, um drei Finger
grösser ist als die gewöhnliche 2); während Ctesias- oder vielmehr
dessen Berichterstatter Diodor nur von Orgyien glatthin redet, wTir
also nicht berechtiget sind, auch hier ein ungewöhnliches und zwar
grösseres Maass anzunehmen 3J.
In ähnlicher Weise ist zwischen den Angaben des Herodot
und Plinius kein anderer Unterschied, als welcher sich durch eine
Ungenauigkeit des Plinius selbst oder eines Abschreibers ergab.
Denn wenn Herodot schreibt: /uszd dt rsi%og TtsvTTqxovxa iikv mj-
yj(av ßaoifafivw iop zo siJQog, vipog dt d i7]%oö ioiv nriyjaov, und dann
hinzufügt: 6 dt ßaOihji'og ntj^vg roü /listqiov iorl nrj%eog h££vjv tqigI
dciXTvXoiöi, und wir dann bei Plinius lesen: „niuris ducenos pe-
des altis, quinqüagenon latis" und hinzugesetzt finden: „in singulos
pedes ternis digitis meusura ampliore quam nostra"; so kann, da es
zwar eine gewöhnliche griechische Elle gegeben hat und eine kö-
nigliche oder persische, die um drei Finger grösser war wie die er-
stere, von einem Fusse aber, der um drei Finger grösser gewesen
wäre als der gewöhnliche römische, nirgendwo die Rede ist, so-
nach der Zusatz, der sich in den dermaligen Ausgaben des Plinius
findet, gar keinen Sinn gibt, nicht im mindesten gezweifelt werden,
•) Herod. Lib. II. cap. 149. 2) Herod. Lib. I. cap. 178. 3) Olearius loc.
cit. berechnet den Unterschied zwischen 200 königlichen Ellen und 50 Orgyien
auf 37 Fuss, 8 Zoll.
Abbandlungen d. I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abtbl. (A) 20
151
dass Plinius, als er diess niederschrieb, die Nachrichten Heroäots
vor Augen hatte und entweder selbst aus Versehen „Fuss" statt
„Ellen" gesetzt habe oder dass diess von der Uligenauigkeit eines
Abschreibers herrühre.
Da ferner Solinus, indem er schreibt : „murorum altitudo ducen-
tos pedes detinet, latitudo quinquaginta , in singulos pedes ternis
äigitis ultra, quam mensura nostra est, altioribus", dem Plinius
nicht nur in Angabe der Maasse, sondern selbst in dem nichtssagen-
den Zusätze von einem Fusse, der um drei Finger grösser ist,
wörtlich folgt: so fällt auch diese Angabe als der des Herodot und
Ctesias widersprechend hinweg.
Da endlich auch Orosius die Höhe auf viermal fünfzig d. i.
zweihundert Ellen ansetzt, so haben wir bereits fünf Nachrichten,
die in der Angabe der Maasse übereinstimmen.
Diesen zunächst steht Philostratus, der die Höhe auf drei halbe
Plethren angibt. Um die Nachricht dieses Schriftstellers richtig be-
urtheilen zu können, müssen wir die ganze Stelle hersetzen. Sie
lautet : BccßvXwv rsTS/yjarca fjisv dydoiqxovTCi xal tsTQaxoaia orädicc
y.vxho, ruyog dz avrrjg tqicc /uw rö vipog riixdiXs&qa, tiX£9-qov de
[xatov ro svQog. Philostrat gibt also, wie Herodot, den Gesamint-
umfang der Befestigungswerke auf 480 Stadien an. Diess scheint
mir bemerkenswerth, denn da Plinius und Solinus denselben nach
Schritten berechnen, so ist Philostrat neben Orosius, der übrigens
erst dem fünften Jahrhunderte unserer Zeitrechnung angehört, der
einzige von allen Schriftstellern, welcher sich bei dem Liängenma.a&ss
derselben Berechnung bedient, wie Herodot. Wir können hieraus
füglich den Schluss ziehen, dass er Herodot vor sich gehabt
und den Angaben dieses Geschichtschreibers mit Beiseitesetzung
der übrigen, die ihm gewiss nicht unbekannt geblieben waren, den
Vorzug gegeben habe. Die Breite der Mauern bestimmt er nicht
155
genau; er spricht sich mir im allgemeinen daliin aus, sie habe we-
niger als ein Plethron betragen. Auch in dieser Angabe entfernt
er sich, wie später gezeigt werden soll, weit von den übrigen,
kömmt aber dem Herodot, der sie auf ein Viertel der Höhe, nämlich
auf fünfzig Ellen setzt, am nächsten, steht wenigstens mit demsel-
ben nicht in Widerspruch. Man sollte daher erwarten, er werde
auch in der Angabe der Höhe nicht, oder doch nicht sehr weit von
Herodot abweichen. Und doch lesen wir: rslyog dt- avzrjg tqi'ci /Litv
ro vipog jjjui'jtAe&Qa. Drei halbe Plethren sind 150 Fuss 1). Er setzt
also die Höhe auf die Hälfte des von Herodot und Ctesias ange-
gebenen Maasses. Ich glaube daher, es habe sich in dieser Stelle ein
Fehler eingeschlichen; und in der Tliat, wenn wir nXid-Qcc lesen
statt tj/ufaZed-Qa , so ist alle Schwierigkeit gehoben und auch in die-
sem Punkte die Uebereinstimmung mit Herodot und Ctesias herge-
stellt, denn drei Plethren kommen zweihundert Ellen oder fünfzig
Orgyien gleich. Eine solche Aenderung im Texte hat aber nicht
nur keine Schwierigkeit, sondern scheint aus mehreren Gründen so-
gar nothwendig.
Fürs erste steht die Angabe des Philostrat ganz vereinzelt da.
Nicht nur dass er in Bezug auf die Höhe, wie bereits bemerkt wor-
den, und zwar nur hierin von den älteren Schriftstellern abweicht,
er stimmt auch mit keinem einzigen der jüngeren überein. Wäh-
rend jene von 300, und diese von 75 Fuss sprechen, gibt er
ganz allein die Höhe auf 150 Fuss an.
Dann tragen die Zahlenverhältnisse, wie sie in den dermaligen
Ausgaben des Philostrat angegeben sind, schon an und für sich das
i) Hirt in seiner Geschichte der Baukunst Bd. I. S. 136 bemerkt mit
Unrecht, Philostrat gebe die Höhe der Mauern auf 150 Ellen an.
20*
156
Gepräge der Uliwahrscheinlichkeit. Die Höhe von nur 150 Fuss
passt in keiner Weise zu der angegebenen Dicke der Mauer von
beinahe 100 Fass. Nach Herodot verhielt sich die Dicke zur Höhe
wie 1 zu 4 ; schon diese Stärke der Mauer ist in Vergleich zur Höhe
ausserordentlich; nach Philostrat aber würde die Dicke sogar der
halben Höhe gleich kommen.
Ferner möchte zu bezweifeln seyn, ob es überhaupt jemals üb-
lich gewesen, nach Halb-Plcthren zu rechnen. Und wenn auch, so
hat doch eine solche Rechnung, da unmittelbar vorher Stadien und nach-
her Plethren genannt werden, hier etwas sehr befremdendes. Dass
Philostrat zweierlei Maasse, nämlich Stadien und Plethren, nennt,
erklärt sich leicht durch den Umstand, dass ihm hierin Herodot mit
dem Beispiele vorgegangen, der in ähnlicher Weise die Stadt nach
Stadien, die Mauer aber nach Ellen bemisst; in dem einen und
demselben Satze jedoch dreierlei Maasse, nämlich Stadien, Plethren
und Halb-Plethren namhaft machen, ist doch zu ungewöhnlich als
dass nicht ein Schreibfehler angenommen werden sollte.
Endlich fehlt dem zweiten Theile des Satzes : rsi/og (5t av-
rrjg tqicc fxlv rb vipog q[iinXi9-Qct das Zeitwort. Dass das Zeitwort
des Vordersatzes als ergänzend hinzugedacht werden müsse und
Philostrat geschrieben habe : zezsi/iozai rt?xog wird Niemand im
Ernste behaupten.
Allen diesen Schwierigkeiten aber weichen wir aus, wenn wir
lesen : ruyog <Jt avzrjg tqik /xtv zö vipog si/s nM&oa, nfä&qov Sh
fxüov zö svQog. Durch die Aenderung sl%s nfä&occ statt qutTiAs&Qcc
wird dem Texte keine Gewalt angethan.
Wir dürfen sonach, scheint mir, auch den Philostrat ohne Be-
denken zu denjenigen Schriftstellern rechnen, die mit den zwei äl-
testen, mit Ctesias und Herodot, in ihren Angaben übereinstimmen.
157
Schwieriger jedoch ist es mit den noch übrigen Nachrichten,
nämlich des Philo, Strabo, Curtius und derjenigen, die von Diodor
Xvioi rcöv v£(ot£qu)v genannt werden. Sie weichen von den ersteren
zu viel ab. Philo zwar schreibt, die Höhe der Mauern betrage
mehr als fünfzig Ellen, xcd rö juev vfog eazt rov rsi'xovg nZ£ov
tj nsvTiqxovTct nr^fscov , allein wenn wir auch diesen Ausdruck n?>£ov
noch so weit ausdehnen , so bleiben wir doch von der Angabe Hero-
dots, der von zweihundert Ellen spricht, noch immer weit entfernt;
Strabo endlich und Curtius sagen aufs bestimmteste, die Höhe der
Mauern habe fünfzig Ellen betragen. Das ist um das Vierfache
weniger, als Herodot und Ctesias berichten.
Wie lässt sich nun dieser Widerspruch ausgleichen ?
Ein Ausweg scheint darin angedeutet, wenn einerseits Diodor
die Nachrichten des älteren Ctesias und die der Neuern, „die mit
Alexander in Asien gewesen" ausdrücklich unterscheidet, andrer-
seits aber Herodot erzählt d), dass erst Darius Hystaspis die Mauern
von Babylon habe einreissen lassen. Denn da es nur neuere, erst
unter und nach Alexander lebende Schriftsteller sind, welche im
Gegensatze der älteren die Höhe der Mauern statt auf zweihundert
nur auf fünfzig Ellen angeben, so liegt der Gedanke nahe, die
Mauern hätten, wenn sie auch ursprünglich höher gewesen, doch
später, etwa seit den Zeiten des Darius Hystaspis nur mehr eine
Höhe von fünfzig Ellen gehabt; es könnten demnach beide Nach-
richten richtig seyn, nur müssten die verschiedenen Zeiten unter-
schieden werden. Allein wenn ich dessungeachtet eine solche Aus-
gleichung für unstatthaft halte, so bestimmen mich hiezu nachstehende
Gründe.
') Herodot. Lib. III. cap. 159.
158
Wenn Herodot von Dallas Hystaspis schreibt : xb reT/og ns-
QitV.z y.ocl zag nvÄccg ndoag cmtonaGe, so kann diess nur in dreier-
lei Weise verstanden werden; entweder dass Darius die ganze
Mauer ringsum, oder dass er nur einen Theil derselben ?iiederreis-
sen, oder endlich dass er sie bis auf eine Höhe von fünfzig Ellen
habe abtragen lassen. Aber bei keiner dieser Voraussetzungen
würde der Widerspruch in der Art sich lösen, dass beide, die Nach-
richten der älteren wie der jüngeren Schriftsteller, als in gleicher
Weise glaubwürdig nebeneinander bestehen könnten.
Sind die Mauern unter Darius Hystaspis ringsum und gänzlich
abgebrochen worden, so dass dieselben, wie im Ernste behauptet
wurde *), zur Zeit Alexanders gar nicht mehr vorhanden waren,
so konnten begreiflicher Weise die Schriftsteller, die gleichzeitig
mit Alexander in Babylon gewesen oder nach ihm dahin kamen,
nicht mehr sagen, die (nicht vorhandene) Mauer habe fünfzig Ellen
in der Höhe.
Im zweiten Falle, wenn von der Mauer nur ein Stück wäre
niedergerissen worden, der übrige Theil aber in seiner ursprünglichen
Höhe von 200 Ellen stehen blieb, — konnten die ivioi zütv veoj-
z(qwv wieder nicht schreiben, die Mauer sei 50 Ellen hoch ge-
wesen.
Aber auch der dritte Fall, wenn nämlich, was übrigens durch
Nichts begründet werden kann, Darius die Mauern bis auf fünfzig
*) So schreibt z. B. Schmieder, Comment. in Curtium , Lib. V. cap. 1.
„Alexandri tempore isti muri non exstabant". Allein wenn noch Pausanias,
der doch erst unter den Antoninen lebte, um die Verödung Babylons zu
schildern , sich des Ausdruckes bedienen konnte : nichts mehr sei von dieser
Stadt übrig als die Mauer, Baßulwvog ovöev tri tjv ei fj.rj Tei%og, so können
diese Mauern nicht schon zur Zeit Alexanders verschwunden gewesen seyn.
159
Ellen abgetragen Latte, bietet keine Ausgleichung an die Hand.
Denn da Herodot und Ctesias selbst erst nach Darius Hystaspis
lebten, so hätten ja auch diese Schriftseller nicht mehr die alte,
sondern nur noch die auf fünfzig Ellen erniedrigte Mauer gesehen,
sie hätten also die Höhe nicht auf zweihundert Ellen angeben kön-
nen. In allen drei Fällen sahen Herodot und Ctesias nichts ande-
res als die Begleiter Alexanders. Herodot redet aber nicht von
vergangenen Zeiten, er spricht von der Mauer immer mir als hätte
er sie selbst gesehen *).
Bei solchen Verhältnissen bleibt uns nichts anderes übrig, als
die eine von diesen Nachrichten für falsch zu halten und es kann
nur noch die Frage aufgeworfen werden, wem wir den Vorzug ge-
ben sollen, ob den älteren Schriftstellern, welche die Höhe auf 200,
oder den jüngeren, welche sie auf 50 Ellen angeben?
Ich zweifle keinen Augenblick, dass, wir mögen hiebei auf in-
nere oder äussere Gründe Rücksicht nehmen, die Nachrichten Hero-
dots und Ctesias allein die richtigen sind.
Fürs erste haben wir für die Angabe der Höhe auf fünfzig
Ellen keinen sicheren Gewährsmann; Philo, Strabo und Curtius
reden nicht als Augenzeugen. Clitarchus ist unter den neueren
Schriftstellern der einzige, der selbst in Babylon gewesen, aber ge-
rade über die Höhe der Mauern hat uns Diodor die Angabe des
Clitarchus nicht aufbewahrt.
4) Von dem Heiliglhume des Bei wird uns gleichfalls gesagt, Xerxes habe
es zerstört (Strabo Lib. XVI. §. 5.) und doch schreibt Herodot (Lib. I. 181),
es habe sich noch bis auf seine Zeit erhalten. Wenn übrigens auch Herodot
die Mauer nicht mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt gesehen hätte, so er-
zählt er doch nur, was er von glaubwürdigen Berichterstattern hörte und
selbst glaubwürdig fand.
100
Wenn zweitens die Neuern im Gegensatze der Aelteren ein
viel geringeres Maass angeben, so darf nicht übersehen werden, dass
sie selbst nur sehr schwankend sich ausdrücken und keineswegs
genau unter sich übereinstimmen. Philo von Byzanz redet von mehr
als fünfzig Ellen, wohei es Jedem anheimgestellt ist dieses mehr nach
Belieben auszudehnen ; Strabo und Curtius geben den Thürmen sech-
zig, den Zwischenräumen aber fünfzig Ellen; die wioi rü>v vsa>-
TtQWf endlich reden überhaupt von fünfzig Ellen.
Wenn wir drittens die Höhe nur auf fünfzig Ellen ansetzen,
was ist dann noch ausserordentliches an den Mauern von Babylon?
Mit welchem Grunde werden sie dann noch unter die Wunder der
Welt gerechnet ? Hatte doch Themistokles den Piräus mit einer
Mauer von vierzig Ellen in der Höhe umgeben, und zwar nicht
blos wie die babylonische aus Ziegeln, sondern aus Quadern erbaut
und mit Eisen und Bley verbunden ! Diese Befestigung Athens ge-
hörte zwar allerdings zu dem Grossartigsten, was die hellenische
Geschichte aufzuweisen vermag, allein die Bauten der Hellenen
dürfen auch, was die colossalen Dimensionen anbelangt, nicht mit
enen der ältesten Städte des Orients in Vergleich gezogen wer-
den, und dann wissen wir, dass die Mauern des Piräus nach dem
Plane des Themistokles sogar das Doppelte der Höhe, also acbzig
Ellen erreichen sollten. Wie sollte es da noch wahrscheinlich seyn,
dass die so berühmten Mauern Babylons nicht mehr als fünfzig El-
len gehabt haben ?
Endlich ist gar kein Grund vorhanden, warum wir an der Rich-
tigkeit der Angaben des Herodot und Ctesias zweifeln sollten. Beide
sind glaubwürdige Schriftsteller ; beide schöpfen aus den zuverläs-
sigsten Quellen ; Herodot spricht als Augenzeuge, Ctesias war, wenn
nicht in Babylon selbst, doch in Susa und erzählt, was er entweder
selbst gesehen oder von Augen- und Ohrenzeugen gehört oder in den
161
persischen Archiven gefunden hat 5 beide sind sogar, wo sie von
den Maassen der babylonischen Mauer reden, ungewöhnlich umständ-
lich und vorsichtig in ihren Ausdrücken. Herodot fügt, wenn er die
Höhe derselben auf zweihundert Ellen angibt, noch besonders bei,
er ineine hier nicht die gewöhnliche Elle, sondern die königliche,
die noch um drei Finger grösser ist als jene, 6 de ßaaiZq'i'og nlj^vg
tov justqi'ov iari nrj%sog pti^iop tqioI Sc.y.TvXoiGi. In gleicher Weise
bemerkt Ctesias ausdrücklich, die Höhe der Mauer sei so gross,
dass wer sie nicht selbst gesehen hat, sondern nur davon erzählen
hört, solches unglaublich finden müsse, rö <T vxpog caiimov roig cixovov-
otv, beide versichern demnach ausdrücklich, dass sie gerade hier,
wo sie von den Maassen der Mauer reden, besonders genau zu
Werke gegangen.
Was kann uns berechtigen, die Wahrhaftigkeit dieser Männer
in Zweifel zu ziehen? Wenn uns, die wir einer so jungen Zeit
angehören und gewöhnt sind, Alles nur nach einem ganz modernen
und europäischen Maassstabe zu beurtheilen, diese Angaben unwahr-
scheinlich und übertrieben scheinen, so kann hieraus unmöglich mit
Grund gefolgert werden, dass sie wirklich unwahr und übertrieben
sind. Auf solche Bedenken hat bereits schon dev Leibarzt des Arta-
xerxes Memnon zu Susa geantwortet, wenn er schreibt : ro d* vxpog
amorov roig uxovovdiv, und treffend bemerkt Heeren l): „die chine-
sische Mauer, die noch steht, konnte nicht in Europa gebaut wer-
den und die medische Mauer, die einst Babylonien von Norden be-
gränzeud vom Euphrat bis zum Tigris ging, auch von Backsteinen,
war, wenn auch nicht so hoch, doch gewiss länger als die von
Babylon".
') Heeren, Ideen I. 2. nota 160.
Abbandlungen d. 1. Cl. d. lt. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A) 21
162
Nach diesen Bemerkungen wird es auch nicht mehr schwer
halten, die Frage zu beantworten, woher es gekommen seyn mag,
dass einige Schriftsteller die Höhe auf fünfzig statt auf zweihundert
Ellen angegeben haben. Wer sind diese Schriftsteller ? Sie sind
i'viot rwv veortQwv, sagt Diodor von Sicilien. Es sind also solche,
die, wie wir, einerseits einem in Verhältniss zu den mächtigen Völ-
kern der früheren Jahrhunderte minder kräftigen Geschlechte ange-
hörend, andrerseits nicht im Stande, sich in die Eigentümlichkeit
des Orients hineinzudenken, die Angaben des Herodot und Ctesias
für übertrieben hielten und desshalb ein geringeres Maass ansetzen
zu müssen glaubten. Da sie nicht als Augenzeugen sprechen, aber
auch nicht die vorhandenen Zeugnisse geradezu als unwahr besei-
tigen konnten, so blieb ihnen nichts anderes übrig als an dem Texte
jener älteren Berichte diejenige Aenderung vorzunehmen, die am
mindesten auffallend schien. Die Zahlen ändern schien bedenklich;
leichter ging es mit dem Maasse. Herodot redet von Ellen, Ctesias
von Orgyien. Da nun die Ellen ohnehin schon ein kleines Maass
sind und überdiess der Zusatz des Herodot: „königliche Eilen" und
abermal: „Ellen, welche um drei Finger grösser sind wie die ge-
wöhnliche" sich nicht leicht einer Aenderung anpassen liess, so lag
es am nächsten , die Angabe des Ctesias zu corrigireu und statt
„fünfzig Orgyien", zu setzen „fünfzig Ellen". Dass in solcher Weise
wirklich verfahren worden sei, deutet Diodor klar an, wenn er
beide Nachrichten unmittelbar nebeneinanderstellend schreibt : „die
gebrannten Ziegel mit Asphalt verbindend erbaute sie (Semiramis)
die Mauer in einer Höhe, wie Ctesias berichtet, von fünfzig Orgyien,
wie aber einige Neuere schreiben, von fünfzig Ellen". Ja, diese
Neueren scheinen anfangs selbst noch mit einiger Schüchternheit an
diese Aenderung gegangen zu sein, denn Philo von Byzauz gebraucht
wenigstens noch den Zusatz nUov, erst die nachfolgenden Schrift-
steller lassen auch diesen Zusatz weg.
163
in.
Von der Dicke der Mauern.
In ähnlicher Weise wie über die Höhe der Mauern haben wir
auch die verschiedenen Nachrichten über die Breite derselben zu
beurtheilen.
Herodot *) gibt sie auf fünfzig königliche Ellen an (rsT^og nsv-
njxovrci jusy nri^ojv ßaöiXrfiwp iöv xo &iqog)\ nach Vfesias 2) war
die Mauer von solcher Breite, dass auf ihr sechs Wagen nebenein-
ander fahren konnten {xi]Xikovxov §* ^v xo ßaoog xwv toyiov, Soxs
xo jLiev nXaxog slvctt, xcov zsi%wi> ££ aQjuctGiv inrtdoijuov); dem Clitar-
chus und einigen Neueren zufolge 3) betrug die Breite mehr als für
zwei Wagen nöthig war (rö Je nXccxog nÄsTov ij dvolp aq^maiv ln-
naöi/uov); nach Philo von Byzanz 4) konnten vier Viergespanne zu
gleicher Zeit durch die Zwischenräume hindurchfahren (xci Je nXccxrj
xcop nccoadooiiidtov aqacixa t^tqüdqcc xiGGaoci xvtxct top avxov zeuoov
dü'nmfot,) ; Strabo 5) schreibt, die Mauer habe 32 Fuss in der Dicke
gemessen (na%og Je xov xefyovg nodiov 8vo xal xqictxovxcc), die Zwi-
schenräume aber (zwischen den Thürmen auf beiden Seiten der
Mauer) seien so gross gewesen, dass Viergespanne mit Leichtigkeit
J) Herodot. Lib. I. cap. 178- 2) Diodor. Sicul. Lib. H. cap. 7. 3) Dio-
dor. Sicul. loc. cit. 4) Philonis Byz. lib. de 7 orbis spectaculis. 5) Strab.
Geogr. Lib. XVI. §. 5. pag. 249. ed. Tzsch.
21*
161
einander vorbeifahren konnten (// Je nccQoöog im zov zsCy^ovg, dg x£-
&otJina ivavuodoonuv dkXrjXoig qciddog) ; bei Plinius 6) lesen wir
„meris quinquagenos pedes latis, in singulos pedes ternis digitis rnen-
sura ampliore quam nostra"; Curtins Rufus 2) schreibt : „murus spa-
timn XXX et duorum pedum latitndinem amplectitur, quadrigae inter
se obcurrentes sine periculo commeare dicuntur"; Philostrat 3) setzt
die Breite auf weniger als ein Plethron {txM&qou dh püov xb evoog);
Solinus 4) berichtet: „murorum latitudo quinquaginta pedes detiuet";
Orosius 5) endlich spricht von fünfzig Eilen.
Vergleichen wir diese verschiedenen Nachrichten miteinander,
so stimmen auch hier, wie bei den Angaben der Höhe, Herodot,
Ctesias, Plinius, Solinus und Orosius miteinander überein; denn dass
bei Plinius und seinem Abschreiber Solinus „Ellen" statt „Fuss" ge-
lesen werden müsse, ist schon oben gezeigt worden. Wenn Cte-
sias die Breite nicht auf fünfzig königliche Ellen angibt, sondern sie
nach Wagen berechnet, deren sechs nebeneinander fahren konnten,
so finde ich hierin keinen Widerspruch gegen Herodot, sondern
glaube im Gegentheile, eben der Umstand, dass beide Schriftsteller
die Höhe sowohl als die Breite nach ganz verschiedenen Maasssta-
ben berechnen und dennoch einander nicht widersprechen, zeuge für
die Richtigkeit ihrer Angaben.
Auch Philostrat stimmt mit den obigen Schriftstellern überein;
denn wenn diese die Breite auf fünfzig Ellen oder 75 Fuss berech-
nen, er aber auf weniger als ein ganzes Plethron d. i. auf weniger
als 100 Fuss, so drückt er sicli nur minder bestimmt und genau aus,
wie die anderen.
») Plinii Hist. Nat. Lib. VIII. cap. 26. *) Curtä Rufi Lib. V. cap. i.
3) Philoslrat. de vita Apollonii Ty.m. Lib. I. cap. 25. 4) Solin. PolybisL cap.
60. s) Orosü Ilistor. Lib. II. cap. 6.
165
Selbst die Nachricht des Philo weicht von den vorigen in nichts
ab. Da er schreibt: \ier Viergespanne könnten zu gleicher Zeit
durch die Zwischenräume (jiaQadQO/utdeg) hindurchfahren ; unter die-
sen Zwischenräumen aber nichts anderes verstanden werden kann
als der Raum zwischen den Thürmeii, die, einander gegenüberste-
hend, an beiden Rändern der Mauer emporragten: so sagt Philo
im Grunde dasselbe was Ctesias berichtet, dass nämlich die Dicke
der Mauer da, wTo keine Thürme angebracht waren, für sechs Wa-
gen Raum dargeboten habe.
Strabo, Curtius Rufus und einige Neuere (Zvioi twv vswr^qwv)
sind sonach die einzigen, die ein geringeres Maass ansetzen. Sie
müssen aber, was die Glaubwürdigkeit anbelangt, vor den älte-
ren Schriftstellern, zumal solchen, die selbst an Ort und Stelle ge-
wesen, zurückstehen. Da sie in der Angabe der Höhe der Mauern
sich eine Aenderung erlaubt, mussten sie, wenn sie nicht mit sich
selbst in Widerspruch fallen wollten, nothwendig auch das Maass
der Breite vermindern. Es lässt sich aber auch hier nachweisen,
wie sie erst allmählig an diese Aenderung gingen. Ctesias hatte
von sechs Wagen gesprochen, die auf der Mauer nebeneinander fah-
ren konnten; Philo redet von vier Viergespannen, Clitarchus sagt,
die Mauer sei so breit gewesen, dass mehr als zwei Wagen neben-
einander Platz hatten, Strabo und Curtius endlich nennen gar keine
Zahl der Wagen mehr, sondern schreiben nur überhaupt, es hätten
Viergespanne leicht an einander vorbeikommen können.
106
IV.
Von den äusseren und inneren Mauern.
Mit dem was bisher über den Umfang der Stadt und über die
Länge und Höhe ihrer Mauern gesagt worden, ist jedoch noch nicht
alle Schwierigkeit gehoben. Herodot redet an einer Stelle *) nicht
undeutlich von einer doppelten Mauer, einer inneren und äusseren,
Berosus aber 2) spricht aufs bestimmteste sogar von einer dreifa-
chen Einfassung, welche Nebukadnezar innerhalb sowohl als aus-
serhalb der Stadt aufFühren Hess.
Was haben wir nun von diesen Nachrichten zu halten ? Wie
haben wir uns die innere Mauer zu denken, von welcher Herodot
spricht? wie die dreifache, womit nach Berosus die Stadt nach in-
nen und nach aussen befestiget war? wie sind endlich diese bei-
den Nachrichten theils unter sich, theils mit dem, was uns von der
grossen Stadtmauer erzählt wird, in Vereinigung zu bringen?
Wir wollen zuerst näher ins Auge fassen, was Herodot von
einer inneren Mauer schreibt. Um jedoch die etwas dunkle Stelle
richtig beurtheilen zu können, müssen wir dieselbe im Zusammen-
hange mit dem vorhergehenden betrachten.
') Herodot. Litt. I. cap. 181. 2) Berosus bei Flav. Joseph, contra Appio-
nem Lib. I. 19. Antiqu. Jud. Lib. X. cap. 11.
167
Nachdem Herodot ein allgemeines Bild von der Grösse der
Stadt Babel gegeben, beschreibt er, wie bereits oben erwähnt wor-
den, zuerst die Befestigungswerke derselben und schliesst diesen
Theil seiner Schilderung mit den Worten : irsrst'/jGxo p&v vvv r\ Bcc-
ßvXcov tqojioj rouoSs, um nunmehr zum Innern der Stadt überzuge-
hen. Bevor er jedoch die vorzüglichsten Gebäude beschreibt, erzählt
er noch, dass die Stadt durch den Euphrat in zwei Hälften getheilt
werde, und fährt dann fort : „Nun zieht sich die Mauer mit ihren
beiden Armen bis zum Flusse hin, von da an aber ziehen sich die
Einbiegungen als ein Wall von Backsteinen den beiden Ufern des
Flusses entlang (ro dz and rovxov .cd incxccjancu tic.qci %siAog iy.c'ixs-
qov rov TWzccjLiov cd^iaOttj nXivfrwv onxUoiv naoaxhivti). Die Stadt
ist von lauter geraden Strassen durchschnitten, in der andern Rich-
tung sowohl als in der Querre, wo sie an den Fluss herüberreichen.
Es waren aber in jeder Strasse in dem Walle längs dem Flusse
Thüren angebracht {xcixä dij d>f ixccartjv oddu Iv rij cdjuaouj rr\ naoa
rov norauöv nvZidsg infiaociv), deren gab es eben so viele als Gas-
sen. Auch diese wraren von Erz und führten alle in eben diesen
Fluss". Nun folgt der etwas dunkle Satz : rovxo jidv drj ro ruyog
i9-a)o^| toxi, i'rsoov dt töcofrsv ruyog tibolSsT, ov noW.w rüo dads-
veorf-oov rov §r€QOv rstysog, oxtivöxeoov d£.
Dass hier von einer doppelten Mauer die Rede ist, nämlich
von einer äusseren, die der Stadt gleichsam als Panzer dient, und
von einer inneren, etwas schwächer, wie die erstere, darüber kann
kein Zweifel obwalten ; was jedoch unter der inneren Mauer zu
verstehen sey, darüber sind die Meinungen getheilt.
Schweiyhäuser übersetzt die fragliche Stelle wie folgt i): „Ille
igitur, quem dixi, murus munimentum urbis est, (riempe munimentum
') Schweighäuser, Lexic. Herodot. s. v. 3cüQn
16S
exterius, quod urbem adversus molimina extrinsecus ab hoste sus-
cepta tuetur) intra urbem vero (sive, et iutra urbem, nam 8k par-
ticula hie non habet ntu\ue vim adversativam) alius cirenmeurrit
(circumduetus est) murus - — minorem haben s latitudinem", und glaubt,
„die andere Mauer inwendig" (treQov 8k bOcoS-sf rsi^og) sei nichts
anderes als der an beiden Ufern des Euphrats innerhalb der Stadt
sich hinziehende Damm. „Videri poterat, schreibt er, turbatus non-
niliil ordo rationis, et verba ista parum commodo loco inserta po-
terant videri, sed curatius si spectes, rite omnia succedere videbis.
Scilicet cap. 179. describebatur major ille et stupendae mensurae
murus, extrinsecus circa urbem circumduetus; dein cap. 180. des-
cribitur minor murus (alfiaou]) intra urbem ripam utramque praete-
xens fluvii qui mediam urbem perfluit, eamque in duas regiones di-
vidit. Nunc cap. 181. priusquam exponat quid in utraque harum
regionum maxiine memorabile insit, velut in transitu, suo more, bre-
vibus verbis ea repetit quae duobus superioribus capitibus nberius
exposuerat. Herodotus igitur totum illum majorem mumm &voQi]y.ec
vocat, haud sane incommode, qnippe qui urbem, veluti lorica homi-
nem, protegat ac tueatur".
Es sind nun gewiss Wenige so in den Geist der Sprache und
Ausdrucksweise Herodots eingedrungen, wie Schweighäuser, allein
ich glaube doch, dass das, was Hcrodot von der inneren Mauer sagt,
nicht auf den an beiden Ufern des Euphrats sich hinziehenden Damm
bezogen werden könne.
Fürs erste widerspricht einer solchen Erklärung schon der Ge-
gensatz von tovto fxiv xb rn^og und tttoov dk zsi%og. Hiedurch
sind unstreitig zwei verschiedene Mauern angedeutet. Nun aber
schreibt Herodot von der grossen Mauer : „dort, wo sie den Fluss
berührt, beuge sie sich um und ziehe sich längs den Ufern des Eu-
phrat hin, zwar hier nicht mehr aus Ziegeln und Asphalt, sondern
169
nur aus Ziegeln erbaut, aber in gleicher Weise, wie die äussere
Mauer, mit ehernen Thoren befestiget". Herodot betrachtet also
den Damm am Euphrat nicht als eine von der grossen Mauer ver-
schiedene Mauer {trsoov rstxog), sondern als mit ihr unmittelbar zu-
sammenhängend, als eine Fortsetzung derselben. Ist diess der Fall,
so kann er nicht das rovro i^dv ro ralyog auf die grosse Mauer,
das i'rsoov dz rsT/og dagegen auf den Damm bezogen haben. Woll-
ten wir aber auch zugeben, Herodot unterscheide wirklich die er-
wähnten Befestigungswerke als zwei verschiedene Mauern, so kann
doch nicht mit Schweighäuser angenommen werden, dass er in der
fraglichen Stelle, was er von denselben in den vorhergehenden Ca-
piteln ausführlich vorgebracht, nochmal kurz wiederhole, dass sich
sonach das rovro aiv und tTSQov Je auf die Ringmauer und den
Wall beziehe, denn in diesem Falle müsste der Artikel ro auch im
Nachsatze wiederholt werden und es müsste, da nun von bestimm-
ten, bereits näher beschriebenen Mauern die Rede ist, heissen :
tovto iiiv ro zsT/og und ztsqov Jt ro (sie) ruyog. Endlich bezieht
sich das Wort rovro in der Regel auf das zunächst Liegende. Un-
mittelbar vorher spricht Herodot von dem Damme. Es müsste also,
wenn hier eine kurze Wiederholung des vorher Erzählten ange-
nommen werden will, übersetzt werden : „Diese Mauer nun (näm-
lich die innere, cäjuaoi^ , minor murus) ist ein Panzer, die andere
aber (nämlich die äussere, major murus) lauft innen herum", was ein
offenbarer Widerspruch wäre.
Zweitens widerspricht einer solchen Erklärung der Ausdruck
TiBQi&sl (circumeurrit, circumduetus est), den Herodot von der „an-
dern Mauer inwendig" gebraucht. Der Wall (aliiao-irj) lief nicht
innen ringsherum, sondern zog sich mehr oder minder geradlinig
den beiden Ufern des die Stadt in der Mitte durchschneidenden Eu-
phrats entlang, nciQarsivsi, sagt Herodot, naqei %tiÄog txchsQOi/
rov norufxov.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abtlil. (A) 22
170
Drittens schildert Herodot die innere Mauer als ov noXXw rdo
aa&i-vs'OTeQOv rov trtoov rst%£og, gtelvÖtsqop dt. Um nun seine Er-
klärung zu rechtfertigen, fibersetzt Scltweighäuser : „die andere Mauer
inwendig ist nicht viel schwächer (als die äussere) aber schmaler —
minorem habens latitudinem"; allein wenn auch gtmvotsqov ebenso
gut statt mit „enger" mit „schmaler" übersetzt werden kann, so darf
meines Bedünkens, doch hier nicht dieser Sinn untergelegt werden;
denn der Damm am Euphrat scheint nicht schwächer gewesen zu
sein, als die äussere Ringmauer. Herodot zufolge bestand der Un-
terschied nur darin, dass bei dem Damme blos Ziegel, bei der Ring-
mauer aber auch Asphalt verwendet wurde; im Uebrigen waren
beide in gleicher Weise mit ehernen Thoren befestiget {iv rrj aifzaoifj
nvAt'dsg intje&ap, — )\aav dt xai avrai %e<?.xeai)', und Diodor bezeugt
ausdrücklich *), dass der mächtige Wall an Breite der Mauer bei-
nahe gleichgekommen sei (*£ txc:r£oov <Jg tusQovg rov narauoü xot]-
nlöcc noZuT£?.ri xcnaGzsvaGe naQcmfa^Gtav xcträ zo nXärog roTg tsi%sgiv).
Auch gäbe der ganze Satz in der von Schweighäuser vorgeschla-
genen Uebersetzung keinen guten Sinn; oder was soll das heissen,
die innere Mauer sei zwar nicht viel schwächer, aber schmaler ge-
wesen ? War sie nicht viel schwächer, so kann sie auch nicht
wohl viel schmaler gewesen sein und umgekehrt, war sie schmaler,
so war sie auch schwächer.
Ich glaube daher das itsqov dz zgw&sv rei%og müsse, wie es
auch Hirt 2), Heeren 3) und andere gethan haben, von einer inneren
"Ringmauer verstanden werden ; und dann erklärt sich alles höchst
einfach. Nunmehr passt der Ausdruck kxsqov, da Herodot von einer
grossen Mauer, welche die Stadt umgibt und von einer anderen
') Diodor. Sicul. Lib. It. cap. 8. 2) Hirt, Gesch. d. Baukunst bei den
Alten B. I. S. 135- 3) Heeren Ideen über die Politik u. s. w. Th. II. S. 161.
171
spricht, die inwendig herumlauft; nunmehr passt der Ausdruck rce-
Qid-sT, da nicht mehr die Rede ist von einer Mauer, die geradlinig
zu beiden Seiten des Euphrats sich hindehnt (naoeitsivet,), sondern
von einer Mauer, die innerhalb der grossen äusseren ringsum er-
baut "war; nunmehr gibt der Zusatz ov nohhuj aod-zvi-GrsQov, gtuvö-
tsqop de einen guten Sinn, indem die innere Ringmauer, wenn gleich
nur um weniges schwächer, doch um ein bedeutendes „enger" seyn
musste als die äussere; nunmehr steht auch die Erwähnung der in-
neren Mauer an der rechten Stelle und bleibt der ganze Zusammen-
hang ein natürlicher, indem Herodot von den verschiedeneu Befesti-
gungswerken zuerst die Dämme des Grabens (rrjg rdcpoov tcc yaiXsa),
dann die grosse Mauer (tsTyog), die sich als ein Wall von Back-
steinen (cu/Licianj nXiv&iov onttoou) an beiden Ufern des Flusses fort-
setzt und gleichsam einen Panzer (d-vompca) bildet, und endlich die
zweite, innere Ringmauer {bteQov ds Zoto&sv tsiyog Ttsoid-ef) erwähnt,
welche sich von der ersten oder äusseren zwar nicht durch mindere
Stärke, wohl aber durch minderen Umfang unterscheidet.
Wie weit wir übrigens den Ausdruck ötsivots^ov auszudehnen,
d. h. um wie viel wir uns die innere Ringmauer enger zu denken
haben als die äussere, das wird sich nicht mehr bestimmen lassen;
wenn sie jedoch Hirt auf 90 Stadien im Umkreise einschränkt, so
geht er hierin meines Dafürhaltens zu weit.
Hirt nämlich sucht sich das Verhältniss der äusseren zur in-
neren Ringmauer in nachstehender Weise zu erklären. „Die Grösse
einer Stadt, wie Babylon, schreibt er i), hat etwas Ungewöhnliches
für unsere Vorstellung, so dass ungeachtet der klarsten Zeugnisse
wir uns nur mit Mühe damit befreunden können. Wie gross war
») Hirt Gesch. d. Baukunst B. I. S. 138.
22*
172
oder konnte die Bevölkerung eines solchen Ortes seyn ? Woher
kam die Nahrung in gewöhnlicher Zeit, besonders aber im Falle
einer Belagerung ? Je grösser der mit Gebäuden erfüllte Raum und
die Bevölkerung war, desto schwieriger war die Ernährung, desto
geschwinder musste Mangel eintreten und damit die Uebergabe des
Platzes. Durch diese Betrachtung wird es schon für sich klar, dass
der Kaum, den die äusseren Mauern einschlössen, nicht ganz mit
Häusern erfüllt sein konnte, sondern dass bei weitem der grössere
Flächeninhalt zu Gärten und Ackerland bestimmt war, damit wäh-
rend einer langwierigen Belagerung die Einwohner sich aus den
eigenen Erzielungen grossentheils nähren könnten. Dass diess der
Fall war, sagt Curtius ausdrücklich. Aber in welchem Verhältnisse
standen der mit Gebäuden erfüllte Raum und das Ackerland gegen-
einander? Hierauf antwortet wieder Curtius, der den bewohnten
Raum auf 90 Stadien angibt. Dieser von den Gebäuden erfüllte
Raum nun ist es, welcher mit einer besonderen Mauer umschlossen
gewesen zu sein scheint, von der Herodot schreibt: „„Eine an-
dere Mauer umgibt das Innere, nicht viel weniger stark aber von
geringerem Umfange " ".
Hirt ist sonach der Ansicht, „die eigentliche innere Stadt oder
der bewohnte Theil" habe im Gegensatze des „zum Ackerbau be-
stimmten Landes" nur 90 Stadien im Umfange gehabt. Dagegen
bemerke ich :
Fürs erste stimmen Alle, sie mögen sonst über das, was uns
von den Merkwürdigkeiten Babylons erzählt wird, noch so verschie-
den urtheilen, doch darin überein, dass diese Stadt sehr gross, ja
eine der grössten der alten Welt gewesen sei. Wollten wir aber
mit Hirt annehmen, dass die eigentliche Stadt nur 90 Stadien im
Umfange gehabt habe, so würde diess nach unserem Maasse nicht
mehr als 2{ Meile, etwas über | deutsche Meile auf jeder Seite be-
173
tragen. Wie kann da noch mit Grund gesagt werden, Babylon liabe
dereinst zu den grössten Städten gehört ?
Zweitens befanden sich im Innern der Stadt einzelne Gebäude,
die einen so bedeutenden Raum für sich in Anspruch nahmen, dass,
wenn wir die eigentliche Stadt auf 90 Stadien einschränken, für
Privatwohnungen beinahe gar nichts mehr übrig blieb. Wenn wir
den Angaben Diodors Glauben schenken 1), so haben die zwei Kö-
nigsburgen zu beiden Seiten des Euphrat, da die eine 60, die an-
dere 30 Stadien im Umfange mass, allein schon 90 Stadien einge-
nommen. Und wollten wir auch diese Maasse für übertrieben hal-
ten und nur die Nachrichten bei Herodot und Curtius berücksichti-
gen, so bleiben uns doch noch immer das Heiligthüm des Bei mit 8,
die schwebenden Gärten mit 4, die Burg des Nebucadnezar, nach
Curtius mit 20 Stadien an Umfang. Rechnen wir noch dazu die
ältere Burg der Semiramis , deren Existenz, obgleich Herodot und
Curtius hievon keine Meldung machen, nicht geläugnet werden kann 2),
und setzen wir ihren Umfang statt auf 90 nur, wie den der jünge-
ren zu 20 Stadien an (sie war aber grösser als die von Nebucad-
nezar erbaute) : so blieben selbst nach diesen Rechnungen für sämmt-
liche Privathäuser nur noch dreissig und einige Stadien übrig, was
offenbar aller Wahrscheinlichkeit widerspricht.
Drittens müssen wir allerdings annehmen, dass ein grosser
Theil des von den Mauern eingeschlossenen Raumes zu Ackerland
bestimmt gewesen, allein einerseits nöthiget uns nichts, die Zahl
der Bevölkerung und somit der Wohnhäuser zu sehr einzuschrän-
ken ; denn auch von Niniveh wissen wir, dass daselbst mehr als
') Diodor. Sicul. Lib. II. cap. 8. *) Vergl. Heeren, Ideen über die Poli-
tik u. s. w. Th. II. S. 183.
17 1
hundert zwanzig tausend Menschen gewesen, die nicht rechts und
links zu unterscheiden wusslen *), andrerseits stünde der Flächenin-
halt der inneren Stadt oder des bewohnten Theiles, wenn wir den-
selben auf 90 Stadien einschränken, zu dein Ackerlande in gar kei-
nem Verhältnisse mehr. Oder wer sollte glauben, dass, wie Hirt
selbst berechnet 2), beide sich nach den Maassen des Curtius wie
1 zu 154 oder nach denen des Herodot wie 1 zu 27^- verhalten
haben ?
Wenn viertens Hirt, um diesem Einwurfe zu begegnen, hinzu-
fügt: „Indessen würde man sich irren, wenn man die Wohnge-
häude einzig auf die innere Stadt einschränken wollte. Wahrschein-
lich dienten die den äusseren Mauern zunächst gelegenen Wohnun-
gen für solche, Welchen die Bewachung der Mauern zunächst ob-
lag, und die andern über das Feld zerstreuten Gebäude für die
Kaste, welche das Feld bestellte": so kömmt er mit sich selbst io
Widerspruch, denn wenn zunächst der äusseren Mauer und zerstreut
über das Feld Wohnungen standen, so kann „der bewohte Raum"
im Gegensatze des Ackerlandes nicht mehr blos auf 90 Stadien ein-
geschränkt werden.
Endlich stüzt sich die Behauptung, als sei nur ein Quadrat von
90 Stadien im Umfange oder ein Raum von 22^ Stadium in der
Länge bewohnt gewesen, einzig nur auf eine Stelle bei Curtius.
Diese scheint mir aber gerade das Gegentheil davon auszusagen.
Die Stelle lautet3): „Aedificia non sunt admota muris, sed fere
1 ) Jonas IV. 11. Da durch diesen sprichwörtlichen Ausdruck Kinder
bis zu drei oder fünf Jahren bezeichnet werden, so wird nach dem gewöhn-
lichen Verhältnisse die Gesammtzahl der Einwohner auf 2 Millionen berech-
net. J) Hirl Gesch. d. Baukunst. B. I. S. 140. 3) Curtius Rufus, Lib. 5.
cap. 1.
175
spatium uuius jngeris absunt. Ac ne totam quidem urbem tectis oc-
cupaverunt; per XC stadia liabitatiir; nee omnia continua sunt; credo,
quia tutius visum est pluribus locis spargi". Den Satz nun: „per
XC stadia liabitatiir" übersetzt Hirt : „der bewohnte Raum hatte
nur 90 Stadien im Quadrat". Allein wenn auch, was ich übrigens
bezweifle, die Praeposition „per" sich übersetzen Hesse „im Quad-
rat" oder „im Umfange von", so würde doch eine solche Deutung
dem ganzen Zusammenhange widersprechen. Curtius sagt deutlich,
die Wohngebäude reichen ohngefähr bis auf ein Juchert an die Stadt-
mauer. Da nun derselbe Schriftsteller den Umfang der Stadtmauer
auf 360, also die Länge jeder Seite auf 90 Stadien angibt, so nah-
men die Wohugebäude die Länge von 90 Stadien, weniger ohnge-
fähr ein Juchert, ein. Wenn aber Curtius schreibt, die Wohnhäu-
ser dehnen sich in einer Länge von 90 Stadien, weniger ohngefähr
ein Juchert, aus, so kann er nicht zu gleicher Zeit geschrieben
haben, die Wohnhäuser dehnen sich in einer Länge von 22^ Sta-
dium aus. Der Sinn der ganzen Stelle scheint mir vielmehr folgen-
der zu sein: „die Gebäude reichen nicht bis an die Mauer, sondern
stehen ohngefähr ein Jugerum davon entfernt; auch ist nicht die
ganze Stadt mit Gebäuden angefüllt; zwar ist sie in einer Länge
von 90 Stadien bewohnt, aber die Häuser stehen nicht dicht anein-
ander, sondern es sind Zwischenräume, ich glaube darum, weil sie
es für sicherer hielten, mehr auseinander zu wohnen".
Die Nachricht des Curtius ist also ganz übereinstimmend mit
den Nachrichten der übrigen Schriftsteller, welche, insoferne sie
den Umfang der Mauern auf 360 Stadien ansetzen, der Stadt gleich-
falls eine Ausdehnung von 90 Stadien geben, und namentlich mit
Diodor, der den Zwischenraum zwischen der Mauer und den Häu-
sern auf zwei Plethren berechnet i).
') Diodor. Sicut. Lib. II. cap. 7. ava {.itotov de xCtv oixiwv xai xtov zei-
%üv oöog nävziq xaTtteXeimo dLnXedqog.
176
So viel über die innere Mauer, von welcher Herodot redet.
Nun erst können wir zum Berichte des Berosus übergehen und die
Beantwortung der Frage versuchen, wie sich die Nachricht dieses
Schriftstellers, welcher deutlich von einer dreifachen Einfassung
redet, zu der bei Herodot verhalte, der nur von einer zweifachen
zu sprechen scheint.
Wenn Hirt die Nachricht des Berosus gar keiner Beachtung
werth hält, sondern dieselbe kurz mit den Worten abfertiget J) :
„Von äusseren und inneren Mauern spricht auch Berosus, nur macht
er die äussere Ringmauer sowohl als die innere dreifach, eine An-
gabe, die bei keinem andern Alten vorkommt", so geht er von der
Annahme aus, dass die Nachricht des Berosus einerseits mit der
bei Herodot im Widerspruche stehe, andrerseits aber schon darum
verdächtig erscheine, weil andere Schriftsteller nichts von einer
dreifachen Mauer erwähnen. Allein wir haben bereits oben gese-
hen, wie mancher Widerspruch bei genauerer Prüfung kein wirk-
licher, sondern nur ein scheinbarer sei und was das Stillschweigen
anderer Schriftsteller anbelangt, so kann hieraus nicht auf die Un-
richtigkeit irgend einer Nachricht geschlossen werden. Herodot
spricht z. B. nirgend von den schwebenden Gärten zu Babylon und
doch existhten sie und wurden sogar zu den Wundern der Welt
gezählt.
Der Bericht des Berosus lautet wie folgt 2 J. „Nabuchodonosor hat
von der Kriegsbeute das Heiligthum des Bei und andere reichlich ge-
schmückt; die alte Stadt und die andere (ausserhalb} verbunden und er-
neuert ; und damit die Belagerer nicht mehr durch Abwendung des Flus-
') Hirt a. a. O. S. 139. 2) Berosus bei Flav. Joseph, contra Appion.
Lib. I. cap. 19. Antirpj. Jud. Lib. X. cap. 11.
177
ses sich gegen die Stadt zu kehren vermöchten, Mauern aufgeführt,
drei innerhalb der Stadt, drei ausserhalb, die einen von gebrannten
Ziegeln und Asphalt, die andern nur von Ziegeln (rtoög ro jutjx^n
dvVCiö9-Ctl TOl'S 710?.10QX0UVTC'.Q TOV TlOXCtfXOV aVCCOTQSlfOVTCtQ tili Xt]V 710-
Xiv xaraoxsva^uv , vnsosßäXsro rosig fi&v rijg evdov Tiofewg neoißöAovg,
rosig de rrjg t^co rovroiv, rovg fxsv Ü; onrrjg nÄivd-ov xal aGydÄtov,
rovg ds &■ txvrijg rtjg nfav&ov)', und nachdem er die Stadt wohl be-
festiget und die Thore würdig geschmückt, hat er neben der väter-
lichen Burg noch eine andere erbaut u. s. w.".
Berosus berichtet hier unzweideutig, erstens dass die Stadt mit
einer dreifachen Mauer befestiget gewesen und zwar mit einer drei-
fachen nach aussen und mit einer dreifachen nach innen; zweitens
dass Nebukadnezar diese rosig nsoißöAovg zunächst zu dem Zwecke
aufführen liess, dass der Feind im Falle einer Belagerung die Stadt
nicht etwa durch den Fluss in Gefahr zu bringen vermöge; drittens
dass drei von diesen Befestigungswerken ans Ziegel und Asphalt,
die andern aber nur aus Ziegeln erbaut gewesen seien.
Berosus war selbst in Babylon, wir haben daher keinen Grund
an der Richtigkeit seiner Angaben zu zweifeln. Aber, wie stimmen
diese mit den Nachrichten des Herodot überein ? Ich antworte,
was zunächst die äusseren Ringmauern anbelangt, wortwörtlich.
Wenn Berosus schreibt, die Stadt habe nach aussen hin drei
Ringmauern gehabt, diese hätten aber vorzugsweise zur Befestigung
des Flusses gedient, so kann unter dem also befestigten Flusse
ausserhalb der Stadt nichts anderes gemeint sein als der breite und
tiefe Graben, welcher, ein Arm des Euphrat, die Stadt von aussen
rings umgab. Dem Berosus zufolge hatte also der Graben gemauerte
Einfassungen. Wenn nun Herodot schreibt, zuerst kommt ein tie-
fer, breiter und wasserreicher Graben mit einer gemauerten Einfas-
sung an beiden Seiten, dann kömmt die hohe und starke Mauer,
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A.) 23
178
•was heisst das anders als die Stadt hatte nach aussen rqug nsQi-
ßöXovg ?
Aher auch was Berosus von einer inneren dreifachen Mauer
schreibt, steht mit Herodot nicht in Widerspruch. Auch hier kön-
nen wir sagen: Wenn Berosus berichtet, die Stadt habe innen drei
Ringmauern gehabt, diese hätten aber vorzugsweise zur Befestigung
des Flusses gedient, so folgt hieraus, dass dem Berosus zufolge
der die Stadt in zwei Hälften theilende Eup/irat gemauerte Ein-
fassungen gehabt habe. Wrenn dann Herodot schreibt, im Innern
der Stadt habe ein Wall von Backsteinen sich neben den beiden
Ufern des Euphrat hingezogen, ausserdem aber sei daselbst noch
eine Ringmauer aufgeführt gewesen , nicht viel schwächer wie die
äussere grosse Stadtmauer, spricht da nicht Herodot gleichfalls von
einer dreifachen Befestigung nach innen ?
Wie die äussere, grosse Mauer mit den zwei Dämmen des
Grabens die rQtig rtjg t|ct> noAecog nsQ/ßöAovg, so nennt Berosus die
innere, engere Ringmauer mit den zwei Dämmen des Euphrats die
TQseg rijg tvdov nöfewg nsQißoZovg *).
!) Heeren (Ideen über die Politik. TL. II. S. 182.) glaubt die dreifache
Mauer inwendig nicht so fast auf die Stadt, als -vielmehr auf die von Nebu-
kadnezar erweiterte Burg beziehen zu müssen, ,, unter welcher man nicht ei-
nen blossen Pallast zu verstehen habe, sondern eine Abtheilung der östlichen
Stadt, welche sowohl den eigentlichen Pallast nebst den schwebenden Gärten
und vielen andern grossen Gebäuden enthielt, aber auch durch eine dreifache
Circumvallationslinie befestiget war". Er sucht sodann die Spuren derselben
zwischen den Ruinen von Mukullibe, Elkassr und dem Hügel Amram nach-
zuweisen. Allein Josephus oder vielmehr Berosus unterscheidet ausdrücklich
die Befestigung der Sladt und die Erweiterung der Burg, und zählt die drei-
fachen Mauern zu den zur Befestigung der Stadt und des Flusses aufgeführ-
ten Werken.
179
Wenn endlich Berosus bemerkt, drei von diesen Befestigungs-
werken seien von Ziegeln und Asphalt, die andern nur von Ziegeln
erbaut gewesen, so wird auch diess durch Herodot bestätiget, wel-
cher ausdrücklich schreibt, die äusseren Ringmauern, nämlich die
grosse Mauer und die beiden Dämme des Grabens seien auf gleiche
Art aus Ziegeln und heissem Erdpech, zwischen je dreissig Lagen
von Ziegeln Rohrflechten, erbaut gewesen, die Mauer aber, welche
sich im Innern der Stadt an beiden Ufern des Euphrat hinzog, habe
nur aus Backsteinen (ohne Asphalt) bestanden.
Schliesslich findet nun auch der weitere Bericht des Berosus:
„und nachdem Nebukadnezar die Stadt wohl befestiget, und die
Thore würdig geschmückt, habe er neben der väterlichen Burg noch
eine andere erbaut", seine Ergänzung und Bestätigung bei Herodot
insoferne dieser meldet, dass sämmtliche Thore, die der grossen
Mauer sowohl als die unmittelbar zu der Befestigung des Flusses
führenden, von Erz gewesen seien.
23*
ISO
V.
Vom Heiligthume des Bei.
Nicht so widersprechend und auch sonst deutlicher als die
Nachrichten über die Mauern von Babylon, sind die Berichte über
das merkwürdigste der Gebäude im Innern der Stadt, nämlich das
Heiligthiiin des Bei; nichts desto weniger bedürfen auch hier einige
Punkte einer nähereu Erörterung.
Es sind nur drei Schriftsteller, welche von diesem Gebäude
Erwähnung thun; nämlich Herodot, Strabo und Diodor. Wir wol-
len vorher ihren Bericht hören und dann versuchen, wie weit wir
im Stande sein werden uns hieraus ein vollständiges Bild zu ent-
werfen.
Diodor lässt sich auf eine genaue Beschreibung der architec-
tonischen Verhältnisse nicht ein. Er bemerkt nur im Allgemeinen,
wie folgt1): „In der Mitte der Stadt erbaute sie (nämlich Semi-
ramis) ein Heiliglhum {Uqov) des Zeus, den die Babylonier Bei
nennen. Da jedoch hierüber die Nachrichten der Schriftsteller von
einander abweichen und der Bau selbst durch die Zeit zusammen-
fiel, kann man nichts Genaues davon sagen. So viel ist jedoch ge-
wiss, dass es ungemein (xad-3 vnsQßohjp') hoch gewesen sei und
dass die Chaldäer in ihm ihre Beobachtungen der Gestirne machten,
da die Höhe des Gebäudes einer genauen Betrachtung des Aof-
') Diodor. Sicul, Lib. II. cap. 9.
181
und Niedergangs günstig war. Der ganze Bau war aus Asphalt
und Ziegeln mit vieler Kunst und Pracht hergestellt. Auf der Spitze
des Aufgangs (in axQag xrjg avaßdoswg) standen drei goldene Bil-
der, des Zeus, der Hera und der Rhea."
Nicht minder kurz aber doch in Bezug auf die Gestalt des Hei-
ligthums mehr befriedigend ist die Nachricht Sfrabos, die also lau-
tet *): „Daselbst ist auch das Grabmal des Bei (o xov BiqXov xct-
<pog), jetzt zwar zusammengestürzt, Xerxes soll es zerstört haben,
es war aber eine viereckige Pyramide (nvqcifxlg xBxqüyojvog) aus ge-
brannten Ziegeln und zwar von einem Stadium in der Höhe und
einem Stadium auf jeder Seite (xcä ccvxtj oxaSimia xo v\pog- oxc.8iaia
§k xcd ixcioxf] xwv nfevqwv.') Alexander wollte sie wieder herstel-
len. Es ei forderte aber viele Mühe und viele Zeit, denn zur Weg-
räumuug des Schuttes allein hätten zehntausend Mann zwei Monate
gebraucht, darum ward das Angefangene nicht vollendet, auch kam
bald die Krankheit und der Tod des Königs dazwischen".
Die vollständigste Beschreibung gibt uns Herodot. Ich muss
sie der Folgerungen wegen, die daraus zu ziehen sind, ganz hie-
her setzen. Sie lautet wie folgt 2^ : 5Jn dem andern Theile der
Stadt ist das Heiligthum des Zeus Bei mit ehernen Thoren : es
stand noch zu meiner Zeit, ein Viereck von zwei Stadien auf je-
der Seite (iv dk xa> txeQco Aiog BqAov ieQÖv %alxönvXov , zcd ig ejus
xouzo i'xi iov, ovo Gxadtwv ndvxt], lov xhxoäyiovov). In der Mitte
des Heiligthums war ein massiver Thurm erbaut, von eines Stadiums
Länge und Breite {iv /usacp Ss xov hoov nvoyog axsoeög olxodojAflxai,
axccdtov xcd xo juqxog xcd xo svQog) ; und auf diesen Thurm kam ein
anderer Thurm zu stehen und auf diesen wieder ein anderer bis zu
») Strabo Geogr. Lib. XVI. pag. 244. ed. Tzsch. 2) Herodot. Lib. I.
cap. 181.
182
acht Tliürmen. Der Aufgang aber zu denselben ist aussen rings
um alle die Tliünne herum angebracht , und ziemlich in der Hälfte
des Aufgangs ist ein Ilastort mit Ruhebänken, wo sich die Hinauf-
steigenden niedersetzen um auszuruhen. In dem letzten Thurme
aber ist ein grosser Tempel (ßv dt tw tsXsvrauo nvQycp vqog tntaxi
/ut'yag) und in dem Tempel liegt ein grosses Lagerpolster wohlge-
bettet und vor demselben steht ein goldener Tisch. Ein Bild aber
ist daselbst nicht aufgerichtet, auch übernachtet daselbst kein Mensch
ausser einer Frau von den Eingebornen, die sich gerade der Gott
aus allen erwählt, wie die Chaldäer, die Priester dieses Gottes,
sagen . . . Noch ist in dem Heiligthume zu Babylon unten ein an-
derer Tempel (tan dt rou tv BaßvXwvi iqov y.al aW.og xäx(x> vi]6s).
Dort ist ein grosses Bild des Zeus, sitzend, von Gold und vor ihm
steht ein grosser Tisch von Gold, auch der Fussschemmel und der
Thron sind von Gold. Es wurde, wie die Chaldäer sagen, mit
800 Talenten Goldes gemacht. Und ausserhalb des Tempels ist
ein goldner Altar. Es ist auch noch ein anderer grosser Altar da,
worauf die ausgewachsenen Thiere geopfert werden; denn auf dem
goldnen Altar darf nichts dargebracht werden als was noch Milch
säugt. Auf dem grossen Altare verbrennen auch die Chaldäer jähr-
lich 1000 Talente Weihrauch, wenn sie das Fest dieses Gottes
feiern. Auch war in diesem heiligen Bezirke (ßv rw re/uefai' rovtia)
damals eine Bildsäule von zwölf Ellen, von Gold, stehend. Ich
sah sie indessen nicht und sage nur, was von den Chaldäern ge-
sagt wird. Nach dieser Bildsäule trachtete Darius, der Sohn des
Hystaspis, wagte es aber nicht sie zu nehmen; Xerxes jedoch, der
Sohn des Darius, nahm sie und tödtete den Priester, der ihm un-
tersagen wollte, die Bildsäule anzutasten. So war dieses Heilig-
thom beschaffen".
So lauten die drei noch vorhandenen Beschreibungen. Wel-
ches Bild nun gewinnen wir hiedurch ? Wie war der Grundriss
183
dieses Heiligthums beschaffen '? Wie Laben wir uns den Aufriss
desselben zu denken ? Welche Bedeutung liegt überhaupt dem gan-
zen Bau zum Grunde? Diess sind die vornehmsten Fragen, die
sich uns darbieten und ohne deren gemeinschaftliche Lösung wir
uns unmöglich eine klare Vorstellung von diesem eigentümlichen
und merkwürdigen Baue machen können ?
a.
Von dem Grundrisse des Heiligthums.
Was den Grundriss anbelangt, haben sich in den bisherigen
Erklärungen einige Irrthümer eingeschlichen, die einer Berichtigung
bedürfen.
Fürs erste glaubten Einige, das viereckige Heiligthum des Bei
habe zwei Stadien oder zwölfhiindert Fuss im Umfange, folglich
dreihundert Fuss auf jeder Seite gemessen. Da nun der Thurm
sechshundert Fuss im Durchmesser hielt, so ziehen sie hieraus den
Schluss, als sei jenes Viereck von dem untersten Theile des Thur-
mes eingeschlossen gewesen *).
Diese Ansicht ist irrig. Herodot schreibt : Jiög BijÄov Uqov,
dvo Grcidioiv nc'.vzrj , tov TSTQäywvov. Der Ausdruck nävxri lässt
nicht wohl eine andere Erklärung zu, als das viereckige Heilig-
thum habe überall, d. i. auf jeder Seite, zwei Stadien gemessen 2).
Sollte aber dennoch ein Zweifel desshalb übrig bleiben , so schwin-
det er vollends durch den weiteren Bericht Herodots, wenn dieser
hinzufügt : „in der Mitte aber dieses heiligen Raums (Iv ^aco de
*) Schubert, die Geschichte der Seele. 2te Auflage S. 874. '.) Vergl.
Schweighäuser, Lexic. Herod. s. v.
181
rov Uqov) war ein massiver Tlnirm erbaut, von eines Stadiums Länge
und Breite". Hiemit ist deutlich ausgesprochen, dass nicht das Viereck
von dem Thurme, sondern umgekehrt der Thurm von dem Vierecke
eingeschlossen gewesen sei.
Zweitens ist so ziemlich allgemein angenommen, dass der Bau,
in welchem, der Angabe Herodots zufolge, das kolossale goldene
Bild eines sitzenden Zeus gezeigt wurde, sich im unteren Theile
des Thurmes befunden habe. So schreibt Hirt *): „Ausser diesem
oberen (in welchem keine Statue, sondern nur ein Ruhelager ge-
wesen) fand sich unten im Bau noch ein anderer Tempelsaal, worin
sich ein sitzender, zwölf Ellen hoher (?) Colossrdes Jupiter in
massivem (?) Golde befunden hatte"2). Dann abermal 3): „Auf
der Spitze des achtfachen Thurmes war ein Tempelsaal, worin die
dem Gott geweihte Braut die Nächte zubrachte, in dem untern
Theile des Thurmes aber ein Prachtsaal, wo colossale Bilder, Throne
und Altäre des Belus vorkamen". In gleicher Weise schreibt Kug-
ler 4) : „Unterwärts war in dem Bau eine Tempelhalle, diese ent-
hielt ein goldenes Colossalbild des Gottes, einen goldenen Thron
und Tisch". Der nämlichen Ansicht ist K. 0. Müller5): „Unten ein
ungeheures Uqov, zwölf hundert Fuss im Quadrat; mitten darin der
Tempel des Baal mit der goldenen Bildsäule, von einem runden
l) Hirt, Geschichte der Baukunst hei den Alten. Band I. S. 145. 2) Im
Vorheigehen sei bemerkt, dass Herodot weder von einer Höhe von zwölf
Ellen, noch von massivem Golde etwas sagt. Hirt verwechselt hier die zwei
Statuen miteinander, deren erstere , einen Zeus vorstellend, aber unbekannt,
wie gross, in sitzender Stellung, die andere 12 Ellen hoch, aber unbekannt,
was sie vorstellte , stehend gebildet war. Die erstere war im unteren Tem-
pel, die letztere im heiligen Bezirke aufgestellt. 3) Hirt a. a. O. S. 147.
4) Kugler , Handbuch der Kunstgeschichte S. 71. 5) K. O. Müller, Handbuch
der Archäologie der Kunst. 2te Ausgab. S. 285.
185
Thurm eingeschlossen, der unten sechshundert Fuss im Durchmes-
ser sich in acht Terrassen erhob; im obersten Stockwerk der hei-
ligste Tempel ohne Bild, nur mit einem goldenen Tisch und Ruhe-
bett für den Gott".
Auch diese Vorstellung ist unrichtig. Herodot sagt, der Thurm
sei massiv erbaut gewesen (nvQyog ore^sög olxod6/ut]Tcci). So wenig-
stens scheint mir müsse der Ausdruck azsQsog um so mehr verstanden
werden, als Herodot dieses Wort auch an andern Orten in dem-
selben Sinne gebraucht *). In diesem Falle aber konnte der Thurm
in seinem unteren Theile nicht einen Prachtsaal oder Tempel ent-
halten. Und wollte man auch diese Erklärung nicht gelten lassen,
so sagt doch Herodot nicht, der Tempel habe sich „unten im Thur-
me" sondern „unten in dem heiligen Räume" befunden, und diess
führt uns zu einer weiteren Bemerkung.
Ein dritter, allgemein verbreiteter Irrthum besteht nämlich in
der Annahme, alles was Herodot in der angezogenen Stelle be-
schreibt, beziehe sich auf einen Tempel des Bei, die ganze Schil-
derung solle uns nur das Bild dieses Einen Tempels vervollständi-
gen. So versteht es z. B. Hirt 2), indem er seiner Untersuchung
über diesen Gegenstand die Aufschrift gibt : „Von dem Tempel des
Belus" und sich auf Herodot berufend, die Beschreibung mit den
Worten beginnt: „Der Tempel bildete ein Quadrat, jede Seite von
zwei Stadien".
*) So schreibt er z. B. Lib. I. cap. 52. von Crösus. „Dem Amphiaiaus
weihte er einen Schild ganz von Gold, desgleichen eine massive Lanze ganz
von Gold (aixprjv ot£Q£Tjv näaav xqvoitjv), die Spitze ebenso wie der Schaft
golden". Hirt selbst, obwohl er von einem Tempelsaale im Innern des Thur-
mes redet, nennt (loc. cit. S. 145) den Thurm massiv gebaut. 2) Hirt, Gesch.
d. Baut. Band. I. S. 145.
Abhandlungen der I. Cl. d. lt. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A.) 24
1S6
Zu dieser Ansicht mag allerdings der Umstand Veranlassung
gegeben haben, dass die Schriftsteller des Alterthums, wo sie von
dem Heiligthume des Bei reden, sich verschiedener Ausdrücke be-
dienen; indem in der That Herodot an zwei Stellen von einem
Tempel, Sfrabo von einen» Grabmale und Curtius, wie es scheint2),
sogar von einer Burg des Bei spricht; allein wenn durch diese Ver-
schiedenheit der Ausdrücke nunmehr das ganze Bild so unklar ge-
worden, dass die Archäologen ausser dem „Tempel'' bald von einem
„Tempelsaal" bald von einer „Tempelhalle" bald von einem „heilig-
sten Tempel", wovon überall bei den alten Schriftstellern nicht die
Rede ist, Erwähnung thun, so liegt die Schuld nicht an jenen
Schriftstellern selbst, sondern an ihren Auslegern.
Wenn Hirt behauptet *), Herodot (I. 181.), Diodor (II. 9.) und
andere nennen diesen mächtigen Bau, nämlich das Quadrat mit dem
hohen Tlmrnie in der Mitte, einen Tempel', so muss ich dieser Be-
hauptung geradezu widersprechen. Herodot spricht allerdings von
einem Tempel des Bei, ja er nennt deren sogar zwei, aber von
einem Tempel, der viereckig auf jeder Seite zwei Stadien gemes-
sen hätte, sagt er nichts. Eben so wenig richtig ist die Berufung
Hirts auf das Zeugniss Diodors. Dieser nennt in Uebereinstimmung
mit Herodot den ganzen mächtigen Bau zwar ein isqöv, aber nicht
einen Tempel.
Ueberhaupt müssen wir strenge unterscheiden zwischen einem
heiligen, dem Bei geweihten Räume (hgov) und zwischen den Tem-
>) Hirt, a. a. O. Band I. S. 145. *) Curtius Lib. V. cap.'l. schreibt:
„Semiramis eam (seil, urbem) condiderat, vel ut plerique credidere, Belus,
cujus regia oslenditur". Hiezu bemerkt nicht mit Unrecht Schmieder: ,, cujus
si regia ostendebatur, templum ejus non intelligo; hoc enim Alexandri adhuc
tempore ab Xerxi ob res in Graecia male gestas dirutum jacebat, sed arcern
urbis, quam Bagophancs Alexandro tradiderat".
187
peln (vaoC) und den übrigen dein Bei geweihten Denkmälern, welche
sämmtlich von jenem heiligen Bezirke eingeschlossen waren. Nur
durch diese Unterscheidung, die auch in den uns vorliegenden Nach-
richten durchaus beachtet ist, vermögen wir über den Grundriß? ins
Klare zu kommen.
Was nun zuerst den heiligen Bezirk (isqou) anbelangt, so war
dieser viereckig und mass auf jeder Seite zwei Stadien. Von seiner
weiteren Beschaffenheit meldet Herodot nichts als dass er %aXx6nv-
Xov gewesen sey; aber diess genügt, um uns zu belehren, dass er
mit einer Mauer eingeschlossen war, denn was sollten die ehernen
Thore, wenn der Raum sonst offen gestanden hätte? Da uns über-
diess Herodot an einem andern Orte erzählt *), dass ein Theil der
Babylonier, als der listige Zopyrus den Soldaten des Darius das
sogenannte Cissische und Belische Thor öffnete und die Perser hin—
einliess, in das Heiligthum des Bei geflohen sey, so haben wir
Grund anzunehmen, dass die ehernen Thore dein Heiligthume nicht
blos zum Schmucke, sondern gleich den ehernen Thoren, die rings-
um in der Stadtmauer und zu beiden Seiten des Dammes am Euphrat
angebracht gewesen, zum Schutze gedient und auch die Mauern
gleich Befestigungswerken von gehöriger Stärke gewesen seyen.
Innerhalb dieser also befestigten Umzäunung befanden sich so-
dann die zu Ehren der Götter und vor allem des Bei errichteten
Bauten, nämlich Tempel, Altäre und andere Kunstwerke. Es ist
eine ganz irrige Vorstellung, wenn man annimmt, jener heilige Be-
zirk habe nur dem grossen Thurme zur Einfriedung gedient, der
dazwischen liegende Raum aber sei leer gewesen oder nur zu den
Wohnungen der Priester benützt worden 2). Wir sind zwar über
') Herodot, Lib. III. cap. 157. *) Vergl. Hirt a. a. O. S. 146.
24*
188
das Einzelne nicht vollständig unterrichtet, aber der Nachricht Hero-
dots zufolge standen daselbst zwei Tempel, zwei Altäre und eine
kolossale Bildsäule.
Der eine Tempel stand zu oberst auf einem in mehreren Stock-
werken erbauten Thurme. Er war gross, aber eine Bildsäule war
daselbst nicht aufgestellt, sondern nur ein Ruhebett und ein golde-
ner Tisch. Der Thurm stand in der Mitte des Heiligthums, der
Tempel aber oben auf dem Thurme. Der Thurm selbst war uicht
der Tempel, dieser bildete nur den obersten Theil des Thurmes.
Diess sagt Herodot ausdrücklich, wenn er schreibt: „iv St ral in-
fevTciko nvoyw vrjog knsozi /u^yag. Auf den Grundriss des Thurmes
und des Tempels komme ich später zurück.
Ausser diesem einen Tempel wird von Herodot noch ein zwei-
ter (ßXXog prjog) erwähnt, in welchem ein colossales, goldenes Bild
des Bei aufgestellt war. Wie der erste oben, so stand der zweite
unten, aber nicht, wie bereits schon angedeutet worden, unten im
Thurme, sondern unten im heiligen Bezirke neben dem Thurme.
Hierüber lassen uns die Worte Herodots nicht in Zweifel. Wie
er bei dem ersten Bauwerke genau unterscheidet zwischen dem Tem-
pel {vrt6g), dem Thuime {nvoyog~), auf welchem der Tempel stand,
und dem heiligen Bezirke {loöv), in dessen Mitte der Thurm errichtet
war, so unterscheidet er auch bei dem zweiten Bauwerke -den Tem-
pel (vrjög) und den heiligen Bezirk (iqov), in welchem der Tempel
sich befand. "Egti Jt rov iv BaßvXwpi Iqov, sind seine Worte,
xal üXXog xürio rqog. Also in dem Heiligthume , sagt er, ist unten
noch ein anderer Tempel. Hätte er schreiben wollen, unten im
Thurme, so hätte er sich anders müssen ausdrücken. Da er ferner
nur von einem einzigen Heiligthume redet, so müssen wir diesen
zweiten Tempel in dem nämlichen heiligen Bezirke suchen, in wel-
chem auch der Thurm mit dem ersten Tempel errichtet war. Da
189
endlich der zweite Tempel nicht wie der erste erhöht, sondern un-
ten (#«rco) stand, so niuss er neben dem Tliurme gestanden haben.
In demselben heiligen Bezirke befanden sich aber auch zwei
Altäre , ein goldener zum Opfer der säugenden und ein grosser zum
Opfer der erwachsenen Thiere und des Weihrauchs. Sie standen
nicht in den Tempeln selbst, sondern ausserhalb derselben. Von
dem ersteren bemerkt es Herodot ausdrücklich, indem er schreibt
„ausserhalb des Tempels, tj&o <Tt rov vtjov, ist ein goldner Altar",
von dem andern dürfen wir es voraussetzen.
Endlich spricht Herodot noch von einer goldenen, zwölf Ellen
hohen Statue, welche Xerxes wegnahm. Auch diese haben wir
nicht in einem der Tempel zu suchen, sie stand gleichfalls in dem
genannten heiligen Bezirke, tv nö rsixkrti rovrio.
Da der Thurin in der Mitte des Heiligthnms {ßv jutocp rov
Isqov) erbaut war, so müssen der zweite Tempel, die beiden Altäre
und die erwähnte goldene Statue etwas bei Seite gestanden haben.
Hiezu war Raum genug, denn wenn der Thurm 600, der heilige
Bezirk aber auf jeder Seite 1200 Fuss im Durchmesser hatte, so
blieb noch ringsum ein Zwischenraum von 300 Fuss.
So viel vom Grundrisse des Heiligthums. Was nun noch schliess-
lich das merkwürdigste von den daselbst befindlichen Denkmälern,
nämlich den Thurm anbelangt, so denken sich einige J) den Grund-
riss desselben rund. Dazu mag Veranlassung gegeben haben, dass
Herodot von dem Aufgange zum Tempel sagt, er sei aussen rings
um alle die Thürme herum (l'^w&kv xüxhio moi nccvvag rovg tivq-
») So schreibt K. O. Müller (Handb. d. Arch. d. Kunst. 2te Aufl. S. 285):
Unten ein ungeheures isgov, mitten darin der Tempel des Baal, von einem
runden Thurm e eingeschlossen.
190
yovg) angebracht gewesen. Auch fände sich hiefür eine Analogie
in der Gestalt der älteren Burg der Semiramis.
Diodor schreibt nämlich von der im westlichen Theile der Stadt
befindlichen Burg *): „die erste Einfassung hatte 60 Stadien im Um-
fange und war mit hohen Mauern von gebrannten Ziegeln befestiget.
Innerhalb derselben war eine zweite in die Runde aufgeführt, sie
bestand aus ungebrannten Ziegeln, auf welchen allerlei Thiere ab-
gebildet waren, durch die Kunst der Farben die Natur nachahmend.
Diese hatte 40 Stadien in der Länge, 300 Ziegel in der Breite
und 50 Orgyien in der Höhe. Eine dritte innere Mauer umschloss
die Burg in einem Umfange von 20 Stadien, ihre Höhe und Breite
aber übertraf die der mittleren Mauer".
Aus dieser Beschreibung ergibt sich, dass erstens die inneren
Mauern allemal enger waren, wie die äusseren; die innerste hatte
20, die mittlere 40, die äussere 60 Stadien im Umfange. Zwei-
tens dass die inneren Mauern in Vergleich zu den äusseren immer
an Höhe zunahmen, sonach die Burg einen terrassenförmigen An-
blick darbot; denn von der ersten Mauer sagt Diodor nur, sie sei
hoch gewesen, von der zweiten, sie habe in der Höhe 50 Orgyien
gemessen, von der dritten, sie habe an Höhe noch die mittlere über-
troffen. Weil endlich drittens Diodor von der ersten Mauer glatt-
liin meldet, dass sie 60 Stadien im Umfange gehabt habe, in Be-
treff der zweiten aber ausdrücklich hinzufügt, sie war in die Runde
erbaut (btsQov <f ivrog rovrov xvxZozsQtj xcasoxavaos): so spricht
alle Wahrscheinlichkeit dafür, es seien die beiden inneren Mauern
rund, die äusseren aber viereckig gewesen.
Da nun in ähnlicher Weise auch bei dem Belusthiirme, wie spä-
ter deutlicher gezeigt werden wird, die inneren Mauern immer en-
') Diod. Sicul. Lib. II. cap. 8.
191
ger waren wie die äusseren, indem das achte Stockwerk von dem
siebenten, dieses von dem sechsten u. s. w., und das unterste selbst
wieder von einer noch viel grösseren Umfangmauer eingeschlossen
war ; da ferner in gleicher Art wie die ältere Burg auch das ganze
Heiligthum von aussen einen terrassenförmigen Anblick darbot; in-
dem, wie dort über die erste die zweite und über diese die dritte,
so auch hier über die äussere Umfriedung des Heiligthums der Thurm,
und über die unteren, weiteren Stockwerke desselben immer engere
und höhere hervorragten; da sonach die Burg und das Heiligthum
zwei Eigenthümlichkeiten miteinander gemein hatten : so würde es
nicht befremden, wenn sich auch das Verhältniss des Quadrates zum
Kreise bei beiden Gebäuden in gleicher Weise wiederholte, so dass,
wie dort die inneren runden Mauern von einer grösseren vierecki-
gen eingeschlossen waren, so auch hier die grössere viereckige
Mauer einem runden Thurme zur Umfriedung diente.
Dessohngeachtet müssen wir annehmen, der Thurm sei vier-
eckig gewesen; denn Strabo sagt von demselben ausdrücklich l)
nicht blos, dass er die Gestalt einer viereckigen aus Ziegeln er-
bauten Pyramide hatte, sondern auch dass wie die Höhe so auch
jede Seite ein Stadium gemessen habe {fiv Jt Ttv^ct/xlg rstQccyoivog
£% OJizrjs nXivß-ov , xeä avxij oxccSiaia xo vipog- oxadictia dt, xal txdo-
rn ratv nUvQwv). In gleicher Weise schreibt Herodot 2), der Thurm
war von eines Stadiums Länge und Breite (oxccdiov xccl zo juijxog
xai xo euQog). Die Ausdrücke „ein Stadium auf jeder Seite" und
„ein Stadium in der Länge und in der Breite" passen nur auf einen
viereckigen, nicht aber auf einen runden Bau.
») Strabo. Geogr. Lib. XVI. §. 5. 2) Herodot. Lib. I. cap. 181.
192
b.
Von dem Aufrisse des Heiligt hums.
Da der in der Mitte des heiligen Bezirkes stehende Thurm sich
in mehreren Stockwerken erhob, so müssen wir auch den Aufriss
desselben näher befrachten.
Herodot schreibt, in der Mitte stand ein fester Thurm, und
auf diesen kam ein anderer Thurm zu stehen und auf diesen wie-
der ein anderer bis zu acht Thürmen ; Strabo aber vergleicht die-
sen Bau einer viereckigen Pyramide: wir haben uns also den gan-
zen Bau wie eine in acht Absätzen erbaute Pyramide vorzustellen.
Da es ferner das Einfachste, und wie sich später zeigen wird
allein Wahrscheinliche ist, anzunehmen dass jeder dieser acht Ab-
sätze gleich hoch gewesen sei, nach Strabo aber die Höhe des
ganzen Baues ein Stadium oder 600 Fuss betrug, so bestand die
Pyramide aus acht Strockwerken von je 50 Ellen oder 75 Fuss.
Ohne Zweifel waren die acht Stockwerke wie im Aufrisse,
so auch im Grundrisse gleichmässig vertheilt, so dass der Durch-
messer des oberen Stockwerkes allemal um ein Achtel weniger be-
trug als der des unmittelbar unter ihm befindlichen. Da nun der
unterste Thurm 600 Fuss im Durchmesser hatte, so würden auf den
zweiten 525, auf den dritten 450, und so auf jeden folgenden um
75 Fuss oder 50 Ellen weniger treffen. Der oberste Absatz aber
hätte 75 Fuss im Durchmesser.
Bis auf diesen Punkt werden so ziemlich alle Archäologen ein-
verstanden sein ; was jedoch den Tempel anbelangt, der sich, Hero-
dot zufolge ganz oben in diesem Thurme befand, ist die Meinung
sehr verbreitet, als habe er über dem letzten oder achten Absätze
193
gestanden. So schreibt Heeren i): „Auf dem obersten Absätze
stand das Heiligthum mit einem goldenen Tisch und Sitz ohne Sta-
tue"; so spricht Hirt 2) „von einem Tempelsaale auf der Spitze
des achtfachen Thurmes"; so übersetzt Scholl die hieher bezüg-
liche Stelle bei Herodot 3) : „Auf dem letzten Thurme ist ein gros-
ser Tempel". Wäre diess richtig, so würde sich der Aufriss des
Thurmes in der Weise ändern, dass wir nun eigentlich 9 Absätze
erhielten, nämlich 8 Stockwerke des Thurmes und über diesen erst
den Tempel ; allein der Tempel stand nicht auf, sondern befand sich
in dem achten Absätze. Diess bezeugt Herodot ausdrücklich mit
den Worten Iv 8i reo Ttfewaico nvQyw vtjts tTisori /uzyag. Diese
Unterscheidung ist von Wichtigkeit für die Frage, welche symbo-
lische Bedeutung diesem Thurme mit dem Tempel zu Grunde lie-
gen möge.
c.
Von der symbolischen Bedeutung des Bei us - Tempels.
Dass dem Belus-Thurme mit dem über ihm befindlichen Tempel
die oben beschriebene Gestalt nicht zufällig oder aus blosser Laune
des Baumeisters, sondern absichtlich und auf Anordnung der Prie-
ster gegeben worden sei, dass sonach demselben irgend eine reli-
giöse Bedeutung zu Grunde liege, kann, wenn wir nicht den Geist
des Alterthums und der alten Kunst inbesondere verkennen wol-
len, nicht bezweifelt werden. Worin mag das Bedeutsame gesucht
werden ?
») Heeren Ideen über die Politik, u. s. w. Th. II. S. 160. 2) Hirt Gesch.
d. Baukunst bei den Alten. Bd. I. S. 147. An einem andern Orte (S. 145.)
schreibt er wieder richtig: „In dem obersten Absätze war ein grosser Tem-
pelsaal1'. 3) In gleicher Weise Nork, Beal-Wörterbuch Bd. I. S. 176.
Abhandlungen der I. Cl. d. li. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl. (A.) 25
191
Da Herodot von acht Thürmen redet, so glaubte man das Sym-
bolische in der Zahl Acht finden zu müssen. Vier, sagt man, ist
die Signatur des Zeitlichen und Räumlichen, ist die Signatur der
Offenbarung Gottes in der sichtbaren AVeit. Acht drückt jene Idee
in verstärktem Grade aus. Daher gehörten bei den Israeliten zur
Amtstracht des gewöhnlichen Priesters vier Kleidungsstücke, der
Hohepriester aber hatte deren acht 1). In gleicher Weise bildete
die Grundlage des Heiligthums des Bei ein Viereck, der Thurm
aber war in der doppelten Vier, in acht Absätzen erbaut, weil der
Tempel als Wohnung der Gottheit die sichtbare Offenbarung Gottes,
die Welt, welche man sich viereckig dachte, vorstellen sollte.
Ich gebe nun gerne zu, dass dieser Erklärung eine Wahrheit
zu Grunde liege, halte sie aber nicht für erschöpfend. Diess könnte
sie nur sein, wenn der Tempel wirklich, wie gemeiniglich ange-
nommen wird, aus acht Stockwerken bestanden hätte. Es ist aber
so eben gezeigt worden, dass diess nicht der Fall gewesen, dass
vielmehr zwischen Tempel und Thurm unterschieden werden müsse.
Herodot nennt nur das oberste Stockwerk des Thurmes, niemals
aber den ganzen Thurm einen Tempel. Hieraus folgt, dass der
Tempel selbst nicht aus acht, sondern nur aus einem einzigen Stock-
werke bestanden habe, zugleich aber, dass derselbe auf einem in
sieben Absätzen erbauten Fundamente errichtet gewesen. Wenn
wir daher die symbolische Bedeutung des ganzen Baues finden wol-
len, so dürfen wir zwar die Zahl Acht, welche sich ans den sie-
ben Stockwerken in Gemeinschaft mit dem darüber stehenden Tem-
pel ergibt, nicht ausser Acht lassen, müssen jedoch vor Allem die
einzelnen Theile selbst, nämlich die Basis sowohl als den Tempel,
jedes für sich ins Auge fassen.
') Bahr, Symbolik des mos. Cullus II. 116. Nork Etym.-symb.-mylhol.
Wörterb. s. v. Acht.
195
Was nun zuerst das Fundament des Tempels anbelangt, was
mag ein Bau, der sich in sieben immer enger weidenden Terrassen
erhebt, anders sein als ein Nachbild der Planeten ? Es ist schon
oben, als von der viereckigen Gestalt Babels und den, den Tagen
des Jahres entsprechenden 360 oder 365 Stadien ihres Umfangs die
Rede war, darauf hingewiesen worden, wie wir in den Anlagen
der alten Städte allenthalben eine Rückerinnerung an den uralten
Elementen- und Sternendienst zu suchen haben. Was liegt uns aber
näher, als dasselbe in den ältesten Bauwerken der Chaldäer, die
noch mehr wie irgend ein anderes Volk dem Dienste der Sterne
gehuldiget, die noch überdiess, wie uns Diodor berichtet, den Be-
lusthurm zu ihren astronomischen Beobachtungen benützten, wieder-
zufinden? Was liegt uns näher als die Annahme, die sieben Stock-
werke, auf welche die Babylonier ihren Tempel stellten, seien selbst
nichts anderes als ein Bild der sieben Planeten, denen sie eine be-
sondere Verehrung zollten ?
Es würde nicht schwer halten, diese Deutung durch verschie-
dene Betrachtungen in ein helleres Licht zu setzen, doch mag es
genügen, auf einen anderen Bau hinzuweisen, welcher, weil er von
einem den Chaldäern benachbarten Volke herrührt und zugleich ei-
ner ziemlich frühen Zeit angehört, mehr wie irgend ein anderes Mo-
nument geeignet ist, hier in Vergleich gezogen zu werden. Ich
meine die von dem Mederkönige Dejoces erbauten Mauern von Ek-
batana.
Herodot schreibt hievon *): „Dejoces baute sich eine weite
und feste Burg, die nun Ekbatana genannt wird, so dass immer
ein Ring von Mauern von einem andern umgeben war und immer die
') Her od. Lib. I. cap. 98.
25*
196
eine Mauer nur mit de» Zinnen über die andere hervorragte. Dazu
half ihm die Lage des Platzes, da er bergig war. Im Ganzen sind
es sieben Ringe und im obersten sind die Burg und der Schatz".
Wir haben hier offenbar dieselbe Anordnung wie beim Belus-
Thurme. Hier wie dort sieben Mauern, die terrassenförmig in die
Höhe steigen ; hier wie dort die inneren Mauern allemal enger wie
die äussern, über welche sie hervorragen; hier wie dort zu oberst,
über den sieben Stockwerken, das Gentium des ganzen Baues, dort
die Wohnung des Gottes, nämlich den Tempel, hier die Wohnung sei-
nes Stellvertreters auf Erden, nämlich die königliche Burg mit dem
Schatzhause. Diess scheint mir bedeutungsvoll genug um hieraus
den Schluss ziehen zu dürfen, dass auch beim Belusthurme nicht so
fast von acht als vielmehr nur von sieben Stockwerken die Rede
sein könne.
Aber auch was von einem Abbilde der Planeten gesagt wor-
den, dürfte durch die Hinweisung auf Ekbatana gerechtfertiget wer-
den, denn Herodot fährt in seiner Schilderung also fort: „Die Zin-
nen der ersten Mauer waren weiss {Xsvxoi), die der zweiten schwarz
(jLa'Xafsg), die der dritten purpurn (<poivt'xsoi) , die der vierten blau-
lich (y.vävtoi), die der fünften röthlich {Gccvdc.Qccxivoi), die letzten
zwei aber versilbert und vergoldet (xcac.Qytioojjuei'oi xbcl zcaaxQVGw-
fievoi)u. Dass, wie die Zahl der Mauern der Zahl der Planeten,
in gleicher Weise diese einzelnen Farben je einem der Planeten
entsprechen, ist schon längst von Anderen bemerkt worden. Die
Zinnen der ersten Mauer waren weiss, diess ist die Farbe des Ju-
piter und des ihm zugetheilten Zinnes; die der zweiten Mauer wa-
ren schwarz, das ist die Farbe des Saturn und seines Metalls, des
Bleies; die der dritten purpurn, das ist die Farbe des Mars, (ihm
wird sonst das Eisen zugeschrieben); die der vierten waren bläu-
lich, das ist die Farbe des Mercur und des nach ihm benannten
Metalls; die der fünften röthlich, das ist die Farbe der Venus und
197
des ihr zugeteilten Kupfers; die Zinnen endlich der sechsten und
siebenten Mauer waren versilbert und vergoldet, das sind die Far-
ben des Mondes und der Sonne.
Wir haben also in der Burg zu Ekbatana ein planetarisches
Bauwerk, in welchem sich die himmlische Hierarchie, deren Abbild
die neu geordnete irdische Monarchie sein sollte, versinnlichte *).
Gewiss gilt dasselbe von dem in sieben Terrassen aufsteigenden
Belusthurme; auch er ist ein Abbild der sieben Planeten.
Doch hiemit ist erst der eine Theil jenes merkwürdigen Bau-
werkes erklärt. Die sieben Terrassen des Thurmes zu Babel bil-
deten so wenig ein für sich bestehendes Ganze wie die sieben
Ringmauern, die Dejoces zu Ekbatana erbauen liess. Wie hier
über die letzte und oberste Ringmauer die Burg des Königs hervor-
ragte, in gleicher Weise stand in dem Heiligthnme des Bei über
der letzten und obersten Terrasse der Tempel der Gottheit. Wenn
aber dem Fundamente, so lag, das dürfen wir mit Sicherheit an-
nehmen, auch der Gestalt des Tempels eine symbolische Bedeutung
zu Grunde. Welche mag diese sein ?
Es ist bereits oben gezeigt worden , dass das oberste Stock-
werk oder der Tempel viereckig gewesen und allen Gründen der
Wahrscheinlichkeit zufolge 75 Fuss oder 50 Ellen in der Höhe und
eben so viel in der Breite und Tiefe gehabt habe. Die Gestalt des
Tempels war sonach die eines Würfels oder Cubus.
Dass das Alterthum der Gestalt des Würfels eine symbolische
Bedeutung unterlegte, beweist unter andern der Umstand, dass der-
selbe in der Architektur der Israeliten eine so wichtige Rolle spielt.
Die mosaische Stiftshütte war in einem länglichen Vierecke erbaut,
!) Nork, Real-Wörterb. I. 221.
198
der vorzüglichste Theil derselben aber, nämlich das Allerheiligste,
war in der Gestalt eines Würfels aufgerichtet *), Selbst noch beim
Salomonischen Tempel, obwohl man bei dem Heiligen in Bezug auf
die Höhe von dem Vorbilde der Stiftshütte abwich, wurde für das
Allerheiligste die Würfelform beibehalten 2).
Galt nun das Viereck als ein Bild der Offenbarung Gottes in
der sichtbaren Welt, sind desswegen alle alten Tempel, die phöni-
cischen und ägyptischen nicht minder wie die griechischen und rö-
mischen im Vierecke erbaut, so musste der Würfel, — der einzige
reguläre Körper, der von Quadraten begränzt ist — als das voll-
kommenste, als das nach allen Dimensionen des Raumes gleichmäs-
sig ausgebreitete Viereck auch als das vollkommenste Bild jener
sichtbaren Offenbarung und hiemit, als die entsprechendste Form für
ein Heiligthum erscheinen, in welches die Gottheit selbst hernieder-
steigen sollte.
Ist das von den einzelnen Theilen Gesagte richtig, ruht die
Cella des Gottes über einem Fundamente, dessen sieben Stockwerke
auf die Planeten hinweisen, so wird es schliesslich nicht mehr
schwer halten, auch den näheren Zusammenhang dieser einzelnen
') Die Stiftshütte hatte 30 Ellen in der Länge, 10 in der Breite, 10 in
der Höhe. Anbelangend die Länge trafen 20 Ellen auf das Heilige, 10 auf
das Allerheiligste. Dieses war sonach eben so lang wie breit und hoch.
2) Der Salomonische Tempel wurde, was die Länge und Breite anbelangt, nach
dem Vorbilde der Stiftshütte erbaut, nur wurden die Maasse verdoppelt. Der
Tempel erhielt nämlich 20 Ellen in der Breite und 60 in der Länge (40 das
Heilige und 20 das Allerheiligste). Während man aber beim Heiligen in Be-
zug auf die Höhe von dem Vorbilde abwich und demselben statt der doppel-
ten Höhe die dreifache, nämlich 30 Ellen gab, behielt man beim Allerheilig-
sten die ursprüngliche Proportion bei und erbaute es in der Gestalt eines
Würfels von 20 Ellen Quadralfläche.
199
Theile und liieinit die Beantwortung der Frage zu finden, warum
jener Sonderung ohuerachtet das Ganze sich dennoch nach der dop-
pelten Vier zusammenfügte und dem Beschauer als ein Bau von acht
Stockwerken erschien.
Was zuerst den näheren Zusammenhang der Cella mit den sie-
ben Terrassen anbelangt, ergibt sich derselbe aus dem Begriffe des
Bei, dem der Tempel erbaut war.
Bei war die vornehmste und älteste Gottheit der Babylonier.
Ihm war desshalb das älteste und grösste Heiligthum errichtet wor-
den. Welche Vorstellung haben wir mit diesem Bei zu verknüpfen?
Die griechischen Schriftsteller nennen ihn Zeus. So nennt Herodot
das Heiligthum des Bei *) Jiög BtjZou Uobv, noch bestimmter screibt
Diodor 2) isqöv Aios ov zäXovoiv ol BaßvZcovioi BfjAov. In gleicher
Weise heisst es von Berosus 3), er war ein Priester des Bei, ov
jcai Atcc jued-eQ/LiefsvouGi. Allein der Bei der Babylonier ist eine
von dem Zeus der Hellenen verschiedene Gottheit. Wenn ihn die
Griechen Zeus oder die Römer Jupiter nennen, so ist hiebei nur
der griechische oder römische Name für die oberste Gottheit ge-
braucht 4), denn der Name Bei oder Baal bezeichnet überhaupt den
Herrn und wurde desshalb der gemeinschaftliche Name der höheren
Götter, wie die Bezeichnungen Baal Berith, Baal Hammon, Baal
Peor, Baal Zebub u. s. w. beweisen.
Was uns von dem babylonischen Bei erzählt wird, deutet viel-
mehr auf eine weit frühere Periode hin als diejenige, welcher» der
Zeus der Hellenen angehört; denn wenn Herodot zwei Tempel des
Bei erwähnt und hinzufügt, dass der eine in dem Mittelpunkte des
') Herod. Lib. I. cap. 181. 2) Diodor, Lib. IL cap. 8. 3) Euseb. Praep.
Evang. X. 11. 4) Vergl. Munter, Relig. d. Babyl.
200
heiligen Bezirkes und zwar hoch oben über einem siebenstöckigen
Thinnie, der andere aber unten, neben dem ersteren gestanden habe:
so können wir, meines Bedünkens, sowohl aus der Gestalt des erst-
genannten als aus der Stellung, welche beide Tempel einnahmen,
den Sehluss ziehen, dass der mittlere, pyramidenartige Bau der al-
tere sei, der zweite, zur Seite stehende Tempel aber erst später
hinzugefügt wurde. Wenn Herodot ferner als etwas Eigentüm-
liches hervorhebt, dass eine Statue des Bei zwar in dem jüngeren
Tempel gezeigt wurde, in dem älteren aber ein Bildniss des Gottes
nicht aufgestellt war, so folgt hieraus, dass die Einrichtung des äl-
teren Baues bis in die frühesten Zeiten hinaufreiche, in welchen die
Götter überhaupt noch nicht in Bildern von Metall, Stein oder Holz
verehrt wurden 1). Es war aber der älteste Götterdienst allenbal-
ben Sternendienst. „Wie die Sterne, als die erstgebornen Geschö-
pfe gleichsam den ersten Gottesdienst ausübten, indem sie schwei-
gend auf ihren Bahnen sich bewegten und durch ihre feierlichen
Tänze dem Schöpfer huldigten : so richteten anfangs auch die Men-
schen, sehend, wie die Gestirne bei all ihrem Wandel unwandelbar
blieben, ihren Blick staunend nach diesem unzählbaren Volke und
fingen an, diese Heerschaaren selbst für überirdische Mächte und
unsterbliche Kräfte zu halten 2). Diess gilt namentlich von den Ba-
byloniern, denn dass auch an den Ufern des Euphrat der älteste
Cultus in der Verehrung derjenigen Kräfte bestanden habe, welche
den gestirnten Himmel in Bewegung setzen, würde, wenn wir auch
*) Wenn Diodor von drei goldenen Bildern des Zeus, der Hera und der
Rhea Meldung macht, so widerspricht diess nicht der Behauptung Herodots,
dass in dem älteren Tempel kein Bildniss, sondern nur ein Ruhebett und ein
Tisch gestanden habe, denn Diodor sagt nicht, diese Statuen seien im Tem-
pel, sondern kfi ccxqccq zrjg dvaßäaeiog gestanden. Sie mögen zu der näm-
lichen Zeit aufgestellt worden scyn als der jüngere Tempel erbaut wurde.
2) Görres Mythengescb.
201
nicht wüssten, dass die Priester des Bei mehr noch wie andere mit
der Beobachtung der Gestirne und ihres Auf- und Niedergangs sich
beschäftigten, schon aus dem einleuchten, was bisher von den sie-
ben Stockwerken des Belusthuimes und ihrem Bezüge zu dem Pla-
netenhimmel gesagt worden ist.
Ich glaube daher, Bei, als der vornehmste und älteste Gott der
Babylonier sei ursprünglich l) kein anderer als derselbe, welchen
nach Philo, dem Uebersetzer des Sanchuniathon, die Phönicier den
alleinigen Gott des Himmels, /aovov ovqcIvov &sov, genannt haben 2),
derselbe, der sonst mit dem Namen „der Bei" ^2D oder Beelsa-
ineu, Baal-aschschama'im, y.vQiog olqccvov bezeichnet wird, dessen
Gedächtniss sich bei den Hellenen nur noch in ihrer Theogonie un-
ter dem Namen des Uranos erhalten hat.
Ist aber Bei der Herr und König des Himmels, xvQiog ovqcivov,
der da über den Gestirnen thront, wo wäre sein Haus entsprechen-
der erbaut worden als im Centrum des Heiligen, hoch oben und
zwar über einer siebenfachen Terrasse, dem Sinnbilde des Plane-
tenhimmels ? In solcher Weise erhalten also beide Theile unseres
Bauwerkes, der Thurm und der Tempel, einen ganz einfachen und
natürlichen Zusammenhang 3).
') Ich meine hier die frühere Periode, in welcher Bei noch ohne Bild-
niss verehrt wurde. Später, als man anfing, ihm wie den Göttern überhaupt
Statuen zu errichten, mag auch der Begriff', den man ursprünglich mit dem
Namen dieser Gottheit verbunden hatte, sich geändert haben. 2) Seiden, Synt.
II. cap. 1. 3) Gesenius hält den Bei für den Planeten Jupiter, Munter für den
Sonnengott; allein wenn unsere von dem siebenstöckigen Thurme gegebene
Deutung richtig ist, so kann, da die Sinnbilder des Jupiter und der Sonne
in dem Fundamente des Belustempels ohnehin schon enthalten sind, Bei nicht
selbst wieder der Planet Jupiter oder der Sonnengott sein.
Abhandlungen der I. Cl. d. lt. Akad d. Wiss. V. Bd. I. Abthl (A.J 26
202
Aber auch die weitere Frage, warum beide als ein Ganzes
und zwar als ein Bau von acht Stockwerken sich zusammenfügten,
findet hierin eine genügende Lösung.
Wir sind zwar über die religiösen Anschauungen der Babylo-
nier, namentlich über das Verhäitniss, in welchem sie sich den Bei
zu den Planeten dachten, nicht genug unterrichtet, aber gewiss dür-
fen wir annehmen, dass sie nicht blos die Planeten als solche und
den Bei als solchen, jeden gesondert für sich, wie höhere Mächte
göttlich verehrten, sondern dass dieselben nach der Lehre der Prie-
ster auch in einem gewissen Bezüge, wie zu den Menschen so auch
zu einander selbst gestanden haben, und in einer gewissen hier-
archischen Ordnung gegliedert gewesen seien.
Wenn wir nun in der Glaubenslehre der Aegypter sieben Ca-
biren begegnen , denen Phtha als der achte sich beigesellt, alle von
derselben göttlichen Natur, darum auch (wie im Tempel zu Mem-
phis) in der äusseren Bildung einander gleich; alle zusammen die
Himmelsmächte bildend, aber doch der eine, nämlich Phtha, der vor-
nehmste unter ihnen und der Vater der übrigen ; wenn in ähnlicher
Weise die Phönicier sieben Planetengötter, die Söhne des Sydek
oder Sydyk, als schützende Mächte verehrten, denen in Esmun der
achte sich beifügte ; wenn wir dieselben grossen und mächtigen
Götter, zwar unter anderen geheimuiss vollen Namen, aber in der
nämlichen Zahl selbst in den ältesten Sagen von Samothrace wie-
der finden *): was hindert uns anzunehmen, dass dieselbe Lehre —
wenn sie nicht vielleicht von der Ebene Sinear aus zu den übrigen
Völkern gebracht wurde — den Priestern des Bei bekannt gewe-
sen und von diesen durch den symbolischen Bau des Tempels und
Thurmes versinnlicht worden sei ?
») Vergl. Creuzer, Symbolik. B. II. S. 312. 313. 319.
203
Wir haben zwar für diese Deutung meines Wissens kein schrift-
liches Zeugnis«, aber ist nicht die architectonische Anordnung des
ganzen Bauwerkes selbst der sprechendste Beweis hiefür? Mir
scheint, wenn die durch die Lehre von den sieben Cabiren mit dem
achten an der Spitze angedeutete Harmonie der Himmelskörper durch
architectonische Formen symbolisch ausgedrückt werden wollte, so
hätte mau die Aufgabe nicht glücklicher lösen können als es durch
die Erbauer des Heiligthums des Bei geschehen ist: denn blicken
wir nochmal auf den Grund und Aufriss dieses Gebäudes zurück,
so drängen sich uns ungezwungen nachstehende Bemerkungen auf.
Der Thurm ist aus den nämlichen Grundformen erbaut, wie der
Tempel selbst. Der Tempel besteht nämlich aus einem Würfel von
50 Ellen Quadratfläche. Der nämliche Wrürfel 8 mal in der Länge
und 8 mal in der Breite bildet die Basis des Thurmes *); der näm-
liche Würfel 7 mal in der Länge und 7 mal in der Breite bildet das
zweite , 6 mal in der Länge und 6 mal in der Breite das dritte Stock-
werk, 11. s. w. Hiemit scheint angedeutet, dass allen Wesen, auf
welche durch die verschiedenen Stockwerke des Thurmes sinnbild-
lich hingewiesen werden soll, dieselbe Natur zukomme, wTie dem-
jenigen, dessen Bild in dem zu oberst stehenden Würfel symbolisch
ausgedrückt ist, d. h. die sieben Planeten nehmen Theil an der gött-
lichen Natur des Bei.
Diese Würfel fügen sich aber nach dem Grund und Aufrisse
einer vierseitigen Pyramide von 400 Ellen in der Basis und, eben
') Die Basis des Thurmes hatte nach Herodot ein Stadium oder 600 Fuss
in der Länge und in der Breite. 600 Fuss kommen gleich 400 Ellen oder
8 mal 50 Ellen.
26*
201
so viel in der Höhe zusammen *). Da nun das Eigentümliche ei-
ner Pyramide zunächst darin besteht, dass die Spitzen der Seiten-
flächen sich in einem einzigen Punkte, in der Spitze der Pyramide,
vereinigen: so scheint hiemit angedeutet, dass die sieben Planeteu-
götter und der Gott Bei nicht blos in einem nothwendigeu inneren
Bezüge zueinander stehen, sondern auch erst alle Acht miteinander
Ein harmonisches Ganzes ausmachen.
Die Pyramide, nach deren Grund und Aufriss sich die erwähn-
ten Würfel zusammenfügen, ist ferner parallel zur Basis siebenmal
durchschnitten. Hiedurch ordnet sich das Eine Ganze in acht Glie-
der, nämlich in „eiue Pyramide" und in „sieben abgekürzte Pyra-
miden". Die sieben abgekürzten Pyramiden sind alle einander ähn-
lich, aber sie siud nicht vollkommene Pyramiden , nur das oberste
oder achte Glied behält die vollkommene Gestalt einer Pyramide
bei 2). Hiemit scheint angedeutet, dass die sieben Planetengötter
') Es scheint mir bemerkenswerth , dass, wie die Höhe des Tempels
seiner Länge und Breite, so auch die Höhe der Pyramide, welche den Grund
und Aufriss des ganzen Gebäudes bildet, ihrer Grundfläche gleichkömmt. Ge-
wiss ist die Würfelform , die dem Tempel als dem vorzüglichsten Theile des
Ganzen gegeben wurde, nicht ohne besonderen Grund auch in der Pyramide
wieder durchschimmernd. Es dürfte auch hierin eine Andeutung liegen, dass
die Theile und das Ganze in einem inneren nothwendigen Bezüge zueinander
stehen. 2) Es ist hier von einer Pyramide natürlich nur in so ferne die
Hede, als es sich um den Grund und Aufriss handelt, nach welchem die ein-
zelnen Würfel zusammengefügt wurden. Uebrigcns findet zwischen den 7
Terrassen und dem Tempel ganz dasselbe Verhältniss statt, wenn wir mit Bei-
seitesetzung der den Aufriss bildenden Pyramide, blos die Würfel, aus de-
nen sich die verschiedenen Stochwerke erbauen, ins Auge fassen. Die aus
Würfeln gebildeten Stockwerke sind alle einander ähnlich, aber nur das
oberste oder achte Stockwerk erscheint in der vollkommenen Gestalt eines
Würfels.
205
von einander verschieden und doch einander ähnlich sind, Bei aber
als der achte sie an Vollkommenheit übertreffe.
Die Pyramide ist endlich parallel zur Basis siebenmal in gleich
grossen Entfernungen durchschnitten. Nun verhalten sich die bei-
den Basen einer abgekürzten Pyramide zueinander, wie die Quad-
rate ihrer Entfernungen von der Spitze. Darum enthält der Grund-
riss unseres Thurmes im siebenten Stockwerke 4, im sechsten 9,
im fünften 16, im vierten 25, im dritten 36, im zweiten 49 und im
ersten Stockwerke 64 Würfel. Hiemit scheint angedeutet, dass
das Verhältniss der einzelnen Planetengötter zu einander und aller
zu Bei auf eine gewisse hierarchische Ordnung gegründet sei, ver-
möge welcher allein sie alle zusammen ihrer Verschiedenheit ohn-
erachtet Ein harmonisches Ganze bilden.
Diese aus der architectonischen Gliederung des Belusthurmes
sich ergebenden Bemerkungen nun mit dem in Vergleich gebracht
was uns von den Cabiren in Aegypten, Phönicien und Samothrace
erzählt wird, dürfte der Schluss nahe liegen, dass beide Theile des
ältesten Bauwerkes zu Babel, der Thurm und der Tempel, desshalb
ihrer Sonderung ohneraehtet als Ein Ganzes und zwar als ein in
acht Absätzen gegliedertes Ganzes erscheinen, weil nach der Lehre
der Babylonier in ähnlicher Weise wie nach der Lehre der ägyp-
tischen, phönicischen und samothracischen Priester, zu den sieben
Planetengöttern sich Bei als der achte der Cabiren hinzugesellte,
alle zusammen aber als die acht grossen Himmelsgötter verehrt
wurden.
Abhandlungen der I, Cl. d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. I. Abthl (A.) 27
ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH - PHILOLOGISCHEN CLASSE
DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE dehWISSENSCHAFTEN.
FÜNFTEN BANDES
ZWEITE ABTHEILUNG.
IN DEH REIHE DEB DENKSCHRIFTEN DER XJ», BAND.
Ml NC HE IV.
1 8 4 9.
AUF KOSTEN DER AKADEMIE.
GEDRUCKT IN DER J. GEORG WEISS'schen BÜCHDRÜCKEREI.
yiaamucMAHHA
80J1H«
Ä
ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH - PHILOLOGISCHEN CLASSE
DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.
FÜNFTEN BANDES
ZWEITE ABTHEILÜNG.
VI3Ü Jtt/fAHHA
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^aHG^ij' omo
;via-T!i:AHOiawa«giw'- naa aiifiaaAa
Inhalt.
Seite.
De locis quibusdam Aeschyli Lacunosis aut versuum tanspositione sanandis
scripsit et in consessu classis I. die IV. Julii anni MDCCCXLVI
exhibuit Friedericus Thiersch 1
De locis in P. Cornelii Taciti vita Agricolae Lacunosis dissertationem
classi philolog. ac monac. die IX. Maii anni MDCCCXLVII
exhibitam praecedenti epimetrum adjecit Friedericus Thiersch 71
Ueber ein in den Besitz des h. Antiquariums übergegangenes silbernes
Gefäss mit Darstellungen sus der griecbischen Heroenge-
schichte. Vorgetragen in der Sitzung der I. Classe der k.
Akademie der Wissenschaften am 4. Juni 1848 von Friedr.
Thiersch (Mit einem Kupfer) 105
Ueber die Reihenfolge der naturwissenschaftlichen Schriften des Ari-
stoteles, von Professor Dr. Leonh. Spengel 141
Römische Inschriften, mit Bemerkungen von Professor Jos. v. Hefner,
(Mit 2 Tafeln Abbildungen) 169
Corrigenda ' 275
1 1 ß d n I
DE
LOCIS QUIBUSMI AESCHYLI LACUNOSIS
AUT
1
VERSUUM TRANSPOSITIONE SANANDIS
SCRIPSIT
ET
IN CONSESSÜ CLASSIS I. DIE IV. JÜLII ANNI MDCCCXLVI
EXHIBUIT
FRIDERWUS THIERSCH.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Ablhl.
DE
LOCIS QUIBUSDAM AESCHYLI LACUNOSIS
AÜT VERSUUM TRANSPOSITIONE SANANDIS
SCRIPSIT
ET
IN CONSESSU CLASSIS I. DIE IV. JÜLII ANNI MDCCCXLVI
EXHIBU1T
FRIDERICUS THIERSCH.
]Wota res est, multa inveniri in Aeschyli tragoediis, quae loco
suo mota sensam contarbent atque confundant, multa eliain, quae
lacunosa sint, et inter quae integrae sententiae ant versus continui
interciderint. Horum insigne exemplum oratio praebet Minervae ad
finem Eumenidam, deceui versibus constans, v. 975 — 85, quam duo-
deviginti constitisse docemur scholio metrico: Alvw dk /uvS-ovg'
§t€qcc nsgtodog iv ix&iGsi rov dQccjuctTog' ol öh. Gxtyoi siolv ia/ußucol,
tQtjusTQOi, azatäXrixToi irj'. Non defuere critici, qui lacunas hujas
orationis investigarent, et sententiam eorum, quae interciderunt, ex-
plicare niterentur, e quorum numero G. Hermannus et Schöemannus
prae ceteris nominandi sunt. Versus ipsos Graecos sistere nemo,
quantum sciam, ausus est; id nos tentavimus, non quod putaremus, in
tali re quemquam poetae mentem et dictionem consequi posse, sed
imitati rationem statuariorum, qui signa capite brachiis aut pedibus
carentia ita reficere student, ut corpus integrum appareat. Ne Li
1-
quidem credunt se reficere posse, quae interciderint, qaippe persuasi,
veterum statuarioruui artein et diligentiam tantam fuisse, ut a novel-
lis artificibus imlla ratione prorsus attingi possint, laudantur vero, si
tarnen ea praestiterint, qoae totius operis numeros et harmoniam ali-
quo modo restituant corpusque ipsum eatenus restaurent, ut com qua-
dam voluptate conspici possit, neque defectus integrarum partium
nimium contemplautium oculos offendat. Eadem de causa nostram
quoque operam in Aeschylo restaurando aut commendatam autexcu-
satam esse volumos. Locus ita se habet inde a versu 975:
Alvw Ss /uv&ovg tojpös tojp xaTSvyjuccTWP,
ntjLiipco rs <p£yyrj Xa/^nddwp GsAaG<p6o(OP
Elg tovq ipsqOs xal xcctw %&opog ronovg
!£vp noognöXoiGiv, curs (pQOVQOvGtv ßo^Tag
Tovjuop dixaiiog • o/u/ua yccQ ndatjg %&ov6g
OqGfjdog styxoiT civ, sixZstjg 2,6%og
Haldoiv, yvpcuxwv xal GToXog nqsGßvTiSoiP
4>oiPixoßänTOig svdvToig sG&ij^iaoi.
Ti/uaTS xal to (ps'yyog öojuaG&a) nvoög,
"Onwg uv sv<pqa.)p ij<f öfjuXCa %&opog
To ?.oinop svccpSqoigi avfjupoQcctg nqs'mj.
v. 975 — 985.
v. 975. Alpw ds /uv&ovg twpös twp xc.TSvy/uccTcop x. t. X.
Quae in anapaestis postremis breviter indicaverat dea de
pompa Furiarum exornanda, haec jam uberius persequitur, ab animo
Furiarum laudando orsa. Sed offendit particula 8s, quae initio ora-
tionis locum nou habet. Negat quidem Wellauerus, hoc usui Graeco
repugnare, sed alius generis exempla sunt, ad quae provocat, ut
Aristoph. Acharn. 514. 3Eya> dt juiguj /usp AaxsSaifxopiovg GyöSqa
in media Dicaeopolis oratione positum, item Ecclesiaz. 173. 3Efiol
d' laof pzv xrjgde rijg x^QaS f^sxa, et v. 759. (728 ed. J. Bekk.
Lond.) 3Eyu> <f Xv ug ayoQciv ye xa Gxsvtj (figo), in quo loco vir,
qui loquitur, ipse quid facere velit, opponit ei, quae antea socius
de se indicaverat: iya> aoi naqaxoÄov&üj n^atov, et ejusdem iudolis
sunt, quae ab Erfurdtio ad Soph. Antig. 1181 ed. min. et Elsmlejo
ad Eurip. Heracl. p. 986 tractantur. Accedit, quod sequens versus,
nisi aliud quidquam processit, male priori junctus est. Nam senten-
tiae in utroque versu inclusae ita comparatae sunt, ut per fikv et <Js
necti debeant : cdvdö /utp juv&ovg, ni/x^poi ds (psyyt], vel suppresso fikv
per simplicem particulam d£. Frustra igitur laboravit Pearsonius,
qui alvdü ysf Hermannus, qui aivio xs proposuit, et ulterius progressus
Job. Franzius, qui H. L. Abrensium secutus cciviö #£ fiio&ovg in
textu posuit, quod vertit: lubenter mercedem do pro tali benedicen-
tium voto (Ich gebe gern den Lobn zu solchem Segenswunsch),
quam mercedem dein in facibus accensis quaerere, i. e. ad rem ini-
nimam reducere necesse est. Non meliora Wieselerus, qui alvw an
juv&ovg proposuit. Cum vero in praecedentibus non vota tantum
fecisset Furia, sed animum quoque Atheniensihus benevolum decla-
rasset, probabile est, ad utrumque respexisse Minervam in respon-
sione, et excidisse versum, qui de mente Furiarum propitia ageret,
fere hunc:
Sriqyoi ro oov (pqov^fxa n^6g<pOQOv noXu,
Alvw Jg fjLv&ovg . . .
HqogtpoQov elegi ob senteutiam praecedentem: ovxi ju£/uipsc&8
avju^>0Qdg ßtov. Est enim nQogyoQOv , quod utile est et salutare ali-
cui contingit, Pind. Nem. IX, 7.: in£uiv xav%aig aotSd nqögcpoQog,
rebus cum gloria gestis, seu de quibus gloriari possis, Carmen salu-
tare est. Ac fjbiv quidem, ad quod §h pertinet, in tali nexu omiüi
posse, res est notissima. Cum vero verba cävüj $t %. r. L senten-
tiam a verbis ar^yco ro abv <pQovt]/uci inchoatam absolvant, recte jara
sequentia simplici copula his nectuntur.
Sed haec ipsa v. 976 — 78, n^uxpco rs <pfyyrj — ßo£rctg rov/uov
dtxatcog, diverso modo lecta et intellecta sunt. M. Ven. 1. Farn.
Guelph. Aug. A. R. ysyysi. <p£yyrj Flor. Turn. Vict., item collator
Vict., qui margini editionis Robertellianae e P. Victorii bibliotheca
in nostram translatae ad voces nt/uya) ri (ita R.) <p£yyst adscripsit
ytyyr], sed vocem obduxit; unde patet, eum in codice suo primo ob-
tutu (ft'yytj vidisse, sed accuratius inspecta vocula ys'yysi distinxisse,
et sunt sane ductus simillimi. — tpiyysi qui probant, Fritzschius, Wie-
selerus , Job. Franzius , idem esse hoc statuunt ac vno (ptyyovg, et
intelligunt v/uäg, utrumque ut non insolitum, ita durum. Nee opus,
a naturali et simplici struetura Tif/xxpo) rs <p£yyri %vv noognoZoioi rece-
dere. Non enim, quae Wieseleri sententia est, de igne sacro sermo
est, quem praeferant ministrae Palladis, sed lux taedarum <p£yyrj vel
(fiyyog XafxnäSwv GsZaoyoowp eadem est, quae antea dieta (pwg Isqov
rwvSs 7TQ07iotund)p. Poeta autem, qui hanc lucem antea generaliter
vocabnlo <p<x>g Isqov nominaverat, nunc quidem utpote loco commodo
eam accuratius describit, taedarum splendentium lumina appellans, ut
doceat, quo nsu illa lux futura sit. Facit additis verbis dg rovg
tpsod-s y.cd xürw yß-ovbg ronovg. Mittuntur enim faces, ut Furiis et
pompae in istarum speluncarum tenebris praeluceant. Neque poteris
lucem taedarum et famulas deae ita nectere cum Wieselero, cui
in ii Ita incommoda in hoc loco aeeiderunt, ut mulierculas cogites illa
lumina quaeeunque fuerint portasse. Sunt enim <p£yyt}, seu si Wie-
selerum sequeris, est tpsyyog %vv noognöloioi, non vero nqognoXoi sunt
'%vv (ptyyu. Distinguendi igitur sunt qui taedas portant a famularum
ministeriis. Loca autem, ad quae dedueuntur Furiae, antea v. 772.
tdoag rs xal zsv&juwpag svdCxovg y&ovbg dixerat et 1. 1. rovg I'psq&s
zai zchco y&ovbg ronovg, quibus inferri taedae debeant. Sunt igitur
specus tenebris pleni. Notum autem, infra arcem prope Areopagum
yäoua hiasse et aedes Furiarum fuisse constitutas, nee dubium, quin
aedes sacrae eodem situ exstruetae fuerint. Paus. I, c. 38. Hty-
olov 8s ^Aqslov näyov) isqbv &sol>v ioriv, ag xaAovOiv 3A&i]vaToi 2s/uvdgf
'Hotodog de 'Eqivvg iv Oeoyovty. Itaque credas, id agere Aeschy-
luni, ut per %äana illud ad inferos descendant Furiae. Hoc ex
vulgi persuasione factum esse ex Eurip. quoqne Electra v. 1271
concludas : nciyov ticiq' avxov yßofia dvöovxcti %&ovog.
HqognöÄovg autem Minervae 0. Müllerus, Wieselerus, alii an-
cillas deae dicatas credunt, i. e. IsQodovZovg , quo jure equidem ne-
scio. ÜQognoXog enim uonnisi ministrura significat , qui servus esse
potest, sed eo ipso non est, quia hoc nomine dicitur. Occurrnnt
nQÖgnoXot (al. nQonoXoi) de ministris Martis apud Aegyptios, He-
rod. II, 42, i. e. de viris ingenuis. Nam apud Aegyptios templorum
miuisteria omnia a diversis sacerdotum ordinibus procurabantur. Nee
putem, ancillas quamquam sacratas deae in publicis pompis conspici
et circumduci solitas, inprimis illis, quibus flos omnis civitatis, quem
deineeps dea evocat, interesse deberet. Accedit, quod ministerium
earum, in custodia statuae Minervae positum, jure ab iis fieri dici-
tur, aiTH (pQOVQoiioiv ßgeretg rov/uop dixaiatg. Hoc ipsum enim ad offi-
cia legibus instituta, i. e. quae a liberis fierent, referri debet. Non
enim sunt ÄovrQcideg, quas Wieselerus commemorat, sed custodes
Palladii illius sacratissimi et augustissimi, quod summa religione cul-
tum in sanetuario Minervae Poliadis servabatur. Fuerunt igitur vir-
gines liberae, illae nimirum, quae in templo illo habitabant, ad quas
Erechthei filiarum i. e. regiarum virginum munus et officium deve-
nerat, quaruin imagiues xavri<p6Qovg tecto Pandrosii suppositas etiam-
nunc inter templi illius aedes seu aedium reliquias conspicias. Mi-
nisterium autem, quod in pompa illa, quae paratur, praestare hae
nQÖgnoXoi IlaXMdog debent, non erit ponendum in sacro igne ferendo,
sed, qui mos erat virginum, in novis Furiarum sedibus augendis et
decorandis. Huic igitur negotio cum propriae Furiis ministrae non-
dum essent constitutae , suas praebet Minerva e templo suo evoca-
tas. Statuendum igitur, eas nsju/uara, mel et corollas cauistris por-
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tasse, i. e. xavrjtpooovg fuisse , quales in pompa illa Phidiaca inter
ceterarum uiuliercularuiii catervas praebent Parthenonis reliquiae.
His ita expositis patet, omnem hie pompae solemnioris appara-
tum ab ipsa dea institui, nee fingi haee tantnmmodo ita, ut extra
scenain fieri cogitentur, quae Hermanni opinio fuit de hostiis; sed
re vera in orchestram conspicienda introduci, ut ex ordine ante ocu-
los speetatonim transeaut. Itaque introdueuntur dadovxot vel tiqo-
nofinol, qni pompae ad specus tenebris obsitos tendenti praeluceant,
non qui taedas eo conjiciant, ut credidisse videtur Wieselerus. Porro
praesto sunt hoonofinoi, hostias ducentes EvjasvCgiv immolandas, dum
in specus ipsae delabuntur , item xavrjyöooi ex ministerio Minervae
accitae. Nee duces pompae desideres, siquidem verba v. 964.
lYfiüg S' rjysTo&e, nofaooov%oi, nctldsg Kqv.vv.ov ad Areopagiticos ju-
dices referas, qui tijg nofinijg tjysfiovsg esse jubentur.
Qui vero praeter dadovx,ovg, hoonofmovg, xavtjcpooovg et rjysfio-
vug accesserint ad pompam illam splendidiorem etiam efficiendain, in
seqnentibus demonstrat v. 979 : ofifiv. yäo ndotjg %9-ovög Qtjötjdog
QCxoix uv. 0. Müllerus cum aliis haee vertit: „in conspectum prae-
grediatur omnis terrae Theseidos clara caterva."
At vero o/ujuet elgixiod-ai pro elg buua vel d(p9aZuovg slgiyJo&ca,
non Graecum est, sed barbarum. "O/u/ua et oy&aÄfiög de eo, quod in
quaque re praeclarum et splendidum est, dici notum est. Vers. 165:
ofificc yciQ dofiwv vofißa) Ssonöxov naoovGiav, eundem dicit Choepb.
922: otp&aXfibv oheov, et Pind. Olymp. II, 9 de Theronis majoribus:
Isqov ig%ov otxtjf4.ee norctfiov, JZtxsAtccg x tGav otpd-ecXfiog.
Junxit autem haee prioribus per cansalem particulam, quia appa-
ratus, quem indicat, documento est, deam eximii aliquid et spleudidi
instruere. Haee igitur, quae parant, in causa sunt, quare florem uni-
versi populi evocet ad pompam. Cum vero evocetur omne quod The-
sei terra aniversa splendidum continet, ö/uucc naGrjg %0-ovdg 0qGrjdog
i%iy.ovt av , in sequentibus autem praeter pueros, mulieres et anicu-
las nihil, quod ad pompam illam pertineat, commemoretur, acute per-
spexit Hermannus , orationem Minervae hie quoque lacunosam esse
et intereidisse virorum, juvenum, aliorum commemorationem. Frustra
autem laboravit 0. Müllerus, dum docere studet, non desiderari vi-
rorum cornmemoratiouem in pompa eultui destinata, qui inprimis ad
mulieres pertineret. Non enim de iis sermo est, ad quos ille cultus
pertineat, sed de pompae instruetione, cni flos civitatis omnis interesse
jubetur, quieunque demum illi fuerint, quibus posteriori aevo sacro-
rum illorum cura contigerit. Accedit, quod hgonoimoi Eumenidum
ex universo Atheniensium populo lecti commemorantur. Pompam au-
tem earum e viris et mulieribus lectissimis compositam fuisse demon-
stratur loco Philonis (quod omn. prob, über §. 20), quo Müllerus
quoque usus fuit: Aio /not SoxovGiv ol röjv ^EXXrjvwv otzudsozeGzcnoi
Siavoiav \4&rjvcuoi .... rtjv tnl redg Gs^ivaig ß-aedg nof.inijv otctv
GT&XXo3Gi 3 dovXov firjdsva noogXct^ißavuv rö netocinctv , äXXä <$V iXsv-
&£oiov zxciGTci rwv vsvouiG/usywi' ccvöqwv ts xal yvvcaxwv iniTsXsiv,
zai ov% ditov clv vvyjjß, dXXd ßiop eZrjXojxoTcoi' ccvsniXqnrov (qui igitnr
o/uua y&ov6g illud constituunt). inei xcel tu noog ty\v bOQTTjv ttsjuuutu
tüÖv i<prjßwi> ol doxi/jbojTaTOt, Gitotioiovgi, noög svdotyug xul Tiuijg, bnto
Zgti, Tr\v vnEQrjGiav &8jLisi>oi. Addit I lcrmannus : „Num id (interfuisse
nempe illis sacris viros) hoc ipso loco omiserit, in quo id miuime
praeteriri poterat, cum antea v. 818 rem per verba tiuq ai>doioi> xul
ywuixsiuw GTÖXoiv aecuratius indicasset? His ipsis verbis poeta re-
fotat, quae hoc loco O. Müllerus ad antiquitatem pro arbitrio effin-
gendam statuerat." Juvabit autem, hie quoque pompam Phidiae Pana-
theuaicam in auxilium vocare, cum dubium vix esse possit, eam ad
exemplar uniuseujusque pompae splendidioris fuisse compositam, nee
minoris magnificentiae institui voluisse deam hanc ipsam, quam cum
insigni Furiarum honore meditatur. Itaque ex illorum quoque ana-
Abhandlungen der I. Cl. d. k Ak d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 2
10
glyptoruin analogia höh minus, quam ex verbis couceptis patet, quinam
populi florem coustituant; sunt nimirum juvenes, viri robustiores, senes,
sunt virgines cum pueris et mulieribus diversae aetatis. Inde sup-
plementuin statuere possis fere hoc:
6/ujua yaq ndorjg y&ovog
QrjOtjdog et-ixoir av, svx^etjg höyog
'Avöqiov TtAsicov xai ysQÖvrsiov üsßag,
AafMQÖv d' itprißwv av&og, sv di nciQ&tvwv ,
üaiöiov, yvvaixwv xai öröhog nQSGßvriöoiv.
JZroAog no&oßvTidwv dixit verbis ob inetrum trauspositis. 2£ro-
Aog euim simul ad tres qni proxime praecednnt, genitivos pertinet.
v. 982, 83. 4>oivixoßänroig ivdvxolg io&tjjuaoi
Ti/uars xai ro (p£yyog ÖQjuäo&co nvQÖg.
Haec quoque lacunosa esse perspexit Hermannus. Nam Ti/uara
non habet, quo referatur. Furiarum enim mentio longius abest, quam
ut hie repeti animo possint supplendo amdg. Id igitur certum lacu-
nae indicium. Quid vero exciderit, Hermannus ex parte demonstra-
vit usus grammaticorum auxilio, a quibus doeemur, Aeschjlum in
i'abula, quae inscribitur Eumenides, retulisse, 'Eoivvag a Minerva
placatas, et ob id ipsum El^ihvidag vocatas fuisse. Praecipuus ejus
rei auetor scholiastes est, qui vnoSkOiv Ev/usvidtov scripsit : 'Oogoryg,
inquit , §p AaXyolg nsotsfro/usvog vttö twv 'Eqivvwv ßovhfi AnoAfaovos
tig ^AD-ijvag naQsytvSTO dg zo Uqov rrjg 'AS"t\väg, tjg ßovXfi vixqoag
xatfjXd'sv stg "Aoyog. Tag dt 'EQivvag TiQavvag nQogqyoQtvoev Evue-
irtffag. In his nQavve.g corruplum esse manifestum ex eo, quod auc-
tore Aeschylo, quem sequitur scholiastes, non Orestes sed Minerva
placavit Furias. Non igitur dubium, quin pro 7iQavi>ag scribi debeat
nQa'vvuaa rt &iä. Optimo autem jure contendit Hermannus, hoc
11
ipsum, quod refert seholiastes, Erinyas, posteaquam a Minerva pla-
catae fuissent, i. e. in hac ipsa, de qua agitur, scena, ab eadem dea
Eumenidas fuisse dictas, non alio loco commodius fieri potuisse,
quam hac in oratione, in qaa oninia comprehendit et absolvit, quae
ad honorem deabus illis habendis pertinent. Itaque haec fere in
lacuna intercidisse statuit: „et deas, quae urbi non amplius infestas
sed benevolas se praebent, in futurum ob hanc benevoleutiam Eume-
nidas colite. Hoc Graecis verbis, et quantum nobis novellis homini-
bus datnm est, Aeschylea oratione ita fere exprimas:
Kai tiqooSsv ovoag dvOtusveig, vvv d1 svfievslg
Evjuevidag slg rbv ticcvt inwpujuovg y^övov
TlfltiTS.
Hermanno successit Fritzscbii solertia, qui monuit, ne ea quidem,
quae praecedunt, (poivixoßanxoig tvdvroTg io&quaGi — rijucire integra
esse. „Minerva," inquit, „quae hucusque de futuro Eumenidum cultu
breviter tautum et velut iv na^iqyw locuta est, eam necessario jam
orationem habere debet, qua cultus ille, quamquam concisis verbis.
eodem modo instituatur, quo ante Areopagum instituerat. Postrema
autem haec oratio Minervae in duas partes dirimitur, quarum in priore
pompa jubetur, in altera cultus Eumenidum Athenis pro futuro tem-
pore fundari debuit. Num vero cultus tanti momeuti , cui ipsa Mi-
nerva tan tum pretium tribuat, his siccis et in summa nudis, fere in-
sipidis verbis juberi potest: „honorate eas purpureis vestibus?" Haec
acute et ingeniöse dicta deinceps olterius persequitur; sed suflficiunt
ad consilium nostrum, quae attulimus. Notandum autem, verba ipsa
(poivixoßänroig ivdvxoig io&ij/uaot, de quibus agitur, leviter esse af-
fecta. 0. Müllerus, ut tvdvxcc ioB^fmva habeant, quo referantur.
praecipientem facit Minervam, ut statuae Furiarum purpureis vesti-
bus indueantur. Sed ipsa dictio vitiosa est. ^Epövrog iofryitari
quid sit omnes sciunt; ivdvrov to9rj/ua non magis dici potuit, quam
9*
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tunica induta, pallimn vestitum pro eo, qui tunica indutus, pallio ve-
«.titus est. Scribendum haud dubie <poivixoßdnroig ivduroi #' io&rr
uaoi, et vitium traxit oratio ex eo, quod particula dt post secuudam
vocem rejecta erat His jure addi potuit versus de sacrificiis, quem
deesse perspexit Fritzschius, fere hie: Jtäooig fr&ioig svoeßovvrsg xcci
?.ITC(lg TIUC.T.S.
Sed nondum integra evadit oratio, quippe cui et in fiue desint.
quae ad sensum explendum requirautur. Dicit progredi debere tae-
daruui lucem, xul ro (ptyyog 6Qf.ida&w nvQog, ut in posterum Eume-
nidum cum Attica terra societas, %& 6/uih'a %&ovog, bene^ola se prae-
beat et conspicua sit (not-ntf) sorte viris prospera seu prosperis»
eventibus (evävdooiGi ovjiufOQcug), i. e. talem prosperitatem praebeat.
Hoc vero speiet Minerva solo ardentium taedarum incessu effectum
iri? Ni fallor, preces et compellationes accedere debebant, quibu»
animus dearum delectaretur, cumque hae ipsae in honorem dearum
iuehoentur, deineeps a pompa, apertum est, haue ad eas canendas
a dea fuisse excitatam.
Itaque verbis ro (ptyyog oQ/uda&u) nvoog addam versum: tiqo-
.loinnov sv<pi]fxoiGi avv ngogtvyjuaoiv. Jam versus, quos supplementi
loco feeimus, si undeeim Ulis, qui integri servati sunt, addas, duo-
deviginti jambicorum trimeticorum acatalecticorum efficitur numerus,
quot se legisse testatur sciioliastes metricus, primum a Fritzschio in
auxilium vocatus, usus ille haud dubie manuscripto integro, et a
Wieselero scite contra 0. Mülleri suspiciones defensus. Ipsam vero
orationem suppletam sub conspectu ponamus:
1 ^xioyio ro aov <po6vr} ua noogtpooov noXti,
Aivoj dt /xv&ovg riovöt xwv xarevy/Liätwv,
Jli/iixpui rs (ptyyrj Aa/unddiov otÄccotpooiov
Eig rovg tvso&t xou xdrw %&ovög xönovg
13
5 Si/p noognokoiGip, cuzb (fQovQovotv ßoezag
Tov/uov dixctlojg ' o/u/ua yäo nüoqg %&opog
0t]ofjdog iitKOiz? ctv, svxAefjg %6%og
"AvSqwv zsästatp xa\ ysgdpz siop o£ßccg,
Accjutiqop r' eipijßwp ap&og, §p ds nao&tpvop,
10 Ilaidwp, yvpccixcöp y.al ötoXog TiQSGßvridoop,
4>oiPizoßänxoig tpdvzol iofry/uccoi
Jcoootg szsioig svasßovpzeg xcci Ziictlg
Tag noog&sp ovoag dvgfiepstg, vvp S' ev/^apeig
Ev/usv Cd ag sig top navz stkopvuo vg y^qöpop
15 Tificcxs' xai zo (ptyyog oq/uccGitcd nvoog
Iloono/iinöp evytj juoiGi gvp noogsvy juaaip ,
"Onwg up sv(pQQ)p tjd'' S/utÄta x&opög
To Xoinop svÜpÖqoigi Gv/uipooccig no&nr\.
His subjungamus quae ad finem fabulae propompi caneutes intro-
ducuntur, non illa quidem lacunosa, nisi in siagulis vocibus seu vo-
cum formis, sed ita tarnen comparata, ut critici operam etiamnurn
requirant.
liiMiin preces et eupliemiae Atheniensium , quibus Eumenides
ad sedem destinatam prosequuotur, quas multis modis corruptas
primas Hennannus arte Aescbylo digna disposuit et in plurinri»
egregie persauavit.
Distinxit aatem inter ea, quae comitum chorus seu potius plurium
chororum concentus pronunciat, et acclamationes, quae interponuntur
ita, ut illa duas strophas et antistropbas minores efficiant, acclama-
tiones autem seu oXoXvy^iol duobus versibus strophicis et antistrophicis
compositae illis interponantur.
II
v. 986 — 99.
Bars döfiip, fisydXm (pikoriuot —
OXoXvz,t(T£ vvv inl juoAnaig.
Initio ßdr iv dofjuo Med. ßdr iv döixw absque iota Reg. L.
Flor. Ven. 1. Aid. Guelph. Aug. Emendatius ßdr iv ööfiio Rob. ßdr
ix Sö/lKov T. V., et is quident cum glossa /usydäai (piAoTtjuoi- cutiqo-
nofincti. Aperte vitiosa iv So/lico et ex douwv. Nou enim in aedi-
bus sunt, neque ex aedibus progredi possunt, sed exeitantur, ut in
aedes suas abeant. Hinc Wellaueros ßdre öö/am, Lingwood ßcirt
<)6uoi, neutnini bene, quia motüs ad locum indicandus. Itaque ßdr&
do/uov scribendum, quod in archetypo codice, in quo aperte JOMOl
erat, levi vitio corruptum fuit. Br,vai döfiov dictum est ut Homerica
dvvcti do/nov, Ixdvuv, iX&sTv döpov, similia II. y, 421, £, 370, v, 336.
Od. /;, 22, 46, n, 335, »/>, 314. Porro jutydZcu dici possuut, non
item (piP.6rituoi, nee quidquani de Eumeiiidum <pi2ori/uia actum. Ita-
que suspicor scriptum fuisse: /usydZag i^ln^ioi JVvxrog nccldsg cintu-
ihg /usydÄag ad Nvxrog translato. "Ancadccg dici putat Hermannus,
quae non sint naidsg; haee tarnen appellatio rationem nullam habere t,
quod de contrario nemo necogitare quidem potuit. "Anmdsg usn so-
lemni sunt, quibus nnlla soboles. Suam ipsae sortem utpote ab om-
uiDih deorum et hoininum communione alienam descripserunt v. 330:
oudi rig Igti avviJat'iwQ fxsrdxoivog x. r. X.
lYn sv&v(pQovi noiiTJcc. Euxrv<pQwv qui reeta et justa meditatur.
Haue vulgatam lectionem, quam Aug. quoque praebet, Dindorfius in
f-.v<poovi mutavit, ut metro prospiceret, et fieri potuit, ut ex versu 992,
qui tvfrv(f$ovhg habet, vox huc transferretur.
Hac prima stropha finita succinit pompa tvyctjuuT?. dt,, /wQthe,
quae postrema vox egregie ab Hermanno emendata est xutQlrca scri-
15
beute, terrae iucolae seil, universi, quibus napdauel in autistropha
substituitur.
989. rag vno xtv&toiv x. z. X. Haec verba orationeiti accla-
inatione vulgi interrnptain contiituant, sed corruptasunt inde a voeibus xal
Tijuatg. Conseutiunt Codd. et Edd. in xal ziuatg xal xrvolaig, quibus
priorem particulam exemit Hermauaus metri caussa. Dein neoiaenzcci
zvyai ze M. Reg. L. Suppresso utroque iota nsoi'osnra rbyazs Ven. 1.
neoioenzp tv/o- rs Flor. Farn. Rob. utroque iola subscripto. Ileoi-
osnzä zvyai ze Aug. punetis super a positis dubiam seripturam no-
tans. Neque hoc Hermanni attentionem fugit, quaniquam codicem,
qui id exhibeat, non nomine designat. IlsQiotnza zvyai re Guelph.
TIsqI otnzä, ziyag rt Aid. — Tle-oloenza, zvyaig zu T., et hie inciso
ante zvyaig posito , quod ex jota praecedentis syllabae ortum credi-
derim. — üa-oCoinzai, xvya ze Vict. Non minor est conjeeturarum
numerus, quas hie recensere uou opus, cum haud dubie verum sit,
quod Musgravii ingenio debetur: neoioenza xvyovoai, quibus con-
struetio ßazs do/nov .... yag vno xev&eoi zi/uaig xal S-voiaig neoi-
oenza xvyovoai absolvitur, suntque ob hoc ipsum antea £otzi/uoi no-
minatae. Consecutae igitur sunt neoioenza i. e. maximam veneratio-
nem ab Atheniensibus, quae et honoribus et sacrifieiis consistit.
v. 991. "iXaoi de xal evd-vyooveg ya x. z. X.
Ut versuum antistrophicorum aequalitatem efheeret, Hermannus
in primo zaS"1 post xal, in seeundo ovv addidit post osuval, et tertio
scripsit Aäfuia pro XaundSi. Istud tarnen ovv extra sensus necessi-
tatem adderetur, quamquam ferri possit intellecto avzw post zeonö-
uevai. Praestabit xal addere, quod post oe/nval facile obliterari po-
tuit et cum XXaoi de xal evdvipooveg devo' l'xe commode jungitur. sla/u-
nädi , cui in antistrophico respondet ohzw, Job. Franzius defendit,
provocans ad Agamn. 1 10 (Well.), in quo tarnen $i\u(fQOva zayäv in
16
antislr. v. 127 nc'ivrct 8$. nvoyiov oppositum habet, et Suppl. 538, cu-
jus loci ltietruiii in antistr. v. 555 corruptom est. Sed dubitatum de
sigiiificatione. Aäfinrj enim injecto ju ex Xün}] ortum videtar, et ävtj-
Xtog Xäuna de situ et luto inferno Eumen. 365: Aä%r} $-swi> dt%o-
otcitovvt aviiXUo Xa/nnce dvgodoncunaXci. Itaque Schoeinannns nsvxcc
proposuit, cujus glossa Xa/xnadi fuerit. Optime autem factum a Bois-
sonade, viro docto et ingenioso, quod in v. rsonö^isvai. xa& oöov
<T sublato iuciso scripsit rsonöfxsvcct, xccd? oJoV. Nani postremae vo -
ces a seq. versu SXoXv^ccts vvv inl uoXnaig separari debent, qui seor-
sum ponitur ut strophicus. Lectio igitur erit:
"iXaoi dt xcd r«J" sv&V(pooi>sg ycc
Asvq us, GS [Aval, xcd nvQidcinrcty
Ilsi'xa TSQTCO/usvat zct&* ödöv.
Ceterum in priino versu metrum dactylicum requirit Job. Fran-
z,ius, quod in reliquis obtinet, nee tarnen rhythmum _ j_ ±l * a loco
alienum putans, cujus gravitate dochraiaca volubile illud dactylicum
bene temperatur. In iniipwviqijtari voces inl uoXncclg significant ad can-
tus, quia comitibus peraguntnr, nee de eo dubitare debui Wieselerus,
qui inl fioXncüg pro [.loXnrjdöv dictum putat, abusus Pers. 380 xsXctdog
uoXnrjdöv sv(pijut]Osv. Nam oXoXvyjuog, ut fit hoc loco, ubique seor-
sum a rebus, quae simul aguntur, dieuntur aut canuntur, diversus est,
utque apud Homerum Nestoris uxor et filiae, dum hostia caeditur,
oXoXvy/udv tollunt Od. y, 450 Xvgsv dt ßoög usvog- al <T 6X6Xv%ctv
Qvyars'Qsg x. r. X., ita hoc idem ad dithyrambos fit, dum canuntur ab
Horis in Callim. Epigr. , quod ipse Wieselerus affert: Ilo2.Xv.xi, dtj
<pvXqg Axciixavxldog iv %oqoigiv 'Hoch amoXöXv^czv xiGGoipöootg inl
(hfrvofiußotg al AiovvGiädsg, nee dubitandum, quin nostro in carmine
oXoXvyjuog fiat a mulierum catervis, fjtoXnal autem i. e. strophae et
antistrophae a viris canantur.
