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Full text of "Abhandlungen - Bayerische Akademie der Wissenschaften Philosophisch-Historische Klasse"

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ABHANDLUNGEN 


DER 


PHILOSOPHISCH -PHILOLOGISCHEN  CLASSE 


DER  KÖMGLICH  BAYERISCHEN 


AKADEMIE  der  WISSENSCHAFTEN. 


.      [ 
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! 


FÜNFTER  BAND. 

IN  DBB  KRIHK  DKK  DENKSCHRIFTEN  l)BR  XXI.  BAND. 


MÖNCHE  N. 

18  4  9. 

AUF  KOSTEN  DER  AKADEMIE. 

GEDRUCKT  IN  DER  J    GEORG  WEISS'schen  BUCHDRUCKEREI 


As 

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ABHANDLUNGEN 

DER 

PHILOSOPHISCH-PHILOL.  CLASSE 
DER  KÖNIGLICH  BAYERISCHEN 

AKADEMIE    der     WISSENSCHAFTEN. 


FÜNFTEN   BANDES 

ERSTE  ABTHEILUNG. 


ABHANDLUNGEN 


DER 


PHJLOSOPHISCH-PHILÖLOG.  CLASSE 


DER  KÖMGLICH  BAYERISCHEN 


AKADEMIE  der  WISSENSCHAFTEN. 


FÜNFTEN  BANDES 
ERSTE  ABTEILUNG. 

IN    DER   REIHE    DER    DENKSCHRIFTEN     DER   XXIV.  BAND. 


MÜNCHEN. 

AUF  KOSTEN  WCR|ÄADpMIE. 

GEDRUCKT  IN  DER  J.  GEORT^WEiIs?ch^BUCHDRUCKERE1. 


SM 


Inhalt. 


I.    A  b  t  b  e  i  I  u  ri  g. 

Ueber  die  Politik  des  Aristoteles,  von  Leonhard  Spengel. 

Die  Amazonen,  von  Friedr.   Aug.    Ukerl  in  Gotha. 

Zu  Dr.  Ludwig  Schorn's  im  XII.  Bande  dieser  Denkschriften  1835  abgedruck- 
ter Abhandlung  über  das  römische  Denkmal  in  Igel  bei  Trier,  von 
./.  A.  Schmeller.     (Mit  lithogr.   Abbildung.) 

Ueber  die  Bücher  des  Königs  Numa.  Ein  Beitrag  zur  Beligionsphilosophie 
von  Ernst  v.  Lasaulx. 

Ueber  die  Mauern  von  Babylon  und  das  Heiligthum  des  Bei  daselbst,  von 
Dr.  Franz  Streber. 


IL    A  b  t  h  e  i  I  u  n  g. 

De  locis  quibusdam  Aeschyli  Lacunosis  aut  versuum  transpositione  sanandis 
scripsit  et  in  consessu  classis  I,  die  IV.  Julii  anni  MDCCCXLVI  exhi- 
buit  Fridericus   Thiersch. 

De  locis  in  P.  Cornelii  Taciti  vita  Agricolae  Lacunosis  dissertationem  classi 
philolog.  ac  monac.  die  IX.  Maii  anni  MDCCCXLV11  exhibitam  praece- 
denti  epimetrum  adjecit  Fridericus   Thiersch. 

Ueber  ein  in  den  Besitz  des  k.  Antiquariums  übergegangenes  silbernes  Gefäss 
mit  Darstellungen  aus  der  griechischen  Heroengeschichte.  Vorgetragen 
in  der  Sitzung  der  I.  Classe  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  am 
4.  Juni   1848  von  Friedr.   Thiersch.     (Mit  einem  Kupfer.) 


IV 

Debet1  die  Reihenfolge  der  naturwissenschaftlichen  Schriften  des  Aristoteles, 
von  Professor  Dr.  Leonh.  Spengel. 

Römische  Inschriften,  mit  Bemerkungen  von  Professor  Jos.  v  Hefnet.  (Mit 
zwei   Tafeln   Abbildungen.) 

(01  rigenda. 

III.    Abtheilung. 

Die  ältesten  Münzen  der  Grafen  von  Hohenlohe,  oder  zwanzig  bisher  meist 
unbekannte  Pfennige  des  Herrn  Ulrich  von  Hohenlohe.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  der  Grafen  von  Hohenlohe  von  1371  bis  1408,  von 
Dr.  Franz  Streber.     (Mit  einer  Tafel   Abbildungen.) 

Ueber  das  Erechtheum  auf  der  Akropolis  zu  Athen.  Von  Friedrich  T/üersch. 
Erste   Abiheilung. 

Epistola  Roscelini  ad  P.   Abaelardum.     Editore  J.  A.   Schneller . 

Ueber  die  Endung  -ez  [-es]  spanischer  und  portugiesischer  Familiennamen, 
von  J.   A.  Schindler. 

Q.  Valerii  Catulli  Veron.  über.  (Ex  rec.  C.  Lachmanni.  Berol.  typis  et  im- 
pensis  Ge.  Reimeri.  A.  1829.)  Vorschläge  zur  Berichtigung  des  Tex- 
tes von  Joh.    v.  G.  Fröhlich. 


Leber  die 


Politik  des  Aristoteles 


von 


Leonhurd   Spengel, 

auswärtigem  ordentlichen  Milgliede    der  Akademie    der  Wissenschaften  in  München; 


Abhandlungen   d.   I    Cl.  d.  lt.   Ak.  d.  Miss.  V.    Bd.  I.  Abth. 


Leber  die  Politik  des  Aristoteles 


von 


Leonhard  Spengel. 


Mwie  Nikpmachische  Ethik  hat  uns  in  ihrem  Zusammenhange 
und  in  der  Ausführung  wenige  Zweifel  erregt,  nur  die  wichtige 
Frage,  ob  die  Bücher  V.,  VI.,  VII.,  welche  in  derselben  Form  in 
den  Eudemien  wiederkehren,  ursprünglich  diesen  oder  jenen  an- 
heimfallen, verlangte  nähere  Betrachtung;  aber  das  Vorhandensein 
zweier  anderer  ethischen  Schriften  desselben  Inhalts  unter  dem  Na- 
men des  Aristoteles  forderte  zur  genauen  Untersuchung  auf,  in  wel- 
chem Verhältnisse  diese  letzteren  zu  dem  Originalwerke ,  den  Ni- 
komachieu,  stehen  *). 

Dagegen  hat  sich  von  der  Politik,  der  Fortsetzung  der  Ethik, 
nur  ein  Werk  erhalten,  unbestritten  acht  und  nicht  etwa  eine  spä- 
tere aus  dem  Originale  gemachte  Umarbeitung,  wie  die  Eudemien 
oder  die  sogenannte  grosse  Ethik;  dieses  selbst  aber  ist  in  Folge 
und  Ordnung  der  Bücher  vielem  Zweifel  unterworfen,  und  hat  die 
entgegengesetzten  Urtheile  hervorgerufen. 


M  Vergl.  Pansch,  de  Moralibus  magnis  subditicio  Aristotelis  libro. 
Eutin  1841 ,  und  Herrn.  Bonitz,  Obserrationes  criticae  in  Aristote- 
lis  fjuae  feruntur  Magna  Moralia   et  Ethica  Eudemia.      ßerolini   1844. 


t 

Bereits  im  sechszehnten  Jahrhunderte  hatte  Antonius  Scainius, 
und  unabhängig  von  ihm  Angelas  Segnius2)  bemerkt,  das«  das 
Ende  des  III-  Buches  und  der  Anfang  des  IV.  nicht  übereinstim- 
men, vielmehr  jenes  erwarten  lasse,  was  dieses  als  abgemacht  vor- 
aussetzt, während  die  Bücher  VII.  und  VIII.  wie  äusserlich  der 
Form,  so  innerlich  dem  Inhalte  nach  über  die  ctq(ori]  noknsCa  sich 
an  das  Ende  von  III.  anschliessen  und  dadurch  ein  zusammenhängen- 
des wenn  auch  nicht  vollendetes  Ganze  liefern.  Diese  Umstellung  der 
Bücher,  welche  sich  des  Beifalls  eines  Sepulveda,  Victorins,  Jos. 
Scaliger  u.  a.  erfreute,  wurde  von  H.  Coming  in  seiner  Ausgabe 
der  aristotelischen  Politik,  Introductio  pag.  557  —  652  ausführlich 
begründet,  und  ich  halte  den  Kern  dieser  Abhandlung  für  voll- 
kommen gesund;  man  sieht,  dass  er  Inhalt  und  Gang  der  aristote- 
lischen Politik  sich  mehr  als  viele  der  neuern  angeeignet  hat,  G. 
Schneider  vermisste  am  Ende  des  III.  Buches  Einiges,  suchte  je- 
doch den  Büchern  VII.  und  VIII.  ihre  Stellung  zu  vindiciren.  Götl- 
ling  glaubte,  alles  sey  im  vollkommensten  und  trefflichsten  Zustande 
und  viele  glauben  es  ihm  nach.  Gleichwohl  Hess  sich  der  Franzose 
Barthelemy  Saint- Hilaire  durch  solche  fruchtlose  Versuche,  die 
/war  sehr  wohl  gemeint  seyn  mögen,  aber  nicht  von  der  besten 
Einsicht  zeugen,  keineswegs  abhalten,  nicht  nur  die  von  früheren 
Gelehrten  empfohlene  Ordnung  wieder  aufzunehmen,  sondern  gestüzt 
auf  Aristoteles  Aussage,  IV,  2.,  in  welcher  Folge  er  den  letztern 
Theil  seines  Werkes  ausführen  wolle,  hatte  er  zuerst  die  wichtige 
Bemerkung  gemacht ,  dass  die  Ausführung  mit  jener  Ankündigung 
im  Widerspruche  stehe,  aber  durch  die  Umstellung  des  fünften  und 
sechsten  Buches  vollkommen  hergestellt  werde3),  so  dass  in  seiner 


-)  Vergl.  Coming,  Inlroduct.  pag.  612.  Scaini  im  Jahre  1577.  Segni, 
in  der  zweiten  Ausgabe  des  Victorius  1576  nach  Schneiders  Bemer- 
kung pag,   223. 

')     Den   innem   Zusammenhang  der  Bücher    hatte  Coming  schon  erkannt 


5 

Ausgabe  die  Bücher  der  Politik,  wie  wir  überzeugt  sind,  vollkom- 
men richtig,  nachstehende  Ordnung  einnehmen:  L,  IL,  HL,  VII.. 
VIII. ,  IV.,  VI.,  V.  Letztere  Entdeckung  ist  von  Woltmann  in  ei- 
ner besondern  Abhandlung :  über  die  Ordnung  der  Bücher  in  der 
Aristotelischen  Politik 4)  anerkannt,  der  seinerseits  die  gewöhnliche 
Stellung  der  Bücher  VII.  und  VIIL,  welche  sie  in  allen  Codices  be- 
haupten, in  Schutz  nimmt;  andere  haben  die  ganze  Anorduung  von 
St.  Hilaire  gebilligt5),  andere  ganz  verworfen6). 

Diese  Fragen,  um  welche  sich  die  Untersuchung  über  die  ari- 
stotelische Politik  vorzüglich  dreht,  sicher  zu  entscheiden,  ist  noth- 
weudig,  ausser  dem  Zusammenhang  im  Ganzen  die  einzelnen  Stel- 
len in  ihrer  Beziehung  richtig  aufzufassen  und  jede  falsche  Erklä- 
rung zurückzuweisen;  die  Verbindung  dieser  wird  von  selbst  dar- 
tbun,  ob  der  Zustand  und  die  Folge,  in  welcher  die  Bücher  uns 
überliefert  sind,  erhalten  werden  kann  oder  nicht.     Im  Allgemeinen 


und  er  war  der  Ansicht  St.  Hilahes  ganz  nahe,  pag.  635,  wurde 
aber  durch  die  Verweisungen  des  sechsten  Buches  auf  das  fünfte 
irre  geführt  und  glaubte  den  jetzigen  Zustand  entschuldigen  zu  können. 

4)     Rheinisches  Museum  für  Philologie.    1842.     S.   321   —   54. 

s)  Kopp,  in  den  Münchner  gelehrten  Anzeigen  1839-  Nr.  87.  Seite  702. 
Stahr,  Jahrbücher  für  wissenschaftliche  Kritik.  1838.  Juli.  pag.  1  — 
23.  Sept.,  welcher  glaubt,  jetzt  sey  das  ganze  Werk  vollkommen 
und  vollständig  erhalten. 

6)  Biese,  Philosophie  des  Arist.  II.  400,  der  meint,  das  Unnöthige  sol- 
cher willkührlichen  Umstellung  werde  sich  aus  dem  im  Folgenden 
nachgewiesenen  Zusammenhange  von  selbst  ergeben;  da«  müsste  pag. 
481.  504.  524.  532,  nachgewiesen  seyn,  wo  man  nichts  finden  wird, 
was  nur  einigermassen  befriedigen  kann.  H.  Biese  scheint  die 
Schwierigkeiten  gar  nicht  zu  kennen.  Forchhammer,  unten  Note  44. 
Vergl.  Hallische  Litt.  Zeitung.  1839.  Nro.  198  —  200,  wo  der  Re- 
censcnl  (Pansch?)  die  Verbindung  des  III.  Buches  mit  VII.  VIII.  bil- 
ligt,   die   Vertauschung  aber  von   V.   VI,    verwirft. 


6 

ist  zu  bemerken,  dass  die  IloMxiv.a  unseres  Philosophen  zu  jenen 
Schriften  zu  zählen  sind ,  welche  im  Ganzen  zwar  verständlich, 
aber  gleichwohl  in  sehr  verderbter  Gestalt  auf  uns  gekommen  sind, 
was  die  neuesten  Herausgeber  Göttling,  Stahr,  St.-Hilaire,  die  al- 
les Unhaltbare  zu  vertheidigen  suchen,  am  wenigsten  beachtet  ha- 
ben; ein  näheres  Studium,  und  die  Vergleichung  dieses  Werkes 
mit  der  Form  anderer  lehrt,  was  hier,  wo  die  Handschriften  keine 
Aushülfe  gewähren,  der  Conjekturalkritik  noch  zu  leisten  übrigbleibt. 


Das    erste  Buch    der   Politik  7)   lehrt,  wie  die  Familie,  oixuc, 
die  Grundlage    der  nöXig  bildet,    diese   aber,    wiewohl   von    jener 


'')  Am  Schlüsse  der  Nikomachien  beklagt  Aristoteles,  dass  es  keine  allge- 
meine Erziehung  und  Gesetzgebung  gebe,  wodurch  ein  besseres  Ge- 
schlecht herangezogen  werden  könnte;  dieses  giebt  ihm  Gelegenheit 
zum  Uebergang  von  der  Ethik  zur  Politik,  und  damit  zugleich  die 
Umrisse  letzterer  zu  bezeichnen:  naoaXtnövziov  ovv  ztov  nqözEQOv 
aveQeüvrjTOv  zb  nsol  zrjg  vo/.to&eolag ,  avzovg  eTctoxexpaG&at  \mXXov 
ßeXziov  l'owg  xal  oXcog  öfj  negl  no  Xizelag,  ontog  elg  dvvauiv  r. 
neql  zä  av&qtömva  cpiXoooyia  zeXeitofrij  .  nqiözov  /<eV  ovv  ei  zl 
xazä  1-ie.Qog  el'qrjzai  xaXiog  vnb  ztov  nqoyeveozeqcov  neiqa&fjijusv  ercsX- 
titiv,  evca  ix  ztov  Gvvrjy/itivtov  noXizeiaJv  $£toqrJGai  zä  nola  otö^ei 
xal  (ptte/gei  zag  noXeig  xal  zä  nola.  exäozag  ztov  noXizeuöv ,  xal 
ötä  zivag  alziag  ai  /.tiv  xaXtög  al  de  zovvavzlov  noXizevovzaf  d-eot- 
Qr}&tvzü)v  yäq  zovztov  zä%  av  fiäXXov  ovvlöotuev  xal  nola  noXizeia 
äoiozrj ,  xal  ntüg  hxäczrj  zay&eloa,  xal  zloi  vo/.ioig  xal  Z'&eoi  %Qio- 
(xsvrj.  X^yw/Aev  ovv  äo^äfievoi.  Schneider  hat  pag.  4  diese  Stelle 
für  die  bestehende  Ordnung  der  letzten  zwei  Bücher  geltend  ge- 
macht ,  ohne  jedoch  das  Unsichere  selbst  zu  verkennen.  Vielmehr 
könnte  man  daraus  beweisen  ,  dass  die  aqiozrj  rrnXizeia  den  übrigen 
Verfassungen  vorangeben  müsse  und  die  einzelnen  ihr  folgen. 
Wollte  man  aber  nach  dieser  Angabe  die  Ordnung  der  Bücher  der 
Politik   beurtheilen  ,    so  müsste  dem  zweiten  sogleich    der   Inhalt    des 


ausgehend  bei  aller  Aehnlichkeit  doch  nicht  bloss  numerisch,  sondern 
specifisch  von  ihr  verschieden  ist.  Da  das  natürliche  Streben  der 
Menschen  schon  der  erforderlichen  Bedürfnisse  wegen  auf  eine 
solche  grössere  Verbindung  geht,  der  Zweck  des  Menschen  erst 
im  Staate,  noXig,  erreicht  wird,  er  in  diesem  erst  seine  Vollendung 
findet,  die  avrccQxeicc  und  das  sv  £rjv,  nicht  bloss  das  'kif'p-,  so  wird 
dieses  selbst  —  s"o  hoch  steht  dem  Aristoteles  der  Zweckbegriff  — 
als  der  natürliche  Zustand  des  Menschen  betrachtet,  und  obschon 
dem  Entstehen  nach  nofag  später  als  oh'Ja,  doch  dem  Wesen  und 
der  Potenz  nach  als  das  Erstere  anerkannt 8). 

Als  nothwendige  Bedingungen  einer  Familie  treffen  wir  Herren 
und  Sklaven,  die  dsonoruetj ,  Mann  und  Weib,  die  yafUxj]  und  El- 
tern  und   Kinder,   TsxisojioitiTixtj.     Nur    der   erste   Punkt   wird    aus- 


fünften  folgen,  was  offenbar  gegen  den  Plan  ist,  welchen  die  Poli- 
tik selbst  ausspricht.  Hat  Aristoteles,  als  er  diese  Worte  geschrie- 
ben, nicht  bloss  im  Allgemeinen,  was  der  Inhalt  sey  ,  andeuten  wol- 
len, sondern  wirklich  im  Sinne  gehabt,  die  Ausführung  nach  dem 
hier  gegebenen  Plane  zu  liefern,  so  hat  er  später,  in  der  Ausarbei- 
tung der  Politik  selbst,  diese  seine  Ansicht  geändert,  und  die  ganze 
Stelle  der  Ethik  kann  weder  für  noch  gegen  die  bestehende  Ord- 
nung der  Bücher  der  Politik  zeugen. 
!)  I,  2.  r)  ($'  ix  nleiövcov  xcoiaov  xotviovia  teleiog  nöXig,  r)  örj  näarjg 
s'xovaa  niqag  zfjg  auvaQxetag  a>g  srcog  einaiv ,  yivoj.ii.vrj  /.isv  ovv  cov 
Qrjv  evexev ,  ovoci  de  xov  ev  Lrjv  öio  Tcccact  nnkig  cpvoet  ioiiv  ... 
xal  TiQÖveQOv  öi]  xft  (pvöEt  nöhig  rj  olxia  xai  txaoxog  i]f.aov  ioxlv 
xo  yaq  oXov  uqoxeqov  ävayxalov  elvau  xov  /.lioovg.  Mit  welchem 
Rechte  oder  Unrechte  Aristoteles  das  behauptet,  gehört  nicht  hieher, 
wie  aber  bei  ihm  das  xfj  yevioEi  ttqoxeqov  doch  xo  xfj  ovoia  l'oie- 
pov  seyn  kann,  und  umgekehrt,  sieht  man  besonders  aus  de  part. 
Anim.  II.  1.  pag.  646,  24;  andere  Stellen  sind  pag.  261,  14.  227,  20. 
(Phystc  V.  3  und  Eudemus  daselbst  bei  Simplicius)  310,  b,  33.  778, 
b,   i.     989,   15.      Muretus  zur  Oekon.   III,  478.      Göttling.  p.   68. 


8 

fahrlieh  Kap.  3  —  7  behandelt,  und  da  der  Sklave  ein  Besitzthum 
ist9),  Veranlassung  genommen,  von  der  Erwerbskunst  Kap.  8 — 11 
zu  sprechen;  die  beiden  andern  Theile  werden,  weil  sie  tief  in  die 
Politik  eingreifen  und  demnach  dort  besser  ihre  Erklärung  finden , 
hier  übergangen10);  wir  haben  sie  nicht,  sie  müssen  ihre  Ausfüh- 
rung  in   der    Lehre    der   aQiozq  nohrei'a  gefunden    haben '  *).     Das 


9)  III,  4.  xztjaig  ex  öeonözov  xai  öovlov.  Die  xzfjoig  xai  %Q£(.ia%t- 
ozixrj  wird  mehr  als  man  erwartet,  behandelt.    " 

10)  rzeqi  de  avdgög  xai  yvvaixbg  xai  zexvtov  xai  nuzQog  zrjg  ze  ttsqI 
exaozov  avztöv  aoezrjg  xai  zrjg  ngog  ocpag  avzovg  bf.nXiagl  zi  zo 
xaXöig  eott,  xai  ntög  del  zo  f.iev  ev  ötcöxeiv  zo  de  xaxtog  tpevyeiv, 
ev  zolg  neqi  zag  noXizeiag  avayxalov  eneX&elv. 

1 ' )  Aristoteles  beginnt  nach  einigen  Vorfragen  zuerst  die  äusseren  not- 
wendigen Bedingungen  eines  Staates  aufzuzählen  und  ihre  Bedeutung 
nachzuweisen.  Kap.  4  —  12.  Das  Prinzip  ist  Kap.  13.  pag.  1332, 
28  ausgesprochen:  avayxalov  zoivvv  ex  ztöv  elqrj(.ievtov  za  f.iev  vnüq- 
%eiv,  za  de  Tzagaoxsväoai  zbv  vo{.io&ezrjv  dib  xaz  si%r)v  ev%6[.iei)a 
zr)v  zrjg  TiöXetog  xsvozaoiv  tuv  rj  zvyr]  xvqia '  xvglav  yag  avzfjv  vnag- 
%£iv  zl&efiev  zo  de  ajzovdalav  elvai  zrjv  tcoXlv  ovxezi  zv%r]g  l'qyov, 
aX)?  e7iiozij[.ir]g  xai  7iQoatgeoeiog.  Der  erstere  Theil  ist  ganz  erhal- 
ten; von  dem  zweiten  und  wichtigsten,  der  ganz  Sache  des  Gesetzge- 
bers ist,  der  noXizeia  avzrj ,  ist  wohl  der  grössere  Theil  verloren; 
wir  haben  noch  davon,  die  schöne  Grundlegung  Kap.  13 — 15,  dass 
man  alle  agezai  üben  müsse,  nicht  etwa  nur  die  eine  7ioXe/.uxrj,  wie 
die  Spartaner,  und  dass  Zweck  aller  Thätigkeit  nicht  aoiolia ,  son- 
dern oy/>Xrj  sei.  Da  von  vorne  begonnen  wird  ,  damit  kräftige  Kin- 
der entstehen,  so  sind  das  Erste  Verordnungen  über  die  Ehe, 
Cap.  16  ,  dann  die  Erziehung  der  Kinder  nach  der  Geburt  bis  zum 
siebenten,  ferner  bis  zum  vierzehnten  Jahre,  dem  Eintritt  der  rjßrj, 
dann  bis  zum  einundzwanzigsten  Jahre.  Aristoteles  folgt  der  Maxime 
Solons  in  seinen  Gedichten  von  der  Siebenzahl,  daher  VII,  17. 
pag.  1337,  1-  statt  ov  xaXtög  mit  Muretus  zu  Rhet.  II.  14.  ov  xaxtog 
gelesen  werden  muss,  oder  die  Negation  wegfallen,  vergl.  Kapp, 
Aristot.   Staatspaedag.  pag.    114  (ganz  verfehlt  ist  Klotz,   Auseinander- 


erste  Buch    enthält   demnach    nichts   als   die   ofaovopiy.rj  als   Ueber- 
gangspunkt  zur  Politik12). 

Im  zweiten  Buche  werden  die  Ansichten  der  Vorgänger  über  den 
besten  Staat  (ßnioxexpojjiie&ci  nsgi  rwv  ano(privcc^vo)v  tisqi  rijg  nofaxeiug 


Setzung  in  Jahns  Jahrbüchern  XXVI.  pag.  81),  histor.  Anim.  V,  14. 
pag.  544.  b.  25.  Ich  vermuthe  auch  oben  VII,  16-  pag.  1335,  29. 
rovg  de  n evTS  xai  xqiäxovxa  für  d'  emä  xai.  Aristoteles  erwähnt 
die  zur  allgemeinen  Jugendbildung  damals  gangbaren  Unterrichtsge- 
genstände VIII,  2.  yQaf.tf.iara,  yvfivaaxixr] ,  fiovüixrj,  yqacpixrj,  erste 
und  letzte  als  zum  Leben  nützlich,  die  zweite  der  avdqeia  zuträg- 
lich; die  Frage  aber,  in  wie  ferne  ftovaixiq  geeignet  ist,  bildet  eine 
eigene  Untersuchung,  Kap.  3  —  6,  womit  unsere  Politik  schliesst. 
Damit  kann  man  höchstens  die  Frage  über  die  fiovoixiq  als  vollendet 
betrachten,  nicht  aber  über  die  naböeia,  denn  die  Knaben  müssen 
noch  anderes  lernen,  und  über  die  yqüfifiata  ist  oben  nichts  be- 
merkt; gewiss  hat  sich  Aristoteles  darüber  erklärt,  ob  man  Homer 
und  die  Tragiker,  welche  Piaton  verbannt  hat,  aufnehmen  dürfe  und 
warum.  Vergl.  VII,  17.  pag.  1336,  b.  20.  Was  sonst  noch  alles 
ausser  ftaiösla  folgen  musste,  und  der  Gesetzgeber  zu  bestimmen 
hatte,  lässt  sich  im  Ganzen  mehr  ahnen,  als  überall  mit  Zuverlässig- 
keit angeben,  üass  Aristoteles  aber  auch  hier  oft  ins  Einzelne  ge- 
gangen ist,  dafür  zeugen  folgende  Stellen  aus  dem  Obigen,  in  wel- 
chen wir  auf  unseren  besten  Staat  verwiesen  werden.  Zuerst  I.  13 
pag.  1260,  b.  8  —  24.  (vergl.  oben  Note  10.)  über  Mann  und  Frau, 
Eltern  und  Kinder,  was  in  nächster  Beziehung  mit  Bildung  der  Ju- 
gend steht;  auch  die  yvvalxeg,  die  Hälfte  der  bürgerlichen  Gesell- 
schaft, sollen  orcovöaiat  werden.  Mag  man  daher  auch  annehmen, 
dass  ein  grosser  Theil  der  tsxvoTtOLYjTixrj  I,  3.  schon  durch  VII,  16 
— 17  erledigt  sei,  immer  bleibt  noch  vieles,  was  nicht  vorhanden  ist. 
VII.  10.  zu  Ende.  Viva  de  öel  tqonov  %qrjo&ai,  dovXoig,  xai  diöxv 
ßelxtov  naoi  %o~ig  dovXoig  ad-lov  rcqoxelod-ai  rrjv  elevd-eqiav,  vaze- 
qov  eqovfiev.  Weil  im  Oekonomlkos  Kap.  5.  dasselbe  steht,  so  ver- 
steht Göttling  pag.  436  diese  Schrift;  abgesehen  davon,  dass  dieses 
Büchlein  dem  Theophrastus  zugeschrieben  wird,  kann  hier  nur  vom 
Abhandlungen,  d  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.   V.  Bd.  I.  Abtlil.  2 


10 

rijg  aQt'oiqg),  dann  die  bedeutendsten  der  bestehenden  Verfassungen 
vorgetragen;  wie  überall,  knüpft  Aristoteles  auch  hier  in  der  ihm  ei- 
genen kritischen  Richtung  seine  Lehre  an  das  von  andern  gegebene; 
der   Gedanke,    dass   um    selbst  etwas  in   einer  Sache   zu   leisten, 


besten  Staate  die  Rede  seyn,  also  in  der  Darstellung  der  aqtozv  no- 
Xizela  muss  dieses  gestanden  haben.  Ebenso  unrichtig  bezieht  Gött- 
ling  pag.  430.  die  Worte  VII.  5.  pag.  1326,  b.  32.  zovzov  de  zov 
bqov  ei  xaXwg  rj  (.irj  xaXiog  Xeyof.iev,  vozeqov  imoxeuzeov  dxqißioze- 
qov   auf  dieselbe  Oekonomik,    vielmehr  ist  VII.    7.  und  15.  gemeint. 

VII.,  10.  pag.  1330,  3.  neql  ovooiziiov  ze  ovvdoxel  näoi  xqtj- 
oiftov  elvai  zcüg  ev  xazeoxevaofievatg  nöXeoiv  vnüqxeiv,  dt  rjv  <J'  ai- 
ziav  ovvdoxel  xal  rjf-uv,  vozeqov  iqov/.iev.  Man  kann  VII.,  12.  ver- 
stehen, weil  Behörden,  Soldaten  und  Priester  ihre  besonderen 
Plätze  beisammen  haben  müssen,  es  ist  aber  möglich,  dass  in  den 
fehlenden  Büchern  dieser  Gegenstand  noch  näher  berührt  wurde. 

VII.,  16.  pag.  1335,  b.  2.  noitov  de  ziviov  zaiv  oiofidzwv  vtzccq- 
XÖvziov  fiälioza  ocpeXog  eit]  zolg  yevva)f.ievoig  eniozrjoaoL  fxev  (.idX- 
Xov  Xexzeov  ev  z'oig  neql  naid ovofiiag ,  zvmp  de  ixccvov  eirteiv 
xal  vvv ,  gewiss  nicht  eine  besondere  Abhandlung,  sondern  im  Ver- 
laufe weiter  ausgeführt,  vielleicht  ist  damit  das  folgende  Kapitel  be- 
zeichnet,  in  welchem  wenigstens  auch  davon  gesprochen  wird. 

VII.,  17.  pag.  1336.  b.  24.  vvv  fxev  ovv  zovziov  ev  naqadqo/iifj 
7te7toirji.ie&cc  zov  Xöyov,  vozeqov  de  enioz^oavzag  de~l  dioqioai  /.iSX- 
Xov,  euce  (.irj  del  nqüJTOv  eize  del  dtaTioqrjoavzag,  xal  ncög  del'  xazd 
de  zov  naqövza  xaiqov  e/.ivrjO&r]iAev  cug  avayxalov.  Hier  ist  mitun- 
ter auf  obiges  Beziehung  genommen,  was  Knaben  sehen  und  hören 
dürfen  und  wann;  die  vorausgehende  Erwähnung  von  tafxßoi,  und 
xo)i.iü)dlai  lässt  schliessen,  dass  die  platonischen  Bedenken  in  jener 
spätem  Untersuchung  gehoben  worden  sind. 

VIII.,  3.  ozi  fiev  zoivvv  eozl  rzaidela  zig  rjv  ovx  wg  xqrjoif.cqv 
(scrib.  xqijGL^iov)  naidevzeov  zovg  vlelg  ovd  cug  dvayxaiav ,  aXX  wg 
IXev&tqiov  xal  xaXrjv,  (paveqov  eoztv  nözeqov  de  /.na  zov  aqi$f.iov 
rj  nXeiovg ,  xal  zlveg  avzai  xal  ntög ,  vozeqov  Xexzeov  neqt  avzwv, 
also  hat  Aristoteles  noch  von  andern  Bildungsmitteln  ausser  der  Mu- 


11 

man  wissen  müsse,  was  andere  darin  geleistet  haben,  um  das  Gute 
anzunehmen,  das  Falsche  und  Ungenügende  aber  zu  verbessern  und 
vervollständigen,  ist  bei  ihm  überall  verwirklicht  zum  Nutzen  des 
Lesers,  der  dadurch  einen  historischen  Standpunkt  gewinnt,  und 
die  verschiedenen  Seiten  des  zu  behandelnden  Gegenstandes  ken- 
nen lernt.  Dass  auch  er  die  Absicht  hat,  gleich  jenen,  einen  sol- 
chen vollendeten  Staat  zu  construiren,  bezeugen  schon  die  Ein- 
gangsworte: end  d's  jiQoaiQovjue&cc  S^swQtJGai  tisqi  rijg  y.oivoi- 
victg  rrjg  nokirmrjg,  tj  XQctTiGztj  naawv  toTg  dvvct}x£voig  £ij v 
oxi  jnaXiGrcc  y.cct  ev^tju^  dsi  xctl  rag  uÄÄag  knioyJ^aad-cci  710X1- 
rsiag,  und  nuiss  um  so  mehr  hervorgehoben  werden,  als  man  es  in 
Abrede  stellen  wollte.  Untersucht  werden  Piatons  Republik  und 
Gesetze,  Phaleas  und  Hippodamus  Staaten,  dann  die  Verfassungen 
der  Lacedaemonier,  Kreter  und  Karthager;  das  letzte  Kapitel  er- 
wähnt, was  jeder  der  Gesetzgeber  eigenes  vorgebracht  hat.13) 


sik  für  die  Jugend  gesprochen,  unser  Buch  endet  mit  dieser,  oder 
vielmehr  in  dieser. 

12)  Daher  III,  6  das  Buch  mit  den  Worten  bezeichnet  wird:  eiq^rat  örj 
xai  xmcc  %ovg  nqiovovg  Xöyovg  ev  oig  7V€qI  olxovofilag  dicoQio&t] 
y.al  deanoTsiag. 

13 )  Dieses  Kapitel  hat  Göttling  pag.  346  mit  allerlei  Ausstellungen  als 
einen  Zusatz  späterer  Zeit  erklärt;  ich  würde  es  nicht  erwähnen,  in 
der  Hoffnung,  der  Verfasser  werde  durch  wiederholtes  Studium  eine 
bessere  Ueberzeugung  gewonnen  haben,  hätte  nicht  Stahr  alles  die- 
ses als  sicher  anerkannt.  Entfernt  man  dieses  Kapitel,  so  fehlt  der 
Schluss  dieses  Buches;  aber  der  Inhalt  ist  vollkommen  acht,  man 
kann  nichts  tadelhaftes  darin  finden,  dass  die  Gesetzgeber  mit  ihren 
Eigentümlichkeiten  zusammengestellt  werden,  dadurch  wird  auch 
die  athenische  Verfassung  erwähnt;  schon  der  Ausdruck  pag.  1274, 
10  elg  ttjv  vvv  drjiioxQaziav,  der  öfter  in  der  Politik  wiederkehrt 
und  acht  aristotelisch  ist,  hätte  von  der  Kühnheit  abrathen  sollen, 
ein  späteres  Machwerk  zu  erblicken.  Vieles  ist  Missverständniss  und 
zeugt,    dass  Sinn  und  Zusammenhang  des  Textes  nicht  richtig  aufge- 

2* 


12 

Erst  im  dritten  Buche  beginnt  die  Untersuchung  über  den 
Staat  ;  auch  hier  werden  zuerst  einige  Begriffe  vorausgeschickt 
und  erläutert,  weil,  wer  über  notixeta  reden  wolle,  zuerst  über 
Umfang  und  Bedeutung  von  nötig**)  und  notixtjg  richtige  Kenntnisse 
haben  müsse.  Dieses  sprechen  die  Anfangsworte  deutlich  aus:  zw 
nsoi  notixeCag  eniGxonovvxi  xcd  zig  txt'coxt]  xai  noicc  xig,  G%ed6v 
noabzt]  Gxixpig  negi  nötsmg  iö*€ii>  xl  nor  Igziv  rj  nötig  ...  insi 
Jt  /;  nötig  xüöv  Gvyxsijue'pwv  ..  drjtov  bxi  noöxEgov  6  notixtjg  'CtjXtj- 
z£og'  i)  yag  nötig  notixwv  ti  ntfj&ög  Igxiv ,  Soxs  xiva  /gi]  xateiv 
notixtjv  xai  rig  6  notixtjg  ioxi  oxenxiov.  Die  notwendigen  Vorfra- 
gen werden  in  den  fünf  ersten  Kapiteln  in  Form  von  Aporien  be- 
sprochen. Solche  Fragen  aber  sind  zuerst  die  schon  bezeichnete 
x(g  o  notixtjg  loxi,  dann  Kap.  3. :  nöxs  fj  nötig  tnga'^s  xai  nöxs  ov% 
rj  nötig,  ferner  die  bedeutungsvolle  Kap.  4.:  nöxegov  xt]v  avxtjv 
uQSxijV  dvdoög  aya&ou  xai  notixov  Gnovdaiov  &£x6ov  rj  fxij  xt)v  avzrjv, 
mit  der  Erklärung,  dass  sie  in  den  verschiedenen  Staatsformen 
auch  verschieden,  und  nur  im  absolut  besten  Staate  identisch  seyn 
wird,  endlich  zuletzt  Kap.  5.:  nöztgov  nothrjg  IgzIv  w  xotvojveiv 
X^&GTiv  doxtjg,  i]  xcd  xoig  ßavavGovg  notixag  xrsxeov ;  der  beste 
Staat  wird  sie  ausschliessen  15),    in   den  andern  werden  Umstände 


fasst  worden  ,  -wie  was  über  die  Stelle  von  Solon  gesagt  ist,  anderes 
ist  bei  dem  Zustande  unseres  Textes  unbedenklich  als  corrupt  anzu- 
nehmen, wie  die  Worte  rag  <?'  aq%ag  ex  zwv  yviogiticov  xai  xiöv  ev- 
noQcov  xazeoztjoe  näoag  Ix  xdv  nevraxootofteöifiviov  xai  ^evyizaJv 
xai  xq'lxov  xeXovg  xfjg  xaXoviievrjg  innädog ,  zb  de  xexaqxov  &tj- 
xixöv,  wo  wahrscheinlich  xai  xov  stand;  sind  doch  in  diesem  Kapi- 
tel weit  ärgere  Fehler,  z.  B.  pag.  1274.  b.  9.  ®aleov  ö'l'Siov  rj 
xöjv  ovoiwv  avoiiäXiooig  wofür  Schneider  s.  v.  avtoiiäXiooig ,  es  ist 
aber  rj  zuJv  ovoiwv  6f.iaXöxrjg,  das  war  das  eigenthümliche  seiner 
Constitution.    II.,  7.  pag.  1266.  b.   15- 

1  *)     Das  erste  Buch  sprach  von  nöXig  nur  in  Beziehung  auf  oixia. 

,6)     pag.   1278,  8.  rj  de  ßelxloxrj  nölig  ov  noirjoei  ßävavoov  noVitrjv  ... 


13 

mannigfache  Aenderung  herbeiführen;  je  mehr   sie  aber  dem  Ideale 
näher  treten,  um  so  weniger  solche  als  noförcti  erkennen. 

Das  sechste  Kapitel  führt  uns  endlich  znm  eigentlichen  Gegen- 
staude, zur  nokirsia,  ob  es  nur  eine  Verfassung  oder  mehrere  und 
welche  gebe:    insi   dz  ravrce  ö' iwoiGrai 3   ro   y,sta  rctvrcc  oxsn- 

T&OV    710XS00V    fllaV    &Zr£OV   Tlol.irzlttV    7]    TlXzCovg,     XCIV    81    TlfeCoVQ ,     rtVZg 

xal  Tio o cu ,  xcd  dicupooeii  rivzg  civriöv  zIgiv.  Indem  Zweck  und  Be- 
deutung von  nöXig  entwickelt  und  die  verschiedenen  Arten,  wie 
eine  solche  Gesellschaft  geleitet  werden  kann,  angegeben  werden, 
ist  das  Resultat,  dass  jeder  Verfassung,  welche  das  Wohl  der 
Untergebenen  bezweckt,  gut,  und  jede  schlecht  ist,  in  welcher  die 
Lenker  und  Leiter  nur  ihr  eigenes  Interesse  verfolgen:  (pcivsoöv 
roCvvv  cog  oocti  juzi>  noXiructi  ro  xoivtj  ovjuxpgoov  GxonovGiv ,  civxcti 
juiv  oQ&al  rvyyßvovGiv  ovgcm  xaret  ro  anZcog  Sixaiov ,  oGcti  8z  ro 
Gip€rzqov  i^iovov  rwv  <xQ%6vroiv  ,  t]luaort]/uz'vcu  naGcu  xal  naosxßctGzig 
rwv  nohxziwv  dsGnorizcä  yäo,  f\  dz  noZig  xoivwvkt  rwv  zäzv&6qwv 
zGriv.  Ein  Grundsatz,  welchen  schon  vor  Aristoteles  Isokrates  aus- 
gesprochen hat i  6).  Da  nun  überall  entweder  einer,  oder  mehrere, 
oder  alle  herrschen,  so  entstehen  folgende  mögliche  Formen,  von 
welchen  die  einen  die  guten,  die  andern  die  schlechten  Verfassun- 
gen ausdrücken :  * 


15..  enei  yäo  nXelovg  elolv  cu  noXixsiai ,  xal  eidt]  ttoXixov  avay- 
xalov  sivai  tcXsuo ,  xal  /.iceXioxa  xov  äoyo(.iivov  noXlxov ,  iogx  sv 
(xiv  xivi  noXixelq  xov  ßävavaov  avayy.a~i.ov  elvat.  xal  xov  drjza 
noXLxag,  iv  xial  d  advvavov ,  oiov  eXxig  eaxiv  rjv  xaXo  vaiv 
aQLGxoxoaxixrjV  xal  sv  rj  xax  aqexrjv  al  xificci  öl  öovx  ac 
xal  xax  ä§iav  ov  yäq  olöv  xe  In ixrjdeva at,  xä  xrjg  aqe~ 
xrjg  "Qöivxa  ßiov  ßävavaov  ij  d- exixöv.  Da  uns  der  Theil  der 
aQioxrj  noXixEia,  -welcher  diesen  Punkt  bespricht,  noch  erhalten  ist, 
so  finden  wir  natürlich  dieselben  Angaben  auch  dort  VII. ,  9.  pag. 
1328,  b.  34.  vergl.  VII.,  6.  1327.  27. 
»•)     Panathen.     Kap.  52.  §.    132,   sqq. 


11 

ßaaikefcc  —      TVQuvvig.  J  7) 

ccQiOTOZQcultt  ■ —     oXiyctqyJa. 
nohrtia  —     dq/uoxQctxia. 

Damit  hat  Aristoteles  seine  eigentliche  Aufgabe  bezeichnet; 
denn  jede  dieser  Verfassungen  muss  einzeln,  wie  sie  entsteht,  was 
sie  wirkt,  und  welches  ihr  innerer  Zustand  ist,  behandelt  werden, 
und  sollten  die  einen  von  diesen  nur  numerisch  verschieden,  in  ih- 
rem Wesen  aber  ganz  gleich  seyn,  so  muss  dieses  im  Allgemeinen 
ausführlich  dargelegt  werden.  Man  erwartet  daher,  dass  er  sofort 
mit  der  Erklärung  der  erstgenannten  Form,  der  ßaatislä  beginnen 
werde. 

Das  will  auch  Aristoteles,  aber  die  eben  gemachte  Eintheilung 
fordert  noch  einige  Erörterungen,  weil  Schwierigkeiten  auftreten, 
die  wegzuräumen  Sache  des  Philosophen  ist.  Kap.  8.  du  Sk  /mxqw 
öia  fxay.QOT^qwv  alnuv  xig  txccGxt]  xovxwv  xiöv  tioXixeuov  iotiv •  xccl 
yccQ  k%st  xivetg  ccno qCccs,  tco  ök  ixeol  kxäöTqv  fxs&odov  (piXoGo- 
<povvxi  y.al  fjxt)  fxovov  ccnoßX^rcovxi  nqög  xo  noäxxuv  olxtiöv  iaxt  tö 
fiy  TzaQOQctv  /ur{xs  xi  xaxaXsCnsiv,  o.XXa  drjXovv  xi\v  neol  txaGxov  äXq- 
üuuv.  Dies  geschieht  in  den  Kapiteln  8  —  13.  Die  erste 
Schwierigkeit  bezieht  sich  auf  die  gegebene  Defiuitiou  nobg  zov 
dtoQiGfiov  pag.  1279,  b.  20.  —  1280,  b.,  sie  war  nach  der  Quanti- 
tät bestimmt,  dieses  kann  aber  oft  nur  ein  Gvixßsßyxög  seyn,  und  so 
muss  auch  die  Qualität   berücksichtigt  werden.      Da    hier   von    öXi- 


17 )  Beide  mitsammen,  ßaaiXela  und  xvgavvlg,  bezeichnet  Aristoteles  mit 
(.lOvccQXia  als  dem  generellen  Ausdrucke,  daher  V.,  10.  pag.  1313,  5. 
ein  Absurdum  enthält:  ov  ylvovrai  d'  tci  ßaoiletac  vvv ,  aXX 
avTiEo  yiviovxai,  /.iov <xQ%La i  xai  xvqavviÖEg  (.läXXov  öia  xb  xxl. 
das  Richtige  braucht  sich  nur  sehen  zu  lassen  all?  avTieq  yivcovxac 
{tovagyiai ,  xvQavvldeg  fiäk?*ov  •  auch  Woltmann  hat  S.  329  das 
Falsche  des  Textes  nicht  beachtet,  so  wenig  als  Biese  II.   519. 


15 

yceqxte  uud  dij/uoxQctrict  gesprochen  worden,  so  knüpft  sich  nicht 
unpassend  Kap.  9.  die  nähere  Bestimmung  daran  rivug  oqovg  AgyovGi 
rrjg  oXiyctQxlctg  xcä  dq/uoxQeniag  xcä  rC  rö  Stxaiov  rö  rs  oXiyao/jxop 
xcä  drjjuoxQctrtxop •,  alle  haben  gewissermassen  in  ihren  Behauptungen 
Recht,  aber  nur  einseitig,  nicht  das  xvqtwg  dtxcuop,  wobei  zugleich 
der  schöne  Beweis  gegeben  ist,  dass  nöXig  nicht  blos  rov  trjv  spe- 
xsp  ,  sondern  rov  Zrjv  svSceijuopojg  xcä  xaäwg,  woraus  die  Noth wen- 
digkeit für  die  ccQsrrj  zu  sorgen,  von  selbst  hervorgeht.  Eine  an- 
dere Aporia  ist  Kap.  10.  rC  dtt  rö  xvqiov  sipm  rijg  noXstog;  hier 
ist  grosse  Mannigfaltigkeit,  nArjd-og,  nXovcioi,  inisixsig^  ßsXrtarog 
dg  nctPTwv,  rvqctppog ,  doch  treten  überall  grosse  Bedenken  auf, 
aber  Aristoteles  hält  mehr  auf  nAtjdog,  als  auf  einzelne  ciqigioi,, 
nach  ihm  hat  die  Masse  des  Volkes,  wenn  dieses  nicht  ganz  av- 
dgcmodwösg  ist,  mehr  Einsicht  und  richtigen  Takt  als  einzelne  No- 
tabilitäten  18).  Kap.  11.  pag.  1281,  40  —  b.  21.  Dadurch  findet 
eine  damit  zusammenhängende  änooict  ihre  Erklärung:  n'pojp  deT  xv~ 
otovg  slvai  rovg  iXsv&soovg  xcel  rö  nXrjd-og  rwv  noZirwp  pag.  1281, 
23.  Das  Volk  nXtj&og  soll  xvqiov  seyn,  rov  ßovÄsiistid-cti  xcä  xqIpeip 
und  darum  müssen  gute  Gesetze  vorhanden  seyn.  Ferner,  da  alle 
das  nohrixöp  äya&öp  als  l'aop  betrachten  und  darauf  Anspruch  ma- 
chen, so  ist  die  Frage  notißp  iGorqg  iörl  xcä  tioi'wp  ccpioört]g-y  Kap. 
12  —  13.  nicht  jede  V7isooxt}  und  der  Besitz  eines  jeden  äya&öp 
berechtigt  zur  nohnx^  vneqox^,  dahin  gehört,  was  zur  Erhaltung 
des  Staates  wichtig  und  unentbehrlich  ist,  die  noXirixal  äosrcä  ig 
wv  noXig  aupear^xs,   also  die  tvyspstg,  nXoioioi,  tXevS-SQoi,   clyaS-ol, 


*•)  Dieses  ist  gegen  Piatons  Ansicht,  der  überall  den  einzelnen  Kundi- 
gen gegenüber  dem  ganzen  unwissenden  Volke  hervorbebt;  ähnlich 
hatte  Sieyes  seinen  Antrag,  man  solle  das  ausführen,  was  die  Mino- 
rität, nicht  was  die  Majorität  wähle,  motivirt:  car  la  majorite  est 
toujours  bete.  Gegen  diesen  Satz  kämpft  Aristoteles  unmittelbar, 
wenn  anders  das  Volk  zu  einigem  Bewusstseyn  gekommen  ist. 


18 

und  im  Vergleiche  zur  geringeren  Anzahl  ol  nhsiovg  pag.  1283,  40. 
Wäre  nun  ein  Individuum ,  slg,  so  ausgezeichnet,  dass  es  weit  in 
allem  über  die  andern  hervorragte,  so  müssten  diese  ihm  folgen  und 
gehorchen;  die  schlechten  Staaten  entledigen  sich  ihrer,  die  Demo- 
kratie durch  Ostrakismus,  die  Tyrannis  auf  andere  Weise,  im  be- 
sten Staate  aber  müsste  ein  solcher  über  alle  als  ßaoiksvg  gestellt 
werden,  und  so  waren  ursprünglich  die  Könige. 

Nach  diesen  Erörterungen,  die,  wie  bemerkt  ist,  als  eine  Er- 
läuterung des  Obigen  zu  betrachten  sind,  wird  zum  Königthum  über- 
gegangen, dem  ersten,  was  nach  obiger  Eintheilung  vorzunehmen 
war.  Dass  dieses  einen  eigenen  Abschnitt  bildet,  lassen  schon  die 
Einleitnugsworte  erkennen : 

"Iocog  <?£  xccÄvÖg  %XSI  f*ST<*  tovg  siot] pivovg  Xöyovg 
[i€TCtßi]vat>  xal  oxsipctod-ctt,  nsol  ßaOiXsiag'  y>a/uiv  yao 
twv  oq&wv  noXirsiwv  fiCav  zlvai  ravrt]v '  oxsnriov  dk  tiotsqov 
Gv^i(p^Q£i  rfj  fisXXovGrj  xafaög  olx^oeo&ai  xal  noXzi  xal  %<x>qcc 
ßaGi?.£vsö9-ru,  tj  ov  ciXfi  cc?.Äri  rig  noXirsCcc  [iccXÄov ,  ij  nol 
/ukv  övfjuptou  nol  d1  ov  Ov/uxpiosi. 

aber  man  beachte  wohl,  alles  was  von  der  ßaoiXtiu  gesagt  wird, 
Kap.  14  —  17,  nachdem  er  die  verschiedenen  Arten  aufgezählt 
und  ausgesondert  hat,  giebt  keine  andere  Belehrung  als  die  hier 
bezeichnete,  und  dass  er  auch  nichts  anderes  wollte,  lehrt  der 
Schluss  pag.  1288,  30.  ksqI  ,utv  ovv  ßaotfokig,  rivag  zyu  Sicupoqctg, 
xal  jiotsqov  ov  ov/u<p€oei  rotg  noteotv  fj  oviuptou,  xal  xtoi  xal  ncög, 
(iiwnfod-o)  rov  tqotiov  rovrov. 

Sollte  Aristoteles  damit  die  Lehre  von  dem  Königthume  für 
vollendet  gehalten  haben?  wie  die  Könige  regieren,  ihr  inneres  Le- 
ben, ihre  Wirkung  auf  das  Volk  verschwindet  ganz.  Aber  da  ihm 
die  einzeln  regierenden  Personen    nur  eine  Form   sind,  die  mehr  in 


17 

der  Vorzeit  sich  gellend  gemacht  hat,  wo  einzelne  hoch  über  alle 
andern  hervorragten,  während  später  allmählig  die  Vorzüge  dieser 
auf  mehrere  übergegangen  sind,  so  ist  der  Unterschied  von  ßeiGi- 
teia  und  äoiGroxoccTtec  für  den  innern  Zustand  der  Regierten  nur 
äusserlicb,  und  die  obigen  unmittelbar  nachfolgenden  Worte,  Kap.  18, 
sind  es,  welche  vollkommen  klar  augeben,  wie  Aristoteles  die 
Lehre  von  den  guten  Staatsverfassungen  aufgefasst  und  dargestellt 
hat,  Worte,  die  zwar  öfter  benutzt,  aber  nicht  in  ihrer  Bedeutung 
gewürdigt  worden  sind : 

insl  (5t  rosig  ipctfASP  slvai  rag  oo&ag  noXnsiecg,  tovtcop 
d'  upuyxuTop  äoiGztjP  slvai  r^V  vno  t(öv  ccqCgtwp  oIxopo/uov- 
juspqp ,  toiavzrj  J"  sgtIp  sp  fi  Gv^ißs'ßrjxsp  q  spci  tivce  Gv/unctp- 
tüjp  tj  ygpog  oäop  r}  nXrj&og  vtisos^op  sipcci  zax  aost^p,  twp 
fxiv  ciQXSGd-ai  dvvafxtvcov  xiov  fl1  äQ%sev  noog  xrjv  alosriorcc- 
rt]i>    £a)i]vi9),    sp    ds  rolg   noojroig  sdef,%&ri   Xoyoig  ort   xi\p 


19)  Die  Worte  sind  unverständlich,  Gifanius  übersetzt:  quae  partim  parere 
partim  praeesse  possit  ad  vitam  maxime  optabilem,  aber  dem  ist  die  grie- 
chische Construktion  entgegen;  mit  eva  xivcc  ij  yevog  6'Aövwird  die  ßa~ 
GiXela  bezeichnet,  der  ßaGiXevg  aber  ist  immer  aQ%(x)v,  darf  nie  be- 
herrscht werden  pag.  1288,  26-  ovx  cct-iovv  aQzsad-ca  xaxa  fisQog.  Dage- 
gen wird  mit  nXrjd-og  vneQe%ov  %ax  dqexrjv  nicht  die  noXixeia,  sondern 
die  doioxoxQaxla  angedeutet,  und  alle  an  dieser  Verfassung  Theil- 
nehmenden  sind  so  gebildet,  dass  bei  ihnen  das  agxso&cu  und  ccq- 
%siv  statt  findet,  ersteres  in  der  Jugend,  letzteres  im  späteren  Al- 
ter. Darüber  gibt  das  dritte  Buch  allen  erforderlichen  Aufschluss' 
Kap.  4.  und  13.  TCoXlx^g  de  xocrfi  [iev  6  f.iexe%(.ov  xou  aq%eiv  xai  ccq- 
%eo&ac ,  xaty  exdaxrjv  de  rcoXtxelav  eteQog,  ngög  de  xtjv  aQiGxrjv 
6  dvv  d/.ievog  xah  tcqo  ai  qov  f.i  ev  og  aq%ea&ai  xai  aQ%eiv 
Ttgög  zov  ßlov  xbv  xccx'  ctQezrjv.  und  ausführlich  VII,  15-  Da- 
raus folgt,  dass  in  unserer  Stelle  beide  bezeichnet  werden  müssen, 
sowohl  die  ßaGiXelg  ,  als  die  ccqioxoi  ,  erstere  werden  es  richtig  mit 
den   Worten    xcüv    6  a.q%eiv ,    letztere    aber   unrichtig    durch    xwv  f.iev 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  3 


18 

avrijv  civctyxcuov  ctvdodg  c(Q£xr{p  alvai  xal  noktxov  xijg  noXsojg 
xijg  aoi'ocijg,  (fdvsqoi'  ort  xov  kvtöv  xoojiov  xal  dia  xdv  airwv 
(h't'jo  xs  yivsTcu  GnovSalog  xal  no'Mv  GvGxtJGSiev  av  xig  äoi- 
Oroxgaxovjutvyt'  fj  ßccGiAsvojugpqp ,  cuoV  taxai  xal  naideta  xal 
t&i]    xavxa    a%sdöv    xa    noiovvxa    Gnovdalov   avdoa    xal    xa 

TtOlOVVTCtTloXtTlXOV  Xal  ßaGlAlXOP- °)  '  Ö* IWQlG  jLltPCOV    0*S    X  O  V- 

xiov  Tieoi  xijg  TtoÄixsictg  ijdrj  nsioctx£ov  Xtysiv  xijg 
äqiGxrjg,  xi'va  Tityvxe  ytveG&ai  xqönov  xal  xa&- 
CGxcixTcci  nojg'  civayxrj  d rj  xbv  fx€).Xovxa  nsoi  avxifg 
noirjGaG&ai  xijv  riQog^xovGccv  Gx£\\)iv 

so  bricht  das  dritte  Buch  plötzlich  am  Anfange  des  Gedankens  ab. 
Aristoteles  hat  drei  Verfassungen  als  richtig  ood-al  anerkannt;  aber 
nicht  alle  drei  bilden  ihm  die  aqCoxrj  nofaxsCa,  sondern  von  diesen 
nur  jene,  welche  von  den  ccqioxoi  gelenkt  wird,  d.  h.  in  welcher 
ein  einzelner,  oder  ein  ganzes  Geschlecht,  oder  auch  viele  an  Tu- 
gend ausgezeichnet  hervorragen  und  die  Regierenden  alles  noög  xijv 
aiQsxcoxdxtjp  Zoii]v  beziehen.  Nun  ist  oben  gezeigt  worden,  dass  im 
besten  Staate  ein  guter  Bürger  mit  einem  tugendhaften  Manne  iden- 
tisch ist,  beide  auf  denselben  Principien  beruhen;  folglich  wird  der 
beste  Staat,    gleichviel  ob  von  einem  als  ßaodstcc  regiert,  oder    von 


aQ%eo$ai  di>vaf.itvcov ,  und  die  Aenderung  -wird  unentbehrlich,  mag 
man  nun  rwv  [iiv  agxeiv  xal  aqyßOd-ai  övvaf.ievcov ,  oder  genauer 
T<Zv  /<iV  aQxeo&ai  xal  aQ%eiv  dvvaftevcov  schreiben. 
,0)  Coming  glaubte  noch  xal  aQiaroxQarr/.bv  beifügen  zu  müssen  und 
Schneider  und  Coraes  haben  dieses  gebilligt;  vielmehr  sind  die 
Worte  xal  ßaaiXixbv  falsch,  und  aus  dem  obigen  irriger  Weise  her- 
untergenommen; Zweck  der  ßaailsla  ist  nicht,  einen  ßaoilixog 
hervorzubringen  sondern  die  Bürger  gut  und  glücklich  zu  machen; 
gerade  dieser  Begriff  des  guten  Bürgers  kann  hier  nicht  entbehrt 
werden,  und  schon  der  Gegensatz  fordert  xal  rä  noiovvxa  tioXui- 
xbv  (oder  noXlfqv)  äyaüdv  oder  O7tovda~iov. 


19 

vielen  als  ciQiöxoxQccxta  geleitet,  auf  dieselbe  Weise  errichtet  wer- 
den, wie  einer  zum  tugendhaften  Manne  gebildet  wird.  Einen  sol- 
chen vollkommenen  Staat  will  Arsitoteles  jetzt  geben,  und  was  wir 
anfänglich  nach  seiner  Eintheilung  erwarten  durften,  die  Durchfüh- 
rung jeder  einzelnen  der  drei  guten  Verfassungen,  ist  von  ihm  an- 
ders gewendet  worden  und  in  die  Darstellung  eines  Idealstaates 
aufgegangen,  eines  solchen  wie  er  von  allen  als  höchstes  und  letz- 
tes Ziel  gewünscht  und  ersehnt  wird,  xax  w%i]v>,  aber  nicht  un- 
möglich ist21).  Die  eigenen  Worte  des  Philosophen  weisen  uns 
deutlich  darauf  hin ,  dass  wir  nicht  eine  Schilderung  der  ßaGiAei'a 
und  ccQiGToxQccri'a ,  sondern  einen  besten  Staat  zu  gewärtigen  ha- 
ben ,  und  wo  anders  wäre  diese  d^Carrj  nohixsia  unterzubringen, 
wenn  sie  eine  mögliche  Existenz  haben  soll,  als  in  der  Lehre  der 
guten  Verfassungen,  deren  höchste  Potenz  sie  selbst  ist  und  wel- 
chen sie  substituirt  wird22).  Die  Erwähnung  der  naideicc  waAb&rj 
beweist,  dass  der  Staat  nicht  mit  wenigen  Worten  abgemacht, 
sondern  von  Grund  auf  gebaut  werden  soll. 

Diese  äqtGxri  nofaxaia,  wenn  auch  nicht  vollständig,  doch  mehr 
als  in  ihren  Anfängen  und  mit  all  der  Grundlage,  die  er  hier  ver- 
kündet, ist  im  VII.  und  VIII.  Buche  erhalten.  Auch  ist  die  äussere 
Verbindung  eine  solche,  dass  sie  augenscheinlich  mit  dem  Schlüsse 
des  dritten  Buches  ein  zusammenhängendes  Ganzes  bildet.    Die  An- 


21)  Wie  er  von  Piaton  sagt  IL,  6-  del  fiev  ovv  vTtozl&eo&ai  xax  ev- 
yr\v ,  fxrjdev  (.lswol  advvazov ,  und  dasselbe  mit  Beziehung  auf  den- 
selben Gegenstand  VII.  4.  dib  ösl  nolla  rcooiJTioze&eZaS-at,  y.a&drteg 
£v%of.ievovg ,  eivai  (.idvzot  /.irj&iv  xovxtov  advvaxov. 

22)  Unsere  Bücher  versteht  Cicero  de  Finibus  V.,  4.  11.  und  daselbst 
Madvig.  pag.  628.  —  Die  dritte  der  drei  angegebenen  richtigen  Ver- 
fassungen, die  TtoXixeia ,  fällt  bei  Aufstellung  der  ägioxr]  rtoÄizeia 
hinweg,  und  man  hat  diesen  besten  Staat  nur  in  der  ßaOiXeia  oder 
aQiOToxQavla  zu  suchen;  vergleiche  unten. 

3* 


20 

knüpfung  der  ersten  Worte  des  siebenten  Buches:  nsol  nohxüag 
uot'Grtjg  xov  iiiXXovxa  noi/joaod-cu  xijv  TiQogrjxovoav  '£tjxt]Giv  ävdyxt] 
jHioQiöccG&ai-  tiqioiov  rig  cciQSTwrccTog  ßi'og  zu  erklären,  genüge  die 
Bemerkung,  dass  das  eine  Blatt  (oder  vielleicht  richtiger  das  letzte 
Blatt  der  einen  Lage)  mit  den  Worten :  elvdyxr]  Je  xov  /utMovxa 
7i(()i  avrijg  .loit'jOc'.G&ai  xrjv  noogtjxovaav  gx£\\>iv  endete,  das  folgende 
aber  mit  öioQfGao&cn  ttqwxov  x(g  aiQsxujxcctog  ßCog  fortgefahren  habe; 
beide  wurden  aus  ihrem  Zusammenhange  abgelöst,  so  dass  der  fol- 
gende Theil  ans  Ende  des  Werkes  gestellt  wurde.  Hier  hatte 
Jemand,  wohl  nicht  aus  eigener  Einsicht,  sondern  aus  dem  Schlüsse 
des  dritten  Buches,  um  den  richtigen  Anknüpfungspunkt  zu  bezeich- 
nen, die  zur  Ergänzung  des  Satzes  notwendigen  Worte:  tisqi  no- 
Zirtiag  «Q(Gxrtg  xov  fx£X).ovxci  noi/]Gc(Gd-cu  xr\v  noogrtxovGav  ^rjrriGiv 
ctväyy.i]  beigesetzt,  welche  dann,  weil  sie  unentbehrlich  schienen, 
in  den  Text  aufgenommen  worden  sind.  Wie  dadurch  die  äussere 
Form  genau  hergestellt  wird,  und  nun  ein  Satz  entsteht,  so  auch 
die  Gedankenfolge.  Da  Aristoteles  vom  ersten  Ursprünge  an  be- 
ginnen will,  so  können  die  jetzt  abgerissenen  Worte  des  dritten 
Buches  keinen  andern  Gedanken  enthalten,  als  wie  schon  der  obige 
Ausdruck  ixoog  n)v  txlQSTwiccTqv  Cojtjv  errathen  lässt,  die  Zurück- 
führung  auf  den  höchsten  Lebenszweck,  wie  wir  es  im  siebenten 
Buche  finden. 

Erst  durch  diese  Anordnung  wird  der  Inhalt  der  folgenden 
Bücher  recht  verständlich,  und  nur  so  ist  alles  übereinstimmend. 

Der  Anfang  des  vierten  Buches  lehrt,  dass  es  nicht  genüge, 
einen  Idealstaat  aufgestellt  zu  haben,  wie  die  Philosophen  zu  thun 
pflegen,  Aufgabe  der  Politik  sei  auch,  in  das  Leben  herabzusteigen 
und  die  verschiedenen  bestehenden  Verfassungen  zu  würdigen,  sie 
zu  heben  und  ihren  Mängeln  abzuhelfen:  ov  ydo  /uövov  xt}v  aqiGxr\v 
du  &tvjotiP,  </,?.Xcc  xai  t^v  duvaxijv,  ouotvog  Jt  xecl  xrjv  yäio  xccl  xoi- 


21 

voxioav  anäoaig  •  vvv  <Jt  ol  /luv  xrjv  axQorärtjv  xal  dsoia'vqv  TToAAijg 
%oorjy{ag  tyroiiGi  juovov,  ol  Jfc  paX).ov  xoivrjv  riva  Xiyovrsg,  rag  vticiq- 
%ovoag  dvaioovvrsg  no2.tr  siag,  rrjv  Aaxvovixrjv  r\  riva  äÄÄrjv  inaivovoiv. 
Aristoteles  zählt  auf,  wie  viele  Arten  der  Politiker  zu  betrachten 
habe;  erstens  den  absolut  besten  Staat,  zweitens  den  relativ  besten, 
der  für  jede  zumeist  geeignet  ist:  aioxe  dijXov  ort,  xal  no2irsiav  rtjg 
ccvirjg  ioxlv  emoxtiurjg  xr]v  doio'rtjv  &£(x>qijGcu  xig  iöxi  xal  noCa 
zig  av  ovocc  ud2iGx3  Sit]  xar  sv/jjv  prjdsvdg  spnodiCovrog  nov 
ixrög,  xal  rig  rtGiv  äo/xorrov gcc  noXXolg  ydq  rtjg  doiGirjg  rv- 
%€iv  l'Gwg  dSvvarov ,  &ors  rrjv  xowt(Gtt]v  ra  dn2wg  xal  xtjv  ix  xojv 
vnoxsijuivcov  aQiGxrjv  ov  Sei  2s2t]9^evai  xov  votuo&ixrjv  xccl  xov  cvg 
d2rj&wg  nohrixöv.  Drittens  einen  gegebenen  bedingten  Staat:  tri 
J«  xoixrjv  xr)v  «|  vnoS-iGswg-  dsi  ydq  xccl  xr)v  do&uoav  dvvaG&ai 
freojosiv ,  tf  dq/tjg  rs  ncög  av  yivotro ,  xal  ysvo/uivq  riva  rqonov  av 
GWaOixo  nXsloxov  yqövov'1^.  Asyoi  d*  olov  si  xivi  noXsi  Gu/ußißrjxs 
/urjxs  xtjv  dqioxrjv  noXixsvsG&ai  noXixsiav  d%oqijyr]x6v  rs  slvai  xal  rdov 
dvayxaicov  jurjrs  ri]V  IvSsyofxs'vriv  ix  rwv  vnaqyövroiv ,  äXXä  riva  <pav- 
Xoxiqav.  Viertens  den  Staat,  der  zumeist  Allgemeinheit  hat,  für 
alle  leicht  erreichbar  ist:  naqd  ndvxa  Jfc  xavra  rijv  fxaXiGxa  naGaig 
raig  nö2sGiv  dquoxxovGav  dst  yvcoqitsiv.  Endlich  fünftens  muss  man 
die  Mittel  kennen,  einen  heruntergekommenen  Staat  aufzurichten: 
dio  noog  xoig  siqrjuivoig  xal  xaig  vnaq%ovGaig  noXixsiaig  dsi  dvvaG&ai 
ßori&Biv  xov  no2ixixöv3  xa&dnsq  lX£%&ri  xal  nqörsqov.      Im   nächsten 


2S)  Die  Worte  e£  <xQX*jg  •••  XQOVov  pag.  1288.  b.  29.  sind  mir  an  dieser 
Stelle  nicht  verständlich,  in  den  obigen  beiden  Staaten  ist  von  der 
eigentlichen  Construktion  des  Staates  die  Rede,  der  von  vorne  soll 
gegründet  werden;  hier  im  Gegensatze  davon  handelt  es  sich  von 
einem  schon  vorhandenen  und  gegebenen  Staat,  dodsloav ;  da  nun 
die  Erklärung  dieses  dritten  Staates  in  den  Worten  Xeyio  e  ..  liegt, 
so  ist  jener  Satz  et;  ctQxrjg  .  .  .  %qnvov  vielleicht  auf  die  früheren 
Verfassungen  zu  beziehen  und  v.  27.   nach  nolizixöv  einzusetzen. 


22 

Kapitel  werden  die  vier  letzten  Angaben  wieder  aufgenommen,  nä- 
her bestimmt,  und  im  fünften  und  sechsten  Buche  auseinanderge- 
setzt. Folgt  nun  nicht  schon  daraus  augenscheinlich,  dass  die  erste, 
die  cyt'aTij  noXizniet,  bereits  vollendet  seyn  musste,  da  diese  hier 
ganz  übergangen  ist?  Auch  wird  klar,  warum  Aristoteles  unten 
bei  der  Entwicklung  der  bestehenden  Verfassungen  oft  kurz  ver- 
fährt; man  hat  das  Ideal  voraus  und  weiss  von  selbst,  wie  die 
Sache  seyn  soll. 

Dadurch  treten  die  Bücher  IV.,  V.,  VI.  in  eineu  Gegensatz  zu 
den  vorausgehenden  und  das  ganze  Werk  der  aristotelischen  Poli- 
tik theilt  sich  seinem  Wesen  nach  —  alles  frühere  sind  nur  Vor- 
arbeiten dazu  —  nachdem  III.,  7,  die  möglichen  Verfassungen  nach- 
gewiesen sind,  in  zwei  Haupttheile,  von  welchen  der  erstere  den 
absolut  besten  Staat,  der  nicht  immer  und  allen  erreichbar  ist,  aber 
welchen  zu  erreichen  doch  alle  streben  sollen,  die  c'.qlüTiq  noAnsia,  in 
seinem  ganzen  Umfange  und  Inhalt  darstellt;  der  letztere  aber  ab- 
wärts steigend  die  verschiedenen  wirklichen  und  im  Leben  ge- 
wöhnlichen Staaten,  welche  zu  jenem  reinen  sittlichen  und  tugend- 
haften Streben  sich  nicht  zu  erheben  vermögen,  und  darum  auch  im 
Ganzen   verfehlt   sind24),    betrachtet,   deren    Bedürfnisse    erforscht, 


*4)  naoexßaoetg'  IV.,  2.  l^rj[.iaQTrjiLi£vag  und  sonst.  Eine  wirkliche  In- 
konsequenz mag  scheinen,  dass  Aristoteles  seine  noXirela  zu  den 
oQ&ai  rechnet ,  gleichwohl  ihr  in  seinem  besteh  Staate  keinen  Platz 
gönnt,  sondern  in  die  Nothstaaten  verweist  mit  den  gewöhnlichen 
aQiOTOXQariai  IV-,  7  —  9.;  dort  erklärt  er  sie  Kap.  8.  für  eine 
filzig  6?uy aQ%iag  v.al  drji-ioy.Qaziag.  Diese  beide  aber  sind  schlecht, 
wie  kann  nun  das  aus  beiden  Gemischte  gut  seyn?  Ja  sogar  ist  ihm 
dort  aoiotoxQazla  im  gewöhnlichen  Sinne  die  Mischung  aus  ccQETr] 
D.tv&eQia  nXovxng,  die  noXirala  aber  aus  slevdeQicc  und  nXovtog, 
folglich  selbst  ohne  ägerrj.  Er  sngt  dort  IV.  ,  8.  ,  er  habe  sie  ab- 
sichtlich hieher  gestellt,   weil  sie  den  besten  Staat  nicht  erreichen  und 


23 

ihre  Gebrechen  nachweist  und  wo  möglich  zu  heilen  sucht,  damit 
auch  sie  in  ihrer  niedrigen  Sphäre  dem  Menschen  ein  wenigstens 
erträgliches  Leben  zu  geben  im  Stande  seyen.  Dadurch  hat  Ari- 
stoteles die  Einseitigkeit  seiner  Vorgänger  vermieden,  und  theoreti- 


gewöhnlich  mitDemokratie  und  Oligarchie  verbunden  werden:  ezdS,a- 
f.isv  6  ovnog  ovx  ovoav  ovcs  zavzyv  rcaqexßaatv  ovze  zag  ccqte  qtj- 
&eioag  aQiozoxgaziag ,  ort  zb  {iev  dXrjd-eg  näoai  dirj/uccg- 
TTqxaai,  rrjg  ogd- ozdzrjg  noXiz eiag,  erteiza  xazaqi&iiovvzai 
f.ieza  zovztov ,  slal  z  avzwv  avzai  naqexßdaeig ,  äoneq  sv  zoig  xaz 
dgxrjv  £iito/.tev.  Aber  warum  hat  er  sie  oben  als  eine  OQ&rj  tcoXl- 
zela  betrachtet?  Etwa  seiner  Dreitheilung  zu  lieb?  Weil,  was  in 
der  Wirklichkeit  nicht  oder  höchst  selten  erscheint,  die  Theorie 
nicht  abhalten  darf,  anzunehmen.  Es  ist  denkbar,  dass  in  einem 
Staate  nicht  blos  einer  oder  ein  Geschlecht ,  wie  in  der  ßaGiXeia , 
oder  mehrere  wie  in  der  aQiozoxqazia ,  sondern  alle  ohne  Ausnahme 
ihre  Thätigkeit  auf  die  Ausübung  der  gesammten  Tugend  abzielen, 
dann  wäre  es  die  eigentliche  rcoXizeia;  theoretisch  darf  es  nicht  um- 
gangen werden,  wenn  auch  praktisch  dieses  nicht  erscheint,  und 
die  uoXizeia  nur  in  der  Gestalt  auftritt,  wie  Aristoteles  sie  in  dem 
vierten  Buche  beschreibt.  Er  selbst  hat  dieses  schon  III. ,  7.  pag,  1279, 
37.  ausgesprochen:  ozav  de  zö  nXrj&og  ngbg  zb  xoivbv  noXizevrjzac 
ovf.KpeQov,  xaXelzat  zb  xoivbv  ovo(.ia  naowv  zoiv  noXizeicüv ,  noXi- 
zela  •  av(.ißaivei  tf  evXöywg-  eva  {.iev  ydq  diacpegeiv  xaz  doevrjv  ij 
oXiyovg  evöexezai,  nXeiovg  d'  ijdr]  y^aXeribv  rjxQißtoo&ai  ivgog  näaav 
aQEirjv,  aXXd  /.idXiaza  zrjv  7ioXe/.tixrjv  avzrj  ydq  ev  nXrj&ei  ylyvezar 
diöneq  xazd  zavzrjv  zrjv  noXixelav  xvqitozazov  zb  7ZQ07toXsf.iovv,  xal 
{iezi%ovaiv  avzrjg  ol  xexzrjf.ievot,  zd  orcXa.  Also  diese  eine  Tugend, 
die  7ToXe(.axrj ,  berechtigt  nicht  zur  dqioztj  noXizela  ,  wie  in  Kreta, 
Lacedaemon,  und  so  muss  sie  von  diesem  abgesondert  werden.  Aber 
wie  kann  Aristoteles  sagen  av^ßaivei  d'  evXöytog?  Will  er  nicht  viel- 
mehr das  Gegentheil  beweisen,  dass  dieses  nicht  leicht  geschehe? 
Ist  vielleicht  die  Negation  ausgefallen?  —  III.  17.  pag.  1288,  12- 
■rcoXizixbv  de  [nXfj&og  ev  y  necpvxe  xal  ev  eyylvead-ai]  nXröog  tzo- 
Xe/.iix6v,    dvvd(.ievov    agyieaSac    xal    aq%eiv    xazd    vö(.iov    zbv    xaz 


21 

sches   und   praktisches    innigst  verbindend    seine    Universalität    wie 

sonst  auch  hier  treffend  an  den  Tag  gelegt25). 

• 
Mit  dieser  Anordnung,  bemerken  wir,    stehe   das  nachfolgende 

in  bester  Harmonie.  Wir  finden  nämlich  Berufungen  in  den  folgen- 
den Büchern  auf  Vorhergehendes,  was  den  besten  Staat,  also  VII., 
VIII.  betrifft,  und  was  gar  nicht  erklärt  Averden  kann,  wenn  diese 
Bücher  am  Ende  stehen  und  nicht  voraus  gehen  sollen.  Dahin  rech- 
nen wir  IV.  2.: 

3Enel  (f  ev  xrj  noatzi]  fieß-ödcp  jxsqI  twv  noXixeiüJv  diei- 
X6jue&a  xyeTg  fxtv  xag  oo&ag  noXnekig,  ßaGiXeiav  dqioxo- 
xoaxiav  noXixeCav,  TQug  de  rag  tovxüdv  naQsxßäasig,  xvQav- 
vtSa  jidv  ßaGiXeCag,  o%tyecQ%Cav  de  äqiGxoxQaxCag ,  drj^oxQa- 
rlctv  de  noXixeCag 3  xal  neol  /uev  aQiGxox QaxCag  xal 
ßaGiXeCag  sfQrjrai  (r 6  yccg  tisqi  xijg  aQiGri]g  noXi- 
retag  &sa)Qijöcei  xavxö  xal  tisqI  xovxoiv  iatlp  el- 
neTv  twv  6v o juaroDP'  ßovXerat  yäq  exaxiqa  xax 
ccQsxrjp  gvv  sGxävai  xsxoQt]yr]juipi]v^ ,  ext  de  xi  dia- 
(fit-QOvGti'  aXXr\Xuiv  e<QioxoxQaxi'a  xal  ßaotXeCa,  xal  noxe  de? 
ßaGiXeiav  pojuCsip ,  duoqiGxai  noöxeqov ,  X.omov  neol  noXi- 
xelag  dieXS-elv  xtjg  xto  xoivtü  TTQogayoQevoju^vrjg  opo/uaxi,  xccl 
neol  xwp  uXXcov  noXixeiüjv ,  oX iy ao%la g  xe  xal  drjuoxoa- 
riag  xal  rv qav v td og. 

Diese    Worte '  fordern    unmittelbar,    dass    die    Darstellung    der 
äolGxri  noXixela   im  vollen  Umfange   vorausgegangen  ist,   damit  aber 


aS,lav    öiavlf.invxa   zolg   evTtöqoig  rag   aqyäg.      Die    eingeschlossenen 
Worte  wie  Vers   10.    TiXrjdog  o  Tticpvxe   (pegeiv ,    halten    wir   für    fal- 
schen Zusatz. 
*5)     Auch  Plato    erklärt   zuerst   seinen   Idealstaat,    und    giebt   nachher   erst 
die  Beschreibung  der  anderen. 


25 

ist,  wie  wir  gesehen  haben,  zugleich  die  ßaadsta  und  aqioxoy.Qaxlcc, 
welches  nur  ihre  äussere  Erscheinung  ist,  erklärt,  und  Aristoteles 
hat  nicht  nothwendig,  darüber  weiter  vorzutragen. 

Eine  andere  gleich  wichtige  Stelle  ist  IV.  3. : 

txt  TiQog  Talg  xaxa  nXovxov  diacpOQcclg  r\  usv  xaxä  y£vog  i] 
<?«  xax*  ctQETfjv,  xav  Ht  xi  St]  toioutov  txaoov  el'Qrjxai  noXecog 
slvai  tusoog  sv  roTg  nsQt  ttjp  a QiG^roxQdTiav  •  ixsc 
yctQ  6 isiXö jus&a  ix  noövov  jusqcop  ccvayxaiiov  iöxl 
Ticcoct  nöXig  '  x  ovxtov  yd  q  xiov  usqiqv  o  t  s  tuiv 
navxa  justsxsi  TV  S  rtoXixetag,  oxi  dt  iXäxxo),  öxk 
dt  nXsCco. 

Dass  die  Abhandlung  über  den  besten  Staat  xä  jisqI  rt}i>  ctQi- 
axoxQccxtccp  genannt  wird26),  kann  nach  Obigem  nicht  auffallen;  die 
Worte  selbst  hat  man  vielfach,  aber  vergebens  im  dritten  Buche  ge- 
sucht und  zu  finden  geglaubt;  sie  stehen  VII.  8.  und  am  Aufange 
des  9-  pag.  1329,  21  — b.  33;  wo  er  die  verschiedenen  /us'Qt]  sam- 
melt und  absondert27),  so  deutlich,  dass  darüber  kein  Zweifel  ob- 
walten kaun. 


")     Vergl.   Vll.  14. 

17 )  VII.,  9.  pag.  1329,  35.  yeioqyol  [.iev  yaq  xal  zeyvltai  xal  Ttav  zb 
■9-rjTLxdv  ävayxalov  vzägysiv  zeug  nöXeaiv ,  fieQrj  de  zrjg  noXecog  zö 
'TS  onXizixbv  xal  ßovXevtixov  ,  wo  doch  der  Nominativ  gegen  alle 
Norm  ist  und  der  Accusativ  yecogyovg  /.iev  yaq  xal  zsyvlzag  uner- 
lässlich  scheint.  Solche  grammatische  Fehler  finden  sich  in  der  Po- 
litik sehr  viele,  welche  allen  Herausgebern  entgangen  sind,  z.  ß. 
IV.,  11.  pag.  1296.  b.  7.  del  yaQ  ävayxalov  eivcu  ßeXxuo  z-qv  ly- 
yvzaza  zavzrjg ,  %eiqio  de  zqv  acpeozrjxvlav  zov  f-ieoov  nXelov,  statt 
ael  yaQ  ävayxalov  ..  ztjv  eyyvzeQü),  vergl.  VIII. ,  1.  ael  de  zb 
ßeXziazov  rjd-og  ßeXziovog  al'ziov  noXizeiag,  wo  es  selbst  wieder 
ßeXziov  heissen  muss,    wie    VII.,    14.    pag.   1333,    21.    «et    yaQ    xb 

Abhandllungen  d.  I.  Cl.  d.  1«.  Ali.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  4 


2(> 

Es  darf  jedoch  nicht  verschwiegen  werden,  dass  eine  Stelle 
VII.  4.  mit  unserer  Annahme  in  direktem  Widerspruche  steht,  und 
man  hat  nicht  gesäumt,  ihre  Autorität  für  die  gewöhnliche  Ordnung 
hervorzuheben:  inst  Je  7te(fQ0ijL(iaGrai  ra  vvv  slorjfi&q  nsol  airwv , 
xal  ttsqi  rag  aXXag  noXirsCag  r^iilv  t£&t cu oqrai  tiqotsoov, 
tlQXy  TWI'  ^ot^^v  tintu'  tiqiötöv  noiag  nvag  (hi  rag  vnoS-tGi-ig  sivcci 
nun  rtjg  jusMovoqg  y.ax'  sv/jjV  cvvsotc'.pcu  noXecog.  Sie  setzt  den 
Inhalt  der  Bücher  IV.,  V.,  VI.  voraus,  indessen  wäre  sie  auch 
noch  so  gewichtig,  sie  würde  doch  nur  vereinzelt  gegen  den  Hi- 
nein und  äussern  Zusammenhang  dastehen,  es  lässt  sich  aber  dar- 
thun,  dass  jene  Worte  eine  ganz  ungeschickte  Interpolation  sind, 
wie  in  unserer  Politik  auch  andere  Citationen  der  Art  zu  grosser 
Verwirrung  des  Ganzen  eingesetzt  sind.  Aristoteles  hat  am  An- 
fange VII.  1.  bemerkt,  ehe  die  Untersuchung  über  die  aoiorrj  noXi- 
rzta  beginnen  könne,  müssten  die  Fragen  beantwortet  werden,  wel- 
ches das  beste  Leben  sey,  und  ob  dasselbe,  wie  für  den  einzel- 
nen, auch  für  den  ganzen  Staat  gelte.  Sie  bilden  die  Einleitung 
und  sind  in  den  drei  ersten  Kapiteln  beantwortet,  worauf  er  sofort 
zu  seinem  Gegenstande  übergeht  und  die  obigen  Worte  anführt. 
Er  muss  demnach  sagen:  nachdem  die  nöthigen  einleitenden  Vor- 
fragen über  den  besten  Staat  abgemacht  sind,  haben  wir  diesen 
selbst  zu  betrachten  und  zuerst  nachzuweisen,  was  vorausgesetzt 
werden  muss,  und  von  Aussen  vorhanden  seyn,  die  materiellen  Be- 
standteile und  äussern  Hülfsmittel  zur  Glückseligkeit  eines  Staates, 
ra  y.ar  svytjv  (Kap.  4  —  12).,  dann  die  innern  Ursachen,  ra  zur 
aoHri]v  (Kap.  13.  sqq.)  um  jenen  besten  Zustand  zu  erringen.  Hier 
ist  die  dazwischen  gesetzte  Erwähnung  von  den  andern  Verfassun- 


yüoov  zov  ßelxlovög  egtlv  Vvexer.  Doch  dergleichen  Unrichtigkeiten 
•wird  jeder  aufmerksame  auf  die  Sprache  achtende  Leser  von  [selbst 
heben. 