17
Vexatissimus est qui sequitur primus antistropbae versus 996«
cujus prima pars : 2novdal <T ig zö nav sine lectionis diversitate
tradita est, contra iu posteriore tvöaidsg ol'xcov M. , Aug. et Vict.
cum gl. ivSaidsg otxcov' /uszd Xa/unddojv. Idem distractis voeibus
Aid. t-vö'ai <T ig oI'xojv (iion ivdaid\ ut Joh. Franzius ex ea et Guelph.
refert), nee aliter Turn., quem praeteriit Joh. Franzius. Subscripto
iota Rob. ivdadsg oXxoiv, non Zvöadsg, quod Job. Franzius affert, ni
fallor, typographi errore; nam lectionem iota carentem l'vö'ad'sg ol'xvov
separatim notavit e cod. Flor. Ven. 1. Farn. Multae hinc editoruni
conjecturae, quas praetereo, quia omnes eodem vitio laborant. Sen-
sum enim versus non constituunt, qui verbo caret; futurum autem
loopxai, quod saue requiritur, non poterat omitti in tali nexu. Hinc
versus ita erit constituendus, ut praecedentem orationem 6XoXvyf.au
interruptam continuet, ut factum vidimus bis jam in prioribus. Cum
vero nvoidanza) nsvxqe zsonousvat, praecedat, scrib. erit GnovSalg (V
ig zo nav ivddösGiv oixwv. Scio legitimam formam esse ivdddi-GGi,
quam in lyricis adhibere Attico quoque permissum poetae; sed ivöd-
dsöi analogiam sequitur similium: dvdxzsoi, %£tosGi, oI'sgi, quas ne
Aristarchea quidem severitas ex Homericis prorsus exstirpare potuit.
Cf. nos in gramrn. maj. §. 187 n. 11 p. 494 ed. tert.
In stropha autem hortatur Eumeuidas, ut praesente Xct/unadtj-
yoolcc delectentur, in antistropha, ut delectentur libationibus. quas ad
faces accensas eis omni tempore (ig zo nav) oblatum iri promittit.
Jam cominode subnexa est clausula: Jla)>Xd8og dozoloi Zsvg nav-
xonzctg. Ol'zw [toioct zs Gvyxazsßa. Ita MSS. et Rob. Viani emen-
dandi monstrant A. T. V. navonzag exhibentes. Inde Hermannns:
IlaXXdöog a.ozoig. Zsvg 6 navönzag. Is igitur üaXXddog dozotg praece-
dentibus conjungit. Haec autem conjnnctio cum praeclusa sit ea, quam
sequimur, emendationum ratione, referenda erunt ad seqq., ut jam di-
catur Jupiter et Parca civibus Atticis descendisse. De auxilio fe-
Abhandlungen der l. Cl. d. Ii. Ak d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 3
IS
rendo vocabulum adhibitum Choeph. 715: vlv ytiQ axjuriusi mt&a>
Sokltt» Üvyxarcsßtjpcfi , quo loco commode usus est Schoemannus ad
nostrum explicandum. Nimirum in praecedente versu Athenienses
in se recipiunt cultum Eumenisin praestandum eo, quo promiserat,
modo infra Pallas, cum v. 855 declararet, se effecturam, wg fxrj tip
olxop tv&evtiv apsv as&sv, quod ipsa sacra per singulas aedes iis
institoenda includit, et re accuratius iudicata v. 798: noXXtjg Se
ywoag TtjgF £V äxQO&CPia , @vi] tiqo naidvov xcd yct/itjAtov reXovg,
"Ey<)vo ig atsl topö' inctivtasig Xöyov. Haec igitur sacra si ritepro-
curant, confidunt fore, ut Jovem quoqne et Parcain propilios habeant,
Jovem ntpote summum sortis liumanae arbitnnn et Parcam ejus inter
homiues dispensatricem. Itaque Jovis et Parcae favorem, quem spe-
rant, cum hac nova religione recipienda conjungunt, nee injuria, quia
eam vidimos Eumenidum dignitatem esse, ut ad omnia, quae saneta
inter homiues sunt, tuenda et fovenda pertineant. Usus autem est prae-
terito tempore avyxeatßa, ut indicaret, quod celeriter et certo fieret,
et ovreo dixit cum respectu ad Eumenidum sacra, quae praemittit.
Hoc igitur modo, si scilicet prius bis deabus eultus praestabitur,
per aedes omni aevo simul praesentes nobis et propitii aderunt Ju-
piter et Parca. Simili prorsus modo Pindarus invocationibus et pro-
missis adverbium hoc subjunxit, Olymp. III. init. : TvpdciQidcug re
<pihoiupoig aSsip xaXXinXoxä^im & lEXe'pa KXbiPcip ^AxQäyapxcc ysgai-
ocop €v%OjLtai, &i]Q(OPogJOXvjU7iioptxap v/upop do&iöoaig, axauccpronödvov
"Itituop awzop. Moiüa <T ovtw rot, naQeora /uoi psoofyaXop s<5-
oopti xQonop, JtoQicp (fwpap ipaQ/uo^ai nhdifao.
His ita dispositis, locus totus hoc modo se habebit:
Xogog.
2x$0(f>ri ü. Bars So/uop jUsyäXag iofriuoi
Nvxrög naideg ctnaidsg vn i-vipqopi nouna — ■
19
X CO Q IT Cd.
(Evtpa/ßSiTS ds xwolrcci — )
XoQog.
'AvTiOTQoqrj d. rag ino xsv&zgiv' wyvyioiGi
Tijucug xcd ß-votccig ttsqigstitk tv/ovghi,.
Xwqit e.i.
(Ei>(pa]u,SiTS d't navda/Lisi)
Xoyög.
^roo<pirj ß'. "lAaoi dt xal rc}ö' tv&vcpoovsg ya
Jüvq3 lis Gs/uvcd xal nVQlÖCiTlTM
Ilsvxa TSQnoju&vai xatf ödöv —
XiOQlT C! I.
{^OXoXv^ara vvv im jLioÄncäg — )
Xo j> 6 g.
'AvTiGTQOiprj ß' . 2novdeug cf ig ro nav ivdcptiSGtv oXxiov
IlaXhädog aGroig Zeug 6 ncivönrag
Ovrco MoTqc'i rs Gvyxmißa.
XwQirai.
( OÄoXv^cn £ vvv im uoXneJg.)
20
Altera lacuua, de qua agere suscepinius, Choepliororum initio est.
Ineipit tragoedia ab oratione Orestis, qui in patriam e fuga re-
versus ad patris tumulum verba de consilio et conamine suo faciens
a poeta introductus fiiit. Ea intercidunt ouinia. Nam qnae prima in
codicibas apparent, ad pompam muliebrem spectant, quam cum liba-
tionibus ex aedibu.s patriis progredientem conspicit et miratur bis
verbis : Ti XQ*iLlCi ^vggo) x. t. X.
*
Ad ea, quae interciderunt ex parte supplenda, usui fuerunt poeta-
rum et seholiastarum loci, in quibus ad Choepliororum initium et
Orestis orationem respicitur.
Primum Aristopbanis Ran. in dialogo, quo Aeschylus et Euripides
de principatu inter tragicos coram Baccbo altercantes introducuntur.
Quae ad rem nostram faciunt, baec sunt v. 1123 — 1176.
AlO. dys Si] Gtiönct nag dvijQ. Xiy AlG%vXs'
AI. cEQ/uij %3-övis, naTQOi snomsvwv xodtr],
GwrtJQ ysvov /uoi Gvju/uaxög r alrovaivao.
tjxa) ydo us yrtv riqvös xal xario^o^iai.
JIO. Tovxwp &%sis ip£ysiv xi\ EY. nXalv rj diod&xa.
AlO. dXX ov8k ndvra ravrd y1 tGr' dXX tj roi'a.
EY. t/si (T exaGrov sXxogIv y d/uaQriag.
AlO. AIg%vÄe, naoaivw ooi Guandv . u J« [irj,
TiQog tqigIv ia/ußuoiGi noogoipsiXcov yav&l.
Ah iyoi gkoticÖ r(pd*', AlO. iäv nsi&t] y ijuoi.
EY. zv&vg ydo tfjudQrt]xsv ovodviöv y1 ogov.
AI. ooag ort Xqosig. AlO. dXX3 oXiyov y£ /not /usXu.
AI. nd>g <pijg ju djuaQtuv, EY. avd~ig £§ doxijs Xiys.
AI. 'EofArj %&övih, narom inonrevwv xodzt].
21
EY. ovxovp ^OoiGrrjg tovt im toj rv/ußcp Xiyti
tu) tov nazQog Tsd-vsaJTog', AI. ovx äAZcog Xiyco.
EY. nöreQ1 ovv top 'EQjurjp cu^ 6 TiartJQ anojXero
ccvtov ßiutwg ix yvpaixeiag ysoog
SöXoig Äa&ocuoig , Tavr inomevuv t(pt];
AlO. ov drjT ixhlpop , äh?,a top 'Eqiovpiop
'Eojurjp y&oviov noogunt, xcidiqXov Ziycop
OTti} naroojop rovto xixtfjtai yioag.
EY. tri fisfäov i^^uaQzsg rj 3yco 'ßovf.öjutjp.
si yao narquiop ro yß-öpiop tysi y$Qag, —
AlO. ovtwg uv d'tj noog naroog TVjußojovyog.
AI. Aiopvgb, m'vug olvov ovx apS-oG/uiap.
AlO. Asy stsqop avriv. ov <?' inntfosi ro ßÄäßog.
AI. GWTrjQ yspov /uoi Gv/ujuayog r ahov/uevü).
fjxoj yäo ig yr\v xrjvds xal xarioyopiai.
EY. §\g ravtop jj/uip einsp 6 Goipög AiGyvZog.
AlO. noZg dig$ EY. oxönsi ro Qtj,u\ iyoj ds ooi (foäoio.
„tjxw yäo ig yijp" (prjol „xal xaTiqyofiai."
tjxoj Js ravtöp ion toj xaTioyojuai.
AlO. piij top AC , öjgneo St Tig unoi yefaovi
„XQtJGoif oii fxäxTQccp, sl ds ßovXu, xäodonop."
AI. ov dfJTct tovto y, w xaTSGTCouvZjuiPS
av&Qoms, ravT1 igt ', ak% uqigt stiojp tyop.
AlO. ncüg drj; dtda^op yaQ jus xa& o Tb ö^ hiyug.
AI. iXdslp utp sig yijp Ib^', brcp fxsrrj naroag'
ywolg ycio aMqg Gvjuipooäg iXiqhvd-Bv,
(psvyojp <?' ecprjQ fjxsi re xal xaTigysTai.
AlO. sv ptj top 3Ano).Xu). xt gv ?.iysig, EvQmtdtj;
EY. ov (pr\fxl top ^OosGTrjp xaTsXdslp oYxads'
Xd&oa ycio fjA&ep, ov m&ojp rovg xvoiovg.
AlO. sv pi] top 'Eojurjp. o, n hiyeig d"1 ov fj,ap&c'.p(ß.
EY. m-oaips toi'pvp i'rsQOP. AlO. i&i nioaips gv,
22
tlaxvX, uvvac.g- üv (V ttg ro xaxdv änoßXsns.
II. Tv/Lißov (V in ox&(g T(0(h x>]otMG(o narQi
xÄfcip, cbsovGctt. EY. rovif i'rs^of ctvS-ig h&yu,
x/.vuv , ctxovGcti TavTQv op <)(i(fborarc{.
JIO. ts&pijxogip yaQ f-fayeu, to fioxfrqos ov ,
olg ovd& TQig Xiyopxss t&xpovfisO-ci.
Gt> Jt ndog inoisig rovg noohöyovg; EY. tya> (pociGw.
Ex hoc loco primus Guil. Canterus Choephoris proemii quatuor
versus priores et partem quinti restitait (falsus (amen in eo, quod
putavit, se in versibus Aristophanis sen totuin inilium Cboephoiorum
habere), bis usus verbis p. 349 : „Jam quod ad piincipium tragoediae
perlinet, id nobis fere totuin conservavit in Ranis Aristophanes ., in
qua eomoedia cum Enripides Aeschyli prologos examinat, hie tan-
quani singularis ab Aeschylo proferlur, quem quidem de hac tragoedia
sumtum noii est obscurum." Sic autein habet :
'Eojufj x&opie, TiciTQcp bnoniiviov xochrl} *
gwti]Q ytpov juoi Gvuue>.%6g r (drovfxipto'
tjxo) yä{> eig yijp TijpSs xcel xccTiQxofJuzi.
rvußov ()" tri 0£i9w T(pdt xtjouGGw tiutqL
xAvsip , axovoca.
Eosque versus post Canterum in texlu posuit Staulejus.
Ac is quidem ulterius progressiv est, usus Pindar. schol. ad
Pyth. IV, 81 (v. 145): ovdt xouäp nAöxaf.101 xsQ&sprsg Cöyovx dy-
McoL Ad haec schol. v. 145. Ovdt xojuup n Aoxauoi- ovdt rrjt'
noaurjp xo^rjv dg dnuox^ tolg &toig ixtl^aro, uXX , wg \l)ri?>Abvg
vf.og f[P TiQMTOXÖ/utjg. TOj,irjfiOg U. ip. 144
2ntQ%tiJ, aW.oig Golyt neertjo qotJGciTo üijAsvg.
xc.i ;i«o Mo/iho Choeph. 6.
23
IlXoXCiUOV 'lvä'/W &Q£TIT}]010V,
Tov ctevr&QOv de zövöe 7iev&i]rrjQiov,
^Ooeozt]g (f>]0) tw ^AyafJtifJivovt. rag yäo Tiowrag xö/uag rolg no-
zafioig ot äo/cuoi änsxsiqavrb, Gv^ißoX.ov tov &'£, vdazog elvai ndvzwv
zi)v uv^rjOiv.
Eodein spectat Eustath. ad II. ß. p. 165. I. 7. KaQqxo/udwvzag
de Xeyei zovg *A%aiovg ijzoi xo/ucövrag zd xaQTjva xaCnoXvTQi%äg, diözi
e&og }\v c.vTolg xö/urjv TQecpeiv, ov juövov dg xdXXog, v.XXd xai did rö
tfoßeoöv ovtco yc'.Q xai Xe'wv ycuz^eig (foßeowzeoog tov /nrj yatriqv
tyovzog. Xe'yovTc.i de tov /uev dXX.ov ndvra %oovov xoixdv olc'EXXtjveg,
ev de Tievd-ovg xaiow xeioeGfrai. wgavT wg de aal ev xaiow äxjLirjg ijzot
zeXeiag rjXixfag . rrjvixavra ydo nXoxajuov xeiQctvreg ävert&ovv " 'AnöXXwvi
zovQOToöcpoy xai noTauoig, xaS-dnsQ 6 c'0/a]oog iGTOQijoei ev ToTg ei;)]g'
xai fjv ovzog uev 6 7iX.6xajuog d-Qenz^Qiog xazd tov AioyyXov, nev9v\-
T7]Otog de 6 tTSQOg.
Eadem breviori oratione repetit ad II. v. 39 p. 1 194 I. 53 ad
v. 4>otßog dxe^oexö /^rjg' "Oqc, de ojg , ei xai zavTOv dxeQOex6tui]V
eineiv xai xaoijxojuöwvza, o/ucog ovx Y[9eXi]6e tov *AnoXXwva xaoqxo-
uöwvza elnetv , wg äv&QWTioig dnovet^iag exelvo, di Tofyovzsg x6jui]v
exeiqovzo noze avzijv , xai ov juövov im nivd-ei, OJlSO im üazQOxXw
yivezat , dXXd xai dXXwg im dvazqoyfi' nXoxafiog yäq xovgijuog 6 /uev
zig r\v xazd tov (add. noir/iijv] einovza d-Qenzfjoiog , 6 de \r(>qpt]zrJQiog.
Versum priorein supplevit Erfurdtius ad Sophocl. Electr. v. 52
(nazoög rvußov') Xoißcag tu txqwzov xai xaoazo/uoig yXidalg Ozixpavzsg,
baec in maj. ed. notans: „Aeschyl. Choeph. 12. dicit Orestes:
"H nazQi zw '/iiw zdgd' inetxdoag zvyw
Xov.g (fiQoioag veozegoig /ueiXJyjuaaiv;
ubi Schützius monente Hermanno (Obs. critt. p. 55 sq.) praeter
2i
necessitatein scripsit /.iH/Uyi-uiTa — xuorouoig %hidatg. Aescfhylos
ibid. v. a.
HX6%a/jiov 3Ivct%(p d-osnrrjQtov ,
Tov dsvrsQov df. tövds nsvd-riT}]Qi,ov.
Priori versiculo integritas restitui possit sie, ut addas (psow HL
C£ etiam Eurip. Orest. v. 96, 113 et Hom. II. ip, 15i."
Ulis denique aecessit G. Dindorfii areana quaedam sedulitas,
qui in actis antiqq. stud. a Zimmermann«) editis a. 1840 p. 1123 sqq.
de nostro loco et versibus ex Aristoph. et schol. Pind. supplendo
agit, ita disputans: Ulis nunc quidem (gegenwärtig) duo insuper
versus accedunt, duplici modo firmati (zwei doppelt beglaubigte Verse),
in quibus Orestes rationem reddit, quare nuue deinum patri oeciso
debita pietatis sacrificia offerat. Haec verba morem veterum e
pluribus locis notum tanguut, qui e verbis Euripidis elucescit Suppl.
772. AXX slev, aoiu %siq aTravriqaag vsxQolg Al'dov r« aoXnäg ix%&(o
tiaxQVQQÖovg 4>ü.ovg noogavdwv , wv fehujifjbivoq rä'Aag "Egy/ua x'Miko.
Alcest. 767. fH <f ix döjucov ßgßyxev ovd' i^sonö^v Ovd1 i^izuva
%uo , anoifxwZiDv ijbttjv Aionoivav, tj *juoi naai r oixirccimv tjv Mfjrrjo.
Versus ipsi sunt :
Ov yv.Q naqvav (puio^a aov , närkq , juöoof,
Ovd- i^stsiva %M£> in txtpoQCi üe9-£t>.
Dicit Bambergerus se nescire, unde sumti sint hi \ersus^ et
mirum sane, quod fontem eorum non indieaverit Dindorfius neque
docuerit, quaenam duplex illa fides sit, qua nituntur; ni fallor ex
scholiis, quorum apographa apud eiim, sunt deprompti. Ceterum et
dictionis et sensus concinnitate idonei sunt ad partem lacunae ex-
plendam.
1J
Quae praeter ea desint optime docemur initio Sophoclis Electrae.
in quo Orestes a paedagogo nomine suo compellatur et docetur, qui
loci sint, quos Argos delatus conspiciat, simul vero ei in inentem
revocat narratque, quo consilio venerint. Pertinent autein ad rem no-
stram hi inprimis versus:
IJcadriy. 1. 'il xov GxQaxfjyfjGavxog iv TqoCk Hots
' Aycifx&nvovog neu.
11. b&sv gs TtctTQog ix (fovwv iyoj noxt — -
13. ijvsyxcc xagiGvoGce xäge&Qeipd/uqp —
'Oqsgx. 32. iyco yaQ f}vi% lx6/ut]v xo Tlv&ixdv
juavrsiov, wg judS-ot/u oxw xqotiw neergog
(Mxag eiQOi/Arjv xwv tpovsvGiivxwv näoa,
Xqti juot tomxv& 6 4>oißog, wv nsvoet] xäyji ,
ctGxsvov aixov ccGniöwv xs xcd gxqccxov
döXoiGi xMipar, %£iQÖg ivdixovg Gtpaydg.
44. Xöyw de %qw xoiwd* bxi gevog fiiv si
'Pwxsvg, nccQ ävÖQog 4>avoxtwg xjxwv o ydo
jusytoxog avxoTg xvyyßvu Soqv&vwv.
51. fjfisTg Öi TTCixodg xvfxßov , wg i<pisxo,
XoißcciGi, nqwxov xal xc(QKx6]uoig yfadeug
Gxixpavxsg , eix' axpoQQOv fj£oju,sp ndXiv.
56. onwg höyw xtänxovxsg , ffistccv (päxiv
(QhQOijjkSv avxoig, xov/uov a5g tQQf-i dsficcg.
Talia fere si et nostro loco, ut par erat, Orestes eloeutus est,
facile eo dueimur, ut statuamus harum partem in Aristophaneis etiam
nunc latere, ea nempe, quae de dolo Aegystho et matri instruendo
agunt, v. 1165:
Abhandlungen der I. Cl d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 4
26
Evq. ndtSQ1 ovv rov 'EQjuijv, cog 6 narr/o arao?.BTO
ccvTOv ßiaicog ix yvvctixstctg xsQ°S
SoXoig Xcc&Qctloig, tccvt inoTiravstp k<pt]j
Nenipe verba: 6 narrjo ctnootero aurov ßiaivog ix yvvaixei'ag %tQog
döÄoig Aa&Qcu'otg non simplicis babent dictionis indoleiii, quae in co-
moediae diverbiis dominatur apud Aristophanem , sed mere tragicam,
verbis inflatam et fere redundantem. Quod autem interrogat Euripi-
des, nuni haec ipsa a Mercurio respici putet, id quidem novo argu-
mento est, non Aristophanis verba esse, sed sententiam ab Euripide
ex Orestis oratione repetitam. Dixerat nimirum, se clam patris vin-
dictain praeparare, quia et ipse clam matris dolo perierit, hoc fere
modo:
. . . inti
xccvxög ßiaicog ix yvpcuxzCccg x£Q°S
döZoig Äad-Qaloig övgxXsiqg r änwÄsro.
Reliqua nonnisi mera conjectura addi possunt ex analogia qua-
dam Sophoclis et Euripidis deducta. Itaque totum prologi contex-
tum usque ad verba ri XQW01 tei'GGio banc fere fuisse crediderim:
30Qiaztjg.
1. 'Eg/ui] y&övik } näroio inojirsvwp xgccrq,
2£u)Tt'jQ ysvov /uoi GVjU/ua%6g r cthovuiviy •
"Hxw yao ig yqv rtfvdt xal xariQXOfjuxi
rO to v OTQciTtjytjoapzog iv TqoCcc. nori
5- 'Aya/ut-jupovog naig, gvv dswv tv%T] (pövov
lluxQÖg <poi>svai xQvßöa öworjoGcop, insi
Kavrog ßiatoog ix yvvctixzlug xsQ°S
AoXoig Xa&Qttioig övgxXtrig t änvoXsro.
Tvußov ö' in (>x&ip Tqtde xrjQVGOuo tiutqI
27
10. KXvsiv, dxovGai 7iQSVju€vwg avywv iuwv.
4>£qo> Sk, nÄöxafjLOv ^Iväyw &Qsnxi]Qioy ,
Tov dsvxsqov dz xöpds nsv&rjzriQiov ,
Tätpio nccTQcocp rcod' inäXnviGxov yävog •
Ov yaq naqibv (p/no^d oov , ndxeq, iaoqov ,
15. Ovo1 il-ärsiva %siq in ixyoqdg otdsv ,
<Pvydg tot otxov tovös xal ndxqag di%ct
fpojxscov xaxoixiav nsdia xal zQ0(prjg Xayiav.
*AXX\ ai naxqioa yrj Ssoi t ty^woiot ,
Js^aoSe vvv // iXS-ovxa Gvv noXXä xqovoj
20. Kai juij f£ axifjiOv Gxrjoax\ dXX' iuwv öojxwp
*AQxfiy£TOV TB Xal TtaXQOQ XlfiaOQOV.
"Ea
Ti XQVt*0* fevGGw; x. r. X.
Pauca sunt, qoae bis tentaminibas addere opus. Vers. 5 ex
Sophoclis Electra translatus. Ne autem dictio cpövov .... (povsvGt
d-wQiJGGwi' offendat, cf. Eurip. Electr. 89: <popov <povsvGi jiuxqös
dXXd^wv ijuov. v. 17 seqq. ad rationetn Sophocleorum, quos supra
posuimus, utcunque compositi sunt, ne clausula sua oratio careat.
Nam in seqq. actio ipsa incipit. Poterat autein ex his, quae expo-
suerat, ad ea, quae vides, indicanda transire comuiodissirae interjecta
exclamandi vocula ««, ut factum in siraili nexu, quamquam majore
miserationis ivsoysCa obque hanc ipsam multiplicatis particulis, Prometb.
112. Toidgds noiväg d[A7iXaxrifj,dxiov xi'vw,
'Ynaid-Qiog ösg/lioiGi naGGaXsvxog wv.
A a , aa , ta.
Tig a%a>, xig odfiä x. x. X.
Haecde lacunisAeschyleis nunc quidem sufficiant. Sunt enim multa.
quae addi possint. Minus frequenter inveniuntur in Sophoclegf et
2S
Euripidea oratione. Nee tarnen hae ita decurrunt, ot non Iiic illic
eursum interruptuin ex eo sentias, quod strueturae hient neque ab-
solvantur. Ejus rei insigne exemplum ponam Sopbocl. Antig.
v. 211. seqq.
Xo
Qog.
aoi rcryr1 äotoxsi, neu Msvoixtiog Kqsov,
rov rrjds dvgvovv xal rov svjusvrj nöXu.
vojuüj dt ^orjoS-eu navxl nov x tvsori ooi
xal riov &avövxo}v %(oji6goi ^w/uiv nioi.
KotwV.
wg av Gxonoi vvv tjrs rcöv eiQrjjuevwv.
In his plura hiare apertum est. Nam verba rov rrjds dvgvow
xal xov sv/usvij noXu exitum non habent. Neque enim jungi possunt
aoi ravx ccq£gxu — rovr^ds diigvovv, neque, si haec separes, dicitur,
quidnain de utroque, de inimico et de amico, facere instituat. Eodem
modo se babent wg av oxonol vvv t}zs rvöv eioq/usvojv , quae pertiuent
neeessario ad a liquid, quod a choro interrogatus fuerat Creon. Re-
spondet enim de consilio, quo id fecerit, wg av oxonol vvv yrs. Scio
quidem multa ab interpretibus tentari, nt haec aut consarcinent aut
defendant; sed frustra; neque alio modo nexus biantis difficultates
evadas, nisi statueris, in utraque parte, quam indieavimus, lacuno-
sum esse hunc locum, et intereidisse versus integros. Itaque hunc
fere ejus contexturn fuisse crediderim.
Xooog.
JSbt rcevT aoioxu, nal Msvoixtwg Kq£ov,
tov rfi$b frvgvovv xal rov svjLisvrj nöXu
29
ov ztjg 6/bioitjg ix oG&tv zi/ut]g Xct%<siv.
No/LUp d'k ZQtjo&eci navzl nov z tvsozi goi,
xai zwv Q-c.vovziov %u)7i6aoi £wjlisi> niqi.
Ti d' ovv ig tj/uag y* avzä xijqvg a wv näQEi,
Kq£wv.
wg ctv Gxonol vvv ijzs zwv iiQtjjuivtov.
Haec igitur de lacunis. Jam adloca nonnulla tractanda trauseamus,
quae versuum transpositione sauari debent, iuterpositis, quae ad ex-
plicationem aut criticam eorum spectaut, primumque agamus de ver-
sibus Aescbyli Agamemn. 272 — 84, a quibus oratio Clytaemnestrae
incipit , qua Trqjae excidium per igues continuos iude ab Ida
usque ad Arachneum moutem inceusos sibi nuntiatum choro refert.
v. 272—84.
"Hcpctiozog "Idrjg ActfJuiQov ixnfyniop aiXag.
<Povxzög Sk (pQvxzov devQ mi ayydoov nvQog
"Ene/unev. "Idrj /mkp nQog lEQfxaTov 7>€nag
Aij/upov fxiyav 8k tpavov ix v^gov zqizov
"A&ooov cclnog Zrjvog i&di^azo,
cYnsQZ£Äijg zs, növzov wGzs vmziGai,
Ioyvg noosvzoZ Xa/xnctdog nqog rjSovjjV
Ilsvxt] , zo %Qvoo(psyykg, Sg zig tj/uog,
2£%ttQ nctQuyysCÄctgu MaxlGzov Gxonalg.
Signa cum per igues darentur, poeta Vulcanuni eorum auctorem
nominal. Isprimam flammam splendid am, Äa/unoop oiXag, ex Ida emit-
tit i. e. ex summo ejus cacumine, quod Gangaron Homerus nominat.
Quo facto 8svqo, huc, Argos <povxzog yovxzov msfiiisp cid uyyaqov
nvQog: 4>Qtxz6g, quem frutices, tpQiyccva, constricti efficiuut, eodem
modo, quo ntvxtj de face accensa, dictum de ardente fruticum fasci-
30
culo, nt v. 30: a5g 6 (pQvxrog äyyO.Xojv nqtnu. Sed Codd. et Edd.
omnes ayyZXov pro dyyaQov praebent, quod glossam esse vocis ge-
iniiuae äyyüoov evicit cum aliis Etym. M.: AloxvXog iv 3Ayaju^uvovt
rov ix SictdoxfjQ nvQödv art dyyäqov nvoog tcprj. — v Ayyaqoi enim re-
gnm Persicorum cnslodes, qui per stationes dispositi mandata et
litteras tum regis, tum satraparum ad regem portare solent, tabella-
riorum ix Siadoxijg ministerium praestantes. Cf. Herod. VIII , 98.
Hinc ab Aeschylo ad <pqvxtwv diadox^v translata vox,' quae in nsum
Graecorum cnm aliis Persicis, ut naQadsioog, naqaaayyrig, aarQanrjg aliis
transierat. Eodem pertinent dyyaqavuv, ayyaqoyoQuv . Itaqoe jam Can-
terus ayyaqov recipiendum suasit, et versione expressit Stanlej.:
„Lainpas vero lampadem angariantis ignis misit." Sed is praetervidit
adverbium Ssvqo, huc, nempe Argos, et praepositionem äno. Ver-
sus structuram Schützius iudicat hanc: (povxrog (pqvxrov dyydqov nv-
oog aninsfxnsv . Postqoam rem in Universum indicavit, seil, ignibus
ix diadoxijg ab Ida Argos usque nuncium venisse, ad partes, i. e.
singulos montes, in quibus signa data erant, enumerandos pergit.
v. 274- *Idrj fxiv, sc.: <pqvxtov tnsjunsv , et cogitat Gangaron.
Montem igitur (fovxrco, qui in eo ardebat, substituit. ÜQÖg 'Eq/uuiov
Äsnag Arjfivov. — Ainag dictum de praerupto et eminente montis parte
eaque nuda virgultis et velut levigata. Ainuv enim uude duetnm
extenuare et levigare significat. Ducta sunt inde Xonij, UnaSva
et Xsnrog, quod adjeetivum verbale habeas. Dictum autem in-
primis de ipso montis cacumine, ut hoc loco et v. 289 Ki&ai-
owvog Xtnag, item ab alnvg cänog in seq. versu "A&ioov ainog
et v. 300 *Aqaxvalov ainog. De monte schol. v. 'EquccTov ooog Ar\-
upov,ivuj itificcxo 6cEQ/utjg. Inde ignis in Athoa, vA&wov ainog, trans-
missus ; qui cum satis magno intervallo a Lemno distet, magnus accendi
debuit lignorum acervns, ut per interfluentia maria usque ad Athoa
eulmina effundi posset. Jovi autem cum summa montium cacumina di-
cata essent, et plerumque ejus dei altaria strueta haberent. inde
31
vA9wop cclnog Ztjpog dixit. Hoc igitur culmen narrat excepisse (£§&-
Ss^aro) (fctvöv. Praebent haue formam Mss. et Edd. critt. omnes.
Item in lemmate schol. R. V. exstat <pav6v Xa/jtjiäda. Huic sub-
stituerunt formam priscam navov Casaub., Stanlej., reliqui, Athe-
naeum secuti 1. XV. p. 701 E. Ilapog <T opof^d^srai rö diaxexou-
fiivov %v%op . . . zovro) <T ixQWPTO Xafincidi. MepccpdQos . . . AfyiZog
.... TiQorsQog ds tovtiop AloyvAog sp 1j4ycclu£'/upopi jus/upt]rai rov
jiccpov, aueto seil, significatu, ut factum et in vv. nsvxtj, Aa/unag,
quae vocabula in seqq. de magnis illis ignibus accensis adhibuit:
Haec igitur plana. Sed error in versione Stanlej.: „Ingentem
vero facem ex insula tertiam Atho montis fax dedicatam excepit,"
Non enim tertia fax, quam Atho.s excepit, sed post Idam seeunda,
quippe quae ex Hermaeo perveniebat; contra ipse mons tertius erat,
in quo signa illa fiebant. Itaque xoixov ad J 'A&wop cänog referen-
dum. Sed hoc leve: Gravius, quod non dicitur ignis novus in Atho
accensus, sed is ipse, quem Lemnus mittebat, per Aegaeum mare
usque ad Euboeam continuatus. Nam vnnQrsX^g, quod sequitur, non
alio potest referri, quam ad /ufyap napop ex Lemno relucentem.
Perspexit hoc Stanlej., qui, haec ut necteret, „adeo" versioni intu-
lit, quod, ni fallor, ad [ityccp retulit: „ingentem facem — excepit,
adeo ut super Hellespontum etiam transfretaretur ct." Hoc autem
qois credat a poeta factum, qui ne in uno quidem sequentium cacu-
minum ignem novum accensum praetermisit? Quis porro sibi persua-
deat intermissum id in montium, qui commemorantur, et maximo et qui
longissime splendorem propagare deberet? Hoc qui reputet, facile
perspiciat, ignis accensionem in Atho non solum non potuisse prae-
termitti, sed debuisse majore etiam ornatu et amplioribus verbis fieri,
quia ingentis flamma magnitudinis opus erat, quae ab Atho usque ad
Euboeae montes exsplendesceret. Hocque factum revera fuisse a
poeta sequentes versus demonstrant, in quibus vis ejus ignis expri-
mitur, et insignis flammarum splendor cum sole Oriente comparatus
est. Nullum igitur dubium esse potest, quin locus lacunosus sit. JNec
32
tarnen iuterciderunt versus, qui ad sensum integrum constituendom
requiruntur, sed expulsi situ, in quo necessarii sunt, locum occupant,
quem, ut videbimus, inutili mqixxoÄoyCa onerant post v. 291.
Hits in nostrum locum translatis oratio sie contiuuabitur aptissime:
jLityav effc tlc.vov ix ptjoov xqixov
"A&odov cänog Zr\vbg £%sd£%cno,
<t>ClOS Ss Tt] ZS710JL11T01> OVZ iqVCltvt-TO
4>qovqc( , nX&ov xaiovoct xeov siqi]jli£viov ,
tYnsQTsXrjg rs, novxov uigxs vmxiaca ::. x. X.
„Lumen vero de longinquo missum non neglexerunt custodes
(in Atlio vigiliam agentes), majorem accendentes flammam ea, quae
dieta est." Non est, qnod moneamus, quam apte versus hie illati
continuentur per seq. vm-Qxzkrjg xs. Ex eo enim, quod majorem
etiam quam in Ida et Hermaco factum erat, lignorum acervum cu-
stodes illi accendebant, evenit ut magnum illum pontum splendore
perlustraret, qui solis orientis instar in dissitis Euboeae montibus
couspici posset. Sed haec ipsa praeclara descriptio gravissimo vitio
laborat. Non loquor de primis ejus voeibus, quae, ut videbimus, per-
sanatae sunt, sed <juod verbum deest, quo solo disjeeta membra in
justae periodi ambitu conjungi possunt. Victorius dedit:
1Ytj.hq EXrigxi (sie) növxov (sine inciso) wgzs viuxIgui,
Ig /ig txoqbvxov Aa/UTrädog ngog ^dovrjv
Ilsvxfi, xö xQVGOipsyyig , wg zig r^iog,
mXug nciQayysCÄaOci MccxiGxov * Gy.onalg.
Postremae voci asteriscum apposuit. Primas voces exbibet mzq-
xhXijg xb M. G., quod recte A. T. in vnsoxsX^g xs distinxit. Contra
33
VTVgQTatet's ts Ven. 2. vtisq& tXhjg ts R., unde via patefacta ad
vnsio styg ts Flor. Farn., quam interpolationem Triclinianam illa-
tam puto, ut metra salisfieret, cum gl. Farn, vnto kXXridnovTOv , sed
cum labe formarum vnto et "EXXr\g. Haec tarnen lectio ed. Victor,
occupavit servata a Stanlejo et Cantero et in Glasg. priore. Hea-
thius Robortelli vestigia secutus vnsod- c'EJJ„ijg ys novTov, quod mire-
ris Sehützio quoque placuisse, quamquam contrarium et sensus nexui
et ntetro. Etenim cum flammarum signa ad Atlio jam pervenerint,
de Hellesponto sermo esse non potest, cui nonnisi post Idam com-
memoratam locus fuisset. Genuina lectio primum in Glasgov. 2. poetae
reddita, quam Aid. növxwv pro növTov subjiciens adulterat, Turnebus
autemrectedistinxittm^rs^'g ts, növTov\. e. eminens ita ut pontum tergo
obduceret. 'YnsoTSÄijg eiiim est 6 vnto rsXovg tyyjüiv seu, utHesych. habet,
vnto tö T^Xog cupixöpsvog , unde v. 350 vnsoTsZsocu us'ya dovXsCag
yayyafiov , superare, evadere servitutis retia. Hövtov vvdtigcii, Schol.
R. V. vwTCoaf vnsoßrjvcu. Vocem ductam credas ex Homericis
*Aoysloi (psv^ovxca in svqs'a vwxa d-a^äoorjg II. ß, 159, ut lux dica-
tur vcoTioai növTov, per ejus terga ire, quae Blomheldii sententia.
At vero, si etymou spectas, vwTfesiv nihil aliud est nisi tergum fa-
cere, aut ut <pioxiZsip , quod nonnulli perperam hie intulerunt, ozoti-
Lsiv, lucem, tenebras facere et innumera alia. JErit igitur: tergum
facere niari seu mare tergo obducere, quod alibi dicitur iniviorCC,siv,
xcitcivu)tCC,siv , quae Porsoni ad Phoeniss. v. 663 explicatio, male im-
probata a Blouifieldio. Dictio est ipsa splendida et poetica, quippe
iguis super aequorum trauquillorum planitiem e longinquo trauslucens
velut tergo lucido eam videtur ornare. Reliqnae dictiones hujus loci
faciles; sed jam de nexu quaestio. Apparent duo nominativi: i6%vg
tioqsvtov Xccixnä.Sog et nsvxri 3 quorum alterum ad priora explicanda
subjeetum statuit Blomfieldius, siquidem vulgata salva sit. Quis vero
voces ioyvg tioqsvtov Aajunddog explicatione indigere credat? Sua-
AbLandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. IL Abthl. 5
3i
serunt hoc, ni fallor, qui ad voces immutandas se convertunt, non
excepto ipso Blomfieldio.
'iöyvv ex Marg. Ask. Musgravius, quod recepit Blomf. jnngens
Sgrs la%vv tioqsuxov Xcc/uuiüdog novxov vwxioc.i. Contra Schützius:
TiQÖg ixdox>]v nsvxris, ut facis exceptio fieri possit, quo vis poetica
verborum TiQog fjdovtjv, quae ignem velut vigore luxuriantem exhibent
et solis commemoratiouein praeparant, penitus evanescit. Blomfieldius
sententiae ambiguus ait, si lo/^vg retineatur, se malle mvxqg ro %qv-
oocf&yytg jüngere, voce nevxtjg juxta xQvöoipzyyig aiXag prorsus otiosa.
Denique H. L. Ahrens pro io%vg legit Ix&vs, quam mutationein emen-
dationem esse praedicat Joh. Franzius et in textu posuit. Vertit
antun: „ita, ut splendor flammae pisces prae voluptate in tergum maris
pelleret" („dass der Wandelflamme heller Schein in Lust die Fische
auf des Meeres Rücken trieb"), sensu verbi, ut hoc primum monea-
mus, prorsus insolito. Ntoti&uv enim jam erit: in tergum maris pro-
trudere vel elicere. Adde miraculum, quod prae gaudio pisces in
maris tergum protrudantur, quod ipsum cogitari non potest, nisi si-
mul fingas, eos ex undis eminuisse. Nam quod maris in tergo est,
id necessario ei innatare debet. Quodsi autem v. vioxfeeip significa-
tioni vulgari et legitimae insistas, majus etiam exoritur portentam.
Tunc enim ipsi pisces lucis dulcedine allecti mare tergo obducunt,
Tiövrov voixi'iovot, i. e. tanta copia annatant, et sese truduut atque
extollunt, ut fluctibus tergum imponere videantnr.
Accedimus ad verbi definiti defectum. Si vulgata servatur,
suppleri debet verbum substantivum r\v ad vnsQxefyg, vel iytvsxo,
quod Blomfieldius suadet, et vnsQxsXrjg ^v ponatur pro vjtsqsx&.si.
At vero talis ellipsis, quam brevia lyricorum xo^^axa non respuunt,
interdnm etiam concinnae brevitatis caussa requirunt, aliena est ab
ampla hac et feie epica rei gestae narratione. Debuisset igitur legi vtisq-
rtXti ts, quod idem suasit Blomfieldius extra justi nexus cum prae-
35
cedentibus Ieges et manente nsQitToXoyic: vocabulorum iG/^vg ....
Ttsvxt]. Inde, ni fallor, Musgravii conamen tiqögvo zovet pro nobg
tj$ovi]v Jegentis et Elmsleji improspera mutatio. Sensit hie vir re-
vera doetns atque ingeniosus, qnod statim ab initio monuimus, ver-
bum sententiae deesse, sed vitium latere credidit in verbis nQog fjdo-
vi\v , non quod dubitaret äyy£ÄXsiv 7ioög qdoprjv graece diei eodem
modo, quo ysviod-cu, Xiysiv iiQÖg Yi8ovt]v et similia, sed quod voces
nobg ^Sovijif longius a v. nccQccyysiXaOcc absint, quam ut salvo justae
strueturae usu cum eo jungi possint. Itaque nybg fi§ovr\v mutat in
nooorivvösif idque vult esse promovit (vel auxit (advanced or increa-
sed), monens tarnen, imperfeetam esse eam versionem. Hunc signi-
ficaturn ut verbo adstruat, provocat ad Hesychium, qui formani pri-
mitivam nqogaviöv nooGeiv^iov explicat: avuv yäq rb av^siv xai av-
xi]v xr\v av^rjoiv (ubi add. videtur ctvriv av eXnoig). Structura igitur
esset lö%vg . . . nqogtivvasv rb xQvGoysyy&g GsÄag nuQctyysü.aGcc sc.
avxo. Sed non patet, quare composito noogrivvoav pro simplici usus
sit; nam glossa Hesychii verbum simplex et compositum idem signi-
ficare nequaquam evincit, neque solvitur incongrua copulatio substan-
tivorum iG%ig et 7i£vxrj. Ceterum Elmslejus pro prudentia, qua erat,
insigui ipse dubitanter de hac crisi judicat. Ait enim: „Quodcunque
viri docti de nostra conjeetura judieaverint, hoc saltem concedent,
corruptelam loco inesse manifestam, voces autem nqbg tjdovriv defendi
non posse, nisi cum nuqayydXaGa jungantur, a quo tarnen üimio in-
tervallo sunt remotae; denique verbum desiderari." Haec omuia bene
et perspecte dieta sunt; sed cum nccQayysiKaGa nimium a vv. nqbg
^dovrjv remota sit, quam ut cum iis jungi possit, verbum in propi-
ore situ quaeri debuisset id, quo simul nsQizro^oyia vocum iG/vg et
nsvxtj locus liberaretur. Hoc ipsum autem levissima et certissima
mutatione sisti posse confido. Scribendum enim Xg%u pro iG%vg hoc
nexu:
vnsQxsXrjg re, novrov Sgrs v(or(Gai,
Ig%si tioqsvtou ZajUTiädog nobg f\8ovr\v
30
nsvjct] ro yovGotfsyytg , wg rig fjAiog,
ot'Aag, TiaoayyeiJ.aOa Maxiorov oy.ona.lg,
"loysi jungenduni cum vnsQTsh}g, et vnsoTSÄtjg l'oysi idem est,
quod (tv/oysi, sursum tenet, quod commodissime cum accus, ro yqv-
oocpeyytg otAag jungitur. Forniata phrasis ad analogiam "vocum 6 rjAiog
aviGysi , neque hoc incommode nostro loco ad facem translatum est,
quae instar solis e mari orientis elucet. Est quidem in altissimo
inonte accensa sed cujus culmen ex Euboeae montibus prospicienti
ultra niare parum assurgit, unde fit, ut ignis in eo accensus illic ex
ipsis fluctibus emergere videatur, eoque optime cum solis orien-
tis lunüne conferatur.
Jam Iiabes Iocum pulchritudinis absolutae, sive ad dictionis
splendorem et rhythmorum harmoniam, sive ad aptam periodi dispo-
sitionem respicias, qua fit, ut sensus per imagines et figuras prae-
clare explicitas justo ordine devolvatur et usque ad finem, ut debuit,
suspensus maneat.
In line naociyyhtXag ccjucmiotov A. vitiosa vocum divisione, quae
jam in R. sublata est. Non admittenda Wakefieldii conjectura:
2.bXc.g niiociyyziXaoa [acougtov oxona, cui Blomfieldius aliquam veri-
tatis speciem accedere credit ex schol.R. V. ioyvg' /usyiort] nsvxi],
löyvg Tivqog, quod ad solam v. ioyvg spectat et leg. ioyvg tioqsvtov
Xcc/Lincidog' Ioyvg nvqög, /ueyi'orj] Tißvxq. Ipse Blomtield. recte ju-
dicat, niontem et hie cogitandum, ut in ceteris stationibus, quae
conuueniorantur, omnibus. Porro oxoneagY. cum asterisco. — oxonag
M. G. Ven. 2 Flor. Farn. A. R., quod in oy.onolg T. emeudavit. In
notis Stephanianis p. 378 oxonaig' yoa>- oy.onal. (Ita in utraque editione,
qua utor. Johannes Franzius „oxonv.g" varia lectio apud Steph.),
quod non prorsus leve. Est enim dativus oxona, cui iota ex antiquo usu
adscriptum est. Sufficit sane singnlaris, quia in Macisto inonte
una tantum oyonrj (Warte), i. e. speculatorum statio ut in reliquis, quae
37
in Atho monte (pqovou dicta. Sed obstat dorismus. Itaque leg. oxonaig,
ex quo oxoncil et oxonäg orta. Notat Bl omf. axonäg (atqui Mss. et Edd.
oxondg habent, non oxonäg') ex oxonoig natum videri, pejus etiam Hea-
thius o} quod seqaitur, ad hominein refert. Mdxioxog mons masc. gen.
ut 'YjurjTtdg, TJaovaoög . Isque pro custodia ipsi inposita infertor in
seqq. prorsus na&fjtixwg: 6 <T ovri fiiXXoov. Ita G. Hermannus in
scholis explicuit. Cum vero in seqq. Msacdmov ÖQog a duce Mes-
sapo dictum occurrat, fortasse mons bujus loci Mc.xioriov nominaba-
tur a Macisto duce, et adhibuit Macisti nomen poeta, quia personam
cogitabat montis illius praesidem et custodem. Schützius insigni in-
terpolatione lectionem pervertit scribendo: ol cT out' i'usXXov — —
vixwubvoi TiaQtjxccPy quod ad oxonovg retulit, quos in oxoncug latere
credidit. De situ Macisti nihil traditum. In Euboea eum fuisse,
sequeus Euripi commemoratio indicat. Huc accedit, quod teste Stra-
bone (X, 10) Eretria Euboica a Macisto Elidensi condita fuit. Inde
statuas, nomen inditum montium tractui, qui post Cbalcidem et Ere-
triam insurgit. Sed alio ducunt seqq. v. 281 — 92 adquos transeundum
l0 (T ovri jusXXcoi^, ovS1 dcpoaouövcog vnvio
Nixw/usvog, naorjxsv dyy£Xov jutoog'
'Exdg ($£ (pQvxrov cpöög in Evo/'nov QO&g
Msounfov <pvXa%i otjucJvsi fxoXöv.
Ol <T avciXafx\\)av xcd naoyyystXccp nodoco,
rouCag ioeixt]g S-co/uoy arpävtsg nvot.
2&£vovoa Xa/unäg <f ovdenoi uctvoovfxivti ,
'Ymq&OQOvöa neötov *Aoi»nov, dtxrjv
4>aidoc<g osXtjvrjg, noög Kid-aiodivog Xsnag,
"HytiQW uXXrjv ix8oyJ\v no/unov nvoög.
4>äog dk rfjXinounov ovx yvciCvsto
4>qovqci, nXsop xaCovoa cwv HQruxipwv.
Inde a Macisti specula ignis ad Messapium montem relucet, cujus
fluxa orthographia et situs incertus. Msooamov M. G. R. (Is /ueo-
oanfov (fi'Xal, arjfActivsi, in quibus cpvZagi in yvla^, i. e. in nomin a-
tivum cum inciso postposito turbatum vides) ei lenuna R., quod ta-
rnen / omittit. Habet enim jubogcctiov. ISUoacmov oQog ct. . . Msacc-
m'ov Flor. Farn. V. 2, T. V., quod in Msrcmiov corrupit A. Sigma
in hoc nomine duplicatum fuisse monstrat nomen proprium Messapus,
eqnuni domitor Virgilii. De situ schol. R. jusGoänov fi^ooanop OQog
ustci^v Evßoiccg xc.l Boicoriag. Idem V. nisi quod fxeaanlov et Photins
fisoc'cniov Steph. Byz. MsoödmovoQog Evßotag. Accuratius Strabo IX,
p. 405 B. ip de rfj ^Avd-rjdovia Mhoodmov oqog zGxlv and Msöodnov, quod,
ut Blomf. observat, verlit Servius ad Virg. Aen. VIII, 9: „In Anthedonia
ora, quae Boeotiae est, mons est Messapius, a duce Messapo nominatus."
Haec igitur iide librorum tradita. Reliqua ex ipso Aescbylo edu-
cenda. Ex hoc autem primum efficitur, uon fuisse in insula Euboea
Messapium montein, quia nulla prorsus ratione in eadem insula duas
speculas poeta posuisset, et unam tantummodo in reliquarum terra-
rum tractibus, in Boeotico, Attico, Megarico, Argivo. Errant igitur,
qui Messapium in Euboea posuerunt. Porro notanda ratio scholiastae,
qui niontem inter Euboeam et Boeotiam collocat. Hoc, si verba pre-
mas, incongruum. Boeotia enim et Euboea cum freto distinguantur,
montes litoribus contermini aut ad Euboeam, aut ad Boeotiam perti-
nere debent. Si minus quod dixit scholiastes urgeas, Messapium
habebis conterminum fere Euboeae, i. e. moutem Boeotiae ex ipsis
freti, quod utramque terram interfluit, littoribus exsurgentem et altis-
simum, quippe qui speculae illi inservierit. Huc accedit, quod lux
ad Euripi fluenta et inde ad Messapium venisse dicilur. Euripi au-
tem nomen cum ultra Chalcidensis freti augustias, in quibus verus
Euripus est, et ultra adjacentia littora non extendatur, inde couclu-
das, Messapium Euripo in Boeotico littore propinquum et fere oppo-
situm fuisse. Sciunt regionum illarum periti, in eo ipso situ e re-
gione Chalcidis ultra altam illam Boeotiae planitiem extolli montis
cacumen tanta magnitudine, nt, si sol post eum occidat, umbras ve-
39
spertinas Euripo et Chalcidi dimidia fere hora prius inducat, quam
ad circumjacentes regiones extendantur.
Hie igitur proeul dubio Messapius mons est, et circa 3Jl^&t]dwj/
regio multis odoriferis arbustis etiamnom insignis, ex quibus tiomen
eam duxisse verisimile est. Meminimus nos, cum inense Novembri
anni 1831 Chalcide profecti montis illius noönodag et colles ascen-
deremus, circa nos habuisse uberrimam roris marini copiam, quae
fruticum magnitudine iu silvam fere exereverat et totam regionem
jueundo odoratu perflabat. Invento autem Messapii situ de Macisto
seu Macistio judicari poterit. Ab eo enim cum proeul, txag, lux ad
Messapium pervenerit, non potent post Eretriam poni, quamquam ex
nomine ejus id concludere possis. Eretria enim nonnisi paucis mil-
liariis geographicis Chalcide et a regione Messapii distat. Trans-
ferendus igitur erit Macistus ad borealem Euboeae partem, Thessa-
liae e regione sitam et altis montibus post planitiem, in quam ex-
currit, insignem, qui inde ab origine boreali uno tractu insulam fere
mediam secant. Hoc loco si situs fuit Macistus, egregie speculae
inservire potuit, ex qua prospectus in septemtrionale pelagus et
Atho montis confinia patet, nee minus aptus erat ad lucem usque
ad Euripum et Messapii cacumen propagandam.
v. 285 — 90. Ol <T avT&ajuxjJav — no/xnov ttvqoq.
Stanlej.: „Qui vero fulgori responderunt et nunciarunt ulterius,
Grajae ericae accendentes igni (scr. igne). Valida autem lampas
neutiquam obscurata Asopi campuni transsiliens instar Lunae' serenae
ad Citbaeronis apiceni Excitavit aliam successionem deduetoris ignis."
Quod vertit Stanlej. „quivero"o£ <T,praebet Farnes, teste Joh.Fran-
zio. oi x Flor, ol (f reliqui, ut par erat, nisi quod A. mala, ut solet,
divisione ol <f avx tZa/uxpav. — rqccCag miro errore Stanlej. Grajae
40
vertit, in curis secundis melius antit/uae. rgcc/og a personis ad res
translatam est vetustum, et de fruticibus si adhibetur, aridum, ut
ygcciag axäv&riQ Soph. ap. Plut. Mor. p. 1 100 B. a Blomfieldio lau-
datus. 'Eqsi'x)] virgulti genus, cnjus flores ab apibus circninstrepi
canit Nicander Tlier. 610. Ad£eo d* avd-a^iötooav atpao ruvixpvXXov
$Q$fat]V , "Hv ts /usXiGGcciog ns^ißÖGy.srca ovXa/uog tqnwp, et quod se-
nem colligentem inducit Theoer. 5., 6. Al fajg top 6qvt6juop ßioGTQrjGoinsg,
og rag iq&bcag, Tr\vag rag neiget r\v gvXoxt'Gdsrai. Latinis erice.
Schol. R. V. xtco/uof gwqöv ; struem. Hesych. Gcoqog Gra/vwv tf
xoQfxdöp. Blomf. : „Nescio an öw/udg et dwmy'% caunabinus eandem
habeant originem." Ab Hermaiino in scholis memini vocem a ri&r\^i
deduetam, ut sit pro O^rj^ög. Nam w in noniinibus e verbo derivatis
vocali t] iuterdum substituitur. Ita in vv. ßrj/ua et ßwjuog ex eadem
radice ßs et ßci, unde ßai'vco, deduetis. "Ayavreg tivqi. Non superflua,
sed pleua dictio. Est enim cimsiv nvql igne attingere, et si anruv
solum adhibetur, fit hoc elliptice. Cum vero acervum aridae ericae
accendisse dicantur custodes, inde concludas, montem, arboribus
vaeuum, virgultis abundasse , et haue indolem regio, iu qua Messa-
pium ponendum monstravimus , etiamnunc servat. lüde concinnitas
dictionis in sequenti versu. Virgultorum aridorum acervus si aeeen-
ditur, subitanea iude et valida flamma, gO-Zvougo, Xafxndg, prodit.
Cum vero eadem celeritate, qua ex arida congerie erigitur, consi-
dere soleat, materie tenui celeriter igne consumto, quaeri poterit,
quare ovdünw luciv<)ovlu£'i>)] addatur. MavQovjuspt]' Schol. Vict.
GrifxhlwGov, ort em£ßaX.s rö a rhee ro /ustqop. Non opus erat metro,
hoc ut fieret. Est autem /uavQovGd-at, vel ajuavQOiG&ai obscuriorem
reddi, evanescere. Hoc igitur, quare in tali materia non aeeidisse
moneatur, et quid istud ovdtna) velit, aeque obscurum est. Stanlej.
vertit neutiquam. Sed ovdtna) est nondum autnunquam, quae signi-
ficatio ab hoc loco aliena. Hinc scrib. ovSi mag, utvoeibus g&€vovgci
Xa/xnäg sequentes ovd£ nwg juavQov/u^ subjunetae simul et aretins
junetae siut. Verte igitur: „Valida autem flamma neque ullo modo,
41
vel nequaquam evanescens, nimirum nova materie continuo suggesta •
quod cum ex effectti facile intelligatur, poeta omittere potuit. — In
seqq. ncadiov wttov M. Ven. 2- Guelpb. Paulo correctius mdiov wnou
R. et emendate ntdtov 'Aovonov Fl. Farn. V. , a quibus deflectit T.
'üqwtiov exhibens, falso, quatnquam probaverit vir magnus Casau-
bonus. Nam Asopus Oropi quidem campo.s perfluit, sed in eos non
extenditur Cithaeron, ad quem super Asopi fluenta lux e Messapio
venisse dicitur. Contra Messapius mons prospectum praebet super
Boeotiae planitiem, fere duo millia pedurn supra Euripi fluenta ela-
tam et fertilissimam, quae ab Euboea venientibus, ita ut Messa-
pium a dextra babeant, e longinquo Cadmeam situ päulum edito, et
post baue campos continuatos usque ad Cithaeronem ostendit, cujus
pedes Aesopus praeterfluit.
Flamuia igitur valida et continuo nutrita concinne dicitur vtizq-
S-oqovoc( nzSiov Aoiottov, super Asopi planitiem cueurrisse instar
splendidae lunae. Ut antea solem, ita nunc lunam orientem cogitat,
pleno orbe supra horizontem elatam, quae subjacentes campos
subito splendore complet. Huc igitur, ad Citbaeronis eulmen, nyog
Kid-c.iQuJvog Xsnag , delata rjysiQsv x. r. X.
Ilounog. Blomf. : „qui ducit (quidni qui mittit*?). Ilo/unov nv^og,
ignis, qui ignem transmittit." Valet lioc, quamquam passivo sensu,
de seqq. tpäog rr\X£noiinov, non item puto de nof.mog, quod activa
significatione et dictum videtur pro ngono/unog, qui nuntium instar
cursoris feit, eoque äyyaQov nvo dictum est.
Sequentes vv. 291, 92, quosque in praecedeutem Atho comme-
morationem removeramus, diximus nostro loco superfluos esse, ut-
pote quem inutili m-QnroZoyCcc onerent. Nam cum Cithaeron dicatur
in praecedd. aliam successionem nuntiantis ignis excitasse, factum
jam est, quod in verbis: <päog <Jfc ry Ätna /mm»/ ovz r^airsTO (f>Q0VQ(i
Abhandlungen der 1. Cl. d. Jf. Ak d. \Tiss. V. Bd. II. Abthl. 6
12
refertur, nee poterit dici, eandem rem sensu generali expressam.
Hör eniin si evenisset, poeta hanc ipsam rem generalem initio ponere
et deineeps specialem notionem aecuratius definiendam subjungere
debuisset. Nee ratio est, quare custodia Cithaeronis referatur nXtov
xc.mvGa twv siq^jluvwv. Schol. R. V. nXsov xaiovGa r} rov Ki&ai-
qwvog sc: yqovqd. Non enim longius a Cithaerone abest mons, qui
sequitur, quam Cithaerou a Messapio, minus etiam quam Macistus
ab Atlio , ad cujus situm tanto spatio a Macisto distantem indicandum
liaee verba aptissima esse monuimus.
Choeph. vv. 967—1000.
"IdtG&a xwQKS TVV dinAijP Tvqavvida ,
IlaTQOXTOVOVg TS düiflClTlÜV TlOQ&rjtOQag.
JZSUVOI fXtV tfGUV IV &o6vOig Töty tj/USVOl ,
4>(Äoi TS xal vvv , u>g in&ixÜGai nd&rj
TläosGriv, bqxog t i/ujutvei ntGTajjuaoiv.
Svvw/uoGav juiv Q-dvuxov u$Xiwg nurql,
Kai %vi>&avhlo&ai • xal röd' f-voqxojg t%si.
'[dso&s <f avrs, rwvo" inr\xooi xaxüiv ,
T6 iiqxdvqjua , Ssg/uop ad-kCoa nurol,
TI(dag öt. %&qoiv xal nodolv ^vvwqida.
'Exxsivax avrov , xal xvxXco naoaGradov
^xiyaGrqov dvdqog dbi§a&* , tog Ydrj narrjo,
Ovx ov/uog, v.Xfi 6 nävx inomeviov rüde
"Hfaog, dvayva /jLfjtQog toya rijg ifxijg.
li2£ uv naotj jiioi /uaQTvg iv dtxt] nork,
c&g rovd} iyco /ustijÄ&ov Ivdlxwg /uoqov
Tov /iif]Tq6g' AlylG&ov ydq ov xptyw /uoqov
vEyu ydq, uiG%WTriQog (vg vo/uov, ölxtjv
''Hrigd* tri dvöql toüt' ijutJGuro Gxvyog,
*E§ ov rtxviov ijveyx' vnö Ziovrjv ßdqog,
43
4>iXov rswg, vvv J1' £%9-QÖv, (og ipeävu, xecxöv.
Ti oot doxet', juuQcavd y fax tyiäv %(pv
Htjnsiv &iyovG) äv ciXXov , ov dsdrjy^iivov ,
ToAuyg exccxi xadixov (pQOvtjiwzog.
Ti viv noogninixt , xliv rv^ia /uciX svGxotuov;
"Ayosv/uet &t]Qog rj vsxqov nodüvdvxov
Aooixqg xarctaxijvojjLtcc', dixxvov /utv ovv ,
v Aoxvv <T uv unoig xed nodioxfjoeig ninkovg.
TOIOVTOV CiV XXTjGatXO <pt]Al]TT]g C'.VfJQ
Btvcov dnccioXrjixa, xdoyvQOUrsQij
Biov vo/j>il,wv ' zqjde x eiv SoXvo/xaTi
HoXXoiig dvaiQcov, noXXd d-tQjuecivoi (pgtvi.
Toietds f-ioi £vvoixog iv döfioiGi jurj
r^voir • oAoijnt]v nqÖGß-ev ix Oswv eineiig.
Dum cauitur Carmen quod liaec praecedit, Orestes intus matrem in-
terfecisse fingitur. Cantu finito aperiuntur mediae aedium partes, et
Aegisthi atque Oytaemnestrae cadavera, iyxvxAtjueixt imposita, in sce-
n am efferuntur. Notat hoc schol. eiväysxcti tf Gxrjvrj xeil znt iyxvxAij-
fxein bqdxui xcc Gcojuaxet, ec X€yu ri\v dinXi]v xvqetvvldci. Siinul vero
progreditur Orestes cum Pylade, ut par erat, et comitibus, quibus
stipatus advenerat. Hi ferale vestirnentum ferunt, quo post balneum
Agamemnon irretitus fuerat. Sumit igitur Aeschylus, vel ex epicis,
quos sequitur, poetis repetit, vestem istam ab interfectoribus ut yi-
ctoriae de Agamemnone reportatae insigne servatam fuisse. Ipse
Orestes altera manu ensem sanguine matris maculatum, altera vero
olivae ramum et taenias ex alba lana faetas gestat, quibus se suppli-
"cem Apollinis profitetur, ut patet ex v. 1031.
£vv zioSs d-eiAhw xed Gxtysi nqoGi^OjLiat
.... Ao'%iov nidov,
ac coram comitatu et choro, affluentibus etiam aliis speetatoribus, ut
e versibus 981 — 83 conjicere licet, causam agit nou tain Aegisthi
6*
II
occisi, quam matris inleremptae, quam jure causam contendit. Ora-
tionein autem ita instituit, ut hoc quoque loco mutuam et facinorosam
matris et moechi caritatem, utpote caedis originem, primo loco ponat,
et decenter quidem, sed acerbe tarnen exprobret. Hiuc ad invidiam
augendam veste illa letali explicata horrorem facinoris veluti ante
oculos intuentium pouit et ejus abominandum artificium maternique
anirni acerbitatem et crudelitatem ulterius persequitur, ut et jure
eaesam asseveret et semet ipsum contra suborientis conscientiae et
matricidii terrorem tueatur. Oratio plena est affectus graviter com-
moti, iramque cum indignatione et patris commiseratione mixtam spi-
rat. In medio vero decursu altius assurgit et sublimitatem attingit.
Vestem enim sanguinis maculis indelebilis foedatam dum patri mon-
strare jubet, „non meo", addit, „sed illi, qui omnia Iumiue collustrat
soli nempe, ut nefasta matris facta videat, mibique testis in futuro
judicio adsit", v. 978 — 81. Nimirum in eo sublime positum est, ut
animus, cui res magna et insolita una notione vel imagine compre-
hensa, subita et non exspectata objiciatur, ad ejus magnitudinem
penitus capiendam se ipsum quasi extendere et erigere debeat, ut fit
hoc loco, qui, dum divina et huinana, praeterita atque imminentia
protracto e tenebris infernali habitu velut uno obtuto comprehendit
in nefandi flagitii spectaculo inentem a patris nece ccnQooSoxrjxujg ad
solis, purissimi et sanctissimi dei, lumina et testimonia subito velut
instinctu abreptus convertit.
v. 967. "Idzods x°JQaS T*lv 8t>nhi\v xvoavvlSa. Aegisthum et
Clytaemneslram dicit, i. e. duplicem regem, quia Clytaemnestra pari
cum Aegistho dignitate imperium obtinuerat. Eosdem noQfrtjxoQag
dwuchwv nuxQoxxövovg compellat, utpote patris sui interfectores , qui
rege peremto aedes funditus everterant. Ac hi quidem os/uvol /uev
rjOccv iv &q6voiq röiy rj/uevoi, tplhoi dt xal vvv. In Mss. et Edd. cri-
ticis <pChoi ts xal vvv legitur, quod si tueri velis, construi deberet
os/uvoi /uiv rjoav — <ptXoi t« {xal zoxe tjoav xal vvv sioi), quod arti-
45
ficiosius esset quam verius. Legendum igitur cum Abreschio yiXoi
<$s xal vvv, quo recepto simul oppo.~itionis ratio per /utv d£
praecedens salva est. Tors autem in verbis iv d-oovoig tod-3 tjtusvoi ex-
plicaliouem habet justam. Idem enim est ac rörs ots iv &q6voiq ijvro. Sen-
sus igitur: Augusti, regia specie superbientes erant, dum in throno
sedebant, cari autem, seu mutua caritate conjuncti etiamnunc sunt,
quo indicatur, durante regno eos tarn regia majestate quam mutua ca-
ritate beatos fuisse; posteaquam vero regium illud abscesserit, man-
sisse caritatem: Hoc quid sibi velit, explicat in sequentibus. Sed
haeret explicatio in vocibus, ws insixdaai jicc&rj ndqmTiv. Eixdoai et
insixäaai, assimilare, notum est, item insixdaai ti xivi, assimilando
conferre aliquid cum aliquo indeque aliquid concludere. At hoc loco
habemus insixdoat nä&t] absque dativo, nee patet, cui assimilentur
vel quoenm conferantur. Accedit, quod nä&og potius h. 1. dixeris,
quam ncc&tj. Natu res una et sola est, quam perpessi sunt, nempe
mors. Hinc ndS-rj leviter affectum credas et scribendum ojg inuxä-
aai na&st ticiqsgti. Haue igitur mortuorum caritatem ex eo quod perpessi
sunt et quod etiam nunc juneti eonspiciuntur conjicere vel perspicere
in promptu est — rqv (piXiav xal vvv ovoav nd&ti av iTrstxdosiag.
Addit rationem, ooxog d3 ifxfjbivsi niorwjuaai. "Oqxog et jusjuran-
dum est et res, quae eo sancitur ut foedus. Hoc autem cum et ju-
ramentis et fide data atque aeeepta sanciatur, jam Homero oaxia
niGxä ra/uovreg dieunturii, qui foedus faciunt et solemnibus sacrifieiis
fidem obstringunt, et Soph. Oed. C. 656: ov toi o3 v(p oqxov y3, u>g xa-
xöv , mGTwoojucu, ubi ntorw/na in ipso juramento situm est. Eodem
modo ivvo/uoaai et motd dt/sod-ca junguntur in Agamemn. v. 636.
$vvo)uoGav ydo . . . n vq xcd 3-dXaoGa xal rec niöx1 ids^dr^v. Nostro
loco zo nioröv vel to nioroj/ua, ut sequentia docent, est mortis con-
sortium, juramenti fide promissum v. 978: ^vvw/uoaav /usv &dvarov
d&Aioj TiatQi Kai (nempe ^vvvöfxoaav) ^vv&avEla&ai. Caeterum Mss.
et Edd. critt. d&fa'cog narol, quod jam Portus in d&Mm mutavit, quae
1(1
voces post duos versus ad augendam miserationem repetuntur. \i-
nrinim miserandum illud non erat in conjuratione , ut recte ctd-Xkos
ivvouÖGc.i diei possit, sed pater erat miserandus, quem illa conjura-
tione petebant. Sensus igitur: Juraverunt, se patrem meuin inter-
fecturos et, si in illo couainine periculum subeundum esset, se siinul
interituros. Ni fallor, in epicis, quorum argumentum sequitur Aeschv-
lus, actum fuit de illa conjnratione, et credas, utrumque se ad mor-
tis communitatem et juramento et solemni sacrificiorum rhu obstrinxisse.
Haec igitur erunt mGriöficna , nostro loco simul cum oQX(p commemo-
rata, et oozog iu/ugpei TUGrcojuaat jam erit: foedus manet in promissis
sen salvum est, quia praestiterunt, quod promiserant, idque cum re-
spectu ad xcu %vv&av£iG&ea mutatis tantum verbis denuo exprimit: x«l
TÜd" svooxiog ±x*i. Monet Schützius, haec cum sarcasmo seu acerba
ironia dici, ut antea v. 881: 4>iÄtig tov c'iv8oci\ roiyaq iv rcevno TÜ<fM
Khiohu B-ctvovTK <T ovn /u,ij Tioodtog nore. Nempe ironia in eo posita
est, quod factum ipsorum ad fidem et caritatem mutuam refert. Quam
enim coacti perpessi sunt mortem, eam voluntariam dicit, utpote mu-
tui amoris et fidei servatae documentum. Haec igitur orationis pro-
oemium absolvunt, quod si ad unam sententiam referas, demonstrat.
utrisque patris interfectoribus accidisse, quod ipsi perferendum in se
recepissent.
v. 974- "IdsG&s cT Kurs, novo*1 imjxooi xaxätv,
T6 ixt]yävr^aci.
Blomf. legendum putat cevro sc: avro rö fxr\xävY\iibtt. Haec nui-
tatio neque necessaria, neque orationi congrua. Nam i'dso&s <T avn
tanquam alterum priori YdfG&t x°JQ('-£ i^v dinZrjv rvQavvCdcc per a'Srt
recte jungitur, quin jungi debet. 'Enijxoot Hesychio monente: vtal 01
uriorvot-g xccl <n (hxa'Covthg, quae glossa referenda videtur ad Agamn.
v. 1394: iniqHoos tf iuiov toycov, öixc.Gr^s roa^vs £?. In Eumeiw
47
701 : inst xa&m7id£et jus nQSoßvriv v€og, Aixiqg ykvto&cu rrjotf
intjxoog f^ivw , quod chorus Eumenidum de se ipso Apollini dicit.
Siimli modo hie imjxooi appellantur, qui non tanquam judices aut
teste* , quid agatur, percipiunt, sed tanquam tales, quorum id scire
interest.
Tö inq%üvr\iici autem vestis est artificiose texta et connexa, qua
balneo egressus Agamemnon constrictus fuerat. Hinc eandem dso/udv
cl&Xfo) narQi nominat, quae misero patri vinculum exstitit. Item ni-
dag ts %slqoTv xal nodotv QvvwQida , quae non ita intelligenda sunt,
ut manuum vincula et compedes simul cum veste monstrentur; nam
hujus solius involucris circumventus periit. Erunt igitur praedicata
ad jutixdvri/ua, eodem quo Sso/uog modo referenda. Itaque quod in
Universum dscuög erat, nsdag xsiyolv xal nodolv ^vvwqiöa appellat,
quippe quo regis manus veluti vincnlis ejnsque pedes ut jugo con-
stringerentur. Eodem sensu dictum erat v. 486 : n£daig <T dxaAxevToig
h&rjQsv&tjg, nchsQ. BvvwQtg a v. gvvaeiQw de equis et mulis, qui jugo simul
incedere et cursum tenere coguntur. Hinc omnino dejunctura, con-
junctione, Aeschyl. fragm. 308: onov yd$ loyvg ovtvyovöi xal §Ixy\,
Hoia ^vpwqig rijads xciQTSQcors'Qa, et nostro loco de vestimento, cujus
plicis Agamemnonis pedes velut jugo jumenta constringebantur.
v. 977. ^Exrslvax avröv. Hoc ad Ssguov pertineret, i. e. ad
unum e tribus praedicatis, quibus fxiqyriv^ia exornatum. Id cum ra-
tionem non habeat, recte Auratus aorö scripsit, ut ad ipsam vocem
principalem referri possit. Putat autem schol., chorum esse, quem
Orestes allocutus: sxrslvar avröv ngög rbv x°Q^p- ^e(^
hujus in tali demonstratione partes esse possunt nullae. Verba sunt
ad comites, qui cum ipso in scena versantur, dum chorus orchestram
occupat.
In sequentibus: xal xvxXao nagaorattov JSrsyaarQOv avdQÖg ösi-
ÜB
£a&' . . . Med. lectio dvdQog est, quam R. sequitur; contra dvdowv
G. A. V. T. Hoc ad xvxXm referri deberet, ut structura esset xid
.laQc.OTctddv dei'^ars xvxXco ävö^wv. Hoc Abreschio, Schützio, et
quod mireris, Porsono quoque placuit. Si autem comites sunt, qiii
id jubenfur, hi ipsi viri sunt, qui in scena adstant; nee possuut ju-
beri, ut öt^/ccotqov sibi ostendant. Itaque Stanlejus, ut debuit,
xixAw nciQciOTadov, circulo seu cirenm adstantes junxit. Si adverbiiun
solvas, erit xvxfao naQaorä/usvoi Ss/^kts. His duobus explicationibus
accessit nuper lectio Clausenii, qui or^yaGtQov ävÖQÖJv vestem viri-
lem intelligit. At vero non erat hie ejus usus, neque esse poterat.
sed ad opprimendum Agamemnonem loco vestimenti erat adhibitum.
Putat quidem Clausenius, id ironice dici potuisse. Ironia vero, quae
«analogia nulla cum re, ad quam pertinet, conjungi potest, est et
J.nQogdiövvGog.
Ceterum ax£yei6xQov vim iutensivam habet a Gxsyä'^siv duetum.
et est fere: operculum, operimentum, et areyaorgop ävdoog viri i. e.
Agamemnonis dicitur, qui eo penitus coopertus fuerit. Simili modo
Aeschylus pellem oGxtiav oxgyaoxQov dixerat, referente Polluce x,
Q
180, quem locnm laudat Blomfieldius. Hoc igitur expansum vult, ut
pater, non ipsius, sed sol, qui haec omnia lumine collostrat, impurae
matris facinora videat — wg "dy naxijQ .... xtjg ijufjg. Confert
Blomf. tragicorum loca, quibus soli vel solis radiis moustrari aliquid
dicitur, non exceptis uvis , de quibus Hes. Opp. 603. B. 609. Toxi
nävx.ag dnödotnsv ol'xads ßoxQvg, /tel'^ai <)'' tfsXho dixec x tj/uaxa. Sed
horum omnium ratio diversa est, et vis loci nostri, ut supra monui-
mus, in hoc est, quod ab eo, quod exspeetas, in verbis wg i(hj na~
xrjg , animus subito ad solem cogitandum evehatur, cujus sanetum
numen cum hoc impuro speetaculo committit v. 981 : cog ccv ncoy juoi
ut'iQTvg iv olxr\ noxü. Schol. jraQtj /uoi- r\ juol avrvovvfxk: xrjv oixtio-
TKjza drjXot, quippe Sol, omnium, quae impure üvuyvci essent. osor.
necessario Ore.-sti , qui ea delere studuit, opitnlari propitius debuit in
49
eo, quod instat, judicio. Schol. iv dCzy. iv tij kqCösi xwv Ev/usvtdwv.
Nolim tarnen hoc de Eumeuidibus tarn certe statuere. Ignorat enim
adhuc Orestes, quae Furiae moliantur, sed praevidet, se civibus facti
rationera reddere debere.
Is igitur mihi testis erit, wg xovcT syw /usxrjä&ov IvStowg /uoqov
Tov uqxQog. MexgQxeGd-cu vel diwxsiv ad judicia transferri et de
accusando dici res notissima. Accusator enim insequitur, /uexsq%sxcci,
vel persequitur, qaem reum facit. Hoc quoque certum a personis ad
reum vel culpam transferri, et aeqne bene dicas /uextQxsG&cu <povstc
ac (pövov naxQÖg. At vero iii nostro loco translatum ad poenam,
quam qois a reo exigit, de morte nimirum. Nam wg . . . /usxrjAirov
<pooov ju7]tQog: me mortem matris jure exegisse ejusque caedem, ut par
erat, perpetrasse. Id vero, quantum video, sine exemplo. Nee ta-
rnen quidquam mutemus, sed $Qccyv%oylav statuamns in [xaxrjX&ov uoqov,
quod dictum erit pro: fisxsQ/ofxsvog ißovfevöa xovds /uoqov, vel simile
quidquam.
v. 983. AlyiG&ov yao ov xjjiyw /uoqov. rag rationem reddit,
quare, quum xovds /uoqov dixerit, hoc ad solam matrem referat. Ha-
bet autem \p£yw M. G. A. R. X$yw T. V. et schol. AlyiG&ov yao ov
ksyw /uoqov, fifjxQÖg ds, fjxig in1 dvÖQi xovxo /uqGctxo (serb. : xovx'
t/uijoaro^ Gxvyog, quod unice verum. Nam siquis commemorata CJy-
taemnestrae morte subjungit Aegisthi caedem se non vituperare, is
quidem indicat, se priorem illam vituperare vel eulpare, quod tarnen
a ratione loci prorsus alienum est. Nam Orestes, quamquam sub-
orientibus deineeps Furiarum morsibus, tarnen in eo perseverat, se
jure matrem cecidisse. Ov Xiyw autem est vel commemoratione vel
excusatione dignum non habeo.
v. 984. E%si yaQ cuG%vvxi]Qog wg vo/uov dtxfjv. E cod. M.
collator Weigelianus wg vö/uov attulit. J. Franzius wg vöuov („sie"
addito). Hob. vö/uov sine wg. Hoc collator Vict. e Med. supplet, de
Abhandlungen der I. Cl. d. k Ak d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 7
50
i'öuor niliil nofat, quod argumenta est, hunc quoque genitivum in
Ms. legisse. Idem in G. A.; wg gravi notatam vocem habet T. V.
Esset igitur pro ovxwg positum; sed contorta structura prodit t/si
wg (h'zqv cuGxvvrfJQog vöfxov , vel t%si wg vojuov d'txqv alüyvvxri^og,
poenam habet, quam lex adultero proposuit. Idem fere valet de
Clausenii ratione , intelligentis : (wg vo/uov) dixt] toxi „habet poenam
ut est legis poena.," quod dictum puto a neinine. Canterus in textu
ms vo/uov, sed in nota 27: „Melius si divinare liceat, imo verbo Ixvo/uov."
Eidem tribuitur wg vo/uog, uempe toxi, ut lex est vel jubet, quod
verum haud dubie. Nam moechos interficere etiam lex et Draconis
et Solonis permisit, et in talibus rebus tragici patrios mores et in-
stituta respicere solent.
v. 985. ' Hxig <T tri dpdoi xovx i/urjoaxo oxvyog. Abominatio-
nem dixit pro facinore abominaudo. Sed offendit <Js, quae particula,
cum versus ad verba /uoqov xöv [ir/xQog referatur, aliena est ab hoc
loco. Nihil enim est, quod sententiae, quae ab tjxig incipit, subjun-
gatur. Tollere incommodum possis scribendo ijxig y\ ut particula
sit explicativa, „quae nimirum vel scilicet." Sed alia accedunt incom-
moda. Nam posteaquam matris abominandam indolem ulterius pro-
secutus est, versibus sex 985 — 90, octo sequenübus: xl viv noogsmw
— no)>)>ovg ävaiQwv, nolXd ShQ{ivdvoi , <pQSvi ad vestinienti, a quo
orsus fuerat, execrationem redit, ut v. 999 ad matrem relapsus in
ejus imprecationes desinat. Ordo igitur rerum turbatus, et senten-
tiarum inversio inducta est.
Eandem produnt verba xl viv nqogdnw, quae, si structuram
spectas, ad matrem, sin sensum, ad vestem, axiyaoxqov, referenda
sunt, ad quam tarnen viv , cum duodecim versus intercesserint , non
amplius pertinere potest. Haec igitur coufusa et dgvoxctxa tollas, si
cum Aug. Meinekio, viro praeclaro, versus 991 — 998 xi viv noog-
ainw — noXXcc &s^fxalvoi (pQsvi ponas, quo pertinent, nempe post
51
v. 976: nidcig rs %uqoTv xal nsSotv ^vviooida, quo facto cum vesti-
nienti descriptionem dederit, recte ad ejus naturain comparationibus
invidiosis declarandam regreditur. Obstat Iris Bambergerus , qui tur-
bataui Orestis orationem notat quidem, sed ad mentis ejus agitatio-
nem refert. Neque vero obscurum fuisse dicit, quo viv referretur.
Orestem enim indusium monstrasse. Hoc igitur non oratione, sed
gestu fuisset explicatum. Sed a talibus admiuiculis prudens rernm
exhibendarum tragoedus prorsus abstinuit. Idem meutis agitationein
per confusum sententiaruin ordinera et per nexus defectum aut par-
ticulas male positas indicare nee voluit nee potuit. Sed de his postea.
v. 986. 3E$ ov tsxvcqv i]t>£yy' vno Qoivr]v ßäoog. Cum M. G. A.
T. et codex Robortelli ix aov habeant, hoc quoque vestigium codi-
cis prisci, qui EX20Y habuerit, recte monet Franzi us. Nempe Ae-
schylus EX20 scripserat. Rob. in textu habet fe§ ov tsxvojv rjvt'xtj.
Collator Vict. de fc| ov tacet, ad yKiiXfä notat G. ijvsyx- Ipse Ro-
bortellus in notis num. 21 ix aov tsxvoj vvv k/si. i£ ov rsxviov ayäx%t-
Haec vestigia si sequeris, scribendum erit i£ ovrexviov ävsi%B x.t.A.
Sed aüo ducit Med. lectio. Eam vulgo exhibet qvsy/i. J« Franzins
rsxvwv rtttixfl addito „sie." Collator Victv ut monuimus, ijveyx addito
~Jj post % et deleto, ita ut codex qv£yji habere videatur, sed?/obdu-
ctum. Vict. tjveyx > quod unice verum. Dixit autem tjvsyx' Ino £w-
vrjv ßoaxvAoywg pro vno l,(6vi]v Äaßovoa, aut simile aliquid. Neque
rixvwv ßdoog sine consilio; erat enim uteri gravidi onus et puerperii
dolor indicaudus, ut oppositum emineret, nempe liberos inde pro-
gnatos jueundos, dum mater se eis et marito fidam exhibeat. Hoc
inest in voeibus <p(Äov riiog, in quo rscog de re, quae per tempus
aliquod durat (der Weile, eine Weile). Sed posteaquam caede ma-
riti vindietam e liberis in se adtraxit, istud ad tempus jueundum
onus infestum malum nunc exstitit: vvv <f ix&gov , wg <pcu'vsi, xaxöv.
Molestum in Iris tpeeivet sensu activo, eoqne a Schützio cum xctxov
junetum: sicut malum, i. e. calamitas Clytaemnestrae ostendit, quae
7'*
52
sane lenior ratio, quam si tpaivei ad ßäoog aut ad Clytaemnestram
referas. Pejus etiam, qui xcixov et nexu et rhythmo naturali diducto
ad sequentem v ersinn trahunt, jungentes: TC xaxov ooi doxu. Haee
ipsa xl ooi doxu; pvoeiivü y rj fc//<5V %<pv , ut Vict. contra metrum
habet, multis dubitationibus sunt obnoxia. Med. lectio est: {ivouiva y1
tJT , unde Herinannus juvoaivd y ut tyidv' i'<pv scripsit, vere
oninino dictinnque hoc pro d're juvoaiva urs tyiöv tyv, ut perinde
sit uvocavav an iyidvav, muraenam an viperam appelles. Ideui Her-
inannus ov ooi doxei, sine causa. In vulgata rl ooi doxsi intelligas
jTtoi avrfjg, vel dvcti ccvriq. Blonif.: „Ex muraenae autem cum vipera
coitu genus muraeuarum nasci, quarum morsus erat (scr. : sit) letalis,
tradit Andreas nsoi daxsrwv ibidem (Athen. VII. p. 312) citatus.
Äuget hoc Orestes addens: ojjtisiv &(yovo> o.v aXXov ov dedyyjugvov.
Nempe öcxträ illa morsu putredinem efficiunt eoque interimunt; haec
autem, de qua agitur, muraena vel vipera ipso tactu perimere pos-
sit. Lectio fluxa: &iyovo<xv aXlov M. G. A. sed &iyovo av aXXov
R. T. V., in quo aoristum Siyolo tiv jure reduxit Blomfieldius. Fluxa
est reliquorum lectio. Sunt: Zytöp t<pv mjnsiv . . ov dsd^y/u^vov. In
his si infmitivum explices intellecto post i'tpv wgrs Gynsiv, requiritur.
quod in M. est, &iyovoav, Hac tarnen ellipsi non opus. Nam t<pv i. q.
(fi'oiv tyu vel kXctye oqnuv, simplici junctura cohaeret. Recte con-
tulit Blomf. Theodecten ap. Stob. XXXVII. p. 139: "Anavr iv civ&qiö-
noioi yqodox£ti> Ztpv. Hinc firmatur nominativus &iyovoa et leg. cum
R. gtjttuv &iyovo av. Particulae vis apparet, si haec ad directam
orationem referas: ijrig &tyovoa aXXov av g^ttoi. Sequitur offensio,
quam v. v.XXov pluribus praebuit. Cujus ratio cum non pateret, &t-
yov(f civovrov tentatum est in marg. Ask., xttyovo1 avovXov Portus,
friyovoa uäXXop Blomf., sine sensu. Nam quem ipse exponit: „magis
a natura composita est ad labefaciendum aliquem sine morsu," ejus
nolio comparativa prorsus relatione caret. Siyovoa uovvov Martinas
non multo melius, pejus etiam Bambergerus &iyoioct (T aXXov. Sane
pro I'cXXop expectes *iwa\ subesse tarnen videtur notio : animalia cuncta
53
aliu» generis quam viperiui, tactu illius, quem cogitat, daxtxov
absumi. Si quid mutandum, scribi deberet aXXov r\ dsd^y/x^vov , ut
äXXog fj dsdqy^vog periphrastice diceret pro ov dsdqy/uevog et oi e
glossa ortum esset; sed necessitas mutandi nulla. Schol. recte:
JZijjisiv &iyovd av vnsQßo/Lrj , oxi xal xov /ut] dtjx&svTa, ciXha
uovov äipatu£vt] orjrtst. Accuratius schol. dixisset av ar\noi. Non enim
pronuiiciat, quod revera fit, sed quod a Clytaemnestra effici posse
cogitat. Eaque tactus efficacia ei tribuitur xoA/uqg txaxi xabixov
(poovquaxog. Eam esse seu fuisse mulieris audaciam et animi im-
probitatem, ut vel inuraenam et viperam superare potuerit.
v. 991. T£ viv TiQögsmco, xav rv%(x> juccX1 svGxo/ucöv ;
Kav lectio est omnium Mss. et Edd. critt. Eymopwv ore bene
uti, de lusciniis per nemus canentibus adhibitum a Soph. Oed. C.
18. siGu) xax avxöv siorofxovG1 äqdöveg. Hoc loco adhibetur de eo,
qui rem aliquam nomine aptissimo appellet. Sed non procedit stru-
ctura per xi incipiens et per xav rv/ot continuata. Non enim ii
r.vyw, sed nwg xv%w requiritur, neque av cum conjunctivo in inter-
rogatioue habet, quo locum tueatur. Portus omisso av legit xai xvyw,
quem plerique recentiorum sequuntur. Sed sublata particula manet
incommodum ex interrogativo xl ortum. Joh. Franzius, H. L. Ahren-
sium secutus, edidit xt viv noogniiunv av xiiyoif/ av evGxojuoöv , quae
conjectura dictionem adulterat. Nam av repeti solet, si notio aliqua
alio spectans iuterjecta aut res majori dubitationi objecta est, quoruui
neutrum hie locum habet. Scribi sane possit: mos viv noogsinva xal
xv %w x. x. X. Sed vitium haud dubie est in voeibus xav, et pro-
babile noogstnoixav i. e. ÜPOZEIIIOKAN ex IIP02EII10IMAN i. e.
noogsinoiju av corruptum est. Hoc si admittas, totus versus scribi
poterit:
Ti viv noogUnoifjb av xvycbv fxaX svGxofuag,
54
quo facto locus fere parallelus priori illi v. 937: Atxciv dt viv nyog-
CCyOQSVOjUM ßQOTOt , TV%6l>T£g xaAtog.
Mc'cX avOTÖutog admodum convenienter duplici adverbio dictum,
ut in simili phrasi Agamn. 667. Tig not (opo/uc^sp coJ' ig to jxcip
trijTvinog . . . yÄwoGap iv rvxy pi/ucop.
v. 992. Anceps haeres, mun vestimentum nomiuet cr/Qtvjua &r\-
oög. Schol. dixrvov intelligit, sed hoc in sequentibus, nee convenit, quod
juxta ponitnr xaraGxijpwaa. Referam igitur ad pannos quibus apte
dispositis et expansis ferae in loca destiuata a venatoribus cogi so-
lent. Nsxqou jiodtvdvrov ÖQonrjg xaTdGxptjpcojLia. Schol. naoanira-
Gfia boovg explicat, seu potius goqov, ut Stanlej. verissime correxit.
Est igitur hoc /utya <pcioog illud ad ornatuin funeris pertinens, quäle
Penelope Laertae ylasori] tjgtoi rci(fiqiov texens in Odyssea introdu-
citur. Hoc cum pedes involutos amplecteretur, noöipövrop dictum
est, et xataGxijpoj/ua dQoixrjg. Jqoctij vel ÖQvrt] a voce $qvs (nostrum
True) dedueta, indumenta et vasa diversa e quercu fieri solita no-
tat: Trog, Wanne, Sarg, Wiege. Cf. Eustath. ad Odyss. XII.
p. 1726, qui formam dgovTt] e dovoiirt] contraetam statuit, %va tj xv-
yi'oog nvskog ij Äägpa!; roig rsd-vdiot,. Sensus igitur: tarn aptum esse
illud tegmentum, ut instar ra<pt]tou tot um mortui corpus et loculum
simul velare possit. Sed alio ducere videtur locus fere genuinus
Eumeu. 602. ^a tiXhIgt d/ustrov tvipooGip dsdeytuipi] (scr.: top nkslGr
dfnvpov avyQÖviog dsd..) dgoirr\ (amice balneo posteaquam aeeepisset),
jisqcüpti AovTQa (ei cum e lavacro prodiret) xanl rsofictTi (sc: cpti)
4>uQog nagsGxptjpojGSP , quo induetus nostro quoque loco dQofarjv vas
balueatorium Blomfieldius intelligit. Sed in hoc psxqov dooirrj est,
neque alio nisi ad Xaovaxa , loculum mortui, referri potest, utque
utrumque locum inter se conformem reddas, in Eumenidibus dookri
iutelligere possis comparative , ut wg omittatur. Sensus jam esset:
vas baluei Agamemnon! instar loculi fuisse.
55
Haec igitur duo uyotv/ua &qo6g et vsxqov xuruGxfjvcD/uu inter se
analogia ex magnitudine ducta conveniunt.
Addit — — , — — Sixxvov jutvo ovv.
"Aqxvv (?' uv unoig xul nodiöTVJQag ngnAovg.
Lectio librorum constans, nisi quod R. uqhv , ad quod coli. Vict.
M. uoxw notat. Sed primum molesta interpretatio post /uiv ovv.
Nam dixrvov atque uqxvv arctius cohaerent, et Agamn. 1087 quoque
junguntur: f\ dixrvöv xi y"AiSov; v.XX uoxvg q '^vvevvog. Utrumque
rete significat , ita tarnen ut dCxrvov vox generalis , uoxvg an lein spe-
cies quaedam retis sit. Conjicias hoc e Pollucis X, 27 descriptione:
Alxxvu fxiv tu iv rolg 6/uuXoig xai toonsdoig tsivo/usvu , ivodia dt rd
iv ruig odoig. AI dk aoxvg tovtojv jutv iXdrtovg slai rolg /usysdsGGi^
xsoxMpdXcp ($£ ioi'xuGi xuzd rd G/rj^u üg 6%v xaraX^yovGu i. Haec
etiam cum ad pisces et aves capiendas adbibitas videas, retium
erunt species, quae latiore ambitu accedentia animalia admittunt et
dein velut sacculo, cui exitus deest; comprehensa retinent. Scri-
bendum igitur sublata majore interpunctione dixrvov /usv oiv, vAoxw
d' uv el'noig. Rete quidem, sed tale dicas, quod neque exitum ei
permittit.
At vero incoucinne postrema apposita sunt xai nodiariJQug n£-
n).ovg. Nam oratio per metaphoras progreditur uyqzvfxu , xutugxij-
vw/uu, dixrvov, uoxvg. JlenXoi autem sunt, de quibus agitur, nee
potuit appellatio inter metapboricas poni. Hinc Bambergerus et H.
L. Ahrensius, quem J. Franzius sequitur: dixrvov fiiv ovv. "Aqxvv <T
uv sinoig xul noöiGrijoug. ninXov Toiovrov uv xrijouiro x. r. X.
Neuipe nodiGxfjQug seorsim intelligunt translatos de viueulis, quibus
pedes equorum iv GraO-juoig degentium etiamnunc in illis terris con-
junguntur. Rem narrat Xenoph. Anab. III, 4, 21. laudatus Bloin-
fieldio: JSvxrdg Xnnoi uvrwv didsvrui xul wg tmnoXv nenodiOu€voi
56
hioii'. Ex Ins autem et similibus non sequitur, nodiGirJQag inde dictos,
et hos TioSiozrjQccs termini technici naturam ita induisse, ut usu me-
taphorico ad similia transferri potuerint. Accedit, quod usui illi non
velamentorum aliquod genus, sed lora et funiculi inserviunt, qui ad
eomparationem cum Clytaemnestrae velamento nulla ratione adhiberi
poterant. Neque hoc praetervidendum , quod hac conjectura dictio
et rhythmus naturali modo decurrentes discerpuntnr. Schol. vulgatam
sequitur: nodiGriJQccg rovg ti%€ov xwv nodwv xaO^jxovrag ; sed abest
a vocabulo hie sensus, et ejus auetor, ut recte observat Bamberge-
rus, simili voce noSiJQtjg deeeptus fuit. Vix dubium, quin bfinoöi-
oriJQag nin?.ovg scribi debeat, ab ipnodiXsiv , quibus pedes ineiden-
tium constringebautur, ut fieri solebat feris, si in ccqxvv seu ägxv-
gtcitov ineiderent. Hoc admisso concinnitas totius loci Slxxvov uw
ovi>, "Aqxvv J" civ sinoig iiAnodiGxfJQctg n€nhovg eminet. ^EjLmodiGzrJQtg
niTiXot, genuina vestis illius appellatio, praecedentibus comparationi-
bus magis etiam illustrata erit. Hos igitur ijunodiGrijoocg n€xAear§
simul öi'xxvov vel potius ccqxw nominari possi addit. EM autem fa-
cile in KAI abire potuit.
v. 995. Toiovtop, nempe n(nÄov, quod e praecedenti plurali
facile intelligas, uv xxtJGcuxo (pijAqxtjg ävrjQ. — 4>rj^fixrjg} quam for-
niam pro tptlijxtjg Mss. et Edd. critt. reduxit Scaliger, usu antiquo
est ap. Hes. Opp. 373. "Og ds yvvaixl n£noi&s, ninoid? äga (piAjjxrjGi.
Vox originem habere videtur a G^Xai. Hesych. glossa, quae ad
Hesiodi versum spectat: <piAijxi]Gi KrjGxcdg, sed non latrones sunt,
verum ganeones.
Talern aecuratius notat tanquarn %£vwv dnaiöXfifxa , fraudulentia
pro eo, qui fraudat et deeipit, hospite. Schol. djiaioXtj^a v.nüxijfxu.
Vox dueta ab aloAog, euöXXio, cäoXhvo, diversum colorem induo.
h'('oyvooGT8oi] ßiov vouCuiv, qui utitur vita (votui'Ceiv enim iv foiuy
57
tysiv , in usu habere), quae argento privat seu hospites pecunia exu-
ere solet. Ni fallor, cauponera cogitat, qui hospites apud se dever-
tentes blande excipit et per noctem circumventos pecunia et vita
spoliat, qua comparatione simul mores et factum matris nova notantur
ignominia.
Concludit: xw8£ t' av doXcv/Liati HoXXoiig ävaiQÖüv notäa &sq-
/xaCvoi <pQsvi. In his r av non ad rs av debet referri cum Bamber-
gero; nam raidi rs barbarum est nee ulla excusatione lenienduui, sed
erit nota xqaöts pro toi av. Asseveratio autem, quae inest parti-
culae, loco convenientissima est. Idem ne a voce dvaiQcov quidem
mauum abstinuit, quamquam notio tollendi, interficiendi ipsa est, quam
locus requirit, scripsitque av alqwv et membra orationis interno sen-
tentiarum nexu conjuneta ££vtov dnaioXrjfxa xaQyvQOGTSQtj ßiov vofifewv
distraxit puncto post änaioXrifia posito. Contra recte Lobeckius cpQeva
scripsit pro <pQsvl. 4>Q$va &sQua£veiv calefacere animum, perfundere
gaudio. Bambergerus monet dubitari posse, utrum &sQ/ua£vsiv ad
audaciam an ad laetitiam improbam facinorosi ganeouis referendum sit.
De laetitia dici monet Eurip. Electr. 404, ubi integra dictio est: yaoa
ü-SQ/uaivso&at xaQÖlav.
. Haec igitur de singulis. Jam de nexu videndum, quem confu-
sum esse facile intelligas. Monstrat Orestes interfectorum corpora.
quos amore junetos et vixisse et interiisse monet v. 967 — 973- Mon-
strat deinde tunicam/ qua irretitum Agamemnonem Clytaemuestra
obtruneaverat v. 974 — 76, eamque explicari jubet ante Solis adspe-
ctum, ut purissimum numen ipsi in judicio de morte matris subeundo
testis adsit, cujus nefarium scelus persequitur et quam infestis
nominibus inseetatur v. 977 — 90, rSA/u^G exan xädCxov ^gov^uarog.
His finitis cum v. 991 : Ti viv nQogefjiw; pergat, credas, eum novis in
matrem dicteriis usurum, sed seqq. 992 ayQSv/ua &t]oog docent, haec
et ipsa ad tunicam referri, ad quam tarnen, cum ab ejus priore com-
Abhandlungen der I. Cl. d. k Ali. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 8
58
memoratione duodecim versibus remota sint, pertinere non possnnt.
Nam quae in medio ponuntur, ita comparata sunt, ot omnis tunicae
commeinoratio ex memoria et mente audientis effluxerit. Accedit,
quod haec ipsa, quae v. 992 — 98: "jlyQt-viua &rjQog — noXXa &SQ/ucet-
vot (fQsvl subjiciuntur, feralis illius vestis descriptionem absolvunt, eoque
ab ejus iuitio v. 974 Idio&s <T ccvrs — 976 xai nodolv IvvoyQida dis-
solvi non possunt. Non melior est utriusque posteriorum versuum
999 — 1000 ratio, quae matris incusationem et acerbam indolem
fmiunt, eoque non meliore jure ab ejus descriptionis initio 985 sqq.
separantur.
Haec a^votccja esse non Iatuit Klausenium, qui confusam istam
orationis texturam in auimo videtur habuisse, cum haec scriberet:
,.In hac (matris culpa) demonstranda invehitur in id, quo usa est, in-
strumentuin, dictione concitata, quae legitimum et aequabilem senten-
tiarum decursum aspernatur, neqne justum in augenda conviciorum
vi ordinem servat, sed profert singula, prout in mentem veniunt.
Sic summa arte ipsam insaniam praeparat poeta." Praeparatur quidem.
ut verbis Klausenii utamur, Orestis insania ab Aeschylo, i.e. äcerba
occisoris utriusqne irrisione et summae indignationis elocutione animum
graviter concussum prodit, sed qui praeter hanc artem ex intimo
animo repetitam insaniae suborientis indicia conviciis sine ordine
prolatis et relicto legitimo et aequabili sententiarum ordine se ex-
hibere aut debere aut posse crederet, is inter vetefes quidem,
qui etiam in summo dolore et aniini commotione modum tenendum
et decori terminos non transgrediendos docebant, non summae artis
specimina edere , sed poetam non Orestein insanire arbitra-
retur. Ejus artis egregium specimen Orestis quae deinceps se-
quitur oratio exhibet, quae, quamquam erurnpentem insaniam monstrat,
aequabilem tarnen cogitationum et sententiarum cursum vel in summa
animi perturbatione non relinquit. Hoc enim intimum est antiquae
artis, ut vel in maximo doloris atque irae irnpetu modus servetur et
59
illaesa maneat animi summa et inia miscentis aequabilitas. Valet eiiiui
per omnia praeclara illa irati Neptuni apud Virgilium imago, qui
graviter commotus „placidum caput extulit undis."
Quid vero faciendum, ut malo, quod in nostra oratione indica-
vimus, succurratur et suus bonos summo poetae restituatur, mihi qui-
dem in äperto est. Duo Orestes adstantibus spectacula exhibet, alterum
corporum Aegisthi atque Clytaemnestrae, alterum mortis Agamemno-
niae instrumenta Utrumque aecuratius distinguit verbis v. 967 : idsod-i
Xojqctg xtjp dmÄrjp xvqappiSa, et v. 974 t ffisG&s $ ctvxe, xajpff £mj-
y.ooi xaxwp, To firjxdprjfia. Conspicitur tyrannorum corpus, couspi-
citur vero etiam instrumentum letale, quibus satis aperte deelaratum
est, nonnisi absolutis, quae de priore dsiy/uccrt dicenda erant, transiri
posse ad alterum. Haec cum ita se habeant, versus eo ordine erunt
ponendi, ut sese excipiant, primum qui ad Aegisthi et Clytaemne-
strae corpora in conspectu posita pertinent, deinde qui tunicam cae-
dis instrumentum describunt et detestautur. In ipsa hac descriptione
et detestatione cum ad matris facinora animus Orestis revolvatur, optime
illis absolutis subjungit, quae ad ejus detestabilem conatum et men-
tis acerbitatem spectant in iisque orationem terminat hoc modo:
"Idso&s %wqccs xtjp dmXrjv xvqappida,
üaxqoy.xopovg xs dui/utartov noQ&^xoqccg.
JZs/UPOi jUSP iJGCCP , SP \TQOPOig TO#' tjllSPOl ,
<S>i/,oi <5e xal pvp, o5g snsixäoai na&u
IldoeGxip, boxog x i/u/ugpsi niGziö/uaGip.
Svvw/xoöav fjihv &üvaxov ä&kkp ticczqI
Kai '^vvd-avsiG&M' xcd xdd* hvooxios t%.si.
"IdeG&e <T avxs , xojpff imjxooi xcutwp ,
To jut]xdpi]/uctj dsGjuop a&Xioj naxol,
IlsSag xs yuqolp zv.i noöoip gvpcootda.
Tj vip noogeinoifA? up xvywv udX svarouwg;
«0
"Ayosv/iicc &t]Qog tj ptxoov nodtvdvTov
jQoCrrjg xaxaoxijpwjucc; SCxtvop /u£p ovp _,
"Aqxvp <T ctp smoig ijuodioxrjoccg ninhovg,
Toiovxop av xxr\Gaixo (ptjXiqxtjg dptjo
£€i>wv ccnatöXrjfia xdoyvQOGxsQi]
BCop vofifewv xüöd£ xav öoXwpLaxv
UoXXovg avcuQvüv noAM &eQ[xatvoi (fQiva.
Exxsipccx1 avxop , xal xvxXtp naoaoxaö'dp
2x£yctGXQ0P dpttodg dei^aO-' wg Tdtj nccxqq,
Ov% ovf.wg, ciXX 6 ncwx inonxsvoop xccSs
"Hliog, apaypu /utjxodg toycc xtjg i/uijg.
lSig uv naqri juot /udqxvg £p Sixtj noxi,
lSlg xopö* iyri) /xbx^X&op ivdtxwg /uoqop
Top /ut]XQog' AlylG&ov ydo ov yfyco /uoqop ,
"E^si ycco, cäo%vpxrJQog cug po/uog, dtxrjv
"Hxig $' in1 dpdoi xovx* üjuiJGazo oxvyog ,
J£| ov xixvwv tjpsyx1 vno tcövrjv ßäqog,
'PtAop xtoag, pvp (f £%d-()dp, wg (palpu, xccxop ,
TC goi doxsi; [avqccipÜ y1 s?V %%idrf %(f>v
JZiJTieip &tyovo' ctp äZXop, ov dsdrjy^pop
T6Ajut]g txcixi xädtxov (pQOPtjjuaxog.
Toiäds /uoi gvpoixog ip doixoiGt /utj
rtpoix1' oXoC/xfjp noogS-sp ix &swp änaig.
His succedat £umenidunt locus, qui et ipse non nisi versuum
trausposiiione adbibita in ordinem redigi potuit.
v. 810— 31.
'Oqyccg %vpoCow goi . yeqccixiqct yäa sl.
Kulxoi ys jutjp ov xäqx i/uov GoyojxtQct ,
'Pqopsip dt xd/uol Zsvg tdioxtp ov xccxwg.
61
'Y/usig J" ig dXXöipvXov £Ä&ovGai %&6va
rijg zrjgff ioaG&riGSG&s' nqovvvinoa zäun.
OvniQQiwv ydq zi/uiaizsQog XQ0V°S
"Eozai noXlzaig zoigds. xal gv zifjbiav
"ESqccv s^ovocc nQog do/uotg ^Eosyfäws ,
Tsv^si nag ccvöqvov xal yvvatxstoiv gzoXüjv,
"Ootjv nao' äXXwv ovnoz1 av G%€&oig ßoozwv.
2v (T iv zonoiGt zoig i/uoiGi /utj ßafyg
Mtj&J al/uazt]qdg iyriyävag, GnKayxvtov ßXdßag
N£(ov y doivoig ijujuavsig ^v/uoo/uaGi'
Mfi^ i^skovo1 wg xaQÖiav äXsxzoqojp ,
3Ev zolg ijuolg aGzolGiv IdqvGyg "Aorj
EjLHfvZwv TS xal 7iQÖg dXXi^Xovg &oaGvv.
GvQaiog töToi) noAs/uog, ov juohg naoobv,
'Ev cu rig %Gzat dsivog svxfetag sovog'
Evoixlov <?' bovi&og, ov Myoo fiax^v-
Toiavz1 kXiöd-at ooi näqsGziv «£ i/uov,
Ev docoGav, sv nda^ovoav, sv zi/LMDju€pt]P ,
Xwoag juszaGxsiP zijgds &so<piAsGzdzt]g.
v. 810. 'Ooydg %vpo(G(o cor ysqaiziqa yüq si.
JZvfMpiQsiv zivl seu <p£qMv gvp zivt ooyäg, iram cum aliquo ferre,
ei. in ira perferenda auxilio esse, eoque se patientein et mansuetum
irato praebere. Soph. Electr. 1464 ed. Br.: zu) yaq %oövu> vovv %o~%ov
wgze Gv/Jup£ouv zotg xqsi'ggogip , et Eurip. Med. v 13- Avzv\ ds (ft
Mijdeta) nävzu gv/u^qovg1 *IaGovi, ubi Elmslej.: „Significat d/uoipQo-
vovgcc, ni fallor." Falsus sane, ut locus noster docet. Est enim
vjiei'xovGct. Non melius nostro loco Staulej.: „Iram tibi condono",
aut schol. (p$QovGu Goi zag oqydg, quae tarnen manca videntur.
Cedit autem iratae, quia haec senior est, ysoaiziqa yäo sl.
<>2
Sed turbae niaxiinae motae sunt iu v. proximo. Med. lectio est:
xairoi fxsv ov xagr. Eadem Aug. Guelph, Rob., cui e codice S.
eollator Vict. adscripsit ys /usv signo ad rot posito. Is igitur xai
toi' ys (jap ov xciqt habuit. Idem Flor, Ven. 1., quod, ut videbiuius,
verum proxime attingit. Victorium addit J. Frauzius; sed is prae-
bet, xaitoi ys /ur,p ov xaqx , idque inani particularum strepitu et
barbaro, ac si „Et vero quidem sane" in Latinis conjungere velles.
Alio modo corrupta Aid. xai xoi juev ov ycco x. Haec in ordiuein
ut redigeret Turnebus scripsit: xai xoi ov jjlsv xaqx' si y (non sl, ut
refert J. Franzras), eoque longam conjecturarum seriem inchoavit.
Tres solus tentavit G. Hermannus, quod argumento, viruni egregium
diversis temporibus sedulo de hoc loco cogitasse nee tarnen inve-
nisse, quod ipsi satisfaceret. Hinc nuperrime in censura ed. Aeschyl.
Annall. Vindob. auni 1846 desperata causa versum spurium judicat
et delendum. At vero sublato eo hiat sententiarum nexus. Ouodsi
enim Minerva dicit, se irae Furiae concedere, quia haec ipsa sit
senior, et si deleto medio versu subjungit: Prudentiam autem mihi
quoque Jupiter concessit, yoovslv ds xdfxol Zsvg sdujxsv ov xaxwg,
indicat, se furiae quoque prudentiam tribuisse ; alias enim istud xd/uoi
non haberet, quo referretur. At vero tribui sane senectuti prudentia po-
test; sed cum ea non necessario sit cum senectute conjuneta, quae
imprudentissima esse et stolidissima possit, nexus sententiae ruit, si
non iudicata simul cum Furiarum senectute prudentia suam illi op-
pouat. Hinc necessaria verba et sauissima judicanda: ov xuqx' i/uov
oocpojrsQcc, non minus sanae voculae ys /usv. Posterior enim versus
<p()ovsiv Ss xd/uoi habet, quod huic [i&v opponitur. Etiam de copulae
xai sinceritate dubitatio esse non potest, quae recte prudentiam Fu-
riae ejus senectuti nectit, et ys commode ad xoi referas. Latet igitur
vitium in sola vocula xoi', sed ne in hac quidem. Est enim pri-
scae orthographiae residuum, et locus proeul omni dubio scribendus:
xai rwys (jlsv ov xäox s/uov ooipüiTSQa,
63
Ken rcöys est: et hoc quidem, idque cnm respectu ad ysQcure'Qa
yccQ et. Est igitur xal rcöys i. q. xal diu xo ysgaiz^Qav slvai, eo
ipso, quod senior es, av xäqr s/xov ooywrtya, tu saue sapientia nie
superas, vetustissima dea juniorem. Perspexit hoc glossator Aug.
et Vict.; quamquam ejus gl. ad oocpwr^Qa pertinet: ooipvotgQcc diu röv
Xqövov. Eodem tendunt conjeeturae Wieseleri: x-ali(xj fxkv et av xägr
et H. L. Ahrensii; sed aretius inhaerendum erat codicura scripturae
et simul dictionis concinnitati inserviendum , cui rwye, utpote in quo
tonus et vis sententiae insit, uiagis respondet quam simplex zw.
Verum fere assequutus Wackef. xal rep ys juyv av xccqt\ falsus
tantum in eo, quod non vidit, afnrmativum firjp exeludi affirmatione
xaqxa, et fiiv ad justam sententiarum disjunetionem necessarium esse.
v. 813- Ad augendum, quem promittit, honorem futuram Atbe-
niensium gloriam eloquitur: „Fore, inquiens, ut ipsas facti poeniteat,
siquidem spretis Minervae promissis in aliam terram abire velint."
lYjusig <f ig ätäoyvÄov iA&ovaai %&6va rijg rrjgff iQaa&tfosa&s , de-
siderio hujus terrae tenebimini, hisque it^ovvvinvj rdds subjiciuntur
iv naQevds'Gei. Namque ad praecedentia pertinent, non ad sequentia,
quae causam desiderii illius continent: Ovtiiqqscov yccQ rijuiwtsQog xqo-
vog "Egtcu noUxaig roigde, nee dubium, quin ad sui aevi gloriam
Atheniensium in bis et seqq. poeta respexerit.
v. 816 — 19. — — — Kai av xmiav
"EdQav iyovaa nQÖg d'6/uoig 3EQe%&£'a)g
Tsv^si nag1 civdqwv xal yvvccixsfvDv GroXwv ,
c'Oat]v nag1 aZÄiop ovnor av ayid-oig ßgorcov.
Structura vacillat. Nam si habet sedem, non potest dici, earn
habituram esse: tyovaa %8<*av tsv^ei {sSgav vel avri]v) x. r. X., nee
potest ootjp ad böqkv referri. Non enim de magnitudine aedium, quae
non sane erat insignis, sed de magnitudine honoris sermo est. Sa-
64
cellum Furiarum teste Pausania I, c. 28, § 6, extra arcein erat
Athenarum prope Areopagum: nXr\Glov 8k (sc: 'Aqslov ndyov) Uqov
&swv iorlv, clg xciXovgiv 'Axhjvaioi 2ejuvdg. Hinc latiore sensu An-
teilig. TXQÖg do/xotg ^Eosxd-swg. Erechtheum enim in ipsa arce situm,
nee puto, quae plurimorum est sententia, Souovg 'Eoex&gwg pro acro-
poli dici, id enim sine exemplo esset.
Hinc irriti incongrua illa nectendi conatus, ut Abreschii, qui
t/ovoa reibet idem esse statuit quod e&ig, Fritzscbii, qui ad oGt]v
intelligit rifjirjv , quod ex ri/ulav bdoav duci posse arbitratnr; sed hoc
nimium remotum, et cum i'doav intercedat, ab hoc quidem ogyjv se-
parari non potuit; Wieseleri, qui ad xi/ulav xögov intelligit, ut oGrjv
habeat, quo referatur; at vero relationis lex tunc ogov seil.: nulav
requirat. Corrupta igitur vox et scrib.: ogwv jiciq1 utäwv x. r. X. i. e.
toovov, boa nao' aAAcov ovnor' av G%£&oig. Origo corruptelae ex
nimio ouotsäsvzwv numero, nao' dvdouiv xal yvvaixslcov gtoäuiv, ogojv
naQ dV.wv, nee tarnen quidquam in bis impediti aut perplexi.
v. 820. Sv <f iv xotioigi roTg iftoloi juij ßdX^g
M^d^ atjuartjQccg d-Y\ydvag} Gnkdyyvwv ßXäßag
N£wv, dolvoig ifi/uavsig &v/u(6/uaGi.
Ita vtwv dolvoig, sed sine interpunetione Med. teste J. Franzio.
vtcov, dolvoig F. V. Idem collator Vict. ad Rob. non indicato codice,
et falsum est, quod refert Wieselerus, dolvoig conjeetura Robortelli
vulgo illatum esse in verborum ordinem. Has autem aljuanjQag &riyd~
vag Gnldyxvuiv v£üjv ßXdßag dicit, quia viro illo laedi partus et cor-
rurnpi persuasio erat; sed quare eosdem dolvoig i/ujuccvsig &vui6jU(eGi
appellaverit, aut quomodo ita appellare possit, id quidem nemo neque
aperuit neque aperiet. Qv/uw/uceTa enim seu irae, quaeeunque sint
Furiarum, non possunt ad guttas, quas destillant, transferri; haec
enim metaphora, quae nobis iratas stillas seu potius furiosas iris vino
65
carentibus exhiberet, non Aescliylea, sed absurda esset. Altera le-
ctio viwtf doivovg Flor. Veu. 1. Aug. Guelph. A. R., quo miraculum
augetur, admissum illud ab H. L. Alirensio, qui opinatur, multo me-
lius GJiMyzviov ßXdßag doivovg vocari, quam Svjuoj^ccra, non impro-
bante talia Wieselero.
vAoivov istud ad ipsas Furias spectat. His occurrit Oedipus, ut
ipse ait Soph. Oed. C. 100 vij<f>wi> doivoig, i.e. sobrius sobriis, ad quae
illustranda eonferunt a scholiaste apposita ad v. 157 seqq., ubi de
luco Eumenidum senno: jutj noogniörig vdnsi üoidsvzi, xd&vdoog ov
Koartjo /lisiäixioji' noziöv cP8v/nazi gvvxq£xsi- Ait schol. : bnov xqazrJQ
vdcczog nAijorjg Gvyxvqvdzui QSVjuazi yXvrJwp nötoiv. Alter schol.:
avyzvqvazai ydq zavzaig zeug ihsaig vdazog xctl /ushzog xqd/ua. Haec
vrupdha sunt Furiis ex antiquo usu offerri solita, ut a Clytaemne-
stra Eumeu. v. 106 f] noXXd /usv örj zdtv ifxäjp iZsi^azs Xodg z doi-
vovg , vtj(pdkia jueiAiy/uccza. Ista igitur et nostro loco respicias, nee
dubium, quin singulari numero opus sit: dotvoig ijuuaprjg ^rv/ueouaot.
Non sine acerbitate dicit Furiam iraeundia velut inebriatam, cum
tarnen vino nti non consueverit. Sensit hoc, ni fallor, schol. R. V.
d-v/xm/jüaGi' oqyalg, bzi xal olvoi&^vzsg zqönovzivd yCyvovzca e/u/uca/sig.
v. 862. Mr\& &%shovo' wg xaqöiav dXsxzoqoov ,
*Ev zoig i/uoig dozoloiv tdqiorjg "jtqt]
3E/J.(pvhöv zs xal nqog dXlr\Xovg &qccgvv.
Pro i^sXovoa contra metrum habet t&l&ovGa Aug. et schol. R.
in lemnate : i&A&ovGcc dianeqüoccGcr fxd^ifiov ydq xö oqvtov zvSv zs
dXXojv Ctocov zb Gvyysp&g cädovfASvuw juovog ov <psidtzai. Sed schol.
V. i'geÄovGcc avanzsQcÖGaGcc ud%i{iov ydq x. z. X. voce aperte cor-
rupta. Fuit, ni fallor, et hie i&ZxrovGa- dvcmeqdGeiGct. Nam tl-sÄ-
S-sip pro dicmsqdGai vel dvamqdoat explicari potest. Sed aliena
haec a nostro loco. Hinc in auxilium vocandnm Pindaricum illud:
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. |V. Bd. II. Abthl. 9
trvdouc'cyas ar eeXiy.rvDo Ol. XII, 14, ubi schol. top äXtxTOoa naoif-
/Ltjq&p diee xo xazoixidfovg noielG&ai rag fiäyag tö £wov zovro. Nempe
gallus gallinaeeus omnis gallum hnpugnat nee possunt duo simul in
eadein galliuarum caterva locum obtinere, quod commode ad dy/ua-
yioyovg avriliqkovg et ad bella intestina vel civilia transferas.
Nee in his solis difficultas \ corrupta etenim sequentia , in quibus
ifiQVGtjt xceoa M. , posteriori am v\ nsutato, teste J. Franzio. Wovori
xüotj Aug., tdovörj ßccorj R. Ex bis proxima verae lectioni
Med. illa Idgvoqi xaor\, quae quidem 2 in K mutatuni monstrat,
et verum invenit jam egregius G. Canterus n. 16: „Puto Aeschylum
scripsisse idovörfg aor}.
Sed quid facias partieipio t&Xovaal De hoc cum desperarent
interpretes, multis conjeeturis locum vexaverunt, Wackef. utjdi nrt-
oovo ', Hermannus firjd'' l^iSovd1 scribendo, alii aliter. At vero ex-
plicatione vocabulum indiget, quae in promptu est. 'E^atotiv enim
eximere vel exserere, promere, eoque excitare et in eonspicuo po-
liere: Soph. Electr. 1419 tioXvqqvzop yao alfi vnsizaioovGt rtov Kra-
vövtwv oi nalai &av6vT£g , ad quae minus aecurate schol. txyjovoi
t6 alfjtcc r(x)v (fov&vGävxwv oi (povsvd-ivrsg , quamquam probatus ab
Ellendtio in lex. Soph. s. h. v., qui pejus etiam: morte s. occisione
de medio tollere. Qua enim alfj.ee occisione de medio tolli potuit?
quod tali nexu ipsam mortem indicat. Hermannus significationi pri-
mariae inhaerens {vjis&ciquv est oeculta et recondita promere. Oed.
R. 227. Eurip. Hipp. 633.) verbis: clarn promunt, i. e. excitaut
caedem vel ad caedem oeculto compellunt. — Cor sedes animi tarn
f'ortis quam timidi habetur, utque Homerus cervi corde timiditatem in-
dicat, II. a, 265 xvvög ö/ufjat tyiav, zoadirjv <T IXäyoio , ita Aeschy-
ius animum audacem xaqdktv aX£xxoqog nominat, sed audacem in
vixis internis et ad decertandum paratum. Ceterum notanda inirä
Wieseleri verborum interpretatio xaodiag — Idovoat / scribentis.
67
Vertit: „Neque vero eximes tanquam e corde gallorum, ot in civiuin
meorum pectore colloces martern domesticum." Quid vero? opasne
auiaimn puguacem galli gallinacei exirnere, hosque inanes relinquere,
ut eum in cives transferas? Et quid hoc ipsum, gallis animum velut
intestina exirnere et alio transferre? Struas igitnr: fiyds sv rotg
8/iiotg dazoiai l§Qvorigy'AQrj IfxtfvXiov, i^sAovaa (sc. : ovtöv) wg xctQ§iäv
äXsxroQcov. „Neque constituas in civibus rneis martern domesticum,
exserens eum et in lucem proferens velut animum gallorum", i. e. ne
efficias, ut cives mei de rebus domesticis inter se decertent deprae-
liantium instar gallorum.
Notanda item minor sane, non tarnen praetermittenda Dindorfii mu-
tatio, m]t pro /ut]d' scribentis. Poeta saue sententiae, quam a versu 2n>
<T ip rönoiai rolg i/uocoi utj ßäfyg inchoat, praedicata forma oratio-
nis disjunctivä subjungere voluit per /utjrs — juijts, sed cum in priore
disjunctionis membro amplificaudo jwjd' aljuart]Qag x. r. X. duos ver-
sus insumsisset, pro altero levi anacoluthia sententiam posuit novam
et iutegram: fxrjd' i&2.ovo — IdQvoyg "AQt] x. r. X., addens insuper
lp xolg i/uoig dotoloip, quod nsQiTroAöywg fieret , si disjunctio servata
esset. Nam idem continent verba ip ronotai toig i/uoig in praece-
dentibus extra disjunctionem et ita posita, ut ad utrumque ejus mem-
brum pertinere debeant. Vidit Wieselerus quoque, quid justa mem-
brorum disjunctio requireret, nempe /utj ßdfyg &iqyüpctg, //^J" i/u(pü-
XiopvAQtj, quamquam non ubique /utjrs et jutjds sese excipere possunt,
ut ille videtur statuere, sed in illis tantumlocis, in quibus posteriore
disjunctioue majus et significantius priore continetur. Interiorem autem
loci oeconomiam qualis illa ex anacolutho prodiit, nee ipse perspe-
xit, dum dicit, „vel sie" inepte procedere verborum strueturam, ut
interpolationi, quam tetigimus, locum patefaceret.
v. 865. (")vQctlog tGrco TtöÄeuog, ov uoAig necowp ,
*Ep 10 tis bozai detpog svxAei'ag totog.
9*
68
Cogitare poetam de bello sui aevi Persico magno illo et glorioso
perspexit jam glossator Aug. super &vocuog ponens 6 nsooixög. Nee
alker Hermannus, alii. Non igitur erat, quare de verbis ov fiöfag
mtQtov dubitarent, quae ov pofag, naoeov distinxit Wieselerus, tj
«o//s nciQiov scripsit Hermannus, et mox adest (er ist bald da) ver-
tit J. Franzius, sequutus, ut videtur, scholiasten, qui ov fxaxqctv naq-
6)v explicat. Est /usiojaswg species, quam eadem forma habet Agam.
1052. 'Ati(6?,£öccq yao ov /noÄig to (hvrzQov , et in similibus Sept. c.
Tli. v. 447. Eofttj/Ltdr iGtca J" äamg ov ö/mxqov tqotiov de insigni or-
natu, et Pind. Pyth. II , 32: ovx avsv x£%vc(g de dolo maximo et per-
niciosa Est igitur ov fxohg naqwv i. q. Gifödocinaoubp , nenipe Mars
ille Syrius , de quo Delphicum oraculum Athenieusibus dira haec ca-
nebat ap. Herod. VII, 140. s£ /ueÄeoi, xt xä&tjG&i;; Xmwv (ptvy
to/arn ycefyg, Ovrt yao tj xttpah] ju£vsi tjUTiedov ovrs to ocoua . . .
y.c.Ti'. yccQ fiiv iqsCnsi TIvq ts xcu o%vg "AQfjg^ ^VQiqykvsg cco/uet diwxwv
;r. r. ä.
At vero miraculi instar quod jubet et hortatur Minerva Övoaiog
kGTw nöXtpog x. r. %., ubi vaticinari debet et vaticinatur iv a> rig
Unat x. r. X., ubi hortationi locus erat. Haec aperto avio xcitw fluni;
sed leni manu sanes, jutTa&£ou iniperativum et futurum suo loco
collocans.
("Jvot'log torat nÖÄt/uog ov fxöhg naqwv ,
Ev o) rig I'gtuo dstj'og svxAeiccg toojg.
Nunc demum recte subjungit: *Evoixlov d' bovi&og ov Myw /ua-
Xr/i>, i. e. nibili facio, despicio, utpote in quibus gloriae nullus locus,
et eo quo debent ordine omnia procedunt: „Nee internas in urbe
mea pugnas excites." Vcniet peregrinum bellum magno cum impetu.
atque in eo cives mei maximum illud gloriae desiderium exhibeant,
quae nulla esse polest in turbis civilibus.
69
Internum bellum, Opposition externo, xtvoaiw indicat iwixiov op-
vi&og fxüyr\. Haec dum negat se dicere, ou As'yto, hoc non simpli-
citer est commemorari, quae Hermanni aliorumque fuit sententia, sed
nullo loco ducere, despicere, cum contemptu dictum, ut Soph. Autig.
183: Kai /btsiZor oGrig avrl rijg avrov näroag <f>iXov v'OfXiXsi , tovtov
ovSafxov fayu) , de quo cf. interprett. et Ellendt. lex. Sopli. T. III.
p. 17. Eorum enim, qui haec audiebant, animo obversabantur prae-
clarae illae Nestoris obtestationes II. *, 63 : 'Ag>(fijrwQ; cid-g/MGrog,
dvsGriög sgtiv sxslvog, "Og noAtjuov soarai tmdtjjutov , o-xöüo&PTög.
Splendidam haue orationem epilogo coucludit aptissimo:
Toiaix)-3 sXso&ai goi näosGnv «| s^wv,
Ei Sowoav, sv na^G/ovOav, sv riuw^isv^v ,
Xuioag f-israG^slv rijods dsoipiKsGr artig —
in quibus se excipiunt naosori goi steG&ai, et ins^jjyijaiv constituunt
%wQag fxstaG^stv sv dorioGav, quae sententia prior generalis per par-
tes explicatur. Possis wgrs post s2,so&ai goi uccqsgtiv Ǥ s/uov in-
telligere; sed neque hoc opus. At vero nexus totius orationis tur-
batus est. Cum euim in novem praecedentibus versibus nihil uisi
quod ad mala a Furiis imminentia averruncanda et ad Athenienses
nioneiidos spectet, exponi videas, ad haec quidem toiuv& bXso&ai
pertinere non possunt; ea autem, ad quae haec pertinent, et quae
de houore Furiis apud Athenienses destinato agunt, cum tantum
remota sint, apertum est, haec quidem non amplius audientium animis
ita inhaerere posse, ut roiavif sXsG&ai nulla alia re apposita illuc
referri possint. Hinc trauspositione opus judico, qua orationis ordo
constituatur bic: Primum monet dea Furias, siquidem vetustiores eoque
sapientiores sint, ob id ipsum ne prudentiam sibi quoque a Jove da-
tam despiciant, haneque deineeps eo explicat modo, quo bis jam in
praecedentibus fecerat, primum, ut preces adhibeat, quibus a maus
Atticae infereudis Furias sevocet, deinde vero, ut honores ei, si-
quidem obsequiosae esse velit, ab Atheniensibus habendos promittat.
70
His ita positis servatur eadem, quae in utraque oratione praegressa dis-
positionis ratio, et jam commode epilogum addere potuit roucvfr' kXia&m.
Iuvabit auteni totnni locuni adscribere, qualem cum constiluimus:
'Ooydg %vvoIgü) aoi- ysoanhoa yäo et'
Kai ztöyn /.up ov xäQTy i/nov ooyxozh'Qa ,
4>qopup dz xd/uol Zsvg tdwxsp ov xaxcög.
J£v (f ip xonoioi roig i/uoiai juij ßäXyg
Mi]d-} al/ucntjQCig &rjyäpag, 07zAay%pcop ßXaße.g
JVicop , v.oivoig i/u/uaptfg xJ-v/uojjuaoi ,
Mrjff i&Xovo1 tog xaodtap äXsxroowp
*Ep roig i/uotg äotolaip IdQvGflg "Aqtj
3E/n<pvAiop re xccl noog dAAijAovg &qccgvp.
QvQcdog total noÄejUog 3 ov fxöXtg TiaQOjp ,
*Ep u} rig torw dsipog svxXstag towg.
'Epoixiov <T OQPi&og ov Xiyo) ptkpjv.
'YfM-ig <T ig atäoipvXop iXdovoai %&6va
rijg rjysff ioao&tjoso&s , noovppsnto rddi.
OvniQQscop yäo rtjMWTSQog %oöpog
"Eorai noXtxaig rolgde * xal ov riuCap
"Edoap tfiovoa noög (fö/uoig ^Eosx&swg
Tsv$ei naQ ccpöomp xal yvpaixsiwp otoäwp,
'Öoojp nao' aXXojp ovnox up O'/i&oig ßooTWP.
TotavS-' bÄto&ai oot näosovip 0; i/nov,
Ev dowoav, sv ndogovoap , sv rijucofiepr/Pj
Xojoag jusraG^sTp rrjgds &so(fiXsoräj^g.
Non opus, quod monear», liaec quoque, quae praedicit: lYfisig
(T ig . . . igaoS-rjoea&s nunc habere, quo nitantur, ea nimirum, quae de
magno illo hello et de Atheniensium praeclaro gloriae in illis pugnis
studio cecinit. Ex Ins enim futura Atheniensium magnitudo orietur.
quae desiderium Atticae terrae movere in postero aevo Furiis debeat.
DE LOCIS
IN
P. CORNELII TACITI VITA AGRICOLAE
LACUNOSIS
DISSERTATIONEM
CLASSI PHILOLOG. AC. MONAC.
DIE IX. MAU ANNI MDCCCXLVU
EXHIBITAM
PRAECEDENTI EPIMETRUM
ADJECIT
FRIDERWüS THIERSCH.
DE
LOCIS IN P. CORNELII TACITI VITA AGRI
COLAE LACUNOSIS DISSERTATIONEN.
Cum de locis Acschyli lacunosis egerimus, haud inconimoduin
visum est, dissertationi, qua de Ulis tractatur, epimetri loco subjun-
gere alteram de lacunis, quibus oratio Tacitea in Vita Agricolae
etianmum hiat. Interpretes enim fere omnes 11011 tani in Ulis inve-
stigandis atque demonstrandis, quam in eo versati sunt, ut, quae
discerpta et inconcinoa e reliquorum ruina eminent, aliquo modo con-
sarcinarent aut quadam ratione dici posse contenderent, quae res et
miras explicationes protulit, et orationem reliquit multis vitiis conta-
minatam.
Codices manuscripti Agricolae pauci sunt iique recentes^ quippe
qui saeculum XV. non superent. Ex uno fönte eorum orationem de-
rivatam esse inde concludi potest, quod in principibus corruptelarum
locis easdem lacunas aut eadem lectionum monstra exhibent. Eadem
Abhandlungen der I. Cl. d 1i. Alt d. Wiss V. Bd. II. Abthl. 10
7 1
Geriiianiae et dialogi de rhetoribus conditio, neque dubiuni mihi vi-
detur, tres hos minores libros Taciti majoribus postpositos finem
constituisse tum reliquorum codicum Taciti integrorum, tum illius, qui
saec x. ductibus Lombardicis exaratus et initio atque fine destitutus
in bibliotheca Medicea Florentiae asservatur, quem, si priores Auna-
lium libros excipias, nniversae Annalium et Historiarum lectionis ori-
ginem esse jam omnes interpretes profitentnr. Statuendum igitur,
saeculo XV., cum über ille misere habitus detegeretur, ultimos ejus
quaternioues a reliquo corpore divulsos fuisse, unde factum est,
ut seorsim haberentur et librariis inservirent, qui nulla reliquorum
cina Agricolam ant Germaniam aut dialogum describerent. De Ger-
mania id nunc quidem summa diligentia et antiquae diplomatiae peritia
monstravit Job. Ferd. Massmannus, qui nuper Germaniam integra
manuscriptorum lectione instructam edidit. Eadem prorsus est Agri-
colae natura et conditio, cujus duo tautum Codices Vatic. A. B. ac-
eurate cogniti sunt, ductu nitido et ita descripti, ut facile perspicias,
librarios in expendendis et reddendis scripturae siglis saepius hae-
sisse aut falsos fuisse. Quo pervenerit priscum illud exemplar, id
quidem hucusque investigari non potuit, uec tarnen desperandum est,
fore ut in aliquo Italicarum bibliothecarum loculo vel latibulo inve-
uiatur. Praeter utriusque codicis Vaticani collationem, quam satis
accuratam Dronkiana exhibet editio altera, a Wexio e codicibus
duobus, quos r. A. notat, publicatae sunt sparsae lectiones in pro-
grammate de Taciti Agncola a 1845 edito. lüde Joh. Casp. Orel-
lius, vir praeclarus, sperat multo plura et accuratiora a Wexio ali-
quando subministratum iri, et certam xqCgiv diplomaticam tuuc demum
in hac Taciti cura exercitum iri, ubi Wexii editio diu exspectata
prodierit. Nos quoque quod felix faustumque sit in ea re optamus,
sed quae specimina Wexius e codicibus suis protulit, quicunque de-
miiin illi sint, documento sunt, hos non melioris esse notae quam li-
bros Vaticanos. Editio princeps Taciti, quae Vendelino Spirensi
debetur, Agricofam ignorat, quem primus seorsim, mox cum reliquis
75
Taciti libris tunc cognitis edidit Puteolanus. Hujus textus cum a
Codd. A. B. non raro recedat, interpolatum ab editore jodicat cum
aliis Orellius, de qua re nulluni certum datur Judicium. Cum primus
Agricolam Puteolanus ediderit, libellum nonnisi e manuscripto codice du-
cere potuit. Huoc ab utroque Vat. codice diversum flösse, magna
lectionum in multis locis diversitas docet, dissentiunt etiam saepius
quae Wexius e Codd. r. A. attulit. Quis vero codex fuerit,
num servatus ille ad nostram memoriam sit, et. quo lateat loco, cum
omnes ignoremus, Judicium nulluni institui poterit de iis, quae ex ejus
scriptura fluxerint aut Puteolani ingenio debeantur. In Universum
judicanti probabilius est, Puteolanum cum fide exhibuisse, quod scri-
ptum aut invenit aut se inverüsse credidit, quamquam priscis illis
editoribus non magis quam librariis nulla religio esset, non monito
lectore corrigere, quae aperto corrupta judicarent. Accedit, quod de
codicum adhuc exstaiitium lectionibus nequaquam dubitationes omnes
sublatae sunt. Ita quae ab initio notatur ab Orellio lectio: „petissem
ni cursatnrus tum" cum Put. B., ea in Puteolani quidem libro est.
sed in cod. B. petiissern incusaturus tarn exstat. In eodem seria
(i. e. saevia) et infelicidj quod Wexius e C. J. attulit.
Ac mihi quidem opinio suborta est, codicum primorum et reli-
quorum parentem Puteolani aevo adhuc superstitem, eiqne in ador-
nanda Agricolae editione ad manum fuisse. Continent enim ejus
editiones lectiones non paucas, quas e compendiis scripturae diffici-
libus et evanidis pervetusti libri ductibus majore minoreque cura aut
recte aut perverse ab ipso editore extricatas credas. Sed, de Ins
nunc quidem agere non est animus, verum ad propositnm transeamus.
Cap. 8.
Brevi deinde Britannia consularem Petilium Verteilern accepit. Hn-
buerunf virtutes spatium exemploriim.
10 *
70
Spatium est, quo virtutes sese exercere et excurrere poterant.
Sed hoc ne in Tacitea quidem brevitate spatium exemplorum dici po-
tuit. Nou enim exempla seu exemplum ducis id praebuerunt, sed
Cerialis expeditiones et in viris idoneis eligendis prudentia, quam
seqq. monstrant: „Sed primo Cerialis modo labores et discrimina,
mox et gloriam communicabat; saepe parti exercitus in experimen-
fum, aliquando majoribus copiis ex eventn praefecit." Eodem spe-
ctat locus, quo usus est Doederlinius, vir praeclaros mihique dile-
ctissimus Annal. XIII, 6. „videbaturque virtutibus locus patefactus.
Huic igitur spatio, quod virtutes habuerunt, accessit exemplum ducis,
tauquain altera pars praeclarae illius disciplinae bellicae. Seite, ut
solet , Lipsius , magnus Taciti restaurator : „Ego sie lego. Habuerunt
virtutes spatium et exemplum. Sed primo Cerialis modo labores etc.
hac sententia: Cerialis et spatium campumque exercendis virtutibus
dedit et exemplum ct." Nulluni tarnen particulae et vestigium, neque
darum, unde syllabae orum origiuem habuerint. Itaque lacunam
quatuor syllabarum statuo et scribendum judico: spatium exemplum-
que superiorum. Plurali usus est, ut tauquam sententiam universa-
lem adderet: exemplum, quäle a superioribus dari potest.
Cap. 10.
. . . insulas, quas Orchadas vocant, invenit domuitqne. dispeeta est
et T/tule, quam hactenus nix et hiems appetebat. Sed mare
pigrum et grave naviganlibus perhibent ne ventis quidem prffi-
inde attolli.
Ita Puteolanus; Frobenii editio despecla et perinde. Rbenanus:
„Scribo abdebaf, hoc est: oecultabat." Idem despeeta in dispeeta
mutavit aut e Puteolano reduxit. Sequuti sunt Lipsius, Pichena, alii.
Cod. Vat. A. abdebaf. , B. jussum et hiems appetebat. Idem jussum
et e cod. J. a Wexio notatur.
77
Haec corrupta esse statuunt fere omnes, et Orellius crucem inter
voces: quam hactenus posuit. Defendere ausus est Doederlinius sup-
pleudo ad quam hactenus voces invenit domuitqne. Sed quomodo
classis Romana non invenisse soluin, sed domuisse quoque dici potuerat
insulam, quam nonnisi et longinquo dispexit i. e. ne clare quidem di-
stinxit? Nee acumeu inveniri potest cum Doederlinio in eo, ut quasi
dispexisse terram aliquam populo Romano paene idem haberetur ac
domuisse, seeundum Caesaris illud: veni, vidi, vici. Hoc enim supinae
jaetantiae esset, non Taciteae gravitatis, siquidem contenderet, suffi-
cere fere Romanis ad domaudam insulam, si vel e longinquo dispi-
ceretur. Ab bis longe diversum est, quod ipse Agricola c. 33 non
sine gloria coram exercitu dicit: inventa Britannia et subaeta. Exer-
citum enim alloquitur ejusque pugnandi cnpiditatem incendere studet,
non vero bistoricum agit; quo accedit, quod Caledoniam ingressus
est, ejusque proxima exercitu forti stipatus obtinet. Adde, quod ne
coustruetio quidem procedit, cum neque „hactenus, i. e. in eum usque
locum, ut dispiceretur invenit", Latinum sit, et „eum usque in locum
domare" sensu careat. Dronkius scite, ut solet, notat: Equidem puto
corruptelam latere in verbis: hactenus nix et vel jussum et, ex qui-
bus quid sit eliciendum nondum perspexi." Lectio codicum duplex :
hactenus jussum et atque hactenus nix et monstrat, in textu prisco
fuisse fere duetus: JUSSUMNIX, ex quibus alter librarius jussum,
alter nix derivaret, reliquis litteris neglectis. Orellius, qui et ipse
locum corruptissimum judicat, Handium, virum litterarum Latinarum
scientissimum, commemorat, qui Tursel. III, p, 10 multas multorum
iuterpretationes et conjeeturas examinet additque: „Puteolani autem
scripturam nix pro jussum prorsus arbitrariam esse etiamtum nescie-
bat. Recte Wexius Program. p. 10 eam emendationem ab illo fa-
etam moustris adnumerat." Cum vero eadem lectio in codice Vat.
B. quoque oecurrat, Puteolano saltem non recentiore, baud dispicias,
quomodo emendationibus Puteolani adnumerari possit? Summa autem
iniquitas memoriam viri ceteroquin eruditissimi et perspicacis onerare
78
emendationes ab ipso factas dicendo easque monstra appellando, quae
aperto codicis, quem exprimebat, corruptelae sunt. His autem si in
salutein scriptoris uti non possis, culpam saltem in alius vituperium
ne couvertas. Textus autem aperte lacunosus, quem suppleverim et
emendaverim scribeudo: „nam hactenus penetrare visum, neque nix
et hiems abdebat." Sed mare ct. — Visum in jussum abiit, neque i.e. nq
vocula sequente nix oblitterata fuit. Penetrare autem de expeditio-
nibus bellicis solemne. Vellej. Paterc. H. II, c. 40: Secuta deinde
Cn. Pompeji militia . . . Penetratae cum victoria Media, Albania,
Iberia ct. Annal. IV, 44: (Domitius) exercitu flumen Albim transcen-
dit, longius penefrata Germania quam quisquam priorum. Agric. c. 27:
Penetranda Caledonia inveniendusque tandem Britanniae terminus.
Agric. c. 34 : silvas saltusque penetrantibus fortissimum quodque ani-
mal ruere. Classis igitur Thulen i. e. insulam, quam Thulen puta-
bat, non attigit, visum enim eatenus tautum penetrare, qua Thule
dispici poterat. Quaeres, quare non ulterius provecta fuerit? Vulgo
credebant istas extremas regiones septemtrionales gelu et hieme ri-
gidas et inhabitabiles, Hör. Od. I, 22 v. 17 seqq.: „Pone me pigris
ubi nulla campis Arbor aestiva recreatur aura, Quod latus mundi ne-
bulae nmlusque Jupiter urget", quod illustratur Lucan. IV. 106.
„Mundi pars ima (i. e. latus mundi) jacet, quam zona nivalis Per-
pefuaeque premutit hiemes. Hinc credas, vulgi fuisse opinionem,
Thulen adiri non posse, utpote nivibus abditam et gelu atque glacie
concretam. Negat igitur Tacitus, hanc causam fuisse, quare non
ultra oceanus penetraretur, sed aliam, quam deinceps aperit, a natura
maris septemtrionalis repetitarn. Hoc eriim tarn pigrum et navigan-
tibus grave perhiberi docet, ut ne ventis quidem proinde i. e. eo,
quo par est et exspectes, modo tollatur, eoque navigantibus et in
defectu ventorum ad remigia coactis adversum. Non igitur hiemis
rigore, sed oceani borealis natura impedita fuit classis, quominus
ulterius penetraret et Thulen ipsam attingeret. Hoc concisa, ut so-
let, brevitate dicit Tacitus: „hactenus penetrare visum, neque nix et
79
hiems abdebat. Sed mare pigrum . . . perhibent ct." Neque tarnen
nivis et biemis, sed oceani natura ad ulteriora nitentibus obstitit.
Ceterum apertuai est, in cod. archetypo verbi abdebat, consonantes
priores bd siglo fuisse iudicata», quod Puteolanus in ppet (appetebat),
recte Vat. A in bd solvit, prius sine sensu, quamquam nostris qnoque
diebus defensores nactum sit.
Cap. 15.
„Singulos sibi olim reges fuisse, nunc binos imponi, e quibus legatus
in sanguinem, procurator in bona saeviret, aeque discordiam
praepositorum, aeque concordiam subjectis exitiosarn. alterias
manus centurionis, alterius vim et contumelias miscere."
Ita Puteolanus et Frobenius. In his B. lihenauus centuriones
correxit, quem Lipsius et Pichena sequuti, uterque ulterius pro-
gressiv. Ac Lipsius quideni, alterura .... alternm in margine cor-
rigens, baec addit in notis: „Corrigo, alterum manus, centuriones,
alterum vim et contumelias miscere. Legatus quidem, inquiunt, ma-
nus militum et centuriones immittit; procurator vim et contumelias
infert. Fortasse etiam melius: alteruis manus, centuriones, alternis
vim et contumelias miscere, ut velit eos alternis et vicissitudine
quadam saevisse." Pichena de majori mendo se suspicari ait, sed
tarnen in Salinerii sententia acquiescit, qui putat, Tacitum omissis de
discordia probationibus, ut per se claris, de propositorum concordia
tantum loqui, alterius, scilicet legati, concordiam manus et centuriones
procuratori commodare, alterius i. e. procuratoris concordiam vim et
contumelias circa praedas et raptus legato permittere." Is igitur simile
quid cogitavit eorum, quae c. 6 de Salvio Titiano, proconsule Asiae,
et Julio Agricola, quaestore ejus, refert Tacitus : priorem, „in oinueni
aviditatem prouum, quantalibet facilitate redempturum fuisse mutuam
dissimulationein mali." At vero haec ratio non sincera, sed turbida
et menti scriptoris contraria, quippe qui ea sublecerit, quae et con-
so
cordibus et discordibus propositis fieri soleant. Interim Fulvius Ur-
sinus e eodice suo i. e. Vat. A. lectionem: „alterius servos vim"
protulerat, non inultiim diversus a Vat. B., qni „alterius manum cen-
lurionis, alterius servos", quae vel sola mons traut, recte vidisse
Pichenam, cum suspicaretur, gravius mendum loco inesse, quem ul-
ceratum et verborum confusio et lectionum haec diversitas monstret.
Quidni enim et procurator manus habeat, quaecunque demum eae
siut? et si, quae recentiorum interpretum plurium est seuteutia, manus
explieaudi causa additum fuerit, quaeras, quare opus fuerit indicare,
ceuturiones alterius i. e. legati manus esse, quod nulla prorsus ex-
plicatione atque indicatione egeref? Doederlinii : „alterius manus, cen-
turiones alterius, servos vim et contumelias miscere" quae eodem vitio
laborant. Tribuuntur procuratori manus nulla addita vocula, qua in-
dicetur, haec inetaphorice de ministris dici, legato ceuturiones, qui
et ipsi ejus manus sunt, servos autem dicit se revocasse ex Vatt.
addito lacunae signo (quod nulluni in textu); suspicatur enim ex-
cidisse utriusqtte. De sensu dubitatio nulla, quem et locus Annal.
XIV, 31 a Dronkio adbibitus monstrat: „quod contra vertit , adeo
ut regnum per centuriones, domum per servos velut capta vertere-
tur"; sed oratio hiulca et lacera, quam restitua.- scribendo: alterius
mancipia, centuriones alterius ut in servos vim et contumelias
miscere.
Nempe legatus per centuriones, procurator plerumque per liber-
tos et servos, quos cum contemtu vocabulo mancipia comprehendit
vim et raptus atque contumelias exercebat. Mancipia non intellecto
conipendio, quo scriptum fuit, in manus et w?«mwi abiit; voculae ut in
ob similitudinem praecedeiitium syllabarum terms extritae sunt. Eadem
ruina in cod. B. et Puteolano v. servos quoque traxerat. Sensus se
ab utrisque pro servis se haberi, et servorum in modum ut a dominis
vim et contumelias pati.
81
Cap. 17.
Et cum Cerialis quidem alterius successoris curam famamque ob-
ruisset, sustinuit quoque molem Julius Frontinas, vir mägmis,
quantum licebat.
Haec lectio est inde a Puteolano in editionibus tradita. Sed dubi-
tationem movet quidem, \erhis et quum Cerialis postpositum. Conten-
dit quidem Dronkius, voculam non frigere, sed majorem vim voca-
bulo Cerialis addere; id vero recte se habet, si simpliciter et Ce-
rialis quidem dicitur, appellativo in fronte sententiae posito, non
item illato quum, quo temporis notio appellativi notioni admiscetur.
Accedit, quod quum ab utroque cod. Vat. abest, item a cod. r. A.
Altera diversitas in vv.: sustinuit quoqne molem; nam cod. A.\ su-
stinuitque molem exhibet. Hinc orta Orellii mutatio: „et Cerialis qui-
dem alterius successoris curam famamque obruisset, sed sustinuit
molem Julius Frontinns", qua ratione nemo, puto, veterum locutus
est, ut sed inferret, ubi nisi expectas. Doederlinius vulgatam reti-
nuit, et quoque ad vv. Julius Frontinus referendum esse contendit,
„insoleutiore, inquiens, hyperbato, quam XI, 13, X, 14", sed ob
haue ipsam causam non admittendo. „Quare suspicor", ita pergit vir
doctissimus , quoque ex seq. locorum quoque per diGGoyocHplav na-
tum expulisse quod hie scriptum erat. „Et cum Cerialis alterius suc-
cessoris curam famamque obruisset, sustinuit quidem molem Julius
Frontinus"', id vero vel hac de causa improbandum, quod tali in situ
quidem vim minuit, non äuget, ut fieri debet. Supplendum enim:
et sustinuit quidem molem, sed non tantum, quantum auf poterat
aut expeetari debeat aut simile aliquid.
Locus autem laborat etiam in vv. alterius et obruisset. Prius
poni dieunt ut Graecum hiQov xivög, idque pro cujusque alte-
rius vel uniuseujusque alterius successoris, quieunque ille fuerit.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 1 1
82
Hoc vero simplici vocabulo alterius absque cujusque dici non potest,
neque probatur exemplis a Walchio ad h. 1. et Freundio iu Lex.
allatis, ad quae provocaut. Solum subsidium lectionis erit, si intel-
ligimus: alterius quam Julii Frontini.
Obruisset autem defendi non potest. Non enim factum fuerat,
quod factum cogitando poneretur, poni autem non poterat. Scire
enim nemo poterat, quinam post Cerialem legati venturi essent, qua
gloria, qua prudentia praediti, ut pronunciare eis licuisset, nunqnam
tale quid factum iri neque id narrationi intulisset Tacitus post
verba: Sed ubi cum cetero orbe Vespasianus et Britanniam recupe-
ravit, magni duces, egregii exercitus. Haec enim monstrant, nume-
rum virorum, a quibus magna exspectare liceret, Vespasiani aevo
insignem fuisse, cum sub ejus principatu vel in una provincia magni
duces sese exciperent, Vespasianus autem tanta esset in hoininibus
dignoscendis peritia atque prudentia, ut dignissimos facile distin-
gueret et in suo quemque loco poneret. Temerarium igitur esset,
quod Tacito de Cerialis cura et gloria tribueretur Judicium; quod
ne fiat hie quoque orationem mancam statuere debemus.
Itaque scribendum puto : Et Cerialis quidem quum alterius cujus-
que successoris curam famamque obruere nisus esset, sustinuit quo-
que ct. Jam et ... . quidem usu Iegitimo. adhibentur, Puteolanus
autem quum, loco suo motum, ad initium retulisse censeudus est;
cujusque ob similitudinem praecedentium syllabarum ms excidit,
öbruisset autem ex syllabis obr .... vi ... . esset, i. e. e reli-
quiis vocabulorum obruere visus esset, superstes mansit. Quoque
recte se habet, cum brevitate dictum pro: Frontinus non solum non
obrutüs fuit, sed sustinuit quoque molem ct. Non jam refertur, quid
factum fuerit {cum öbruisset), sed res omnis ad Judicium hominum
et opiniones transit. Tanta fama provinciam curavit Cerialis, ut
83
videretnr obruere famam cujusque, qui post eum eandem cnram
suscepturus esset.
Cap. 20.
. . . et praesidiis castellisque circumdatae sunt tanta ratione cura-
que, ut nulla ante Britanniae nova pars illacessita fr ansier it.
Ita omnes, nisi quod Puteol. Vat. B. J. et ut pro simplici ut
habent, particula altera ex altera orta. Sensus nullus. Sermo enim
de re generali, qua nova pars Britanniae, quae tiinc transiit, re-
liqnis, quae antea transierint, opponitur omnibus. Jam si nulla antea
Britanniae pars nova illacessita transiit, quid hoc ad partem, quae
tunc sub Agricola transiit? et haec quomodo per ut jungi possunt?
quomodo cura atque ratione, qua Agricola in castris et praesidiis
ponendis usus est, effici potuit, ut ante, i. e. ante ejus curam, nulla
nova pars illacessita transierit i. e. in possessionem Romanorum ve-
nerit? Haec igitur portenta sunt, ex re praesenti derivare velle
quae ante facta sunt, et ne verum quideni hoc, quod nostro loco tale
monstrum praetendit. Nempe nullae illacessitae transierant ante novae
Britanniae partes, quod in seqq. narrat c. 22: „soliti fuerant Bri-
tanni damna aestatis hibernis eventibus pensare.u Inde patet, quo
vergat oratio et quid velit. Nempe cum ante Agricolam gentes novae
fide uon firma agerent, sed data per hiemes occasione arma cape-
rent et damna aestiva hibernis successibus compensarent, nunc qui-
dem aliter evenit, seil.: prudenti castellorum dispositione et cura
effectum, ut armis aestate positis Britanni hieme uuiescerent neque
pacem lacesserent.
Jam dudum exstiterunt, qui loco graviter laboranti suecurrere
niterentur. In his Boxhomius , qui omnino mendosum locum existi-
mat, legendum proponit: ut nulla inde Britannorum pars illacessita
11 *
84
(ransierit, ante in inde, Britanniae nova in Britannorum conversis.
Sensnm explicat: „ut ex eo tempore nulli rebellinm Britannorum
illaesi et sine clade ea loca transire potuerint." Hoc mirum sarie,
alque ipse subnectit vir probus et industrius: „Sed ne sie quidem
niihi satisfacio. Ad feliciora ingenia provocandum." Nostro aevo
.successere Duebnerus et Wexius. sed quorum acumen in hoc conatu
desideres. Locum enim ita discerpunt et mutant: Tanta rattone cura-
que, ut na IIa ante Britanniae nova pars, Illacessita transiit se-
quens hiems, sahiberrimis consiliis absumpta. Eo quid efficitur?
primum, ut sententia principalis, quae a verbis: ut nulla ante Bri-
tanniae nova pars ineipit, nervo suo privefur, quo, neque si per se
spectetur, neque si praecedentia: tanta ratione curaque, respicias,
ullo modo carere potest. Haec enim ita disposita et inchoata sunt,
ut particula, quae sequitur, cum verbo (ut — trausierit) necessarie inde
pendat. Deinde post sententiam levem et vi carentem: ut nulla ante
Britanniae nova pars, initium sequentisperiodi, simplex atque aper-
tum, sequens hietns sahiberrimis consiliis absumpta, oneratur verbis
non sine mutatione praefixis absque usu ullo: illacessita transiit.
Nulla enim octo annorum, quos Agricola in Britannia egit, hiems
lacessita fuit; neque opus fuit, hoc de seeunda hieme referre. Mo-
net quidem Duebnerus hoc: „Altera hiems (prior nempej illacessita non
fuerat, cum transveeta jam aestate expeditionem in Ordovices inci-
piendam indicasset." Sed haec expeditio in auetumni tempus inci-
derat et brevi erat perfecta. Et si de ea cogitaretur, lacessita dici
non poterat, quae vox de hostibus Romanos lacessentibus, non de
his dicitur, qui barbaris bellum inferunt. Haec igitur ratio, quam et
Orellius sequitur, prorsus erit rejicienda. Veram viam jam ingressus
erat Freinshemius: „Putern", inquit, legendum: „ut paulo ante Bri-
tanniae nova pax illacessita tnanserit." Haec perversa quidem ; ne-
que enim sensnm praebent, quem vult Freinshemius: „Hoc", iuquiens,
„egisse praedicat illa tanta ralione curaque, ut conservaret pacem
ante vix notam". neque patet quo \stnd' paulo ante pertineat. Recte
85
tarnen vidit, pacta not io nein requiri ad sensum explendum, et laces-
sitam pacem alibi quoque dixisse auctorem, Arm. IV, 32: „immota
quippe aut inodice lacessita pax." XV: 2: „(Romani) pacem ipsis
nunqoam prospere lacessitam nunc quoque in exitium abrumpunt."
Nou vero dubium est, sedein corruptelae inter: pars — illacessita esse,
seu potius Iacunae, quam haud cunctanter ita expleas: ut nulla ante
Britanniae nova pars pace tarn illacessita transierit. Voculae: pace
tarn, quibus sensus integer constituitur, haustae sunt vocis pars simili-
tudine.
Cap. 24.
Soltim (Hiberniae) caelumque et ingenia cultusque hominum haud
mulhtm a Britannia differunt, in melius. Aditus portusque per
commercia et negotiatores cogniti.
Ita codd. V. A. B. et A. et edd. ante Rhenanum, qui in casti-
gationibus p. 470 ait: „Prodigiose corruptus locus est. Lego diffe-
runt. Ejus adifus portusque per commercia et negotiatores cogniti.
Ejus seil, insulae Hiberniae." Vox ejus otiosa et nulli interpretum
probata. — Cod. F. suppresso in legit: differunt. melius aditus, quem se-
quitur Orellius. Acidalius: differunt nee melius. Muretus: differunt
in melius, quod Dronkius reeepit. Doederlinius: differt; in melius.
Idem differunt Rhenani commentum appellat et differt ad extremam
vocem, culttts, singulari numero verbum relatum dicit, ut Ann. IV,
49: quos vuluera, quos sitis peremerat. Cfr. II, 69. Hist. II, 78:
Germ. 27. Hoc scite et concinne. Sed post tot praedicata: solum
caelumque et ingenia cultusque hominum, durus et asper est singu-
laris, quum ad oinnia referatur, nee verum, pluralem numerum Rhe-
nani commentum esse. Jam vero quid facias praepositione in ante
melius? et si statuas, in melius idem esse quod melius, quaenam res
minus erat cognita, ad quam hie comparativus referatur? Nee tarnen
„differunt in melius" tolerari potuit. Si enim parum discriminis inter
80
ingenia cultusque, ut par erat apud cognatas et conterminas gentes,
inveniebatur , unde conjicere poterat Tacitus, hoc in melius esse, i. e.
esse inter Hiberniae et Britanniae incolas parum discriminis, idque,
quod intersit, in laudein aut coiiiniodiim Hiberniae popnlorum esse?
Haec nullani prorsus rationein habent, et labern traxit locus ex eo.
quod vox, quae tertium, quod dicunt comparationis continebat, exci-
dit et locum lacunosum reddidit. Scr.: haud muh um a Britannia dif-
feruut. Interiora fama tantum, melius aditus portusque . . . cogniti.
Apertum, totius formulae nonnisi primain syllabam in ruinae esse
superstitem. Interiora autem insulae si fama et rumore tantum in-
notuerant, factum est, quod idem dicilur de Caledonia c. 30, cujus
incolas reeessus ipse ac sinus, ntpote incognita Romanis, defen-
disse praedicantur.
Cap. 25.
Amplas civil ates Irans Bodofriam sitas, quid motus universarum
ultra gentium et infesta hostili exercitu itinera timebantnr.
portus classe exploravit.
Haec vulgata veterum editionum. Lipsius: amplä civitate trans
Bodotriam sitä. Veram lectionem amplexus uterque Vaticanus prae-
buit. Porro Rhenanus hostili exercitu in textu ponit, quod repertum
in cod. Vat. B., idem in castigationibus : „Opinor scribendum prius
classe exploravit", quod superfluum. Ernestius aut post sibi aut ante
amplas excidisse aliquid putavit. Sed situs corruptelae est in vocibus
Iwstilis exercitus, cui uon succurras recipiendo hostili exercitu. Neque
enirn doceri possit, quare hosfilis exercitus pro vulgato hostinm exercitus
dicatur, quorum non tarn exercitus quam copiae commemorari solent. Ex-
ercitu« plerumque de Romanis. Porro non est, quare hostilis exercitus
itinera timeantur, nee quare illa infesta dicantur, voce superflua, quia
hostium itinera cum respectu ad Romanos nonuisi infesta esse
87
poterant, nempe Romains. Haec igitur omnia unQosdiopvaa , nee
emolliuntur, si cum Doederlinio infesta itinera „invasiones" intelligas,
quae ne possunt quidein itinera dici. Non enim viae, sed insidiae
et impetus infesta, ut expertus Germanicus in expeditione contra
Clieruscos et magis etiam Quiuctilius Varus ante eum. Non meliora
Orellius, qui vertit: das drohende Anrücken der Feinde, quod nihil
peculiare contiuet. Nain qui in liostium terras iugreditur, infestas
eorum nQooödovs timere debet; et quod sua sponte intelligitur et ne-
cessario sequitur, non solet commemorari a sobrio scriptore, ut cau-
sam reddat, ex qua novum aliquid dux molitus fuerit. Scribendum:
quia infesta ab hostibus exercitus itinera timebantur. — Ab inter
infesta et hostibus extritum fuit litteris#A, quibus voces conterminae
praepositionem includunt. Deleta autem ea, hostibus, quod cum com-
pendio scriptum fuit, in hostili solutum est. Jam habes exercitus
Romain per loca paludosa et silvestria itinera, quae ab hostibus lo-
corum gnaris facile infestari potuerunt, et mox silvarum et montium
profunda milites jaetant a se superata. Exercitus si per se speeta-
tur, superfluum quidem; sed voluit de classe subjungere, quäle nempe
consilium Agricola ob huue ipsum timorem de ea habuerit. Quia in-
festa ab hostibus exercitui itinera timebat, classem in auxilium ad-
sumsit, ut portus exploraret et praetentaret. Hoc enim si fiebat, ut
loca circum jacentia perscrutaretur, detegi poterant liostium insidiae,
si quae erant. Simul exercitui, qui non multum a mari remota itinera
faciebat, auxilio et, si opus, refugio esse poterat. Portibus igitur
a classe oecupatis et exploratis copiae terrestres tutius agebaut.
Cap. 27.
At Britanni, non virtute, sed occassione et arte ducis rati, nihil se
ex arrogantia remitiere, quominus juventutem armarent ct.
Locus corruptus atque maneus. Orellius post Britanni crucem
posuit. Sed sedes ulceris in v. rati est, quia non dicitur, quidnaui
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rati fuerint. Non male Rhenanus: „Opinor legendum: irati, „quam-
quani nulla ratio est, iram Britannornm occasione et arte ducis mo-
veri. Successit Freinshemii solertia legentis: non virtutem, sed oc-
casionem et artem ducis rati, narratione haud minus manca. Nam
quae ad eam intelligendam necessaria essent: rati non virtutem , sed
occasionem et artem du eis esse, quibus superati essent, haec qui-
dem non possuut e nexu cogitando addi. Hinc strati vel fracti
proponit Acidalius, non reputans, haec si addantur, non ab hostibus
amplius sed ab ipso Tacito tanqnam suum Judicium pronuntiari, non
virtute Romanorum Stratos, quam tarnen snmmam fuisse praedicat in
praecedentibus , inquiens: „et fuit atrox in ipsis portarum angustiis
proelium .... utroque exercitu (nempe Romano) certante ct." Eo-
dem vitio laborat superati, quod Gruterus proposuit. Vero propior
Lipsius: „Putern commode expleri: arte ducis victos rati." Sed alia
quoque suspeeta. Recte Pichena: „ego ducis vocem redundare cen-
seo. Nam recte subintelligitur (intelligitur) et arte hostium." Ac-
cedit, quod in scriptore dictionis concinnitatem tantopere seetante
nequaquam praetermitteudum, oppositionem non justam esse, quae in
priore membro unum, in posteriore duo praedicata habeat. Itaque
vel ex his indieiis nequaquam levibus concludas, gravius orationi
subesse ulcus, idque apertius quoque docet locus geminus fere in
simili casu Julii Caesaris de bello Gall. VII, c. 29: „Ne se admo-
dum animo deinitterent, neve perturbarentur incommodo : non virtute
neque acie (al. in acie) vicisse Romanos, sed artificio quodam et
scientia oppugnationis." Hie locus si Tacito, ut mihi quidem admo-
dum probabile videtur, obversatus fuit, scribendum: non virtute ne-
que acie, sed occasione atqne artificio quodam superatos se arbi-
trati. His si fides non negatur, verba neque in acie et quodam
prorsus exciderunt, artificio in arte ducis abierat, et e vv. supera-
tos se arbitrati nihil nisi syllabae ra . . . . ti supererant. Reliqua
sonorum similitudo abstulerat.
89
Cap. 2S.
(Usipii) tres liburnicas adactis per vim gubernatoribus ascendere,
et ano remigrante, suspectis duobus eoque interfectisf nondum
vulgato rumore ut miraculum provehebantur, mox ad a quam
atque ut illa raptis secum plerisque Britannorum sua de-
fensantium proelio congressi ct.
Haec usque ad Rhenauum vulgabantur, qui remigrante et pro-
vehebantur reliquit, in seqq. vero mox hac atque illa rapti et cum
plerisque Britannorum scripsit, sensu utcunque consarciuato. Se-
cutus est Lipsius. — Pro remigrante Vat. A. A. r emigante , qnod
plurimis recentiorum probatum. Defendit tarnen Peerlcampius remi-
grante, hoc sensu: unum statira interfecerunt, quia remigrabat ad
portum et littus redibat, duos mox iuterficiebant, quia erant suspecti
propter conatus unius gubernatoris redire cnpientis, unde mira sane
Taciti in re nullius momenti distinguenda sedulitas et latinitatis in-
curiosa. Nam ad v. uno remigrante intelligi non potest interfecto,
quod addita vocula eoque ad praecedentia sola suspectis duobus re-
ferri potest. Sed remigare quoque sensu laborat. Non enim guber-
nator remigabat, et si credas superstitem unum in una nave id fe-
cisse, coactum nempe utpote nullam habentibus Usipiis remigandi peri-
tiam, quid dein factum in duabus reliquis? Ceterum remigare, i. e.
remigia vertere, non tanti est, ut peculiari arte indigeat, et si usum
remigum non babebant Usipii, quod de Rheni accolis vix credibile,
facile eum necessitate coacli acquirere poterant {xqshq yctQ Xxcivsp).
Itaque pro remigante regimen agente scribam. Etenim naves regendi
inscitia Usipiorum in sequentibus commemoratur, atque regimen de
navibus Tacitus habet Ann. II, 33: „undique procellis mixti fluctus
prospectum adimere, regimen impedire." Agere autem de negotiis et
occupationibus non inusitatum, ut bellum, proelium, curam alicujus rei
agere. Cf. et Cic. de senect. c. VI, § 7: „Similesque sunt, ut si
Abhandlungen der I. Cl. d. k Ali. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 12
90
qui gubernatorem in navigando nihil agere dicant ct." Sed magis
etiam ulcerata, quae Rhenanus corrigere nisns est. Nam qood ad-
dit, Britaunos sua defensasse, i.e. magno studio defeudisse, id qui-
dem documento est, haec, i. e. possessiones eorum abUsipüs fuisse
armis petitas, necessitate coactis. Hinc voces, hac atque illa rapti,
quod ad solos niaris errores referendae essent, non sufficiont. Quid
iuterciderit , id quidem ex parte saltem lectio Puteolani prodit, quam
in textu posuimus, prolata eadem e codd. Vatt.: mox ad aquam atque
ut illa raptis secnm plerisque (nisi quod B. ad aquam puncto distiu-
guit: aquam. Atque', A. autem commate: aquam, atque). Nee aliter
r , A. Hinc Sellingius, vir doefus et ingeuiosus: „Mox ad aquam
(seil.: liauriendam) egressi atque vi alia raptantes cum plerisque . .
proelio congressi" proposuit audacia non prorsus infelici. Sed priora
vv. ad aquam, quae Dronkius sine dubio Taciti esse contendit, non
satis aecurata, quamquam iutelligas liauriendam. Utuntur enim in
tali re verbo solemni. Hoc restituas ad aquandum scribendo, quod
compendio scripturae in aquam abiit. Caes. bell. civ. I, 76: Pre-
mebantur Afraniani pabulalione, aquabantur aegre, frumenti legiona-
rii non nulluni habebaiit, Livius 1. XXXV, c. 28: Ex eodem rivo
utrimque cum praesidio levis arinaturae aquati sunt, et Sallust. bell.
Jugurtb. c. 89: Ex cohortibus auxiliariis miles gregarius castris
aquatum egressus. Addit Doederlinins: An potius illnd, quod intrusi
egressi, ex seq. congressi licet mutuari? Audaci sane braehylogia,
non tarnen incredibili?" Incredibili sane, quippe quae temeraria
esset. Idem provehebantur defendit; seil.: in altum, injuria; non
enim, quod portu provehebantur, miraculo erat, sed quod littora pro-
vinciae legebant, ignaris incolis, qui essent et quo teuderent, non-
dum vulgato rumore, quod ipse Tacitus explicandi causa praemittit.
Seite autem praevehebantur, quae lectio Vat. A. est, i. q. praeter-
veliebaittur, defendit Dronkius, Horatiano illo Od. IV, 3, 10: Sed
quae Tibur aquae fertile praefluunt, et aliis locis utiliter collectis.
Major tarnen superest difflcultas in verbis: atque ut illa raptis
91
secum. Peerlcampius haec: (ad aquam) vitaeque utilia raptis se-
cum plerisque Britannorum scribit infelici successa. Non enim quae-
ritur hie, quae vitae utilia essent, sed quae victui vel ad victum
necessaria, et cum in v. secum haud dubie ad sequentia plerisque
Britannorum . . . congressi pertinet. Talia vesligia qui non legit,
sed in arbitraria omnia egreditur, non criticum agit, sed interpola-
torem, in prirais si tarn mira comminiscitur, ut sunt haec: plerosque
Britannorum secum rapuisse. Non enim captivos ut facerent, sed ut
commeatibus potirentur, in terram egrediebantur et Britannos adver-
sos habebant. In vv. ut illa latere crediderim huc illuc, et in syl-
labis RAPTISSE reliquias vocum „raptibus evagati et" superesse,
ut totius loci tenor sit: mox ad aquandum egressi atque huc illuc
raptibus evagati et cum plerisque. Egredi cogebantur ad aquandum,
et Lac oceasione, i. e. semel in terras delati huc illuc ad rapinas
faciendas evagabautur, victus penuria coacti.
Cap. 30.
(Ex Calgaci cohortatione ad pognam.)
1. „Quotietis causas belli et necessitatem nostram intueor, magnus
mihi animus est, hodiernum dient consensumque vesfrum ini-
tium libertatis totius Britanniae fore. Nam et uniuersi ser-
vitutis expertes, et nullae ultra terrae, ac ne mare quidem
securum imminente nobis classe Romana."
Non offenderunt in voeibus: nam et universi servitutis expertes,
quae tarnen extra nexum reliquarum positae sunt. Agit enim ante
omnia de necessitate Caledoniae populorum, i. e. de causis, quibus
ad fortiter pugnandum vel inviti compelli debeant, et quae in hanc
rem dixit, verbis coucludit bis: „ita proelium alque arma, quae fortibus
honesta, eadem etiam ignavis tutissima sunt", eaqne deineeps perse-
quitur. Ad hanc autem necessitatem non pertinent, quin ei contraria
12*
92
sunt, quae praemittuntnr, dum se universos servitutis expertes esse
commemorat. Itaque plura excidisse crediderim inter verba: nam
et . . . uuiversi . . . servitutis, quae suppleat scribendo: Nam de-
victis universis nos soll servitutis expertes, idque e seqq. etiam
elucet, in quibus totam sententiam paucis comprehendit, terrarum et
libertatis extremos cives suos appellando. Haec denique cum reliquis
concordant. Se solos adhuc liberos, nullam ultra gentem servitutis
expertem, a qua victi auxilium expetere possent, et nullas ultra ter-
ras, quae perfugium praeberent, quod antea fuerat in prioribus Bri-
tanniae proeliis, quia tunc victi, spem et subsidium in Caledoniae
gentium mauibus habebant.
2. Nos terrarum ac libertatis extremos recessus ipse ac sinus
famae in hanc diem defendit. Nunc terminus Britanniae patet,
afque omne ignotum pro magnifico est. Sed nulla jam ultra
gens; nihil nisi fluctus et saxa ct.
In bis plura offendunt, primum: famae defendit , quod neque cum
siuu jungi potest, quod scite explicat Orellius, neque cum defendit, ut
sit dativus, quae vulgata fere opinio ad Orellium usque propagata,
ut sit: a fama seu contra famam defendit. Romani enim fama re-
rum reconditarum inCaledonia hucusque retenti fuisse dicuntur, eam-
que majorem etiam veritate fuisse monstrant, quae mox subjunguntur:
„atque omne ignotum pro magnifico est.u Haec enim ad famam
pertinere et nexus rerum docet et geminus fere, qui praecedit locus
de iisdem populis (c. 25), dum dicuntur ad arma conversi, paratu
magno, majore fama uti mos est de ignotis. Scribendum igitur:
fama defendit, quia nempe vires et apparatus nostros fama auxerat
etiam et in majus extulerat.
Deinde hoc ipsum offeudit, quod verba: atque cmne ignotum
pro magnifico est ab iis, quae explicare debent {fama defendit),
93
interposita sententia aliena separantur. Huic autera incommodo trans-
positione occurres. Denique sed, quod sequitur in verbis: sed nulla
jam ultra gern, nihil habet in praecedentibus , cui opponatur, eoque
sensu cassum est. Lacuna manifesla. Pro sed nulla jam ultra gens
scrib. : Sedes nullae, nulla jam ultra gens, ita ut ultra ad utrumque
pertineat. Totus igitur locus ita se habebit: Nos terrarum ac li-
bertatis Ultimos recessus ipse et sinus fama in kam diem defendit
atque omne ignotum pro magnifico est. Nunc terminus Britanniae
patet. Sedes nullae, nulla jam ultra gens ct.
Cap. 33.
(Ex Agricolae cohortatione ad exercitum Romanum.)
1. Nam ut superesse tantum itineris silvas evasisse, transisse aestu-
aria pulchrum ac decorum in frontem: item fugientibus peri-
culosissima quae hodie prosperrima sunt.
Haec vulgata lectio ante Rhenanum, qui superasse edidit pro
superesse et ad item notavit: „Lego ita fugientibus, ut stet com-
paratio." Nondum vero stat. Nam periculosissima non potest opponi
vocibus pulchrum ac decorum, sed turpe aut inhonestuui aut simile
aliquid, neqne is est Tacitus, qui oppositionis concinnitatem negligat
aut in eis jungat praedicata, quae justam ävTidiosvog rationem pes-
sumdent. Accedit, quod postremae voces quae hodie prosperrima
sunt extra comparationem omneraque oratiouis nexum wg tv naq^yco
subjiciuntur et necessario alterum uovae comparationis membrum con-
stituuut, cujus prius in v. periculosissima continetur. Hoc si verum,
periculosissima, quod ut monuimus sensu a priore comparatione ab-
errat, ex nexus ratione solvi et cum posteriore comparatione jungi
debet. Ad utramque enim pertinere non potest. Itaque alterum pri-
oris comparationis membrum excidit et scribendum pro item fugien-
tibus periculosissima seqq. sie: ita fugientibus turpissima, ac peri-
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culosissitna, quae hodie prosperrima sunt. — Turpissima dixit, non
turpissimum, quia vocabulum utrique illi pulchrum ac decorum op-
ponit, simul plurali transituni ad seq. periculosissima praeparat, quae
vox praecedenti turpissima ob terminationis similitudinem , perniciosa
fuit. — Hodie dictum, ut emolliatur omissum in praecedentibus fu-
turum. Nam plena oratione dixisset, ac periculosissima erunt, nempe
victis, quae hucusque prosperrima victoribus fuerunt.
Cap. 34.
2. ... sie acerrimi Britannorum jam pridem ceciderunt, reliquus
est numerus ignavorum et metuentium, quos quod tandem in-
venistis, non restiterunt , sed deprehensi sunt novissime id et
extremo metu corpora: defixere aciem in Ms vestigiis, in qui-
bus pulchram et spectabilem victoriam ederetis.
Ita usque ad Rhenanum vulgabatur, verbis novissime id et ex-
tremo metu corruptis. Rhenanus in castigationibus : „Tu repone no-
vissime, id est extremo metu. Idem ad v. „defixere aciem": „non
dixit: constituere sive direxere, sed defixere, quod stupidis prae
metu convenit." In textu posuit: sed deprehensi sunt novissimi, et
extremo metu corpora defixere in his vestigiis", quae ratio nimiuin
audax est et temeraria, quippe in qua aciem omissum, et novissimi
superfluumest, si praecedentibus additur. Non enim de eo agitur, quod
novissimi, sed quod omnino deprehensi sunt, utpote qui non restiterint,
sed corpora metu defixa praebeant. Cod. Vat. A. et r. novissime res, et
Vat. B et A. novissimae res et in margine codicis : „quod tarn diu non
inveiiistis , restiterunt, sie legendum puto", conjeetura inutili et sensu
casso. Sensus: quod tandem eos invenistis, id factum est, quoniam
metu fuga praepediuntur et immotis corporibus eodem loco haerent.
Sed struetura haeret. Nam novissimae res et extremo metu
cum duo praedicata sint eandem rem diversis rnodis indicantia, nempe
desperationem et stupidam mortis exspeetationem, diverso casu dici
95
non possunt. Itaque scribam: novissimae res et extremus metus . .
defixere corpora, ita ut novissimae res, quod per se sensu ambiguo
est, et ad tempus solum referri potuit, adjecto extremus metus ad
majus et significantius aliquid, nempe ad extremam necessitatem, i. e.
desperationem omnium rerum pertinere appareat. Simili sensu con-
juncta vocabnla, quamquam mutato situ et ad unum substautivum
relata, Germ. 24: „aleam inter seria exercent, tanta lu-
crandi perdendive temeritate, ut, cum omnia defecerunt, extremo ac
novissimo jactu de übertäte et de corpore contendant."
Sequentia autem non procedunt, nisi aciemque scribas pro aciem.
Quis euim sibi persuadeat, a Tacito dictum: corpora aciem defixisse?
Crediderunt tarnen interpretes usque ad Orellium fere omnes, non
excepto quod mireris Doederlinio, viro ingenii sagacissimi, qui ad
priscam lectionem fere rediit scribendo: „Novissime id est extremo
metu corpora defixere aciem." Non tarnen novissime addito: id est
extremo metu, explicari potest, quia in simplici adverbio novis-
sime nihil de metu, et ut oratio procedere posset, saltem novis-
simo: id est extremo metu, dici debuisset, quod et ipsum incon-
gruum, quia novissimo et extremo nihil diversitatis continent. Vult
quidem vir doctissimus, inesse sarcasticam quandam epexegesin ad-
verbii per se innoxii, et Germanice vertit: „zum letzten Male, näm-
lich in der Todesangst", quae nee ipsa sarcasmum spirant. Quod
ex dialogo affert: „In nemora et lucos id est in solitudinem rece-
dendum estu, simplicem explicationem habet seu causam, quare in
nemora ipsi recedendum, ut nempe solus sit. Ceterum ad nostram
rationem iuclinat, dum addit: „quamquam si quis id prorsus delere,
atque et retinere voluerit, non refragabor." Tum ad dictionem
„corpora defixere aciemil aut defendendam aut excusandarn ac-
cedit, nullo, ut equidem puto, successu. Corpora dici pro
persouis non quidem cum contemptu, sed in personis vilibus, ut sunt
meretrices, servi, gladiatores, alii, res nota et jam apud Graecos
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obvia, ut in inscriptionibus Delphicis apud Boeckhium n. 1709 b:
äntdoTO ÄQVOinnog . . . (riö *An6Ä% iovi)(S w jucc avÖQSio v olxoysvkg,
quin 1705 a: antdoxo . . . reo IIv&up owua ywaunov oixoysvig, w
ovo^ia JZwttjQis, et inulta alia hujus generis. Sin vero hujusmodi
personae aliquid fecisse perhibentur, nunquam id ad corpora trans-
latum videas, ut dicautur corpora ivisse, pugnasse. Haec nimirum
absona et incondita, neqne dictionem „corpora defixere aciem" inter-
pretando emollias, quod facere aggressus est Doederlinius, praegnauti
brevitate dictum putaus pro: defixu suo effecere aciem vel aciei
speciem praebuere. Quaudo enim corpora, quaeeunque illa sint,
etiamsi actionem iis tribuas, aciem defixu efficere possunt? Sensisse
incommodum videtur hujus explicationis auetor, dum alter am prorsus
diversam addit: vel aciei speciem praebuere, idque ipsum baud ad-
mittendum. Nou enim species aciei, sed vera acies erat bene dis-
posita „in speciem simal ac terrorem", ut in seqq. Tacitus addit.
Contra concinne haec ad metum et desperationem referunt. Haec
defixere corpora aciemque, i. e. corpora in aciem disposita, ut ad
caedendum praeparata et destinata videantur. Hinc addit: „in his
vestigiis (quae nempe conspicitis), in quibus pulchram et spectabilem
victoriam ederetis."
Cap. 36.
Interim equitum hirmae fugere: covinarii peditam se praelio mi-
scuere: et quamquam recentem terrorem intulerant, densis ta-
rnen hostium agminibus et inaequalibus locis haerebant : mini-
me(/ue equestres. Ea enim pugnae f acies erat: cum ae-
gra diu aut staute: simul equorum corporibus impellerentur.
Ita edd. ante Rhenanum. Lacunosain esse orationem et ipsam
pugnae narrationem jam ab iniüo manifestum, ubi equitum turmae di-
euntur fugisse, priusquam aliquid de eorum pugna dictum fuit. Hoc
97
Monet Doederlinius turmas equitum de Romanorum equitatu
dici usu legitimo. Ac is quidem usus quamquam non excludat, bar-
barorum quoque equitatum hoc nomine dici (Britannorum turmas ex
Ann. XIV, c. 34 Orellius affert), necesse tarnen, id nostro loco ad
Romanos pertiuere, quia in sequentibus, dum equitum Romanorum
mentionem facit, eorum tantum alas quatuor commemorat, quas ad subita
belli retinuerat Agricola; unde manifestum est, de aliquo equitatu in
praecedentibus pugnae viribus aliquam saltem mentionem fuisse fa-
ctam. Idem vir doctissiinus observat, hostium agmina in seqq. non
nisi de Britaunorum copiis intelligi posse, quia contra morem Roma-
llorum sit, etiamsi aliquid referant, quod adversariis Romanorum *äc-
ciderit, Romanos ipsos mutata veluti persona hostium nomine indi-
care. Itaque correxit: Interim equitum turmae immis'sae, ut fugere
covinarii, peditum se proelio immiscuere", in quibus v. immissae
verissimum et revera Taciteum judico. Ipsam tarnen sententiam, quae
jam prodit, veram non crediderim, quia covinariorum fugam cum equi-
tum immissione ita jam conjungi videas, ac si nihil inter utramque
intercessisset, quod uullo modo probabile, siquidem viri et principes
et fortissimi huic copiarum parti inerant ac principum Britaunorum
robur. Imaginem eorum pugnae admodum vividam exhibet Caesar
bell. Gall. IV, 33, ex priore in Britanniam expeditione repetitam.
„Genus hoc est ex essedis pugnae. Primo per omnes partes per-
equitant et tela conjiciunt, atque ipso terrore equorum et strepitu
rotarum ordines plerumque perturbant et, quum se inter equitum
turmas iusinuaverint, ex essedis desiliunt et pedibus proeliantur. Au-
rigae iuterim paulatim ex proelio excedunt atque ita currus collocant,
ut, si illi a multitudine hostium premantur, expeditum ad siios re-
ceptum habeant. Ita mobilitatem equitum, stabilitatem peditum in
proeliis praestant." Mansisse autem essedarios seu covinarios in
pugna contra Agricolam si non omnes, partem tarnen, impetu turma-
rum non perterritam, ex ulteriore ejus descriptione videas, dum equo-
rum corporibus impulsi ac vagi saepe currus, exterriti sine rectoribus
Abhandlungen der I. Cl. d. 1«. Äk. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 13
9S
equi transversos aut obvios incursasse perbibentur. Hinc plura ex-
cidisse conjicias, quae aliquo modo reficias scribendo: Interim equi-
tum turniae immissae , fugere covinarii aut peditum se proelio im-
miscere, et quamquam recentem terrorem intulerant, densis tauten
obsistentium agminibus et inaeqaalibns locis haerebant. — Obsisten-
tium pro hostium dedimus, cum respectu ad eos, qui recenti terrore
confusi fuerunt.
De sequentibus: minimeque equestres ct. Rbenanus baec notat:
„Corruptus locus est. Ego sie legerim et distinxerim: minimeque
eqitestris ea pugnae fades erat, quam in gradu stantes simul equo-
rum corporibus impellerentur." Concinue correetam: minimeque
equestris ea pugnae facies; sed obstant libri, quorom Iectio paren-
tbeticam sententiam eamque integram praebet: ea enim pugnae facies
erat, et apertum est, enim in antiquo codice lectum fuisse. Excidit
igitur sententia, cujus initium in vv. minimeque equestres servatum.
Equidem excidisse crediderim „t>pectaculumu, cujus prima tantnm
littera servata in v. equestres, etlegendum: minimeque equestre spe-
ctaculum, quae per parentliesin interrupta continuantur in sequenti-
bus. Ita mox proelio finito c. 37: tum vero patentibus locis grande
et atrox speetaculum. — Continuatur descriptio verbis corruptis:
cum aegra diu, qnorum medela male cessit Rhenano. Est enim
ejus ratio admodum violenta, dumvoeibus: cum aegra diu aut staute,
prorsus arbitrarias: cum in gradu stantes, substituit. Sane in gradu
stare de iis, qui cominus et gradu obfirmato pugnant, dicitur, ut Ovid.
Metam. IX, 42 seqq. „Digredimur paulum rursumque ad bella coimus,
lnque gradu stetimus certi non cedere, eratque Tum pede pes jun-
ctus." Tale quid autem num in Iioc pugnae tumultu^fieri potuerit, ut
in gradu starent , deque eo non recederent, jure dubito. Accedit,
quod simul non babet, cui tanquam liovi aliquid indicatum sitsubjun-
gatur. Probat tarnen Doederliuius Rhenani conamina, quamquam non
omni ex parte, et locum conclamatum appellans, qui sine libris emendari
99
vix possit. Contra L. Rotbius, bonns dictionis Taciteae indagator:
„cum auriga tunc adstaute",- in quibus aurigae nomen ex v. aegra
felici manu protractum judico, siquidem covinariorum conamina refe-
runtur eoque aurigarum mentiö commoda et necessaria. Sunt enim
propugnatoribus nobiliores, ut docemur c. 12: honest ior auriga, clien-
tes propugnant.
Sed reliquorum quae corrupta et lacuuosa sunt: diu auf staute,
lubrica medicina et non minor conjectantium turba et confusio est,
quam pugnantiiim in illo proelio fuisse perhibetur, quas nunc quidem
in medio relinquamus. Nos syllabas AEGRADIUAUTSTANTE
ex aur . . . a . . . ad . . . sultanti . . . corruptas, et has reliquias
esse putamus verborum: „aurigae impetu adsultantium simul equorum
corporibus impellerentur." Nam in pedites cum essent illati eosque
in se convertissent turbatis simul equis, tumultus is potius erat et
aurigarum curruum, equorum et peditum fixa aut confusa moles, quam
eqnestre spectaculum. Equestris enim pugna, qualem covinarii so-
lebant exbibere, agilis est et brevis ac variato impetu huc illuc va-
gatur. Germ. c. 30. „Equestrium sane virium id proprium, cito pa-
rare victoriam, cito cedere. Factum igifur, quod apud Sallust. bell.
Jug. c. 59 memoratur. „Neque diutius Numidae resistere quivisseut,
ni pedites cum equitibus permixti magnam cladern.. facerent; quibus
illi freti, non, uti equestri proelio solet, sequi, dein cedere, sed ad-
ver sis equis concurrere , implicare ac perturbare aciem.
Cap. 37.
Postquam sylvis appropinquarunt, collecti primos sequentium in-
cautos et locorum ignaros circumveniebant. Quodni frequens
ubique Agricola validas et expeditas cohortes indaginis modo:
et sicubi artiora erant: partem equitum dimissis equis: simul
13*
100
rariores silvas eqttitem persidtari jussisset : acceptum aliquod
vithtus per nimiam fiduciam foret.
Haec prisca lectio et Puteolani interpunctio: sed in prima
editione eqttitem est; B. et A. equites perlustrari. Recte Rhenanus
persultare ex ingenio, quod Vat. A. firmavit. Sed sententiae non
recte procedunt. In silvis circumveniebant Britanni eos, qni incau-
tins secuti erant. Häs igitur Romani, insidiis et liostium tnrbis ple-
nas, et perscrutari et tutas praestare debebant, priusquam agmina
immilterentur. Fit lioc indaginis modo, ut si in venatu praetentaut,
quae ferae in saltibus inveniantur, partim a cohortibus, partim ab
equitibus. Cohortes, quae adhibeantur, appellat validas et expedi-
tas. Erant igitur numero et vigore conspicuae, et etiain armorum
partem minus necessariam depcnere jussae, ne in fruticibus et du-
metis eis praepedirentur, quod v. expeditas indicatur. Addebatur
pars equitum et hi quidem dimissis equis. Hoc dicitur factum, sicubi
artiora erant, i. e. si silvae arboribus densae, quibus dein rariores
opponuntur. Inde sequeretur, equites tunc demum adhibitos, si den-
sae et impeditae silvae obslarent, quod nulla ratione factum esset.
Peditum et equitum calervae perinde adliibitae fuerunt, et artiora
Uta ncnnisi eo possunt spectare, ut tunc dicantur equites dimissis
equis, i. e. relictis ante silvas et in aliorum manus traditis, ingressi;
contra cum ipsis equis, siquidem arborum raritas lioc permiüeret.
Accedit dictionis quaedam scabrilies: quodni . . . partem equitum . .
simul eqnite persultari jussisset. His maus nonnisi transpositione
adhibifa, addito verbo et alterius terininatione mutata suecurri posse
credo, siquidem scribas: ni frequens ubique Agricola validas et ex-
peditas coliortes et partem equitum, sicubi artiora erant, dimissis
equis, indaginis modo praetentare, simul rariores silvas equitando
persultare jussisset." Scio quidem, talia plerumque per zeugma
explicari, cujus auxilio ex v. persultare istud perscrutari aut simile
101
quid intelligatur; sed hujus figurae durae admodum et inconditae
exempla ultra uecessitatem augere mihi quidem religio est.
Cap. 38.
Et simul classis secunda tetnpestate et fama Trutulensem partum
tennit, linde proximo latere Britanniae lecto omni r edier at.
In libris nihil diversi, nisi quod in orlhographia portus Trutulensis
variant, et Puteolani editio altera latere ante Britanniae ponit. Por-
tus ipse incognitus; clarum tarnen, cum classis ab orientali littore
solveret, ut septentrionalem insulae partem circumnavigaret, eum in
latere opposito i. e. occidentem versus fuisse situm. Nam univer-
sam insulam illa navigatione non fuisse comprebensam, sed septen-
trionalem Tantum ejus partem seu Caledoniain et res atque consilium
Agricolae docent, et quod additur, classem e Trutulensi portu re-
disse nimirum in stationem pristinam. Sed laborat sensus. Quid
enim illud plusquamperfectum redierat? Quando id factum erat, et
quomodo factum dici poterat, cum nihil de eo reditu dictum fuerit,
ad quod istud redierat referri possit? Haec igitur sine nexu abs-
que sensu dicuntur, quidquid nuperrimi editores et in his Orellius
tentaverint ad sensum loco inferendum. Quodsi enim — quae viri
hujus praeclari sententia est — Trutulensem portum in littore orien-
tali juxta Taum, i. e. a castris hibernis legionum non multum remo-
tum ponis, nulla causa erat, quare reditus ex eo, quisquis ille fuerit,
velut memorabile aliquid narraretur, neque rationem habet, quod in
eo proximum Britanniae latus omne legisse dicatur. Quid enim
proximo? cuinam proximum, quod legerat, fuit latus? Num stationi?
cui vero? Trutulensi an portui ex quo solveret cum versus septen-
trionem tenderet? hoc ipsum autem quare additur? Quodcunque
vero illud proximum latus fuerit, quare omne dicitur, quiduam me-
morabile aut insolitum, si omne proximum latus legerat in reditu,
102
cum aliter ne redire quidem posset? Haec igitur ita comparata sunt,
ut iion nisi supina negligentia praetervideri aut intacta transmitli
possin t. Accedit et hoc, quod de ipsa navigatione septentrionali
insigni illa atqne periculosa, quippe quae per niare incognitum fieret,
ut terrae et gentes hucusque inauditae cognoscerentur, nihil refert
nisi eam secunda tenipestate et fama factam, contra reditui illi pe-
culiare aliquid et insigne tribuitur, dum addit proximo Britanniae
latere lecto omni absolutum eum fuisse. Haec et ipsa uvm xccrw
fieri manifestum. Itaque et lacunosum et transpositione vocabulorum
depravatum locuoi existimo eumque restituo scribendo: Et simul
classic secunda tempestate et fama septentrionali latere Britanniae
lecto omni Trutulemem portum tenuit, unde proximo vere redire
jus sum erat.
Jam ratio totius loci patet. Missa erat post victoriam de Bri-
tannis reportatam classis Romana, ut incognitam ante insulae partem
circumveheret, eumque aestas jam exacta esset finita hac expeditione
in Trutulensi portu hiemaret et proximo vere inde in stationem pri-
stinam ad Taum rediret. Hocque consilium quantum ad expeditionera
pertinebat, eventom habuit plenum et felicem. Lecto enim septen-
trionali Britanniae latere omni Trutulensem portum tenuit. Quod vero
in seqq. usus fuit plusquamperfecto redierat seu potius redire jussum
erat, hoc qnoque non sine ratione factum est. Narrat enim Tacitus
quae praeceperat Agricola de reditu, in eoque narrationem de ejus
expeditionibus et consiliis terminat. Statuendum igitur, proximo
vere, quo redire classis debebat, Agricolam insula jam excessisse.
Hoc enim modo accnratus auctor referre poterat quid jussisset. Num
proximo vere re vera redierit nee ne, id quidem ad ejus consilium
non pertiuet, cui sufficiebat, si adderetur, quid de reditu jussisset
Agricola, cum classem a se in septentrionalem oceanum dimitteret.
Ceterujn facilis, ut mihi quidem videtur, est medicina, quam loco
prorsus incongruo adhibuimus, sive vocabulorum transpositionem, sive
103
voces septentrionali et vere ad sensum supplendum additas, sea
denique formae redierat in redire jussum erat ainplificafionem
spectes.
Cap. 39.
Frustra studio, fori et civilium artium decus in silenlium acta, si
militarem gloriam alias occuparet, et cetera utcunaue facilius
dissimulari, ducis boni imperatoriam virtutem esse.
Post decus distinguit Doederlinius, ut ad frustra intelligatur
esse, et in silenlium acta, seorsim ponantur, utpote quae jam causam
praecedentium contineant. Nexus vero unani et integram requirit sen-
tentiam frustra studia fori in silentium acta, si militarem gloriam alius
occuparet, i. e. se frustra laborasse, ut forum sileret et ne periculum
inde priucipatui oriretur, si quidem majus ex eo periculum immineret,
quod militaris gloria a principe ad alium privatum transiret. Haec
igitur plana et expedita; sed difficultas in sequenfibus, quibus priora
ulterins persequitur et novi aliquid addit. Difficultas autem non
tarn in verbis, quam in oppositionis ratione ac sensu. Cetera, cum
respectu ad boni ducis virtutem, sunt reliquae praeter hanc ipsam
virtutes omnes, quas in praecedentibus fndicat et c. 4. studio elo-
quentiae sapientiaeque comprebendit. Haec si dissimulari dicuntur,
spectat boc, ut scite monuit Doederlinius, ad Studium Domitiani, qui
se oratorem ferebat, poetam quoque ac juris atque pbilosophiae pe-
ritum, nee tarnen erat, quamquam impudentissime a Quintiliano ob
lias artes laudatns. Harum igitur artimn defectum, i. e. cetera, dum
reliqui silebant, assentatores autem loquebantur, a se dissimulari
posse, nou prorsus quidem sed utcunaue, et facilius. Sed hie ipse
comparativus ralionem non habet. Sequitur enim ducis boni impera-
toriam virtutem esse, quae verba nihil habent, quod ad facilius et
ad principalem sententiam spectet. Intelligunt saue: „non posse op-
101
primi vel tarn facile celari", aut simile quidquam; sed uti nunc
verba sese habent, sentenlia absoluta est, et talia additamenta non
patitur. Ac ipsa quidem nihil praedicat, nisi ducis boni imperato-
riam virtutem esse, de quo nemo unquam dubitavit. Haec igitur
signa sunt manifesta, aliquid excidisse, quod suppleas scribendo:
„ducis boni imperatoriam virtutem in aperto esse", neque tarn facile
dissimalari posse ejus defectum quam ceterarum, quippe quae factis
testari et proprio lumine splendere debeat. In aperto positum est,
ut c. 1 : agere memoratu digna pronum magisque in aperto erat.
Haec jam de Aeschyli et Taciti locis lacunosis aut transposi-
tione vocabulorum sanandis sufficiant. Voluimus autem simul eis
specimen exbibere commentariorum, quos de bis scriploribus compo-
suimus. Quodsi uberius pleraque, Aeschylea inprimis, tractata videan-
tur uonnullis, lii velim reputent, non viris tantum perfectae doctrinae,
sed simul juvenibus ea scripta esse, qui me duce in pbilologiae
studiis tractandis exercentur, eoque non pauca admittere, quin requi-
rere etiam, quae ceteroquin aut omitti aut brevius notari poteraut.
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Ueber ein
in den Besitz des königl. Antiquariums
übergegangenes
silbernes Gefäss
mit Darstellungen
aus der griechischen Heroengeschichte.
Vorgetragen
in der Sitzung der ersten Classe der k. Akademie der Wissen-
schaften am 4. Juni 1848
von
Friedr. Thiersch.
Mit einem Kupferstiche.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 14
Ueber ein
in den Besitz des königlichen Antiquariums übergegangenes
silbernes Gefäss
mit Darstellungen
aus der griechischen Heroengeschichte.
Vorgetragen
in der Sitzung der ersten Classe der k. Akademie der Wissen-
schaften am 4. Juni 1848
von
Friedr. T hier seh.
/<u Anfange des gegenwärtigen Jahres (1848) gelangte zu
Kunde des historischen Vereins von Schwaben und Neuburg ein
silbernes Gefäss, welches ringsum mit Relieffiguren geschmückt und
in den Besitz des Gold- und Silberarbeiters Hrn. Peter Constantin
zu Ingolstadt übergegangen sey, mit der wiewohl noch unbeglau-
bigten Meldung, dass es von einem Bauer zu Mauching, Land-
gerichts Neuburg, beim Ackern auf seinem Felde wäre gefunden
worden, und mit dem Ansinnen au den historischen Verein, dasselbe
für seine Sammlungen käuflich zu erwerben.
Die Angabe des Fundorts schien dadurch beglaubigt zu werden,
dass bei Manching, wie Hr. Regierungsdirector v. Raiser in seiner
sehr schätzbaren und reichhaltigen Schrift: „Der Oberdoriaukreis
unter den Römern" Tbl. III, p. 44 mit der ihm eigenen Sachkunde
gezeigt hat, der aus dem Antoninischen Itinerar und der Notitia
Imperii bekannte Römerort Valladum gewesen und die Gegeud um-
her durch Reste des römischen Alterthums und als Fundort von
Münzen und anderen antiken Merkwürdigkeiten berühmt ist. Indess
14*
108
bei näheren im Auftrage des historischen Vereins durch den königl.
Landrichter Herrn Gerstner über Herkunft und Besitzer dieses
Kunstwerkes eingeleiteten amtlichen Erhebungen zeigte sich, dass
Hr. Constantin dasselbe nicht von einem Bauer aus Manching, son-
dern von einem Mitbürger in Ingolstadt, dem Glockengiesser Hrn.
Pascolini, erworben hatte. Dieser hatte ihm die Vase nach dem
Silberwerth bei einer mit ihm gepflogenen Abrechnung für 41 fl.
überlassen. Hr. Pascolini aber erklärte, er habe das Gefäss aus
der Verlassen schaft seines erst vor einem Jahre zu Eichstädt ver-
storbenen Bruders, welcher das gleiche Geschäft wie er getrieben,
mit anderen Metallstücken unter alter Glockenspeise, demnach durch
Erbschaft als rechtmässiges Eigenthum bekommen. In der Meinung,
dass es aus Messing bestehe, habe er es seinem Lehrling zum
Behuf des Zerschlagens und Einschmelzens übergeben. Dieser nun
bemerkte beim Anfange des Zerschlagens, dass das Gefäss von
Silber sey, und durch diesen Umstand erst wurde man veranlasst,
es näher zu betrachten und die Figuren wahrzunehmen, mit denen
es geschmückt ist.
Wir hielten für nöthig, diese Notizen über die letzten Schick-
sale eines Werkes, das sich beim ersten Anblick sogleich als eines
der edelsten Erzeugnisse der griechischen Toreutik ankündigt, hier
näher anzugeben, nicht nur weil in ihnen ein neuer Beweis vorliegt,
wie nahe dem Untergange solche kostbare Werke des Alterthums
selbst in unserer Zeit durch Unachtsamkeit oder Unkunde können
gebracht werden, sondern auch weil sie auf die Herkunft desselben
hindeuten. Mit Recht bemerkt Hr. Gerstner in seinem Schreiben
(Ingolstadt 29. Jänner) an den Hrn. Regierungsdirector v. Raiser:
„Die Vase werde von einem der säkularisirten eichstädtischen Klö-
ster stammen, wo man sie wahrscheinlich als kirchliches Geräth,
etwa als Weihrauchgefäss, gebraucht oder als Antiquität aufbewahrt
habe. Bekanntlich seyen sämmtliche Effecten der Klöster Rebdcrf,
109
Maria -Stein, der Dominikaner u. a. iin Jahre 1805/6 öffentlich ver-
kauft und nach allen Seiten hin zerstreut worden." Auch erklärt
sich aus ihrem letzten Schicksale der gegenwärtige schadhafte Zu-
stand der Vase. Der untere Theil der Hauptgruppe ist fast ganz
zerstört; nur die hinter der Hauptfigur am Boden mit zurückgebun-
denen Händen sitzende Figur hat sich davon erhalten, und zwar
als Bruchstück, das die Aufmerksamkeit des darauf schlagenden
jungen Glockengiessers auf sich zog und dadurch gerettet wurde.
An diese Lücke schliessen sich die drei anderen * kleineren der
rechts gezeichneten Gruppe, die zum Glück in der Grundfläche lie-
gen, und von denen nur zwei Figuren unwesentlich beschädigt sind.
Die Brüche sind überall frisch, auch an dem grösstenteils ver-
schwundenen Boden des Gefässes, dessen Ueberreste Spuren von
mehreren im Kreise laufenden Vertiefungen zeigen , mit denen er
-verziert war. Es besteht darum wohl kein Zweifel, dass das Ge-
fäss bis dahin sich ganz erhalten hatte, und nur erst durch den
Hammer jenes Knaben zu seinen gegenwärtigen Beschädigungen ge-
kommen ist. Das von ihm eingelieferte Bruchstück N. 14 ist in
der Zeichnung an der Stelle eingefügt, in die es genau einpasst.
Der historische Verein von Augsburg hatte gleich auf die erste
Kunde die Einsendung des Gefässes begehrt und von dem Besitzer
erhalten. Zum Ankauf desselben war er um so mehr geneigt, als
dieser leicht zu erwirken stand, wenn das Gefäss in der That beim
Pflügen ausgeackert worden war. Es konnte dann von der öffent-
lichen Behörde um den Metallwerth erworben werden, zu dem ge-
wöhnlich als Entschädigung des Finders noch ein massiger Zusatz
als Honorar bewilligt wird. Dagegen machte Hr. Constantin, der
indess den Werth des Kunstwerkes erkannt hatte, sein Recht als
Besitzer an einem Gegenstande geltend, den er in gesetzlicher
Weise aus der Erbschaft eines Mitbürgers erworben hatte. Er
werde darum die Sache an S. Majestät den König Ludwig briu-
110
gen, den Verkauf des Gefässes für die königl. Sammlung bean-
tragen , und vorbehaltlich seiner Zustimmung die Schätzung nur dem
Couservator desselben anvertrauen. So gelangte das Gefäss nach
München. Durch höchstes Ministerialrescript vom 6. Februar wurde
die Akademie aufgefordert, darüber zu berichten. Ehe dieses ge-
schah, trat ich mit Hrn. Constantin über die Bestimmung der Kauf-
summe in brieflichen Verkehr, schrieb ihm, dass, wenn das Gefäss
unverletzt geblieben, ich seinen Werth auf 100 Ducaten schätzen
würde und ihn auf 75 stelle, da es so beträchtliche Beschädigungen
erlitten habe. Auf diese Schätzung hin, mit welcher Hr. Constan-
tin sich einverstanden erklärte, wurde der Kauf eingeleitet, vom
königl. Ministerium des Innern für Cultus und Unterricht unterm 9.
Mai genehmigt und sofort vollzogen.
Die ursprüngliche Bestimmung des Gefässes unterliegt wohl kei-
nem Zweifel. Es zeigt einen einfachen „Weitling", und die schlich-
teste Form der Becher, welche unter dem Namen oxixpog, dinccg
begriffen werden und ebenso au Grösse, wie an Gestalt und Aus-
stattung mit Untersatz und Henkeln oder Ohren (coro) verschieden
waren. Athenäus, welcher (XI. S. 498 A. ff.) davon ausführliche
Nachricht gibt, führt als poetische Form oxvjupog, oxtxpwucc, oxvn-
tpsiov d£nag, und für den mit Henkeln öxvipog wrosig an, erwähnt
solcher Geschirre aus Holz, Gold und Silber, und unterlässt nicht
zu bemerken, dass ursprünglich die Trinkgeschirre der Hirten und
Bauern so genannt wurden, die einfachsten nämlich, bis die Kunst
sich ihrer bemächtigte und die feineren Formen bildete, von denen unten
zwei Arten: der ozvcpog Botconog und ^HqayJ.uiarizog, mit dem cHqcc-
r.Xuog dvddsGfxog zur Erwähnung kommen werden. Exemplare aus
Silber haben sich mehrere erhalten, wie der einfache kleine Becher
mit der Apotheose des Homer im bourbonischen Museum, und der
schlanke mit Henkeln in der Bibliothek der Familie Corsiui zu Rom,
und andere, die in Paris und Petersburg aufbewahrt werden.
111
Der untere Rand zeigt eine Hohlkehle mit starker wulstähn-
licher Erhöhung am Boden und einer feineren Linie, auf welcher
die Fignren der Gruppe rechts neben dem Schilde stehen. Unter
der Gruppe links dem Schilde ist diese Erhöhung ungleich, was für
die Erklärung des Pokals nicht ganz ohne Bedeutung ist. Der
obere Rand ist wulstähnlich übergebogen und wird in der Tiefe
durch ein etwas eingebogenes Stäbchen geschlossen. Die beiden
Ränder sowohl als die am meisten hervorstehenden Theile der Fi-
guren zeigen dadurch, dass sie zum Theile bedeutend abgegriffen
sind, von dem langen und häufigen Gebrauche dieses Trinkgeräthes ;
doch hat derselbe ihrem Werthe keinen wesentlichen Abbruch ge-
than, wie von andern Silbergefässen solcher Art Plinius erwähnt
(XXXIII, c. 12. S. 55 § 157): usque adeo attritis caelaturis, ne figura
discerui possit, auctoritas constat.
Die Figuren zeigen fast ohne Ausnahme noch die volle Model-
lirung ihrer Glieder; nur die Gesichtszüge sind bei vielen nicht un-
bedeutend abgerieben; doch tritt auch hier aus dem, was noch übrig
ist, der ursprüngliche Charakter fast überall noch deutlich hervor.
Ueber die Art seiner Verfertigung äusserte sich nach einem den Ac-
ten beiliegenden Bericht des historischen Vereins von Augsburg Hr.
Hundertpfund, ein hochgeachteter Maler daselbst, nicht ohne Grund
dahin, dass die Figuren weder gegossen noch getrieben, sondern
frei ausgeschnitten seyen; mau sehe dieses besonders aus dem ein-
gewickelten Kinde der aufrecht stehenden Frau und dem Schilde
mit den vier kleinen Figuren. Die Arbeit selbst geschah wie bei
den geschnittenen Steinen mit Hilfe der Drehscheibe, des roQvog,
und des Aus- und Abschleifens (roQsvety), wovon die Toreutik (ro-
qevtixtj r€%vri, caelatura) ihren Namen hat. Die Stifte oder Bohrer
(terebrae), deren der Künstler beim Schneiden sich bedient, enden
nach dem Bedürfniss der Arbeit in eine Spitze, einen Bart, eine
gerade oder gebogene Scheibe und werden mit einem Rad in Ver-
112
biudung gebracht, das von der um die Drehscheibe geschlungenen
Schnur beim Umdrehen derselben wie das Spinnrad in rasche Be-
wegung gesetzt wird, und wie dieses die Spuhle, so die eingefügten
terebrae dreht (terebrarum fervor bei Plinius). Bei geschnittenen
Steinen mussten die terebrae wegen der Härte des Stoffes das
Ganze verrichten, bei Metallen war es leicht, mit freier Hand in
dem Feinen nachzuhelfen. Die stärksten Erhöhungen waren, wie
es Hrn. Hundertpfund nicht entgangen ist, aufgelöthet, und wurden
durch Schnitt und Abdrehen dann mit den übrigen Stücken in Har-
monie gesetzt. An einigen Stellen, wie am linken Schenkel und
am Kopfe des als Bruchstück erhaltenen Kriegers ist der Ansatz
ausgefallen, und der Grund an diesen Stellen noch mit kleinen
perlenähnlichen Erhöhungen bedeckt. Auch aus den Stücken des
au dem Boden knieenden und gefesselten Kriegers, der sich der
Frauengruppe anschliesst, ist fast die ganze Fläche des Rückens
ausgesprungen und sind noch Spuren der Punktirung des Grundes
übrig.
Der der Abhandlung beigegebene Kupferstich enthält in dem
oberen Rande eine genaue Zeichnung des ganzen Reliefs mit über-
geschriebeneu Zahlen, nach denen bei der Beschreibung die Figuren
sollen bezeichnet werden. Darunter ist Nr. I und II eine perspe-
ctivische Ansicht der beiden Seiten des Gefässes gezeichnet und
Nr. IV die Breite, die Tiefe und die Ausbiegung derselben in Linien
angegeben.
Gehen wir auf den Inhalt über, so ist bald wahrzunehmen,
dass eine Vereinigung von drei zu einander gehörigen Gruppen sich
vor uns entfaltet, von denen die mit den Kriegern sich gleich als
die vorwaltende und darum als die Mitte der ganzen Darstellung
kenntlich macht. Zu beiden Seiten sind weibliche Gruppen, sitzende
und stehende Frauen, zum Theil mit Kindern und mit Ausnahme
113
von Einer sämmtlicli den tiefsten Schmerz ausdrückend. Wie aber
in der Hauptgruppe selbst über die Männer entschieden wird, so
zeigt der tiefe Schmerz der Frauen, der Trost, den die Greisinnen
unter ihnen zu spenden bemüht sind und die stumme Verzweiflung
anderer, dass diese die Entscheidung ihres Looses eben vernommen
haben, und von welcher Art dasselbe sey, deutet nicht nur der
Ausdruck der Frauen, sondern auch vor der rechten Gruppe die
Gestalt eines mit der Chlamys bekleideten und aufrecht stehenden
Kriegers, der das noch in der Scheide ruhende Schwert mit ange-
zogenem Arme in der Rechten hält. Alles das weist mit Entschie-
denheit auf Vorgänge nach Eroberung einer Stadt, wo über das
Loos der gefangenen Männer und Frauen gerichtet wird. Die
Entscheidung selbst aber geht von dem jungen Krieger aus, der mit
der Chlamys um den linken Arm geschlungen, mit dem Riemen des
Schwertes (balteus) um Nacken und Brust, die Hand nach einem
Krieger hinstreckt, der aufmerksam nach ihm blickt, während dessen
aber das Schwert zurückhält, das bestimmt ist, einen Gefangenen
zu treffen, der mit rückwärts gebundenen Händen von ihm abgewen-
det auf den Knieen liegt, und dem er zum Behufe des tödtlichen
Streiches mit der Linken das Haupthaar gefasst und das rechte
Knie in den Rücken über die gefesselten Arme gestemmt hat. Der
Vorgang selbst aber tritt in die heroische Zeit zurück. Dieses ist
daraus klar, dass die handelnden Männer unbekleidet, oder nur mit
Chlamys, Helm und Parazonium ausgerüstet sind. Auch Götter feh-
len bei dem Vorgang nicht. Dem Gebietenden zur Seite steht ganz
flach erhaben Pallas Athene, an Helm und Lanze leicht zu erken-
nen; eine ähnliche Gestalt erhebt sich hinter der mit einem Kinde
auf dem Schoosse am Boden sitzenden Frau. Sie ist fast ganz
erloschen; aber das Parazonium über Schulter und Brust, einige
Umrisse von dieser und von dem ausgestreckten rechten Arme sind
noch zu unterscheiden. Die Figur Avar also eine männlich-heroische.
Die Geradheit ihrer Stellung deutet darauf hin, dass sie als Theil
Abhandlungen der I. Cl. d. k Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 15
11t
eines Tropäoii, von dem dann Reste des Panzers und der grade
abstellenden Bekleidung des Oberwamses übrig wären, wenn nicht
als Statue zu betrachten war, und dieser Umstand ist zur weitern
Erklärung von Wichtigkeit. Bezüglich der Pallas bemerkte Herr
Hundertpfund bei ihrer, Erwägung und Theilnahme ausdrückenden
Stellung mit vollem Rechte, dass sie nicht als Statue, sondern als
die zum Schutze oder Rathe dem Sieger nahe Gottheit gegenwärtig
sey. Sie ist wie in grosser Entfernung gehalten und als ob sie
dem gewöhnlichen Blicke sich entziehen wollte, ungefähr wie im
Anfange der Iliade, wo sie bei ihrer Erscheinung iui Streite der
Helden (II. a, 194) dem Achilles allein sichtbar ist, den sie be-
rathen und von Gewalttätigkeit abmahnen soll, von keinem der An-
dern aber gesehen wird. Ist sie auch hier erschienen, den Zorn
eines jungen Helden zu ermässigen? Fast scheint es so; ihre fried-
same, gegen den Unglücklichen, der den Todesstreich erwartet, hin-
gewendete Stellung lässt es vermuthen. Der Umstand aber, dass
der Held die Fläche der vorgestreckten Hand nach oben wendet,
deutet auf Erwägung und milde Gesinnung. Es ist dieselbe Haltung
der Hand , welche die Götter, wenn auch bei herabgesenktem Arme,
zeigen, der Ausdruck wohlwollender Beachtung und Geneigtheit
gegenüber denen, die sich ihnen mit Gebeten nahen, was Aristo-
phanes in muthwiHigem Spott dahin deuten lässt, dass sie die Hand
nach den Gaben wenden, die man ihnen darbietet. Ist diese die
richtige Deutung, so erschien hier die Göttin ihrem siegreichen
Schützling, um seinen Zorn zu ermässigen, den die Gefangenen
der besiegten Stadt zu erdulden im Begriffe waren, und die Wir-
kung ihrer Nähe und ihres Willens ist dann dadurch ausgedrückt,
dass der Held dem auf ihn blickenden und horchenden Krieger be-
deutet, das gezückte Schwert zurückzuhalten und des Gefangenen
zu schonen, der mit vorgebeugtem Haupte seinen letzteu Augen-
blick erwartet.
115
Damit sind wir auch der Begebenheit selbst auf der Spur, die
in diesem schönen Werke verherrlicht wird. Es ist Pyrrhus oder
Neoptolemus , der Sohn des Achilles, der Besieger von Troja, der
nach Eroberung der Stadt über troische Gefangene Gericht hält.
Hinter ihm, umgeben von Frauen und in tiefem Grame am Boden
sitzend, Polyxena, welche zum Opfer für Achilles gefordert wird,
und in der Frauengruppe linker Hand, in gleicher Weise an der
Erde sitzend und vom Grame gebeugt, Andromache, welche das
Loos vernommen, das ihrem Kinde, dem Sohne des Hector, be-
stimmt ist, der vor ihr am Boden sitzt und der Mutter die Arme
entgegenstreckt. Beide Frauengruppen sind durch das Schild zwi-
schen ihnen getrennt, welches auch seinerseits andeutet, dass die
Scene in ein Feldlager verlegt ist. Es trennt die beiden Gruppen
an der Stelle, die dem Mittelpunkte der Hauptgruppe im Diameter
entgegensteht. Dadurch wird die Anordnung vollends klar; die
Gruppe der Krieger und des Gerichts rechtfertigt sich auch durch
diese Anordnung als die vorwaltende und entscheidende, und die
weiblichen, welche durch das Schild getrennt werden, sind ebenso
durch ihre Stellung wie durch ihren Inhalt den andern untergeordnet
und sie ergänzend.
Dass der Sohn des Achilleus, welcher nach des Vaters Tode
vor Troja auftrat, als Jüngling von sehr frühen Jahren unter den
Ersten in der Schlacht und im Hat he geglänzt, bei Eroberung der
Stadt aber die höchste Tapferkeit und Unerschrockenheit bewiesen,
und einen herrlichen Theil der Beute und ein gleiches Ehren-
geschenk erworben hat (juoiqc.v xal ytyag to&kov t^wy), erfährt
bereits der Schatten seines Vaters von Odysseus in der Unterwelt
(Odyss. /, 534). Die späteren epischen Dichter haben dieses
Thema zum Theil wohl aus alter Sage des Weiteren ausgeschmückt,
und in den Meldungen aus ihnen, denen Virgilius folgt (Aen. II,
v. 469 ff.) erscheint er als der Held jenes Entscheidungstages, der
15*
110
die eigentliche Burg der Dardaniden stürmt, ihre Pforten ond Mauern
bricht und über ihren Trümmern und den Leichen der heldeumüthi-
geu Vertheidiger zum König Priamos vordringt und den vom Blute
seines jüngsten Sohnes bespritzten Greis durchbohrt. Er war also,
wie der Erbe des Namens und Ruhmes, so der Fortsetzer der Tha-
ten seines grossen Vaters, und es erscheint dieser Stellung ganz
entsprechend, wenn er in der Scene nach der Eroberung, die in unse-
rem Werke als der Mittelpunkt der bedeutendsten auf sie bezüglichen
Vorgänge auftritt, die hervorragende Persönlichkeit bildet, zumal der
Inhalt der weiblichen sich auf sein Ehrengeschenk, wenigstens einen
Theil desselben und auf die Ehrung seines Vaters bezieht. Hinter ihm
(N. 11) stehen (N. 12, 14, 15) zu einer schönen Gruppe vereinigt drei
Myrmidonen, der erste davon eiu Jüngling mit Helm und Schild ge-
rüstet, dessen Spuren noch sichtbar sind, der andere bärtig und bis über
die Schulter mit breitem Schilde bedeckt ohne Helm, beide zu Pyr-
rhus hingewandt, der dritte wider ein Jüngling, ohne Helm, aber
mit der Lanze in der Linken, und ebenfalls von dem grossen
Schilde bedeckt, das Haupt nach einem Gefangenen zurückwendend.
Von grosser Merkwürdigkeit und Bedeutsamkeit ist der Schild, des-
sen Fläche der ganzen Ausdehnung nach von vier unbekleideten
und zu einer Gruppe vereinigten Gestalten angefüllt ist. Die mittlere
bedeckt das Haupt mit einem von der linken Hand emporgehobenen
Schilde, umschlingt mit dem rechten Arme einen Getödteten, der
zurück gebogen und mit gesunkenen Armen überhängt, und schreitet
über einen Leichnam hhnveg, während ein ganz unbekleideter und
unbewaffneter Mann in aufrechter Stellung nachschreitet, die Hand
ebenfalls über das Haupt emporhebend, und mehr in der Haltung
eines Wehklagenden als eines an dem Kampfe Betheiligten. Es
wird also der Leichnam eines gefallenen Kriegers während noch
andauernden Kampfes aus der Schlacht getragen. Aber wessen
Tod ist es, der hier in diesem ausnehmend schönen und bedeu-
tungsvollen Symplegma gerettet wird? Ist die Hauptfigur auf Pyr-
117
rhus zu beziehen, so würde dieser Umstand schon hinreichen, in
der Gruppe den Tod des Patroklus zu erkennen, dessen Leichnam
von Meuelaus aus der Schlacht getragen wird. Die Schilderung,
eine der lebendigsten und bewegtesten der Iliade, steht II. q, 717
ff., wo im Kampfe um den Leichnam Ajas dem Menelaos zuruft:
„Aber du selbst und Meriones duckt unter den Leichnam
„Schnell und hebt ihn empor und traget ihn aus dem Getümmel,
„Während die Troer ich selbst abwehr' und den göttlichen
Hektor."
Es wird also Menelaos seyn, der den Patroklos emporgehoben
hat und davonträgt. Diese aus der Sache selbst gezogene Deutung
findet ihre volle Bestätigung durch die berühmte Marmorgruppe,
welche denselben Gegenstand darstellt und sich in einem Exemplar
ganz und in Bruchstücken eines andern erhalten hat. Die ganze
steht jetzo in der untern Halle des Pallastes Pitti in dem nach dem
Garten geöffneten Räume; die Bruchstücke der andern, das Haupt
des Menelaus, die Schenkel des Patroklus und einzelne andere
Reste liegen im hintern Grunde der langen Statuengallerie (galleria
delle statue) des Vatikan. Dazu der Torso, der in die Mauer eines
Hauses der Strasse del Pasquino eingefügt wurde, selbst Pasquino
genannt wird, und der Strasse den Namen gegeben hat. Er ist von
Visconti (Museo Pio- Clement, t IV. S. 21 — 31) als ein zu jener
oder einer dritten solchen Gruppe gehöriger Torso des Menelaos
erkannt worden und ein Werk vom höchsten Style der Skulptur.
Ist aber dieses der Inhalt des Schildreliefs auf unserer Schale, so
tritt es dadurch in nähere Beziehung zu Pyrrhus und verstärkt die
Schlussfolgerung, durch welche wir zur Erklärung des jungen He-
ros geführt wurden. Der Künstler hat dadurch, dass er auf einem
Schilde, vielleicht auf des Helden eigenem Schilde, welchen der
Krieger als sein Diener (&£QÜn<av) ihm während des ganzen Vor-
118
ganges trägt, eine in den Schicksalen seines Vaters hervorragende
Scene und den Tod des Patroklus darstellt, zugleich den Achilles,
der durch jenen Tod zur Entfaltung seiner ganzen Heldengrösse
geführt wurde, schon die Beziehung der Gruppe auf jene Scene
näher bezeichnen wollen.
Ehe wir in ihrer Deutung weiter gehen, ist beizuziehen, was
sie an Gefangenen enthält. Hinter dem Schildträger steht ein Greis
(N. 16) in faltiger, nicht hellenischer Kleidung und dadurch als
Nichtachäer bezeichnet, mit vorgebogenem Haupte, die Hände auf
den Rücken gefesselt und rückwärts von einem Krieger gehalten,
der allein mit Helm und Parazonium gerüstet ist. Das also ist ein
Gefangener aus Troja, einer der Demogeronten, die um Priamus zu
Rathe zu sitzen pflegten, der hier seinem Schicksale entgegengeführt
wird. Mit ihm hängen innerlich die zwei Gestalten am Boden (N.
9 und 13) zusammen; beide sind in gleicher Weise gefesselt, der
eine knieend unter dem Schwerte des Achäers (N. 8), der andere
ein ähnliches Loos erwartend. Pyrrhus also ist hier in dem Augen-
blicke dargestellt, wo er über das Loos gefangener Feinde verfügt,
Dass er sie dem Tode bestimmt hat, ist klar. Aber zu welchem
Tode? wozu diese Grausamkeit nach vollendetem Kampfe? Oder
lag hier eine Ueberlieferung zum Grunde, über welche die Sage bei
den uns übrig gebliebenen Sängern der 3Wov m'QGig ebenso schweigt,
wie die aus ihnen geschöpften bei den attischen Tragikern ? Und
handelte es sich dabei nicht sowohl von einem blossen Acte scho-
nungsloser und ruchloser Härte, als vielmehr von einer Sühne, so
konnte diese sich nur auf den frühen Tod seines Vaters beziehen,
dessen Asche neben der des Patroklus in Troja zurückblieb und
vielleicht durch blutige Todtenopfer der Gefangenen sollte geehrt
werden. Die Scene träte dann derjenigen zur Seite, welche Homer
bei Beeidigung des Patroklus schildert. Achilles hatte bei dem
Rachekampfe für seinen gefallenen Freund, als die feindlichen Schaa-
119
ren iii den FIuss gedrängt wurden, des Mordens müde, zwölf troi-
sche Jünglinge, welche sich in dem Ufergeklippe bargen , ausgelesen
(II. (p, 27 f.) und geschont, um sie bei der Bestattung des Freundes
zu seiner Sühne neben dem Scheiterhaufen zu schlachten und mit
ihm zu verbrennen.
,. Sühne bereitend dem Tode des Menoitiaden Patroklos.
Diese führt' er heraus, die erzitterten ähnlich den Rehen,
Ihnen zurück die Hände mit zierlichen Riemen umschlingend,
Welche sie selbst getragen auf reichlich gefaltetem Leibrock,
Gab sie darauf den Genossen, sie nach den Schiffen zu führen."
Als nun die Verbrennung des Palroklus vollzogen wurde, und
um den Scheiterhaufen Schafe und Rinder geopfert und mit ihrem
Fette der Leichnam bedeckt, auch mit Honig und Salben umgeben
war, wurden noch vier Pferde und zwei Hunde des Patroklus ge-
schlachtet und auf den Scheiterhaufen gelegt. Dann fährt der Dich-
ter fort (II. i/>, 175):
„Auch zwölf treffliche Söhne dazu der muthigen Troer,
Die er mit Erze getödtet; denn schreckliche Thaten erwog er."
Diesem analog finden wir die Scene unseres Gefässes. Auch
hier Jünglinge, gleich jenen gefesselt und im Begriffe, wenn nicht
von Pyrrhus, aber doch auf dessen Geheiss den tödtlichen Streich
zu erwarten, ein Greis noch neben ihnen, und in der Lücke hinter
ihnen ein Dritter gefesselt am Boden sitzend. Wahrscheinlich ist
noch ein vierter hinter diesen gewesen, der in dem Bruche verloren
ging. Die VermuÜiung liegt also nahe, dass es hier auch auf eine
Sühne (noivrf), und zwar das Vaters, durch troische Gefangene ab-
gesehen sey, die nach Eroberung der Stadt und vor Abfahrt des
Heeres dem gefallenen Helden von seinem Sohne sollen geopfert
120
werden. Ist aber dieses der Fall, und wird die Ausführung, wie
oben angegeben ward, noch im entscheidenden Augenblicke durch
das Vorwiegen anderer Erwägungen des Siegers gehemmt, so inuss
dafür ein weiterer Grund nachgewiesen werden, der in der andern
Gruppe angedeutet seyn wird.
Zunächst für diesen Zweck bietet sich die rechts angeschlos-
sene, welche durch den das Schwert haltenden und von der Haupt-
gruppe abgewendeten Krieger (N. 19) zweckmässig angefangen,
und durch eine am Boden sitzende Frau (N. 20), die ihr Kind
säugt, und dann durch vier Frauen (21, 22, 23, 24) fortgesetzt
wird. Als Hauptgestalt wird man leicht die sitzende (22) erken-
nen, an ihrer edlen Haltung und an ihrem tiefen Schmerz; die hin-
ter ihr stehende (21) zeigt sich durch ihre Haltung mehr als Die-
neriu. Selbst in Trauer versenkt blickt sie auf diese gegen sie
hingebogene Alte, die als in lebhafter Rede begriffen durch die
Vorbeugung ihrer Gestalt und die halb vorgestreckten und geöff-
neten Hände sattsam angedeutet wird. Es ist demnach eine Lei-
densgruppe mit heftiger Erregung über das Ereigniss, von dem die
am Boden Sitzende getroffen wird. Die letzte (N. 24), die ihren
Säugling trägt, erscheint durch Haltung und reiche Kleidung über
die andern im Ganzen hinausgehend, und ist wohl als Stellvertre-
terin der andern edlen troischen Mütter, als eine von vielen in der
Scene gegenwärtig, welche nur wenig Gestalten zuliess. Zu nähe-
rer Deutung führt der mit dem Schwerte bewaffnete Krieger, der
die Gruppe beginnt. Seine Haltung, das Schwert selbst in seiner
Rechten, obwohl noch in der Scheide, deutet darauf bin, dass er
es ist, der die Trauerbotschaft gebracht hat, von der die Frauen
erschüttert werden, und dass er Folgeleistung für den Befehl
erwartet, zu dessen Ausrichtung er gesandt wurde. Ist, wie nicht
zu zweifeln, die am Boden Sitzende davon getroffen, und deutet
das bereit gehaltene Schwert, dass es auch eine arge That und
121
weil es Frauen sind, Sühne oder bluh'ge Opfer gilt, die einem Ge-
fallenen bestimmt worden, so ist bei der Nähe des Pyrrhus wohl,
wie wir gethan, mit Notwendigkeit an Polyxena, die Tochter des
Priamus, zu denken, welche nach Trojas Fall als ein letztes Ehren-
geschenk dem Achilles an seinem Grabe geopfert wurde. Euripi-
des hat diese Sceue zweimal geschildert, in den Troaden (v. 624
ff. ed. Matthiae) und in der Hekabe (v. 216 seq.), wo Odysseus
eingeführt wird, die Botschaft zu melden, und dass er zum Be-
gleiter und Führer {nofj,7xdg und xofxtöTtjo) der Jungfrau bestellt sey:
vEdo£ *A%cuolg nalöcc Gr\v HoXv^evrjv J£(pagat TJQog 6q9-6i> yw^ *AyjX-
Xsiov rcxpov. cH/uag Ss nofinovg xal xotuiOTt]Qag y.öqrjg Taoaovoiv
üvai, dass die Erscheinung des Achilles {(päprao/x *AyiXteu>g) dieses
Opfer begehrt habe, wird aus alter Sage (v. 366) beigefügt, der
auch die nachhomerische Epik bis auf Quinlus Calaber herab ge-
folgt ist. Dieser lässt (Paralip. XIV, v. 180 ff.) den Schatten des
Achilles dem Sohne selbst erscheinen. Er stand ihm zu Haupte:
„so wie er einst noch
Lebend den Troern Leid und Lust den Achäern gewähret."
Wir werden dadurch zur Erklärung der schattenhaften d. i.
ganz flachen und nur wie angedeuteten grossen Gestalt geführt (N.
19), die, wie wir oben bemerkt, sich hinter der am Boden sitzen-
den Frau erhebt und den Raum zwischen dem wartenden Krieger
und der ersten abgewendeten Frau ausfüllt. Die Beziehung der-
selben auf Achilles wird wohl kaum zweifelhaft seyn, obgleich das
Wenige, was von ihren Umrissen übrig ist, nähere Bestimmung
nicht gestattet. Es bleibt unbestimmt, ob die aufrechte Gestalt mit
dem erhobenen und ausgestreckten Arme das Phantasma selbst, den
sein Opfer fordernden Helden, bezeichne, oder ob in ihr sein Bild,
wie auf dem oben erläuterten Schilde das Schicksal seines Freun-
des, dargestellt sey, um der Scene ihre Deutung zu sichern, oder
Abbandlungen der I. CK d. k. Akad. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 16
122
ob nur ein Tropänm als ein Denkmal seines Sieges gebildet war.
Die Statue, wenn es eine solche war, würde auf die Ehrung des
Helden hinweisen, welche durch das Opfer der königlichen Jung-
frau vermehrt wird. Der Anachronismus, nach welchem Bildsäulen
zu Ehren und zum Schmucke des Verstorbenen vor Troja aufge-
stellt werden, wäre bei einem Künstler nicht so bedeutend, da schon
das homerische Zeitalter, wie die Schilderung der Werkstatt des
Hephästos zeigt, die Kunst wohl verstand, wenigstens Reliefe aus
edlerem Metalle zu bilden.
Die nähere Deutung der Frauen, von welchen die am Boden
über ihr Schicksal trauernde Polyxena umgeben ist, lässt sich kaum
mit Bestimmtheit geben. Das Gesicht der über sie hin und nach
der andern vorgebogenen ist zwar stark abgegriffen, zeigt aber
doch noch alternde Züge. Sie wird darum als Amme der dem Tode
bestimmten und mit den Dienerinnen oder Schwestern derselben im
Gespräche begriffen zu denken seyn. Die Haltung zeigt zugleich
Bestürzung und Unmöglichkeit der Hilfe. Die beiden jungen Mütter
mit ihren Kindern sind dann wohl Schwestern oder Schwägerinnen
ebenderselben, welche zur Vollendung der Scene dienen, zwei vor-
treffliche Gestalten in reicher Kleidung, die Eine im Schrecken zu-
rückgebogen und ihr Kind fester umschlingend, die Andere sorgloser
am Boden sitzeud, das ihrige säugend, und mit dem Antlitz nach
den Uebrigen zur Seite gewendet, wodurch die Einheit der Be-
wegung und die Mannichfaltigkeit der Handlung vermehrt wird.
Dass der Krieger als TiQonojunög und xojuiotjjq der Jungfrau steht
und ihres Aufstehens wartet, ist wohl klar, nicht aber, ob er als
Odysseus zu denken sei, da ihm die diesen, wenn auch nicht immer,
doch glücklich kennzeichnende Schifferkappe fehlt.
Die Scene zur linken Hand hängt mit der mittleren durch zwei
Gefangene zusammen, von welchen der eine (N. 6) stehend und
123
zu den Frauen hingewendet, der andere (N. 7) auf den Knieen
liegend und gegen Pyrrhus gekehrt ist, beide mit auf den Rücken
gebundenen Händen. Daran schliesst sich die Gruppe der vier
Frauen (N. 1, 2, 3, 4), zwei sitzend, zwei in gebogener Stellung,
mit dem Kinde (N. 5), das am Boden sitzend nach der vor ihm
Sitzenden, also wohl nach seiner Mutter, die Arme verlangend
hebet. Diese jedoch, den Schleier bis über die Stirne gezogen,
ganz verhüllt und die Arme über die Kniee gelegt, stellt das Bild
einer in tiefem Schmerz trostlos Versunkenen dar. Dass das Kind
Gegenstand desselben sey, deutet die hinter ihm Siehende, welche
mit der Linken einen Theil des Gewandes gegen das Auge hebt,
also ihre Thrünen trocknet, die Rechte aber nach dem Kinde herab-
senkt, als ob sie es als Gegenstand ihrer schmerzlichen Theilnahme
bezeichnen wolle. Gleiche Theilnahme, wenn auch in anderer Weise,
wird auch durch die andere am Boden sitzende Frau (N. 1), wel-
che das Haupt auf die emporgezogenen Kniee stützt, deutlich aus-
gedrückt, die Alte aber hinter der unglücklichen Mutter, ebenfalls
in reicher Verhüllung und der in der eben erklärten Gruppe (N.
23) fast gleich an Stellung und Ausdruck, drückt wohl, wie ihre
Haltung und die halb vorgebreitete und geöffnete Linke zeigen,
den Schmerz aus, der die ganze tragische Leidensgenossenschaft
durchdringt und um so inniger ist, als er rathlos und hilflos zu-
gleich erscheint.
Das Schild, welches die Gruppe von der andern trennt, und
die in den Linien noch erkennbare Draperie, die von ihm ausgeht,
deutet wohl an, dass die Scene in ein Zelt verlegt ist, welches nur
das des Pyrrhus seyn kann, und dieser Umstand leitet dazu, ihren
Inhalt verständlich zu machen. Wir thun dieses mit Bezug auf
Euripides Troaden. Andromache war auf dem Wagen, umgeben
von der troischen Beute des Pyrrhus, in die Scene geführt worden.
Sie berichtet der Hekabe, dass sie Zeugin von dem Opfer der Poly-
16*
124
xena gewesen sey und die Jungfrau nach dem Tode verhüllt habe.
Ihr Loos ist, dem Sohne des Achilles als Magd nach dem Lande
der Myrmidonen zu folgen; aber das ist nicht der härteste Theil
desselben. Bald erscheint Tallhybius (v. 711 ff,), ihr zu melden,
dass Odysseus die Versammlung der Könige bewogen habe, ihren
Sohn zu tödten. Es schien gefährlich, den Sprössling des gröss-
ten der troischen Helden am Leben zu lassen, und man weiss, wie
dieses Urtheil an dem unmündigen Knaben vollzogen wurde. Ist
die Scene auf dasselbe zu deuten, so erklärt sich Alles von selbst.
Das Urtheil ist verkündigt, und die Mutter darüber in jenen tiefen
Schmerz gesunken, der nicht einmal durch das Vorbeugen des Kin-
des nach ihr in Bewegung und zum Ausbruche in Klagen und
Thränen gebracht wird. Derselbe spiegelt sich in der abgewen-
det sitzenden Gestalt, in dem Ausdruck der jungen Frau, wahr-
scheinlich der Amme des Kindes, in den Mienen und Gebärden der
Alten, in der man sofort Hekabe erkennen wird, die auch bei Eu-
ripides in der Scene dieses Jammers ihrer Schwiegertochter zur
Seite steht. Selbst der gefangene und gefesselte Jüngling scheint
seines eigenen Looses zu vergessen, denn er hat sich von der Seite,
wo ihm selbst der Tod bereitet wird, weggewendet und blickt mit
gesenktem Haupte nach der Gruppe der trauernden Frauen.
Nach dieser Erläuterung ist nicht nur das Einzelne deutlich,
sondern auch das Ganze stellt sich in der Bezüglichkeit seiner
Theile dar. Um die Person des Pyrrhus vereinigen sich die beiden
am meisten tragischen Ereignisse nach der Vertilgung von Troja,
die Opferung der Polyxena und der Tod des Astyanax, der von
den durch Hektor geschützten Maueririn das Verderben geschleu-
dert wurde. Beide stehen mit Pyrrhus in Verbindung. Polyxena
wird seinem Vater geopfert, Andromache ihm selbst als Magd über-
geben; durch den Tod jener wird sein Vater, durch das Geschenk
von Hektors Wittwe wird der Sohn geehrt. Er selbst aber thront
125
umgeben von diesen Gruppen in jener Handlung, die wir erläutert
haben, und, ist ihr Moment richtig bezeichnet, wendet er unter dem
Einflüsse der mildernden Gegenwart der Pallas Athene das letzte
Schicksal von den gefangenen Troern ab, so scheint er selbst zu
sagen: „Genug ist an dem, was geschehen, genug der Ehre, die
dem Vater gebühret und die mir geworden. Nicht braucht es wei-
teren Blutes. Darum sollen diese leben , dass sie mir und der An-
dromache zum Dienste in die Heimath folgen." Die Andromache
des Euripides zeigt diese nach der Heimkehr des Pyrrhus, von
Pyrrhus geliebt, durch ihn Mutter, umgeben von troischen Frauen
und durch die Ehre und Neigung, die sie bei ihrem Herrn fand,
der Eifersucht und der Rache seiner Gemahlin, der Tochter des
Menelaos und der Helena, ausgesetzt, welche durch Stolz und
Eifersucht die Liebe ihres Gatten verloren hatte.
Die Vortrefflichkeit der Anordnung, die Reinheit der einzelnen
Figuren, die Grossartigkeit, welche zumal die Gestalten der Andro-
mache, der Polyxena und der beiden Mütter zeigen, ihre Verbin-
dung unter einander und zu einem reichen Ganzen, die Mannichfal-
tigkeit der Lagen und Stellungen, der Gefühle und des Ausdruckes
zeigen das Werk eines Künstlers von hohem Range, Arbeit und
Styl sind dessen würdig. Ueberall , in allen Formen der edelste
Ausdruck reiner Schönheit, und über den tiefsten Schmerz jenes
hellenische Maass ausgebreitet, welches auch dem Herzergreifenden
die Aumuth beizugesellen weiss.
Darum ist kein Zweifel, dass wir ein Werk acht hellenischer
Kunst vor uns haben, das auf unbekannten Wegen aus seiner Hei-
math nach Italien, und von da aus wohl in den Besitz eines geist-
lichen Stiftes oder Bischofsitzes gekommen ist, dem es nach der
Umdeutnng seines Inhalts in christliche Ueberlieferung (wie nahe lag
für jene Zeit die Beziehung auf Herodes und Bethlehem!) zu hei-
126
ligem Gebrauche diente, bis es unter altes Metall und zuletzt unter
den Hammer eines Knaben gerieth, um, gleich den auf ihm abge-
bildeten Troern, noch in dem letzten Augenblicke, wo ihm der ver-
nichtende Schlag drohte, Rettung und neues Leben zu gewinnen.
Um aber für die Untersuchung über Zeit, Alter und Herkunft
des Werkes festen Grund und Boden zu erhalten, wird es nöthig
seyn, über die hellenischen Silberarbeiten hier das Wesentlichste
um so mehr zusammenzustellen, da dieser Gegenstand in den neuen
Werken über Archäologie gewöhnlich nur nebenher behandelt wird.
Ist Toreutik oder Caelatur, wie oben bemerkt wurde, Bearbeitung
des Metalls durch Abarbeiten und Eingraben zu bestimmten Gestal-
ten und Geräthen im Allgemeinen, so reicht ihr Ursprung und ihre
erste Ausbildung bis in die Zeit zurück, in welcher Geräth und
Geschirr aus Metall gemacht wurden. Cälatur ist so alt, wie die
Herstellung kostbaren Geräthes überhaupt, und die homerischen
Schilderungen von den aus Gold, Silber und Elfenbein gebildeten
Gerätschaften, stellen ihre Uebung bis in den Ursprung der helle-
nischen Bildung zurück, vorzüglich aber die Meldung vom Becher
des Nestor (II. /, 652 Ssnag TTSQtxaW.ts) mit vier Ohren (offenbar zu
zwei Paaren an beiden Henkeln geordnet) um deren jedes zwei
goldne Tauben weideten ((doiai &£ nsksiädsQ, afttplg txa^ov yqvoeiai).
7i\x besonderen Ehren jedoch gelangten einzelne Meister in ihr erst
zur Zeit der vollendeten Plastik, als man die durch langen Ge-
brauch erworbene Kunstfertigkeit auf Ausstattung von TrinkgesChir-
ren, besonders aus Silber, übertrug. Plinius gibt von den Meistern
(II. N. XXXHI, c. II, S. 52 ff.) derselben da, wo er vom Silber
und seinem Gebrauche handelt, erwünschte Nachricht, welche S.
53 mit der Bemerkung eingeleitet wird, es sey seltsam, dass in Gold
Niemand mit Ruhm gearbeitet habe. Gold war in Griechenland vor
der macedonischen Zeit überhaupt selten, dagegen Silber, vorzüglich
aus den attischen Bergwerken von Laurion, zu Athen namentlich in
127
Ueberfluss. Die silbernen Gefässe, die Becher und Schalen (oxvytjy
tficiXai) besonders, wurden zum Theil nach den Meistern, die ihre
Form mit besonderem Glück ausgebildet hatten, zum Theil auch noch
zu Plinius Zeiten nach den Werkstätten genannt, Sect. 49: Vasa
ex argento mira iuconstantia humani ingenii variant, nulluni genus
officinae diu probando, nunc Firmiana, nunc Clodiana, nunc Gratiana.
Die ältesten Cälatoren des Silbers, die er nennt, reichen, so weit
man ermitteln kann, in die Zeit des Phidias hinauf, Mys nämlich
und Calamis. Denn Mys soll nach Paus. 1, 28, 2 den ehrenen
Schild der Athene des Phidias mit dem Kampfe der Lapithen und
Ceutauren und anderen Zierden toreutisch geschmückt haben (toqsv-
aai) , und Calamis, der auch als Urheber von Bildsäulen unter den
Meistern ersten Ranges glänzt, scheint sogar, wrenn auch nicht viel,
über ihn hinausznreichen, da er von Cicero (in Brut. 18, 17) und
Quintilian (XII, 10) unter den Sculptoren aufgeführt wird, die in
ihren Werken noch nicht ganz die Härte des altüberlieferten Sty-
les besiegt hätten. Indess wird er von Plinius nach Mys und
den mit ihm Verbundenen gesetzt. Von Calamis führt er kein
Werk namentlich an, von Mys aber im Bacchustempel zu Rho-
dus einen Silenus und Amorinen (Silenum et Cupidines), nach dem
Zusammenhang auf einem silbernen Scyphus. Einen gleichen von
ihm, einen herakleotisclien (oxvipog t]QaxA€i(oztx6i>) erwähnt Athenäus
(1. XI, p. 792 B) , auf welchen wir später zurückkommen. Dem
Mys werden an Ruhin gleichgestellt Acragas und BoefJms, und mit
dem Calamis werden Antipater und Stratonicus verbunden, aber
allen an Ruhm Mentor vorangestellt: . . . inclaruisse . . . argento
multi. Maxime tarnen laudatus est Mentor. Von ihm besass der
Redner L. Crassns zwei Becher (1. 1. Sect. 53, § 148): duos scy-
phos Mentoris artificis manu caelatos), die um Sestertiis C, d. i.
100,000 HS. = 10,000 fl. gekauft waren; doch bemerkte Crassus,
dass er sie aus Scheu niemals zu brauchen wage. Derselbe hatte
vier Paare (Sect. 55. § 154) gemacht: quatnor paria (sc. scypho-
128
rum) ab eo omnino facta sunt, ac jam nulluni exstare dicitur Ephe-
siae Dianae templi et(add. Jovis) Capitolini incendiis . . . , wo om-
nino unhaltbar und der Satz am Ende lückenhaft ist. Jenes ist wohl
aus einem Geräthnamen entstanden, die Lücke aber durch consumpta
zu ergänzen. In jenem Tempel nämlich waren des grossen Meisters
Werke geweiht und hatten sich darum in den Tempelschätzen unter
dem Schirme der Heiligthümer erhalten. Vergl. Plin. VII, 38, Sect.
39 § 1*27: Plridiae Jupiter Olympiae quotidie testimonium perhibet,
Mentoris Capitolinus et Diana Ephelia, quibus fuere consecrata
artis ejus vasa. Zwei Becher von seiner Hand und nach dem Ur-
heber ihrer Form Therikleische genannt (duo pocula, qnae Thericlea
nominantur), Werke von der höchsten Kunst (summo artificio facta),
hatte Verres dem Diodorus aus Lilybaeum entrissen (Cic. Verr: IV,
18, § 38). Eine Schale (phiala) von seiner Hand mit einer Ei-
dechse, so dass, wie der Dichter sagt, man das Silber fürchtete, prei-
set Martialis (III, 41): Inserta phialae, Mentoris manu ducta, lacerta
vivit et timetur argentum. (Diese war also im Innern des flachen
Gefässes, auf dessen Grunde, als ein tjußtyua gebildet,) und mit dem
des Mys verbindet seinen Ruhm Propertius (III, 9, 13). Dazu
aber kommt die Meldung zu beleuchten, dass von ihm eine beson-
dere Art von Bechern juevroQovQyijg genannt worden sey, welche von
Sillig (Catol. Artif. v. Mentor, p. 272) angenommen wird. Doch,
ist diese Benennung an sich nicht wahrscheinlich. Sie wäre dann
MsvtÖouov (noirjoiov) gewesen, und folgt nicht aus Luciau, auf
den er sich beruft (Lexiph. § 7, Opp. T. II p. 332 ed. Reiske):
JIorrjQia de txsizo navtola ini itjg dt?.(p(vidog roanC^S o xoviptusTvo-
nog y.al rQvt]Xrjg jusvrooovoyiig. Der Eine Scholiast, den Sillig an-
führt und der Mentor zu einem Glasschmelzer, vatoxpog, umwandelt,
sagt: MtvroQovoyijg di ccno Mevrooog nvog vuXo\\iov} rovT(p xatu^Qtj-
aafxtvov zw tl'dti, doch auf eigene Hand, und der andere erklärt
ganz richtig: and [yno) MtvToqog nsnoi^juei/ov. Lexiphanes, „der
Wortkünstler", hat nach seiner Weise diese Phrasis in Ein Wort
129
zusammengezogen, am die Zahl der künstlichen Worfgebilde nnd
seltenen Termini zu vermehren, von denen die Erzählung strotzt
und ihren parodischen Character erhält. Das Gefäss war tqvij-
Aqg, zum Rühren wohl geeignet, am Schweife bequem zu fassen:
svÄaßrj kxwv x®v %£Qxot/, also ein in einen xfyxog ausgehendes Trink-
horn, und darum zQvxpi/ugrw7iog, d. i. auf der Stirn liegend, weil ein
solches Trinkgeschirr nicht zum Stehen geeignet ist und auf die
Stirn gestellt werden muss, ferner ßo/ußvhog mit engem Halse, der
das Getränk unter häufigen ßojußoig durchfliessen Hess, jedoch
wie der xQvipiju^Twrcog zeigt, in ein weites Mundstück sich öSnet,
darum aber ein dsiQoxvnuXÄov, ein Halsbecher, d.i. einer mit langem
und schmalem Halse. Wie dies seltsame Gebild ein /usvTOQovQytfg,
so werden von diesem Wortkünstler darauf die irdenen theriklei-
schen Becher erdgeborene (ytjys^rj) genannt. Uebrigens ist zu be-
dauern, dass, abgesehen von der bei Martialis erwähnten Schale
mit einer Eidechse, des Inhaltes der Darstellung auf den übrigen
Bechern dieses grossen Meisters mit keinem Worte gedacht wird.
Die neben Mys genannten Meister werden mit einzelnen Wer-
ken angeführt. Neben den Arbeiten des Mys zu Rhodos werden
vom Plinius a.a.O. genannt: Boethi apud Lindiam Minervam, Acra-
gantis in templo Liberi patris, in ipsa Rhodo (in der Hauptstadt),
Bacchus Centanrosque (add. habentes) caelati scyphi. Acragantis
et venatus in scyphis magna fama.
Antipater neben Kaiamis ist ohne Angabe eines Werkes ge-
nannt; aber Stratonicus mit einer berühmten Schale, qui Satyrum
in phiala gravatum somno collocavisse verius quam caelavisse dlctus
est. Der war also ebenfalls ein im Innern der Trinkschale auf
ihrem Grunde angefügtes t/ußtyucc. Es ist bekannt, dass der bar-
berinische Faun unserer Glyptothek, das Werk eines der gröss-
ten Meister der alten Sculptur, denselben Gegenstand wie die
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 17
130
Schale des Stratonikus darstellt, der also, wie die Cälatoren und
Daktylioglypten häufig gethan, eine Statue grossen Namens nach-
gebildet haben wird. Ueber sein Zeitalter gestattet Plinius dadurch
einen Schluss, dass er (XXXIV, 8 p. 19) ihn unter den Künstlern
nennt, welche für Attalns und Eumenes die Kämpfe gegen die Gal-
lier gemacht haben, und darum Ol. CXXVI, zur Zeit des zweiten
punischen Krieges gesetzt ward. Boethus war auch als Bildhauer
ausgezeichnet. Da er nach Pausanias (V, 17, 1) ein Karthager
war, so hat er vor Karthagos Fall gelebt. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass er, wie der Kunst, so der Zeit nach dem Strato-
nikus nahe stand.
Die chronologische Folge dieser Meister geht also von Mys
und Kaiamis, d. i. von Phidias bis Stratonikus, oder bis auf die
pergamenischen Könige herab. Acragas steht wohl auch der Zeit
nach über Mys, da Plinius den Kaiamis erst nach diesen (post hos)
setzt, wenn ihm nicht die Nameu chronologisch durch einander ge-
rathen sind. Nach Stratonikus tritt die chronologische Folge be-
stimmter hervor. Bald (mox) nachher wurden Tanriskus aus Cy-
cikus, (welcher allein in dieser Stelle genannt wird), Ariston,
(der auch XXXIV, 8, 19 neben Calliades als argenti caelator
wiederkehrt), Eunikns aus Mytilene (auch XXXIV, 8, p. 19
genannt) und lieh ata eus gelobt." Diese rücken also der römi-
schen Zeit näher, in welche wir mit Pasiteles mitten hineintreten.
Plinius (H. N. XXV, c. 12 S. 45 § 156) meldet von ihm, dass er
in der Toreutik (caelatura) und in Bildsäulen aus Erz und Marmor
von höchster Auszeichnung gewesen (cum esset in Omnibus his sum-
mus), und berichtet (XXVI, c. 5 § 39), dass er fünf Bücher über
die berühmten Kunstwerke sämmtlicher (griechisch-römischen) Län-
der geschrieben habe (quinqne volurnina scripsit nobilium operum in
toto orbe). Ihm folgt, wie mir scheint, Plinius vor Allem bei Auf-
zählung der Künster und ihrer Werke, und weiss darum wenig zu
131
berichten, wo ihn dieser verlässt. Desshalb kennt er auch die
Werke des Pasiteles selbst nicht einzeln, (quae fecerit, nomiuatim
non refertur), offenbar, weil Pasiteles verschmäht hat, von sich
selbst zu berichten. Dessen wird hier darum gedacht, weil es uns
auf die Quelle der plinianischen Nachrichten über die Silberarbeiten
hinweist, die darum von grosser Bedeutung ist, da sie offenbar
von keinem andern, als dem eben genannten grossen Meister in
dieser Kunst selbst ausgeht.
Mit Pasiteles verbindet Plinius fünf Namen der gleichen Kunst,
von denen er also in den fünf Büchern dieses Meisters Nachricht
gefunden hat, und welche darum in seiner Zeit oder unmittelbar vor
ihm gelebt haben: Posidonius aus Ephesus, Leostratides (oder
Lysistratides „qui proelia armatosque caelavit")? Zopyrus, qui Areo-
pagitas et Judicium Orestis in duobus scyphis, HS. XX aestimatis.
Ein Gefäss letztern Inhaltes, ein schlanker Becher mit zwei aufstei-
genden Handhaben und einem Einsatz, der als eigentlicher Becher
dient, und den äusserlich sichtbaren mit den Reliefs nur als Hülle um
sich hat, welche durch Schliesen mit jenem zusammenhängt, wird in
der Bibliothek der Familie Corsini zu Rom aufbewahrt und ist von
Winkelmann (monumenti inediti N. 152) herausgegeben, der es unent-
schieden lässt, ob man in ihm das Original des Zopyrus oder eine
Nachbildung desselben hat. Letzteres ist wahrscheinlich, weil die
Figuren bei allen Vorzügen doch in der Form nicht fein entwickelt
sind. Es fehlt die den Werken ersten Ranges eigene freie und
feine Eurythmie der Modellirung. Dargestellt ist der Moment, wo
Pallas Athene für Orestes den Stein in die Urne legt. Ferner Py-
thagoras, „cujus duae unciae (Silbergefäss von diesem Gewicht) X
venierunt. Ulysses et Diomedes eraut in phialae emblemate, Palla-
dium surripientes. Der Gegenstand ist durch die Behandlung grosser
Daktylioglypten berühmt, von denen die Namentragenden Stosh ge-
liefert hat, Pierres antiques gravees, N. 39. JI02KOPIJOY zu
17*
132
Paris, N. 35 KJAI10YPNI02 2E0YHP0Z WHAlE (d. i. felix)
EIIOIEI, der wohl ein Freigelassener war, in der arnndelischen
Sammlung, N. MI10AYKAEITOY, Diomedes ohne Ulysses mit dem
Palladium, sitzend. N. 61 ZOA&N EIIOIEI, Diomedes wieder
allein, zum Kampfe bereit, und das Palladium in der linken zurück-
gezogenen Hand. Auch die Steinschneider pflegten für ihre kleine
Arbeit nicht selten berühmte Werke der Vorgänger und Zeitgenos-
nen nachzubilden, und dass so hervorragende Meister der Daktylio-
glyptik wie Dioskorides und Solon, die durch sichere Werke mit ihren
Namen bekannt sind, als solche auftreten, welche den von Pytheas
behandelten Gegenstand darstellten, zeigt von dem Ruhm, den sich
jenes Werk erworben hatte. Von demselben heisst es: Fecit idem
et cocos, magiriscia appellatos (/udyeiQog, fiaysiqlGxog, wovon /ua-
ysioionov, Küchlein), parvulis potoriis, sed e ((albus ne exemplaria
(fuidem licet exprimere. Tarn opportuna injuriae subtilitas erat.
Das waren also xva&oi, kleine Triukbecherchen und um sie her
noch kleinere Köche, die offenbar mit Zubereitung des Mahles be-
schäftigt waren.
Der letzte, Teucer, wird mit den Worten kurz abgethan:
„Habuit et Teucer famam", ganz gegen die Art des Plinius. Dazu
ist in mehreren Handschriften dem Namen noch crustarius beigesetzt,
ein Wort, das nicht zufällig ist. Crustarius ist der, welcher cru-
stas macht, d. i. Verzierungen an Gefässen, welche Cicero (c. Verr.
IV, 23) neben emblemata stellt, und die gleich jenen von den Ge-
fässen konnten abgenommen werden (iis, nämlich vasibus, crustae
vel emblemata detrahuntur). Es hat also Teucer den Beinamen von
der Geschicklichkeit, mit welcher er solche crustas oder emblemata
machte, und Plinius hat dennoch geschrieben: „Habuit et Teucer
famam, crustarius apellatus" , vielleicht mit Angabe des Grundes.
Es ist also wahrscheinlich derselbe Künstler, welcher den schönen
133
Amethyst (TEYKPOY) mit Herkules und Jqle geschnitten hat (Stosh
N. 68).
Plinius endet seinen Bericht von den Cälatoren nach Erwäh-
nung des Teukros mit den Worten: Subitoque ars haec ita exolevit,
ut sola jam vetustate censeatur usque adeo attritis caelaturis, (add. us)
ne figura discerni possit auctoritas constet. Die Gestalten waren meist
abgegriffen, aber das Ansehen dieser alten Werke, ihr Ruhm be-
hauptete sich. Das plötzliche Aufhören jener Kunst in römischer
Zeit ging wTohl daraus hervor, dass der Geschmack der Römer sich
von den silbernen Geräthen auf die pocula gemmata und die Mur-
rinen gewendet hatte, neben welchen die silbernen als geringfügiger
konnten betrachtet werden. Dass übrigens Plinius in jenen drei
Gruppen von Cälatoren, die sich den Namen von Mys, Kaiamis und
Pasiteles anschliessen , und von Mentor überragt werden, nicht alle
namhaften Meister dieser Cälatur in Silber aufgeführt hat, geht so-
wohl aus der unermesslichen Menge von so geschmückten Silber-
geräthen hervor, von denen die Schatzkammern der Könige von
Alexandria, Seleucia, Pergamos, von Pontus, Macedonien u. a. voll
waren, als auch aus der Meldung bei Athenäus (L. XI, p. 782 B.),
w7o eine Gruppe berühmter Toreuten aufgeführt wird, unter denen
neben einzelnen Namen des Plinius noch andere hervortreten: "Ev-
do'$oi dkroQtvTut, ^Ad-qvoxAijg, KQctTrjg, JZrQarovixog, Mvqjliij-
xtdqg'p MiÄrjoiog, KaXXix^drtjg 6 Adxwv xal Mvg. Neben Afheno-
Jdes wird dann ein anderer, Kimon, erwähnt (ibid. p. 782 C): ort
dicc anovdrjg ü%ov ol ciQ%aloi tyxoXanrovg tGtOQiag £v ixniofictdiv.
3Ev ravrrj dh rij x^yvr^ evSoxCtirjoav Kt/uwv xcd 'A&tjvoxZtjg. So
viel zur historischen Grundlage für unsere weitere Erwägung.
Dass auf solchen Trinkgeschirren Geschichten, nämlich my-
thische und heroische, von denen in Werken der antiken Kunst fast
allein die Rede seyn kann, dargestellt wurden, ist aus den eben
134
erwähnten Stellen des Athenäus klar, und diese Geschirre treten
dadurch in unmittelbaren Zusammenhang mit den irdenen und bemal-
ten Schalen, deren, wie bekannt, sehr viele ebenfalls Darstellungen
aus der Götter- und Heldensage enthalten, zur Erinnerung an die
Heroen alter Zeit, von denen das Leben der Späteren umgeben
war, und auf denen sie Beispiele der Ermunterung zu gleicher Tu-
gend oder das Vorbild der Tugenden und Thaten erblickten, nach
denen sie selbst trachteten, oder die sie in ihrem Leben dargestellt
hatten, und so konnte zumal für einen jungen Helden der späteren
Zeit die Darstellung eines solchen Siegers und der Belohnung, durch
welche der Sohn des Achilles war geehrt worden, ungeachtet des
tragischen Inhaltes, selbst auf einem Trinkbecher nicht als ein dem
Becher ungeziemender Gegenstand betrachtet werden. Ziehen wir
aber den Styl und die Behandlung des Werkes zur Erwägung, so
werden wir, im Fall nach der Zeit seines Ursprungs gefragt wird,
über die Gebilde der römischen Epoche, die vorzüglich durch grosse
geschnittene Steine bekannt sind, zurück in die der schönsten hel-
lenischen Kunstblüthe geführt, welche von Kaiamis und Mys beginnt,
und über Mentor sich bis in die Zeit nach Alexander fortsetzt. Die
ideale Form der Gestalten, die Reinheit der Zeichnung und Model-
lirung, die edle und grossartige Haltung, sowohl der einzelnen Ge-
stalten, wie der Gruppen und der ganzen Composition, erinnern zu-
nächst an die grossen Werke der Schule des Phidias und Iktinus,
die von dem Tempel der Nike an der Akropolis, von dem Parthe-
non und dem Tempel des Apollon Epicurius bei Phigalia in Arkadien
übrig sind. Wir werden dadurch in die erste Zeit der vollendeten
hellenischen Kunst selbst geführt, und aus ihr tritt uns eine Meldung
bei Athenäus über Mys entgegen, welche zu weiteren Schlüssen
Veranlassung gibt. Athenäus nämlich endet (XI, c. 4 p. 782 B)
die oben erwähnte Liste der Toreuten mit der Bemerkung, welche
an ihren letzen Namen, den des Mys, geknüpft wird: ov sl'do/utv
axvipov 'IIqccxXewtixov, ts%vm(X)s tfiovra *lXtov ivTsroQSv/uiytju noQ&q-
135
giv, t%ovTct (vielleicht bloss xal oder dieses doch dem Particip nach-
zusetzen) to InlyqccfXfxa tods.
rQÜ/ujuarct Tlr[QaGloio, riyvy Mvog' Sfifii dt Zoyov
*I%tov cänuvrjg, av iXov AlccxCdai.
Ijxixpog 'HQaxAscoTixög erklärt Athenäus (p. 500 A) neben dein
Boiwriog als einen Becher, dessen sich zuerst Herakles in den
Feldzögen bedient habe, und von dem die gleichen benannt wären:
Xqr]ocifxivov diu rijg atQarsiag TXQWTOv'Hqaxteovg rä> ysvsi,, worüber
Bentley (Dissert. de Phalaridis epist. S. 64 der lateinischen Uebers.)
ganz richtig bemerkt, der Name sey wohl von Heraklea herzulei-
ten (in dem Falle, welchen Athenäus oder sein Gewährsmann an-
nimmt, würde das Gefäss tHqäxXsiog heissen), und der eine Sky-
phos hat von der erwähnten Stadt eben so den Namen, wie der
andere, der Boiwriog vom Lande; auch wird das 'Hqaxfeiov Sinccg
von Athenäus eigens behandelt (p. 469C). Dass beide oxv<poi, der
böotische und herakteotische, von besonderer Form waren, zeigt
auch der Zusatz: tyovai jusvtoi nyog rovg aAAovg diayoQÜv tnsatt
yvo ini Twv dir cov avrotg 6 Asyö/usvog 'HgccxAeiog deü/uög.
Ohren sind die hervorstehenden Henkel des Gefässes, wie derglei-
chen der corsinische Becher hat, doch ohne den herkulischen Kno-
ten (dsojuog, v.vädaouog, nodus). Dieser ist nach Macrobius (Sa-
tural I, 19) eine Verschlingung, wie sie über dem Mercuriusstabe
die zwei über ihm emporragenden Schlangen zeigen, und die Er-
scheinung dieses Knotens auf den Henkeln des herakleotischen
Bechers hängt mit der magischen Wirkung zusammen, die man ihm
beilegte (Plin. H. N. XXVIH, c. 6 S. 16 §63: Vulnera nodo Her-
culis praeligare mirum quantum ocior mediana est. Atque etiam
quotidiani cinctus tali nodo vim quandam habere dicuntur, quippe
qua Hercules eum praediderit. — Die Henkel werden demnach aus
136
zwei zierlich gearbeiteten gebogenen und sich gegen die Mitte in
Knoten durchschlingenden Stäben bestanden haben.
Indess die metrische Inschrift des herakleotischen Bechers von
Mys, welchen Athenäus sah, hat ihre Schwierigkeiten. Die r^ä/A-
jj.eucc Ilrj^aaCoio zwar werden als y^ayal, als Zeichnung, leicht und
sicher erklärt. Es galt also: Jl^Qaog tyQaxps, Mvg iroQsvoe. Vergl.
Hesych. Tqu jj.fi ccr er rd ysyQaju/ugva zal ovÄAßßcä xal rd ^coyQatpq/ucc-
tcc. Demnach stand an dem Becher in Versen aasgedrückt, was in
ähnlicher aber einfacher Weise auf irdenen bemalten Vasen sich fin-
det, auf denen die Namen des Zeichners und des Töpfers unter Bei-
fügung von ErPAWEJS uud EUOIEZEN, geschrieben stehen. Warbei-
des von Einem Meister gemacht, so kommen beide Zeitwörter in
Verbindung: ETVAWEKAIIOEZEME , wie auf der Vase Dipoletli
(Vgl. Hrn. Raoul-Rochette Lettre ä Mr. Schorn. Paris J 845. S. 44).
Uebrigens wird gewöhnlich das noislv allein auf die Töpferei bezogen;
aber das Verhältniss zwischen Mys und Parrhasius zeigt, dass ygct-
q>nv nur auf Herstellung der Zeichnung ging, dem andern Meister also
die Ausführung derselben im Kunstwerke zufiel. Theilung der Arbeit,
selbst bei den bedeutendsten Werken, ist auch unter den Alten sehr ge-
wöhnlich gewesen. Die attischen Bauinschriften auf der Akropolis leh-
ren z. B., dass die Herstellungen der Zeichnungen zu plastischen Wer-
ken, die Modellirungen von Säulenköpfen u.a. besonders verdungen
und bezahlt wurden, und besonders wieder die Ausführung in Marmor,
die Bemalung, die Vergoldung. Wenn übrigens nach Plinius Zeu-
xis Töpfergeschirre gemacht hat (H. N. XXXV, S. 36 Fecit et
figlina opera), so ist das eben so zu verstehen. Wie sein Zeitge-
noss und Nebenbuhler Parrhasius für die Erzarbeiter, so hat er für
die Töpfer und Vasenmaler die Zeichnungen geliefert. Daraus, dass
Meister so hohen Ranges sich bei Ausstattung der Vasen aus gebrann-
ter Erde in dieser Art betheiligten, erklärt sich die hohe Vortrefflich-
keit von nicht wenigen ihrer Darstellungen, die man gewohnt ist als
137
Nachahmungen berühmter Kunstwerke zu betrachten; doch wider-
streitet diese Annahme wenigstens bei einem Theil derselben, z. B.
bei den Compositionen auf dem gebogenen äusseren Rande der gros-
sen Schalen, Anordnung und Ausführung des graphischen Werkes,
die offenbar auf Raum und Gestalt des Gefässes berechnet sind,
welche zu schmücken sie bestimmt waren. Aber wer "ist ürjoccGog?
Pausanias (Attic. I, c. 28 §67) da, wo er bemerkt, dass Mys dem
Phidias die Arbeiten am Schilde der Pallas gemacht habe, die
Schlacht der Kentauren und Lapithen, (zcä ogcc ctXXa IgtIv insi-
Qyao/usva Xsyouoi toqsvgcu Muv] fügt bei: tiq Je Mut tciutcc ts zal
Tß Xoinct xwv i'oyojv TIciQ^äGtov- xaTctyodipai %6v Eutjvrroog. Das
also wäre der grosse Maler, und es liegt die Vermuthung nahe,
dass mit Jakobs (Exercit. crit. Tom. II, p. 152) Hciqqcigioio statt
H)]Qcigloio hier einzusetzen sey, wenn nicht IIt]Qc<oiog eine mildere
ionische Namensform des ephesinischen Meisters ist. Einen andern
sonst ungenannten und darum uuberühmten Zeichner, Perasius, statt
des grossen Parrhasius mit Mys und Phidias in Verbindung zu
bringen, wie Sillig thut, leidet weder der grosse Ruhm der Werke
dieser Schule, noch der Umstand, dass ein Theilhaber an ihm in
einer Zeit, aus der alle Namen berühmter Künstler in erwünschter
Vollständigkeit sich erhalten haben, bis auf jene dunkele Spur
des Epigrammes erloschen seyn sollte. Indess erheben sich chro-
nologische Zweifel gegen die Gleichzeitigkeit von Parrhasius und
Mys , welche von Sillig (Cal. artiff. v. Mys und Parrhasius)
nicht glücklich behandelt sind. Sie liegen nicht in den That-
sachen aus dem Leben des Parrhasius, sondern in den Zeit-
angaben und Zeitberechnungen. Von den Thatsachen sind allein
sicher seine Beihilfe an dem Schilde des Mys, also seine Gleich-
zeitigkeit mit Phidias, dann des berühmten Malers Gespräch mit
Sokrates, welches von Xenophon (Memor. III, 10) erwähnt wird.
Sokrates ist aber schon zu Anfang des pefcponuesischen Krieges
Abhandlungen der I. Cl. d. 1«. Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 18
138
ein in den Waffen und durch Weisheit berühmter Name, und in die
Anfänge jenes Krieges reicht auch Phidias.
Es steht gar nichts entgegen, wenn man den Parrhasius in sei-
nen jungen Jahren mit dem im Alter schon vorgerückten Phidias
zusammenbringt, nrn dann mit dem Maler auch auf spätere Zeiten
herabzureichen, auf welche sein Name sich zu erstrecken scheint.
Auf keinen Fall hat man nöthig, mit Ottfr. Müller (de Min. Poliad.
sacr. p. 19) anzunehmen, Mys habe erst 30 Jahre nach Aufstellung
der Bildsäule mit Parrhasius Hülfe ihr Schild gemacht, um mit die-
sem in eine spätere Zeit herabzukommen.
Die Darstellungen auf dem Becher des Mys waren aus der
Zerstörung Ilions. *IXiov ntooig oder nÖQ&tjGig aber ist ein weiter
Begriff, der auch die nach der Eroberung eingetretenen Begeben-
heiten bis zum Anfang der Heimkehr umfasst: Die IX/'ov nsooig des
Arktinos scheint sogar die Unfälle der Heimfahrt der Achäer noch
enthalten zu haben. Das Bruchstück einer alten 3lAt'ov ntoatg in
Heeren's Bibl. d. alt. Litt. II, S. 35, welches der Herausgeber auf
des Lesches Gedicht dieses Namens bezieht, begriff namentlich des
Astyanax Tod durch Odysseus und der Andromache Uebergabe au
Neoptolemos und schloss mit der Polyxena Opferung an des Achil-
les Grab (tmna tuoiorjocvro rrjv noMv. IIoZv^fi]i/ GipuyuCLovoiv t-ni
tu) tov *Ayj?Mwg r('f(f(p), was also gerade die Stoffe der Darstel-
lungen auf unserem Becher inbegreift. Das Epigramm selbst ist am
Ende des Hexameters: ifaiii dt Hoyov verdorben, wie der Hiatus
nach i)t und die Verbindung toyov *lXtov amhivrjg zeigt; denn iQyov
kann in dieser Folge nicht argumentum operis heissen, wie Schweig-
häusser annimmt; doch ist dessen Conjectur: etjil (H ntooig auch
unstatthaft und wenigstens zu gewaltsam. Kaum scheint zweifelhaft,
dass slfju <V ' anciQ'/öjv 3fÄtov cänsipijg zu lesen ist: 'Anc.Q/ai, primi-
tiae, mit 'IXCov in Verbindung sind die Ehrengeschenke, welche die
139
Einzelnen empfingen, die Gaben, welche den Heroen und den Göt-
tern vor den Uebrigen ausgewählt wurden, und ist die Conjectur
zulässig, so war auf dem Becher ein Theil solcher cmctQxcä *lhiov
dargestellt
Dieses vorausgesetzt dürfen wir den Inhalt unseres Bechers
mit den eben erläuterten Darstellungen unbedenklich in Verbindung
setzen. Die Scenen gehören zur IXiov ntoGig, sie sind die hervor-
stechendsten aus den Begebenheiten, welche zwischen der Ein-
nahme der Stadt und der Einschiffung des Heeres stehen, oder be-
ziehen sich doch auf dieselben, und es ist nicht ohne Bedeutung
für unsere Sache, dass das Epigramm die Aiak'ulen als Eroberer
von Ilion nennt: av hXov Aic.xidcu. Von den Aiakiden war nach
Achilles und Ajas Tode, wenn Teukros, der Bastard, ausgenommen
wird, nur Pyrrhus gegenwärtig. Er ist also vor allen gemeint.
Diese Nennung in einem solchen Zusammenhang rechtfertigt die
Annahme, dass das Werk selbst dazu Veranlassung gab, und in
ihm Scenen, die auf Pyrrhus und seinen Antheil an den Thaten und
der Siegesbeute sich beziehen, dargestellt gewesen sind. Dadurch
wird der silberne Becher des Antiquariums mit dem roQtvua des
Mys und der Zeichnung des Parrhasius in unmittelbaren Zusammen-
hang gebracht.
Wir glauben natürlich nicht, in ihm das gepriesene Werk jener
beiden grossen Meister aus der schönsten Blüthezeit der griechi-
schen Kunst erhalten zu haben. Schon die Form unseres Gicixpog,
die einfachste von allen, welche die vielgestaltigen Gefässe dieses
Namens haben konnten, schliesst diese Vermuthung aus, da des
Mys Becher, welchen Athenäus beschreibt, ein herakleotisclier mit
Henkeln und mit dem herakleischen Knoten in ihnen, geschmückt war.
Desto sicherer aber ist nach dem Vorhergehenden die Annahme,
dass wir auf ihm eine Wiederholung der Composition des Parrha-
18 *
J 10
sius und des Toreuma haben, das Mys nach ihr bildete, weil der
Aiakide selbst, dessen Geschlecht das Epigramm nennt, im Mit-
telpunkt erscheint, in Gegenwart der Pallas Athene, Gericht über
die gefangenen Troer haltend, und ihm zu beiden Seiten in beson-
deren Gruppen Andromache und Polyxena, die eine ihm selber, die
andere seinem Vater bestimmt, beide als Theil und Ehrenpreise
{anctQxccC), welche die Aiakiden aus der troischen Beute davon-
trugen.
Dass Werke, welche durch Schönheit und Namen der Urheber,
Ruhm erlangt hatten, durch Nachbildungen vervielfältigt wurden,
unterliegt keinem Zweifel, und die oben aus Plinius angeführte
Meldung, man habe nicht gewagt, von den Werken des Pytheas
wegen ihrer Kleinheit und feinen Behandlung Abdrücke machen zu
lassen, deutet nicht nur auch in Beziehung auf die Silberarbeiten
eben dahin, sondern bezeichnet auch das Verfahren als ein gewöhn-
liches, indem sie die Kleinheit und Zierlichkeit der genannten
Becher als den Grund einer Ausnahme anführt. Der Anblick des
Toreuma aber lehrt, dass die Nachbildung vollkommen im Geiste
der Schule, aus der es stammt, mit vollendeter Meisterschaft aus-
geführt wurde, und uns darum in treuer Darstellung eine Composi-
tion jenes grossen Meisters erhalten hat, der würdig geachtet wurde,
in den Zeiten des Phidias für die zum Schmucke seiner erhabenen
Werke bestimmten Darstellungen die Zeichnungen zu liefern, und
der selbst als Maler zu den hervorragendsten gehörte, welche die
ältere Schule vor Apollodorus und Zeuxis hervorgebracht hat.
Ueber die Reihenfolge
der
n aturwissenschaftlichen Schriften
des
Aristoteles,
von
Professor Dr. Leonh. Spengel.
Vorgetragen
in der philosophisch -philologischen Classe
den 3. Junius 1848.
Ueber die Reihenfolge
der
natur wisse ii schaft liehen Schriften
des Aristoteles
von
Professor Dr. Leonh. Spengel.
Vorgetragen in der philosophisch -philologischen Classe
den 8. Junius 1848.
.Betrachtet man die Schriften des Aristoteles ihrem Umfange
und Inhalte nach, so fällt bei weitem der grösste Theil in das Ge-
biet der Naturwissenschaft, und während bei Plato diese Seite nur
durch den Timaeus, wenn auch auf höchst würdige Weise, ver-
treten ist, sonst überall das Ethische und Diabetische vorwiegt,
finden wir bei Aristoteles das Physische der Art sich vordrängend,
dass es sich selbst in seine ethischen und logischen Werke hinein-
zieht; mau erkennt leicht, dass dieses das eigentliche Element des
Autors ist, in welchem er forscht und ordnet. Seine Lehren wur-
den von den unmittelbaren Schülern vielfach erläutert, wie die näch-
sten Anhänger eines grossen Mannes immer in der Art und Weise
ihrer Lehrer, wenn auch nicht mit demselben Geiste und gleichem
Erfolge fortzufahren streben. Wir wissen von seinen Nachfolgern
weniges und grossentheils nur äusserliches, wie dass Straton die
Physik vorzüglich hervorgehoben, die beiden andern Theile der da-
111
maligen Philosophie, Logik und Ethik, wenig beachtet habe. Dieses
ist dem Geiste des Aristoteles nicht entgegen, auch er ist tpvoixog,
ein Empiriker, aber vielleicht der geistreichste, den es je gegeben
hat; immer geht er von dem Gegebenen und Bestehenden aus, so
weit als einem besonnenen und denkenden Beobachter zu gehen mög-
lich ist. Begründung, der Aoyog, muss mit den Thatsachen überein-
stimmen, weil sie aus diesen genommen ist, aus dem on findet er
das dtoTi. Sind die Thatsachen nicht gehörig gesammelt, so stellt
er selbst den Äoyog als unsicher hin, und überlässt weiteren For-
schungen, das Richtige und Wahre zu finden. Weder dieses, noch
die Bescheidenheit, mit welcher Aristoteles sich in Dingen, die über
alle Erfahrung hinausgehen, auszudrücken pflegt, ist gehörig ge-
würdigt. Daher sein Streben, immer auf dem Gebiete der Natur
zu verweilen; auch wo der Inhalt über diese hinaus geht und das
Denken sich selbst zum Gegenstaude hat, kehrt er immer wieder
gern in die Regionen der Wirklichkeit zurück, im strengsten Gegen-
satze von Piaton, der seine intelligible Welt nicht gern verlässt und
wenn er diese irdischen Sitze besucht, sich unheimisch fühlt und
mit Sehnsucht wieder seinem xoo/uog vorzog entgegeneilt. Dieser
Unterschied beider Philosophen liegt klar da und ist auch von den
Alten anerkannt, am schärfsten drückt ihn die spielende Antithese
aus : \4Qi(JTOT^t]g fxlv asi &soyvi)v (pvaioZoyst, W.drwv $£ dsi tfVGio-
Xoyöjy frsoÄoyei. !)
Wie sein Schüler Eudemus die Lehren sich eigen machte und
diese wieder in anderer Form zu verbreiten suchte, kann die Eu-
demische Ethik, gegenüber gehalten der Nikomachischen lehren,
ebenso die Bruchstücke der Eudemischen Physik bei Simplicius,
verglichen mit den vollständig erhaltenen Büchern des Aristoteles.
») Schol. Aristol. p. 26 und 27.
145
Auch Theophrastus hat über dieselben Gegenstände wie sein Leh-
rer, und ich zweifle nicht, nach den wenig vorhandenen Bruch-
stücken zu urtheilen, in derselben Folge und Ordnung wie dieser,
geschrieben. Wir besitzen von ihm noch eine kleine Abhandlung,
welche uns das Verfahren deutlich macht. Die Schrift tisqI aia&ij-
asujg xal cuGd-rjTcö^ bildet ein Fragment desselben grossen Corpus,
welches Aristoteles von der Grundlegung der Principien zur Physik
an bis zur vollsten Entwickelung aller organischen Wesen mit einer
für damalige Zeiten unglaublichen Fülle von Kenntnissen und mit
bewunderungswürdigem Scharfsinne durchgeführt hat. Aber dieser
setzt die Kenntniss dessen, was seine Vorgänger gesagt haben,
wo er sie bestreitet, als bekannt voraus, nennt sie oft nicht einmal,
und wird dadurch für uns, welchen deren Schriften nicht mehr zu-
gänglich sind, dunkel. Schon den Zeitgenossen des Aristoteles muss
das Verständniss dadurch erschwert worden sein; denn Theophra-
stus gibt im genannten Büchlein über die Sinne eine historische
Entwicklung, prüft die verschiedenen Ansichten aller Vorgänger
über diesen Punkt von den ersten bedeutenden Namen bis auf Pia-
ton und Aristoteles, und bildet dadurch für des letztern gleichnamige
Schrift tzsqI tuc&qqswg zccl ecbG&tjTwv einen integrirenden unschätz-
baren Commentar. Wie für diesen Gegenstand Theophrastrus die
vorzüglichste Quelle ist, so war er es gewiss auch für die damit
zusammenhängende und vorausgehende Schrift tisqI tyvxijg, und über-
all, wo nicht etwa Aristoteles zuerst und allein ohne alle Vorgänger
gewirkt und neues Licht verbreitet hat; ist aber dieses, so bildeten
Commentare solcher Art zugleich eine Geschichte der Philosophie
im alten Sinne des Wortes, wie sie für uns höchst wünschenswerth
wäre und wir mögen daraus den Werth der Theophrastischen
Bücher wie die Grösse ihres Verlustes ermessen. Auch Theophrastus
war kein Forscher wie Aristoteles; nicht tiefer und weiter zu
suchen, den Principien schärfer nachzugehen, sie zu prüfen und
nöthigenfalls mit andern zu vertauschen, sondern das von dem
Abhandlungen d. I. Cl. d. k Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Abth. 19
146
Lehrer Gefundene und Geförderte wie immer zu vertheidigen, bildet
den Charakter der peripatetischen Schule, die eben so schroff wie
die stoische den andern gegenübersteht.
Mehr als zweihundert Jahre lang fehlt uns alle nähere Kunde
über die peripatetische Schule, erst mit der viel besprochenen Auf-
findung der Bibliothek des Aristoteles in Athen und deren Wegfüh-
rung nach Rom durch Sulla wird ein regeres Studium für die Schrif-
ten des Philosophen bemerkbar, und zwar jelzt eigentlich der
Schriften, weniger der Lehre und Philosophie im Allgemeinen,
welche früher allein beachtet worden ist; wir möchten sagen, von
jetzt an beginne das philologische Studium mit den Werken des
Aristoteles, die kritische und exegetische Behandlung dieser durch
Tyrannion, Andronikos, Adrastos und viele andere nachfolgende,
unter welchen der Arzt Alexander von Aphrodisias (in Caracalla's
Zeit) den meisten Ruhm erlangte, er galt den spätem als der eigent-
liche Interpret des Philosophen, i^t]yi]ri]g, und wie der Name des
Aristarchos an Homeros geknüpft ist, so der des Alexander an
Aristoteles.
So bedeutend aber auch gewesen sein mag, was diese spätem
im einzelnen für das Verständniss der aristotelischen Schriften ge-
leistet haben, es bleibt dem Theophrastos und Eudemos immer ihr
eigenes Verdienst, obschon diese nicht, in der Absicht wie jene
das System zu entwickeln und zu erklären suchten; denn ihr Stre-
ben war, die Lehre im Ganzen vorzutragen und deutlich zu macheu,
nicht jeden Satz für sich zu vertheidigen; aber bei ihnen ist jeder
Gedanke, jede Einleitung schon deswegen wichtig, weil sie von
Zeilgenossen, von unmittelbaren Schülern, ja möglicher Weise von
dem Munde des Meisters strömen; es zeigt von wenig Einsicht
und Kenntniss für die spätere Zeit, dass sie die ersten Peripate-
147
tiker, wie es scheint, ganz ignorirten; das Verdienst, auf diese
hingewiesen zu haben, gebührt nicht einmal einem eigentlichen Peri-
patetiker, sondern dem Simplicius in seinem Commentare zur Physik,
der aber in den Büchern über die Seele noch keinen Gebrauch da-
von macht, weswegen diese Exegese jener zur Physik so tief
nachsteht.
Die verschiedenen physikalischen Schriften des Aristoteles bil-
den eine zusammenhängende Reihe, mögen sie nun schon von An-
beginn im Geiste des Autors so geordnet und in dieser Folge nach
einander ausgearbeitet, oder einzelne Werke theilweise schon früher
ausser ihrer Stellung als für sich bestehend ausgegeben und erst
später der Gesammtreihe eiuverleibt worden sein. Ihre Ordnung
lässt sich noch jetzt grossentheils aus dem innern Zusammenhange,
in welchem die Schriften zu einander stehen, angeben. Den Ein-
gang bilden die acht Bücher der ^vGixtj ^Axooäoig, eine Metaphysik
der Physik, wie sie Hegel nicht unpassend nennt, über die Princi-
pien und deren Zahl, ctQxcä, die Bewegung xi'ptjGig, Zeit und Raum,
%oovog, ronog, dann das ttquotov xivovv ar.ivrirov, das v.uydvr\Tov, das
nur in der Kreisform möglich sei und nach der Ansicht der Alten
im ovoc.vog verwirklicht war; damit ist zugleich der Uebergang zu
den vier Büchern tisqI ovoavov eingeleitet. Dieser ovoavög ist die
höchste und oberste Region, welche keine Veränderung erleidet, das
cesi ravröv aal wGavttog i%ov, er ist ohne Anfang und Ende, ccytvvrj-
rog, cht wy, daher ald-qg, die Bewegung der Himmelskörper, sich
immer gleich, der Sitz des Ewigen, Unvergänglichen und Göttlichen,
zö nqwxop rwv owjuäTwi>, dessen Gegensatz , da es selbst ccy&ccQrov
ist, das (f&ccqxov bildet, d. h. alles sublunarische und tiefer gelegene.
Nie nennt Aristoteles diese unvergängliche Region, so oft auch
spätere es behaupten, xo ns/inrov oroiyslop, und kann es nicht,
da er von dem Obersten und Höchsten aus abwärts steigt und
19*
148
die Arten des <p&ctQtdv dem Genus, dem a<f{^ccqrop, gleichstellen
würde 2).
Ehe Aristoteles die Region des Vergänglichen betrachtet,
spricht er in den zwei Büchern nsQi yevtGswg xal <p&oQv.g im Allge-
meinen vom Entstehen und Vergehen; er entwickelt hier seine
eigene Theorie 3), nicht die vier Elemente sind ihm die Principien,
wie sie seit Empedocles angenommen wurden, durch deren Mischung
Leben und Tod hervorgebracht wird, diese sind ihm nicht primi-
tiver, sondern selbst zusammengesetzter Natur; eigentliche Grundlage
ist ihm das
&SQJUOP
yv/oott
vyoov,
und da die Gegensätze keine Verbindung erleiden, also nicht
2) Vergl. des Verfassers commentatio de Aristotelis libro decimo histo-
riae animalium et incerto autore libri neql xöofxov. Heidelbergae
1842. p. 14 seq.
3) Dieses ist wie aus dem ganzen Gange der Untersuchung, so auch dar-
aus klar, weil er die Ansicht der früheren Philosophen anführt und
widerlegt; wenn wir daher bei dem sogenannten Ocellus Lucanus die-
selbe Lehre vorgetragen lesen, so ist dieses nur aus Aristoteles ge-
nommen und einem angeblichen Pylhngoreer vindicirt. — Die Folge ist
II, 1 pag. 328, 33 bezeichnet nqwxov fxev %6 övväfiEi 0(Jö(.ia aio&r]-
zov aqy^, öevreQov <5' ai ivavTiwaeig, Xiycj d' olov SeQ/uorrjS xal ipv-
Xqni^g, tqltov d' rjörj nvq xal vöioq xal xa xoiavxa' xavxa piv yaq
^exaßäkXet eig akkrjla.
149
so bleiben nur folgende vier av£vyicti als möglich
dsQ/AOP %t}QOV
&SQiudp vyQov
ipvxQOp l-qQoi'
ipvxQov vyqop.
Ihnen entsprechen die einfachen Körper, %a anha (pcupo/uspa
öwjuarcc ; denn die erste Mischung bildet das Feuer, die zweite Luft,
die dritte Erde, die vierte Wasser.
Durch diese Theorie, welche der Autor ausführlich zu begrün-
den bemüht ist, hat er sich den Weg gebahnt, das Vergängliche zu
betrachten; die dem ovQccpög zunächst liegende Region sind die /ue-
TscoQdy wo steter Wechsel und Aenderung herrschen; die Ausein-
andersetzung und Erklärung dieser ist der Inhalt die MstsoyqoXoyiza,
aber nur die ersten drei Bücher, das vierte ist von diesen auszu-
sondern und hat einen mit der Meteorologie keineswegs verwandten
Gegenstand. Was die apad-vfjiCciGig är^iöiöd^g und xanvwSrjg über
der Erde bewirkt, ist Inhalt der ersten drei Bücher, dessen letztes
Capitel p. 378, 12 von den Wirkungen dieser auf die in oder unter
der Erde, analog jenen über der Erde, übergeht und damit, was
kommen soll, andeutet: oöa fiep ovv t-Qycc av/ußai'psi TiaQg/so&ai rrjv
txxQccGip £p roig tonotg vntQ zijg yrjg, g/söop toxi rooavta xcel roi-
avrcc. 'Ooct dk tp avrrj rrj ytj tyxaraxZsiöju^Pi] rotg rrjg ytjg jufyi-oip
änsqyätercu , Aext€op. Die trockene Verdampfung erzeugt vorzugs-
weise Gesteinarten, die feuchte die Metallarten. Nachfolgende
Worte geben kurz den Hauptinhalt aristotelischer Lehre über diesen
Gegenstand
§vo fxtp yco cd äpct&vjxiäösig, q /uep atjutSw^g q di xcMPcbdqg,
ujg <pcc/usp, slo(p _, dvo dh xal zce sXdrj twp ip xr\ yfj yiPOtu£pcopf
150
xd jusv oovxxd xd fik /usxaAZsvxd' q ^itv ovv £t]Qcc dva&vuiaGtg
iOTiv Y[ xig ixnvoovGa noist xd ogvxxd ndvxa , olov Xf&iov xs
y£vr\ xd ccxqxxa xcd GavSaQaxtjv xal ü)%Qav xcd fxlXd-ov xixl S-smv
xal xdXXa xd xoiavxa' xd Sk nXsiGxa xcöv oqvxxojv tGxl zu /ukv
xovla xsxQWfxcaiG^vrj, rcc Sä XC&og ix xoiavxyg ysyovojg Gvoxd-
Gsvos, olov xivvdßciQi' xrjg Sä äva&v/uidoeojg xijg dx/uiSwSovg,
oGct /uexaXXEvsxai , xal sgzip tj yvxd jj tXaxd' olov GtStjoog %aX-
xbg %ovGog. noiu Ss ravxa ndvxa q dva&vjuiaGig tf dxuiSvö-
Srjg tyxaxaxXeio/ugvt] , xcd /udXiGxa iv xolg Xl&oig, Sid ^rjooxrjxa
dg tv GvvS-Xißofxivrj xcd nrjyvv/j.^vtj, olov Soooog xal nd%vq,
oxav ccnoxQi&rj" ivxaufra St tiqIv änoxoi&rjvcu ysvvaxai xavxa.
Er ist damit von der Höhe auf die Erde, oder vielmehr in die
Erde hinein gekommen, und man sieht leicht, dass seine Absicht
nur sein kann, von diesem auf das, was die Erde von organischem
Leben an sich trägt, überzugehen. Was aber der Schluss des dritten
Buches ankündigt: xoivrj /uev ovv sfätjrcu jisqI ndvxoiv avxiav, IS Ca
St tmGxsnxtov 7iQO%£t,Qi£o/u€voig tlsqI txdoxov yivovg^, die ausführ-
liche Darstellung des Einzelnen, sucht man im vierten Buche ver-
gebens.
Ueber dieses vierte Buch der Meteorologie ist man wohl im
Ganzen im Reinen, — man sehe die weitläufige Abhandlung Ideler's
II, pag. 347 — 389, — dennoch bleibt noch Manches zu berich-
tigen.
Der erste Zweifel geht von Alexander Aegeus aus zu IV,
fol. 126. Da dieser älter als Alexander Aphrodisiensis, so haben
wir seine Worte vorzüglich zu achten. Er spricht in der That so
4) Der Genitivus ist aus N für exaaxov ysvog herzustellen. Physik III, 1
GXETCxiov 7ZQo%ei()ioai.i£voig neql exaoxov xovzuiv. Conf. Ideler I, 642.
151
dass man nicht glauben kann, ein anderer vor ihm habe denselben
Gedanken geäussert. Er aber sagt:
ro Titaqrov iniyQacpSjusPOP rwv ^AqiGxoxiXovg jusrecoQoXoytxwp iürl
/Ltfp ^AQigroriXovg' ov /utjp rfjg ys /usTscoooAoyixtjg n^ccy/xarsCag'
ov yäo ixslvfjg oixeia rd iv ccvtüj X^yö^ieva, judXXov Jg ogov int
roTg Xsyolu£voig, ijv av tnojusvov roig neol ysveGewg xccl (p&ooag.
Ersteres ist ganz richtig; dieses sogenannte vierte Buch hat
nichts mit der Meteorologie zu tlion, und der Name ist ganz falsch.
Das zweite aber hat Keiner richtig betrachtet; alle sprechen, als
hätte Alexander die Behauptung aufgestellt, unser Buch müsse als
das dritte neol ysvtGewg xccl y&oodg in die Reihenfolge der Schrif-
ten des Aristoteles aufgenommen werden, und alle widerlegen diese
Behauptung des Alexander, und doch hat er das keineswegs gesagt.
Man könnte es, spricht er, seinem Inhalte gemäss eher für das
dritte Buch neol ysv^Gewg xccl (p&oqclg, als für das vierte der Meteo-
rologika halten, und dies ist vollkommen gegründet.