27 

gen  —  gleichviel  ob  diese  vorausgegangen  oder  nicht  —  ganz  am 
unrechten  Orte  und  unterbricht  den  Zusammenhang  des  Gedan- 
kens28). 


Wir  haben,  wie  Aristoteles  seine  Politik  durchgeführt  hat,  aus 
dem  Werke  selbst  nachgewiesen  und  bis  jetzt  die  Einwürfe  ande- 
rer nicht  berührt,  sie  heben  sich  durch  die  Angabe  dessen,  was 
das  Richtige  ist,  grösstentheils  von  selbst ;  dennoch  scheint  es  nicht 
ungeeignet,  das  was  man  für  bedeutend  halten  könnte,  kurz  anzu- 
geben, um  auch  dadurch  die  wahre  Folge  und  Ordnung  zu  be- 
währen. 

J.  G.  Schneider  zu  IV.  2.  pag.  233  glaubt,  dass  am  Ende 
des  dritten  Buches  einiges  über  die  KQiaroxQcerta  ausgefallen  sey, 
nimmt  jedoch  die  Umstellung  von  VII.  und  VIII.  aus  folgendem 
Grunde  nicht  an :  scilicet  libro  tertio,  uti  sequentibus  etiam,  Aristo- 
teles tractat  rijv  uqiax\]v  xu>v  vnaQ%ovG(jöi> ■;  contra  in  libro  septimo 
octavo  et  nono  qui  intercidit,  instituit  ipse  novam  quae  illi  videbatur 
esse  optima,  nee  eam  rtjv  äyiGrqir  twv  v7iciQxovoa>i>,  sed  t^v  ci^lonjv 
riöv  ftvvctTwv.  Quae  duae  species  quantopere  inter  se  discrepent, 
non  est  opus  lectorem  docere.  Igitur  illam  virorum  doctorum  opi- 
nionem  vel  snspicionem  nulla  ratione  possum  approbare,  sed  potius 
ordinem  vulgalum  librorum  Politicorum  retinendum  et  servandum  cen- 
seo.  WTie  unrichtig  es  ist,  dass  Aristoteles  nicht  die  absolut'  beste 
Verfassung,  sondern  nur  die  beste  der  bestehenden  im  dritten  Buche 


s)  An  neql  avrcov  hat  Schneider  Anstoss  genommen,  wir  müssen  nicht 
blos  die  eigentlichen  Worte,  sondern  auch  wenigstens  noch  xiov  loi- 
tiwv  für  falschen  Zusatz  erklären;  der  nächste  Abschnitt  wird  Bei- 
spiele solcher  willkürlicher  Interpolationen  liefern,  mit  welchen  diese 


Politik  ausgestattet  ist. 


4* 


28 

dargestellt  habe,  leuchtet  einfach  daraus  ein,  dass  diese  letzte  wirk- 
lich IV.  11.  behandelt  wird;  demnach  hätte  er  ja  zweimal  dasselbe 
gesagt,  und  so  deutlich  sind  seine  Worte  dort,  dass  auch  sie  be- 
weisen, wie  jene  beste  Verfassung  vorausgegangen  seyn  muss:  zig 
«f  ctoiort]  noXtzsta  y.cü  zig  ctoiozog  ßtog  zeig  nXblGzccig  TtoAeoi  xcd 
zolg  nXzi'oxoig  zcov  av&Qujniov,  tui]ze  Tioog  doszijv  GvyxolvovGi 
zr\v  vnzo  rovg  ld  iojz  ag,  /utjzs  7ioog  nct  id  tlav  ij  (pvot-cog  dsT- 
zcti  y.ccl  %0Qijyiag  zv^rjoag,  juqzs  JiQog  noXiz elciv  tijp  xccz*  sv- 
%ijv  y ivojutvqv,  uZ2.cc  ßlov  zu  zov  zolg  nXuGzoig  y.oivtovrJGcci  dvvcc- 
zöv  y.cd  tioäusIccv    tfg  zag  nXzlozccg  noXug  hvd&y^zai  juszaG/elv. 

Göttling  pag.  XXII.  findet  in  den  Worten  VII. ,  9.  xc.&cctisq 
ycto  sYno/Ltsv,  ipdfyszou  y.cd  nc'cvzccg  xoiviov?.lv  nccvzcov  xcd  /utj  nävzccg 
nctvzwv ,  ccXXcc  Tivag  ziviuv,  deutliche  Beziehung  auf  IV.  14.,  wo- 
raus dann  folgen  würde,  dass  das  siebente  Buch  nicht  vor  dem 
vierten  stehen  könnte.  Aber  Aristoteles  spricht  IV.,  14.  nur  von 
den  Behörden  (do%eci),  die  verschieden  gewählt  werden,  entweder 
nccvzsg  ix  nävrcov ,  oder  zivig  Ix  zivcxjv ,  hier  aber  ist  die  Rede, 
dass  alle  Bürger  an  allen  Antheil  haben,  also  kann  jene  Stelle  gar 
nicht  gemeint  seyn29).  St.  Hilaire  versteht  III..  6  —  7,  wo  man 
das  Gewünschte  gleich  vergebens  suchen  wird;  dagegen  isi  jener 
Satz  II.,  1.  pag.  1263.  b.  37.  vorgetragen  worden,  und  also  der 
vorgeschlagenen  Ordnung  nicht  entgegen. 

Zuerst  hat  sich  Wollmann  in  seiner  Abhandlung  gegen  die  Um- 
stellung der  beiden  Bücher  erklärt,  S.  323  —  46.  Ihm  zerfällt  die 
Politik  in  drei  Theile,  von  welchen  die  ersten  drei  Bücher  den  ei- 
gentlich   spekulativen    Theil    des  Werkes    enthalten,    die  folgenden 


29)  Ueberzeugt,  dass  Göttling  zumeist  seine  Ausgabe  als  eine  Jugendar- 
beit anerkenne,  deren  grösstes  Verdienst  darin  bestehe,  die  Auf- 
merksamkeit auf  Aristoteles  gelenkt  zu  haben,  unterlassen  wir  es, 
mehrcres  anzuführen. 


29 

drei  eine  mehr  theoretisirend  praktische  Richtung  haben,  die  zwei 
letzten  Bücher,  in  so  fern  sie  den  im  ersten  Theile  gewonnenen  Inhalt 
zu  einer  Form  bestimmen,  und  zu  dieser  Construktion  die  Bedin- 
gungen angeben,  die  beiden  ersten  Theile  des  Werkes  voraussetzen 
und  sie  so  zu  sagen  beide  umschliessen. 

Diese  Annahme  müssen  wir  durchaus  bestreiten;  die  beiden  er- 
sten Bücher  enthalten  nur  Einleitungen,  das  dritte  hat  die  Aufgabe 
darzuthun,  in  wie  vielerlei  Formen  der  Staat  in  die  Erscheinung 
tritt,  die  Entwicklung  einiger  hiezu  nothwendigen  Begriffe  kann  die- 
sem nicht  den  Ruhm  grösserer  Spekulation  sichern,  als  etwa  die 
Konstruktion  des  Idealstaates  in  sich  trägt.  Völlig  ungegründet  ist, 
dass  dieser  (VII.  VIII.)  durch  den  Inhalt  des  zweiten  Theils  (IV. 
V.  VI.)  irgend  wie  bedingt  werde.  Die  oben  angegebenen  Stellen, 
in  welchen  die  späteren  Bücher  auf  früheres  sich  beziehen,  IV.,  2. 
IV.,  3.,  werden  aus  dem  dritten  Buche  gedeutet,  da  Aristoteles 
schon  hier  über  den  besten  Staat  philosophirt  habe;  sie  sind  gänz- 
lich missdeutet,  so  wie  die  Sitte  unsers  Philosophen  zu  citiren, 
verkannt  ist;  wenn  er  sagt  el'dtjzcfa  iv  zoig  naQi  ä^idzoxQaziav ,  so 
muss  es  einen  vollständigen  Artikel  darüber  geben ,  nicht  etwa 
dass  nur  nebenbei  die  Benennung  gebraucht  ist,  und  so  fordern  auch 
die  Worte  III.,  9.  a^iazoxQazucv  /luv  ovv  zaXiog  ly^t  xc.Xh.lv  tisqI  fjg 
Sit]  X&o^sv  iv  zolg  nqiözoig  Xoyotg  xzX.  nichteine  gelegentliche 
Erinnerung,  sondern  förmliche  Erklärung  in  den  frühern  Büchern. 
Er  nennt  nicht  einmal  III.,  4  —  5,  wo  von  der  aQsxij  ävögog  äyc- 
■3-ov  xcd  noXlzov  Gnovdafov  gesprochen  ist,  die  ciqigti]  noXiztia  am 
Schlüsse,  wo  man  es  erwartet,  sondern  sagt  nur  ozi  zivog  tutv  nö- 
Xecog  6  avrog  zivog  d  tzsqog,  xäxsivog30)  ov  nag,  d.XX*  6  nöXizixbg  xal 
xvoiog  r{  dwa/Likvog  s'ivai  xvoiog.     Der  Name  wird  dort  III.,  4.,  pag. 


')     Vielmehr     xaxEivrjg,    nemlich    auch    in    jener     zig    nöXig,     in    der 
aqiairj  wird  nicht  jeder  so  seyn ,   sondern  nur  der  Tvokizixög. 


30 

['276.  b.  37.  angeführt:  ov  fxi)v  <xXXu  xcd  y.ax  uXXov  roonov  iaxl 
dm-nooori'Tag  insX&stv  xov  avxov  Xoyov  naql  xijg  aqioxtjg  noAixzCag, 
aber  wie?  ich  zweifle,  dass  der  Verfasser,  der  diese  Worte  wie- 
derholt erwähnt  S.  326.  341,  sie  richtig  aufgefasst  hat.  Aristoteles 
sagt,  man  könnte  die  Verschiedenheit  des  ävriQ  ccycc&og  und  noXlxt\g 
anoväcuog  noch  auf  andere  Art  beweisen,  nämlich  dianoqovvxeg  tisqI 
ii;g  aoförijg  noXixhi'ag ,  indem  man  Zweifel  und  Bedenken  über  die 
Möglichkeit  der  ciqi'ox)]  nolixeia  vorbringe.  Es  ist  nämlich  unmög- 
lich, dass  ein  Staat  aus  lauter  Guten  und  Tugendhaften  besteht, 
aber  Jeder  muss  seine  Sache  gut  treiben  als  Bürger,  und  so  kann 
er  ein  arroi'dcdog  tiökirtß  und  doch  kein  dviJQ  äyad-ög  seyn.  Aehn- 
lich  ist  III,  13.,  einen  über  alle  in  allen  Tugenden  hervorragenden 
Mann,  der  das  Gleichgewicht  mit  den  andern  stört,  weil  er  incom- 
mensurabel  ist,  entfernen  demokratische  Staaten  durch  Ostrakismus, 
die  Tyrannen  tödten  ihn  geradezu;  alft  inl  rtjg  aQi'oxqg  noZixstag, 
sagt  Aristoteles,  £'/«  noXXtjv  cmogiav,  man  kann  ihn  doch  nicht  in 
dem  besten  und  gerechtesten  Staate  davonjagen,  noch  weniger  um- 
bringen, also  bleibt  nichts  übrig,  als  einem  solchen  sich  gehorsamst 
zu  unterwerfen  und  ihn  zum  Könige  zu  ernennen.  Das  sind  die 
Stellen,  in  welchen,  man  sieht,  nur  im  Vorbeigehen  und  durch  Auf- 
würfen von  Schwierigkeiten,  der  beste  Staat  erwähnt  wird,  wer 
wird  aber  aus  diesen  Angaben  im  Ernste  behaupten  wollen,  Aristo- 
teles habe  im  dritten  Buche  die  Lehre  der  aQi'Gxrj  nofaxsCct  vorge- 
tragen? Wenn  die  Frage  aufgeworfen  wird,  ob  der  tugendhafte 
Mann  und  der  gute  Bürger  identisch  sind,  und  das  Resultat  der 
Untersuchung  lehrt,  absolut  sey  dieses  nicht  der  Fall,  aber  bei  ei- 
nigen könne  dieses  allerdings  eintreten,  wird  denn  hier  von  dem 
besten  Staate  gesprochen,  oder  ist  vielmehr  die  Frage  nur  ange- 
regt, um  später  den  nöthigen  Gebrauch  davon  zu  machen?  und  die- 
ser Gebrauch,  wo  anders  wird  er  gemacht,  als  im  besten  Staate 
selbst,  nachdem  schon  vorher  III.,  18.  pag.  1288,  39.  hingewiesen, 
dass    man   dort   zu    suchen   habe,    —    und   so  finden   wir   VII.,    13. 


31 

pag.  1332.,  35  rovx  c(qc(  Gxtnxzov,  ncog  ävrjQ  yivuxc.i  Gnovdcuog' 
und  14.  pag.  1333-,  11.  faul  <?£  noXixov  xcd  ciQ%ovrog  n}v  aurtjv  sl- 
vcd  (fuusv  xcd  tov  ctot'Gxov  nvdoog ,  rbv  8'  alrov  ccQ%6[Atv6v  rs  dsl 
yiyveo&cd  noorsoov  xcd  cio%ovrci  vgxsqov ,  rovr  av  tut]  reo  ro/uoS-^rt] 
noccy[icir£vr£ov ,  omog  civdosg  dycc&ol  yivwvrcu,  xcd  dia  rlvoiv  imrt]- 
dev/uatcov ,  xcd  ri  ro  r$Xog  rijg  ciQi'Gxqg  toiijg.  Doch  wozu  noch  Bei- 
spiele, da  der  ganze  aristotelische  Staat  auf  dieser  Grundlage  aus- 
geführt ist?  und  da  die  ßaGiXsic,  nur  eine  seltene  Erscheinung  ist, 
so  ist  dieser  Staat  in  seinem  Wesen  agiGToxoctricc.  Mit  vollstem 
Rechte  also  konnte  Aristoteles  IV.,  2.  von  ccoiGroxociria  und  ßcc&i- 
Xeia  die  Worte  aussprechen:  ro  ycio  neql  rijg  «QtGrqg  nofarsiag 
■9-scdqjjocci  ravro  xal  nsol  rovrtov  t.Gxlv  alnblv  rcov  oiso/aärcoi' ,  aber 
auch  nur,  wenn  sein  Idealstaat,  wie  er  ihn  dargestellt  hatte,  vor- 
ausgegangen war.  Das  richtige  Verständniss  des  Inhaltes  des  drit- 
ten Buches,  namentlich  des  Schlusses  desselben  hebt  alle  Beden- 
ken, die  man  vorgebracht  hat  und  noch  vorbringen  kann. 


II. 

Welches  die  Folge  der  nächsten  Bücher  ist,  ergiebt  sich  wie 
aus  der  eigenen  Angabe  des  Aristoteles,  so  aus  dem  innern  Zusam- 
menhange und  der  Durchführung  des  Gegenstandes.  Aus  ersterer 
hat  St.  Hilaire  die  Bemerkung  gemacht,  dass  die  Ordnung  des 
fünften  und  sechsten  Buches  umzukehren  sey,  und  so  wenig  auch 
die  französische  Bearbeitung  den  Anforderungen  der  Critik  und 
Exegese  genügen  mag,  diese  schöne  und  richtige  Bemerkung  hat 
meines  Wissens  noch  keiner  der  vielen  frühern  Leser  der  aristote- 
lischen Politik  gemacht,  ein  Beweis,  wie  man  vor  Betrachtung  des 
einzelnen  nicht  zum  Studium  des  Ganzen  gekommen  ist.  Fünf 
Hauptpunkte  sind  es,  welche  den  Inhalt  alles  nachfolgenden  ange- 
ben, vollständig  IV.,  2.  in  der  Einleitung  aufgezeichnet: 


32 

i)iup  de  txqcoxop  tutP  diatotzs'op  nÖGcu  dia<pooal  xojp  noXt- 
Tsuöi'j  tinf-Q  iarlp  tfdr}  nXsiopa  xijg  xs  dijjuoxoaxiag  xal  xrjg 
oXiyaQ/j'ag ,  tneixa  zig  xoipoxchj]  xal  rfg  aiQSzajxazr]  /usxd 
zi)p  aoi'üzyp'  TXoXneCav ,  xap  ei  rig  aXXrj  xsxvpjxsp  aoioxo- 
ZQc.Tii'.r}  xal  GvPEGxajoa  xaXwg,  aXXa  zeug  TiXeCoxaig  äofxox- 
Tovöct  noXfOi  ri'g  iariv  '  insixa  xal  xwp  v.XXwv  xlg  xiGip 
cuQsrij '  xa%a  yäq  rolg  /uev  dpayxaia  8r\^ioxqaxta  uäXXop 
oXiyctQ%k(g ,  xoig  dk  avxi]  aaXXov  ix&tvyg'  fisxa  3  k  xavxcc 
xiva  xqönop  dti  xa&iGxapai  xov  ßovX.ouspop  xavxag  xdg  no- 
Xtxeiag,  X^yio  8k  dqjuoxQaxiag  xe  xa&  txaGxop  tldog  xal 
ru'iXiv  oXiyciQxt'ocg  •  xiXog  6k  näpxwp  xovxcov  oxav 
no  ir\  ow  fASircc  Gvpzcjuwg  xi)p  ipö^s/Oju^pjjp  fxpsiap, 
ixuqazhop  tJieX&aTv  ziptg  tpd-ooal  xal  xlpeg  Gioxtjotai  xwp  no- 
Xirstcop  xal  xotpfj  xal  %o)Qtg  txaoxtjg ,  xal  did  xCpag  alxlag 
xavxa  fxaXioxa  yi'psö&ai  ntyvxsp. 

Die  Ausführung  dieser  Punkte  ist  so,  dass  der  erste  über  die 
Verschiedenheit  der  Verfassungen  Kap.  3  —  10  des  vierten  Bu- 
ches, der  zweite  die  gemeinsamste  Verfassung  Kap.  11,  der  dritte, 
welcher  jede  Verfassung  geeignet  ist,  Kap.  12  —  13,  der  vierte 
die  Gründung  und  Anordnung  dieser  Verfassungen  Kap.  14  —  16, 
und  besonders  im  sechsten  Buche,  der  fünfte  und  letzte,  was  die 
Staaten  zu  Grunde  richtet  und  erhält,  im  fünften  Buche  behandelt 
wird.  Dieses  Inhaltsverzeichniss  des  Aristoteles  ist  es,  welches 
St.  Hilaire  zu  seiner  Umstellung  bewogen  hat,  und  Woltmann  ist 
hierin  gefolgt,  nicht  der  innere  Zusammenhang  des  Werkes  selbst, 
der  uns  ebenso  laut  dafür  zu  sprechen  scheint,  dass  Aristoteles 
unmöglich  die  jetzt  vorhandene  Ordnung  gegeben  haben  kann. 

Es  ist  Sitte  des  Aristoteles,  wenn  einige  Abschnitte,  die  eine 
nähere  Verbindung  mit  einander  haben,  vollendet  sind,  das  bisher 
Vorgetragene  mit  wenigen  Worten  zusammenzufassen,  um  den  Ue- 
b ergang  zu  einem   neuen  Gegenstand    und    dessen  Bedeutung  mehr 


33 

hervorgehoben.  So  wird,  nachdem  die  drei  ersten  Punkte  bestimmt 
sind,  der  Inhalt  dieser  am  Ende  des  dreizehnten  Kapitels  wieder- 
holt: dici  xiva  fAiv  oiv  siolv  alxlav  al  noXixsTat,  nXsiovg ,  xal  öid  xi 
naqd  xdg  Xsyojuevag  t'xsqai  (ßijjÄOxqaxia  xs  ydq  ov  [M'a  xov  dqid-juöy 
ioxt,  xal  xwv  dXXcof  Ofxoiiog),  tri  ös  xivsg  al  öiacpoqal  xai  did  rlva 
alxiav  ß.v/ußatyj&l,.  nqog  Jfc  xovxoig  xig  dqCoxrj  xöjv  noXtxsiwu  wg  int 
xo  nXtiGxov  binaXv,  xal  xwv  dXXutv  noia  noioig  douoxtsi  xwv  noXi- 
xeiwv  HQyjxai.  Angedeutet  wird  dadurch,  dass  der  nachfolgende 
Punkt  besondere  Aufmerksamkeit  verdient,  und  schon  die  ersten 
Worte  des  nächsten  Kapitels  drücken  es  aus:  ndXiv  8k  xal  xoivtj 
xal  %wqIs  neql  txdoxtjg  Xgyojf.il- v  tisqi  xwv  i(pn'§ijg,  Xaßövxag  dq- 
%tjv  xi\v  nqogtjxova av  avxwv.  Nicht  xiva  xqönov  dei  xa&iöxä- 
vai  xov  ßouXousvov  xavxag  xdg  noXixeiag  wird  Kap.  14  —  16  ge- 
lehrt ,  was  zunächst  erwartet  wird ,  sondern  nothwendige  Vorbe- 
griffe dazu  werden  gleichsam  als  Einleitung  auseinandergesetzt; 
Momente,  auf  welche  der  Gesetzgeber  vorzüglich  zu  achten  hat, 
und  von  deren  guten  und  schlechten  Anordnung  das  Wohl  und 
Wehe  der  Staaten  selbst  bedingt  wird,  über  den  beratheuden  Theil 
xo  ßovXsvo/usvov,  den  administrirenden ,  xo  neql  xdg  aq^äg,  und  den 
richtenden  im  Staate,  xo  dixaoxixov,  die  in  den  verschiedenen  Ver- 
fassungen wesentlich  von  einander  abweichen;  damit  schliesst  das 
vierte  Buch.  Das  fünfte  giebt  die  Lehre  von  den  oxaasig  und  aw- 
xqqi'ai  der  Verfassungen  mit  vielen  historischen  Nachweisungen,  aus 
welchen  Aristoteles  mit  dem  ihm  eigenen  Geiste  das  Allgemeine  auf- 
zufinden und  als  Lehre  aufzustellen  weiss;  dieser  Theil  ist  vorzüg- 
lich ausgeführt  und  man  sieht,  dass  der  Verfasser  darauf  besonde- 
res Gewicht  gelegt  hat. 

Das  sechste  Buch  nimmt  das  am  Ende  des  vierten  Gesagte 
wieder  auf;  es  sey  zwar  von  den  drei  Arten,  dem  ßovXevdusvov, 
xo  neql  xdg  dq%äg ,  xo  öixaoxixöv  gesprochen  und  gezeigt  worden, 
in  welcher  Form  dieses  in  Demokratie   und  Oligarchie  auftrete;   da 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  \.k\.  d.  Wiss.   V.  Bd.  I.  Abthl.  5 


3t 

es  aber  verschiedene  Abstufungen  von  Demokratie  und  Oligarchie 
gebe,  so  müsse  das  jeder  eigene  nachgewiesen  werden;  auch  die 
Combination  jener  drei  Arten  untereinander  dürfe  nicht  übergangen 
werden,  weil  ihre  verschiedene  Zusammenstellung  auch  auf  die 
Verfassung  Einfluss  habe.  Vorausgegangen  sey,  welche  Verfas- 
sung jedem  Staate  angemessen,  aber  nicht  bloss  das  müsse  klar 
werden,  sondern  auch,  wie  man  diese  Verfassungen  einrichten  und 
anordnen  müsse,  was  nachzuweisen  die  folgenden  Kapitel  1  —  7 
bestimmt  sind.  Damit  ist  der  Verfasser  zum  eigentlichen  Gegen- 
stande, dem  vierten  oben  angegebenen  Punkte  gelangt,  der  xaxa- 
Graaig  rwv  nokireiwv,  und  man  sieht,  dass  der  Inhalt  des  sechsten 
Buches  sich  aufs  Engste  an  das  Ende  des  vierten  anschliesst,  und 
durch  nichts  Fremdartiges  unterbrochen  werden  kann,  wie  das  jetzt 
der  Fall  ist.  Nicht  bloss  die  drei  oben  IV.  14  —  16  behandelten 
Arten,  die  berathende,  administrirende  und  richtende  Behörde,  wer- 
den wieder  neu  aufgenommen,  da  sie  ohnehin  nur  mehr  als  Einlei- 
tung für  den  vierten  Punkt  dienen,  sondern  auch,  damit  gar  nicht 
Zweifel  über  den  Zusammenhang  bleibe,  der  dritte  vorher  erläu- 
terte Gegenstand  wird  wiederholt,  und  an  ihn  der,  welcher  den 
Inhalt  dieses  Buches  bildet,  angereiht;  VI.,  1.  pag.  1317,  10.  nokc 
juiv  ovv  ötj^ioy.Qccricc  TTQog  noiccv  aQjuorrsi  nöliv,  tögavTwg  dt  xccl  noicc 
twv  ofayeiQyjivv  noko  TrAtjS-ni,   iccd  tcöv  Xotncov  Jfc  noXizuoSv  r(g  ou/u- 

(f£Q£l    XlGlV ,    HQ1]TCa    7TQOTSQOV  *     OjLlWg    J"fc    $61    y£V^G&CU     8t]Xov    jUt]    flOVOV 

noki  rovrwv  rwv  nohreicov  cnQsri]  nolaig*1)  nöXmiv ,  v.XXct  xal 
TTwg  ÖSi  xctTciGxtvci'Cstv  iccd  ravzag  xc.l  rag  äÄZag  tJii-A&wjusv  ovv- 
ro/ucog. 


")  So  haben  wir  die  Vulgata  agiorrj  zalg  nöXsoiv  geändert,  es  muss 
der  Inhalt  des  Vorhergehenden  wiederholt  werden,  welcher  IV.,  12 
ausgeführt  ist  zig  noXizeia  ziotv  xal  noia  onficpegei  noloig,  als  der 
dritte  Punkt,  nicht  der  zweite  Kap.  11.  zig  ccQiozt]  nolizela.  Ari- 
stoteles hat  oben    IV.    2.    pag.   1289.   b.   17.    denselben    Ausdruck  ge- 


35 

Also  kann  das  fünfte  Buch,  die  umfangreiche  Lehre  von  den 
Grausig  und  Gwr>]Qt'ai  rwp  nofoxsujüv,  nicht  dazwischen  liegen,  und 
schon  die  Anfangsworte  dieses  weisen  ihm  seine  Stelle  nach  dem 
sechsten  an;  sie  enthalten  nämlich,  wie  sie  jetzt  stehen,  eine  Un- 
wahrheit : 

tisqI  jusv  ovv  twc  ccXkiav  ihv  n  qosiäo  /ue&a  G%sdöv 
el'Qt]TC(i  tisqI  n av r cov  ix  rlviav  8h.  /LtsraßäAÄovoip  al  no- 
AiTsicu  aal  noGuiv  aal  noCcov }  aal  rivsg  §aäart]g  noXixeiag 
<p&OQai,  aal  la  noiiov  sig  noiag  /uaÄiöra  /M&Cöraprai ,  tri 
$s  GiOT}]Qiai  ri'psg  zal  aoipy  aal  %i»Qlg  taaGrijg  düCv ,  tri  dk 
diä  rlvoiv  av  judAiöra  Gw^oiro  rwp  nofarsicop  taaGrt]  32), 
Gxsnr£ov  s<p£%rjg  totg  siQtjjue'po ig' 

denn  keineswegs  ist  alles,  was  Aristoteles  sich  vorgenommen  hatte, 
bereits  besprochen  und  abgemacht,  sondern  die  Einrichtung  der  Ver- 
fassungen würde  erst  folgen.  Es  liegt  aber  in  der  Natur  der  Sache, 
dass  die  Lehre,  wie  Staaten  untergehen  und  wieder  aufgerichtet 
werden  können,  nicht  früher  als  deren  Gründung  behandelt  werde. 
Sind  die  Staaten  konstituirt,  und  es  tritt  im  Laufe  der  Zeit  eine 
Verschlechterung  ein,  dann  wird  es  nothwendig,  dem  wankenden 
Zustande  zu  Hülfe  zu  kommen,  wie  auch  Aristoteles  zuerst  die 
(p&oQal   und  dann  erst   die    GwrtjQiai  behandelt;    immer   aber  ist  die 


braucht  eneixa  xal  nov  alXiov  zig  x'iaiv  algerrj.  Uebrigens  be- 
achte man  noch  die  Uebereinstimmung  unserer  Worte  e7teX$a>f.i£v 
ovvxö/Liwg  mit  oben  IV.  2.  reXog  de,  navzwv  rovviov  bcav  Ttoirjoa')- 
(.ted-a  ovvzö j.iü)g  rrjv  evöexo/.ievrjv  /.ivslav. 
'■)  Der  Satz  ezi  de  ..  exäarrj  enthält  nichts  Neues,  und  ist  in  den  Wor- 
ten xtoQig  exäoTrjg  enthalten,  daher  ihn  mehrere  Herausgeber  als 
ein  falsches  Emblem  betrachtet  haben,  conf.  V.  8.  Erträglich  wäre 
es  noch,  wenn  es  hiesse  y.al  yjoQtg  eKaonqg  dt  wv  av  (.idlioza.  Gött- 
lings  Aenderung  ist  ganz  unstatthaft,  sowohl  der  Sprache  als  der 
Sache  nach. 

*  5* 


30 

Gründung  das  erste,  die  Erhaltung  das  spätere  und  folgende 33)* 
Ich  halte  dieses  wie  für  den  natürlichsten,  so  für  den  wichtigsten 
und  entscheidenden  innern  Grund,  dass  die  jetzige  Stellung  der  bei- 
den Bücher  eine  völlig  unhaltbare  sey  und  die  einfache  Ordnung 
wieder  eintreten  müsse. 

Was  sollen  in  der  jetzigen  Stellung  die  Kapitel  14- — 16  des 
vierten  Buches  für  eine  Bedeutung  haben?  für  sich  allein  bilden 
sie  keinen  von  Aristoteles  besonders  hervorgehobenen  Theil;  zusam- 
menhängend mit  dem  sechsten  Buche  geben  sie  eine  Art  von  Ein- 
leitung. 

Diese  Gründe  sind  so  gewichtig,  dass  wir  uns  durch  keinen 
noch  so  scheinbaren  Widerspruch  irre  machen  dürfen ;  äussere 
Beweise  nemlich  sprechen  für  die  hergebrachte  Ordnung,  und  zwar 
nicht  weniger  als  vier  Stellen  des  sechsten  Buches,  in  welchem  das 
vorhergehende  fünfte  angeführt  wird.  Diese  wiederholten  Citatio- 
nen  mögen  vielleicht  manchen  frühern  Leser ,  der  dem  von  Aristo- 
teles vorgezeichneten  Gange  folgte,  abgeschreckt  haben,  weiter  zu 
forschen.  Uns  ist  der  innere  Zusammenhang,  der  durch  die  Natur 
der  Sache  gefordert  wird  ,  und  der  deutliche  Ausspruch  des  Ver- 
fassers selbst,  in  welcher  Folge  und  Ordnung  er  seinen  Gegen- 
stand behandeln  werde,  das  höchste,  und  da  keine  Vereinigung  von 
beiden  möglich  ist,  man  sich  also  für  das  eine  oder  andere  ent- 
scheiden muss ,  auch  nicht  das  Geringste  dafür  vorgebracht  werden 
kann,  dass  Aristoteles  seinem  angegebenen  Plane  untreu  geworden 
sey,  so  wird  mau  nicht  lange  zweifelhaft  bleiben,  auf  welche  Seite 
wir  uns  zu  wenden  haben.  Wir  wollen  diese  Stellen  selbst  näher 
betrachten  ,  ob  sie  enge  mit  den  Gedanken  des  Autors  verwachsen 
sind  und  unvertilgbar  an  diesen  haften,    oder  leicht  entbehrlich,  den 


8S)     Anders  urlheilt  Woltmann  S.  349- 


37 

Zusammenhang  störend,  und  sich  schon  dadurch  als  spätere  Zusätze 
zu  erkenuen  geben. 

VI.,  1.  pag.  1316.  b.,  31. 

Ilooca  jutv  ovv  dici<poocd  xcd  xlvsg  xov  xs  ßoväsvxixov  xcd 
xvqi'ov  xijg  noXixslcig  xcd  xijg  nsoi  xdg  ccoyßg  xci^soig  xcd 
tisqI  dixaoxriQiiov  xcd  noicc  noog  noictv  oupx€xccxxcci  noXi- 
xsicv  [txi  Js  tisqI  (p&ooccg  xs  xcd  Gionjoiag  xwv  nofaxeiayv , 
sx  noiwv  xs  yivsxcu  xcd  Sicc  xtvag  cuxiag],  siorjxcti  nqöxsQov 
stisi  dk  TSTvyjijxsv  sYörj  nXsico  dq/uoxQctTi'ag  ovxa  xcd  xoiv  äA- 
hwv  6/uotwg  nohrsiajv ,  ccjua  rs  nsoi  sxsividv  sl'  xi  loinöv, 
ov  xsiqov  smoxsxpaG&cu,  xcd  xov  olxslov  xcd  xov  ovjiMps- 
oovxa  xqonov  cmodovvca  nqog  ÜxccGztjV. 

Hier  kann  man  leicht  sehen,  dass  die  Berufung  auf  das  fünfte 
Buch  den  Zusammenhang  stört.  Die  drei  wichtigsten  und  obersten 
Staatsbehörden,  sagt  Aristoteles,  sind  oben  nachgewiesen  worden 
und  wie  sie  in  jeder  Verfassung  zur  Erscheinung  treten;  weil  aber 
Demokratie  und  Oligarchie  nicht  einfach  sind ,  sondern  mehrere  Ab- 
stufungen und  Arten  bilden  (von  jeder  werden  vier  aufgezählt),  so 
bleibt  anzugeben,  wie  sie  in  jeder  von  diesen  sich  gestalten.  Die- 
ses und  nichts  anderes  soll  hier  gesagt  werden;  erst  als  die  Stel- 
lung der  beiden  Bücher  verändert  war,  schien  eine  Citation  auf  das 
nun  vorausgehende  Buch  über  ocoxrjotat,  und  Gxaüsig  unentbehrlich, 
und  wurde  zum  Nachtheil  des  in  sich  vollständigen  Gedankens  ein- 
geschaltet. 

VI,  1,  pag.  1317,  35. 

Der  Gesetzgeber  muss  wissen,  was  jeder  der  verschiedenen 
Demokratien  zuträglich  ist,  um  bei  Errichtung  dieser  nicht  fehl  zu 
greifen,  und  wenn  Schadhaftes  da  ist,  dieses  zu  verbessern :  tyxovai 
jusv  ycto    ol  xctg   noXixsCag  xa&ioiävxsg  anccvxa  xcc  oixsccc  ovvccyccyslv 


38 

nodg  '"//*'  v^o&soit'j,  aucoTCivovGi  8k  rovto  noiovvxag,  xa&dnEQ  iv 
toig  nsoi  rdg  (f&oodg  xai  rdg  GiozqQtccg  rwv  noXirsiojp 
tTotjrcti  TiQ  otsqop',  gemeint  ist,  wie  Woltmaun  gegen  St.  Hi- 
laire  S.  348  richtig  gesehen  hat,  V.,  9.,  auch  der  Anfang34)  deutet 
darauf  hin,  so  wie  dasselbe  schon  III.,  4.,  zur  Sprache  gekommen 
ist.  Der  Satz  kann  fehlen,  aber  eben  so  stehen  bleiben,  wenn  ioov- 
tusi>  vgtüqov  statt  tuQrjrai  noorsoov  gesetzt  wird. 

VI.,  4.,  pag.  1319,  38. 

nwg  jukv  ovp  8u  xaraGxsvdtsiv  rr\v  ßeZrfärrjv  xai  nocortjj/ 
8i]f.ioxoariav,  f-iQtjrai  •  ipavzqbv  8  k  aal  nwg  rag  a).Xag  •  tno- 
fxspcog  ydo  8si  naosxßaCvuv  xai  ro  xs*Qov  ^si  n2.tj&og  %oj- 
qCsijs  •  xi]V  8k  rsfovraCav  8id  ro  nävrag  xoivwvuv  oure  nd- 
Gqg  iari  noAscog  <p£qeiv ,  ovrs  (jd8iov  öia^vuv  /utj  roig  vo- 
jLioig  xai  roig  bdsGiv  ev  Gvyxei/ut'vqp'  \ß  8k  (pdsiquv  gvli- 
ßaivu  xai  ravxr\v  xai  rag  ccAAag  nofardag ,  efoijrat  noors- 
oov  rd  nXsiGra  G%s86v]  noög  8k  ro  xad-iGxdvav  ravrrjv  rtjv 
8t]/uoxoarlav  xai  rbv  8t]juov  noiuv  ig%vqov  xrX. 

Die  Bemerkung,   was  diese  und  die  andern  Verfassungen  ver- 
derbe, ist  hier,    wo   nur  von  Gründung   der   Demokratie   die  Rede 


34)  V.  1.  p.  1301,  26.  noXXai  yeyavrjvtai  noXizelai  nävziov  fusv  oito- 
XoyouvTiov  zo  dixaiov  xai  ro  xaz  avaXoyiav  Yaov,  zovzov  de  afiao- 
zavövzojv ,  aigneg  eiqrjzai  xai  tiqözeqov  wo  statt  xai  vielleicht  elvai 
zu  setzen  ist.  Ibidem  1301-  b.  35.  6(.ioXoyovvzeg  de  zo  ctrcXöHg  elvai 
dixaiov ,  zo  xaz  d^iav  diaipzoovxai,  xaSänsq  eXi%d-r)  ttqÖzeqov  ol 
/lisv  ozi ,  wo  zu  schreiben  zo  anXtog  eivai  dixaiov  zo  xaz  a^iav , 
diacpiqovtai.  1301,  35.  t%ovoi  [tsv  ovv  zi  näöai  dixaiov,  rj^tagzr]- 
(.itvai  d  arcXwg  eioiv,  wenn  zugegeben  ist,  dass  sie  ein  dixaiov 
zi  haben,  so  können  sie  nicht  absolut,  anXoig,  verfehlt  seyn ,  der 
Gedanke  ist,  sie  haben  nur  ein  dixaiov  zi,  verfehlen  aber  das  an- 
XöJg  dixaiov.  Daher  vielleicht  zu  verbessern  rjfiaQzrjxvtat  di  zov 
anXaJg  oder  in  ähnlicher  Form  mit  diesem  Sinne. 


39 

ist,  höchst  unerwartet,  und  ich  finde  die  Art  der  Berufung  selbst 
auffallend.  Aristoteles  spricht  von  der  letzten  und  schlechtesten 
Demokratie  und  lehrt  V.,  5.,  dass  alle  Aenderung  diu  ttjv  xwp  drj- 
/uaycoywp  ccotXysiav  erfolge.  Wozu  nun  hier  die  Angabe,  dass  die 
Lehre  der  Corruption  auch  von  den  übrigen  Verfassungen  gegeben 
sey?  man  erwartet  vielmehr,  was  diese  letzte  und  die  drei  andern 
Arten  der  Demokratie  vernichte,  da  Kap.  2  —  5  nur  von  Demo- 
kratie die  Rede  ist,  und  so  könnte  man  noXixsiag  zu  tilgen  veran- 
lasst werden;  dem  aber  widerspricht,  dass  diese  einzelne  Nach- 
weisung im  andern  Buche  keineswegs  sich  vorfindet,  und  wir  glau- 
ben hier  einen  spätem,  minder  passenden  Zusatz  zu  erkennen. 

VI.,  5.  pag.  1319,  33. 

Der  Getetzgeber  hat  nicht  nur  die  Aufgabe  einen  Staat  einzu- 
richten, sondern  weit  mehr  noch  für  dessen  Dauer  und  Erhaltung 
zu  sorgen,  worüber  das  vorhergehende  Buch  die  nöthige  Belehrung 
gebe:  ton  dt-  tqyop  xoü  po/uo&^xov  xal  xwp  ßovÄojugpcop  GvpiGxapai 
nvä  xoiavx?]P  nohzeiav  ov  ro  xaraGriJGai  psyiGxop  [%/o^]35)  ovöe 
juopop }  alX  oniag  Gaj'^xai  fxäV.op  ...  dio  dsv  nsQi  iqp  xe&satQi]- 
rai  tiqoxsqop ,  xipsg  GooxijQfai  xal  (p&ooal  xwp  tioZixsiwp,  ix  xovxwp 
TisiQao&cu  xuxaGxsva^siP  rrjv  aG(pü?.siup ,  svZaßovjuspovg  tutp  rcc  (pdsi- 
qovtci,  xi&eu£povg  Jt  xoiouxovg  po/novg  xal  xovg  ayQacpovg  xal  xovg 
ysyoa/u/uapovg  o'i  7U-Qi?>q\popxcti  fkaXidxd  xä  gw~,opxu  rag  noAixsiag,  xal 
fxrj  pojufceip  rovr  stvai  dr^iorixop  juqd  oXiyaqy^ixbp  o  txoüJgi-i  xijp  nö- 
Xip  ort  /uu^iGxa  dq/LioxoaxMGS-ai  ^  okiya^x,^0^1, »  c{^%  o  nlzlGxop 
Xqopop.  Diese  Stelle  ist  in  so  enger  Verbindung  mit  den  folgen- 
den und  vorhergehenden,  in  sich  so  trefflich,  dass  sie '  unmöglich 
entbehrt   werden   kann.     Die  Worte   tisqI    wp    xs&swgqxcu   tiqoxsqop 


5)     Wir  halten  dieses  zweite    l'Qyov   für  einen  falschen  Zusatz ,    die  frü- 
heren Herausgeber  haben  das  erste  getilgt. 


10 

mit  8t.  Hilaire  pag.  310  zu  streichen,  was  auch  Woltmann  billigt, 
S.  352.,  beisst  alle  Construktion  aufheben,  und  die  Stelle  unver- 
ständlich machen.  Ist  aber,  wie  wir  überzeugt  sind,  unser  Buch 
früher  als  das  vorhergehende,  so  kann  Aristoteles  allerdings  nicht 
so  geschrieben  haben,  und  es  stand  entweder  allgemein  öio  dei 
&£coQovi>zag  zCv£g  ohne  besondere  Berufung  auf  die  ausführliche 
Abhandlung,  oder  das  ursprüngliche  ttsqI  uov  S-scoQt'jao/usv  vors- 
Qov  hat  nach  erfolgter  Umstellung  der  beiden  Bücher  die  notwen- 
dige Veränderung  in  z£&£woi]zcct  txq6z£qov  erlitten.  Auch  IV.  11 
pag.   1296,  5.  lesen  wir  zijv  $'  älztav  voz£oov  tv  zoig  tisqI  zag  us- 

TttßoXds    ZCOV    TlO?UT.£W)V    £QOVjLl£V. 

Das  gerechte  Bedenken  gegen  solche  gewaltsame  Aenderung 
wird  grösstenteils  dadurch  gehoben,  dass  sich  noch  au  zwei  Stel- 
len, auf  welche  bereits  Woltmann  aufmerksam  gemacht  hat,  deut- 
liche Spuren  der  ursprünglichen  Ordnung  erhalten  haben,  VI.,  2. 
pag.  1317.  b.  34.  rcov  dk  ccq%iov  örjfjbozixiozcczov  ßovZtf ,  onov  fxi\ 
juio&ov  SL'iiOQia  nciöiv  •  ivzav&a  yctQ  äcpaioovvzai  xal  zavzijg  zqg  äo- 
yrjg   ztjv    dvva/xiv '  dg    avröv    yäo    avdyu   zeig   xoi'0£ig   ndöag  6  drjfiog 

SVTtOQWV    JUIG&OU  ,    X  C!  &  Ci  7t  €  Q    sY^fjZai    £V    Ztj    /U  £  &  6  S  CO    Z  i]    71QO    Z  CCV" 

zqg.  Dieser  Citation  zufolge  müsste  das  angegebene  im  vorhergehenden 
fünften  Buche  stehen;  dort  findet  sich  aber  nichts,  sondern  im  vierten 
Buche  das  angegebene,  zwar  nicht  Kap.  4.,  wie  Woltmann  S.  352  meint, 
wo  nur  ähnliches,  nicht  dasselbe,  sondern  Kap.  15.  pag.  1299.  b. 
37.  xctzaXmzai  dt  xal  zrjg  ßovXijg  tf  diva/Aig  £v  zaig  zoiavzaig  dtj/uo- 
xoazkag  Iv  alg  avxög  ovviiov  o  dijibiog  y_Qt]juazf££i  7i£ol  ncivxiav  '  zovzo 
dz  GvußutvMv  ttiod-sv,  ozav  £vnooia  zig  f\  tj  juiG&og  [scrib.  fj  /uiöfrov]- 
o//)?.('t^.opz£g  yv.Q  GvlXtyovzaC  z£  noZXäxig  xal  anavza  avzol  xqIvov- 
Gtv.  So  wird  der  Zusammenhang  von  Buch  IV.  und  VI.  bestätigt. 
Einem  möglichen  Einwurfe  will  ich  begegnen :  /ug&odog  ist  hier,  wie 
sonst  ein  besonderer  Abschnitt  oder  Gegenstand ;  so  sagt  Aristote- 
les VII.  1.  pag.  1324.  2.   vorn   besten  Staate   inl  zijg  vvv  {i£$ö§ov. 


41 

VII,  2.  pag.  1324,  22.  k'oyov  xtjg  /ue&odov  xctvryjg.  Nun  bildet  aber 
IV,  14  —  16  mit  dem  VI.  Buche  ein  zusammenhängendes  Ganzes, 
wie  er  auch  in  der  Inhaltsanzeige  IV,  2.  nur  einen  Gegenstand,  xo 
xa&ioxc'cvca  xi]V  noXixziav ,  angibt ,  und  so  würde  Aristoteles  nicht 
sagen  können,  iv  xf\  {.is&odio  xfi  noo  xavxr\g,  da  es  ja  dieselbe  ist. 
Da  indessen  die  eigentliche  Lehre  der  Constitution  von  Verfassun- 
gen doch  erst  VI,  1.  beginnt  (pag.  1317,  18.  fynxtov  §i  no6g  xav- 
xrjv  xtjv  jus&odov  nävxa  xv,  drj^oxixd) ,  so  kann,  glaube  ich,  das 
vorausgehende  IV,  14  —  16,  wenn  auch  dazu  dienend  und  vor- 
bereitend, doch  gewissermasseu  als  abgesondert  betrachtet  werden. 
Die  Form  der  Citation  iv  fjj  ^ad-odco  xfj  jiqö  xavxr\g,  wie  der  fol- 
genden iv  xoig  noo  xovxwv  vermag  ich  durch  keine  Beispiele  aus 
Aristoteles  zu  belegen,  halte  sie  jedoch  für  so  natürlich,  dass  ich 
darin  keinen  Grund  erkenne,  die  Worte,  wie  geschehen,  als  unächt 
zu  streichen. 

Die  zweite  Stelle  ist  VI,  4.  Srj^oxoaxiöjv  (T  ovgwv  xexxaqmv 
ßsZxtoxrj  juip  r\  tiqcoxtj  xa^si,  xaO-änso  iv  xoig  tiqo  xovxcov 
sXix&rj  Aoyoig,  auch  dieses  steht  nicht  im  fünften  Buche,  wie  es 
seyn  müsste,  wenn  die  jetzige  Ordnung  die  richtige  wäre,  sondern 
im  vierten  Kap.  4. 

Aber  das  sechste  Buch,  das  wir  nach  obigen  Bemerkungen  an  die 
Stelle  des  fünften  setzen,  ist  keineswegs  vollständig,  das  haben  Conring 
pag.  636.  733.  735.  und  Schlosser  beiSchneider  zu  VI,  5.  pag.  384.  397 
richtig  erkannt.  Nach  der  Anordnung  der  Demokratie  und  Oligarchie  3  6) 


36)  Ob  Aristoteles  hier  nicht  noch  über  anderes  Nachweisung'  gegeben, 
wie  Conring  glaubt,  wage  ich  nicht  zu  bestimmen,  allerdings  erwar- 
tet man  es  nach  dem  Ausdrucke  VI,  1.  pag.  1316-  b.  36.  £iöt]  TvXeico 
örjfioxQciTiag  ovtcc  xai  zcov  aXXcov  6/.ioicog  tc oX  ltslcov,  womit 
ausser  Oligarchie  wenigstens  Aristokratie  inbegriffen  ist;  aber  die 
Ankündigung  IV,  2.    hat    doch  nur  von  diesen   zwei  Verfassungen  zu 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.   I.  Abthl.  6 


42 

■wird  Kap.  S  von  den  Regierungsbehörden  gesprochen,  mit  den  Ein- 
leitungsworten: kx6Xov&ov  dt  tolg  slotj jli^vo  ig  sott  ro  diyoija- 
ß-ai  xäXmg  ra  tt&qi  rag  dgxäg,  nÖGcci  xvci  n'vsg  v.ctl  xCviov ,  xa&dnsQ 
sTq^tch  ;:c<)  ttqoxsqov  •  und  die  Abhandlung  geschlossen:  neoi  fxiv 
BVV  xiöv  cQyjoi'  (6g  iv  rvnio  a%zdöv  siQijrai  tisqI  Tiaotov.  An  sich 
mag  man  dieses  daraus  erklären,  dass  jeder  neu  eingerichtete  Staat 
seine  notwendigen  Behörden,  c<Q%cä,  haben  müsse,  aber  der  Anfang 
des  Buches  gibt  sowohl  darüber,  wie  über  Anderes,  genügenden 
Aufschluss.  Es  sollen  nämlich  zu  den  oben  gegebenen  wichtigsten 
drei  Staatsbehörden  noch  einzelne  Erklärungen  nachgeliefert  wer- 
den. Das  Vorhandene  ist  nur  ein  Theil  davon,  die  ccqxcu  betref- 
fend; ich  zweifle  nicht,  dass  auch  von  dem  ßovfevo^isvov  und  div.a- 
Gxr/.ov  auf  ähnliche  Weise  gesprochen  war.  Wenn  oben  IV,  14. 
eine  andere  Ordnung  befolgt  war,  in  welcher  die  dqycd  die  mittlere 
Stelle  einnahmen,  so  finden  wir  dagegen  VI,  2.  pag.  1317,  b.  18 
—  30  bei  einer  ähnlichen  Aufzählung  aller  drei  Aemter  die  t'.qxcil 
vortretend,  und  wie  IV,  15.  pag.  1300,  8.  die  Worte  äXXä  tisqI 
/ubP  tovtcov  inl  roGovrop  siQrjc&w  vvv  auf  ein  späteres  Wiedervor- 
nehmen stillschweigend  deuten,  auf  VI,  8.  pag.  1323,  3,  so  mag 
auch  in  dem  fehlenden  Artikel  über  das  diy.aGxixöv  seine  nähere 
Bestimmung  erlangt  haben,  was  IV,  16.  pag.  1300.  b.  37.  nur  zu 
kurz  berührt  ist. 

Noch  etwas  umfasste  unser  fünftes  Buch,  die  mögliche  Combi- 
nation  jener  drei  Behörden;  im  frühern  war  in  Beziehung  auf  diese 
das  Prinzip  in  demokratischen,  oligarchischen  und  aristokratischen 
Staaten  nachgewiesen  worden,  es  könne  aber  eine  Mischung  ein- 
treten, wenn  z.  B.  die  administrirende  und  berathende  Behörde  oli- 
garchisch,  die  Gerichte   aber  aristokratisch  sind,    oder  die  Gerichte 


reden  versprochen  xiva  tqujcov  del  xadioiüvcti  xbv  ßovlofievov  xav- 
xag  xag  nolixuag,  X£ya>  de  öt]f.ioxQaxlag  xe  xa&  exaßiov  eidog 
xal  näXiv  oliy  aqxi  ctg. 


43 

und  berathende  Behörde  oligarchisch ,  die  Wahlen  aber  aristokra- 
tisch sind;  auch  dieses  müsse  beachtet  und  betrachtet  werden.  VI 
1.  ttt  ds  xal  rag  Gvvayioyag  avzwv  rwv  siotj/uspcov  iniGxsnreop  ndp- 
riop  rwv  roonoiv  •  ravra  ydq  Gvpdva£6/uspa  noiu  rag  no^ireCag  InaX- 
7.UTT&W,  wgts  aoiGroxqariag  rs  oXiyao^ixdg  slvcct  xal  nohzsiag  drjfjio- 
xoazixcors'Qag .  Myio  de  GvpdvaG/uovg,  ovg  dsi  jutp  in iGxonatv, 
ovx  iaxt ■fjLfXbvoi  J"  slol  vvv,  olov  clv  ro  uiv^1)  ßovZevo/uspov  xal 
ro  ntol  zeig  dQ%aiQ£Giag  oAiyao%ixa>g  fj  aupzsrayjuipop,  rä  §k  neql  rd 
öixaGnqqia  doiGzoxQarixwg ,  /;  ravra  jusp  xal  zo  nsol  rö  ßovAevojus- 
vov  6?uyaQ/jx(Zg ,  dqiGzoxqanxvög  8k  ro  tisqI  rag  do%aiQSGtag,  q  xar 
dXXov  nva  rqonov  /uy  ndvra  Gvprs&ij  rd  rrjg  nohrtiag  olxsTa.  Von 
dem   allen   ist  nicht  das  Mindeste  in  unserm  Buche  zu  treffen38). 


Als  sicheres  Ergebniss  der  Untersuchung,  wie  solches  aus  vor- 
liegendem Zustande  des  Werkes  von  selbst  einleuchtet,  sprechen 
wir  Folgendes  aus.  Die  Bücher  der  aristotelischen  Politik  waren 
im  Alterthum  auseinaudergerissen  überliefert;  was  dem  dritten  fol- 
gen sollte,  die  Lehre  vom  besten  Staate,  wurde  ans  Ende  ge- 
bracht und  der  vielleicht  grössere  Theil  von  diesem  war  ganz  ver- 
loren;   das    fünfte,   unvollständig,  hatte    seine  Stelle  dem  sechsten, 


37 )  Die  Concinnität  der  Sprache  forciert  auch  hier  rö  ftiv  neql  to  ßov- 
Xsv6f.ievov,  wie  wir  nachher  statt  rd  nothwendig  ro  de  neoi  schreiben. 

3")  Mit  unbegreiflicher  Flüchtigkeit  hat  Biese  II,  525-  532.  diese  avv- 
dvußpLoi  auf  die  im  Buche  dargestellten  Verfassungen  bezogen,  auch 
Göttling  und  andere  haben  alles  für  vollständig  gehalten,  Schneider 
pag.  385  dagegen  die  Worte  Kap.  8.  noiag  ovv  aq^iörret  ovvdyeiv 
xal  noiag  xwqiteiv  del  /.irj  lavdüveiv  missverstanden,  dort  ist  von 
der  Cumulation  der  Stellen,  ao%al,  die  Bede,  was  mit  den  von  Ari- 
stoteles bezeichneten  avvövao(.iol  nichts  gemein  hat. 

6* 


11 

■welchem  wenigstens  der  Schluss  fehlt,  eingeräumt.  In  diesem  Zu- 
stande hatte  ein  Unbekannter,  der  den  innern  Zusammenhang  der 
Bücher  und  den  Gong  der  Darstellung  nicht  beachtete,  sondern 
diese  nun  überlieferte  verkehrte  Ordnung  für  richtig  hielt,  die  Poli- 
tik emendirt  und  mehrere  falsche  Zusätze  sich  erlaubt;  noch  können 
wir  einige  ganz  unpassende  Citationen  auf  die  frühem  Bücher  in 
der  Ordnung,  wie  er  sie  vorgefunden,  nachweisen,  sind  jedoch 
nicht  im  Stande,  diese  Spuren  weiter  zu  verfolgen.  Eben  so  we- 
nig vermögen  wir  die  Zeit  zu  bestimmen,  in  welche  diese  Interpo- 
lationen fallen.  Die  Politik,  so  lehrreich  sie  ist,  scheint  ausseror- 
dentlich wenige  Leser  gefunden  zu  haben,  und  ausser  ein  paar  zu- 
fälligen Angaben  bei  den  Alten39)  kenne  ich  nur  ein  Zeugniss  von 
grösserm  Belange.  Der  Abriss  der  peripatetischen  Ethik  bei  Sto- 
bäus  ist  nicht  von  diesem,  sondern  von  einem  andern  Anhänger  der 
aristotelischen  Philosophie,  und  kaiin  Jahrhunderte  älter  als  Stobäus 
seyn ;    die  Ethik  ist  zum  Theil  nach  andern  Quellen  als  uns  erhal- 


39)  Die  Scholien  zu  Aristophan.  Acharn.  v.  92.  führen  einige  Worte  aus 
dem  dritten,  v.  977.  aus  dem  fünften  Buche  an 5  über  Eubulus  des 
Philosophen  Schrift  neoi  zwv  IAqiozozeXel  nobg  zrjv  IlXazcovog  no- 
Xixsiav  dvzeiQYji-ievcüv  suche  Maio  Collectio  Vaticana  tom.  II.  pag. 
672  —  5  wo  ein  Fragment  mitgetheilt  ist;  vielleicht  dass  andere  Bi- 
bliotheken noch  das  Ganze  enthalten.  Julian  erwähnt  pag.  260-  sqq. 
eine  längere  Stelle  aus  III,  16,  (wo  pag.  1287,  28.  6  f.iev  ovv  zbv 
vovv  xeXevojv  agysiv  doxsl  xeXeveiv  aq%Eiv  zbv  &sbv  xal  zovg  vo- 
/.iovq  aus  der  Vossischen  Handschrift  des  Julianus  unser  Text  zu 
emendiren  ist  was  der  Gedanke  fordert  zbv  vofiov  xeXeviov  . .  xal 
zbv  vovv  fiovovg)  und  pag.  263  aus  VII,  3-  pag.  1325,  b.  21-  in 
folgender  Gestalt  (xäXioza  dt  7tQccTZ£ivXiyo/.iEvxvQlüjg  xal  zbzöiv  e^iote- 
qlxüjv  7iqaS,eiov  zovg  zrjg  ö tavoiag  äoyizexzovag.  Dass Photius  Worte 
ioyaxiäv ,  l'ayazov  zönov  yfjg,  rj  zag  vo/nag  eyovza  yioqia ,  cog  xal 
Idqiazoz&'krig  iv  zio  r'j  tieqI  zrjv  noXizEtag  sich  auf  VII,  10.  pag.  1330. 
14,  beziehen,  hat  Schneider  pag.   417  richtig  bemerkt. 


45 

ten  sind,  aber  ihr  ist  pag.  322  —  334  ein  Anhang  über  ohovof.uy.dg 
und  nofaxixog  und  summarisch  über  die  nofaxizrj  selbst  beigegeben, 
und  hier  lässt  sich  darthnn,  dass  ihr  Verfasser  nur  die  aristoteli- 
sche Politik  vor  Augen  halte  und  dass  er  sie  in  keiner  andern  Ge- 
stalt kannte,  als  in  welcher  sie  uns  jetzt  noch  überliefert  ist. 

Da  diese  Verwirrung  so  weit  hinaufreicht,  mag  es  erlaubt  seyn 
auch  auderes  in  Erinnerung  zu  bringen.  Jedermann  kennt  Strabo's 
Erzählung  über  das  Schicksal  der  aristotelischen  Bücher  und  Apel- 
likons  falsche  Ergänzungen.  Ob  der  trostlose  Zustand  der  Politik 
wirklich  davon  ausgeht,  wage  ich  nicht  zu  bestimmen40),  kann  je- 
doch nicht  umhin,  auf  eine  eigentümliche  Erscheinung,  die,  so  offen 
sie  daliegt,  doch  meines  Wissens  nicht  beachtet  worden,  die  Auf- 
merksamkeit der  Philologen  zu  richten. 

Am  Anfange  des  siebenten  Buches  wird  über  den  besten 
Staat  bemerkt,  man  müsse  zuerst  bestimmen,  welches  das  wün- 
sclienswertheste  Leben  sey;  ohne  dieses  könne  die  doiaxi]  no- 
faxeCcc  nicht  klar  werden.  Pag.  1323,  19.:  dio  dsi  nowxov 
ö/uoAoysi  o&ai  xig  6  naoiv  wg  slnuv  cäosxwxccxog  ßiog,  /uexd  d& 
xovxo  nöxaoov  y.oivft  xal  x^Q^  °  ccvxög  tj  txsoog.  Erstere  Frage 
wird  dahin  erörtert,  dass  es  in  einem  thätigen,  der  Tugend  gemäs- 
sen  Leben  bestehe,   und  nach  der  Weise  unseres  Philosophen  zuletzt 


4o)  Brandis,  Rhein.  Museum  I,  242  ?)von  Lücken,  Ergänzungen  und 
kritischer  Nachhilfe  finden  sich  bestimmtere  Spuren  auf  jeden  Fall 
in  dem  grössern  und  -wichtigem  Theile  der  Aristotelischen  Bücher 
nicht,  und  vielleicht  nur  in  den  Bruchstücken  über  Xenophanes 
Gorgias  und  Melissus,  einige  sehr  zweifelhafte  in  dem 
Werke  von  dem  es  am  allerwenigsten  glaublich  ist, 
dass  es  nicht  schon  vor  dem  Tode  des  Theophrast  in 
vielen  Abschriften  verbreitet  gewesen,  in  der  Politik.'' 
Welche   Spuren  sind  wohl  hiemit  angedeutet? 


40 

b.  21  in  wenige  Worte  zusammengefaßt,  um  zur  Beantwortung  der 
zweiten  Frage  überzugeheu:  oxt  /uiv  ovv  ixaGxcp  xijg  svdai/uoviag 
impäXkei  xogovxov  ogovtisq  aqexijg  xai  tfqovrJGsojg  xai  zov  nqdzzuv 
xaxd  xavxag,  tffrto  GvvcouoXoyt]ju^vov  r^xlv  . . .  auch  folgt  diese  unmit- 
telbar, mit  der  Erklärung,  dass,  was  von  dem  Einzelnen  gelte, 
gleichfalls  seine  Anwendung  auf  den  ganzen  Staat  finde: 

ijtofiBvov  *T  iotl  xai  xwv  avxwv  Xoyuav  dsojuevov  xai  noXiv 
ivdaiuova  xrjv  doi'Gxtjv  aivai  xai  nqdxxovGav  xaXwg.  adv- 
vaxov  ds  xaXwg  nqäxxuv  xolg  /urj  rd  xaXd  nqdxxovGiv  *  *) ' 
ovStv  Js  xaXov  tqyov  ovx  dvdqög  ovxs  noAscog  ftüioig  doe- 
xijg  xai  (pQOvrJGswg  ■  avdqta  b*k  nöksojg  xai  §ixaioGvvr\  xai 
(poov^Gig  xtjv  avxr\v  i-%si  dvva/xiv  xai  juooyrjv ,  a>v  jusxaG%cbv 
txaorog  xwv  ävd-Qumiov  Xiysxai  dixaiog  xai  (pqövijuog  xai 
GaHfoew*2^).  dXXd  yäo  ravxa  /usv  Uni  xogovxov  sGxco 
7ie(poo i/uiaG jutva  zw  Xöyco  (ovzs  ydq  fxr\  O-iyydveiv  av- 
xwv dvvaxöv ,  ovxs  ndvxag  zotig  oixsiovg  ins^sX9-eiv  ivSs^s- 
zav  Xoyovg-  txtqag  ydq  ioxiv  tqyov  G%ohrjg  xavxa)-  vvv  <T 
vtioxsigO-u)  xogovxov;  ozi  ßi'og  jli&v  aqiGzog  xai  %io- 
qig  txaGza)  xai  xoivtj  xalg  nöXsGtv  6  /uszd  aqsztjg 
xe%oqi]yrj juüvrig  ini  xogovxov  wgxs  tusx^ya iv  xwv 
xax  aQ-szrjv  nqd^swv.  nqog  Je  xovg  a/uyuGßqxovvxag 
iaGavxsg  ini  zijg  vvv  /uefrodov  diaGxsnxs'ov  vgxsqov  ,  u  xig 
roTg  siQt]]u£voig  xvyyjivu  /xij  nsi&o/usvog. 

So  redet  Aristoteles  sonst  nicht,  dass  wenn  man  diesen  seinen  jetzt 
vorgebrachten  Gründen  nicht  glaube,  er  später  sich  darüber  weiter 
erklären  wolle,    aber  das   ist  klar,   er  hat  damit  seine  beiden  Vor- 


4I)     Vielmehr  %r\v  /.irj  xä  .xalcc  tiqccxv  ovaav,    denn   von  nöXig    ist   die 

Rede. 
4l)     Von  den  Substantiven  fehlt  otocpQoovviy,  von  den  Adjektiven  ävdgelog. 


47 

fragen  abgemacht,  und  will  zum  eigentlichen  Gegenstande  eilen. 
Wie  niuss  man  aber  staunen,  wenn  man  sieht,  dass  die  zwei  fol- 
genden Kapitel  pag.  1324,  5.  —  1325,  b.  32.  die  letzte  Frage,  ob 
was  für  das  Individuum  gelte ,  auch  beim  ganzen  Staate  seine  An- 
wendung finde,  in  der  Art  wieder  aufnehmen,  dass  sie  die  voraus- 
gegangene Beantwortung  gar  nicht  kennen?  nöxaoov  Se  rrjv  sldai- 
/.wviav  xijv  avxtjv  aivai  (faxiov  tvög  ze  [y.äoxov  xwv  ccv&qojtxcov  y.al 
noÄswg  fj  firj  xtjv  avxtjv  Xotnov  iaxiv  einstv  auch  ist  der  Be- 
weis im  Ganzen  derselbe,  aber  zwei  andere  neue  Fragen  treten 
hier  zum  Vorschein,  die  er  oben  absichtlich,  wie  man  glauben 
möchte,  umgangen  hatte;  aXXd  ravx  rjdrj  ovo  iöxtv  a  dePtai  axäipews, 
ev  /usv  7iOT8Qog  atoexcäzsoog  ßiog ,  6  öia  xov  Gv^nohrtvead^ca  y.al 
xoivoivuv  TioJ.scog  rj  /.laÄZov  6  !-£vix6g  "/.cd  xtjg  noZixtxijg  zoivvavlag 
anolzXvutvog }  tri  de  rfvct  noXirstav  xrsxsov  y.al  nolav  dici&SGiv  no- 
Xaojg  doicsxtjv,  &¥ts  näoiv  bvtog  alosxov  xoivoivuv  noäscog  iure  y.al  xiöl 
/uiv  juij  roig  dz  nfeloroig.  Ob  man  sich  mit  Staatsgeschäften  abgeben 
soll,  haben  die  Philosophen  der  verschiedenen  Schulen  verschieden 
beantwortet,  für  die  peripatetische  Schule  ist  hier  wie  die  einzige 
Stelle  des  Stifters,  so  auch  ausführlich  darüber  belehrend;  aber  da- 
mit Niemand  im  Irrthume  sey,  worin  das  Wesen  der  ganzen  Unter- 
suchung bestehe,  so  sprechen  es  die  Schlussworte  des  dritten  Ka- 
pitels deutlich  aus:  ort  /ntv  ovv  rov  avxov  ßiov  ävayxaTov 
alvai  rov  äoitixov  ty.äoxto  re  xwv  dv&QWJiiov  y.al  zoivjj 
ratg    noAsoi  [y.al  rolg  civ&ownoig]*^,  giaveoöv  toxi. 

Da  an  der  Aechtheit  nicht  zu  zweifeln  ist,   beide  aber  Aristo- 


43)  Diese  Worte  sind  ein  falscher  Zusatz,  da  was  ausgedrückt  werden  soll, 
deutlich  genug  im  xal  xoivfj  xalg  TtoXeoiv  liegt;  dagegen  III,  6.  pag. 
1278.  b,  23.  /.idliaza  fiep  ovv  zovz  soxt  xilog  xal  xoivrj  ftäoi 
xal  %ioqLq  ungern  das  £xdorq>  vermisst  wird;  sonst  steht  gewöhn- 
lich xal  xoivfj  xal  y,tOQig,  ohne  ersteres  xal    VII,   1.    pag.   1323-   21. 


48 

teles  nicht  zu  gleicher  Zeil  gegeben  haben  kann,  so  läge  die  Ver- 
inuthung  nahe,  das  die  ausführliche  Darstellung  ihr  Entstehen  der 
aufgefundenen  Originalhandschrift  verdanke ,  und  ich  wünsche  hier- 
über, oder  wie  überhaupt  diese  Erscheinung  erklärt  werden  kann, 
das  Irlheil  von  Kennern  der  Schriften  unseres  Philosophen  zu  er- 
fahren44). 

*4)  Noch  eine  neue  Beurtheilung  mag  hier  erwähnt  werden,  Forchham- 
iner  in  den  Verhandlungen  der  Philologen-Versammlung  in  Cassel 
1843  pag.  81  —  91  sucht  nachzuweisen,  dass  die  Eintheilung  der 
Lehre  des  Aristoteles  über  die  Staatskunst  auf  der  Lehre  der  vier 
Ursachen,  und  die  Ordnung  dieser  Eintheilung  auf  der  Ordnung, 
welche  dieselben  in  der  Natur  der  Dinge  haben,  und  in  welcher  sie 
in  der  Physik  aufgezählt  werden,  beruhe;  das  erste  Buch  enthalte 
das  VTioxsiitEvov,  die  vXrj  des  Staates,  das  zweite,  dritte  und  vierte 
gebe  ausführliche  Kunde  von  den  Formen  der  Staaten,  das  fünfte  und 
sechste  lehre  die  Ursachen  der  Veränderungen  und  der  Erhaltung, 
so  wie  der  neuen  Gründung  der  Staaten,  das  siebente  und  achte 
stelle  den  höchsten  Zweck  des  Staates  auf,  bestimme  darnach  den 
besten  Staat  und  lehre  die  Bedingungen  und  Mittel  seiner  Verwirkli- 
chung. Darnach  erledige  sich  die  Frage  über  die  Ordnung  der  Bü- 
cher von  selbst  zu  Gunsten  der  Handschriften,  und  wenn  auch  Ari- 
stoteles IV,  2.  ankündige,  dass  der  Inhalt  des  sechsten  Buches  dem 
des  fünften  vorausgehen  solle,  so  müsse  es  dennoch  bei  der  jetzigen 
Ordnung  bleiben ;  das  wiederholte  Zeugniss  desselben  Autors  im 
VI.  Buche  über  das,  was  er  gethan  habe,  müsse  doch  mehr  gelten 
als  die  Ankündigung  im  IV.  über  das  was  er  thun  wolle,  uud  so  sey 
einleuchtend,  dass  nach  dem  eigenen  Zeugniss  des  Aristoteles  die 
jetzige  Ordnung  die  Aristotelische  sey.  Man  ist  gewohnt  bei  dem 
Verfasser  das  zu  vernehmen,  was  man  mit  dem  Namen  mirabilia 
bezeichnet;  hier  hat  er  sich  selbst  übertroffen.  Weil  die  Physik 
in  Untersuchung  der  Dinge  nach  den  verschiedenen  Ursachen  fragt, 
und  die  causa  materialis,  formalis,  efficiens,  finalis  unterscheidet, 
soll  die  ganze  Politik  nach  diesen  vier  Gründen  geordnet  und  aus- 
geführt seyn!  Aristoteles  gibt  überall  Methode*  und  Gang  der  Un- 
tersuchung an;  von  dieser  neuen  Entdeckung  aber,   denn  eine  solche 


19 

müssten  wir  sie  nennen,  weiss  er  offenbar  seihst  nichts.  Und  wie 
sollte  er  davon  schweigen  und  mit  keinem  Worte  seinen  Plan  den 
Lesern  mittheilen?  Das  wäre  einzig  in  seiner  Art,  ist  aber  dem 
in  der  Politik  deutlich  bezeichneten  Gange,  den  wir  nachgewiesen 
haben,  geradezu  entgegen.  Es  war  ein  unglücklicher  Gedanke,  aus 
einigen  Stellen  der  physiologischen  Bücher,  worin  öfter  jener  al'zicc 
Erwähnung  geschieht,  den  kühnen  Sprung  auf  die  Politik  zu  wa- 
gen. Oder  sind  selbst  jene  so  ausgeführt?  Die  Thiergeschichte 
enthält  das  ozi ,  die  Bücher  negl  Coicüv  [.ioqiiüv  und  ysviaeiog  das 
diozi ,  die  al'zia,  aber  keineswegs  sind  diese  in  der  Folge  der  vier 
Ursachen,  wie  sie  die  Physik  angiebt,  erklärt;  sie  gehen  oft  in  ein- 
ander und  dort  ist  das  o&ev  rj  ctQyi]  zrig  yevicfscog  zuletzt;  das  kann 
jeder  sehen,  der  mehr  als  den  Anfang  des  einen  oder  anderen  Bu- 
ches, der  das  Ganze  vergleicht.  Und  welche  Willkühr  hat  sich  der 
Verfasser  dieser  Hypothese  in  der  Deutung  dieser  Bücher  selbst  er- 
laubt! Betrachten  wir  jene  vier  aristotelischen  Ursachen  mit  Bezie- 
hung auf  den  Staat,  so  ist  einleuchtend,  die  vhj,  der  Stoff,  das 
was  Aristoteles  VII,  4  —  12  angiebt,  elöog  die  nnXizcia  avrrj,  wie 
sie  dort  13.  sqq.  angegeben  ist,  o&ev  rj  agyrj  zrjg  xivrjoeiog  ist  der 
Mensch  als  U(Jjoi>  no)uxix6v ,  der  in  der  noiviovia  leben  will,  end- 
lich zelog  ist  die  evdai(.iovla  selbst,  das  ev  Ltjv.  Man  sieht,  dass 
diese  Gegenstände  zwar  auch  in  der  Politik  vorkommen,  und  natür- 
licher Weise  darin  vorkommen  müssen,  aber  die  Ordnung  der  Bü- 
cher nicht  davon  im  Geringsten  abhängig  ist.  Von  dem  richtigen 
Verständnisse  des  Einzelnen  muss  das  Verständniss  des  Ganzen  aus- 
gehen, jedes  einzelne  Werk  muss  aus  sich  selbst  vollständig  erklärt 
werden,  und  dieses  ist  bei  Aristoteles  viel  leichter  als  bei  Piaton, 
nicht  aber  fremde  Begriffe  dürfen  als  Grundlage  gesetzt  und  das 
unterste  zu  oberst  gekehrt  werden,  wie  etwa  hier  Seite  83  die 
Ethik  als  Fortsetzung  der  Politik,  S.  89  das  ei>exd  zov  für  ou  svsxa 
d.  h.  das  Mittel  für  den  Zweck  genommen  wird  Die  gerühmte 
Gründlichkeit  der  deutschen  Philologie  hat  in  Beziehung  auf  die  ari- 
stotelische Politik  nicht  nur  das  richtige  nicht  geahnet,  sondern  sich 
als  wenig  fähig  bewiesen,  den  von  Italienern  und  Franzosen  richtig 
erkannten  Zusammenhang  des  Werkes  auch  nur  zu  würdigen  und  zu 
verstehen;  leicht  könnte  ein  Fremder  Hesiodus  Verse  mit  seinem 
gutem  Beeilte  auf  uns  in   Anwendung  bringen. 


Abhandllungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ali.  d.  YViss.  V.  Bd.  I.  Ablhl. 


Die   Amazonen. 

Von 
Friedrich  August  Ukert  in  Gotha. 


Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  b.  Akad.  d.  W.  V.  Bd.  I.  Abthl.  j[ 


Die  Amazonen1). 

Von 

Friedrich  August  IJhert  in  Gotha. 


Oav/maürov  ovk  'IOtiv  Int  npäy/maStv    ovtcj 
naXaioU    nXotvo&ai   rijv    iSropCav. 

Plut.    Thes.  27. 

Zu  den  bekanntesten  und  oft  erwähnten  Sagen  gehören  die 
von  den  Amazonen,2)  die  in  früher  wie  in  später  Zeit  auf  die  man- 
nigfaltigste Weise  erzählt,  ausgelegt  und  gedeutet  sind.  Bald  be- 
trachtete man  sie  als  wahre  Geschichte,  bald  behandelte  man  sie 
als  Allegorie,  oft  diese  oder  jene  tiefe  Weisheit  darin  suchend,  die 
man  auf  die  verschiedenste  Art  darzulegen  und  zu  enträthseln  sich 
bemühte. 

Nicht  zu  übersehen  ist,  dass  uns  aus  der  reichen  Fülle  von 
Sagen  über  diese  kriegerischen  Weiber  nur  abgerissene  Nachrichten, 
einzelne  Andeutungen  erhalten  sind.  Suchen  wir  diese  zusammen- 
zuordnen, zu  beachten,  wie  sie  im  Laufe  der  Zeit  anders,  und  an- 
ders gestaltet  wurden,  und  so  zu  bestimmen,  was  von  jenen  Ama- 
zonen zu  halten  sei. 

Wir  finden  die  Amazonen  zuerst  in  den  Homerischen  Gedich- 
ten erwähnt.     Priaenos  erzählt,3)   er  sei  als  kriegerischer  Beistand 

1* 


nach  Phrygien    gegangen ,    als    das  Heer  der  Phrygier  am  Samga- 
rius  lagerte;  er  erklärt: 

—  ich  ward  als  Bnndesgenoss   mit  ihnen  gerechnet. 

Jenes  Tags,  da  die  Hord'  amazonischer  Männinnen  einbrach. 

Wir  werden,  nach  dieser  Angabe,  nicht  irren,  wenn  wir  die 
Kriegerinnen  im  Nordosten  Kleinasiens  annehmen.4)  Eben  daselbst 
mochte  der  Sänger  sie  suchen,  wenn  er  berichtet,5)  dass  der  König 
von  Lybien  dem  Bellerophon  gefährliche  Unternehmungen  aufgetra- 
gen habe ,  damit  dieser  seinen  Tod  dabei  finden  solle  ,  und 
dass  er  unter  andern  die  Amazonen  bekämpfen  musste.  Der 
Held  bestand  auch  dieses  Abentheuer  glücklich ,  da  es  von  ihm 
heist:6) 

drauf  zum  dritten  erschlug  er  die  männliche  Hord  Amazonen. 

Wahrsheinlich  fiel  auch  dieser  Kampf  in  Kleinasien  vor,  und  wohl 
ebenfalls  im  nordöstlichen  Theile.7)  Welche  Ansicht  man  sonst  von 
diesen  muthigen  Frauen  hegte,  wird  nicht  angegeben.  Auf  sie  be- 
zog man  aber  noch  eine  dritte  Stelle  in  der  Iliade,8)  wo  von  einer 
Anhöhe  bei  llion  gesagt  wird: 

Draussen    liegt    vor   den    Thoren    der   Stadt    ein    erhabener 

Hügel, 
In  dem  Gefild'  abwärts,  und  umgehbar  hierhin  und  dorthin. 
Dieser  wird  Batieia  genannt  von  sterblichen  Männern, 
Einigen  heisst  er  das  Mal  der  sprunggeübten  Myrina. 

Der  Dichter  sagt  nichts  weiter  über  diese  Myrina,  auch  nicht,  wie 
sie  ihr  Leben  eingebüsst ,    und    warum    ihr    ein    so  ausgezeichneter 


Grabhügel  aufgeschüttet  worden.  Spätere  Ausleger  erklärten  sie 
für  eine  Tochter  des  Dardanus,  oder  eine  Amazone,9)  und  berich- 
teten:10) sie  sei  gegen  Troja  gezogen,  habe  dort  ihren  Tod  gefun- 
den, und  die  anderen  Amazonen  hätten,  zu  ihrer  Ehre,  die  Stadt 
Myrina  gebaut.1  J) 

Es  ist  vorher  bemerkt,  dass  man  wahrscheinlich  die  Amazonen 
im  Nordosten  Kleinasiens  wohnen  liess.  Betrachten  wir  diese  Ge- 
gend näher,  so  gibt  sie  uns  Aufschluss  über  die  Entstehung  der 
Sage  von  diesen  Kriegerinnen.  Das  grosse  Gebirge,  das  unter  dem 
Namen  Kaukasus  am  Ostende  des  Pontus  hinzieht,  mag  frühzeitig 
die  Scheide  zwischen  Völkern  verschiedenen  Stammes,  verschiede- 
ner Sprache,  Sitte  und  Cultur  gewesen  sein,  und  aus  den  nördlichen 
Gegenden  mochten  früh,  wie  noch  später,  grössere  und  kleinere 
Schaaren ,  von  den  Griechen  nachher  Scythen  im  Allgemeinen  ge- 
nannt, den  Versuch  machen,  gegen  Süden  vorzudringen,  und  sich  in 
Kleinasien  anzusiedeln.  Das  genannte  Gebirge  stösst  gegen  Mittag 
an  ein  anderes,  das  Vorderasien  nach  Westen  hin  durchzieht,  und 
einen  gegen  den  Pontus  abgedachten  Küstenstrich  bildet,  den  eine 
Menge  von  Flüssen  durchströmt,  unter  denen  der  Phasis,  Thermo- 
don,  Iris,  Halys  am  bekanntesten  sind.  Dieses  Ufeigebiet,  nach 
manchen  noch  weiter  westlich,  hatten  Scythen  in  Besitz  genommen, 
deren  Nachbarn  gegen  Abend  Thraker  waren.12) 

Bei  den  Völkerschaften  im  Kaukasus,  und  nördlich  und  östlich 
von  demselben,  finden  wir  eine  eigentümliche  Sitte  angeführt,  die 
den  Hellenen  vorzüglich  auffallen  musste,  und  daher  oft  erwähnt 
wird,  die  Frauen  nahmen  Antheil  am  Kampf  und  Krieg.  Eine  Kö- 
nigin der  Saken  schlug  den  Cyrus,  und  in  ihrem  Heere  waren  Tau- 
sende von  Weibern.13)  Nach  Ktesias14)  fochten  die  Frauen  der 
Saken  zu  Pferde.  Hippokrates15)  bemerkt,  bei  den  Sauromaken,  am 
Tanais,  reiten  die  Frauen,  schiessen  mit  dem  Bogen,  werfen  Wurf- 


6 

spiesse  vom  Pferde  und  kämpfen  gegen  die  Feinde ,  so  lange  sie 
Jungfrauen  sind.  Plato  erklärt,16)  er  wisse  dass  Tausende  von 
Weibern,  Sauromakides  genannt,  am  Pontus  lebten,  die  nicbt  blos 
ritten,  sondern  auch  Bogen  und  andere  Waffen  führten,  wie  die 
Männer.  Nicolaus  Damascenus17)  sagt  im  Allgemeinen:  die  Frauen 
der  Scythen  sind  nicht  weniger  kriegerisch  als  die  Männer,  und 
gehen,  wenn  es  möglich  ist,  mit  in  die  Schlacht;  daher  (sagt  man) 
sie  wären  Amazonen.  Als  Pompejus  im  Kaukasus  kriegte,  schlug  er 
die  Albaner  und  Iberer,  am  Fluss  Kyros,  und  zwang  sie  Geissein 
zu  geben.  Unter  diesen  und  den  Gefangenen  waren  viele  W7eiber, 
die  Wunden  hatten  wie  die  Männer.  Sie  schienen  Amazonen  zu 
sein,  setzt  Appion  hinzu.18)  Mag  nun,  fährt  er  fort,  in  der  Nach- 
barschaft das  Volk  der  Amazonen  leben,  die  sie  damals  zu  Hülfe 
riefen,  oder  mögen  die  Barbaren  in  jener  Gegend  kriegerische  Wei- 
ber überhaupt  Amazonen  nennen.19) 

Nachrichten  der  Art,  dass  Frauen  in  jenen  Gegenden  Völker 
beherrschten,  ihre  Schaaren  in  die  Schlacht  führten,  muthig  im 
Kampfe  dem  Feinde  entgegentraten,  mochten  frühzeitig  zu  den  Hel- 
lenen kommen  und  ihre  Aufmerksamkeit  erregen.  Die  Ferne  ist 
das  Gebiet  der  Wunder,  die  Sage  wächst  im  Fortgehen,  und  bald 
sprach  mau  von  einem  Staate  kriegerischer  Weiber,  schilderte  ihre 
Einrichtungen  und  handelte  über  ihre  Geschichte.  Es  ging  wie  mit 
allen  solchen  Nachrichten.  Was  der  erste  einfach,  abgerissen  er- 
zählte, verband  und  schmückte  der  nächste,  und  je  ferner  die  Zeit 
des  Entstehens  der  Sage,  desto  umständlicher  und  bestimmter  stellt 
der  Erzählende  nun  alles  dar,  mit  scheinbarer  Genauigkeit. 