Dass Alexander hier nur das Verhältniss dieses Buches zu den
beiden Werken andeuten, und nicht eine neue Ordnung einführen
wollte, sieht man recht deutlich aus dem Schlüsse seines Commen-
tars, wo er bemerkt, dass dem Ende dieses Buches sich das Werk
neol Ctpcov /uoqiwv anschliesst:
0)GTS ix ZOVTCOV ÖfjXoV , Ott T(X) ßlßXtit) TOVTU) in€G&Ctl ÖOXSl TCi
neol £wcw /uoqiüjv iv yv.q tw devze'qco neql £(6wv jaoqCvov neql
wv ivTuv&cc l'(pr] deiv elnelv , eins' X£yei yctq iv c.vra. nqwrov
/uiv neql rvov 6/uoio/usqwv juoqiwv^ tneitcc neql rwv ccvo/uoiojueqwv
a icrtv ix rovrwv.
Wenn nun Alexander selbst hier die richtige Folge bestimmt,
152
so konnte er nicht annehmen, dass das vierte Buch der Meteoro-
logika das dritte neol yevgoecog xcd cpfrooclg sei, diesem das Werk
über die Grundbestandtheile folge und etwa dann erst die Meteoro-
logie, sondern wie bemerkt, nur dass der Inhalt näher den Büchern
über Entstehen und Vergehen liege als der Meteorologie, nicht mehr,
sollte damit ausgedrückt sein.
Wenn nun aber dieses Buch nicht zur Meteorologie gehört und
von ihr ganz auszuschliessen ist, so steht es mit dem Auffinden der
Originalhandschrift des Aristoteles ziemlich schlecht, man müsste
wenigstens annehmen, dass entweder von diesem das Original sich
nicht darunter gefunden, oder ohne Aufschrift gewesen und von
anderen falsch dem vorausgehenden Werke beigezählt worden sei;
denn dass Aristoteles es so genannt habe und von ihm diese Be-
zeichnung ausgehe, ist geradezu unmöglich.
Gleichwohl suchten andere auch dieses Buch für die Meteoro-
logie zu retten, wie Olympiodorus fol. 59. zu III, 6. pag. 161 Idel.
fO <fM<7o<pog juscd ro nXrjQwGcu rcc iv reo /ustscooco ysvo/usva
nä&rj vno rrjg öiTrrjg dva&vjuiaoscog {liruGi xcd im rd ysvo/usvcc
ncc&i] vno xare^o^vojv iv zfj yij ovo avad-v/utdoscov , xcd jutf ano-
Qrjöi]g, nojg just£(dqc( xb ßißXiov imy^yqanxca, sl'ys xtöv vno yijv vvv
noiüxcu Xoyov StQtjrai ydo 6 axonog zijg noay^iax^lag, bxi ßov-
ästcu tu ix xwv Svo ctvad-vfJuctGsißv ysvousvet nciqctdovvca, tixs
vno yfjV zvyxctvoiev, sl'xs iv zw /uezswoq), xcd did zovzo /ueziwoci
imytyoctnzai , wg av zijg dtzzrjg äva&v/xiäasoig iv zw {U-tsojqu)
nonco &sovoi]g.
Aber dieses ist falsche Voraussetzung; Aristoteles hat nirgends
solches versprochen, er konnte es nicht, ohne sich zu wider-
sprechen, und seine Worte selbst zeigen den Gegensatz deutlich
153
genug an, wo er vou der Ausdünstung in der Erde redet III, 6
oaa (T §p avtjj tri yfj iyxccTCixAeio/ugprj toig rrjg yrjg /u€qsoip änsQ-
ycttercu Xtxxiop' noiel yccq dvo dicapoqcig gwjucctwp dicc xo dmXrj ne<pv-
xivai xctl avrtj xccS-cctisq xal ip zw just ewoat. Auch bebandelt
dieses Buch gar nicht die durch Ausdünstung innerhalb der Erde
entstehenden Producte.
Der Anfang des vierten Buches, in welchem allerdings von y£-
vsaig und <p$o()ä, jedoch nicht mehr im Allgemeinen, sondern in Be-
ziehung auf lebende Wesen gesprochen wird, (wir finden uns hier
sichtbar auf unseren Boden versetzt), kann leicht dazu verleiten,
einen Uebergang aus dem Allgemeinen in das Besondere zu finden;
doch — von dem Ende dieses Buches zu schweigen — es liesse
sich nicht erklären, wie denn von den irdischen Wesen zu dem,
was zwischen Himmel und Erde schwebt, den Meteoren, ein Ueber-
gang möglich wäre. Der stufenweise Fortschritt von oben nach
unten in dem Systeme unseres Philosophen, einmal erkannt, muss auch
festgehalten werden; und ist dieses, so kann auch nicht entgehen,
dass zwischen dem dritten Buche der Meteorologie und dem vierten,
das mit Unrecht diesen Namen trägt, eine bedeutende Lücke fällt,
in welcher die durch die äpcc&vukcGig im Innern der Erde bewirkten
oqvxxa und juszaXhvrd ihre Erklärung gefunden haben 5).
5) Schon Simplicius, Philoponus, und von neueren Patricius u. a. haben
diese Meinung aufgestellt. Vergl. Ideler Addend. I, 642. Was Vico-
mercato bei Ideler p. 352 seq. anführt, um die Verbindung' mit der
Meteorologie zu rechtfertigen, ist unhaltbar, und Schneider's Behaup-
tung p. 354, dass der Anfang der Meteorologie schon den Inhalt die-
ses vierten Buches verspreche, also nothwendig sei, hätte, da sie nur
Folge von falsch verstandenen Worten ist, Ideler nicht annehmen,
sondern widerlegen sollen.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k Ak. d. Wiss. V. B. II. Abthl. 20
154
Die vier Potenzen — eigentlich nur Qualitäten — bringen durch
ihre Thätigkeit oder Empfänglichkeit, denn das &sqju6p und yvxQov
ist noir\xixov , das vyoöp und ^yjqov aber na&tjxixov, festes Bestehen
und in der organischen Welt Leben und Tod hervor. Die verschie-
deneu Arten der Wirkungen der einen und die Affecte der andern
nachzuweisen, wodurch y£vsGig und GtjxjJig entsteht, ist Inhalt dieses
Buches, das durch einige weitere Andeutungen den synthetischen
Gang des Verfassers klar darlegt und dadurch die zunächst sich
anschliessenden Bücher im voraus sicher bestimmt; aus den ersten
Elementen werden durch Mischungen gleichartige Theile xä o/uoio-
/ASQij, in weiterer Bildung und Mischung dieser xä äpo/uoiojusorj; durch
deren Verbindung endlich das Ganze, die £wa und (pvxcc, hervorge-
bracht werden. Die entscheidenden und belehrenden Stellen darüber
sind folgende: cap. 8 p. 384, 6, 30
Ix jusv ovp vdaxog xai yfjg xa 6/LioiojusQfj Gcvjuaza GvpiGxaxai xai
£p (pvxoig xal Iv £cpoig, xai xä jusxaAZsvö/Lieva , oiop yqvGog xai
aoyvoog xai oöa aXXa xoiavxa, t£ avxwv xs xai xrjg ava&v/utd-
oscog xijg txax€()ov iyxaxaxZsw/u^p^g f Sonso sTQTjxai k'p äXXoig.
Diese letzten Worte zeugen immer, sie mögen sich auf den
Schluss des dritten Buches oder auf die besondere Ausführung nsqi
psxäAZwp beziehen, wie mit Unrecht unser Buch der Meteorologie
beigegeben ist.
Ferner cap. 10 p. 388, 10
xovxoig <5s xoTg rca&TjjuaGi, xai xavraig xaig diayogatg xä 6/uoio-
jusorj xcup Gwfiäxwv, wGtuq stoqxai, diafptQSi aÄXrjXoiv xaxd xijp
a<f?jp, xai txi oG/uaig xai yyfxo'ig xai xqwnaGiv Myco $' ojuoio-
fisotj xa xs fisxaXXtvousvce, olop %qvg6p yaXxop aqyvqov xaxxCxs-
qop GCdtiQOv Xtfrop xai xaXXa xä xaiavxa, xai ooa ix xovxüop yl-
155
ypsxai ixxQtPO/uepa, xal xa ip xolg £(potg, xal tpvxolg, olop odqxeg
oGxä psvqop Siqfxa GnXdy%pop xQt%eg fr* ff ^X.ißsg, £| wp ijdt] gvp-
iGxtjxs xa avofxoiofisqi], olov tiqogwtiop %elo novg xccl xäXXa rd
roiavxa, xal ip (pvxotg %vXop yXoiog (pvXXov QiXa xal oGa xoi-
avxa.
Endlich aus dem Anfange und Schlüsse des letzten Capitels:
inel Ss mol xovxwp diwoioxat, xa&* i'xaoxop Xsywjusp xl GaQ%
fj ooxovp tj xwp dXXwp xwp ojuoiojusqwp (pvoig GvpiGxqxs, xa yiptj
ovtwp, xi'pog txaoxop y£vovg did xijg yeptoewg' ix ptp ydo xwp
Gxoiyblwp xa ojuoiojueoij, ix xovxwp <T wg vXrjg xa bXa toya xijg
(pvGeiog . . . inel oup ^xo/xsp xlvog yipovg ixaoxop xwp o/uoio/us-
qwp, Xrjnxiop xatf txaGxop xC tGxip, olop xC al/ua fj gciq^ y Gntq-
fxa xal xwp aXXwv ixaoxop* ovxw ydq fGfxep txaGxov öid xC xal
xt ioxiPf idv xtjp vXt]P fj xop Xoyop k^w/nsp, fidXiaxa ö*3 bxap ä/U(pw
xqg xs ysviGswg xal (p&OQag, xal tio&sp ij dq^rj TVS xtprjGswg,
drjX.w&ipXwv de xovxwp dfxoiwg xa dpofioio/usqij 6) &£WQt]x€op xal
tiXog xa ix xovxwp ovpsoxwxa, olop dp&Qwnop, (pvxöp xal xdXXa
xa xoiavxa.
Diese sänimtlichen Stellen hängen mit dem Ganzen so enge
zusammen, dass an eine Einschaltung durch spätere Redaction nicht
zu denken ist.
Welches war wohl die Benennung dieses vierten Buches?
Schade, dass Aristoteles nicht selbst uns die nähere Bezeichnung
') Die Handschriften haben oftotOfiEQrj, die Ausgaben firj ojiöibflegrj aus
den Commentatoren -wie es scheint; dieses ist nicht Art des Aristo-
teles sich auszudrücken. Wir haben daher das ihm gewöhnliche Wort
hergestellt.
20*
156
angegeben hat; denn de part. Anim. V, 4 p. 784 b. ist mit den
Worten : yfrexcu i] cijipig vno ötQ/uoryTog juev naaa, ov xijg Gvfupixov,
iÜotisq sTytjTcci iv txsooig, unser Buch IV, 1, 10 gemeint. Pa-
tricius erfindet den Namen tisqI xiop aroiy^Coiv ioyctGiiöp, Ideler II,
379. Nach IV, 8 ix ds xovxoiv (pavs^ov oxi vno &£quov xal yv%(>ov
GvvlGxcixcci xcc Gw/uccxcc, xcevxce d£ ixayvvovxa y.cd ntiyvwxa noisfrcci
xr\v toyuGictv eivxwv. p. 385, 10 xwv t/.XXiov hcaoxov xwp ojuoio/usoojv
jutv (pvGixüip ök awjxäxcov. cap. 4 xa wqiG^vcc Gwuccxa, sollte man
denken, das Buch habe einen Titel, etwa wie tieqI xijg xwv ow/ud-
xwv GvoxdöEtog gehabt. Alle Körper haben Antheil an den vier
Elementen, zunächst die ojuoiojutorj, aus welchen dann die verschie-
denen Arten von <pvxd und twa hervorgehen.
Das der Ausgabe hier angereihte Werk tisqI xög/uov gibt eine
kurze Uebersicht der Bücher nsol ovoavov, mol ysviGsoig zcä (pfroqäg
und der Msxsvooohoyixcc, kann auch für die Ordnung dieser zeugen, ist
aber an Sprache und durch stoische Gesinnung so wenig aristotelisch,
dass der Verfasser gar nicht die Absicht haben konnte, sein Buch
als solches unterzubringen, da jeder den Gegenbeweis leicht führen
konnte; die Vorrede an Alexander ist also untergeschoben, wie in
der kleinen Rhetorik, oder sie ist an einen andern Alexander ge-
richtet. Nur der Aehnlichkeit des Inhalts verdankt das Werk seine
jetzige Stellung in der Reihe der aristotelischen Schriften.
Ueber die Stellung, welche den drei Büchern tisqI ipvxrjg und
den damit innigst verbundenen Abhandlungen, den fälschlich soge-
nannten parva naturalia, könnte manches Bedenken entstehen, würde
nicht Aristoteles selbst in ihnen sich so deutlich aussprechen, dass
jeder Zweifel verschwinden muss. Die letzten Worte der Meteoro-
logie, dass der Mischung der nodixcc Gxoiyüa die 6/uoiojusQrj folgen
und jedes von diesen zu erklären sei, z. B. was al^ia, GaQ%, aniq-
fxu u. s. w. sei, aus welchen die öjuoio/nsqij hervorgehen und das aus
157
ihnen zusammengesetzte Ganze, finden ihre Fortsetzung und Wieder-
aufnahme nur in dem Anfange der Thiergeschichte und des zweiten
Buches tisqI l,wuw /xo^iojv, welche beide von den o/xoiojusqt] und ccp-
ojuoiojusQrj ausgehen, erstere mehr historisch, letztere physiologisch
und streng wissenschaftlich. Auf die Verbindung mit dem zweiten
Buche tisqI l.w(ov jäoqCojv hat schon Alexander Aegeus hingewiesen7);
sie ist jedoch unmöglich, theils weil das zweite Buch mit dem all-
gemeinen ersten, wie es jetzt ist, unzertrennlich zusammenhängt,
theils weil auch das erste selbst auf die Grundbestandteile der
twcc, d. h. den Schluss des vierten Buches zurückkehrt8). Aristo-
teles ist nämlich in seinem Gange bis zur Bildung der lebenden
Wesen und Geschöpfe gekommen, zu den Una und tpvxä, wobei
auch die Frage sich aufdrängt, ob die Pflanzenwelt, die <pvxay
welche ihm zwar nicht Zcoa, aber doch Zwvta sind, allem dem, was
über die Zwcc so vielfach gelehrt wird, vorausgeht, oder erst nach
Vollendung jener seinen Platz erhielt.
Als Aristoteles seine Abhandlung ttsqI cdö&^oewg schrieb, war
die Phytologie noch nicht vollendet; denn er verweist die Behand-
lung eines Gegenstandes als künftig in jenes Gebiet, p. 442, b. 23:
y.al tisqI ju&v rov ytvGrov tccd xv/xov sYQtjrai' tä yaQ aÄÄcc rttx&t] rwv
%vfjuöv oizskiv h%si rijv Gx$xpiv iv rrj <pvGioÄoytu rrj tisqI twv (pvrwv,
wozu Alexander fol. 109 die Bemerkung macht, dass zu seiner Zeit
diese Bücher nicht existirten: zccl Ügti /usp tisqI <pvrwv 0so<pQccGrcp
n^ayfiarsCa yEyQa/u/u&q • * AqigtotÜ.ovq yccQ ov (pgqsrcu. Auch noch
nicht am Schlüsse der Abhandlung tisqI /uaxQoßiÖTijros, p. 467, b. 5,
wo sich die Pflanzenlehre als später folgend ankündigt: MM fxrv
tisqI tovtov scal xa&' ccvtcc £v roTg tisqI (pvzöiv dto()iG&7JGSTaif vvv Ss
7) S. oben die angeführte Stelle.
8) p. 640 b. 17.
158
rxeoi xwv ceXXwv twwv tforjxai xo cuxiov nsqt xs juey€&ovg twijg xal
ßqayvßioxtjxog. Xoinöv <T ij/uTv &twQt]Gai mql xs vsoxrjxog xal ytjqwg
xal £wijg xal &avdxov • xovxwv yaq dioqiG&ivxwv xiXog av q mol xwv
twwv tx01 p&odog, eine Stelle, welche obige Frage deutlich dahin
entscheidet, dass die Pflanzenwelt, obschon als nur d-qsnxixov die
niedrigste Potenz der Darstellung des thierischen Lebens, nicht vor-
ausging, sondern nachfolgte. Man hat der Aussage dieser Worte
gemäss die naturhistorischen Theile vorangestellt, weil Aristoteles
bestimmt behauptet, hiemit habe die Behandlung der £wa ihr Ende
erreicht; es wäre jedoch Unrecht, aus diesen Worten einen solchen
Schluss zu machen, ohne den Zusammenhang zu betrachten ; es lehrt
nämlich der Anfang des Buches, dass nur die xoival noä^sig ge-
meint sind, allgemeine Begriffe, die allen £üja zukommen, wovon der
obengenannte der letzte ist, und in sofern hat Aristoteles Recht zu
sagen xiXog av t'xoi tf jutöodog. Dagegen wird in der Thiergeschichte
V, 1 p. 539, 15 wgtisq sYqqxai iv xy &swo£a xfi nsql xwv <pvxwv,
(der Zusammenhang scheint nicht dafür zu sprechen, dass die Worte
später eingesetzt worden sind), die Pflanzenlehre als vollendet be-
trachtet, während die Bücher nsql £wwv fxoqtwv p. 656, 1 q /usv
ovv xwv tpvxwv tpvoig ovaa /uövi/uog ov noXvsid^g tGzi xwv dvo/uoio/us-
qwv . . . $to &swqr}x£ov xa& avzd nsol xijg idgag avxwv, ferner
die Bücher nsql twwv ysvioswg I, 2 p. 716, 1 nsql fxiv ovv tpvxwv
avxd xa& avxd %wqig snioxsnxs'ov , nsol ds xwv dXXwv £<wcw xijg ys-
vs"oswg Xsxxtov , und V, 3 p- 783, b. 10 dio xal xwv tpvxwv xä Xir-
naqd asltpvXXa /udXXov. dXXd nsol /uev xovxwv iv aX,Xoig xo atxiov
Xsxxs'ov xal ydq aXXa ovvalxia xov xoiavxov ndS-ovg avxoig. Worte,
welche wiederholt die Thiergeschichte als längst bekannt voraus-
setzen, in der Art reden, dass man glauben muss, Aristoteles sei
noch ziemlich ferne von der Abfassung der <pvxd. Sollte vielleicht
jene einzige widerstrebende Stelle durch die Aenderung des sfqtjzai
in slqijosxat ihre Ausgleichung erhalten, wenn anders jene seltene
159
Futurform bei Aristoteles sicher steht, wie es wenigstens p. 420,
b. 21 ist?
Fr. Nie. Titze9) hat die Entdeckung gemacht, dass das erste
Buch tcsqI Zatujv ixoqiwv die allgemeine Einleitung zur Behandlung
aller zoologischen Schriften bilde und darum auch allen vorausgehen
müsse; G. Schneider und J. Kopp haben diese Bemerkung für eben
so richtig als geistreich gehalten, und es ist nicht zu läugnen, dass
so viel auch Titze in Erklärung einzelner Stellen aus Uukunde der
Sprache seiner Hypothese zu lieb gefehlt hat, der Grundgedanke
doch wahr bleibt und selbst noch besser bewiesen werden kann.
Aristoteles wirft die Frage auf, wie eine wissenschaftliche Behand-
lung über die thierische Natur erreicht werden könne; er habe von
der höhereu, unvergänglichen Welt, von der wir nur Weniges wis-
sen, seine Ansicht mitgetheilt, und sei jetzt in seiner Darstellung
auf das Gebiet des thierischen Lebens gekommen, cap. 6, insl Ss
tisqI Ixtlvviv {t(öv ä(pS-ccQto)p) diriXd-Ofxev fäyovrsg ro (pcuvdfxsvov rlfilv,
Äomov tisqI rrjg kioixrjg g>vGscog slnuv urjdkv naqaXbTiövrag slg dvvctfiiv
/urjzs dtiuorsQov /ajjts tijuicorsQov. Deutet er damit schon, wie Titze
mit Recht behauptet, an, dass dieses der Uebergang von den frü-
heren physischen Werken zu den über die £uuxt[ tpiioig, und die erste
Schrift auf diesem neuen Felde sein soll — wogegen sich nichts
anführen lässt — so ist noch weit überzeugender, was nicht be-
merkt worden ist, dass die Fragen, welche über dies methodische
Verfahren aufgeworfen und beantwortet werden, den einzelnen
Schriften wirklich zu Grunde gelegt sind.
9) In der Vorrede zur Ausgabe des ersten Buches de partibus animalium
cons. Titze de Aristotelis operum serie distinetione p. 55> 8. Prantl
de Aristotelis librorum ad bistoriam animalium pertinentium ordine
atque dispositione. 1843- p. 23.
160
Gleich die erste wichtige Frage, ob man jedes einzelne Wesen
für sich allein durchgehen, oder das was allen geraeinsam ist oud
unter sich keinen Unterschied trägt, um Wiederholung zu meiden,
wie Schlaf, Athmen, Wachsthum, Tod, mitsammen verbinden soll,
p. 639, 15:
X£yo) <f olop noxsqov deo Aajußdpopxag /jiCav hxäoxrjp ovoCap nsol
xavxtjg dioofceip xa$ avztfp, olop tisqI äp&QcoTiov (pvoscog q X£ov-
xog tj ßoög fj xal ripog ciXXov xaS-' ixaoxop nqoy^iqito^povg f q
rä xotPt] ov/ußsßqxoxa naoi xaxd xb xoivov vno&s/ufrovg. noXXd
yäq vnäqxu xavxd ixoXXolg yipeoip (ytpsi ?J £x£qoig ovoip aXhiqhojp
olov vnvog, äpanvoi]3 avl-qoigj <f0-i0ig,3-äp axog3 xccl nodg
xovxotg boa xoiavxa xwp Asmojuspwp * °) ncc&iöv xs xal dia&£-
geojv ' adtjAop yciq xal ad io qiox 6p iGxt Xiysip pvp neql
xovxwp. (pavsodv d* ort xal xaxd /utoog juip Xiyopx^g nsql noh-
XoZv iqov/usp noXXaxig ravxd • xal yaQ l'nnoig xal xvol xal av-
&Q(67ioig vndqysi xwp eiqt]/u€pwp kxaoxop, woxs lav xa& txaoxop
xwv ovjußf-ßt]x6rojp A£y}] tig3 nokhdxig dpayxao&rjOsxai tisqI xwp
avxwp Xiyziv boa ravtd /utp vndqyu roTg sidsi diayiqovoi xwp
£wwp. avxd dk firjdh^iiav %,%u diatpoqäp . . . öio ösT jutj (dies') %s-
hri&£vai} nwg imoxsnxsop , fäyw ö*k nöxaqop xoiPtj xaxä y£vog
ttqojxov, $ix vgxsqop tisqI xwp idiwp &swqrjx£OP} rj xaO-' i'xaoxop
sv&vg.
vergl. p. 644, 23 seqq., findet ihre vollständige Erledigung in den
Parva naturalia, welche die oben bezeichneten allen Uocc gemeinsamen
Eigenschaften ausführlich behandeln, und es leuchtet ein, dass die
hier vorgetragene Aporia nicht erst, nachdem die Ausführung bereits
10) XeMOjiievtov ist ganz gegen die Sprache des Aristoteles, man erwartet,
■wie Titze richtig vermuthet, Xeyofxlvwv oder Äoinwv.
161
schon vorlag, gemacht werden konnte; sondern dieser vorausgehen
masste.
Die Frage, ob man die Erscheinungen, das ort zuerst, und
dann erst die Ursachen, das diön, erklären solle, oder umgekehrt
p. 639, b. 5 vvv ydq ov diiöqiorcci tisqI ctvxov bvM ys rö pvp Qtj&rj-
goixspop y olop tiotsqop xaS-anso ol jua&rjjuanxol rd tisqI rtjp aGrooko-
ylup dsixpvovGip, ouxto dsi xal top (pvGixop rd (faipo/uspa tiqwxop rd
nsql rd £aice &£(DQiJGc(vtct xal rd /usorj sxugtop, instd-' ovrio ÄGysip rö
did rl xal rag alriag, fj dMcog nwg, wird dahin • beantwortet, dass
al tisqI td £(Jöct iGxoQiat den Schriften nsql Zwujp uoqCüjp und nsql
Zcpcop ysps'oscog vorausgehen, was auch sämmtliche Verweisungen
dieser auf jene beweisen, p. 640, 13 soixs <T §ptsv&sp ccqxts'op shai,
xa&ansQ xal tiqÖtsqop sXjiojxsp, ort tiqcdtop rd (paipo/xspa Xrjnriop nsql
sxaGrop y£pog, £«#' ovxco rag alxlag xovtcop Xsxts'op, xal nsql ysps'Gswg'
juäAAop ydq rdds Gv/ußai'pst xal nsql rtjp olxodofxrjGiP , snsl toiopö1
§Gxl rö sidog rijg olxiag, rj toiÖpS* sgtIp q olxia, ort ylpsxai ovxwg * ').
Die alten Philosophen haben zumeist nur die vAixt} dq%tj unter-
sucht, es genügt jedoch nicht, die djuow/usqrj und dpo/uoio/usqtj anzu-
führen, es muss sUog und juoqcpt] betrachtet werden, diese besteht
nicht in äusserer Form und Gestalt, sondern im innern Leben, darum
ist dem Physiker Psychologie unentbehrlich, p. 641, 19
sl drj xovxo iGxi xjJv/tj q ipvxjjä. juiqog tj /utj d'psv ipvyrjg {ansX-
■S-ovGtjg yovp ovxf-xi Z,ioöp sgxip] ovds rwp juoqiwp ovSsp rd avrö
Xslnsrai, nAijp reu G^tf/uan juopop, xaS-änsq rä juv&svojuspa Xir-
&ovG&ai) sl §rj xavxa ovrwg, rov <pvGtxov nsql ipv%rjg äp sti] M-
u) Diese Stelle scheint de animalium generatione V, 1 p. 778, b. 1 ge-
meint zu sein, aianeg 1X1%^ xar' &Q%ag ev rolg nqunoigXoyoig, was
für die gewöhnliche Stellung dieses Buches angeführt werden könnte.
Abhandlungen der I. Cl. d. li. Ak d. Wiss. V. Bd. II. Abthl. 21
J62
ysiv xctl eldsvaij xal tl /utj naoqg, xax1 avxö xovxo xa& o xoi-
ovto xö Zcpov, xal xC ioxiv tj ipv%ij, fj avxö xovxo xo /uöoiov, xal
txbqI xojv GVjußsßt]xöxwv xaxct xijv xoiavxt]v avxrjg ovgCciv , äMcog
xs xctl xtjg (pvoEwg di%ü)g Zeyo/u&'vrjg xal ovaqg xrjg /utv cog v).t]g,
xijg dt cog ovGi'ag. xctl toxiv avxt] xctl wg r] xivovoa xctl wg xo
xsXog. xoiovxov de xov £wov rj toi näact rj tyvyjrj rj /utoog xi av-
xrjg, wGxs xctl ovxwg av faxxsov e'i't] xw mol yvGswg &ewQi]Xixw
neol ipvx*js i^äXkov fj tisqI xijg vXrjg, oow juäMov rj vXt] di txst-
vr\v (fvoig ioxlv tj avänaXiv . xctl xXCvt] xctl xqlnovg xö %vÄov ia-
xiVy oxi Svvct/iiEi xctvxci ioxiv.
Sind diese Worte schon wichtig, so liefert die folgende Apo-
rie sogar den einzigen Maasstab, wie die Bücher tisqI yvyrjg be-
trachtet werden wollen:
anoQtJGsie <T av xig dg rö vvv XeyS-hv inißMipag, nöxsoov nsol
naorjg yjvyt]g tfjg cpvGixijg iaxi xö unuv fj nsqC xivog . st yctQ
mol nctorjg, ovdsfjiCa Aetnsxcti nctqct xrjv cpvGixrjv imgxrj/ut]v <piAo-
üotpCct ' 6 yctQ vovg xwv vot]xwv . (Sgxs nsol ndvxwv rj tpvGixr)
yvwcig av ut] • xtjg yctQ avxrjg nsol vov xctl xov vorjxov dswQtJGai,
sinsQ TiQÖg aXXrjXa, xctl fj ctvxtj d-kWQtct xcov TiQÖg akXt]Xa Tldv-
XWV, XCt&CiTlSQ xctl nsol cuGd-rJGswg xctl xwv aiG&rjxwv ' fj ovx
toxi näoa rj ipvyrj xivtjöswg ctQyrj, ovde xct fxoQict anavxa, akX
av^rjoswg juiv 07X8Q xcel iv cpvxolg, dXXoiwGtwg de xö ctlG&t]xixöv,
ffOQag <T txeQov xi xctl ov xö votjxixöv' vnctQysi yctQ tj cpoQct xctl
iv txe'QOig xwv £cowv, didvoia <T ovdsvC' drjXov ovv cog ov
tisqI nctGt]g ipv%ijg Asxx£ov ovdt yctQ nctGa tyvyi] cpvoig xig
äXXä xi juoqiov avxrjg 'iv tj xal nfe(a).
Diese Bücher gehören also ganz eigentlich in die Physik und
behandeln das, wodurch das thierische Leben besteht, sie sind kei-
neswegs, wie man irrthümlich gewöhnlich glaubt, Psychologie in
163
unserem Sinne; denn die tyvyji des Menschen fällt zugleich ausser
der (fvGixi] imar^fif], welche von der yvyj überhaupt, in sofern sie
allen Zwei gemeinsam ist, zu sprechen hat, und nur von der Seite
als die menschliche ipvxi] mit der der Zwcc zusammenfällt, gehört
auch sie hierher; da aber die menschliche Seele durch den ihr von
der Gottheit gegebenen Zoyog und vovg etwas Höheres als die thie-
rische ist, fällt sie über die givaixtj imatijut] hinaus und wird Ge-
genstand der TTQcött] (fiXoooiflci. Dieses ist der einzig richtige Stand-
punkt, den glücklicher Weise uns Aristoteles selbst mittheilt, von
dem aus die berühmte Schrift unseres Philosophen beurtheilt werden
will, und wenn im ersten Buche die ipv%r} nicht auf diesen engen
Begriff beschränkt auftritt, so liegt der Grund einzig darin, dass
eiue Kritik der Vorgänger, wie sie in jenem Buche enthalten ist,
nicht verschweigen darf, in welchem Geiste und Sinne der Gegen-
stand aufgefasst und dargestellt worden ist; er selbst hält fest,
dass es tj ipvxij tf iwv Zwwv sei (III, 9) und von der diapoqztxi]
ipv%i}, dem vovg, wird wenig III. 4 — 7 und dunkel gesprochen12).
Die Untersuchung, wie der Gegenstand behandelt werden soll,
muss der Ausführung vorausgehen, und hat keine Bedeutung da,
wo sie jetzt, lange nach deren Vollendung, steht; sie ist keine
Rechtfertigung oder Vertheidigung des bereits gelieferten, sondern
Angabe des methodischen Verfahrens, welches die leitenden Prin-
cipien sind, die der Behandlung des Einzelnen zu Grunde liegen.
Ich halte daher Titze's Annahme der Hauptsache nach für vollkom-
men gegründet, kann jedoch nicht verschweigen, dass das Ende
12) Von einem gründlichen Kenner des Aristoteles ist, was bei Photius
Bibl. Cod. 249 steht, (Anonym, de vita Pythag. p. 112 — 4 ed.Kiesl.):
"Ott nkärtov, girjoi, xai LdQiazoTekrjg a&dvccTov 6f.iotwg ÄeyovGL ttjv
xpvxqv, x<*v Ttvsg etg zbv lAqiazozeXovg voüv ovx. i/jßctd-vvovzeg &vt]zrjv
vüfii^ovoi avzbv liyeiv.
21 *
161
auf die £a5av juoqicc übergeht und einen Zusammenhang mit dem
nächsten Buche andeutet. Ist dieses Folge früherer Redaction, oder
lassen sich obige Bedenken irgend wie genügend lösen?
Den ersten Platz in der Auseinandersetzung der Zwixr\ <pvoig
ausser diesen methodischen Lehren, welche das Verfahren und die
Behandlung im Voraus anzugeben bestimmt sind, nehmen die
Bücher tisqI ipvxijg ein, diese ipvxq ist das allen unentbehrliche
Lebensprincip, und Aristoteles giebt uns in der dieser folgenden
Abhandlung negl alö&ijoscog xal mG&rjrov jeden erwünschten Aus-
schluss. Er will von den £wa und Zcüvra reden und hat das Ge-
meinsame gefunden; daher ist deren Erkenntniss so wichtig, cap. 1
noög (pioiv noXXa Gv/ußdAAstaf ton yccQ olov uqxV ™v £(P(J0J'> darum
macht er den Anfang mit diesem wichtigen Lebensprincipe, das in
allen Abstufungen sich findet, von den nur durch Nahrung sich fort-
bringenden Wesen , dem &Q£7tTix6v, der (fvxd, bis zu den Menschen,
dem §iavor\xixbv, und wir dürfen als zuverlässig annehmen, dass
keine Schrift vorausgegangen, die irgend Beziehung auf die £wa
hatte; die ipvxq aber wird an und für sich, xa& avxrtv, betrachtet ;
erst von hier aus wird der Uebergang zur Verbindung mit dem
G(üu,cc gemacht, zu den lebenden Geschöpfen, ihren Eigenschaften,
worin sie alle übereinstimmen, und worin sie von einander abwei-
chen; alle wichtige Thätigkeiten , welche der yvxri und dem
ocüjua gemeinsam sind, werden zuerst hervorgehoben, ehe das in-
dividuell Unterscheidende folgt; er geht nach seiner Weise auch
hier von dem Allgemeinen aus, um zu dem Besondern zu gelangen,
und die einzelneu Arten der lebenden Welt, die er in Zwa und
<pvxd theilt, und deren Physiologie zu lehren, p. 436, 1;
insl Jfc neol ipvxqg xctty avxtjv SuLoiGxai xal niol xcov dvvdjuscov
txaOrtjg xaxd ju6qiov avxijg, ix°fxsvov *Grl noitJGaa&ai xr\v ini-
165
axsxpip nsgl rcvy Zwiov xal rwv ^coijy i%6vt(ov, tivsg sialy
idiai xal tCvsg xotval rtQa^sig avt(vviS).
Als die wichtigsten gemeinsamen Thätigkeiten der Seele und
des Körpers sind ihm, olov ata&qoig xal fJ>v^/xri i!ctl ®&pos xal §m-
&vjuta xal oXvog OQtg'ig, xal ngog rovtoig rjdoviq rs xai Xvnrj' xal yaQ
ravra a%£ddv naoi xolg £cpoig. Aber nur cuoSfjOig und /uvij/ui] wer-
den durchgenommen, warum fehlen die andern? Nachstehende
Eigenschaften werden als allen am Leben Theil nehmenden We-
sen gemeinsam hervorgehoben:
sygijyoQtfig xal vnvog,
vsorqg xal yiJQag,
avanvot} xal sxnporj,
twrj xal &ävaxog3
1S) Dass auch die alten Erklärer des Aristoteles die Sache richtig aufge-
fasst und die Bücher neql xpv%tjg den historischen und physiologi-
schen vorausgesetzt hatten, sieht man aus einer Bemerkung Alexanders
ad Arist. de sensu cap. 1> fol. 93 b.:
eiqiqxwg axoXovSelv zoig neql xpv%ijg elqijfxevoig zrjv neql ze ^cicov xal
ttjv £wjjv e%6vz(av &eioqlav, exäazov de zovzwv dvvafiig xai eidog rj
xpv%r], xal öielwv zbv neql zovtwv Xoyov eig ze zag xoivccg eveqyelag
avzöJv xal eig zag lölag, neql z&v xoivwv nqwzov iveqyeiäiv iy näv-
zwv zöjv e(xxpv%o}v rj zöjv ys nXelgzutv notrjoezai, xal fieza zovzo neql
zojv iöioiv iveqyeiwv exäazov eXdovg eqel t,wa>v , nqwzov neql t,u>(av
lazoqtjQag' %qrjai^iog yäq rj neql tflnav lozoqla xal dialqeoig nqog zag
lölag eveqyelag exäazov ze el'öovg t,(ätov xal zcov fxoqlcov avzüJv . at
yaQ xoival zcäv e(J.vjv%(ov eveqyeiai ncog avvänzovd' ziu xoivw neql %pv-
Xtjg Xoyia . ziveg de eiaiv avzai, e^ijg eqel . . . leyov (xezcc zavza neql
£,(orjg ze Saväzov , xal vnvov xal iyqiyyoqoeiog, xal zijg xa#' vnvov
fiavztxrjg ei& vazeqov neql "Qiäiav.
166
neol c6f \}€WQt]T€ov xt ts exaGtov ctvTwv xal dia rlvag alt tag Gv/uißaC-
vu . Zu diesen vier Gv^vyCai tritt eine fünfte, jisqi vyietag xalvooov,
zwar eigentlich der Medicin zugewiesen, aber in ihren allgemeinen
Principien, noojrai, a^x^h hei dem engen Zusammenhange beider
Wissenschaften, wo die Physik bis in die Medicin hin sich er-
streckt, diese aber aus der Physik ihre Grundsätze holt, auch dem
Physiker unentbehrlich. Diese hat sich nicht erhalten und schon
Alexander Aphrodisiensis kennt sie nicht I4), sie ist verloren ge-
gangen ; denn dass Aristoteles sie geschrieben hat, lehrt die wieder-
holte Wichtigkeit, die er ihr beilegt, de longitudine vitae p. 464,
b. 30 tisqi fxip ovv vtipov xal iyQtjyÖQöswg UQ^rcti tiqotsqov, neol ds
tcoijg xal S-avdrov Äsxz£ov vgtsqov, 6/uotojg ds xal voaov xai vyi-
siceg, ogov tnißaAhet, rjj (pvöixij (piAoGocpta, sie ist in ihren
Anfangsworten noch erhalten am Schlüsse der Abhandlung tisqI ava-
nvoijg p. 480, b. 21 — 30, es waren nach dem Obigen zu schliessen,
nur allgemeine Andeutungen. Eine GvZ,vy(,a, die pioztjg xal yijoag
ist nur dem Namen nach erhalten, es wird sogleich auf £a)i} über-
gegangen , (auch tisqI avanvof^g ist der Abhandlung nsol £wijg xal
&avcitov einverleibt, vergl. Anfang und p. 472, 16 — 19) doch tritt
im Verlaufe obiger xoival nqä&ig zwp twwv eine neue GvCvyia ähn-
lichen Inhaltes auf, neol juaxQoßi6tt]zog xal ßQa%vßi6zqzoS.
14) Alexander ad Aristot. de sensu fol. 94 :
neql (.tev ovv zcov Idtcov ov£,vyiü)v wv enqayfiazevaazo rceql avzötv,
Xiyw de neql eyqrjyöqoewg xal imvov , xal veözrjzog xal yrjqcog, xal
avanvorfi, xal ^corjg xal &aväzov . zd de neql vyeiag xal voaov, ei
eyevezo, ov oto^ezai . eozi de xal zovztov xotva [.tev navzwv zvüv ^caiov
eqyrjyoqoig xal vnvog, et (.irj nov yevog l%&va)v eozc zi ayqvnvov o
tyzel ev zfj Tteql tiooiv loioqia. fj de veözrjg xal zb ytjqccg navziov
zwv zfjg fafjg f.ieze%6vziov xoivä, ov zwv ^oiwv /növov xal ydq ev zo'ig
(pvzolg rj ze veöziqg xal zb yrjqccg. uioneq ovv xal rj £cdi) xal o &dva-
zog, avanvor] ze xal exnvorj xoiva zolg nXeiozoig.
167
Zu dem was allen £«*« gemeinsam zukommt, müsste man auch
die Abhandlungen tisqI Zwodp xivrjaecog und jene tisqI £töcop noQeiag
rechnen, wie er p. 645, b. 33 sagt: Xiyco ^ itci&t] xal ngdgeig y£vs-
Oiv ccvgtjGiv 6%Eiccv iyQtjyoQOiv vnvov noqsCav xccl bnod aXXct roiavza
rotg £t6oig vnaQxsi, so dass sie ihre Stellung hier finden sollten;
da aber hierin nicht eine gleichartige, sondern nach dem Zustande
ihrer Bildung verschiedene Thätigheit stattfindet, und die Eintheilung
der Thiere wie sie die Naturgeschichte gibt, voraussetzt, so wer-
den sie wohl mit Recht, wie die Zeugung, yfrt-oig, zu den physio-
logischen Büchern gerechnet.
Römische Inschriften,
mit Bemerkungen
von
Professor Jos, von Hefner.
Mit 2 Tafeln Abbildungen.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ah. d. Wis». V. Bd. II Abtb. 22
I.
Ueber die
im k. Antiquarium in München befindliche,
sogenannte
Tabula h o n e s t a e missionis
der beiden Kaiser Philippus
und die Einwürfe gegen ihre Aechtheit,
(Mit einem Facsimile der Tafel.)
Von
Professor v. Hefner.
Mwie Aechtheit unserer Tafel *), welche Herr Hofrath Tbiersch 2)
in neuerer Zeit edirte, wurde von Bernhard Stark in seinen Bemer-
') Sie wurde in der Nähe von Mantua ausgegraben, im J. 1724 von
Agostino Rudolfi an Ficorini verkauft; dann von dem Bischöfe von
Passau, Grafen v. Thun, in Rom erworben, nach Passau gebracht, von
wo sie, nach Aufhebung des Stiftes daselbst, ins k. Antiquarium kam.
*) Im I. Jahresbericht der k. bayer. Akademie der Wissenschaften
1827 — 29 S. 24 Taf. I. Als fernere auf die Tafel bezügliche Lite-
ratur ist anzuführen: Maffei Galliae antiquit. Ver. 1734 p. 2- Mus.
Ver. pag. 325. Muratori Thes. T. I. p. 362, 1. Taciti opera, recogn.
Brotier, T. II, p. 456. Vernazza dipl. di Adr. spieg. Murini Frat,
Arv. T. II, p. 468 et p. 488. Cardinali Diplomi imper. p. XXXXVII
22*
172
kungen über eine in dem k. Antiqnarium in München befindliche
Tabula honestae missionis von dem Kaiser Philippus3), ferner in
seiner Abfertigung4) des in den bayer. Annalen abgedruckten Re-
ferats und endlich in seinem Nachtrage zu den Bemerkungen 5) an-
gestritten und über sie das harte Urtheil gefällt, dass sie als Mach-
werk eines Betrügers neuerer Zeit forthin aus der Zahl der ächten
Tafeln dieser Gattung ausscheiden müsse.
Für die hart Angeschuldigte trat ein Ungenannter in den bayer.
Annalen6), und in neuester Zeit Herr Custos Föringer 7) in die
Schranken. Da mir die Verwahrung der Tafel anvertraut ist, so
finde ich mich, nachdem durch den angeregten Streit sich die Augen
der Gelehrten auf sie wendeten, veranlasst, ihre Verteidigung zu
übernehmen. Nachdem ich durch triftige Gründe ihre Aechtheit er-
wiesen, wird sie künftig wieder einen ehrenvollen Platz unter den
et 287 — 290. Labus Mus. di Mant. Vol. IL p. 145. Spangenberg
Tab. jur. rom. Visi Mem. stör, di Mantov. p. 41. Eckhel Doctr. Vet.
Num. Vol. VII. p. 335. Amelh Militärdiplome S. 8. N. 38. Mass.
mann Libell. aurar. p. 23. (wo jedoch die Literatur unserer Tafel
mit der der Neapolitaner verwechselt wird). Haubold Opuscula
Academica. Lips. 1829. t. II. p. 895.
*) In dem Anhange seiner Abhandlung über einen zum Andenken des
Kaisers Decius und seiner beiden Söbne errichteten und in dem Stift
Wüten bei Innsbruck aufbewahrten Meilenstein. Augsburg 1832.
*) Seite 17 der Palä'ogr. .Bemerkungen über einen bei Zirl in Tyrol
aufgefundenen, zum Andenken des Kaisers Decius und seiner beiden
Söhne errichteten Meilenstein. Landshut 1840.
s) Ebendaselbst p. 55-
•) Jahrgang 1833 N. 67 S. 475.
7) Gelehrte Anzeigen. München, 1844. N. 35.
173
Ueberresten des Alterthums in der Sammlang des k. Antiquarinms
einnehmen.
Die Inschrift der Tafel lautet so:
Vorderseite:
IMP CAES M IVLIVS PHILIPPVS P1VS
FEL AVG PONT MAX TR POT V COS IIIPPPROC
IMP CAES M IVLIVS PHILIPPVS PIVS FEL AVG
PONT MAX TRIB POT H COS II P P
5) NOMIiXA MILITVM QVI MILITAVER IN CO
HORTIBVS PRAETOR PHILIPPIANIS DECEM
i ii m im v vi vii viii vmi- x piis vindicibvs
QVI PH ET FORTITER MILITIA FVNCTI SVNT
IVS TRIBVIMVS CONVBII DVMTAXAT CVM
10) SINGVLIS ET PRIMIS VXORIBVS VT ETIAM
SI PEREGRINI IVRIS FEMINAS IN MA
TRIMONIO SVO IVNXER PROINDE LIBE
ROS TOLLANT AC SI EX DVOBVS CIVIBVS
ROM ANIS NATOS AD VII ID IAN
15) IMP M IVLIO PHILIPPO PIO FEL- AVG III ET
IMP M IVLIO PHILIPPO PIO FEL AVG II C- S
COH VIII PR PHILIPPIAN P V-
M B R A E T I 0 M F- I V S T I N 0-
SABATIN MANTVA-
20) DESCRIPT ET RECOGNIT EX TABVLA AEN QVE FIX
EST ROM IM MVR POSTEMPLVM DIVI AVG AD
MINERVAM
171
Rückseite :
CVI
PRAEST
BASSVS
s
N
LAVDIC
SI
LAVDIC L
BESSO
GINO
ALABAND
PANN
L
ONI
PHILADEL
C
0
ALABAND
NICOM
C
Imperator Caesar Marcus Julius Philippus Pius, FeMa;, Au-
gustus, Powtifex maximus, tvibunitiae potestatis quintum, Consul ter-
tium, paler patriae, Proconsnl et Imperator Caesar Marcus Julius
Philippus Pius, FeUx, Augustus, Pontifex maximus, tribunitiae po-
testatis secundum, Consul secundum, pater patriae. Nomina mili-
tum, qui militaveraw£ in cohortibus praetom? Philippianis decem I.
II. III. IV. V. VI. VII. VIII. Villi. X Piis Vindicibus, qui pii et
fortiter militia functi sunt, jus tribuimus connubii, dumtaxat cum sin-
gulis et primis uxoribus, ut etiam si peregrini juris feminas in matri-
monio suo jimxerint, proinde liberos tollant, ac si ex duobus civibus
Romanis natos ; ante diem VII Idus Jamiarias Imperatore Marco
Julio Philippo, Pio, Felice, Augusto tertium et Imperatore Marco
Julio Philippo, Pio, FeMce, Awgusto secundum consulibu.%. Cohor.9
VIII praetor ia Philippian«, Pia, V index. Marco Braetio, Marci
{Mo, Justino, Sabatin« (tribu), Mantua (nato). Descriptww et re-
cognitwm ex tabula aenea, quae fix« est Romae in muro post tem-
plum divi Augusfi ad Minervam.
175
Cui praeest Bassus. N. Laudiceä L . . . Besso . . . gino Ala-
bandä . . . Pannoniä . . . o»i Philadelphia co . . Alabandä . . . Nico-
mediä.
Die Gründe für die Unächtheit unserer Tafel suchte Stark aus
inneren und äusseren Kriterien zu erweisen. Wir wollen nun seine
Einwürfe nach der Reihenfolge der Zeilen zu widerlegen ver-
suchen.
1. Zeile. IMP CAES- M- IVL1VS PHILIPPVS PIVS FEL-
Nach diesen Worten vermisst Stark (Bemerk. S. 63.) den Titel
INYTCTVS, der auf früheren Meilensteinen dieses Kaisers zu lesen
sey. Hierauf antworten wir: Es ist in der Epigraphik etwas Be-
kanntes, dass nicht alle Denkmäler die Titel, die ein Kaiser zur
Zeit ihrer Errichtung führte, vollständig enthalten; so fehlt dieses
lnvictus auch auf der Toletanischen8) Inschrift.
% Zeile. PROO Das Wort Proconsnl gilt Stark (1. c.) als
neuer Beweis der Fälschung, „da bekanntlich dieser Titel nur dann
römischen Kaisern beigelegt worden sey, wenn sie sich in den
Provinzen aufhielten oder in den Krieg zogen, doch sey vom Kai-
ser Philippos nicht erweislich, dass er im J. 248 von Rom sich
entfernt habe. Was von Denksteinen gelte, das gelte auch von
Tafeln aus Erz".
Der Titel Proconsnl, erwiedern wir, war nicht, wie Stark
glaubt, zu den Kaiserzeiten, wie zu Zeiten der Republik au die-
selben Bedingungen gebunden; sondern dieser Titel war von Augu-
stus an von dem Senate den Kaisern ertheilt, wodurch diese gleich-
B) Orelli Coli. Vol. I. No. 980.
170
sain die Gewalt über alle Proconsuln der kaiserlichen Provinzen er-
hielten, und so zu sagen zu Gener alproconsnln ernannt wurden.
Zeile 4. TRIB- POT II- Während unsere Tafel bei dem
Sohne des Philippus das zweite Regierungsjahr oder Tribunat in
Verbindung mit dem fünften seines Vaters angiebt, kommt sie mit
der bei Neapel gefundenen Tafel9) von diesem Kaiserpaare in
chronologischen Widerspruch, da diese das vierte Tribunat des
Vaters und das gleiche des Sohnes verzeichnet. Bei dem Mangel
an verlässigeu Geschichtsquellen über das Leben der beiden Phi-
lippus muss bis zur Auffindung solcher die Frage, welche der bei-
den Tafeln die richtige Angabe enthalte, unerörtert bleiben, und es
darf, selbst wenn die Neapolitaner das Tribunat des Sohnes richtig
bestimmte, über unsere Tafel der Stab noch nicht gebrochen wer-
den, da durch ein Versehen des Kupferstechers an die Stelle des
IUI Tribunats das II gesetzt werden konnte.
5. Zeile. NOMINA MILITVM QVI MILITAVER. Einen
Hauptbeweis für die Unächtheit unserer Tafel nimmt Stark (1. c.)
von dieser Stelle her. Der Mangel der Namen der Prätorianer
reicht ihm schon hin , das Verdammungsurtheil auszusprechen.
Hätte sich Stark nur einigermassen mit dem Texte der für die Prä-
torianer ausgefertigten Diplome bekannt gemacht, so würde er ge-
funden haben, dass diese Formel eine von jenen ist, wodurch sich
diese Diplome von den die übrigen Truppen betreffenden Tabulis
honestae missionis charakterisch unterscheiden. Diese Formel findet
sich auf den unbestritten ächten Tafeln des M. Aurelius10) und L.
•) Marini, Frat. Arv. P. II: p. 467. Haubold, Vol. II. p. 893.
">) Cardinali p. XXX XI.
177
Veras v.J. 151, des Sept. Severus und Caracalla1 *) v.J. 208, von
Gordianus III 12) v. Jahre 243 und dem Maxiininianischen Fragmente.
Diese Stelle nun, die Stark für sich allein schon gewichtig genug
hielt, die Unächtheit zu erweisen, gibt ihr gerade das Gepräge
der Aechtheit.
8. Zeile. QVI PH. Dass hier das Adjectiv statt des Adverbs
steht, hält Stark für einen Kunstgriff des Fälschers, um seinen Be-
trug zu verbergen. Es ist jedoch hier offenbar die Sache auf keine
Täuschung angelegt, sondern scheint entweder ein Uebersehen des
Kupferstechers, wovon wir vorher schon einen Fall erwähnt haben,
oder eine Eigenheit in dem damaligen Sprachgebrauche zu seyn.
Uebrigeus ist die Formel : qui pie et fortiter militia functi sunt, wie-
der eine von denen, die nur auf den Diplomen der Prätorianer vor-
kommen. Diese erhielten nicht, wie die übrigen Truppengattungen,
denen Tabulae ausgefertigt wurden, die Entlassung aus dem Kriegs-
dienste und das Bürgerrecht, denn diess besassen sie schon als
Leibwache des Kaisers, sondern das Jus Connubii und zwar mit
der bemerkenswerthen Beschränkung
'»
DVMTAXAT CVM
SINGVLIS ET PRIMIS VXORIBVS.
Der Beisatz primis- ist für die Erklärung des oft missverstan-
denen singulis, in welchem die Neapolitanischen Akademiker 13) ein
Verbot gegen die Polygamie zu erkennen glaubten, sehr wichtig.
»») Hmibold p. 890.
4I) Cardinali p. XXXXV. XXXXVU.
13) Antiquitates Herculan. T. V. Praef. p. XXVII, not. 46 und p. XXXV
not. 78.
Abhdlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wis». V. Bd. II. Abtkl. 23
178
Haubold14) bemerkt hierüber: Tabula connubitini indulget niilitibus
dtuntaxat cum sinyulis et primis uxoribas, manifesto indicio, id, quod
missionis auxilio consequuti sunt milites, non promiscue ad quod vis
etiam secundum vel ulteriiis conjuyium pertiuere, sed semel taiitum
prodesse, ita ut, si visuni sit militibns, soluto priori inatriinouio ad
secundas nuptias transire, aut civem Romanam ducere debeant, ant
intelligere, iteratas nuptias justas non futuras.
10—12. Zeile. VT ETIAM
SI PEREGRINI IVRIS FEMINAS IN MA
TRIMONIO SVO IVNXER.
Beide Ausdrücke sind eine Eigentümlichkeit der prätoriauischeu
Tafeln und finden durch Ulpians Worte 1S) ihre Bestätigung: Comin-
bium, sagt er, habebaut cives Romani cum civibus Romanis, cum
Latinis autem et pereyrinis , si concessum esset. Stark hat den
Ausdruck in matrimonio suo statt des gewöhnlichen matrimonio sibi
anstössig gefunden 5 allein auch diese Sprechweise ist Eigentüm-
lichkeit der prätorianischen Tafeln.
17. — 19. Zeile.
COH VIII- PR- PHILIPPIAN- P- V
M- BRAETIO M F IVSTINO
SABATIN MANTVA
„Die 17 — 20. Zeile", bemerkt Stark (Abfert. p. 59 Not.
51), „passen nichts weniger als ganz genau auf einen einzelnen
,4) Opuscula Acad. Vol. II. p. 850.
,5) Fragm. Tit. V, $ 4.
179
Veteranen, indem die in der 17. Zeile enthaltenen abgekürzten
Worte COH- VIII- PR- PHILIPPIAN- P V weder mit dem vorher-
gehenden, noch mit dem nachfolgenden Satze in Verbindung gebracht
werden können. Der Ref. hat sich daher keinen geringen Irrthum
zu Schulden kommen lassen, da er die angeführten Worte auf den
Brätius anwendete, nicht wissend, dass die Benennung einer Legion
oder Cohorte, bei welcher der Entlassene gedient hat, niemals
vor, sondern allezeit nach dem Namen desselben gesetzt wurde".
Hätte Stark die Diction der prätorianischen Tafeln berücksich-
tigt, so würde er in allen dieselbe Sprechweise gefunden haben,
die zwar eine Abweichung von dem epigraphischen Style, doch
dem Geiste der lateinischen Sprache keineswegs entgegen ist.
Die Worte COH VIII PR PHILIPPLAN- P V- stehen unabhängig
von dem folgenden M- BRAETIO etc., als Hinweis auf die Origi-
naltafel.
. Einen argen Missgriff machte Stark jedoch hierin, dass er bei
der Erklärung nicht zugeben wollte, dass Brätius derjenige sey,
für den die Tafel gefertigt wurde, sondern zu der grammatischen
Figur Antiptosis seine Zuflucht nahm, wornach der im Dativ ste-
hende Name Braetio in den Ablativ, vor dem die Präposition a,
weggeblieben sey, verwandelt und der Prätorianer zum Notar oder
Siegler, der die Specialurkunde mit dem Originale in Rom verglich,
gemacht wird. Eine widersinnige Behauptung, worin Stark leider
Vorgänger hat!
18. und 19. Zeile. M- BRAETIO M F SABATIN- 1VTAN-
TVA. „Ein starker Verdacht, schreibt Stark (Bern. p. 64), gegen
die Aechtheit der Tafel ergibt sich aus dem Namen und der Zunft
des Brätius; denn bei Mainz wurde 1731 ein Grabstein entdeckt
mit M. Braetius M. F., Stellatina tribu Taurinus. In dieser Grab-
schrift liest man den Namen eines Brätiers, der zur Stellatinischen
23*
180
Zunft gehörte, und von Turin gebürtig war. Dagegen versetzt die
Philippische Inschrift den M. Brätius in die Sabatinische Zunft
und dessen Geburtsort nach Mantua. Beide stammten jedoch von
der Familie der Brätier ab, welche keine der ansehnlichsten
war. Da nun Niemand aus einer Zunft in die andere ohne beson-
dere Erlaubniss treten durfte, so könnte man die Vermulhung gelten
lassen, dass dem Brätius diese Vergünstigung geworden sey. Doch
bleibt, wenn wir auch dieses zugeben, der gegründete Zweifel: Ob
zu den Zeiten des Kaisers Philippus die Benennung einer Zunft in
den öffentlichen Aufschriften noch gebräuchlich war, da Zaccaria
bemerkt, dass nach Sept. Severus die Zünfte in den Steininschriften
äusserst selten mehr, vorkommen".
Anlangend diesen Einwurf, so überzeugt uns ein Blick in die
Geschichte und auf die übriggebliebenen Denkmäler, dass er ganz
unrichtig ist. Als zu den Zeiten Caracalla's eine Eutwerthung des
Bürgerrechts eintrat, die unter den folgenden Kaisern sich immer
mehr steigerte, so brachte diess in die Bezeichnung der Tribus eine
grosse Verwirrung hervor. Es ist bekannt * 6), dass die Freigelas-
senen einer der 4 städtischen Tribus (Subusana oder Sucusana, Pa-
latina, Esqnilina und Collina) zugewiesen wurden; aber es ist
ungewiss, wie es sich in dieser Hinsicht mit den Söhnen der Frei-
gelassenen verhielt, ob sie in die Tribus der Stadt, wo sie geboren
waren, eingetragen wurden, oder, wie ihre Väter, in die Stadt-
tribus; wahrscheinlich jedoch ist es, dass wenigstens die Söhne der
Allecti, d. h. solcher Leute, die, obgleich aus andern Städten stam-
mend und also meistens zu einer andern Tribus gehörend, doch
wenn sie zu Decurioneri oder andern Ehrenstellen erwählt wurden,
'*) Man vergl. hierüber Grotefend: Die Rom. Tribus etc.; in der Zeit-
schrift für die Altei thumswissenschaft III. Jahrg. p. 917.
181
jn die Tribus ihres Wohnorts übergingen. Hiezu ist die Inschrift
bei Gruter (p. 416, 8) zu vergleichen, wo der Sohn des Freige-
lassenen Q. Colius Nicomedes, 0. Colitis, in der Colonia Julia Fa-
nestris geboren, in der Pollischen Tribus eingeschrieben ist. Auf
einer Inschrift bei Maffei (Mus. Ver. p. 309) sind T. Scutrius Sa-
biniauus und L. Septimius Hyginus, Freigelassene, aus Rom gebür-
tig, der Tribus Fabia zugetheilt, während sie als Römer und Frei-
gelassene einer der Stadttribus einverleibt seyn sollten.
Die Ansicht Stark's, dass die verschiedenen Familien eines
Geschlechts zu derselben Tribus gehört haben, ist eine irrige und
wird durch die Inschriften vieler Denkmäler widerlegt, wofür ver-
glichen werden mögen: Gens Aelia: Gruter p. 516, 7. Fabretti p.
213, 536. Murat. T. IV. p. 2040. GensCassia: Grut. p. 536, 5.82, 10
Murat. T. IL p. 804, 4. Gens Cornelia: Grut. p. 36, 15. 538, 4. Gens
Naevia. Gruter p. 554, 8. Maffei Mus. Ver. p. 171. p. 451, 1.
Gens Julia: Grut. p. 423, 1. 424, 7. Reines Synt. p. 8.
Der schlagendste Beweis aber gegen Stark ist, dass sich bei
Muratori17) ein ihm unbekannt gebliebenes Denkmal findet, worauf
ein Brätius aus Verona, der in der Publilischen Zunft verzeichnet
ist, sich findet: L- BRAETIVS L F PVBL- VERON besagt
die Inschrift.
lieber das Vorkommen der Tribus in späterer Zeit (bis zum
J. 262 n. Ch.) vergl. man: Henzen, Tabula alim. Baebianor. p. 55.
Die Rückseite unserer Tafel ist sehr merkwürdig; denn sie
machte wahrscheinlich einst eiueu Bestandteil eines jener militäri-
i7) Tom. II, p. 799, No. 7.
182
sehen Original- Diplome aus, die in Rom angeheftet waren. Von
den auf einer solchen Originaltafel in mehren Reihen (colnmnae oder
paginae) senkrecht unter einander geschriebenen Soldatennamen
(nomina subscripta) sind noch auf der Rückseite unserer Tafel Aus-
gänge von Bei- oder Familiennamen, zur Rechten Siglä von Prae-
nominen und in der Mitte 8 Heimathbezeichnungen erhalten, die, wie
der Name BESSO zeigt, im Dativ stehen. Stark, der über den
Inhalt einer solchen Originaltafel keinen deutlichen Begriff hatte,
vermengt diese 8 Namen mit den gewöhnlich in der Zahl 7 und
mit der Genitivendung vorkommenden Namen der Zeugen und sucht
hierin einen Grund zur Verdächtigung der Tafel. Eine Widerlegung
wäre nnnöthig.
Somit ist die Tafel rücksichtlich der ihr gemachten Vorwürfe,
dass sie, nach inneren Kriterien beurtheilt, sich als die Arbeit eines
Betrügers erweise, hinlänglich gerechtfertigt. Es übrigt nun noch
von den äusseren Kriterien zu sprechen.
Aeussere Kriterien.
„Noch verdächtiger als der Inhalt, sagt Stark (Bemerk. S. 65.
X.), erscheint uns:
1) Die Schrift; sie trägt nicht das Gepräge der Zeit, nämlich
die schlecht geformten und verbundenen Buchstaben, wie sie der im
Jahre 250, also nur 3 Jahre früher errichtete Meilenstein des De-
cius hat."
Hierauf ist zu entgegnen: Eine Schrift, gefertigt mit dem Grab-
stichel, ist nicht dieselbe, wie die mit dem Meissel, und eben so
wenig sind die Schriftzüge der in Rom gearbeiteten Denkmäler
immer dieselben, wie die der Provinzen. Nicht unbemerkt darf es
183
bleiben, dass die Verschlechterung der Schrift im Verlaufe der Zeit
bei den Tabalis honestae missiones nicht wie bei den Steinschriften
sichtbar ist, sondern, dass spätere Tabulae regelmässiger e Formen
der Buchstaben zeigen, als frühere und dass bei ihnen die Ligatur
der Schriftzeichen nicht vorkommt, wie die Fac similia, besonders
in Arneth's Militär- Diplomen, deutlich darthun. Nehmen wir bei
unserer Tafel auch auf das Technische Rücksicht, so dürfte die
sichere Führung des Grabstichels, wodurch die Buchstaben durch-
aus gleiche antike Form erhielten, jeden Gedanken der Fälschung
zurückweisen.
2) Die Orthographie ist Stark nicht weniger als die Schrift
verdächtig. Er stösst sich an der Schreibart POSTEMPLVM und
IM MVRO (Bemerk. S. 66, 67.)- Was das erstere Wort anbelangt,
so ist jedem Paläographen wohl bekannt, dass es bei Inschriften
nichts seltenes ist, dass von 2 auf einander folgenden gleichen Buch-
staben nur einer gesetzt wird z. B. IVENTVS für IVVENTVS,
CVIVS für CVI IVS; wo dann die beiden getrennten Wörter, wie
bei der Krasis, in eines zusammengezogen wurden: CVIVS,
POSTEMPLVM.
In Bezug auf die Schreibart IM MVRO, so erklärt sich diese
nach griechischer Sprachweise, indem die Liquida N in die nach-
folgende M überging, so bei Gruter18) IMPERPETVVM statt IN
PERPETVVM; bei Cardinali* 9) PANN. IMF. für PANN. INF.
Die auf beiden Seiten der Tafel gleich gefärbte und grossen-
theils in der Vertiefung der Buchstaben noch haftende Aerugo nobi-
,8) pag. 108S No. 4.
*•) Iscrizioni antiche inedite Bologna 1819. p. 59. N. 369-
184
lis — leider wurde die Tafel auf der Vorderseite, um die Schrift
lesbar zu machen, etwas gescheuert — zeigt, dass der Rost kein
künstlicher, aus der neuesten Zeit herrührender sey.
Die Tafel ist demnach, wie erwiesen worden, ein nach inneren
und äusseren Kriterien als acht anerkanntes, vorzügliches Stück des
Alterthums und eine wahre Zierde des k. Antiquariums.
IL
Das römische Denkmal in Prutting.
(Mit einer Abbildung.)
V I C T 0 R I A E AVGVSTAE
...RVMPRO SALVTEM
..IN MAXIMINI ET C
. .STANTINIETLICINI
. . . PER AVGG AVR- SENECIO
D V X- TEMPLVM NVMINI
. IVS EX VoTo A NoVo FIERI IVSSIT
PER INSTANTIAM V A L SAM
BARRAE P- P- EQQ DALM AQ
V E S I A N I S C 0 M I T L- L- M
OB VICTORIA FACTA V- K- IVLIAS
ANDRONICO ET PROBO COS.
Victoriae Augustae sacrmn. Pro salutem PrmcipumMaxianm et
Cowstantini et Licinit (Liciniani) semper Augustorum, Aurelius Se-
185
uecio dux, templum numini ejus ex voto a novo fieri jossit per in—
stantiam YaAerii Saum Barrae, yraeipositi equitum D&hnatarum et
Aquilii Vesianis (Vesiani sui ?) conüÜ.s lubens, laetus, merifo ob
victoria facta; quinto Kalendas Iulias Andronico et Probo consulihus-
Geschichte des Denkmals. Die Auffindung des Denkmals ge-
schah am 27sten April 1848, als man die Pfarrkirche in Pruttiny
Landgerichts Rosenheim, erweiterte. Bei Abbrechung der linken
Kirchenmauer und des ihr zunächst befindlichen Altars fand sich in
demselben das Denkmal eingefügt vor. Der dermalige Ortspfarrer
Herr Franz Seraphim Mayr Hess nach der Auffindung dasselbe vor-
läufig in der Kirche, dem Taufstein gegenüber, aufstellen.
Form, Grösse, Material des Denkmals. Es bildet eine Ära
aus röthlich-weissem Marmor, ist 5' 5" hoch, 3' 2" breit. Die beiden
Nebenseiten sind mit Trophäen geschmückt, die aus einem Helme
mit einem Hörnchen und einem menschlichen Ohre darunter, einem
Panzer, aus Schilden, Speeren, einem Köcher und Bogen bestehen.
PRO SALVTEM, so, und nicht pro salute, muss man lesen;
denn das M steht nicht vereinzelt oder mit einem Punkte versehen;
auch passt es nicht als Sigla zu dem Worte Principis. Die ver-
fehlte Construction der Präposition pro ist auf Rechnung der späten
Zeit zu schreiben und findet sich noch auf 5 andern Denkmälern
bei Gruter: PRO SALVTEM SVAM (p. 4 N. 12) und PRO SA-
LVTEM IMP (p. 46, N. 9), bei Maffei (Mus. Veron. p. 254, 1.)
PRO SALVTEM ET VICTORIAS und bei Marini (Fiat. Arvali
p. 425 Not.) RRO SALVTEM PVFIORVM
OB VICTORIA FACTA. Ein zweiter Beweis, wie sehr
zur Zeit der Errichtung unseres Denkmals die Sprachrichtigkeit
vernachlässigt wurde.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss V. Bd. II. Abth. 24
ISO
Beispiele mit ungewöhnlichem Casus construirter Präpositionen,
finden sich' in Scaliger's gramm. Register zu Gruter und bei Marini
I. c. gesammelt. -
PRIN- MAXIMINI ET CONSTANTINI ET LICINI
ANDRONICO ET PROBO COS. Fragt man sich um das Jahr
der Errichtung dieses für das Wohl der Kaiser Maximin, Coustan-
tin und Licinius gewidmeten Denkmals, so lässt sich dasselbe, ob-
wohl das Consulat des Andronicus und Probus angegeben ist, den-
noch nur, weil jene Consuln nicht in den Fasten aufgeführt sind,
aus Schlüssen ermitteln.
Zu diesem Zwecke ist es nun nöthig, einen Ueberblick der
Begebenheiten während der vom Jahre 306 — 314 das röm. Reich
beherrschenden Regenten zu geben.
Rom hatte im J. 306 sechs Regenten: Galerius, Sever, Con-
stantin, Maximin, Maxentius und Maximian. Im J. 307 wurde Sever
auf Maximians Befehl hingerichtet. Au seine Stelle ernannte Gale-
rius den C. Val. Licinius zum Augustus, welchen Titel auch Ma-
ximin annahm. Maximum fand im J. 309 auf Constantins Befehl
seinen Tod. Galerius starb 311 natürlichen Todes. So blieben für
das J. 312 noch Constantin, Licinius, Maximin und Maxentius.
Am 28. Oct. dieses Jahres kam Maxentius bei der Milvischen
Brücke um. Im Kriege zwischen Maximin und Licin ward ersterer
im J. 313 bei Adrianopel geschlagen und entleibte sich selbst. Es
blieben nun noch Constantin und Licin. Im J. 314 wurde nach
Hinrichtung Licins Constantin Alleinherrscher des gesammten Römer-
reiches.
Werfen wir nun einen Blick auf das Gesagte, so kann das am
29. Juni errichtete Denkmal nur auf das Jahr 312 gesetzt werden.
187
Es ist auffallend, dass, gegen die sonstige Gewohnheit, den Namen
des besiegten Volkes zu nennen, man diesen auf dein Denkmal ver-
misst, und es dürfte daher die Vermuthung Platz greifen, der Sieg
sey gegen die Anhänger des Maxentius erfochten worden und man
habe, aus Schonung für die besiegte Partei, den Namen der Be-
siegten verschwiegen, besonders da Maxentius noch am Leben war.
Die Angabe der Namen der beiden Consuln Andronicus sind
Probus ist eine wichtige Bereicherung der Fasten.
EQO. DALM. Der dalmatischen Reiter gedenkt eine Inschrift
von Thyatira (bei Peyssonel Observations hist. et geogr. sur les
peuples barbares. Paris 1765 p. 285) mit den Worten: VAL. IV-
VENTVS EXARCVS 1 1 QVI MILITAVIT ANNOS XX IN VE-
XILLATIONEM 1 1 EQQ. DALM. COMIT. ANCIALITANA. etc.
DVX COMIT. Dux und Comes war die Benennung für
Befehlshaber, die unter der höhern Aufsicht der Magistri miütum
standen. Der Dux stand unter dem Comes *).
AQ. VESIANIS. Die Stelle macht einige Schwierigkeit in
der Erklärung. In welcher Verbindung stehen die beiden Namen
mit den vorhergehenden? Der Zusammenhang verlangt ein ET, das
auch bei den Kaisernamen steht. Ungewöhnlich ist die Genitiv-
form Vesianis; liesst man Vesiaui sui comitis, so muss man anneh-
men, dass der Comes unter dem Praefectus equitum steht, wo dann
Praefectus die Stelle von Magister equitum vertreten würde.
') Codex Theodosianus, de divid. officiis Lib. XI. 8. 7. Vergl. Savigny
Gesch. d. Rom. Rechts 1. Bd. 2te Ausg. S. 98. 99.
24*
188
Werfen wir noch einen Blick auf die Basrelief« mit den Tro-
phäen, so erscheint unter diesen der Helm mit dem Hörnchen und
dem menschlichen Ohre unter demselben als das Interessanteste.
Was Salmasius 2) vermuthet, dass der Cornicularius, ein Rotten-
führer oder Gefreiter, als eigenes Abzeichen ein Hörnchen am Helme
getragen habe, das bestätigt sich factisch durch die trefflich erhal-
tene Abbildung unsers Helmes.
III.
Römische inschriftliche Denkmäler aus Algerien. *J
A. Denkmäler zur Verehrung der Götter.
I. Denkmal.
Setif.
PLVTONI ET
CERERI SAC
Q- N MARINVS
VOTVM SOL
VIT LIBENS
Plutoui et Cereri sacrwm. Qnintus Numerius Marinus votum
solvit libens.
2) Plin. Exercitt. p. 547.
*) Die hier mitgetheilten röm. Inschriften copirte Herr Dr. Lorent auf
seiner Reise durch Algerien nach den Originalen und theilte sie Herrn
Lyzealprofessor Rappenegger in Mannheim mit, durch dessen Gefällig-
keit sie mir zur Herausgabe überlassen wurden.
189
Grösse des Denkmals. Die Höhe beträgt 0,89 Centimeter, die
Breite 0,50. Das oberhalb der Schrift sich befindliche Basrelief zeigt
die Brustbilder des Pluto und der Ceres.
II. Denkmal.
Diana.
MERCVRIO
AVG SACRVM
M AVRELIVS M- FIL-
PAP- AEMILIANVS Q-
AEDIL IIVIRV STATVAM
QVAM OB HONOREM II
VIRATVS EX HS- V MIL- N-
POLICITVS EST POSVIT
INLATIS REIP LEGITIMIS
HONO R VM SVORVM
SUMMIS ET ANT FORIS TRA
• • • CVRAV- IDEM DEDICAVIT
Mercurio Augusto sacrum. Marcus Aurelius, Marci ülius, Pa-
piria, Aemilianus, Quaestor, Ae&ilis, Duumvir vialis, statu am, quam
ob honorem Duumviratus ex sestertiis quinquies mille numero (quin-
que mWlibus nummüm) pollicitus est, posuit, inlatis reipublicae legi-
timis honorum suorum summis et ante (templi) fores transportandam
curavit, idem dedicavit.
Grösse des Denkmals: Höhe i. Met. 2 Ctm., Breite 0,77.
II VTRV. Es bleibt zweifelhaft, ob diese Siglen zu erklären
sind: Duumvir vialis oder Duumvir quintum oder Duumvirorum
190
(unus), wie man auf dem Seeoner-Denkmale1) II VIRVM liest, wo-
zu Gellius2) die Erläuterung mit den Worten gibt: Cujus pater fla-
men, aut augur, aut (piindecimvirüm sacris faciundis, aut qui septew-
rinim epulonum, aut Salius est.
STATVAM. Statua für Signum, Götterbild, kommt auf Denk-
mälern Algeriens öfter vor; so werden dem Neptun, dem Herkules
und dem Apollo Statuen errichtet.3)
QVAM OB HONOREM IIVIRATVS EX HS V MIL N
POLICITVS EST. Die Widmung von Bildsäulen für Götter und
Menschen, die Errichtung von Gebäuden, die Anordnung von Spie-
len und Mahlzeiten, von Stiftungen u. dgl., finden sich auf Denk-
mälern häufig als Beweis des Dankes für erlangte Aemter und Ehren
erwähnt. So weiht auf algerischen Inschriften ein Q. Nicanius Ho-
noratus OB HONOREM IIVIRI dem~ Neptun eine Statue;*) eine
solche L. Petronius Januarius OB HONOREM AEDilitatis dem
Antoninus Piuss); ebenso dem Apollo6') ein Decius Fundanius
Primanns OB HONOREM AEDILITATIS. Eine Zusammenstellung
solcher Widmungen findet man in demjiegister zu Gruter in Capite
quintodecimo.
EX HS- V- MIL- N- Ex entspricht unserm Ausdrucke: für
') Hefner, die römischen Denkmäler Oberbayerns (im Oberbayer. Archive
VI. B. 2 H.) S. 250.
!) Noctes Atticae. Edit. Bipont. 1784. Vol. I. c. 12. p. 62.
') Journal des Savants 1837. Dec p. 711 — 12. Schaw Travels of Bar-
bary. Edinburgh 1808. Vol. I. p. 196. IV.
«) Journ. 1837 p. 711. N. 32.
*) Denkmal. XVII.
•) Schaw p. 198. IV. Orelli Coli. Inscr. Vol. 1. P. 446. N. '2548.
191
die Summe. Der Kostenbetrag ist auf Algeriscben Inschriften häufig
angegeben, so auf Denkmal VII. XIII. XVII. XXI. und auf Denk-
mälern von Bone und Ghelma.7)
INLATIS REIP LEGITIMIS HONORVM SVORVM SVM-
MIS. Die legitimae bonorum summae, deren auch auf Denkmal XVII.
gedacht wird, sind eine dem Staate für die Anstellung als Duumvir
zu entrichtender Betrag, worüber das oberwähnte Denkmal zu ver-
gleichen ist. Auf einer Inschrift von Ghelma8), sowie auf einer von
Mesherga9) heisst dieser in die Gemeinde-Kasse zu leistende Betrag
HONORARIA SVMMA.
ET ANT FORIS Die Abschrift gibt AT FORIS TRA II
RACVBX.
III. Denkmal.
Setif.
DIANAE
AVG. MAV
RORVM SAC
L MAMILIVS
CASTVS L AE
MILIVS H VIRI
DEDICAVE
RVNT
Dianae Augustae Manrorum sacrwm. Lucius Mamilius Castus
et hucius Aemilius Duumviri dedicavernnt.
Grösse des Denkmals. Höhe 0,67, Breite 0,52.
T) Journ. 1837. p. 711. N. 31. 32. u. P. 712. N. 33.
•) Journ. 1837 p. 712. N. 33.
8 ) Schaw p. 196, IV.
192
DIANAE AVG. MAVRORVM. Die Substantive Genitivform
des Beinamens einer Gottheit ist selten; gewöhnlich steht das Ad-
jectiv ; doch finden davon sich Beispiele, so liest man auf einer In-
schrift von Silchester*) DEO HERCVLI SEGONTIACORVM.
L MAMILIVS. M. Letronne-) gab MAXIMILIVS. Da sich
das plebeische, aus Tuskulum stammende, weit verbreitete Geschlecht
der Mamilier , auch auf andern Inschriften, zum z. B. auf einem
röm.3) und florent.4) Denkmale findet, so trug ich kein Bedenken, die
Lorentsche Lesart beizubehalten.
*
IV. Denkmal.
Setif
MARTI
VICTORI
AVG SAG
M VLPIVS M
F- PAP- ANDRO
NICVS Q- AED
II VIR- FLAM
II VIR Q- Q- PE
CVNIA SVA
Marti Victori Augusto s&crum. Marcus' Ulpius, Marei filius,
Papz'n«, Andronicus, Quaestor, Aedilis, Duumvir, Flamen, Duumvir
quinquennalis pecunia sua posuit.
Grösse des Denkmals. Höhe 1,55, Breite 0,58.
') Orelli. Coli. Inscr. Vol. I. p. 354, N. 2013
2) Journ. 1847. Dec. p. 735.
3) Jahn, Specimen epigraphicum. Kilae. 1841. p. 34, N. 73. et p. 39, N. 53.
*) Gori Inscript. antiq. P. III. p. 37, N. 53. et p. 129. N. 139.
193
V. Denkmal.
Lambesa.
AESCVLAPIO ET SALVTI
IMP CAES M AVRELIVS ANTONINVSAVG PONT MAX ET
IMP- CAESAR L AVRELIVS VERVS AVGVSTVS
Aesculapio et Saluti Imperator Caesar Marcus Aurelius An-
toniuus Augusfus, Poutifex maximus et Imperator Caesar hucius
Aurelius Verus Augustus.
Die Inschrift befindet sich an dem Friese eines Tempels in
Lambesa, dessen Beschreibung und Abbildung die Revue archeologi-
que*J gibt.
VI. Denkmal.
Diana.
IANO PATRI AVG SAC
M. AVRELIVS FELIX
VOTVM SOLVIT ANIMO
S P P D DEDICAVIT
Jauo Patri Avgusto sacrum. Marcus Aurelius Felix votnm sol-
vit aninio. saa pecunia posait, dedit, dedicavit.
Grösse des Denkmals. Höhe 0,47, Breite 0,60.
IANO PATRI. Pater ist der beständige Beiname des Janus.
In Bezug hierauf schreibt Aur. Victor1): In sacris omnibus primum
locum Jano detulerunt, usque eo, ut etiam, cum aliis Diis sacrifi-
*) 4te Annee. Livraison 7. Octobre p 452.
') Origo gentis Romanae. Edit. Bipont. 1789. c. 3, p. 6.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Abthl 25
15)1
cimn fit, dato ture in altaria, Jamtn prior nominetar, cognomento
quoque addito Pater, secundum quod uoster cognomento sie intulit:
Hane Janus Pater, hanc Saturnus condidit arcem.
Mit dem Beinamen Pater finden wir Janus auf einem Denk-
male in Rom2) und einem in Albano.3)
VOTVM SOLVIT ANIMO. Die Weiheformel mit Animus, wie
T(otus) A(nimo) auf einer Speyrer Inschrift4), ohne libens, ist sehr
selten, doch mit demselben findet sie sich mehrmals vollständig ge-
schrieben und in Sigleu als : ANIMO LIBENS VOTVM SOLVIT5) -
VOTVM SVSCEPTVM ANIMO LIBENS POSVIT.6) — A- L
V-S- — V- A L S- — A L P-7) Auf den nachfolgenden Denk-
mälern IX. und XI. — V- S- L A-
VII. Denkmal.
Setif.
SATVRNO
L IVLIVS PETVS SAOERDOS
Saturno Lucius Julius Petus sacerdos.
Das Basrelief des Denkmals, dessen Höhe 0,82, dessen Breite
*) Marini Frat. Arv. P. I. p. CXLIV. v. 25. et P. II. p. 365. XXIII.
5) Gorii Symbol. Dec. II. Vol. 9. p. 229. Orelli, Vol. I. p. 306. N. 1583.
*) Lehne, die röm. Alterthümer des Donnerberges. Mainz 1837. I. Thl.
S. 248.
') Gruler p. 87. N. 10. et p. 88. N. 4. cf. p. 5, N. 2. ; p. 17, N. 8.
•) Gruter p. 87. N. 11.
'■) Gruler p. 88. N. 5, 6, 7.
195
0,52 beträgt, zeigt Mann und Frau, die eine Libanon darbringen.
Unterhalb ruht das Opferthier.
VIII. Denkmal.
Setif.
VICTORIAE
AVGVSTORVM SAC
DEDICANTE
D FONTEIO FRONTI
NIANO LEG AVGVST-
PRPREXHS. ..MIL N
ITQ M COSSINI SE
CVNDI FIL P- P EX HS-
Uli M N L- SVTORIVS
Victoriae Augustorum sacrutn, dedicante Decimo Fontejo Fron-
tiniano, Leg/stfo Augustorum Pvo\>raetore ex sestertiis . . . onMibus
nummüm, itemque Marco Cossinio, Secundi fih'o, Praeposito? ex
sestertiis quatuor millibus immmwn, Lucius Sutorius . . .
AVGVSTORVM. Die Augusti sind wahrscheinlich Sever und
Caracalla.
D. FONTEIO FRONTINIANO. Diesem Legaten an der Stelle
des Prätor weiht Sextus Terentius das Denkmal XXX.
25*
196
IX. Denkmal.
Se'tif.
VICTORIAE AVG
SAC
M- LONGEIVS M
FIL PAP SILVA
NVS V S- LA
Victoriae Augustae sacrum. Marcus Longeius, Marci ti\ius, Pa-
ptWa, Silvanus xotmn solvit Mbens animo.
Grösse des Denkmals: Höhe 1,52, Breite 0,49.
VICTORIAE AVG. Victoriae Augustae oder August»; denn,
um Augustorum zu lesen, müsste regelmässig die Sigla AVGG.
stehen.
X. Denkmal.
i
Se'tif.
VIKTVTI
AVG
M VLPIVS
M FIL PAP
AVITVS Q
AEDILH VIR
OB H 0 NO
RESSVOSPO
SVIT D D
Virtuti Augustae Marcus Ulpius, Marci fAius, Papiria, Avitus, Quae-
sfor, Aedilis, Duumvir ob honores suos posoit decreto Decurionum.
Grösse des Denkmals. Höhe 1,55, Breite 0,58-
197
XI. Denkinai.
Setif.
EX PRECEPTO
DEAE SANCTAE
CAELESTIS
MERCVR
AVG S-
C. IYLIOS
V 8 L- A-
A P CXCVI
Ex praecepto Deae Sanctae caelestis. Mercui «o Auguste sacrum.
Caius Julios \otum solvit \ibens Animo. Anno Provinciae centesimo
nonagesimo sexto.
Grösse des Denkmals. Höhe 0,98, Breite 0,50.
EX PRECEPTO. Die Errichtung des Denkmals ist Dicht so-
wohl Folge eines Gelübdes, als eines Auftrages oder einer Mah-
nung der Gottheit vermittelst einer Erscheinung; daher bei Denk-
mälern dieser Art mit den Ausdrücken: ex praecepto1}, ex imperio2},
ex jussu3), ex monitu*), ex visus), gewöhnlich die Weihungsformel
■) Gruter p. 21- N. 3.; p. 38. N. 10.
*) Gruter p. 64. N. 9.; p. 91. N. 2. Lersch Centralmuseum. Bonn, 1839. I.
Heft N. 19." 21. 24. 25. 27. 28. de Wal Mythologiae septentrionalis Mo-
numenta epigraphica. Trajecti ad Rhenum. 1847. p. 50. LXVHI.
s) Gruter p. 12. N. 5. ; p. 16, N. 12.; p. 38. N. 2.; p. 40. N. 6.; p. 57. N. 4.
p. 129. N. 14. de Wal p. 10, N.XIV.p. 1 13. N. CL. Lersch III. H.N. 197
*) Maffei Mus. Veron. p. 294. N. 1.
5 ) Gruter?. 2. N. 4. de Wal p. 243, N. CCCXXXVI. p. 244., N. CCCXXXVH.
198
fehlt, (die bei unserer Inschrift auf Mercur sich zu beziehen scheint)
und nur ein Paar sie enthalten.6)
DEAE SANCTAE CAELESTIS. Die Himmels göttin ist die
Astarte, über deren Kultus man Münters7) Religion der Karthager
vergleichen mag.
A* P* CXCVl. Anno Pwvinciae dentesimo nonagesimo sexto.
Die Siglae A- P- wofür auf Inschriften Numidiens und Mauretaniens
auch AN- PRO; ANNO PROV ; oder PRO VICIE vorkommt, wei-
sen, worauf bereits Shaw8) aufmerksam machte, und worin Hase.
Dureau de la Malle9), Prevost10), Letronne11), Orelli12) übereinstim-
men, auf eine Provincial-Aera Mauretaniens hin, deren Beginn Shaw.
Hase, de la Malle und Prevost auf das Jahr 32 oder 33 v. Chr. ;
Letronne auf das Jahr 42 n. Chr., Orelli auf das Jahr 46 v. Chr.
setzen.
Fragen wir nun um die auf jene P.rovinzial-Aera bezüglichen hi-
storischen Data, so sind es folgende:
Im J. 46. v. Chr. wird Numidien von Jul. Caesar besiegt und
fi) Gruter p. 32, 5. Lersch I. H. N. 20. II. H. N;. 29.
7) S. 62. der 2. Ausg. Koppenhagen 1821.
") Travels p. 95-
9) Journ. des Sav. 1837 Nov. p. 649.
10) Revue archeologique 1848. Janvier p. 662.
") Journ. des Sav. 1847. Dec. p. 727.
'*) Coli. Insc. Vol. I. p. 144. N. 529-
199
zum erstenmale unter dem Namen Neuafrika zur römischen Provinz
gemacht.13)
Im J. 26. v. Chr. überweist Augustus bei der Theiluug der rö-
mischen Provinzen zwischen ihm und dem Senate die Provinz Nu mi-
dien dem Letzteren. * 4 )
Im J. 41 n. Chr. wird Ptolemaeus, Juba's Sohn, Mauretaniens
letzter König, durch Caligula ermordet, und nach Beendigung des
sich darüber entsponnenen Krieges , dieses Land dem römischen
Reiche einverleibt. In diese Zeit setzt Plinius15) die Einteilung
Mauretaniens in zwei Provinzen, in das Tingitanische und Vaesa-
rische Mauretanien. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese Ein-
teilung — wozu der Grund durch die Vergrösserung Mauretaniens
gegen Osten, indem schon nach dem Friedensschluss mit Bochus die-
sem das Numidifeche, vom Flusse Molochat bis zum Vorgebirge Tre-
ton reichende Gebiet der Massäsylier16) zugetheilt wurde, gelegt
war — von Caligula nur eingeleitet, nicht aber in Ausführung ge-
bracht wurde.
Im J. 42 n. Chr. ging, wie Dio17) berichtet, diese Eintheilung
nun wirklich vor sich und es wurden die beiden Mauretanien, wie
sie Tacitus18) nennt, oder das Tingitanische und Caesarische als
römische Provinzen organisirt.
13) Dio Cassius Lib. XLIII. c. 9. Hirtius , de hello Afric c. 97. A/tpiu-
nus, bell, civil. Lib. VI, c. 53. Plinius, Hist. Nat. Lib. V, c. 3-
'*) Dio Lib. LIII. c. 12.
,s) Plinius Hist. Nat. Lib. V, c. 1.
»•) Strato, Lib. XVII, 3, 25.
,7) Lib. LX, c. 9-
!») Hist. Lib. II. c. 53.
200
Nehmen wir nun das J. 42. n. Chr. als den Beginn unserer
Aera an, so wurde unser Denkmal im J. 154 n. Chr. errichtet.
XH. Denkmal.
Batnah.
GENIO LAMBAESES
PRO SALVTE
IMPP CAESS L SEPTIMI
SE VERI PERTINA CIS- AVG
ET M AVRELI ANTONINI
AVG FELIC PAR BR GER- MX
AVG ET IVLIAE AVG MA
TRI AVG N ETCASTROR
DEDICANTE 0 ANICIO FAVSTO
LEG AVGG PR PR COS DES
L BALBIVS FAVSTA
NVS SIG LEG AI AVG P V
L- BALBI FELIC1S VET EX
SIGNIFERO FILIVS
VOTVM SOLVIT
Genio Lambaeses pro salute Imneratorum Caesarum, Lucii
Septinm Severi, Pertinacis, Augnsti et Ward AurehV Antonini Au-
gusfi, Felicis, Vavfhici, Bvitannici, Germanici maximi Aagusti et Juliae
August ae , Matri Augnsti nostri et Castron/w?. Dedicante Quinto
Anicio Fausto, Legato Augustorum, Vvo^raetore, Consulari desig-
nato, Ltucius Balbius Faustanus, Signifer Legionis tertiae Augustae
Piae, Vindicis, Ltucii Balbi Felicis, Veterani Exsignifero filius vo-
tuin solvit.
GENIO LAMBAESES. Die Verehrung des Genius der Stadt
Lambäsa wird noch durch ein anderes von Herrn Dr. Lorent da-
selbst copirtes Denkmal, da» so lautet, beurkundet:
201
.... AVG- COSS
MINERVAE ET GENIO LÄMBAE
SITANORVM ANNO ET MENSIBVS
M- AVRELIO COMININ CASSIAN* muni-
C1PII - -
LAMBAESES ist entweder Geuitivendung von Lambaese des Iti-
nerar's1) oder eineadjeetivische, die Einwohner bezeichnende Form, wie
LAMBAESENTIVM auf einem Denkmale von Lambesa bei Shaw.2)
MATRI AVG- N- Der Ausdruck: Matri Augusti nostri be-
zeichnet die Inschrift, da nur mehr von einem Sohne die Rede ist,
als eine nach Ermordung Gelds (occis. 212 p. Chr.) errichtete, wo-
hin auch Caracalla's Titel Germanicns, den dieser erst im J. 213
annahm, hinweist.
Q ANICIO FAVSTO LEG AVGG PR PR COS DES-
Unser Quintus Anicius Faust us weihte bereits im J. 201. gleich-
falls unter Sever und Caracalla, ein Denkmal3) wo er, wie auf
') Edit Wesselingi p. 40.
2) Travels 127.
3) Die Inschrift desselben findet sich in: Narrative of Havels in Northern
Africa by Lyon. Lond. 1821 p. 18. und lautet nach Verbesserung der
dort vorkommenden epigraphischen Verstösse:
IMP- CA ES- L- SEPTIMIO SEVERO
PIO PERTINA CI AVG- TR- POT VHII
IMP- COS- II ET IMP- CAES- M*
AVRELIO ANTONINO TR- POT-
HR ET L- SEPTIMIO GETAE NOR- CAES-
DEDICANTE
Qj ANICIO FAVSTO LEG
AVGVSTORVM CONSVLARI
. . . LEG- III- AVG- P- V
Abhandlungen der I. Cl. d. k Ak. d. Wiss V. Bd. II. Abthl. 26
202
Denkmal XIII. Consularis heisst , zu welchem Titel die darauffol-
gende Lücke von 3 Buchstaben die Sigla DES vermuthen lässt.
Einem COS DESIGNATO ist auch das Denkmal XXX. gewid-
met. Somit erklären sich die Siglae COS* DES- unsers Denkmals mit
CONSVLARI DESIGNATO. üeber diese Consularen vergleiche
man Denkmal XXVII.
LEG. HI. AVG. P. V. Die Legio III Augusfa wurde von
August us errichtet, und war die einzige, die in Afrika sfationirte;
denn die IX. Legion, die zum Gätulischen Kriege im J. 21 (773.
n. R.E.)nach Afrika gezogen war4), verliess dasselbe, nach Ueber-
windung Tacfarinas, bereits im J. 25 wieder. Unter Augustus und
Tiberius5) wurde sie von einem Proconsul befehligt. Im Kriege
gegen Tacfarinas6) erwarben sich mehre ihrer Anführer Triumph-
insignien und Bildsäulen. In ihr dienten Gutta"1) und Clodius Macer
als Legaten. Nach Ermordung des Letztern erklärte sie sich für
Vitellius, dessen Verwandter Valerius Festus sie damals befehligte.8)
Sie baute unter Hadrian9)die Strasse von Karthago nach Theveste.
Zu den Zeiten des Alexander Severus10) lag sie in Numidien, wo
sie ihr Standquartier in Lambaesa hatte, wohin das dem Namen dieser
Stadt auf der Ptolemaeischen Karte1 *) beigefügte jfeystwp TQiTTjosßaozrj
*) Tacilus, Annal. Lib. III.. c. 9.
5) Tacit. Hist. Lib. IV. c. 48.
•) Tacit. Annal. L. II, c. 52. III, 74. Dio CassiusL,. LV, c. 28.
7 ) Tacit. Hist. IV, c. 48, 49. Suetonius, Vita Galbae c. 7.
8) Tacit. Hist. L, II, c. 97; IV, c. 49. Sueton. Vitel. c. 5. Vcspas. c. 4.
9) Shaw p. 172. Donati II. p. 214, 7. Orelli Vol. II. p. 122. N. 3564. Re-
vue arch. 1845. (Mars) p. 824.
10 ) Dio Cassius L. LV. c. 23.
") Edit. Nobbe. III, 29. Cf. Ed. Amstcl. 1730 Tab. II. D. b.
203
deutet, wie auch die dort entdeckten Inschriften und Ziegelein-
drücke12), welche letztere immer auf längeren Aufenthalt eines
römischen Heeres weisen. Für längern Aufenthalt dieser Legion in
Numidieu sprechen auch die in den Städten Sitifis, Calama und
Theveste entdeckten Denkmäler, die ihren Namen enthalten. Dass
die III. Legion noch unter Maximin1 z) in Afrika bestand, zeigt ein
Denkmal, auf dem sie die Maximinische heisst. Die Reichsnotizen14)
führen sie unter dem Comes von Afrika mit dem Namen Tertio Augu~
stani an, und sie ist wahrscheinlich jene Legion, die Claudian15),
da er von dem Siege des Stilicho über Gildo spricht, dictaque ab
August o legio nennt.
Auf Denkmälern findet sich unsere Legion mit der Benennung
LEG- III- AVG — LEG- HI- AVG Pia Vindex — LEG III- AVG-
Pia Fidelis. — LEG HI- AVG- SEVERIANA- — LEG- IIT
AVG- P- V- MAXIMINIANA.
Anlangend diese Beinamen, so ist Augusta der älteste. Wir
finden ihn ohne einen weitereu auf Inschriften aus den Zeiten des
Augustus16), Tiberius und Drusus17), Trajans und HadriansiS),
'») Revue arch. 4e Annee 1847 (Octobre) p. 453.
13) Journal des Savants 1847 Oct. p. 622. Dec. p. 736 Cf. Kellermann, Vi-
gilura Rom. Latercula. Romae 1835. p. 73, N. 295.
14 ) Edit. Panciroli. Genevae. 1623. Imp. Occid. p. 46.
15 ) Rellum Gildonicum, v. 422.
>«) Gruter p. 1026, N. 3.
1T) Gruter p. 491, N. 10.
48 ) Gruter^ p. 396, N. 8; p. 498, N. 5. Mural. T. I. p. 236, N. 4. T. II.
p.707,N. 2. Marini Fiat. Arr. P. II. p. 771. 774. Orelli Vol. I. p.271,N.
1271; p. 484, N. 2760. Vol. II. p. 88, N. 3382. Kellermann Vigil. p. 38
N. 46; p. 67. N. 247. Journ. des Sav. 1847. Oct. p. 624.
26*
201
Caracallas19), Diocletians20), ja sogar auf einer Inschrift aus Ma-
ximins2i) Zeit, wenn Kellersmanns Conjectur richtig ist. Ein Denk-
mal des Sever gibt ihu in Verbindung mit Severiana.22)
Die Beinamen Pia Vinäex gehören einer spätem Zeit an. Sie
finden sich zuerst auf Denkmälern aus den Zeiten des Sever. Von
zwei Inschriften aus den Zeiten des Maximin nennt die eine23)
unsere Legion: LEG- III- AVG P- F-, die andere:2*) LEG- III
AVG P V MAXIMINIANA.
Von der dritten Augustischen Legion finden wir auf Denk-
mälern erwähnt: Tribuni26), Legati2®), Legati Propraetore27), Cen-
19 ) Gruter p. 345, N. 8.
*u) Donat. p. 43, N. 11. Class. I.
21 ) Kellennann Vig. p. 73, N. 295.
22 ) Denkmal XXIV.
23 ) Shaw Travels p. 128.
■«) Journ. des Sav. 1847 Oct. p. 622 et Dec. p. 736.
25 ) Gmter p. 345, N. 8; p. 396, N. 8; p. 375, N. 5; p. 415, N. 8; p. 491.
N. 10; p. 543, N. l.Muratori T. 1. P. 236, 4. T. II. P. 707, N. 2. Spon.
Miscel. p. 189, 2. Gudius p. 136- 5. Gori Inscr. P. II. p. 293, N. 17.
Orelli Vol. I. p. 484, N. 2760. Kellermann Vig. p. 69, N. 256. Cardi-
nali Dipl. p. 299, N. 582.
26 ) Gruter p. 498, N. 5. Mural. P. II. p. 691, N. 7. Marita Frat. Arv. P.
II. p. 748.
27 ) Journ. des Sav. 1847 Oct. p. 624.
205
turiones28), einen Praefectm2 9) , Primipilm* °) , und einen üfeVe.?
frumentarius.3 * )
XIII. Denkmal.
Batnah.
GENIO LEG- El AVG P V-
PRO SALVTE
IMPP CAESS- L SEPTIM
SEVERI PH PERTINACIS
AVG ET M AVRELI AN
TONINI AVG FELICIS
PAR BRIT GER- MX- AVG
ET IVLIAE AVGVSTAE
MATRIS AVGVSTI N-
ET CASTROR DEDICAN-
Q ANICIO FAVSTO LEG-
AVGG PR- PR- COS DES
AFRANIVS PATVS
SIGNIFER
EX HS III MIL N DE SVO
POS VIT
«") Murini P. II. p. 564 Orelli Vol. II. p. 425, N. 4974. Kellerm. ,p. 35,
N. 34. Not.; p. 38, N. 46; p. 43, N. 89. Memminger Würtemb. Jahr-
bücher. 1825, S. 89, N. 79.
") Gruter p. 1026, N. 3. Journ. des Sav. 1847. Oct. p. 622, Dec. p. 736.
30 ) Maffei Mus. Veron. p. 425. N. 1. Orelli Vol. II. p. 143, N. 3664.
31 ) Cardinali Dipl. p. 299. N. 581. Kellerm. p. 73, N. 295.
206
Genio Legt'omV teriiae Augustae Piae Vindicis pro salate Ira-
peratoritm Caesörww Laien Septimh* Severi, Pii, Pertinacis, Augusti
et Marci Anrein Antonini Augusti, Felicis, P&vthici, Britannici, Ger-
manici maximi, Augusti et Juliae Augustae, inatris Augnsti nostri
et Castrorum, dedicante Quinto Anicio Fausto, Legato Augustorum,
Propraetore, Consulari designato, Afranius Patiis (Paetus?), Signi-
fer ex sestertiis tribus millihus uumtnüm de suo posuit.
B. Denkmäler zur Ehre der Kaiser.
XIV. De okmal.
Se'tif.
IMP CAESARI
DIVI NERVAE FIL
NERVAE TRAIANO
AVCr GERM- DACICO
PONT- MAX- TRIB- POT-
XHI COS- V7 IMP- VI P P-
DD P P
Imveratori Cae.sari, Divi Nervae ülio, Nervae Trajano Augusto,
Germanico, Dacieo, Pontifici m&ximo, Trihunitiae ipotestatis decimum
tertium, Consuli quiutum, Imperafori sextum, Patri patriae. Decreto
Decurionum, necunia miblica.
Grösse des Denkmals: Höhe 0,66, Breite 0,67-
Die Errichtung unsere dem Kaiser Nerva Trajanus gewidme-
ten Denkmals fällt ins 862 Jahr Roms, 110. nach Chr.
207
XV. Denkmal.
Diana.
I M P C A E S-
T AE LIO HA
DRIANO ANTO
NINO AVG PIO
DIVI HADRIN
FIL DIVI TRAIA
P A R T I C I NE
POTI DIVI NERV
AE PRONEPOTI
PONTIF MAX
Imperatori C&esari Tito Aelio Hadriano Antonino Augusto Pio,
Divi Hadriaui fih'o, Divi Trajam Parthici nepoti, Divi Nervae pro-
nepoti, Pontifici max»«o.
Die Errichtung dieses dem Kaiser Antoninus Pins geweihten
Denkmals fällt, da kein Tribunat darauf verzeichnet ist, wahrschein-
lich in das Jahr seiner Adoption, und das Todesjahr des Hadrianus
(138) der hier Divas genannt wird.
2(»8
XVI. Denkmal.
Diana.
M AVRELIO CAE
SARI IMP AN
TONININI AVG
FIL HADRIANI
NEPOTI
DD P P
Marco Aurelio Caesari, Imyeratbris Antoniui Augusti fih'o, Ha-
driani nepoti, Decreto Decurionum, yecunia publica.
Grösse des Denkmals: Höhe 1,0, Breite 0,57.
M- AVRELIO. Marcus Aurelius, dem dieses Denkmal gewid-
met ist, ist der von Antoninas Pius adoptirte Marcus Aelius Verus,
nach seiner Thronbesteigung M. Aurelius Antoninus Philosophas
genannt. Da die Inschrift ihn noch Caesar nennt, so fällt die Er-
richtung derselben vor seinem Regierungsantritte, etwa 145- n. Chr.
Ein in Dalmatien aufgefundenes Denkmal1), das unserin Anto-
nin gleichfalls noch als Caesar errichtet war, gibt seine Genealogie
so an :
MARCO AE||LIO AVRELIO || VERO CAESARI || IMP- T- AELI.
CAESARIS || HADRIANI ANTONI || NI AVGVSTI PII PATRIS || PATRIAE
FILIO DIVI HA||DRIANI NEPOTI DIVI |] TROIANI (sie) PARTHICI PRO ||
NEPOTI DIVI NE || RVAE ARNEPOTI II CON" II DECRETO DECVRIONVM.
») Mural. P. I. p. 239. N. 4. Orelli Vol. I. p. 202, N. 857.
209
XVII. Denkmal.
Setif.
IMP CAES
DIVI HADR'- FIL DI
VI TRAI PART NEPOTI
DIVI NERVAE PRONEP
T AELIO HADR ANTONINO
A VG PIO PONT MAX- TRIB
POT XVIII IMP II COS IUI P P
L PETRONIVS M- F ARNENSI
IANVARIVS AED EX HS VIII MIL N
IN ORNAMENTVM CIVITA
TIS EX LIBERALITATE SVA OB
HONOREM AED PRAETER
LEGITIMAM SVMMAM
PROMISERAT D D
lmiperatori C&esari, Divi HadnV/m fih'o, Divi Traj^m, Parthici
nepoti, Divi Nervae pronepoft*, Tito Aelio H&dviano Antonino, Au-
gusto, Pio, Pontifici maximo, tnhunitiae ^otestafis duodecimum, Ln-
^eratori secundum, Consuli quartum, Patri patriae, Ltucius Petro-
nins, Marci tilius, Arnensi, Januarius, Aedilis ex sestertiis octies
mille numero in ornamentuni civitatis ex liberalitate sua ob honorem
Aedilitatis praeter legitimani summain prontiserat. Decreto Decurionum.
Grösse des Denkmals. Höhe 1,2, Breite 0,59.
Das Denkmal wurde im Jahre Roms 908, n. Chr. 156 dem
Kaiser Antoninus Plus errichtet.
OB HONOREM AED PRAETER LEGITIMAM SVMMAM
PROMISERAT. Die Summe wird, als eine bekannte, wie auch auf
Abhandlung der I. Cl d. k. AL d. Wiss. V. Bd. II. Abth. 27
210
Denkmal IL nicht genannt. Eine in Lavinia gefundene Inschrift1)
gibt als Stimme für den Eintritt in ein Collegium 100,000 Sester-
zien und als ferner zu leistenden Beitrag in die Vereinskasse mo-
natlich 5 Asse an: VT QVISQVIS IN HOC COLLEGIO IN-
TRARE \ OLVERIT DABIT KAPITVLARI NOMINE HS. C.
N. ET VINI BONI AMPHORAM ITEM IN MENSES A V.
Verdienste um den Staat bewirkten die Aufnahme als Ehrenmit-
glied und somit die Befreiung von der Einzahlung, die Immunitas,
worüber Ausführliches bei Fabretti2), Gori3) und Labus4J.
IN ORNAMENTVM. Darunter ist die ihren Aufstellungsort
schmückende Bildsäule des Kaisers Antoninus Pins zu verstehen.
XVIII. Denkmal.
Diana.
DIVO PIO
PATRI
IMP CAES- M AVRELI
ANTONINI AVG
ARMENIACI ET
IMP CAES L AVRELI
VERI AVG ARMENIAC
C IVLIVS C FIL PAP
CAESIANVS AEDIL
n VIR Q P P STATVAM
') Labus Museo di Mantova. Vol. II. p. 311.
-
*) Inscript. dornest, c. 6. N. 58.
») Columb. Liviae. Florent. 1727. p. 65.
*) Museo di Mantova. Vol. II. p. 312.
211
Divo Pio, Patri hnperaforis Caesaris Marci Anrelit Antonini
Augusti, Armeniaci et Imperators p&esäris Liucii Aureli» Veri Au-
gusti, Anneniac« Caiiis Julius, Caii ü\ius, Papiria, Caesianus, Aedilis,
Duumvir quinquennalis, Praepositus (pecunia publica?) statuarn ....
Der Diviis Pins, dem das Denkmal gesetzt ist, ist Antoninus
Pins, der Adoptivvater der beiden Kaiser M. Äurelius Antoninus
und L. Äurelius Verus.
Gemäss des Siegestitels Armeniacus, den auf unserer Inschrift
beide Kaiser führen, kann dieselbe nicht vor dem Jahre 163 abge-
fasst sein. Eckhtl1) bemerkt hierüber: Armeniacus. Hunc titulum
suscepit (M. Aur. Antoninus) primum in tribunaiu XVTU., qui coepit
— Kalendis Jan. V. C. 917. P. X. 164. At aliquando maturius eo
uti coepit Verus, nimirum in tribunatu III., qui coepit Kalendis Jan.
917 P. X. 163. lieber Veranlassung dieses Titels berichtet Capi-
tolinus2): Gestae sunt res in Armetiia prospeie per Statium Pris-
cum, Artaxatis captis, delatumque Armeniacmn nomen utrique Prin-
cipnm, quod Marcus per verecundiam primo recusavit, postea tarnen
recepit.
1 ) Doch ina Nuni. vct. Vol. IL p. 72.
2) In vita M. Aur. Antonini Philosophi c. 9- Cf. Vita Veri c. 7.
27*
212
XIX. Denkmal.
Se'tif.
IMP CAES DI
VI ANTONINI PH
FIL DIVI COMMODI FRA
TRI DIVI ANTONINI PII NEP
DIVI HADRIANI PRONEP DI
VI TRÄIANI PART ABNEP DI
VI NEU VAE ADNEPOTI —
SEPTIMO SEVERO PIO PER
TINACI AVG ARAB ADIAB
PARTHIC MAX PONT MAX
TRIB POT XVi IMP XI COS IIF
PRO CONS PATRI
IMP CAES M AVR ANTONINI
PH AVG PONT MAX TRIB POT
XI P P COS III
POLICITATIONEM HONORIS
AEDILITATIS M CAESIVS L FIL
QVIR REGIANVS S P D. D
\m\teratori Caesari, Divi Antonini Pii fil/o, Divi Commodi fra-
tri, Divi Antonini Pii nepoti, Divi Hadriani pronepoti, Divi Trajani
Partliici abnepoti, Divi Nervae adnepoli, Septiniio Severo Pio Per-
tinaci, Augusto, Arabico, Adiabenico, Partlrico maxinio, Pontifici nia-
ximo, tribunitiae pote.statis deciinum sextum, Imyeratori undecimum,
Consuli tertiuni, Proconsw/?, Patri Im^eratoris Caesaris Marci Au-
relii Antonini, Pii, Augusti, Pontificis maxiaii, tribunitiae pote.statis,
undecimum, Patris patriae, Consulis tertinm etPnblii Septimii Getae no-
bilissimi Vaesaris, ob polücitationem honoris Aedilitatis Marcus Caesins,
Ijucü filiiis, Quiiw/, Regianus sua pecunia öecreto Decurionum.
213
Grösse des Denkmals. Hölie 1,6, Breite 0,58.
Die Errichtung dieses dein Kaiser Sever und seinen beiden
Söhnen Caracalla und Gela, dessen Name getilgt ist, gewidmeten
Denkmals geschah im XVI. Regierungsjahr des Sever, im XI. des
Caracalla, 960 u. R. E., 208. n. Chr.
PONT. MAX. Man nimmt bekanntlich an, dass, wenn 2 oder
3 Kaiser zu gleicher Zeit regierten, nur einer uud zwar der ältere
die Würde des Pontifex maximus bekleidet habe. Diese Annahme
scheint Dio1) zu bestätigen, wenn er schreibt: "Ex rs rov %v naoaig
Talg Isqwgvvcciq leowo&ca xal nqoGtri xal xolg ciXXoig rag nXsiovg
G(f{äv öidovai, ccQftitQi-oov zs ziva avzwv, xav dvo, xäv zosig a/ua ccq-
%voGiv} slvai, itavxwv ccvrol xal tüjv ogiwv xal zriöv, Isqcöv xvqwvovgiv.
Allein Münzen und Denkmäler zeigen, dass hievon oft Umgang ge-
nommen wurde. So finden wir die gleichzeitigen Kaiser M. Aar.
Antonmus und L. Verus2), Sept. Severus und Caracalla , Balbinus
uud Pupienus3), die beiden Philippiis *) , Licinius Valerianus und
Gall&nw6), Diocletianus und Maximianus6) %u gleicher Zeit mit
der Würde des Pontifex maximus bekleidet.
OB POLICITATIONEM HONORIS AEDILITATIS. Wäh-
rend man auf andern Denkmälern angeführt findet, dass sie aus
Dankbarkeit für erlangte Ehrenstelleu errichtet wurden, so sehen
wir das unsrige auf das blose Versprechen hin , die Aedilswürde
1 Lib. LIII, c. 17. Cf. Eckhel Doct. Num. Vet. VIII. p. 382.
2) Orelli Vol. I. P. 202. N. 859; p. 203- N. 873; p. 204. N. 875.
3) Capitolinus, in vitis Maximi et Balbini c. 8. cf. c. 1.
4) Sieh p. 173. die Tabula hon. miss. der beiden Philippus. Z. 2. u. 4.
5) Orelli Vol. I. p. 226. N. 1002.
•) Gruter p. 166. N. 7, 281. N. 5. 7.
211
Sil erlanget), den beiden Kaisern von M. Caesius Regianos gewid-
met. In der That ein feines Auskunftsmittel einem Versprechen die
Erfüllung; zu sichern! Auf ähnliehe Weise erhält Annia Aelia Re-
stituta 5 Bildsäulen OB IN||SIGNEM LIBERALITA 1 1 TEM
PÜLLICITAT1.0||NIS EIVS CCCCM||AT (sie) TBEATRVM
FAC1||ENDVM') und C. Julius Helenus EX DECRETO DE-
CVR|| MVNICIPII- ALETRINATII ET POLLICITATIONE
SEVIR s) einen Denkstein.
XX. Denkmal.
Von staut ine.
IAE AVGVSTAE
ATRI CASTRORVM
CI CONIVGI
CAESARIS DIVI MARCI
ONIM PH GERMANICI SAR . .
Cl FIL DIVI COMMODI FRATRIS
TONINI PII NEPOTIS- DIVI HADRIAN
PRON PARTH ABNEPOTIS
PAGATORIS- 1MPERII- FORTISSIMI FELIC1SSIMIOVE- PRIN
S-PATRIAE- MATRI IMP- CAESARIS L SEPTIMISE VERI PH . . .
S AVG ARABICI- ADIAB'ENICI- PARTHICI MAXIMI FILI DI V . .
NI- PH- GERMANICI- SARMATICI NEPOTIS- DIVI ANTONINI
NEPOTIS DIVI HADRIANI- AB NEPOTIS DIVI TRAIANI
DIVI NERVAE- AB- NEPOTIS- M- AVRELI ANTONINI- PH
AVG PONTIFICiS MAX TRIB- POTESTAT V- COS- PRO
. . SSIMI FELICISSIMIQVE PRINCIPIS PATRIS PATR
. . ISSIMI ET SVPER OMNES PRINCIPES
INDVLGENTISSIMI
S PVBLICA CIRTENSIVM
') Journ. des Savants 1837. Dcc. p. 714.
B) Gruter p. 422. N. 3.
215
Juliae {Domnae) Augnslae, Matri Caslrorum,
Clarissimae Conjugi Imperatoris Caesaris, Divi Marci Antonim,
Pii, Germanici, Sarmatici filii, Divi Commodi fratris, Divi Antonmi
Pii nepotis, Divi Hadriaiu ipronepotis, Divi Trajani Parthici abne-
potis, Divi Nervae adnepotis hucii Septimii Severi, Pii, Paca-
toris imperii, fortissimi felicissimique Pv'mcipis, Patris patriae,
Matri Imperatoris Caesaris, hucii Septimi« Severi, Pii, Perfi-
nacis, Angusti, Arabici, Adiabenici, Parthici maximi filii, Div« Marci
Antonim Pii, Germanici, Sarmatici nepotis, Divi Antonini ;;ronepotis,
Divi Hadriani abnepotis, Divi Trajani et Divi Nervae abnepotis,
Marci Aureli« Antonini Pii Augusti, Pöntincis maximi, tribunitiae
potestatf? quintum, Cousulis, Proconsulis, f'o?*tissuni felicissimique
Principis, Patris patriae, elementissimi et super omnes principes In—
dulgentissimi Respublica Cirtensium.
Grösse des Denkmals. Höhe 1,0 Breite 0,64.
Das im Jahre 202 n. Chr., auf welche Zeit das V. Tribun at
des Caracalla hinweist, errichtete Denkmal, ehrt das Andenken der
Julia Domna, sowie ihres Gemahls des Kaisers Sep. Severus und
ihres altern Sohnes des Caracalla.
DIVI TRAIANI DIVI NERVAE AB NEPOTIS Bemerkens-
werth ist die Verwandtschaftsbezeichung abnepos, die sich auf Tra-
jan und Nerva zugleich bezieht, statt TRAIANI ADNEPOTIS
NERVAE TRINEPOTIS. Die Schreibart abnepos für adnepos fin-
det sich noch auf 2 andern Denkmälern.1) Eine Inschrift von Pe-
*) Maffei Mus. Veron. p. 101, N. 2. Marini Frat. Arv. T. I. p. CXLIV.
v. 15. u. T. II. p. 359. XIV.
216
ruggia2), sowie eine «andere von Martos3) in Spanien und 3 von
Setif4) haben als Verwandtschaftsbezeichnung für Trajan und Nerva
den Ausdruck adnepos, da das Wort trinepos als den sechsten Ver-
wandtschafl sgrad bezeichnend (filius, nepos, pronepos, abnepos, ad-
nepos, trinepos), wie Letronne bemerkt, erst spätem Ursprungs ist
und zu den Zeiten Severs und Caracalla's noch nicht gebräuchlich war.
Sever, der von Antonin abstammen wollte und wie alle Au-
toninen von Nerva sein Geschlecht herleitet und für eiuen Sohn des
Marcus Aütonihüs und Bruder des Commodus gelten wollte5), zählte
5 Verwandtschaftsgrade; Caracalla deren 6.
S t a in m r e g i s t e r.
Sever 's. Caracalla's.
DIVI MARCI ANTONINI PH FIL- 1/ SEPTIMII SEVERI Filz
DIVI COMMODI FRAT DIVI M- ANTONINI PII NEP-
DIVI ANTONINI PII NEP- DIVI ANTONINI PII PRONEP
DIVI HADRIANI PRONEP- DIVI HADRIANI ABNEP-
DIVI TRA1ANI ABNEP- DIVI TRAIANI ADNEP-
DIVI NERVAE ADNEP- DIVI NERVAE ADNEP-
RESPVBLICA CIRTENSIVM. Cirta, die Hauptstadt von Nu-
midia Massylorum , die Residenz der Masinissa und seiner Nach-
folger, wurde unter Julius Caesar durch Publius Sittius Colonie
(Colonia Sittiunorum) im J. 311 n. Chr. zerstört und von Constan-
tiu dem Grossen wieder erbaut, woher sie ihren jetzigen Namen
Constantin erhielt.
») Murini 1. c. P. 360. Orelli Vol. I. p. 213. N. 926.
») Mural, p. 247. N. 1. Orelli Vol. I. p, 213. N. 927.
4) Journal des Sav. 1847. Dec. p. 733.
5j ])io Lib. LXXV. c. 7.
227
XXI. Denkmal.
Batnah.
PRO SALVTE- AVGG-
OPTIONES- SCHOLAM- SVAM CVM STATVIS ET IMAGINIBVS DOMVS DIVINAE
ITEM- DIIS- CONSERVATORIB EORVM- EX LARG1SSIMIS STIPENDIIS ET
LIBERALITATIBVS- QVE- IN EOS- CONFERVNT- FECER- CVRANTE' 1/ EGNATIO
MYRONE Q-
OB- QVAM- SOLLEMNITATEM DECREVERVNT- VTI COLLEGA- PROFICISCENS*
AD SPEM- SVAM- CONFIRMAN
DAM ACCIPIAT HS VIII MIL N VETER QVOQVE MISSI ACCIPIANTMILIA IT
ANVLARIVM SINGVL. HS. V MII/ N
QVAE ANVLARLV SVA- DIE- Q VAESTOR- SINE D1LATIONE* ADNVMERARE-
CVRABIT
Pro Salute Aägustorum Optiones scholam suam cum statuis et
imaginibus Domus divinae, item Diis conservatorib?*? eorum ex lar-
gissiniis stipendiis et liberalitatibws, quae in eos conferunt, fece-
runt, curante Lucio Egnatio Myrone Quaestore, ob quam sollemni-
tatem decreverunt, uti collega proficiscens ad spem suam confirman-
dum accipiat sestertiüm octo millia nummüm, \eierani quoque missi
accipiant millia duo et annularium singuli sestertiüm quinque millia
nummüm, quae anularia sua die* Ouaestor sine dilatione adnume-
rare curabit.
SCHOLAM. Die Scholae als Versammlungsorte für Corpora-
tionen und Collegien finden auf Denkmälern häufige Erwähnung. So
wird auf einer Inschrift von Buda1) eine SCHOLA SPECVLA-
TORVM LEGIONVM|| I ET H ADIVTRICVM PIARVM
FIDELIVM 1 1 SEVERIANARVM — in Misenum eine SCHOLA
') Gruter p. 169. N. 7.
Abhandlnugen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. IL Abthl. 28
228
ARMATVR 2) — in Rom eine SCHOLA- SCVTARIORVM*)
genannt.
Auch der Ausschmückung solcher Scholae gedenken die In-
schriften: so berichtet eine in Rom*): IN« HONOREM- DOMVS-
AVGVST-IITI CLAVDIVS etc. SCHOLAM CVM STATVIS-
ET IMAGINIBVS ORNAMENTISQVE OMNIBVS SVA- IM-
PENSA FECIT.
SPEM. Spes steht hier in der Bedeutung von aninius, volun-
tas, proposifum.
ANVL ARIVM. Ein anderwärts nicht vorkommender Ausdruck ;
der Wortableitung nach Ringgeld, wie tvövf] Gürtelgeld.
MILIA IL Die Abschrift gibt MLIAN.
Die Inschrift befindet sich an einer Ruhebank, worüber Denk-
mal XL. zu vergleichen ist.
XXII. Denkmal.
Se'tif.
MAGNO ET INVICTO PRINCIPI D N- IMP CAESARI
FLAV VAL CONSTANTINO PIO FELICI SEMPER AVG.
PONT MAXIMO SARMATICO MAX GERM MAX GOT MAX-
TRIB POT- X- CONS HII IMP VEOU- P P PROCONSVLI
SEPTIMIVS FLAVIANVS V P P P MAVR SITIF-
NVMINI MAIESTATIQ EIVS SEMPER DICATISSIMVS
*) Orclli Vol. II. p. 70. N.3300.
a) J!>. p. 119. 3543.
*) Gruter p. 169, N. 5.
229
Magno et invicto Principi, Domino nostro Imperatori Caesari
Flaveo Valm'o Constantino, Pio Felici, seraper Augusto, Pontifici
maximo, Sarmatico maxw/io , Germanico maximo, Gotfiico maximo,
tr'ibunitiae yotesfatis decimum, Consuli quartuni, Jm^eratori nonum,
Vatri patriae, Proconsuli, Septimius Flavianus, \ir perfectissimas,
Vvaefectus Vraetorio M&uritaniae Sitifensis, liuraiiii majestatiqwe ejus
seraper dicatissimus.
Votis decennalibus, multis vicennalibus.
Grösse des Denkmals. Höhe 0,64, Breite 1,57.
TRIB- POT. X* Die Errichtung dieses, Constantin dem Gros-
sen, gewidmeten Denkmals fällt ins J. 315- n. Chr., 1067 n. R. E.
MAVR- SITIF- Das Sitifensische Mauretanien, der Landstrich
swischen den Flüssen Salda und Ampsaga, wurde wahrscheinlich wäh-
rend der vonDiocletiau bis Constantin sich gestaltenden Ländereintheil-
uug von Mauretanien Caesariensis losgerissen und zur eigenen Pro-
vinz gemacht. Unter Kaiser Valens wurde Mauretanien Caesarien-
sis und Sitifensis von Praesides verwaltet5), wie auch die Reicbs-
notizeu6) angeben; dass das Sitifensische Mauretanien noch im J. 390
unter der Regierung der Kaiser Valentinian, Theodosius und Arca-
dius bestanden habe, zeigt eine in Rom gefundene Inschrift.7)
5) Rufus Breviarium c. 4.
6) Imp. Occid. p. 93.
*) Grnler, p. 361, N. 1. Orelli Vol. II. p. 145, N, 3672.
28*
230
XXIII. Denkmal.
Setif.
DIVO CAESARI
P CORNELIO LICINIO VA
LERIANO NEPOTI
IMP CAES P LICINI VALERIA
NI AVG FILIO IMP CAES
P LICINI GALLIN AVG FRA
TRI P CORNELI LICINI SA
LONI NOBILISSIMI CAES
AVG
COL NERVANA AVG MART
VETERNOR SITTIFENS
DD PP
Divo Caesari Vublio CorneJio Licinio Valeriano, nepoti Im-
^eratoris C&esaris Vublii Licinii Valeriani Augusti, filio Imiperatoris
Caesaris Vublii LiciniV Galliini Augusti, fratri Vublii Cornelii Li-
cinii Salonini, nobilissimi C&esaris Augusti, Colonia Nerviana Au-
gusta Martiana Veteranoram Sitifens/wm, decreto Decurionum, vecu-
nia publica.
Grösse des Denkmals. Höhe 1,0, Breite 0,50.
Das Denkmal, rücksichtlich der Familie des Gallienos eines der
interessantesten, ist dem, bei Errichtung des Denkmals bereits verstor-
benen Pub lius Cornelius Licinius Valerianus, dem Thronfolger (Cae-
sar), dem Enkel des Kaisers Publios Licinius Valerianus, dem Sohne
des Kaisers Publius Licinius Gallienus, dem Bruder des Publius Cor-
nelius Licinius Saloninus, der Mitregent (Caesar Augustus) war, von
der Veteranen-Colonie in Sitifis errichtet.
231
Die Stammtafel der in der Inschrift Genannten ist diese:
P. Com. Licinius Valerianus
Imp. Caes. Aug.
P. Licinias Gallienus
Imp. Caes. Aug.
(occis. 268 p. Chr.)
P. Com. Licinius P. Com. Licinius
Valerianus Saloninus
Caesar, Divus. Nob. Caes. Aug.
(occis. 260) (occ. 268)
Die Namensbenennung der beiden Söhne Galliens stimmt mit
der Angabe des Aur. Victor überein und lässt sich auch mit den
Münzen und Inschriften in Einklang bringen. Aur. Victor1) berichtet:
Licin. Valerianus erhob seinen Sohn Gallienus zum August und
den Sohn dieses, den Com. Valerianus, zum Caesar. Dann: Gallie-
nus ernanute an die Stelle seines ermordeten Sohnes Cornelius sei-
nen Jüngern Sohn Saloninus zum Caesar. Trebellius PoIIio2) be-
merkt, dass Saloninus, Galliens Sohn und Aurelians Enkel, von ei-
nigen Geschichtschreibern Gallien von andern Salonin genannt werde.
Diesem sey eine Bildsäule in dem Tempel der Faustina errichtet
worden mit der Inschrift: GALLIENO IVNIORI SALONINO.
Eine fast gleichlautende Inschrift: SALONINO- GALLIENO MI-
NOR! gibt Gruter3) als in Rom aufgefunden.
') Imperat. c. 32 et 33.
*■) Valerian. jun. Saloninus Gallienus c. 1 et 3.
3) Pag. 275. N. 6.
232
Befragen wir nun die Inschriften über Galliens Familie, so ge-
ben sie uns Folgendes: IMP CAES- P- LICINIVS VALERIANVS
ET IMP- CAES- P- LICINIVS GALLIENVS ET P CORNE-
LIVS SALONINVS VALERIANVS NOBILISS- CAES-4) und
PVBLIO CORNELIO LICINIO VALERIANO NOBILISSLMO
CAESARI.5)
Die Münzen enthalten die Umschrift: IMP- C- P- LIC- VA-
LERIANVS AVG Ferner: IMP C- P- LIC GALLIENVS AVG-
Dann IMP- SALONINVS VALERIANVS AVG oder HO Y A. KOP
2AA- OYAAEPIANOZ ZEB- und endlich P- C- L- VALERIANVS
CAES od. DIVO CAES. VALERIANOe).
Wir sehen nun durch Inschriften und Münzen die Namen un-
seres Denkmals bestätigt und vermissen blos bei dem Saloninus
den Beinamen Valerianus, den wir bei dem Namen des Bruders fin-
den, bei jenem Jüngern Valerianus, welchem Eckhel7) den Titel Cae-
sar abspricht.
Des dritten Sohnes, den man dem Gallienus beilegt, mit Namen
Q. Gallienus , gedenkt unsere Inschrift nicht. Die Münzeu mit DIVO
CAES Q GALLIENO und die Inschrift IMP Q IVLIO FILIO
GALLIENI AVG- ET SALONINAE AVG- entbehren nicht des
Verdachtes der Fälschung.
COL NERVIANA AVG MART VETERANOR SITIFENS.
<) Orelli Vol. I. P. 226, N. 1002.
') ib. P. 227. N. 1009.
•) Eckhel Doctr. Num. vet. Vol. VII. P. 376 — 379 ; p. 389 — 395 ; p .
421 — 424.
') 1. c. p. 427.
233
Die Veteranen-Colonie von Sitifis war, wohin die Namen Nerviana
und Martiana deuten, von Nerva oder seinem Adoptivsohn Trajan
gegründet oder doch wenigstens begünstigt, und von Martiana, der
Schwester Trajans, beibenannt.
Ausser uuserm Denkmale finden wir diese Colonie noch erwähnt:
1) Auf einem Meilensteine8) Severs und Caracalla's vom J. 198;
hier liest man: Col NEBPIANA (sie) AVG MARTIANVS
(sie) . . . NORVM SITIFEN
2) Auf einem Meilensteine derselben Kaiser:9) COL- N- AVG*
MART VETER SITIF-
Neben der Colonie der Veteranen von Sitifis finden wir auf
Denkmälern auch eine Hespublica von Sitifis erwähnt.
1) Auf einem Meilensteine Severs10) vom J. 210 liest man: R*
P SITIFENSIVM NERVIANORVM.
2) Auf einem Meilensteine desselben Kaisers11): R* P* SITI-
FENSIVM NERVIANORVM ANTONINIANORVM.
Es fragt sich nun, ist jene Veteranen-Colonie von Sitifis dieselbe
mit der Hespublica Sitifensiutn oder nicht? Wir müssen die Frage
verneinend beantworten und nach M. Letronne richtiger Ansicht un-
terscheiden :
1) Eine Colonia Sitifensis, auch Hespublica Sitifensium Nervi-
anorum oder Antoniniana, von Caracalla beigenannt, und
8) Journ. des Sav. 1847 Dee. p. 732.
9) ibid. P. 733.
,0) ib. P. 734,
u) ib. p. 734.
234
2) Eiue Colonia Atigusta Nerviana Martiana Veter anorum , die
in der Nähe von Sitifis gegründet war.
C. Denkmäler, zur Ehre von Militärpersonen und
Civilbeamten errichtet.
XXIV. Denkmal.
Cowftantine.
P IVLIO IVNIANO MARTIALIANO CV
COS QVAEST PROVINCIAE ASIAE TRIB-
PLEBEI PRAETORI CVRATORI CIVITATIS CA
LENORVM CVRATORI VIARVM CLODIAE
CASSIAE ET CIMINIAE PRAEFECTO AERARI MILI
TARIS PROCONSVLI PROVINCIAE MACEDONIAE
LEGATO LEG III AVG SEVERIANAE
PRAESIDI ET PATRONO RESPVBLICA CIRTENSIVM DE
CRETO ORDINIS DEDIT DEDICAVITQVE
Pubtio Julio Juniano Martialiano clarissimo \iro, consulari Quae-
stori provinciae Asiae, Trlbimo plebei, Praetori, Curatori civitatis Ca-
lenorum, Curatori viarnm Clodiae, Cassiae et Ciminiae, Praefecto
aerarii militaris, Proconsuli provinciae Macedoniae, Legato \egionis
III. Augustae Severianae, Praesidi et Patrono Respublica Cir-
tenssium decreto ordinis dedit dedicavitque.
MARTIALIANO: Diese Namensform, von Martialis gebildet,
findet sich auch auf Denkmal XXIX.
COS- QVAEST- Der Consularis Quaestor (Quaestor pro Con-
sule s. Consulari) war der Oberstatthalter in einer Provinz, der ent-
weder von dem Senate an der Stelle des Consuls gesendet wurde,
235
oder bei der Abreise eines Consuls, oder überhaupt in dessen Ver-
hinderung die Amtsverwaltung desselben übernahm und führte. Wir
finden in der Provinz Asien einen Quaestor, da sie dem Volke und
dem Senate gehörte; denn in die kaiserlichen Provinzen1) wurden
keine Quaestoren geschickt.
TRIB- PLEBEI. Die Form plebei kommt sowohl als Genitiv,
als auch als Dativ bei Klassikern2) und auf Inschriften3) häufig vor.
CVRATORI VIARVM CLODIAE CASSIAE ET CIMINIAE.
Die Aufsiebt dieser 3 von Rom nach dem Padus führenden Land-
strassen scheint demselben Curator übertragen worden zu seyn, denn
so finden wir es auch auf 2 andern Denkmälern.4)
LEG- III- AVG- SEVERIANAE Ueber diese Legion wurde
Denkmal XII. das Nöthige erörtert.
') Cajus Istitut. 1. 6.
*) Cicero ad divers, X. 16. Verres III, c. 30. Livius Lib. II. c. 33- III.
65. Gellius Lib. VII. c. 19. Plinius Hist. XI., c. 10. Varro L. L. IV-
14. V. 92. Priscian, Lib. VI, c. 11.
3) Gruter p. 350 N. 7.
4) Gruter p. 399- N. 6; p. 446, N. 4.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ah. d. Wiss. V. Bd. II. Abth. 29
236
XXV. Denkmal.
Constantine.
M COCVLNIO
SEX SIL QVIR-
QVINTILIANO LATO
CLAVO EXORNATO AB
IMP CAESARE L SEPTIMIO
SEVERO PERTINACE- AVGVSTO PIO
PARTHICO ARABICO PARTHICO
ADIABENICO QVAESTORI DESIG-
POST FLAMONIVM- ET HONORES
OMNES QVIBVS IN COLONIA IVLIA
IVVENALI HONORIS ET VIRTVTIS CIRTA
PATRIA SVA FVNCTVS EST
FLORVS LABAEONIS FIL
PRINCEPS ET VNDECIM PRIMVS
GENTIS SARDINVM- AMICO MERENTI
DE SVO P .... T ... Q DED . . .
L A D
Marco Coculnio, Sexti filio, Quivina, Quintiliano, latoclavo exor-
nato ab Invperatore Caesare hucio Septimio Severo, Pertinace, Angu-
sto Pio, Parthico, Arabico, Parthico, Adiabenico, Quaestori designato
post Flamonium et honores omues, quibus in colonia Julia Juvenali
honoris et virtutis Cirta patria sua functus est, Florus,Labaeonis GÜus,
Princeps et undecim primus gentis Sardinum, amico merenti de suo
posuit deditque dedicavitque. hocus a Decurionibus datus est.
Grösse des Denkmals: Höhe 4^, Breite 2f.
LATOCLAVO EXORNATO, für LATICLAVIO, wie aof
Denkmal XXVffl.
237
PARTHICO findet sich hier doppelt, sey es durch Versehen
des Marmorarius oder des Abschreibers.
FLAMONINVM, für Flaminium, die Würde oder das Amt
eines Flamen. Sidonius1) bedient sich derselben Sprachweise: in-
vident flamonia municipibus, auch die Inschriften2) geben dieses Wort.
COLONIA IVLIA IVVENALI CIRTA. Der Beiname Juveni-
lis, den hier neben Julia die Colonie Cirta führt, ist sonst nicht
weiter bekannt.
PRINCEPS ET VNDECIM PRIMVS. Der in dem Sardini-
schen Municipal-Collegium der Eilfmänner den vorzüglichsten Rang
Bekleidende, dessen Namen wahrscheinlich wie bei dem Princeps
Senatus der Fall war, bei der Abstimmung zuerst gerufen wurde.
XXVI. Denkmal.
Constantine.
L- IVLIO VICTORI
MODIANO V E PROO
AVGGG NNN- PER NV
MIDIAM VA PROC TRAC
TVS THEVESTINI
FOR IVNIVS VINDEX
ET DIOTIMVS AVGGG-
LIB ADIVT- TABVL
IVS AB AMORE EIVS
SEMPER ET DIGNA
TIONE PROTECTI
<) Epist. 5, 7.
*) Gruter p. 80, N. 6; p, 195. N. 5; p. 254, p. 5
29*
238
hucio Julio Victori Modiano, xiro egregio, Procuratori Au-
gustorum nostrorum per Numidiam quinque annos? Procuratori
tractos Thevestini, Formius? Junius Vindex et Diotimus Augustorum
hiberti, Adjutores TabulanV, ... ab amore ejus semper et digna-
tione protecti.
Grösse des Denkmals. Höhe 4,0, Breite 2,0.
THEVESTINI. Ueber Theveste und seiue Denkmäler sehe
man Revue archeol. 1847. p. 360 — 374.
XXVII. Denkmal.
Lambaesa.
M VA . . .
MAXIMIANO
LEG- AVG- PRPR
LEG- III AVG COS-
PAESIDI
R A R I S S I M 0
REFRIVS MA
XIMVS y LEG
ffl- AVG ... RA
TOR E I V S
Marco Valmo Maximiano, hegato Augusti Pro^raetore Le-
gionis III. Augustae, Curatori? ejus.
Grösse des Denkmals: Höhe 1,0, Breite 0,46.
239
COS* PRAESIDI. Unter dem Consularis ist hier nicht ein ge-
wesener Consul, sondern ein Legatus Consularis, wie solche in die
kaiserlichen Provinzen geschickt wurden1) zu verstehen. Die Benen-
nung Praeses ist eine allgemeine für Statthalter höhern und nie-
dern Ranges : Praesidis nomen generale est eoque et Proconsules
et Legafi Caesaris et omnes provincias regentes, licet Senatores
sunt, Praesides appellantur.2) Nach den Reichsnotizen3) waren im
Occidente 22 Consulares und 31 Praesides.
REFRIVS. Das Geschlecht der Refrier ist wenig bekannt. Ein
Denkmal hei Muratori4) nennt eine Refria Pacata und Restuta.
') Spanheim de Praest. et Usu Numismatum II. p. 595 Eckhel Doctr. Num.
Vet. Vol. IV. p. 240.
2 ) Macer lib. I. de offlc. Praesidis in Digest, lib I. Tit. 18. §. 1.
3) Notitia dignitatum Genev. 1623. p. 9.
4) T. IV. P. 2086. N. 10.
240
XXV1H. Denkmal.
Constantine.
. . LIO P FIL QVIR
. . MINIO MARCIANO
SODALI TITIO PROCOS PROVINC
IAE MACEDONIAE LEG AVGG PROPR-
. . OVINCIAE ARABIAE LEG AVGG- SV
. . VEXILLATIONES IN CAPPA . .
CIA- LEG AVG LEG X GEMINAE
PROPR PROVINC AFRICAE
. . ETORI TRIB PLEB QVAESTORI
. . BVNO LATICLAVIO LEG X
.ENSIS ET LEG IUI S C Y
. ICAE III VIRO KAPITA LI
.TIMO CONSTANTISSIMO
.VRMIVS FELIX PRIMI
. LARIS LEG III CYRENAICAE
.ATOR INARABIA MAIORI
LEGATIONIS EIVS
.... A. DD
T^ublio JuWo, Publii R\io, Quirina, Ceminio Marciano, Sodali
Titio, Vroconsuli provinciae Macedoniae, Legato Augustorum, Pro-
vvaetore provinciae Arabiae, Ttegato Augustorum super vexillationes
in Cappadocia, Liegatus Aogusti legionis X. geminae, Vrouraetori
provinciae Africae, Praetori, Tr'ihuno plelm-, Ouaestori, Tnbuno la-
ticlavio legionis X. Fretensis et legionis IV. Scythicae, Triomviro
Kapitali, optimo, constantissimo . . . urmius Felix, Primi/^laris legeo-
nis TU. Cyrenaicae, Curator in Arabia majori . . . legationis ejns . . .
Locus a Decurionibus datus.
. . . LIO P- FIL QVIR- P • • MINIO Zur Ergänzung des
am Anfange unserer Inschrift nur mehr fragmentarisch stehenden
Namens des durch das Denkmal Geehrten dienen 2 von den Be-
241
wohnern von Adra, einer Stadt des Petraeischen Arabiens, ihm in
Constantine geweihte and von M. Letronne*) herausgegebene grie-
*) Journal des Savants Juin 1848 p. 378 u. 379. Revue arch. 1S48 (Aout)
p. 282. Die drei oben erwähnten Inschriften lauten :
üovßXiov 'IovXiov ref-ilviov
MctQxiavbv,
7iQSoßev%rjv 2eßao-
tiüv, avTiovQÜTrjyov,
VTtatov, rj ßovXrj xccl
o örjfxog ^AdgayvoJv TleTqal-
cov (irjXQonöXewS rrjg 'Aqcc-
ßlag, öia KXavöiov Aive(l)
ov TtQeoßevcS, evegyeTt]-
■frevTOQvn avtov, ävear (jqoEvf. äve$t]xev)
ÜIOYAION rE MINION
MAPKIANON
ÜPE2BEYTHN 2EBA2
TQN ANTI2TPATHrON
YIIATON HBOYAH KAI
oJHMoZ AJPAHNQN TIETRAI
9.N MHTPoüoAEQZ TH2APA
BIA2 JIA KAAYJIOY AINE
OY ÜPEZBEYTOY EYEPPETH
GENT02 YIIATO YANE2Q
und an der Seite
TOII02 EJOQH
WH0I2MATI BOYAH2
niOYAinirEMi
NIQIMAPKIANQI
ÜPE2BEYTHI2E
BA2TQ.NANTI2TBA
THm YIIA T9.AAPA
HN9.NT10AI2H
THZ APABIA2JIA
JAMA2E0Y2I02
AKbOYIIPEZBEY
THAAJPAHND.NE
IIAPXEIA2APABIA2
TRANSLATAABVRBESECVN
DVMVOLVNTATEM MARCIANI
TESTAMENTO SIGNIFICAT
D D
tönog edo&r]
tptjcpla^tati ßalrjg.
üovßXiq) 3 IaXUo re[xi~
vlio Magxiavqj
TiQEoßevTfi 2s-
ßaartSv, ävuovga-
irtyci) vnaxoj, z Aöga-
rjvwv noXig tj
rrjg 'Agetßlag, öiä
Aa/.taoesg 'Ioo-
atcpa, ngsaßev-
rov Adgarjvwv e-
nagxelag 'Agaßlag.
Translata ab urbe, secun-
dum voluntatem Marciani,
testamento signilicatum.
Decreto decurionum.
242
einsehen Inschrifte' und eben so eine lateinische, wodurch wir
erfahren, dass der Geehrte Publius Julius Geminius Marcianus
heisse, dass ihm die Adraener durch eine Weih-Inschrift und eine
Bildsäule ehrten und dass nach seiuer testamentarischen Anordnung
eine ihm in Rom errichtete Statue nach Constantine, wo seine Fa-
milie ansässig war, gebracht worden sey.
Unser Denkmal nennt 4 Legionen, in denen Geminias Mar-
cianus Kriegsdienste that. In der Legio X Gemina befand er sich
als Legatus, in der Legio X Fretensis und in der Legio IV Scy-
thica als Tribunus laticlavius und in der Legio III Cyrenaica als
Primipilaris.
LEG- X- GEMINA* Die Legio |X Gemina wird schon unter
Tiberius und Drusus durch Denkmäler1) beurkundet. Während Au-
gustus und seiner nächsten Nachfolger Regierung lag sie in Spa-
nien2). Sie diente gegen Viriatus, wie eine Inschrift3) von Calle
(Ouirique) mit den Worten bezeugt: C. MINICIVS O F- LEM-
IVB||ATVS . . . LEG X GEM QVEM IN||PRELIO CON-
TRA VIRIATVM 1 1 VOLNERIBVS SOPITVM IMP 1 1 CL AVDIVS
VNIMAnus PRO MOR|jTVO DERELIQVIT etc. Im Jahre 71
n. Chr. zog die X. Legion in den Kampf gegen Civilis nach Ger-
manien4). Nach dem Friedensschluss erhielt sie ihr Standquartier
1 ) Mvrat T. II. p. 736. N. 7. Orelli Vol. II. p. 190, N. 3876.
*) Tacii. Hist.Lib.;il.[c. 58. III. c 44. Gruter P. 536, N. 2; p. 572, N. 8.
Mural T. II. p. 785, N. 7. Florez Medallas de las Colon, de Espana".
T. I. Tab. VI, 1. VIU, 8.
3) Zimmermann Zeitschrift für die AUerthumswissenscbaft 1840 N. 89,
S. 729.
*) Tacit. Hist. Lib. IV. c. 6S. V. e. 20.
213
in Niedergermanien, wo von ihrem Aufenthalte noch viele Denkmä-
ler5), besonders aus der Gegend von Nimwegen und Brohl sprechen.
Unter M. Aurel lag sie bereits in Oberpannonien. Hier führen sie
auch Dio Cassius6) und Ptolemaeus7), der sie rtQjiicci'ixr} nennt und
ihr Standquartier nach Juliobona verlegt, an. Das Itinerar8) und die
Reichsnotizen9) kennen sie ebenfalls in Oberpannonien und zwar in
den Städten Vindobona und Arrabona, wo man noch viele Denkmä-
ler10) von ihr findet.
Die Münzen1 ') des Gallienus geben als eines ihrer Signa einen
Stier.
Auf Inschriften führt unsere Legion die Namen LEG' X* GEM-
— LEG-X- GEM PIA F1DELIS12) — LEG X- GEM Pia, Fi-
5) Gruter p. 534, N. 1. p. 547, N. 1. OöerlinMm. Schoepll. p III. Orelli
Vol. I. p. 361, N. 2090. Vol. II. p. 121, N. 3551 Lersch Centralmuseum
II. H. S. 27, N. 21; S. 31. N.24; III. H. S. 56, N. 79; S. 81, N. 141.
Steiner Cod. Inscript. Romanor. II. Th. S. 146. N. 944, 916. Cf. 612,
629, 741, 745, 948 — 951.
•) Lib. LV, c 23.
7) Europa. Tab. V. d. B.
8) Pag. 248.
9) Iraper. Occident. p. 129. 130.
10 ) Gruter P. 11, N. 4; P. 12, N. 9; P. 14, N. 11; P. 22, N. 7; ,p. 514,
N. 13; p. 531, N. 1; p. 561, N. 4. Mural. T. II. p. 875, N. 2. Orelli
Vol. II. p. 423, N. 4964. Kellermann Vigil. p. 53, N. 112-
1 ' ) Eckhel Doctr. Num. vet. Vol. VII. p. 403. Arneth Synopsis Num. vet.
P. II. P. 166. N. 78.
•*') Gruter p. 492. N. 5.
Abhandlungen der I. C1 d. h. kh d. Wiss. V. Bd II Ablhl. * 30
244
delis Victrix Valens1 3) - LEG X- GEM ANTONINIANA » *)
- LEG X- GEM GORDIANA* %
LEG- X- E'RET. Die Legio X. Fretensis hatte bereits zu Auga-
stus Zeit ihr Standlager in Syrien und zwar in der Stadt Cyrrhus16).
Von Syrien führte sieTitus17) seinem Vater Vespa.sianus zum Jüdi-
schen Kriege zu. Ihr Legat war damals Trajan18). Hier wohnte sie
der Einnahme der Städte Jatapa, Japha, Tiberias, Tarichaea und
Gamala19) bei. Da Vespasianus nach Rom abgereist war, zog sie
unter Titus zur Belagerung von Jerusalem20). Nach dessen Eroberung
blieb sie daselbst als Besatzung21). Unter Corbulo22) machte sie
den Armenischen und unter Trajan23) den Parthischen Krieg mit.
Zu den Zeiten Alexanders Sever24) lag sie in Judaea. Die Reichs-
notizen25) nennen als ihr Standlager Aila in Palaestina. Sie findet
13 ) Orelli Vol. I. p. 361, N. 2090.
14 ) Grvter p. 12, N. 9; p. 514, N. 13.
18 ) Grvter p. 433. N. 1. Orelli Vol II. p. 44, N. 3143-
,b) Tacit. Annal. Lib. II. c. 57.
17 ) Josephus de hello Iudaico Lib. III. c. 1. v. 3; c 4, 2.
18 ) Ibid. Lib. III, c. 7. v. 31.
•9) Ibid. Lib. III. c. 7, 21. III. 7, 31. III. 9, 7. III. 10, 5. IV. I. 10.
2U) Ibid. Lib V. 1, 6; 2, 3, 4. V. 11, 4. Tacit. Hist. Lib. V. c. 1.
21 ) Joseph. Lib. VII. c. 1, 2.
23 ) Tacit Annal. Lib. XIII. c. 40.
") Gruter p. 367. N. 6.
24 ) Dio Cass. Lib. LV. c. 23.
25 ) Imper. Orient, p. 216.
215
sich auch auf den beiden zwischen den Jahren 120 — 170 gefer-
tigten Legionssiäulen26), nach Grotefends27) Nachweis in Judaea
stationirend, aufgeführt. Auf Münzen des Victorinus28) ist ihr Sig-
num ein Stier. Auf Denkmälern führt sie den Namen ; LEG* X-
FRET- und LEG- X- FRET- ANToniniana.2^)
LEG- IUI- SCYTH- Die Legio IV. Scythica erhielt durch Au-
gust ihr Standquartier in Syrien, wo sie sich noch unter Alexander
Severus30) und selbst zur Zeit der Reichsnotizen3 *), die sie in der
Stadt Oresa anführen, befand. Sie verliess Asien niemals. Unter
ihrem Legaten Funisolanus Vettonianus32) machte sie den unglück-
lichen Feldzug gegen die Parther mit, wo sie durchs Joch gehen
musste. Die Denkmäler33), welche man bisher von dieser Legion
auffand, sind nicht zahlreich.
LEG- III- CYR- Die Legio ID. Cyrenaica befand sich bereits
unter August34) in Aegypteu. Unter Nero kämpfte sie gegen die
2ß) Gruter P. 513, N. 2, 3. Orelli Vol. II. p. 83, N. 3368, 3369.
2 » ) Zimmermanns Zeitschrift 1840. N. 80. S. 662.
28 ) Eckhel Vol. VII. p. 451.
29 ) Orelli Vol. I. p. 365. N. 2129.
3") Dio Lib. LV. c. 23.
»») Imp. Orient, p. 226.
32) Tacil. Annal. Lib. XV. c. 7. Sext. Rufus Brev. c. 20.
33) Gruter p. 448, N. 5- p. 492, N. 5; p. 561, N. 2. Mural. T. I. p. 315,
N. 3. Orelli Vol. I. p. 392, N. 2273; p. 398, N. 2287. Marini Frat.
Arv. P. II. p. 755 et 766. Cardinali Diplomi p. 120, N 160; p. 301,
N. 586. Morcelli de Stilo Inscr. Patav. 1822. Vol. III. p. 40. Kellermann
Vig. p. 71, N. 275.
3") Gau Antiq. de la Nubie Taf. XIV. N, 31. Gruter p. 376, N. 3. Le-
tronne Statue vocale de Memnon. p. 127.
30*
216
aufrührerischen Alexandrinischen Juden.35) Unter dein Lagerpräfecten
Aeternius Fronto stiess sie zur Armee des Jernsalem belagernden
Titus36) und wirkte bei der Eroberung dieser Stadt mit37). Nach
einer Inschrift38) zog sie unter Trajan in den Partbischen Krieg.
Unter Hadrian unternahm sie einen Feldzug gegen die Juden39).
Zur Zeit des M. Aur. Antouinus hatte sie ihr Standquartier in Bo-
stra in Arabien40), wo sie sich noch unter Alexander Severus41)
und selbst zu den Zeiten der Reichsnotizen42) befand. Auf einem
Denkmale Valerians und seines Sohnes Gallienus heisst sie LEG*
ffl KVR- VALERIANA GALLIENA43).
Ueber die hier erwähnten 4 Legionen sind zu vergleichen Gro-
tefend,44), Pauly4*) und Pfitzner46).
3\) Joseph, bell. Jud. Lib. II. c. 18, 8.
36 ) Jos. Lib. V. c. 1, 6. VI. 4, 3. Cf. Tacit. Hist. Lib. V. c. 1.
3 • ) Jos. Lib. V. 6, 5.
3 » ) Oi elli Vol. I. p. 198, N. 832.
3«) Ibid. 1. c. Kellermann Vig. p. 67, N. 247.
40 ) Boekh Corpus Inscr. graec. T. III. N. 4554 et 4651.
41 ) Dio Lib. LV. c. 23.
42 ) Imper. Orient, p. 220, 8.
43 ) Orelli Vol. II. p. 50, N. 3392.
14 ) In Zimmermanns Zeitschrift für die Altertumswissenschaft 1840, N.
79, 80, 81.
4 5 ) In dessen Real- Enyclopädie IV. B. unter Legio.
46 ) In ßergk's und Caesar's Zeitschr. für die Alterthumsw. 1846. N. 1. 2.3.
247
XXIX. Denkmal.
Lambesa.
NO MARTIALIA
NO LEG AVG- PR
PR CV COS PRAK
SIDI IVSTISSIM0
ET BENIGNISSI
M° G CALVENTIVS
IANVARIVS V
LEG III AVG-
Publio Julio Juniano Martialiano, hegafo Augusti Proyraefore,
clarissimo \iro, Consulari, Praesidi justissimo et benignissimo Gaius
Calventius Januarius, Centurio Legionis III. Augnstae.
MARTIALIANO. Die Lücke der ersten Zeile lässt sich nach
dem XXTV. Denkmal ergänzen, da beide Inschriften demselben Mar-
tialianas gewidmet sind.
Der Form der Buchstaben nach zu schliessen gehört das Denk-
mal dem IV. Jahrhondert an: das L ist gerade so, wie auf dem
Pruttinger Denkmale S. 184 Tafel IL gebildet.
O V- Als Consularis and Vraeses führt Martialianus hier den
Titel clarissimus vir1^.
1 ) Notitia Imper. p. 15.
248
XXX. Denkmal.
Lambesa.
D FONTEIO FRONTINIANO
I STERTINIO RVFINO
LEGATO AVGVSTORVM
PRPR- COS DESIGNATO
SEX- TERENTIVS SATVR
NINVS LEG
AVGVST
ftecimo Fonteio Frontiuiano et Julio Stertinio Rufino, Legato
Aogustorum Propraetore, Consulari designato, Sextus Terentius Sa-
turninus hegatus Augastorum.
XXXI. Denkmal
Nabal
M- AVRELIO M- FIL ARNEN-
SERANO CV- AEDILI ET DE
SIGNATO Q- PROVINCI
AE CRETAE CIVILI PA
TRONO TR P- P-
Marco Aurelio, Marci fil/o, Arnens?', Serano, Curat ort yiarnm.
Aedili et designato Qtiaestori Provinciae Cretae, civili (civitatis?)
Patrono, Tribuno? pecunia publica.
219
XXXII. Denkmal.
El-Djem.
NIO RVMVO CV QVI THYSDRVM
EX INDVLGENTIA PRINCIPIS CV
RATET COLONIAE SVFFICIENS ET
PER PLATAEAS LACVVS INPERTITA
DOMIBVS ETIAM CERTA CONDI
CIONE CONCESSA FELICIS SECV
LI PROVIDENTIA ET INSTINCTV
MERCVRII POTENTIS THYSDRITA
NAE COL PRAES1DIS ET CONSERVA
TORIS NVMINIS DEDICATA EST
ex indulgentia principis curata et coloniae sufficiens
et per plateas lacubus impertita, etiam certa conditione, felicis sae-
culi providentia et instinctu Mercurii, potentis Thysdritanae coloniae
praesidis et conservatoris nominis, dedicata est.
Der Anfang der Inschrift ist mangelhaft. Die Lorent'sche Ab-
schrift, die ich hier gab, befriedigt so wenig für eine verlässige Er-
klärung, als die des M. Pellisier'), die so lautet: NIORVM V
CA . . VE THYSDRVM.
Die Inschrift, die sich an einer Wasserleitung befand, erhält
durch Frontin de Aquaeductibus, besonders aber durch die Stellen
c. 94, 98, 100, 103, 105, 106. Edit. Bipont. ihre Erklärung. Dem
Style nach dürfte die Inschrift in das IV. Jahrhundert gehören.
*) Revue archeolog. 1847. Juillet p. 273-
250
XXXIH. Denkmal
Kurba.
PONTI
O HELVIO O F ARN HONORA
TO AEDILI U VIRO . . .
CVRATO ALIMENT- DISTRIB
OB INSIGNES LIBERALITATES
IN REMPVB- ET IN CIVES
AMOREM VIRO BONO
COL FVLVIA CVRIBIS DD PP«
Pontifici . . . Vaio Helvio, Caji filio, Aruensi, Ho-
norato, AedaYa, Duumviro . . . Curatora" alimentär distribuendis ob insig-
nes liberalitates in rempublicam et in cives araorem viro bono Colonia
Fulvia Curibis, decreto Decurionum, pecunia publica.
XXXIV. Denkmal.
Nabal
.. COELIVS LA ETI FIL
LAETVS ET
M COELIVS SVLLAE FIL
PACATVS AED
SVPER QVAN TITATEM
EX MVLTIS REDACTAM ALTE
RA TANTA DE SVO EROGATA
PECVNIA POSVERVNT
L D D D-
. . . Coelius, Laeti fila'w? et Marcus Coelius, Sullae filius, Pa-
catus, Aediles, super qnantitatem ex multis redactam altera tanta
de suo erogata pecunia posuernnt. Locus datus decreto Decurionum.
251
LAETI FIL- Die Verwandtschaftsangabe geschieht hier nicht,
wie gewöhnlich, nach dem Praenomen des Vaters, sondern nach
dessen Cognomen.
EX MVLTIS. Dass die Erhebung und Verwendung der Straf-
gelder Sache der Aedilen war, sagt ein Denkmal *") aus Nicander bei
Aquileja mit den Worten: AEDILIS MVLTATIO ESTO. Wir
finden diese Gelder nicht selten zur Errichtung von öffentlichen
Denkmälern verwendet, so sagt Livius 2), dass die Aedileu Manius
Acilius Glabrio und Caius Laelius von den Strafgeldern drei eherne
Standbilder der Ceres, dem Liber und der Libera aufstellten.
ALTERA TANTA. Die Abschriften von Lorent und Tein-
ple3) lesen MALIRAT ANIA.
XXXV. Denkmal.
Constantine.
L M A E C I L 1
0 P F Q- N E P O
T I FL P P E Q P
EXORNATO
0 M N I B V S H 0
NORIBVS INHlICOL
FVNCTO
P PACONIVS CERI
ALIS AMICO- OPTI
MO ET- MERENTI S P P
L D D D-
') Orelli Vol. I. P. 432, N. 2488.
ä) Lib. XXXIII, c. 25.
3) Excursions in the Mediterranean. Vol. II, p. 3Q3. N. 5.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Alt. d. Wiss. V. Bd. II. Abth. 31
252
Lucio Maecilio, Publii filio , Quinti nepoti, Flamini perpetuo,
eqwo publico exornato, omnibus houoribus in Quartanorum? colonia
functo, Publius Paconius Cerialis amico optimo et merenti sua pe-
cunia posuit; locus datas decreto Decurionum.
Grösse des Denkmals. 4,0 hoch, 2,0 breit.
XXXVI. Denkmal.
Kurba.
M APPVLEIO
P S I L I O C 0 S-
C N D 0 M I T I 0
MALCHIONI
DVO VIR QVIN
L SERTORIVS AL. . AN
L VITRVVIVS ALEXAN-
AED-
PLVTEVM PERPETV.
S C H 0 L A $ II I
. 0 R 0 L 0 G I V . .
. . M. M V N- . .
. . P . .
Marco Appulejo et Publio Silio Consulibns. Cneio Domitio
Malchioni, Duoviro qumc/uennali , Lucius Sertorius Alearandrinus et
Lucius Vitruvius A\exandrimis, Aediles pluteura perpetuum, scholas
duas et ^orologium in usum nnwicipii ^ecunia. . .
M APPVLEIO P SILIO COS. Die Errichtung des Denk-
mals fällt gemäss des Consulates des Marcus Appulejus und Pub-
lius Silius in das dritte Regieruugsjahr des Augustus, 733 ni R. E..
20 Jahre v. Chr.
253
DVOVIR- QVIN. Die Form Duovir für Duumvir findet sich
auch anf andern Inschriften, bei Gruter1), Muratori2), Marini 3),
Orelli *).
XXXVII. Denkmal.
Tlemsen.
SEX COCCEIO VIBIANO
PRO COS PROVINCIAE AF
PATRONO . . M DD. PP
Sex/1« Cocceio Vibiano, Proconsuli Provinciae Africae, Patrono,
Municipii, (bene merenti) decreto Decurionum, pecunia publica.
XXXVUI. Denkmal.
(Konstantine.
. F- PALAT STATIO . .
. NO- ME MM 10- MA . .
. AVGVSTALI- LEG PRPR- .
. CAE LEG- LEG Hill G M
M I V N I 0 R V M- A D I .
. GIONEM TRANSPAD . .
ANDIDATO DIVI HADRIAN
. . . INIE XV VIRVM STLITIB
D
. . . . ON PP-
') Pog. 445, N. 5.
-) T. II. p. 169, N. 10. T. II. P. 617, N. 2; p. 742. N. 3.
3) Frat. Arv. P. I. 52 et 62.
') Vol. II. P. 192, N. 3886.
31
254
. . . Filio, Pal&tina, Statio . . . no Meminio, Ma . . . Angu-
stali, Ltega/o Proyraetori Provinciae Afric&e, hegato Legeonw XIV
Geminae Martiae Yictricis, Tribuno Numeri Junioram, Adjutori?,
Procuratori per regionein Transpadanam, Candidato Divi Hadrian/...
Quindecim virornm stlitibws judicandis uni, Decreto Decuriomtm,
pecunia publica.
. . M. IVNIORVM. Die Ergänzung von Numerus rechtfertigt
sich nach einem Denkmale bei Mari ni1) Ex Trib. Numeri Juniorum.
. . GIONEM TRANSPAD. Die Regio Transpadana findet
sich auch auf andern Inschriften 2) erwähnt.
. ANDIDATO DIVI HADRIAN. Ein Candidatus Divi Ha-
driani wird auch auf einem Denkmale 3) von Tibur genannt.
XV VIRVM- lieber die Form Vir um ist Denkmal II. S. 189
zu vergleichen.
) Frat. Arv. P. I. p. 296.
) Gruterp. 890, N. 14. Orelli Vol 1. p. 392, IS. 2273. Vol. II. p. 44,
N. 3143.
) Gmter p. 457, N. 6.
255
XXXIX. Denkmal.
Kazareen.
MILITAVIT L ANNIS- IUI IN LEG II- AVG-
LIBRAR TESSER OPTIO SIGNIFER
F A C T V S EX S V F F R A G I 0 LEG IUI . .
MILITAVIT y LEG II ITAL y LEG VII . . .
y LEG I MIN- y LEG X GEM y LEG II . . .
y LEG III AVG GALL - y LEG XXX- VLP
y LEG VI- VIC- y LEG III CYR y LEG. XV APOL-
y LEG II PAR Z LEG I A DI VT R IC IS
CONSECVTVS OB VIRTVTEM IN EXPEDITIONEM (sie)
PARTH1CAM CORONAM MVRALEM VALLAREM
TORQVESET PHALARESEGIT1N
DIEM OPER IS PERFECTI ANNOS LXXX
SIBI ET
CLAVDIAE MARCIAE CAPITOLINAE
KONIVGI KARISSIMAE QVAE EGIT
IN DIEMOPERIS PERFECTI
ANNOS LXV ET
M PETRONIO FORTVNATO FILIO
MILITAVIT ANNIS VI 7 LEG XVIII PRIMIG . .
LEG- II AVG... V I X I T ANN XXXV
CVI FORTVNATVS ET MARCIA PARENTES
KARISSIMO MEMORIAM FECERVNT
Marcus Petronius Fortunatus, qui inilitavit quinquaginta an-
nis, quatuor in Leg/owe II. Augnsta Libranw.y, Tesserarim, Optio,
Signifer factus ex suffragio Leg/owi.v IV Scythicae , miütavit Cen-
turio Legionis II. ItaMcae, Centorio Xjpgioni.% VII. Vlaudiae Ge~
minae?, Centurio hegionis 1. m'inerviae, Centurio Liegiottis X.
2oß
Geminae, Centurio hegionis EL Trajanae? , Centurio Legj'om's III.
Angustae GaWicae, Centurio hegionis XXX. VApiae, Centurio Le-
gionis VI. Victricis, Centurio hegionis III. Cyrenaicae, Centurio
Legtom.« XV. Apol/m«W.<?, Centurio hegionis II. P&rthicae, Centurio
Leg«om.s I. Adjutricis, consecutus ob virtutem in expeditione Par-
thiea coronam muralem, vallarem, torques, et phaleres; egit in dieua
operis perfecti anuos LXXX, sibi et Claudiae Marciae Capitoiiuae,
konjugi karissimae, quae egit in diem operis perfecti anuos LXV et
Marco Petronio Fortuuato, filio, qui militavit annis VI Centurio hegio-
nis XVIII. Primigeniae, Legtom'sII. Augustae et vixit anuos XXXV.
cui Fortunatus et Marcia parentes karissimo memoriam fecerunt.
Die erste Zeile mangelt; sie enthielt den Namen des Vetera-
nen, der das Denkmal setzte. Da dieser sich in der 22 Zeile mit sei-
nem Cognomen Fortunatus und seineu Sohn Z. 19. M. Petroniux
Fortunatus nennt, so lässt sich wohl daraus der Sehluss ziehen,
dass er selbst M. Petronius Fortunatus , wie sein Sohn, gebeis-
sen habe.
L1BRAR. Die Abschrift bei Sbavv J) liest LIB., die bei Tem-
ple2) LABRAH, was auf Librarius führt, da ein Labararius, Trä-
ger des Labarums, vor den Zeiten Coustantins nicht vorkommt.
MEMORIAM. Memoria hat hier die Bedeutung von Denkmal.
Grabmal, in welchem Sinne es besonders auf Inschriften späterer
Zeit, wie auf Deukmal LX. und bei Gruter3), Marioi4), Orelli5),
Lersch 6) uud öfters vorkommt.
') Pag. 227, N. 8.
2) P. 328. INI. 106.
') P. 383, N. 4; p. 488, N. 8 und Öfter,
i) Frat. Aiv. T. II. p. 513.
5) Vol. II. P. 296, N. 4469; P. 307, N. 4549.
c) Centralmus. I. H. S. 42. Vergl. Oberbayer. Archiv VI. B. 2 H.
S. 226 Bemerk. 4.
2* -V
.1 i
volvs . .
IVLIVS G. . .
POMPEIVS . . .
IVNIVS RVSI . .
AGRIVS G. AI. .
HERNIVS RVCATV .
IVLIVS HONORATV .
IVLIVS DONATVS
C- AELIVS LAVRENNVS
C IVLIVS SIL VAN VS
M SALLVSTIVS QVESTOR
IVLIVS QVIETVS
C AETEREVS NOVELLVS
XL. Denkmal.
Bainah.
N . . . .
PR PRAECILIVS
NAT. FORTVNATVS
. . NATIVS MIRO
C OCTAVIVS FELIX
C- IVLIVS DONATVS
C GARGILIVS FELIX
C SEMPRONIVS FELIX
L CLOD. HONORATVS
C- APONIVS SATVRNINVS
P PERILLIVS FELIX
L SEMPRONIVS VICTOR
M IVLIVS CINNIVS
M M- AT ROMAN VS
C SERGIVS CATERVANVS
M- LAETOR BELLICVS
L AVFIDIVS HILARIVS
Q- IVLIVS FLORVS
C IVLIVS FELIX
L EQVITIVS FELIX
M VALERIVS FELIX
C MVMIVS LICINIVS
C IVLIVS FRONTO
Q IVLIVS AFRICANVS
C IVLIVS GERMANVS
C IVL MONIMVS
C
L . . CR . . .
C FVLVI- IAN . .
C AMVL MAX. .
M CAELIAN VAR
Q SEMP FELIX
P AEM MACRIXVS
L; VAL- AVARVS
C. IVL. LONGIXIAN
M ANT- SILVANVS
T FL ALEXANDER
C- PVBL SEPTIMIVS
C IVL HONORATVS
C FVLLON- ANTONTN
C. RVPIL ROGATANVS
M VLPIVS ASCLA
C. PASS CLARVS
Q- AVREL PROCESSVS
T- EL FLACCIANVS
C- MARTIVS ELEPHAS
L CORNELIVS CATO
M VALERIVS SPERATVS
L' AEMILIVS CALINVS COR
L FLAVIVS SVRVS ACT LEG'
Die obenstehendeii Namen befinden sich an 3 Seiten der die
Armlehne bildenden 2 Säulen einer halbkreisförmigen marmornen Ruhe-
bank von 4,25 Höhe und 0,95 Radius, deren Mittel wand die Denk-
mal XXI gegebene Inschrift enthält.
258
D. Grabdenk maeler.
XLI. Denkmal.
Setif.
D M- S
M DAMATIVS
V R B A N V S
S V M A R V M A R T I
V M L I B E R A L I V M
LITERARVM STVDIIS
V T R I V S Q LINQVAE
PERFECTE ERVDITVS
OPTIMA FACVNDIA
PRAEDITVS V A- XXII
DIES VII H S- E Villi K OCTOBR
A P CLXXXX
M DAMAT FELIX- PATER PIVS
FECIT
Diis Manibus sacruni. Marcus Damatius Urbauus summarum
artium et liberalium literarom studiis utriusque linguae perfecte eru-
ditus, optima facundia praeditus, vixit anuos XXII, dies VII; hie
sepulfus est nono kaleudas Octobres anno Provinciae centesimo no-
nagesimo. Marcus Damatius Felix, pater pius (ejus) fecit.
A. P. CLXXXX. Die auf uuserm Denkmale angegebene Zeit
des Todes des Marcus Damatius Urbanus fällt auf den 24. Sept.
des Jahres 148 n. Chr. und des J. 190, seit Mauretanien zur rem.
Provinz gemacht wurde, worüber Denkmal XI. S. 193 zu ver-
gleichen ist.
259
XLII. Denkmal.
Seif.
D 6 M
Q D 0
TI 6 VS
* S tf
:■ M I $
o SA 6
TVR <^ NI £ NVS
c?
9
C?
xxxxv
DiV* Manibus sacrutn.
XLHI. Denkmal.
Batnah.
C ANTONIVS
MATERNVS
DOMO CLVNIA
Z LEG ITT AVG
HIC SITVS EST
Caius Antonius Maternus domo
Clunia , Centurio hegionis III.
Quintus Domitius Saturninus, . . ¥¥.
, * Augustae. Hie Situs est.
vixit &nnos XLV.
XLIV. Denkmal.
Batnah.
L OCTAVIVS
L F ARN SCAE
VA VIXIT ANNOS
MENSES VIII. D.
XXI F PATER
XLV. Den kmal.
ge'tif.
D M S
FORTVNATVS
O V I ET D A C V S
V A XXO M X D XX-
H- 0 T B Q
Liucius Octavius, Lucii filius, Dm- Manibus sacrum. For-
Arnensi, Scaeva, vixit annos . . . tunatus , qui et Daeus , vixit,
menses VIII., dies XXI., fecit annos XXII., menses X., diesXX.
pater. Hie ossa tun hene qiuescanf.
Abhandlungen d. I. Kl d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. II. Ahthl.
32
260
s
E
V
s
V
N
I
0
s-
E-
XLVI. Denkmal.
Kazareen.
M- F L A V I V S
CVNDVS FILI
F E C I T
I- FLAVIO SEC
DO P A T R I P
VIXIT ANN. CXII H
FLAVIAE VRBANAE
MATRI P I A E V I X-
ANN- C V- H- S- E-
ET SECVNDAE SO
R 0 R I VA XXn H S E-
ET MARCELLO FRA
TRI P V- A- XX- H S- E
FL. MARTI ALI FRATR-
MILIT- A XH- V- A XXXV H- S- E-
FLSPERATAE SORO
R I P V A XXXVIII H S E
AEMILIAE SEX- FIL
PACATAE VXORI PIAE
FLAMINICAE PERP-
V I X- ANN LIII H S E
T FLAVIVS T FILIVS
PAP SECVNDVS IPSE
FLAMEN PERP V I X-
AN L X. H S E.
FL- T FILIAE PACATAE FLA
MINICAE PERP. COL- THE
LEPT FILUE N LIBERA MA
TER STATVAM POSV1T
V- A XV- M- X- H- S- E-
...FRAT ET SECVNDI
VXOR PIA VIX- AN- LXXXVUI H SB-
261
Marcus Flavius Secundus filius fecit Jnlio Flavio Secundo pa-
tri pio, vixit annos CXII. Hie situs esf. F'laviae Urbauae matri piae,
vixit annos CV. Hie sita esf et Secundae sorori, vixit aimosXXII.
Hie sita est et Marcello fratri, nie vixit annos XXII. Hie situs est.
Ylavio Martiali fratri, mWiUivit annos XII, vixit annos XXXV. Hie
situs est. Wlaviae Speratae sorori, nie vixit annos XXXVIII. Hie
sita est. Aemiliae, Sexti üliae, Pacatae uxori piae, Flaminicae per-
netuae, vixit annos IAH. Hie sita est. Titus Flavius, Titi filius,
Vapiria, Secundus, Ipseus?, Flamen nernetuus, vixit anno* LX.
Hie situs est. Flaviae, Titi filiae, Pacatae, Flaminicae nernetuae
coloniae Thevestes et Lepü'??, filiae , TSumeria (ISumisia) Libera,
mater statuam posuit , vixit annos XV., menses X. Hie sita
est .... Secundi . . uxor , pia vixit annos LXXXVIII. Hie
sita est.
Die Abschrift des Denkmals bei Temple~) liest Z. 5. PA-
TRITIO für PATRI PIO u. Z. 15. PATILA für MILIT- A
XLVII. Denkmal. XL VIII Denkmal.
Setif. Se'tif.
?■ AELIVS P FIL- PAPIRIA IVLIAE MAIORI
SATVRNINVS OMNIBVS SPONSAE ACMARI
HONORIBVS FVNCTVS TE RARISSIMAE
V- A LH- H S- E- IVLIA P- OCTAVIVS LAE
VICTORINA MARITO RARISSIMO TVS FLAM* COL1
A P CLXXXXI P P FECIT
Publius Ae\\üs,l?ublii filius, Pa- Juliae Majori sponsae ac ma-
piria, Saturninus , omnibus liono- ritae rarissimae Publius Octavius
*) F.xcursions in the Mediterranean. Vol. II. p, 330. N. 108.
32*
262
ribus functus , yixii sumos LH. Laetus, Flamen coloniae, uer-
Hic situs est. Julia Victorina tuus fecit.
marito ranssimo, Anno Vrovinciae
centesimo nonagesimo primo
(p. Chr. 149.)
XLIX. Denkmal.
Lambesa.
D M S
. . VRIAE PROCIL
V1XIT ANNIS LXX-
.CORNELIVS
FLACCVS MILES
LEG IIF AVG P V
MATRI AMAN
TISSIMAE FECIT
FECIT
Dm* Manibus mcriini. Vetuv\ü,e Diis Manibus sacrum. Cajo
VrocWlae , vixit annis LXX . . Julio Publicoui, vixit anwos L
Cornelius Flaccu.s, miles Legio- Julius Donatus patri fecit.
nis III. Äwgustae niae xindicis,
jnatri ainantissimae fecit.
L
. Denk
Setif
ma
1.
D M-
S-
C-
I V L I 0
P
V B L
I
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V A
L
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D
0
N
A T
V
s
P
A T
R
I
F
E C
I
T
263
LI. Denkmal.
El Kaitiara.
D M S
THEMARSA
I HAR1ANI <$ PATRI
MERENTI V I X ANN
IS LXXX FECIT HARIAN
THEMARSA FILIVS
Diis Manibus sacrum. The-
mars/te, Hariani filio, patri me-
renti, vixit annis LXXX, fecit
Hariauius Themarsa filius.
Das Denkmal bildet eine Tod-
tenkiste 0,50 hoch , 0,98 lang,
0,45 breit. Die ersten 2 Zeilen
stehen auf dem Deckel.
LH. Denkmal.
El Kaitiara.
D M S-
1IERENI RVFIL
LAE MATR1 VIX
ANN1S LX FECIT
MERENTI HARI
THEMARSA FI
LIVS M A 1 0 R
Y)iis Manibus sacrum. Heren-
ni«e Rufillae matri, \ixit annis
LX. fecit merenti Harianim The-
marsa filius major.
Eine Todtenkiste 0,50 hoch,
0,98 lang, 0,45 breit. Die 4 er-
sten Zeilen befinden sich auf dem
Deckel.
LUI. Denkmal.
Consta iti ine,
A POMPE10
M FIL- QVIR MA
RITIMIANO
L- NAEVIVSLI
B O P A T R V V S
Aulo Pompejo, Marci Mio, Qui-
rina, Maritimiano, "Lucius Nae-
vius Libo patruus.
LIV. Denkmal.
Comtantine.
A POMPE
IVS A- FIL
QVIR
M A R I T I
M I A N V S
Atilus Pompejus, Auli ixMus,
Qmriua, Maritimianus.
264
Die Namensform Maritimianus ist von dem öfters vorkommen-
den Cognomen Maritimus gebildet, wie Martialianus, Denkmal XXIV.
und XXIX. von Martialis.
LV. Denkmal.
Se'tif.
D- M- S
M VLP- VRBA
NVS V A XXXII
H S E
LVI. Denkmal.
Setif.
D M S-
M VLP VRBA
NVS IVNIOR
V- A- IIA M V
H- S E
Bits Manibus sacrum. Marcus ftns Manibus sacrum. Marcus
Ulpw* Urbanns , vixit smnos Ulpms Urbanus , junior , xixit
annoslV. menses V. Hie situs est.
XXXEL Hie situs est.
LVII. Denkmal.
IWi-Bu-Ilif.
D- M- S
OPPIO ASARCIO OPPI FII/ VIX AN XL-
ME MMIA VENE RIA CONIVGI MAE (sie)
RENTI VNA CVM P- TRERIO HO
NORATO PARENTE FECIT
Diis Manibus sacrum. Oppio
Asarcio, Oppi fih'o , yixit anno«
XL. Memmia Veneria, conjugi
merenti, una cum Publio Trebio
Honorato pareute fecit.
LVIU. Deukmal.
Setif.
D M S-
CAE VALEN
TINVS VIX AN. VII-
CAE- IANVARIVS FIL
R A R I S S I M 0
H- S E-
Diis Manibus sacrum. Caelius
Valentinus yixit annos VII. Cae-
lius Jauuarius , fih'o rarissimo.
Hie situs est.
265
LIX. Denkmal.
Setif.
D M
A V R E L I A
PRIMA V I X-
A N XL VIII
EVTYCHES
G E N E R E T
SATVRNIA N
FLA- MATRI
PIISIMAE FE
CERVNT ET
DEDICAVERVNT
Diis Manibus. Aurelia Prima
yixit annos XLVIII. Eutyches
gener etSaturniam/s Flamen matri
piissimae fecerunt et dedica-
verunt.
LX. Denkmal.
Setif.
(Monogramm Christi.)
M- CALVARI IN PACE
VIXIT ANIS T R ES
A I) A S P
CVI MEMORIA FE
CIT M ARIMANVS AVVS
CVM ADVTORE FILIO SVO
AN P DXXXXVI ?
Marci Calvari in pace, vixit
annis tres, ante diem... sepultus,
cui memoria//» feeit Marcus Ari-
manus avas cum adjutore filio
suo anno Provinciae DXXXXVI. ?
(p. Chr. 504.)
LXI. Denkmal.
Mudhar Waled Ayar.
C VERRIVS ROGATVS 0 QVINTILI FIL- FL- PP III VIR
OMNIBVS HONORIB FVNCTVS PIE VIX- AN LXV-
H- S- E-
Caius Verrius Rogatus, Qainti Quintili filius, Flamen perpetuns,
Triumvir, omnibus honor'ibus functus pie yixit annos LXV. Hie
situs est.
266
P
R
0
0
LXII. Denkmal.
Constantine.
0 M P E I
E S T V T
IVDEO
POMPEIA CARA
PATRI CARIS
SI M 0
FECIT
Pompejo Restituto Judaeo Pom-
peja Cara patri carissimo fecit.
LXIH. Denkmal.
Tlemsen.
D M- S-
IVL CECILIA VIX
ANNIS LI MIX CVI
VIR ET FILII FEC DO
MVM ETERNAL
A P CCCCLXXXVII
Djis Manibus sacrum. Julia
Caecilia \\xit annis LI., menses
IX., cai vir et filii fecerunt do-
inum aeterualem autio Vrovinciae
CCCCLXXXVU. (p. Chr. 445.)
LXIV. Denkmal.
An
eiw.
SEXCORNELIO-
SEX F 1 L Q V I R- HO
N 0 R A T 0 PONT
MI LIT EQVESTRIB
EXORNATO PROC
SEXAGENARIO-
PROC- MESOPOTA
MIAE ET MAV EX TES
T A M E N E I V S D E M
M CAECIL CAECI
L 1 A N V S H E R E S
Sexto Cornelio, Sex// f\\io, Quirina. Honorato, Pontifta, mili-
tiis equeslribi/.y exornato, Vvocurafori sexagcnario, Procuratori Meso-
potamiae et Mauretaniae , ex testamenfo ejusdem Marcus Caecil?M.v
Caecilianus heres.
267
LXV. Denkmal.
Tlemsen.
D M S
Q MARCO RVS
TICO FERRO PE
TITO QVl VIXIT
ANN XXXIII
M HI D XXI H V
MAECII AFRI
KANVS ET DO
NA T VS F R A
TRI INNOCEN
TISSIMO
Diis Manibus sacrum. Quinto Marco Rustico ferro petito, qui
vixit annos XXXIII, menses III, dies XXI, horas V, Maecii Afri-
kanin et Donatus fratri innocentissimo.
Q. MARCO. M. Hase1) glaobt nach M. Lebas2) Vorgang, für
Marco Maecio lesen zu müssen; allein dass eine und dieselbe Per-
son 2 Vornamen führt, ist besonders in späterer Zeit nicht selten.
Marini3) hat über diesen Fall mehre Beispiele gesammelt. Da die bei-
den Brüder des Rusticns sich Maecii nennen, d. i. der Familie der Mäcier
angehörig, so konnte dieser Gentilname bei Rusticus füglich wegbleiben.
FERRO PETITO. Der Ausdruck ferro peti weist auf einen
Tod, den jemand von Mörderhand oder in dem Amphitheater erlei-
det, hin, was auch der Ausdruck innocentissimo zu bestätigen scheint.
*) Journal des Savants 1837 Juliet p. 430.
2) Journal general de l'Instruction publique du 7 aoüt 1836.
s) Frat. Arv. p. 234 XLVHI. Cf. p. 162, 354, 672, 677, 735.
Schluss der ersten Abhandlung.
Abhandlungen der I. Cl. d. lt. Ak. d. Wiss V. Bd. II. Ablli. 33
Inhalts -Verzeichniss der röin. Denkmäler.
I. Römisch-bayeriche Denkmäler.
Seite.
I. Tabula honestae missionis von den beiden Kaisern Philippus
dem Praetorianer Marcus Braetius Justinus i. J. 248. ertheilt (mit
Facsimile) . 171
II. Volivdenkmal für die Victoria, im J. 312. am 29. Juni zum Wohle
der Kaiser Maximin, Constantin und Licinius wegen eines Sieges
errichtet. (Mit Abbildung) 184
II. Denkmäler aus Algerien.
A. Denkmäler zur Verehrung der Götter.
1. Denkmal. Gelübdestein für Pluto und Ceres von Quintus Numerius
Marinus. In Setif befindlich 188
II. Denkmal. Gelübdestein für Merkur von Marcus Aurelius Aemili-
anus. In Diana (Taggou-Zainah) , 189
III. Denkmal. Gelübdestein für Diana Maurorum von Lucius Mami-
lius Castus und Lucius Aemilius. In Setif : . 191
IV. Denkmal. Gelübdestein für Mars Victor von Marcus Ulpius An-
dronicus. In Setif 192
V. Denkmal. Tempelaufschrift für Aesculap und Salus., von den Kai-
sern Marcus Aurelius Antoninus und Lucius Aurelius Verus. In
Lambesa 193
VI. Denkmal. Gelübdestein für Janus Pater von Marcus Aurelius Fe-
lix. In Diana 193
269
Seite.
VII. Denkmal. Gelübdestein für Saturnus von Lucius Julius Paetus.
In Setif 194
VIII. Denkmal. Gelübdestein für die Victoria von Decimus Fonte-
jus Frontinianus und Marcus Cossinius 195
IX. Denkmal. Gelübdestein für die Victoria von Marcus Longejus
Silvanus. In Setif 196
X. Denkmal. Gelübdestein für die Virlus von Marcus Ulpius Avi-
tus, nach Beschluss der Decurionen. In Setif ...... 196
XI. Denkmal. Gelübdestein für die Dea coelestis und Mercurins von
Cajus Julios, errichtet im J. 196. der Provinz Mauretanien, 154
n. Chr 197
XII. Denkmal. Gelübdestein dem Genius von Lambesa für das
Wohl der Kaiser Septimius Severus und Caracalla und der Ju-
lia Domna, von Quintus Anicius Faustus gewidmet und errich-
tet von Lucius Balbius Faustanus. In Batnah 200
XIII. Denkmal. Gelübdestein dem Genius der Legio IH.Augusla Pia
Vindex für das Wohl der Kaiser Sept. Severus und Caracalla,
sowie der Julia Augusta, von Afranius Paetus errichtet, und
gewidmet von Quintus Anicius Faustus. In Batnah .... 205
B. Denkmäler zur Ehre der Kaiser.
XIV. Denkmal. Denkstein für den Kaiser Nerva Trajanus, errichtet
nach dem Beschlüsse der Decurionen im J. HO n.Chr. In Setif 206
XV. Denkmal. Denkstein für den Kaiser Antoninus Pias, vom J. 138
nach Beschluss der Decurionen. In Diana 207
XVI. Denkmal. Denkstein für den Caesar Marcus Aurelius, nach ei-
nem Beschlüsse der Decurionen im J. 145? errichtet. In Diana 20$
XVII. Denkmal. Denkstein für den Kaiser Antoninus Pitts von Lu-
cius Petronius Januarius im J. 156. n. Chr. errichtet. In Setif 209
XVIII. Denkmal. Denkstein für den Kaiser Antoninus Pitts von Cajus
33*
270
Seite.
Julius Cnesianus nebst einer Bildsäule im J. 163? errichtet In
Diana 210
XIX. Denkmal. Denkstein für den Kaiser Sept. Severus und seine
Söhne Caracalla und Geta, im J. 208. n. Chr. von Marcus
Caesius Begianus errichtet. In Setif 212
XX. Denkmal. Denkstein, ehrend das Andenken der Julia Domna.
des Sept. Severus und Caracalla, von der Stadt Cirta im J. 202
errichtet. In Constantine 214
XXI. Denkmal. Denkstein zum Andenken an die Ausschmückung der
Schola der Optionen unter dem Quaestor Lucius Egnatius Myro.
In Batnah 227
XXII. Denkmal. Denkstein für den Kaiser Flavius Valerianus Con-
slantinus, im J. 315 n. Chr. errichtet. In Setif 228
XXIII. Denkmal. Denkstein für den Caesar Publ. Com. JAcinius Valeri-
anus, den Sohn des Kaisers Publ. Licinius Gallienus, von der
Colonia Nei viana Augusta Martiana Veleranorum' Sitifensium, nach
einem Beschlüsse der Decurionen errichtet. In Setif .... 230
('. Denkmäler, zur Ehre von Militärpersonen und Civilbeamten
errichtet.
XXIV. Denkmal Denkstein zur Ehre des Publius Julius Juniamis
Martialianus von der Stadt Cirta. nach dem Beschlüsse des Se-
nates daselbst. In Constantine 234
XXV. Denkmal. Denkstein für Marcus Coculnius Quintilianus von
Florus, des Labeao Sohn, nach Beschluss der Decurionen in Cirta
errichtet. In Constantine 236
XXVI. Denkmal Denkstein dem Lucius Julius Victor Modianus von
Junius Vindex und Diotimus. errichtet. In Constantine . . . 237
XXVII. Denkmal. Denkstein für Marcus Valerins Maxiinianus von Re-
frius Maximus errichtet. In Lambesa 238
XX\ III. Denkmal. Denkstein für Publius Julius Geminius Marcianus
von . . . urmius Felix nach dem Beschlüsse der Decurionen. 240
In Constantine
271
XXIX. Denkmal. Denkstein für Publius Julius Junianus Martia-
lianus von Gaius Calventius Januarius. In Lambesa . . . 247
XXX. Denkmal. Denkstein für Decimus Fonteius Frontinianus und
Jul. Stertinius Rufus von Sextus Terentius Saturninus. In
Lambesa 248
XXXI. Denkmal. Denkstein für Marcus Aurelius Seranus. In Nabal 248
XXXII. Denkmal. Denkstein zur Erinnerung an die Zutheilung von
Trinkwasser für die Bewohner der Stadt Thysdrus. In El
Djem 249
XXXIII. Denkmal. Denkstein für Caius Helvius Honoralus, nach Be-
schluss des Senates der Stadt Fulvia Kurubis ..... 250
XXXIV. Denkmal. Denkstein, den Coelius Laettts und Marcus Coelius
Pacatus aus Strafgeldern nach dem Beschlüsse der Decu-
rionen errichten Hessen. In Nabal . . . .' 250
XXXV. Denkmal. Denkstein für Marcus Maecilius von Publius Pa-
conius Cerialis, nach Beschluss derDecurionen. In Constantine 251
XXXVI. Denkmal. Denkstein für Cnejus Domitius Malchio von den
Aedilen Lucius Sertorius und Lucius Vitruvius aus Alexan-
drien, wegen Herstellung eines Pluteums, einer Schola und
eines Horologiuras errichtet, während des Consulates des
Marcus Appulejus und Publius Silio. Im J. 20 n. Chr. In Kurba 252
XXXVII. Denkmal. Denkstein für Sextus Cocceius Viöianus, als Patro-
nen des Municipiums, nach Beschluss der Decurionen. In
Tlemsen 253
XXXVIII. Denkmal. Denkstein für Statins . . . Memmius, nach Beschluss
der Decurionen. In Constantine 253
XXXIX. Denkmal. Denkstein, den Marcus Petronius Fortunatus sich,
seiner Gattin Claudia Marcia Capitolina und seinem Sohne
Marcus Petronius Fortunatus errichtete. In Kazareen . . . 255
XL. Denkmal. Denkstein, die Namen von Soldaten, die zur Er-
richtung der Schola (Denkmal XXI.) Beiträge lieferten ent-
haltend. In Batnah 257
272
D. Grabdenkmäler.
Seite.
XLI. Denkmal. Grabstein für Marcus Damatius Urbanus von seinem
Vater Marcus Damatius Felix, am 24. Sept. im J. 190 der Pro-
vinz Mauretanien, 148 n. Chr., errichtet. In Setif .... 258
XLII. Denkmal. Grabstein für Quintus Domitius Saturninus In Setif 259
XLIII. Denkmal. Grabstein für Caius Antonius Matemus. In Batnah 259
XLIV. Denkmal. Grabstein für Lucius Octavius Saeva. In Batnah 259
XLV. Denkmal. Grabstein für Fortunatus , auch Dacus genannt. In
Setif 259
XL VI. Denkmal. Grabstein, den Marcus Flavius Secundus für die
nachgenannten Glieder seiner Familie errichtete : Für Julius
Flavius Secundus, Flavia Urbana, Secunda, Marcellus, Flavius
Martialis, Flavia Sperata, Aemilia Pacala, Titus Flavius Se-
cundus, Flavia Pacata. In Kazareen . • . 260
XLVII. Denkmal. Grabstein für Publius Aelius Saturninus von Julia
Viclorina errichtet im J. 149. In Setif 261
XLVIU. Denkmal. Denkstein für Julia Major, von Publius Octavius
Laetus errichtet. In Setif 261
XLIX, Denkmal. Grabstein für Veluria Procilla , von Cornelius Flac-
cus. In Lambesa . . 262
L. Denkmal. Grabstein für Caius Julius Publico, von Julius Do-
natus. In Setif , . . . 262
LI. Denkmal. Grabstein für Themarsa , von Harianus Themarsa.
In El Kantara 263
LH. Denkmal. Grabstein füs Herenia Rufilla, von Harianus The-
marsa. In El Kantara 263
LIII. Denkmal. Grabstein für Aulus Pompejus Marilimianus von Fla-
vius Naevius Libo. In Constantine 263
LIV. Denkmal. Grabstein für Aulus Pompejus Maritimianus. In Con-
stantine . 263
LV. Denkmal. Grabstein für Marcus Ulpius Urbanus. In Setif . . 264
273
Seite.
LVI. Denkmal. Grabstein für Marcus Ulpius Urbanus Junior. In
Setif . 264
hyil. Denkmal. Grabstein für Oppius Asarcius, von Memmia Veneria
und PubliuS Trebius Honoratus. In Vedi-Bu-Ilif 264
LVHI. Denkmal. Grabstein für Caelius Valentinus , von Caius Cae-
lius Januarius. In Setif 264
LIX. Denkmal. Grabstein für Aurelia Prima, von Eutyches und Sa-
turnian. In Setif. 265
LX. Denkmal. Grabstein für Marcus Calvarius von Marcus Arima-
nus. In Setif 265
LXI. Denkmal. Grabstein für Caius Verrius Rogatus. In Mudbar Wa-
led Ayar 265
LXII. Denkmal. Grabstein für den Juden Pompejus Restitutus, von
seiner Tocbter Pompeja Cara. In Constantine ...... 266
LXIII. Denkmal. Grabstein für Julia Caecilia, der ibr Gatte und Sohn
das Grabmal im Jahre 445 p. Chr. errichtete. In Tlemsen 266
LXIV. Denkmal. Grabstein für Sextus Cornelius Honoralus , von sei-
nen Erben Marcus Caecilius Caecilianus errichtet In Arzew . 266
LXV. Denkmal. Grabstein für Quinlus Marcus Ruslicus, von seinen
Brüdern Maecius Afrikanus und Maecius Donatus errichtet.
In Tlemsen 267
1
fr
2:
i. j
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Cor rigenda.
Pag. 4 Hn. 8 lege: aut excusatam pro aulexcus. — P. 5 1. 7 lege: prae-
sesserit pro processit. — P. 6- 1. 18 adde: „Aocu post Facit, — P. 8 1. 28
lege: parat pro parant. — P. 9 1. 23 lege : vrtrjosoiav pro bnaorjolav. - — P. 11
1. 20 dele pro. — P. 11 1. 29 lege: induantur pro indueantur. — P. 12 1. 21
lege: trimetrorum pro trimeticorum. — • P. 13 1. 7 lege: d'io&rjuaoi. — P. 15
1. 12 lege: xe pro re. — P. 16 1- 18 scribe: qui a pro quia. — et debuil
pro debui. — P. 18 1. 5 dele infra. — P. 22 1. 10 lege: fere pro seu. —
P. 24 1. 15 lege: al'ow^ pro a?w. — P. 24 1. 17 lege: 779 pro 767. — P 24
I. 24 lege: deprompta pro depromti. — ■ P. 27 1. 1 lege: tcq£V{ievwq pro noev-
(.izvvjg. — P. 27 1. 5 scribe: <o/.t(o^a aov. — P. 27 1. 10 lege: tioXXm pro
rioXXä. — P. 27 1. 21 lege: videt pro vides. — P. 29 1. 2 lege : näoeaxl pro
z't'veorl. — P. 30 v. 29. lege: Athonis pro Athoa. — P. 32 1. 16 lege: quin
pro qui. — P. 33 1. 2 lege: eamqve illalam. — P. 33 1. 3 lege: metro pro
metra. — P. 33 1. 30 lege: suaserunt pro senserunt — P. 34 1. 26 lege: ut
pro et. — P. 35 1. 25 adde vox ante naQW/yeikccaa. — P. 36 1. 15 lege:
explicitus pro explicitas. — P. 37 1. 4 lege : imposita pro inposita. — P. 38 1. 21
lege: Cithaeronia pro Messapium. — P. 471. 13 lege: Asopus pro Aesopus. —
P. 41 1. 25 lege: quos pro quosque et Athonis pro Atho. — P. 42. 1. 20 lege:
XeiQoiv pro %*()rt7i'. — P. 43 1. 5 scribe: tvxo). — P. 48 1. 13 lege: aut nulla
est pro est et. — P. 48 1. 20 dele vocern haec. — P. 48 1. 23 lege: Hes. Opp.
II. 219 pro 603. — P. 48 1. 30 lege: quae impura x uvayva sunt pro impure
avayva essent — P. 49 1. 9 lege: rem pro reum. — P. 49 1. 12 lege: (pövov
pro (pooor. — P. 51. v. 12 adde post vestigium esse. — P. 51 1. 21 lege:
vno pro lino. — P. 53 1. 3 lege: ab pro oi\ — P. 53 1. 7 lege: potuisse pro
posse. — P. 53 1 21 scribe: nqoaamwv pro noooeiniov. — P. 53 1. 27 lege:
corruptum esse pro est. — P. 54 1. 13 dele vocem Laertae. — P. 54 1. 16
scribe: Truhe pro True. — P. 54 1. 19 lege: amplum pro aptum. — P. 55.
]. 3 scribe: (.tev pro f^evo. — P. 55 1. 18 lege: quod ingresso exitum non pro
neque exitum ei. — P. 56 1. 17 lege: y^Aiyrvjfft pro (filx^oi. — P. 58 1. 29
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abth. 34
27 (i
lege: insunientem exhibere judicaretur pro insanire arbilraretur. — P. 59.1. 5
lege: aeque ac Meineckio pro quidem. — P. 59 1. 10 lege: utriusque tyranni
pro tyrannorum. — P. 60 1. 8 lege: avio pro aucov. — P. 60 1. 14 lege:
Xeyco pro ipäyto. — P. 60 1. 18 scribe a>g (palveiy.ax.6v. — P. 60 1. 27 scribe :
avvoiaio. — P. 64 1. 26. lege: potueritpvo possil. — P. 65 1. 8 lege : Scholiasta
pro seholiaste. — P. 66 1. 21 Interrogationis signum post potuit ad finem sen-
tentiae transferenduni. ■ — P. 64 1. 24 lege: vertit pro verbis. — P. 66 1. 29
lege: rixis pro vixis et irritam pro inirä. — P. 67 1. 6 scribe: mg. — P. 67
1. 25 ackle: aliquid posl significantius. — P. 63 1. 4 scribe: ßöXig. — P. 68
1. 15 scribe: 2iiQttjyeveg. — P. 69 I. 15 lege: quibus pro quae. — P. 69 1.
30 lege: eis pro ei. — P. 69 1. 31 lege: velint pro velil. — P. 70 v. 17
scribe: ioagO-rjßea^e. — P. 70 v. 18 scribe: obiciQoerca>v. — P. 77 1. 5 lege:
ex pro et. — P. 79 1. 15 interpunge : Corrigo : alter um : — P. 86 I. 22 lege:
sitas pro siti. — P. 92 1. 3 lege: suppleas pro supphal.
S. 112 Z. 10 v. u. lies: Nr. 2 u. 3. statt Nr. I. u. II.'— S. 122 Z. 8. v.
u. lies: Nr. 4. statt Nr. IV. — S. 116 Z. 16 v. ob. lies: wieder statt f/ixler. —
S. 117 Z. 9 v. u. lies: T. IV. — S. 120 Z. 8 v. ob. lies: (N. 18.) für (N. 19.)
— S. 121 Z. v. ob. schreib: Täaaovaiv. — S. 121 Z. 12 v. ob. lies: ehat.
Dass für tivai, dass. — S. 121 Z. 13 v. ob! lies: (v. 389) für (v. 366). —
S. 123 Z. 4 v. ob. lies: (Nr. 1, 2, 4, 5) für (N. 1, 2, 3, 4). -- S. 123. Z. 5
v. ob. lies: (N. 4) für (N. 5). — S. 123 Z. 9 v. ob. lies: tiefen für tiefem. —
S. 123 Z. 12. V. ob. lies: Thranen für Thrünen. — S. 126 Z. 13 v. u. lies:
632 für 652 — S. 126 Z. 11 v. u. schreib: dl — S. 126 Z. 6 v. u. lies H für
Jl. — S. 128 Z. 7 v. u. schreib: öehfLVid'>g. -- S 131 Z. 2 v. u. lies: Stosch.
- S. 133 Z. 1 v. ob. lies: Stosch. — S. 133 Z 5 v. ob. lies (add. ut) für
(add us.) — S. 133 Z. 6. v. u. schreib: eyxo?u<7icoig. — S. 133 Z. 5 v. u.
schreib: ravrtj zrj xeXvrj — S. 135 Z. 1 v. u. lies.- Saturttal für Satural. — [S.
136 Z. 6 v. ob. lies: Ilr^aaiog für Iltjoaoog. — S. 136 Z. 7 v. ob. lies: ovk-
Xaßai für avXlßßul — S 136 Z. 14 v. ob. lies: Raotd-Rockette s für Raoul-
Rochette. — S. 137 Z. 2. v. ob. lies: dieser für diese. — S. 137 Z. 6 v. ob.
lies: Tlrjodoingl für ür^aoogl — S. 137 Z. 9 v. ob. lies: eotlv insiQ. — S.
137 Z. 10 v. ob. lies: EvrjvoQng für EinjV7iQog.
S. 250 ist XXXIII. Denkmal Z. 8 KVRVBIS für KVR1B1S und ebenso
Z. 12 Kurubis zu lesen.
ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH -PHILOLOGISCHEN CLASSE
MEB KÖMGLICH BAYERISCHEM
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN
FÜNFTEN BANDES
DRITTE ABTHEIFMG.
IN DER REIHE DER DENKSCHRIFTEN DER XXI. BAND.
MÜNCHEN
1 8 4 9.
AUF KOSTEN DER AKADEMIE.
GEDRÜCKT IN DER J GEORG WEISS'schen RUCHDRUCKEREI.
Inhalt.
Seite
Die ältesten Münzen der Grafen von Hohenlohe, oder zwanzig bisher
meist unbekannte Pfennige des Herrn Ulrich von Hohenlohe.
Ein Beitrag zur Geschichte der Grafen von Hohenlohe von
1371 bis 1408, von Dr. Franz Streber. (Mit einer Tafel Ab-
bildungen.) 1
Ueber das Erechtheum auf der Akropolis zu Athen. Von Friedrich
Thiersch. Erste Abtheilung 79
Epistola Roscelini ad P. Abaelardum. Editore J. A. Schneller . . . 187
Feber die Endung - e% [-es] spanischer und portugiesischer Familien-
namen, von J. A. Schmeller 211
Q. Valerii Catulli Veron. über. (Ex rec. C. Lachmanni. Berol. typis et
impensis Ge. Reimeri. A. 1829.) Vorschläge zur Berichtigung
des Textes von Joh. v. G. Fröhlich 233
ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH- PHILOLOGISCHEN CLASSE
DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.
FÜNFTEN BANDES
DRITTE ABTHEILDNG.
Die ältesten Münzen
der
Grafen von Hohenlohe
oder
zwanzig bisher meist unbekannte Pfennige des
Herrn Ulrich von Hohenlohe
Ein Beitrag zur Geschichte der Grafen von Hohenlohe
von 1371 bis 1408
von
Dr. Franz Streber.
Mit einer Tafel Abbildungen.
Abhandinngen der I. Cl. d. k. Ak d. Wiss. V. Bd. III. Abthl.
Die ältesten Münzen
der Grafen von Hohenlohe
oder zwanzig bisher meist unbekannte Pfennige des Herrn Ulrich
von Hohenlohe, ein Beitrag zur Geschichte der Grafen von
Hohenlohe von 1371 bis 1408,
Von
Dr. Franz Streber»
W or kurzem übergab der den Numismatikern rühmlichst bekannte
hohenlohische Assessor und Archivar Joseph Albrecht dem liter-
arischen Publikum ein eben so durch Gründlichkeit wie Vollständig-
keit ausgezeichnetes Werk unter dem Titel: „Münzgeschichte des
Hauses Hohenlohe, vom dreizehnten bis neunzehnten Jahrhundert,
nach Original-Urkunden und Münzen. 1844 4° mit 6 Tafeln Abbil-
dungen." Daselbst sind namentlich die ältesten auf das Münzwesen
des genannten Hauses bezüglichen Urkunden sorgfältig zusammen-
gestellt und alle die Gepräge, welche dem fleissigen Sammler zu Ge-
sicht kamen, in Beschreibung und Abbildung mitgetheilt. Allein was
Albrecht aus dem Ende des vierzehnten und den ersten Jahren des
fünfzehnten Jahrhunderts aufzufinden vermochte, beschränkt sich
auf 3 Stücke, die er auf dem Titelblatte seines Werkes abbilden Hess.
Wir sind im Stande, eine ganze Reihenfolge, und zwar, wie
wir zu beweisen hoffen, gerade der ältesten hohenlohischen Gepräge
hinzuzufügen.
4 5J5
Da wir uns jedoch nicht mit einer blossen Mittheilung der Ge-
präge begnügen können, sondern je räthselhafter Bild und Aufschrift
erscheinen, am so mehr uns für verpflichtet halten auf eine Erklär-
ung derselben einzugehen, so gestaltete sich die vorliegende Ab-
handlung unwillkührlich zu einer historischen Untersuchung, die den
ganzen Zeitraum, in welchem Ulrich von Hohenlohe lebte, zu umfas-
sen hatte.
Wäre es mir möglich gewesen, eine Schrift des Herrn Hofrath
W. Hammer, unter dem Titel: „Beiträge zur Genealogie des fürstli-
chen Hauses Hohenlohe für den Zeitraum von 1220 bis 1 490.1 Oeh-
ringen 1843. 4° " zur Einsicht zu erhalten, so würde ich ohne Zwei-
fel viele Mühe erspart haben und vielleicht auch bei mancher Frage
zu einem andern Ergebnisse gekommen seyn. Da ich jedoch auf die
in einzelnen Druckschriften zerstreuten Urkunden und die wenigen
Vorarbeiten, die überdiess nicht selten keineswegs miteinander über-
einstimmen, beschränkt gewesen bin, so wird man bei der Beurth ei-
lung der nachstehenden Untersuchung nachsichtiger sein. Ich selbst
habe, da es sich zunächst nur um Aufhellung der noch dunklen
Periode der Geschichte Ulrichs und seiner Brüder handelt, meinen
Zweck erreicht, wenn vielleicht Herr Assessor Albrecht hiedurch
veranlasst wird, durch die noch unedirten Urkunden des hohenlohi-
schen Archivs die eine oder andere der hier ausgesprochenen An-
gaben zu bestättigen oder umzustossen und zu berichtigen; denn
auch Irrthümer können zur Aufhellung der Wahrheit beitragen.
1.
Beschreibung der Münzen.
1.
Pfennige mit drei Brustbildern.
1 ) Zwischen den Buchstaben V - 0 und über einem Postamente
ein vorwärts gekehrtes Brustbild in blossen Haaren.
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett und Spitzen-
kragen zwischen drei, oben durch Spitzbogen verbundenen Säu-
len, deren mittlere mit einem Thürmchen geschmückt ist, unten
ein (heraldisch) rechs schreitender Leoparde. & Abbild. N. 1.
2) Vorderseite wie die vorige, aber das Brustbild grösser, das
Postament verschieden iind unter demselben ein Stern.
Rückseite wie die vorige, aber von anderem Stempel. $.
Abbild. N. 2.
3 ) Zwischen den Buchstaben 0 - V und über einem Postamente
ein vorwärts gekehrtes Brustbild in blossen Haaren.
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett und Spitzen-
kragen zwischen drei, oben durch Spitzbogen verbundenen Sän-
len, deren mittlere mit einem Thürmchen geschmückt ist; unten
ein (heraldisch) rechts schreitender Leoparde. '&. Abbild. N. 3.
4) Vorderseite wie N. 3., aber das Brustbild grösser, das Posta-
ment verschieden und unter demselben drei Sterne.
Rückseite wie N. 3., aber von anderem Stempel. & Abbild. 2V. 4.
5) Vorderseite wie N. 4.
Rückseite wie N. 4., aber die mittlere Säule ohne Thürmcbeu.
S. Abbild. N. 5.
6) Vorderseite wie N. 4.
Rückseite wie N. 4-, aber statt des schreitenden Leoparden
nur ungeschickt gezeichnete Striche. & Abbild. N. 6.
7) Vorderseite wie N. 4.
Rückseite wie N. 4-, aber ohne den schreitenden Leoparden.
& Abbild. N. 7.
8) Vorderseite wie N. 4.
Rückseite wie N. 4-, aber ohne die mittlere Säule. S. Abbild.
N. 8.
9) Zwischen einem Punkte und einem Sternchen und über einem
Postamente ein vorwärts gekehrtes Brustbild in blossen Haaren-
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett und Halskra-
gen, dazwischen eine Säule, unten zwei Sterne. «S". Abbild.
N. 9.
10) Zwischen den Buchstaben ? - 0 ein vorwärts gekehrtes, et-
was undeutliches Brustbild, im Felde sechs Sterne.
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett und Halskra-
gen; über jedem ein Spitzbogen; unten zwei Sterne. $. Abbild.
N. 10.
11) Zwischen den Buchstaben V- 0 ein vorwärts gekehrter Kopf
in blossen Haaren; im Felde Sterne und Ringelchen.
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett und Halskra-
gen zwischen drei, oben durch Spitzbogen verbundenen Sau-
Jen , deren mittlere mit einem Thürmchen geschmückt ist, unten
ein Stern zwischen zwei Ringelchen S. Abbild. N. 11.
12) Zwischen den Buchstaben V - 0 ein vorwärts gekehrter Kopf
in blossen Haaren, im Felde Sterne und Ringelchen.
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett, über jedem
ein Spitzbogen , in deren Mitte ein Thürmchen , unten zwe i
Sterne. & Abbild. N. 12.
13) Zwischen den Buchstaben V -V ein vorwärts gekehrter Kopf
in blossen Haaren, im Felde Sterne und Ringelchen.
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett, über jedem ein
Spitzbogen, in deren Mitte ein Thürmchen. S. Abbild. N. 13.
14) Zwischen den Buchstaben V-0 und über einem Postamente
ein vorwärts gekehrter Kopf in blossen Haaren, unten ein kleines
Andreaskreuz zwischen zwei Punkten.
Zwei vorwärts gekehrte Brustbilder mit Barett und Halskra-
gen, über jedem ein Spitzbogen, dazwischen ein Thürmchen,
unten ein kleines Andreaskreuz. S. Abbild. N. 14.
2.
Pfennig mit zwei Bildnissen.
15) Zwischen den Buchstaben V-0 und über einem Postamente
ein vorwärts gekehrter Kopf in blossen Haaren, im Felde sie-
ben Ringelchen, unten ein Stern.
Ein Brustbild mit Barett und Halskragen, im Felde (sieben)
Sterne. S. Abbild. N. IS.
3.
Pfennige mit "Bildnis s und Wappen.
16) Zwischen den Buchstaben V-0 und über einem Postamente
ein vorwärts gekehrter Kopf in blossen Haaren , unten ein klei-
nes Andreaskreuz zwischen zwei Punkten.
In einer dreimal gebogenen Einfassung ein Wappenschild mit
zwei rechts schreitenden Leoparden. S. Abbild. N. 16.
17) Vorderseite wie die vorige, aber unten drei Sterne.
Rückseite wie die vorige, aber in den Winkeln der Einfas-
sung ein Blümchen. S. Abbild. N. 17.
18) f VLRICH. Ein Kopf von vorne mit Barett.
f HOENLOCH. Ein Wappenschild mit zwei rechtsschreiten-
den Leoparden. Albrecht Münzgesch. den Hauses Hohenlohe
S. 6. N. 1. Abbild. Titelb.
19) VLRICH. Ein Kopf von vorne mit Barett.
HOENLOH. Ein Wappenschild mit zwei rechts schreiten-
den Leoparden. Hanselmann Römermacht S. 257. Tab. XIX.
Lit. B.
20) f HER ULRICH. Ein Kopf von vorne mit Barett.
f HOENLOCH. Ein Wappenschild mit zwei rechts schreiten-
den Leoparden. Albrecht a. a. 0. N. 3.
9
II.
Erklärung; der Münzen.
1.
Vorliegende Pfennige sind hohenlohisch.
Betrachten wir die vorliegenden Pfennige genauer, so theilen sie
sich nach den Typen, wie bereits schon in der Beschreibung ange-
deutet worden, in drei verschiedene Klassen. Die einen haben drei,
die andern zwei Brustbilder zum Gepräge, die dritten endlich haben
auf der Vorderseite ein Brustbild und auf der Rückseite einen
Wappenschild.
Alle gehören aber, ihrer grösseren oder geringeren Verschie-
denheit ohnerachtet, dem einen und demselben regierenden Hause
und zwar dem gräflich hohenlohischen an. Dass die unter den
Nummern 16 — 20 beschriebenen Pfennige der dritten Gattung ei-
nem Grafen von Hohenloh zugetheilt werden müssen, lehren die Um-
schrift und der Wappenschild mit den zwei übereinander schreiten-
den Leoparden; sind aber diese Münzen hohenlohisch, so ist es auch
der Pfennig der zweiten Gattung N. 15., denn die Vorderseite des-
selben ist von der Vorderseite der Pfennige N. 16 und 17. dem
Wesentlichen nach in Nichts verschieden ; und ist der Pfennig N. 15
hohenlohisch, so müssen die der ersten Gattung N. 1 — -14 um so
mehr dafür gehalten werden, als auch hier die Vorderseite des Pfen-
nigs N. 14. mit dem Gepräge der Nummern 15 — 17 genau über-
einstimmt, die Pfennige N. 1 — 8 aber ohnehin durch das mehr
oder minder deutliche Bild des Leoparden, das unter den zwei
Brustbildern der Rückseite angebracht ist, auf dieselbe Heimath hin-
deuten.
Abhandlungen d. I. Cl. d. h. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abth. 2
10
Dass auf den letztgenannten Münzen nur Ein Leopard ange-
bracht ist, während in dem Hohenlohischen Stammwappen zwei Leo-
parden sich befinden, darf uns nicht befremden. Dasselbe ist auch
der Fall auf den Münzen, welche Gottfried von Hohenlohe als Bischof
von Würzburg (f 1322) schlagen Hess,*) obwohl dort der Stem-
pelschneider weniger wie hier durch den Raum beengt war. Es exi-
stirt sogar, wie Albrecht versichert**), ein altes hohenlohisches Si-
gel, worauf sich nur Ein Leoparde zeigt.
2.
Vorliegende Pfennige sind von einem Grafen Ulrich.
Wie aus den Typen die Heimath, so wird aus der Aufschrift
der Name des Grafen, der unsere Münzen schlagen Hess, ohne
Schwierigkeit sich finden lassen.
Die ersten siebenzehn Pfennige haben mit Ausnahme zweier
Stücke — des neunten und dreizehnten — sämmtlich die Buchsta-
ben V und 0 zum Gepräge. In diesen Buchstaben muss, darüber
kann kaum ein Zweifel obwalten, der Name des Münzfürsten ent-
halten sein und zwar sind nur vier Fälle möglich, wie dieselben er-
klärt werden können ; entweder sind in den zwei Buchstaben die
Namen zweier Grafen angedeutet, oder beide Buchstaben enthalten
zusammen den Namen eines Grafen, oder der eine Buchstabe ist
durch den Namen und der andere durch den Titel zu ergänzen
oder endlich wir haben in demselben den Namen des Müuzfürsten,
welcher und des Prägeortes, wo er unsere Münzen schlagen Hess.
*) Hanselmann Hohenloh. Landeshoheit B. II. S. 310.
**) Albrechl, Münzgesch. d. Hauses Hohenlohe S. 71.
11
Die Namen zweier Grafen, die gemeinschaftlich regierten und
gemeinschaftlich münzten, können im vorliegenden Falle darum nicht
angedeutet sein, weil sich in der gräflich hohenlohischen Familie
zwei Namen, von denen der eine mit 0, der andere mit V anfängt,
gleichzeitig nicht finden.
Ebenso wenig können die beiden Buchstaben zusammengelesen
und auf den Eigennamen Eines Grafen bezogen werden. Kein Ei-
genname fängt mit den Buchstaben VO an, und wenn diess auch
der Fall wäre, so würde doch gegen eine solche Deutung schon
der Umstand sprechen, dass dieselben Buchstaben auf den Pfennigen
N. 3 — 8 auch in umgekehrter Ordnung, nämlich 0 — V statt
V — 0 vorkommen.
Auch durch einen Titel, es sei nun des Ranges oder eines
Amtes kann keiner der beiden Buchstaben ergänzt werden. Die Ti-
tel, die damals den Grafen von Hohenlohe gegeben wurden, sind in
den deutschen Urkunden. „Herr, der edle Herr, der edle wohlge-
borne Herr," in den lateinischen „Baro", auch finden wir unter ihnen
kaiserliche Statthalter, dann Bischöfe, Domherren, Deutschherren,
Pröbste u. s. w., allein alle diese Bezeichnungen von Aemtern und
Würden passen nicht zu den Buchstaben V oder O.
Es bleibt uns sonach nichts anderes übrig als den einen dieser
Buchstaben auf den Namen eines Grafen von Hohenloh zu bezie-
hen, den andern aber durch den Namen der Stadt oder des Ortes
zu ergänzen, in welchem jener Graf seine Münzen schlagen Hess.
Welcher nun von den beiden Buchstaben, ob V oder 0 den
Namen des regierenden Grafen bezeichne, darüber kann gleichfalls
kein Zweifel obwalten; denn unsere Pfennige gehören, wie aus der
Fabrik und dem ganzen Habitus derselben ersichtlich ist, in das
2 4*'
12
Ende des vierzehnten Jahrhunderts, um diese Zeit aber lebte kein
Graf 0 von Hohenloh, folglich kann hier nur ein Graf V genannt sein.
Ich lese daher V-lrich, und dass diese Ergänzung die richtige
sei, beweisen zur Genüge die Pfennige N. 18 — 20, auf denen der
Name „Ulrich" vollständig ausgeschrieben erscheint.
Demselben Grafen Ulrich müssen auch der neunte und der
dreizehnte Pfennig, die einzigen, welche nicht die Buchstaben V — 0
zur Aufschrift haben, zugetheilt werden. Der Pfennig N. 9 hat zwar
gar keine Schrift, aber die Typen sind die nämlichen wie auf den
vorhergehenden Münzen, und was den Pfennig N. 13 anbelangt,
finden wir in der Wiederholung des Buchstaben V nur eine Be-
stätigung der Behauptung, dass in diesem und nicht in dem Buch-
staben 0 der Name des Münzfürsten angedeutet sei. *)
3.
Dieser Graf Ulrich ist der im Jahre 1407 verstorbene Sohn des
Grafen Kraft III.
Gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts finden wir aber
zwei Grafen von Hohenloh des Namens Ulrich, wovon der eine
der nunmehr erloschenen Brauneck' sehen, der andere der noch blü-
henden Hohenloh' 'sehen Linie angehört. Welchem dieser beiden Ul-
riche müssen unsere Pfennige zugeschrieben werden?
*) In gleicher Weise ist auf einigen Pfennigen des Bischofs Gerhard von
Würzburg der Name des Münzfürsten durch die Buchstaben G — G
angedeutet, die entweder neben dem gräflich Schwarzburgischen Löwen
oder neben dem grösseren Buchstaben K. d. i. Karlstadt angebracht
sind. S. Streber Münzen des Bisch. Gerhard v. Würzb. Abbild. N. 12-,
14. und 16.
13
Sollten unsere Münzen einem Uliich von Hohenloh - Branneck
angehören, so könnte derselbe nur der Sonn Ulrichs und der Eli-
sabeth Gräfin von Mehrenberg*) seyn, denn das Gepräge der Mün-
zen deutet, wie bemerkt, auf die letzten zwei Decennien des vier-
zehnten Jahrhunderts hin, Ulrich der Vater aber, der die Gräfin
Elisabeth von Mehrenberg zur Gemahlin hatte, starb schon im Jahre
1 367, i;:""") während sein Sohn „Ulrich von Hoenloch genannt von Braun-
eck" noch am 7. Dezember des Jahres 1380 am Leben war .*i«0"1) Al-
lein wenn wir auch annehmen wollten, dieser Ulrich habe noch viel
länger gelebt als sich urkundlich nachweisen lässt ; f) oder, was
aber nicht zugegeben werden kann, alle unsere Münzen seyen schon
vor dem Jahre 1380 geprägt; wenn wir endlich, was sich übrigens
gleichfalls nicht erweisen lässt, auch voraussetzen wollten, die
Braunecksche Linie habe das Münzrecht dereinst wirklich ausgeübt,
so würde doch mit einer solchen Annahme die Aufschrift im Wi-
derspruche stehen, denn so einfach der Buchstabe V mit Ulrich er-
gänzt wird, so wenig wird man, wenn wir die Münzen dem Grafen
Ulrich von Höh enloh-B rauneck zutheilen, von dem Buchstaben 0 eine
genügende Erklärung zu geben im Stande seyn.
Wenn wir dagegen vorliegende Münzen dem Grafen Ulrich der
noch blühenden Linie Hohenloh, dem Sohne Krafts III. und der Land-
gräfin von Leuchtenberg zuschreiben, so stimmt alles, die Zeit so-
wohl, auf welche das Gepräge hinweist, als die Aufschrift, welche
die Münzen tragen, einfach zusammen.
Ulrich von Hohenloh wird in den Urkunden zum erstenmal im
*) Wibel, Hohenloh, Kirchen- und Reformations-Historie B. I. Vorbericht
S. 34
**) Hanseiniann, Diplom. Beweis v. d. Landeshoheit. B. II. S. 309.
***) Freyberg, Regesta Boica.
f) Wibel, 'a. a. O. bemerkt, er sei jung gestorben.
14
Jahre 1367 erwähnt und starb erst im Jahre 1407; er lebte also in
der nämlichen Zeit, welcher unsere Münzen angehören. Was aber
die Aufschrift anbelangt, ist schon oben*) erwähnt worden, dass
der Buchstabe 0 nur auf den Prägeort bezogen werden könne.
Dass es gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts üblich war, die
Namen des Münzfürsten und der Münzstätte durch zwei neben dem
Brustbilde der Vorderseite angebrachte Buchstaben anzudeuten, habe
ich an andern Orten gezeigt. **) Ich nehme daher keinen Anstand,
die mehrerwähnten Buchstaben auch hier in gleicher Weise zu er-
gänzen und lese desshalb: V-lrich O-ehringen oder wie es meist
in den gleichzeitigen Urkunden geschrieben wird Orenyew.
Dass die Grafen von Hohenloh in Oehringen wirklich gemünzt
haben, beweisen mehrere Urkunden. Schon in der Mitte des drei-
zehnten Jahrhunderts hatten sie das Münzrecht daselbst. Diess er-
giebt sich aus einem Diplome des Grafen Hermann vom Jahre 1253,
worin es heisst : #.#*) „Der Voit (der Hohenlohische in Orengew) sol
auch haben alleine die Münze und sol setzen zvvelf munzere, die
heizent husgenozzen." Ja, schon Graf Hermann selbst hat von die-
sem ihm zustehenden Rechte wirklich Gebrauch gemacht, denn in
dem nämlichen Diplome nennt er die zu Oehringen geprägten Hel-
ler „seine Heller" z. B. „die Wiueigen suln geben ze Meien sibeu-
zehen vnze Hell\ die brotpecken suln geben ze Meien sibenzehn
unze HelF ze brotpecken sture."
Oehringen wurde auch noch gegen Ende des vierzehnten Jahr-
hunderts als Münzstätte benützt. Diess beweist eine Urkunde vom
*) S. oben §. 2.
**) Streber, böhmisch-pfälzische Silberpfennige. Idein: die ältesten Mün-
zen der Burggrafen von Nürnberg.
***) Hanselmann a. a. O. B. I. cod. dipl. N. XLIII. Wibel a. a. O. B. III.
cod, dipl. N. 69.
15
Dienstag nach Mitfasten des Jahres 1391, worin der Münzmeister
Georg von Urheim dem Grafen Ulrich von Hohenloh einen Schuld-
brief über 200 Gulden ausstellt und der Münzmeister Ciintz zu Oren-
gew als Zeuge unterschrieben ist.*) Endlich wissen wir sogar mit
Bestimmtheit, dass Graf Ulrich von Hohenloh selbst in Oehringen
münzen Hess, denn in einer Urkunde vom Montag nach St. Jakobs
Tag des Jahres 1395 bekennt „Hans Flache zu diesen zyten Müncz-
meister zu Orengew," dass ihm sein „gnediger here here Vlriche
von Höhenloch sin Müncze zu Orengew befolhen" habe. **)
Gründe genug, unsere Münzen für Oehringer Pfennige zu hal-
ten und sie nicht einem Grafen Ulrich von Hohenloh-Brauneck, der
in Oehringen nichts zu schaffen hatte, sondern dem Grafen Ulrich
von Hohenloh, welcher daselbst einen besonderen Münzmeister auf-
stellte, zuzuschreiben.
Wenn auf mehreren unserer Münzen statt V — 0 vielmehr um-
gekehrt 0 — V geschrieben steht, wenn demnach unserer Erklär-
ung zufolge, vermöge welcher 0 mit O-rengevv zu ergänzen ist, der
Name des Prägeortes zuweilen die erste und der des Grafen erst
die zweite Stelle einnimmt, so spricht diess nicht gegen die Rich-
tigkeit unserer Ausleguug, denn dasselbe findet sich auch anderwärts.
Auf den Erlanger Pfennigen z. B. der böhmischen Könige Karl
und Wenzel lesen wir bald K — E und W — E, bald umgekehrt
E— K und E — W***)
*) Albrecht, Münzgeschichte des Hauses Hohenloh. S. 2. Urk. N. 1.
**) Albrecht, a. a. O. S. 76. N. 2.
***) Streber, böhmisch-pfälzische Pfennige. Tab. I. Fig. 6—8. Tab. II. Fig
6 — 13.
16
4.
Vorliegende Pfennige sind die ältesten bisher bekannten hohen-
lohischen Münzen.
Diese Oehringer Pfennige des Grafen Ulrich sind die ältesten
hobenlohischen Münzen, welche bisher bekannt geworden sind.*)
Es bat zwar, wie bereits erwähnt worden, schon Graf Hermann
in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts in Oehringen
Heller schlagen lassen; allein man ist zur Zeit noch nicht so glück-
lich gewesen, ein hohenlohisches Gepräge von so hohem Alter zu
finden.
Hanselmann glaubt allerdings, die Grafen voii Hohenloh hätten
nicht blos im dreizehnten, sondern selbst schon in der ersten Hälfte
des zwölften Jahrhunderts das Münzrecht besessen und ausgeübt.
Er stützt seine Meinung sogar auf Münzen, die er in Abbildung mit-
theilt. >;;:*) In dem steinernen Grabmonumente nämlich im oberen Chor
der Oehringer Stiftskirche fand man unter dem Deckel auf dem zwi-
schen den Gebeinen des Grafen Hermann, des Stifters des Hauses
Hohenloh, und seines Sohnes, des Bischofs Gebhard, aufgeführten
Mäuerlein zwei Silberpfennige, welche Hanselmann dem Grafen
Hermann zuschreiben zu dürfen glaubt. %%%) Allein diese beiden Mün-
zen sind weder hohenlohisch, noch von so hohem Alter. Von ersterer
*) Es ist hier nur die Rede von solchen Münzen, welche die Grafen von
Hohenlohe in der Eigenschaft als Regenten von Hohenlohe prägen Hes-
sen. Die Münzen, welche ein Graf Gottfried von Hohenlohe als Bischof
von Würzburg schlagen Hess, sind allerdings älter.
**) Hanselmann, a. a. O. Beil. E. N. 14 und 15.
***) Hanselmann, a. a. O. B. I. S. 47. 295. B. II. S. 153.
17
hat Hanselmann selbst bemerkt, dass das Bild des Adlers grosse
Aehnlichkeit mit dem Wappen von Nürnberg habe, letztere aber hat
das Grumbachsehe Familienwappen zum Gepräge und ist ein Heller
des Johann von Grumbach, welcher von 1455 bis 1466 auf dem
bischöflichen Stuhle zu Würzburg sass.
Ferner erhielt allerdings Graf Gerlach von Hohenlohe — aus der
Speckfeldschen Linie — von Kaiser Karl IV. im Jahre 1378 die
Erlaubniss „eyne Pfenigemunze zu slahen Regenspurger, Wirzpur-
ger, Swarczpurger, die davorn in Franken vnd in Bayern yzunt geng
vnd geb seyn oder hernach in künftigen Zeiten geng vnd geb wer-
den, mit sülichem Korne vnd Ufzal als sie ander Fürsten vnd Her-
ren davorn in Franken vnd in Beyern slahen lassen/'*) aber
auch hier ist die Frage, ob Graf Gerlach von dem ihm zugestandenen
oder vielmehr erneuerten Rechte jemals Gebrauch gemacht habe,
durch Münzen selbst noch nicht bejahend beantwortet.
Was die Münzen des Grafen Ulrich anbelangt, war Plafo-
Wild zu Regensburg der erste, welcher eine solche mit vollständig
ausgeschriebenem Namen entdeckte, nur irrte er darin, dass er meinte
sie sei zu Ende des XIV. oder Anfang des XV. Jahrhunderts ge-
prägt worden, ein Irrthum, den sodann Hansehnann, welcher zugleich
eine Abbildung von diesem seltenen Stücke mittheilte, berichtiget hat.**)
Albrecht fügte in seiner Münzgeschichte des Hauses Hohenlohe die-
sem Exemplare, von welchem er vermuthet, dass die Abbildung das
Original nicht ganz treu wiedergebe, wesshalb er auch nur die Be-
schreibung anführt, zwei ähnliche vorher unbekannte Gepräge in Be-
schreibung und Abbildung hinzu.5""**)
*) Albrechl a. a. O. S. 2. Hanselmann B. II. S. 130,
**) Hanselmann, Beweis, wie weil der Bömer Macht u. s. w. II. S. 257.
Tab. XIX. Lit B.
***) Albrecht a. a. O. S. 6. Abbildungen auf dem Titelblatt.
Abhandlungen der 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 3
18
Alle übrigen hier mitgeteilten Gepräge sind neu, zwar nicht
insoferne, als wären sie den Sammlern bisher unbekannt geblieben,
im Gegentheile, ich bin überzeugt, dass dieselben Stücke sich in vie-
len Sammlungen finden, aber iiisoferne als man sie bisher nicht zu
erklären wnsste.*)
5.
Die Typen bedürfen jedoch noch einer näheren Erklärung.
Wir haben bereits gefunden, wann unsere Münzen geschlagen
wurden, wer sie prägen Hess und wo sie geprägt wurden. Hiemit
scheint unsere Aufgabe gelöst, und die Reihenfolge der Münzen des
Hauses Hohenlohe ist nunmehr durch eine nicht unbedeutende An-
zahl nicht blos vorher unbekannter, sondern gerade der ältesten Ge-
präge der Vollständigkeit näher gebracht. Allein wenn wir uns nicht
blos mit den allgemeinsten Resultaten begnügen, sondern genauer in
die Sache eingehen wollen, so haben wir noch die doppelte Frage
zu beantworten: ersteus, wie kam Graf Ulrich dazu, das Münzrecht
auszuüben? Die Ausübung dieses Rechtes steht doch allenthalben nur
dem Haupte der Familie zu, in dessen Händen die Regierungsge-
walt gelegen ist; Ulrich war aber unter den vielen Söhnen KraftsHI.
nur der drittgeborne ; der älteste seiner Brüder, der nach des Va-
ters Tod die Regierung antrat, starb nur wenige Jahre vor Ulrich;
und der zweite von Krafts Söhnen hat ihn sogar überlebt! Zweitens,
wenn auch Graf Ulrich eine Zeit lang regierender Herr war, wie
kommt es, dass seine Münzen bald drei, bald zwei, bald nur ein
einziges Bildniss zum Gepräge haben? Soll diese Verschiedenheit
*) Selbst Albrecht, obwohl er den Pfennig N. 17 mit Recht als hobenlohisch
erkannte, hat doch von einer Erklärung des Buchstaben O Umgang ge-
nommen und die Münze selbst als „unbestimmt" bezeichnet. Albrecht
a. a. O. S. 6. N. 4.
19
nur zufällig sein oder hat sie einen Grund, der in der Geschichte
der gräflichen Familie Aufklärung findet?
Diese Fragen sind nicht überflüssig, wohl aber, bei dem Man-
gel an Nachrichten schwer zu lösen. Ich will sie so gut ich vermag
zu beantworten suchen, indem ich zuerst die Resultate zusammen-
stelle, welche zunächst aus den Münztypen selbst hervorgehen und
dann untersuche, inwieferne die Nachrichten, die wir über die ho-
henlohische Familie besitzen, sich mit jenen Resultaten in Einklang
bringen lassen.
6.
Auf einigen unserer Pfennige sind zwei Grafen von Hohenlohe
vorgestellt, auf anderen mir einer.
Es ist schon bemerkt worden, dass sich unsere Münzen, wenn
wir die Typen ins Auge fassen, in drei Klassen theilen. Die einen
haben drei, die andern zwei, die dritten nur ein Brustbild zum Ge-
präge. Es ist aber zwischen diesen Bildnissen ausser der Zahl, in
welcher sie auf den einzelnen Münzen erscheinen, noch ein anderer
Unterschied, den wir, sobald es sich um die Bedeutung derselben
handelt, nicht übersehen dürfen. Einige Köpfe nämlich und Brust-
bilder sind in blossen Haaren, andere mit einem Hute bedeckt vor-
gestellt und zwar fiudet sich die Verschiedenheit nicht blos auf den
verschiedenen, sondern auf der einen und derselben Münze. Alle
von N. 1 — 15 beschriebenen Pfennige haben ein unbedecktes
Brustbild auf der Vorder- und zu gleicher Zeit: ein oder zwei be-
deckte Brustbilder auf der Rückseite.
Diese Bemerkung bringt uns von selbst der Beantwortung der
3*
20
Frage, was die verschiedenen Bildnisse auf der einen und dersel-
ben Münze bedeuten mögen, um vieles näher.
Fürs erste wollte der Stempelschneider unzweifelhaft durch die
Bildnisse mit unbedecktem Haupte etwas anderes vorstellen, als durch
die mit bedecktem Haupte.
Ferner können wir mit Grund annehmen, dass, wenn auf Einer
Münze zwei oder mehrere Bildnisse, zumal verschiedener Gestalt,
erscheinen, unter denselben auch das Bildniss des Münzherren vor-
gestellt sei. Nicht minder unzweifelhaft ist, dass, wenn auf unseren
Münzen das eine oder das andere der genannten Bildnisse den Münz-
herren vorstellen soll, nur das mit dem Hut bedeckte dafür gehalten
werden könne. Es ist eben in dieser Kopfbedeckung der Ran0- und
die Würde des Münzfürsten angedeutet. Wie die Könige mit der
Krone, die Bischöfe und Aebte mit der Infel, so sind andere Für-
sten je nach ihrem Range z. B. die Herzoge von Bayern, die Pfalz-
grafen am Rhein, die Landgrafen von Leuchtenberg, die Grafen von
Wertheim u. s. w. mit einem Hute, die Burggrafen von Nürnberg
aber ohne Kopfbedeckung vorgestellt. Betrachten wir z. B. die
Pfennige N. 18 — 20. mit dem bedeckten Kopfe auf der einen und
dem Wappenschilde auf der andern Seite, so wird Niemand zwei-
feln, dass der Stempelschneider in dem bedeckten Kopfe das Por-
trät des Grafen Ulrich geben wollte ; in gleicher Weise wird mau
aber auch zugeben müssen, dass auf dem Pfennige N. 15., auf
welchem ein Kopf in blossen Haaren und zugleich ein Brustbild mit
dem Hute erscheint, das Porträt Ulrichs nicht in dem unbedeckten
Kopfe sondern in dem bedeckten Brustbilde zu suchen sei.
Hiemit übereinstimmend muss endlich, wenn auf der einen und
derselben Münze, wie diess auf den Pfennigen N. 1 — 14. der Fall
ist, zwei bedeckte Brustbilder neben einander angebracht sind, an-
genommen werden, dass in denselben zwei Bildnisse der Münzher-
21
ren vorgestellt seien. Sollte über letzteres noch ein Zweifel obwal-
ten, so verweise ich auf die alten Regensburger Denare und die
denselben nachgebildeten mit unseren Münzen gleichzeitigen Pfennige,
die von ähnlichem Gepräge in Lauffen und Amberg sind geschlagen
worden. Die von dem Bischöfe von Regensburg gemeinschaftlich
mit dem Herzoge von Niederbaiern geprägten Denare haben auf der
Vorderseite ein unbedecktes, auf der Rückseite ein mit der Infel
und ein mit dem"] Hute bedecktes Brustbild nebeneinander.*) Die
Lauffener Pfennige haben auf der Vorderseite ein unbedecktes, auf
der Rückseite zwei gekrönte, **) die Amberger Pfennige auf der Vor-
derseite ein unbedecktes, auf der Rückseite zwei mit Hüten bedeckte
Brustbilder nebeneinander.***) Wenn nun auf allen diesen Münzen
die Bildnisse der regierenden Herren in den zwei mit Krone, Infel oder
Hut bedeckten und nebeneinander gestellten Brustbildern nicht ver-
kannt werden können, so folgern wir gewiss mit Recht, dass auch
auf unseren Münzen die zwei mit dem Hute bedeckten und neben-
einander gestellten Brustbilder für Porträte zu halten seien.
Hat diess seine Richtigkeit, so ergibt sich hieraus nothwendig
der für unsere Untersuchung sehr wichtige Satz, dass, weil auf
einigen unserer Münzen zwei bedeckte Brustbilder nebeneinander,
auf andern aber nur ein einziges erscheint, auf ersteren zwei Gra-
fen von Hohenlohe vorgestellt sind, auf letzteren nur einer.
*) Obermayr histor. Nachricht, v. hayr. Münzen. Tab. X. fig. 18. Domus
Wittelsb. numism. Tab. IV. fig. 10.
**) Streber, böhm.-pfälz. Pfennige. Tab. I. fig. 3.
***) Obermayr hist. Nach. Tab. X, fig 26. Dom. Wittelsb, numistn. Tab. 1.
fig. 6. :
22
7.
Die zwei Grafen von Hohenlohe sind Graf Ulrich
und einer seiner Brüder,
Wer mögen die zwei Grafen von Hohenlohe sein, deren Bild-
nisse auf der Rückseite unserer Pfennige N. 1 — 14 erscheinen?
oder vielmehr, da unsere Münzen dem Grafen Ulrich angehören,
wer mag mit ihm das Münzrecht gemeinschaftlich ausgeübt und die
Ehre des Bildnisses getheilt haben"?
Auf anderen Münzen der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahr-
hunderts von ähnlichem Gepräge sind in den zwei neben einander
befindlichen Brustbildern der regierende Herr und dessen ältester
Sohn vorgestellt. So auf den zu Laufen und Erlangen geschlagenen
Pfennigen des Kaisers Karl IV. der Kaiser selbst und sein Sohn
Wenceslaus*), auf den Langenzenner und Bayreuther Pfennigen
der Burggrafen von Nürnberg Burggraf Friedrich V. und sein älterer
Sohn Fridrich VI**).
Graf Ulrich hatte keinen Sohn, wohl aber mehrere Brüder,
denn Graf Kraft III., welcher am 16. November 1371 starb, hinter-
liess von seiner Gemahlin Anna, einer gebornen Landgräfiu von
Leuchtenberg, nebst einer Tochter Anna, die sich mit Graf Conrad
von Brauneck und nach dessen Tod mit Conrad von Weiusberg
vermählte, sieben Söhne, nämlich:
1. Kraft IV., vermählt mit Elisabeth, Gräfin von Sponheim,
f 1399;
*) Streber, böhm.-pfälz. Pfennige S. 45.
**) Streber, die ältesten Münzen der Burggrafen von Nürnberg S. 80.
23
2. Gottfried f 1413;
3. Ulrich, dem unsere Pfennige angehören, -j- 1407;
4. Johann, dessen Sterbejahr unbekannt ist (s. unten §. 16)
5. Fridricb, dessen Sterbejahr unbekannt ist (s. unten §. 18)
6. Georg, Bischof zu Passau und Erzbischof zu Gran, -j- 1424
7. Albrecht, vermählt mit Elisabeth, des Grafen Ulrich von
Hanau Tochter, f 1429.
Wenn wir nun einerseits wissen, dass Graf Ulrich einen Sohn,
welcher mit ihm die Ehre des Bildnisses hätte theilen können, nicht
hatte, andererseits aber feststeht, dass auf einigen der von dem
Grafen Ulrich in seiner Residenz zu Oehringen geschlagenen Mün-
zen zwei Grafen von Hohenlohe vorgestellt sind: so ergiebt sich
hieraus von selbst der weitere für unsere Untersuchung wichtige
Satz', dass in den zwei neben einander befindlichen Brustbildern
N. 1 — 14 nur Ulrich selbst und einer seiner Brüder vorgestellt
seyn können.
8.
Graf Virich muss daher eine Zeitlang die Herrschaft theils mit
einem seiner Brüder gemeinschaftlich , theils allein besessen haben,
Ist das bisher Gesagte richtig, ist auf unseren Münzen Graf
Ulrich bald allein, bald gemeinschaftlich mit einem seiner Brüder
vorgestellt, so wird hieraus, da das Recht des Bildnisses auf Mün-
zen nur demjenigen zusteht, der zugleich die Regierungsgewalt
wenigstens theilweise iuue hatte, nothwendig der weitere Schluss
gezogen, dass Graf Ulrich die Herrschaft eine Zeitlang mit einem
seiner Brüder getheilt, eine Zeitlang aber allein besessen habe.
Dass wir aus denjenigen Münzen, aufweichen nur Ulrich allein
vorgestellt ist, mit Recht den Schluss ziehen, Ulrich habe eine Zeit
24
lang allein regiert, wird ohnehin nicht bezweifelt werden. Aber
auch die weitere aus den Münzen mit zwei neben einander gestell-
ten Brustbildern abgeleitete Behauptung, Ulrich habe eine Zeit lang
mit einem seiner Brüder gemeinschaftlich die Herrschaft inne ge-
habt, wird vollends gerechtfertigt, wenn wir erwägen, dass es in
der hohenlohischen Familie seit den frühesten Zeiten her üblich
war, so oft der Vater mehrere Söhne hatte, den zwei älteren mit
einander die eigentliche Herrschaft, den jüngeren aber eine Apanage
zuzuweisen.
Bereits im Jahre 12*20 finden wir, dass die zwei älteren Brü-
der Gottfried und Conrad, die Stifter der nachmaligen zwei Haupt-
linien Hohenlohe und Brauneck, die eigentlichen weitläufigen Laud-
und Herrschaften erhielten, während die jüngeren, Heinrich und
Fridrich, sich mit einer gewissen Apanage, die sie dann dem deut-
schen Orden, in welchen sie traten, geschenkt haben, begnügen
mussten i:r).
In ähnlicher Weise verschrieb Graf Kraft III. in seinem Testa-
mente vom Jahre 1367, auf welches wir später ohnehin noch aus-
führlicher zurückkommen weiden, seinen beiden ältesten Söhnen
Kraft dem jüngeren und Gottfried, die ganze Herrschaft miteinander
zu gleichen Theilen, den jüngeren aber, namentlich den Grafen
Ulrich und Hans, ein gewisses Apanagium J":i;:<).
Dasselbe finden wir noch im fünfzehnten Jahrhundert. Als
Graf Albrecht im Jahre 1429 starb, ging die Herrschaft auf seine
beiden älteren Söhne Kraft und Albrecht über, der jüngere Georg
*) Hanselmann, B. I, S. 175 Urk. N. XIII.
**) Hanselmann, a. a. O. N. CXXVH.
25
aber erhielt nur gewisse jährliehe Einkünfte, und als im Jahre 1472
Graf Kraft das Zeitliche segnete, kam abermal die Herrschaft an
dessen zwei ältere Söhne Gottfried und Kraft, während die jünge-
ren Fridrich und Adolf nur mit einem bestimmten jährlichen Depu-
tat bedacht wurden.
9.
Nähere Bezeichnung der Fragepunkte.
Wenn wir bisher durch die nähere Prüfung der Aufschriften
und Typen unserer Münzen zu dem allgemeinen Ergebnisse gelang-
ten, dass Graf Ulrich eine Zeit lang allein, eine Zeit lang aber
gemeinschaftlich mit einem seiner Brüder regiert und in Oehringen
gemünzt habe: so wird nunmehr die bereits oben im Allgemeinen
aufgeworfene Frage, woher es komme, dass Graf Ulrich, obwohl
nur der dritte von Krafts III. Söhnen, das Münzrecht, und zwar noch
bei Lebzeiten seines älteren Bruders Gottfried *), ausgeübt habe und
warum auf seinen Münzen bald ein, bald mehrere Bildnisse erschei-
nen ? genauer in folgender Weise gestellt werden müssen:
Wann kam Graf Ulrich zur Regierung? wann und wie lange
besass er die Herrschaft allein? wann regierte er gemein-
schaftlich mit seineu Brüdern? mit welchem von seinen sechs
Brüdern hat er die Herrschaft getheilt? mit einem oder mit
mehreren nach einander?
Wir müssen demnach zu diesem Behufe die wenn gleich we-
nigen Nachrichten, welche sich in den Urkunden finden, zusammen-
stellen, um womöglich einen Ueberblick über die Geschichte des
*) Gottfried starb im Jahre 1413, also erst 6 Jahre nach Ulrich.
Abhandlungen der I. Cl. d. 1«. AU. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 4
26
Grafen Ulrich zu gewinnen. Dass hiebei auch die Geschiebte sei-
ner Brüder, in sofern diese sich mehr oder minder an den Re«ne-
rungsgeschäften betheiligt haben, in die Untersuchung hereingezogen
werden müsse, versteht sich von selbst.
10.
Graf Ulrich bei Lebzeiten .seines Vaters
oder vor dem Jahre 1371.
Von den Jugendjahren Ulrichs ist uns wenig bekannt. So
lange noch Graf Kraft III. lebte, wird Ulrich, meines Wissens we-
nigstens, nur zweimal in Urkunden erwähnt, zuerst in der testa-
mentlichen Verordnung seines Vaters und dann in einer Urkunde
des Klosters Gnadenthal.
Die testamentliclie Verordnung Kraft's III. ist vom Jahre 1367
und enthält nachstehende Bestimmungen, die hier angeführt werden
müssen, weil durch sie allein manches für die nachfolgende Unter-
suchung klar wird.
1) Die Söhne Kraft und Gottfried und ihre ehlichen Leibes-
erben sollen nach dem Tode der Eltern mit einander zu gleichen
Tbeilen die ganze Herrschaft erben uud besitzen.
2) Die Brüder Ulrich und Hans sollen ein Jahr nach der
Eltern Tod, ersterer die Burg uud Stadt Vorthenberg, letzterer
Hoenard die Burg und das Dorf daran erhalten und jeder noch so
viel dazu, dass ihm jährlich zweihundert Pfund Heller werden.
3) Die andern Brüder sollen Kraft und Gottfried zu sich neh-
men bis sie vierzehn Jahre alt sind , dann soll jeder eine Behausung,
27
die Stadt Ulsshoven oder die Burg Solz erhalten und dazu so viel,
dass ihnen, wie den Söhnen Ulrich und jHans, „zweihundert Pfunt
jerlichs hellergelts" wird, ein Jahr nachdem sie es gefordert.
4) Will einer der Söhne etwas veräussern, so soll er es ein
halbes Jahr zuvor den Brüdern anbieten und diesen soll immer die
Wiederlösung vorbehalten bleiben.
5) Sollten Kraft und Gottfried ohne ehliche Leibeserben ster-
ben, so soll der ältere Bruder die Herrschaft unter den nämlichen
Bedingungen erben und besitzen;
6) welche aber ehliche Söhne hinterlassen, diese Söhne sollen
die Herrschaft „vor uss" haben*).
Aus dieser Urkunde ergiebt sich, so weit sie von Graf Ulrich
handelt, fürs erste, dass er der drittgeborene von Krafts Söhnen ge-
wesen; zweitens dass ihm im väterlichen Testamente, eben weil er
zwei ältere Brüder hatte, ein Antheil an der Regierung nur für den
Fall zugedacht war, wenn einer der älteren Brüder ohne eheliche
Leibeserben sterben sollte; drittens dass er damals schon mehrere,
nämlich ausser den namentlich aufgeführten Grafen Kraft, Gottfried
und Hans noch „andere" Brüder hatte; endlich viertens, dass, weil
von diesen „andern" Brüdern das Gegentheil ausdrücklich erwähnt
wird, Ulrich und Hans damals, als das Testament abgefasst wurde,
das vierzehnte Jahr schon zurückgelegt hatten.
Die Gnadenthaler Urkunde, in welcher Ulrich nochmals er-
wähnt wird, ist vom Montag nach Urbanl371 und lautet**): „wir
*) Hanselmann, B. I, S. 461, Urk. N. CXXVII.
**) Wibel, a. a. O. II. cod. dipl. p. 207, N. 136.
4*
28
frawe Elizabet Eptissin.. zu Gnadenthal., vor vnserin alten Herren
Hern Gräften von Hohenloch . . . dabey was vnser Junger Herre
Her Ulrich von Hohenloch... Götze von Stetten, Vogt zu Waiden-
berg . . ."
11.
Von 1371 bis 1379 regiert Graf Kraß IV. gemeinschaftlich mit
seinem Bruder Gottfried.
Graf Kraft III. und Anna seine Hausfrau hatten in ihrem Testa-
mente vom Jahre 1367 verordnet: „Des ersten setzen wir und
machen, dass unser lieben Sun Craft und Gotfrid, und ireu libs
erben, daz elich sun sin, miteinander zu glichem teil nach uuserni
tode, ob sy uns überlebent, alle unser Herschafft mit allen irin Zu-
gehornden erben, besitzen, nutzen und nissen sullen mit vollem
gantzem Gewalt und mit allen rehteu und nutzen, als wir die dann
lassen und hernach geschriben sten" #).. Nach dem Tode Krafts HI.
welcher am 16. November 1371 erfolgte #*), sollten daher jener letzt-
willigen Bestimmung zufolge die zwei älteren Brüder Kraft IV.
uud Gottfried die Regierung gemeinschaftlich antreten. Dass diess
auch in der That geschehen sei, beweisen mehrere Urkunden, na-
mentlich mehrere diesen beiden ausgestellte eidliche Reverse, von
denen ich nachstehende im Auszuge mittheile.
.,Ich Dgemar Schopfloch tun kunt.. daz ich gelobe vnd gelobt
han, daz ich wider die Edeln Hochgeborn Herren Herren Kräften
vnd Herren Gottfriden von Hohenloch gebruder nimmer sol gesein
*) Hanselman, B. I. cod. dipl. ürk. N. CXXVH.
**) Hanselmann, ß. I, S. 176.
29
noch gen kein den ire ongeverd . . an dem nehsten dienstag nach
vnser Frawen tag zu lichtmesse 1372"*).
„Ich Cwitz von Wisenbach Virich Tauben seiligen tochterman
tun kunt . . . von der Sache wegen als ich zu schiken het mit den
Edeln wolgeboni minen geneidigen H'ren H'ren Kräften vnd H'ren
Gotfriden von Hohenloch dez bin in gutlichen mit in v'riht worden
Also daz ich han gesworen zu den heiligen einen eyt, daz ich
nymmer mer sin sol noch getun wider die obgenanten min H'ren
von Hohenloch noch wider ir diener vnd auch wider alle die iren
one allez geu'de... an den neihsten Dunderstage nach aller heiligen
tag 1372"**).
„Ich Hans Ramsauvver bekenne . . daz ich gesworen han . .
daz icli wider die Edeln wolgeboren vnd min geneedigen H'ren
H'ren Kräften vnd H'ren Gotfriden von Hohenloch gebrüdern vnd
wider alle ir erben dyener vnd arme lüte nymmer ine getun vnd
gesin sol weder mit Worten noch mit werken heimlich noch offen-
lich inde hein wise.. 1372" ***).
„Ich Wernher von Ippesheim ton kunt.. daz ich zu den heili-
gen gesworen han ein gelehrten Ajt.. daz ich nymmer me gesin sol
wider die Edien Heren Heren Kräften von Hohenloch vnd Heren
Gotfrit von Hohenloch Gebrüder noch wider die iren one alle ge-
verde . . au dem nechsten Montag nach dem obersten tag 1373."*)
*) Ha?iselmann, B. I, cod. dipl. ürk. N. CXXXI.
**) Hanselmann, B. II, S. 91, N. XXIV.
***) Hanselmann, B. II, S. 92, XXV.
•fr) Hanselmann, B. I, S. 467, N. CXXXIV.
30
„Ich Berchtolt von tzvvingenberg bekenne daz ich gefangen bin
gewesen der Edeln Herren Hern Kra/ftes vnd Hern Gotfrides von
Hohenloch Gebnider vnd irer erb'n vnd der Gefengnisse hab'n sie
mich ledig vnd loz gesaget mit solcher bescheidenheit vnd gedinge
daz ich furbaz wider die itzgenanten Herren und alle ire erben noch
keinen der iren nummer getan sol . . vnd dorumb so vormache ich vnd
gib den vorgenanten Herren Hern Kr äfften vnd Hern Gotfriden von
Hohenloch gebrudern mine hernach geschrib'n gut daz ich hau ztu
Jerichsteten die min eygen vor sind gewest . . an dem suntage vor
der Crutzewochen 1373."#)
„Johann Landgraf zum Leutemberg und Graf zu Hals entschei-
det zwischen Friedrich Burggrafen zu Nürnberg einerseits und Kraft
und Gotfrid von Hohenloch andrerseits hinsichtlich ihrer gegenseiti-
gen durch ihre Diener verübten Feindseligkeiten. G. an Philippi und
Jacobi Tag 1377."*-)
„Derselbe vereinigt Kraft und Goffried von Hohenloch seine
Oheime und chunz von Elrichshusen einerseits, dann den Ritter
Hans von Sekkendorf andrerseits hinsichtlich aller ihrer Misshelungen
und Zweyungen. G. am Suntag nach Philippi und Jacobi 1377." ***)
„Ich Friz Vogt vnd ich Chunz von Burk edel Kneht tun kuut
von der Gefenknüsse wegen als wir gefangen sin gewesen der Edel
Herren Herrn Krafts uud Herre Gotfrids von Hohenloch Gebrüder
derselben Gefänguüsse haben sie Uns ledig und lossgesagt, Also mit
*) Hanselmann, B. II. S. 101. N. XXXVI.
**) Freyberg, Reg. Boica B. IX. (V) pag. 374. Hanselmann B. I. S. 467.
N. CXXXV. Wibel, I. S. 156.
*** ) Freyberg a. a. O.
31
selicher Besclieidenlieit daz wir wider sie noch wider die iren nim-
mer mer geseiu noch tun sollen ongeverd. . Auch haben wir gelobt
vnd gesworen daz wir Man sulln sin der obgenanten Herren . . vnd
sullen in gebunden vnd gehorsam sin, iren schaden warnen vnd iren
frumen werben als man von Manschafft sinen Herren billichen schul-
dig ist.. An dem nehsten Dienstag nach dem weyssen Suntag 1378.#)
Diese Urkunden beweisen unwidersprechlich, dass nach KraftsIII.
Tod seine beiden ältesten Söhne Kraft IV. und Gottfried gemein-
schaftlich regierten. Sie werden auch sonst noch gemeinschaftlich er-
wähnt.
Am 16. März 1376 verpflichten sich Kraft von Hohenloch
und sein Bruder Gottfried von Hohenloch, den Inhalt des Briefes,
laut welchem ihnen der Bischof Gerhard zu Würzburg fünfhundert
Gulden, drei Fuder Wein, dreissig Malter Korn und dreissig Mal-
ter Haber jährliche Gült auf der Stadt Jpfhofen um fünftausend
Gulden verpfändet hat, genau zu halten;**) und am 6. April des
darauffolgenden Jahres bekennen beide, an den fünftausend Gul-
den, wofür ihnen die Stadt Ipfhofen vom Bischof Gerhard zu Würz-
burg verpfändet war, eintausend vierhundert und achzig Gulden er-
balten zu haben. ***)
Desgleichen werden in einer Urkunde der „Berl von Sultz, Heint-
zen von Sultz elicher Hausfrau „vom Jahre 1375 die" Edeln Hoch-
gebornen Herrn Herr Cr äfft und Gottfried von Hohenlohe" gemein-
schaftlich genannt, f )
*) Hanselmann, B. I. S. 468. N. CXXXVI.
**) Freyberg, Reg. Boic. T. IX (V) pag. 342.
***) Freyberg a. a. O. S. 373.
f) Wibel a. a. O. B. III. S. 68.
32
Im Jahre 1377 kaben Graf Kraft nnd Gottfried von Konrad
von Kirchberg den Kirchsatz zu Gründe lhard, eine Meile von Kreils-
heim, nebst dem Gericht daselbst und anderen Gütern erkauft.*)
Wenn dessohngeachtet zuweilen statt der beiden Brüder nur
Kraft allein als der ältere namhaft gemacht wird, wenn z. B. Graf
Kraft im Jahre 1373 einen schriftlichen Gewaltsbrief erhielt, die Ju-
den in der Reichsstadt Hall, welche Kaiser Karl IV. seine und des
Reiches Kammerknechte nennt, zu schützen und zu geniesen bis auf
Widerruf,**) oder wenn im Jahre 1 378 Kaiser Karl IV. den Bischof
von Würzburg , die Grafen zu Würtemberg und den Grafen Kraft
von Hohenlohe mit den Reichsstädten vergleicht,***') so ändert diess
im Hinblicke auf obige Urkunden nichts an der Richtigkeit der Be-
hauptung, dass Graf Gottfried mit seinem älteren Bruder Kraft ge-
meinschaftlichen Autheil an der Herrschaft gehabt habe.
Zum letztenmal erscheinen die genannten Brüder als gemein-
schaftlich regierende Herrn im Jahre 1379.
Am Mittwoch nach Mathis Tag 1379 versprechen Kraft von
Hohenloch und sein Bruder Gotfried von Hohenloch dem Eberhard
Philips Bürger in Halle von den ihm schuldigen 5760 Gulden 3600
Gulden auf kommenden Peters Tag Kathedra und die andern 2160
Gulden auf den darauf folgenden Georien Tag zu bezahlen, widri-
genfalls sie sich verpflichten, von dieser Schuld, zu welchem Ziele
sie nicht gereicht würde, je von zehn Gulden einen Gulden Gült zu
geben, f)
*) Wibel a. a. O. B. I. S. 149.
**) Wibel a. a. O. B. I. S. 252.
***) Wibel a. a. O. B. I. S. 225.
f) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X. (VI.) pag. 27.
33
Am St.. Urbanstag desselben Jahres ertheilen Kraft von Hohen-
loch und sein Bruder Gotfrit von Hohenloch dem Eberhart Philips
Burger zu Halle die Gewalt sie an Leuten und Gütern zu pfänden,
im Falle sie die wegen Rückzahlung ihrer Schuld von 5760 Gulden
eingegangenen Verpflichtungen nicht beobachten würden.*)
Am nämlichen Tage endlich beurkunden Krafft und Gottfryd
gebruder von Hohenlohen, dass sie „mit guter Vorbetrachtung und
mit ratt, willen und gunst irer besten Frund und besunder irer üben
brader Ulrichs, Johansen und Fryderichs von Hohenloch einen Stift
und ein Samenunge" gestiftet haben „von weltlichen priestern in iren
Kirchen, die sie gebauwen haben in irer Statt zu Meckmulen vor
der bürg in Wirzpurger bistump gelegen."**)
12.
Graf Ulrich während der gemeinschaftlichen Regiei'ung Krafts IV.
und Gottfrieds von 1371 bis 1379.
Da nach des Grafen Kraft III. Tod, wie so eben gezeigt wor-
den, die zwei älteren Söhne die Regierung antraten , so war Graf
Ulrich mit seiner unbedeutenden Apanage auf das Leben eines schlich-
ten Privatmanns angewiesen. Diess mochte seinem, wie wir später
sehen werden, sehr rührigen Geiste nicht zusagen. Die jüngeren
Brüder adeliger Familien suchten damals gerne Stellen in irgend ei-
nem geistlichen Stifte, wo sich ihnen eher eine Aussicht emporzu-
kommen darboth. Dasselbe thaten die Grafen von Hohenlohe. Als
Graf Ulrich seinen geringen väterlichen Antheil erhielt, hatten nicht
*) Freyberg a. a. O. S. 33.
**) Hanselmann, B. I. S. 469. N. CXXXVII. Wibel a. a. O. I. S. 66. II.
Cod. dipl. S. 323. N. CLXXVIL
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 5
34
weniger als neun seiner nächsten Verwandten sich dem Kleriker
Stande gewidmet. Von der Linie Hohenloh-Brauneck*) war Graf An-
dreas Probst zu Bingen und Mainz (f 1391), dessen Bruder Geb-
hard Ritter des deutscheu Ordens (erwähnt 1366) und der dritte
Bruder Engelhard Ritter des Johanniter-Ordens, desgleichen ihr Vet-
ter Gottfried von Hohenloh-Brauneck Domprobst zu Trier (jl390);
fast gleichzeitig waren aus der Speckfeld'schen oder Uffenheimischen
Linie**) Graf Albrecht Bischof zu Würzburg (1345 — 1372) und
dessen Bruder Graf Friedrich Bischof zu Bamberg (1343 — 1352).
Von Ulrichs Brüdern war Georg Bischof zu Passau und später Erz-
bischof von Gran, Albrecht Canonicus in Mainz und, wie wir spä-
ter sehen werden, vermuthlich auch noch Johannes Decan in Oeh-
ringen.
Diesem Beispiele folgte auch unser Graf Ulrich, wie aus nach-
stehender Urkunde hervorgeht: ***) „Ich Jungfrauwe Agnes von Kunt-
zelsauwe tun kunt daz ich vf geben han. . daz Huss gelegen zu
Kuntzelsauwe mit dez Edeln vnd mines gneidigen Herren Virichs
von Hohenloch Tumherre zu Wiirtzberg eygin Insigel vnd auch
mit Götzen von Stetten dez Eltern, Vogt zu Waidenberg Insigel.
an S. Erhards Abend 1372."
Dass dieser „Ulrich von Hohenloch Tumherre zu Würtzperg"
kein anderer sei als unser Graf Ulrich, der Sohu Krafts III., kann
nicht wohl bezweifelt werden, wenn wir die obenf) erwähnte
*) Hanselmann B. II. S. 309.
**) Wibel, Vorbericht S. 36.
***) Wibel, Th. I. S. 28. Th. II. cod. dipl. Gnadenthaler Urk. N. 139.
f) S. oben §, 9. pag. 27. Anm. **
35
Urkunde vom Moudtag nach Urbani 1371 und die vorliegende vom
S. Erhards Abend 1372 miteinander vergleichen. Beide Urkunden
sind aus dem Kloster Gnadentbai; zwischen der Ausfertigung bei-
der Urkunden liegt nur ein kurzer Zeitraum, erstere wurde wenige
Monate vor, letztere bald nach dem Tode Krafts III. ausgestellt;
in beiden erscheinen Ulrich von Hohenlohe und Götze von Stetten,
Vogt zu Waidenberg als Zeugen. Da nun Ulrich in der einen Ur-
kunde zugleich mit Kraft III. und zwar dieser als der alte, jener
aber als der junge Herr von Hohenlohe genannt wird, da sonach
der im Jahre 1371 genannte Ulrich der Sohn Krafts III. ist, so
muss auch der im Jahre 1372 genannte Ulrich Domherr zu Würz-
burg dafür gehalten werden, und Ulrich muss diese Würde bald nach
seines Vaters Tod erlangt haben.
Ulrich änderte jedoch bald wieder seinen Plan. Die eben erwähnte
Urkunde ist die einzige, in welcher er als Domherr erscheint. Wir
finden ihn überhaupt in den folgenden Jahren gar nicht in Würz-
burg, sondern bei seinen Brüdern und zwar nicht als einfachen Pri-
vatmann, sondern bei den politischen Bewegungen, von denen auch
das Haus Hohenlohe berührt wurde, betheiliget. Wenn die Angabe
Speners,*) dass Ulrich eine Tochter des Königs Fridrich von Si-
cilien, Namens Elisabeth, zur Gemahlin hatte, Glauben verdient, so
hatte er geistliche Weihen nie empfangen, konnte sonach um so
leichter aus dem Capitel zu Würzburg wieder austreten.
Urkundlich nachweisbar finden wir unsern Grafen Ulrich bereits
im Jahre 1375 auf dem politischen Schauplatze. Bekanntlich hatte
damals der Kampf der Städte gegen Fürsten und Adel einen bedroh-
lichen Anfang genommen. König Wenzeslaus suchte im Jahre 1375
') Spener, Op. herald. Lib. I. cap. XLII. pag. 208.
36
die Zwistigkeit zwischen den Reichstädten and Adeligen, welche
den Juden viel schuldig waren und sich durch kaiserliche Immuni-
tätsbriefe davon los machen wollten, durch eine Commission zu he-
ben. Hiezu ward unser Graf Ulrich berufen.3*) Die Zwistigkeiten
dauerten aber fort,-""»") die Reichsstädte machten Bündnisse unter
sich wider diejenigen, von welchen sie sich beschwert glaubten, und
so bekamen sie auch mit den Grafen von Hohenloh zu thun. 1378
verglich zwar Kaiser Karl IV. den Bischof zu Würzburg, die Gra-
fen zu Würtemberg und den Grafen Kraft von Hohenloh mit den
Städten, das folgende Jahr jedoch sendeten diese den Herren von
Hohenlohe einen Fehdebrief, in welchem neben den damals regieren-
den Brüdern Kraft und Gottfried auch Graf Ulrich namentlich ange-
führt wird. Der Fehdebrief lautet :*%%)
„Die Edle vnd Wolgeborne fraw derer von Hohenloh, Herrn
*) Wibel, Th. I. S. 252.
**) Ulrich brachte gemeinschaftlich mit Friedrich Herzog in Bayern , Ni-
colaus Bischof zu Constanz und Heinrich von der Tuben eine Ueber-
einkunft mit den Bundesstädten in der Art zu Stande, dass vier von
beiden Theilen gesetzte Männer über das Geld absprechen sollten,
welches jede Stadt den Juden schuldig ist. Zu einer vollständigen Bei-
legung jedoch hat die Uebereinkunft nicht geführt, denn noch zehn Ja-
hre nachher, am 13. Juni 1385, hielten der Landgraf Johann zu Leuch-
tenberg und Berthold Plintzing Bürger zuNürnberg für nöthig, für den
Fall, dass sich die vier nicht vereinen könnten, den Städten „Augsburg,
Nürnberg, Ulm, Botenburg an der Tauber, Wintzham und Wissenburg
zu einem genieinen Manne Hansen von Steinach, Bürgermeister von
Begensburg, dann der Stadt Basel und allen anderen Städten unter der
Albe, an dem Sew und in dem Algöw zu einem gemeinen Manne Hen-
gin Humppis, Bürger zu Bavenspurg zu geben.'' Vgl. Freyberg Beg.
Boic. Vol. X (VI.) pag. 158.
***) Wibel Thl. I. S. 225.
37
Craffts, Herrn Gottfrieds und Herrn Virichs mutter, Gräfin von Ho-
henloh, lassen wir wissen von des grossen Unrechts wegen, so Eure
Sone vnsern Eidsgenossen denen von Rotenburg vnd Dinkelsbühl
getan haben vnd noch täglich tun, vnd damit vns kein glimpff, fueg
vnd bescheidenheit von inen niemals wiederfaren könt noch möchte,
wie doch das ist, dass wir bisshero lange Zeit geschonet haben,
das aber vns gegen Inen nichts verfangen hat, darum können vnd
mögen wir auch fürbas nimmer schonen vnd wollen auch vnser Ehr
gegen euch vnd allen euren Helfern vnd Dienern wol bewaret ha-
ben. Geben zu Vlm, von aller vnser Geheiss wegen, vntter deren
von Vlm Iusigel, freytags vor dem Palmtag A. 1379."
In der That machten bald hierauf, noch im Herbste des nämli-
chen Jahres, die Städte Rotenburg, Hall und Dünkelsbülil einen Zug
gegen Creilsheim, konnten aber nichts dawider ausrichten, sondern
mussten am 7. Februar 1380 die Belagerung aufheben. Doch diess
greift schon in die Geschichte der folgenden Periode hinüber.
Im Jahre 1379 gibt Ulrich seine Bewilligung zu der von sei-
nen Brüdern Kraft und Gottfried beabsichtigten Gründung eines Stif-
tes von Weltpriestern zu Meckmühl.*}
Dass er damals sich zumeist mit seinen älteren Brüdern bei
seiner Mutter aufgehalten habe, ist aus einer Urkunde vom Jahre
1379 ersichtlich, vermöge welcher der Cardinal Pileus der Wittwe
Anna von Hohenloch und ihren Söhnen Kraft, Gottfried nnd Ulrich
auf ihr Ansuchen bewilliget, den Religiösen, namentlich des Cister-
zienser Ordens, denen sonst der Genuss von Fleischspeisen unter-
sagt ist, wenn sie bei ihnen Einkehr nehmen, so lange sie daselbst
sich aufhalten, mit Fleischspeisen bewirthen zu dürfen.** )
*) S. oben §. 11. pag. 33. Anm. **
**) Wiöel, Th. II. cod. dipl. pag. 325. N. CLXXVIU.
38
13.
Im Jahre 1379 zog sich Graf Gottfried von den Regierungs-
geschäften zurück.
Neun Jahre lang hatte Graf Gottfried mit seinem älteren Bru-
der Kraft gemeinschaftlich die Regierungsangelegenheiten besorgt,
als er dessen überdrüssig wurde. Sey es dass er von jeher ein zu-
rückgezogenes Leben vorzog oder dass ihn die Misshelligkeiten, in
welche er die letzte Zeit unwillkührlich durch die Streitigkeiten mit
den Reichsstädten verwickelt wurde, zu dem Entschlüsse brachten;
er legte die Regierung nieder und widmete sich dem beschaulichen
Leben.
Dass Graf Gottfried die Regierung niederlegte beweist eine
von seinem Bruder Ulrich am St. Georgen Tage 1384 ausgestellte
Urkunde nachstehenden Inhalts.*)
„Wir Virich von Hoenloch dun kunt . . von der Herrschaft we-
gen die unser lieber Vater selich unsern lieben Brüdern Craffte
und Godefried von Hoenloch geerbet und gelaissen hait, des beken-
nen wir Ulrich von Hoenloch das das halb deil derselben Herrschafft
mit allen Ingehuren und nuzen unsers lieben bruder Godefrid von
Hoenloch ist, den Wir zu diesen zyten ynne haben von sinen wegen,
vnd were ob der obgenante unser lieber bruder Godefrid von Ho-
enloch den halb deil der Herrschafft wider wolt haben, wann er
uns dan der mant mit botten oder mit brieve zu hus oder zu hoff oder
selbes uuder awgen, so sollen wir im oder weme er heist die Herr-
schafft halb wieder geben unverzogenlich an alles geverde."
*) Hanselmann B. I. pag. 473. cod. dipl. N. CXLIV.
39
Dass ferner Graf Gottfried die Regierung desshalb niederlegte
um sich nunmehr ungehindert einem beschaulichen Leben widmen zu
können, ist aus der für seinen Bruder Graf Albrecht ausgestellten
Dispensationsbnlle, vermöge welcher diesem gestattet wird in den
weltlichen Stand zurückzutreten und sich zu verehelichen, klar er-
sichtlich, denn daselbst heisst es:*)
„Cum prefatus Albertus (de Hohenloch, canonicus ecclesie Ma-
guntine) de nobili et antiqua Baronum prosapia ortus existat et ejus
genitor decesserit ac duo ipsius Alberti germani remanserint, quo-
rum unus pontificali dignitate prefulget, alter senex est et vitam
quodammodo religiosam ducit contemplationi et orationibus vacans
ita quod non est spes quod proles suscipiatur ex eo . ."
Diese Dispensationsbulle ist vom Jahre 1409. Von den sechs
Brüdern Albrechts lebten damals nur noch zwei, nämlich Georg und
Gottfried. Ersterer war Bischof zu Passau, er ist folglich der „pon-
tificali dignitate prefulgens," der andere, von dem es heisst: „vitam
quodammodo religiosam ducit contemplationi et orationibus vacans"
ist demnach unser Graf Gottfried.
Diese zwei so eben erwähnten Urkunden beweisen nun aller-
dings nur, dass Gottfried sich von der Regierung zurückzog um sich
einem beschaulichen Leben zu widmen, ferner dass er seinen Antheil
an der Regierung seinem Bruder Ulrich abtrat, endlich dass diess
spätestens im Jahre 1384 geschah; sie beweisen aber keineswegs,
dass Gottfried schon im Jahre 1379 von der Regierung abgetreten
sey: allein es spricht alle Wahrscheinlichkeit für das letztere, denn
der von Ulrich in der Urkunde vom Jahre 1384 gebrauchte Aus-
druck: „das halb deil der Herrschaft den wir zu diesen Zyteti inne
*) Hanselmann B. I. S. 478. cod. dipl. N. CLII.
40
haben von sinen (Gottfrieds) wegen" dentet klar darauf hin, dass
Ulrich den Antheil seines Bruders, eben weil er ihn am Georgitage
1384 bereits inne hatte, schon früher erhielt, und da, wie schon
oben bemerkt worden,5"5) die im Jahre 1379 ausgestellten Urkun-
den über eine Schuld von 5760 Gulden und über die Stiftung zu
Meckmühl die letzten sind, in welchen Gottfried als regierender
Herr erscheint, so liegt die Vermuthung nahe, dass er schon im
Jahre 1379 sich zurückgezogen habe.
Was übrigens hier nur als wahrscheinlich bezeichnet werden
kann, wird durch die nachfolgende Untersuchung zur Gewissheit.
14.
In den Jahren 1380 und 1381 regiert Graf Kraft IV. gemein-
schaftlich mit seinem Bruder Ulrich.
Wenn bisher einerseits urkundlich nachgewiesen wurde, dass
Graf Gottfried sich von den Regierungsgeschäften zurückgezogen
habe, andrerseits aber die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sol-
ches nicht erst im Jahre 1384, sondern schon 1379 geschehen sey,
so knüpft sich nun hieran von selbst die weitere Frage, wer ist
damals, als er von der Regierung zurück trat, an seine Stelle ge-
treten? Hat Gottfried bei seinem Rücktritte im Jahre 1379 seineu
Antheil an der Regierung dem älteren Bruder Kraft überlassen, so
dass dieser allein regierender Herr wurde und Ulrich erst 1384
zum Mitregenten machte, oder hat damals schon Graf Ulrich an
Gottfrieds Stelle die Regierung übernommen? Von der Beantwortung
dieser Frage wird es sodann abhängen, ob obige Vermuthung, dass
Gottfried schon 1397 sich zurückgezogen habe, begründet sey oder
nicht.
») S. oben §. H. pag. 32.
41
Hansehnann schreibt'"5) „dass Graf Gottfried seinem Bruder
Kraft die Regierung aus Liebe zur Ruhe bald ganz allein überliess
und sich mit einem jahrlichen Deputat von 200 Gulden auf Schloss
und Stadt Weikersheim begnügt habe, bezeugt eine Urkunde in
Archivo de a° 1379, welcher Vertrag jedoch fünf Jahre hernach
wieder geändert und dieses Grafen Gottfrieds halber Theil an der
Herrschaft Hohenlohe dessen jüngerem Bruder Grafen Virich zu re-
gieren eingeräumt worden, laut dessen darüber ausgestellten Rever-
ses de a° 1384."
Hanselmann behauptet demnach, dass von 1379 bis 1384 Kraft
allein, von 1384 angefangen aber Kraft gemeinschaftlich mit Virich
regiert habe. Er beruft sich desshalb auf Urkunden von den Jahren
1379 und 1384. Was jedoch die letztere von diesen Urkunden an-
belangt, ist schon oben bemerkt worden, dass dem Wortlaute nach
Ulrich den Antheil Gottfrieds nicht erst im Jahre 1384 erhielt, son-
dern vielmehr damals schon inne hatte. Die Urkunde vom Jahre
1379 theilt Hanselmann nicht mit, wir können daher nicht geradezu
beweisen, dass in derselben nur vom Rücktritte Gottfrieds, nicht
aber auch davon die Rede sey, dass nunmehr Kraft allein die Re-
gierung übernahm, allein dass die Behauptung Hanselmanns soweit
sie die alleinige Regierung Krafts betrifft, der Berufung auf diese
Urkunden ohnerachtet, nicht über jeden Zweifel erhaben sey, geht
schon daraus hervor, dass er selbst an einem andern Orte*-*1) die
Vermuthung ausspricht, Ulrich habe schon vor dem Jahre 1384 die
Regierung angetreten und zwar nicht gemeinschaftlich mit Kraft,
soudern allein. Seine Worte sind: „Da Graf Gottfrid aus Liebe
zur Ruhe a° 1384 sich freiwillig der Regierung begeben und seinen
*) Hanselmann B. I. S. 176.
**) Hanselmann B. II. S. 211.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. IH. Abth. 6
42
Landesantheil seinem Bruder Ulrich überlassen: so hat auch Ulrich
von solcher Zeit au und auch schon einige Jahre vorher bis gegen
das Jahr 1407 die Lehen-Administration und zwar wie es scheint
ganz allein gehabt, obgleich sein älterer Bruder Graf Kraft noch
bis 1399 am Leben gewesen."
Die Wahrheit liegt in der Mitte. Graf Gottfried hat sich al-
lerdings im Jahre 1379 in das Privatleben zurückgezogen, aber we-
der sein älterer Bruder Kraft, noch sein jüngerer Bruder Ulrich
hat die Regierung allein übernommen, sondern diese beiden regier-
ten gemeinschaftlich.
Es war im gräflich hohenloheschen Hause, wie oben *•) an Bei-
spielen aus dem dreizehnten, vierzehnten und fünfzehnten Jahrhun-
dert nachgewiesen wurde, herkömmlich, dass zwei Brüder gemein-
schaftlich regierten. Das nämliche hatte Kraft III. in seinem Te-
stamente ausdrücklich verordnet und seinen Willen dahin ausgespro-
chen, dass nach seinem Tode nicht bloss seine zwei ältesten Söhne
„Kraft und Gottfrid miteinander zu glichem teil die Herrschaft be-
sitzen, nutzen und nissen sullen mit vollem ganzem Gewalt" sondern
■ — und das ist hier von besonderer Wichtigkeit — dass überhaupt
die Regierung bei den je zwei älteren Brüdern verbleibe, sonach
wenn der eine von den zwei älteren ohne männliche Leibeserben ab-
gehen sollte, der dem Alter nach nächste an seine Stelle einrücke.
„Ez ist auch gerett" heisst es in dem Testamente, „were ob die
vorgenanten unser sun Craft und Gotfrid bede an libs erben, daz
elich sun wern, nach unserm tod stürben und abgingen, daz dann
der ander unser elich sun einer, der darnach nach denselben unsern
sunen der Eilest ist . . die vorgnant unser Herschafft mit allen irn
*) S. oben §. 8.
43
Zugehorungen erben und besitzen sullen glicher wise und zu allen
rechten als die vorgeschriben unser sun Crafft und Gotfrid."
Nun ist allerdings Gottfried erst im Jahre 1413 gestorben, al-
lein es wurde doch, wenn er im Jahre 1379 von der Regierung
zurücktrat und, wie diess wirklich der Fall gewesen, einen Sohn
nicht hinterliess, seine Stelle ebenso erlediget, als wenn er mit Tod
abgegangen wäre. Es erforderte also der Vollzug des Testamentes,
dass nun an seine Stelle der dritte von Krafts Söhnen eintrete;
dieser war aber kein anderer als Ulrich.*)
Wird es durch diese Betrachtungen wahrscheinlich, dass nach
dem Rücktritte Gottfrieds weder Kraß noch Ulrich allein, sondern
beide miteinander regiert haben, so verschwindet vollends jeder
Zweifel hierüber, wenn wir nochmal den von Ulrich im Jahre 1384
ausgestellten Revers ins Auge fassen. Graf Ulrich beurkundet in dem-
selben, dass er „zu diesen Zyten das halb deil der Herrschafft ynne
habe von sinen (seines Bruders Gottfried) wegen." Hatte Ulrich blos
die Hälfte der Herrschaft, regierte er sonach nicht allein, so muss
ein anderer mit ihm gemeinschaftlich regiert haben, dieser andere
aber konnte, da Ulrich nur an Gottfrieds Stelle eingetreten war,
wenigstens anfänglich wohl Niemand sein als Graf Kraft.
In der That finden wir in den Urkunden von den Jahren 1380
und 1381 nunmehr statt der Brüder Kraß und Gottfried die Brüder
Kraft und Ulrich.
Ein Diplom des Oehringer Hospitals vom Sonntag vor Georgi
des Jahres 1380 beginnt mit den Worten : **) „Wir Crafft von Ho-
henloch vnnd Wir Virich von Hohenloch Gebruder."
*) S. oben §. 9.
**) Wi&el, Th. II. cod. dipl. S. 290 Oehring. Hospital ürk. N. 12.
8*
44
Am nächsten Samstag vor Sant Urbanstag 1 381 beurkunden
„Kraft von Hohenloch und Ulrich von Hobenloch Gebrüder, an
Eberhard Philips Bürger zu Halle, die ihm schuldigen zwey tau-
send sechs hundert Gulden minder sechs Gulden auf nächsten St.
Katherinen Tag zurückzuzahlen oder bei Versäumung dieser Frist
sie mit einem Gulden je von zehn Gulden zu verzinsen."*) Verglei-
chen wir diese Urkunde mit den oben erwähnten Schuldverschrei-
bungen vom 2. März und 25. Mai 1379, in welchen Kraft und
Gottfried dem nämlichen Eberhard Philips 5660 Gulden schuldig
zu sein bekennen,**) so ergibt sich, dass im Jahre 1381 die Brüder
Kraft und Ulrich für eine Schuld einstanden, für welche im Jahre
1379 die Brüder Kraft und Gottfried haftbar zu sein versprochen
hatten. Hierin scheint mir ein klarer Beweis zu liegen nicht nur
dass, wie vorher Kraft und Gottfried nunmehr Kraft und Ulrich ge-
meinschaftlich regierten, sondern auch, dass schon in den Jahren
1380 und 1381 Ulrich, wie in die Rechte so auch in die Pflichten
Gottfrieds eingetreten ist.
Gottfried mochte wohl im Herbste des Jahres 1379, als die
Misshelligkeiten mit den Reichsstädten so ernstlich wurden, dass sie
einen Zug selbst gegen Creilsheim unternahmen, seinen Antheil an
den rüstigeren Ulrich abgetreten haben, unter dessen Mitwirkung so-
dann dem Feinde solcher Widerstand entgegengesetzt wurde, dass
dieser im Februar des darauffolgenden Jahres die Belagerung auf-
zuheben sich entschloss.
*) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X. (VI.) pag. 74.
**) S. oben §. 10. pag. 32.
45
15.
Seit dem Jahre 1382 hat sich auch Graf Kraft IV. von den
Regierutigsge.se haften zurückgezogen.
Nachdem Graf Kraft IV. als der älteste der Brüder eilf Jahre
lang, zuerst gemeinschaftlich mit Gottfried, dann mit Ulrich, der
Grafschaft vorgestanden, scheint auch er, dem Beispiele seines Bru-
ders Gottfried folgend, das Leben eines Privatmanns den Sorgen
eines Regenten vorgezogen zu haben, denn so zahlreich die Urkun-
den des gräflich hohenlohischen Hauses sind, so finden wir doch den
Namen Krafts IV. nur selten in denselben erwähnt, und wo er ge-
nannt wird, erscheint er seit dem Ende des Jahres 1381 nie mehr
in der Eigenschaft eines regierenden Herrn. Es ist, da uns alle an-
deren historischen Nachrichten hierüber fehlen, der Mühe werth, die
Urkunden, in welchen Kraft vorkömmt, anzuführen.
Im Jahre 1381 „am sant Peterstag als er vff den Stul zu Rom
gesetzt wart" bekennen „die Ept vnd diesamung der geistlichen stift zu
saut Burkart zu sant Stepfan vnd zu sant Jacob vnd die Capitel der
Wertlichen Stift zu Hang vnd zu dem Nuwenmunster zu Wirtzbnrg . . .
dem Edeln Herren Hern Gräften von Hohnnloch, daz sie für sin
gesunt vnd lang leben biten wollen Jerlichs di weil er lebt mit einer
gesungen Mess . . vff" den nehsten tag vor oder nach sant Georien
tag . . vnd wenn er von diser Werlt gescheit, wollen sie Jerlichs
sinen Jertizt begen mit seluesper die man Placebo heizzt mit Vigilye
vnd mit seimesse *)"
Am Sonnabend vor Laurentius 1384 bekennt König Wenceslaus,
dass er „von rechter Schult schuldig sey dem Edlen seinem ge-
*) Wibel, Th. III. cod. dipl. S. 103. N. XXIX.
46
trewen Kräfte von Hoenloch funftehalb tusentMenzer Galdein" nud
verpfändet ihm dafür seinen „Czol zu Macheren bei Pilche gelegen
uff der Moselen und den Czenden zu Macheren von allerley Fruchte
js sey von Rocke, von Weicze, von Havern und das nuynte deil
von demWiue . . . und alle die Cappune und Hünere . . und schol
Kraft von dem Czolle zu Macheren alle jerlichs heven und nemen
czwey hundert Guidein."*5)
Am 20. April 1390 bekennt Kraft von Hohenlohe, dass er sei-
nem Bruder, dem Bischöfe Georg von Passau eine Summe von tau-
send Pfund Pfennigen zur Wiedereinlösung von den Getraidzeben-
ten zu Stetelndorff, ze dem aigen, ze Nidernabstorff, ze Starnwerd,
ze Furtt, ze Obernzama, ze Partzendorff, zu der Haid, zu den Dorff-
fein, ze Chirichhaini, ze Smida, ze Obern Ruspach, ze Nidern Rus-
pach, ze Tewffental, zu Hawsleiten von den edlen Ulrichen und
Gorigen Vettern von Dachsperg vorgestreckt und dass ihm letztere
zu Leibgeding sind verliehen worden. Siegler: Virich. von Hoben-
loch, Bruder des Krafts Hohenloch.i;":<)
Im nämlichen Jahre wird Kraft in einer Urkunde des Stifts
zu Oehringen mit vier #**) und in einem Vertrage mit den Burggra-
fen von Nürnberg mit fünff ) seiner Brüder genannt.
Am 19. August 1391 vereinigen sich Kraft, Gottfried und
Ulrich von Hohenlohe mit Anna von Hohenlohe weiland von Braun-
eck hinsichtlich des Schlosses Nuwenstein, welches sie dem Bischof
*) Hanselmann B. I. cod. dip. pag. 471. N. CXLII.
**) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X. (VI.) pag. 265. Mon. Boic. Vol. XXX. P.
II. pag. 401.
***) Wibel, Th. IV. cod. dipl. pag. 35. N. 8.
t) Wibel, Th. I. Vorbericht pag. 38. Nota 4.
47
von Wirzburg eingeantwortet haben, so dass es wegen des müt-
terlichen Erbtheils der genannten Anna bei dem Ausspruch des En-
gelhard von Winsperg verbleiben soll.*)
Im Jahre 1398 endlich wird Kraft von Hohenloh zugleich mit
dem Grafen Johann dem Aelteren von Wertheim und dem Grafen
Ludwig von Rynecke als Obmann bestellt für den Fall, dass zwi-
schen dem Bischöfe Gerhard zu Würzbnrg und Johann Hofwart
Statthalter des Dechants und dem Capitel daselbst neue Miss Ver-
ständnisse entstehen sollten.**)
Alle diese Urkunden betreffen nur Privatangelegenheiten des
Grafen. Da seine Gemahlin im Jahre 1331 starb,***) so mag er da-
mals den Entschluss gefasst haben, sich zurückzuziehen. Er selbst
segnete das Zeitliche im Jahre 1399 und liegt neben seiner Gemah-
lin Lysa, einer gebornen Gräfin von Sponheim, in dem Stifte zu
Meckmühl begraben. Die Grabschrift lautet: Anno dni MCCCXCVI1II.
obiit dus Craffto in Hohenlohe in vigilia Katherine virginis, cuius
anima requiescat in pace.f)
Wenn wir übrigens behaupten, Graf Kraft habe sich seit 1382 von
den Regierungsgeschäften zurückgezogen, so verhehlen wir uns keines-
wegs, dass der Umstand, dass in den Urkunden Graf Kraft nur
mehr als Privatmann erscheint, nicht als genügender Beweis hiefür
gelten könne, denn hiebei müsste vorausgesetzt werden, dass wir
alle Urkunden, in welchen Kraft erwähnt wird, kennen und selbst
*) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X. (VI.) pag. 294.
**) Wibel, Th. IV. S. 15. Freyberg, Reg. Boic. Vol. XI. (VII.) pap. 128.
***) Wibel, Th. I. S. 66. Ihre Grabschrift lautet: Anno dni MCCCLXXXI.
obiit dna Lysa comitissa de Sponheim.
t) Wibel, Th. I. S. 66.
48
in diesem Falle wäre der Schluss noch voreilig; allein aus der
nachfolgenden Untersuchung wird sich zeigen, dass unsere Behaup-
tung nicht blos auf das Stillschweigen der Urkunden gegründet ist,
sondern dass seit dem Jahre 1382 in der That ein anderer von den
Brüdern an Krafts Stelle gemeinschaftlich mit Ulrich regiert hat.
16.
Im Jahre 1382 war Graf Johann, der vierte von Krafts III.
Söhnen, schon gestorben.
Als Graf Kraft IV. sich in das Privatleben zurückzog, trat
wieder derselbe Fall ein wie im Jahre 1379, wo Gottfried von
der Regierung abgetreten war. Graf Ulrich, obgleich nur der dritt-
geborne von den Söhnen, war nunmehr, da zuerst Gottfried und
dann auch Kraft, jeder ohne Hinterlassung eines männlichen Erben,
abgetreten waren, der älteste von den Brüdern. Wie nun er selbst,
da Gottfried zurücktrat, als der nächst älteste Bruder an Gottfrieds
Stelle einrückte, so sollte auch jetzt der letztwilligen Bestimmung
Krafts III. zufolge, da auch Kraft IV. sich zurückzog, der nach
Ulrich älteste Bruder die Herrschaft mit ihm gemeinschaftlich be-
sitzen. Dieser war, wie aus dem Testamente vom Jahre 1367 er-
sichtlich, Graf Johann, welchem Hoeuard die Burg und das Dorf
daran als Apanage angewiesen worden war5"5).
Mit seinem Bruder Johann jedoch hat Graf Ulrich nie gemein-
schaftlich regiert. Ausser dem eben angeführten Testamente Krafts
III. finde ich den Grafen Johann nur noch dreimal in den Urkunden
erwähnt.
*) S. oben §. 10 pag. 26. Nro. 2.
49
Im Jahre 1379 betheiligte er sich mit seinen Brüdern Ulrich
und Friedrich bei der von den damals regierenden Grafen Kraft und
Gottfried gemachten Stiftung von Meckmühl *). Er giebt seinen
Willen dazu und ist unter den Mitsieglern.
Im Jahre 1 380 siegelt er nebst Dietrich vou Berlichingen , Vogt
zu Waidenburg, einen Erbstandbrief^).
Endlich beabsichtigte König Wenceslaus im Jahre 1381, ihn
als Pfleger des Stiftes Speyer vorzuschlagen. Die Urkunde lau-
tet***): Wir Wenzlaw.. tun kund., daz Wir dem Erwirdigen
Adolff Erzbischoff zu Menze.. geret vnd gelobet hau daz wir in
dryn Manden uff unser Kost und arbeit an unserme Heiligen Vater
dem Babest Urbano dem Sesten bestellen und schaffen sollen u.
wollen, daz Er den Stift zu Spire Virich oder Hansen gebruderen
von Hohenloch geben und providire. Idem eventualiter apud Urbani
successorem acturum spondens. Dat. Norimbergae Lunae Purif. B.
M. V. 1381.
Später kommt Graf Johann gar nicht mehr vor und es ist dess-
halb sehr wahrscheinlich, dass er im Jahre 1381 als Decan des
Stiftes zu Oehringen gestorben sei. Im Verzeichniss der dortigen
Decane findet sich wenigstens: „Johannes Hohenloch -j- 1381" -j*).
Es bemerkt zwar Wibel, „Johann der Bruder Ulrichs müsse von
*) Hanselmann B. I. cod. dipl. N. CXXXVII. Wibel Th. II. cod. dipl.
pag. 323 N. CLXXVH.
**) Wibel Th. IV. S. 31.
***) Wibel Th. III. cod. dipl. pag. 76- N. 3. Th. IV. cod. dipl. pag. 49,
N. XLIII.
f) Wibel Th. I. S. 55.
Abhandlungen der I. Cl. d. lt. Ali. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 7
50
dem Dechant dieses Namens unterschieden werden, wenn es anders
richtig ist, was L. Scholl von ihm meldet, dass er (der Broder
Ulrichs) erst 1412 im ledigen Stand verstorben sei"*), allein
Scholl hat sich bei der Angabe von Johanns Sterbejahr offenbar
geirrt. Es ist oben die päpstliche Dispensationsbnlle für Graf Al-
brecht angeführt worden**). In derselben wird mit Bestimmtheit
gesagt, dass Graf Albrecht damals, als er die Erlaubniss erhielt in
den weltlichen Stand zu treten, nur noch zwei Brüder hatte, näm-
lich Gottfried, der sich einem beschaulichen Leben widmete, und
Georg, der damals Bischof in Passau war. Diese Dispensations-
Bulle ist vom Jahre 1409. Hieraus ergiebt sich von selbst, dass
Johann, der Bruder Ulrichs, nicht erst 1412 gestorben sein kann.
Allerdings starb in diesem Jahre ein Graf Johann von Hohenlohe,
aber nicht ein Bruder Ulrichs, sondern ein Sohn des Grafen Ger-
lach von Hohenlohe aus der Speckfeldschen Linie.
17.
An Johanns Stelle succedirte Graf Friedrich, der fünfte von
Krafts III. Söhnen.
Da zu der Zeit, als Kraft IV. von der Regierung zurücktrat,
sein Bruder Johann schon gestorben war, kam nunmehr die Reihe
an Friedrich.
Dass dieser der fünfte von den Söhnen Krafts III., dem zu-
folge nach Johann der älteste von den Brüdern gewesen sei, wird
zwar nirgend ausdrücklich gesagt, geht aber nicht undeutlich daraus
*) Wibel Th. IV. S. 15.
**) S. oben §. 13 pag. 39.
51
hervor, dass er, so oft in den Urkunden die mehreren Brüder zu
gleicher Zeit genannt werden, allemal nach Johann an der fünften
und seitdem Johann gestorben war, nach Ulrich oder an der vierten
Stelle angeführt wird, so z.B. in dem mehrerwähnten Stiftungsbriefe
von Meckmühl vom Jahre 1379: „Wir Krafft und wir Gottfryd
Gebruder von Hohenlohen .. mit gunst unser üben bruder Ulrichs,
Johansen und Fryderichs von Hohenloeh", so in dem würzburgischen
Lehenbrief über die Stadt Weikersheim vom Jahre 1392, „die die
Edeln Heren Craft, Gotf'rit, Virich vnd Fridenrich von Hohenloch
(Johann war inzwischen schon gestorben) bis her zu lehen gehabt
haben von dem Stiffte zu Fulde"#).