In  den  aus  dem  Hesiodischen  Zeitalter  uns  zugekommenen  Ge- 
dichten, werden  die  Amazonen  nicht  erwähnt;  dass  aber  ihr  Name 
sich  erhielt,  ihr  Ansehen  stieg,  sie  berühmt  wurden,  zeigen  Spätere. 
Unter  den  Griechen  gingen  in  dieser  Periode  grosse  Veränderungen 


vor,  in  Bezug  auf  den  Staat,  das  bürgerliche  Leben,  Sitten  und  Ge- 
bräuche, und  vorzüglich  in  religiöser  Hinsicht.  Die  Homerischen 
Gedichte  wurden  allgemeiner  bekannt,  und  die  von  dem  Sänger  ge- 
feierten Helden  und  mehrere  der  von  ihm  verherrlichten  Frauen  be- 
trachtete man  als  Mittelwesen  zwischen  Göttern  und  Menschen,  als 
Heroen,  im  höheren  Sinne  des  Wortes.  Man  rief  sie  an  um  Schutz 
und  Hülfe,  und  ihnen  ward  eine  Verehrung  zu  Theil,  wie  den  un- 
teren Gottheiten.  Mit  Recht  sagt  von  ihnen  unser  vaterländischer 
Dichter : 

Grosser  Thaten  herrliche  Vollbringer 
Klimmten  zu  den  Seligen  hinan. 

Der  unternehmende,  thatenfrohe,  kampflustige  Hellene  konnte  sich 
seine  Helden  nur  als  durch  Thatkraft,  kühne  Wagnisse,  Züge  in 
ferne  Gegenden,  Kriege,  Vertilgung  schädlicher  Ungeheuer,  Bekäm- 
pfung roher  Barbaren  ,  Anlage  von  Colonien  u.  dgl.  zur  Verehr- 
ung berechtigt  denken.  Die  Amazonen  schienen  ihnen  würdig,  sich 
den  Heroen  anzuschliessen,  und  man  brachte  ihnen,  wie  diesen, 
Opfer.2  o) 

Ihr  Ansehen  stieg,  als  man  sie  in  genaue  Verbindung  mit  einer 
Gottheit  setzte,  die  in  einem  grossen  Theil  der  damals  bekannten 
Welt  mit  Ehrfurcht  angebetet  ward,  der  jungfräulichen  Artemis, 
deren  Verehrung  bei  wachsendem  Verkehr  mit  dem  Osten  und  Nor- 
den sich  immer  mehr  hob,  wie  die  des  jugendlichen  Gottes,  des 
Apollo.21)  Als  hochheilig  erschien,  nach  der  Homerischep  Zeit,22) 
die  Ephesische  Göttin.  Die  Sage  erzählte,  Amazonen  hätten  ihr 
Bild  aufgestellt,23)  oder  ihren  Tempel  gebaut,24)  oder  wären  als 
Flüchtende  zu  ihr  gekommen  und  hätten  Schutz  gefunden.25)  Sie 
erschienen  dann  als  ihre  Begleiterinnen  und  Dienerinnen.  Pausanias 
bemerkt26)    „die  Ephesische   Diana    wird    in  allen  Städten  verehrt, 


und  die  Männer  besonders  halten  sie  vor  allen  anderen  hoch.  Der 
Grund  ist,  wie  mir  scheint,  der  Ruf  der  Amazonen,  die,  der  Sage 
nach,  ihr  Bild  aufstellten,  und  dann,  dass  der  Tempel  seit  uralter 
Zeit  erbaut  ist.  Noch  dreierlei  trug  ebenfalls  bei  zu  dein  Ruhme: 
die  Grösse  des  Tempels  der  alle  anderen  Bauwerke  tibertraf,  die 
Blüthe  der  Stadt  der  Epheser  und  endlich  das  Ansehen  der  Göt- 
tin.- 7)<k  Seitdem  man  die  Amazonen  als  Heilige  betrachtete,  nannte 
man  sie  als  Gründerinnen  mancher  Städte  in  Kleinasien ,  und,  wie 
tiberall  die  Erbauer,  wurden  sie  mit  Opfer  und  Gebet  verehrt.28) 

In  den  Kämpfen  gegen  von  Aussen  andringende  Feinde  lernten 
sich  die  Griechen  als  Ein  Volk  betrachten,  und  nannten  sich  Helle- 
nen, im  Gegensatz  von  den  Fremden,  den  Barbaren29).  Ihr  Haupt- 
heros war  Herkules,  und  wie  die  frühere  Sage  ihn  im  Westen  das 
Ende  der  Welt  erreichen  Hess,  so  sollte  er,  der  späteren  gemäss, 
auch  im  Osten  zu  dem  äussersten  Volke  gekommen  sein,  das  in  der 
Gegend  des  Phasis  wohnte,  der  lauge  als  der  entfernteste  Strom 
im  Osten  galt.  Oft  erwähnt  wird  sein  Zug  gegen  die  Amazonen, 
um  den  Gürtel  der  Königin  zu  holen;  so  wie  man  auch  den  Dio- 
nysos zu  ihnen  kommen  liess. 

Die  bald  erwachende  Eifersucht  zwischen  Dorern,  an  deren 
Spitze  die  Spartaner  standen,  und  Joniern,  unter  denen  die  Athener 
die  ersten  waren,  brachte  diese  letzteren  bald  dahin,  da  Herkules 
immer  mehr  als  Dorer  betrachtet  ward,  einen  heimischen  Heros  zu 
erheben.  Die  Zeiten  der  Gefahr  sind  auch  die  Zeiten  des  Glaubens, 
der  schwache  Sterbliche,  seiner  eigenen  Kraft  nicht  allein  vertrau- 
end, sucht  Schutz  und  Beistand  höherer  Wesen,  sein  Hülfernf  zieht 
sie  herbei,  und  die  erregte  Phantasie  zeigt  sie  oft  in  verklärter 
menschlicher  Gestalt  dem  Bedrängten  Beistand  leistend.  In  Attika 
mochte  Theseus  früh  als  heimischer  Heros  genannt  werden,  die  Ho- 
merischen  Gedichte   zeichnen    ihn  aber    nicht    vor    anderen    aus30). 


9 

Sein  Ansehen  scheint  in  der  Hesiodischen  Zeit  sich  gehoben  zu 
haben.31)  In  der  Marathonischen  Schlacht  aber  glaubte  man  ihn 
kämpfen  zu  sehen32)  und  bald  wurden  ihm  Heiligthümer  errichtet, 
und  er  erschien  als  Hauptheros  des  Landes,33)  den  man  durch 
Opfer  verehrte. 

Nach  dem  Vorbilde  des  Herkules  gestaltete  man  allmählig  den 
Mythus  vom  Theseus.  Hatte  aber  jener  sich  als  Wohlthäter  der 
Menschheit  vorzüglich  durch  Bezwingung  schädlicher  Thiere  und 
Ungeheuer  gezeigt,  so  liess  man  den  Theseus  übermüthige  Gewal- 
tige, die  den  Frieden  und  Verkehr  störten,  bestrafen.  Auch  zum 
fernsten  Osten  zog  er,  der  Sage  nach,  gegen  die  Amazonen,  ent- 
weder mit  dem  Herkules,  oder  ohne  ihn,  aber  den  Erfolg  des  Kam- 
pfes erzählt  man  auf  andere  Art,  als  in  den  Sagen,  die  blos  vom 
Herkules  handelten.  Die  Athener  hatten  im  siegreichen  Kampf  bei 
Marathon ,  vorzüglich  durch  ihre  Tapferkeit  Hellas  von  der  Herr- 
schaft gefürchteter  Barbaren  befreit;  sie  sollten  nun  schon  in  grauer 
Vorzeit  als  Vorkämpfer  der  Freiheit,  als  Besieger  Verderben  dro- 
hender Heerschaaren  des  Orients  ercheinen,  und  so  liess  die  Sage 
das  berühmteste,  ferneste  Volk,  das  als  den  Göttern  nahestehend 
betrachtet  ward ,  in  Hellas  erobernd  mit  Racheplanen  eindringen, 
wo  aber  durch  die  heldenmüthige  Anstrengung  der  Athener,  das 
Verderben  abgewendet  ward.34) 

Betrachten  wir  diese  Ansichten  jener  Zeiten,  so  erklärt  es 
sich ,  wie  die  Amazonen  nach  und  nach  so  allgemein  ein  Gegen- 
stand der  Aufmerksamkeit  wurden.  Aus  den  abgerissenem  Nach- 
richten, die  uns  über  sie  aus  dem  Alterthume  erhalten  sind,  ergibt 
es  sich,  wie  Alles  um  die  Zeit  der  Perserkriege  dazu  beitrug,  sie 
zu  verherrlichen,  und  den  Glauben  an  sie  zu  befestigen.  Seit  der 
Zeit  waren  ihre  Züge  und  Thateu  der  Gegenstand  der  Gesänge 
der  Dichter;  aber  auch  dem  bildenden  Künstler  war  es  ein  er- 
Abhandlungen der  I.  Cl.  d.  k.  b.  Alsad.  d.  W.  V.  Bd.  I.  Abthl.  2 


10 

Wünschte?  Stoff,  Wesen  die  der  Glaube  geheiligt  hatte  und  hoch- 
hielt, kämpfend,  .siegend,  unterliegend,  zu  Fuss  und  zu  Pferde,  be- 
waffnet und  ohne  Waffen,  in  allen  möglichen  Lagen  darzustellen 
und  die  Herrlichkeit  des  menschlichen  Körpers  in  den  verschieden- 
sten Gruppen  und  Stellungen  zu  zeigen.  An  den  heiligsten  und  be- 
suchtesten Orten  wurden  sie  abgebildet,  und  die  Ehrwürdigkeit  des 
Ortes,  so  wie  des  dort  verehrten  Hauptgottes,  hob  diese  Heroinen, 
wer  sie  dort  gesehen,  verliess  mit  festerem  Glauben,  mit  grösserer 
Ehrfurcht  die  heiligen  Bezirke.  Redner  und  Rhetoren  benutzten 
was  die  Sage  von  den  Amazonen  erzählte,  um  ihr  Land,  ihre  He- 
roen durch  den  Kampf  mit  ihnen  zu  erheben,  stellten  alles  dar,  als 
ob  kein  Zweifel  daran  Statt  finden  könne.  Wer  die  Athener  loben 
wollte,  durfte  diese  Erzählungen  nicht  übergehen.  Philosophen  spre- 
chen von  den  kriegerischen  Jungfrauen,  die  Logographen  bemühten 
sich,  das  Historische  auszuscheiden,  und  der  Geograph  suchte  die 
Wohnsitze  dieses  Volkes,  das  man  nie  ganz  aufgab,  das  sich  aber 
immer  weiter  in  unbekannte  Ferne  zurückzog,  zu  ermitteln.35) 

Sehen  wir  jetzt,  wie  das  was  wir  im  Allgemeinen  hier  ange- 
geben haben,  durch  die  uns  erhaltenen  Bruchstücke  der  Dichter  und 
durch  die  Prosaike  bestätigt  wird. 

Aretinus,  um  den  Anfang  der  Olympiaden,  sang  von  den  Ama- 
zonen und  sie  heissen  Töchter  des  Ares  und  Thrakerinnen,  da  man 
damals  die  nördlichen  Länder  im  Allgemeinen  Thrakien  nannte36) 
und  als  den  vorzüglich  daselbst  verehrten  Gott  den  Ares  anführte.37) 
Der  genannte  Dichter  liess  die  Penthesilea  den  Troern  zu  Hülfe 
kommen.  Andere,  als  man  die  kriegerischen  Jungfrauen  in  Verbin- 
dung mit  der  Artemis  setzte,  erzählten,  dass  von  der  Ephesus,  einer 
Dienerin  der  Artemis,  die  berühmte  Stadt  den  Namen  erhielt.  Ihre 
Tochter  war  die  Amazone,  und  davon  bekamen  die  Jungfrauen  den 
Namen    Amazonen.37*)    —  Die  Cycliker   haben    folgende    Sage:38) 


11 

Eurystheus,  lieisst  es,  hatte  dein  Herknies  befohlen,39)  für  seine 
Tochter  den  Gürtel  der  Amazonenkönigin  zu  holen,  der,  vom  Ares 
gegeben,  ausgebreitete  Macht  und  Herrschaft  verleihen  sollte.40) 
Die  Amazonen  waren  ein  kriegerisches  Volk.  Sie  lebten  wie  Män- 
ner, und  wenn  sie  Mädchen  zur  Welt  brachten,  hinderten  sie  das 
Wachsthum  der  rechten  Brust,41)  damit  sie  die  Waffen  desto  bes- 
ser führen  konnten.  Herkules  steuerte  mit  einem  Schiffe  nach  The- 
miskyre.42)  Hippolyte  kam  zu  ihm  und  versprach  den  Gürtel  aus- 
zulieferu.  Here  indess,  die  Gestalt  eiuer  Amazone  annehmend,  regte 
die  Menge  auf,  indem  sie  vorgab,  die  Herrscherin  werde  entführt. 
Alle  warfen  sich  auf  die  Pferde  und  eilten  bewaffnet  zum  Lan- 
dungsplatz. Herkules,  der  Verrath  ahnte,  erschlug  die  Hippolyte 
und  nahm  den  Gürtel.  Es  entstand  ein  Kampf,  nach  demselben 
schiffte  der  Heros  ab. 

Um  die  Zeit  der  Perserkriege  finden  wir  dann,  wie  schon  be- 
merkt worden,  die  Amazonen  häufig  erwähnt.  Nach  Pindar  sind 
sie  in  Kleinasien,43)  haben  treffliche  Pferde  und  führen  den  Bogen 
von  Erz.44)  Er  sang  von  Bellerophon,  der  von  seinem  geflügelten 
Ross  die  Jungfrauen  bekämpfte45),  liess  den  Herakles  mit  dem  Jo- 
laus  gegen  sie  ziehen46)  und  schilderte  ihr  Unternehmen  gegen 
Athen  und  den  Theseus47).  Auf  diesem  Zuge  gründeten  sie  den 
Tempel  zu  Ephesus.  Theseus  heirathete  die  Antiope,  zeugte  mit  ihr 
den  Demophoon,  nach  anderen  den  Hippolytus,  als  jene  starb  ver- 
mählte er  sich  mit  der  Phädra48).  Auch  mit  den  Göttern  setzt  er 
die  Amazonen  in  unmittelbare  Verbindung,  da  er  den  Apollo  zu  ihnen 
wie  zu  den  Hyperboreern  wandern  lässt.49) 

Aeschylus  erwähnt  sie  öfter.50)  Er  nimmt  an,  dass  sie  aus 
nördlicheren  Gegenden  südlich  zogen,  da  er  sie  früher  westlich  von 
der  Manotis  wohnen  lässt,51)  später  in  Themiskyre,  an  Thermo- 
don,52)  auch  nennt  er  sie53)  s 

2* 


12 

die  Kolchis  Flur  bewohnen, 

IMädchensichwänn,  in  Schlachten  furchtbar. 

Sie  leben  ohne  Männer54)  und  nähren  sich  von  Fleisch.  Er  ge- 
denkt des  Einfalls  der  Amazonen  in  Attika,  und  lässt  die  Athener, 
in  Bezug  auf  den  Areopagus  sagen55):  er  war 

■ —  —    —  einst  der  Amazonen  Sitz 

Und  Lager  (als  neidvoll  auf  Theseus  ihre  Macht 

Zum  Streit  daherzog,  und  der  Stadt,  der  jugendlich 

Emporgethürmten,  Gegenthürm  aufbauete, 

Dem  Ares  opfernd,  dass  davon  den  Namen  trägt 

Des  Ares  Felsenhügel56). 

Euripides  führt  oft  den  Herkules,  den  Theseus57)  und  die  Amazo- 
nen an58),  die  er  ebenfalls  als  Reiter  schildert59).  Sie  verehren 
vor  allen  die  Artemis60). 

Als  Beglaubigung  für  den  Zug  des  Herkules  gegen  die  Ama- 
zonen zeigte  man  in  Delphis  gestickte  Teppiche,61)  die  er  den 
Kriegerinnen  abgenommen  und  dort  als  Weihgeschenke  niederge- 
legt hatte. 

Denkmäler  anderer  Art,  aus  der  Zeit  der  Tragiker,  erhielten 
und  verbreiteten  den  Ruf  der  Amazonen  immer  mehr,  da  Bildhauer 
und  Maler  ihre  Kämpfe  an  den  heiligsten  und  besuchtesten  Orten 
darstellten. 

An  den  Querriegeln,  welche  die  Füsse  am  Thron  des  Olym- 
pischen Zeus  hielten,62)  war  der  Kampf  des  Herkules  mit  den 
Amazonen  abgebildet;  Theseus  war  mit  unter  den  Gefährten  jenes 
Heroen.     Die  Schlacht  des  Theseus  gegen  die  kriegerischen  Jung- 


13 

frauen  war  an  dem  Fusschemmel  des  Gottes  dargestellt.63)  An 
einer  Mauer  im  Tempel  hatte  Panaeos,  des  Pliidias  Bruder,64)  die 
sterbende  Penthesilea  gemalt,  wie  Achilles  sie  hielt.  DasS  die  Ama- 
zonen hier  so  hervorgehoben  wurden ,  mochte  auch  mit  dadurch 
veranlasst  sein,  dass  die  Artemis  vorzüglich  in  Elis  verehrt  ward, 
und,  wie  Strabo  sagt,65)  das  Land  voll  von  ihren  Tempeln  war. 
Auch  an  der  Aussenseite  des  Tempels,  in  dem  Giebelfelde  des  Opi- 
stodomos,  hatte  Alkamenes  den  Herkules  gebildet,  wie  er  der  Ama- 
zone den  Gürtel  nahm.66)  Als  aus  alter  Zeit  herrührend  betrachtet 
mau  die  vom  Aristokles  gearbeitete  Gruppe,  die  im  Hain  zu  Olym- 
pia stand,  wie  Herkules  einer  Amazonin  zu  Pferde  den  Gürtel  rau- 
ben wollte.663) 

Gehen  wir  nach  Athen,  so  sah  man  dort  in  der  Pökile,  einer 
Halle  am  Markte,  den  Kampf  der  Athener  unter  Theseus  gegen  die 
Amazonen,  neben  der  Eroberung  von  Ilion  und  der  Schlacht  von 
Marathon.67)  Derselbe  Gegenstand  war  im  Tempel  des  Theseus 
dargestellt.68)  Auf  dem  Schilde  der  Schutzgottheit  Athens,  der 
Athene,  fand  man  ihn  ebenfalls  abgebildet,69)  sowie  in  dem  Tempel 
derselben  Göttin  zn  Elatea  in  Photis.70) 

Zu  Delphi,  in  der  Lesche,  hatte  Polygnotus  die  Penthesilea 
gemalt.71) 

Im  Tempel  der  Artemis  zu  Ephesus  standen  Bildsäulen  der 
Amazonen  von  Phidias,    Polykletus  und  anderen.72) 

Dass  bei  solchen  Verhältnissen  die  Priester  und  Exegeten  nicht 
unthätig  geblieben  sind,  das  Ansehen  der  Amazonen  zu  heben,  ist 
wohl  mit  Sicherheit  anzunehmen,  wenn  uns  auch  bestimmte  Nach- 
richten darüber  fehlen. 


u 

Die  Logographen  nahmen  die  auf  solche  Weise  ausgebildeten 
und  überlieferten  Sagen  von  den  Amazonen  auf,  behandelten  sie  als 
Geschichte  ,  und  suchten  den  Wohnplatz,  dieses  Volkes  zu  bestim- 
men. Pherukydes  nannte  als  ihren  Vater  den  Ares,73)  ihre  Mut- 
ter Harmonia,74)  die  jener  im  Akmonischen  Hain  umarmte,75)  in 
Plirygien.76)  Aus  jenem  Geschichtsschreiber  ist  wohl  die  Bemer- 
kung,77) in  der  Nähe  vom  Gefilde  des  Akmon  wären  drei  Städte 
der  Amazonen,  Lykastia,  Themiskyre  und  Chalkobia.78)  Er  liess 
den  Theseus  zu  den  Kriegerinnen  gehen,  mit  den  Phorboes,  seinem 
Wagenlenker,  und  die  Antiope  rauben.79)  Plutarch  bemerkt,80)  die 
meisten,  zu  denen  Phernkydes,  Hellanikus  und  Herodorus  gehörten, 
hätten  den  Theseus  später  als  den  Herkules,  mit  eigenen  Schiffen 
zu  den  Amazonen  führen  lassen.  Er  habe  eine  Amazone  mitgenom- 
men. Nach  Bion  raubte  er  diese  durch  List;  denn  da  die  Amazo- 
nen die  Männer  liebten,  hätten  jene  den  Theseus  nicht  gemieden, 
sondern  schikten  Geschenke.  Er  liess  die  Ueberbringerin  ins  Schiff 
kommen  und  entführte  sie  dann.81) 

Gegen  die  Zeit  der  Logographen  haben  sich  die  griechischen 
Colonien  in  Kleinasisn  gehoben,  und  mit  ihrer  zunehmenden  Bedeut- 
samkeit wuchs  auch  das  Verlangen,  sich  Rechenschaft  über  die 
frühere  Zeit  zu  geben.  In  ihnen  selbst  traten  Männer  auf,  die  sich 
mit  diesen  Untersuchungen  beschäftigten.  Wie  man  aus  Allem  sieht, 
waren  es  einzelne  abgerissene  Sagen,  die  sich  aus  der  Vergangen- 
heit erhalten  hatten,  Namen  von  Flüssen,  Bergen,  Quellen,82)  Grab- 
mäler83)  u.  dgl.  erinnerten,  wie  man  annahm,  an  Personen  und  Be- 
gebenheiten, und  man  suchte  ein  Ganzes  daraus  herzustellen,  wobei 
die  Phantasie  freies  Spiel  hatte.  Man  half  sich  durch  Etymologien, 
und  da  man  gern  uralt  erscheinen  wollte,  ging  man  gewöhnlich  auf 
eine  von  Göttern  unmittelbar  abstammende,  oder  ihnen  nah  verwandte 
Person  als  Stifter  des  Ortes  zurück.  Die  Amazonen  waren  um 
diese  Zeit  als  Heroinnen  verehrt,  mit  der  grossen  Göttin   von  Ephe- 


15 

sns  in  Verbindung  gesetzt,  und  man  fing  an,  mehrere  von  ihnen  als 
Gründer  der  griechischen  Colonien  in  Asien  zu  nennen. 

Hekatäus  von  Milet  erwähnte  die  Amazonen  in  Themiskyre 
und  führte  mehrere  Namen  an,  die  Städte  von  ihnen  erhalten  hat- 
ten.84) Hellanikius  erzählte,85)  dass  alle  Helden  in  der  Argo  mit 
dem  Herkules  gegen  diese  kriegerischen  Frauen  gezogen  wären. 
Den  Theseus  Hess  er  später  mit  einer  eigenen  Flotte  hinschiffen,86) 
und  die  Antiope  heimführen.  Von  ihrem  kühnen  Muth  getrieben  und 
weil  die  Penthesilea  von  Achilles  Mutter  zu  werden  wünschte,  was 
ihr  auch  gelang,  sollen  die  Amazonen  den  Troern  zu  Hülfe  gekom- 
men sein.87)  Er  überging  auch  nicht  ihren  Zug  nach  Athen,  wo- 
bei sie  ihren  Weg  über  den  gefrornen  Gimmerischen  Bosporus  neh- 
men.88) Vier  Monate  dauerte  das  Unternehmen,  dann  kehrten  sie 
zurück.89) 

Herodot  lässt  zu  seiner  Zeit  Syrer  am  Thermodon  und  Parthe- 
nius  wohnen,90)  spricht  aber  von  den  Amazonen,9  *)  dass  sie  früher 
von  Thermodon  aus  nach  Attika  vordrangen,  und  erzählt  von  Hel- 
lenen,, deren  Führer  er  aber  nicht  nennt,92)  die  an  jenem  Fluss  das 
Heer  der  Weiber  besiegten  und  in  drei  Schiffen  so  viele  Gefangene 
fortführten,  als  sie  konnten.  Diese  bemächtigten  sich,  indem  sie  die 
Männer  tödteten,  der  Fahrzeuge,  trieben,  da  sie  des  Seewesens  un- 
kundig waren,  nach  der  Mäotis,  landeten  bei  Kremii,  verbanden  sich 
suletzt  mit  jungen  Scythen,  zogen  mit  ihnen  über  den  Tanais,  und 
von  ihnen  stammen  die  Sarmaten.93)  Er  bemerkt,94)  die  Scythen 
nennen  die  Amazonen  Oiorpata,  was  Männermordende  bedeute,  da 
die  Scythen  einen  Mann  Oior  nennen  und  Pata  tödten  heisst.95) 
Nach  seiner  Ansicht96)  reiten  die  Amazonen,  schiessen  mit  dein  Bo- 
gen und  werfen  Wurfspiesse,  besorgen  aber  keine  weiblichen  Ar- 
beiten.    Sie  reden  eine  andere  Sprache  als  die  Scythen. 


U) 

Hippokrates  führt  au,97)  dass  sie  die  von  ihnen  gebornen  Kna- 
ben /.um  Kampfe  unfähig  machten,  ohne  über  ihren  Wohnplatz  etwas 
zo  bemerken.  Xenophon,  der  die  Gegend,  wo  sie  sonst  erwähnt 
wurden  durchzog,98)  spricht  gelegentlich99)  von  dem  ihnen  eigen- 
tümlichen Beile,  beachtet  sie  aber  sonst  nicht  weiter.  Herodotus 
aus  Heraklea,100)  sein  Zeitgenosse,  handelt  über  den  Zug  des  Her- 
kules gegen  sie.101)  Plato102)  erhebt,  unter  den  Grossthaten  der 
Athener,  ihre  Kämpfe  gegen  Eumolpus,  die  Amazonen  und  die  Per- 
ser. Wer  nur  dem  ruhmsüchtigen  Volke  in  Athen  gefallen  wollte, 
sprach  von  diesen  kriegerischen  Frauen,  als  ob  man  wahre  Ge- 
schichte behandelte,  benützte  die  bis  jetzt  angeführten  Züge  und 
malte  manches  weiter  aus,  das  Iuteresse  zu  steigern,  wie  uns  Red- 
ner und  Rhetoren  zeigen.  Demosthenes103)  hebt  hervor,  dass  das 
ganze  in  Attika  einfallende  Heer  der  Amazoueu  vernichtet  sei,  ja 
dass  sie  sogar  vom  Phasis  verdrängt  worden.  Lysias104)  gibt  aus- 
führlich an,  die  Amazonen  wären  Töchter  des  Ares,  sie  wohnten 
am  Thermodon,  allein  von  allen  Völkern  daselbst  waffneten  sie  sich 
mit  Eisen ,  und  sie  zuerst  waren  Reiter.  Sie  waren  sehr  tapfer, 
fährt  er  fort,  und  herrschten  über  viele  Länder.  Mit  den  kriegeri- 
scheu  Völkern  im  Runde  zogen  sie  gegen  Athen,  fanden  jedoch  alle 
ihren  Tod.  Sie  verschafften  den  Athenern  unsterblichen  Ruhm,  ihr 
Land  aber  verlor  seinen  Ruf.  Isokrates105)  erklärt,  man  könne 
sich  eine  Vorstellung  von  dem  kriegerischen  Muth  der  Athener  ma- 
chen ,  wenn  man  ihre  Thaten  in  früher  Vorzeit  gegen  Amazonen, 
Thraker  und  alle  Peloponnesier  bedenke.106)  Bei  einer  anderen 
Gelegenheit107)  gibt  er  an,  die  Thraker  unter  Eumolpus  wären  in 
Attika  eingefallen,  eben  so  die  Scythen  mit  den  Amazonen,  der 
Antiope  wegen,  die  mit  dem  Theseus  gegangen  sei.  Im  Panegyri- 
kus  setzt  er  auseinander108),  die  Thraker  unter  Eumolpus,  dem 
Sohne  des  Poseidon,  und  die  Scythen  mit  den  Amazonen  wären 
nicht  zu  gleicher  Zeit  gegen  Athen  gezogen,  sondern  als  jedes  die- 
ser Völker  gerade  die  Herrschaft  in  Europa   gehabt  habe,    und  sie 


17 

hätten  geglaubt,  wenn  sie  die  Eine  Stadt  bewältigt  hätten,  so  wä- 
ren sie  Herren  über  alle.  Sie  fanden  aber  ihren  Untergang,  als 
wenn  sie  gegen  alle  Krieg  geführt  hätten.  Was  sie  aber  litten, 
argumentirt  er  dann,  das  sei  klar.  Die  Nachrichten  von  ihnen  wür- 
den sich  nicht  so  lange  erhalten  haben,  wenn  nicht  ihre  Unterneh- 
mungen sich  vor  allen  anderen  ausgezeichnet  hätten.  Man  erzählt, 
von  den  in  Attika  eingedrungenen  Amazonen  sei  keine  heimgekehrt, 
und  die  in  ihrem  Vaterlande  zurückgebliebenen  wären  durch  diese 
Unfälle  so  geschwächt,  dass  sie  aus  demselben  vertrieben  worden109). 

Um  diese  Zeit  waren  diese  Sagen  in  Bezug  auf  Attika  und 
die  anderen  Gegenden  von  Hellas  ausgebildet,  man  zeigte  alte  Grä- 
ber, Hügel,  zu  ihrer  Bestätigung.  Aufs  genaueste  glaubte  man  alles 
nachweisen  zu  können,  wie  Clidemus  oder  Clitodemus110).  Ihnen 
und  Anderen  folgend  erzählt  Plutarch1  £  *):  der  Kampf  sei  nicht  un- 
bedeutend gewesen,  und  die  Stellung  der  Amazonen  zeige,  dass  sie 
Herren  der  Gegend  waren ;  dass  sie  fast  in  der  Stadt  lagerten  er- 
gebe sich,  meint  er,  aus  den  Namen  der  Plätze  und  den  Gräbern 
der  Gefallenen112).  Lange  habe  man  auf  beiden  Seiten  anzugrei- 
fen gezaudert,  endlich  habe  Theseus,  nach  einem  Orakelspruche, 
dem  Phöbus  geopfert  und  den  Angriff  unternommen,  im  Monat  Boe- 
dromion,  wesshalb  die  Athener  auch  zu  seiner  Zeit  noch  gewisse 
Opfer  brächten.  Clitodemus  berichtete,  der  linke  Flügel  der  Ama- 
zonen sei  nach  dem  Amazoneion  gerichtet  gewesen,  der  rechte  nach 
der  Pnyx.  Die  Athener  kämpften  gegen  diesen  vom  Musäum 
her,  und  man  zeigte  die  Gräber  der  Gefallenen  an  der  Strasse,  die 
zu  dem  Peiräischen  Thore  führt,  am  Heroon  des  Chalkedon  hin. 
Dort  wären  die  Athener  bis  zum  Tempel  der  Eumeniden  zurück- 
gedrängt. Auf  dem  rechten  Flügel  siegten  sie,  tödteten  viele  der 
Frauen  und  warfen  sie  bis  zum  Lauer  zurück.  Im  vierten  Monat 
kam  ein  Vertrag  zu  Stande,  durch  die  Hippolyte.  Einige  erzählten, 
sie  habe  mit   dem  Theseus   gegen    die  Amazonen    gekämpft  und  sei 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  3 


18 

von  der  Molpadie  getödtet.  Ihr  Grabmal  sei  bei  dein  Tempel  der 
Olympischen  Gä  i  J  3).  Manche  sagten,  dass  die  verwundeten  Ama- 
zonen heimlich  von  der  Antiope  nach  Chalkis  geschafft  worden,  dass 
man  dort  Sorge  für  sie  getragen,  und  dass  einige  bei  dem  Ama- 
zoneion bestattet  worden.  Um  zu  beweisen,  dass  der  Krieg  durch 
einen  Vertrag  beendigt  ward,  berief  man  sich  auf  den  Namen  des 
Platzes  beim  Tempel  des  Theseus,  der  Horkomosion  hiess,  und  auf 
die  Sitte  den  Amazonen  vor  dem  Theseus  zu  opfern. 

Auch  die  Megarer  zeigten  bei  sich  ein  Grab  einer  Amazone, 
am  Bache  Runs,  wenn  man  vom  Markte  kömmt.  Es  war  wie  ein 
Rhombus  gestaltet.  In  der  Gegend  hatte  man  auch  das  Grab  der 
Hippolyte  114).  Von  ihr  erzählten  die  Megarer  folgendes:  als  die 
Amazonen  wegen  der  Entführung  der  Antiope  nach  Attika  zogen, 
fanden  viele  derselben  in  der  Schlacht,  welche  Theseus  gegen  sie 
gewann,  ihren  Tod;  wenige,  unter  Anführung  der  Hippolyte,  der 
Schwester  der  Antiope,  flüchteten  nach  Megara,  wo  die  Führerin, 
aus  Kummer  über  den  Verlust  und  an  der  Heimkehr  verzweifelnd, 
starb.  Man  begrub  sie  dort  und  ihr  Grab  hat  die  Gestalt  eines 
Amazonenschildes. 

Bei  Chäronea  fanden  ebenfalls  einige  der  Kriegerinnen  ihren 
Tod,  und  wurden  an  dem  Bach  begraben,  der,  wie  manche  annah- 
men, Thermodon  hiess,  später  Hainion  *  * 5).  Eine  Gegend  in  Böo- 
tien  hatte  von  den  Amazonen  den  Namen  *  * 6).  In  Thessalien 
zeigte  man  auch  Gräber  der  Amazonen  bei  Skotusase  und  Kynos- 
kephalae  ' J  7). 

Im  Peloponnes  wies  man,  in  der  Gegend  von  Trözene,  einen 
Tempel  des  Ares  i  1 8)  „weil  Theseus  auch  dort  die  Amazonen  be- 
siegt habe."  Selbst  in  Lakonien,  in  der  Umgegend  von  Pyrrhichus, 
sollten  die  Tempel    der  Artemis   Astrateia  und   des  Apollo  Amazo- 


19 

nius  an  der  Stelle  stellen,  wo  die  Amazonen  ihren  Kriegszug  en- 
deten119). Beide  hatten  Bildsäulen  und  man  sagte,  die  Frauen 
vom  Thermodon  hätten  sie  geweiht120). 

Das  bisher  Mi tgeth eilte  zeigt,  wie  mannigfaltig  man  den  My- 
thus von  den  Amazonen  gestaltete ;  auch  Spätere  verfuhren  auf  glei- 
che Art  und  gaben  Muthmassungen  statt  Geschichte.  Ephorus,  des- 
sen Vaterstadt  vorzüglich  die  Amazonische  hiess,  121),  meinte  122), 
die  Amazonen  wären  von  den  Männern  übermüthig  behandelt  wor- 
den ;  als  diese  einmal  zum  Kriege  auszogen,  tödteten  die  Frauen  die 
zurückgebliebenen  und  nahmen  die  aus  der  Fremde  heimkehren- 
den nicht  wieder  auf  123).  Ihren  Wohnplatz  sucht  er  zwischen 
Jonien,  Mysien  und  Lydien124).  Er  scheint  vorzüglich  die  An- 
sicht aufgestellt  zu  haben,  dass  viele  der  Städte  an  der  Westküste 
von  Kleinasieu  von  den  Amazonen  gegründet  worden  125).  Später 
zogen  diese,  wie  er  sagt  126),  zu  den  Sauromaten,  die  den  Na- 
men Tvvcuxox$>citovuzvoi  erhielten,  wie  jene  JZcevQo/uciTideg  genannt 
wurden. 

Wie  lebendig  sich  das  Andenken  an  die  Amazonen,  ihre  Ta- 
pferkeit und  Grossthaten  erhalten  hatte,  beweist  der  Versuch  vieler 
Geschichtschreiber  Alexanders,  ihren  Helden  dadurch  zu  verherrli- 
chen, dass  sie  erzählten127),  die  Königin  dieser  Frauen  sei  im 
fernen  Asien  zu  ihm  gekommen,  ihn  zu  begrüssen  und  mit  ihm  der 
Liebe  zu  pflegen  12S).  Den  Alexandrinischen  Dichtern,  die  gern 
ihre  Gelehrsamkeit  zeigten,  boten  die  Erzählungen  von  diesen  all- 
berühmten Kriegerinnen  einen  erwünschten  Stoff,  den  sie  auf  man- 
nigfaltige Weise  benützten.  Apollonins  der  Rhodier  besang  die  Ar- 
gonautenfahrt. Er  Hess,  wie  Pherekydes  und  andere,  die  leiden- 
schaftlichen, kampflustigen  Jungfrauen129)  in  der  Gegend  von  The- 
miskyre,  am  Thermodon,  im  doiantischen  Gefilde  130)  drei  Städte  be- 
wohnen l31).     Oestlicher  ist  die  Insel  Aretias  132),  wo  die  Köni- 

3* 


20 

ginnen  der  Amazonen,  Otrere  und  Antiope,  einst  auf  einem  Feld- 
zuge 133),  einen  steinernen  Tempel  erbauten,  wo  sie  Pferde  opfer- 
ten ,34).  Zur  Zeit  der  Argonaulen  hielten  sich  Vögel  dort  auf,  die 
Federn  aus  ihren  Flügeln  als  Geschosse  entsendeten  135).  Der 
Dichter  hat  die  Sage  aufgenommen  136),  dass  Herkules  bei  seinem 
Zuge  nach  dieser  Gegend  die  Melanippe  überraschte,  und  von  der 
Schwester  derselben,  der  Hippolyte,  den  Gürtel  als  Lösegeld 
erhielt. 

Kallimachus  lässt137)  die  Amazonen  in  der  Ufergegend  von 
Ephesus  das  Bild  138)  der  Artemis  aufstellen,  wo  nachher  der  vor 
allen  ausgezeichnete  Tempel  gebaut  ward139).  Lykophron  erinnert 
an  die  Unternehmungen  des  Theseus  und  Herkules140),  und  seiner 
Ansicht  zufolge  fallen  die  Amazonen,  von  Norden  her,  über  den 
Ister  gehend,  in  Hellas  ein  und  verheeren  Attika.  Er  hat  auch  die 
Sage,  dass  Amazonen  nach  Italien  gekommen  unter  Klate,  einer 
Dienerin  der  Penthesilea  141)  und  eine  Stadt  in  der  Gegend  von 
Croton  bauten,  die  später  von  den  Bewohnern  der  letzten  zerstört 
ward  M2). 

Skymnus  der  Chier  erwähnt  Amazonen  als  ehemalige  Bewoh- 
ner der  Umgegend  von  Sinope143),  ohne  ihre  weiteren  Schicksale 
anzugeben.  Da  man  aber,  als  man  in  diesen  Gegenden  tiefer  ge- 
gen Norden  -vordrang,  besonders  zu  den  Zeiten  der  Römer,  die- 
selbe Erscheinung,  die  Anlass  zu  der  ganzen  Sage  gegeben,  wie- 
derfand, dass  bewaffnete  Weiber,  zu  Pferd  und  zu  Fuss,  an  dem 
Kampfe  Theil  nahmen,  erhielt  sieh  die  alte  Sage  und  wir  finden 
die  Amazonen  häufig  erwähnt. 

Ueber  die  Unternehmungen  des  Pompejus  im  Mithridatischen 
Kriege  schrieb  sein  Freund  Theophanes  von  Mitylene  144),  der 
selbst  mit  an  dem   Feldzuge   Theil   nahm.     Er  berichtete  146)  zwi- 


21 

sehen  den  Albanern  und  Amazonen  lebten  die  Gelan  und  Segae, 
Scythiscbe  Völkerschaften  und  zwischen  diesen  und  den  Amazonen 
ströme  der  Fluss  Mermadalis.  Metrodorus  der  Skepsier  und  Hypsi- 
krutes  **7),  die  ebenfalls  der  Gegend  kundig  waren  148),  behaup- 
teten, dass  sie  den  Gargariern  benachbart  in  den  nördlichen  Ab- 
hängen jener  Kaukasischen  Berge  wohnen,  welche  Keraunien  heissen. 

Die  erwähnten  Schriftsteller  geben  folgende  Schilderung :  die 
meiste  Zeit  des  Jahres  verrichten  die  Amazonen  alles  für  sich  al- 
lein, sie  säen  und  pflanzen,  sie  besorgen  die  Heerden,  besonders 
die  Pferde.  Die  rüstigsten  veranstalten  oft  Treibjagden  zu  Ross 
uud  üben  sich  in  Kriegsgeschäften.  Allen  wird  schon  als  Kindern 
die  rechte  Brust  ausgebrannt,  damit  sie  ungehindert  zu  jedem  Ge- 
schäft den  Arm  gebrauchen  könuen,  vor  allem  aber  zum  Wurfspiess- 
werfen;  sie  bedienen  sich  aber  auch  des  Bogens,  der  Streitaxt  und 
des  Schildes,  uud  machen  sich  aus  Thierfellen  Helme,  Deckmäntel 
und  Leibgürtel.  Zwei  bestimmte  Monate  aber  haben  sie  im  Früh- 
ling I49),  in  welchen  sie  den  die  Gargarier  und  sie  scheidenden 
Berg  besteigen;  auch  jene  kommen,  bringen  mit  ihnen  Opfer  und 
pflegen  der  Liebe  ohne  Wahl,  wie  Manu  und  Weib  sich  treffen. 
Wenn  die  Amazonen  niederkommen,  behalten  sie  die  Mädchen,  die 
Knaben  bringen  sie  den  Gargariern. 