Uebrigens wenn auch Graf Friedrich von den noch lebenden
Brüdern nicht der älteste nach Ulrich gewesen wäre, so hätte ihm
doch, da die zwei anderen Söhne Krafts III., Georg und Albrecht,
in den geistlichen Stand getreten waren, das Recht der Succession
zugestanden. Georg war Canonicus in Passau und wurde daselbst
im Jahre 1388 zum Bischof, im Jahre 1423 aber zum Erzbischofe
zu Gran erwählt. Er starb den 8. August 1424 und liegt, wie er
selbst verordnet hatte, zu Passau in der St. Stephanskirche vor
dem St. Mauritius-Altare begraben. Albrecht dagegen war Cano-
nicus in Mainz. Von ihm wird später noch die Rede sein.
Graf Fridrich hatte jedoch nicht blos das Recht der Succes-
sion, sondern er war in der That regierender Herr. Diess glaube
ich aus einer Urkunde vom Jahre 1390 schliessen zu dürfen. In
genanntem Jahre nämlich berief der römische König Wenceslaus
mehrere Fürsten nach Nürnberg, um mit ihnen der Münze wegen zu
berathen „wann grozz vnd mannigley prechen in tewtschen landen
*) Hanselmann B. II. S. 148, N. LXXXI1.
7#
52
sein von pöser vnd geringer müntze wegen als das wol land kundig
vnd offenbar ist" und genauere Bestimmungen für die Zukunft über
das Gepräge nicht minder wie über den Gehalt derselben anzuord-
nen. Die Fürsten, welche diese Uebereinkunft unterzeichneten und
zu halten versprachen , waren Gerhard Bischof zu Würzburg, Lam-
bert Bischof zu Bamberg, Burkhard Bischof zu Augsburg, Fridrich
und Ruprecht der Jüngere, Pfalzgrafen bei Rhein und Herzoge in
Bayern, Fridrich Burggraf zu Nürnberg, Johann Landgraf zu
Leuchtenberg, Johann Graf zu Wertheim und Fridrich Herr zu
Hohenlohe*). Wie hätte nun Graf Fridrich von Hohenlohe diese
Uebereinkunft unterzeichnen und sie zu halten versprechen können,
wenn er selbst nicht das Recht zu münzen gehabt hätte? Wie
hätte er aber das Recht zu münzen haben können, wenn er nicht
in der Grafschaft Hohenlohe regierender Herr gewesen wäre? Wie
hätte er endlich, da, wie die folgende Darstellung zeigen wird,
Graf Ulrich im Besitze der Herrschaft blieb, regierender Herr sein
können, wenn er nicht an seines verstorbenen Bruders Johann Stelle
eingetreten wäre und mit seinem Bruder Ulrich gemeinschaftlich re-
giert hätte?
18.
Von 1382 — 1396 regiert Graf Virich gemeinschaftlich mit
seinem Bruder Fridrich.
Hatte Graf Ulrich schon in seiner Jugend in sich den Beruf
gefühlt, den Schauplatz seiner Thätigkeit über den ihm durch die
Geburt angewiesenen engeren Raum auszudehnen; haben wir ihn
bereits schon im Jahre 1375, als noch seine älteren Brüder Kraft
*) Hirsch Miinzarchiv T. I. pag. 53 N. LVII.
53
und Gottfried die Herrschaft besassen, bei den zwischen den Reichs-
städten und dem Adel ausgebrochenen Streitigkeiten betheiliget ge-
funden; hat damals schon selbst der Kaiser in ihm einen Mann er-
kannt, der geeignet schien, in jenen Zwistigkeiten eine Ausglei-
chung herbeizuführen: so hat er jetzt, da er selbst die Angelegen-
heiten seines Hauses zu leiten hatte, um so entschiedener an den
politischen Ereignissen Theil genommen.
Da Graf Ulrich bei solchen auswärtigen Angelegenheiten zu-
meist nur allein genannt, sein Mitregent, der jüngere Fridrich aber
ganz mit Stillschweigen übergangen wird, so mag diess Hanselmann
zu der Behauptung geführt haben, Graf Ulrich habe seit 1384 und
auch schon einige Jahre vorher allein regiert. Die bald zu erwäh-
nenden Urkunden jedoch beweisen, dass bei den meisten Verhand-
lungen, welche die inneren Verhältnisse, Stiftungen, Verkauf, Ver-
pfändung, Belehnungen u. s. w. betreffen, Graf Fridrich neben dem
Grafen Ulrich genannt wird, dass sonach Graf Ulrich wie vorher
mit dem älteren Kraft, so von jetzt an mit dem jüngeren Fridrich
die Herrschaft getheilt hat.
Was zunächst die Thätigkeit Ulrichs nach aussen anbelangt,
ist schon oben erwähnt worden, dass der römische König Wences-
laus dem Erzbischof Adolph von Mainz im Jahre 1381 versprach,
sich bei dem Pabste Urban VI. dahin zu verwenden, „daz Er den
Stifft zu Spire Virich oder Hansen gebruderen von Hohenloch gebe
und providire". Dieses Versprechen kam auch insofern in Erfüllung,
als, da Graf Johann inzwischen gestorben war, Ulrich wirklich
Pfleger des genannten Bisthums geworden ist. Vom 19. Juni 1383
findet sich eine Schuldverschreibung „Ulrichs von Hohenloch Pfle-
gers des Bisthums zu Speier" an Gottschalk den Juden über 490
Gulden unter Bürgschaft zweier Nürnberger Bürger *).
*) Freyberg Reg. Boic. Vol. X. (VI.) pag. 116.
54
Inzwischen hatten die Bündnisse zuerst der schwäbischen, dann
auch der rheinischen Städte, zumal seitdem Kaiser Karl IV. meh-
rere der ersteren an die benachbarten Fürsten verpfändet hatte,
immer mehr an Kraft und Ausdehnung zugenommen. Auch einige
Reichsstäude traten ihnen bei. Am weissen Sonntag 1384 richtete
auch Graf Ulrich mit denselben ein Bündniss auf zehn Jahre auf.
Sieben und dreissig Reichsstädte beurkunden „daz sie sich verbunden
haben zu dem Edeln Herren Herren Ulrich von Hohenloch zehn gantze
Jar, ob daz gescheihe daz yemant.. den obgenannten Herren oder
die sinen beschedigen oder bekrenken wolte.. daz sullen sie raten
und helffen, widersten und getrülichen dawider beholffen sin, es
sollen auch alle ihre veste Schlozze und Stet des obgenannten
Herren von Hohenloch und der iren Husser sin in und zu allen
ihren Noten"*).
Es will jedoch den Anschein gewinnen, als hätte ihm dieses
Bündniss wenig Vortheil gebracht, ihn vielmehr öfter in Geld-
verlegenheit gesetzt, denn der frommen Stiftungen, deren sonst in
diesem Zeitalter so viele gemacht wurden, werden unter der Re-
gierung Ulrichs nur wenige, neue Erwerbungen gar keine, desto
öfter dagegen Verpfändungen und Verkäufe erwähnt. Doch ich
will lieber, was uns aus diesem Zeiträume gemeldet wird, iu chro-
nologischer Ordnung aufzählen, da hieduich klarer hervortritt,
wann und wieferne der jüngere Fridrich bei den inueren Angelegen-
heiten als Mitregent sich betheiligte.
Die erste Begünstigung, die Graf Ulrich, bald nachdem sein
älterer Bruder Kraft von der Regierung zurückgetreten, für die
Grafschaft Hohenlohe zu erwirken suchte, war die Erweiterung des
*) Hanselmann B. I. cod. dipl. N. CXL1II.
55
Wildbannbezirkes. Der hierüber ausgestellte Begnadigungsbrief ist
vorn Margarethen-Tage des Jahres 1382 und lautet5"'): „ Wir Wenz-
law.. tun knnt.. das wir haben angesehen die Dienste die uns und
dem Reiche der Edel Ulrich von Hohenloch . . getan hat., und ha-
ben ym doruinb.. den Wiltpand der vor get bis au den Flinswald
und von danuen bis gen Haldenbergsteten, die Tauber ab bis gen
Wykersheim und von dannen die Tauber ab bis gen Kunigshoven
und von Kunigshoven die Bach uff bis gen Schipfe, von Schipfe bis
gen Uffiugen, von Uffingen bis gen Rosenberg, von Rosenberg die
Bach ab bis gen Adelzheim, von Adelzheim bis an den Hart baser
Walt, do daz Wilpand auch vor hin geet, gnediclichen genieret, ge-
lenget und gewertet".
Hansehnann gab irrig diesem Diplome die Ueberschrift „Begna-
digungsbrief für Graf Cr äfften von Hohenlohe über den erweiterten
Wildbannsbezirk der Grafschaft". In der Urkunde selbst ist nicht
Graf Kraft, sondern Ulrich genannt, ein Beweis mehr, dass kurz
vorher eine Aenderung in der Herrschaft vorgegangen war. Wäre
Kraft noch regierender Herr gewesen, d. h. hätte damals noch
Kraft gemeinschaftlich mit dem jüngeren Bruder Ulrich regiert, so
wäre die Urkunde ohne Zweifel auf seinen, als des älteren, und
nicht auf Ulrichs Namen ausgestellt worden.
Aber schon im ersten Jahre scheinen für Ulrich Geldverlegen-
heiten eingetreten zu seyn, denn am 29. März verkaufte er an die
Gebrüder Goetz und Albrecht von Vinsterloch seine Gerichtsbarkeit
zu Lutenbach nebst einer Fischweide daselbst um 2000 Pfund Hel-
ler Rotenburger Wehrung und Vorbehalt des Wiederkanfes **).
*) Hanselmann B. I. cod. dipl. pag. 470 N. CXL.
**) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X. (VI.) pag. 91.
56
Wenn übrigens hier nur Graf Ulrich als Verkäufer erscheint, so
kann daraus um so weniger geschlossen werden, Ulrich hätte da-
mals allein regiert, als in einem späteren Kaufbriefe über die Ge-
richtsbarkeit zu Lutenbach auch Fridrich als Mitverkäufer genannt
wird5*) und auch sonst, selbst bei Gelegenheiten, wo es sich um
die eine und dieselbe Sache handelte, bald Ulrich und Fridrich mit
einander, bald nur Ulrich allein angeführt wird.
Einen Beweis hievon liefert die Stiftung, welche seine Mutter,
die Gräfin Anna am Tage vor Bartbolomä 1382, also im nämlichen
Jahre, in welchem Ulrich mit der Erweiterung des Wildbannes be-
gnadigt wurde, für die Einsiedler von St. Paul zu Goldbach, zwi-
schen Hall und Waldenburg gemacht hat. Wenn Anna den Ein-
siedlern eine Kapelle baut und ihnen dazu das beiliegende Weiler-
lein, die benachbarten Wälder und einige Zehenden einräumt, so
geschieht es mit Bewilligung ihrer beiden Söhne Ulrich und FW-
drich**)', wenn dagegen drei Monate später, „feria quarta proxima
post festum S. Katherine Virginis 1382", Bischof Gerhard von
Würzburg diesem Kloster die Pfarrei Munkheim incorporirt, so ist
in dem hierüber ausgestellten Diplome der jüngere Fridrich nament-
lich nicht mehr aufgeführt, denn es heisst nur: „dicta Anna (de
Hohenloch relicta quondam Kraftonis B. de Hohenloch) fuudatrix
jus patronatus parochialis ecclesie in Munkeim ad ipsam et suos
heredes pertinens de consensu expresso et voluntate nobilis viri
Vlrici de Hohenloch filii sui et omnium aliorum quorum iuterest,
dicto Monasterio dedit"'**"*).
*) Freyberg loc cit. A. 1388, 28. Jan.
**) Crusius Schwab. Chronik. III. Th. B. V: cap. 14 bei Wibel Th. IV.
S. 40.
* ***) Wibel Th. II. cod. dipl. pag. 328 N. CLXXXI.
57
Ob nun der öftere Wechsel der Regenten — seit dem Tode
Krafts III. bis zum Jahre 1382 war ein solcher bereits dreimal
vorgekommen, — ob die Beteiligung Ulrichs an den Angelegenhei-
ten der Reichsstädte, oder ob die mit jenem Wechsel nothwendig
verbundene Vertauschung der Besitzungen zu Irrungen und zu wel-
chen? geführt habe, lässt sich wohl nicht mehr mit Bestimmtheit
angeben, aber dass irgend ein Missverständniss zwischen den Her-
ren und ihren Unterthanen einerseits und zwischen den Brüdern
unter sich andrerseits, Platz gegriffen habe, welches einer Ausglei-
chung bedurfte, geht aus nachstehenden Urkunden von den Jahren
1383 und 1384 hervor.
Am Freitag vor dein hl. Pfingsttag 1383 legten „Arnolt Mar-
pach Bürgermeister und die Richter der Stadt Orengew und die Ge-
meynde der Burger gemeinlich der vorgenannten Stadt" eine Huldi-
gung in folgender Art ab*). „Wir., bekennen, daz wir eynmütec-
lich.. gelobet vnd gesworn haben der Edeln Wolgebornen Frauwen
Frauwen Annen wyland von Hohenloch vnd allen iren erben furbaz
Ewyclich by In zu belyben vnd vns vnd vnser Lybe vnd gute
nyemer me von In zu enpfrembden on alles geuerde. Wer aber
sache daz wir oder dehein der vnsern daz vberfuren oder brechen ..
Wer die weren oder wie viel der weren, ez wer einer oder me,
dez oder derselben Lybe vnd gute alles., sol vnd ist verfallen vn-
ser ietzgenanten Frauwen vnd iren erben, und mögen daz furbaz
wenden und kehren wie sie wollen. Vnd verzyhen vns auch dez
mit diesem Briefe furbaz ewyclich aller Ansprach vnd vorderung,
die wir darnach gehaben mohten vnd da wieder nyemer me zu tun,
heymlich noch offenlich mit Gerillte oder an Gerillte geistlichs oder
weltliches on aller slaht geuerde".
*) Hanselmann, B. I. cod. dipl. pag. 471 N. CXLI.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abth.
58
Da es sich hier um das Versprechen handelt, der Rath und die
Bürger wollen sich der Herrschaft nicht mehr entfremden und nichts
mehr über ihre Ansprüche thun, so muss vorher irgend ein Miss-
verständniss zwischen der Herrschaft und der Bürgerschaft obge-
waltet haben, welches nunmehr auf Vermittlung der Mutter der re-
gierenden Herren, der Wittwe Anna, ausgeglichen worden ist. Viel-
leicht bezog sich dasselbe, wenigstens theilweise auf die Rechte
der einzelnen Brüder unter sich und ihr gegenseitiges Verhältniss
zu den Unterthanen, denn dass auch hierüber sich einige Bedenken
erhoben haben, geht deutlich aus der mehrerwähnten Urkunde Ul-
richs vom Georgentage des nächstfolgenden Jahres hervor, worin
er „von der Herrschaft wegen, die seine Brüder Kraft und Gott-
fried geerbt hatten" beurkundet, dass derjenige halbe Theil dieser
Herrschaft, den er zur Zeit inne habe, eigentlich seinem Bruder
Gottfried gehöre, dass er denselben nur „von Sineu wegen" inne
habe und, wenn ihn Gottfried zurückfordern würde, sogleich wieder
abzutreten bereit sey*).
Vom Jahre 1385 finden sich wiederholt Schuldbriefe und Ver-
pfändungen, welche Ulrich auszustellen sich genöthiget fand.
Am 16. Februar versetzte er an Eberhart Philips, Bürger zu
Halle, einen Meiden um anderthalb hundert Gulden und versichert
zur Atzung täglich zwölf Regensburger Pfennige **). Am 2. Mai
stellte er dem nämlichen Eberhart Philips einen Schuldbrief aus
über fünfzehn hundert sechs und siebenzig Gulden, welche nach
nächsten St. Martinstag mit einem Gulden von zehn Gulden zu ver-
*) Hanselmann, B. I. cod. dipl. pag. 471 N. XLIY*.
**) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X. (VI) pag. 149.
59
guten sind*). Am 28. November bescheiniget er, von Herrn Jo-
hann von Steten Ritter sechsthalb hundert Gulden empfangen zu
haben **),
Es mag auffallend scheinen, dass auch in diesen Urkunden,
namentlich in den für Eberhart Philips ausgestellten Schuldbriefen,
Graf Fridrich nicht erwähnt wird, um so mehr als wir oben selbst
darauf aufmerksam gemacht haben, dass die dem nämlichen Eber-
hard Philips im Jahre 1379 und 1381 gegebenen Verschreibungen,
erstere von den Brüdern Kraft und Gottfried, letztere von den Brü-
dern Kraft und Ulrich ausgestellt seyen. Füglich sollte man er-
warten, dass wenn im Jahre 1385, Ulrich und Fridrich wirklich
gemeinschaftlich regierten, die Schuldbriefe dieses Jahres auch von
beiden gemeinschaftlich unterzeichnet wären. Allein dem Grafen
Fridrich war inzwischen das Amt eines Pflegers der Domprobstei
zu Würzburg anvertraut worden und hiedurch scheint er mehrmalen
veranlasst worden zu sein, sich in Würzburg aufzuhalten. Dass
er wirklich damals, als die eben erwähnten Schuldbriefe ausgefer-
tiget wurden, in Würzburg war, beweist nachstehende Urkunde
vom 24. Februar 1385: „Karl von Hesseburg Techant und das Ca-
pitel des Domstiftes zu Wirzburg, dann Fridrich von Hohenloch
Pfleger und Staathalter der Domprob sley daselbst bewilligen dem
Arnolt von Sparneck Besitzer des Probstlehens am Lindechsperge
und am Rympürer Steige, dann dem Niclaus von Malkos, Besitzer
des Probstlehens genannt der Ueberschütz der Roten wecke, die
Vertauschung mehrerer zu diesen Probstiehen gehörigen Zinsen und
Gülten an das Karthäuser Kloster zu dem Eugelgarten in Wirzburg
*) Frey her g a. a. O. S. 155.
**) Freyberg a. a. O. S. 169.
8*
60
gegen mehrere Zinsen und Gülten auf Kramen und Häusern zu
Wirzburg" *).
Mit der Uebernahme dieses Amtes, wenn es ihn auch zuweilen
von seiner Heimath entfernte, hat jedoch Graf Fridrich keineswegs
auf die ihm an der Regierung der Grafschaft zustehenden Rechte
verzichtet oder sich von den daran haftenden Obliegenheiten los-
gesagt. Diess beweisen die Verpfändungen von Creilsheiin und
Weikersheim. Am 15. April nämlich 1386 versetzte Graf Ruprecht
von Nassau vorläufig für eine Schuld von 5000 Gulden seines Bru-
ders Ulrich von Hoheuloch an ihren Oheim Johann Landgrafen zu
Leuchtenberg die Veste und das Schloss Schillingsfürst bis auf St.
Johanns Tag zu Sonn wenden, worauf sein gedachter Bruder dafür
Burg und Stadt Creilsheiin zu versetzen hat oder er, Ruprecht Graf
von Nassau und sein anderer Bruder Fridrich von Hohenloch ihr
Schloss, Burg und Stadt Weither sheim halb dafür eingeben sollen.
Die Brüder Ulrich und Fridrich siegeln diese Urkunde**). Im
darauf folgenden Jahre wurde die Stadt Creilsheiin durch Graf
Ulrich und Fridrich von Hohenlohe nebst der Veste Werdeck an
die Städte Hall, Heilbronn, Wimpfen und Weinsberg versetzt, 1388
an den Landgrafen Johann von Leuchtenberg und von diesem im
Jahre 1399 mit aller Zugebör an die Burggrafen Johann und Fri-
drich zu Nürnberg verkauft ***).
In den Jahren 1387 und 1388 werden die Brüder Ulrich und
Fridrich abermal gemeinschaftlich als regierende Herren erwähnt.
1387 cediren sie an ihren Bruder Gottfried das jus patronatus zu
*) Freyberg, a. a. O. S. 150,
**) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X (VI) pag. 180.
***) Wibel, Th. IV. S. 90.
61
Münster*); im Jahre 1388 verkaufen sie um 550 Golden, vermuth-
lich um biemit die drei Jahre vorher von dem Ritter Johann von
Stetten entlehnte gleiche Summe zurückzubezahlen, ihr Gericht zu
Lutenbach und ihren Hof zu Elpersheim an Götz und Albrecht von
Finsterloch*5''). Im nämlichen Jahre verschrieb sich „Adel von
Tuttenheim der Elter" gegen die Brüder Ulrich und Vridrich von
Hohenloch, dass er ihnen und ihren Erben keinen Eintrag thun
wolle weder an dem Kirchsatz und Mannlehen, so nach Schupf
gehörig, noch an dem Burglehen zu Bischofsheim, als die bei dem
cum jure reluitionis auf zwei Jahre geschehenen Verkaufe der
Veste Schupf und des Dorfes Uffingen vorbehalten wurden***).
Die Brüder Ulrich und Fridrich aber erklärten am Mondtag nach
dem Palmtage desselben Jahres, dass, wofern die Pfarrei Ober-
albach und die Pfarrei Oettelfingen, ingleichen die Pfarrei und Früh-
messe zu Schwaigern nnd Oettelfingen ledig würde, sie dieselbe
demjenigen verleihen wollten, für welchen Adel von Tuttenheim
bitten würde f).
Zwei Jahre später finden wir zwar den Grafen Ulrich wieder
allein. Am 24. August 1390 bekennt der Ritter Wilhelm von Beben-
burg von dem Landgrafen Johann zu Leuchtenberg, Grafen zu Hals
dem älteren, die 700 Gulden erhalten zu haben, wofür ihm von
Ulrich von Hohenloch der See und Weiher zu Rode verpfändet
worden ist ff), und am Donnerstag nach U. L. Frauen Tag
Nativitatis bekennen Ulrich und Georg von Altheim Gebrüder, dass
*) Wibel, Th. IV. S. 105.
**) Freyberg, Reg. Boic. Vol. X. (VI; pag. 217.
***) Hanselmann, B. I, cod. dipl. N. CXLV.
f) Wibel, Th. IV. S. 112.
ff) Freyberg, a. a. O. S. 274.
62
ihnen ihr „gnediger Herre Herre Virich von Hohenloch von besun-
dern sineu Gnaden verlihen hat für verswiegene verfallene Lehen
den Gügelhofe zu Dornhusen vnd ein Gute gelegen zu Wastheim"*);
der Grund jedoch , warum hier Graf Fridrich neben seinem Bruder
nicht genannt wird, ist derselbe wie der oben beim Jahre 1385
angeführte, nämlich weil er damals abwesend war. Fridrich be-
fand sich zur nämlichen Zeit, am hl. Kreuz Erfiudungs Tage zu
Nürnberg um bei dem von dem römischen Könige Wenceslaus an-
geordneten Münzvereine die Rechte und Interessen der Grafschaft
Hohenlohe in seinem und seines Bruders Namen zu vertreten**).
Während Graf Fridrich in Nürnberg sich durch Unterschrift
und Besieglung bereitwillig erklärt, die daselbst getroffenen Bestim-
mungen genau zu befolgen, erhält sein Bruder Graf Virich einen
Schuldbrief, worin ihm Georg von Vrheim Müntzmeieter zweihun-
dert Gulden in Gold schuldig geworden zu sein bekennt und worin
er verspricht, wenn er das zur Zurückzahlung festgesetzte Ziel
nicht einhalten sollte, sich zu stellen „gen Orengew in die Stat oder
in sines Herren Slosse eines in welches er wil". Als Zeuge ist
unterschrieben Cüntz Müntzmeister zu Oerengew***). Es ist hier-
aus ersichtlich, dass die hohenlohische Münzstätte zu Oehringen
damals wirklich benützt wurde.
Inzwischen war Graf Conrad von Hohenloh- Brauneck gestor-
ben. Seine Wittwe Anna Avar eine Tochter Graf Krafts III. von
Hohenlohe. Es erhob sich zwischen ihr und ihren Brüdern eine
Irrung wegen des mütterlichen Erbtheils. Am 19. August 1391
*) Hanselmann, B. II. pag. 222 N. CXLXI. Wiöel, Th. III. cod. dipl. pag.
76 N. IV.
**) Hirsch, Münzarchiv T. I j>ag. 53 N. LVIL
***) Albrecht, Münzgesch. d. Hauses Hohenlohe S. 76 Urk. N. I.
63
vereinigten sich die Brüder Kraft, Gottfried und Ulrich mit ihr
hinsichtlich des Schlosses Nuwenstein, welches sie dem Bischof
von Würzburg eingeantwortet hatten, dahin, dass es bei dem Aus-
spruche des Engelhard von Winsperg verbleiben solle *).
Drei Jahre später erscheint Fridrich abermal gemeinschaftlich
mit seinem Bruder Ulrich in einer Urkunde vom Sonntag vor Christi
Himmelfahrt des Jahres 1394, in welcher beide „Virich und Frie-
drich Herren von Hohenloch für sich und ihre erben dem Erber
Hern Conradt von Liekarthusen Decband dez Stiftes zu Orengew
bestettigen, dass die Verbesserung der Frühmesse daselbst geschehen
sei mit ihrem guten Willen vnd Worte"**).
Vom nämlichen Jahre findet sich ein Eignungsbrief des Grafen
Ulrich für Cuntz Zehe über eine Gilt zu Schoenbrunn gegen Lehen-
machung eines andern Guts. Es ist dieser Brief zu Oehringen aus-
gestellt am Mittwoch vor St. Valentinstag***).
Am Mondtag nach St. Jacobs Tag 1395 bestellte er Hans
Flach als Münzmeister in Oehringen -J-). In demselben Jahre prä-
sentirte er den Priester Walther, genannt Peter von Oehringen, für
die Frühmesse zu Neuenstein -J—j-).
Zum letztenmal finde ich beide Brüder in einer Urkunde vom
13. Juli 1396. Ulrich und Fridrich von Hohenloch Gebrüder be-
*) Freyberg, a. a. O. S. 294.
**) Wibel, Th. II. cod. dipl. S. 172. Oehr. Stift. UrU. N. 20.
***) Hanselmann, II. pag. 148 N. LXXXIII.
f) Albrecht, Münzgesch. d. Hauses Hohenlohe.
ff) Wibel, Th. IL cod. dipl. p. 339 N. CLXXXVIII.
64
kennen und reden für ihren Bruder Albrecht von Hohenloch, dass
er seine von dem Pabst erhaltene Anwartschaft auf eine Pfründe
des Stiftes zu Würzburg zu Nutz und Frommen dem Dechant und
dem Capitel wenden und kehren solle, was jedoch ihrem Bruder
unschädlich sein soll an Wirdigkeit*).
Da Graf Fridrich später nicht mehr erwähnt wird, sein Sterbe-
jahr aber unbekannt ist, mag er im Jahre 1396 das Zeitliche ge-
segnet haben.
19.
Von 1396 — 1406 regiert Graf Virich allein.
Nachdem bereits Kraft und Gottfried sich freiwillig von der
Regierung zurückgezogen, Johann und Fridrich aber gestorben wa-
ren, sollte nunmehr der letztwilligen Verfügung Krafts III. zufolge
Graf Ulrich die Herrschaft mit demjenigen von den noch lebenden
Brüdern theilen, welcher ihm dem Alter nach am nächsten stand.
Ob dieser Georg oder Albrecht gewesen, lässt sich mit Bestimmt-
heit nicht angeben. Da jedoch Georg damals schon die bischöfliche
Würde zu Passau erlangt haue, so konnte er nicht an Fridrichs
Stelle eintreten. Die Reihe der Succession wäre demnach an Albrecht
gekommen. In der That finden wir den Grafen Albrecht mehrmal
zugleich mit Ulrich erwähnt, so dass es den Anschein gewinnt, als
hätten nunmehr diese beiden Brüder wirklich gemeinschaftlich re-
giert.
Im Jahre 1396 verkaufen Albrecht und Ulrich mit Vorbehalt
der Wiederlösung an Conrad von Weinsberg um 1200 Gulden in
*) Freyberg, Reg. Boic. Vol. XI- (VII) p. 78.
65
Königshofeii die Stadt an der Tauber nebst Tauberrettersheim, Neu-
broun, Rinderfeld, Oberndorf, Steichenthal nnd Wernbrechtshausen.*)
Am Abend St. Johanns des Täufers 1400 schlössen Ulrich
und Albrecht mit Eberhard von Weinsberg und seinem Sohne Con-
rad einen Erbvertrag. „Wir haben bedacht," schreiben die beiden
Herrn von Weinsherg,-^^) „daz Wrir noch nit elicher Süne haben
vnd dorumb so haben wir den vorgenannten zwein, Vlrichen vnd
Herrn Albrechten von Hohenloch gebrüdern sollich Liebe und Frünt-
schafft getan ; Ist es daz Wir Beide abgen vnd sterben daz Wir nit
elich Süne hinder vns lassen, So wollen Wir unser Herrschafft mit
aller zugehörung In zwein vnd Iren Erben allerbast gönnen . . Also
haben Wir In dieselben vnnser Herrschafft von Winsperg vermacht
nach vnnserm tode." Die Gegenverschreibung der Brüder Ulrich
und Albrecht gegen die Herrn von Weinsberg ist vom nämlichen
Tage und, nur mit veränderten Namen, in denselben Worten ab-
gefasst. ***)
Zu gleicher Zeit erhielten die Grafen Ulrich und Albrecht von
den beiden Herrn von Weinsberg die Erklärung, dass ihnen, wenn
sie bekriegt würden, alle Weinsbergischen Schlösser offen stehen
sollten. f)
Im Jahre 1401 stellten Ulrich und Albrecht ein Bekenntniss
aus, dass ihr (damals schon verstorbener) Bruder Kraft die zwei
*) Wibel Th. I. S. 158. Der Tag an welchem der Kaufbrief ausgefertiget
wurde, ist bei Wibel nicht angegeben ; vermutblich geschah es erst
nach dem Margarethen Tag, an welchem Fridrich noch lebte.
**) Hanselmann B. I. cod. dipl. p. 474. N. CXLVII.
***) Hanselmann B. I. S. 159.
f) Hanselmarnn B. I. cod. dipl. pag. 474. N. CXLV.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 9
66
Kircheusätz zu Honhart und Mulßngen dem Stift zu Meckmöbl
übergeben habe.*) Endlich werden beide Brüder nocbmal in einer
von Rezze von Bechlingen, Domherrn zu Würzburg, im Jahre 1403
ausgestellten auf das Schloss Buchenbach bezüglichen Urkunde mit-
einander erwähnt. **)
In Anbetracht dieser Urkunden sollte man nun allerdings mei-
nen, dass Graf Ulrich, wie vorher mit seinem Bruder Fridrick, so
nunmehr mit seinem Bruder Albrecht gemeinschaftlich regiert habe.
Wenn ich jedoch nichts destoweuiger glaube, er habe seit dem
Jahre 1396 allein regiert, so bestimmen mich hiezu nachstehende
Gründe.
Fürs erste war Graf Albrecht Canonicus in Mainz. Es ist aber
nicht wahrscheinlich, dass er als Canonicus wirklicher Regent ge-
wesen sei.
Es ist auch der Inhalt der erwähnten Urkunden nicht der
Art, dass hieraus noth wendig auf eine Mitregentscfaaft Albrecbts
geschlossen werden müsste. Allerdings war der mit den Herrn
von Weinsberg geschlossene Erbvertrag von höchster Wichtigkeit,
aber es darf hiebei nicht übersehen werden, warum Albrecht gerade
in dieser Sache sich betheiliget hat.
Bald nachdem Albrecht das Canonicat in Mainz erlangt hatte,
ist seine Schwester Anna, die mit dem Grafen Conrad von Hohen-
loh-Brauneck verheirathet war, Wittwe geworden. Dieser Conrad
hatte zwar eine Tochter Margaretha, die später (1403) an den
Grafen Heinrich von Schwarzburg und nach dessen Tod au den
*) Lünig Specil. See. P. I pag. 289 bei Wibel Th. I. S. 66.
**) Wibel Th. IV, cod. dipl. pag. 37. N. 16.
67
Barggrafen Johann III. zu Magdeburg vermählt wurde,*) da er je-
doch einen Sohn nicht hinterliess, war mit ihm der männliche Stamm
der Brauneck 'sehen Linie erloschen.
Von der Speck feilschen Linie lebte gleichfalls nur ein einzi-
ger männlicher Sprosse, nämlich Graf Johann. Auch dieser hatte
keine Nachkommenschaft. Er starb im Jahre 1412 ohne Erben.
Nicht minder war die Hohenlohische Linie, obleich Kraft III.
sieben Söhne hinterlassen hatte, dem Erlöschen nahe. Im Jahre 1381
war Johann gestorben, im Jahre 1396 war ihm Fridrich nachge-
folgt, beide ohne Hinterlassung eines Erben. Da nun 1399 auch noch
Kraft IV. gleichfalls kinderlos starb, lebten zwar noch vier von
den Brüdern, nämlich Gottfried, Ulrich, Georg und Albrecht, aber
nichts desto weniger drohte der ganze hohenlohische Stamm völlig
zu erlöschen ; denn da Gottfried bereits alt geworden war, Ulrich
gleichfalls eine Successiou nicht mehr zu erwarten hatte, Georg aber
schon seit 10 Jahren über das Bisthum Paussau regierte, beruhte
die einzige Hoffnung nur noch auf dem jüngsten der Brüder, auf
Albrecht. Dieser machte daher Schritte, durch den päpstlichen Stuhl
die Erlaubniss zu erlangen, seiner Zeit in den weltlichen Stand
zurücktreten und nach Ulrichs Tod die Regierung übernehmen zu
können.
Wenn aber schon inzwischen Bestimmungen getroffen wurden,
wie es, im Falle die Familie wirklich aussterben würde, mit ihren
Besitzungen gehalten werden sollte; wenn desshalb mit den Herrn
von Weinsberg — Conrad von Weinsberg hatte mittlerweile Ul-
richs Schwester, Conrads von Brauneck Wittwe, geheirathet —
*) Hanselmann, B. II, S. 309.
9*
68
ein Erbvertrag abgeschlossen wurde; was war da natürlicher als
dass Graf Ulrich hiebei, und selbst in andern Dingen, die Einwilli-
gung und Mitwirkung seines Bruders Albrecht guthiess? ohne dass
desshalb Albrecht als wirklicher Mitregent betrachtet werden niüsste.
Ferner finden wir, die eben angeführten wenigen Ausnahmen
abgerechnet, seit dem Jahre 1396 bis zum Jahre 1407 in allen Ur-
kunden, welche sich auf die eigentlichen Regierungsangelegenheiten
beziehen, immer nur den Grafen Ulrich allein genannt.
Das erste hieher bezügliche Document ist eine Urkunde vom
St. Laurentii Tage 1396, worin Graf Ulrich Eberharden von Uem-
mingen den Jungen „von Gnaden wegen" die Lehen verleiht zu
Gemmingen gelegen, die Albrecht selig von Gemmingen, den man
nennt Pfaffe Albrecht, zu Lehen gehabt.1"1)
Am St. Peters Abend Cathedra 1397 stellt Berthold Dünn,
gesessen zu Hohenloch, für den Grafen Ulrich einen Lehen-Revers
aus über zehn Morgen Wiesen, gelegen in dem Erkenhageu bei
Gross-Hartbach gegen Eigenmachung eines Hofes zu Boltzhauseu.**)
Am Donnerstag nach Quasimodogeniti 1399 bekennt Cuntz von
Kirchberg, dass ihm Graf Ulrich die Lehen geliehen hat, die seine
Vettern Raban und Fritz selige von der Herrschaft gehabt haben,
nämlich Güter und Zehenden zu Eberbach, Onolzheim, Speltach und
Kochensteten. ***)
Am Freitag vor St. Georgen Tag 1401 eignet Ulrich den bis-
her lehenbaren Zehenden zu Einhartzbühel der ewigen Messe, die
*) Hamelman, ß. II. cod. dipl. pag. 224. N. CXLVW.
**) Hanselmann, a. a. O. pag. 223. N. CXLVH.
***) Hanselmann, a. a. O. pag. 224. N. CL.
69
Heinrich Toppler Bürger zu Rotenburg in der Pfarrkirclie daselbst
gestiftet hat.*)
Vom Donnerstag nach St. Martins Tag 1401 findet sich ein
Lehen-Revers des Edelknechts Friedmann Zobel gegen Graf Ulrich
über einen Hof und einen Fischweiher zu Osthausen gegen Eignung
eines Hofes zu Bollzhausen.**)
Am Sonntag nach St. Peterstag 1405 endlich bekennt Dietrich
Zobel, dass ihm Graf Ulrich geliehen habe „die Hube zu Nidern Wi-
tichshusen, die Sulzdorfs dochter Jone hat, vnd die Hube die Siz
stahel June hat zu obern Witichshusen, und das Lehen, das Kunz
Kemmerer Iune hat zu obern Witichshusen,"***)
In allen diesen sechs Lehenbriefen wird nur Graf Ulrich allein
genannt. Dasselbe ist auch in den Urkunden der Fall, in denen es
sich um die Ausübung der landesherrlichen Rechte in caiwis eccle-
siasticis handelt.
Am hl. Christabend 1404 beurkundet Graf Ulrich „als die Er-
bern Herren Dechant vnd Capitel dez Stifftes tzu Oreugew haben
hernüwert vnd gemachet gesetze gewohnheit, vnd statuta, die sie
fürbatz In irem Stiffte ewiclichen haben wollen vnd alle Ire nach-
kumen . . als In daz auch Herre Johans Bischoff tzu Wirtzburg be-
stedigt hat . . daz ist mit vnserm rade und gutem willen gescheen
vnd Zugängen."-)-)
*) Freyberg, Reg. Boic. Vol. XI. (VII.) pag. 207.
**) Hanselmann, a. a. O. pag. 225. N. CLL
**•) Hanselmann, a. a. O. pag. 223. N. CXLVIH.
f) Wibel, Th. III. cod. dipl. pag. 107. N. XXXIII.
70
Als im Jabre 1405 der Abt und das Convent des Klosters zu
Schoenthal die Frühmesse zu Syndringen verbesserten und hiemit
die Güter und Gülten der Kapelle zu Ernspacb vereinigen wollten,
gab Ulrich seinen Consens dazu und bat aucb „soliche gute vnd
gülte die vnter Im vnd siner Herrschafft gelegen sin, zue derselben
Frümesse ewiclich gefryet vnd geeygnit." >;;c)
Auch ein auf die Ausübung des Münzrechtes bezügliches Do-
cument dieser Zeit spricht nicht undeutlich dafür, dass nicht zwei
Grafen, sondern nur Ulrich allein regiert habe.
Am Samstag vor St. Lucientag 1407 stellt „Hüselin Brünyngin
Müntzmeisterin zu Orengew" den Brüdern Gottfried nud Albrecht
eine Quittung aus, dass sie um alle Ansprüche, welche sie an den
Grafen Ulrich tm machen gehabt habe , befriediget sey.**) Graf
Ulrich war kurz vorher gestorben. Seine unmittelbaren Nachfolger
in der Regierung waren Gottfried und Albrecht. Diese wollten Ab-
rechnung darüber halten, was etwa der Münze wegen noch an
der vorigen Herrschaft zu fordern sein möchte. Da nun die Witt-
we Breunig erklärt, sie sei um alle Ansprüche, welche sie an den
Grafen Ulrich gehabt habe, befriedigt, so geht daraus nicht undeut-
lich hervor, dass, weil sie nur an Ulrich allein eine Forderung ge-
habt, dieser allein die Münze besessen, sonach allein regiert habe.
Es hat daher Hanselmann Recht, wenn er schreibt, Graf Ulrich
habe bis gegen das Jahr 1407, obwohl sein ältester Bruder Graf
Kraft noch bis 1399 am Leben gewesen, die Lehen-Administration
*) Wibel a. a. O. pag. 108. N. XXXIV.
**) Albrecht, Münzgesch. d. Hauses Hohenlohc. S. 2.
71
ganz allein gehabt, s;Sr) nur irrte er sieh darin, wenn er behauptet,
diese alleinige Lehen-Administration habe bereits 1384 und auch
schon einige Jahre vorher angefangen.
20.
In den Jahren 1407 und 1408 regiert Graf Gottfried gemein-
schaftlich mit seinem Bruder Albrecht.
Graf Ulrich starb im Jahre 1407. Er hatte eine Zeit lang al-
lein regiert. Diess war wider das uralte Herkommen und wider die
ausdrückliche Bestimmung seines Vaters. Es war jedoch nur darum
geschehen, weil er, da die einen der noch lebenden Brüder schon
seit längerer Zeit sich freiwillig von der Regierung zurückgezogen
hatten, die anderen aber im geistlichen Stande lebten, von allen
Brüdern der einzige war, der die Regierung fortführen konnte und
wollte. Uebrigens hat Ulrich selbst seit der Zeit, wo sein früherer
Mitregent Fridrich starb und er nunmehr eigentlich allein regierte,
um das alte Herkommen nicht ganz bei Seite zu setzen, die Zu-
stimmung seines Bruders Albrecht wenigstens, wie wir oben gese-
hen haben, in solchen Angelegenheiten erholt, welche den Besitz-
stand der Grafschaft anbelangten.
Als nun Ulrich starb, trat seit Krafts Hl. Tod zum fünftennial
ein Wechsel in der Regierung ein. Es lebten noch Gottfried und
Albrecht. Auf diese zwei musste nunmehr, denn Georg konnte als
Bischof von Passau nicht gerechnet werden, die Regierung überge-
hen, entweder, wenn man am Herkommen hielt, auf beide miteinan-
der, oder, wenn Gottfried aus seiner Zurückgezogenheit nicht mehr
heraustreten wollte, auf Albrecht allein.
*) Hanselmann B. II. S. 211.
72
Gottfried mochte, nachdem er bereits 27 Jahre lang freiwillig
ein stilles, zurückgezogenes Leben geführt, wenig Lost zum Regie-
ren empfinden, allein, da Albrecht die Dispens, in den weltlichen
Stand zurückzutreten, noch nicht erlangt hatte, entschloss er sich
gleichwohl so lange bis diese angelangt wäre, gemeinschaftlich mit
seinem jüngeren Bruder nochmal die Herrschaft zu übernehmen.
In den Jahren 1407 und 1408 regieren Gottfried und Albrecht
miteinander. Diess beweisen nachstehende Urkunden.
Es ist schon oben erwähnt worden, dass „Hüselin Brünyngin
Müntzmeisterin zu Orengew" am Samstag vor St. Lucientag 1407
eine Quittung ausstellt, dass sie um alle Ansprüche, welche sie an
den (verstorbenen) Grafen Ulrich zu machen gehabt habe, befriedigt
sei. Da sie diese Quittung den Brüdern Gottfried und Albrecht aus-
stellt, so schliesse ich gewiss nicht mit Unrecht daraus, dass Gott-
fried und Albrecht die Nachfolger Ulrichs gewesen seien.
Im Jahre 1408 werden die Brüder Gottfried und Albrecht
von dem Bischöfe Johann zu Würzburg mit dem Schlosse und
Flecken Buchenbach an der Jaxt belehnt.*)
Im nämlichen Jahre belehnt König Ruprecht die Brüder Al-
brecht und Gottfried mit dem Wildbann.**)
Am Mondtag vor St. Valentinstag 1408 endlich lassen sich
beide Brüder von der Stadt Oehringen huldigen. „Wir Gottfriede
vnd Wir Albrecht von Hohenloch Gebrudere Bekennen . . daz Uus
die Ersamen vnd wisen, die bürgere, beide arme vnd Riche der
*) Wibel, Th. I. S. 133.
**) Albrecht Münzgesch. S. 4. Chmel Reg. Ruperti p. 152. N. 2467.
73
Statt zu Orengew gelobt vnd gesworn haben, als hernach geschri-
ben stet, vnd wir die Egenanten Burgere Bekennen, daz wir den
vorgenanten Herren Herrn Gottfried vnd Hern Albrecht gelobt vnd
gesworn han als dan hernach geschriben stet. Zum ersten haben
Vns obgenanten Herrn von Hohenloch die egenanten Burgere ire
guten trüwe In vns hant geben vnd . . gesworn, daz sie vns für
rechte Herrn haben sollen vnd wollen . ."*)
Dem Grafen Gottfried sagten jedoch die Regierungsgeschäfte
so wenig zu, dass er schon im zweiten Jahre wieder seinen An-
theil an Albrecht abtrat, denn in der nämlichen Urkunde, in welcher
ihm und seinem Bruder die Stadt Oehriugen huldigt, heisst es wei-
ter: „Auch ist zu wissen, daz wir obgenanten Hern Gotfried von
Hohenloch sie geheisen haben uff die eyde, die sie vns gesworn
haben daz sie vnserm bruder Hern Albrecht hulden, sweren, gewar-
ten vnd für ein rechten Herren halten sollen an uns sfqt."
Bald darauf traf auch wirklich die Dispensationsbulle Pabst
Gregor XII. für Graf Albrecht ein, des Inhalts: Exhibita siquidem
nobis nuper pro parte dilecti filii Alberti de Hohenloch, canonici ec-
clesie maguntine, petitio continebat quod olim ipse parentum suorum
cupientium eum ascribi militie clericali persuasionibus inductus cleri-
cali caractere insignitus canouicatum et prebendam ejusdem ecclesie
tunc vacantes sibi collatos assecutus ac deinde ad omnes minores
et ad subdiaconatus et diaconatus ordines succesive rite promotus
fuit. Cum autem sicut eadem petitio subjungebat, prefatus Albertus
de nobili et antiqua Baronum prosapia ortus existat et ejus genitor
decesserit ac duo ipsins Alberti germani remanserint, quorum unus
pontificali dignitate prefulget, alter senex est et vitam quodammodo
religiosam ducit, contemplationi et orationibus vacans ita, quod non
*) Hanselmann B. I, cod. dip. p. 477. N, CLL
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ah. d. Wiss V. Bd. III. Abtlil. 10
74
est spes quod proles suscipiatur ex eo, quodque Carissimus in Chri-
sto filius noster Rupertus Rex et carissima in Christo filia nostra
Elisabeth Regina Romanorum Illustres, ne hujusmodi prosapia ex
prolis defectu deficiat et extinguatur et ne Baronie et bona feudalia
genitoris predicti ac progenitorum ipsius Alberti ad manus trauseant
alienas, ac ex eo etiani quod subditi incole et habitatores Baroni-
aram predictarum eundem Albertum in Dominum postulant et requirunt,
desiderent quod dictus Albertus cum aliqua muliere ex qua filios
procreare valeat matrimonium contrahat, pro parte dicti Alberti nobis
fuit humiliter supplicatum ut ei super hoc de opportune dispensationis
gratia providere de benignitate apostolica dignaremur. Nos igitur . ."*)
Gottfried scheint sich von nun an in das Kloster Engelzell be-
geben zu haben, wo er begraben liegt. Sein Grabdenkmal hat die
Aufschrift: Anno Domini MCCCCXIII in vigilia exaltationis sanctae
crucis obiit nobilis dominus Gottfridus comes de Hohenloe, frater
Georgii tunc Episcopi Pataviensis.5"1*]
S c h 1 u s s.
Blicken wir nochmal auf die bisherigen, theils auf die Münzty-
pen, theils auf die Urkunden gestützten Untersuchungen zurück, so
sind wir zu folgenden Ergebnissen gelangt.
Aus der Vergleichung der vorliegenden Münzen ergab sich (§. 1
— 8), dass alle diese Gepräge dem im Jahre 1407 verstorbenen
Grafen Ulrich von Hohenlohe, dem Sohne Krafts III. angehören,
*) Hanselmann B. I. cod. dipl. p. 478 N. CLII.
**) Wtbcl Th. I. S. 26.
75
dass jedoch einige derselben von Graf Ulrich allein, aridere aber
von ihm gemeinschaftlich mit einem seiner Brüder geschlagen wur-
den, dass sonach Ulrich eine Zeit lang allein, eine Zeit lang ge-
meinschaftlich mit einem seiner Brüder regiert habe.
Aus der Vergleichung der bisher bekannten Urkunden ergab
sich ferner (§. 10 — 20), dass unter den Söhnen Krafts III., wel-
cher 1371 starb, die Regierung fünfmal wechselte und zwar in nach-
stehender Weise.
1. Von 1371 bis 1379 regierten die zwei ältesten Söhne Krafts
III., nämlich Kraft IV. und Gottfried, gemeinschaftlich.
2. In den Jahren 1380 und 1381 regierten der erst- und
drittgeborne von Krafts III. Söhnen, nämlich Kraft IV. und
Ulrich gemeinschaftlich.
3. Von 1382 bis 1396 regierten der dritt- und fünflgeborne von
Krafts III. Söhnen, nämlich Ulrich und Fridrich gemein-
schaftlich.
4. Von 1396 bis 1407 regierte der drittgeborne von Krafts III.
Söhnen, nämlich Ulrich allein.
5. Von 1407 bis 1408 regierten der zweit- und jüngstgeborne
von Krafts III. Söhnen, nämlich Gottfried und Albrecht ge-
meinschaftlich.
Nun wird es nicht mehr schwer halsen, genau zn bestimmen,
wann die einen und die andern unserer Pfennige geschlagen wur-
den, denn die Münzen und die Urkunden ergänzen und bestätigen
sich gegenseitig.
10*
7«
Sollte nämlich der §. 19. vorgebrachten Bemerkungen ohner-
achtet noch zweifelhaft erscheinen, ob Graf Ulrich seit dem Jahre
1396 wirklich allein regiert oder die Herrschaft mit seinem Brnder
Albrecht getheilt habe, so kommen die Münzen dem Mangel an hi-
storischen Nachrichten und der möglichen Zweideutigkeit der Ur-
kunden zu Hilfe. Die Pfennige N. 15 — -20 sind ein unwidersprech-
liches Zeugniss, dass Ulrich das Münzrecht eine Zeitlang allein aus-
geübt habe; aus den Urkunden aber ergibt sich, dass der Zeitraum
von 1396 — 1407 der einzige ist, in welchen die alleinige Regie-
rung Ulrichs gesetzt werden kann. Die Pfennige N. 15 — 20 ge-
hören sonach in die Jahre 1396 bis 1407.
Da nun Ulrich 1407 starb, so müssen alle übrigen Münzen N.
1 — 14, die er gemeinschaftlich mit einem seiner Brüder schlagen
Hess, vor dem Jahre 1396 geprägt worden sein, und es fragt sich
nur, ob sich nicht ganz genau angeben lässt, wann und mit wel-
chem seiner Brüder Graf Ulrich dieselben prägen Hess?
In den Zeitraum von 1371 — 1379 können unsere Münzen
darum nicht gesetzt werden, weil Ulrich zu dieser Zeit nicht re-
gierender Herr war.
Auch in den Jahren 1380 und 1381 können sie nicht geprägt
sein. Damals war zwar Ulrich regierender Herr, und in dieser Ei-
genschaft hätte er das Münzrecht ausüben können ; auch würden die
Typen einer solchen Annahme nicht widersprechen, denn in den zwei
nebeneinander befindlichen Brustbildern der Rückseite könnten im-
merhin die Bildnisse der gemeinschaftlich regierenden Brüder Kraft
und Ulrich vorgestellt sein; selbst die Aufschrift V-lrich — O-rengew
würde insoferne zu den Typen passen, als von den zwei regieren-
den Herren hier, wie auf anderen gleichzeitigeil Münzen, eben nur Ei-
ner namentlich bezeichnet wäre: allein, wenn von zwei gemein-
77
schaftlich regierenden Herren nur einer mit Namen genannt wird,
so versteht von sich selbst, dass dann diese Ehre nicht dem jun-
gem, sondern dem altern eingeräumt wurde. Ulrich war aber jünger
als sein Bruder Kraft, welcher überdiess schon seit dem Tode des
Vaters regierte, während Ulrich erst 9 Jahre später an Gottfrieds
Stelle zur Regierung kam.
Wenn nun unsere Münzen nicht zwischen 1371 und 1381 ge-
prägt sein können, aber dennoch vor dem Jahre 1396 geschlagen
wurden, so gehören sie in den Zeitraum von 1382 bis 1396. Ich
suchte oben §.18 aus den Urkunden wahrscheinlich zu machen, dass
von 1382 bis 1396 Graf Ulrich gemeinschaftlich mit seinem jün-
geren Bruder Fridrich regiert habe. Diess wird durch unsere Mün-
zen bestätiget; denn wenn einerseits weder Kraft (der als der
ältere auf den Müuzeu genannt sein müsstej, noch Gottfried (der
erst nach dem Tode Ulrichs wieder aus seiner Zurückgezogenheit
heraustrat), noch Johann (welcher vermuthlich schon 1381 starb),
noch Georg oder Albrecht (welche in den geistlichen Stand getreten
waren) als derjenige bezeichnet werden kann, der gemeinschaftlich
mit Ulrich prägen liess, andrerseits aber unsere Münzen N. 1 — 14
dennoch unwidersprechlich beweisen, dass Ulrich mit einem seiner
Brüder, gemeinschaftlich gemünzt und regiert habe, so bleibt uns
nichts anderes übrig als anzunehmen, Ulrich habe von 1382 — 1396
gemeinschaftlich mit Fridrich gemünzt und regiert.
Die Pfennige N. 1. — 14 gehören also in den Zeitraum von
1382 bis 1392 und sind von Ulrich in Gemeinschaft mit seinem jün-
geren Bruder Fridrich geschlagen.
Hiemit stimmt auch Bild und Schrift überein. Die zwei neben-
einander befindlichen, hedeckten Brustbilder sind die Bildnisse Ul-
richs und Fridrichs, die Aufschrift aber, nämlich der Buchstabe V
78
bezieht sich nur auf Ulrich als den älteren von den beiden Regen-
ten. Es ist hier derselbe Fall, wie auf den Lauffeuer Pfennigen des
Kaisers Karl IV. und seines Sohnes Wenceslaus und auf mehreren
Pfennigen des Burggrafen Fridrich V. von Nürnberg und seines
Sohnes Fridrich VI., wo in gleicher Weise zwei Bildnisse neben-
einander erscheinen, aber nur der Name des einen und zwar des
altern durch den Anfangsbuchstaben angedeutet ist.
ür af en von Holienlolie .
t M/,w„// /-/ /£?a$?c 2>W I :■ //>///. W
Ueber das
E r e c h- 1 h e u m
auf der
Akropolis zu Athen.
Von
Friedrich Thiersch.
Erste Abhandlung.
Ueber das Er echtheu m
auf der Akropolis zu Athen.
Von
Fr. Thiersch.
Vorgetragen am 5. August 1843 in der Sitzung der philosophischen Gasse.
Erste Abhandlung über die innere Einrichtung, Mannig-
faltigkeit und Absicht des Baues.
I.
Einleitung.
Das Heiligthum des Erechtheas (rö *Eq$x&£iov Isqqv auf der
Akropolis in Athen hat seit Stuarts Zeiten die Forschung der Ar-
chäologen und Architecten vielfach in Anspruch genommen, und ob
wohl darüber kein Zweifel war, dass in ihm mehrere, wenigstens zwei
Gebäude zu einem Ganzen vereinigt seyen, auch die einzelnen Theile
sich sattsam von einander zu scheiden und leicht erkennbar schienen,
so war das doch nicht der Fall bezüglich der Anlage, Ausdehnung
und Verbindung derselben. Seine ausser aller Symmetrie gehaltene
Form und Gliederung blieb fortdauernd das grosse Räthsel der grie-
chischen Architectur. Dieses aber wird nicht mit der Annahme ge-
löst, dass man bei dem Wiederbau des Heiligthums nach seiner im
persischen Kriege erfolgten Zerstörung durch die Rücksichten des
Cultus genöthigt war, das neue Werk auf den Grund und nach dem
Abhandlung der I. CI d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abth. 1 1
Maase des alten wieder aufzuführen. Denn dadurch wird die
Schwierigkeit nur in eine frühere Zeit hinausgerückt, und die Frage
kehrt wieder, warum, wenn das ursprüngliche Gebäude schon diese
Zusammensetzung zeigte, man gleich anfangs ihm eine Gestalt gegeben
hatte, die bei dem Wiederbau bewog oder nöthigte, einem gegen Osten
gewendeten Tempel (Taf. 1 A), einem regelmässigen 'Ei-ccoruAog,
gegen Westen eine Querhalle mit Fenstern und Halbsäulen (B) an-
zufügen, mit dieser aber südlich eine kleine Halle (C), nördlich eine
grössere (D) zu verbinden, jene nebst der Querhalle auf einen stock-
hohen Sockel zu setzen, die Nordhalle auf das Reichste auszuschmü-
cken und im Hintergrunde mit der prachtvollen Einfassung eines Thores
auszustatten, das Thor selbst aber zu blenden, und das Dach der
Südhalle, statt von Säulen, von Jungfrauen tragen zu lassen, ganz
abgesehen von der Unebenheit und Ungleichheit des Grundes, der
gegen Westen über 9 Schuh tiefer liegt als gegen Osten, und von der
Verschiedenheit der Maase der Haupttheile, der Bedachung und
des Ineinandergreifens der mannigfachen zu einem scheinbar so übel-
berechneten Ganzen verbundenen Gebäude.
Es wird also der Mühe lohnen, noch einmal mit der bestimm-
ten Absicht an den Versuch zu gehen, in Grund und Zweck der
Anlage dieses Baues und die Bedeutung des Ganzen und Einzelnen
einzudringen.
n.
Neuere Kunde von Erechtheum.
Die erste nicht ganz ungenaue Kunde vom Erechtheum brachte
in neuerer Zeit Jakob Spon nach England, der es noch in seiner
Ganzheit erhalten sehen konnte. „Wir waren," sagt er im 5. Buche
seiner Reise (S. 21 der deutschen Bearbeitung, Nürnberg 1713)
„noch nicht weit (vom Parthenon) zwischen alten Mauern und den
Soldaten ihren Wohnungen, die allda liegen, fortgegangen; so fanden
wir auf der Seite gegen die Stadt zu (gegen Norden) den erech-
83
theischen Tempel. Man kennt ihn an zwei Merkzeichen, deren Pau-
sanias gedenket, eines, dass er doppelt ist, nämlich, dass zween Tem-
pel aneinander gefügt sind, und das andere, weil man den berühm-
ten Brunnen mit dem gesalzenen Wasser allda antrifft; den wir nicht
zu sehen bekamen, weil er in den Bau miteingefasset ist, worinnen
das Frauenvolk seine Wohnung hat, und Niemand ausser dem Se-
rail-Verwalter hineindarf. Man versicherte uns, dass er an jetzo
fast ganz ausgetrocknet sei. Diese beiden Tempel sind auf io-
nische Art gebaut mit auswendig ausgehöhlten Säulen, alles von
Marbel, wie der Minerva ihrer. Der Länge nach bat er dreiundsech-
zig und einen halben, in der Breite aber sechsunddreissig und ei-
nen halben Werk-Schuh. Der kleinere aber ist lang neunundzwan-
zig und breit einundzwanzig Schub, drei Zoll." Man sieht, dass
Spon unter dem zweiten Tempel die westliche Halle mit Fenstern
und Halbsäulen und mit den zwei südlich und nördlich daranstos-
senden Vorhallen verstanden hat, und nicht zu übersehen ist, dass
die südliche Halle mit den Kanephoren dem Pascha als Harem, als
ywaciztlov diente. Ausführlicher berichtet dann über ihn Stuart in dem
grossen und prächtigen Werke über die attischen Alterthümer(II. eh. 2),
das durch die Sauberkeit und verlässige Genauigkeit der archi-
tektonischen Zeichnungen zuerst die Reinheit und Schönheit der
griechischen Architeqtur und ihrer noch erhaltenen Werke zur Kunde
des gebildeten Europa als einen Gegenstand der Bewunderung und
Nachahmung gebracht hat. In neunzehn schönen Knpferplat-
ten werden die Aufrisse, die Maase, die Profilirungen dieses
ersten der ionischen Bauwerke nach ihrer ganzen Schönheit und
Bedeutsamkeit vor Augen gelegt. Nach Stuart hatte J. H. Inwood
im Jahre 1819 auch von dem Erechtheum genaue Zeichnungen ge-
nommen und herausgegeben, welche dem sogleich zu erwähnenden
Werke von Alex. Ferd. von Quast zu Grunde liegen.
Iudess war schon durch Chandler aus der Akropolis eine umfas-
11*
81
sende Inschrift nach Europa gebracht worden, welche sich auf den Bau
des Erechtheums bezieht und über die Führung des Werkes eine bis in
das Einzelne gehende Kunde giebt. Ihre Meldungen blieben unbenutzt
in seinen und den nächstfolgenden Werken, welche sie aus ihm ent-
nahmen. Sie steht jetzo im Britt. Museum Abthlg. VI. n. 26, und
ist von Chandler besonders, dann in seinen Inscript. gr. T. II. n. 1.
bekannt gemacht. Erst Schneider unternahm es (zu Vitruv. T. II.
p. 259 seqq.) im Jahre 1807, sie architektonisch zu erläutern und
für jene Zwecke auszubeuten in einem nicht wenige Punkte bestim-
menden, aber viele nicht genau oder un verlässig behandelnden Coin-
meutare.
Dagegen hat Wilh. Wilkins (Atheniensia or remarks on the topo-
graphy and buildings of Athens p. 75 ff.) durch genaue Vergleichung der
Chandler'schen Abschrift mit dem Original und durch sorgfältige
Erörterung der einzelnen Termini sie für die Geschichte der Bau-
führung des Erechtheums zugänglich gemacht, sowohl in dem genann-
ten Werke als in Rob. Walpol e's Memoirs S. 580 ff.
Auf ihm fusste dann Ottfried Müller, welcher in einer mit
so viel Gelehrsamkeit als Scharfsinn ausgeführten Schrift: Minervae
Poliadis sacra et aedem in arce Athenarum illustravit etc. Göttingen
1820, den Gegenstand weiter gegriffen, und das Verständniss wie
der Inschrift so des Baues, zum Theil nach ihr, zum Theil nach
anderen Angaben vor Allem wesentlich gefördert hat. Ihm hat sich
Aloys Hirt in der Geschichte der Baukunst bei den Griechen (2. Bd.
S. 24) unbedingt angeschlossen, indem er zugleich Einzelnes über Be-
stimmung oder Beziehung verschiedener Theile und über den Cha-
rakter des Baues zweckmässig bemerkt. Auch Böckh, welcher durch
die Chandler'sche Inschrift (Corp. Inscript. gr. n. 160) auf das Erech-
theum geführt wurde, legt die Behandlung von 0. Müller zu Grunde,
weicht aber, wie von seiner grossen Gelehrsamkeit und der Selbst-
85
ständigkeit seines Urlheils zu erwarten stand, in mehreren Pauk-
ten zum Vortheil der Sache von ihm ab. Alle diese Arbeiten sind
auf die stuart'schen Zeichnungen gebaut.
Das Erechtheum selbst hatte zwischen Spon und Stuart eine
wesentliche Veränderung nicht erlitten. Die Oeffnungen zwischen
den Säulen der nördlichen Halle, auch zwischen den Kanephoren
der südlichen hatte man mit groben Mauerwerk gefüllt, um sie zu Ge-
mächern abzuschliessen. Die weiteren Beschädigungen begannen mit
LordElgin, der Eine der gebälktragenden Jungfrauen der südlichen
Vorhalle und an der Ostseite des Haupttempels eine Ecksäule abbre-
chen Hess und entführte. Dann kamen seit 1821 der Befreiungskrieg
und die Zerstörungen, zu denen er auch auf der Burg von Athen bei
ihrer wiederholten Belagerung und Beschiessung Anlass gegeben
hat, besonders als Gouras, der grausame Mörder des edlen Odysseus,
den er in dem Eckthurme der Propyläen gefangen hielt und von
da herabstürzen liess, sich im Jahre 1825 mit einer tapfern Besatz-
ung gegen die Türken vertheitigte. Diesen traf die Nemesis für
jene Gräuelthat in sämmtlichen Gliedern seiner Familie, aber mit
dem Untergange der nördlichen Vorhalle, dem grössten Wunder-
werke der ionischen Architectur.
Er hatte in ihr seine Frau und seine Kinder untergebracht, und
das Dach, um seinen Schutz gegen die Bomben der Türken zu ver-
stärken, mit Erdschichten bedeckt. Diese trug der Bau nicht. Er
brach eines Tages plötzlich zusammen, und begrub die Genannten
und Andere die mit ihnen gerade darinnen verborgen waren, unter sei-
nen Trümmern. Im Januar des Jahres 1832, wo ich Gelegenheit hatte,
die Burg mit drei Architecten: Hrn. Metzger aus München, Semper
aus Holstein und Goury aus Frankreich zu untersuchen, lag die Halle
fast ganz in Trümmern ; die Säulenschafte bis auf drei waren um-
gefallen, die Architrave, die Friese und Giebelstücke dazwischen
86
und bedeckten die Leichen der Erschlagenen noch. Indess die um-
gefallenen Säulen konnten wieder aufgerichtet, die Werkstücke wie-
der an ihre Stelle gebracht, eine Herstellung in den Haupttheilen
erzielt werden, aber das duldete die Raubsucht der Fremden, be-
sonders der Engländer nicht, von denen ganze Schiffsladungen und
Schiffsbemannungen auf die Akropolis nacheinander eindrangen, viele
mit Hammer und Meissel um von den umherliegenden Bruchstücken
einzelne Zierden abzuschlagen und als „Erinnerung" oder Beute mit
sich zu entführen, im Kleinen nachahmend, was Lord Elgin im Grossen
gethan hatte. Ja es wäre bei diesem vaudalischen Zerstörungsen-
thusiasmus keine Spur von dem Gebäude übrig geblieben, wenn
nicht Hr. Pitakis sich mit aller Energie der Trümmer angenommen
und die Türken, damals noch Herren von Athen, zu ihrem Schutze
gegen die gebildeten Barbaren bewogen hätte. Wir halfen ihm da-
bei nach Möglichkeit, indem wir dem Gouverneur, Chiamil-Pascha, ei-
nem gar nicht unwissenden und unempfänglichen Osmanen, der uns
mit Wohlwollen aufnahm und mit Bereitwilligkeit die Burg zu jeder
wissenschaftlichen Untersuchung öffnete, begreiflich zu machen such-
ten, welche Zierden und Schätze der Baukunst die Akropolis enthalte.
Wir versicherten ihm, alle gebildeten Völker der Welt hörten mit Be-
wunderung davon, und suchten mit Begierde nähere Kunde und genaue
Zeichnungen von ihren Tempeln zu haben. Darum habe mich und Hrn.
Metzger der König von Bayern, Hrn. Semper der König von Däne-
mark, Hrn. Goury der König von Prankreich nach Athen geschickt, und
es würde seinen, des Pascha ond des türkischen Sultans Ruhm und
Ansehen in Europa vermehren, wenn wir dahin die Meldung brin-
gen könnten, dass durch seine Vermittlung, Einsicht und Festigkeit
keinem Fremden mehr gestattet worden sey, auf der Burg irgend
etwas zu zerschlagen oder zu schänden oder mit sich davon zu
tragen. Das und Aehnliches wirkte für die solchen Werken gefähr-
lichste Periode der Zwischenherrschaft, wo Athen durch den Ver-
trag von Adrianopel schon an Griechenland abgetreten, aber durch
87
die Täuscbungskunst des Job. Kapodistrias vor der Hand noch in
türkischen Händen geblieben war. Später, als die türkische Besatz-
ung durch bayerische Truppen abgelöst war, und als die Thätigkeit
des eifrigen und patriotischen Hrn. Pitakis durch eine geordnete
Regierung und durch europäische Architecleu und Archäologen Un-
terstützung fand, wurde der weiteren Zerstörung gesteuert, und
man legte nun Hand an die Aufräumung der Akropolis und Sicherung
ihrer Denkmäler, nachdem die Archäologen gegen die Militärbeamten
es durchgesetzt hatten, dass die Burg aufhöre, Festung zu seyn, und al-
lein als Heiligthum altattischer Grösse und Bildung, als der reiche In-
begriff der Denkmäler derselben und die hohe Schule der Architec-
tur sollte betrachtet werden.
Die bis dahin gepflogenen Untersuchungen über den Bau ruh-
ten auf den Nachrichten der Alten, der stuartseben Vermessung und
dem Augenschein. Eine weitere Führung derselben war erst mög-
lich, wenn der Bau vom Schutte gereinigt, dadurch aber im Innern
und in seinem Grunde blosgelegt wurde. Nun erst Hess sich über
die Stellen der in ihm enthalten gewesenen Gräber, Altäre und
Götterbilder das Nähere bestimmen, und ermitteln, in wie fern die
Annahmen der früheren darüber Grund hatten oder nicht. Die Ab-
räumung der Akropolis, durch Abbruch der späteren Mauerwerke und
Abführung des Schuttes bedingt, welche die Propyläen geöffnet, den
Niketempel enthüllt und das Innere des Parthenon blosgelegt hat,
erstreckte sich auch auf das Erechtheum. Auch die südliche Halle
hatte gelitten; eine der noch übrigen Jungfraueu war herabgestürzt,
und lag auf dem Aulitz am Boden, die Säulen der östlichen Halle wa-
ren zum Theil zertrümmert, die Mauer ober dem Fries fast ganz
verschwunden, der Zusammenhang zwischen der Qtierhalle und den
Kanephoren im obern Theile zerstört, der Raum umher und im In-
nern mit Bruchstücken angefüllt. Ueber die Arbeiten, ihren Fortgang
und Erfolg und über die Hypothesen, zu denen sie führten, geben
88
die Nachrichten der EtprjueQtg aQxatoAoyixtj seit ihrer Gründung,
zu Athen, dann im Kunstblatt 1835 n. 78 und in der allgemeinen
Zeitung Juli 1835 und eigene Abhandlungen Kunde, deren später
Erwähnung geschehen wird. Auch neue Aufrisse und Zeichnungen
fehlen nicht, unter denen die des um attische Architektur hochver-
dienten Schanbert in Athen, welche dieser dem Hrn. von Quast zur
Benützung mittheilte. Die Zeichnungen des Hrn. Oberbaurath Metzger
selbst, mussten unbenutzt in unsern Cartous zurückbleiben, weil mit
dem Tode Cotta's die Herausgabe des Werkes über unsere Reise,
auf der er mich als Architekt begleitete, war vereitelt worden.
Während aber die Umgebung des Erechteums und das Innere der
verschiedenen Tempeltheile geräumt und der Untersuchung offen gelegt
wurde, gewann diese, insofern sie auf Kunde des Einzelnen im Tem-
pelbau beruht, einen neuen Stützpunct durch die Entdeckung anderer
der oben erwähnten ähnlichen Inschriften, die am 10. October 1836
unter den Trümmern der Propyläen in dem nördlichen Flügel, der soge-
nannten Pinakothek nämlich, gefunden und zuerst in der ebengenannten
E(ptj/usQig d^^cciXoyiy^ cupoQwöct rag tvrog zijg 'EÄAädog avsvQtoxo/usvag
äQ%ai6Tt]Tttg 1837, Novbr. Tafel 12 und 13 in einem Facsimile, das wir
in Tafel III wiedergeben, und im Texte unter N. 9, 10 und 11 mit
Ergänzungen und kurzen Anmerkungen von Hrn. Rhisos Rhankabis
bekannt gemacht wurde, nachdem Hr. Prof. Ross im Kunstblatte
1836 N. 39 ff. über sie berichtet und einzelne Theile sowie das
Wesentlichste mitgetbeilt hatte.
Die neuen Entdeckungen kamen zum Theil schon Hrn. Wil-
kins in seinen Prolusiones architectonicae 1834 4°, Hrn. Prof. Peter
Wilhelm Forchhammer (Hellenica. 1 Bd. das Erechtheion S. 31 ff.)
und dem Werke des Hrn. v. Quast zu Gute, das, auf die Grund-
lage der Zeichnungen von Inwood und Schaubert und die Bemer-
kungen von Ross gestützt, unter dem Titel: das Erechtheion zu
Athen u. s. w. durch Alex. Ferd. v. Quast, Berlin 1840 mit einem
89
Folio- Atlas lithographischer Zeichnungen erschien, und über das
Gebäude, seine Geschichte und die Geschichte der Architectur in
Attika ausführliche Nachricht gibt. Wenige Jahre darauf wurde
die vollständige Ausgabe der zweiten Inschrift und mehrere zu ihr
gehörige Bruchstücke in Hrn. Alex. Rhisos Rhankabis, Professors
der Universität zu Athen, reich ausgestatteten Antiquites helleniques,
4° 1 Thl. Athen 1 842 n. 56 ff. wiederholt, sowie mit reichhaltigen
Coiiimentareii und erwünschten Nachrichten über den Befund des
durch die Nachgrabungen gereinigten Gebäudes. S. 69 uud 70
ausgestattet.
Herr Professor Forchhammer kam auf den Gegenstand noch
weiter zurück in einer Abhandlung über alte Königsgräber u. s. w.
in der Beilage der allgemeinen Zeitung von 1843 n. 256, um zu
zeigen, dass die tieferen Theile des Gebäudes Cisternen gewesen
seien. Kekrops und Erechtheus sind ihm Väter des Regens und der
Feuchtigkeit, und ihre Gräber, die im Erechtheum waren, dem zu folge
Behälter des in den Heroen persönlich gewordeneu Wassers; doch
die erst nach seinem Aufenthalte vollendete Aufdeckung des Grun-
des hat von Cisternen keine Spur, dagegen ist die Lage wenig-
stens des Einen Grabes durch eine Unterhöhlung in der nordwest-
lichen Ecke von A noch deutlich. Ein Gewölbe ober der west-
lichen Halle B war allerdings für eine Cisterne bestimmt; aber es
war späterer Einsatz byzantinischer oder türkischer Zeit. Es ist
als solches entfernt , und dadurch der Boden jener Halle vollkom-
men frei gelegt worden.
Das ungefähr sind die Arbeiten über das Erechtheum, welche
diese Abhandlung vermehrt, deren Zweck, wie oben bemerkt, dahin
gerichtet ist, das Material über diesen Gegenstand zur Lösung der
angegebenen Probleme zu gebrauchen und die Absichtlichkeit der
einzelnen Theile, so wie den Sinn des Ganzen zu erklären.
Abhandlungen der I. Gl. d. h. Ab. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. \<)
90
II.
Beschreibung des Baues.
(Tafel II. und I.)
Der Bau, soweit er aus den Trümmern nach dem gegenwärti-
gen Stande der Ausgrabungen kann erkannt werden, stellt sich in
folgender Weise dar.
Das Ganze ist im reinsten ionischen Style geführt, und verbin-
det bis in seine kleinsten Verhältnisse und Glieder hinein das Ge-
fällige und Weiche mit dem Geschmückten, jenes ohne Schwäche,
dieses ohne Uebermass, ein Gegenbild der zugleich sanften und ab-
wechselnden aber doch gehalten-männlichen Harmonie des ionischen
Tonsystems und seines rythmischeu Baues. Alles aus dem feinsten
pentelischen Marmor, der an Geschmeidigkeit und Reinheit dem be-
sten parischen wenig nachsteht.
Vom östlichen Tempel, dem Hexastylos A, erheben sich über
dem dreistufigen Sockelbau noch 5 Säulen, die sechste, die Eck-
säule gegen Norden, hat, wie bemerkt, Lord Elgin entführt. Von
der Mauer ist die nördliche bis nahe zum Vorbau an der nordwest-
lichen Ecke zusammengebrochen, lieber den noch aufrecht stehen-
den Säulen des Pronaos und des nördlichen Vorbaues ist der
Architrav {sntoivhov) in seinen drei Absätzen noch ganz, über die-
sem der Fries (LwgjOQog) in einigen Blöcken erhalten. Er war von
schwarzem Marmor, den die Inschrift zksvoCviog Xt&og nennt, und
von dem wir auf den Anhöhen von Eleusis noch ganz unerschöpfte
Lager zu Tage liegen sahen. In den Werkstücken dieser Mauer sind
noch zahlreiche Vertiefungen sichtbar, in welchen die Reliefplatten
hafteten, mit denen er geschmückt war.
Hinter dem nQovaog öffnete die Thür den Eingang zu einer
91
schmalen Terrasse von gleicher Bodenhöhe mit der Vorhalle, welche an
der nördlichen Mauer über eine Stiege von 6 Staffeln zu dem tie-
ferliegenden Tempelgrund hinabführte; aber an der südlichen Mauer
ddd sich bis gegen die Hälfte fortsetzte, um dann auch dort in einer
längeren Stiege nach einer Thür e hinabzuführen, welche in die
westliche Mauer des innern Hauses (otjzög, cella) gebrochen war.
Der von dieser Terrasse und ihren Stiegen noch übrig gebliebene
Raum der cella stellt demnach gegenüber der Vorhalle ein tieferes
Gemach dar, dessen Grundfläche sich in die übrigen Theile des Baues
B C D gleichmässig fortsetzt. Diese Verschiedenheit der Grund-
fläche ist allein durch die Unebenheit des Bodens der Akropolis
motivirt, der von Westen nach Osten hin aufsteigt. Der Bau nahm
darum die höchste östliche Fläche zur Basis für die Vorhalle und
für die Sockelführung des ganzen t^aorv^og in Anspruch, und kam
mit dem tieferen Grunde der übrigen Theile dadurch in Verbindung,
dass er den Boden der Cella, so weit es nöthig für die Terrasse,
hinter dem Eingang und zu beiden Seiten erhöhte, für die übrige
Cella tiefer legte, und für die Verbindung des höhern und tiefern
Grundes jene beiden Stiegen einfügte.
Diese Eigenthümlickeit ist eines der wichtigsten Ergebnisse,
zu dem die neueren Ausgrabungen geführt haben. Die Stiegen sind
zwar verschwunden, aber die Anlage und die Beschaffenheit der
Mauer deutet an, dass sie vorhanden waren. Hr. Rhisos sagt dar-
über S. 79: „Die östliche Säulenhalle steht auf einem um 2,87M.
höheren Boden als der Grund des Tempels. Auf 1, 1 M. Entfer-
nung nach dem Innern des Tempels sieht man zu beiden Seiten der
Cellamauer den rohen Stein (la pierre brüte) erscheinen vom Boden
au bis zur Fläche der Vorhalle (depuis le pave jusqu'au niveau du
portique). Bis dahin also erstreckte sich die hohe Fläche, auf wel-
cher gegen Osten die Säulen ruhen. Von diesem Punkt an ist die
Mauer rechts oder gegen Norden von weissem Marmor und in ihrer
12*
92
ganzen Ausdehnung geglättet, während zar Linken gegen Süden
man einen Theil der Mauer in rohen Steinen wahrnimmt, welcher
von der Terasse (plateform) sich in der Länge von 5,23 M. aus-
dehnt und in Staffeln absenkt, die zu einer Thüre leiten, deren
Anlage man noch wahrnimmt, und die zu einem neuen Tempel
führte."
Damit fallen die Hypothesen der früheren Erklärer seit Stuart
weg, welche hinter dem Pronaos die östliche Erhöhung der Cella
bis gegen die Mitte derselben fortsetzten, und auf sie die drei Al-
täre stellten, die im Tempel gegenwärtig waren, wie 0. Müller,
oder, wie A. Böckh den dann übrig gebliebenen vertieften Raum
dieser Cella als ein unterirdisches Geschoss betrachten, in dem die
Heldengräber gewesen, deren die Alten im Erechtheum gedenken,
oder welche, nachdem die ersten Spuren von den zwei Stiegen
entdeckt waren, diese wie Inword, ebenfalls gegen die Mitte der
Cella sich entsprechend beginnen liessen und gleichmässig ablau-
fend bildeten.
Dagegen erhebt sich nun die Frage, wozu überhaupt diese An-
lage von zwei schmalen Treppen an den beiden Laugmanern? War
es nur darum zu thun, eine Verbindung des höhern Theiles der
Cella mit dem niederem herzustellen, warum unterliess man, die
ganze Querfläche der Terrasse bbb oder den mittleren Theil der-
selben durch gleichmässige Stufen mit der unteren Cella zu verbin-
den? Warum zu diesem Zwecke zwei Stiegen an jenen Wänden
wodurch die Mitte der Terasse ohne Verbindung mit der übrigen
Cella bleibt, und der durch die Hauptthüre auf sie Eintretende
unmittelbar am Rande derselben über dem tieferen Grunde stand und
in Gefahr war hinabzustürzen? Waren aber dagegen Vorkehrungen,
warum diese überhaupt anordnen, statt nach dem Verbindungsmittel zu
93
greifen, das sieh voii selbst darbot? Warum endlich beginnt die
nördliche Stiege gleich unmittelbar neben der Terrasse hinter der
Vorhalle, und warum setzt diese Terrasse sich neben der Südmauer
der Cella bis über die Mitte fort, um erst dann in die Stiege nach e
überzugehen? Dieses erste Räthsel, welches uns auf dem Wege
durch den seltsamen Bau aufstösst, findet seine Lösung in dem,
was die neueste Ausgrabung über die hintere oder westliche Cella-
mauer fff und ihr Zubehör gelehrt hat.
Herr Rhisos äussert sich zunächst über dieses Zubehör in
folgender Weise: „In dem Winkel des Tempels (der nordwest-
lichen Ecke g) sieht man jetzo ein Grab in dem Felsen (der na-
türlichen Grundlage des Tempels) ausgehöhlt, welches sich unter
die nördliche Mauer fortsetzt (qui s'etend sur le mur septentrional,
— also an ihrem Fusse sich hin erstreckt) — in einer Weise, dass
es Eine Oeffnung in den Tempel selbst hat (de maniere ä avoir
une issue dans le temple meine — also in den niederen Theil der
Cella) — , eine andere ausserhalb der Mauern (une autre hors des
murs — also der nördlichen Mauer) — und eine dritte in den
südöstlichen Winkel (h) der grossen Halle (D)." Daraus geht nun
deutlich hervor, dass die nördlich gelegene Stiege der Cella bc
bestimmt war, von der oberen Terasse gerade nach diesem Grabe
zu führen, und in einer Weise, dass zwischen ihrem Schluss und
dem Grabe noch ein sattsamer Raum (cg) übrig blieb, in dem ein
zum Grabe gehöriger und für den dort beigesetzten Heros bestimm-
ter Altar aufgestellt werden konnte. Dass hier das Grab des Erech-
theus war, und warum es an dieser Stelle gewesen sei, werden
wir später nachweisen.
„Oberhalb dieser künstlichen Aushöhlung", fährt der neueste
Exeget des Tempels fori, „und ein wenig gegen Westen sieht man
an der nördlichen Mauer die Spur einer Quer- oder Theilungs-
94
mauer und eine andere gleiche genau gegenüber an der südli-
chen Mauer" (Au dessus de cette cavite artificielle un peu vers
l'ouest on voit sur le mur septentrional la trace dun mor de Sepa-
ration, et une autre semblable exactement vis ä vis sur le mur me-
ridional). Diese Wahrnehmung entscheidet über Lage und Richtung
der dem Eingang durch den Pronaos gegenüberliegenden westlichen
Schlussmauer der Cella, durch welche sofort alles Rückwärtslie-
gende des Baues von dem bisher beschriebenen Tempel abgeson-
dert war, und dieser sich als ein in sich abgeschlossenes Ganze
als den omg&odöjLiog , mit dein gehörigen Verhältnisse seiner Länge
zur Breite darstellt.
„Die Annahme, dass an dieser Stelle die westliche Schlussmauer
der Cella sich hinzog, findet ihre weitere Bestätigung darin , dass
auf ihrer Linie die Pfosten von zwei Thüren sich erhalten haben."
(Entre les deux mures d. i. zwischen den beiden Maueransätzen, also auf
dem Grunde der Cella zwischen ihnen — on voit les montans de deux
portes), „der Einen auf der nördlichen Seite hinter dem Grabe des
Erechtheums, das demnach in das Innere der Cella und gerade
hinter die Schwelle ihres nordwestlichen Eingangs fällt , und
der andern, welche, südwestlich (e) gelegen, der südlichen Cella-
stiege dd entspricht, welche sich bis gegen sie hinab erstreckte. Die
Halle dahinter (B), oder vielmehr ein Theil von ihr, war, wie wir
zeigen werden, das Grab des Kekrops oder das Kekropion, wel-
ches von Hrn. Rhisos mit gutem Grunde der Thür e gegenüber in
den südwestlichen Winkel derselben (i) gesetzt wird. Denn in den
Inschriften wird, wie wir sehen werden, die Vorhalle mit den
Jungfrauen oder Kanephoren (C) jiQooraGig tiqÖq tov Kszqoticov
genannt. Ist dieses aber der Fall, so stand vor dem Grabe i
nothwendig ebenfalls ein Altar, auf dem die Opfer des Heros ge-
bracht wurden. Zu ihm führte demnach die südliche Treppe, welche
sich bis zum Eingang in die hintere Halle durch die Cellamauer
erstreckte, so dass von dieser im Innern der Halle bis zum Grabe
95
der Raum ci für den Altar eben so frei war, wie zwischen der
nördlichen Stiege und dem Erechtheum in der Ausdehnung cg. Da-
durch aber tritt die Absichtlichkeit der ganzen Anlage und selbst
ihrer Verschiedenheit deutlich hervor. Es sind zwei Stiegen, die
nach den beiden Heldengräbern zu führen bestimmt sind, die Eine
nördlich gegen die Mitte der Cella den Grund erreichend, damit
noch Raum für den Zugang zum Grab des Erechtheums und für
den Altar desselben blieb, die andere südliche aber, um über ihre
Bedeutung keinen Zweifel zu lassen, sich bis zum Ausgang aus
der Cella gegenüber dem Grabe des Kekrops hinzog, für des-
sen Altar und Zugang dann der Raum im Innern der Querhalle
übrig blieb.
Damit ist die ganze Beschaffenheit der Cella des eigentlichen
Tempels offen gelegt. Drei Eingänge führen zu ihr, der Hauptein-
gang östlich durch die östliche Vorhalle, welche sich für die nach
der tieferen Cellamauer Gehenden in die zwei Stiegen fortsetzt, und
zwei westliche Eingänge durch die Schlussmauer, welche den
Stiegen entsprechen; das Ganze so geordnet, dass die einzelnen
Theile der Anlage zugleich zu den beiden Heldengräbern im Innern
des Baues in bestimmtem Verhältnisse stehen, und, w7as als will-
kürlich und üherflüssig erschien, sich in seiner ganzen und wohlbe-
rechneten Absichtlichkeit darstellt.
Wir gehen zu dem Anhang oder Anbau dieses Tempels, in
welchem der erste Blick drei Theile leicht unterscheidet: die grosse
nördliche Halle D mit vier Säulen gegen Norden, und je einer
hinter der westlichen und östlichen Ecksäule; die Querhalle B,
welche gegen Osten durch die Cellamauer des Tempels, gegen
Westen durch eine eigene Mauer gebildet wird, über der auf
hohem Sockel eine Stellung von vier ionischen Halbsäulen zwischen
zwei Eckpilastern mit drei Fenstern in den Säulenweiten sich erhob,
96
und der grossen nördlichen Vorhalle entgegen die kleinere südliche
C, in der über einem noch höheren Sockel die Statuen von sechs
Jungfrauen, vier in der vordem oder südlichen Reihe , und zwei
über Eck mit Körben auf den Köpfen standen, über denen das
Gebälk liegt.
Diese drei Theile haben mit dem Haupttheile der Cella A
gleiche Bodenfläche; die Querhalle stand durch die beiden genann-
ten Thüren zwischen ff mit der Cella in Verbindung, eben so durch
eine Thüre mit der südlichen Halle C. Auch der hohe Sockel, über
dem südlich die Halbsäulen stehen, hat in der Mitte seiner Aus-
dehnung eine Thür, neben welcher Hr. Prof. Forchhammer S. 31
am südlichen Ende noch eine andere, auch durch die Mauercon-
struction bedingte nachweist., die also mit dem Grabmal des Kekrops
in Verbindung stand, das Hr. Rhisos in jenen Winkel gestellt hat.
Die nördliche Halle B sollte gleichfalls mit der mittleren D in
Verbindung stehen, denn in dem Theile ihrer südlichen Mauer hm,
von welcher hier die Querhalle geschlossen wird, ist die Anlage
eines grossen Thores mit prachtvoller architectonischer Einfassung,
ein Werk, das an Schönheit und Reichthum in dieser Art nicht sei-
nes gleichen hat; aber sie ist, wie Forchhammer bemerkt, geblendet,
und ward gleich beim Bau mit Marmorquadern versetzt. Nur die
Einfassung zeigt, dass es hier auf ein Prachtthor abgesehen war.
Wie aber die vier Theile des Gebäudes ABCD durch gleiche
Tiefe des Bodens, durch gemeinsame Mauern und die inneren Thü-
ren sich als zu einander gehörig ankündigen , so trennen sie sich
eben so entschieden durch die weitere Anlage. Die Ouerhalle steht
mit ihrem Sockel OTtjAoßccTtjg um mehrere Fuss höher als die Vor-
halle oder der t^ccorv^og des Haupttempels; derselbe GTtiXoßärrjs er-
hebt sich bis gegen die Säulenmitte der Nordhalle, und wird sei-
97
nerseits wieder von dem Sockel der Säulenhalle überragt, der mehr
als einen Fuss sich unter ihm ansetzt und sich mehr als zwei Fuss
über ihn erhebt. Dazu kommt, dass die Nordhalle gegen Westen
mehr als die Hälfte ihrer Ausdehnung über die Querhalle erstreckt,
und dass auch der westliche Schluss der Südhalle mit der Ouer-
halle nicht gleiche Flucht hält. Das also die Eigentümlichkeit, das
Ausweichen aus allen Regeln der Symmetrie, das Räthsel des Hin-
terbaues oder der Verbindung der drei Hintergebäude, welches
durch den Umstand, dass die Querhalle Fenster und Halbsäuleu
hat, noch um ein Beträchtliches steigt; denn weder sind Fenster
bei einem Tempelbau zulässig, noch Halbsäulen in der rein-griechi-
schen Architectur, ausser wo sie architectonisch bedingt sind, wie
z. B. im Zeustempel zu Akrapas, wo die enorme Säulen weite, die
durch keine steinernen Aichitiave zu überdecken war, die Führung
von Mauern zwischen den Säulen nöthig machte. Das sogenannte
Grabmal des Theron bei Akragas, das untergeordnete Werk einer
Mischarchitectnr mit Halbsäuleu, kann hier nicht in Betracht kommen.
Die Annahme von einem doppelten Geschoss, von denen das
untere in der Quer- und Südhalle bedeckt und darum ein vnöyaiov
gewesen wäre, wie sie bis zu Forchhammer sich herabzieht, ist dabei
ganz entfernt zu halten. Keine Spur in den Mauern des hoben Unter-
baues beider Hallen deutet auf einen Einsatz der Bedeckung, auf
Vertiefung für die steinernen oder hölzernen Deckenbalken oder sonst
eine hiezu unerlässliche Vorkehrung, und beide Hallen waren, jene
durch die Fenster, diese durch die leeren Räume zwischen den
Kanephoren bis auf den Grund vollkommen beleuchtet, ja die Be-
leuchtung musste durch die beiden Thüren der westlichen Cella-
mauer auch in den Raum des eigentlichen Tempels eindringen und
zu seiner Erhellung beitrageu.
Uebrigens sind die Beschädigungen des Baues an dieser Stelle
Abhandlung der I. Cl. d. k Ak. der Wiss. V. Bd. III. Abth. \ 3
98
sehr beträchtlich. Der Sockelbaa, zwar durch seine Massen ge-
schützt, hat sich erhalten, auch das Dach über der Kanepborenhalle ;
aber die Wand zwischen den Halbsäulen mit den Fenstern, die noch
Stuart gibt, ist verschwunden, die Säulen der Nordhalle, bis auf
drei sind umgestürzt, mit ihnen alles herabgefallen, was sie als Ge-
bälk trugen, oder als Dach stützten. Die Tafel III gibt von der
südwestlichen Seite betrachtet nach der Zeichnung des Hrn. Ober-
bauraths Metzger eine Ansicht der Ruine , wie wir sie im Jahre
1831 gesehen haben.
IV.
Meldungen und Zeugnisse vom Erechtheum bei den Alten.
Ehe wir aber in die Darlegung der Beweggründe zu dieser
scheinbar verworrenen Bauanlage eingehen, ist es nöthig, für die
Untersuchung die Grundlage durch Behandlung der Stellen alter
Schriftwerke zu suchen, in welchen von diesem Baue, seiner Be-
stimmung, Benennung und Eigentümlichkeit Meldung geschieht, und
da wir den Neubau auf den Grundplan des ursprünglichen Baues
ausgeführt annehmen können , so werden wir dadurch bis in die
fernsten Zeiten des attischen Alterthums zurückgewiesen.
Die älteste und höchst merkwürdige Kunde von ihm liefern
in zwei Stellen die homerischen Gesänge, um so merkwürdiger,
weil, wie wir sehen werden, die Erklärung des ganzen Baues auf
ihnen als einer sichern Basis beruht.
Die erste , Abkunft und Cultus des Erechtheus betreffend,
findet sich im Schiffskatalog Jl. ß, 546 fl.
99
O? (T ccq *A&fjvag &xop tvHti/xsvov nxo/U's&QOv ,
Sijjuov 'EQSx&jJQg jutyciAijzoQog, ov nox1 'Afryisi]
d-Qsxpe, Aiog &vycht]Q — xixs §k fetdcugog "Aqovqcc —
xad <T iv A&tfpyg stow, §(p ivl nlovi vrjä).
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xovqoi A&rjvctiuiv, nsQixsAAojugviov iviavxcov.
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xq> <F ovnto xig öjLioiog ini^S-oviog y£vsx ccvqQ,
xogjuijocci %nnovg xs xai ävi^ag aamduaxag —
NsaxtoQ oiog tgCw. o yaQ nqoysvsaxsQog tfsv —
xqi <T ajuce nsvxiqxovxct (xiXaivai vqsg tnovxo.
Doch die Athenä bewohnten, die wohlgebauete Veste,
Sie des Erechtheus Volk, des gewaltigen, welchen Athene
Einst, Zeus Tochter, gepflegt — ihn gebar die ernährende Feldflur —
Und nach Athenä gebracht, in ihren begüterten Tempel;
Allda bereiten die Sühnung mit Opfer der Stier' und der Lämmer
Ihm der Athener Söhne, so oft das Jahr sich erneuert.
Diesen war ein Führer des Peteos Sprössling Menestheus,
Dem kein anderer glich von den erdebewohnenden Männern,
Wohl die Rosse zu ordnen und schildbewehrete Männer —
Nestor allein erreicht' ihn; denn vor ihm war er geboren —
Jhm nun waren fünfzig gefolgt der dunkelen Schiffe.
In der zweiten Stelle, Od. t], 78 ff. meldet der Dichter, wie
Athene, nachdem sie ihren Pflegling Odysseus in Scheria nnter den
Phäaken verlassen, nach Marathon und Athen gekommen.
13
100
"&g tcQct (fvdvifiuo an^.ßt] yAavxwmg 'Axtrjvrj
jiovtov in ciTQvyzrov. ?J,m dt ^sgi'rjp SQars^tjp
l'xsto tftg Mciqcc&wvci xai svQväyvictv \4&rjvrjv,
Svvs d'EQey&rjog nvxivov d'djuoi'. avräo 1OdvGoerg
AXxivöov TTQog dtojActT ?t xXvrä. nokXä d£ ol xijg
WQjuaiv iOTCi[i£vw , txqiv yciXxaov ovöov lx£a&-cti.
Also sprecliend enteilte die dunkelblickende Göttin
lieber des Meeres Fluth aus Scheria's lieblichen Fluren,
Kam nach Marathon dann and der weitgebauten Athene,
Ging dort ein in Erechtheus Haus, das dicht', und Odysseus
Nach Alkinoos hoher Behausung, und in dein Herzen
Sann er Vieles und stand, eh' die eherne Schwell' er beschreitet.
Wir werden durch diese Stellen zuuäcbst auf die erechtheiscbe
Sage zurückgeführt.
Die von den Schreibern der Atthis verzeichnete und aus ihnen,
wie es scheint, von Pausanias (Attic. 2, §. 6.) überlieferte Kunde
meldet: „Aktaios habe zuerst über das nun Attika genannte Land
als König geherrscht. Als Aktaios gestorben , habe Kekrops die
Regierung übernommen , des Aktaios Schwiegersohn. Ihm wurden
drei Töchter geboren, Herse, Aglauros und Pandrosos, und ein
Sohn Erysichthon. Dieser war nicht König über die Athenäer.
sondern ihm begegnete, da sein Vater noch lebte, zu sterben, und
die Herrschaft des Kekrops übernahm Krauaos, der unter den Athe-
näern an Macht emporragte." Hier ist eine in sich abgeschlossene
Sage; denn Kranaos und Aktäos, der eine vom Gestein, der andere
vom Strand seinen Namen tragend (Strandhart und Steinhart), sind
nur Beziehungen der natürlichen Beschaffenheit von Attika, und lie-
gen über dem Anfange der historischen und selbst der mythischen
Sage. Dass die drei Töchter des Kekrops den Namen vom Thau
Uli
(dgcoog, üccpÖQOGog), vom Feldlager (ctyoavAog) und von jungen
Sprossen auch des Thierreiches {igori, itoGy) haben, deutet auf den
beginnenden Anbau des Landes hin, und es ist ganz in der Ord-
nung, dass neben ihnen Erysichthon, der Schinner des Landes, als
Bruder geht. Dann ist Kekrops die zur Persönlichkeit gewordene
Macht, durch welche Anbau und Befruchtung des Landes vermit-
telt wurde, ganz abgesehen von dem historischen Kern, der in der
Sage verhüllt seyn mag.
Gehörten, wie nicht zu bezweifeln, die Urbewohner von Attika
die avxöx&ov&g, zu den Pelasgern, so tritt dadurch dieser Mythus
iu näheres Verhältniss zu dem pelasgischen Cultus, der überall auf
Anbau des Landes und auf die schützenden Mächte desselben zu-
rückweiset. Es ist der Lokalmythns der attischen Bodencultur durch
Benützung und Leitung der Quellen, der Bewässerung, wie sie unter
den pelasgischen Arkadern, vermittelst der Führung von Canälen und
Entwässerung versumpfter Thäter mit Hülfe der Emissäre durch Her-
kules geschah, der in Stymphalos und Phenea diesen Werken vorsteht,
wie in Lernä der Entsumpfung des hintern Thaies, in das der Ab-
finss des stymphalischen Sees durch den Erasinus seinen Weg
nimmt. An seine Stelle tritt Kekrops in Attika, der Befruchter, den
Hr. Prof. Forchhammer auf seine Weise in einen Quell- und Re-
gengott verwandelt hat. Doch neben diesem Lokalmythus steht der
Cultus der oberen altpelasgischen Götter. Als oberste Gewalten
desselben treten anderwärts Zeus und Hera hervor, in Attika He-
phästos und Gäa, welche nach der andern Sage bei Pausanias,
die von Kranaos beginnt und schon bei Homer durchschimmert, den
Erysichthon, der nun als Erichthonios auftritt, gezeugt haben. Paus.
a. a. 0. §. 8: IJatgoa de 3Eoi%&ovkQ Xeyovoiv av&owmav jutv ovdevcc
sivui, yoviag de "IfyaiGrov xcd Talav. Denn ^Egvaiyfiwv, 'JLqly&oviog
3Eotx&evg sind nur verschiedene Formen desselben Namens, und
statt der Erde wird beim Dichter Zeidwoog ccqovqcc, die lebenschen-
kende Feldflur genannt, mit näherer Hindeutung auf die Natur des
102
Mythus. Neben Gäa aber erscheint hier auch Athene, in der ältesten
Gestalt des Mythos als Gemahlin des Hephästos. Ottfr. Müller aber
hat sehr Unrecht, die von dieser Ehe bei Cicero aus Aristoteles
überlieferte Meldung (Nat. Deor. III, c. 22: Vulcani item complures,
prinuis Coelo natus, ex quo et Minerva Apollinem eum, cujus in tu-
tela Athenas antiqui historici esse voluerunt) als geringfügig anzu-
schlagen, und den Zusammenhang dieses Mythus mit Aegypten ab-
zuschneiden, von wo nach andern Meldungen Kekrops, d. i. Kunde
und Uebung des Ackerbaues und die damit zusammenhängende Le-
bensordnung nach Ueberlieferungeu, welche Theopompus, Kallisthenes
und andere bewahrt hatten, gekommen war. Vgl. Kreuzer's Symbol. II.
S. 286. Deuten doch selbst die an sich unergründlichen Namen :
r'H(pcaOTog und 'A&rivci in ihren Wurzeln 4>AIZ und QHN oder 0AN
auf die ägyptischen Namen beider Götter IlTH, UTAH, JTTRA
(Vgl. Bunsen's Aegypten I. S. 450), 4>&A2 und NEI% NEW hin.
Dieser Mythus hat sich durch Umbildung, Lokalisirung und Bei-
mischung anderer Sagen mannichfach aufgelöst.
Das Verhältuiss beider Hauptgötter wird sofort ein anderes : Hephä-
stos tritt aus dem Besitze der Göttin, trachtet aber nach ihr, ohne
sie bewältigen zu können. Die zeugende Kraft des Gottes fällt
auf die Erde, welche sie aufnimmt und aus ihr den Erichthonios
gebiert, bei den Aegyptiern ist die Frucht dieser Ehe ebenso die zur
Persönlichkeit gewordene Fruchtbarkeit, gleichsam der Jahresertrag
des Landes. In jener Umgestaltung schimmert die Sage bei Homer
durch, welcher den Heros von der Erde gebären, von Athene er-
nähren und in ihren Tempel bringen lässt. Die Ernährung wird mit
den drei Kekropidentöchtern in Verbindung gebracht, in der Weise,
die unter andern Pausanias Att. c. 18, §.2 berichtet: AyÄccvQw
(?£ xai xalg a§s.Xipcug "Egoy xai IlavdQOücp dovvccC (pccoiv A&rpav
*E$iyß6viov , xara&sloav ig xißwröv , anstnovOap sig r^v naQctzaxcc-
&qxrjv jurj noAvnoay[A,ovuv . Hv.vdooGov /uiv drj Xiyovoi nti&to&cii, xäg
103
dt dvo (ßpoT'^ou yaQ ö<pag rr\v y.ißoixov) fxalvHü9-ai ts, wg sISop rov
'Eqix&opiov j xctl xciru tilg uxQonöfauog, w&cc ijp juccAiötci anoTOjuov,
avrag Qixpai. Damit aber sei nicht gesagt , dass Mythus und Cul-
tus der Athener rein ägyptisch seyen. Kamen die Ansiedler vom
Nil nach Attika, als dort schon Bewohner sassen, wie die Sage
meldet, und wareu diese, wie nicht zu zweifeln, pelasgischen Stam-
mes, so verschmolzen die einwandernden Götter mit den lokalen,
und die altpelasgische Göttin Pallas wird jetzo zur Pallas Athene,
ohne darum ihren Character der flurbeschützenden, der 3EQydvt], der
Bovdeia, der stadtbeschützenden, Hofaüg, und der zum Schirme des
Landes kämpfenden, Tl^o^ayog, zu verlieren; ja es konnte geschehen,
dass Vieles, was die Einwandernden schon in Uebung trafen, ihnen
und ihren Göttern beigelegt wurde.
Die weitere Entwicklung des Mythus, nach welcher die Ehe
des Hephästos und der Athene gelöset und in ein Afterverhältniss
verwandelt erscheint, aus dem Erechtheus hervorgegangen, Hephä-
stos aber mit einem Altar im Erechtheum blieb und mit seinem Cul-
tus im Kerameikos, in der Mitte der von ihm beschützten Werk-
stätte, sammt Prometheus angesiedelt wurde, gehört nicht zu un-
serem Vorwurf, der allein die Sage von Kekrophs und Erechtheus
begreift, in der das attische Alterthum noch einen historischen Kern
bewahrt, und die es unter die ältesten Könige des Landes gestellt
hat, welche ihre Namen auf das Volk, KsxQom'öai, *EQ£%&£idcu,
übergetragen, und in dem ältesten Heiligthume der Burg — wir wer-
den sehen, nach welcher Anschauungsweise — ihre Gräber gefun-
den haben.
Doch haben wir noch zu diesem Behufe einer andern Sage zu
gedenken, welche sich jenen anschliesst und Athene im Streite mit
Poseidon um Attika zeigt. Schon 0. Müller hat auf ihren lokalen
Grund hingewiesen. Das Meer drang von Westen tief nach Attika
104
ein, und, wie noch vor wenig Jahren der den Wissenschaften in
Athen selbst zu früh entrissene Ulrichs in einer Abhandlung unserer
Denkschriften (Band III, S. 647 ff.) gezeigt hat, war der Piräeus selbst
durch Meeresfluthen und Sümpfe von den Höhen geschieden, hinter
denen östlich von ihm die Stadt liegt. Die später mit dem Haupthafeu
ausgestattete und zu einem reichen Demos erhobene Landschaft
war darum rj nbqav x(x>qc>, der jenseits des Meerwassers gelegene
Ort, zu welchem man nur auf Kähnen und Schiffen gelangen konnte.
Hat nun die aus Aegypteu kommende Ansiedelung, welche sich
hinter den kekropischeu Namen birgt, nach der ihr von der Hei-
math in wohnenden Kunde und Uebung des Dammlegens das Meer
aus jenen Gegenden weggewieseu , und dem Kephissos, der von
Norden her da einfliesst, durch Canäle und Polter seinen Weg
über die neugewonnene Mündung nach dem Meer jenseits Munychia
gezeigt, wie es in der neuesten Zeit wieder geschehen musste, um
die dort aus Versäumniss der alteu Werke wiedergekehrte Ver-
sumpfung zu heben, hat ferner, wie die allgemeine Ueberlieferung
wollte, sie den Oelbaum unter Obhut ihrer Göttin nach Attika ge-
bracht, dessen künstliche Pflege im Reiche der Pharaonen durch die
Bildwerke der ägyptischen Grabhallen in vollkommener Klarheit
an das Licht tritt, so ist damit der Streit des Poseidon uud der
Athene um den Besitz von Attika, und der Sieg der Göttin über
ihren Nebenbuhler auf seine natürliche Grundlage zurückgeführt.
Der Gott des Meeres ward darum nicht ausgewiesen. Als Erzeuger
des Rosses bleibt er Beschützer des reisigen Theiles der Bevölkerung,
selbst als Pfleger des Anbaues (kommen doch aus dem Meere die
Gewässer, die sich als Regen ergiessen und in Quellen und Flüsse
sammeln) tritt er in Verbindung mit den agrarischen, den pelas-
gischägyptischen Göttern, und in eine Genossenschaft, die auf der
Burg von Athen ihren ältesten Sitz aufschlug. Es wTar im Erech-
theum selbst, wo er wohl als erster Urheber der Befruchtung
des Grundes durch die Gewässer mit Erechtheus denselben Altar
105
hatte, ja mit ihm als Poseidon - Erechtheus angerufen und ver-
ehrt wurde.
Gehen wir nach diesen Erörterungen auf die homerischen Stel-
len zurück, so erheben sich allerdings Zweifel über ihr Alterthum.
Dass die eine in der ursprünglichen Anlage des Katalogs gewesen,
ist kaum denkbar, da dieser sich in den Theilen, welche seine uu-
geänderte Gestalt bewahrt haben, begnügt, die Namen der Länder,
der Anführer, der Städte, so wie die Zahl der Schiffe zu nennen,
die den Königen folgten, hier aber ein den Athenäern ganz specia-
ler Mythus mit ziemlicher Ausführlichkeit eingefügt wird. Ebenso
verdächtig ist der Ruhm des Menestheus, des Königs der Athenäer,
dem in Ordnung der Schlacht nur Nestor sich verglichen habe , da
weder seine Persönlichkeit , noch seine Thaten im Verlauf der
Iliade in irgend einer besondern Weise hervortraten. Endlich ist
die diccGxsvaoig der Stelle nach Erwähnung des Salaminiers Aias
atierkannt, dessen Schiffe kurz angeführt werden, aber mit dem
Zusätze v. 558: Grijas dayoiv, Xv ^A&rjvaCiov l'otavro (päAayytg.
Solou, heisst es, habe diesen Vers eingefügt, um die alte Verbin-
dung zwischen Salamis und Attika gegen die Megaräer geltend zu
machen, die ihrerseits den Dichter anders ergänzten. Vgl. Heyne
a. a. 0. Dadurch wird allerdings auch die Stelle der Odyssee ver-
dächtig, welche das Haus des Erechtheus mit der den Odysseus
verlassenden Göttin in Verbindung bringt; indess für unsern Zweck
sind diese Bedenklichkeiten von geringem Belange. Denn kamen
auch die Stellen erst zur Zeit des Pisistratos oder Solon bei Ord-
nung der Gesänge zu Athen in den Context derselben, so geben
sie doch historische Kunde von dem, was in jener frühen Zeit als
Tempel der Göttin, als Cultus des Erechtheus auf der Burg bestand,
und von den Sagen, welche Erechtheus und Athene in obenerwähn-
ter Art verknüpften. Ferner melden sie auch dann nicht etwas
Neues, zu solonischerZeitErsonnenes, sondern was aus dem Alter-
Abhandlungen der I Cl. d. k. Ali d. Wiss. V. Bd. III Abth- 14
106
(Imme in jene Zeit der Pisistratiden überliefert war, was noch be-
stand und galt. Da nun in der einen Stelle die Göttin den Erech-
theus in ihrem Tempel ansiedelt, nach der andern aber in seinem
Haus eintritt, so ist dadurch der ursprüngliche Zusammenhang des
ältesten Heiligthnms der Bnrggöttin ^A&i]vä nohecg) und des alten
usyaQOP der Könige mit vollkommener Verlässigkeit beurkundet, wäre
es auch, dass das Zeugniss der Urkunde nicht über Solon und Pisi-
stratos hinausginge. Was sie meldet, ist wie gesagt, altattische
Ueberlieferung, bestätigt den alten Bau und sein Heiligthum, und
sind die homerischen Verse interpolirt, so hat die.solonische Zeit
nur Sorge getragen, jene Kunde in die homerischen Gesänge ein-
zufügen, und dadurch ihr Ansehen zu befestigen.
V.
Herodot über das Erechthemn.
Die nächsten Meldungen von dem Heiligthum sind bei Herodot.
Nach 1. V, c. 82 empfingen die Epidaurier Holz von den attischen
Oelbäumen für die ihnen gebotenen Götterstatuen unter der Be-
dingung, jedes Jahr der Athene Polias und dem Erechtheus Opfer
zu senden : in' oj ind^ovoi txeog txdoxov ztj 3A&f]vairj ry IloZiädi
loa y.ai xio yEQ£%&£'C, wo also der Cultus der Göttin und ihres He-
ros miteinander in jener Verbindung stehen, die schon in den home-
rischen Versen bezeugt ist. Buch V, 72 meldet er in der später
zu erörternden Erzählung von Kleomenes, dem spartanischen Kö-
nige, die Priesterin habe ihn abgemahnt, ehe er eintrat (noir ras
xruoag avxov djuMyai), in das innere Heiligthum der Göttin zu gehen,
um anzubeten: rji'e lg xo advxov rrjg &sov, ojg noogsoecov , wo dem-
nach von dem übrigen Tempel das advxov unterschieden wird , in
das ein besonderer Eingang führt ; denn der ganze Tempel kann
unter dieser Benennung nicht begriffen seyn. Diese Stelle eutschei-
107
det über den Ort, an welchem das alte Palladium stand, das in dem
Tempel verehrt wurde. Es war die Querhalle, durch die über dem Grab
des Erechtheus der Eingang offen stand oder es war in ihr, und die
Bauinscbrift wird dafür noch einen besondern Beweis liefern. Ebender-
selbe meldet B. VIII, c. 55: es sei in der Akropolis ein Tempel des
Erechtheus, welcher der Erdgeborne genannt werde, darinnen aber
der Oelbaum und das Meer, die Salzquelle, welche Poseidon beim
Streite gegen Athene mit dem Dreizack geöffnet habe: tan iv xfi
ccxoonoAi 3Eqsx&iog tov ytjysviog Aeyojuivov elvui vqdg, iv rw SAccfy
rsxcd SäXctaau iort. Dieser Oelbaum wurde mit dem übrigen Heilig-
thum durch die Barbaren verbrannt; doch fanden die Athenäer, welche
dem Xerxes folgten, als sie auf seinen Befehl am andern Tage gin-
gen, auf der Burg nach vaterländischer Weise zu opfern, und iu
das Heiligthum eintraten, dass aus dem Stumpf ein frischer Zweig
von Ellbogens Länge gesprosst war: wg ctvgßqactv ig rö Iqov, wqwv
ßXccGxdv ix rov GT£Ä£%£og ooovtb 7ir\yvcuov dvedadQctfxrjxora. Dieser
Oelbaum trug nach Hesychius den Namen dorrj und näyxvyog, weil er
niedrig und am Boden gehalten war. "Agt^, ikaCa (verbinde
darrj ikcc£ct , die Burgolive) ij iv dxaonoÄei, xaAov/uivt] Iläyxvtfog
diu x&ctfxccÄÖTriTa. — Uayxvtpog. iXcclag tidög ti xaxaxsxvtpog xal
xanuvov iv xjj dxqonöfai. Das Kümmerliche des Wuchses, was in
dem Namen ausgedrückt ist, erklärt sich wohl am besten aus der
Dürftigkeit des Bodens, der felsig ist und nur durch künstliche
Mittel in den Stand konnte gesetzt werden, irgend ein Gewächs zu
nähren. Die &äKaaaa wurde nach Apollodorus, da wo er (B. III,
c. 14, §. 3) den Streit der beiden Götter berichtet, zu seiner Zeit
Eosx&ti'i'g genannt (jihrfeag zij xqiaCvrt xaxd /Liiorjv xrjv dxqöno-
Xtv dv£<paivs &äXaoGavy rjv vvv 'EQS%&r[ida xchovaiv). Nach ihm sei
Athene gekommen, habe den Kekrops zum Zeugen genommen und
den Oelbaum gepflanzt, welcher jetzo im Pandrosion gezeigt werde :
iifvjhvGsv iXalav, ij vvv iv xcp IlavdQOGitp dsCxvvxcci. Statt des Tem-
pels des Erechtheus {^Eosx&iog vrjog), in dem nach Herodot Oel-
14*
108
bäum und Meer war, ist hier ein Tempel der Pandrosos {rö Tluv-
()qooiop) genannt, welcher demnach als ein Theil des Erechtheums
und des Tempels der Polias (*A&r}vtdris rijg TlofoüSog vrjog) zu be-
trachten kommt. Als welcher, lehrt eine Meldung aus Philochorns
bei Dionys. Halic. über Dinarchus S. 113 Sylburg, p. 636 Siebeiis
von einem Hunde, der in den Tempel der Polias läuft, von da in
das Pondrosion hiueingelangt (dvosv tlg rö nccvdoooiüv) und dort
sich auf dem Altar des Zsi/g tQxsiog unter dem Oelbaum niederlegt
(tniröv ßw/udv avaßäaa rov ioyMov Aibg rov vno rtj l),ala xuv-
ti'.UTO. )
Diese zufällige Meldung trägt bei, den Theil des Gebäudes,
welcher den Namen des Pandrosion trug, näher zu bestimmen.
Schon an sich wird man geneigt sevn, als solches die südliche
Halle mit den Kanephoren zu betrachten, da die Erscheinung der
weiblichen Gestalten auf ein weibliches, einer Heroin gewidmetes,
Heiligthum hindeutet. Dazu stimmt auch der Umstand, dass in ihm
der Oelbaum der Burg sich befand, der, in dem Heiligthum begrif-
fen, unter spärlichem Tageslicht und ohne freie Luft und Sonne
nicht bestehen konnte, die beide ihm das Erechtheum nur au der
genannten Stelle im Innern der Halle gewähren konnte, deren obe-
rer Theil zwischen den Bildsäulen der gebälktragenden Jungfrauen
offen stand. Der Weg aber, den der Hund einschlug führt eben dahin.
Er lief durch den Pronaos und nahm die Richtung über die südliche
Treppe. So geriet!» er über sie herabkcmmend durch die daran stosseude
Thüre in die Querhalle , gerade da, wo sie an den Kauephorenbau
anschliesst und durch eine Thüre den Eingang gestattet. Das Alles
entspricht genau der Meldung, dass er aus dem Tempel in das
Pandrosium hineingeschlüpft sei. Damit ist nun auch die Stelle der
&ä/M(socc gegeben, welche von Pausanias (Att. 26, §. 5) als vdojo
x>aXÜGGiov tv (fQtan näher bezeichnet wird, mit der Bemerkung,
in dem Felsen sei ein Bild des Dreizackes: roicclvrjg ioriv tv rij
10!)
nsTQci. Man hat demnach dort , und wohl gleich bei Gründung des
Baues, nach Wasser in dem Felsen gegraben, solches auch gefun-
den, aber salziges, und dass die Quelle 3Eoey&t]tg heisst, deutet auf
eine andere Sage hin, nach welcher die Findling des Wassers auf
Erechtheus bezogen wurde. Es geschah Aehnliches im letzten
Kriege während der türkischen Belagerung. Die Eingeschlossenen,
an Wasser bitteren Mangel leidend, gruben, alter Sage folgend,
in der nordwestlichen Ecke der Burg nach einer Quelle, fanden sie
auch; aber das Wasser ist ebenfalls salzig, wiewohl noch trinkbar.
Sie lag ausser der Burgmauer, ward aber durch einen dort im Eck
vorgeschobenen Vorsprung derselben in die Burg eingeschlossen.
Zur Erläuterung dient, dass aus dem Gebirge, welches jenseits des
Kephissos die Ebene von Attika und Eleusis trennt, und zwar aus
dem Fusse desselben, ein so reichlicher Bach von Salzwasser
dringt, dass er in einem weiteren Becken gestaucht und benützt
wird, um Mühlen zu treiben, vielleicht die roQywmg M{ivi] im
Agamemnon des Aeschylus (v. 302) , da alle hineingelegten Pflan-
zen und Hölzer nach einiger Zeit mit einer Salzkruste überzogen und
gleichsam versteinert worden. Die Quelle daselbst, auf Salzlager im
Gebirge hindeutend, trieb demnach, unterirdisch sich fortsetzend, ihre
Adern auch in den geklüfteten Urkalk und die Marmorlager der
Akropolis empor, wie offenbar die Quellen auf der Akropolis von
Korinth, deren eine an die Sage des Pegasus geknüpft ist, von den
Wasserbehältern des südwestlich und viel höher gelegenen Kyllene-
gebirges in Arkadien auf ähnliche Weise Abschösslinge sind. End-
lich bringt die Meldung von jenem Hunde uus noch einen Altar
des Zsvg tQz&Zog zur Kunde, der bedeutsam genug, wie wir sehen
werden, mit dem Brunnen und dem Oelbaum sich im Pandrosion
befand, und von dem Baume beschattet wurde.
110
VI.
Die früher bekannte Inschrift über den Neubau des Erechtheums.
An die Nachrichten über das Erechtheum in Homer und Hero-
dot schliessen sich die obengenannten Inschriften über seinen Neubau.
Dass man unmittelbar nach Besiegung der Perser, und als die
Gemeinde wieder in die Stadt einzog, daran ging, sie und mit ihr
die Burg herzustellen, dabei aber sich nicht an dem Nothbau, den
Themistokles gegen Furcht und Argwohn der Spartiaten rasch an-
ordnete, genügen Hess, sondern den Burgbau in einer, Festigkeit und
Schönheit vereinenden, Weise, würdig der beginnenden Grösse der
Stadt, anfing, zeigt die kimonische Mauer in ihrem prachtvollen Baue
ans Marmor, welche, wie Plutarch im Kimon 13 berichtet, dieser nach
der Schlacht am Eurymedon aus der Siegesbeute aufgeführt hat, und
der Siegestempel über ihr, dessen Wiederfindung und Wiederauf-
richtung als eine der schönsten Erfolge der neuen Thätigkeit auf
der Akropolis zu betrachten ist. Hr. Prof. Boss hat (die Akropolis
von Athen nach den neuesten Ausgrabungen 1. Abth. S. 9) vollkom-
men Becht, Mauern und Tempel auch dem Bau und der Zeit nach
zu verbinden , und dass kein anderer als Kimon selbst den Pracht-
bau seiner Mauern mit dieser architectonichen Zierde geschmückt
hat, davon gibt nicht nur der constructive Zusammenhang, sondern
auch die ganze Thätigkeit jenes grossen Mannes Zeugniss, dem
nach Plutarch (c. 8 u. 13) die Stadt noch andere Zierden, und unter
ihnen auch das Theseion, verdankt. Es scheint kaum einem Zwei-
fel unterworfen, dass auch die übrigen Anlagen der Akropolis, die
Propyläen, der Bau des Parthenon und des Erechtheums, schon da-
mals in Aussicht und Plan gestellt wurden. Die weitere Führung
des von Kimon Unternommenen fiel auch auf der Akropolis dem
Perikles und seinen grossen Werkmeistern zu. Zwar beschränkt
sich die Meldung von diesem nur auf die Propyläen und den Parthenon;
des Erechtheums wird dabei nicht gedacht; doch ist kein Grund
m
für die ziemlich verbreitete Meinung vorhanden , dass der Bau des
Erechtheums mit dem der Propyläen und des Parthenons nicht zu-
sammenhänge, sondern später zu setzen sei. Denn es ist ganz un-
denkbar, dass man gerade den ältesten und heiligsten Tempel der
Schutzgötter in solcher Weise sollte versäumt, oder mit ihm bis
zur Vollendung der übrigen sollte gewartet haben. Dazu wurden selbst
die Propyläen nie so vollendet, wie es in der Anlage war, und in
dem rechten Flügel zeigt die nach Süden gewendete Mauer durch
Zapfen, die aus den Quadern noch hervorstehen, dass diese die ihnen
bestimmte Vollendung und Glättung noch nicht erlangt hatten, als
man den Bau unterbrach und ruhen Hess. Das Erechtheon ist also
auf jeden Fall vor Vollendung der Propyläen in Angriff genommen,
obwohl kaum zu zweifeln, dass mau Anfangs die Hauptkraft auf
das Burgthor und den ihr zunächst gelegenen grossen Parthenon ge-
wendet hat, der für die glänzende no/umj der Panathenäen bestimmt
war. Der Bau des Erechtheums ging darum neben dem der andern
Gebäude, und wohl um so rascher, nachdem der Parthenon ganz
und die Propyläen wenigstens in den Hauptheilen vollendet waren.
Dass während des peloponnesischen Krieges, und zumal nach dem
Untergänge der attischen Macht vor Syrakns der Bau unterbrochen
ward, ist an sich glaubhaft, und scheint durch die ältere Inschrift
seine Bestätigung zu finden. Diese fällt unter dem Archon Diokles
(Ol. 92, 4) in das 22te Jahr des peloponnesischen Krieges, vier
Jahre nach der sicilischen Katastrophe, in eine Zeit, wo die Athe-
näer durch die Siege am Hellespont neue Kraft und Macht erlang-
ten uud die Lacedemonier des Friedens wegen nach Athen sende-
ten. Die Einleitung derselben nennt drei Vorsteher „des Tempels in
der Burg", in welcher das alte Götterbild: 3Enigräxai tov vsoj tov
iv noXu, iv m ro ccq%cuov äya^ua, im Gegensatz des neuen colossalen
aus Gold und Elfenbein von Phidias, das im Parthenon aufgestellt war,
deuArchitecteu {cIqxitGztuov AoxAijg, wohl Philokles) und den
Schriftführer (yocz/u/uccTevs), demnach eine mit der Sorge für das Erech-
112
theiiiii speciell betraute vollständige Behörde, die ihr Geschäft nach
einem Beschlüsse des Volkes (yjifyiofta rov dtjjuov) führte, den Ep-
genes eingebracht hatte (o ^Emyivtjg slnsv}. Demgemäss (xara ro iptj-
(ptgua) verzeichneten sie auf Marmorplatten die Werkstücke und
Theile des Tempels, in welchem Zustande sie dieselben vorfanden, die
vollendeten und die halbfertigen: \raS\s ävtyociyctv t^ycc rov vsoj
a>g xccri^ccßop txaocc . . . i£eiQyaOju£pa xal tjjuisQya). Die Aufzeichnung
beginnt an der Ecke beimKekropion (im rfj ywvla rr\ nqog rov Ks-
xooniov), und geht, dann von §. 4 bei Böckh auf die Säulen au der
Wand beim Pandrosion über (riöv xiövwv rwv im rov rolyov rov
TiQÖg rov üuvöqogiov}. Wandsäulen hat nur die westliche Querhalle,
welche an die Südhalle stösst, die wir als das Pandrosion erkannt
haben, das darum §. 6 der Vorbau vor dem Kekropion heisst —
nh)v {rov rol%ov) rov iv rft Ttqbg roZ KexQontü). Demnach ist die
Ecke, von wo die Beschreibung beginnt, der südwestliche Punkt,
wo die westliche Halle mit dem Pandrosion zusammenstösst. Wäre
nun, wie von Vielen angenommen wird, die ganze Querhalle Kekro-
pion, so müsste sie nothwendig mit diesem Namen genannt werden,
was aber nicht geschieht, im Gegentheil wird der Theil mit den
Halbsäulen oder das obere Geschoss die Mauer an dem Pandrosion
genannt: rwv xiovwv rcov im rov roi%ov rov TiQÖg rov üavdQOGiov.
Die Benennung Kekropion wird sich sofort allein auf das Grab des
Kekrops beziehen, und Hr. Rhisos hat ganz recht, dieses in jene
Ecke an den Eingang in das Pandrosion zu setzen. Dieselbe Be-
schränkung kehrt §. 6 zweimal wieder, und es besteht wohl kaum
ein Zweifel, dass das Kekropion in irgend einer Weise, vielleicht
durch eine Quermauer, von der übrigen Westhalle abgeschnitten war
und den Theil derselben bezeichnet, welcher an das Pandrosion
stösst. Dieser Umstand ist von Bedeutung, weil er uns den übrigen
Theil der Westhalle zur Verfügung lässt, die wir später nöthig ha-
ben werden.
Die Vorsteher zählen in jener Stelle auf als halbvollendet (/;«/-
113
toyovg) vier uneingesetzte Quader (nXCv&ovg u&£xovg), einen Ach-
sel- oder Kragstein {jictQxaÄafav) , fünf Kopfsteine (ßmxQctvfxidag)
d. i. nach 0. Müller architektonisch geschmückte Mauerschluss-
steine unter dem Gebälk (nach Athenäus V. S. 205. B. xö ysioov
k'cug xov TisQitQ^xovTog imaxvXiov) j in gleicher Höhe ein Eckstein,
einen gewundenen {yoyyvXog Xt&og), d. i. wohl ein mit dem xv/udxiov
und dem daxqdycXog darüber ausgestatteter, der (seiner Lage nach)
den Kopfsteinen entspricht [dvxi/uöoog xoig imxoavtxiGiv}, ferner zwei
solche, welche den Architraven entsprachen {avxtfioqoi xolg imaxvAfoig),
d. i. in den Mauern dieselbe Höhe einnahmen, wie die Architraven
über den Säulen, ein Säulenkopf unaufgestellt {xioxqavov u&txov),
nach 0. Müller das Kapitell der hintern Kanephore im südwestli-
chen Eck, was nicht wahrscheinlich (dieses würde anders bezeich-
net sein), die innere Steinplatte (fx^xoonov xo kGca), nach Böckh das
Antenkapitell, wahrscheinlich in der Ecke, wo das Kekropion und
Pandrosion zusammenstossen, endlich fünf zu dem Architrav gehörige
Quader, nicht eingesetzt (71 iniaxvXia ci&sxa), und drei, welche zwar
oben waren, aber noch der Ausarbeitung, Ausglättung bedurften {xokt
ävvu sxi ovxa .... insoydoaG&ai.) Von allen werden die Maase
nach Länge, Breite und Dicke angegeben. In diesem Zusammenhange
kann das xiöxqavov ct&sxov kaum etwas anderes seyn, als das Ca-
pitell der letzten Halbsänle neben den Anten, nach dem Pandrosion
zu. Man sieht, diese Ecke der beiden zusammenstossenden Gebäude
war bei Wiederaufnahme des Baues bis zum Mauerschluss emporge-
führt.
Die Aufzählung geht dann zu dem östlichen oder eigentlichen
vadg über mit den Worten: xov J« Xomov toyov anavxog Iv xvxXco
äoföi 6 tXevGiviccxog Xld-og, ngog t» xd Uoa xai ix£9t] III inl xwv
ijiiGxctxwp xovxujp. Des eleusinischen Steines ist oben gedacht wor-
den. Der Fries war nach aussen mit Platten dieses schwarzen
Marmors aus Eleusis verkleidet und auf ihm waren die Bilder, xd
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 15
114
C&ce), also die Reliefe. Hier ist darch die neuen Ausgrabungen ond
die zweite Inschrift Alles deutlich geworden. Nicht uur von jenen
Platten schwarzen Marmors, sondern auch von Reliefen, die auf ihnen
waren, ist unter dem Schutte eine beträchtliche Zahl, meist sehr
zertrümmert, gefunden worden, welche im Werke des Hrn. Rhisos
abgebildet sind. Diese sind aus weissem Marmor, und sowohl die
zweite Inschrift, als der Augenschein lehrt, dass sie mit Blei und
Klammern darauf befestigt waren. Sofort erklärt sich auch der Aus-
druck. vAq%£i ist weder imperat, noch praecipnus est, noch bedeutet
es, wie Böckh glauht, uq/si tQyov, hier incipere opus; denn warum
sollte dann ausser rov homov noch anavrog iv xvxXtp beigesetzt
werden? sondern: über das ganze übrige Werk zieht sich als oberster
Theil der eleusinische Stein hin. Was hier nach Wiederaufnahme
de*s Baues in einem Jahre geschab, ist verhältnismässig gering und
zeigt, wovon auch die folgenden Rechnungen Meldung thun, von
der Beschränktheit der Mittel, welche man damals auf das Unter-
nehmen verwendete, wo der Staat durch Krieg so sehr in Anspruch
genommen wurde.
Nachdem sie in der erwähnten Meldung angegeben, was sie
am eigentlichen oder östlichen Tempel gefunden und gethan, gehen
sie auf den westlichen Bau der Querhalle zurück, von dem allein
der an das Pandrosion stossende Theil behandelt war. §. 4. Die
Halbsäulen derselben waren aufgestellt, IIH xufxivwv xiovwv, hat-
ten aber noch ungeschnittene (aT/ut]ra), d. h. architektonisch noch
nicht ausgebildete Theile, und zwrar fehlten anderthalb Fuss (an je-
der) und das dv&e/uiov. Dieses haben Hirt und Böckh richtig von dem
Blätter- und Blumenbande verstanden, welches an den ionichen Säu-
len dieses schönen Baues da, wro die Kanelirungen schliessen, be-
ginnt, und bis an den kleinen verzierten iyjvog oder Wulst des Säu-
lenhauptes sich erstrekt. Es wird aber der nicht ausgeführte Theil
näher bezeichnet: är/urjTa ix rot* Ivrog avdeutor txaGrov xov
115
xtovog tqCa quinodicc, wo xö ivxog dv&iuiov Schwierigkeit gemacht
hat, die höchste, „summa difficultas", sagt Böckh, der ix rov ivxog
ohne Grund von äv&euiov trennt. Denn es wird offenbar der ganze
Schmuck zwischen Kanelirung und Voluten mit seiner Perlenschnur
oben und unten, den ionischen Eiern und dem geflochtenen Wulst
darüber als äv&ifMovy und zwar a potiori bezeichnet, und im Ge-
gensätze davon xo ivxog äv&£/uiov von dem eigentlichen Blätter-
schmucke verstanden, der von jener Verzieruug umgeben und ab-
geschlossen wurde.
Darau wird die Meldung gefügt, dass auf die westliche Mauer
(§. 5: inl *ov xolyov rov noög voxov) die Welle des achtfussiangen
Architravs {iniöxvXiov oxxaJnoSog xvjudxiov), also die in steigender
Welle {Xtcßtov xvjudxiov) sich hebende Krönung desselben gesetzt
wurde, und zwar ig xo %o~w, in das Innere, demnach innerhalb der
Halle, und die Vorsteher verzeichnen dann die Mauertheile und die
Säulen, welche der Glättung und Canelirung noch bedurften {xddt
dxccxdi-soxa xal dqdßdojxa): es ist die westliche Mauer, ausgenommen
die der Säulenstellung beim Kekropion, {nXtjv xov iv xtj noooxdasi
xfi noög xco KsxQonho.) Die Südmauer des Pandrosion war also ge-
glättet und vollendet. Ungeglättet waren ferner sämmtliche {iv xvxX(o)
Mauerpfeiler oder Antae {oq&ooxdxai), wieder ausgenommen die
an demselben Baue ( nXt)v xcöv iv xjj nqoaxdou xfj noog xcö
KexQonüti), und die Polirung fehlt noch jetzo an mehreren ; das Werk
ist nie in das Einzelne ganz vollendet worden. Ohne Verstäbungen
waren die obern Theile der Windungen {ojisiqcu), gewundene Säu-
lenfüsse oder Basen, die aus doppeltem Pfühl und den Mittelgliedern
bestehen, ausser die der Wandsäulen, und so waren die Säulen
ausser der genannten ohne Kanelirung; die Basis {xtjv xo^n/Sa') des
gauzen Werkes fanden sie ebenfalls ungeglättet. Die äussere Wand
hatte das Gesims {yoyyüXog Xtfrog) 32 Fuss {xbjQcaiodiccg Ulli) ohne
Glättuug, und so fehlte die Glättuug zum Theii auch an der Thür-
15*
116
inüudung , an der Seitenfolge and an den Mauern der Bildsäulen.
Diese letzte Stelle ist lückenhaft: xov iv xiö nqooxo/uiaico xsxqanodlug
AN xtjg nccqaoxadog .... xüxqanodCag .... xov (nämlich
xot%ov) nqog xcoydA/uccxog xexqccnodiag. Auf diese Worte, nach denen
nur die Zahl der Tetrapodien fehlt, folgt in der Urkunde: iv xfj
nqoöxdoet xfj nqog xov &vqa)juaxog xov ßcouov xov (ß-v)rixov a&sxov .
Unterschieden werden zunächst drei Theile. Die Mauer iv
Tip nqooxotuiaiq), die naqaaxdg und die Mauer nqog xov uydXfiuxog
Das ayaXjLia kann blos das alte Palladion seyn, nach welchem zu
Anfang der Tempel bezeichnet wurde: iv cp xo <xq%alov ayaZua.
Dieses aber stand im udvxov, wie aus Herodot klar wurde, wo er
meldet, Kleomenes habe in das udvxov eingehen wollen, zu der
Göttin zu beten, wovon später. Das advxov aber musste hinter der
nach dem nqovaog offenen Cella mit ihren Stiegen und Altären lie-
gen, also in dem Gange, der durch die westliche Quermauer der
Cella und die Maner mit Halbsäulen sich ausdehnt. Dahin führt
auch der Gang der architectonischeu Aufzeichnungen, welche von
der Stelle, wo das ayaAua war, zu der nördlichen Vorhalle über-
geht, die an jenen Quergang anschliesst. Dadurch wird die Lage
des aSvxov genau bestimmt. Es ist der nordwestliche Theil der
Querhalle, welcher an die Nordhalle stösst, und zu welchem die
rechtsgelegene Thür der Quermauer den Eingang ans der Cella
bildet. Damit stimmt nun auch zusammen, was oben von der inneru
Beschaffenheit der Hauptcella gesagt wurde. Die südlich gelegene
Stiege in ihr führte zum Kekropion, die nördliche zum Erechtheum,
zum Grabe des Erechtheus. Dieses Grabmal lag demnach vor dem
ciövxov der 3A&iqvrj noÄidg, ebenso wie das des Kekrops vor dem
Eingange in das Pandrosion , und in einer so übereinstimmenden
Lage der beiden Heldeugräber an den beiden Eingängen in die
zwei Heiligthümer muss eine Absichtlickeit verborgen seyn, auf
welche wir später zurückkommen. Wir sind also im Ad y ton der
117
Göttin, and es ist offenbar, dass dieses von dem Kekropion, das
südlich daran stiess, getrennt seyn musste, wohl durch eine Mauer,
die jenseits der Thür lag, welche von Westen durch die Mitte der
Säulenmauer oder vielmehr ihres Sockels in die Querhalle , dem-
nach in das Adyton führte. Warum dieses so geordnet war, wer-
den wir ebenfalls später zu erörtern haben. Das ccdvrov wird da-
durch allerdings zu einem beschränkten Räume; indess es war nur
der Behälter des Götterbildes, des Altares an ihm und einzelner
Weihgeschenke.
Was aber ist ein nqoaro^iuTov und naQcearäg an diesem MvtovI
Jenes Wort kommt nur in unserer Inschrift vor, ein ähnliches bei
Pollux D, 90: r; ds eis aXXiqha rvov %uhiov avftßoAtj itQOGtofxiov (an-
dere m-QiGTÖ/Mov) ri 7iQ0OTo/uia. Also der Schluss beider Lippen , der
geschlossene Mund. Böckh bemerkt: otöjua quum pro janua dica-
tur, TiQoozojuiaiop erit, quod labiis respondet, autepegmata cum super-
ciliis. Das also wäre die Thüreinfassung , bei der aber keine
Gv/ußoZt} rwv %ziX6)v slg ct).h]Xa, kein Schluss der Lippen oder der
Vorsprünge stattfindet. Wir haben oben angeführt, dass das grosse
Prachtthor, welches der Anlage nach aus der nördlichen Halle in
diesen Raum, also in das aSvtov führen sollte, gehlendet war, und
so kann jr^oato/utaiov nur der nach innen gewandte Theil jener
Thürblendung seyn, der architectonisch zwar angedeutet , aber ohne
Oeffnuug, also mit geschlossenen Lippen, war. Diese Profilirung
der Thüre an der innen) Mauer ist noch jetzo erhalten, und auch
in unserer perspectivischen Ansicht Tab. III angezeigt.
JlaqaGxctg aber kann hier seine eigentliche Bedeutung nicht ab-
legen; es ist der Mauervorsprung, der Pilaster, Anta, von vaog iv
nccouGTÜGiv, bei Vitruvius templum in antis, mit zwei Säulen zwi-
schen den Anten; und die Ante, die hier erwähnt ist, muss in der
verschwundenen Ostmauer des Adyton gewesen seyn. Der Sinn
118
der Stelle, die uns zur Ermittlang des adurov geführt hat, ist also:
(Wir fanden ongeglättet) von der Mauer in dem Prostomiaion
(also von der Thürblendung selbst) Tetrapodien (so viele — die
Zahl fehlt; JN ist in der Abschrift, das Bökh Svo liest); von den
Pilastern (fehlt die nähere Tetrapodienbezeichnung) so viele der-
selben ungeglättet, nnd von den Mauern bei der Bildsäule (also
wohl hinter und neben ihr) Tetrapodien (fehlt wieder die Zahl).
In §. 7 kommt die Anfzählung aus dem advrov in die Nord-
balle. Diese wird TX^öoraotg q 7ioög rov ^vocu/ucnog genannt. Qvowua
die grosse Thür, das Thor im Innern der Halle, ist das eigentliche
Prachtstück des Gebäudes, durch Ausarbeitung, Reichthum und Fein-
heit des Schmuckes ein Werk ohne Gleichen. Darum gibt sie der
ganzen Halle den Namen. In ihr fanden sie den Altar des Opfer-
priesters ungesetzt, und ebenso in der Bedachung die Klammern
und die Riemen. Die ganze Stelle lautet: Iv rfj noooruGu rjj noög
rov &vQ(6juarog rov ßcouov rov &v?]Xov (die Abschriften haben . . .
EXO) cc&srov, rfjg tniöQoytag oyrixloxovg xccl Ifxdprag ä&irovg.
Schwierigkeit macht zunächst BOM02 . . . EXO, das man in
0YEXO d. i. Qvrjyov ergänzt hat, ohne desshalb die Orthographie
&vt]%6g nachweisen zu können. Böckh ändert darum &vrjxov hier
und im folgenden §. 12, c, und allerdings hat Hesycliius: d-vnxöoi.
hosig, und Photius: &vrjxooi. ol ItosTg ol vnio aÄÄwv &vovreg roTg
S-soTg, mit ungeschickter Erklärung, da überhaupt die Priester für
andere opfern, und der Begriff von äXXow nicht in der Form liegt;
indess &vtjxooi ist Lesart der Herrmann'schen Ausgabe; die des
Codex, welche Porson treu wiedergibt, ist ebenfalls S-vijxooi, und
das x )st aucn dadurch gefestiget, dass dieselbe Form unter 1. 95
vollständig in TO&YEXO und in der zweiten Inschrift (n. 57 A,
1. 61, 62 bei Rhisos) TO || EXOBOMO und anderwärts wieder-
kehrt, övrjxoog wäre <c rd &vt] yJwv oder xaloyv, eine plurale Form
119
in der Zusammensetzung &vrj statt des gewöhnlichen &voop6og.
Hesych.: sWog juäpxsog dicc 07iA,dy%PWP xb psXXop dtjÄovPxog. 01 dk
(nämlich erklären ihn als) top öi ijunvomp isqwp xä orj/uaipojuspa
ypöpxcc, offenbar richtig. Daneben stünde nur &vt]yoog> wasPhotius
erhalten hat, in vorliegender Form thjqtfog — 6 xä &vt] yJwv > der
Trankopfer ausgiesst, und wir hätten dort einen Altar allein für
Speudungen. Doch scheint X und K nur unstäte Schreibart, ebenso
wie y,äh%(u in der folgenden Inschrift statt v.äXyai wiederholt ge-
schrieben wird. Wem aber dort Opfer angezündet wurde, scheint
aus Pausan. Att. 28, §. 6 zu ermitteln. Dieser sagt, vor dem Ein-
gange in das Erechtheum sey: Aibg ßio/ubg vipäxov, tp&ec l'juipvxop
d-vovoip oidtp, ngfifiaru de &£pxsg ovdip txi (1. ovdt tri) ol'pcp yotjoa-
ö&cci pojut'Lovai. Jener Altar des Zeus vnuxog wird gewöhnlich vor
den östlichen Eingang gesetzt, da nach seiner Erwähnung Pausa-
nias in das Innere des Tempels zu den übrigen Altären kommt.
Doch gedenkt er der nördlichen Halle gar nicht, und es ist wahr-
scheinlich, dass er sich bemüssigt gefunden hat, wenigstens diesen
Altar aus ihr zu nennen, zumal er das Gebäude nicht als puog,
sondern als oixq/ua *EQe%&£og bezeichnet.
Noch grössere Schwierigkeit bieten §. 7. b die Worte: xrjg
inmootfiag ocpqxtoxovg xal tjuäpxag d&£xovg. Dass noch von der
nördlichen Halle die Rede, kann einem Zweifel nicht unterliegen;
beide Accusative xop ßcouop und o<pyxi'oxovg hängen von Ip xfj tiqo-
axäau ab, und Stuart hat sehr unrecht, hier schon an das Pandro-
siou zu denken, von dem erst das Folgende wieder gilt. Die Auf-
seher gehen von den tieferen Theilen zu den oberen und der Be-
dachung beider Hallen. Die Decke oder Bedachung, inwooyicc, ist
in Arbeit genommen; die oytjyJoxot und i/uäpxsg sind aber noch nicht
eingesetzt, und diese Worte entbehren aller näheren Beziehung.
Klar ist an sich, dass es Theile der Decke sind; denn wollte man
sie auf die Znhnleisten und die mit ionischem Schmuck verzierten
120
Riemen darüber deuten, so gehörten sie nicht zur inwQOfpfa, sondern
zum Mauer- oder Säulengebälk. Nun sind a<pyxiozoi, aus otprjxsg stam-
mend, Wespen, und zwar wie oßeXCoxoi aus oßeAot mit dem Begriffe der
Grösse, und es unterliegt keinem Anstand, die Gip^yJoxovg von gros-
sen Gebälkstückeu zu verstehen, die gegen das Ende zum Behuf
des Einsetzens verzapft und dadurch dem Schnitttheile des Körpers
jener lmecten ähnlich waren. Das wären denn die Querbalken,
d. i. die einzelnen in Balkenform geschnittenen Steinblöcke, welche
zwischen den Langbalken eingesetzt wurden, sich demnach mit
ihnen kreuzten und die Verkrippuugen , ^arvcöfiarcc bildeten; die
Langbalken wären dann die ifiävrsg, da sie als breite Riemen
sich ununterbrochen durch jene ayqxi'Gxovg hinziehen. In der süd-
lichen Halle (rrj n^oataaei rtj nyog zip KsxQonho) waren noch die
Dachsteine über den Jungfrauen auszuarbeiten, welche schon oben
waren (insQydoaGd-cii avw&sv); und ebenso die Muscheln {x&X%m$t
d. i. die ionischen Eier über den Architraven.
Was Böckh unter der Ueberschrift „Pars posterior" von §. 9
an zusammenstellt, braucht hier nur kurz bezeichnet zu werden, da
er nur die schon ermittelten Abtheilungen des Gebäudes weiter be-
schreibt und keine neuen zur Kenntniss bringt. Es wird §.9, 10
aufgezählt, was sie als ganz fertige oder halbfertige Werkstücke
am Boden fanden. Dann §.11 die Beschaffenheit der Krönung
iysiaa) des Gebäudes, was daran fertig oder an ihr noch zu thun
war, berichtet, wobei der Stoa Erwähnung geschieht. Da die bei-
den Säulenhallen gegen Nord und Süd immer als jiQooraostg be-
zeichnet werden, so scheint sie nicht mit Böckh auf die nördliche
zu beziehen, sondern es ist wohl die t^dorv^og gtoc'i als Hauptein-
gang zum Tempel von Osten her gemeint. Dann geht die Auf-
zeichnung zu deu Giebeln, wie 1. die ahriccioi xwv ano rijs oroc.g
zeigen, die Giebelsteiue, die von der Stoa aus sich erheben, wor-
auf §.12 die Thiirsteine (IUI &vqki UQ-ivai) folgen, die Böckh mit
121
vollem Hecht auf die östliche Tliür des Haupfeinganges bezieht, da
unmittelbar darauf der Ohr- oder Kragstein {nciQwxig) unter der
Benennung ovs erwähnt wird, welcher 8 Fuss und eine Handfläche
{naXaGr/ri d. i. \ Fuss) hoch ist, die beiden Ouersteine 2| Fuss in
die Breite, mit der Bemerkung, dass auf die Joche {ig rcc £i>/«) d. i.
zur Krönung des oberen Pfosten die schwarzen Steine , also die
eleusinischen, noch einzusetzen waren. Auch an dem Altar des
&vtjx6s fehlen mehrere Stücke, nach deren Nennung die Inschrift
abbricht, die uns demnach die Haupttheile des Gebäudes gegen
Osten mit der Stoa, die nördliche Halle mit dem tfi'/p««, die süd-
liche als IIcivSooGtov oder als die der Jungfrauen gelehrt oder be-
stätigt, in der Quermauer mit den Fenstern und Halbsäulen aber,
oder vielmehr in ihrem untern Bau das Kekropion neben dem Pan-
drosion, und das Adyton mit der Bildsäule neben der nördlichen
Halle, und ausserdem in dieser den Altar für die Spendungen zur
Kenntniss gebracht hat.
VI.
Die später gefundenen Inschriften.
Wie die erste Inschrift für die Beschaffenheit des Tempels bei
der Wiederaufnahme des Baues unter dem Archon Diokles und für
Kunde seiner einzelnen Theile , so sind die später gefundenen
für die Werkführung von Wichtigkeit, und sollen vorzüglich unter
diesem Gesichtspuncte betrachtet werden. Da sie in Deutsch-
land wenig bekannt sind , geben wir aus der Ephemeris auf
Taf. III ein Facsimile der Abbildung, und lassen in der Beilage den
in gewöhnlicher Orthograghie übergeschriebenen Text mit Ergänzun-
gen von Herrn Rhisos folgen. — Das Kekropion und die kekropischen
Mauern ( . . EKOÜION . . . EKP011JKJ n. 56 B. Z. 19, 20),
die Säulenstellung gegen Morgen (n. 57 A. Z. 36.), die grosse
Halle, die auch hier als nQÖorriüig mit Säulen auftritt (n. 56 A. Z.
Abhandlung der I. Cl. d. k. Ak der Wi;>s. V. Bd. III. Ablh. 16
122
15) und das Anlötben der Reliefe (n. 57 B. Z. 38), das aof eleusi-
uiscbem Stein geschah, von dem auf der Burg allein das Erech-
theum Spuren und Ueberreste zeigt, nicht weniger der Umstaud,
dass der Bau ein ionischer war, wie die häufige Erwähnung der
Muscheln oder ionischen Eier und die der Säulenaugen (n. 57
A. Z., 43) welches die inneru Puncte der ionischen Convolute sind,
beweisen, dass auch sie vom Bau des Erechtheums handeln.
Die Zeit dieser zweiten Werkführung ist nicht angegeben,
da die Einleitung der Inschrift fehlt; doch zeigt der Abbruch der
Baugerüste, dessen sie gedenkt (n. 62 a. I. 14 ixqiw/ucctcc xa&sXovai
rcc äno xiov xiövwv wöv Iv ttj TiQOGräoti), dass es wenigstens an den
Theilen, wo diese stunden, also in der nördlichen Halle, der Haupt-
sache nach vollendet war, während in der ersten Inschrift die Ar-
beiten nur bis zum Dache sich erstreckten, und auch an den Mau-
ern, Thüren und Säulen Vieles noch abging. Dagegen werden an-
dere Gerüste für die enkaustischen Maler errichtet das. Z. 21:
ixQuÖGaoi rotg iyzavraig rov {ßv^tös vno ztjv ooocprjv, also für die
inneren, enkaustisch zu bemalenden Verzierungen, zum Zeichen, dass
der Bau abgeschlossen war. Hr. Rhisos sucht das Jahr der Inschrift
aus dem Umstände zu ermitteln, dass unter den Schatzmeistern
der Göttin {ra/nimg rijg &sov) Aresaichmos aus Argylä ^Aorjacciyjiov
'AQyqAv&w) wiederholt (n. 57 A. Z. 28 das. B. Z. 25.) genannt wird.
Nun kommt, wie Hr. Rhisos bemerkt, in einer andern Inschrift (n. 96)
ein Schatzmeister der Göttin aus Argylä unter Ol. 92, 2 vor, des-
sen Namen zwar verloren, der aber Aresaichmos um so eher sein
kann, als unter den durch eine lange Reihe von Inschriften über die
Schätze des Partheuon in ziemlich grosser Anzahl vorkommenden
rcc/ntaig trjg &sov jener Jahre kein anderer aus diesem Orte genannt
wird. Die Inschrift fällt dann Ol. 93, 2, in das dritte Jahr nach der
ersten (unter Diokles Ol. 92, 4) und zeigt, wieweit der Bau bei nicht
übermässigem Aufwand in nicht vollen drei Jahren fortgeführt war.
123
Es sind von ihr zwei grössere Stücke n. 56 und 67 und einige
kleinere n. 68 ff. erhalten.
Offenbar aber ist es, abgerechnet den Wechsel der Personen,
dieselbe Behörde, welche wir kennen, die hier für ihr Jahr Rech-
nung ablegt, die drei Inioxarai tov vsw rov iv noXu, iv iu rb dq^alov
ccyaAjucc iari, mit dem Unterschreiber (vnoyQccjuuaTsvg) Pyrgion, den
die Inschrift unter zwei Prytanieen nennt (n. 56 A.Z. 56, n. 57 B. Z. 8).
Die Behörde war übrigens nicht nur für den Bau, sondern für die
ganze Verwaltung des Heiligthums eingesetzt, und unterscheidet da-
rum den Aufwand für das Haus {icayüXcuov avaXwjuarog <hköv) von
den Bedürfnissen für den Cultus; doch sind diese gering: es wer-
den für Opfer am Monatsanfang fcV# xal via slg S-voiav rfj 'Afriyvctifi
(n. 57 B. Z. 29) nur 4 Drachmen, 3 Obolen aufgeführt. Es war wahr-
scheinlich ein Opfer, das die Behörde als solche der Göttin darzu-
bringen hatte. Die Summe für ein öffentliches (sig tsQa . . . unöv
drju . . . .) hat sich nicht erhalten. Die Rechnungsablage geschieht
nach den zehn Prytanieen, welche durchschnittlich je auf 36 Tage
im Senate und der Versammlung nacheinander die Regierung leite-
ten. Am Anfange jeder Prytanie empfangen sie den für die Periode
berechneten Bedarf als Vorschuss (Ärj/uftct, Ztjuuata) von dem Schatz-
meister der Göttin (n. 56 A Z. 60, u. 57 A. Z. 25: int tijg Jlctv-
diovidog oydorjg nQVTavsvovatjg^uiinr et tkxqcc ra/utäiv rt]g &soii), be-
stritten davon die einzelnen Posten {ccvahatuurci), welche ohne wei-
tere Ordnung und offenbar in der Folge, wie sie zahlbar werden,
auftreten, und ziehen am Ende die Abgleichung von Zfj/uuci und
ävaXoi^xa (u. 57 A. Z. 22: Atj/u/uoc . .. ccvccXw/acc rb civrö). Man sieht also
dass hier nach Voranschlägen verfahren, und die Arbeit genau nach
ihnen bemessen wurde. Doch kommt auch eine Nachzahlung (n. 56
A.Z. 51) aus der vorhergehenden Prytanie vor, zum Zeichen, dass
Ueberschreitung des Voranschlags iu einzelnen Fällen nicht eben
versagt war.
16*
124
Bei der Berechnung werden die Ausgaben für Lohn als ävÜAco/ua
von der für Ankauf von Materialien zürn Geschäfte der Commis-
sion und zum Bau (witqua) getrennt (n. 57 A. Z. 13), und sind die
einzelneu Posten aufgezählt. Oefter werden die Arten des Auf-
wandes avaätojua tsxtovixÖv, Xtdovqyizöv für Holz- und Steinarbei-
ten, erst im allgemeinen genannt, und dann nach Rubriken für ein-
zelne Gewerke und Künstler geschieden, ebenso der Lohn (uio&6g)
für Baumeister und Unterschreiber aufgeführt, und die Summe (xt-
ipe'i?>cuov) jeder Rubrik gezogen. Selbst wo nur Eine Rubrik war, wird
das nicht vergessen (in. 57. Z. 33.) Kehrt die Hauptabtheilung selbst
wieder, so wird am Schlüsse die Hauptsumme berechnet (ovunaisTog
livaXwfxcaos y.^ft'.Xaiov n. 56 A. Z. 56), und die Genauigkeit der
Rechnung steigt noch dadurch, das beinahe durchgehends jeder Em-
pfänger einzeln mit seinem Namen und mit seinem Demos oder Wohn-
ort manchmal auch mit seines Vaters Namen aufgeführt wird.
Auch über das Formale der Rechnungsstellung werden wir be-
lehrt. Es wird der Kanf der Steinplatten {occviötg n. 57 B, Z. 33 :
öavi'dsg TtGGccQzg zu 4 Drachmen) berechnet, auf denen die Rechnung
einzugraben ist, und das Papier, auf welches die Abschrift kommt
(das. Z. 31 : xc'iqtcu itovij&rjGav dvo, sig ag rci avTiyQCKfa ivsyQ('iif>c<u8^,
zu 2 Drachmen, 4 Obolen ; jene wohl zum Behuf öffentlicher Aus-
stellung und als Grundlage der Rechenschaft (sv&vviß, welche Vor-
steher und Schatzmeister am Schlüsse ihrer Amtsführung dem Volke
schuldeten, diese zur Niederlegung im öffentlichen Archive, welches
auch die Abschriften sämmtlicher yqyiouaTc: enthielt und späteren
Historiographen in ihnen die sichersten Urkunden lieferte. Die Originale
blieben als ein Steinarchiv auf der Burg zurück, unter deren Trüm-
mern so viele, theils ganz, theils zerbrochen, auch über Verwaltung
des grossen Schatzes im Parthenon gefunden wurden.
Da, wo eine grössere Arbeit verdungen wird, kommt neben
den Arbeitern der piG&wrqg und iyyvt]T^g, der Unternehmer und
125
der Bürge vor (bei der Eukausis des xv/udrioy: /uio&ioTijg J . . . .
ooSwqoq iv MsAtrtj ot . . . yvtjttjg 'HQaxZstdtjg n. 36 A. Z. 46. Vgl.
n. 37 B. Z. 17. bei einem Vertrag über 103 Foss enkaustischer Ar-
beit). Jener dingt und bezahlt dann die Arbeiter (&Qyofa'ißovg), wie
es scheint, aus dem Vorscbuss (Ar/u/ua), und dieser haftet für die
Sicherheit des zu Leistenden und hier namentlich des Vorgeschos-
senen. Dasselbe Verfahren besteht noch jetzo bei Pachtverträgen
im Orient und in Griechenland, wo z. B. der Bürge des Zehntpäch-
ters, meist ein reicher Capitalist, Kaufherr oder Wechsler, für die
Einhaltung des Vertrages des /MaSwrijg haftet, und dafür nach dem
Betrage seiner Haftung vom Unternehmer entschädigt wird. Da für
den Unternehmer keine besondere Vergütung aufgeführt wird, so folgt,
dass die von ihm gedungenen Arbeiter ihm einem Theil ihres Lohnes
zu entrichten hatten , wie Aehnliches noch jetzo die Gesellen des
Zimmer- und Maurerhandwerks an den Meister zu leisten haben,
der ihnen die Arbeit verschafft und sie auf seine Rechnung führt.
Die Einkünfte für den Bau beschränken sich auf zwei Rubriken,
auf Gold und Blei. Die Berechnung des Lohnes umfasst alle Zweige
der Bauthätigkeit. — Neben dem Aufwand für die Arbeiter (tti/df.wjua)
und dem Lohn (/uiG&ög) für Architekten und Unterschreiber stehen
Einkäufe {ßp^fmzqc) für, dien Bau, welche sich jedoch ausser dem er-
wähnten Aufwand für Platten und Papyrus, nur auf Gold für Aus-
schmückung der Mauerdecken und Säulenaugen , und auf Blei zur
Aulötliuug der Reliefe erstrecken.
Ueber den Betrag der Löhne gibt die Inschrift sehr erwünschten
und mannigfachen Aufschi uss. Sie sind durchweg sehr massig,
selbst für den Architekten, der allerdings nur noch die Aufsicht
über die Bauführung zu besorgen hat. Die Pläne und Risse, Maasse
uud Berechnungen der einzelnen Theile sind offenbar aus früheren
Jahren vorhanden, und wurden nach den hier hervortretenden Ana-
logien besonders vergütet. Gegenwärtig empfängt er für die Dauer
(26
der Prytanie von 36 Tagen nicht mehr als 36 Drachmen, also eine
Drachme den Tag, der Unterschreiber nur 6 Drachmen weniger
(n. 57 B. Z. 8; mg&o£ uq%iT&.rovi 'Aq/iXo/oj 'Joyvty&w AäAUt
vnoyQci/ujuarM Xlvqylwvi 'Oxqvvu AAA), so dass auf den Tag 5
Oboli treffen. Dauert die Prytanie 37 Tage, so wird der Taglohn
nach diesem Betrage ausgeschlagen (n. 56 A. Z. 35, wo Z. 28
die Summe {r.apctlcnov juig&ov) für ihn mit 67 Dr. 5. Ob. gezogen
wird). Zur weiteren Erläuterung dieser scheinbar geringfügigen Be-
zahlung des Architeckten dient, dass auch der Gesandte der Re-
publik mit nur 2 Dr. Tagegeld bei Aristoph. Acharn. eingeführt
wird, und die 10 Gesandten an Philippus auf 3 Monate 1000
Drachmen, also jeder 100 Dr. auf 120 Tage, d. i. täglich 5 Obolen
— so viel wie hier der Unterschreibe!- —empfingen; (Demosth. tisq}
naqanqsoß. S. 390 Z. 20 Reiske), und der Redner bemerkt, von
keinem andern Staate würden sie so viel bekommen haben.
Für die Baugewerke ist der Lohn von verschiedenem Belang,
der offenbar nach Schwierigkeit und Feinheit derselben bemessen
wird. Eine Drachme scheint der durchschnittliche Lohn auch für
den Handwerker da, wo er nach Tagen bezahlt wird, wie für die
Säger oder Schreiner (tioiötcu), wo dann Phaidios aus Kollvtos mit
seinem Gehülfen (ovvsoyog), der, weil er nicht genannt wird, wohl
sein Lehrling oder Knecht ist, erst auf sechzehn Tage mit 32 Drach-
men, dann auf 7 Tage mit 14 Drachmen aufgeführt wird, n. 56: A.
Z. 29: noCGTcug. Dagegen nur 5 Obolen dem Zimmerer für den Tag,
(n. 56 B. zu Anfang) und wieder vier Drachmen für diejenigen
welche das Dach aufrichten, die Gerüste abbrechen, und die Last-
träger beim Bau (n. 56 A. Z. 20), doch ohne Bestimmung der Ar-
beitszeit, für welche die Zahlung geschieht. Andere Arbeiten wer-
den nach demMaasse bezahlt, wie den Enkausteu 5 Obolen für den
Schuh (n. 56j ! B. Z. 45), oder nach Stücken: dem, der das y.vuäxiov
anlöthet (n. 56 B. Z. 18) für jede Oeffuung {onulov) 2 Drachmen,
127
zwölf Drachmen für sechs Oeffnungen, wovon nachher. So die Ca-
nelirung der Säulen; doch ist der Befrag för die einzelnen, über
welche die Rechnung reicht, ein verschiedener ond wird unter die
einzelnen Arbeiter vertheilt , von denen bei der zuerst genannten
der erste 19, die vier andern je einer 18 erhalten; die nächsten
100 Dr. wurden unter 5 Arbeiter je zu 20 Dr. vertheilt, ähnliche
Summen für die daranstossenden Theile (twv i%o[i£vwv igijg): von
denen nachher die Rede seyn wird. Dessgleichen für die Glättung
von zwei Wandpfeilern (doSooTUTai) an einen Arbeiter 36 Drachmen
(n. 57 A. Z. 62].
Erheblich sind die Befrage für die Ausführung der in dem
Fries zur Anheftung an den eleusinischen Stein bestimmten Relief-
figuren, welche einzeln verdungen werden (n. 57 A. zu Anfg.) 100
Drachmen für den Mann mit der Lanze, 60 Drachmen an Phyromo-
chos von Kephissia für den Jüngling neben dem Panzer (tiuqu tov
frwoaxa), 120 Dr. an Praxias aus Melita für das Pferd und das,
was von hinten gesehen wird und ausschlägt. (TONH . . . . N.
xcd tov omodoipavrj, x . . . . qovovtcc). Die Inschrift fährt fort:
Antiphanes (ix Ksqcc^ojv) den Wagen, den Jüngling und die ein-
gespannten zwei Pferde 240 Dr., Phyrouiachos aus Kephissia den,
der das Pferd führt, 60 Dr. Mannion aus Argyle das Pferd und
den Mann, der es treibt (tov imxQovovra), und die Stela hat er
später beigefügt, 127 Dr. Soklos aus Alopeke den, der den Zügel
hält, 55 Dr., Phyromachos aus Kephissia den Mann, der sich auf
den Stab biegt (tov im xijg ßaxTijQtag tOT^xöra), den neben dem
Altare 60 Dr., Jasos (KoMvtivq} die Frau, der das Mägdlein sich
anschmiegt, (Ttjv yvvcuxa , fi fj nalg noogniriTioxs n. 20) 80 Dr., so
dass hier eine ganze Reihe von Sculpturen auftritt. Die Reste der
Arbeit, welche sich unter den Trümmern vorgefunden haben, und
die Hr. Rhisos uuter N. 61 bis 85 aufführt, zeigen grossartigen
Styl und ausnehmende Zartheit der Arbeit, unter ihnen mehrere
128
Torsos von Männern und Jünglingen, auch andere von Frauen, zum
Theil sitzend, eine (n. 72), die einen nackten Knaben auf dem
Schoose hält, auch die, an welche das Mägdlein sich schmiegt,
das Werk des "laoog KoZZvrevg {rr\v yvvuTxa, fi ij ncdg TXQogntmwxs
n. 57 A. Z. 20), n. 71, beide Figuren bis auf Kopf und Hals er-
haben. Von jenen Meistern ist durch andere Meldungen zunächst
Phyromachus mit Ruhm bekannt. Er bildete Alcibiades auf einer
Quadrige, und war unter den Künstlern, welche für Attalus und Eu-
menes die Schlachten gegen die Gallier darstellten Pliu. h. N.
XXXIV. c. 8, S. 19. Seine Heimath wird durch unsre Inschrift
bekannt, und sein Zeitalter durch eben dieselbe bestätiget. Auch
Pruxias wird mit Ruhm genannt als Urheber der Marmorwerke im
Giebel des Apollo-Tempels zu Delphi, und als Schüler des Kniamis,
(Paus. S. X, 19. 3J, dessen Zeitalter dadurch eine nähere Bestim-
mung erhält, dass sein Schüler gegen das Ende des peloponnesischeu
Krieges in rühmlicher Tbätigkeit erscheint. Des Mammion, Soklos
und Jasos geschieht nur in unserer Inschrift Erwähnung. Modelle
von Wachsbildnern (ytjQon^ckjrag) werden zwei erwähnt, eines zu
den Muscheln {xe/J.xc.i) oder dem ionischen Eierstabe (n. 57 B zu
Anfg. . . AEIFM ... A d. i. nctQiidslyuctTci nXctrxovöi twv yal.y.üjv
eig rci y.uXvfjixertcc), welche mit 8 Dr., und daselbst eines für den
Akanthusschmuck (tTSQOv ixaQccSsiyfia nkinoaai rijp uxav&ov sig rcc
xaZvjA'/uciToc), ebenfalls 8 Dr. zusammen {y.ztfäXcaov xrjQOTxXäoTaig
AJiy). Die yaZvjUjuaTa sind die Deckel der Casetten in der Decke;
die Muschel und der Akanthus beziehen sich auf die Gliederung
des Gebälks , dessen gevierte Oeffhung sie zu schliessen be-
stimmt sind.
Nimmt mau dazu die Tbätigkeit der Vergolder (xQva'Z<>01)-
deren Bezahlung ausgefallen ist, aber denen die Goldblätter zum
Vergolden der Muscheln (168 Blätter, das Blatt zu 1 Dr.) bezahlt
wurden (u. 57 B. 37: xqvgöv lojvrj&ri dg rag %dXxag nixcila 77FL4F1P
129
tQaxurjs hiaorov rö nstaXov), und Z. 41 zwei Blätter zu 2 Dr. zum
Vergolden der Säulenaugen {ig za> otpfrahiuo rov yJovog), endlich
der inneren Ringe der ionischen Convolnte, und den Ankauf von
Blei für die Befestigung der Figuren am Friese, von eleusinischeui
Steine {dg nQogfrtoii/ Uodtwv'), von dem 2 Pfund zu 5 Dr. verrech-
net werden (n. 57 B. Z. 38), so hat man einen in das Einzelne
gehenden Einblick in die ganze Gewerbthätigkeit, die sich bei dem
seiner Vollendung entgegeneilenden Prachtgebäude entfaltet und das
Ganze zu einer harmonischen Einheit bringt, während gleichwohl
die Theilung der Arbeit nach ihrer architectonischen , plastischen
und ornamentalen Richtung bis in das Einzelne durchgeführt war.
Die Werkstücke, dieTrommelu der Säulen, die Basen, die Capi-
telle und das Gebälk sind vorhanden und nach den Maassen des
Risses durch die Steinhauer hergestellt, auch grossentheils an Ort
und Stelle. Die Arbeit ist an die Bedachung vorgerückt, die Can-
nelirung {qüßdwoig) der Säulen, die Abglättung der Wandpfeiler
{naQuoiärat), die Ausstattung des Frieses mit Reliefen, die Aus-
schmückung der architectonischen Glieder des y.vfxdriop und der
Muscheln mit enkaustischer Malerei, und die Vergoldung einzelner
Theile, der Muscheln, der Säulenaugen werden vorgenommen, die
Bangerüste werdeu von den äusseren Theilen abgebrochen, aber an-
dere den Malern im Inneren erbaut (n. 56 A zu Anfg).
Vergleicht man aber die hier auftretenden Kunstarbeiter, es
ist der t£xt(jdv, jiQiorqg, fafrovQfög, iyzavtrig, %QvGox6og, Kr\qonXaGXi]g
sammt denen, welche die Canelirung der Säulen {gaßdiootg nov
r.i6viov\ die Verfertigung der Muscheln {xäXyat) , und bei einzelnen
Theilen die Löthung oder Kittung {TisowöklrjGig) besorgen, mit dem
plutarchischen Kataloge der Arbeiter und Künstler, welche Perikles
durch seine grossen Bauunternehmnngeu in Nahrung setzte ( vit.
Abhandlungen der I. Cl. d k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Ablh. 17
130
Pericl. c. 12: zixxovhg, n?.äorai , xctXxozvxoi , Ai&ovQyot, ßctifttg,
XQVGov jua^axztJQtg, sÄfyavzog ZwyQccyoi, txoixiXzcJ, toqsvzcci), so leh-
ren die Inschriften, dass jene Thätigkeit auch nach ihm noch fort-
ging. Zwar fehlen hier die xttto.oxvnöi , ßacpüg, noixü.zaC, zoQtvzai, da
es sich hier nicht von getriebenem Erze, von Färberei, von einge-
legter Arbeit der -noixiXrcii , noch der Toreutik handelte; dagegen
sind erwiesen z^xzovtg, txXuotcu, fa&ovQyoi, und selbst yQVGoyöoi und
L,ioyQcc(poi (wenn die iyxavzcn als Maler gelten sollen) lassen sich
im Plutarch aus den offenbar verdorbenen und falschverbnndenen
Worten xqvgov /nctXccxzfjQsg, IXtyctvzog twyoc'ufoi herstellen. Was näm-
lich die xqvgov juaAaxzjJQtg, die iXtyuvzog 'Cojyäcfoi sind, hat Niemand
gelehrt und kann Niemand lehren. Denn das Gold wird nicht er-
weicht {/LtaActoGSTcu), sondern getrieben oder geschmolzen; das El-
fenbein wird nicht gemalt, sondern bleibt in seinen Hanpttheilen in
der natürlichen Farbe. Gleichwohl hat selbst Schäfer noch die
Unordnung im Text gelassen, Hase wenigstens ilkipavzog noixiXzni
umgesetzt, wodurch die Maler, C,wyQ('>.ipoi, aus der angehörigen Ver-
knüpfung abgelöst und selbstständig werden; doch auch das reicht
nicht hin und Facius schrieb mit vollem Recht: xQVG0X00/j uctM'.xzrjQhg
tteipavzog, 'CojyQCi(foi. Wir bekommen dadurch die xQVG0X00V^ unse-
rer Inschrift als in den pericleischen Bauten beschäftigt, und was
die juaÄcxzrJQtg £A,£<pctvzog seyen, ist, da die Alten das Elfenbein
zu erweichen und dehnbar zu macheu wussten, ebenfalls leicht zu
verstehen.
Wie hoch die ganze Summe sich belief, welche während des
Jahres, von dem die Inschrift handelt, auf die Führung des Baues
gewendet wurde, lässt sich ans diesen Bruchstücken der Baurech-
nung zwar nicht mit Bestimmtheit angeben ; die Vorsteher kauften
4 Steinplatten zur Aufzeichnung ihrer Rechnungen. Deren sind nur
zwei, und auch diese in fragmentarischem Zustande, zu uns gelangt.
Doch haben sich in ihnen die Hauptsummen von zwei Prytanieeu
131
erhalten; von der Einen (n. 57 A. Z. 21), deren Name fehlt, ein
Rechnungsschluss in der Abgleiehung des Aqu/ua und dvaAco/ua mit
3302 Dr., von der andern, welche der frühem, (das. Z. 25) als die
achte, die Pandionis, unmittelbar folgt, Z. 29 der Vorschuss mit
1239 Dr. 1 Obo!. Nach Berechnungen der Zahlungen für Caneli-
rungei), Sculpturen, und der Arbeit auf der andern Colonne dersel-
ben Platte kommt Z. 22 der Schluss der Prytanie, und von dem Ein-
tritt der Aegeis dieselbe Summe, als Arj/uua und avaXoi^a, abgegli-
chen ; aber von dem Afj^ua dieser Aegeis hat sich nur ein Bruch-
theil der Zahl ////// erhalten. Nimmt man nun von beiden Zahlen
3302 und 1239 die Summe von 2200 als die durchschnittliche an,
so beträgt für die zehn Prytauieen, d. i. das ganze Jahr, der Auf-
wand 22,000 Drachmen, welche durch die Massigkeit der Preise
und Löhne und durch die Sorgfalt der Verwaltung für einen so
viel umfassenden Zweck als hinreichend erscheinen und zum Be-
weise dienen, dass die Athenäer auch in den Bedrängnissen eines
unglücklichen Krieges, so wie sie nur einiger Massen frei aufath-
meren, Mittel fanden, die rühmlich begonnenen Werke der Akropolis,
den Glanz und Stolz ihrer Stadt, der Vollendung entgegen zu
führen.
Wie viel an dem Gebäude nach dieser Arbeit noch zu thun übrig
war, lässt sich zum Theil aus den Inschriften entnehmen. AmKekro-
pion und der kekropischen Mauer, von denen die ältere Inschrift
begann, wurde noch gearbeitet (n. 56 B. Z. 21 . . . sxQÖmov . . . .
KsxQOTuxä), wie die fragmentirte Erwähnung jener Theile zeigt;
aber man sieht nicht was, und wie viel. Wahrscheinlich wurden
sie vollendet, wie die daranstossende Querhalle wohl vollendet
war und das Pandrosion, da ihrer keine Erwähnung geschieht. Be-
züglich der nördlichen Halle wird die Glättung der Wandpfeiler
neben dem Altare des d-vrjyög erwähnt (n. 57 B. T02 OPQOZ . . .
A2 K.ATAX . . . NT! d. i. tovg ÖQ&oordrag xara^ijvavri, dann rat
17*
132
nctQa rov . . . rj%ov fiwjuov). Ebenso bezieht sich der oben erwähnte
Abbruch des Gerüstes hieher (n. 56 A. 15: ixQiwjuartc y.icfrü.ovai
tcc ccjto rwv y.iövvov xmv iv rjj jiQooraoti) , zum Zeichen, dass hier
die Canelirung, und was damit zusammenhing, vollendet war. Im
Innern aber war die Decke gelegt, und wurden den enkaustischen
Malern für die Arbeit an ihr die Gerüste gemacht (das. Z. 21:
ixQUÖGKGi nng iyxetvrcug ix rov ivrög vno ri]v OQCHpijv').
Aul' die Cella des Haupttempeis und seiner Vorhalle scheint
sicli die Hauptarbeit zu beziehen. Der Fries aus eleusinischem
Steine war über ihr schon unter Archon Diokles aufgestellt. Jetzo
wird die Ausarbeitung der marmornen Figuren belichtet, welche zu
seinem Schmucke bestimmt waren , der Kauf des Bleies ( n. 67
B. Z. 38) zu ihrer Anlöthung. Ob die Enkausis des Kymation,
welche n. 57 B. Z. 13 gemeldet wird, und dem Enkauten für 113
Fuss Länge, den Fuss zu 5 Oboleu, bezahlt wurde, sich auf die
Bemalung dieses Cellafrieses erstreckt, wie Hr. Rhisos annimmt, ist
zweifelhaft, obgleich nach seiner Messung die innere Länge der
südlichen und der nördlichen Cellamauer, diese bis zur westlichen
Quermaner gerechnet, das berechnete Maass gibt. Denn die An-
gabe, dass die Zahlung für das Kymation an einem Epistyliou
(lyzriovTi to xv^ichiov rö im n« imorv/ucp rw ivrög) geschah,
könnte nur mit grosser Freiheit auf die Wand gedeutet werden,
die kein imoxvAiov hat, und xo xvßjf.ilov xo im xw imoxvÄün ist
wohl die steigende Welle über dem Architraven, welche diesen vom
Fries trennt, und das Kymation über dem innern Architraven, rl. i.
über der nach innen gerichteten Seite desselben, bezieht sich dann
auf die von diesem Glied um die nördliche Vorhalle und im innern
Pronaos eingenommene Fläche, zumal der Bau der Gerüste für den
Enkauten in jener für das Innere besonders erwähnt wird. Doch
zeigt der sehr fragmentirte Schluss der Inschrift n. 56 B, wo Be-
zahlung von 5 Männern je mit einer Drachme bemerkt wird und
133
Z. 30 weiter folgt: PIA KAQEAOY . . 2IN AUO TO T.. . 0 . .
A4*0NTAZ . . . d. i. ixqik y.cc&sXovOi and rov tsi/ovs rov ccip cov
(viell. *V °v) ™ üipdtä; dass von der äusseren Mauer des Haupt-
baues, ebenso wie von der nördlichen Halle das Gerüst niederge-
legt wurde, hier also der Bau ebenfalls fertig war.
Umfassend sind die Arbeiten au der östlichen Halle oder dein
Pronaos, deren Berechnung einen grossen Theil der Inschrift it. 57
einnimmt, die aber an bedeutenden Schwierigkeiten leidet. Sie wer-
den rubrizirt für Qclß8tob*is der Säulen und rct i'/o^ieva in der Weise,
dass nach dem Abschnitt über die Canelirung von A und die Arbeiten
an ihr drei Abschnitte über die Bearbeitung der itf&fisvd Sgfjg fol-
gen (n. 57 A. Z. 34 — 60). Ebenso wird nach einem über die Ab-
glättung der Wandpfeüer in der nördlichen Halle eingeschobenen
Artikel bei der zweiten Säule B verfahren (das. B. Z. 63—85 wo
der Text im dritten Abschnitt der Ifyojüstfä abbricht), und nicht anders
bei der dritten C (das. Z. 47), welche der zweiten [unmittelbar folgt
Dann aber findet die vierte (D) nur einfache Erwähnung mit ihren
5 Arbeitern (u. 64 — 69), ohne dass der l%öf.bzva weiter gedacht
wird; denn es wird sogleich in langer Reihe die Bearbeitung der
Muscheln mit zehn Arbeitern angeschlossen. Dagegen beginnt das
dritte Fragment n. 58 mit Aufzählung rwv i.%o}.iHi>(.m> t^tje, dem
also der Bericht über die fünfte Säule (E) um so mehr vorange-
gangen seyn muss, weil sich mit einfacher Meldung, wie bei D, der
Bericht über eine sechste (F) daran schliesst. Dass wir damit die
6 Säulen des i£&tSTvXog gegen Osten oder die Vorhalle haben, ist
an sich klar, und wird durch die näheren Angaben bei ABC
{qaßdvDGig xwv y.iövwv iwv noog fco) noch des Weiteren bestätigt;
indess die Inschrift bezeichnet auch die Stellung der einzelnen
Säulen, und in diesem ist die Schwierigkeit. Als Miffelpimet, auf
den sie bezogen weiden, dient ein Altar der Diane (ßw/Liog rfjg
Aiü>v}]s\ der nur aus dieser Andeutung bekannt ist und zunächst
Beachtung fordert.
134
Ist hier die Atlantide oder die Okeanide dieses Namens ge-
meint? Diese ist allerdings von grösserem mythologischen Namen,
Tochter der Tethys und des Okeanos, und von Hesiod. Theog.
v. 320 als sQccTtj tu Anüvr\ unter ihren Schwestern und v. 16 neben
Aphrodite und Hebe als von den Musen gepriesene Göttin genannt:
" H{i\]v ts zovGööT£(pavov xafajv ts Akovyjv, sogar durch Zeus Mutter
der Aphrodite (Jl s. 370), die, von Diomedes verwundet, an ihrem
Busen Trost und Beruhigung findet. Vrgl. Apoll. Bibl. Myth. I. c. 3.
Zsvg . . ysvva tx Aiwvrjg dt A<p$>o§iTr\v. Aber ein Verhältniss dieser
Göttin zu den Göttern und Heroen, die im Erechtheum verehrt wur-
den, ist auf keine Weise zu ermitteln.
Die Atlantide dieses Namens ist als solche durch Hyginus be-
zeichnet, Tab. 83: Pelops , Tantali et Dionis, Atlantis filiae, filius
(Vrgl. Tab. 82), und erscheint, obwohl mit schwankender Orthogra-
phie, uuter des Atlas Töchtern als Hyade, wenigstens in Einer Mel-
dung. Die Hyaden nämlich werden in sehr verschiedener Zahl au-
gegeben, je nachdem man in ihrer Gruppe am Haupte des Stieres
mehr oder weniger einzelne Sterne unterschied und benannte. OaXfjg
fiiv ovv, sagt der gelehrte Schol zu Arat. Phaen. v. 172, dvo avTug
slnsv slvc.i, Ttjv /utv ßöosiov, %i)v dt votiov. EvQintdijg dt iv tco 4>as9-ü}vi
TQHg. ^A/euög dt d. lInniag dt (1. dt t) xcd 4>tQsxvdt]g ±. Die fünf,
welche nach der eben angegebenen, wohl sichern Veränderung Hip-
pias meldete, nennt Hesiodus, dessen Namen vielleicht in den des
Hippias verdorben ist, bei demselben Schol. 'Hoiodog Si (frjoi Ttspi
ctvivöv.
Ni>[.i(fai XaQiTEOOiv ouoiai,
4>cciGvXrj ijdt KoQiovlg t'vGTtyavog ts KXssta,
<Paiu> lixtgösGöa xcd EvdwQtj Tavvn,sn?»og,
"Ag cYädag xaXiovoiv ini %3-ovl tpv)? avd-Qwnoiv.
135
Die sieben des Pherekydes werden aus ihm von Hyginus an-
geführt, Astron. II., c. 22: Has autem Pherecydes Atheniensis Li-
beri nutrices esse deinonstrat, numero septem, eliam antea Nym-
phas Dodonidas appelatas. Hamm nomina sunt haec: Ambrosia, Eu-
dore, Phesyle (Phaesyle), Coronis, Polyxo, P/iaeo, Tliyene al. Tyene.
Die beiden Formen Quijur] oder Ti//V// haben weder bestimmte Ana-
logie noch irgend eine Gewähr; es liegt demnach ganz nahe, mit
den Herausgebern Dione {Jiwvrj mit der Paragoge, aus ö7a, die helle,
wie *Atqvtiqvi] aus ^Arovxri) zu schreiben.
Wie aber kommt die Atlantis Dione in Verbindung mit dem
Erechtheum? Die Analogie der kekropidischen Jungfrauen IIüvdooGog
und "Eogy zu anderen Vertreterinnen des Regens würde schon zur
Genossenschaft einladen. Es kommt dazu die uralte Sage von den
Atlantiden und ihrem Kampfe mit den Athenäern, welche auf den
panathenäischen Peplos der Pallas gestickt (Schol. Plat. Rnhnk.
S. 243 ) und nach O. Müllers sehr wahrscheinlicher Annahme auch
im vorderen Relief des Frieses am Theseon gebildet war (De Min.
Poliad. p. 6 not.). Noch bezeichnender aber ist die Erscheinung ei-
ner andern Atlantide, Mcdoa, in Städten mit dem altpelasgischen, dem
attischen entsprechenden Atheuecultus der Arcader: Atlantis filiarum
unam et Tegeatae et Mautineenses perhihebant Mcuqccv, Incem mican-
tem, uomen fabulosum civitatis prope Mantineam quoudam sitae cum
vicino foute Halcomenio. Vorwiegend ist dort der Cuhns der Pallas
" AX&a, der Hanptgöttin von Tegea. Auch sie war noXiäng daselbst
mit dem Gorgonenhaupte, und in Mantinea war ausser dem Tempel
derselben Göttin ein Poseidoniou, welches gleich dem Erechtheum
in seinem Innern eine d^ä'Aaaoa bar». 0. Müller a. a. 0.
lO"
Wie also in Arkadien eine Atlantide als Fruchtbarkeit vermit-
telnd zur Pflegerin des Ackerbaues neben Pallas 'AXia erscheint,
so dämmert uns in dem Altar der Dione vor dem Heiligthume der
130
Göttin eine ähnliche Beziehung entgegen, nach welcher auch hier
die Atlantide als Vermittlerin des lieblichen Glanzes der Saaten
dort Mctloa, die hellschinunernde, hier Jiwvtj, die lichthelle, mit der-
selben Göttin, nur mit der analogen Potenz der Pandrosos in Ver-
bindung tritt.
Indess kommt uns noch eine andere Meldung entgegen, welche
die Hyaden mit Erechtheus in unmittelbaren Zusammenhang bringt.
Die Hyaden nehmen die Siirne des Stieres ein (ral fijm Qtni navxl
jubjüjncp ravQov ßsß/t'arai. Arat. Phaen. 173), und dieser hat wohl
unbedingten Bezug auf den Ackerbau. Ihm aber zur Seite (das. 175
Xaiov ds y.eQaarog ay.rov zcd noda dt^irsQoy naQaxtiuivog 'Hvi6%oio Elg
äorrjs intyu) ist der Heniochos ebenfalls auf Feldbau und Viehzucht
bezüglich, cujus in humero sinistro Ca/jra, in manu autem duo hoedi
duabus stellis formati dicantur (Hygin. Poet. Astron. L. III. c. 22.)
Der Widder in der Nähe wird darum von dieser auf Akerbau be-
zügliche Genossenschaft des Heniochus und der Hyaden, des Stiers,
der Böcklein, der Ziege nicht abzuweisen, und der nahe Bootes so-
gar, der Treiber des Pflugochsen (ßowxla ist Ackerland), in sie auf-
zunehmen seyn. Der Aufgang dieser Sterne, d. i. ihr Erscheinen in
der Morgenröthe fällt in die herbstliche Zeit, wo mau für die im
Sommer ausgetrocknete Flur den Regen erwartet, um die Feldar-
beit beginnen zu können, und ihr Untergang in der Abendröthe bezeich-
net die regsamste Periode der Frühlingsarbeit für den Ackerbau.
Heniochos aber ist Erichthonios selbst, nach dem Sehol. Vindob. zu
genannter Stelle des Aratus (ed. Buhle, Tom. II. p. 411: o fjvioxog
iön 6 'EQi%&6t>iog, og aQ/ua teviai riQVJTOg Xiytrai), dazu Eratostheues
Cat. S. 5 über den Heniochos: jovxov Xiyovoiv, ort oZevg dds tiqw-
rov iv ccv&Qüjjioig aqfjca ±sv$t{t>Ta Xnnwv, d-avjuÜGc.g x. r. /. Ja nach
dem Schol., zu des Hesiodus Stelle ist Erechtheus selbst Vater
der Hyaden mit Bezug auf die achtbare Autorität des Euripides:
EvQMidrjg utv ovv iv Eoiy^H rag 'EQS%d-£a)g 0-vyarioag cYccdceg cprjüi
137
ysvio&cti TQsig ovvoag x. X. (f. Hier also kommen die Hyaden un-
mittelbar in Verkehr mit Erechtheus als seine Töchter. Sie stehen
zu ihm in demselben Verhältnisse, wie Pandrosos, Erse und Aglau-
ros zu Kekrops, welche als die Bringerinnen des Regens die Frucht-
barkeit der Aecker vermitteln, und erscheinen darum als nothwendige
Potenzen jenes alten Agrarcnltus, der im Erechtheum sein rätsel-
haftes Heiligthum bewahrt hatte, und ist Dione als eine der Hyaden
anzunehmen, so besteht über ihre Berechtigung zur Theilnahme an
dem Erechtheum kein Zweifel; da aber neben ihrem Altare noch zwei
audere Erwähnung finden, so waren diese wohl ihren Schwestern
bestimmt. Der Dione Altar nämlich dient nicht für sich allein zur
Bezeichnung der einzelnen Säulen, sondern unter Beiziehtmg ei-
nes zweiten und dritten neben ihm, die ohne Namen sind, weil
sie vielleicht noch nicht geweiht waren; ja es wäre gar nicht un-
möglich, es ist sogar wahrscheinlich, dass in den sechs Kanephoren
welche mit Körbchen auf dem Haupte unter dem Dache des Pandro-
sus stehen, die drei kekropidischen~uiid die drei erechtheischen Jung-
frauen gebildet sind, welche die Gaben der von ihnen vermittelten
Fruchtbarkeit des Feldes auf ihren Häuptern aus dem Heiligthume
der agrarischen Götter, ihrer Erzeuger hervortragen. Wurde doch die
Einführung der Kanephoren durch Ephorus in der Atthis {ßv dtvxsQcp
Ax&(dog) auf Erichthonius bezogen: 'Eqi%&ovlov ßaGiXtvopxog noiöxop
xax£Gxt]Gc(v (1. y.ctrtOTÜ&rjGctv) al iv a^tvö ixax i nccoS-£voi <p£qsiv xct
xctvä xij &£({), i(p" olg s'risxsito rä noog t)]i> d-vokiv roTg xs Tlava&r[Vctioig
xal Talg ctÄXccis nouneug. Harpocr. v. xc.vrnföqoi, Vergl. Suid. u. Phot. h.
h. v. Der Opfer aber, welche den Töchtern des Erechtheus gebracht
wurden, und welche auf die ihnen geweihten Altäre hindeuten, ge-
dachte derselbe Philochorus in dem genanten zweiten Buche nach Schol.
zu Sophocl. Oed. Col. p. 99 (frvGiwf . . . dotoutveov . . . Aiovvgw
rs xal ' ' EQ£%d-swg 9-vyuToaGi), wo die äiegengöttin und Dionysos in
einer sehr natürlichen Vereinbarung erscheinen. Die Bezeichnung der
einzelnen Säulen aber mit Bezug auf die Altäre ist: {A) Tbv xaxa
Abhandlungen der I. CI. d. k. AU. der Wiss. V. Bd. III. Abth. 18
138
top ßcouöp top tqvzop d n 6 tov ßcojuov ttjg JuÜPtjg. (Bj Top xaxü
rov ßtojuop top tiqos xov ßio/uov Tijg Jtioptjg. (C) Top naqä top ßw-
juöp top nötig tov ßojjuov Ttjg Juopqg. Die vierte Säule liegt nun von
ihm ab (D) 'Top tiqojtop xCoph an 6 tov ßw/uov tov T(ijg Jiwpqg).
Dann kam (E) , deren Erwähnung folgt als dtvreoog dno tov ßwuov,
an welche der Bericht nach Fragmente n. 58 die sechste (F) als
top toItop xtopci dno tov ßoj/uov Ttjg Aw')PY\g auschliesst; denn Hr.
Rhisos hat ganz Recht gethan, die fragmentirte Schrift Z. 36 ff.
T . . . . KIONA AHO TO BOMO T in dieser Art zu er-
gänzen.
Dagegen durfte der Altar der Dione von ihm nicht an eine der
Ecken der Halle gestellt werden, da mit Rücksicht auf ihn je drei Säu-
len zu und abgezählt werden; er stand demnach mitten vor dem t^do-
xvXog vor dem Intercolumnium der dritten und vierten Säule, und
so war auch die Annahme ferne zu haltet], dass die Zählung von
der nördlichen Ecke nach der südlichen, d. i. von der rechten zur
linken gehen könne, da bei solchem Fortschreiten und Umgehen
die Richtung immer, im Fall nicht besondere Umstände vorwalten,
omuinis caussa nach der Rechten geht. Die beiden anderen Al-
täre, von denen die Zählung zu ihm gelangt, standen demnach eben-
falls in dieser Richtung; der an der Südecke stehende hat also die
Stellung vor dem ersten, der andere vor dem zweiten Intercolumnium
eingenommen. Sofort wird n. 57 A. Z. 35 nach der oben erwähn-
ten Beziehung A (6 xard xö ßwuov top tqitop anp tov ßwuov r/Jj
Aiwprjg), die nach {zetrd) dem Altare hin steht, welcher von (dno)
dem der Dione aus (diesen mit eingerechnet) der dritte ist, die süd-
liche Ecksäule seyn , von der es rechts nach dem genannten Al-
tar geht. Dann B. das. Z. 64: 6 zard top ßw/uop top noog rov
ßwuov Ttjg Jiwpqg), die nach dem Altare hin, welcher neben (nooög)
dem Altare der Dione, d. i. ihm zunächst steht, die zweite in der
Richtung von Süd nach Nord. Dann C, das. B. Z. 46: 6 na od
139
xov ßtouov xov rrQog tov ßaoiwv rfjg Juövrjg, die vorbei au dem Al-
tare {naget tov ß.~), welcher neben (nyog) dem Altar der Dione steht,
die dritte dieser Richtung. Der eine Altar wird also zweimal
genannt, und die zwei mit Bezug auf ihn genannten Säulen, werden
nach der Richtung icnrd und nagd, zu ihm hin und an ihm vorbei,
unterschieden.
Es ist als eine Besonderheit zu bemerken, dass der Altar ne-
ben dem der Dione auf solche Art zur Bezeichnung der zweiten und
dritten Säulenstelle beigezogen wird, während nahe lag, die dritte
als xaxa xov ßio/uöv ti]q Aanviqg zu bezeichnen. Dagegen setzt sich
(das. B. Z. 63 ff.) die Bezeichnung der drei übrigen, D E F, wie
oben bemerkt wurde, ganz in der Ordnung durch 6 7iQwrog_, 6 dsv-
rsoog, ö TQirog y.iwv etno rov ßto/uov xi]g Auövijg fort. Auf der nörd-
lichen oder linken Seite standen demnach keine Altäre neben dem
der Dione, weil nur dieser zur Angabe der Entfernungen dient, und
es scheint, da man die drei, welche vorhanden waren, sämmtlich
auf die südliche Seite gestellt hatte, dass auch ffir die nördliche Halle
Altäre dafür bestimmt, diese aber noch nicht aufgestellt waren.
Was aber ist in tvHv t^o^ivaiv £$ijg enthalten, das nach Erwäh-
nung der Canelirung in drei Abschnitten mit drei Genossenschaften
von Arbeitern angeführt wird ? Hl*. Rhisos bezieht es ebenfalls auf
die Canelirung, so dass, nach Berechnung des Aufwandes für die
erste Arbeitergenossenschaft, noch drei andere von gleicher Ausdeh-
nung und mit ähnlichem Lohne folgen. Indess 5 Arbeiter, jeder mit
18 Tagen, einer mit 19 Tagen Arbeit, welche der Betrag der Löhne
zeigt, bedingen eine Arbeit von 91 Tagen, und in diesen wird die
Canelirung der Säule von einem geschickten Arbeiter wohl unfehl-
bar vollendet. Die drei anderen Innungen, z.B. bei A die erste mit
6 Arbeitern und 107 Dr. Lohn, die zweite mit 6 Arbeitern und 100
18*
110
Dr. Lohn, die dritte mit 6 Arbeitern und 75 Dr. Lohn, was 283 Dr.
Lohn und soviel Tage Arbeit ist, brächte dann offenbar ein Uebermaass
des Aufwandes an Zeit und Geld. Es bleibt demnach nichts übrig, als
Tiov lyouSvuiv nicht auf QccfidtoGswg zu beziehen, sondern neben Xi-
d-ovQyixov zu stellen, dem dann QcißdoDGig und xa lyöuhvu als Theile
untergeordnet sind. Die Structur ist dann z. B. n. 57 A. Z. 30 ff.: dva-
ÄCüjuara . . . Xi& ov oytx ov , Qttßd wGswg nov xioviov xwt> zioog Via
tiov xccrä toi> ß(Ofior nov tyo^iivoiv Ti%i\g, so dass Xi&ovoyixoij
Qccßdiookiog, lyo^iiviav in gleicher Weise von araAoj/uaza abhängen.
Die allgemeine Beziehung der i/o/Ltera kgrjg wird dann auf das Ue-
brige, was ausser und nach der Rhabdosis der Säulen noch vorzu-
nehmen war, also auf die Sänlenbasis und das Vapitell gehen, mit
deren Ausyltittiing, d. i. Ausführnnu in das Feine, die Säule in ihren
drei Theilen vollendet war.
Auffällend ist endlich die Erscheinung des Zimmerers (n. 56
B. z. Auf'g. xsxx £oju,evq) d. i. xixxovi xccfr rjjLiioav') in ei-
nem Gebäude, das nach der gewöhnlichen Annahme ganz von
Stein war, und da die daran sich schliessendeu Lohnbezüge S. 21
unter der Benennung xs<päXaiov rzxxoinxov summirt werden, so sind
sie sämmtlich als für Holzarbeit empfangen zu betrachten. Die Wör-
ter und Bruchstücke von Wörtern Z. 6 : . . - v/uuceoi nk .... qbg,
Z. 10 ff. ... iac'tiov .ini) . . . poff . . . ixag . . . nulcc 1$, Z. 17
oixoXfaJGar . . . uÖGa/ASv ö\<olv . . . . gxov top ona . . . vtxov IIHIII,
zeigen auf xaAvuuara , xviiäxiov, oncda, deren sechs genannt wer-
den, und auf tisqixoXXciv . ^Onctui , die in grösserer Zahl vorkommen,
sind wohl in den Decken zu suchen, und sind die an den sich kreu-
zenden Balken gebildeten offenen Quadrate der <paxv(6juaxa , also
Deekenöffnungen, welche durch xaXvu/uaxa , Deckbretter, verschlos-
sen werden, wie die steinernen noch jetzo im Theseiou durch dünne
Marmorplatten, oavlStg, geschlossen sind, ebenso die in dem Pandro-
sion. Dass diese befestigt wurden, dass sie mit dem xv/uäxior, mit
141
der steigenden Welle, verziert waren, geht ans den Bruchstücken
derselben hervor, und das Holzwerk wird sich durch Feinheit der
Gliederung oder der Färbung von den Marmortheilen nicht unter-
schieden haben. Auf denselben Holzbau wird auch der Anfang von
n. 56 bezogen werden, welcher die Errichtung der Decke oder des
Daches ( rijv o^o^f xathoräot) erwähnt, und die yebogene Planke,
welche sammt den andern (nicht gebogenen) an ihren Platz gebracht
wird, (ttjv xaunvfaji' (SsAidcc u$ id^av xcä rag vJJmq inayayolöiv sig
afpcr/' ticäorrjv.) Ist oQfxpij die Decke, so können as/lideg kaum etwas
Anderes seyn, als die in Forin von dicken Planken geschnittenen
Balken, und xupnvh] wird der seyn, wrelcher unter den damals zur
Aufstellung gekommenen architektonisch und wohl mit dem xvfxäriov
geschmückt, also in eine Biegung oder Höhlung gearbeitet war (die
xatmvXi] af-Xr'g). Sie stünde dann den yoyyvÄog Ar'd-og der schon frü-
her bekannten Inschrift §. i zur Seite.
Dahin gehören wohl auch die nqinrca, deren n. 56 au zwei
Stellen nach einander gedenkt, je Einer mit seinen Arbeitern, die
einmal zwei Tage, je um eine Drachme, arbeiten, n. 30, dann die-
selben, S. 35, welche in der dritten Decade des Monats die Deck-
platten liefern: TQlxrig dctHhxajutjviag zaXvuiiara sig tyiv dgoyijv. Dass
die Decke der Cella aus Holz bestand, schliesst Hr. Rhisos auch
aus dem Umstände, dass unter ihren Trümmern keine Spur einer
marmornen Decke, und namentlich nicht von Deckenplatten {xaXvu-
fjbccrci) gefunden ward, während diese Platten unter den Trümmern
der Nordhalle reichlich zu Tage kommen, und aus den Einschnitten
der Cellamauern, in welche als in ihre bSq&i die oeMdtg eingelegt
wurden. Auch Hr. Oberbaurath Metzger hat diese Oeffnungen in
der Cellamauer bemerkt, in denen Balken eingesetzt waren. Er
berichtet: „die Zwischenweiten von Mittel zu Mittel betrugen 0,630,
die Höhe der Balken 0,250, die Breite 0,225, somit die Stärke un-
serer lOzölligen Hölzer zur Ueberdeckung massiger Weiten. Unter-
142
halb dieser Balken sind Spuren von Nägellöchern in geordneter
Folge, welche zur Deckenbefestignng gedient haben, das Aehnliche,
was wir auch heute thun, wenn wir ein Metall gegen Stein
befestigen."
Ist aber dieBaurechnung A. auf 93, 2 zu setzen, so reiht sich in
der Geschichte des Baues an sie eine Meldung bei Xenophon (Hell.
I. VI, 2), dass im folgenden Jahre (Ol. 93, 3) der alte Tempel der
Athene zu Athen in Brand gerathen. Es wäre der nnsrige, der alte
ungeachtet seines Neubaues genannt mit Bezug auf seinen Ursprung.
Er galt als Erneuerung des alten , gegenüber von dem Par-
thenon, welcher der jüngere war. Ganz abgesehen von andern Zufäl-
len, konnte die Anlöthung1 der Reliefe an den eleusinischen Stein,
die Einbrennung der Farben in die Deckbalken, beides auf hölzernen
Gerüsten, das Unglück leicht veranlassen. Da es nun heisst, dass
er in Brand gerathen, nicht, dass er abgebrannt sey, so wird der
Schaden sich nur auf das Holzwerk, oder einen Theil desselben
in der Cella, erstreckt haben. Denn der Bau selbst hat so wie
wir ihn aus der Inschrift kennen, die Jahrhunderte überdauert.
VII.
Pausanias über das Haus des Erechtheus.
Nach dem Brande, dessen Xenophon gedenkt, fehlen weitere
Meldungen über das Erechtheum bis auf Strabo, der jedoch dessel-
ben nur kurz erwähnt, bemerkend, dass auf der Burgfeste von Athen
das Heiligthum der Athene und der alte Tempel der Polias (o re
ccQxcaog veiög rijg nofaüdog) mit der ewigen Lampe (o aaßsarog Xv-
%vos) sei, und der Erinnerung an das Zeichen des Dreizack (B. IX,
S. 396); denn die hieher bezogene Stelle des Vitruvins (IV. 8)
vom Tempel : columnis adjectis dextra et siuistra ad humeros pro-
143
nai . . . ut est Atlieuis in arce Minervae, passt nicht auf den unsri-
gen, der die angefügten Säulen nicht ad humeros pronai hat. Dann
ist wieder Schweigen über ihn bis Plutarch und Tansanias, von
denen jener des Erechtheums einige Male im Vorübergehen gedenkt,
Pausanias aber vorzüglich von dem Meldung thut, was es zu sei-
ner Zeit noch enthielt mit Hindeutung auf seine Zusammensetzung.
Er kommt zu ihm aus dem Parthenon an den Denkmälern vorüber,
welche an der östlichen Seite desselben gegen das Erecht heu m hin
aufgestellt waren, und nennt es die Wohnung des Erecht heus (Att.
c. 26: ton <Jfc xcil ol'xij/uu 'E<j£y¥d-siov y.ciXovpavov') mit der Bemer-
kung, dass cor dem Eingänge der Altar des höchsten Zeus sei
(7106 dt- xrjs elgödov Awg iori ßcofiog 'Ytkxjov). Schon oben wurde
bemerkt, dass damit wohl der ßwuog d-vt]%ov in der nördlichen Halle
gemeint sei, hinter welchem der ursprüngliche Eingang in das In-
nere durch das Pracht t hör {&t'>Qo)/ua^ führt, und diese Annahme ge-
winnt dadurch Festigkeit, dass — wie wir nun durch die Inschrif-
ten wissen — der östliche Eingang durch den Pronaos mit andern
Altären besetzt war. Wenn er beifügt, dass die Athenäer auf
demselben nichts Lebendiges opferten und nur Opferkuchen nieder-
legten, und dabei sich weiter nicht des Weines bedienten: k'v&a
sjityv%OP &vovün> ovdiv , nififiara öi Sevng , ovdtv tti otvio %Qijoa-
o&cci vojutZovot, so sind hier die unblutigen Opfer, die Opferkuchen,
suffimenta oder nshe.vot' gemein!, welche bei Aeschylus Klytämnestra
aus dem Innern des königlichen Hauses bringt, um sie den Göttern
für die Eroberung von Troja anzuzünden, so dass die Flamme sich
hoch erhebt: (fKOjuaaoojuei'i] yoiOfuccTog ayvov juixÄaxMg adoAoioi nao-
rflooiciv nsAävtp /uv/ofri/' ßaaiZeüo. Vrgl. Agam. v. 99. ff. Dass
der dvrj/ög in den Inschriften zur Bezeichnung des Altares dient,
deutet auf ein festes mit dem Tempel verbundenes Amt, und steht
offenbar in Bezug auf das Priesterthum der Bufaden, welches, selbst
agrarischer Natur, wie schon der Name zeigt, in dieser Familie
erblich und dem Erechlheurn verbunden war. Pausanias geht dann
144
in das Innere, also durch die östlicbe Vorhalle, da die nördliche
nach innen geschlossen war, und nennt darinnen drei Altäre, näm-
lich des Poseidott, auf dem auch dem Erechtheus nach einem Ora-
kel geopfert werde, des Heros Butes und des Hephästos (igsZ&ovai
d£ eiai ßwjuoi, IIoGsidvJvog, &(p ou zai 'Eoayd-u Ovovoiv ix rov uuv-
rsvjuatog xai fjocoog Bovtov, roirog dt lH(paiorov). Diese Altäre
müssen nothwendig in den tieferen Grund der Cella gestellt wer-
den, da auf dem schmalen und mit dem Pronaos gleich 'hochgelege-
nen Räume der Cella für sie kein Platz war. Der Altar des Po-
seidon findet auch bei Plntarch (Sympos. X, 5) Erwähnung, und da
er zugleich dem Erechtheus diente, gehört er vor den rechts oder
nördlich gelegenen Eingang, in den hintern Raum zwischen die dort
hinabführende Stiege und die Pforte, vor das Grab des Erechtheus,
welches wir dort nachgewiesen haben, dem der des Butes füglich
zur Seite, und in die Mitte des unteren Raumes gestellt wird (p),
so dass für den des Hephästos die Stelle (q) vor der westlichen
Quermauer, in der Mitte zwischen den beiden Pforten, die zu dem
uövtov und KtxQoniov führen, gewonnen wird. Ein Sessel des Butes
ist in neuerer Zeit mit der Inschrift IEPEQZBOYTOY in der Cella ge-
funden worden, und gehört darum wohl ebenfalls unter die hier auf-
gestellt gewesenen Gerätschaften.
Wir haben demnach zu der Göttin, die im udviov thront, an
dem Eingang den Altar des ihr im altattischen Mythus verbundenen
Gemahles, des Hephästos, und des Erechtheus als des Sohnes, der
nach ursprünglicher Anschauung als die Frucht der agrarischen Ehe
aus ihr hervorging, und als der aus der Fruchtau geborene nach
homerischer Meldung von der Göttin in ihrem Tempel bewahrt
wurde, dazu des Priesterheros beider Götter, dessen Nachkommen
ihr Geschlecht auf Erechtheus zurückführten (Plut. vitt. Rhet. S.
843 E). Dass Poseidon ein, ursprünglich ionischer Gott, jenem alt-
pelasgischen Systeme nach Eroberung der Joner verbunden und dem
U5
Erechtheus unterstellt oder verknüpft wurde, gehört zu den frucht-
baren und glücklichen Wahrnehmungen, die 0. Müller in seiner oft
genannten Schrift S. 4 ff. niedergelegt hat. Dieselbe Eroberung des
kriegerischen Stammes brachte zur *A&r}vä Bovdticij üävÖQoaog und
'Egycevt] die \4d-tjva TToö^axog, die Jungfrau, auf die Burg, sie dort
mit einer der genannten zu jener Persönlichkeit zu verbinden, und er
baute für sie, wenn auch später, das txarojuns^ov oder den Tmo^mw^das
Gemach der Jungfrau, neben dem altpelasgischen oder erechtheischen
Heiligthume der ursprünglichen Landesmutter. Pausanias, nachdem er
die drei Altäre im Innern der Cella genannt, meldet sofort, dass an den
Wänden Gemälde seyeu des Geschlechts der Butaden: yqcupal
dk ini twv roixwv rov y£vovg doi rov Bovrc.dwv. Das Priesterthum
(die Uoooivrj rov Iloozidiwog - Eqex&sojg) war in dem Geschlechte
erblich fortgegangen, und zur Zeit des Demosthenes war damit
der Redner Lykurgos, der mit so grossem Ruhme das Vermögen
des Freistaates geordnet und die Stadt mit Gebäuden, Anlagen und
Kunstwerken geschmückt hatte, bekleidet. Dieser war nach Plutarch
(vitt. Rhet. X. p. 841 ß. ff.) drj/uov St Bovreidijg, ytvovg dz rwv 'Ersoßo-
vrctda>v. — Bovrcidai heissen, wie man sieht, alle Einwohner des dtjjuog,
und waren darum verwandtschaftlich verbunden. Die ächten d. h.
die unmittelbaren Nachkommen des Butes werden darum in seiner
Genossenschaft als JEreoßovraöca unterschieden. Lykurgus nun hin-
terliess als ächter Butade das Priesterthum seinem Sohne Abron, der
es aber seinem Bruder Lykophron abtrat. Davon gab ein Gemälde
im Erechtheum Zeugniss, also wohl eines der von Pausanias erwähn-
ten. Es war von vollendeter Kunst (Plut. das. Iv nivctr.i rt^aVo.) ein
Werk des Jsmenias, und Abron auf ihm dargestellt, wie er dem
Bruder den Dreizack, das Symbol des Poseidon, also die priester-
liche Macht, übergibt (zai did roviov n^TXOifjrai 6 "Aßqwv, ncioadtdovg
aiT(p tt[v rqicdvav). Der Inhalt der übrigen Gemälde ist nicht bekannt;
doch zeigt ihre Aufstellung in der Cella, dass die Eteobutaden das
Heiligthum, welches den Altar ihres Ahnherrn enthielt, als ein zur
Abhandlungen der I. Cl. d. li. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abth. 1 9
146
Familie gehöriges ausgeschmückt hatten, und dadurch begründet sich
die Annahme, dass der ganze Cellaraum selbst, gelegen vor dem advrov,
vorwiegend, als dem priesterlichen Heros gehörig zn betrachten kommt.
Pausanias geht von der Erwähnung der Gemälde zu der Salz-
quelle über mit Angaben, die bereits früher erläutert wurden, kommt
also in das Pandrosion, das er durch die Worte : xccl Smkovv yaQ
ian rö oTxt]jua aal vdaw iorlv tvdov S-aXäaoiov iv (foiaxi, als eine an-
dere Wohnung von der zuerst erwähnten trennt. Hierauf folgt eine
Bemerkung über die Gottesfurcht der Athenäer, deren übrige Stadt
und ganzes Land geweiht sei, doch so, dass, wo in den Flecken
auch andere Götter verehrt würden, sie nichts destow euiger die
Athene in Ehren hielten, und fährt fort: das gemeinsam (iv aoii/tp)
d. i. von Allen am heiligsten geachtete Bild, stammend aus einer
ihrer Vereinigung zu Einem Staate lange vorhergehenden Zeit, sey
das Bild der Athene in der Akropolis, die früher Stadt genannt
wurde, und welches nach 'gemeiner Sage von Himmel gefallen sey.
Er ist damit in den hinteren Raum der Querhalle getreten, in der
die Inschrift des äyccA/ucc, damit aber das advrov setzt , und knüpft
die ausführliche Meldung von der ewigen Lampe und dem ehernen
Palmbaum daran, einem Werke des Kallimachos, der bis an die
Decke hinaufreicht und den Dampf dahin emporzieht (yolvt^ 8i vulo
rov 2v%vov /aZxovg, dvqxcov ig röv OQOfpov^ dvciona rtjv chjuidd). Er
war also in so weit hohl, dass die Lampe in ihm hing, und ihr
Dampf durch die Höhlung nach oben geleitet wurde. Ob nuu aber
die Lampe in dem advrov selbst brannte, oder vor ihm in derCella
war, ist damit nicht entschieden. Denn unmittelbar darauf ist er im
Tempel der Polias, um das alte löcvov des Hermes zu beschreiben,
Ktltai ök iv reo vatä rtjg üoXidöog 'Eojuijg ^vXov, Ksxoojiog elvai Xs-
yöjuevov ävd&qiia, vnö r.läSoiv /uLvooivqg ov ovvontov. Es war also
wohl Hermes Kopf auf einer viereckigen Säule, dem Urtypus
der Herme, dem, wie auch sonst auf den Hermen, oq&öv tö aiöolov
147
vorstand, darum mit Zweigen verdeckt war, ein Symbol der Frucht-
barkeit, und als solches dem Ort der hier waltenden Potenzen ent-
sprechend, und nennt dann aus den älteren Weihgeschenken {rwv
/ul&v c.Qxafvov] einen Sessel des Dädalus, dann aus medischer Kriegs-
beute den Panzer des Masistios und das vorgebliche Schwert des
Mardonios, mit der Erinnerung, dass er nur die merkwürdigen {a%ia
Aöyov) anführe. Sie waren also nicht gering an Zahl, und sind dann
wohl nicht in dem beschränkten aSvrov, sondern in der Cella aus-
gebreitet gewesen. Nach der Meldung über sie ist er wieder ohne
Angabe einer Ortsveränderung im Pandrosion; denn jenen Geschenken
wird der heilige Oelbaum angereiht, der, wie wir wissen, dort über
dem Altare des Zsvg eQxnog sich erhub, dessen er gar uicht er-
wähnt. Erst nach dem Bericht über den Oelbaum und dessen plötz-
liche Erneuerung nach dem Brande der Perser tritt das Pandrosion,
als ob er nun erst darin anlangte, in seine Erzählung ein {xaraxav-
&siaav Ss av&tjjusQov boov re inl dvo ßXaorijGai nij%sig. Tay vaco dk
rijg ^A&rjpcig llavdoÖGov vaog ovve%ijg toxi). Seine Bezeichnungen lie-
gen also ziemlich bunt durcheinander. Erst ist das Ganze ein ol'xtjjua
EQsx&swg, dann folgt die Bemerkung, dass die Wohnung eine dop-
pelte sey, hierauf: o vaog rijg Ilohadog ohne nähere Bezeichnung,
und die Meldung, dass ihm der vaog rijg Havdoooov verbunden sey.
Doch sieht man, dass der Doppelwohnung des Erechtheus die Tem-
pel der Polias und der Pandrosos zur Seite gehen, und in jeuer all-
gemeinen Benennung zugleich erhalten sind.
IX.
Näheres über den westlichen oder hintern Theil des Gebäudes.
Was ausserdem bei den Alten über das Erechtheum vorkommt,
ist entweder schon in den frühern Untersuchungen erwähnt worden,
19*
148
oder für Inhalt und Bedeutung des Gebäudes von keinem Belang,
doch müssen wir noch mehrere Punkte, welche die Einrichtung und
den Inhalt des hintern oder westlichen Theiles des Erechtheums be-
treffen, in nähere Betrachtung ziehen. Wenn wir oben das Grab des
Kekrops in die westliche Halle und dem Pandrosion zunächst ge-
setzt haben, so lindet diese Annahme in einem aus dem neunten Buche
der Geschichten des Antiochus, wohl des Alexandriners, weitere
Bestätigung, die von Clemens von Alexaudria und Theodoretus er-
wähnt wird. Jener meldet aus ihm, dasselbe sey auf der Akropolis
gewesen. Cohort. ad gentes p: 29 et B. 'Ev reo vscp rrjg A9-t]vccg tv
AagiGGt] iv rij ccxqotioXsi reetfog iori AxgiGlov. ^AO-rjvrjGi Jt iv zrj u-
xqottoZsi Kixgonog, Sg (pr]Giv*Avr(oyog iv zw iwarip rwv iGrognov zC
<$£ 'Egiy&oviog; ovx iv zw vscp rrjg Hohddog xexrjdevrai x. z. X. Theo-
doretus (Therap. c. 8.) erzählt das Gleiche mit näherer Bezeichnung
der Lage des Grabes : xccl yäg 'A&rjvrjotv, wg Avrioyog tv zrj ivväzt]
yiyga<psv lozogia, v.vw ys iv rrj axgonöAei Ktxgonog iart zätfog naga
zrjv JloXiov %ov avitjv, was die unmittelbare Nachbarschaft der
Polias, des advrov und des Kekropion bestimmt herausstellt.
Die Halle selbst zeigt in ihren äussern Mauern einen Bau von
zwei Stocken. Der untere ist aus symmetrisch verbundenen Quadern
gefügt, von zehn Fuss Höhe, als ein Sockel ? über dem sich die
obere Halle mit ihren Fenstern und Halbsäulen erhebt, oder viel-
mehr erhob. Denn seit Stuart, der sie noch in ihrer Ganzheit ver-
zeichnet hat, ist das Meiste zusammengebrochen, und von den Fen-
stern keine Spur mehr. Durch den Sockelbau führt gegen die Mitte
eine Thür. Sie ist zwar ohne Profilirung, und von den Qua-
dern zu beiden Seiten fehlt, ihr Maass mit dem der andern vergli-
chen, gerade soviel, als für die Oeffnung der Thüre uöthig war; doch
scheint sie im Bau ursprünglich; denn die Steine sind im Innern
der Thür so gut und vollkommen geglättet, als in der übrigen Wand,
und keine Spur eines gewaltsamen späteren Einbruches. Sie scheint
149
demnach als eine zu bsonderem Gebrauche vorbehaltene Nebenpforte
in die Halle zu betrachten, in der das ädvrop und Ksxqothop, und
wohl durch eine Quennauer geschieden, neben einander lagen. Sie
hat als hinterer Eingang, wie es scheint, in das aSvrov geführt; denn
den Kanephoreu nahe ist wenigstens nach Forchhammer eine andere
ähnliche gewesen als westlicher Zugang zu dem Kekropion. Warum
aber zunächst das cidvrov , in welches, wie wir sehen, eine Thür
aus der Cella des t^äarvkog von Osten führte, noch durch eine zweite
von aussen und von Westen her zugänglich war, davon scheint Pausa-
nias den Grund in dem Folgenden anzudeuten. Er meldet nämlich Attic.
XXVII. §. 4. als eine Sache, die nicht Allen bekannt sey, und
seine Verwunderung errege, von zwei Jungfrauen, welche nicht
weit von dem Tempel der Polias wohnten: IIciq&£poi ovo tov vaov
rrjg JlohaSog olxovGiv ov tzoqqü), xaZovGi de yAd-t]Vcdoi Gyäg ciQQrjcpoQOvg.
Die Lesart schwankt: aQQrjcpooovg , xavrjipÖQovg, xavvrjipooovg. Dass
aber nicht d^QtjcpoQoi oder £QGt](p6ooi , sondern xcwrjtpoQoi gemeint
seyen, zeigt die Gruppe der sechs Kanephoren, welche dem Dache
des Pandrosion untergestellt sind, und offenbar auf jene Jungfrauen
Bezug haben, dann ihre Verrichtung. Sie hatten nämlich eine Zeit
lang ihren Unterhalt bei der Göttin {ccvrai xqovov jusv xuva diaixav
t%ovGi nctoä rfi 5-fw), und am Feste nahmen sie bei Nacht auf ihr
Haupt, was die Priesterin der Athene ihnen zu tragen gab , ohne
dass diese oder sie selbst wussten, was es sey. Das wurde von
ihnen in den ■moißoÄog rrjg xaAov/ut'vrjg iv Krjjroig [AyQodMrjg, und
daselbst in eine natürliche Felsengrotte getragen und abgelegt. Dort
empfingen sie etwas anderes Verhülltes und brachten es zurück.
Dann wurden sie entlassen, und statt ihrer' andere Jungfrauen in
die Akropolis gebracht. Sie trugen also das Verhüllte auf dem
Haupte, und offenbar in xavtoig, gleich den Jungfrauen, die das
Dach der Südhalle über ihren Körben tragen, und den Kanephoren im
Friese des Parthenon, der den grossen Zug oder die Pompe au den
Panathenäen darstellt; und sind, wie wir oben als Vermuthung aus-
150
gesprochen haben, in seinen sechs Kanephoren die Töchter des Kekrops
und Erechtheus dargestellt, so bilden diese den Urtypus, der sich
in den spätem Kanephoren wiederholte, deren geheime und für die
Aphrodite it> y.iqnoig bestimmte Opfergaben offenbar in Beziehung mit
den Gaben der kekropidischen Jungfrauen, d. i. mit den durch sie
vermittelten Früchten der Erde stehen.
Dazu nehme man die Dienerinnen, welche der Pallas Athene in
den Eumeniden des Aeschylus nach rechtem Gebrauche ihr Bild be-
wahren (v. 979: '%vv noognöhoioiv, eure (poovoovGi ßQtrug zovuoy di-
zca'cag), und die, wenn von jenen verschieden, als Bildhüterinnen
ebenfalls in der Nähe der Göttin ihre Wohnung haben mussten. Nun
belehrt der Augenschein, dass an die Westhalle des Tempels ein
freier Platz, von Gebäuden umgeben, sich anschloss. Die Area ist
noch sichtbar, und von Süden her gingen Stufen zu ihr hinab. Auch
zeigt sich die Substruction jener, welche an das Pandrosium an-
schliesst, und von da in gerader Richtung nach Westen sich er-
streckt. Hier also lag der zum Tempel gehörige Temenos oder ein
Theil desselben, umgeben von den zum Dienst der Göttin gehörigen
Gebäuden, in denen, wie den Priesterinnen, so den Kanephoren und
andern heiligen Dienerinnen oder einem Theile des dienenden Per-
sonals, ihre Wohnungen bereitet waren. So zeigt sich Absicht und
Zweckmässigkeit der hinteren Pforte, da durch sie den Priesterinnen
und den Jungfrauen, die das Bild zu hüten und zu schützen hatten,
und den Kanephoren der Eingang in das Adyton offen stand, wäh-
rend diejenigen, welche kamen, die Göttin anzubeten, durch die
Cella und von dem öffentlichen Eingang aus in das Adyton gelang-
ten. Zugleich gewinnen wir in jener Area an der Westseite den
Raum für die reichlichen Weihgeschenke, welche Pausanias a. a.
0. §. 5 mit der Erinnerung anführt, dass sie bei dem Tempel der
Athene (kq6s Js rw rrjg \l9rivccg ton f.dv */.. r. ^.) gewesen seyen.
Der andere Eingang würde dann in das Kekropion und aus ihm in das
151
Pandrosion geführt haben, und wäre wohl offenbar in ähnlicher
Weise für die Zwecke des Cultus berechnet gewesen.
Zusammenstellung der Ergebnisse vorstehender Untersuchung.
Wollte nun Jemand, was über die Einteilung des Erechtheums
und über seinen Inhalt an Altären, Gräbern und Gegenständen des
Cultus ermittelt worden ist, in einer Periegese kurz zusammenstel-
len, so würde diese etwa lauten, wie folgt:
,bü
Auf der Akropolis oben liegt dem Parthenon gegen Norden und
nahe dem Abhänge der Burg das Haus des Erechtheus, welches
aus mehreren Wohnungen der Götter und Heroen zusammengesetzt
ist, ein Werk aus pentelischem Marmor, von ionischer Bauart und
bewunderungswürdig durch Schönheit und Schmuck. Den Fries bil-
det ein Band eleusiuischen schwarzen Marmors, auf welchem die Re-
liefbilder aus weissem Marmor befestigt sind, und die architektonische
Profilirung des Gebälkes und die Köpfe der Säulen sind auf das
Schönste mit Farben und Vergoldung geschmückt. Gegen Morgen
gewendet erscheint der Bau als ein Tempel mit sechs Säulen vor dem
Eingang. Vor der Mitte dieser Säuleu steht ein Altar der Dione,
und ihm zur Linken in gleicher Eutfernung zwei audere. Der durch
die Vorhalle Eintretende findet im Innern nur einen schmalen Streif
des Bodens von gleicher Höhe mit der andern Halle, und gelangt
von ihr zur rechten und linken Hand über zwei Stiegen zum unteren
Theile der Cella, der 8 Fuss tiefer liegt als die übrigen. Die nörd-
liche Stiege beginnt gleich am Ende des genannten Streifes, die
südliche erst gegeu die Mitte der Cella, bis wohin sich hier die
obere Terrasse fortsetzt. Im tiefern Theile der Cella steht in der
Mitte der Altar des Butes, und diesem zur Rechten neben der nörd-
152
liehen Stiege ein Altar des Poseidon-Erechtheus; eiu dritter ist ge-
gen die Mitte der westlichen Cellamauer aufgestellt und dem He-
phästos gewidmet. Durch diese westliche Cellamauer führen zwei
Pforten in den hinteren Raum des Gebäudes. Vor der nördlichen
oder rechts gelegenen ist zwischen ihr und dem Altar das Grab
des Erechtheus. Ueber ihre Schwelle gehend bist du in dem Ady-
ton, in welchem der Pforte gegenüber das Bild der Göttin aufge-
stellt ist. Die südliche Pforte, bis nach welcher die Stiege daselbst
herabgeht, öffnet den Eingang zu dem Grabe des Kekrops, welches
neben dem Adyton der Göttin gelegen, und gleich ibm auch durch
eine westliche Pforte zugänglich ist. Ueber dem Adyton und dem
Kekropion, welche nur durch eine Zwischenmauer getrennt sind,
erhebt sich als über einem Unterbau die obere Mauer der Querhalle,
welche von drei Fenstern darüber und vier Halbsäulen unterbro-
chen wird.
Diesem hinteren Bau, einer Art von Opislhodomos des Hexa-
stylos, sind an der nördlichen und an der südlichen Seite zwei
Hallen angefügt. Die nördliche, an das Adyton gebaut und über das-
selbe nach Westen hin sich hinauserstreckend, ist nach allen Seiten
offen und mit vier Säulen in der Fronte und Einer hinter jeder Eck-
säule, ist über 3 Stufen zugänglich, und hat in ihrer Mitte den Al-
tar des Opferers, auf welchem dem höchsten Zeus unblutige Gaben
gebracht wurden, im Hintergrunde aber ein Prachtthor in der Anlage;
doch ist es nur durch seine kunstreiche Einfassung zu erkennen
und geblendet. Die südliche Halle, der Pandrosos geweiht und da-
rum das Pandrosion genannt, zeigt über einem hoben Unterbau eine
Reihe von sechs Kanephoren, welche das Dach tragen, und enthält in
ihrem Innern die Salzquelle des Erechtheus in einem Brunnen, den
Altar des Zsvg tQx&iog , und über ihm emporragend den heiligen
Oelbaum. Das Pandrosion ist im Innern durch eine Thür mit dem
Kekropion verbunden.
153
XI.
Die Absicht und die Gründe der Anordnung des Baues und seiner
Theile.
Geht man auf die Untsrsuchung der Ursachen ein, welche der
Anordnung des Erechtheums, der Verbindung seiner Theile und der
Vereinigung dieser Heiligthümer ohne Röcksicht auf Symmetrie der
Haupttheile und auf Gleichmässigkeit des Bodens und des Unter-
baues zu Grunde lagen, so ist vor Allem nicht zu übersehen, dass
in jener Vielheit der verbundenen Gebäude und ihres Inhaltes schon
vor Alters die Idee ihrer Einheit abhanden gekommen war, wie die
Mannigfaltigkeit der Benennungen lehrt, unter welchen der Bau an-
geführt wird. Denn nicht nur die Namen 'EqZx&siov und vsiog rijg
Ilohädog dienen, dasselbe Gebäude zu bezeichnen, sondern Pausa-
nias im Fortgange spricht in jener Buntheit der Benennungen zuerst
von einem Wohnhause, ol'xrjua, das ein doppeltes sey, dann aber
vom Tempel der Polias und dem der Pandrosos, während er doch
die Theile des Erechtheums im Sinne hat.
Zunächst nun ist die mythologische Einheit oder Zusammen-
gehörigkeit der hier verbundenen Arten und Theile des attischen
Cultus in das Auge zu fassen. Schon Ottfried Müller hat in ihm
einen Inbegriff dessen erkannt, was in der Urzeit von Attika, vor
der ionischen Einwanderung und der Eroberung des ionischen Stam-
mes, an Göttern und Heroen von dem altpelasgischen Geschlechte
verehrt wurde: Hephästos und Pallas Athene, Kekrops uud die ke-
kropidischen Jungfrauen, und wieder Pandrosos- Athene, Erech-
theus endlich, und nun auch wohl die Hyaden als seine Töchter.
Selbst Hermes ISvipal.'kos, das Symbol der Fruchtbarkeit der Flu-
ren und der Herden, fehlt nicht, noch der Alles waltende, höchste
Zeus. Damit] aber der Charakter des königlichen Hauses (ofo-
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 20
154
rjixcc) noch deutlicher hervortrete, ist der Heerd des gehöfbeschützen-
den Gottes eingestellt, und wurde die Urkande des Streites der
Götter über die Herrschaft des Landes, die ndyxvyog and die
*EQ£x&r]'ig oder S-dXaaaa gezeigt , und so ist auch der Heerd des
Priesterheros nicht vergessen, der diesem Cultus vorstand. Doch
wird dieser Inbegriff von Heiligthümern und Cultusgegenständen
nicht mit O. Müller als ein rein pelasgischer zu betrachten seyu.
Er deutet im Poseidon, dem Schutzgott des ionischen Stammes,
und seiner Ansiedelung im Erechtheum auf die Beiziehung der
Joner, und auf die Gestaltung, welche das Volk und der Staat
in der auf Theseus zurückgeführten Verfassung erhielt, und wodurch
das ganze Land in eine grosse Gemeinde verbunden wurde, die in
der Altstadt von Athen, oder in der Akropolis, ihren Mittelpunkt,
und in dem Erechtheum ihr alt-pelasgisch-ionisches Gesammtheilig-
thum, eine Art von Pantheon eines Cultus hatte, dessen Grundan-
schauungen in Poseidou-Erechtheus und Athene -Pandrosos zu Per-
sönlichkeiten geworden waren, eine Verbindung, die jeden einzelnen
Demos in dem Mittelpunct der grossen Gemeinde wieder finden liess,
was er daheim Ehrwürdiges besass, und die noch dazu durch das
Himmel gefallene Bild der Göttin und die Wunderzeichen des Götter-
streites ehrwürdig, ein wahres Nationalheiligthum bildete.
Dass aber hier etwas von der Gemeinschaft anderer, wenig-
stens nicht-pelasgisch-ionischer, Völker und Stämme Abgesondertes
und in seinem Allerheiligsten oder Adyton ihnen Unzugängliches ge-
geben war, zeigt die oben erwähnte herodoteische Erzählung von
Kleomenes, dem Könige von Sparta, und der Priesteriu der Göttin.
Herod. V. c. 72. Als nämlich jener in die Akropolis heraufgestie-
gen war, um sie in Besitz zu nehmen, ging er in das Allerheiligste
der Göttin, um dort anzubeten (ijls dg ro advrov rijg &eov (6g TiQog-
tQtcov). Die Priesterin aber erhob sich von ihrem Throne, ehe er
über die Schwelle geschritten war {tiqIp tj rag &vQag ctvxov njueiifjcct),
155
und sprach: „0 Fremdling aus Lacedemon, weiche zurück und gehe
Dicht in das Heiligthum. Denn es ist nicht gebührend den Doriern,
hier hineinzugehen," (ov yao ^sjuitov] Aojqisvgi naoiivui ivravä-a).
Er aber sprach: O Weib, aber ich bin kein Dorier, sondern ein
Achäer" («5 yvvui, atä ov Acooievg siui, cihK 'Axcuog). Was die
Antwort betrifft, so hatte Kleoinenes ganz recht mit ihr, aber 0. Mül-
ler (Dorier 17t f.) unrecht, wenn er sie zu umgehen oder zu entkräf-
ten sucht. Denn hier kam es darauf an, dem Verbote, unter dem
die Dorier standen, seine Abstammung entgegenzustellen. Die Hera-
kliden, zu denen er gehörte, stammten, wie man weiss, aus Argos,
hatten, von dort unter Hyllos vertrieben, bei den Doriern Aufnahme,
und bei ihrem Versuche, in die Heimath mit Waffengewalt zurück-
zukehren, mächtige Unterstützung gefunden. So wenigstens hat sich
die althistorische Ueberlieferung gestaltet. Die dorischen Gemeinden,,
welche ans diesem Zuge hervorgingen, waren noch später ass^iJen
Stämmen cYXXCg, Avpavlg und Tlciinpvlig gebildet. Von diesen
waren nur die zur Av^iavig gehörigen ächte und reine Dorier; die
Hyllis , aus den Herakliden und den Genossen ihrer Auswan-
derung bestehend, war achäisch, und die Pamphylis enthielt den Zu-
gang aus anderen Männern, die sich dem Abenteuer der dorischen
Wanderung nach dem Peloponnes angeschlossen hatten; doch über-
wog Gebrauch und Name der Dorier, in den nachher alle Vollbür-
ger in Sparta, später selbst die Lacedemonier, aufgenommen wurden.
Es war also eingetreten, was Herodot von der ionischen Be-
völkerung der Kynurier in der Umgegend von Argos berichtet VIII.
73: ty.dsdwQisvprai dh vno rs Aqyzloiv c<Q%6fji£vot xcu rov %q6pöv.
Aber die Ueberlieferung, dass die Herakliden, obwohl aus ihrem
Stamme die Könige der dorischen Gemeinde von Sparta kamen,
nicht Dorier, sondern Achäer seyen, war, wie man sieht, nicht er-
loschen, und tritt in jener denkwürdigen Erklärung des Kleomenes
deutlich hervor. Für uns aber liefert der Vorgang, der sie veran-
lasste, das Zeugniss, dass das Erechtheum ein Stammheiligthum
20*
156
der pelasgisch-iouischen Gottheiten war, in dem der Eintritt, wenig-
stens in das advT.or, selbst dem Könige eines fremden Stammes ver-
sagt wurde. Ist aber, wie offenbar, das' Verbot der Priesterin nur auf das
advtov bezüglich, und sie hatte im Falle das Hauptthor der Nordhalle
schon damals geblendet war, dann ihren Sessel neben dem nördlichen
Eingang aus der Cella in dasselbe, so wurde die Cella selbst als eine
Vorhalle betrachtet, welche zu betreten auch anderwärts den Fremden
nicht versagt war, wie beim jüdischen Tempel der Vorhof der Völker.
Aber Eine Frage erhebt sich noch auf diesem Standpunkt der
Untersuchung: Wie kam es, dass zum Verein alter Stamm-Gott-
heiten auch Königsgräber in dieses Pantheon aufgenommen und
mit den Altären und Tempeln verbunden wurde? Es kommt hiebei
nicht darauf an, ob Kekrops oder Erechtheus historische Persönlich-
keiten oder mythische Personificationen oder aus beiden gemischte
Potenzen waren, sondern auf Anschauung und Vorstellungsweise
des Alterthums, wobei sich fragt, wie man glauben konnte, eiu Grab,
welches als Heldengrab galt, und als solches verehrt wurde, gehöre
vor ein Heiligthum, oder finde sich dort an seinem Platze. Wir
werden dadurch auf Schutz und Wacht der Tempel geführt. So
gross auch die Macht der Götter geachtet wurde, hielt man doch
zur Wrahrung der Heiligthümer eine nicht nur menschliche, sondern
auch heroische Schutzwache, die Hilfe alter Heroen und Könige, für
nöthig. So meldet Pausanias X., 8 § 4, dass nahe dem Tempel der
^ Aktiva llQovaia bei Delphi, dessen Unterbau noch unterhalb des
Weges über den tiefen Felsenbette der Kastalia emporragt, und
nach dem delphischen Heiligthum hin ein heiliger Bezirk des Hel-
den Phy tokos gewesen sey (jigogdk rdöhow rrjg Ilgovaiag 4>vAäxov
rt/usvog laxiv ijotoog), und dass er als Wächter des Heiligthums be-
trachtet wurde', beweist der Zusatz: ovwg vnö dsfyäiv t%£i
<?>rifM]V xctxa rijv IxGxqäruav G<piOiv d/xivai xrjv Hsqgwv, und jenseits
der Kastalia, nahe dem Eingange in den Temeuos des delphischen
Gottes, ist in dein Felsen eine theils natürliche, tlieils erweiterte
Grotte, die jetzo dem heiligen Johannes gewidmet ist, und wohl als
Sacellum jenes Tempelhortes gedient hat. Näher noch liegt uns die
Meldung des Pindarus über den Tod des Pyrrhus oder Neoptolemus,
Nein. VII., 43. Der Sohn des Achillens nämlich war in Delphi um-
gekommen in einem Streit mit den Einwohnern um das Opfermal.
Pindarus nun, nachdem er des Todtschlages gedacht, sagt wei-
ter v. 43:
Bäqvv&sv dt nsQiood <4s%(puyv %svccy£rai ,
äXXct rö uÖqgi/aov ccnidtoxsv — ^XQ1!*' ^6 tiv %.vSov aXati nakaiTCitoy
Alaxidctv xqsovtcov roKomöv bjUjLiEvai
Ssov nao evrsiyja §öf.iov, tjQwii'aig Ss nojunaig
&SJUIGX0710V olxilP lÖvTCi JloXv&VTOlS
svwvv/iiov ig dlxav — xqia bnsa dictQx£osi.
ov ysvSig 6 juaQTvg %qyjuaGii> iniGtarsi.
Darob erzürnte der Delphen Gastpfleger über Maass;
Doch er bezahlte das Geschick. Es musst' einer von Arakos viel-
gewaltigem
Stamm in des Hains uralten Schoosse künftig seyn,
Wo schön des Gottes Wohnungen sich erheben, und opferreiche
Gelage der Heroen pflegend nach dem Geheiss
Ruhmwürdiger Sitte, dort wohnen. Doch es genügen drei
Wort.' Ohne Betrug verwaltet er die Kämpf und zeugt.
Hier also wird ein altes Schicksal erfüllt. Ein Aeakide soll in-
nerhalb des uralten heiligen Bezirkes seine Wohnung haben (olxsTv),
und die Stelle derselben wird näher bezeichnet als neben dem
schöngemauerten Hause, oder in dem Tempel nach dem Scholiasten.
Denn dieser bemerkt, Neoptolemus sey in dem Tempel beigesetzt
worden : Aoxu §z o NsorrroP.suog iv /ietyoTg ävtjQrjo&cu xcä rsd-siGS-at
iv tw vctwt. Hier treffen wir das Grab eines Heros als eines Auf-
153
sehers und Hüters im Temenos bei dem Tempelbause selbst. Er
hat dort zugleich das Amt, den heroischen Festzögen vorzustehen,
und über Unpartheilichkeit der Entscheidungen bei den Siegen in
den pythischen Spielen zu wachen. Wir haben darinnen nicht nnr
die Bedeutung der beiden Königsgräber und ihrer Heroen: Sie die-
nen als Horte und Hüter der Heiligthümer, Erechtheus des Adyton
der Polias, Kekrops des vscog 'A&rjvccg-IlardQOOov, sondern auch die
Ursache, wesshalb ihre Gräber gerade an den Stellen waren, die
ihnen mit Sicherheit angewiesen wurden: Sie liegen, gleich dem
Neoptolenms in Delphi, vor oder bei den Schwellen der Gemächer,
als deren Beschirmer die Heldenkönige gedacht wurden.
Nachdem wir die mythisch-religiöse Einheit der in diesem Ge-
bäude verbundenen Sacelle und Altäre gezeigt, bleibt übrig, die archi-
tectonische Idee nachzuweisen, welche bei der Anordnung des ur-
sprünglichen Baues und seiner Mannigfaltigkeit maassgebend gewe-
sen ist. Denn dass dieser neue, in der perikleischen Zeit begonnene,
eine Nachbildung des alten Burgheiligthums sey, ist schon von 0.
Müller und AI. Hirt bemerkt worden, indem dieser sagt (Gesch. d.
Baukunst II. S. 22): „Es scheint, dass man bei der Wiederherstel-
lung als Grundsatz annahm, an der alten Anlage und Grösse der
Heiligthümer Nichts zu ändern, und das alte Unregelmässige der
Form beizubehalten. Jedes darin von altersher Aufgestellte sollte ge-
nau {den ursprünglichen Stand behaupten — ." Es geschah also; hier, was
in Rom noch zur Zeit des Vespasian geschah, als es sich darum
handelte, den im Kampfe mit den Vitellianern zerstörten Tempel des
Jupiter Capitolinus wieder aufzurichten. Tacit. Hist. IV., 53 : Curam
restituendi Capitolii in Lucium Vestrinum confert (Vespasianus) . .
Ab eo contracti haruspices monuere, ut reliquiae prioris delubri in
paludes aveherentur, templum isdem vestigiis sisteretur ; nolle deos
mutari veterem formam. Daraus ist aber offenbar, dass bei solchen
Restaurationen nach alten Maassen und Planen es nicht, wie Hirt
159
zu glauben scheint, auf einen Grundsatz ankam, dem mau angenom-
men, damit Jedes in dem Neubau seinem alten Stand behaupten
könne, sondern auf religiöse Satzungen, die von den Priestern, als
den Vertretern der Götter, gehütet wurden. Zugleich aber sieht man,
wie, obwohl im neuen Erechtheum von dem alten Bau Nichts übrig
blieb, und offenbar wie in Rom alle Trümmer des ursprünglichen ab-
geräumt wurden, gleichwohl das neuentstandene Heiligthum, weil es
auf den Grund des früheren gebaut war, und die Formen und Maasse
desselben wiedergab, fortdauernd das alte genannt wird bei Hero-
dot und Strabo, im Gegensatz zu dem Parthenon, dessen Aufführung,
wie wir in der zweiten Abhandlung zeigen werden, einer spätem
Cultusperiode angehört.
Indess ist damit nicht gesagt, dass neben der Wahrung des
Planes und der äusseren Form auch im Einzelnen Alles hier beim
Alten zu bleiben hatte. Selbst der capitolinische Tempel, obwohl
unter dem strengen Gesetze des nolle deos mutari veterem formam
aufgeführt, wurde nach besonderer Zulassung der haruspices höher
gebaut, als der alte gewesen war. — „Altitudo aedibus adjecta" sagt
der römische Geschichtsschreiber." Id solum religio adnnere et pri-
ori« templi magnificentiae defuisse creditum, quo tanta vis hominum
retinenda erat. Mit der Höhe aber wurden, wie natürlich, alle Ver-
hältnisse der einzelnen Theile, der Decke, des Gebälkes, der Pfor-
ten, verändert, um das Einzelne mit der neuen Grösse in Ueberein-
stimmnng zu bringen. Es wahele darum das doppelte religiöse Ge-
setz: zu bewahren und zu verbessern, hier ebenso vor, wie in der
Scolptur bei ihrem Uebergang aus dem hieratischen in den vollen-
deten Styl, indem auch hier volle Wahrung des alten Habitus in
Stellung, Kleidung und Antlitz, das Uebrige aber der Natur ent-
sprechend und dem Gesetze der neuen Einsicht gemäss zu bilden
gestattet wurde.
160
Es wird darum nicht mit dem oben Dargestellten in Wieder-
spruch erscheinen, wenn wir darauf geführt werden, dass bei Wah-
rung des Alten in allen Theilen, von denen der Eindruck des Gan-
zen und die Erinnerung an die äussere Form bestimmt war , doch
im Innern und im Einzelnen diejenigen Aenderungen vorgenommen
worden sind, die nicht mehr der alten Beschaffenheit, wohl aber dem
neuen Bedürfnisse entsprechend waren.
Gehen wir aber an das Problem dieser seltsamen Gestaltung
und Verbindung seiner einzelnen, aus dem ältesten Bau überliefer-
ten, Theile des Näheren ein, so liegt die Lösung, wie wir bemerk-
ten, schon in der homerischen Meldung angedeutet, dass Pallas
Athene in das festgefügte oder wohlverwahrte Haus des Erechtheus
(dvos <T ^Eosy&ijos nvxivöv db^ov) eingegangen sey, und in den die-
ser Angabe entsprechenden Benennungen unseres Baues, welche
sich bis zu des Pausanias otxij/ua 'Eqs% &si ov heraberstrecken.
Es war nicht der Tempel, sondern das Wohnhaus des Erechtheus,
was dem alten Bau zu Grunde gelegt wurde, und die Hallen und
Gänge sind demnach ursprünglich nicht besondere Heiligthümer,
sondern Theile dieses Wohnhauses gewesen, welche bei seiner Um-
gestaltung der Anlage nach beibehalten, aber mit einer andern Be-
stimmung bekleidet wurden. Die Untersuchung wird sofort in der
Art zu führen seyn, dass klar werde, welche Theile der altattischen
Königswohnung sie gewesen sind, und welche Bestimmung sie ge-
habt haben.
Wir kennen die innere Einrichtung eines solchen avaxxoQov,
ävv.xuov, oder, wie es jetzo genannt wird, uo%ovTiy.6v , vorzüglich
aus den Meldungen über das Haus des Priamus in der Iliade und
des Odysseus in der Odyssee. Gegen die Strasse durch eine Ein-
fassungsmauer abgeschlossen , und durch ein Thor offen, vor wel-
chem Odysseus den treuen Hund Argos auf einem Düngerhaufen
161
liegend traf (Od, (>, 290 ff.) , zeigt es im Innern einen von Hallen
und Gemächern umgebenen Raum im Geviert {[ityct xuxlov ctvXijs
Od. n, 343, und die Schilderung in Odysseus Munde: imjaxtjTcu J"!
ol avXfj Toi%q) xal S-qtyxoloi , &vqcci <T svsQxteg dalv JixMdsg, Od.
q. 266 ff.). In Mitte der sqxscc stand der Altar des Zsvg tQxewg.
Das ist die Stelle, die ihm Virgilius im aväxaov des Priamus an-
weist, Aen. II., 512 ff.:
Aedibus in mediis nudoque sub aetheris axe
Ingens ara fuit, juxtaque veterrima laurus,
Incumbens arae atque umbra coinplexa Penates,
und so erscheint er in der tabula iliaca (Miliin, gallerie mytholog.
Tab. CL), wo Priamos vor ihm erschlagen wird.
Auch im 'Ep4%&8M>t> avctxsiov treffen wir, wiewohl an anderer
Stelle, diesen Altar, über ihm den uralten heiligen Oelbaum, und
neben ihm zwar nicht die Penaten, aber doch das alte Denkmal
des Götterstreites, den Brunnen des Poseidon. Offenbar ist hier im
ursprünglichen Gebäude ein Zugang in das Innere gewesen, und
der Platz ein freier, wie der Oelbaum und der Brunnen neben ihm
zeigen. Der Heerd des hofbeschüfzenden Gottes war also hier an
seinem Platze, und behielt ihn, als der Raum in den Bau einge-
schlossen wurde.
Dass auch in Athen wenigstens die Häuser der reichen Enpa-
triden die gleiche Anlage bewahrten, zeigt am deutlichsten die Schil-
derung der Wohnung des Kallias im Protagoras des Plato'(p. 514 B. ff.)
Sokrates hat Mühe, den Thürsteher zum Einlass durch das Thor
zu bewegen. Innerhalb findet er das Haupt der Sophisten mit einer
Schaar bewundernder Freunde in der Halle auf- und abgehen, die
Abhandlungen der I. Cl. d. h. Ak d. Wiss. V. Bd. III. Abth. 21
162
übrigen Meister in den Gemächern hinter der Halle einquartirt, nnd
zu diesem Behufe sogar eine Vorrathskammer geräumt.
Im Hintergrunde, dem Thor gegenüber, geht nnter der Halle,
cä&ovoa, der Weg in das grosse Gemach, das ^yaqov oder die
fityaQa, das neben dem Hofe den Haupttheil des Gebäudes bildet,
wesssalb beide, iQxsa rs juiyaQov rs Od. n 341. verbunden werden.
Hier waren die Versammlungen der Männer, und auch ein Heerd,
der auf einen Altar deutet, fehlt nicht, neben dessen Feuer Arete
ihren Sessel stellt Od. £. 305, in noch grösserer Tiefe die Lokalitäten
des vtyoQotpog &ciAa/uog mit den Vorräthen an Gold, Erz, Kleider,
Oel und Wein, der sogar tiefer lag als die Hausflur, weil Telemach
da hinabsteigt Od. ß. 337. Ueber diesem Erdgeschosse lagen die
oberen Gemächer, vm-Qwia, wo die Frauen wohnen, Od. n, 439 und
die Waffenkammer ist, beide durch Thüren und Stiegen in Verbin-
dung mit den unteren. Ueber die hintere Stiege tritt Penelope herab
(Od: a, 330), um zu den Freiern im ptyctQov zu sprechen, über die
vordere schickt Ulysses im Kampfe mit den Freiern die Diener, um
Waffen zu holen, wohin auch Melauthios auf anderem Wege, ävä
(jwyag /ueyäQoio, Od. x-> 143, d. i. auf einer durch die Mauer gebro-
chenen und geführten Treppe, gelangt war. Dazu andere Gemächer,
die dcujuata, &äXafxoi, jufyctQce genannt wurden. Das Schlafgemach des
Odysseus lag im obern Stocke, da er die Aeste eines Baues benützte,
nm aus ihnen das Ehebett zu gewinnen. Dass auch das utyceQov be-
sondere Gemächer für Wohnungen zur Seite oder im Grunde gehabt
habe, unter diesen deu ävdQuiv, die Männerwohnung, im Gegensatz
des yvvcciy.üov im oberen Geschoss, geht aus dem Ueberbau für die
Frauen selbst hervor, und in einem derselben, wenn nicht im /us'yccQov
selbst, stand wohl der Altar, auf welchem die häuslichen Opfer der
Familie gebracht wurden, von welchem Klytämnestra im Agamemnon
des Aeschylus (v. 1334) sagt: sie habe keine Furcht, so lange Aegi-
sthos Feuer auf ihrem Heerde anzünde:
163
Ov /uot ipößov (1. (pofiov) u€Xcc&qov iXnig Bftnattlv,
"Ewg äv cu&ri tivq £(j> tGxCcts tjuijs
AiyiG&og.
Es bedarf kaum der Erinnerung, dass diese im Ganzen durch-
gehende Einrichtung, mit dem Hofe vor dem [xtyctQOP und den obern
Gemächern vorzüglich für Frauen, nach Ort, Umständen und Umfang
des Baues grossem Wechsel unterworfen war, und eine nicht ge-
ringe Verschiedenheit zeigt; die Haupttheile aber, dem Bedürfnisse
des Hauses entsprechend, kehren, wenn auch in andern Lagen und
Verbindungen, überall wieder.
Geht man von diesen Bemerkungen an den vorliegenden Bau,
so treten, wie oben bemerkt worden, als Hanptheile desselben der
grosse Vorbau gegen Osten, der Bau nach Norden und Süden, und
die Halle, durch welche beide getrenut und verbunden wurden, be-
stimmt auseinander.
Wenn diese Verbindungshalle im oberen Geschosse Halbsäulen
und Fenster hatte, so kann solches nicht ohne besondern Beweg-
grund gewesen seyn. Denn Halbsänlen zum blossen Schmucke sind
der noch strengen und principiellen hellenischen Architectur so fremd,
wie sie der römischen gewöhnlich sind, welche das architectonische
und constructive Bedürfnisse dem Streben nach Prachtvollen und
Geschmückten aufopferte. Es musste demnach durch jene doppelte
Vorrichtung auf eine besondere ursprüngliche Beschaffenheit der
Querhalle hingewiesen werden, und diese kann keine andere gewe-
sen seyn, als dass sie gegen Westen offen, und allein durch Säu-
len gestützt war. War dies, so wiederholte der Neubau diese Be-
schaffenheit, indem er zum Behufe des Schutzes zwar den Westen
durch eine Mauer schloss, aus dieser aber die ursprünglichen Stützen
als Halbsäulen hervorragen Hess, und die Oeffnung gegen Westen nur
zum Theil aufhob, indem er eine von Fenstern unterbrochene Mauer
21-
164
bildete. Sie blieb also eine offene Säulenhalle, nur in der durch die
Rücksicht auf den Neubau gebotenen Beschränktheit. Es erklärt
sich somit eine auf keine audere Weise deutbare Erscheinung, uud
die auch in dieser Beschränkung einem Tempelbau ganz widerstre-
bet, dagegen als Erinnerung an eine Halle des Königsbaues wohl
geziemend und berechtiget ist.
Diese Halle steht nun mit dem südlichen Vorbau, dem Kane-
phorensaal, in Verbindung, der ebenfalls ein festgemauertes Erdge-
schoss unter sich hat. Zwei Stufen reichen hin, um aus der Halle
in den Saal hinaufzugelangen , dessen Boden nur um einige Fuss
höher liegt, als derjder Halle. Die Erscheinung der sein Dach stütz-
enden Jungfrauen deutet wohl deutlich genug an, dass hier das
yvvcaxelov die yvvcuxwpiTts im oberen Stocke des Königsbaues ge-
legen war, vielleicht mit dem Altar der Pandrosos darunter. Als
diese Bestimmung aufgehoben, und das Ganze in den vscbg 'A&rjväs-
üavdqooov, und das Frauengemach iu einen Oberbau desselben ver-
wandelt wurde, hielt man für entsprechend, hier, ebenso wie bei der
Querhalle, die ursprüngliche Bedeutung des Locals im Neuban aus-
zudrücken. Dieses geschah, indem man die Jungfrauen selbst, die
es ursprünglich bewohnten, als Kanephoren unter das Dach stellte,
so wie sie ehedem bei den Opferzügen der Göttin aus ihm hervor-
getreten waren, und noch jetzo in der Pompe der Panathenäen im
Parthenon gebildet sind, wenn nicht, wie wir oben bemerkten, in den
sechs Jungfrauen die ursprünglichen Bewohnerinnen, die drei Töch-
ter des Erechthens und die drei des Kekrops gedacht uud in ihrer
hieratischen Beschäftigung dargestellt wurden. Aus dem yvvtuy.Mov
führte sofort die westliche Halle nach dem nördlichen Baue, der ge-
gen sie als ein Erdgeschoss gegen ein oberes sich darstellt. Es ist
bei dieser Anlage uothwendig anzunehmen, dass ursprünglich eine
Verbindungsstiege aus der offenen Halle iu dieses niedrigliegende
Gemach herabführte, und wir werden darum iu ihm das eigentliche
165
ävdQcbv, die apdQwvlng des Hauses mit dem lleerde haben, auf dem,
wie oben bemerkt, die häuslichen Opfer gebracht wurden, und die
königlichen Frauen oder Jungfrauen konnten dann aus ihrem Ge-
mach durch die offene Halle nach dem Männergemach, und zu
diesem, gleich der Penelope, über eine Stiege herabgelaugen.
Hatte nun der nördliche Bau ursprünglich die Bestimmung, das
Männergemach, das eigentliche /utyctQov oder oYxtjjua 'EQsx&scog zu
seyn, so erklärt sich, warum der Neubau ihn mit solcher Sorgfalt
und Pracht behandelt} auch findet der ßcojuog &vtj%ov in ihm seine
Erklärung, und während die offene Querhalle des Altbaues bei dem
neuen nur noch durch Halbsäulen und Fenster, das yvvcuxuov durch
die Jungfrauen angedeutet blieb, so begnügte man sich bei der Um-
gestaltung hier, die Maasse und Ausdehnung des uvSqwv und den
Altar in seiner Mitte beizubehalten, die Verbindungsmauer aber ward
durch die Säulenstellung ersetzt, als dessen Bestimmung in dem Neu-
bau hervortrat, dem Altare des Zsvg vnctog nur noch als Umgebung
und dem Adyton als Haupteingang zu dienen. Auch wäre dann offenbar
ebenfalls als Erinnerung an die ursprüngliche Bestimmung, obwohl
nach Hin. Forchhanuuer geblendet, das Thor beibehalten, durch wel-
ches er im Hintergründe mit dem Adyton in Verbindung stand.
Findet auf diesem Wege die ganze Anordnung des westlichen
Baues die wünschenswertheste Erklärung, so wird nach der Be-
stimmung, die wir seinen drei Theilen nachgewiesen haben, der üb-
rige Bau welcher in den östlichen i^dorvXog endiget, als der grosse
Saal, als das iA£yci<jov, sich darstellen, zu welchem aus der aT&ovoa
der Zugang offen, und der zu den grösseren Versammlungen und
Schmausen der bei dem König Einkehrenden bestimmt war.
Als Theile des altattischen ävaxkiov oder Königshauses betrachtet,
erscheinen darum die Glieder und Hallen des Baues in der ihnen
gebührenden Lage uud Verbindung. Das eigentliche Megaron hat
166
das innere Gemach des Königs mit dem Altare gegen Norden ebenso
natürlich zur Seite, wie im oberem Baoe linker Hand das yvvaixtiov,
und die Verbindung zwischeu beiden war durch den Quergaug der
Sache gemäss hergestellt.
Indess zeigt die homerische Stelle, dass dem Hause des Erech-
theus ein Sacellum seiner Pflegerin und Mutler, der Pallas, verbun-
den war, deren ältestes Bild, das dunsrtg, in ihm verehrt wurde.
Denn wäre nicht dieses gewesen, so war kein Grund, warum der
Dichter in der Iliade sie gerade in jenes Haus statt in ihren Tem-
pel einkehren Hess, welchen die Stelle der Odyssee als auf der Burg
gelegen bezeichnet, da hingegen dieses Einkehren in das Haus des
Königs ganz in der Ordnung ist, da, wenn sie dort ihre eigene
Wohnung diesem verbunden fand, sie durch dasselbe zu ihm gelangte.
Für diese aber ist der durch den Querbau abgeschlossene, un-
tere, westliclie Raum, in welchem später ihr advtov gelegen war,
wohl geeignet, und nicht umsonst wurde noch später im Hintergründe
das Thor so prachtvoll angelegt. Es galt dadurch auch später, die
ursprüngliche Bestimmung desselben zu ehren, welche war: das
königliche Gemach mit dem advrov seiner Schutzgöttin und Pflegerin
in Verbindung zu bringen. Dass dabei sowohl die westliche als die
südliche Halle in der Gegend, wo später der OTt]Zoßc(Tt]g des obern
Baues zu liegen kam, ursprünglich mit einer Decke durchzogen war,
unterliegt wohl keinem Zweifel.
Als der alte Bau aufhörte, das Wohnhaus der altattischeu Kö-
nige zu seyn, und mit Belassung seiner Anlage und Eintheilung dem
Cultus der alten Stammgottheiten allein überlassen blieb, wurden zu
diesem Zwecke die Räumlichkeiten benützt, wie sie sich böte*: die
Cella des b^ÜGrvXog für die Altäre des Hephästos, des Poseidon,
des Butes, der untere Bau des yvvaixslov zum &äAajuog der Pandro-
167
sos; die beiden Köuigsgräber aber empfingen die Stellen, die ihnen
als den Beschützern der Heiligthümer beider Gottheiten gebührten.
Ob noch besondere Vorkehrungen bestanden, die im unteren
Geschosse der Westhalle neben einander liegenden Heiligthümer,
das Tlavdqöoiop , Ksxqotiiöv und advxov rijg HoXiädog, zu schützen,
vom ädvtov namentlich Staub und Regen durch Schluss der Fenster
über ihm abzuhalten, darüber gibt das, was vom Baue übrig ist, keine
Belehrung. Nur dieses lässt sich sagen, dass er keiner Vorkehrung
entgegen war, die zu diesem Zwecke nöthig konnte erachtet werden.
So viel, um die Räthsel dieses verwickelten Baues zu erklären,
und wir brauchen kaum zu erinnern, dass nach unserer Annahme
sich jeder Haupttheil als ein nothwendiges Glied des alten Königs-
baues darstellt, sofort aber der Neubau als eine zweckdienliche Be-
nutzung und sorgfältige Beachtung der Eintheilung des ursprünglichen
äväxstov erscheint, während er, abgelöst von der ursprünglichen Be-
stimmung des Hauses und dem Bedarf seiner Glieder, als planlos,
verworren oder unberechtigt betrachtet werden rnusste.
*»*
In einer zweiten Abhandlung über das Erechtheum werden wir
das Architektonische des Baues, den ionischen Baustyl im Gegen-
satz zum dorischen des Parthenon, und in beiden die Entwicklung
der griechischen Architektur nach ihren zwei Hauptrichtungen, als
bis in das Iuuerste und Einzelnste von inander abweichend und dem
Charakter der beiden Stämme, die sie darstellen, vollkommen ent-
sprechend, darzulegen bemüht seyn.
Erst nach Schlüsse des Druckes kam aus Athen vom Hrn. Rhisos
Rhankaby Antwort auf mehrere Anfragen, die ich bezüglich auf das
Erechtheum an ihn gestellt hatte. Diese Antwort wird mit der zu
ihr gehörigen Tafel IV. als willkommene Beilage II. dieser Abhand-
lung angeschlossen.
168
Beilage I.
Nr.
A.
10g Xaßövzoi-
v) övolv dvöqolv 2(oola ]AXuiTi-
exijoi olxovv(zi):V.: —ivöqovi:Y:zrjv
oqocprjv xaziozäoiv , zrjv xa/.m-
5 vXt]v aeXlöa elg eöqav xal zd-
g aXXag ivcayayovaiv elg eöqa-
v exdozrjv , Mdviöi iv KoXXvz-
io olxovvn :b: Kqoloq) iv 2xct[.i-
ßcoviöiov oixovvzi :V: Avöqia
10 ifx MeXizrj oixovvzi :h: TlqeTio-
vzi. IdyqvXrjqi oixovvzi :fr: Mtjöq)
i(x MeXizrj olxovvn :h: IdnoX-
XodüJQO) if.i BleXizrj olxovvr-
i :r: 'Ixqitürcaza xa&eXovoiv zct
15 drcb ztov xiöviov zwv iv zi] rvq-
oozdoei, "§ dvöqdoiv, Tevx-
oog ev Kvöa&rjvalw olxcöv :\r
Keqötov lA§ionei&ovg : h : Kqola-
og sv ~Ka/LißtJvidü)v olxwv :r: II-
20 qinoiv uiyqvXrjai olxwv : V : Kt](p-
loööwqog :r: Zrcoöiag :r: 'Ixqiai-
oaoi zolg iyxavzaig ix zov
iv)zog vnb zr)v oqoq>fjv, 3Idvi-
öi iv KoXXvztp oixovvzi :||||: A-
25 exdvag;) ävacpogrjoaoiv , Jlqirco-
vzi A)yqvXrjoi oixovvzi :\r: Mr]ö-
oj) i/x MeXizrj : oixovvzi V . Kecp-
ä)Xaiov vTtovqyoig :PAAAHH"t*
IHIC: IJqlozaig xad-' rji.iiqav iq-
56.
B.
P. Texz(ovi xa& fj/niqav iqya-
Ko^ievip f.i z-
qizt](g ö) wd(exrjf.iiqov Ttivze 6ßo-1
Xovg z(rjg) r){fxiqag Jxdozrjg e-
nzd Tj(f.t)sqtü(v IdXian-
sxrjoi olx)ovvzi) PI||||..ToZff xaX-
v/.if.iaoi ne{qixaXvxpavzi ifxn-
qbg , i[xio&(iöoafiav övolv öqay-
f.icuv \.x{doz .... ze-
zzdqcov iv K-
oXXvzaJ (oixovvzi Phrf-. zb Kv-
(.idziov 7zeq(ixoXXrjoavzi ifin-
qbg ifiig&Cü^oauav övolv öqax-
/.talv i'xaoz(ov zb onaiov 6
Tiala eif. 3ld(viöi iv KoXXvzio
oixovvzi :A(hl-: zb xvfxdziov ne-
qixoXXr]oa(vzi oniaia if.na&-
oioafiav övoi(v öqaxi-icüv exa-
ozov zb ou^alov, onaia l'£: K-
qoioo) :Arl- (: KecpdXaiov xexzo-
vixov PH- INI : ( . . . xa& iy-
lieqav iqya£ofiivoig( . . . zq-
oyiX£iav( K-
exqörtiov ÜC-
exqonixd
ivag ovv9e
oaai iv zfj . . . (nsvzs dvd-
qdoiv Jqayf.1
vovi Y : IdnoXX^odwqq) V : TlqeTiov-
169
30 yato^isvoig, dvolv ävdqolv xi : h : Miqdip : Y : ( . .
exxaidexa rj/neqiov, öqax^rjg (xa^ijxävip : Y : '/x- ?
xrjg rj^ieqag Ixäaxrjg exax- qia xa9eXov(ot
i)gco , 'Paidtcp iv KoXXvx(p o- 01 arzb xov x(eixovg ....
l}xovvxixaiavvsqyo> A A Ah Y .II- o acp1 wv xd £(wa
35 qloxaig xad^ rjfiiqav eqyatn- dvöqdat. TliqliTOVTi. Mrjdip . . lA-
/nevoig, xqixtjg öiodexrjiieqov, x- noXXodoj(q(p . iv xecpaX-
aXv/^/^iaxa eg xtjv oqoyrjv , s~ Xaitp ,111
Trra f]f.isq(Sv, öqax/HTjv xrjg -fjfi- bx
iqag exdaxrjg dvolv dvöqol- f.io
40 v, <PaiöUp ev KoXXvxtp oixov- v
vxi xai avveoyü) : A Y Y Y Y . Kegxx-
; Xaiov nqlaxaig AAAATK iyx-
avxaig, xo xvfidxiov iyx£a(v-
xi xb ini x(p iniaxvXup (x-
45 ip ivxbg , nevxoßoXov xo(v no-
öa exaavov. M.iai}ioxrjg J{iovv-
aoöuiqog e/J. MeXixrj oi(xti)v .
i)yyvt]xr]g 'HqaxXeldrjg ( 'Orj&s-
v A A A : KecpdXaiov eyxav(xatg
50 A A /\.Xovoox6oig. XdXyvag(xqva-
iäoavxi Ttqoaaneöo^isv xo 6q>-
eiXöpevov xrtg nqoxsqag (Ilqv-
xaveiag xrjg Oivrfi'öog , 2{vol-1
qxp s(.i MeXixrj olxovvx(i .
55 ■xKpaXa.iov xqvaoxöoig ( . . (.i-
to&oi ap/tTexrovt ldq(xiX6x~
ip IdqyvXrj&ev A A A P Y Y . v{itoyq-
ad^fiaxelllvqyicjvi A A A 1 1|(||. Keq>-
dXaiovnio&ov P A T Y Y\ \ \ | |. IvQiTta-
60 vxog dvaXtufiaxog xeq>äXa(iov
XlfHHPIAAAAUIG.
'Eni xrjg yleovxiöog kß(d6fii]g
TiQVxavevovaqg V. ytrj(.t/.i(a naqd x-
ctfAtwv xrjg&eov, n(a)qdlA(qrjoalxii-
Abhandlungcn der I. Cl. d. 1. Ak. d. Wiss. V. Bd. HI. Abth. 22
170
ov) IdygvX^ev {xal avvagxdvxw-
v XXXXHHH
za xe
Nr. 57.
A.
B.
zb öo)gv e%ovza HA. Ovgö(xa-
Xog K)t](pioisvg xbv veaviaxo-
v rbv) nagd xbv &wgaxa\^A. Ilgax-
giag) ift MeXLxjj oixwv xbv
5 'inno)v xal rbv orcLofrocpavrj x-
bv na)gaxgovovxa H A A . lAvxicpdv-
qg ix) Kegafiicov xb dg/.ia xal x-
bv ve)avioxov xal xa> %nnw rw
^evy)vv/.tivto H H A A A A . Ovg6{.iax-
10 og Krj)*piaievg xbv ayovxa xb-
v *l)nnov PA. Mvvviwv L4yqvXfj-
oi) oixwv xbv cnnov xal xbv
a)vöga xbv enixgovovxa} xal
zrj)v ozrjXrjv voiegov ngoaed--
15 ijx)6HZ\APH', 2(J5xlog AXconextj-
gi) oixwv xbv xbv xaXivbv s-
%6)vxa PA. (DvQÖ/.iaxog Kognate-
vg) xbv avöga xbv enl xfjg ßa-
xz)rjglag eiotyxöza xbv naget
20 zb)v ßw/xbv HA, "laoog KoXXvxe-
vg) xrjy yvvalxa fj ij naig ngoa-
ne)nxwxe PAAA. KecpdXaiov a- A
vala>)LidTiovol'xoaXXXH H H AP(h).^_
[xii)a XXXHHHtt. AvdXwfia xb a-
25 vx)bv. 'Eni xrjg Havöi-
ovidog oydotjg ngvzavevova-
rjg) krj/u/iiaia nagd xafiiwv xrjg
$e)ou 'Agrjoar/fjov AygvXfj&ev (x-
(ITaga-)
dely(.i(ax)a nXdxxovai xwv x&Xx-
wv xwv (e)ig xä xaXvfjfxaxa. NrjO-
£L i(.i MeXizrj oixovvzi Phhh.
Vtegov nagdöeiy/j.a nkdaav-
xi xrjv axav&av eig xä xaXvfx-
[.taxa. Idya&dvwg yAXw n exrjoi o-
ixcüv PhFK KecpdXaiov xrjgonX-
doxaig : APh. Miad-ol dgxixixx-
ovi 'Agx,iX6x<a 'AygvXJjd-ev A A
Aph. cYnoygafifj.azel JJvgyiwv-
i 'Ox(g)vvel AAA. KeqjdXaiov /xc-
(T^oü(P)Anh. ^Evxavxeixb xvfxdxi-
ov evxa'iavxi zb enl zw eni-
azvXiw zip evzbg , nevzößo-
Xov zbv nöda exaazov , nööag
exazbv dexazgelg' /.uo&wzei
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MeXlxr] oixovvxf eyyvrjxt)-
g 'HqaxXddtjg "OtjSev , A A A A V b
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g A{l)yi}ib'og Xfafiaza nagd ra-
fiiwv zrjg Osov , nagd Aqrjoaix/xov
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X.)HHH .... eig legd {ie-
zd z(Zv drj/x . . . k'vrj xal v-
171
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30 Hl. 3A)vaXoo/naza. tovi^taza. 2a-
vi)ösg dvio ?.g ag zbv Xöyov a-
v)ayodq>o/Li£v, ÖQax/ufjg hxaze-
g)av bb. KtqidXaiov covrj^dzwv
b)b . Ai&ovqyixov' Qaßöajoewg zoöv
35 Xl~)OVCOV Ztöv 7lQ0g EW ZOV XCtZCL (z-
dv) ßwfibv zbv zqizov anb z(pv) ß-
(ü(a)ov zrjg z/itövtjg. A/.i£tviddrjg
iv K)olXy oUwv ATH- h h. A{l)ox-
ivt])g A P b Y V . Avoavlag A P b \ b 2-
40 to[A.e)vrjg A(.i£ividdov APbf-f-: 77-
- [xox)odzr]g API-f-K Tö)v fyofx&v-
lav £§rj)g. 2i/.iiag 'AXionexfjoi
oixtöv A)tbk Keöqiov AFMIIII. 2iv-
dotov 2i(j.iiov: Abb ||||. 2cDxXrjg *Ax~
45 aionei&)ovg A bb Hill. 2avvico(v)2i-
fxiov) A ( l ) b 1 1 1 1 1. 'ErtiEixrjg (2)cfj.iov: A
bb\)\\\\:2oj(o)avdQog2^d(ov)Abb\\\\\
zwv) sxo/Lievcov ek'ffcg') 6vrjo(i-
(.wg) Nixoozqdzov; APb ||||. Evdo-
50 £o)g AXojTzexrjo(i) olxoo)v AP||
||. KX)iojv APb HU- 2lfi(tovAy)QvXrj-
ai) olxaJv: APb UM C'Ev)öoiog
rXav?)xov: API« IUI £t/'(c?Oxos: APt'll
||. tw)') exo{itv(o)v i%)orjg: Qevy-
55 e'vjyg) üeigaisv (g:AP: Krf)(piooy£-
vrjg n*)siQat€v(g: AP: T)t(vxoog e)v
Kvöa)&rjvaiqj (oix)o~Jv: AP : Krjcpi-
o6doo)oog s)v 2xaftß)toviöiöv oi~
xwv): AP:Nix6(ozoa)xog: AP: Oevys-
60 ittov II)tiQai£vg:AP. Tovg oq&oo-
zdz)ag xazdx(oa)vzi. zco naqd zäi
Ov)rj%ov ßtofiuZ, (n)oXvxXfjg ([A)axi-
adj/g) A A A P. <P(aß)6t6o£Ojg zojv xiö-
k)a e<g dvoiav zrj 'Adrjvaiq
Vbbb\\\. 'AvaXoö^taza- covrj(.i)az-
w xägzcti iiovy&rjoav ovo) ig
a zd avxiyqacpa £V£yod(poa[.i-
sv FF IUI. 2aviöeg zizxaoeg, bF
bb. XqvgLov itovy&rj elg zag
xdXxag, nizaXa HPAP|, dQaxi-iij-
g exaazov zb nezaXov naq1 Aö-
öviöog e/.i MeXizy olxovvzo-
g HP APb. MöXvßöog iiov^drj (dv-
o zaXüvzo) elg tiq6o$£Oi)v zoo-
v ^(pötcor, naqd 2tüozqdz{[ov Sfi M-
eXtz?] olxovvzog : A : Xqvo(bg n-
ezdXio ovo liovTqd-rj XQV0(*> ( «ff
zu) ocpdaXi.10) zov xiovog rcaq' ]Aö-
övidog sfi JMeXizrj oixnv(vz)o-
g bb. KecpäXaiov wvrjixäxto^. Hfl
AAAPb bb b\. J i&ovqyixov. gaßöco-
oecog zwv klovcov zcüv Ttob(g) eto. x-
bv naqd zbv ßiof.ibv zbv {rcqb)g zov
ßcopov zrjg Jiojvijg. Aäo(oaogyAX(io-
ixe\ OiXoov 'EQXisvg, {IIa^fi)iv((av
Aaoooov, Kaqiiov Aao(ooov, "/acr-
og HA. Toov £XOf.iiva)(v i§rjg. z-
bv dsvzeoov , OaXa(xQog Tlaiav-
ievg, d)iX6azq{azog Tlaiaviev-
g. QaqyrjXi^og, i&lXoQng, Fegcov 0-
aXäxoov H(A. Toov lxo{.ievoov «£-
rjg. 3A(.i£iv(i)ä6{jjg h KoiXrj olxw-
v, Jvaav(ia)g, 2tof.iiv(rjg Afisivid-
dov,Alox(lv)r]g, Ti{io(xQazr]g HA. T-
tov £(xo)[i£vtov l%a%. Ii/.ilag 'A-
Xion(e. o)ixc5v, Ksqöoov ^IvÖqcüv,
2co(xXfj)g , 2avvlio(v ''Enieixrjg, 2-
io(oa)vÖQogPA. T(bv) tcq&xov xiov-
22*
172
a{an)o xov ß(o/.iovx(rjgJiwvrjg), Bevy-
i(vt])g IleiQai: K)i](piooyevT]g ITe-
i(gaievg) , Tevxgog (Kvdafrqvcuevg,
Kr](piaoöojQog {2xa/.iß(t)vidrjg. 0-
evyelxwv Ileig: (HA. Ki.(pdXaiov
Ai)9ovgyixov P. XdXxaig igyaaa/x-
svoig. Nijo(e)t ifi MeXix^jj) oix. y.-
iav A b H* b . ^oxiXrjg Id. ... .
(.tlav AtH-t. Ev[iT]Xi(dr]g iv) 2x-
vüjv t)wy ngbg zw xov xaxd xov ß-
65 10/u.ov) iwv nq(og) xooßcopov xrjgJicu-
vj]g,A)dooao{g)l4aXto7vexrj(0-)evAA.(D-
Xio)v 3EQ%i(€v)g A A : JXapkpbivwv A-
aöa)aovAA.K(agi)o)vAaoaaov:(A)Ai"l-
aaog A)A. Twv ixofxsvwv (*x)ffiy-
70 g' 0dXaxgog IIaiavievg( AA). (DiX-
6axg)axogIIa(i^avie:AA- 0{a)gytjX-
tog 0{aXdxgov{A) A. QlXog(f.w)g <DaX-
dxg)ov :AA. yley(iov)cpaXdx(qov)AA.x(jSv a/n. otx.Abbfb 0lXi(og i)v 2xaf.i-
ix)ofiiv(ov (e%)ofjg. lA/x(Ei)vtdör]- ßo~ oix: Ab b bb. lAyöq(a)vdgog iv
75 gi)vKol(X)y(ol)xdJvAA.(A)ioxivr]- KoXXv oix: Miav: Abb bb. XdXxa-
gA)A.Avaa(viagA)A.2(o(fi)evrjgAfi- g egyaoa^ev(o tf, 31dviöi iv
ei)vidd(ovAA.T)iftox(g)dxr]gAA:Tc5- KoXXviiö oix) oüv. P A A Ab b bb .XdXx-
v) ix,o(j.i£v)iov e§TJ(g.) ^ifxiag: AX- ag igyaoa/ui)vo) evöexa ~x-
(on)exr]Gi oixwv A(b)bbb ||. Kigö- . . . . iv KoX)Xv: oixovvx-
80 wv)A(b)bb b\\.Zlvögto(v)Zi/xtov: Ab'(b
bb|)|. HcoxXrjg 'A§(ion)eld-ovg (Ab
b b b) \\.Zavvia>v2i(j.ttov) A b b b(b||. E
nu)ixrjg 2i^i(ov A b b ) b b (| |. 2a>oa-
vögog) :Abb\rb\: T(wv i)x(pix£Vü)v
85 £§fjg-) yOvtjoifi(og Nixooxgdx-
ov. . .|||C. (Evdo^og LdXconexrj-
oi oi(xiov
t HPbbVt. XdXxag) igyaoa(.iiv-
q) , (.dav .... )xi(o : A b b b
b. XdXxag igyaoa^&vq xgei-
g AA)AAbb. xb
. XdXxag egyaaa/.i)svoj x-
Nr. 58.
A.
Twv ixoft)svcov e(^ijg. 2iff-
iag AXh)7iex)rjoi oixwv(Pbb\. K-
igdiov Pbbl). 2ivögiov ^i/j.i(ov Tb
b|. 2coxXrjg lA)^Lonei^ovg bb(b|
2avlcov 2i)(i{i)ov :bbb|. 'Eniysvrj-
g Siftlov P b ) b I. Zwoavögog Pbb. x-
bv xgixov) xiova dnb xov ßco/xov x-
B.
173
rjg Jioviqg.) Osvyivijg üeiQaie-
vg Ptl-^DJ. Krjqtiooyevtjg neiget- X
10 levg nr)rr||. Teuxqog iv Kvda&- av
rjvaloj) oLxwv rrrr||. Krjyioöö- aXX (ß(x Me-)
togog sv —)xa/nßioviöwv olxwv Ihr] (oixojv
rhr H|. NiK)6öTQixTog : Phh r \\. Ge- xbv zov
(vyslzcov ITeiQaisvg Pb b h II.)
Beilage II,
enthaltend die Antworten des Herrn Rhisos Rhankabis auf mehrere das Erech-
theum betreffende Fragen aus einem Briefe, Athen d. ,s/ts Decbr. 1848, mit
Bemerkungen des Verfassers der Abh. — Vergl. Taf. IV u. V.
„Ich würde mich glücklich preisen, wenn meine Mittheil ungen
Ihnen von einigem Nutzen seyu könnten. Ich fühle, dass denselben
genaue Vermessungen zu Grunde liegen sollten; aber ich sehe, dass
ich vor Allem mit denselben nicht zögern darf. Sie werden also
einstweilen mit unvollständigen Angaben vorlieb nehmen, die ich
später, wenn es noch Zeit seyn wird , zu ergänzen suchen werde.
Jetzt werde ich versuchen, Ihre Fragen, die eine nach der andern,
bestmöglich zu beantworten."
i. Frage: Ist eine Spur vorhanden, dass der hohe Theil der
Cella hinter dem östlichen Eingange aus dem nQÖvaog durch eine
Vorkehrung gegen das Hinabfallen in die Tiefen geschützt war?
Antwort: „Nein. Die Plattform, worauf die östlichen Säulen
stehen, ist in der Mitte, westlich von diesen Säulen, mit der Mauer
174
der Cella selbst zerstört. (Taf.IV. Fig. 1.) Diese Plattform ist a' a a' .
der zerstörte Theil davon ist b. Sie liegt 2,87m höher als der
Boden des Tempels. Dass sie sich noch hinter die Mauer cc,
westlich derselben, erstreckte, davon habe ich einen sicheren Be-
weis, der nicht zu glauben erlaubt, dass die beiden Theile derselben
a' a', die man jetzt hinter den bestehenden Ecken der Mauer er-
blickt, ein neuer Anbau seyen. Dieser Beweis ist der folgende:
Das marmorne Pflaster der Plattform liegt auf mehreren Schichten
des porösen peiräischen Steines. Wo die zweite Schichte (von oben
an gerechnet) an die nördliche Wand des Tempels stösst, hat einer
der Marmorblöcke dieser Wand einen monolithisch gehauenen Vor-
sprung, der in das Innere der Plattform greift (bei e Fig. 1). Er
ist 0,lm tief. Es ist also gewiss, dass die Plattform innerhalb
der Mauer gegen den Tempel sich erstreckte. Die Breite oder
Tiefe dieser Terrasse kann, glaube ich, nicht zuverlässig angegeben
werden. Nur muss ich erinnern, dass das Marmorstück, das den
Vorsprung hat, noch auf 0,1 8m gegen Westen roh gearbeitet bleibt,
das nächste unter ihm auf noch 0,64"' , und unter diesem noch die
Wand auf 6 Schritte weiter, wie ungefähr auf Fig. 3, wo a das
Marmorpflaster der Plattform ist, und der schwarze Fleck den vor-
springenden Stein vorstellt. Ich darf aber nicht verhehlen, dass ein
Theil dieser Steine vielleicht ungeglättet blieb, weil der Tempel nie
ganz vollendet war. Die südliche Wand beweist Nichts für die Breite
der Terrasse; denn der peiräische Stein unter dem marmornen Pfla-
ster a (Fig. 1) erstreckt sich auf dieser Wand sehr weit ( 5,25"' )
gegen das Innere des Tempels, also viel weiter als auf der nörd-
lichen Wand und als die östliche Terasse tief seyu konnte. End-
lich vor den beiden gegenwärtig vorspringenden Ecken des beste-
henden Theiles der östlichen Terasse, ungefähr 4 Schritte von der
östlichen Wand der Cella entfernt, stehen noch (bei ff. Fig. 1 .) zwei
175
Pfeiler porösen Steines aufrecht. Sie mögen die Eckpfeiler seyn
und an den Puncten gestanden haben, wo die östliche Terrasse sich
rechts und links wendete, und also die Tiefe derselben bestimmen.
Von diesen Pfeilern an laufen zwei Mauern, 3 Schritte von den
resp. Mauern entfernt, denselben parallel. Sie sind aus peiräischem
Steine. Die südliche, fg. (Fig. 1), erhebt sich ein paar Fuss über
dem Boden und reicht bis an die Scheidungswand der Querhalle.
Es ist schwer zu sagen, wie weit die nördliche, fh, reichte. Sie
liegt meistens tiefer als die Oberfläche des Pflasters, und ist nicht
überall sichtbar. Diese Mauern bezeichnen, glaube ich, die Spuren
der beiden Flügel der Terrasse. Noch ist zu bemerken, dass am
inneren Fusse der nördlichen Mauer ein schmaler Vorsprung, 0,lm hoch,
0,1 2m breit, läuft, und auf 0,65m weiter als der unbehauene Theil
des Marmors reicht (ei Fig. 1. — bc Fig. 3). Bis dahin mag die
nördliche Stiege gereicht haben. Auf diese Details stützt sich meine
Vermuthung über die Einrichtung der Cella, die ich in den Ant.
Hell. p. 70 ausgesprochen habe. Demnach wäre eine Vorkehrung
gegen das Hinabfallen durch Gitter u. dgl. sehr wahrscheinlich, aber
keineswegs sicher".
2. Frage: Liegt das Grab des Erechtheus so, dasä zwischen
dem Ende der zu ihm hinabführenden Stiege der Raum für den Al-
tar des Erechtheus übrig war, und mussfe man über das Grab oder
an ihm vorübergehen, um über den nebengelegenen Eingang in die
hintere Querhalle zu gelangen? Autwort: „Das Grab liegt bei A
(Fig. 1), 5 Schritte entfernt von dem vermuthlichen Ende der Stiege.
Das Grab selbst, die Vertiefung nämlich, die man dafür halten muss,
ist breiter als der Eingang k (Fig. 1) der Querhalle. Man musste
also nothwendig hinüber und nicht vorüber gehen".
3. Frage: Ob das Prachtthor der nördlichen Halle geblendet, unddie
Einfassung desselben nur als Anzeige des Thores zu betrachten sey, und
176
ob diese Halle ganz aufgeräumt sey? — Antwort: „Die Halle ist
ganz aufgeräumt worden durch die archäologische Gesellschaft. Jene
Behauptung über das Thor war Herrn Forchhammer nur desswegeu
möglich, weil er das Thor nicht gesehen hatte. Darüber sehen Sie,
was ich in der Revue archeologiqne von Paris im Jahrgange 1845
geschrieben habe". — Die Stelle, welche mir entgangen war, be-
findet sich in dem erwähnten Journal 2e annee sixieme livraison.
15. Septembre S. 322 ff. in einem Briefe des Herrn Rhisos an
Mr. de Soulcy, und liefert einen schätzbaren Beitrag zur Literatur
des Erechtheums und zu seiner Beschreibung. Zur Erläuterung ist
eine Zeichnung des Prachtthores beigefügt, welche wir zu demselben
Zwecke der Beschreibung Tafel V. wieder geben. Herr Rhisos nennt
sie eine „schwache Skizze" und verweist auf die schönen Zeich-
nungen, welche Herr Boulanger Herrn Soulcy vorlegen werde.
Diese würden die Thüre in der ganzen Pracht ihres Schmuckes
ihm besser zeigen, als jede Beschreibung. Bezüglich des Ganzen
wird bemerkt, dass die ngögraoig ngog rov &vQcöjuaTog durch eiu
modernes Gewölbe in eine Pulverkammer war verwandelt worden, die
Herr Rhisos auf die Eroberung der Stadt durch die Türken zurückführt.
Einige Bruchstücke des Frieses , die darin eingemauert gefunden
wurden, seyen Beweis, dass dieser türkische Bau sich unmittelbar
an eine theilweise Zerstörung des Tempels angeschlossen habe.
Diese gehe wohl über die Beschiessung durch Morosini zurück, da
der dunkle Bericht von G. Wheler (1689) zu zeigen seheiue, das Ge-
wölbe habe schon zu seiner Zeit bestanden. Zwischen dem Ge-
wölbe und dem Dache waren noch Gemächer angebracht, in denen
die Familie des Generals Guras wohnte, die, wie wir anführten, in
ihr den Tod fand. (Vergl. S. 85 unserer Abb.)
Ehe man das Gewölbe abbrechen konnte, war nöthig, die zer-
brochenen Architrave herabzulassen, welche bei der letzten Zerstö-
177
ning sich darauf gelagert hatten. Nachdem diese eben so schwierige
als gefährliche Arbeit glücklich zu Stande gekommen war, konnte
man, was von der schönen Halle noch aufrecht stand, und darunter
die hintere Wand mit dem Prachtthore freistellen. Dieses wird in
folgender Art beschrieben : „Der Sturz (le linteau) des Thores ist
aus vier übereinander gelegten Blöcken gebildet (AB, BC, inbc,
bletri). Die beiden ersten, welche reich mit Blumen, Eiern, Rosen-
kelchen und Astragalen geschmückt sind, werden durch eine vertikale
Spalte getrennt und ruhen auf den untern Blöcken, welche nur mit
einfachen Gesimsverzierungen geschmückt sind. Gleich bei der ersten
Besichtigung dieser Abtheilung des Gebäudes gewinnt man die
Ueberzeugung, dass der Sturz durch irgend einen Zufall beschädigt
wurde und man ihn von unten bis zum letzten Astragalus abschnitt,
von dem ein Theil zerstört wurde. Man fügte dann den Block inbe
ein, der als Stütze dienen sollte. Man könnte sogar glauben, dass
die Thürpfeiler oder Pfosten alf.e, hgmd und der Block blem erst
zur Zeit dieser Ausbesserung angesetzt wurden, um die Thüre zu
verengen, wie solches bei der Thüre im Opisthodom des Parthenon
stattgefunden hat, und dass der alte Sturz an der Linie bc en-
dete; jedoch gestehe ich, dass ich diese Vorstellung nicht theile,
da die gegenwärtigen Maase der Thüre mir vollkommen uutadelhaft
scheinen und die Vergliederungen der Pfosten mit der grössten Sorg-
falt gearbeitet sind. Es ist schwer zu sagen, zu welcher Zeit der
Sturz gebrochen und in bezeichneter Weise hergestellt wurde. Man
kann behaupten, dass es nicht bei der Explosion des Parthenon ge-
schah. Denn damals war, wie wir bemerkten, das Gewölbe schon
vorhanden, und die beiden untern Blöcke des Sturzes zeigen in kei-
ner Weise die türkische Industrie der letzten Jahrhunderte. Rück-
wärts dieser Zeit, seit dem Brande des Tempels, der ein Jahr nach
seiner (theilweisen) Vollendung eintrat, bis zur Explosion der Pro-
pyläen, die im Jahre 1 636 geschah, können alle traurigen Ereignisse,
Abhandlungen der T. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abth. 23
178
deren Schauplatz dieAkropolis war, zur Vermuthiing beigezogen werden,
und bekannt ist, dass gerade die den Denkmälern von Athen verderblich-
sten Jahrhunderte die wenigsten Spuren ihrer Geschichte zurückgelassen
haben. Doch biu ich geneigt, die Ausbesserung vor die byzantini-
schen Zeiten zu setzen". — (Da auch nach des Herrn Rhisos Aeus-
serungen rücksichtlich der Feinheit der Verzierungen ein Unterschied
der Arbeit zwischen diesen und den unbestreitbar alten Theilen der
Thüre nicht stattfinden wird, so steht wohl nichts im Wege, die
Beschädigung auf den Brand zurückzuführen, den das Erechtheum
unmittelbar nach dem Jahre der spätem Baurechnung Ol. 93. 3 er-
fuhr. Fr. Th.)
„Die Rosenkelche (les rosaces), welche Miese Thüre schmücken,
zeigen eine beachtungswerthe Eigentümlichkeit. Das Auge, oder
Centrum der in der ebenen Fläche des Sturzes angebrachten, n, sieben an
der Zahl, ist aus Marmor und in Form eines erhobenen Knopfes
gearbeitet. Die Rosenkelche der Pfosten, p, sechs auf jeder Seite,
zeigen im Gegentheile an der Stelle dieses Auges ein rundes Loch von
drei Zoll Tiefe und einem Zoll Durchmesser. In einigen dieser Lö-
cher fanden sich noch hölzerne Cylinder, in der Mitte durchbohrt,
die ohne allen Zweifel dazu dienten, Knöpfe von vergoldeter Bronze
anzufügen , damit sie den aus Marmor gebildeten Augen der
Kelche imThürsturz entsprächen, welche demnach ebenfalls vergoldet
seyn mussten. Dieses Thor, mit seinem reichen architectonischen
Schmucke in Marmor, seinen vergoldeten Rosenkelchen, zwei sehr
schöneu Kranzsteinen (consoles) zu beiden Seiten des Sturzes (einer
nur ist übrig) und der Peristyl seiner Umgebung ist des Tempels
ganz würdig, zu dem er den Eingang bildete". — (Dass dieses
Thor nicht durch eingesetzte Steine geblendet war, sagt zwar Herr
Rhisos hier nicht ausdrücklich, aber es folgt aus seinen Nachrichten und
liegt ihnen zum Grunde. Gleichwohl ist nicht zu zweifeln, dass
179
Forchhammer de» Theil des Thores, den er sehen konnte, nemlich
den über dem türkischen Gewölbe, vermauert fand, und die Ver-
mauerung des Ganzen zeigt sicli auch noch von der Rückseite in
unserer Ansicht, Taf. III. Nicht unwahrscheinlich ist, dass sie we-
nigstens grossentheils aus alten Marmorquadern bestand und dadurch
Herrn Forchhammer getäuscht hat. Mit seiner Angabe [vergI.S.96]
fallen nun einige in der Abhandlung auf sie gegründete Sätze weg.
Hat die Nordhalle noch dem Neubau als Vorbau und Eingang des
Adyton gedient, so war dasselbe der Fall bei dem alten Baue, an
dessen Stelle sie getreten ist. Das alte Palladion muss demnach das Ge-
sicht dem Hineintretenden entgegengekehrt, d. i. nach Norden gewendet
haben, und die Mauer, au der es stand [vergl. die Abh. S. 106 u. S. 116]
war nicht die Westmauer der Fensterhalle, sondern die Quermauer in
dieser, welche wir zur Trennung des Adyton und Kekropion anzu-
nehmen genöthigt waren. — Ferner wird S. 114 des txqooto^icuov
ohne Beziehung auf Blendung und ohne Rücksicht auf die Glosse
avfxßoXrj xiäv %Eiha>v einfach von der innern Profilirung des Haupt-
thores zu verstehen seyn. — Der Eingang aber über das Grab des
Erecbtheus hinweg blieb dann als Seitenthür, die aus dem Erech-
theum im engein Sinne, d. i. aus dem J£yx6s des östlichen Baues
in das Adyton hineinführte. Endlich wird die Priesterin, welche
den König Kleomenes abhielt, in das Heiligthum zu treten [vergl.
S. 154 f. der Abb.] , in der Nordhalle gesessen haben, da durch
sie fortwährend der Haupteingang in dasselbe bestanden hat, unsere
Annahme aber, dass der von Pausanias erwähnte Altar des höch-
sten Zeus dorthin zu setzen und der Altar des &vt]/6g sey, bekommt
dadurch eine neue Bestätigung. — Fr. Th.)
4. Frage: Ob in der westlichen Querhalle eine Spur vorhan-
den sey, dass diese Halle in zwei Theile der Breite nach eingetheilt
gewesen wäre? — Antwort : „Der alte Boden dieser Halle existirt
23 *
180
wicht mehr, auch die östliche Wand nicht. Die westliche ist nicht
so gut erhalten, dass eine Spur darauf mit Zuversicht zu erkennen
sey. Jedoch bin ich mehr für das Negative geneigt. Das xvjuduov,
das die Balken unter den Fenstern und Halbsäulen gegen das Innere
des Tempels ziert, obwohl au manchen Orten zerstört, scheint doch
ununterbrochen die ganze westliche Seite entlang zu laufen". —
(Die hier mit innerer Notwendigkeit anzunehmende Lage des Adys-
ton macht allerdings eine Quermauer nöthig, durch welche es abge-
schlossen ward, und an der, wie wir bemerkten, die alte Bildsäule
stand, welche nothwendig das Antlitz gegen das Thor dem Eintre-
tenden entgegenweiiden musste. Fr. Th.)
5. Frage : Ob eine Grube vom KexQÖmov vorhanden sey , und
ob sie vor dem Eingange in das Pandrosion gelegen? — Antwort:
„Keine Grube ist zu sehen. Der ganze Boden der Querhalle ist aus-
gegraben und eiue ungefähr 10' tiefe Cisterne nimmt den ganzen
Raum ein der Länge und der Breite nach. Die Cisterne ist ge-
wölbt; ihre Wände sind neu aus Kalk und Mörtel, und decken die
alten Wände (Fig. 4, A). Die Lage des Kekropions erhellt aus
der Inschrift des C. J. n. 160: rtj ngoaraGsi rjj noog rov Ksxqötiiov,
wo gewiss die Prostasis der Caryatiden gemeint ist. Sie scheinen
ihr den Namen der Pandrosion zu geben. Glauben Sie nicht, dass
das Pandrosion eben die Querhalle war, da der Hund bei Dion. Ha-
Jicarn. aus dem Tempel der Polias in dasselbe unmittelbar hinunter-
steigt, und da Pausanias es dem Tempel der Polias auch unmittel-
bar Gvvextfs erklärt?" (Jene Meldung [vergl. tS. 108 der Abb.]
würde zu dieser Annahme nicht hinreichen, da der Hund, durch die
südliche Thür in die Querhalle gelangt, auch vor dem Eingange in
die Kanephorenhalle stand, und ohne Hinderniss in sie und auf den
Altar des Zeig tQxeiog kommen konnte, was der griechische Ausdruck
dvew tig xo Ilccvdqooiov kurz zusammenfasst. Des Pausanias Local-
181
bezeichnungen sind sehr verworren, und da er das Kekropion nicht
unterscheidet, sind auch bei dem IlavdQÖoiov und av Eqs x&slov
zusammenhängend {avps%ri). Fr. Tb.)