Man  sagt,  dass  die  Gargarier  zugleich  mit  den  Amazonen  aus 
Themiskyra  nach  dieser  Gegend  zogen,  dann  von  ihnen  abfielen 
und  in  Krieg  mit  ihnen  gerietheil :  später  schlössen  sie  Frieden  un- 
ter den  vorerwähnten  Bedingungen. 

Einige  Geschichtschreiber  erzählen150),  in  einer  Schlacht  zwi- 
schen den  Römern  und  Albanern  hätten  die  Amazonen  mitgefochten. 
Als  nach  dem  Kampf  die  Römer  die  Barbaren  plünderten,  hätte  man 
Schilde  und  Schuhe  der   Amazonen  gefunden,   aber  keinen   weibli- 


22 

eben  Leichnam.  Andere  berichteten151),  in  jener  Schlacht  habe 
man  viele  Weiber  zu  Gefangenen  gemacht,  die  eben  so  grosse  Wun- 
den «als  die  Männer  gehabt  hätten.  „Es  schienen  Amazonen  zu 
sein,  erklärt  der  Historiker,  mögen  nun  diese  Nachbarn  der  Alba- 
ner sein,  oder  vielleicht  Hernien  die  Barbaren  daselbst  kriegerische 
Weiber  Amazonen." 

Solche  Begebenheiten  mochten  in  Rom  oft  besprochen  werden 
und  das  Andenken  an  die  Amazonen  erneuern,  so  dass  sie  häufig 
erwähnt  werden  152).  Cäsar  berief  sieb  im  Senat  darauf153),  dass 
die  Semiramis  und  die  Amazonen  einen  grossen  Theil  Asiens  be- 
wältigt hätten  154). 

Man  sprach  von  ihren  Zügen  gegen  Athen  und  Cilikien  155), 
auch  wie  Lyder  als  Heiter  glücklich  gegen  sie  gekämpft  hätten. 
Man  wollte  Nachrichten  haben  von  ihren  Zügen  zum  Euphrat,  nach 
Ninus  und  Babylon,  unter  Eurypyle  1 56).  Trogus  Pompejus  han- 
delte ausführlich  über  die  Amazonen.  Er  stellte  die  Ansicht  auf 157): 
Ylinos  und  Scolopetos,  zwei  Königssöhne  der  Scythen,  von  der 
Heimat  durch  die  Vornehmen  vertrieben,  nahmen  junge  Leute  mit, 
Hessen  sich  an  der  Küste  Cappadociens,  am  Fluss  Thermodon  nie- 
der und  eroberten  die  anstossenden  Gefilde  von  Themiskyre.  Viele 
Jahre  beraubten  sie  die  umliegenden  Völker,  und  fielen  dann  durch 
einen  Hinterhalt.  Die  Weiber  ergriffen  darauf  die  Waffen  und  ver- 
teidigten ihre  Grenzen.  Sie  ermordeten  die  zurückgebliebenen 
Männer  und  lebten  mit  den  benachbarten  in  vertraulichem  Umgänge. 
Die  von  ihnen  geborenen  Knaben  tödteten  sie  sogleich,  die  Mädchen 
übten  sie  in  den  Waffen,  im  Reiten  und  in  der  Jagd.  Damit  der 
rechte  Arm  freier  zu  gebrauchen  sei,  brannten  sie  ihnen  die  rechte 
Brust;  daher  hiessen  sie  Amazonen.  Sie.  eroberten,  als  Marpesia 
und  Lampedo  über  sie  herrschten,  einen  grossen  Theil  Europas  und 
manche  Distrikte  Asiens,  wo  sLe  Ephesus  und  viele  andere  Städte 
bauten. 


23 

Marpesia,  die,  das  Stammland,  zu  vertheidigen,  am  Theimodon 
zurückgeblieben  war,  fiel  im  Kampf  gegen  die  Umwohnenden.  Ihr 
folgte  die  Schwester  Orithya,  die  durch  ihre  stete  Jungfräulichkeit 
und  Tapferkeit  sich  auszeichnete.  Herkules  erhielt  daher  vom  Eu- 
rystheus  den  Auftrag,  die  Waffen  der  Königin  zu  erbeuten.  Er 
sammelte  die  ausgezeichnetste  Jugend  Griechenlands  und  fuhr  auf 
neun  Schiffen  ab,  um  die  nichts  vermuthenden  Amazonen  anzugreifen. 
An  der  Spitze  derselben  standen  damals  die  Schwestern  Antiope 
und  Orithya.  Jene,  plötzlich  überfallen,  konnte,  da  Orithya  mit  dem 
Heere  ausser  Landes  war,  nur  unbedeutenden  Widerstand  leisten. 
Viele  Amazonen  fanden  ihren  Tod  oder  geriethen  in  Gefangenschaft, 
unter  diesen  die  Schwestern  der  Antiope,  Melanippe  und  Hippolyte, 
deren  letztere  dem  Theseus  als  Belohnung  zufiel,  der  sie  heirathete. 
Herkules  gab  die  Melanippe  der  Antiope  zurück,  und  erhielt  dafür 
ihre  Waffen.  Orithya,  als  sie  hörte,  der  Herrscher  von  Athen  habe 
diesen  Zug  veranlasst,  entflammte  ihre  Untergebenen  zum  Krieg  und 
erhielt  Unterstützung  vom  Scythenkönige  Sarpillus,  eine  Reiterschaar, 
die  sein  Sohn  Panasagoras  führte. 

In  Attika  entzweite  sie  sich  mit  diesen,  ward  von  den  Athe- 
nern geschlagen,  fand  aber  Schutz  im  Lager  der  Scythen  und  kehrte 
dann,  durch  diese  gedeckt,  in  ihre  Heimat  zurück.  Der  Orithya 
folgte  Penthesilea,  die  im  Trojanischen  Kriege  sich  durch  Tapfer- 
keit auszeichnete,  im  Kampf  aber  fiel.  Die  geringe  Anzahl,  welche 
am  Theimodon  zurückgeblieben,  hielt  sich  mit  Mühe  bis  auf  Ale- 
xander. Thalestris  suchte  diesen  auf,  kehrte  in  ihr  Reich  zurück 
und  fand  bald  mit  den  übrigen  ihren  Tod. 

Auch  Diodor  von  Sicilien  behandelt  diese  Sagen  als  wahre 
Geschichte158),  in  manchen  Umständen  vom  Trogus  abweichend. 

Seiner  Ansicht  nach  waren  die  Amazonen  ein  Scythisches,  von 
Weibern  beherrschtes  Volk  am  Theimodon,  wo  die  Frauen  sich  wie 


21 

die  Mänlier  im  Krieg  auszeichneten.  Eine  Königin  bekämpfte  glück- 
lich die  umwohnenden  Völker,  unterwarf  sie  und  nannte  sich  Toch- 
ter des  Ares.  Sie  Hess  die  Männer  Wolle  bereiten  und  die  häus- 
lichen Geschäfte  besorgen;  den  Knaben  verdrehte  sie  Schenkel  und 
Arme,  damit  sie  zum  Kriege  unbrauchbar  wären,  den  Mädchen 
brannte  sie  die  rechte  Brust,  damit  sie  nicht  im  Kampfe  gehindert 
würden.     Von  dieser  Sitte  heissen  sie  Amazonen. 

Sie  baute  eine  grosse  Stadt,  Theniiskyre,  an  den  Mündungen 
des  Thermodon  und  schmückte  sie  durch  eine  berühmte  königliche 
"Wohnung159).  Prächtige  Opfer  bestimmte  sie  für  Ares  und  Arte- 
mis Tauropolos.  Dann  bezwang  sie  das  ganze  Land  vom  Tanais 
bis  Thrakien,  nachher  unterwarf  sie  einen  grossen  Theil  Asiens 
bis  Syrien. 

Es  folgten  dann  mehrere  Königinnen,  das  Volk  nahm  an  Grösse 
und  Ruhm  zu.  Herkules  bekriegte  die  Amazonen;  zur  Zeit  des 
Trojanischen  Krieges  zog  Penthesilea  dem  Priamos  zu  Hilfe.  Sie 
soll  die  letzte  Amazone  gewesen  sein,  die  durch  Tapferkeit  sich 
auszeichnete.  Das  Volk  ward  dann  immer  schwächer  und  sank; 
daher,  sagt  Diodor,  halten  auch  viele  in  neueren  Zeiten,  wenn  von 
der  Tapferkeit  desselben  die  Rede  ist,  diese  alten  Nachrichten  für 
erdichtet. 

In  dieser  Sagenreihe  fehlt  ganz  der  Theseus,  und  das  Volk 
verschwindet  allmählig. 


*o" 


Nach  einem  anderen  Mythus  erzählt  Diodor  160):  die  Amazo- 
nen hassten  die  Athener,  weil  Theseus  die  Königin  Antiope,  nach 
anderen  Hippolyte,  als  Sclavin  fortgeführt  hatte.  Sie  verbanden 
sich  mit  den  Scythen,  setzten  über  den  Cimmerischen  Bosporus,  ei- 
len durch  Thrakien    und  schlagen  endlich  in  Attika,   an   der  Stelle, 


25 

die  man  Amazoneion  nennt,  ihr  Lager  auf.  Theseus  zieht  ihnen 
entgegen,  besiegt  sie,  und  die  dem  Kampfe  entronnenen  entsagen 
dem  Vaterlande,  gehen  nach  Scythieii  und  wohnen  daselbst  mit  den 
Scythen. 

Wie  man  die  einzelnen  Begebenheiten  ausführlich  schildert,  zeigt 
ebenfalls  Diodor,  indem  er  von  den  Thaten  des  Herkules,  offenbar 
nach  einem  Gedichte,  handelt.  Dieser  bekam  den  Auftrag  161J,  den 
Gürtel  der  Hippolyte  zu  holen.  Er  schiffte  hin  und  schlug  sein  La- 
ger bei  der  Stadt  Themiskyre  auf.  Er  verlangte  die  Auslieferung 
des  Gürtels,  als  diese  verweigert  ward,  kam  es  zur  Schlacht.  Die 
tapfersten  Amazonen  stellten  sich  dem  Herkules  gegenüber.  Aella, 
von  ihrer  Schnelligkeit  so  genannt,  fand  doch,  dass  ihr  Gegner 
schneller  war.  Philippis  erhielt  gleich  beim  ersten  Angriff  eine  tödt- 
liche  Wunde.  So  werden  noch  zehn  Kriegerinnen  charakterisirt, 
alle  erschlug  Herkules,  auch  die  Führeriu  des  ganzen  Heeres,  die 
Melanippe,  verlor,  wie  es  heisst,  den  Befehl.  Die  meisten  von 
dem  ganzen  Volke  fanden  ihren  Tod  auf  der  Flucht,  so  dass  es 
vernichtet  ward.  Herkules  schenkte  von  den  Gefangenen  die  An- 
tiope  dem  Theseus,  und  eiitliess  die  Melanippe  für  den  Gürtel  I62). 

Nicolaus  Damascemis  162a)  meint,  die  Frauen  der  Scythen  sind 
nicht  weniger  tapfer  als  die  Mänuer  und  ziehen  mit  ihnen  in  die 
Schlacht,  wenn  es  sein  muss.  Desshalb  waren  auch  die  Amazonen 
so  sehr  tapfer,  die  einst  bis  Kilikien  und  Athen  vordrangen,  als 
sie  noch  an  dem  Maeotis  wohnten.  Er  sprach  auch  von  ihrem  Zug 
gegen  Athen  *6  2b^ 

Das  zu  seiner  Zeit  wieder  lebendig  gewordene  Interesse  für 
die  kriegerischen  Weiber  veranlasste  den  Strabo  zu  folgenden  Be- 
trachtungen 163):  „etwas  Eigentümliches  zeichnet  die  Sage  von  den 
Amazonen  aus.     Alle  anderen  Sagen  enthalten  Fabelhaftes  und  Ge- 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  b.  Akad.  d.  W.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)         4 


26 

schichtliches  gesondert;  denn  das  Alte  und  Lügenhafte  und  Wun- 
dervolle heisst  Fabel,  die  Geschichte  aber  will  das  Wahre,  sei  es 
alt,  sei  es  neu,  und  will  das  Wundervolle  entweder  gar  nicht,  oder 
.sehen. 

Von  den  Amazonen  hingegen  wird,  sowohl  jetzt,  als  vormals 
immer  dasselbe  erzählt,  lauter  Wundervolles  und  Unglaubliches. 
Denn  wer  wird  glauben,  dass  jemals  ein  Heer,  oder  Staat,  oder 
Volk  aus  Weibern  ohne  Männer  bestand  ?  und  nicht  nur  bestand, 
sondern  auch  Einfälle  machte  in  fremdes  Gebiet,  und  nicht  nur  die 
Nachbarn  bezwang,  so  dass  es  sogar  bis  zum  jetzigen  Jonia  vor- 
drang, sondern  sogar  über  Meere  eine  Heerschaar  absandte  bis  At- 
tika '?  Fürwahr,  das  ist  eben  so,  als  ob  jemand  sagte,  die  dama- 
ligen Männer  seien  Weiber,  die  Weiber  Männer  gewesen.  Und 
doch  wird  alles  dieses  noch  jetzt  von  ihnen  erzählt." 

„Was  aber  jene  Eigenthümlichkeit  noch  vermehrt,  ist,  dass  das 
Alte  mehr  geglaubt  wird,  als  das  Neue.  Denn  man  behauptet,  die 
Erbauung  und  Benennung  mehrerer  Städte ,  wie  Ephesus,  Smyrna 
u.  s.  w.  durch  Amazonen ;  man  erwähnt  Grabhügel  und  andere  Denk- 
mäler; Themiskyra  endlich,  und  die  Ebenen  am  Thermodon  und  die 
überliegendeu  Berge  nennen  alle  der  Amazonen  Gebiet  und  sagen, 
dass  sie  daraus  vertrieben  worden.  Wo  sie  aber  jetzt  sind,  dar- 
über geben  uns  Wenige  unerwiesene  und  unglaubhafte  Nachrichten." 
Er  zeigt  dann,  wie  unhaltbar  die  Sage  von  der  Thalestris  sei,  und 
dass  die  Erfinder  derselben  mehr  der  Schmeichelei  als  der  Wahr- 
heit huldigten. 

Am  glaubwürdigsten  für  seine  Zeit  scheinen  ihm  die  Nachrich- 
ten, die  man  durch  die  Begleiter  des  Pompejus  erhalte,  von  denen 
schon  mehrere  mitgetheilt  sind  164). 


27 

Mela  erwähnt  den  ehemaligen  Aufenthalt  der  Amazonen  am 
Thermodon  165);  für  seine  Zeit  aber  sucht  er  sie  viel  weiter  nörd- 
lich. Nach  seiner  Ansicht  zieht  ein  grosses  Gebirge  vom  Kauka- 
sus gegen  Mitternacht  zu  den  Rhipäen,  die  am  Nordrande  der  Erde 
sind,  es  dacht  sich  ab  zum  Maeotis  und  zum  Tanais,  östlich  zum 
kaspischen  Meere  und  zum  Canal  desselben.  Auf  einem  Theil  die- 
ses Gebirges,  der  von  ihnen  den  Namen  erhielt,  lebten  die  Ama- 
zonen, nach  dem  kaspischen  Meere  hin.  In  diesen  nördlichen  Ge- 
genden wohnten  sie  auch  nach  Späteren,  bald  dem  Tanais,  bald 
dem  kaspischen  Meere  näher,  und  man  wies  ihnen  ein  kleineres 
oder  grösseres  Gebiet  an  166).  Ptolemäus  167)  setzt  sie  in's  Asia- 
tische Sarmatien,  zwischen  den  Fluss  Rha  und  den  Hippischen  Ber- 
gen. Nach  Ammianus  wohneu  sie  am  Tanais,  dem  er  aber  einen 
eigenthümlichen  Lauf  gibt16S) 

Wir  haben  bis  jetzt  vorzüglich  die  Sagen  beachtet,  welche  die 
Amazonen  mit  dem  Herkules  und  Theseus  in  Verbindung  setzen ; 
wir  finden  sie  aber  ebenfalls  in  den  Mythos  vom  Dionysos  verfloch- 
ten, der  auch  als  Heros  durch  kriegerische  Unternehmungen  und 
Verbreitung  von  Cultur  der  Unsterblichkeit  wTerth  erscheinen  sollte. 
Er  wird  als  Eroberer  geschildert,  wie  er  gegen  Osten  vordrang, 
und  manche  erklärten  ihn  für  älter  als  Herkules.  Er  gerieth  in 
Kampf  mit  den  Amazonen,  und  mehrere  von  diesen,  vor  ihm  flie- 
hend, suchten  Schutz  beim  Altar  der  Artemis  in  Ephesus,  der  ihnen 
auch  zu  Theil  ward169).  Die  Sage  sollte  darthun,  dass  der  Tem- 
pel älter  sei,  als  die  annahmen,  welche  ihn  von  den  Amazonen  auf 
ihrem  Zuge  gegen  Athen  gründen  Hessen.  Pausanias  170),  bemerkt, 
als  ob  er  es  mit  geschichtlichen  Nachrichten  zu  thun  hätte  :  „Pin- 
dar,  der  diese  letzte  Ansicht  hegt,  scheine  ihm  nicht  alles  gehört 
zu  haben,  w7as  die  Artemis  angehe,  denn  die  kriegerischen  Frauen 
hätten  dort  auf  diesem  Zuge  geopfert,  da  sie  den  Tempel  schon 
kannten,    als   sie    auf  der  Flucht    vor   dem  Herkules  dahin  kamen, 

4* 


28 

und  noch  früher  als  Flehende  gegen  Dionysos  Schutz  suchten,  Kre- 
sös  und  Ephesos  wären  die  Erbauer,  jener  ein  Autochlhon.  Lele- 
ger,  die  zu  den  Karen  gehörten,  und  Lyder  besassen  in  früher 
Zeit  diese  Gegend,  und  als  Hilfesuchende  wohnten  andere,  auch 
Frauen  der  Amazonen,  um  den  Tempel171). 

Die  Sage  erzählte  auch,  dass  flüchtige  Amazonen  nach  Ephe- 
sus  gekommen  wären,  von  dort  sich  aber  nach  Samos  begeben  hät- 
ten. Dionysos  habe  Schiffe  gebaut,  sei  ihnen  gefolgt,  und  im  Kampfe 
wäre  der  grösste  Theil  der  Frauen  erschlagen,  und  der  Platz  wäre, 
von  der  Fülle  des  strömenden  Blutes,  nävaifxa  genannt172).  An- 
dere fielen  bei  Phloeum  und  dort  zeigte  man  ihre  Knochen  173).  Ei- 
nige erzählten,  durch  ihr  heftiges  und  lautes  Geschrei  sei  die  Stelle 
geborsten. 

Ein  anderer  Mythus  zeigt  uns  die  Amazonen  im  Heere  des 
Dionysos.  Als  er  Indien  besiegt  habe,  heisst  es,  nahm  er  luder 
und  Amazonen  1 7  4)  und  zog  gegen  Baktrien,  das  er  auch  bewältigte1 7  5). 

Noch  eine  ganz  verschiedene  Ausbildung  der  Sage  von  den 
Amazonen  finden  wir  dann  hei  einigen  Schriftstellern  erwähnt.  Dio- 
nysius  176)  gab  an,  sie  hätten  in  Libyen  gewohnt.  Durch  Stärke 
ausgezeichnet  bewältigten  sie  die  benachbarten  Völker  und  kamen 
selbst  nach  Europa,  wo  sie  viele  Städte  gründeten.  Sie  unterwar- 
fen sich  auch  das  Atlantische  Volk,  das  mächtigste  in  Libyen.  Ze- 
notheinis  177)  erzählte,  sie  hätten  in  Aethiopien  gelebt,  wären  in 
das  gegenüberliegende  Land  gegangen  und  dort  pflogen  sie  der  Liebe 
mit  den  Männern.  Gebaren  sie  Mädchen,  so  erzogen  sie  diesel- 
ben, die  Knaben  gaben  sie  den  Männern. 

Vielleicht  diese  Quellen  benutzend  erzählt  Diodor  von  Sicilien 
Ausführliches178).     In   Libyen,   in  den   westlichen    Gegenden,    am 


29 

Ende  der  bewohnten  Erde,  soll  ein  von  Weibern  beherrschtes  Volk 
gewesen  sein,  das  anders  lebt,  als  bei  uns  gewöhnlich  ist.  Die 
Jungfrauen  ziehen  in  den  Krieg,  nach  gewissen  Jahren  haben  sie 
Umgang  mit  den  Männern,  die  alle  Hausgeschäfte  und  was  ihnen 
die  Frauen  auftragen  betreiben,  indess  diese  die  Regierung  und  das 
ganze  Gemeinwesen  besorgen.  Sobald  ein  Kind  geboren  ist,  müs- 
sen es  die  Männer  mit  Milch  und  nährenden  Sachen  auffüttern,  den 
Mädchen  werden  die  Brüste  gebrannt,  damit  diese  nicht  wachsen 
und  ihnen  hinderlich   sind;   davon   haben  sie  den  Namen  Amazonen. 

Sie  sollen  eine  Insel  bewohnt  haben,  die,  weil  sie  gegen  Abend 
lag,  Hespere  genannt  ward,  im  See  Tritonis  179),  der  nicht  weit 
vom  Oceanus  war,  und  von  einem  hineinfallenden  Fluss  Triton  je- 
nen Namen  erhielt.  Der  See  ist  nahe  bei  Aethiopien  und  dem  Berge 
Atlas,  der  nicht  fern  vom  Oceanus  ist,  der  höchste  jener  Gegend 
und  in  den  Oceanus  vorspringend. 

Die  Insel  soll  gross  sein  und  mit  Fruchtbäumen  besetzt,  wovon 
die  Bewohner  leben,  sie  haben  auch  eine  Menge  Vieh,  Ziegen  und 
Schaafe,  deren  Milch  und  Fleisch  sie  essen.  Getreide  kannte  man 
damals  nicht. 

Die  Amazonen,  kräftig  und  kriegslustig,  unterwarfen  sich  zu- 
erst die  Städte  der  Insel,  nur  Maua  nicht,  die  für  heilig  gilt  und 
von  Aethiopen,  den  Ichthyophagen,  bewohnt  wird;  es  soll  dort  viel 
Feuer  auflodern  und  eine  Menge  kostbare  Steine  geben,  die  von 
den  Hellenen  Anthraces,  Sarder  und  Smaragden  genannt  werden. 
Nach  Eroberung  der  anderen  Städte  bezwangen  sie  viele  der  be- 
nachbarten Libyer  und  Nomaden  und  bauten  eine  grosse  Stadt 
am  See  Triton,  die  sie  nach  der  Gestalt  Chersonesus  nannten. 

Dann  bekriegten  sie  viele  Völker,  so  zuerst  die  Atlanten,  die 
sanftesten   Leute  jener   Gegenden,    die    ein    fruchtbares    Land    und 


30 

grosse  Städte  besassen.  Bei  ihnen  sind,  der  Sage  nacli,  zuerst  die 
Götter  entstanden.  Myrina,  die  Königin  der  Amazonen,  habe  ein 
Heer  von  30000  Frauen  zu  Fuss  und  2000  Reitern.  Zu  Schutz- 
waffen dienten  ihnen  Häute  von  grossen  Schlangen,  zum  Angriff 
hatten  sie  Schwerter,  Lanzen  und  Bogen,  mit  denen  sie  auch  auf 
der  Flucht  rückwärts  schiessen.  Von  den  Atlantiden  schlugen  sie 
die,  welche  Cerne  besassen,  und  um  die  Benachbarten  zu  schrecken, 
behandelten  sie  die  Gefangenen  grausam,  mordeten  die  Männer  und 
führten  Frauen  und  Kinder  als  Sklaven  fort.  Die  Stadt  Cerne  zer- 
störten sie.  Die  anderen  Atlanten  ergaben  sich,  wurden  freundlich 
aufgenommen,  und  die  Myrina  baute,  statt  der  zerstörten  Stadt,  eine 
neue,  der  sie  ihren  Namen  gab,  und  dahin  die  Gefangenen  versetzte, 
so  wie  auch  andere  dort  sich  niederlassen  durften.  Dann  wurden 
die  Gorgonen  ,  die  Feinde  der  Atlanten ,  bekriegt ,  und  das  Heer, 
welches  den  Amazonen  entgegentrat,  ward  gänzlich  aufgerieben. 
Die  von  den  Amazonen,  welche  gefallen  waren,  wurden  auf  drei 
Scheiterhaufen  verbrannt,  man  warf  ihnen  grosse  Grabhügel  auf, 
die  noch  jetzt  Gräber  der  Amazonen  heissen.  Die  Gorgonen  erhol- 
ten sich  jedoch  und  wurden  wieder  ein  zahlreiches  Volk.  Dies  be- 
kriegte nachher  Perseus,  als  Medusa  ihre  Herrscherin  war,  zuletzt 
wurde  es  vom  Herkules  gänzlich  vernichtet,  sowie  die  Amazonen, 
als  dieser  nach  Westen  zog  und  die  Säule  in  Libyen  aufrichtete. 
Es  schien  ihm  nämlich  unrecht,  da  er  aller  Menschen  Wohlthäter 
sein  wollte,  Völker  bestehen  zu  lassen,  die  von  Frauen  beherrscht 
würden. 

Myrina  durchzog  den  grössten  Theil  Libyens,  griff  Aegypteu 
an  und  befreundete  sich  mit  dem  Horus,  der  dort  herrschte.  Von 
den  Arabern  fanden  viele  ihren  Tod  im  Kampfe,  Syrien  ward  dann 
bezwungen,  und  als  die  Cilicier  mit  Geschenken  ihr  entgegenkamen, 
Hess  sie  diese  frei,  und  sie  heissen  daher  noch  jetzt  Eleutherocili- 
ces.  Dann  bezwang  sie  die  Völker  am  Taurus,  gieng  durch  Gross- 


31 

phrygien  ans  Meer,  und  Hess  den  Laikos  das  Ziel  ihres  Zuges 
sein.  In  dem  eroberten  Lande  baute  sie  mehrere  Städte:  einer  gab 
sie  ihren  Namen,  die  anderen  benannte  sie  nach  ihren  Begleiterinnen, 
die  das  Herr  führten :  Cyme,  Pitane,  Priene.  Auch  im  Binnenlande 
gründete  sie  mehrere  Städte.  Ebenfalls  eroberte  sie  Inseln,  unter 
andern  Lesbos,  wo  sie  eine  Stadt  anlegte  und  Mitylene  nach  ihrer 
Schwester  nannte.  Auf  der  Fahrt  nach  anderen  überfiel  sie  ein 
Sturm,  sie  that  der  Göttermutter  Gelübde,  und  als  sie  ein  ödes  Ei- 
land erreichte ,  widmete  sie  es  derselben  und  brachte  feierliche 
Opfer.  Sie  nannte  es  Samothrake,  was  heilige  Insel  bedeutet.  An- 
dere erzählen,  die  Insel  habe  Samos  geheissen  und  da  Thraker  sich 
dort  niederliessen,  sei  sie  Samothrake  genannt.  Nachher  gieng  My- 
rina  auf  das  Festland  zurück.1 79a) 

Sie  ward  später  von  dem  Thraker  Mopsus,  den  der  König 
Lyknrgus  vertrieben  hatte,  und  von  dem  Scythen  Sipylus,  der  aus 
dem  an  Thrakien  grenzenden  Scythien  verjagt  war,  angegriffen,  und 
sie  selbst  sowie  ein  grosser  Theil  der  Amazonen  fiel  in  der  Schlacht. 
Da  auch  in  den  folgenden  Kämpfen  die  Thraker  immer  siegten, 
kehrten  endlich  die  übrig  gebliebenen  Amazonen  nach  Libyen  zu- 
rück, und  das  ganze  Volk  vernichtete  zuletzt,  wie  schon  bemerkt 
ward,  Herkules.180) 

lieber  die  Kleidung  und  die  Waffen  der  bis  jetzt  geschilderten 
Amazonen  finden  sich  manche  Angaben  bei  Griechen  und  Römern. 
Einiges  ist  schon  vorher  gelegentlich  angeführt,  und  vergleichen  wir 
die  uns  erhaltenen  Statuen  3  Basreliefs  und  Vasenbilder , \ 8  °  a)  so 
sieht  man,  dass  die  Künstler  sich  grosse  Freiheit  gestatteten.  Nach 
Herodot  sind  sie  Reiter181)  und  führen  Bogen182)  und  Wurf- 
spiesse.183) Xenophon  spricht  von  einer  ihnen  eigenthümlichen  Art 
von  Axt.184)  Polygnotus  malte  in  Delphi  die  Penthesilea185)  als 
Jungfrau,  mit  einem  Scythischen  Bogen,  über  die  Schultern  hatte  sie 


32 

ein  Pardelfell  geworfen.  Strabo  schildert  sie  ebenfalls  als  Reiter, 
und  gibt  ihnen  Wurfspiesse,  Bogen,  Axt  und  einen  Schild.1 86)  Aus 
Thierfellen  machen  sie  sich  eine  Art  Helme,187)  Wams  und  Bein- 
kleider.188) Virgil  entwirft  ein  lebendiges  Gemälde  der  rüstigen 
Kriegerinnen : 

Vorn   an   dem    Schwärm  Amazonen    mit  mondlicher  Tartsche 

gebietet 
Penthesilea  voll  Muth,  und  umringt  von  Tausenden  flammt  sie, 
Unter  geöffneter  Brust  umschnallt  mit  goldenem  Gürtel, 
Kriegrisches  Muths,    und  Männern  sogar  naht  kämpfend  die 

Jungfrau. 

Ganz  nach  Art  der  Amazonen  schildert  er  die  Camilla: 

Mitten  dem  Morde  hindurch  frohlockst  du,  geköcherte  Heldin, 

Eine  Brust  entkleidet  dem  Kampf,  Amazone  Camilla. 

Jezo  dicht  mit  der  Hand  die  geschmeidigen  Schafte  verstreut 

sie; 
Jezo  rafft  unermüdet  ihr  Arm  die  gewaltige  Streitaxt. 
Golden  ertönt  an  der  Schulter  Geschoss  und  Rüstung  Dianas. 
Jene  sogar,  wenn  einmal  rückwärts  die  vertriebene  weichet, 
Pflegt  mit  gewendetem  Bogen  die  fliehenden  Pfeile  zu  senden, 
Aber  umher  das  erlesne  Geleit,  Laiina  die  Jungfrau, 
Tulla  zugleich  und  schwingend  die  eherne  Barte  Tarpeja: 
Italerfrauen,  die  selber  zum  Schmuck  sich  die  hehre  Camilla 
Auserkohr ,    gleich    fertig ,    im    Streit    und    im   Frieden    zu 

schalten. 
So  wie    am  Strom   Thermodon    der    thrakischen    Mäuninnen 

Heerschaar 
Trabt,  und  zum  Krieg  ausziehn  in  farbiger  Wehr  Amazonen; 
Sei's  um  Hippolyte,  sei's,   wenn  die  martische  Penthesilea 


33 

Heimwärts  fährt  mit  Gespann  und  umher  iii  jubelndem  Auf- 
ruhr 

Weibliches  Schaarengewühl  frohlockt  mit  mondlichen  Tau- 
schen.189) 

Die  bisher  mitgetheilten  Ansichten  von  den  Amazonen  erhielten 
sich  auch  später,  wenn  gleich  auf  mancherlei  Weise  modificirt.  Der 
Glaube,  dass  es  ein  solches  wunderbares  Volk  gebe,  blieb,  und  bis 
auf  die  neueste  Zeit  glaubte  man  es  bald  in  diesem,  bald  in  jenem 
Lande  gefunden  zu  haben.  Uebersehen  wir  kurz  die  uns  erhaltenen 
Ansichten. 

Philostratus  lässt190)  die  Amazonen  auf  der  ungastlichen  Seite 
des  Pontus  wohnen,  wo  die  Taurischen  Gebirge  sind,  wo  der  Ther- 
modon  und  Phasis,  von  Bergen  herströmend,  das  Land  umschliessen. 
Seiner  Ansicht  nach191)  kommen  der  Thermodon,  wie  der  Ister 
und  Phasis ,  von  den  Scythen  her.  Er  erzählt  ein  Unternehmen 
dieser  kriegerischen  Frauen,  das,  nach  seiner  Angabe,192)  der  hi- 
storischen Zeit  angehört.  In  der  Olympiade,  in  welcher  Leonidas 
der  Rhodier  siegte,  (165  vor  Chr.)  griffen  sie  die  vor  dem  Ister 
liegende  Insel  Leuke  an.  Der  Heros  Achilles,  dem  sie  geheiligt 
war,  machte  ihre  Pferde  wild,  so  dass  diese  die  Amazonen  zerris- 
sen, sich  selbst  aber  von  einem  Vorgebirge  in's  Meer  stürzten.  Ein 
Sturm  zertrümmerte  dann  die  Schiffe,  auf  welchen  sie  gekommen 
waren.  Mehrere  der  Kirchenväter  sprechen  von  ihnen  als  von  ei- 
nem wirklichen  Volke.193)  Solinus194)  nahm  des  Planus  Ansich- 
ten auf. 

Unter  Aurelianus  wurden  Gothische  Frauen  ,  die  man  in  der 
Schlacht  gefangen  hatte,  im  Triumph  aufgeführt,  und  man  erklärte 
sie  für  Amazonen.195)  Vom  Ammianus  ist  schon  angegeben,196) 
dass  er  Amazonen  östlich  vom  Tanais  wohnen  Hess,  als  ihre  Nach- 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  h.  Akad.  d.  Wiss.V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  5 


31 

barn  nennt  er  die  Alanen.197)  Ueber  ihre  früheren  Schicksale  be- 
merkt er,  sie  Maren  aus  nördlichen  Gegenden  an  den  Tliennodon 
gezogen,  das  ganze  Heer,  das  gegen  Athen  aufbrach,  ward  vernich- 
tet, die  zurückgebliebenen  suchten  später  die  alte  Heimath  auf.  In 
jenen  nördlichen  Gegenden  wohnen  sie  auch  nach  Claudianus,  der 
von  ihrem  Kampf  mit  den  Gothen,  die  er  Geten  nennt,  handelt.198) 

Die  Nachrichten,  welche  Justinas  über  die  Amazonen  aufge- 
nommen hatte,  wurden  nachher  von  vielen  benuzt,  so  von  Orosius, 
der  auch  im  Mittelalter  viel  gelesen  ward,  wie  von  den  Dichtern, 
Virgil, 199)  und  dadurch  erhielt  sich  das  Andenken  an  diese  Krie- 
gerinnen lebendig. 

Um's  Jahr  500  nach  Chr.  finden  wir  mehrere  griechische  Dich- 
ter, die  zum  Gegenstand  ihres  Gesanges  die  Begebenheiten  des  Tro- 
janischen Krieges  wählten  und  den  Homer  fortsezten.  Sie  benuz- 
teu  die  von  den  Kyklikern  und  Logographen  überlieferten  Sagen 
und  behandelten  ausführlich  die  Schicksale  der  Penthesilea,  und  ihres 
Gefolges.200)  Prokopius201)  spricht  von  den  Amazonen  im  Kau- 
kasus, und  wie  sie  später  gegen  Mitternacht  von  demselben  wohn- 
ten. An  den  nördlichen  Ocean  sezt  sie  der  Anonymus  Ravennas,202) 
und  im  Norden  sind  sie  auch  nach  Alfred.203)  Adamus  Bremen- 
sis204)  meint,  dass  sie  an  der  Ostsee  wohnen;  von  einem  Trunk 
Wasser  empfangen  sie  Kinder,  oder  von  vorbeireisenden  Kaufleuten, 
oder  von  Gefangenen,  oder  von  Ungeheuern,  deren  es  dort  viele 
gebe.  Er  spricht  auch  von  den  Rhipäen  und  meint,  an  denselben 
gebe  es  seltsam  gestaltete  Menschen,  Amazonen,  Cynocephali  und 
andere.  Nach  Paulus  Diakonus205)  fand  man  Amazonen  im  Inneren 
Germaniens. 

Gehen  wir  weiter  herab,  so  glaubte  man  bei  vergrössertem  Ver- 
kehr in  allen Welttheilen Amazonen  gefunden  zuhaben.  Chardin206) 


35 

versichert,  dass  man  von  ihnen  noch  im  Kaukasus  spreche,  andere 
sezteu  sie  in's  östliche  Asien207)  oder  nach  Tibet.208)  Viele  mein- 
ten, sie  wären  in  Afrika.209)  Orellana  erreichte  1542  den  Ama- 
zonenstrom und  fand  streitbare  Weiber.210)  Wilhelm  Raleigh,  der 
1595  aus  Guyana  nach  England  zurückkehrte,  erzählt  in  seiner  Rei- 
sebeschreibung2 *  *)  vom  Eldorado,  Leuten  ohne  Kopf  und  von  Ama- 
zonen daselbst ,  und  Columbus  glaubte  ebenfalls  welche  gefunden 
zu  haben.212) 

Bei  den  Orientalen,  um  diese  nicht  zu  übergehen,  kommt  we- 
nig vor  über  die  Amazonen. 

Sie  erzählen:213)  Alexander  habe  vierzig  Weiber  bei  seinem 
Heere  gehabt,  die  immer  vor  demselben  herzogen  und  die  feindli- 
chen Heere  schlugen.  Die  Veranlassung,  durch  die  sie  zu  Alexan- 
der kamen,  war  folgende :  Als  Alexander  auf  seinem  Zuge  zu  den 
Inseln  Chalidat2  j  4)  kam,  fand  er  dort  zwei  Inseln,  deren  eine  von 
Männern,  die  andere  von  Weibern  bewohnt  war.  Die  Männer  ka- 
men jährlich  einmal  zu  den  Weibern  und  schwängerten  dieselben. 
Waren  die  Kinder  Mädchen,  so  wurden  sie  von  den  Weibern  zu- 
rückbehalten, die  Knaben  aber  schickten  sie  den  Männern.  Ale- 
xander zürnte,  wollte  sie  aus  der  Insel  vertreiben  und  bot  ihnen 
Schutz  und  Heil  an.  Sie  aber  unterwarfen  sich  ihm  nicht,  sondern 
stritten  wacker  mit  dem  Heere  Alexanders,  das  vor  ihnen  floh,  in- 
dessen er  die  Männer  der  anderen  Insel  bezwang.  Da  schrieb  Ale- 
xander dem  Aristoteles:  ich  habe  zwei  Inseln  gefunden  und  in  einer 
derselben  nichts  als  Weiber,  Sie  haben  mich  überwältigt  und  mein 
Kriegsheer  geschlagen.  Was  heisst  du  mich  mit  ihnen  thun?  Ari- 
stoteles schrieb  zurück:  „Thue  diesen  Weibern  nichts  zu  Leide, 
wenn  du  sie  überwindest,  so  hast  du  wenig  Ruhm  davon,  wenn  sie 
dich  aber  besiegen,  der  Schande  viel.  Das  Beste  ist,  du  machst  mit 
ihnen  Frieden  und  kehrst  zurück."     Als    der   Brief  des  Aristoteles 

5* 


36 

ankam,  schickte  Alexander  den  Weibern  die  Botschaft,  er  wolle 
sich  von  ihnen  entfernen,  wenn  vierzig  derselben  ihn  begleiten  und 
wider  seine  Feinde  streiten  wollten.  Da  erschienen  vierzig  Wei- 
ber, jede  so  gross,  dass  ein  Pferd  unter  ihren  Füssen  durchlaufen 
und  sie  in  keinem  Zelte  wohnen  konnten,  und  in  allen  Gefechten 
flohen  die  Rosse  vor  ihnen.  Fiel  ein  Feind  in  ihre  Hände,  so  tha- 
teu  sie  ihm  weiter  nichts,  als  dass  sie  ihm  den  Kopf  oder  die  Fiisse 
abschnitten.  Alle  feindlichen  Heere  flohen  vor  ihnen,  und  Alexan- 
ders Ruf  ward  so  mächtig,  dass  er  bald  die  Welt  eroberte." 


37 


Anmerkungen. 


1)  Ueber  die  Amazonen  ist  viel  geschrieben.  Die  älteren  Werke  s.  b. 
Meusel.  Bibl.  bist.  1,  62.  —  C.  Sagittarii,  Antiq.  Amazon.  Jen.  1685.  4.  — 
P.  Petitus  de  Amazonibus.  Arast.  1687.  8.  —  D.  Guil.  Mollerus  de  Amaz. 
Altenb.  1692.  8.  —  Wollenius  de  republica  Amazonum.  Upsal.  1721.  8.  — 
Guyon,  bistoire  des  Amazones  anciennes  et  modernes.  Paris  1740.  8.  —  Fre- 
ret,  obss.  sur  l'histoire  des  Amazones  in  dem  Mem.  de  l'Ac.  des  Inscr.  T. 
XXI,  p.  106.  —  d'Anville  in  den  Mem.  de  l'Ac.  F.  XXXV,  p.  573.  —  de 
Guignes  das.  p.  539. — Ingbirami  Monum.  Etruscbi,  Bronzi.  p.  241.  —  Creuzer 
Symbolik.  T.  II.  p.  116.  etc.  —  Nagel,  Fr.,  Geschichte  der  Amazonen.  Stutt- 
gard  1838.  8.  —  Le  Amazzone  rivendicate  alla  veritä  della  storia  con  un 
quadro  dell'  origine,  delle  costumanze,  della  religione,  delle  imprese,  del 
decadimento  et  della  totale  dispersione  avvalorito  con  documenti  tratti  dalle 
tradizioni,  dagli  storici  et  dei  monumenti  di  Francesco  Predari.  Milano 
1838.  8. 

2)  Wie  in  so  vielen  Fällen,  suchten  die  Griechen  auch  bei  den  Amazo- 
nen sich  durch  Etymologie  Aufschluss  über  ihre  Eigenthümlichkeiten  zu  ver- 
schaffen. Einige  erklärten  (Harpocrat.  Etym.  m.  Suid.  v.  Idj.tal^iov.  Diod.  Sic. 
II,  45.  Schob  Villois.  II.  III,  189.  Eust.  ad  Dion.  Per.  823.  ad  11.  III,  182, 
p.  402),  sie  hiessen  Amazonen,  weil  sie,  um  im  Gebrauche  der  Waffen 
nicht  gehindert  zu  werden,  die  rechte  Brust  brannten,  oder  sie  im  Wachs- 
thum  hinderten,  oder  abschnitten,  oder  weil  sie  gar  keine  Brüste  hätten,  oder 
nicht  säugten.  Andere  erklärten  (Eust.  ad  Od.  1,  1428)  Id^iaCfav  ,  fj 
f.iovotua^og. 