6. Frage: Ob in der westlichen Wand zwei Thüren angebracht
sind? — Antwort: „Eine einzige in der Mitte (Fig. 1, 2), und sie
ist allem Anscheine nach neu; wenn der Tempel zu irgend einer
Zeit als Kirche gedient hat, was sehr wahrscheinlich ist, musste
eine Thüre westlich angebracht werden. Sie ist in der Wand nach-
lässig geöffnet und hat weder naQaarcidsg, noch irgend eine bezeich-
nende Verzierung. Einen Beweis, dass das Erechtheum zu einer
Kirche verwandelt worden ist, finde ich auch darin, dass die Wand
der östlichen Terrasse in der Mitte mit Fleiss zerstört zu seyn scheint
und eine halbkreisförmige Nische ausmacht, wie es für die griechi-
schen Kirchen erforderlich ist. Die andern zwei Thüren der Quer-
halle sind die in die zwei nQoaräosig (Fig. l;mu. n) führenden". — ■
(Ich gebe die Skizze der Westhalle Nr. 2, wie sie mein theurer
Freuud mit der Feder entworfen hat, mit der Bemerkung, dass die
genaueren Verhältnisse der Steine und der Grösse in der architec-
tonischen Zeichnung von Mezger, Taf. 2, genau angegeben sind;
besonders die vollständige Glättuug der einwärts liegenden Steine
und die Grösse des Gesimssteines, welcher offenbar der ursprüng-
lichen Mauer angehört, und die andern Steine an Ausdehnung über-
trifft, erregen gerechtes Bedenken gegen die Annahme eines späteren
Durchbruches dieser Mauer, für die übrigens der Mangel aller Pro-
filirung zu sprechen scheint. Fr. Th.)
7. Frage : Welches der Zustand der Querhalle vor der Aus-
grabung war? Ob darin ein byzantinisches oder türkisches Gewölbe
gewesen seg? — ■ Antwort: „Die Halle war vor der Ausgrabung über-
schüttet, aber nicht überbaut. Das Gewölbe ist das noch bestehende,
182
das ihren Boden ausmacht, ohne allen Zweifel eine Cisterne (Fig. 5),
und wahrscheinlich türkisch".
8. Frage : Wie der Boden beschaffen und ob eine Spur des
Marmor pflasters vorhanden sey? — Antwort: „Das Marmorpflaster
ist noch ganz erhalten in dem mittleren Theile des grösseren Tem-
pels (ff hg Fig. 1), fehlt aber ganz auf den beiden Seiten (x, y),
die tiefer als der Boden ausgegraben sind, und ich habe schon ge-
sagt, dass das Gewölbe der Cisterne den Boden der Querhalle
ausmacht. Das Pflaster der Prachthalle besteht zum grössten Theil". —
9. Frage : Ob im Pandrosion noch die &ctAccooa in der Form
eines Brunnens oder eines Felsspalts , und ob auf dem Felsen eine
Spur des Bildes des Dreizacks zu sehen sey? — Antwort: „Von der
nordwestlichen Ecke des Grabes des Erechtheus (A. Fig. 5) führt
ein Loch oder Durchgang B, 0,65m breit und ungefähr l;3m hoch,
unter die nördliche Wand (ab) in eine unter der nördlichen Pracht-
halle liegende unterirdische Grube (c), die aber jetzt zum Theil
offen steht, da ein Theil des Pflasters dieser Halle fehlt. Diese
Grube wird gleich anfänglich (vielleicht in Folge von Zerstörung)
breiter als der Durchgang, und. nach ein paar Schritten wird sie noch
breiter, so dass ihre östliche Seite (c) unter den Stufen der Halle
einen Ausgang haben musste und mit einem neueren, bei der Aus-
grabung zerstörten, Gewölbe (D) communicirte. An ihrem westlichen
Ende ist ein neuer, aus Kalk und Mörtel gebauter, Wasserbehälter
E, 0,9"' im Diameter, und vielleicht 2m tief. Vielleicht wird eine
weitere Ausgrabung zeigen, dass darunter ein Brunnen liegt; wo
nicht, so kann er auch unter dem Boden der tiefen Cisterne in der
Querhalle zu suchen seyn. — Was die Spuren des Dreizacks be-
trifft, so kann man dafür drei Löcher (u, v, x Fig. 5) halten, die
man in dem felsigen horizontalen Boden in der Tiefe der Grube e
183
sieht (sie ist gegen 2m tief)- Sie sind alle drei 0,33m breit, haben
aber verschiedene Längen und Formen. U ist 0,65m von v, v
0,28™ von x entfernt. Ihre Tiefe mag von 0,3m — 0,4m seyn. Es
ist schwer zu begreifen, wie Pausanias diese unterirdischen Löcher
gesehen haben mag, ausgenommen wenn man eine Oeffnung in dem
Boden der Prachthalle annimmt, deren Einfassung verloren seyn
müsste; wenigstens ist neben dem Erechtheion kein anderer Fels,
worauf sich die Worte des Pausanias beziehen können". — (Die Lage
der Erechthe'is, welche wir in das Pandrosion gesetzt hatten, wo
sie auch zur Zeit von Spon und Wehler angenommen wurde, wird
durch diese Bemerkung allerdings wieder unsicher, und selbst der
Name Erechtheis könnte Veranlassung geben, sie mit dem Grabe
des Heros in Verbindung zu setzen, über dessen innere Beschaffen-
heit die eben mitgeteilten Erläuterungen sehr erwünschten Aufschluss
geben. Die Entscheidung ist, wie Herr Rhisos richtig bemerkt, wei-
terer Ausgrabung, besonders der brunnenähnlichen Vertiefung E C
[Fig. 5] , vorbehalten. Fr. Th.)
184
Verzeichniss
der zu yorstehender Abhandlung gehörigen lithographischen Tafeln.
Tafel 1.
Facsimile von drei am 10. October 1836 unter den Trümmern
der Propyläen gefundenen Bauinschriften über das Erecbtheum. —
Vergl. S. 88 der Abh.
Tafel IL
Grundriss der zum Erecbtheum gehörigen Gebäude nach den
vom Herrn Oberbaurath Eduard Metzger angestellten Messungen mit
Eintragung der Ergebnisse der neuesten Ausgrabungen nach den
Angaben von Herrn Alexander Rhisos. — Vergl. S. 89 der Abh.
Tafel 111.
Ansicht der Ruine des Erechtheums im Jahre 1832, von der
Südwestecke nach genauen Messungen genommen von Herrn Ober-
baurath Eduard Metzger. — Vergl. S. 85 der Abh.
Tafel IV.
Skizzen zu den neuesten nachträglichen Meldungen des Herrn
Rhisos über das Erecbtheum in der zweiten Beilage zur Abh. S. 174.
Fig. 1. Grundriss des Ganzen mit Bezug auf die nördliche
und südliche Stiege in der Cella.
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.185
Fi£. 2. Skizze der Westseite zum Behuf der mittleren
Thür.
Fig. 3. Nördliche Cellawand mit Andeutungen der auf die
ursprüngliche Stiege hindeutenden Staffeln.
Fig. 4. Südliche Wand mit gleichen Andeutungen.
Fig. 5. Grundriss vom Grabe des Erechtheus.
Tafel V.
Das Hauptthor, welches aus der Nordhalle in das Adyton führte
(ohne die Kranzgesimse). — Vergl. S. 177.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. der Wiss. V. Bd. III. Abtb. 24
Epistola Roscelini
P. Abaelardum,
Editore
J. A. Schmeller.
24!
Roscelini
nominal istarum in philosophia quo n dam choragi
ad
P e t r u m Abaelardum
epistola , hactenus inedita.
Codices manuscriptos bibliothecae regiae Monacensis
e pristina Benedictoburana acquisitos evolventibus obtulit
se nobis in modico quodam secnli XIIItH volumine jam
no. 4643 signato inter alia longe diversi argumenti opu-
scula epistola quaedani sat prolixa, quae quidem inscri-
ptione et subscriptione carens nee ad quem nee a quo
fuerit data indicat. Eam tarnen ad Petrum Abaelardum
fuisse direetam ipse tenor evincit; at a quonam viri hujus
celeberrimi contemporaneo et quidem adversario provene-
rit diu nos habuit suspenso», donec ejus opera perlustran-
tes ineidimus in qnandam ejusdem epistolam (editionis
190
Parisiensis anni 1616. vigesimam primam), quam, cum se-
quentem mirum in modum illustret, merito hie praemittimus.
G. dei gratia Parisiacae sedis Episcopo unäque venerabili ejusdem Ecclesiae
clero P. debitae reverentiae subjeetionem sempiternam.
Relatum est nobis a quibusdam diseipulorum nostrorum supervenienti-
bus, quod elatus ille et semper inflatus catholicae fidei hostis antiquus, cuius
haeresis detestabilis tres Deos confiteri, immo et praedicare Suessoniensi Con-
cilio a Patribus convieta est, atque insuper exilio punita, multas in me contu-
melias et minas evomuerit, viso opusculo quodara nostro de fide Sanctae Tri-
nitatis maxime adversus haeresim praefatam, qua ipse infamis est, conscripto.
Nuntiatum insuper nobis est a quodam diseipulo nostro, cui inde locu-
tus est, quod Vos tunc absentem expeetaret, ut Vobis in illo opusculo quasdam
haereses me inseruisse monstraret: et Vos quoque contra me, sicut et omnes
quos nititur, commoveret. Quod si ita est, ut in hoc quoque nunc ille per-
sistat, precamur Vos athletas Domini et fidei sacrae defensoi es, ut slatuto loco
et tempore convenienti me et illum convocetis et coram catholicis et discretis
viris quos Vobiscum provideatis, quid ille adversum me absentem mussitet,
audiantur, et debitae correctioni subjaceant vel ille de tanti criminis imposi-
tione, vel ego de tanta scribendi praesumptione.
Interea autem Deo gratias refero, quod summum Dei inimicum et fidei
labefactorem in fide contrarium si perfero et pro fide qua stamus dimicare
compellor, et quod numero bonorum hominum jam esse videor ex ejus infe-
statione quem solis bonis semper constat esse infestum, cuius tarn vita quam
diseiplina omnibus est inanifesta. Hie contra egregium illum praeconem
Christi Roberlum de Arbrosello contumacem ausus est epistolam confingere, et con-
tra illum magnificum Ecclesiae doctorem Anselmum Cantuariensem archiepis-
copum adeo per contumelias exarsit, ut ad Regis Anglici imperium ab Anglia
turpiter impudens eius contumacia sit ejeeta et vix tum cum vita evaserit.
Vult eum infamiae habere partieipem, ut per infamiam bonorum suam conso-
letur infamiam: nee nisi bonum odit qui bonus esse non sustinet : qui ob in-
temperantiam arrogantiae suae ab utroque regno in quo conversatus est, tarn
Anglorum scilicet quam Francorum , cum summo dedecore expulsus est, et in
191
ipsa, cuius pudore Canonicus dicitur, beali Martini ecclesia numquam, ut
aiunt, a canonicis verberatus, morem solitum servaverit. Nomine designare
quis iste sit supervacaneum duxi, quem singularis infamia infidelitatis et vitae
eius singulariter notabilem facit. Hie sicut pseudo-dialecticus ita et pseudo-
christianus, cum in dialectica sua nullam rem partes habere aestimat, ita divi-
nam paginam impudenter pervertit, ut eo loco quo dicitur Dominus partem
piscis assi comedisse, partem buius vocis, quae est „piscis assi,''- non partem
rei intelligere cogatur. Ne quid igitur miieris, si is qui in coelum os ponere
consuevit, in terris insaniat, et qui Dominum persequitur, membris eius dero-
get, et nemini parcit qui nee sibi parcere potest. Valete.
Antiquitatis literatae inprimis gallicae periti epistolam
istam cum sequente conferentes statuent, nuni haec ipsa
alii cuiquam possit attribui auetori praeter famigerato
Uli philosophicae Nominalium seetae quondam antesigna-
no Roscelino Compendiensi.
Quodsi nostra placeat sententia, forte et ipsi unicum
hoc quod hactenus innotuit viri sua aetate famosissimi
monumentuin haud contemnendum esse censebunt. Nobis
vero quibus nee facultas nee otium est, ut in priscae phi-
losophiae scolasticae controversiis heroibusque inmoremur,
id jam agendum videbatur, ut ipsam piiram putain episto-
lam, qu alein e membranis lectu partim non adeo facilibus
eruimus, quamprimum doctioribus excutiendam tradere-
mus, nee ea quidem quae circa eandem in Actis Acade-
miae nostrae (Gelehrte Anzeigen 1847. No. 253) memo-
ravimus hie repetentes.
Diligentiorem de Petro Abaelardo notitiam praebebit
novissimus ejus biographus cl. Carolus de Remusat,
192
paucae vero illae quibus solis aliquantula Hoscelini hacte-
nus servabatur memoria notitiae ex Bulaei historia uni-
versitatis Parisiensis, ex Christoph ori Meinem de Nomi-
nalium ac Realium initiis atque progressu commentatione
Göttingensi anni 1793, nee non ex historiis Philosophiae
e. gr. illa Tennemanni p. 154 seqq. haurientur.
J. A, Seh melier,
Bibliothecae regiae Subpraefectus.
JSi christianae religionis dulcedinem quam habitu ipso praefe-
rebas vel tenuiter degustasses, nequaquam toi ordinis tuaeque pro-
fessiouis inmemor et beneficiorum quae tibi tot et tanta a pnero
usque ad iuvenem sub magistfi nomine et actu exhibui oblitus in
verba malitiae meam adversus innocentiam adeo prorupisses, 11t fra-
ternam pacem lingnae gladio vulnerares iuxta illud „lingua eorum
gladius acutus", et salvatoris nostri saluberrima actuque facillima
praecepta contempneres. Cum enim verifas dicat „si peccaverit in
te frater tuus, corripe eum iuter te et ipsum solum ; si autem te non
audierit adhibe testes; quodsi neque sie te audierit, die ecclesiae,"
tu duobus primis mandatis subito iraeundiae furore calcatis ad ter-
tium inordinate transvolasti et ad praeclaram et pruecellentem beati
Martini Turonensis ecclesiam detractionis meae plenissimas et de
vüsis sui inmnnditia foetidissimas Uteras transmisisti , in quibus
mea persona multiplici infamiae macula quasi vario leprae colore de-
pieta in ipsius ctiam sanetissimae ecclesiae contumeliam, lapso honesta-
tis pede eam foveam vocans, deeidisti. Fovea quippe in sacro elo-
qnio semper in malo accipitui* ,,ut foderet aute faciem meam foveam",
„foveam animae meae" et „si caecus caeco ducatum praebeat, ambo
in foveam cadunt" et „qui parat proximo suo foveam prior ineidit
in eam." Non itaqne praefatam sanetissimam ecclesiam, quae ine
indignum et peccatorem et, ut verum fatear, obprobrium hominum
plebisque abjeetionem gratuita miseratione reeepit, foveae comparare
debueras; sed ei potius, euius imitatrix haec in faclo effeeta est, qui
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak d. Wiss. V. Bd. III. Abth. 25
194
solem äuum oriri facit super bonos et malos et pluit super iustos et
iniustos, qui ob nimiam caritatem quam erga peccatores habuit de
coelo descendit ad terras, qui nobiscum manens peccatores recepit
et cum eis manducavit, qui et pro peccatoribus usque ad illa inferni
loca ubi peccatores cruciabanlur, ut eos a tonnentis solveret, descen-
dit. Sed mirum non est, si contra ecclesiam turpiter loquendo de-
baccharis, qui sanctae ecclesiae vitae tuae qualitate tarn fortiter ad-
versaris. Verum praesumptioni tuae ideo decrevimus ignoscendum,
quia non ex consideratione , sed ex doloris inmensitate id agis ; et
sicut damnum corporis tui pro quo sie doles inrecuperabile est, ita
dolor quem mihi contraxisti inconsolabilis est. Sed valde tibi divina
metuenda est iustitia, ne, sicut cauda qua prius, dum poteras, indif-
ferenter pungebas, merito tuae inmunditiae tibi ablata est, ita et lin-
gua qua modo pungis auferatur; prius enim apium similitudinem de
cauda pungendo portabas, nunc vero serpentis imaginem de lingua
pungendo portas. De talibus in psalmo dictum est : „acuerunt linguas
suas sicut serpentes, venenum aspidum sub labiis eoruni." Sed ne
de contumelia nobis inlata plus aequo dolere et obloquendo nos modo
ulcisci velle videamur, ad literas tuas veniamus, et quae in eis con-
cedenda, quae sint refutanda demonstremus. Iuitium literariim tuarum
de mea inmunditia et de ecclesiae beati Martini contumelia est. De
ecclesia doleo, de me autem laetus sum, quia in veritate talem me
esse recognosco qualem me scribendo depingis. Dixisti enim me
omni vitae spurcitia notabilem. Quod quum ita est, banc tuam veri-
tatis assertionem quasi quibusdam braebiis caritatis amplector, et in
verbis tuis quasi in speculo me totum aspicio. Sed potens est Dens
de lapidibus istis suscitare filios Abrahae. Nolo enim me iustificare,
quia si gloriam meam quaeram, gloria mea nihil est. Absit enim, ut
declinet cor meum in verba malitiae ad excusandas excusationes in
peccatis, quod vero super: „quod summa haeresi convictus et infa-
mis iam toto mundo expulsus sim," haec tria modis omnibus refello
195
et testimonio Suessionensis et Remensis ecclesiae falsa esse pro-
nmitio. Si enim aliquando vel in verbo lapsus fui vel a veritate de-
viavi, nee casum verbi nee assertionem falsi pertinaciter defendi, sed
seniper paratior discere quam docere animum ad correptionem prae-
paravi, neque enim haereticus est qui, licet erret, errorem tarnen non
defendit. Unde beatus Augustinus „Non ob aliud sunt haeretici,
nisi quia scripturas sacras non rede intelligentes opiniones suas
contra earum veritatem pertinaciter defendunt." Et ad Vnicentiurn
Victorem „Absit ui arbitreris te a fide catholica deviasse, quia ipse
animus correptionis praeparatione et exspeetatione catholicus fuit."
Qui ergo nunquam meum vel alienum errorem defendi, proeul dubio
constat, quia nunquam haereticus fui. Quia vero spiritu inmundo
quasi cum quodam vomitu loqnutionis nie infamem atque in concilio
damnatum eruetas, utrumque esse falsissimum praefatarum ecclesiarum
testimonio apud quas et sub quibus natus et educatus et edoctus
sum comprobabo, cum apud ä. Dionysium cuius monachus esse vi-
deris, licet diffugias, modo tecum acturus venero. Neque vero ti-
meas, quasi te noster lateat adventus, quia in veritate per tuum ab-
batem eum tibi nuntiabo, et quantum volueris ibi te expeetabo. Quodsi
abbati tuo inobediens, quod facere non dubitas, extiteris^ ubicumque
terrarum latueris te quaesitum inveuiam. Quomodo vero stare po-
test quod dixisti toto nie mundo expulsum, cum et Roma quae mundi
caput est nie libenter excipiat, et audiendum libeutius amplectatur
et audito libentissime obsequatur? Neque vero Turonensis ecclesia
vel Locensis, tibi ad pedes meos magistri tui diaeipulorum minimns
tarn diu resedisti, mit Biziintina ecclesia in quibus canonicus sum,
extra mundum sunt, quae me omues et venerantur et foveut et quod
dico discendi studio libenter aeeipiunt. E huius igitur dicti mani-
festissima falsitate cetera litefarnm tuarum commenta ex aequitate
falsa esse iudicanda sunt. Non minimum autem doleo quod bonorum
persecutorem nie dixisti. Licet enim bonus non sim, bonos tarnen
25*
196
singulos quo debeo honore semper veneratus suni. Hos autero qaos
io exemplum trahis, dominum videlicet Amelmum Cantuariensem et
Robert um bonae vitae bonique testimonii homiues nunquain persequu-
tus sum, licet quaedam eorum dicta et facta reprebendenda videan-
tur. Nee mirum, quia videmus nunc per speculum in aeuigniate. Ne-
que enim hi duo sapientes et religiosi viri raaioris meriti sea sa-
pientiae sunt Petro apostolorum principe et martyre glorioso et beato
Cypriano Cartbaginensi episcopo doctore suavissimo et martyre glo-
riosissimo, in cuius laudibus beatus Ieronymus exultans ait: „beatus
Cyprianus instar fontis purissinii dulcis incedit et placidus est et,
cum totus sit in exhortatione virtutuui, in persecutionis angustiis,
scripturas non deseruit divinas." Unde Prudentius de martyribus:
„Oinnis amans Christum tua leget doctor Cyprjane scripta." Iste
tarnen tanto sanetorum praeconio in sublime deduetns aliter de ba-
ptismate sensit haereticorum atque ipsius scriptis reliquit quam po-
stea veritas prodidit. Unde beatus Augustinus in libio de baptismo
sie loqnitur: „Visum est quibusdam egregiis viris inter quos praeci-
pue beatus Cyprianus eminebat, non esse apud baereticos vel scis-
maticos baptismum Christi. Reddens ergo debitam reverentiam dig-
numque honorem, quautum valeo, paeifico episcopo et glorioso mar-
tyri Cypriano audeo tarnen dicere aliter eum seusisse de scismaticis
et haereticis baptizandis quam postea prodidi non ex mea sed uni-
versae ecclesiae sentenfia plenarii coucilii auetoritate roborata. Prin-
ceps vero apostolorum Petrus, quia geutes ad baptismum veuientes
circumeidi compellebat, a Paulo apostolo prius, postmodum a sanetis
patribus merito reprehensus est. Ait enim apostolus: „cum esset
Cephas Antiochiae et uon recte incederet in veritate evaugelii, aperte
restiti ei in faciem quia repreheusibilis erat." Unde beatus Augusti-
nus „Venerans ergo Petrum pro sui merito apostolorum primum et
eminentissimum martyrem, audeo tarnen dicere eum non recte fecisse,
ut gentes judaizare cogereutur." Unde beatus Augustinus: „qui se
197
oazareos christianos vocant nati haeretici ex illo eorrore in quo Pe-
tras devius revocatns est a Paulo." Idem: „Cum Petrus in mari ti-
tubasset, cum dominum carnaliter a passione revocasset, cum ter do-
minum in passione negasset, cum in superstitiosam simulationem lapsus
esset, videmus eum veniam consequutum ad martyrii gloriain per-
venisse." Quid mirum igitur, si isti, quos ine asseris injusle perse-
cutum, in aliquibus vel dictis vel factis aliquando minus provide egerunt,
qui superioribus duobus sanctis doctoribus et martyribus nequaquam
superiores extiterunt.
Vidi enim dominum Robertum feminas a viris suis fugientes,
viris ipsis reclamantibus, recepisse et, episcopo Anäeyaviensi ut eos
redderet praecipiente , inobedienter usqne ad mortem obstinanter te-
nuisse. Quod factum quam irrationabile sit considera. Si enim uxor
viro debitum negat, et ob hoc ille moechari compellitur, maior culpa
est compellentis quam agentis. Rea ergo aldulterii est femina virum
dimittens postea ex necessilate peccantem. Quomodo ergo eam re-
tinens et fovens inmunis et non particeps eiusdem criminis erit? lila
enim nequaquam hoc faceretj, nisi qui eam retineret inveniret. Audi
beatum Augustinum durius inloquentem. Ait enim: „Dimissa si per
incontiuentiam cogitur alicui copulari, hoc est moechari. Quod si illa
non fecerit, ille tarnen, quautum in eo est, facere compulit, et ideo
hoc illi peccatum Deus, et si illa casta permaneat, imputabit. Si igi-
tur reus est criminis vir uxorem postea non peccantem dimittens,
qnanto magis si illa peccaverit?" Audi etiam beatum Gregorium
ad quendam abbatem inloquentem de quodam conjugato, quem ita
suscipiendum cognovit, si uxor eius similiter converti voluerit. Nam
cum unum utriusque corpus coniugii copnlatione sit factum, indecens
est partem converti et partem inde in seculo mauere. Aut ergo uter-
que discedat aut uterque remaneat. Sed de domino Anselmo archi-
episcopo, quem et vitae sanctitas honorat, et doctrinae singularitas
198
ultra communeni hominum mensuram extollit, quid dicam? Ait enim
in libro quem „Cur Dens homo" intitulat, aliter Deum non posse ho-
mines salvare, nisi sicut fecit, id est nisi homo fieret, et omnia illa
quae passus est pateretur. Eius sententiam sanctorum doctorum, quo-
rum doctrina fulget ecclesia, dicta vehementer impugnant. Ait enim
sanctus Leo: „cum ei multa alia suppeterent ad redimendum geuns
humanuni, haue potissimum elegit viam, ut non virtute potentiae sed
ratione uteretur iustitiae." Audi beatum Angnstimtm De Trinitate :
cur non, postpositis innumerabilibus modis quibus ad nos redimendum
uti posset omnipotens, mors eius potissimum eligeretur. Item: eos qui
dieunt: „itane defuit Deo modus alter, quo liberaret homines a mi-
seria mortalitatis huius, ut unigenitum filium suum hominem fieri mortem-
que perpeti vellet?" parum est ita refellere, ut dicamus modum istum
bonum esse quo nos per mediatorem liberale dignatus est, verum
etiam ut ostendamus non aliuni modum possibilem Deo defuisse cuius
potestati euneta subiaceut, sed sanandae nostrae nriseriae convenien-
tiorem modum alium non fuisse aut esse oportuisse. Item: poterat
utique Dens hominem aliunde suseipere, qui esset mediator Dei et
hominum, non ex genere illius Adam, sicut ipsum quem primum crea-
vit non de genere creavit alieuius , poterat vel sie , vel quo vellet,
alio modo, creare unum aliuni, quo vinceretur victor prioris, Sed
melius iudieavit de ipso qui victus fuerat hominem assumere." Idem
de agone christiano: „Stulti sunt qui dieunt: quare non poterat ali-
ter sapientia Dei homines liberare, nisi hominem suseiperet et nasce-
retur de femina? Quibus respondemus: poterat omuino, sed si aliter
faceret, similiter vestrae stultitiae displiceret."
Si igitur apud istos quos impudenter nie perseqni declamasti
aliquid sacrae scripturae contrarium reperimus, cur miraris in dictis
tuis aliquid reprehendi potuisse, cum te in sacrae scripturae erudi-
tione manifestum sit nullatenus laborasse. Huic enim singularitati.
199
quam divinae substautiae tribuisti, sanctorum patrum Ambrosii, Au-
gustini, Isidori scripta nequaquam consentiunt. Quae collecta ideo
subjicere curavi, ut non ex mea sed ex auctoritate divina quod mihi
tenendum est roboretur. Beatus igitur Ambrosius in libro de fide ad
Gratianum imperatorem sie loquitur: „Ego et pater unum somus.
Hoc dicit, n e intelligatur discretio potestatis. Item: unum cum patre
et unum aeternitate, unum divinitate. Non enim pater ipse est qui
filius, nee confusum quod unum, nee multiplex quod indifferens. Et-
enim si omnium credeutium erat cor unum et anima una, si omnis
qui adbaeret domino unus Spiritus est, sed vir et uxor in una carne
sunt, si omnes homines, quantum ad naturam pertinet, unius substan-
tiae sunt, multo magis pater et filius divinitate unum sunt, ubi nee
substantiae nee voluntatis ulla est diflerentia. Item: non est diversa
nee singularis aequalitas, quia aequalis nemo ipse sibi solus est.
Item : Dens est nomen commune patri et filio. Item : incarnatum pa-
trem Sabelliana impietate astruere nitnntur. Item : quod unius est
substantiae separari non potest, etsi non sit singularitatis sed uni-
tatis. Singularitas est sive patri sive filio sive spiritui saueto dero-
gare. Item: non unus sed unum sunt pater et filius. Item: una
dignitas, una gloria; in commune derogatur quiequid in aliquo puta-
veris derogatum." Augustinus in libro de Trinitnte: „qui putat eius
esse Deum potentiae, ut se ipsum ipse genuerit, eo deterius errat,
quod non ipse solus talis non est, sed nee ulla creatura spiri-
tualis neque corporalis. Nulla enim anima res est, quae se ipsam
gignat. Item: circa creaturam suseeptumque habitum oecupati ae-
qualitatem quam cum patre habeo non intelligitis. Item: convenien-
ter dieimus illum qui in carne apparuit missuin, misisse autem illum
qui non apparuit. Item: pater non iudicat quemquam, sed omne iu-
dicium dedit filio, aesi diceret, patrem nemo videbit in iudicio, sed
omnes filium videbunt, ut possit et ab impiis videri. Item: tres visi
sunt, nee quisquam illorum vel forma vel aetate vel potestate maior
200
ceteris visus est. Item: cum quaeritur, quid tres? magna prorsus
inopia humanuni laborat ingeninm. Dictum est aulein: tres personae,
ne oinniuo taceretur. Item: triiiitas filius nullo modo dici potest.
Item: potest universaliter dici, quod et pater Spiritus et filius Spiri-
tus, et pater sanctus et filius sanctus. Si itaque pater et filius est
spiritus sanctus, potest appellari trinitas Spiritus sanctus. Sed tarnen
ille Spiritus sanctus, qui non trinitas, sed in trinitate intelligitur, in
eo quod proprie dicitur spiritus sanctus, relative dicitur, et ad pa-
trem et filium refertur, quia spiritus sanctus et patris et filii est spi-
ritus; sed talis relatio in hoc nomine non apparet. Item: dictum
est a nostris Graecis: una essentia, tres substantiae, a Latinis: uua
substantia vel essentia, tres personae. Item: licuit loquendi et dis-
putaudi necessitate tres personas dicere, non quia scriptura dicit,
sed quia non contradicit. Item: cum conaretur humana inopia Io-
quendo proferre quod tenet de domino Deo, timuit dicere tres essen-
tias, ne intelligeretur in illa summa aeqnalitate ulla diversitas. Item:
cur haec tria simul unam personam non dicimus sicut unam essen-
tiam et unum Deum, sed dicimus tres personas; tres autem essentias
et tres Deos non dicimus, nisi quando volumus vel unum vocabulum
servire huic significationi qua intelligitur trinitas, ne omnino taceremus
interroganti: quid tres? Item: ita dicat unam essentiaiu, ut non exi-
stimet aliud alio maius vel melius vel aliqua ex parte diversum, non
tarnen ut pater ipse sit filius et spiritus sanctus. Item: nulla est di-
stantia dissimilitudinis, ut intelligatur aliud alio maius vel paulo mi-
nus, nee talis distinetio, in qua sit aliquid impar. Item: ideo dicimus
tres personas vel tres substantias, non ut intelligatur aliqua diversi-
tas essentiae, sed ut vel uno vocabulo responderi possit, cum quae-
ritur: quid tres, vel quid tria? tantamque esse essentiae aequalitatem
in ea trinitate, ut non solum pater non sit maior quam filius, sed nee
pater et filius simul maior quam singulus pater. Item: uuus Deus,
una fides, unum baptisma. Fides quamvis sit una, in aliis non tarnen
201
ipsa sed similis; non est tma omnino, sed generej propter similitudi-
nem tarnen et nulluni diversitatem magis dicitur uua quam plures ;
uam et duos homines simillimos unam faciem habere dicinius. Item:
verbum ideo filius patri per omnia similis est et aequalis. Item:
Quia spiritus sanctus communis est ambobus, hie dicitur ipse proprie
quod ambo communiter, id est spiritus sanctus. Augustinus ad Pa-
scentium comitern Arriauum: Cum pro diversis sibi cohaerentibus di-
catur unus spiritus et iinum corpus, cum pro anima et corpore sibi
cohaerentibus dicatur unus homo, cur non maxime de patre et filio
dicatur unus Deus, cum sibi inseparabiliter cohaereant? Item: His
appellationibus significatur, quod ad se invicem referantur. Item
Augustinus in homelia: Non turbetur cor vestrum, his qui noverant
filium dictum est de patre, et vidistis eum. Dictum est enim propter
omuimodam similitudinem, quae illi' cum patre est, ut dicerentur nosse
patrem, quia noverant filium sirailem. Ad hoc valet quod Philippo
dictum est: qui videt nie, videt et patrem, non quod ipse sit pater
et filius, sed quod tarn similes sint pater et filius, ut qui unum nove-
rit, ambos noverit. Solemus enim de duobus simillimis dicere his qui
unum eorum viderunt: vidistis istum, ergo et illum vidistis. Sic ergo
dictum est: qui videt nie, videt et patrem, non quod ipse sit pater
et filius, sed ad similitudinem in nullo prorsus discrepet a patre fi-
lius. Boet/tius in libro de trinitate: huius unitatis causa est indif-
ferentia. Augustinus de trinitate: sie dictum est: Deus est Caritas,
ut incertum sit et ideo quaerenduni, utrum Deus pater sit Caritas,
vel Deus filius, vel Deus spiritus sanctus, vel Deus tota trinitas.
Augustinus igitur, ut non solum quod beatus Ambrosius verum et
quod sanctus Hieronymus dicam: non solum divinitatem patris sed
nee filii nee spiritus saueti naturam possunt oculi carnis aspicere.
Idem in doctrina christiana : res quibus fruimur, pater et filius et
spiritus sanctus, et haec trinitas una quodammodo res est. Item:
In omnibus rebus illae solae sunt quibus fruendum est, quas aeternas
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. der Wiss. V. Bd. III. Abth. 26
202
atqne inconmutabiles diximus. Idem de agone christiano: credamus
in patrem et filium et spiritum sanctum, haec aeterna sunt atque in—
conmutabilia. Unde Iohannes : Tres sunt in coelo, qui testimouiom
perhibent, pater et filius et Spiritus sanctus. Sciendum est vero, quod
in substantia sanctae trinitatis quaelibet nomiua non aliud et aliud
significant, sive quantum ad partes sive qnautum ad qualitates, sed
ipsam solam non in partes divisam nee per qualitates mntatam signi-
ficant substantiam. Non igitur per personam aliud aliquid significa-
mus quam per substantiam, licet ex quadam loquendi consuetudine
triplicare soleamus personam, non substantiam, sicut Graeci triplicare
solent substantiam. Neque vero dicendum est, quod in fiele triuitatis
errent triplicando substantiam, quia licet aliter dicaut quam nos, id
tarnen credunt quod nos, quia, sicut diximus, sive persona sive sub-
stantia sive essentia in Deo prorsus idem significant. In locutione
enim tan tum diversitas est, in fide unitas ; alioquin iam non esset apud
Graecos ecclesia. Si autem ipsi sie loquendo unnm dieunt, quare
nos idem dicendo mentiamur non video. De diversitate divinae snb-
stantiae sive per qualitates sive per partes beatus Ambrosiiis de
fide et beatus Augustinus de trinitute sie locnntur. Ambr.: Deus
nomen est substantiae simplicis, non coniunetae vel compositae, cui
nihil aeeidat, sed solum quod divinum est in natura habeatsna. Aug.:
Quicquid seeundum qualitates dici pater videtur, seeundum substan-
tiam et essen tiam est intelligendum. Item: Nomina quatuor suut,
res autem una est. Quando ergo haec nomina variamus sive siugu-
lariter sive pluraliter proferendo, non, quia aliud unum quam alterum
significet, hoc faeimus, sed pro sola loquentium voluufate, quibus talis
loquendi usus complacuit. Si enim diversae partes ibi essent, ut
altera persona, altera substantia diceretur, fortassis ratio aliqua earum,
cur unum singulariter alterum pluraliter proferremus, ut hominis, quia
alia pars est corpus, alia anima, unam animam dieimus, sed plura
corpora propter corporis partes diversas; sed neque alia qualitas per
203
personani, alia per substantiam vel essentiam significaretur, quia, si-
cnt iam diximus, in Deo iiulla prorsus qualilas est. Ex liac igitur
sanctarutn scripta rar um numerositate diligens lector intelligit, sanctos
qui eas couscripsernnt nequaquam in Deo tantam singularitatem intel-
lexisse, ut nua sola res, una singularis substantia tribus illis noraini-
bus appellaretur, ne lioc de Deo sentientes in illam Sabellianam
haeresin laberentnr. Hlulta eiiiui inconvenientia ex liac Sabelliana
singularitate videtur consequi. Neque vero ea quae dixi ideo dixi,
ut aliquem doceani, sed potius, si sacras scripturas non recte intel-
ligo, discam, quia in omnibus paratior sum discere quam docere, et
nialo audire niagistrum quam audiri magister, cum hoc Augustiuo ad
beatum Hieronynium loquente dicens: quamvis pulchrius sit senem do-
cere quam discere, mihi tarnen nulla aetas sera est ad discendum.
Ouod autem dicis^ nie unam singularem sauctae trinitalis substantiam
cognovisse, verum utique est, sed non illam Sabellianam singularita-
teni, in qua una sola res, non plures illis tribus nominibus appellatur,
sed in qua substantia trina et triplex tantam habet unitatem, ut nulla
tria usquam tantam habeant ; nulla enim tria tarn singularia tamque ae-
qualia sunt, sicut scriptum est: in hac trinitate nihil prius aut poste-
rius, nihil maius aut minus, sed totae tres personae coaeternae sibi
sunt et coaequales. Sed licet lex dicat, quod in ore duorurn vel
trium testium stet omne verbum, nos tarnen quarto iam tribus appo-
sito, quintum et sextum apponamus, quorum testimoniis unitate si-
militudiuis et aequalitatis roborata, ne videamur niti testium numero
et occasione virorum illustrium subterfugere rationem et non au-
dere manum conserere pro iuiprobatione singularis unitatis , eandem
compr . . . emus. Die ergo , beate Athanasi, divinae contra Arrianos
defensor substantiae , die, quid de ipsa substantia sentias, et, sicut
Arrianos qui eam per gradus variabant, vicisti, ita et Sabellianos,
qui personas confundunt, convincas, die: „Neque confundentes perso-
nas, neque per substantiam separantes". Personas confundit qui patrem
26*
204
filium, et filium patrem dich, quod necesse est eum dicere qui illa
tria nomina unam solam rem singularem significare voluerit. Omnia
enim unius et singularis rei nomina de se invicem praedicantar. Ita
igitur pater incarnatus et passus est, quia ipse est filios qoi hoc
totum passus est; quod quantum sanae fidei repugnat adtende. Se-
quitur: neque substantiam separantes. Diligenter intendendam est,
utrum substantiam sanctae trinitatis omnimodis an certo modo
separari prohibeat. Quoinodo enim, si sie est una, ut etiam plures sint,
sicut Graeca clamat ecclesia, non separatur? Omnia enim plora plu-
ralitatis lege separantur, quia scriptum est, quod omnis differentia in
discrepantium pluralitate consistit. Quae ergo differentia in hac
pluralitate personarum seeundum nos, snbstantiarum vero seeundum
Graecos sit, perquiramus. Nihil enim aliud est substantia patris
quam pater et substantia filii quam filius, sicut urbs Romae Roma est
et creatura aquae aqua est. Quia ergo pater gennit fib'um, substan-
tia patris genuit substantiam filii. Quia igitur altera est substantia
generantis, altera generata, alia est una ab alia ; semper enim gene-
ralis et generatum plura sunt, non res una, seeundum illam beati
Augustini praefatam sententiam, qua ait quod nulla'omnino res est,
quae se ipsam gignat; quae enim generat est ingenita, genita vero
est unigenita. . Sed ingenitum et unigenitum sunt plura, sicut Augu-
stinus de trinitate ait : filius quidem ipsam substantiam debet patri, i. e.
quod est substantia a patre habet et ab eius substantia; non ergo
omnino possumus vitare Separationen! facere in substantia sanctae
trinitatis. Restat ergo, ut certo modo separationem prohibeat; qui
modus quis sit ostendit, cum subdit : in hac trinitate n. p. a. p. n.
m. a. m. Contra Arrium quippe agebat, qui diversitatem inaequalita-
tis in sanctae trinitatis substantia ponebat, patrem filium et spirituru
sanetum gradibus dignitatis distinguens. Ideo ergo dicit: totae tres
personae coaeternae sibi sunt et coaequales; si enim coaeternae, ni-
hil prius aut posterius; si coaequales, nihil maius aut minus. Hanc
205
igitur Arrianani Separationen), contra quam agebat, secnndum videli-
cet gradimm distinctionem, Athanasius prohibet, nam onuiiiio Separa-
tion em non aufert, ubi eas coaeternas et coaequales dicit. Si enim
coaequales, sunt et aequales; aequalitas autem semper inter plura
est, nihil enim sibi aeqnale est, beato Ambrosio dicente: nemo ipse
sibi solus aequalis est. Dum igitur in substantia sanetae trinitatis
aequalitatem et coaeternitatem ponit, in ea utique separationem plu-
ralitatis relinquit. Sed prioritatis et posterioritalis per coaeternum,
minoritatis et maioritatis gradus dicendo coaequales extiuguit. Ouod
autem unauf non singulariter substantiam sed per similitudinem et
aequalitatem dicat, manifeste demonstrat, cum dicit: una divinitas,
aequalis gloria, coaeterna majestas. Nisi enim prinsquam unam dixit,
subdidisset: aequalis gloria, coaeterna majestas, unam ex consuetu-
dine i.e. singularem acciperemus ; sed hoc prorsus aufert, cum dicit:
aequalis gloria, et quod unum secundum aequalitatem acceperit, decla-
rat. Sicut autem ostendimus, quod cum de separatione substantiae
ageret, non omnem eum separationem accepisse, sed illam solam
Arrianani per graduum scilicet distinctionem, ita summopere perqui-
rendum est, cum dicit: non tres aeterni sed unus aeternus, utrum
omnimodis multiplicitatem aeternitatis removeat an certo modo. Si
enim omnino aeternos dici posse negat, sibi ipsi contrarius est, qni
tres personas aeternas vocavit, dicens ^eas coaeternas. Si enim co-
aeternae, sunt et aeternae; quomodo ergo non tres aeterni, si tres
illae personae sunt aeternae. Beatus etiam Augustinus de doctrina
cliristiana et de agone christiano aeternas pluraliter appellat dicens :
in omnibus igitur rebus illae solae sunt, quibus fruendum est, quas
aeternas atque inconmutabiles diximus. Praedixerat enim: res quibus
fruimur pater et filius et spiritus sanctus. Idem de agone christiano :
credimus in patrem et filium et spiritum sanctum. Haec aeterna sunt
et inmutabilia. Si igitur iste aeternas omnino negat, et sibi et Au-
gustino veraciter repugnat. Dicendum est ergo et aeternas esse
206
pluraliter, et quodammodo non esse. Sic enim, cum Iohannem sal-
vator prophetam diceret, ille se prophetam negavit. Sed, ut neque
praeco veritatis mentiatur, alio modo negavit ille, alio modo affirma-
vit iste. Negavit enim se non prophetam esse omnino, sed simplicem
prophetam, quia plus quam propheta fuit, ubi quae praedixerat osten-
dit. Ita igitur et hie dicendum est eum non omnino tres aeternos
negasse, sed eo tantummodo quo Arrius affirmabat, qui mensuram
aeternitatis in personis variabat. Aeterni enim erant pluraliter, sicut
plures res aeternae, et aeterni non erant, ut aeternitas in eis varia
videretur. Dicat' melius qui potest. Ego melius non valeo. Sed
neque quod dico importune defendo. Die et tu, sanete Isidore, ec-
clesiarum totius Hispaniae magister, quid de substantia sanetae tri-
nitatis sentiendum decreveris. „Trinitas appellata, quod fiat totuin
unum ex quibusdam tribus. Item: Pater et filius et Spiritus sanetus
trinitas et unitas; unitas propter maiestatis communionem, trinitas propter
personarum proprietatem, pariter simplex pariterque inconmutabile bo-
num etcoaeternum. Pater solus non est de alio, ideo solus appellatur
ingenitus, filius solus de patre est natus, divinitas non triplicatur, quia,
si triplicatur, deorum indueimus pluralitatem. Nomen autem deorum
in angelis et sanetis hominibus ideo pluraliter dicitur, quod non sint
merito aequales. De patre et filio et spiritu saneto propter unam
et aequalem divinitatem non nomen deorum sed Dei esse ostenditur.
Fides apud Graecos hoc modo est: Una usia, ac si dicat una na-
tura aut una essentia, tres hypostases, quod resonat in latinum vel
tres personas vel tres essentias." Audisti trinitatem unam esse pro-
pter maiestatis communionem, non propter maiestatis singolaritatem;
quod enim singulare, nullo modo commune est, et quod commune est,
singulare esse non potest. Maiestas igitur triuitatis, quia communis
est, quomodo singularis esse potest?
Audisti etiam quia nomen Dei ideo de trinitate singulariter dicitur
107
propter aequaleni divinitatem, ne, si pluraliter dicerentur, inaeqalitas
divinitatis intelligeretur. Sed divinitas triuitatis extra se aequalem
non iuvenit. In ipsa igitur trinitate diviuitas aequalis divinitatem
invenit aequaleni; plura vero aequalia res singula et unica quo modo
esse possit, non video. Ut igitur fidei christianae navis inter utrum-
que scopulum currens iilaesa pertranseat, sunnnopere cavendum, ne
ad Sabelliauae singularitatis lapidem, in qua patrem incarnatum et
passum fateri necesse est, offendat, neque Arrianae pluralitatis peri-
culum, per prius et posterius, per maius et minus substantiam varian-
do, incurrat, atque deorum pluralitatem enormitate varietatis inducat.
Soli enim Trinitati ideo Dei singularis numerus relictus est, ut in ea
et intra eam omnimodam aequalitatem significet. Hominibus vero ideo
pluraliter datur, ut non ideni meritum nee eiusdem dignitatis esse
monstretur, ut: ego dixi, dii estis, et: audi Israel, dominus Deus tuus
Deus unus est. Itaque cum de divinae substantiae unitate discrepare
videamur , tu quidem de ingenioli tui tenui conatn praesumendo soli-
tudinem ei singularitatis adscribens, ego autem divinarum scripturarum
sententiis armatus similitudinis et aequalitatis unitatem defeudens.
In hoc tarnen couvenire nos convenit ut Deum qui unus trinus
est, quoquo modo illud intelligendum sit, unanimiter deprecemur, qua-
tenus in uobis ignorantiae tenebras illuminet, seu infidelitatis maculam
lavet nostrisque mentibus cognitionem suae veritatis infuudat, et nos
sopito contentioni* desiderio idipsum invicem seutire concedat Jesus
Christus dominus noster. Amen.
Sed quia ad fabulas nostrae detractionis , quas ipse impudenter
finxisti, quasi ad epularum delicias tamquam potens crapulatus a vino
diutius resedisti, in inerdae nostrae detractionis inmunditia suino more
saturatus es, nos quoque versa vice, non odii dente mordendo nee
ultiouis baculo ferieodo, sed literarum tuarum latratibus arridentes
108
de vitae tuae inaudha novitate disputemus, et ad quantam ignominiam
merito tuae inmunditiae dilapsus sis, demonstreinus. Neque vero opus
est, ut ad tuam eontumeliam more tuo aliquid confingamus, sed tarnen
quod a Dan usque Bersabee not um est replicemus. Miseria siquidem
tua iam manifesta est, et quamvis eam lingua taceat, tarnen eam res
ipsa clamat. Vidi siquidem Parisms quod quidam clericus nomine
Fulbertus te ut hospitem in domo sua recepit, te in mensa sna ut
amicum familiärem et domesticum honorifice pavit, neptim etiam suam
puellam prudentissimam et indolis egregiae ad doceudum conmisit.
Tu vero viri illius nobilis et clerici, Parisiensis etiam ecclesiae ca-
nonici, hospitis insuper tui ac domiui, et gratis et honorifice te pro-
curantis non inmemor, sed contemtor, commissae tibi virgini nou par-
cens, quam conservare ut commissam, docere ut discipulam debueras,
effreno luxuriae spiritu agitatus non argumentari, sed eam fornicari
docuisti, in uno facto multorum criminum, proditionis scilicet et for-
nicationis reus, et virginei pudoris violator spurcissimus. Sed Deus
ultionum, dominus Deus ullionum libere egit, qui ea qua tantum parte
peccaveras te privavit. Ea enim de parte dives in iuferno sepultus
qua plus peccaverat plus ardebat, cum linguam suam gutta aquae
refrigerari poscebat.
Dolore igitur tarn pudentis vulneris anxiatus metuque mortis im-
minentis pro vitae prioris foeditate compulsus babitum mutasti, et
quasi monachus effectus es. Sed audi beatum Gregorium de his
qui timore ad religionem coufugiunt loquentem: Qui timore boua agit,
a malo penitus non recessit, quia eo ipso peccat, quod peccare vel-
let, si peccare impune potuisset. Audi etiam beatum Augustinum:
Inaniter se putat victorem esse peccati qui timore mortis non peccat,
quia etsi exterius non agitur negotium cupiditatis, intus tarnen ipsa
est hostis; et quomodo coram Deo iiiuocens apparebit qui faceret
quod vetatur, si subtrabas quod timetur; et ideo iam ipsa voluutate
209
•reus est qui faceret quod non licet, sed ideo non facit, quia impulie
non potest; quantum enim in ipso est, mallet non esse iustitiain.
(Juodsi mallet non esse iustitiain, faceret, si posset, ut non esset iu-
stitia. Onomodo ergo iustus est talis iustitiae inimicus? Auücus au-
tem iustitiae esset, si amore iustitiae non peccaret. Qui geliennam
metuit non metuit peccare sed ardere. Ille autein peccare metuit qui
peccatum sicut gehennani odit. Audi eundem: Non frustra apnd pec-
catores instituta sunt potestas regis, ius gladii, ungulae carnificis, ar-
nia militis. Haec etenim timentur, et quietins inter nialos vivunt boni ;
quatnquain boni dicendi non sint qui talia ntetuendo non peccant, quia
non est bonus quisquam timore poenae, sed amore iustitiae. Sed
esto. Valeat timore coirversio, sed tarnen si bona sequatur conver-
satio.*'
Videamus autem ex quo conversus es, quomodo conversatus es.
In immasterio siquidem beati Dionysii, ubi non tarn ex regulae se-
verirtate, quam ex sapientissimi abbatis misericordia, dispensatione
pro facnltate singulorum omnia temperantur, morari non sustinens, ec-
clesiam a fratribus sub nomine öbedientiae, ubi volnntati voluptatique
tuae deservire«, accepisti, quam cum tuis superfluitatibus tuisque de-
sideriis sufficere non posse conspiceres, aliam ad omnem voluntateiu
tuam idoneam eligens a domino abbate ex generali fratrum consensu
accepisti, tibi, ut cetera taceamus, undique congregata 'barbarorum
multitudine, veritatem artis partim ex ignorantia partim ex superbia
in uu gas conmutans, non docenda docere non desinis, cum et docenda
docere non debueras, ^itque collecto falsitafis quam doces pretio,
scorto tuo in stupri premium nequaquam transmittis, sed ipse depor-
tas et quid, dum poteras, in pretium expectatae voluptatis dabas,
modo das in premium, pjus utique remunerando stuprnm praeteritum
peccans, quam emendo futurum, et qua prius cum voluptate abuteba-
ris, adhuc ex voluntate abuteris; sed Dei gratia ex necessitate non
Abhandlungen dcr.L Cl. d. k. Ak d. Wiss V. Bd. III. Abth. 27
210
praevales. Audi ergo b. Augustini sententiam : voluisli aliquid, sed
non potuisti, sie annotat Deus, quasi feceris quod voluisti. Teste
Deo et electis angelis loquor, quia conmonachos tuos perhibentes
audivi, quia, cum sero ad monasterium redis, undeeunque congrega-
tam peeuniam de pretio falsitatis quam doces, calcato pudore ad
meretricem transvolans deportas, stuprurnque praeteritum impudenter
remuneras. Quia igitur, suseepto habitu, doctoris officium mendacia
docendo usurpasti, utique monachus esse cessasti, quia beatus Hie-
ronymus mouachum, monachus ipse, diffiniens: monachus, iuquit, 11011
doctoris sed plangentis habet officium, qui scilicet muiidum lugeat
et (lomiiii pavidus praestolet adventum. Sed neque clericum te esse
habitus clerici convincit abiectio, sed multo minus laicus es, quod
coronae tuae satis probat osteusio. Si igitur neque clericus neque
laicus neque monachus es, quo nomine te censeam, reperire non va-
leo. Sed forte Petrum te appellari posse ex consuetudine mentieris.
Certns sum autem, quod masculini generis nomen, si a suo geuere
deeiderit, rem solitam significare recusabit. Solent eniin nomina pro-
pria significationem amittere, cum eorum significata contigerit a soa
perfectione recedere. Neque enim ablato tecto vel pariete domus,
sed imperfecta domus vocabitur. Sublata igitur parte, quae hominem
facit, non Petrus, sed imperfectus Petrus appellandus es. Ad huius
imperfecti hominis ignominiae cumulum vero pertinet, quod in sigillo,
quo foetidas illas litteras sigillasti, imaginem duo capita habentem,
unum viri alterum mulieris, ipse formasti. Unde quis dubitet, quauto
adhuc in eam ardeat amore qui tali eam capitum couiunetione non
erubuit honorare. Plnra quidein in tuam contumeliam vera ac maui-
festa diclare decreveram; sed quia contra hominem imperfectum ago,
opus quod ceperam imperfectum relinquo.
Ueber die Endung -ez [-es]
spanischer mid portugiesischer Familiennamen.
Von
J. A. Schm eil er.
27
Ueber die Endung -e% [- es]
spanischer und portugiesischer Familiennamen.
Gelesen in der Sitzung der philolog. - philosophischen Klasse
am 13. Januar 1849.
Man braucht kaum mehr als ein gewöhnlicher Zeitungsleser zu
seyn , um in spanischen Familiennamen das häufige Vorkommen der
Endung -ez bemerkt, vielleicht wohl gar auffallend gefunden zu
haben. Ist man mehr, und etwa auch Freund und Kenner spanischer
Geschichte und Literatur, so wird mau spanischen Namen wie Diez,
Enriquez, Fernandez, Narvaez, Paez, Perez, Rodriguez, Velasquez,
Ximenez leicht Dutzende ganz ähnlicher beizufügen finden. Ist man
nicht zufrieden, die Sprache als einen leblosen Vorrath von nun
einmal gegebenen au sich gleichgültigen Zeichen zu nehmen, so wird
man nicht umhin können, zu der Gleichförmigkeit der mehrfachen
Erscheinungen einen gemeinsamen Grund zu vermutheu. Diesen zu
finden, wird man Sprachlehre und Wörterbuch zu Hülfe rufen.
Beide aber, so wie sie zur Zeit noch gerüstet sind, werden in dem
gegebenen Falle so gut als taub seyn gegen den Ruf. Dies ist
wenigstens meine Erfahrung.
214
Ich konnte mich freilich gar wohl bescheiden, über ein Vor-
kommniss, das spanischen und portugiesischen Meistern der Sprache
selbst keiner sonderlichen Beachtung werth geschienen, auch nicht
mehr wissen zu wollen als sie; nemlich mehr als dass die also en-
denden Wörter eben Patronymica seyen, d. h. ursprünglich das
Verhältniss als Sohn oder Tochter zum Vater ausgedrückt haben.*)
Allein während mir selbst dies, dem heutigen Gebrauche gegenüber,
noch einiges thatsächlichen Beweises bedürftig schien, reizte mich
eine andere Frage, nemlich die, welcher von den altern Sprachen,
aus denen die spanische und die portugiesische erwachsen sind,
diese bedeutungsvolle Bildungssylbe wohl zu verdanken seyn möchte.
Es war eine gewisse, ich gestehe es, bereits von vorne herein ge-
fasste Meinung, die mir die in andrer Rücksicht ferne liegende und
darum sehr müssige Aufgabe anziehend genug erscheinen Hess, um
sie, so weit die örtlichen Hülfsmittel reichen, wenigstens etwas be=-
stimmter ins Auge zu fassen.
Es kommt bei allen Wörtern und also auch bei solchen Namen,
wie wir aus ähnlichen Untersuchungen innerhalb des germanischen
Sprachgebietes wissen, vor Allem darauf an, sie so weit als mög-
lich rückwärts bis dahin, wo sie sich zuerst zeigen, zu verfolgen,
um sie so noch unentstellt und frei von jenen Veränderungen, die
im Laufe der Zeit mit ihnen vorgegangen seyn mögen, vor Augen
zu haben. Dies kann nur geschehen, indem das, was über Begeben-
heiten, Zustände und Verhandlungen früherer Jahrhunderte gleich-
zeitig niedergeschrieben vorliegt, insonderheit Alles, wTas Urkuude
*) Als „Patronyrnicos, que na origem significavao filiacäo , como Alvares,
Menezes, Antunes, que queriäo dizer filho ou filha de Alvaro, de Mem,
de Antäo etc." fertigt sie kurz ab einer der neuesten portugiesischen
Grammatiker und Lexicographen.
215
heisst, zu Rafhe gezogen wird; ein Verfahren, das freilich nur im
Lande selbst, und da nur, wenn erst alle Archive zu Gebote stehen,
möglieb ist. Ich meines Orts musste, und zu meinem Zwecke durfte
ich mich bescheiden, schon blos einige der bekanntesten spanischen
und portugiesischen Werke und Sammlungen solches Inhalts als
Grundlage gelten zu lassen.
Erst vom 12. und 13. Jahrhundert aii kommen unter solchen
Aufzeichnungen auch einige vor, die zum Theil oder ganz in der
zur castilischen oder portugiesischen Sprache gewordenen Romana
rustica verfasst sind. Früher ist hier, wie im ganzen römisch-
christlichen Europa Latein, freilich ein nach Zeit und Ort sehr ent-
stelltes, die Schriftsprache, wenn auch, wie es scheint, die Gothen,
so lange sie Arianer geblieben, aucli hier ihre eigene gebraucht ha-
ben sollten. Wie sich schon in die früheste über die Halbinsel ver-
breitete Römersprache manche Zothat aus dem mehr und mehr ver-
drängten Iberischen [Baskischen] Idiom gemengt haben mag, so ha-
ben nachher die germanischen Wandervölker, Sueven, Vandaleu
und insonderheit die Westgothen, und endlich in noch reichenn
Maasse die Araber ihren Einschlag gegeben in das Gewebe des
peninsularen Lateins und der daraus entstandenen vulgaren Dialekte.
Solch ein Einßuss musste, nach allgemeiner, auch anderwärtiger
Erfahrung, in Hinsicht auf Formen ein auflösender, zerstörender
seyn; aber den Vorrath an Wörtern, den Sprachschatz, hat er au-
genscheinlich vermehrt. Was er von dieser Art geliefert, besteht
grösstentheils in Ausdrücken für Besonderheiten, deren Beziehung
auf die Beitragenden noch jetzo mitunter durchschimmert, am unver-
kennbarsten aber in Bezeichnungen von Personen und Orten, oder in
dem, worauf es hier zunächst ankommt, im Namen.
216
Wie gross nun die Zahl der Zuthaten dieser Art sey, und wie
leicht sie sich in der Regel als solche erkennen und ausscheiden
lassen, so selten und schwer erkennbar ist, was sich etwa an frem-
den, irgend einem der einfliessenden Idiome eigenen, lebenskräftigen
Formen unter die blos verstümmelten der einer neuen Bildung un-
terliegenden Sprache gemengt und in ihr Wurzel gefasst haben
mag. Dennoch ist es gerade eine solche, dem Latein gänzlich
fremde, lebendige Form, die ich hier im Auge habe, und als eine
nach der Hand freilich wieder völlig erstarrte in den patronymischen
Endungen, von denen die Rede ist, bis auf unsre Tage bewahrt zu
glauben geneigt bin.
Festzustellen ist vor Allem, dass die Endung -es \resl ,,|V
sprünglich und lange Zeit herab wirklich eine Bedeutung gehabt
habe, deren sich der heutzutagige Sprachgebrauch nicht mehr be-
wusst ist, dass nemlich durch sie recht eigentlich ein Genitivver-
hältniss, das des Erzeugten zum Erzeuger ausgedrückt sey. Dies
festzustellen wird hier vorerst ein einziges Beispiel genügen , da
gleich weiter unten noch mehrere folgen und unzählige andere in
jedem spanischen, ältere spanische Geschichte behandelnden Buche
von selbst sich darbieten. Der auch unter uns wohl bekannte Cid
hiess Ruy Diez, d. h. Rodrigo Diego's Sohn. Dieser sein Vater
aber wurde Diego Lainez , d. h. Diego des Lain Sohii genannt.
Kam es darauf an , dieses Verbältniss in lateinischer Sprache
Tai bezeichnen, so bedienten sich regelrechter geschulte Schreiber
gewöhnlich des förmlichen Genitivs. Lupus Didaci, Alvarus Pelagii,
Petrus Fernandi, Ermigius Petri, Rodericns Egeae, Arias Nunonis.
Sanctio Garseanjs etc. Neuere haben zu den patronymischen En-
dungen der Römer und Griechen, bald zu -ins, bald zu -ides ge-
griffen; Lupus Suarius [Lope Suarez] , Fernandus Bermudius
217
[Fernan Bermudes], Munio Gelmirides, Guterrus Fredenandides, Pe-
trus Gundisalvides.
Rückwärts aber vom 13. Jahrhundert an, besonders in dem sich
geben lassenden Latein der Urkunden, findet man statt des blossen
mittels Ellipse zu verstehenden Genitivs dieses Verhältniss noch oft
durch ein ihm ausdrücklich vorgesetztes filius, filia, prolix (proles)
bezeichnet. Transtina prolix Piuioliz. Tructesindo prolix Didagu.
Desterigu filio de Flaginu. Vorherrschender Gebrauch aber ist die
Auslassung dieses filius, filia, proles, und die Andeutung des Ver-
hältnisses lediglich mittels der fraglichen Endsylbe am Namen des
Vaters.
Statt -ez zeigt sich indessen in jener frühern Zeit -iz, das
zuweilen als -izi, auch -ici erscheint.
Doch hier kommt es darauf an, thatsächliche Belege zu geben.
Ich entnehme solche, da in jener Zeit, was von Portugal, im All-
gemeinen auch von Spanien gilt, den Urkunden, die einen wesent-
lichen Bestandteil ausmachen von I. P. Ribeiro's „Dissertacöes chro-
nologicas e criticas sobre a historia e jurisprudencia ecclesiastica e
civil de Portugal publicadas por ordern da Academia Real das scien-
cias de Lisboa" 1810 —1829, indem ich eine Auswahl der Namen,
die zugleich in patronyrnischer Form vorkommen, mit Angabe des
Jahres, in welchem dies der Fall ist, in alphabetischer Ordnung
vorführe. Die hier gegebene Jahrzahl (aera hispanica) läuft bekannt-
lich der gewöhnlichen um zwei Cyclen von 19 Jahren, nemlich um
38 Jahre vor.
Adefonsus : Adefonsiz 1069.
Alvitus : Alvitizi 1029,
: Alvitiz 1049.
Arvaldus 1 1 06 : Arvaldizi 1029.
Ascarica 909 : Ascarizi 1023.
Astrulfu 976 : Astrulfizi 1029.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 28
218
Atanagildus . .
: Atauagildizl090.
Fagildo
: Fagildiz 1147.
Atan 1102
: Atauiz 1104.
Fragulfo
: Frajulfici 1031.
Fredetiandus
: Fredenandiz 1090,
Barvaldus
: Barvaldiz 1234.
: Fredenandizi 1031.
Braolius
: Braoliz 1098.
Froila
: Froilaz 1069,
: Froilanez 1131,
Cartemirus
: Cartemiriz 1047.
: Froilaci 1117.
Cidi
: Cidiz 1129.
Fromarigii
: Fromariquiz 1161.
Cotino
: Cotiniz 1098.
Cresconio
: Cresconiz 1049.
Galindo
Galindiz 1147.
Garcea :
Garceazi 1063,
Davi
: Daviz 1047.
Garces, Garseanis.
Didagu 998
: Didazi 1029,
Godinu
Godiniz 1091.
: Didaz 1019,
Gontado :
Goiitatiz 1104.
.
Diaz 1147.
Gondulfo
Gondulfizi 1029.
Gontigio
: Guntigici 1031.
Ean \
Eanes,Anesl303.
Gontemiro
: Gunteiniriz 1023.
Ecta
: Ectaz 1099.
Gundisalbo
: Gundisalbiz 1098,
Ederonio
• Ederonzi 1023.
: Guutsalviz 1090.
Egaredo :
Egarediz 1090.
Gundesindus
Gundesindiz 1023,
Erigo :
Erigici 1117.
Gundesindizi 1029.
Ermiario :
Enniariz 1049,
Guandila :
. Guaudilizi 1029,
Enniarizi 1031.
Guandilaz 1023,
Ermigio :
Eimigizi 1117,
Guandilazi 1091.
Ermigiz 1123,
Gaeda :
Guedaz 1344.
Ermiz 1131.
Guimiro :
Guimiriz 1047.
Ero :
Eiiz 1129.
Exemeno :
Exemeniz 1104.
Jamu :
Jamiz 1129.
Janardo
Janaradizi 1063.
Fafila :
Fafllaz 1123,
Jurgo :
Jurgiz 1129.
i
Fatilanes 1123.
219
Lain
: Lainez.
Roderigo
: Roderiquiz 1047,
Loderigu
: Loderiguz 1023-
: Ruderiz 1049.
Lupo
: Lupiz 1305,
Lopez.
Sancho
: Ruiz.
: Sanchiz 1250.
Mendo
: Mendiz 1147.
Sando
: Sandizi 1031.
Menendo
: Menendiz 1084.
Sarracino
: Sarraziniz 1091.
Mito
Monio
• Mitiz 1047.
Moniz 1090,
Savarigu
Sendamiru
: Savariquiz 1145.
: Sendamiriz 1090
Moneonis 1085-
Sisvaldo
: Sisvaldiz 1102.
Suario
: Suariz 1084.
Nausti
: Naustiz 1085-
Nano
: Nuuiz 1019.
Tegio
: Tegiz 1023.
Ordonio :
Ordoniz 1049.
Tegino
Trastemiro
: Teginiz 1023.
: Trasteinirici 103 J
Osoredo :
Osorediz 1049.
Tructemiro
: Tructemirizi 998.
Truclesindo
: Tructesindiz 104^
Pelagio :
Pelagiz 1094,
Pelaiz 1147,
Velasco
: Velasquez,
:
Pelaz 1104.
: Vaasquiz 1341.
Petro :
Petriz 1099.
Vermudo
: Vermudizi 1147,
Piniolo
Piuioliz 1084.
: Vermudiz 1084.
: Vermuiz 1177.
Ramiro :
Ramirici 1117,
Vizoi
: Vizoizi 1029.
'.
Ramiriz 1147.
Vimara
: Vimaraz 1104.
Randulfo :
Randulfiz 1023.
Raupario :
Raupariz 1090.
Zalama
: Zalamizi 1021.
Rechner :
Recenürici 1117.
Zamario
: Zamariz 1085*
Betrachtet man diese Namen, die unter andern, wie gesagt, nur
in so ferne ausgewählt sind, als sie in jenen Urkunden nicht Mos
28*
220
einfach, sondern eben auch in der fraglichen patronymischen Form
vorkommen , so wird man sie in entschiedener Mehrzahl als solche
erkennen, die einer andern als der lateinischen oder einer von die-
ser abgeleiteten Sprache angehören müssen.
Einigen derselben: wie Fafila, Froia, Froila, Guandila; Fredi-
nandus, Didagus; Atanagildus, Fagildus; Astrulfus, Gondalfus, Ran-
dulfus; Arvaldus, Barvaldus, Sisvaldus; Cartemirus, Gontemirus, Ra-
mirus, Recimerus, Sendamirus, Trastenürus, Tructemirus; Gundesin-
dus , Tructesindus ; Fromarigus, Loderigns, Roderigus, Savarigus;
Bermudas, Gundisalvus wird man die grösste Aehnlichkeit mit Na-
men, die in altern Zeiten bei den verschiedenen germanischen
Stämmen vorkommen, nicht bestreiten. Wenn man sich erinuert,
dass es unter diesen germanischen Stämmen namentlich die West-
gothen waren, die vom 5ten bis zum Anfang des 8ten Jahrhunderts
die Halbinsel beherrscht hielten, so wird man kaum Anstand neh-
men, diese Namen eben für ursprünglich gothische gelten zu lassen.
Nicht minder unschwer wird man zugeben, dass dieselben im
Munde einer wohl von jeher wenigstens zu drei Viertheilen ungo-
thischen Bevölkerung schon gleich anfänglich und so fort und fort
bis zur längst völlig ungothischen Zeit, in der wir sie jniederge-
schrieben finden, eine mehr oder minder wesentliche Entstellung
müssen erfahren haben. Einräumen wird man unter dieser Erwä-
gung ferner, dass auch viele andere solche Nainen., in welchen gar
nichts gerade Germanisches mehr durchschimmert, dennoch gleiches
Ursprungs seyn mögen. Es genügt, an ein paar der geläufigem un-
ter diesen Namen zu zeigen, wie sie sogar erst von der Zeit un-
serer Aufzeichnungen herabvvärts entstellt worden sind, um auf das
schliessen zu lassen, was sie bis zu jener Zeit bereits mögen erlit-
ten haben.
221
Adifonsus, Adefonsus noch im X. und XI. Jahrhundert — wird
später zu Adfonsus, Alefonsus, Alfonsus, Alonsus, Aifon-
sus, Affonsus, Anfus. Während -fons noch recht gut dem
alten fum (promptus) entspricht, gewährt der erste Be-
standtheil einen weit minder sichern Halt, weil, wie das
spätere al , auch das frühere adi selber schon Entstel-
lung seyn kann.
Didagus, Didagu noch im XI. und XII. Jahrh. — wird nach der
Hand Diago, Diego; und so verdunkelt sich gänzlich der
zweite Bestandteil, der mit dem dag, tag, tac, dag, dag-r
in Namen aller germanischen Dialekte [Hröddag, Hraod-
tac, Wiltag, Bäldäg, Swäfdäg, Vägdäg, Svipdag-r] iden-
tisch scheint. Ueber dt, ob es etwa vor dem ohnehin
folgenden d aus thiod, thiud verkürzt, sind eben auch nur
Vermuthungen statthaft.
Obschon es einen, ausdrücklich Didacus genannten
Heiligen, einen Minoriten von Alcalä, freilich erst von 1390,
gibt, wird heutzutage Diego allgemein, selbst vom Diccio-
nario de la Academia, wahrscheinlich wegen Aehnlichkeit
des Klanges, für gleichbedeutend mit Santiago (Sanctus
Jacobus), somit für Jacob genommen, (was andrerseits zu
Jacme, Jayme, James nicht minder entstellt ist).
Aehnliches widerfährt auch andern derlei eingebornen
alten Namen. *) Ihigo, wovon das Patronymicum Imguez,
*) Gleichsam vermöge Gegenrechtes sind später manche hebräische, grie-
chische, lateinische Namen in eine Form gegossen worden, die ihnen
das Aussehen gibt, als seyen sie aus einer der neuern Sprachen zu
222
wird für den griechischen Ignatius*); Ximeno [alt Eximeno,
Eximino], wovon patronymisch Ximenez [alt Eximiniz],
für den hebräischen Simon aasgegeben. Obgleich bereits
Johannes Chrysostomus in seiner 13ten Homilie über die
Epistel an die Corinther, und Gregor der Grosse im Sa-
cramentarius empfiehlt, den Täuflingen Namen von Heili-
gen beizulegen, so ist dieser Hath von Völkern germani-
scher Herkunft noch geraume Zeit fort wenig befolgt wor-
den. Und selbst romanische Eltern und Patben scheinen
oft genug germanische Namen als die der herrschenden
Rasse, und somit als vornehmere gewählt zu haben. Am
schlagendsten beweisen dies die vielen germanischen Na-
men von Heiligen auch des vorgerücktem Mittelalters selbst.
Fredinandus, Fredenandus, Prenandus noch im XII. Jahrh. geht
später durch eine nicht ungewöhnliche Versetzung des r
über in Ferdinandus, Fernandus, Fernan, Heruan. Das in
mehreren Namen bald als erster, bald als zweiter Bestand-
theil vorkommende fred, fridu, frithas wird unkennbar, wie
gut sich auch das aus dem alten nandjan (audere) zu deu-
tende nand erhalten hat.
Gundisalvus, Gundesalvus ist so schwer zu erkennen in Gon-
salvo, Gonzalo, als
Gundesindus in Gosendo. Das gund dieser Zusammensetzungen
ist ein bekanntes germanisches Wort.
Hause. So unser Waldhauser für Balthasar. Einer der Herren zu
Rapoltstein heisst in Urkunden des XV. Jahrh. bald Maximin bald
Schmasmann, wo nicht aller Zweifel fern ist, welches Wort das aus
dem andern entstandene sey.
*) Als Beispiel reicht hin: Don Inigo de Loyola.
223
Rodericus, der auch ausserhalb der Halbinsel nicht ungewöhnliche
Name, erscheint bereits in dem des Cid zu Ruy verkürzt.
Uebrigens ist keine der romanischen Sprachen mit diesem un-
verwüstlichen Erbtheil aus germanischer Wehherrschaft, den eige-
nen Namen, glimpflicher umgegangen.
Sehen Louis, St. Cloud, Frou, Raoul, Geoffroi u. dergl. den
alten Chlodowic, Hludowic, Chlodoald, Frodulfus, Radulfus, Godafrid
ähnlicher, als Ruy einem Hrödreik-s?
Wenn also vollkommenes Verständniss dessen, was solche Na-
men in ihrer ursprünglichen Gestalt eigentlich besagt haben, haupt-
sächlich weil wir von den germanischeu Sprachen über das fünfte
Jahrhundert hinauf nur eine, und diese nur zum Theil kennen, dann
weil wir die wenigsten dieser Namen bis zu jener noch durch
keinen griechischen oder lateinischen Model bereits der ersten Auf-
zeichner gegangenen Gestalt verfolgen können, vielleicht für immer
ein frommer Wunsch bleiben wird, so wäre es sehr unnütz,., diese
paar Beispiele mit den über sie gewagten Vermuthungen noch durch
andere dergleichen zu vermehren. Doch aber scheint schon aus
ihnen so viel hervorzugehen, dass, selbst wenn nicht die ganze
Geschichte darauf hinwiese, diese und ihnen ähnliche Namen, ihrem
Wortgehalte nach, aus dem germanischen, hier zunächst gothischen
Sprachschatze genommen sind.
Und weiter habe ich mich hier auf das, was Material der
Sprache heissen kann, auch nicht einzulassen.
Es ist mir um etwas im Grunde Wichtigeres und linguistisch
Merkwürdigeres, um eine Form zu thun, um das Herkommen der
224
unscheinbarer] Sylbe ez [e$\ mit ihrer Genitivbedentung an Person-
namen in einer Sprache, in welcher alle Beugungs formen von son-
stigen Nennwörtern längst zu Grunde gegangen sind.
Was fürs erste den Laut betrifft, in welchem der Consonant,
d. h. das Wesentliche dieser Sylbe, heutzutage ins Leben tritt, so
ist er in jenen castilisch sprechenden Proviuzen, deren Aussprache
ein z vom s, auf die bekannte an das griechische & und das eng-
lische Schluss-^A erinnernde Weise, unterscheidet, der dieses z; in
den übrigen, so wie auch bei den Portugiesen, der des gewöhnli-
che!) s. Wann jener s-Laut, und ob etwa erst durch die Araber,
in die spanische Aussprache gerathen sey, vermag ich nicht zu be-
stimmen. Dass er etymologisch etwa dem bei den Gothen voraus-
zusetzenden ip (fh) entspreche, wird eben durch die z. B. von Pro-
copius in griechischer Form überlieferten Namen verneint, deren th
als reines t geblieben ist. Eben so wenig möchte er auf ein t in
-Uns, tia, tium zurückzubringen seyn, das nur in einer der romani-
schen Sprachen, der des mittlem Italiens, einen vom s verschiedenen
Laut angenommen hat. Dieses castiüsche z wird demnach wohl als
eine örtliche blosse Entstellung eines ursprünglichen s genommen
werden dürfen, um so mehr, als man gerade im südlichem durch
das „Ceceo" berufenen Spanien die Laute z und s regellos mit
einander verwechseln hört.
Nun aber, aus welcher von den Sprachen, aus deneu die je-
tzige herrschende der Halbinsel entstanden ist, mag dieses bezeich-
nende es genommen oder vielmehr behalten seyn?
Aus der baskischen?
Auf diese in uralter, über die der Römer hinaufreichen-
der Zeit wahrscheinlich in ganz Iberien herrschende, nun in
22£
einen Theil der Pyrenäen Zurückgewichene Spra'che ist zu-
rückgegangen der einzige spanische Forscher, der sich mei-
nes Wissens auch auf die vorliegende kleine Frage einge-
lassen hat, der Pater Stephan von Terreros in seiner Paleo-
grafia espanola. 1758.
Er hält unsere Sylbe für die baskische Postpo.sition a'z'y
abgekürzt 'z [von, aus, mit], z. B. in hitza-z (von hitza
Wort), ortze-z (von ortza Zahn), ogui-z (von oguia Brod),
argui-z (von arguia Licht), lo-z (von loa Schlaf), gogo-z (von
gogoa Begierde), escu-z (von escua Hand), buruz (von burua
Kopf). Wie diese mit dem z ausgeslatteten Wörter bedeu-
ten: von dem Worte, von den Zähnen, von dem Brode u.s.f.,
so werde Didaz, Albarez, Jemeniz, Munioz, Ferruz einem
spanischen de Diego, de Albaro, de Jemeno, de Munio, de
Ferrando entsprechen müssen. *),
Der Sehluss ist allerdings richtig. Allein die Zeit, in
welcher etwa bis Cadix und Lissabon baskisch oder canta-
brisch gesprochen wurde, liegt unendlich weit ab, sie reicht
über die lateinische Hispaniens hinaus; und schon in dieser
*) Seine Worte sind S. 15: El poner el nombre de padre por appellido
en az, ez, iz, oz uz, es ä mi parecer evidente que se tomo de la len-
gua vascongada, en que ademas de ser comunes estas terminaciones
y voees las protege la significäcion para este asunto por equivaler a
las preposiciones latinas a, ab, de, ex, cum, corao se ve en hiiaz, hil-
zaz de ti, hitzez, ortzez de palabra, de dientes, oguiz, arguiz de pan,
de luz , loz de sueiTo, gogoz de gana, escuZ, buruz de mano, de ca-
be«a. De aqui es claro siguiendo este significado y posposicion que
Didaz en el Bascuence es lo mismo que de Diego, Albarez de Alltnr.
Jemeniz de Jimeno, Munioz de Munio, Ferruz de Fernando etc.
Abhandlungen der I. Cl. d. k Ali. d. Wis». V. Bd. III. Abth. 29
226
hätte sich wohl irgend eine Spur der so fremdartigen und
bezeichnenden Zutliat abdrückeu müssen. Irre ich nicht,
so ist das patronymische iz, ez, es nicht einmal bei den näch-
sten Nachbarn der Basken, den altern Catalaneu, üblich ge-
wesen. Wenigstens wird bei Muntaner capp. 48. 75. En
Peres (Peters III) natürlicher Sohn En Jacme immer En
Jacme Pere, nicht Perez oder Peres genannt.
Mögen immerhin genug Namen von Städten, Ländern
und Flüssen der Halbinsel aus dem Baskischen zu erklären
seyn, es greift dies in jene unvordenkliche Zeit zurück. Auch
im Wortschatze der heutigen castilischen Sprache werden
sich, ausser zahlreichen baskischen Familiennamen, die sich
meist schon durch ihre Gestalt als solche ankündigen, wie
Goicoechea, Larramendi, Lardizabal, Mendizabal , Zumala
Carregui n. dergl. nicht eben viele bestimmt baskische Ele-
mente nachweisen lassen. Es liegt zwischen dem spanischen
ez und jenem baskischen az der Zeit nach eine Kluft, wohl
nicht minder ungeheuer, als man sie etwa zwischen jenem
iz und dem patronymischen wie der Slaven dem Räume nach
finden müsste. Aus solchen Gründen kann ich Tererro's üb-
rigens scharfsinniger Annahme keine sonderliche Wahrschein-
lichkeit zugestehen.
Aus dem Lateinischen?
Hätte sich ein dem griechischen nachgebildetes -ides
in is zusammengezogen , oder wäre dasselbe einem erstarrten
-ius widerfahren? Kaum denkbar.
Besser würde ein -itiits sich anlassen. Aber wie käme
dieses zur patronymischen Bedeutung?
22t
Hätte es blos die eines Diminutivs gehabt, so inüsste
ein daraus entstandenes iz jedenfalls den Ton behalten, was
bei unserm iz, ez, es nicht stattfindet, so dass eben die Nicht-
betonung dieser auf einen Consonanten ausgehenden Schluss-
sylbe eine Anomalie der castilischen Aussprache bildet
Wäre das is von einzelnen, sich also beugenden Namen,
wie Danielis, Salomonis, auf alle übrigen übertragen worden?
Eben so unwahrscheinlich, da die Namen dieser Declinations-
art gerade und entschieden die Minderzahl ausmachen gegen
jene, welche, sogar wenn sie germanischen Ursprungs sind,
unter der Form -ns, Genitiv i, auftreten.
Aus dem Arabischen ?
Ansehnlich ist der Beitrag, den die Mauren, vom sieben-
ten bis ins sechszehnte Jahrhundert rührige und grossentheils
herrschende Mitbewohner der Halbinsel , in den bleibenden
Sprachschatz derselben geworfen haben. Aber dass sie ihm
auch von ihren semitischen, als solche dem Gefüge der latei-
nischen Idiome so sehr widerstrebenden Formen diese oder
jene dauernd aufzuprägen vermocht hätten, ist wenigstens
mir nicht bekannt.
Gerade bei den Arabern liegt herkömmlich die ausschliess-
liche Beziehung eines Namens auf eine bestimmte Person auch
ausserhalb des häuslichen Kreises, in der Verbindung dieses
Namens mit dem ihres Vaters und nach Umständen sogar
mit dein eines Kindes derselben. Sie nennt sich N. Sohn
des N., oder auch wohl N. Vater des N. Aber konnte je-
nes erstere Verhältniss auch anders als durch ausdrückliche
Setzung des Wortes Ibn, Ben (Sohn) vor den Namen des
228
Vaters ausgedrückt werden? Oder gab es überhaupt Fälle,
dass dieser Name eine fernere Zuthat, namentlich eine solche
erhielt, die mit unserm iz, es oder s irgend etwas gemein hätte?
Unter Ribeira's Urkunden, die mitunter auch Mauren be-
treffen, finde ich allerdings auch Benennungen wie Iben Egas,
Ben Egas abwechselnd mit Filius Egas, so auch „Abon Ari-
gutinizi" (1063), wo man glauben darf, Abon sey eben das
arabische Wort für Vater; auch „Abdella eoguomento Patre
Abdellaz" (1023), wo durch „Patre" wieder nur das Abon
übersetzt erscheint, und wo man in den Endungen i%i und z
eben uusre patronymische nicht verkennen kann. Allein dar-
aus schliesse ich mehr nicht, als dass die nichtmaurischeu
Aussteller der Urkunden die bei ihnen einmal herkömmliche
patronymische Bezeichnungsweise festhaltend für arabische
Namen so wenig als für lateinische, griechische oder hebräi-
sche eine Ausnahme gemacht, und, wie Petriz, Pelagiz, Do-
minguiz, Martiniz, gleich getrost auch Abdalliz u. dgl. wer-
den gesagt und geschrieben haben. Was Egas betrifft, so
steht es mehrmals auch als freier Nominativ und liegt aus-
serhalb der Frage.
Aus dem Gothischen?
Ich glaube, ja, und wundere mich nicht, zu finden, dass
auch Andere kurzerhand dasselbe als ausgemacht angenommen
haben. Legt es doch sowohl der Laut als die Bedeutung
dieses es vom Tajo und Manzanares dem Deutscheu und je-
dem seiner Sprachverwandten so nahe, in demselben das
leibhafte es seines mascnlinen Genitivs zu sehen und zu hö-
ren, dasselbe trotz des Auslandes an Zeit und Ort als Fleisch
von seinem Fleische zu erkennen.
229
Wenn nun dabei jedenfalls auf die gothische Mundart
moss zurückgegangen werden, so ist zunächst freilich der
Unistand misslich, dass zwischen der Sprache der Westgo-
ihen an der Donau zur Zeit des Ulfila und der desselben
Volkes nach so mancherlei Zügen und Berührungen in Spa-
nien eine merkbare Veränderung mag Platz gegriffen haben.
Und so wird, wenn eben nur das, was wir von jener wis-
sen, als Maasstab zur Hand ist, dieser nicht in aller Schärfe
anzulegen seyn.
Wie finden wir in der Ulfilaischen Bibelübersetzung die
Namen — freilich lauler ungothische und ungermanische**) —
im Singular -Genitiv behandelt?
Es zeigen sich auf volles is die Genitive :
Abrahamis, Adamis, Daveidis, Jakobis, Jesuis, Josefis,
Isakis, Israhelis, Kaisaris, Mosezis, Saulaumonis und
so manche andere im dritten Capitel des Evangeliums
Ijucae.
Dazu kommen einige auf aus, wie Alaiksandraus, Filip-
paus, Jaurdanaus, Paitraus, Peilataus, Rufaus, Xristaus,
endlich
andere auf ins, wie Audraiins, Esaeiins, Judins, Heleiins
(von Andreas, Esaias, Judas, Helias); Abijins, Iodins.
Resius, Tharius (von Abija, Juda, Resa, Thara).
*■•) Dass solche auch schon bei den Gothen, wie bei den Angeisachsen
und andern Stämmen durch die Endung ing , ung zu Patronymiken
geworden, ist nicht sicher, obschon man es vermulhen sollte. Evang.
Luc. cap. 3 war Gelegenheit, es zu zeigen.
230
Ueberall also das -.?, vor welchem das i iu der entschiedenen
Mehrzahl der Fälle rein dasteht, in den wenigen der u-Declinatiou
heiinfall enden Namen auf griechisch og, lat. us aber sich dem son-
stigen gothischen Sprachgebrauche fügt. Die griechischen Namen
auf « und c<g zeigen das .?, wie die gothischen männlichen Apella-
tive auf a, in der sogenaunten schwachen Form ins, wo es spätere
Dialekte gänzlich haben verkommen lassen. Dieser Form -ins ge-
mäss wäre freilich unter unsern obigen Beispielen ein FaGlins, Froi-
lins, Guedins u. dergl. viel eher als ein Fafilaz, Froilaz etc. zu er-
warten gewesen. Allein, wenn auch diese Namen allmählich nach
der Weise der überwiegenden Mehrzahl behandelt worden sind, so
sind doch selbst noch in den besagten Urkunden Formen, wie Fa-
filanes, Froilanez u. dergl. nicht unerhört. Und dazu stimmt die Be-
merkung Aguirre's (Collectio concil. Hisp. I, 17J: „De nominibu*
horum regum, ne quis miretur, illud iu conciliis et historiis est ob-
servandum quae in a desinunt ut Wamba, Egica, Tulga facere in
obliquis casibus Wambunis et Wambanem et eodem modo in caete-
ris. Eligebantur autem reges ex gothica nobilitate."*) Es darf die-
ses anis statt ins keineswegs auffallen, da es sogar, wie auch
*) Der bekannte gothische Historiker sagt in seinem Werke: De origine
Getarura cap. 50 (S. 125 der freilich nicht sehr alten Münchener
Handschrift) : „Ego item quamvis agrammatos Iordanis ante convei'sio-
nem notarius fui." Wie? wenn dies der blosse Genitiv irgend eines
Namens Jorda, Jaurda, und so ein schon frühes Beispiel davon wäre, was
später dem spanischen Gomez widerfahren zu seyn scheint, das, wohl
ursprünglich ein Patronymicum und schwerlich blos eine Verkürzung
aus Gumesindus, allmählich zum förmlichen Personnamen geworden
ist und- als solcher das Don vor sich nehmen kann. So fragte ich
mich, ehe ich J. Grimms gewichtiges Wort für Jornandes vernommen
hatte. Nur will lor als Zusammenziehung aus Ibor, Ibui mir noch
immer nicht recht gothisch vorkommen.
231
J. Grimm Gr. I, 818, Gesch. d. d. Spr. II, 945- vermuthet, die frü-
here Form seyn kann. Dass aber die meisten Namen der Art als
Patronymica blos auföz, 's ausgehend gefunden werden, erklärt sich,
falls dabei nicht eine blosse Zusammenziehung aus anis Statt gehabt,
wohl auch daraus, dass selbst sehr frohe spanisch-gothische Schrift-
steller, wie z. B. Isidor, in ihrem Latein neben Agilanis, Bambanis,
Linvanis und der übrigen entsprechenden obliquen Casus eben so oft
Agilae, Agilam, Liuvae, Liuvam, Totilae, Wambae n. s. f. zu lesen
geben. Sie hielten sich dabei an den lateinischen Sprachgebrauch,
wie seinerseits Procopius, dein griechischen gemäss, gothische Namen
wie AXßiXcig, MovvdfXag, TwrCXctg in den verschiedenen obliquen Ca-
sus einfach auf a, er, ctv ausgehen lässt.
Zu berücksichtigen ist schliesslich noch das seltsame i, das
sich in den ausgehobenen Beispielen einige Male den patronymischen
Endungen iz, az angehängt findet, z. B. in Alvitizi, Erigici, Didazi,
Froilaei, Garseazi. Ich halte es für das * der für solche Namen
häufigsten lateinischen Genitivform, das man, die eigene Bedeutung
der gothisehen Endung nicht mehr fühlend, derselben nachhelfend
beigefügt haben mag; obschon auch denkbar wäre, dass z. B. Didazi
den Sohn des Didaz, d. h. erst des Sohnes des Didago zu bedeu-
ten gehabt hätte. Da aber in obigen Beispielen beide Formen, so-
wohl iz als izi, auf eine und dieselbe Person angewendet vorkom-
men, so wüsste ich jenes i in der That auf keine andere Weise zu
erklären.
Vielleicht nimmt sich einmal ein mit bessern Mitteln ausgestat-
teter Forscher der Halbinsel selbst der hier aufgestellten kleinen Frage
an. Und könnte die gegenwärtige Betrachtung dazu Veranlassung geben,
so wäre mir der Trost gesichert, der verehrten Mitglieder und meine
Zeit nicht zu völlig Nutzlosem missbraucht zu haben.
Q. Valerii Catulli Veron. über.
(Ex rec. C. Lachmanni. Berol. typis et impensis Ge. Reimeri.
A. 1829.)
Vorschläge zur Berichtigung des Textes
von
Joh. v. G. Fröhlich.
Abhandlungen d. I. Cl. d. 1«. Ak. d. Wiss. V. Bd. HI. Abthl. 30
Q. Valerii Catulli Veron. liber.
(Ex rec. C. Lachmauiii. Berol. typis et itnpensis Ge. Reimeri.
A. 1829.)
"Vorschläge zur Berichtigung des Textes
von
Joh. v. G. Fröhlich.
Carm.
1, v. 8, Quare habe tibi quicqnid hoc libelli (est);
Quod fac, quaeso ec/intlem, patrona virgo,
Plus uno maneat perenne saeclo.
*) Patrona virgo = die jungfräuliche Muse. Doctae virgines
= Musae. 65, 2.
2, 5 ff. Cum desiderio meo (i. e. mei) uitenti
Carum nesßfo quid übet iocari
Ut solatioluiu sui doloris.
2, 8, Credo, cum gravis aggravescit ardor;
Tecum ludere etc levare curas.
*) Die 3 Verse „Tarn gratum est mihi'' etc. gehören nicht zu
Carm. 2, sondern als Schluss an das Ende von Carm. 38.
3, 6 f. Nam mellitus erat suamque norat
lpsam tarn bene, quam puella matrem.
30*
230
Carm.
3,
16
4,
23.
6,
2
Carm. 60.
Proh factum male! proh miselle passer,
Tna nunc opera etc.
— , cum veniret a muri (marei)
Novissimo hunc ad usque limpidum lacum.
Ni essent illepidae atqne in elegantes,
Velles dicere, nee etc.
— , 9. Pulvinusque peraeque et hie et Wie (illoc)
Aüritus tremuliqne etc.
— r 12. Quamquam frustra etiam haec volent tacere.
Cur? Non tarn latera etc.
8. * Hieher vielleicht als Anfang des Gedichtes
zu versetzen Carm. 60. So:
1. Num te leaena montibus Libvstinis
Aut Scylla latrans infima iuguiuum parte
Tarn m ente dura proereavit ac tetra,
Ut supplicis vocem in novissimo casu
— , 5. Contemptam haberes ah uimis f'ero corde? —
carm. 8, Miser Catulle, desiuas ineptire,
Et quod vides perisse perditum ducas.
Fulsere quondam etc.
— , 9. Nunc iam illa non vult: tu quoque impetra hoc a te
Nee quae fugit seetare, nee miser vive etc.
— , 15. Scelesta, quae te, vae tibi*}, manet vita?
Quis nunc te adibit? cui videb. etc.
9. Damit ist wohl am Ende zu verbinden
Carm. 27.
*) 64, 196.
237
Carm.
9, 1. Veranni, omnibus e meis amicis
Antistans mihi milibus trecentis,
Venistine domuui ad tuos Penates
Fratresque unanimos senemque nialrem?
Venisti. 0 mihi puntii beati!
Vissam te iiicolumeni
Quid ine laetius est beatiusve ?
Minister vetuli puer Falerni earm. 27.
Inger mi calices amariores, \ergi. mm-
üt lex Postumiae iubet magistrae tiaL XI' 36'
Ebriosae acino ebriosioris.
At vos quo lubet hinc abite, lymphae,
Vini pernicies, et ad severos
Migrate: liic merus est Thyoniainis.
10, 9 ff. llespondi id quod erat, nihil uec (ueque) ipsis
Hinc praetoribus esse nee coliorti,
Cur quisquain caput unetius referret,
Praeter si quibus esset irrumator Vgl 28, 9 s<j.
Praetor nee faveret pili cohortem.
„At certe tarnen", inqiiif, „id quod illic
Natum dicitur esse comparasti,
Ad lecticam homines"? Ego, ut etc.
— ? 24. Hie iiia, ut deeuit cinaediorem,
„Ouaero", inquit, „mihi, im CatuIJe, pauJum
Istos commoda ; ertim volo ad Serapim
Deferri". „Minime", inquii; „puellos
Istos , quos modo dixeram me habere —
Fugit nie ratio : meus sodalis
Cinna est Gaius; is sibi paravit.
238
Varm.
10, 31. Verum u(rum illius etc.
Utor tarn bene quam mihi paratis." (quam [bene
eos] mihi pararim.)
(?) Sed tu etc.
H- Das Ganze ironisch. Vgl. Carm. 15. 16.
21. 23. 24. 26 etc. Auch der Auftrag, wel-
chen der Dichter (v. 15 ff.) gibt, spricht
dafür ; nicht minder die Art, wie von Caesar
und dessen Thaten in Gallien und Britan-
nien gesprochen wird (v. 10 ff.).
— , 3. 1 Longe nbi Utas resonante Eoa
Tunditur unda.
— , 11. Gallicum Rhenum horribilesque Celtas
Atque Britannos.
*) Celtas. Caes. de bello Gall. I, 1.
■ — , 1 3. Haec fere et quaecunque feret voluntas
Caelitum, tentare simul etc.
13, 9. Sed contra accipies meros odores,
Queis i;::) quid suavius elegantiusve est?
Nam unguentum dabo, quod etc.
14, 2. Calvas (auch Poet. Ovid. Amor. III, 9, 62).
— Vatinius. Odium Vatin. = odio, quali Va-
tinius te odit. Vid. Carm. 53.
— , 14. Saturnalibus, die omnium dierum optimo.
Damals war den Saturnalien nur ein Tag
gewidmet; Julius Caesar fügte zwei andere dazu.
*) Queis uil suavius etc.
239
Carm.
14 am Ende „Saecli iticommoda, pes.simi /joetae."
Die darnach (in den gewöhnlichen Ausgaben)
folgenden 3 Verse „Si qui forte mearum etc."
sind mit den meisten Versen des Carm. 16
in ein Gedicht zu vereinigen, auf folgende
Art :
Si qui forte mearum ineptiarum Gemischt aus
r Ä . .. 14 und 16.
Lectores entis manusque vestras
Non horrebitis ad movere nobis,
Paedicabo ego vos et irrumabo.
Qui ine ex versiculis meis putatis
Si sunt molliculi ac parum pudici,
Üt quod pruriat incitare possint,
Non dico pueris, sed his pilosis,
Qui duros nequeunt movere lumbos.
16. Als Carm. 16 bleiben auf diese Weise noch
die 4 Verse:
Aureli pathice et cinaede Furi,
Vos, quod milia multa basiorum '_' arm-5-
Legistis, male Die inarem putatis?
Paedicabo ego vos et irrumabo.
17. Colonia. Welche Stadt? — Venetia? . . .
— , 22. Ipse quid sit , utrum sit etc.
— , 23- Hunc ineuin volo de tuo ponte etc. voio et™
*) Hunc meum. Vgl. v. 22. Talis iste meus Stupor etc.
v. 8. Quendara municipem meum.
21, 1. Aureli, pater esuritionum,
Nou horum modo, sed quot aut fuerunt vgl. 24, 2 f.
240
Carm.
Vgl. 49, 2 f. 21, 3. Ante aut post aliis erunt in annis,
Paedicare cupis etc.
*) Esuritiones ■=. esuriones, esuritores = Hunger-
leider.
— , 10. Nunc ipsum id doleo, quod esurire
A temet puer et sitire discet.
22, 1. Suffenus iste etc. Vgl. 14,' 19.
— , 5. — nee sie, ut fit, in palimpsesto
Notata: ehartae regiae etc.
*) Vid. Sueton. Galb. 5: „notata, non perscripta."
22, 9. Haec cum legis, tum bellus ille et urbanus
Suffenus unus caprimulgus etc.
— ,12. , qui modo scurra,
Aut si quid hoc retritius, videbatur,
Idem infaceto est iufacetior rure.
*) Retrilus ■=. (TialivrQißrjg) =r politus, callidus).
23, 8. — nihil tiinetis,
Non incendia, non graves ruinas,
(vemae?) Non facta iinpia non dolosa servi,
Non casus alios etc.
*) Facta impia etc. Vgl. 30, 4. Dann 64, 192 u. 203.
„Ihr fürchtet nichts ; nicht incendia — denn „non
est vobis ignis" (v. 2 extr.); nicht graves ruinös, —
denn „nee eimex vobis est neque araneus" (v. 2
init.) ; nicht facta impia vel dolosa servi — denn
„non est vobis servus" (v. 1).*'
23, 22 f. Quo'd tu si manibus teras fricesque,
Non unquam digitum inquinare poasis.
241
Carm.
24, 4. Mallem divitias Midae dedisses
Isti, quoi ueque servus etc.
*) mide, dedisses — mirferfedisses — mi dedisses.
25, 5» Cum devia mulier viros off'endio oscitantes.
*) Devia mulier. Vid. Horat. Od. II, 11, 21.
Calull. 37, 16 semitarii moechi.
— , 10. Ne laneum latusculum manusque molL
Inusta turpiter tibi flagella consecillent.
27. Sieh oben zu Carm. 9.
29. Dieses Gedicht soll nach Meinung der neuem
Editoren durchaus in reinen Jamben (wie
Carm. 4) geschrieben seyn.
Wir lassen die überlieferten Spondeen be-
■ I j . . /» , , (S. Gelehrte
stehen und corrigiren wie lolgt: .
o o Anzeigen
30. Lachmann versetzt (um vierzeilige Strophen 1846, Nr • 131
zu bekommen) 2 Verse von der 4ten und 5ten
Stelle auf die Ute und 12te, ans Ende des
Gedichtes^ mit effenbarem Unrecht. — Man
schreibe :
t« 3 ff. Jam nie prodere, iam uon dubitas fallere, perfide?
Nee facta impia fallacum hominum caelicolis
placent,
Quos tu negligis, ac me miserum deseris in
maus;
E%, heu! quid faciant, die, homines, quoive ha-
beaut fidem '?
Certe tute iubebas etc.
— , 11. Si tu oblitus es, at di metninere, at meminit Fides,
Quae te ut poeniteat postmodo facti faciet tui.
Abhandlungen der I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. III Abthl. 31
212
Carm.
31, 2. — , quasciinque in liquentibus st agnig
Marique vasto ferit utrinque Neptnnus ,
Quam te libenter etc.
— , 1 1 . Hoc munus unnin est pro laboribus etc.
Oder:
Munus quod ununi est pro lab. etc.
— , 13. Gaudete vosque, Li/dii lacus undae;
Ridete quicquid est domi cachinuorum.
*) Lyd. lac. undae = lacus Benaci undae. Forcelt.
s. v. Lydias,
36, 9. Et hoc pessima se pnella vidit
Joco sed lepide vovere divis.
37, 9. — namqoe totius vobis
(?) Frontem tabernae scorpionibus figam.
Puella namqtte, quae e meo sinu fugit,
Amata tanturn, etc.
— , 17. Tu praeter omnes, one de capülatis
Cuuiculosae Celtiberiae gnatis,
Egnati, opaca quem
38, Als Schluss dieses Gedichtes sind liieher ua.
versetzen die 3 Verse hinter Carm. 2: „Tarn
grafum est mihi etc. etc."
— , 1. Cornificius — poeta. Vid. Ovid. Tristt. II,
436.
— , 2. Male'st mehercule, et est laboriose,
Et magis magis etc.
— , 7. Paullum quid lubet allocutionis,
Maestins lacriuiis Simouideis,
213
Carm.
38, 9.
39, 9.
— 17.
40, t.
41, l.
*
— 7.
42, 4.
45, 3.
46, 10.
48, 4.
51, 7.
Corradin. de
Allio.
Tarn gratum est mihi, quam fernnt puellae
Pernici aureolum fuisse malum,
Quod zonam sohiit diu iigatam.
Quare monend*/.? es mihi , bone Egnati.
Nunc Celtiber es: Cehiberia in etc.
Ravide L. Invide D. Vielleicht Avite, oder. . . .?
Tota nocte puella defututa cfr.Car'm.43.
Mane milia me decem poposcit,
Ista turpiculo etc.
Non est sana puella, nee rogare,
Qualis sit, solet aes imaginosum.
*) Palladius (Ed. Venet. 1500) führt als von Ber-
oald. empfangene Erklärung an: ,,nec rogare qua-
lis sit solet haec imaginosum i. e. speculum." Der
Gedanke getroffen, das Wort nicht.
— negat mihi vestra reddituram
Pugillaria, si etc.
Ni te perdite amo atque amore porro
Omnes sum assidue paratus annos
Quantum qui pote plurimum perire,
ISolus in Libya etc.
Longe qnos simul a domo profectos
Diver sos variae viae reportant.
Nee unquam inde, reor, satur futurus,
Non si densior etc.
, nihil est super mi
{Magno amo-
re alitjiicm pe-
rire. Cfr. 35,
11 sq.
31
244
Carm.
51, 8. Vocis in ore,
So auch Doering zuerst.
Lingua sed torpet, lenuis sub artus
Klarnina demanat, sonitH suopte
Tinnitant aures, geinina etc.
53. lieber Calvus Hede gegen Valiums s. Aquila
Roman. §. 40 mit der Note dazo von Rnhnken.
54. Die von L. in 3 Absätzchen gegebeneu 7 Verse
lassen sich füglich in ein Gedicht verbinden, etvvaso :
Othonis caput oppido pusillum,
Caesar, et tua semilauta crura
Stierem et leve peditum Libonis,.
Si nou omnia displicere vellem
Tibi et (Sulpicio?) seni recocto.
Irascere iterum meis iambis
Imnierentibus, unice imperator.
*) Sulpicins. Sueton. Jul. 29. 50. Doch ist der
Name, welcher in sufficio (was die Codd. gewähren)
liegen soll, ganz ungewiss.
55. 2. Demonstres, ubi sint tuae latebrae.
— , 3. Te in campo quaesivimus minore,.
Te in circo, te in omnibus sacellis,
Te in templo summi Jovis sacrato.
— , 9. Has nt te sie ipse flagitabam:
„Camerium mihi pessimae puellae!"
Quaedam iuquit, tunicae siuurn reducens:
„En hie in roseis latet papillis."
Sed te (jiiaerere et Herculi labos, si
Tanto te in fastu negas , amice.
245
Carm.
55, 15.
56,
57,
60*.
Non, Ladas si ego pinnipesve Persens,
Non, si her us niveae citaeque bigae,
Non, custos si fingar ille Cretnm,
Non , si Pegaseo ferar volatu ;
Adde hoc plomipedes volatilesque,
Ventoromqoe simul require corsom:
Quos iunctos, Canieri, mihi dicares,
Defessos tarnen omnibos medollis
Et moltis langoribus peresos
Essern te mihi quaeritando, amice.
Die nobis, tibi sis futoros,
Aodacter vocemque crede luci etc.
*) Von Ende v. 14 „ — negas , amice1' irrte der
Abschreiber auf amice am Ende des Verses 24, und
Hess somit die 10 Verse (15 — 24) an ihrer Stelle
weg und trug sie an fremdem Platze nach.
5. Deprendi modo pupolom poellae
Instantem. Hüne ego , si placet Dionae,
Protelo rigida mea cecidi.
7. Uno in lectulo et erudituli ambo.
,,2Vow, Ladas
etc." bis „Es-
sern te etc."
aus 58 Ende
hieher ge-
bracht.
*) Ward oben untergebracht als Anfang des Carm. &.
61, 38. — , agile, in modum
Dicite „o Hymenaee Hymen etc.'-
— , 46- Quis deus magis a dns
Est petendus amantibus?
Quem colent homines magis
Caelittim? etc.
— , 66. Nulla qnit sine te domns
Liberos dare, uec parens
246
Cartn.
61, 68. Stirpem enifier; at potest
Te volente etc.
61, 76. Claustra pandite ianuae;
Virgo, ades; vide ne pedes
Tardet ingenuus pudor.
Quem tarnen magis audiens
Flet, quod ire necesse est.
— , 101. Non tuns levis in mala
Deditus vir adultera
Porcae turpia *) persequens
A tuis teneris volet
Seenbare papillis,
Lenta quin velut adsitas
Vitis implicat arbores,
Implicabitur in tunm
Complexum etc.
— , 111. 0 cubile, quod omnibus
[Rite deliciis nites,
Auro et aere Corinthio et,
Qui placet magis omnibus,]
Candido pede lecti :
Quae tuo veuiunt bero
Quanta gaudia, etc.
— , 146. Seimus liaec tibi, quae licent
Soli, cognita: sed marito
Ista non eadem licent.
*) Soli — homini, qui solus est, caelebs vivit; Ge-
gensatz zu marito.
") = porcam turpem.
247
Carm.
61, 153. Ne petitmn aliunde eat.
— , 1 56. En tibi donuis ut potens
Et beata viri tui (est) ;
Quae tibi, sine, serviat
(0 Hymen Hymenaee io,
0 Hymen Hymenaee!)
Usque dum tremulum movens
Cana tempus anilitas
Omnia omnibus annuit.
0 Hymen etc.
— , 183. Jam cnbile adeat viri (sc. pnella, sponsa. Vid.
v. praeced.).
— , 186. Vos, bonae senibus botris
Cognitae bene feminae,
Collocate puellnlam.
0 Hymen etc.
— , 206. Ule pulveris aridi
Siderurnque etc.
*) Oder: pulveris Elici = Eiii'i Horat. Carrain. I,
1, 3: pulverem Olympicum.
— , 216. Torquatus, volo, parvulus
Dulce rideat ad pätrera
Semihiante labello,
221. Sic suo similis patri
Maulio, ut facile omnibus
Noscitetur et insciis,
Et pudicitiam suae
Matris indicet ore.
248
Carm.
61, 232. — . At, boni
Coniuges, Veneria bonae
Munere assidue valentem
Exercete iuventam.
62. Hoc h z e it g e sang.
I
I. Einleitung.
Jünglinge — 5 Verse.
Jungfrauen — 5 „
Jünglinge — 8 „
IL Wechselgesang.
1. Jungfrauen — 6 Verse.
Jünglinge — 6 „
2. Jungfrauen — 8 „
Jünglinge — 8 „
3. Jungfrauen — 11 „
Jünglinge — 11 „
///. Schluss.
Jünglinge — 8 Verse.
(Gelehrte An- — ^ 7, Nimirum optatos ostendit Noctifer ignes
His certe: viden' ut perniciter exiluere?
Nou lemere exiluere; caneut meuiorabile quod sit.
Hymen o Hymenaee etc. etc.
, 12. Aspicite innuptas, quae*) tota mente laborant:
»eigen 1840.
Nr. 136—137.)
") ut tota mente etc.
249
Carm.
62, 12. Non frustra ; meditantor entm quo vincere
possint.
Nos alio mentes etc.
— , 20. Qui natam possis complexu avellere malris,
Complexu nafae retineutem avellere mafrem,
Et iuveni ardenti etc.
— , 31 ff. Hesperus e nobis, aequales, abstulit unam.
[Lücke von 6 Versen und des Schlussverses:
Hymen o Hymenaee, Hymen ades o Hymenaee].
*) Die 6 ausgefallenen Verse müssen des Sinnes
| gewesen seyn, dass Hesperus ein Dieb sey u. dgl.
Dem widersprechen die Jünglinge in der folgen-
den Strophe, deren erste 2 Verse fehlen. Die
Strophe könnte gelautet haben:
[Hesperus immerito culpatur crimine furti,
Qui nee si cuperet posset furarier unquam;]
Namque suo adventu vigilat custodia semper.
Nocte latent fures, quos idein saepe revertens, (maue)
Hespere, mutato comprendis nomine Eous.
At libet innuptis etc. etc.
— , 39 (47 sqq.).
Ut flos, qui in septis secretus nascitur hortis,
Quem muleent aurae, firmat sol, educat imber,
Ignotus pecori, nullo contusus aratro,
{Laetus se extoüit, laetos exspirat odores] —
Multi illum pueri, multae optavere puellae;
Idein cum tenui carptus defloruit ungui,
Nnlli illum pueri, nullae optavere puellae:
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. V. Bd. [II. Abthl. 32
250
Carm.
62, 46. Sic virgo dum intaota manet, dum cara suis est;
Cum castum amisit polluto corpore florem,
Nee pueris iueuuda manet nee cara puellis.
Hymen o Hymenaee etc. etc.
— 50 (58).
Ut vidua in nudo vitis quae nascitur arvo,
Nunquam se extollit , nunquam mitem edueat
uv am,
Sed tenerum prono deflectens pondere corpus
lam iam contingit summum radice flagellum —
Hunc ii u 1 li agricolae, nnlli coluere iuvenci;
At si forte eadem est ulmo couiuneta marito,
Multi illam agricolae, ntulti coluere iuvenci:
Sic virgo, dum intaeta manet, dum inculta se-
nescit;
Cum par connubium maturo tempore adepta est,
Cara viro magis, et minus est invisa parenti.
Hymen o Hymenaee, Hymen ades o Hy-
menaee.
— , 63 (73).
Tertia pars patri, pars est data tertia matri,
Tertia sola tua est. Noli etc.
63, 1. Super alta vectus Attis
Phrygium nemus tetigit
*Deveiiitec- Adiitque . loca deae.
ce acuio sibi Stimulatus ibi f. rabie, vagus aiiimi .
pondrra si- r.-. rr, , ,-J ••• j ■•• •
v iice. Lw Testes resecatj aento sibi pondere silicis.
251
Co VW.
63, 7. Für etiam fast noth wendig midier etc. (?)
- — , 8. Niveio citata cepit inanibu' leve tympanum,
Treiniileim tubam Cybebes, tua, mater, initia, Tamquam tu-
0. . bam Cybe-
uatieiKsque terga taun etc. bes ctc
*) Die Codd. haben durchaus tympanum hier und
überall, wo das Wort vorkommt. S. Vers. 21, 29,
32- in welchen tympanum beibehalten werden muss.
So auch Carm. 64, v. 261 tympana.
— , 13. Simul ite Dindymenae ad dorninae vaga pecora.
*) Vgl. Vers 71. ,,ubi cerva . . . ubi aper nemo-
rivagus."
— , 18. Hilarate e toleratis- erroribus animum.
— , 31. Furibunda simul anhelam vaga vadit animam
agens.
— , 40. (ubi So!) lustravit aethera all um, etc.
— , 4'2. Ibi Somims . . . abiit,
Trepidante quem recepit dea Pasithea sinu.
— , 51. Ego quam misera relinquens etc.
*) Wie nachher v. 54 furibunda auf dasselbe ego
bezogen. Und doch zu bedenken, ob?
— , 62. Quid enim ? genusne curae est, ego uon quod
habuerim,
Ego puer et ego adolescens, ego ephebus, et
ego vir?
Ego gymnasi et fori flos, ego eram decus olei:
Mihi Januae frequentes etc.
— , 68. Ego nunc deüm ministra et Cybeles famula
ferar?
— , 74. Roseis ut hie labellis sonus editas adiit
32*
252
Carm.
63, 75- Geminas f'ores deornm, nova nuntia referens,
Ibi iuncta jnga resolvens etc.
— , 78. Agedum, inquit, age fere, exi, face ot kat *)
hunc furor,
Face ufi **) fnroris ictu reditum in n. ferat.
— , 85. Ferus ipse sese adhortans rapidum incitat anintum,
Vadit, fremit, refringit virgulta etc. etc.
— , 88. Tenermwqne vidit etc. V. 89. — - \\\e demens etc.
Nein! Die Göttin nannte ihn als einen Mann;
der Dichter behandelt ihn als ein Weib.
64, 14. Verb.: Emersere cand. e gurgite Aequor. Ne-
reides monstrum feri vultus (naveni
primarn etc.) admirantes.
— , 16. JUa, antiquq illa viderunt luce marinas
Mortales oculi nudato corpore nymphas,
Ventriculum tenus extantes etc.
— , 22. 0 nimis optato saeclornm tempore nati
Heroes, salvete, Deüni genus, o bona matruni
[Progenies, salvete iteruin, salvete heroes]:
Vos ego saepe nieo etc.
— , 29. Tene Thetis tenuit, pulcherrima Nereine?
Tene suam etc.
*) So M. Haupt (p. 71 sqq.)-
— , 35. Deseritur Scyros, linqunnt Phthiotica tecta,
Cranonisque doinos ac moenia Lari(s)saea.
*) Tecta-, doinos, moenia.
*) Fac kat hunc f.
**) Fac ut für. etc.
253
€?ärm.
64, 55- Necdnnr etiam sese quae cernit cernere credit,
Utpote fallaci etc.
— , 73. lila fempestate, ferox qua robore Theseus
Egressus curvis etc. etc.
— , 99. Quantos illa tulit lang, corde timores,
Quanto saepe inagis fulgore expalluit auri,
Cum saevum cupiens contra contendere monstram
Aut mortem oppeteret Theseus aut praemia lau~
dis!
Non ingrata tarnen frustra munuscula divis
Promittens tacito suceeudit turn labello^ {snspen-
dit vota labello):
Nam velut in summo etc.
— , 105. Nam velut .... quercum aut . . . pinum
Inäomitum furben*), contorquens flamiue roburr
Eruit, — illa procul radicibu* exturbata
Prona cad\trrameis leite (jnaeque obviafrangens —
Sic domito saevum prostravit etc.
— , 119. Quae misere ingemuit gnatae deperdita liictu, etc.
— , 1 21. Aut ut vecta rufe**) (-ti> spumosa ad litora Diae.
[Fugerit]; aut ut eam, devinetam lumiua somno,
Liquerit immemori discedens pectore coniunx?
Saepe illam etc etc.
*) Fugerit könnte wegen der Aehnlichkeit mit LU
querit im Anfange des folgenden Verses leicht aus-
gefallen seyn.
*) Indomito turben cont. flamine robur Eruit etc.
**) rate. 63, 1.
251
Carm.
64, 124 ff. Saepe illam perliibent . . . clarisonas . .
fudisse . . . voces,
Ae tum praeruptos ausam conscendere montes,
Unde aciein in pelagi vastos proteuderet aestus,
Tum tremuli salis adversas proeurrere in undas
Mollia uudatae tollentem tegmina surae,
Atqiue liaec extremis maestam dixisse querelis
Frigidulos udo singnltus etc. etc.
*) Saepe illam perhibent . . . fudisse , . . . ausam
(esse), . . . dixisse.
— , 1 36. Nullane res potuit crudelis flectere mentis
Cousilium tibi? Nulla fuit clem. etc.
*) So beginnen beide Fragesätze mit nulla und be-
kömmt tibi nicht übermässiges Gewicht.
— , 139. At non liaec quondam blanda promissa dedisti
XT rmihi, nee ine hoc iniseram~|
Voce I expeetare
|^ non haec miserajn
jubebas,
Sed connubia laeta, etc. etc.
Hem! iam etc. — , 143. Hinc iam nulla viro iuranti etc.
— , 162. Candida permuleens liquidis vestigia lymphis
p soius * Purpurea</w£ tnuiu consternens veste cubile.
in creta. d. — > 174. Perfidus in Creta religasset navita funem!
— j 178. Idomeneosne petam montes? Ah gurgite lato
Quin me diseemens truculentum dividit aequor!
— , 184. Praeterea nullo litus, nullo insula tecto,
Nee patet egressus etc.
255
Varm,
64, 196. Quas ego, vae miserae, ex imin proferre me-
dullis
Cogor inops etc.
Cfr. v. 198.
— , 215. Gnate, mihi lange iocuudior unice vita,
Gnate, ego quem etc.
— , 227. Carbasus ohscurä indigetet ferrugine Hiberä.
— , 237. — , cum te reducem freta prospera
sistent.
— , 272. Quae tarde primnm clementi flamine pulsae
Proceduut lenique sonant plangore cachinni,
Post vento etc.
— , 280. Nam quoscunque ferunt campi, quos Thessala
mag ms
Moutibus ora creat, quos propter fluminis tindas
Aura parit flores tepidi fecunda Favoni,
Hos indistiuctis etc. etc.
i
— , 285. Confestim Peneos adest, viridautia Tempe
Mnemonisin *) linquens doctis cefebranda cho-
reis.
*) Ovid Metam. V, 268. 280. Electa critica. Scr. Hob. Un-
ger. Friedland etc. 1842. VI u. 52 S. gr. 8.
Unger schlägt zu Catidl. de nuptiis Pelci et Thet.
v. 286 vor:
Aemonisin linquens hilaris celehranda choreis
Non parcus etc. Oder auch :
Mnemonisin linquens doctis celebranda choreis etc.
Letzteres ganz so, wie ich schon längst für mich die
Stelle corrigirt habe.
256
Carm.
64, 300. Unigenamque simul cultricem montium Abydi.
— , 303. Qui postquam niveos flexeruut sedibus artus etc.
Cfr. v. 364.
— , 309. Ambrosio niveae residebaut etc.
*} Vülpius.
— , 311 ff. Laeva coluni molli lana retinebat amictum,
Dextera dum leviter deducens fila supinis
Kormabat digitis, tum prono in pollice torquens
Libratum tereti versabat turbiue fusum;
Atque ita decerpens aequabat semper opus deus,
vt tanae Lanea ut ariduüs haererent morsa labellis,
Quae prius in leni fuerant extantia filo:
Ante pedes autein etc.
— , 324. Emathiae tutameu opis, clarissime Peleu,
Accipe, quod etc.
*) Der Name Peleus scheint unentbehrlich ; von
dem künftigen Sohne kann hier noch nicht die
Rede seyn Von ihm wird geweissagt v. 338 ff.
— , 344. Cum Phrygiae Teucro manabuut sanguine
Thebae, etc.
Oder:
Cum Phrygii Teucro maculabunt sanguine The-
ben. (?)
*) Das erste wohl das Richtige.
Phrygie . . . Thebe — gab Anlass zu schrei-
ben: Phry^V — Theben (Teuen).
(S. Neue Jahrbb. für Philologie etc. 46. R. 3. J. 1846.
S. 326 g- E. u. S. 327 ob.). Späterer Zusatz Fröhlichs.
257
Varm.
64, 344. Vid. Homer. Iliad. I, 366 ff. II, 691.
VI, 414 ff.
Ovid. Metam. XII, HO. XIII, 173. Plin.
h. *i. V, 32 (Ed. Bip.).
64, 353. Ist wohl zwischen 354 nnd 355 ein Vers aus-
gefallen. Man könnte schreiben:
Nauique velut densas prosternens cultor aristas
Sole sub ardenti flaventia demetit arva ,
[Sic Marte indomito Phrygiae populabitur arva,]
Troiugeiiniii iufesto prosternens Corpora ferro.
— ;, 361. Auch hier scheint der erste Vers der Strophe
ausgefallen zu seyn. Man könnte ungefähr so
ergänzen :
£Testis erit data Priamidae pro corpore mer-
ces ;]
Denique testis erit morti qnoque reddita prae-
da etc.
— , 368. Atra Polyx. mit. caede sepulcra.
— , 382. Talia de fatis quondain felicis Achillei
Carraina divino cecinerunt pectore Parcae.
— , 387. Saepe pater divüm tenipla illa in gente *) re-
visens,
An uua cum festis venissent sacra diebus,
Couspexit terra centuui procumbere tauros.
Saepe vagus Liber etc. etc.
— , 404. Impia non verita est divos scelerare penates:
*) (in illa heroum gente).
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak d. Wiss. V. Bd. III. Abthl. 33
258
Carm.
tU, 405. Omnia fanda nefanda
Iusstificaui nobis meutern avertere deoront.
65. Die Lücke hinter v. 8 hat Lachm. sehr pas-
send aus Vartn. 68 v. 21 — 24 und 92 — 96
ausgerollt. Der siebente dieser Verse „Allo-
quar audiero efc.li findet sich selbst in Codd.
(als: D. Paris., Riccard., Victor, g, a, i etc.)
an seiner Stelle in unserm Gedichte. — Wir
schlagen vor zu schreiben :
Tu mea tu moriens fregisti commoda, frater,
Tecum una tota est nostra sepulta domus,
Omnia tecum una perieruut gaudia nostra,
Qnae tuas in vita dulcis alebat amor.
Hei inisero fratri iocundum Junten ademptum.
Ergo ego te nunquam, frater adempte mihi,
te suave lo- Alloquar? audiero (audibo ?) nunquam tuaverba
qucn,em loqnentis?
Nunquam ego te, vita frater amabilior,
Aspiciam posthac? At certe semper etc. etc.
* Wohl auch ohne Frage: Ergo ego te etc. allo-
quar; audiero etc.
Kailima chus' Elegie auf Berenike's Haar. Uebersetzt
von Hertzberg etc. in Zeitschrift für die Atterth.-
Wiss. 1847. Nr. 17. — Coma Berenicae, das Gestirn,
steht am Sternenhimmel so, dass an ihr Gebiet süd-
östlich das der Jungfrau anstösst, westlich das der
Löwen (des grossen und des kleinen). Im Osten vor
ihr steht Bootes ; daher, wenn sie untergeht, sie dem
Bootes vorangeht (dux anteßootum), er ihr nachlolgt.
259
Carm.
66. Mit dem vorhergehenden Gedichte (65), als
Begleitungsschreiben, schickte Catullus das Ge-
dicht des Callimachus (Battiadae 65, 22) „Be-
renikes Haupthaar", von ihm in latein. Versen
bearbeitet, seinem Freunde Ortalus (Hortalus
=: Q. Hortensius Hortalus) zu.
— , 6. Gyro devocet aerio. Italu In D spat i um va-
cuum ; L.guioclero. Iu gnioclero (guiociero ?) liegen
wahrscheinlich zw««' Wörter: guio ( — gyro) und
circo (circulo), welches als Erklärung des er-
stem Wortes beigeschriebeu seyn mochte.
— , 7 ff. Idem me ille Conon coelesti in limine vidit
E Bereniceo vertice caesariem
Fulgentem clare, quam cuivi.s illa Deorum etc.
* Vergl. v. 33. cnnctis . . . divis.
— , 1 i. Qua rex tempestate novo abdttctus hymenaeo
Vastatom fiuis iverat etc.
Coningium, quo non
— , 27. Anne bonum oblita es facinus, quo regis ade-
pia es
fortior est alius?
f'ortior auf similis?
— , 30. — , ut tersti lumina etc. (tersisti).
— , 35. Si reditum tetulisset Is haut ita tempore longo
Captam Asiam etc. etc.
— , 42 ff. Sed qiiis se ferro postulet esse parem?
Ille quoque eversus mons est, quem maximum
in oris
33*
260
Carm.
piin. h. n. x, ßß 44^ Emathiae Proqne rara supervehitur,
34: nbeunt et lii- ' *' ~
run<iine» hibe™. Cum Medi reperere novum mare, caniqae iu—
meiisibns ....
teil i.i vicinn VPlltllS
nbeunt ete. The- #
b«r teota nubire Per iitccliiint classi barbara navit Athon.
negantur ....
.»ec Bi/.j«e ,„ __-• 4g, Jnppiterr ut Zelitüm omne geuns etc.
Th/acia propter
*"*"' T""- — , 50. — ac ferri e/fringere duritiem.
— r 55. Isque per aetherias me tollens abnehif umbras
Et Veaeris casto etc.
— y 59. Hie efenim, vario ne sola in limine coeli
Ex Ariadneis aurea temporibus
Fixa Corona foret, sed nos qnoque fulgeremus,
Devotae flavi verticis exuviae,
Uvidulum a fluetu ascendens ad templa deüm me
Sidus in antiquis Diva novum posuit.
— , 65 ff. Heren. Haupthaar steht zwischen Löwen
(westl.) und Jungfrau (östl. von ihr); et-
was östlicher als sie Bootes. Der grosse
Bär (Callistö) in fast gerader Linie gegen
den Nordpol über ihr.
— , 66. — , Callistö iuneta Lycaoniöe. ltali.
— , 76. Nach discrucior bloss ein Comma!
— , 77. Quicum ego, dum virgo quondam fuit, omuibus
explefa
Unguenfis, una milia multa bibi.
Nunc vos, optato quas iunxit lumine taeda.
Non prius unauimis corpora coniugibus
Tiadite nudantes reieeta veste papillas,
Quam iueuuda mihi munera übet onyx,
26 t
Carm.
66, 83. Vester onyx, citstoditis quae iura cubili;
Sed quae se impuro dedit adulterio,
Illius ah mala dona etc.
— r 89. Tu vero, regina, tuens cum sidera divam
Placabis festis luminibus Veneren»,
Sanguinis expertem, nou astris assiduam nie,
Sed potius largis effice muneribus,
(Sidera cur rident?) *) herum ut coma regia fiam,.
Proxinms Heniocho **) fulguret Oarion!
* Heniocho = Fuhrmann u. Capeila etc., südlich
oberhalb Orion, zwischen Taurus und Gemini.
Hydrochoos (A'quarius) und Orion stehen weit
auseinander; denn Aqttarius ist das vorletzte von
den W'm/erzeichen in der Ekliptik. Der Orion
aber steht nahe dem Zeichen der Gemini, dem
3ten Frühlingszeichen in der Ekliptik. Diese 2
Gestirne {Aquarius und Orion) kann somit Catullus
nicht als benachbarte bezeichnet haben!
Dagegen wohl hat Orion nördlich über sich den
Fuhrmann, Auriga, Heniochos ■ (fjvioxog, rjVioX£i>S)>
so dass Catullus geschrieben haben konnte: „Pro-
ximus Heniocho (Heniochei) fulgeret Oarion!' '
67. Handelt von Caecilius Baibus, Vater und Sohn.
Jenen nennt Catullus mit dem cognomeu Bal-
oüs\ diesen mit dem nom. gentilic. Caecilius.
— , 5. Quainqne ferunt rursns nato servisse maligne,.
Postquaut est porrecto fäctu maritti sene.
*
) — iter. ut coma regia fiam, Proximus Hydrochoi fulgor et
Orionis (-onum) i. e. fulgor, proximus- H< et Or. fulgori.
> 'YÖQnxosl ■=. Hydrochao,
262
Cartn.
67, 7. Die, age, die nobis, quare etc.
— , 12. Verum istvc populi insania, Quinte, facit,
Qui, quaeunque aliquid reperitur etc.
— , 23. Sed pater illius generi violasse cubile
Dicitur et mis. etc.
— , 25. Sive quod impia mens caeco flagrabat amore,
Seu quod vir, sterili semine natus, iners
Et quaerenf/wm erat, unde foret etc. etc.
cat. — , 29. „Egregium narras, mira pietate parentem,
Qui ipse suae gnatae minxerit iu gremium!
Atqui hoc non solum est, quod dicit cogoitnm
habere
Brixia
Brixia, Veronae mater amata meae ;
Sed de Postnmio et Corneli narrat amore" —
Jan . . . „Cum quibus illa mal um fecit adulterium."
— , 43. — , utpote quae mi Speraret nee linguam esse
nee auriculam.
68- Dieses Gedicht ist unsers Dafürhaltens aus
zwei verschiedenen Gedichten zusammenge-
setzt:
1 . Das erste (v. 1 — 40) Antwortschreiben
des Dichters an einen Freund Manlius
(vielleicht denselben, welchem Catullus
ein Hochzeit- Gedicht verfasst hatte
[Carm. 61]).
2. Das andere (v. 41 — 160), gerichtet
an Manius Allius, ein poetisches Denk-
263
Carm.
68. mal zum Danke für viele and grosse
Freundschaftsdienste, welche Freund Al-
lius dem Dichter und seiner Geliebten Les-
bia erwiesen hatte.
68, 19. Sed tot um hoc Studium luctu fraterna mihi mors ••
Abstulit. 0 misero frater adempte mihi.
— , — . Cuius ego iuteritu tota de mente fugavi
Haec stndia atque omnis delicias animi.
* Die 4 Verse (21 — 24 vulg.): „IV* mea tu mo-
riens etc." gehören nicht hieher , wie der Zu-
sammenhang zeigt, sondern in Carm. 65 an Orta-
lus, wohin wir sie mit Lachmann versetzt haben.
— , 27. Quare quod scribis: „Verouae turpe Catullo est
Esse, (ftioad quisquis de meJiore nota
Frigida deserto tepef'axit membra cubili",
Id, Manli, non est turpe, magis miserum est.
— , 34 ff. Catullus, welcher sonst gewöhnlich zu Rom
lebte, hielt sich jetzt in Verona auf, wo er
seine Bücher und Schriften nicht bei sich
hatte.
— , 39. Quod tibi non utriusque peteuti copia praesto
est;
Ultro ego deferrem, copia si qua foret.
-, 41 ff. (Versetzung einiger Verse): «.
Ad HI an nun
Atliurn.
Non possum reticere, deae, qua me Allius in re
Juverit aut quantis iuverit officiis;
Sed dicam vobis, vos porro dicite multis (vulg. 45 et 46.)
Millibus et facite haec Charta loquatur anus,
264
Vorm.
(vulg. 43 et 44.) 68, 45.
(vulg.49et50.)
(Vulg v. 151.)
(vulg. 48
ljachm)
52.
— , 55.
Ne fugiens saeclis obliviscenfibus aetas
Illins hoc caeca nocte tegat Studium,
Nee tenuem texens sublimis aranea telam
In deserto Alli limine opus faciat,
Sed scabra iniactum servet rubigine «omen,
Notescatque magis mortnus atque magis.
Nam mihi quam dederit etc.
— , et in quo nie torrnerit*') genere,
Cum tantum arderem etc. etc.
Nach „imbre madere genae" ist ein Schlusspunkt
zu setzen!
-, 57 ff. Qualis in aerii perlucens vertice montis
Rivus muscoso prosilit e lapide, —
Qui cum de prona praeeeps est valle volutus,
Per medium densi transit iter scopuli,
Dulce viatori lasso in sudore levamen,
Cum gravis exustos aestus hiulcat agros^ —
Vel qualis nigro iaefatis turbine nantis
Lenius aspirans aura seeunda venit
Jam face Pollucis iam Castorfs implorata$
Tale fuit nobis Mauius auxilium.
Is clausuni lato patefecit limite campum,
Isque domum nobis atque dedit -dominae^
Ad quam commune« exerceremus amores.
* Is mihi et dominae (pueliae) raeae domum de-
dit, ad quam (in qua domo) communes amores
(ego et domina mea) exerceremus.
*) 100, 7.
265
Carm.
68, 75. Incepfo frustra, nondum cum etc.
* Amore frustra incepto etc. Ciris 327.
— , 85. Quod seibaut Parcae haut lortgnm fore, Pro-
test laus
Si miles in uro» isset ad Iliacos.
— , 90. Troia viruui et virtutum omnium acerba cinis,
Queis veluti nostro letum miserabile fratri
Attnlit. Hei misero frater adempte mihi!
Quem nunc tarn longe non inter etc.
* Die 4 Verse 93 — 96, nicht hieher gehörig, ha-
ben wir ausgeworfen , als nachte Wiederholung
aus Carm. 65. S. zu Carm. 68, 19.
— , 101. Ad quam tum properaus fertur caneta uudique
pubes
Graeca penetralis deseruisse focos,
Ne Paris etc. etc.
— , 117. Sed tuus *) ardor amore adeo fuit qc'rivr illo,
Qui divum indomitum **) ferre iugum do-
cuit.
— , 128. Quam quae praeeipue multivola est mulier. vossfus.
— , 131. Aut nihil aut paulo cui tum concedere digna
Lux mea se nostrum contulit in gremium etc.
* Damit kehrt der Dichter von der Digression
zu seinem Thema zurück, d. h. zur Fortsetzung
dessen, was er oben v. 70 ff. begonnen hatte.
*) Laodain,
**) Hercidem.
Abhandlungen d. I. Cl. d. k. Ak. d Wiss. V. Bd. III. Abthl. 34
2ÜÖ
Carm.
68, 135 ff. Sind, wenn man einiges umstellt, alle Verse
zu erhalten, etwa so:
Quae tamenetsi uno non est contenta Catollo,
Rara verecundae furta feremus herae, —
Ut, siquidem divis homines componier aequnm
est,
Saepe etiain Juno, maxima coelicolum,
Coniugis in culpa flagrantem concoquit iram,
Noscens omnivoli plurima furta Jovis —
Ne nimium simus stultorum more molesti:
,,Ingratum tremuli tolle parentis onus!"
— , 143. Non etenim illa mihi dextra dedncta paterna
Flagrantem Assyrio veuit odore domum,
Sed furtiva dedit mi Iro munuscula, nocte
Ipsius ex ipso dempta viri gremio.
— , 149. Hoc tibi quo potui confectnm carmine munus
Pro multis, Alli, redditur officiis. *)
Huc addent divi quam plurima, etc.
— , 156. Et domus, ipse in qua lusimus et domina,
Et qui principio vobis me tradidit, auclore
A quo sunt primo mi omuia nata bona,
Et longe ante omnes mihi quae me carior
ipso est,
Lux mea, qua viva vivere dulce mihi est.
*) V. 151, 152 hier weggelassen, der erste versetzt, der an-
dere ganz verworfen.
267
Carm .
ßg, * (Vielleicht Manlius Torquatos , an welchen die
vorhergehende Epistola gerichtet ist? So wäre diese
Elegie über Allius etc. mit jener Epistola geschickt
worden an Manlius.) Etwa wie das Carmen Bere-
nic. com. mit einem Schreiben an Hortalus.
69, 9 f. Quare aut crudelem nasorum interfice pestem,
Aut admirari desine, cum fugiunt.
71, 1 ff. Si quoi (cui) iure Bonae sacratorum officit Vgl. 102, 3.
hircus,
Aul si quem merito tarda podagra secat,
Aemulus iste tuus,
Miriftco V£ fato *) »actus utrumque malum.
* Jure Bonae ( ■=. bonae deae , Veneris) sacrati
sind wohl Ehebrecher, Menschen, welche in das
Heiligthum der bona dea sich eindrängen oder
einschleichen , wie z. B. Clodius dergl. ?
73, 3 f. Omnia suut ingrata; nihil fecisse benigne
Prodesf, immo etiam laedit obestque magis,
Ut mihi , quem nemo etc. etc.
74, 3. — — , patrui perdepsuit ipsani
Uxorem, ut patruum redderet Harpocratem.
75, — • Muss (gegen Lachmaim und ScaligerJ an sei-
ner Stelle und ein eigenes kleines Gedicht
bleiben.
Huc est mens dedncta tua mea, Lesbia, culpa,
Atque ita se officio perdidit ipsa suo,
Ut iam nee bene velle queat tibi, etc. etc.
Vgl. Carm. 72 u. Carm. 85.
*) So auch G. Hermann.
34*
208
Vulg 87.
v. 1.
Carm.
76. Dieses Gedicht, vom Anfang herein mangelhaft,
kann und muss durch Voranstellung der 4 Verse,
welche vulg. als Gedicht 87 (von Scaliger mit
den vorhergehenden 4 Versen [Carm. 75] ver-
bunden) erscheinen, vervollständigt werden, so:
Nulla potest mulier tantum se dicere amatam
2. Vere, quantum a me Lesbia amata mea est.
3. Nulla fides ullo fnit unquam in foedere tanta.
4. Quanta in amore meo ex parte reperta
mea est.
— , 1. Siqua recordanti benefacta priora voluptas
Est homini etc.
— , 5. Multa, Catulle, manent te in longa aetate, parata
Ex hoc ingrato gaudia amore tibi.
Nam quaecunque homines etc. etc.
— , 11. Quin te animo offirmas tuaque istinc teque re-
dacis?
— , 19 ff. Me miserum aspicite et, si vi tarn puriter egi,
Eripite haue pestem perniciemque mihi,
Quae mihi, surrepens imos ut torpor in artus,
Expuiit ex omni pectore laetitias.
* Da vorher gieng „peiniciem^Me mihi", hielt ein
Abschreiber das folgende ,,que (quae) mihi" für
blosse Wiederholung etc. etc. ?
77. Mit den 3 Distichen „Rufe, mihi frustra etc."
sind, wie (nach Scaliger) Lachmaun richtig ge-
than hat, die 2 audern Disticha „Sed nunc id
dolen etc." (Carm. 78, 7 — 10) in ein Gedicht
zu verbinden.
269
Vorm.
78. Die 3 Disticha „Gallns habet fratres etc.", ein
für sich ganz gut abgeschlossenes Gedichtlein,
verschmähen das Anhängsel der 3 Disticha
„Sed nunc id doleo etc." , welche darum hievon
getrennt und dahin, wohin sie passen, gestellt
worden sind, an das Ende des Carm. 77.
79, 3. Sed tarnen hunc pnlchrum vendet cum gente
Catullus,
Si tria Fatorum snavia reppererit.
83, 1 f. Lesbia mi praesente viro mala plurima dicit:
Haec illi fatuo maxima laetitia est.
— , 6. Irata est, hoc est, uritur et coquitnr.
84, 1 ff.
Chommoda dicebat, si qnando commoda vellet
Dicere, hinsidias Arriu\ si insidias,
Et tum mirifice etc.
— t 5. Creao, sie mater, matertera, avunculus eiusy
Sic materuus avus dixerat atque avia.
* Die ganze mütterliche Sippschaft:
Mater
matertera — avunculus
(mat.) avia — matern. avus.
87- Die 2 Disticha „Nulla potest mulier etc.", vnlg.
als Carm. 87 aufgeführt, haben wir an den
Anfang des Carm. 76 versetzt.
91, 3« Quod te cognossem bene comtanterque putare
Aut posse a turpi meutern inhibere probror
Sed quod nee mattem uec german. etc.
270
Varrn.
91, 5- * »>Sed qnod nee m.", wie ich sehe, schon Ed.
Bipont.
92, 3- Quo signo ? Quia sentio idetn : nam depreoor
illam
Assidue; verum dispeream nisi amo.
95, 3. Millia cum interea ter quinque Tanusius uno
[Versiculorum anno quolibet ediderit;j
Smyrna tarnen *") Satrachi penitus mittetur ad
undas,
Smyrnam cana diu saecula pervoluent.
At Volusi annale* Padoam morientur ad ipsam
Et laxas scombris etc. etc.
* Der von Catullus hier (und Carm. 36) verhöhnte
Annalendichter hiess wohl mit vollem Namen
Tanusius Volusius. M. s.Senec. epist 93. Hortensius
auf jeden Fall hier durchaus nicht an seinem Orte!
Satrachus und Padoa (Padua) — Flussnamen.
S. Haupt, pag 98.
— , 9 f. Parva mei mihi sint (sunt) cordi monumenta
[sodalis] :
At populus tumido gaudeat Antimacho.
So mögen diese 2 Verse (mit Avant. Aid. 1502)
geschrieben werden, wenn sie mit den 8 vor-
hergehenden Versen „Smyrna mei etc." ein Ge-
dicht ausmachen.
Sie könnten indess auch für sich allein ein
Gedichtchen seyn, z. B. von einem Freunde
*) Vgl. v» 6- cana, welches wohl zu caua (s) Anlass gab.
Oder: (?)
Smyrna peregrinas Satrachi mittetur etc.
271
Carm.
95. (Cinna oder einem ändert)) auf die kleinen aber
werthvollen Gedichtlein unsers Dichters Catul-
lus. Z. B. so:
Parva niei mihi sint cordi monumenta Vatiilli:
At populus tumido gaud. Antim.
97, 1. Non, ita me Dii ament, quicquam referre pu-
tavi,
Utrunme os an culum olfacerem Aemilio.
Nil immnndius hoc (culo), nihiloque est mun-
dius illnd (os);
Verum etiam culus mundior et melior;
Nam sine deutibus est. Os dentis sesquip. etc.
An Vers 8 dieses Gedichtes „Meientis mu-
lae etc." schliesst man wohl mit Recht zu
einem Gedichte die folgenden 4 Verse an:
— , 9 — 12.
Hie (Aemilius) futuit multas et se facit esse
veuustdm,
Et non pistriuo traditur etc.?
etc.
99, 7. Nam simul id factum est, multis diluta labella
Gnttis abstersisti omnibns articulis,
Ne quicquam etc.
100. Caelius hatte zum Lieblinge den Anfilenus,
Qiiintius 'luv Geliebten die Aitfiletia; Aufdenus
aber und Aufilena waren Geschwister (frater
et soror v. 3).
272
Carm.
100, 5- — ? Caeli, tibi: nam tua nobis
Perspecta est signis nnica amicitia,
Cum vesana meas torreret flamma etc.
101, \. Multas per gentes et multa per aequora vectas
Adverti, ah! miseras, frater, ad inferias,
Ut te postremo etc.
— , 6. Heu, misero indigne frater adernpte mihi.
* Vgl. 68, 20 und 68, 92.
102, 1 ff. Durch Versumstellung etc. zu berichtigen:
Si quicquam taciti commissum est fido ab amico,
Corueli, factum me esse pula Harpocratem;
Meque esse invenies illorum iure sacratum,
Quorum sit penitus nota fides aninü.
104, 3 f. Non potui, nee, si possem, tarn perdite amarem
(cuncta potens) Sed tu cunclipotens omnJa monstra facis.
D. c. potes.
106. Vielleicht?:
Cum puero bello praeconem qui videt, ipsum *)
Quid credat nisi se vendere discupere?
107. Si , quicquid qnoiquam cupide optanti obtigit
uuquam
Insperanti, hoc est gratum animo proprie,
Vere hoc est gratum nobis, hoc carius auro,
Quod te restituis, Iyesbia, mi cupido.
Restituis cupido insperanti atque ipsa refers te
Nobis. O lucem candidiore nota!
*) DL. ipse. Margo L esse.
273
Carnt.
107, 7. Quis me uno vivet ~I „ ,. .
I lelicior, aut magis annos
Quis vivet nie uno _|
Opiandos vitae dicere quis poterit'?
108, *) Si populi arbitrio, Comini, tua caua se-
nectus,
Spurcata impuris moribus, intereat,
Non equidem dubito etc.
* L popula/Y ß/bitrio — geworden aus populi ar-
bitrio.
Comini — Vocat. von Cominius.
tua (vor cana) nach DL beizubehalten!
109, 1. Jucunduin, mea vita, mihi proponis, amorem
Nunc nostrum aeternum perpetuurnque fore.
Di magui, etc. etc.
110, 1 ff. Aufilena, bonae seinper laudantur amicae,
Quae facere instituunt, cum accipiunt pretiuni.
Tu quod promisti mihi sed mentita inimica esr
Quod non das sed fers, turpe facis facinus.
Aut facere ingenuae est, aut non promisse pu-
dicae,
Aufilena, fuit: sed data corripere
Fiaudando dantem plus quam meretricis avarae
(est) ,
Quae sese toto corpore prostituit.
111, 1. Aufilena, viro contentam vivere solo,
Laus est nuptarum e laudibus eximiis.
*) Si. Comini, populi arbitrio etc.
Abhandlungen der I Cl. d. h. Ak. d. Wiss. V. Bd. III. AbtW. 35
27 1
Carm.
111, 4. Quam matrem fratres ex patruo parere.*)
112, 1 f. Mullos homo, Naso, tecum est', e/inultus homo
a te
Descendit: Naso, muldis es et pathicos.
113, Console Pooipeio primum — doo, Cinna **),
fuerunt
Moechi; illo facto console nunc iteruni —
Manserunt duo, sed creverunt oiillia numüm,
Singula fecunduin seinen adulterio.
114, i. Firmanus saltus non falso, Mentula, dives
Fertur, qni tot res etc.
— r, 5. Quare concedo, sis dives, dum omuia desint;
Saltuni laudemus, dummodo tu ipse egeas.
1 1 5. Ein Gespräch zwischen zwei Menschen, deren
einer den Mentula als einen in der That ar-
men Mann darstellen und verspotten will, in-
des« der andere ihn (scheinbar) als reichen
Mann über den Crösus stellt etc.
A. — • Mentula habet sterilis triginfa iugera prati,
Quadraginta aivi: cetera sunt paria.
B. — . Cur non divitiis Croesum superare potis sit,
Uno qui in saltu totmoda possideat,
Prata, arva, ingentes silvas altasque paludes
Usque ad Hvperboreos et mare ad Oceauuin?
*) So Doeriny.
**) Solebant Moec/mri ; illo nunc cons. facto iterum Doering.
275
Carm.
115, 7. A. — . Oinnia magna liaec sunt; tarnen ipse est
maximus inter
[Oinnia] , non homo, sed mentula magna
minax.
115- Würde am besten in Ordnung gebracht wer- (Nachtrag).
den, wenn man für instar (inster) ein Zahl-
wort, wie decies, vieles, ... centies etc. setzen
könnte, welches dem Sinne, welcher eine hohe
Zahl fordert , und dem Metrum gleich gut ge-
nügte. Decies ist zu wenig.
— . Wahrscheinlich das Rechte treffend schreibt
man:
Mentula iugerum habet triginta millia prati,
Quadraginta arvi; caetera sunt paria.
116, 1 ff.
Saepe tibi studioso animo venata requirens
Carmina nti possem niittere Battiadae,
Ouis te lenirem, ne conarere maligna
Telis infestis mi teere musca caput,
Hunc mihi nunc video frustra sumptum esse
laborem,
Gelli, nee nostras huc valuisse preees.
Esto: nos tela ista tua evitamus amictu;
Sed fixus nostris tu dabi' supplicium.
35
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tinwima ötCT, JUN 8 196/
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AS Akademie der Wissenschaften,
182 Munich. Philosophisch-Histo-
M3175 rische Abteilungen
Bd . 5 A bhandlungen
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