Manche  waren  der  Ansicht,  sie  führten  den  Namen  (Eust.  ad  II.  III.  183, 
p.  402),  nccQcc  zo  rcoXXa  f^irj  %orjod-ou  f.iä'Qaig,  xqeaat  de,  xai  tiov  xai  %eloj- 
vaig,  xai  oavgaig  xai  ocpeaiv.  Themistagoras  (ev  rjj  y,qvarj  ßißlco,  Cramer 
Anecd.  gr.  Vol.  1.  p.  80)  erklärte,   die  Frauen  in  Alope,  das  nachher  Lybien 


38 

hiess  (Steph".  B.  h.  v.  Etym.  m.  p.  70)  bei  Ephesus,  hätten  alle  weiblichen 
Arbeiten  aufgegeben,  hatten  Gürtel  und  Waffen  getragen  und  alle  Geschäfte 
der  Männer  besorgt,  ja  sie  erndteten  sogar,  indem  sie  den  Gürtel  anlegten, 
]}u(ov  oitv  avrcuQ  Uoraig,  o  iaziv  e&eqi^ov,  dia  zovzo  xal  ldf.ictt,6vag  xsxXfj- 
o&ai,  zag  avv  Talg  ttovaig  a/.itoaag.  —  Einige  meinten  (Eust.  ad  Dion.  Per. 
824.  Steph.  B.  x.^'EcpEGog,  das  Volk  habe  seinen  Namen  von  der  Tochter  des 
Ephesus  oder  Samorna,  die  Amazon  hiess.  Man  nennt  sie  auch  Sauromatides 
(Steph.  B.  v.  ^Aj-iauibv.  Eust.  ad  Dion.  Schob  Apoll.  Bhod.  II,  49.  Pherecyd. 
fragm.  ed.  Sturz,  p.  86. ),  weil  sie  im  Sauromatischen  Scythien  wohnten,  oder 
Sauroputides  dia  zb  aavqag  ndoao&at,  o  eozt  yEvoaoO-ai,  zoiovzcov  yecQrja&iov 
xQEtov.  (Bemerkungen  über  'uif-iatovidtg  s.  bei  Eust.  ad  Dion.  Per.  224.  652. 
—  Steph.  Byz.  gibt  auch  an:  Xiyszat  xal  'AfiaCwv  dqoEVLXiZg,  und  man 
mochte  es  so  gebrauchen,  wenn  man  es  in  der  Bedeutung  nahm,  die  das 
Etym.  m.  anführt:  3 '  *df.iaL,6v£g,  Xiyovzai  ovzio  xal  ol  nivi]zeg,  ol  /.id^av  ovx 
i'yovzeg. 

3)  II.  III.    189:  TJfiaTi,  z(o   ozs  z    rjXd-ov  '  Af.ia"Q6vEg  dvzlavEiqai. 

4)  Eustath.   ad  Od.  p.  403.  635. 

5)  II.  VI,  186. 

6)  zb  zqizov  au  xazinEcpvEv  Idf.ia'Qnvag  avziavEiqag.  Einige  änderten  auch 
im   Homer  und  lesen  Amazonen  statt  Alazonen: 

jivzaq  '^iß^wwc  'Odlog  xal  'ETilozqocpog  rjqxov  , 

*Elt>6vz  e!;  'Alönrjg,  oö-'  'Apa^ovldcov  yivog  eazl  — 
Heyne  ad  Homer.  11.  II.  856.  T.  IV.  p.  427.  Polit.  ad  Eust.  T.  II.  p.  684,  not. 
4.  p.  790.  not.  1.2.  Hug  Untersuch,  über  den  Mythos  etc.  p.  315. — Strabo  XII, 
550,  zeigt  die  Unhaltbarkeit  dieser  Lesart.  —  Aus  einem  Schriftsteller  ,  der 
sie  angenommen,  hat  Steph.  Byzant.  (y.AXömq)  die  Bemerkung:  zqlvrj Tlovzov, 
d(p  r\q  Ilav&EolXsia.  —  Bei  Späteren  heisst  es,  dass  die  Amazonen  nach  Troja 
gezogen  wären;  dieser  Ansicht  gemäss  änderte  man  den  Schluss  der  Uiade 
(vid.  Schob  Vict.  II.  XXIV,  v.  ult.): 

wg  oi  y    a/.icplenov  zdcpov  "Exzoqog,  ijlds  ö'  Afia'Qojv , 

Ziqtjog  &vyäir]o,    f.iEyaXiqzoqog,  dvdqoyovoio. 

7)  Plut.  de  mulier.  virt.  v.  Avx'iai. — Grotefend  nimmt  ohne  hinreichen- 
den Grund  an  (Allgem.  geogr.  Ephemer.  XL VIII,  3-  S.  264.),  das  Vorgebirge 
Chimära  trenne  die  Lykier  von  den  fabelhaften  Solymern  und  Amazonen,  (11. 
VI.  179.),  es  wurde  in  das  Ungeheuer  umgeschaffen,  welches  Bellerophon 
erlegte. 


39 

8)  H.,  814:  zrjv  yvoi  avdqsg  Bazieiav  y.ixXrjoxovoiv, 

dtfdvazoi  de  zs    orj/.ia  tioXvokciq'^/hoio  JMvqivrjg. 

9)  Strab.  XII.,  573.  XIII,  623.  Eust.  ad  II.  IL  p.  354.  —  Stephanus  he- 
merkt  —  v.  Bazieia  —  zörcog  zrjg  Tqolag  vxprjXng.  xixXyrai  and  Bazelag 
zivdg,  wg'EXhdvixog  iv  ngiorrj  TqcolxoJv.  rj  and  zov  rcätov  ziöv  Inniov,  rjyovv 
zrjg  TQO(prjg,  zqonfj  zov  n  elg  ß.  rj  and  zwv  ßäziov. 

10)  Schol.  Lycophr.  243. 

11)  Vergl.  Strab.  XII,  573:  evaxaQÜ-ftovg  'innovg  Xeyea&at ,  did  zd 
rä%og,  xäxelvrjv  ovv  noXvoxaod-riov  did  zd  and  zrjg  ijvioyelag  zäyog. 

12)  Strabo  XII,  542  :  Schol.  Apoll.  Rhod.  II,  397.  Schol.  Villois.  II. 
III,    189. 

13)  Ctes.  Pers.  3.  Diod.  Sic.  II,  34,  44.  Perizon.  ad  Aelian.  var.  hist. 
XII.    34. 

14)  Demetr.  de  elocut.   §.    213.    ed.  Goeller   p.  44.  Tzetz.  Chil.   XII,  894. 

15)  de  aere  etc.  c.  VI.   §.  89.   ed.  Coray. 

16)  de  legg.  VII,   804. 

17)  ap.  Stob.  tit.  V.  de  temperantia.  Tit.  1.  p.  165.  ed.  Gaisf.  —  fragm. 
Nie.  Dam.  ed.  Orelli  p.  142. 

18)  Appian.   B.  Mithr.  c.   103.  Plut.  Pompej.  c.   34. 

19)  Spätere  erzählen  auch,  dass  bei  den  Mysern  Frauen  auf  Streitwagen 
in  der  Schlacht  kämpften.  Tzetz.  Antehomer.  275-  Chil.  XII,  952.  Philostrat. 
Heroic,    p.  691.    — 

Man  suchte  auch  den  Grund  anzugeben ,  warum  im  Norden  die  Weiber 
wie  die  Männer  lebten,  und  meinte,  die  Luft  mache  in  jenen  Gegenden  den 
weiblichen  Körper  stärker  als  den  der  Männer.  Steph.  B.  v.  ^ia^w.  ■ — 
Ptolemäus,-  de  astrol.  judic.  üb.  II.  ed.  Norimb.  1535.  4.  p.  18.  sucht  aus  der 
Stellung  der  Gestirne  darzuthun,  warum  in  der  Gegend  von  Phrygien,  Bilhy- 
nien  und  Colchis  die  Männer  weibisch  und  leicht  zu  beherrschen  sind,  die 
Weiber  hingegen,  wie  die  Amazonen,  die  Waffen  lieben  und  die  Mädchen 
früh  an  kriegerische  Uebungen  gewöhnen.  Beispiele  von  kriegerischen  Wei- 
bern jener  Gegend  in  neuer  Zeit  s.  b.  Lamberti  relation  de  Mingreli,  im  Re- 
cueil  de  voy.  au  Nord.  T.  VIII.  p.  183.  Herrmann  Beitr.  z.  Gesch. x  des  Rus- 
sischen Beichs,  Leipzig  1843.  8.  S.    182. 

20)  Plut.  Thes.  27.  vgl.  Proclus  ad  Plat.  de  rep.  V.  p.  418.  ed.  Plat. 
Basil.   1534.  Fol. 

21)  Man  beachte  den  Einfluss  derjenigen  Orakel,    denen  Apollo  vorstand. 


10 

—  Ein  Apollo  Amazonius    wird  auch  erwähnt    Pausan.    III,    25-     Ueber   seine 
Verehrung  in  Kleinasien  s.   Strab.  XIII,  537. 

22)  Voss  mythol.   Briefe. 

23)  Man  erzählte,  die  Amazonen  hätten  die  Ephesische  Artemis  vomPon- 
tus  nach  Ephesus  gebracht,  wo  sie  als  Göttermutter  verehrt  ward.  Pausan. 
VI.  31.  VII.  2.  Cic.  de  nat.  Deor.  III.  23.  vgl.  Callim.  H.  in  Dian.  237.  Dionys. 
Per.  828.  —  Nach  einigen  soll  das  Bild  der  Ephesischen  Göttin  vom  Himmel 
gefallen  seyn.  Grotius  ad  Act.  XIX,  35.  Vales.  ad  Sozom.  hist.  eecl.  III.  5. 
Heeren  Bibl.   d.  alt.  Litt,   und  K.   X.   —  eben  so  das  der  Artemis  in  Taurien. 

—  Eurip.    Iph.    Taur.    87.    977.   986.    1384.   Ovid.   ex   Pont.    III,    2,    45.    vgl. 
Strabo.  XII,  535. 

24)  Eudoc.  Violar.  p.  38.  Eine  Amazone  soll  in  Ephesus  zuerst  die  Ar- 
temis verehrt  haben.     Etym.  m.  p.  364  (402). 

25)  Im  Tempel  der  Ephesischen  Artemis  waren  Jungfrauen  als  Priesterin- 
nen, die  Plutarch  mit  den  Vestalinnen  vergleicht,  an  seni  sit  gerenda  resp. 
24.  —  Die  Priester,  Megalobyzi,   waren  Verschnittene.   Strab.  XIV.  641. 

26)  IV,  31. 

27)  Wie  die  Artemis  überall  verehrt  ward,  zeigen  viele  Beispiele.  Als 
die  Perser  Athen  bedrohten,  gelobten  die  Athener  der  Göttin  ein  grosses 
Opfer  —  Xenoph.  Anab.  III,  2,  11.  vergl.  Schol.  Aristoph.  Eq.  637.  Plut. 
de  malign.  Herod.  26.  Aelian.  var.  hist.  II,  25. —  Sie  gaben  dem  Apollo  und 
der  Artemis  den  Zehnten.  —  Xenoph.  1.  c.  V,  3,  4.  Als  Xenophon  und  die 
Zehnlausend  glücklich  Cerasus  erreicht  hatten,  weihten  sie  dem  Apollo  und 
der  Artemis  Geschenke.  Den  Antheil  des  Gottes  schickte  er  nach  Delphi,  für 
das  der  Göttin  bestimmte  Gold  baute  Xenophon  einen  Tempel  zu  Scillus,  in 
Triphylicn,  ganz  nach  dem  Voi'bilde  des  Ephesischen  und  Hess  das  Bild  aus 
Cypressenholz  nachmachen.  Ueber  andere  Tempel  der  Artemis  s.  Pausan.  II, 
3.  VIII,  23,  30.  Sie  ward  vorzüglich  in  Elis  verehrt.  Strab.  VIII,  343.  — 
vergl.   Callim.   H.   in  Dian. 

28)  Creuzer  meint  —  Symbol.  II,  111  —  es  liegen  in  der  Sage  von  den 
Amazonen,  die  als  Erbauerinnen  mehrerer  Jonischen  Städte,  z.  B.  Smyrna's, 
genannt  werden,  Spuren  alter  Religionswanderungen.  —  Auf  gleiche  Weise 
erklärt  Movcrs  —  Phönizier  S.  20  — :  die  Mythen  von  den  Amazonen  seien 
die  Wanderung  der  Kleinasiatischen  Göttin,  die  Verbreitung  des  Cultus  der 
grossen  Artemis,  der  Em  azzah,  *"i|M  r^\»,  „starken  Mutter." 

29)  Thucyd.  I,  3.  Strab.  VIII,  370.  XIV,  661.  663. 

30)  II.  I.  265-  Der  Vers  ist  später  eingeschoben,  um  den  Iheseus  zu 
verherrlichen,   Eustathius  und  der  Villois.    Scholiast  erwähnen  ihn  nicht;  vrgl. 


41 

Wolf  Prolegg.  p.  27;  er  ist  aus  Hesiodus  Scut.  Herc.  182,  entlehnt;  vrgl. 
Voss  Mythol.  Br.  II,  265.  Böttiger,  Griech.  Vasengera.  1,  3,  123.  In  der 
Odyssee  werden  Theseus  und  Ariadne  erwähnt,  XI,  321  und  XI,  630  Theseus 
und  Pirithoos.  —  Wäre  er  früh  bedeutend  gewesen,  so  hatte  Klisthenes  eine 
Tribus  nach  ihm  genannt.  Pausan.  I,  5-  —  Aeschylus  hebt  ihn  nicht  sehr, 
desto  mehr   Euripides. 

31)  Hesiodus  nennt  —  Scut.  Herc.   182  —  bei  demLapithenkampfe: 

Qrjöia  %   ^älyeldiqv  snieixelov  a&avüxoioiv. 

32)  Plut.  Thes.  35. 

33)  Nach  dem  Perserkriege  befahl  die  Pythia  die  Gebeine  des  Theseus 
aus  Skyros  zu  holen.  Dies  geschah:  sie  wurden  feierlich  empfangen  und  ihm 
ein  Heroon  geweiht.  Plut.  Thes.  36.  Cimon  8.  Pausan.  I,  17,  6.  18,  1.  III, 
3,  6.  Diod.  Sic.  IV,  89.  Aristid.  Orat.  Plat.  II.  Valck.  ad  Ammon.  p.  155. 
Plin.  XXXIII,  56.  XXXV,  25,  35.  —  6  Qrjolcog  arjx.6g —  to  Qrjoecog  leqöv  — 
QrjGeiov.  vrgl.  Herodian.  bei  Hermann  de  emend.  Gr.  gr.  p.   208. 

34)  Pausanias  V,  11,  2  nennt  dies  Unternehmen  %b  ]Ad-r]va'aov  tcqiotov 
dvÖQayä&t]/.ia  ig  ov%  6(.iO(pvlovg.  —  Wie  Spätere  Motive,  die  ihrer  Zeit  ange- 
hörten, liehen,  zeigt  z.  B.  Dio  Chrysostomus  —  Or.  XI  de  Troj.  expugn.  p. 
163:  —  Theseus,  meint  er,  habe  vom  Thermodon  eine  Amazone  weggeführt, 
weil  es  in  jener  Zeit  Sitte  war,  Verwandtschaft  mit  entfernten  Herrschern  zu 
suchen. 

35)  Die  meisten  dachten  wie  Ax-rian.  Er  bemerkt  —  Exped.  Alex.  VIII, 
13,  —  dass  die  besseren  Historiker  nichts  von  Amazonen  sagten,  die  zum 
Alexander  gekommen;  erklärt  jedoch,  dass  er  nicht  ganz  das  Dasein  einer  sol- 
chen Art  von  Weibern  läugnen  möge,  da  so  viele  sie  besungen,  da  der  Zug 
des  Heikules  gegen  sie,  ihre  Niederlage  durch  Theseus  in  Europa,  sie  ver- 
herrlicht hätten,  da  Mikon  diese  Schlacht  eben  so  wie  die  gegen  die  Perser 
gemalt  habe,  Herodot  oft  über  sie  spreche,  und  alle,  welche  in  Athen  eine 
Lobrede  auf  die  im  Kriege  Gefallenen  hielten,  stets  die  Thaten  der  Athener 
gegen  die  Amazonen  anführten,  vrgl.  Plut.  Alex.  46. 

36)  Ukerts  Geogr.  d.  Gr.  und  Kömer. 

37)  Prodi  Chrestom.  in  d.  Bibl.  d.  alt.  Litt,  und  Kunst.  1  Th.'  Ined.  p. 
33.  —  Auch  andere  meldeten,  sie  redeten  Thrakisch.  Schob  Apoll.  Rhod.  II, 
953.  oi  i-is&voot  —avünai  Xeyovcai  naga  Gga^iv  (jj  dtalixTfij  %qwvtccl  xai 
^4fxa^6veg).  —  In  der  Aethiopis  ward  auch  eine  Amazone  erwähnt,  als  Toch- 
ter des  Ares,   Schob  II.  XXIV,   804  : 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  li.  Alt.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  6 


12 

"ißg   o'i   y  a(.iq>UTtov   Tcccpov  "ExToqog.  ?]l&e  $" Idf.ia'C.wv 
^■iqijog  xhiydvrjQ  f.ieyaXrjroqog,  drÖQoqiövoio. 

Den  Ares  nennen  manche  als  Vater,  Eurip.  Herc.  für.  413.  Isocrat.  Panegyr. 
c.  19.  Eysias  Orat.  31.  Philostrat.  Heroic.  c.  19.  Eustath.  ad  Dion.  654.  Serv. 
ad  Virg.  Aen.  XI,  661.  Lactant.  ad  Stat.  Theb.  V,  146.  Tzetzes  Antehomer. 
22.  Als  Mutter  -ward  die  Harmonia  angeführt,  Diod.  Sic.  II,  44.  Schol.  Apoll. 
Rhod.  II,  1033,  992.  Eust.  ad  II.  V.  pag.  305.  Justin.  II,  4;  vrgl.  Hock  Kreta 
1,  293;  —  oder  die  Aphrodite  — Schol.  II.  I,  189.  — Bei  Lykophron  —  Cassand. 
1332  —  heissen  die  Amazonen  ort  ^vvaifioi  naqdevoL  Nenovvidog,  in  Bezug 
auf  Ilippolyte.  —  Andere  betrachten  sie  als  Gefährtinnen  des  Ares.  Proclus 
ad  lib.  V.  rep.  Plat.  p.  418. 

37a)  Eust.   ad  Dion.  Per.  828. 

38)  Apollodor  schöpfte  aus  ihnen  II,  5,  9.  Ueberblicken  wir,  was  er  über 
Thescus  und  Herakles  mittheilt,  so  ist  der  Unterschied  auffallend.  Die  Thaten 
des  letzteren  erzählt  er  ausführlich  im  Zusammenhang  und  kommt  gelegent- 
lich oft  auf  ihn  zurück;  über  Theseus  findet  sich  hie  und  da  etwas  —  I, 
8  —  9.  II,  5.  6.  10.  16  —  und  seine  Kämpfe  mit  den  Amazonen  werden  gar 
nicht  erwähnt.  Wir  möchten  nicht  sagen,  wie  man  gethan  hat,  dass  etwas 
im  Apollodor  verloren  gegangen  sei,  sondei'n  die  von  ihm  benutzten  Quellen 
enthielten  diesen  Theil  des  Mythus  noch  nicht ,  da  er  später  erst  ausge- 
bildet ward. 

39)  Apollod.   II,  5.   9. 

40)  Ueber  diesen  Gürtel  hatte  man  viele  Sagen.  Schol.  Ap.  Rhod.  II,  778: 
no?.?.ol  de  Xoyoi  neql  xov  ^(oorrjqog  eloiv.  TLveg  [iev  yaq  < InTcoXvTrjg,  aXXov 
de  Jälvxrjg.  ""ißvxog  de  lölcog  ioxoqüv  Oiolvxrjg  qir^olv  eivai  rfjg  Bqiäqeo) 
dvyccTQÖg.  — 

Apollodor  II  ,  5.  9  nennt  den  Gürtel  :  Z4qeog  tcootrjqa  ,  ovfißoXov 
xov  TtqiOTEieiv  auaocov.  —  Dass  vorzüglich  der  Gürtel  der  Amazonenkönigin 
als  Siegespreis  gefordert  ward,  mochte,  ausser  anderen  oft  angegebenen  Ur- 
sachen, auch  darin  liegen,  dass  der  Gürtel  bei  den  Scythen  von  eigentüm- 
licher Art  war  und  auf  eigene  Weise  angelegt  ward,  so  dass  sie  sich  dadurch, 
wie  durch  ihre  Art  mit  dem  Bogen  zu  schiessen,  auszeichneten.  Die  Sage 
Hess  daher  schon  den  Herakles  der  Echidna  anbefehlen,  —  Herod.  IV,  9,  — 
wenn  die  mit  ihr  erzeugten  Söhne  herangewachsen  wären,  den  im  Lande  zu 
behalten,  der  sich  auf  die  Art,  wie  er  es  zeigte,  gürten  werde  (xal  reo  £to- 
otfjut-  Ttoöe  xazä  zäde  "Ciovvvfxevov). 

41)  e&itlißov.  —  Bei  den  Meisten  wird  vom  Brennen  gesprochen;  Ptole- 


43 

maeus,  de  judic.  astrol.  1.  2.  p.  18,  lässt  die  rechte  Brust  abschneiden.  Gale- 
nus  ■ —  ad  Aphorism.  XLIII.  sect.  7.  —  sucht  den  Grund  anzugeben:  Tag 
yovv  ld[.ia£,ovldag  aviog  <p>]Otv  knixaieiv  xbv  öe^iöv  tit&ov,  'Iva  elg  xhv 
Tclrjotov  xeiqa  TiXeiovog  VQoeprjg  acpixvoui-ievrjg,  evQtoaiia  zig  avvtj  TiQogyevriTai, 
tog  Tijj  cpvoei  ye  xal  zavxrjg  vnaQXOvotjg  ao&evovg. 

42)  Andere  Hessen  ihn  zu  Fuss  durch  Kleinasien  gehen  ,  Apoll.  Rhod. 
II,   778. 

43)  Strab.  XII,  544.  —  Lyriker  und  Tragiker  mögen  auch  die  Sagen  von 
den  Amazonen  am  meisten  ausgebildet  und  umgebildet  haben,  -wie  die  vom 
Theseus  ;  und  Pausanias  I,  3,  erklärt:  ,,die  meisten  der  Hellenen  wären  der 
Geschichte  unkundig  und  glaubten,  was  sie  von  Jugend  auf  in  Chorgesängen 
und  Tragödien  hörten." 

44)  Nem.  III,  65.  —  Den  Bogen  führen  sie  auch  bei  Aeschylus  Eumen. 
614.  Suppl.  302. 

45)  Nem.  XIII,  124  ed.  Thiersch.  Unrichtig  sezt  der  Scholiast  die  Ama- 
zonen ganz  in  den  Norden,  zu  den  Hyperboreern.  Eine  ähnliche  Sage  mochte 
Servius  vor  Augen  haben  in  der  verschriebenen  Stelle  Aen.  XI,  858,  wo 
Burmann  statt  annuloforos  lesen  will  ovXocp6(>ovg,  Servius  schrieb  wohl  afiaX- 
Xocpoqovg. 

46)  Nem.  III,  65. 

47)  Pausan.  VII,  2.  vrgl.  Etym.  m.  Y."E<f)£Oog — Die  Chronologen  bemüh- 
ten sich,  die  Zeit  des  Zuges  nach  Griechenland  zu  bestimmen;  man  nahm  an, 
er  sei  25  Jahre  nach  Trojas  Zerstörung  gewesen.  Clem.  Alex.  Strom.  1.  p. 
336  —  als  Aeneas  in  Latium  herrschte.  Euseb.  Chron.  p.  33. 

48)  Plut.  Thes.  28.  Man  hatte  Sagen  über  ihre  Eroberungen  in  Asien, 
von  denen  nachher  einiges  angeführt  werden  soll.  Mela  bemerkt,  I,  17:  Ephe- 
sus,  ibi  Dianae  clarissimum  templum,  quod  AmazonesAsia  potitae  consecrasse 
dicuntur.  —  Die  Sege  ward  auf  mancherlei  Art  erzählt,  Meziriac.  ad  Ovid. 
T.   1,  p.  319.  — 

49)  Olymp.  VIII,  62. 

50)  Ueber  den  Einfluss  der  Tragiker  auf  die  Umbildung  der  Sagen  zu 
Lob  und  Tadel  s.  Plut.  Thes.  16.  Diod.  Sic.  IV,  53.  56.  —  Dass  .die  Sagen 
vom  Herkules  und  Dionysus  gemäss  der  erweiterten  Länder-  und  Völkerkunde 
ausgebildet  und  umgestaltet  wurden,  vgl.   Strab.  XI,  501. 

51)  Prom.  728.  —  vrgl.  Serv.  ad  Virg.  Aen.  XI,  659. 

52)  1.  1.  720. 

53)  Prom.    415. 

6* 


44 

54)  Suppl.  301. 

55)  1.  1. 

56)  Dass  Thescus  der  Gefährte  des  Herkules  gewesen,  war  ein  verbrei- 
teter Glaube  und  gab  zu  dem  Sprichwort  Gelegenheit:  ovk  avev  ye  Qrjoiwg. 
Zenob.  Proverb.  Cent.  V,  33.  —  Den  Namen  Areopag  erklärte  man  auf  ver- 
schiedene Weise,  s.  Steph.  B.  h.  v.  Schob  in  Plat.  Phaed.  ed.  Behker  T.  II. 
p.  312. 

57)  Die  Theseiden  stellten  die  Begebenheiten  des  Theseus  mit  den  Ama- 
zonen auf  verschiedene  Art  dar.  Plutarch — Thes.  v.  28 —  sucht  mit  Unrecht, 
geschichtliches  und  ungcschichtliches  zu  scheiden;  er  bemerkt  bei  einer  Er- 
zählung: nsQiq>avtüg  soixe  fiv&fß  xal  nXdo/.iazi. 

58)  Hera  für.  408.  1163.  Heraclid.  216.  Ion.  1144.  Hippol.  10.  Vom  Her- 
kules heisst  es: 

zbv  Innevrdv  z  Id^iaCpvwv  ozgazov 

31aituviv  a[i(pi  noXvnozanov 

l'ßa  di  Ev^eivov  olöj.ia  Xl{.ivag, 

ziv    ovx  ci(p    EXXaviag 

ayoqov  aXioag  (plXoyv, 

xÖQCtg  ccQsiag  nenXojv 

XqvoeoozoXov  cpdgog, 

KcooziJQog  oXsdQiovg  aygag; 

zä  xXeivd  d'  cEXXdg  l'Xaßa 

ßctQßocQOV  y.ogag  Xdcpv- 

qcc,  xctl  oto^ez    ev  Mv/.Tqvaig. 

59)  Hippol.  312.  587.  Herc.  für.  408. 

60)  Hippol.  215. 

61)  Eurip.  Ion  1159. 

62)  Pausan.  V,  11. 

63)  Pausan.  V,    11.  2.  I,    17.  2. 

64)  Pausan.  V,    11.  z.  B.   über  einem  Gemälde  zu  Delphi.  Paus.  X,  31,  3. 

65)  Strab.  VIII,  347.  Auch  den  Apollo  finden  wir  häufig  in  den  Ge- 
schichten vom  Thescus  und  den  Amazonen  erwähnt.  So  erzählte  man  —  Macrob. 
Sat.  I,  17.  ■ —  hanc  vocem,  id  est  'i'e  Tiaidv,  confirmasse  oraculum  Delphicum 
Atheniensibus  petentibus  opem  Dei  (Apollinis)  pdversus  Amazones  Theseo 
regnante;  namque  inituros  bellum  jussit  bis  ipsis  verbis  semetipsum  auxilia- 
torem  invocare  hortarique. 


45 

66)  Denselben  Gegenstand   hatte  Aristokles  behandelt.  Pausan.   V,  25,    11. 
vrgl.  Böckh.   Inscr.  23.  p.  39. 

67)  Pausan.  I,  15.  PHn.  XXXV,  35.  vrgl.  Böttigers  Ideen  zur  Archäologie 
der  Malerei  S.  254.  278. 

68)  Pausan.  I,   17. 

69)  Pausan.  \,   17.  24.  X,   34.  PHn.  XXXVI,  4. 

70)  Pausan.  X,  34.  —  Wie  dem  Bildhauer  und  Maler  "der  Amazonenkampf 
ein  erwünschter  Gegenstand  war,  so  bot  die  Sage  vom  Theseus  einen  anderen, 
der  Gelegenheit  gab  in  den  Gestalten,  wo  die  edlere  thierische  Natur  des 
Rosses  mit  dem  Menschen  vereint  war,  die  Kunst  aufs  mannigfaltigste  zu  zei- 
gen —  s.  d.  Bemerk,  von  Demetrius  de  elocut.  §.  76  p.  19  ed.  Göller.  — 
Dies  war  der  Kampf  des  Theseus  mit  den  Lapithen  und  Centauren.  Phidias, 
Alkamenes  und  andere  hatten  ihn  im  Parthenon  ,  in  Olympia  u.  s.  w.  darge- 
stellt. PHn.  XXXVI,  5.  4.  Pausan.  V,  10.  I,  23.  Stuart  ant.  of  Athen  T.  II. 
Hancarville  T.  III,  81.  Mus.  Pio  Clem.  T.  V.  tab.  12.  vrgl.  Böttiger,  Ideen 
u.  s.  w.  157.  257.  —  Ueber  Gemälde  des  Theseus  s.  PHn.  XXXV,  40.  36. 
Plut.  de  gloria  Athen.  2.  —  Gemälde  der  Amazonenschlacht  aus  späterer  Zeit 
6.  Pausan.  I,  25,   2. 

71)  Pausan.  X,  31. 

72)  PHn.  XXXIV,   19  (8). 

73)  Fragm.  VI.  ed.  Sturz,   p.  86.  vgl.  Apollon.  Rhod.  II,  992.   Steph.   B.  v. 
L4x/.t6via. 

74)  Nv(.icprj  Na'i'g.  Pherecyd.  vgl.  Schol.  Apoll.  Rhod.  II,  990.  Porphyr, 
de  antro  Nymph.  c.  10:  Nv{.iq)ag  de  Natöag  Xeyof.iev  xal  tag  twv  vöärtov 
naqsarcüGag  övväfj.eig. 

75)  Steph.  Byz.  v.  ld*\.iövia.  Joiavzog  nedlov.  —  Schol.  II.  III.  189  ist 
l^Qfxoviag  zu  lesen  statt  ^Aq^ieviag. 

76)  Schol.  Apoll.  Bhod.  II,  990.  OvdsTtoxe  aXoog  ^4x/.ioviov  ediqlioGev 
Elqrjvalog.  eoxi  de  neoi  tbv  QeQ[.ti6dovta.  Me(.ivrjtai  avtov  (DeQexvdrjg 
iv  ß.  —  Schol.  Paris.  EiQrjvaiog  f.isv  ovöa/.iov  IdrjXwosv  eivat.  OeqExvdrjg  de 
iv  Geoficüdovri  cprjoiv  eivai. 

77)  Schol.  Apoll.  Rhod.  II,  373. 

78)  So  der  Pariser  Scholiast;  der  früher  gedruckte  liest:  XaXvßia. 

79)  Schol.  Pind.  Nem.  V,  89. 

80)  Theseus  c.   16. 

81)  Auch  die  Heimfahrt  des  Theseus  ward  mannigfaltig  erzählt.  Mene- 
krates,  der  die  Geschichte  der  Stadt  Nicaea  in  Bithynien  schrieb  (Plut.  Thei. 


IG 

26%  Hess  auf  der  Rückkehr  den  Theseus  mit  der  Antiope  dort  verweilen  und 
die  Stadt  Pythopolis  gründen.  Wie  es  mit  den  Sagen  gieng,  zeigt  der  Zusaz: 
ein  Ort  in  der  Umgegend  habe  nach  einem  Begleiter  des  Theseus  den  Namen 
1Eq/,iov  olxla  erhalten;  Plutarch  sezt  hinzu:  ovx  OQ&ütg  xr)v  öevTeoav  ovX- 
Xaßr^'  neqiartiövxeg,  xai  rt]v  öö^av  ini  $eov  and  rJQtoog  (.lexaTL&ivxeg. 

82)  Eust.  ad  Dion.  Per.  828. 

83)  Grabmäler  von  Amazonen  zeigte  man  in  mehreren  Gegenden  von 
Hellas  und  von  Kleinasien,  um  das  Dasein  der  Amazonen  zu  bestätigen.  Bei 
Strabo  XI,  505  ist  statt  xai  IJdcpov,  wo  auch  mehrere  Codd.  ndgpag  und 
nd<pai  haben,  xai  xacpdg  zu  lesen,  was,  wie  Groskurd  richtig  bemerkt,  zu 
dem  folgenden  akla  imnf.ivrji.iava  passt.  vrgl.   XII,   573. 

84)  Schob  Apoll.  Rhod.  II,  1003:  Xadiqoiag  de  avxdg  elnev  'Exaxalog 
otto  xov  xaöfjaai.  —  Schob  Ap.  Kh.  II,  948  handelt  von  dem  Siege,  vrgl. 
Creuzer    ad    Hecat.  fragm.  p.  79.  183.  202.  —  Steph.  B.  v.  Xaöiaia.  XaXiaLa. 

85)  ap.  Schob  Pind.  Nem.  III,  64. 

86)  Plut.  Thes.  c.  28. 

87)  Tzetz.  Posthomer.  13.  Tzetz.  ad  Lycophr.  1327. 

88)  Plut.  Thes.  I,  26.  Tzetz.  1.  1. 

89)  Nach  Herodor  dem  Pontiker  erhielt  Theseus  damals  die  Antiope, 
die  entweder  mit  ihm  selbst  kämpfte  oder  von  der  Amazonin  Molpadia  ver- 
wundet ward  und  fiel,  oder,  vom  Ares  gesandt,  mit  Geschenken  nach  Athen 
kam.     Ihr  Grab  zeigte  man  in  Athen.  Pausan.   I,   2. 

90)  II,  104.  VII,  72.  76.  V,  49. 

91)  Herod.  IX,  27.  Larcher  Herod.  T.  6.  p.  108.    109. 

92)  IV,  110. 

93)  Eustatbius,  ad  Dion.  Per.  653,  entlehnt  aus  anderen  die  Nachricht, 
dass  die  Amazonen  nach  Scythien  gekommen  und  dort  die  Sauromaten  gebo- 
ren hätten,  entweder  als  sie  an  der  Nordküste  des  Pontus  hinzogen,  um  nach 
Hellas  zu  gehen,   oder  als  sie  Herkules  aus  Asien  vertrieb. 

94)  IV,   HO. 

95)  Klaproth  — ■  Reise  in  den  Kaukasus,  Nch.  S.  655  —  leitet  Aiorpate 
ab  aus  dem  Armenischen.  Air  heisst  ein  Mann,  Sban  oder  Sbanoph  Mörder, 
daher  Ariausban    oder  Ariausbanoph  Männermörder. 

96)  IV,  114. 

97)  Hippocrat.  de  art.  §.  58;  er  sezt  hinzu:  ei  /xev  ovv  dlrjöea  xavtä 
toxi,  iyw  fxev  ovx  olöa.  —  Der  Verfasser  der  Schrift  de  aere,  aquis  et  locis 
nennt  die  Amazonen  nicht,  schildert  aber  die  Frauen  der  Sauromaten  wie  der 


47 

Maeotis,  (§.  89),  und  gibt  von  ihnen  an,  was  bei  anderen  sich  über  die  Ama- 
zonen findet.  Den  Scythen,  welche  die  Amazonen  aufforderten,  mit  ihnen  der 
Liebe  zu  pflegen,  soll  eine  Kriegerin  geantwortet  haben:  agiora  de  %ioXbg 
olcpeT,  was  sprichwörtlich  ward.  Eust.  ad  II.  III ,  402.  Diogenian.  Proverb. 
Cent.  II,  2.  Athenaeus.  Man  hat  gefragt  (Müller,  Orchomenos  1,357):  sind 
nicht  aber  auch  die  Amazonen  —  Hierodulen  ,  streitbare  Gottheiten,  ■ — ■  ur- 
sprünglich Dienerinnen  der  Böotischen  Enyo?  (vrgl.  S.  223).  Wenigstens 
zum  Theil.  Daher  erscheinen  sie  in  den  Altattischen  Mythen  als  Nachbarvolk, 
wie  die  Thraker  des  Eumolpus.  Auch  in  Böotien  war  ein  Amazonikon  (Steph.). 
Und  finden  sich  nicht  Thermodon  und  Triton,  die  beiden  eigentlichen  Ama- 
zonenströme, in  Böotien  zusammen,  und  zwar  schon  hier  in  Beziehung  auf 
Amazonenschlachten  und  den   Cultus  kampfrüstiger  Göttinnen?" 

Eine  unbefangene  Betrachtung  der  bisher  mitgetheilten  Ansichten  zeigt, 
dass  nichts  für  den  dauernden  Aufenthalt  der  Amazonen  in  Böotien  spricht, 
und  dass,  in  Bezug  auf  sie,  von  einer  Enyo  die  Rede  nicht  seyn  kann.  Für 
die  letzte  der  oben  angegebenen  Behauptungen  vom  Thermodon  und  Triton 
und  den  damit  verbundenen  Schlachten  und  Göttinnen  wird  auf  Duris,  beim 
Plutarch  (Demosth.  c.  19.  Thes.  c.  12,  soll  27  heissen)  verwiesen,  der  jedoch 
keinen  Beweis  für  das  Angegebene  liefert.  Es  wird  erzählt,  den  Untergang 
der  Freiheit  Griechenlands  habe  die  Sibylle  vorhergesagt ;  ein  alter  Spruch 
derselben  laute: 

Trjg  etil  Osq/.kÖöovti  liö%r]Q  ccrcdvsv^s  yevot/.irjv. 
u-llatog  ev  verpeeooi  %ai  rjeQt-  ^rj^aaad-ai 
KXaiEL  6  vixrjtfeig,  6  de  vixiqoag  anöXioXev. 

Um  darzuthun,  dass  die  Sibylle  das  Richtige  angegeben,  behauptete  man, 
der  Thermodon  sei  ein  kleines  Flüsschen,  das  bei  Chäronea  in  den  Kephisos 
falle.  Plutarch  bemerkt  aber,  dass  man  zu  seiner  Zeit  kein  Gewässer  des 
Namens  dort  kenne  ;  er  mulmasst  jedoch,  der  Haemon  möge  zur  Zeit  der 
Schlacht  Thermodon  geheissen  haben.  Er  fliesse  bei  dem  Herakleum,  wo 
man  die  Hellenen  bestattet  habe;  wahrscheinlich  sei  er  durch  den  Kampf  mit 
Blut  und  Todten  gefüllt  Morden,  und  so  habe  er  seinen  Namen  geändert.  Diese 
Deutung  des  Sibyllenspruchs  mochte  vielen  nicht  gefallen,  da  suchte  man  sich 
auf  andere  Weise  zu  helfen.  Man  erzählte:  als  einer,  um  ein  Zelt  aufzurich- 
ten, dort  in  der  Gegend  grub,  fand  er  eine  kleine  Statue  von  Stein,  und  eine 
Inschrift  sagte,  es  sei  der  Thermodon,  der  eine  verwundete  Amazonin  trage. 
—  Fröret,  Mem.  de  l'Acad.  T.  XXI,  118,  versuchte  eine  andere  Erklärung; 
er  meint,   die  Amazonen  wären  nicht  nach  Attika  gekommen,    man  habe  aber 


48 

die  Kriege  der  Athener  gegen    die  Thraker  damit  verwechselt;  vrgl.  Böttiger 
gr.  Vasengem.   1,   3,   168.   Miliin  monum.  ined.   1,  p.   346. 

98)  Xenoph.  Anab.   V,   9. 

99)  Xenoph.  Anab.  IV,  4. 

100)  Athen.  XI,  509.  Weichen  über  Apollonius  p.  156. 

101)  Tzetz.  ad  Lycophr.   1332.  Hellanic.   fragm.   p.  38. 

102)  Menex.  p.   239. 

103)  Oratt.  Attic.  ed.  Bckker  8.  T.  V.  p.  582. 

104)  ed.   Reiske   p.  54.  —  f.iv^/.irjv  TtctQa  xrjg  (pfyirjg  laßtov. 

105)  Areopagit.  c.  32. 

106)  Hier,  wie  in  mehreren  Stellen  —  Panath.  c.  78.  Panegyr.  ed.  Lange 
p.  71.  Archidam.  c.  16.  —  erwähnt  er,  wie  auch  andere,  die  Unternehmungen 
der  Thraker  und  Amazonen  ■  als  ganz  verschieden.  Diejenigen  irren  daher, 
welche  die  Amazonen  als  Thraker  und  jene  als  Nachbarn  der  Athener  betrachten. 

107)  Panathen.  78. 

108)  ed.  Lange,  p.  71.  72.  —  Isaeus  (Harpocrat.  v.  ld[iaQ6viov)  sprach 
in  der  Rede  gegen  denDiokles,  tzsqi  TÖivlä.j.iat>öviOv  acpiegojoeiog  '^dSrjvrjaLV. 
}u4/.if.itoviog  ev  zip  7teQi  ßiofiwv  xal  &vaitov'  l'ozi  de  iegov  b  ' ' JL^iaQövEg  iöqv- 
oavzo.  Vrgl.  Suid.   v.  ' 'udj.iatöveiov. 

109)  vgl.  Aristid.  Panath. 

110)  s.   Voss,   de  histor.  graec.  ed.  Westermann,   p.  418. 

111)  Theseus  c.  26.  27. 

112)  Auf  gleiche  unhaltbare  Weise  argumentirt  noch  St.  Croix  Exam. 
crit.  des  histor.  d'Alex.  Ed.  II.  p.  324.  —  Nachdem  er  Arrians  Zweifel  — ■ 
exped.  Alex.  VII,  13  —  angeführt,  meint  er,  fetes,  monumens,  tout  appeloit 
ä  Athenes  cctte  derniere  tradition  qu'  on  ne  peut  entierement  rejeter.  Er 
beruft  sich  auf  Larcher  zum  Herod.  VI-  p.    108. 

113)  Eine  Säule  einer  Amazone  erwähnt  Plato  —  Axiochus.  p.  365.  ed. 
Bip.  XI,   p.  182  —  am  Itonischen  Thor. 

114)  Pausan.  I,  41. 

115)  S.  Anmerk.  97. 

116)  Steph.  Byzant.  v.  Id^ioX^övEiov.  —  Paläphatus  c.  7,  dachte  wohl  an 
den  männlichen  Sinn  der  Sphinx,  wenn  er  erzählte,  Cadmus  sei  mit  einer 
Amazone,  Namens  Sphinx,  nach  Theben  gekommen.  Als  er  die  Harmonia 
heirathete,  habe  jene,  darüber  erzürnt,  eine  Anzahl  Böotier  an  sich  gezogen, 
das  Gebirge  Sphingium  (~(plyyiov)  besezt,  und  die    Gegend  unsicher  gemacht, 


49 

bis  Oedipus  sie  erschlug.     Dieselbe    Geschichte  b.   Eudocia:  s.   Anecd.  gr.   ed. 
Villois.  T.   I.  p.  380.  Euseb.  Chron.  ed  Scalig.  p.   29. 

117)  Eben  so  zeigte  man  in  verschiedenen  Gegenden  Gräber  der  Frauen, 
die  mit  Dionysos  gegen  Perseus  zogen  und  im  Kampfe  ihren  Tod  fanden. 
Pausan.  III,  22.  20.  Nonnus  Dionys.  XLVIII,  528.  Eratosth.  ap.  Clem.  Alex. 
Strom.  I,  p  236.  Seneca  Oedip.  487. —  Vieles,  was  im  Homer  erwähnt  wird, 
wollte  man  aufgefunden  haben,  so  ydoaxa  xov  Bellegocpövrov  und  iä<f>0Q 
neiaävöonv.  Strab.  XIII,  630. 

118)  Pausan.  II,  32,  8.  Er  sagt  hierzu:  vielleicht  waren  es  Amazonen, 
die  schon  gegen  den  Theseus  und  die  Athener  gekämpft  hätten. 

119)  Pausan.   III,  25,  2. 

120)  Pausanias  —  VIII,  2,  3  —  bemerkt  mit  Recht:  brinam  ös  /.w&o- 
Xoyiq[xaaiv  dxovovteg  rrjöovTai  .  TzecpvKauL  xal  avvoi  emteoatEVEG^cti  xai 
ovvo)  zolg  akqtf&öiv  eXvfirjvavTO  avyyieQavvvvreg  avza  Ftpsvo/^ifvoig. 

121)  Steph.  B.  v.  'AiiaQövEinv.   Kv^irj.  Strab.  XI,  505.  550.    XIII,  623. 

122)  Hb.  IX  ap.  Schol.  Apoll.  Rhod.   II,  965. 

123)  Strab.  XII,  550. 

124)  Von  ähnlicher  Art  ist  die  Geschichte,  welche  Stephanus  —  v.  A.f.ia- 
tyveiov  —  erzählt.  Die  Stelle  ist  aber  verstümmelt.  —  Wie  verschieden  man 
ihre  Wohnsitze  bestimmt,  zeigt  z.  B.  die  Angabe  des  Paläphatus  (ap.  Strab. 
XII,  551),  sie  hätten  erst  bei  Alope,    dann  bei  Zeleia  gewohnt. 

125)  Ephesus,  Smyrna,  Cumae,  Myrina  wurden  vorzüglich  als  solche 
genannt.  Strab.  XII,  508.  XIII,  623.  Plin.  V,  29(31);  man  rechnete  auch  Anaea 
dazu.  Steph.  B.  v.  Livcücc,  vgl.  Eust.  ad  Dion.  Per.  828.  Später  hatte  Phy- 
laixhus  ähnliche  Ansichten.  Steph.  B.  v.  Qlßa.  —  Wie  man  sich  durch  Ety- 
mologien half  s.   Eust.  ad  Dion.  828. 

126)  Scymn.  Chius  p.  2.  Ephori  fragm.  ed.  Marx  p.  193.  Eust.  ad  Dion. 
Per.  v.  828. 

127)  Strab.  XI,  505.  Plut.  vit.  Alex.  46.  Justin.  XII,  3.  Diod.  Sic.  XVII, 
77.  Curtius  VI,  5.  c.  not.  Freinsh.  St.  Croix,  examen.  crit.  —  Merkwürdig  ist 
Arrians  Argumentation.  Er  sagt  —  de  exp.  Alex.  VII,  13:  —  bei  keinem 
der  besseren  Schriftsteller  finde  sich  die  Nachricht,  dass  Alexander  Amazonen 
angetroffen,  und  ihrer  Königin  hätte  sagen  lassen,  er  werde  zu  ihr  kommen. 
Er  glaube  auch  nicht,  dass  die  Amazonen  damals  noch  existirt  hatten,  da  Xe- 
nophon  nichts  von  ihnen  sage,  der  auf  seinem  Wege  sie  hätte  treffen  müssen. 
Doch  dürfe  man  nicht  zweifeln,  dass  die  Amazonen  wirklich  existirt  hätten, 
da  so  viele  sie  besungen,   da  Herkules  zu  ihnen  gegangen  sei   uud  den  Gürtel 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  1«.  Ah.  d.   Wiss.  V.  Bd.  I.   Abthl.  (A)  7 


50 

der  Hippolyte  nach  Griechenland  gebracht  haben  solle,  da  Theseus  und  die 
\thener  sie  geschlagen  hätten,  als  sie  Europa  angegriffen,  da  Mikon  die 
Schlacht  gemalt  hätte,  eben  so  wie  die  der  Athener  und  Perser.  Auch  Hero- 
dot  spreche  oft  über  sie,  und  wer  die  im  Kampfe  gefallenen  Athener  preise, 
der  erwähne  auch  den  Kampf  der  Amazonen  gegen  Athen.  —  Der  Irrthum 
Arrians  —  Alex,  exped.  IV,  15,  —  dass  die  Chorasmier  Nachbarn  der  Amazo- 
nen wären,  findet  sich  auch  in  Itiner.  Alexandri  ed.  Majo  c.  96,  p.  63:  sed 
Pharasmenes  quoque  Chorasmiorum  rex  equites  adduxerat  Alexandro  milita- 
tum,   vicinus  Scythis  unimammis. 

128)  Die  meisten  nennen  die  Königin  Thalestris,  bei  Justin.  XII,  3,  heisst 
sie  Minithya.  —  Martianus  Capeila  VI,  925  ed.  Kopp.  p.  718.  erzählt:  quid 
Amazones  non  ad  calamos  arma  traetabant?  quarum  una,  quae  coneipiendi  stu- 
dio venerat,  quum  Alexandrum  salutaret,  donata  tibicine,  ut  magno  munere. 
gratulata  discessit. 

129)  Apoll.  Rhod.  II,  987: 

Ov  yag  !A/j.a^ovlöeg  f.iäXy  emjzeeg,  ovöe  d-e/^iiozag 
ziovoai  Ttediov  Joiävziov  af.i(peve(.iovzo. 
aXK    vßgig  azovöeaaa   xai   Ageog   egya  fxeurjXsi. 
örj  yag  xai  yeverjv  eoav  Zigeog  lAgf.iovirjg  ze 
Nv/nq>rjg,  r\  z  'Agrfi  quXortzoXeftovg  texe  xovgag. 
aXoeog  Idx^ovloio  xaza  nzv%ag  evvq&eloa. 

130)  id.  II.  1373.  970  —  1000. 

131)  II,  373:  nöXrjeg  zgiaaai  l4fxat,ovid(av,  und  v.  996: 

Ov  yag  6/.ir]yege£g  fiiav  afi  rtöXiv,  aXX*  avä  yalav 
xexgif.ievat   xaza   cpvXa   dict   zgi%a    vaiezäaaxov 
vöaept  fxev    cad'  avzai,    trjaiv  tote  xoigaveeOKEv 
1  InnoXizt],  vnacpi   de  Avxüoziai  a^i(peve(xnvzo. 

132)  II,  382.   1032.   etc.  vrgl.   Orph.   Argon.  743. 

133)  Der  Scholiast  bemerkt,  II,   387:  noiav  de  oigazeiav.  ovdeig  edijXwoev. 

134)  II,   1177. 

135)  II,   1033,  etc. 

136)  II,  966. 

137)  Hymn.    in  Dian.  237. 

138)  1.  1.   v.  238: 

2oi  xai  Idf-ia^oviäeg,   noXi^iov  eni^vfxrizeigai , 
}'Ev  xnze  naQgaXijj  'Ecpeoov  ßgezag  idgvaavzo, 
(frrjyio  vnb  7zgef.iv({>'  zeXeaev  de  zoi  legov   Inntä. 
yivzai  d\   Ovni  avaaoa,  negi  ngvXiv  logxrjoavro, 


51 

floiüza  /uev  ev  aaxhaaiv  evönXtnv,  av&i  de  xvy.hij 

2zrjod/.ievai  %nqbv  evqvv  vnrjeioav  de  Xlyeiai 

AenzaXeov  ovgiyyeg,  Iva  nXrjooiooiv  bfxaozrj. 

a\  de  nndeaoiv 

OvXa  ■/.azev.qozdXiCpv ,  enexpöcpenv  de  (paqezoaL- 

Kelvn  de  zoi  fxezeneiza  neqi  ßqezag  evqv  &eii£&Xov 

J(j)(.nfjd-rj.  zov  d'ovzi  ^ealzegov  nxpezai  r]tog , 

Ovo'  ä(pveioz£QOV  gea  xsv  Flv&wra  naoeX&ot. 
Eudocia,  Violar.  ed.  Villois.  p.  279,  bemerkt  :  den  Tempel  ai  Afxa'Cöveg 
enni'rjoav  ev  noe/tvi/),  o  eaziv  ev  koq/.ioj  nzeXeag.  —  Ueber  ein  wunderthäti- 
<*es  Marienbild,  das  in  einem  Baume  aufgestellt  ist  in  der  Wallacbei,  s.  Sul- 
zer,  Gesch.  des  transalpin.  Daciens  I,  351.  —  Ueber  den  Tempel  schrieb 
Forster,  in  den  Memoires  de  la  Societe  des  Antiquites  de  Cassel.  T.  I,  p. 
192;  er  behandelt  die  Geschichte  der  Amazonen,  als  ob  man  mit  wahrer, 
glaubhafter  Geschichte  zu  thun  hätte. 

139)  DiePlejaden  sind,  nach  Kallimachus,  Schol.  Theocrit.  XIII,  25,  Töch- 
ter der  Amazonenhönigin.  Sie  waren  Jungfrauen  und  führten  zuerst  Chor- 
tänze auf.  Man  nennt  sie:  Kokkymo,  Glaukia,  Protis,  Parthenia,  Maia.  Sto- 
nycbia,  Lampatho. 

140)  Lycophr.    Alex.   1320  etc. 

141)  Lycophr.   Alex.  993  —   1007: 

Koozwviäzai  d'  aozv  neooovoiv  noze 
!A/.ia^6vog,  (ptyeooavzeg  azgo/.tov  %6qr\v, 
KXrjzrjv,    dvaaoav  zrjg  encovv/.iov  ndzqag. 
vrgl.  den  Scholiast.   und  Tzetzes.  —  Auch  andere    sprechen  von  Amazonen  in 
Italien,   so  Hess  Possis,  in  seiner  Amazonis,  sie  mit  den  Tyrrhenern  kämpfen. 
— -  Athen.  Deipnos.  VII,  p.  296.  —  Auf  eine  solche  Sage  bezieht  sich  wohl  des 
Stephanus  Bemerkung  —    v.  AfiaCöveg  :    —    eazi  Kai  Laf.iaZ.nvla  nöXig  Meo- 
oanlag.  Das  Etym.  m.  p.  517  bemerkt:  KXeizrj  fxia  ziöv  A/naK6viov,  tjzig  iX- 
irovoa  elg  'izaXLav  coxrjoe  xal  nöXiv  exzioev,  rjv  an    avzrjg  KXeizrjv  wvöuaoav, 
xai  eßaolXevoe  zov  zövcov    xai    al  dn    avzrjg    ds%6fievai  zrjv  ßaaiXeiav  KXei- 
zai  (ovo/.idad-rjoav. 

Ueber  Züge  der  Amazonen  in  ferne  Gegenden  musste  es  eine  Menge  von 
Sagen  geben,  wie  aus  abgerissenen  Nachrichten,  die  uns  nur  erhalten  sind, 
sich  ergibt.  So  sollte  das  Aegaeische  Meer  von  einer  in  demselben  ertrun- 
kenen Amazonenkönigin  den  Namen  haben,  wie  Festus  (de  significat.  verb.  T. 
II,  p.  21)   angibt;    vrgl.   über    eine  andere  Erzählung    Serv.    ad  Virg.   Aen.   XI, 

7* 


52 

S42.  Die  (Chronographen  hahen  die  Sage  erhalten,  dass  Ama/.onen,  mit  Cim- 
meriern  verbunden,  in  Kleinnsien  eingefallen  wären  und  dort  den  Tempel  zu 
Ephesus  in  Brand  gesteckt  hätten.  Euseb.  Chron.  ed  Scalig.  p.  35  ed.  Aucher 
T.  II.  p.  145.  Syncell.  p.  142.  c.  —  Nach  Eusebius,  p.  27,  zündeten  sie  ihn 
au.  als  Demophoons  Sohn,  des  Theseus  Enkel,  in  Athen  herrschte;  vrgl.  p. 
131,  132.  —  Für  die  Zeitfolge  nahm  man  an,  ohne  die  abweichenden  Ansich- 
ten über  das  Fortziehen  der  Amazonen  und  ihren  Uebergang  zu  beachten, 
von  denen  schon  gelegentlich  gesprochen  ist,  und  ohne  auf  die  Schwierigkei- 
len Rücksicht  zu  nehmen,  die  sich  zeigen,  wenn  man  die  Sagen  über  die 
Cimmerier  vergleicht,  dass  die  Amazonen  den  Kampf  mit  dem  Herakles  be- 
standen (Pausan.  I,  15.  Euseb.  Chron.  1.  1.),  dann  gegen  Athen  zogen,  später 
den  Trojanern  Hülfe  leisteten,  und  nachher  mit  den  Cimmeriern,  oder  ohne 
dieselben,  in  Kleinasien  einfielen.  Die  Angaben  über  den  Bau  des  Tempels 
zu  Ephesus  durch  die  Amazonen  hat  Eusebius  gar  nicht. 

142)  Eine  Sage,  die  nach  Alexander  gehört,  wie  die  Angabe  über  den 
Zug  des  Herkules  nach  Indien  zeigt,  lässt  diesen  Heros  (Iscrizioni  antiche 
delle  ville  e  de1  palazzi  Albani  raccolte  etc.  dall'  Abate  Gaetano  Marini.  In 
Roma  1785-  4.  p.  154)  von  Scythien  aus  gegen  die  Amazonen  ziehen,  die 
Hippolyte  erschlagen,  ihre  Stadt  erobern,  die  Amazonen  verjagen  und  Helle- 
nen dort  ansiedeln.  Er  kehrt  dann  durch  Scythien  nach  Thrakien  zurück;  — 
vrgl.  Eust.  ad  Dion.  653-  823-  —  Nach  einigen  schenkt  er  einen  Theil  der 
Beute   von   den  Amazonen  der  Omphale.  Plut.  quaest.  graec.  XLV. 

I43j   Scymn.  Ch.  fragm.  209. 

144)  Ükert,  Gesch.  d.  Geogr.  S.  172. 

146)  Strab.  XI,  503. 

147)  s.  Vossius  de  hist.  graec.  ed.  Westermann  pag.   180.  457. 

148)  Strabo,  1.  1. 

149)  In  diesen  nördlichen  Gegenden  suchte  sie  auch  Servius,  bei  dem 
wohl,  ad  Aen.  XI,   Ö95,  statt  Sintiis  zu  lesen  ist:  stato  die  solitas  Sindis  coire. 

150)  Plut.  Pomp.  c.  35. 

151)  Appian.  B.  Mithrid.  c.   103. 

152)  Vielleicht  dürfte  man  zur  Vertheidigung  der  von  Buttmann  (Mytho- 
logus  II,  366)  als  unächt  bezeichneten  Verse  des  Horatius  (Od.  IV.  4,  18  — 
21)  hieran  erinnern.  Man  bildete  die  Sage,  die  Amazonen  hätten  Bhäter  und 
Vindeliker  aus  Thrakien  vertrieben,  die  sich  dann  in  den  Alpen  niederliessen, 
und  Schilde  und  Beile  wie  die  Amazonen  führten.  Porphyr,  ad  1.  1.  Jani  ad 
1.  c.  Servius  ad  Virg.  Aen.  I,  243,  lässt  den  Horaz  die  Rhäter  und  Vindeli- 
ker als  von  den  Amazonen   abstammend  betrachten.  —  Spätere  erwähnen  Ama- 


53 

zonen     neben     Geten.     Stat.      Achill.     II,     85.     Claudian.     de     rapt.  Proserp. 
II,    20  59. 

153)  Sueton.  vit.  Caes.  c.  22. 

154)  Man  hatte  die  Sage,  Caystrus  sei  der  Sohn  der  Penthesilea,  er  hei- 
rathete  die  Derketo  und  ward  der  Vater  der  Semirarnis.  Strab.  XVI,  574. 
Cramer.  Anecd.  T.  II,  p.  235.  Etym.  m.  p.  492.  447.  Hecat.  fragm.  ed.  Creu- 
zer.  p.  183. 

155)  Nie.  Damasc.  ed.  Orelli  p.  52.  142  Strab.  XI,  504.  Justin.  II,  4. 
Heyne  ad  Virg.  Aen.   1,  490. 

156)  Eust.  ad  Dion.  Per.  772. 

157)  Justin.  II,  4;  vrgl.  XLII,  3.  —  II,  14.  Scythae  Parthos  Bactrianosque, 
feminae  eorum  Amazonum  regna  condidere.  —  Predari  —  le  Amazzoni  etc. 
p.  25,  sucht  Justin  und  Diodor  zu  vereinigen  und  citirt  noch  den  Apollodor, 
II,  55  9,  der  nach  ganz  anderen  Ansichten  erzählt,  bemerkt  aber:  dipinge 
questa  battaglia,  ma  aggiungendo,  come  e  sempre  di  lui,  fantasia  alla  storia. 
Der  Vorwurf  trifft,   wie  die  Vergleichung  zeigt,   den  Beurtheiler  selbst. 

158)  Diod.  Sic.  II,  45. 

159)  Diod.  II,  46;  IV,  16. 

160)  Diod.  Sic.  IV,  28. 

161)  Diod.  Sic.  IV,  16. 

162)  Wesseling  zu  Diodor  1.  1.  macht  aufmerksam,  dass  die  Schriftsteller 
in  Hinsicht  der  Namen  der  vom  Herkules  gefangenen  Amazonen  nicht  überein- 
stimmen. 

Wir  finden  eine  Menge  Namen  angeführt,  alle  griechisch:  —  Diod.  Sic. 
IV,  16.  Steph.  B.  v.  eißa,  Uvaia.  Eust.  ad  IL  III,  189.  p.  403.  ad  Dion.  Per. 
827.  Schol.  Villois.  1.  1.  Hygin.  fab.  XXX.  CXII.  CLXIII.  CLXXXVI.  Justin. 
II,  4.  Eust.  ad  Dion.  Per.  S.  23.  Tzetz.  Posthomer.  176.  Q.  Smyrn.  I,  36.  41 
164-  —  Aella,  Agave,  Alce,  Alcibia,  Alcippe,  Amastris  (Steph.  B.  h.  v.  nach 
einem  Demosthenes  iv  xzioeoiv.  s.  Steph.  B.  v.  'Ohi^wv),  Anchimache,  Andro, 
Androdaixa,  Anaea,  Andromache,  Antandre,  Antianeira,  Antibrote,  Antioche, 
Antiope  (Schol.  Apoll.  Bhod.  II,  387)  Aspidocharme,  Bremusa,  Celarmo,  Chal- 
kaor,  Clonie,  Clymene,  Coma,  Coenia,  Cyme,  (Steph.  h.  v.)  Cynna,  Deinomache 
(Miliin.  nion.  ined.  T.  I.  p.  335),  (Steph.  B.  h.  v.)  Dejanira,  Derimacheia, 
Derione,  Dioxippe,  Elaea  (Eust.  ad  Dion.  823)  Enchesimargos,  Ephesus,  Eri- 
boea,  Euandre,  Eukleia,  Eurybia,  Eurylophe,Eurypyle,  (Eust.  adDion.  772)  Glauce, 
Gorytoessa,  Gryne,  (Serv.  ad  Virg.  Aen.  IV,  345)  Harmothoe,  Hekate,  Hip- 
polyte,  auch  Orthosia  genannt  (Lycoph.  1331),  Hippothoe,  Iodoke,  Ioxeia, 
Iphinoma,  Isokrateia,  Knemis,    Koia,   Laomache,   Lyce,  Lysippe,   (Plut.   de  fluv. 


v.  Tanais),  Marpe,  Melanippe,  Myrrina,  Myrleia,  Myrto  (Schob  Apoll.  Rhod.  I. 
752)  Ocyale,  Oistrophe,  Otrere,  Palla,  Pharetre,  Penthesilea,  Philippis,  Phoebe. 
Polemusa,  Prothoe,  Sanape  (Schol.  Apoll.  Rhod.  II,  946),  Sisyrbe  (Steph.  B. 
li.  v.  Vgl.  Strabo.  XIV,  633),  Smyrna,  Tekmessa,  Themiskyre  (Appian.  Mithrid. 
78)i  Thermodossa.  Theseis,  Thiba,  Thoreke,  (Eust.  ad  Dion  828),  Toxoa- 
nassa,  Toxophone,   Tralla,   Xanthe. 

162a)  fragm.  ed.  OrelH.  p.  142. 

1621))  1.  1.  p.  140.  —  Er  erklärt,  die  Abier,  ein  Volk  im  fernen  Norden, 
habe  sie  auf  diesem  Zuge  nicht  begleiten  wollen;  andere  (Eustath.  ad  11.  XIII. 
6.  p    916)  Hessen  jene  sich  weigern  mit  gegen  Asien  zu  ziehen. 

163)  Hb.  XI,  p.  504;  vgl.  Eust.  ad  11.  III,   189,  p.  402. 

164)  S.  20  f.;  vgl.  Eust.  ad  Dion.  652.  Bardesanes  ap.  Euseb.  praep. 
ev.  VI,   10.  Zonas.  An.  X,  4. 

165)  Mela  I,  2,  41;  I,   19,  9,  29.  III,  5,  4.  36. 

166)  PHn.  V,  27.  VI,  7,  14.  —  Valer.  Flacc.  Arg.  IV,  602,  V.  120.  Se- 
neca  Herc.  Oet.  1450.  Amin.  Marc.  XXII,  8,  7.  Sallust.  ap.  Serv.  ad  Aen.  XI, 
659.  Plut.  de  fluv.  XIV.  Dion.  Per.  655.  —  Dass  sie  in  Rom  ein  Gegenstand 
der  Aufmerksamkeit  blieben,  zeigt  die  dem  Raiser  Hadrian  zugeschriebene 
poetische  Spielerei  (H.  Meyer.  Anthol.  vett.  lat.  epigr.  et  poem.  T.  I.  p. 
71.    n.   210): 

Ut   belli    sonuere    lubae,    violenta    peremit 
Hippolyte   Teuthranta,  Lyce  Clonon,   Oebalon    Alce ; 
Oebalon  ense,  Clonon  jaculo,   Teuthranta  sagitta. 
Figitur  ora  Clonus,  latus  Oebalus,   ilia  Teuthras  ; 
Plus  puero  Teuthras,  puer  Oebalus,   at  Clonus  heros. 
Oebalus  ibat  equo,   curru  Cloas,  at  pede  Teuthras. 
lphicli    Teuthras,  Doryli  Clonus,  Oebalus  Idae, 
Argolicus  Teuthras,  Moesus  Clonus,   Oebalus   Areas. 

167)  Ptol.  Geogr.  V,   9. 

168)  XXII,  8.  Nachdem  er  von  Pantikapaeum  und  dem  Hypanis  gespro- 
chen, setzt  er  hinzu:  Itineribus  huc  extensis,  Amazones  adusqueCaspium  mare 
poriectae  circumcolunt  Tanain:  <]ui  inter  Caucasias  oriens  rupes  per  sinuosos 
labitur  circumflexus,  Asiamque  disterminans  ab  Europa,  in  stagnis  Maeoticis 
delitescit.    Vgl.  XXXI,  2,  16. 

Die   Geschichte  der  Amazonen  erzählt  ei    auf  folgende  Weise: 
Er  nennt  Iris  und  Pai  ihcnius,   und   fährt  dann  fort  (XXII,  8,    17.  18):   der 
Thermodon   sei    in  der  Nähe,    Themiscyraeos  interlabens  lucos:    ad  quos  Ama- 
zones quondam  migrare  necessitas  subegerat  talis.     Attritis   damnorum  adsidui- 


DJ 

täte  finitimis,  Amazones  veteres,  quae  eos  cruentis  populabantur  incursibus, 
altiora  spirabant:  viresque  suas  circumspectantes  his,  quae  propinqua  saepius 
adpetebant,  validiores,  raptae  praecipiti  cupiditatis  ardore,  perruptis  nationi- 
busfplurimis,  manus  Atheniensibus  intulerunt:  acrique  concertatione  effuse 
disjectae,  omnes  nudatis  equitalus  sui  lateribus  corruere.  Harum  interitu  cog- 
nito  residuae  ut  imbelles  domi  relictae,  extrema  perpessae,  vicinitatis  eis  re- 
pensantis  similia  funestos  impetus  declinantes,  ad  pacatiorem  sedem  transiere 
Tbermodontis:  quarum  progenies  longe  deinde  propagata  per  numerosam  su- 
bolem,  manu  firmissima  ad  loca  reverterat  genitalia,  sequuto  tempore  populis 
diversarum  originum  formidabilis. 

169)  Viele  Städte  in  Kleinasien  nahmen  für  berühmte  Tempel  daselbst 
das  Recht  des  Asyls  in  Anspruch,  und  wendeten  sich,  als  man  es  ihnen  we- 
gen Missbrauch  streitig  machte,  nach  Rom.  Die  Ephesier  führten  unter  an- 
dern an  —  Tacit.  Annal.  III,  61.  —  ipsum  illic  Apollinem  post  interfectos 
Cyclopas  Jovis  iram  vitavisse ;  mox  Liberum  patrem,  bello  victorem,  supplici- 
bus  Amazonum,  quae  .aram  insederant,  ignovisse.  —  Die  folgenden  Capitel 
zeigen,   in  wie  vielen  Städten  Apollo  und  Artemis  verehrt  wurden. 

170)  Pausan.   VII,  2. 

171)  Manche  Städte  mochten  früher  angelegt  sein,  als  die  Verehrung  der 
Amazonen  dort  eingeführt  ward,  und  daraus  mögen  sich  die  doppelten  Sagen 
über  die  Gründung  erklären.  Als  von  jenen  Kriegerinnen  angelegt  nennt  man : 
Ephesus,  Smyrna,  Kyme,  Myrina,  Paphos,  Myrlea,  (Strab.  XI,  505.  XII,  550. 
XIII,  623)  Latoreia  bei  Ephesus  (Athen.  1.  I,  c.  57.  p.  31.  Eust.  ad  II.  X, 
p-  815)  Kynna,  einen  Flecken  bei  Heraklea  (Steph.  v.  Kvvva).  Man  schwankte 
aber,  ob  Smyrna  vom  Tantalus  gegründet  sei,  oder  vom  Theseus,  oder  von 
einer  Amazone  (Tac.  Annal.  IV,  55).  Man  sagte  auch  (Steph.  R.  v.  ~[AVQva), 
Tantalus  habe  es  angelegt  und  damals  habe  es  Naulochus  geheissen,  später 
habe  es  den  Namen  Smyrna  von  einer  Amazone  erhalten.  Ephesus  sollte  nach 
einer  Amazone  genannt  sein,  oder  man  nahm  Etymologien  zu  Hülfe,  es  mit 
ihrer  Geschichte  in  Verbindung  zu  setzen  (vgl.  Heraclid.  Pont,  de  pol.  p.  455). 
Andere,  um  es  uralt  erscheinen  zu  lassen,  erklärten,  es  habe  den  Namen  von 
Ephesus,  dem  Sohn  des  Kaystros.  (Pausan.  VII,  2.  Etym.  m.  Steph.  R.  h.  v. 
Plin.  V,  29).  Kynna  Hess  man  so  nach  einer  Amazone  heissen,  oder  nach  dem 
Kynnas,  dem  Sohn  des  Koeos  (Steph.  R.  v.  Kvvva).  Von  Amastris  sagte  man 
(Steph.  R.  h.  v.),  es  habe  seinen  Namen  von  einer  Tochter  des  Oxyathres, 
der  ein  Rruder  des  Darius  war  (Strab.  XII,  544),  oder  von  einer  Amazone 
(Steph.  R.  y^iaoTQig,  vgl.  ^aa^iov  und.  die  Anmerkung  von  Holstenius  p.  290, 


.')0 

der  richtig  u4fiaoigig  liest,  statt  Jäf.tazQig,  wie  auch  der  Cod.  Paris,  hat  (die 
Ephesische  Artemis  wird  dort  verehrt,  wie  die  Münzen  zeigen).  Eben  so 
schwankt  man  bei  Myrlea.  (Steph.  Byz.   h.   v.) 

172)  Plut.   quaest.  graec.  LVI. 

173)  Euphorion  sprach  auch  von  grossen  Knochen  in  Samos  (Aelian.  de 
nat.  an.  XVII,  28),  erklärte  sie  aber  für  Gebeine  grosser  Thiere;  s.  Meineke, 
ad  Euphor.  p.   76.  Suid.  v.  Ntj'l'g. 

174)  Polyaen.  Strateg.  I,  1.  —  Amazonen  im  Heer  des  Dionysos.  Diod. 
Sic.  III,  73.  Nonnus  Dionys.  XV,  13.  XL,  26.  Andere  sprachen  nur  von  Frauen, 
die  mitzogen  :   so  Philochorus  ap.   Euseb.  Chron.   ed.   Scaliger.  p.  31. 

175)  Bei  der  Geschichte  der  Tomyris  erwähnen  einige  die  Amazonen, 
nach  Polyaen.  Strat.  V11I,  28,  durch  die  lateinische  Uebersetzung  irre  geführt, 
der  griechische  Text  hat  ro  Maooaytjzixov. 

176)  Schol.  Apoll.  Bhod.  II,  965. 

177)  Schol.  Apoll.  Bhod.   II,  965. 

178)  Diod.  Sic.  III,  53  —  55. 

179a)  Dieselben  Ansichten  finden  wir  in  einem  Epigramme  —  Anthol. 
vett.  lat.  epigr.  ed.  Meyerus  T.  I.  p.  33.  n.  704: 

Inter  Amazonidas,   quas  insula  celsa  Tritonis, 
Hespera,  progenuit,  qui  me  nescire  Myrinam 
Dixerit,  ignarum  sese  fateatur  oportet, 
Eximiae  laudis  Libyamque  Asiamque   subegi. 
180)   Diese    Sage    von   den    Amazonen    ist    wahrscheinlich    erst  in  späterer 
Zeit  entstanden,    wie    sich    aus    mancherlei  Andeutungen    schliessen  lässt.     Im 
Jahr  400  v.  Chr.  mochte  man  mehr  Nachrichten    über  die  Westküste  Libyens 
erhalten,    wodurch    die   Aufmerksamkeit    erregt    ward,     die    auch   nachher   auf 
jene  Gegenden  gerichtet  blieb;    doch  gelang  es  nicht  viel  Bichtiges  zu  erfah- 
ren.    Noch  Strabo  erklärt  (XV11,  829)  diese  abendliche   Küstengegend   für   das 
Land  der  Fabel    und  bemerkt:  rtkelaza   de  TiXa.Qf.taza  zrj  ytißüxfj  na^aVia  %ft 
ixzog    TtQoaeifjevoavzo  ol  avyyqacpeig.     Seit  Hannos  Beisebericht  in  Griechen- 
land bekannt  geworden,   sprach  man  von  der  Insel  Kerne  im  westlichen  Ocean. 
—  vgl.  Gosselin  Becherch.  sur  la  Geogr.    it.    T.  I,   p.  78;    —  wie  mangelhaft 
aber  die  Kunde  war,   zeigt  Strabo,   der    sagt  (I,  47),    sie  werde  von  manch  en 
genannt,  aber  keiner  kenne  sie.     Hanno  machte  auch  auf  Feuer,   die   dort  lo- 
dern,  aufmerksam.     Durch  Skylax  erfuhr  man  manches  über  grosse  Seen  und 
Inseln  daselbst. 

Die  frühere   Sage    berichtete    von    einem    grossen    See    Tritonis  ,    an   der 


57 

Nordküste  Libyens  (cf.  Herod.  IV,  178.  Tzschuck.  ad  Mel.  1,  7.  Vol.  III,  p.  1, 
p.  186),  und  setzte  ihn  mit  den  Argonauten  in  Verbindung:  die  spätere  ver- 
legte ihn  aus  jener  heller  gewordenen  Gegend  nach  den  unbekannteren.  Manches, 
was  Herodot  von  Völkern  in  der  Nachbarschaft  dieses  Sees  berichtet,  mochte 
dazu  Anlass  geben,  auch  von  Amazonen  in  Libyen  zu  sprechen.  Oestlich  vom 
Fluss  Triton  -wohnen  ihm  die  Machlyes  (IV,  178),  westlich  die  Ausees.  Die 
Jungfrauen  beider  Völker  kämpfen  jährlich,  einer  Gottheit  zu  Ehren,  in  ei- 
ner Schlacht  mit  einander,  worin  viele  ihren  Tod  finden.  Weiter  gegen  Abend 
sind  die  Zauekes  (IV,  193),  bei  denen  die  Weiber  im  Kriege  die  Wagen 
lenken. 

Um  alle  weiteren  Nachforschungen  abzuschneiden,  berichtete  die  Sage 
(Diod.  Sic.  III,  55),  dass  der  See  durch  ein  Erdbeben  verschwunden  sei,  wie 
man   dasselbe  von  der  Insel  Atlantis  erzählte. 

Sehen  wir  auf  die  vorher  mitgelheilten  Sagen  zurück,  so  finden  wir, 
dass  man  die  Amazonen  nach  Euboea  gehen  Hess  (Plut.  Thes.  26.  27),  eben 
so  nach  Samothrake  und  Lesbos  (Diod.  Sic.  II,  15),  und  dass  man  viele  Ge- 
genden in  Kleinasien  als  von  ihnen  bewohnt  nannte.  Nach  Zenothemis  (Schob 
Apoll.  Rhod.  II,  965)  sollen  sie  in  Aethiopien  gelebt  haben,  von  wo  aus  sie 
ihre  Züge  unternahmen.  Nach  ihnen  daher,  oder  nach  der  Artemis,  mochte 
man  in  den  genannten  Inseln  und  in  Vorderasien  manche  Gegenden  Aethio- 
pien nennen:  Steph.  Byz.  v.  ^dittiörtiov ,  wo  nach  naqa  "YXXco  vielleicht  die 
Worte  rj  Eußoiag  ausgefallen  sind;  vgl.  Harpocration  v.  ^dldiömov.  Suid. 
Hesyeh.  v.  ^äi&loxp.  —  Müller  Geschichte  hellen.  Städte  u.  s,  w.  I,  119, 
Anm.  3,  sezt  es  in  zu  frühe  Zeit,  indem  er  angibt:  „Die  Inseln  Samothrake 
und  Lesbos  heissen  mit  altem  Namen  u4ldionla.  Hesyeh.  ^4i&.  Plin.  V,  39. 
Auf  beiden,  wie  in  Kyma  und  Troas,  wohnt  die  Amazone  Myrina,  und  die 
Amazonen  sind  Aethioperinnen :  Schob  Apoll.  II,  967.  Als  nun  aber  Aethio- 
pien um  Hesiods  Zeit  ein  Land  geworden  war,  wurden  auch  die  Amazonen 
daher  verjagt;  vgl.  Dupuis:  Mein,  de  l'Inst.  nat.  an.  7  Thl.  2,  S.  51,  wo  indess 
alles  in  anderem  Sinne  zu  nehmen  ist." 

180a)  Nachweisungen  über  bildliche  Darstellungen  der  Amazonen  s.  bei 
Müller,  Handbuch  der  Archäol.  der  Kunst,   S.  663,   99,  107,   109,   139,   635. 

181)  Herod.  IV,  114.  Eurip.  Hippol.  312-  547.  Philostr.  Heroic.  19.  — 
Nach  Lysias,  Orat.  funebr.  XXXI,  2,  erfanden  sie  das  Reiten.  Sie  sollen  feuer- 
schnaubende Pferde  gehabt  haben,  Eust.  ad  II.  II,  402. — Sie  opferten  weisse 
Pferde,  Schob  Aristoph.  Lysistr.   191. 

182)  Aeschyl.  Eumen.  614.  Suppl.  301.  Pind.  Ol.  XIII,   125.  Nem.  III,   64. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  8 


58 

183)  atöviiov.  —  Lucian.  Imagg.  ed.  Hemsterh.  T.  II,  p.  463,  rechnet 
zu  den  gepriesensten  Statuen  des  Phidias  zrjvlif.icx^öva  srt€Qeiöo/.i£vr]v  xü  doQarUt). 

184)  -äyagig.  —  Diese  Art  von  Beil  führten  auch  andere,  so  die  Saken, 
Perser,  Mosynoeken,  Massageten.  Xenoph.  Anab.  IV,  4,   16.  Herod.  IV,  5,   70. 

VII,  64.  Arrian.  Exped.  Alex.  VIII,  13.  Hesych.  v.  cäyaqtg.  Suid.  h.  v.  Mon- 
ge/ Mein,  de  l'Inst.  IV7.  p.  67.  Fr.  Jacobs  Uebers.  von  Xenoph.  über  die  Reit- 
kunst, Anm.  p.  202.  —  Es  war  eine  Art  Doppelbeil.  Die  Römer  nennen  es 
securis,  bipennis.  Virg.  Aen.  XI,  651.  Ovid.  Met.  XII,  611;  ferrum  Amazoni- 
ura;    Senec.    Agam.    735.    —   Penthesilea    wird    als    Erfinderin    genannt,    Plin. 

VIII,  57.  Rhäter  und  Vindeliker  führten  ein  solches  Beil.  Hör.  Od.  IV,  4,  20. 
—  Herkules  gab  das  Beil,  welches  er  der  Hippolyte  nahm,  der  Omphale;  es 
blieb  lange  den  lydischen  Königen:  Plut.  quaest.  gr.  XLV. 

185)  Pausan.  X,  31,  3. 

186)  Der  Schild  der  Amazonen  wird  niXzrj  genannt  und  manche  erklä- 
ren ihn  für  thrakisch  (Max.  Tyr.  Diss.  XXIII,  c.  2.  Hesych.  v,  Tt&Xztj).  Lydus 
(de  magistrat.  I,  11,  p.  26  ed.  Paris.)  bemerkt:  die  Leute  nördlich  vom  Ister 
die  nicht  zu  Fuss  kämpften,  hätten  kleine  Schilde,  die  sie  zu  Pferde  führten, 
bei  den  Römern  würden  sie  parma  genannt,  bei  den  Scythen  jielzai.  Sueto- 
nius  —  Nero  44 — erzählt,  Nero  habe  seine  Concubinen  ausgerüstet:  securibus, 
peltisque  Amazonicis.  —  Ueber  die  Gestalt  sagt  Pollux,lib.  I,  10:  nekzrj  L4/.ia^ovixrj, 
lüq  (pi]Oi  ÜzEvocpäiv  TiccQSOixvZa  xizzov  nezäkii),  Xenophon  spricht  jedoch  nicht 
von  den  Amazonen,  sondern  führt  an,  Anab.  V,  4,  12,  die  Mosynoeken  hätten 
yaoga  Xsvxcöu  ßoöjv  öaoia,  elxaof.i£va  xizzov  nszäXo).  Theophrast.  Hist. 
plant.  XII,  5,  vergleicht  die  Pelta  mit  dem  Blatte  der  Indischen  Feige;  Plin. 
XII,  11,  vgl.  III,  6  spricht  vom  Feigenblatt  und  fügt  hinzu,  Unteritalien  habe 
auch  diese  Gestalt;  vgl.  Marc.  Capeila  ed.  Kopp  VI,  639,  p.  521.  Dieser  kleine 
Schild  heisst  bei  Virgil  (Aen.  I,  490.  XI,  662)  lunata  —  Servius  sagt:  scuta 
brevissima  in  modum  lunae  jam  mediae,  —  bei  Ovid  (ex  Ponto  III,  1,  95) 
excisa,  Quintus  Calaber  schildert  ihn  (I,  143)  halbmondförmig  und  Claudianus 
(de  raptu  Proserp.   II,  62)   singt: 

Qualis  Amazonidum  peltis  exultat  aduncis 
Pulcra  cohors. 
Als   einen   Halbkreis,    oder    etwas  länglich,   und    von    der    geraden   Seite 
ausgeschnitten  zeigen  ihn  auch   die  Abbildungen  der  Amazonen. 

Mit  unrecht  gibtDionysius  vonHalikarnassus,  Hist.  rom.  II,  c.  70.  den  Saliern 
nilzrjv  &Qaxiav,  und  nicht  passend  ist  die  Erklärung  vom  Lydus,  de  magistrat.  1. 1.: 
ayxilia  de  e£  'ElXrjvixfjg,  Alolix^g  orftiaolag,  eiqrjvat,  uoavd  d/.i<pi  Isla 
(Cod.  ä/xcpllia), 


59 

T«  yag  TteXzägia  zwv  l4fiatovcov  zoiavza.  Plutarch,  Numa  c.  13,  unterscheidet 
Ancilia  und  Pelta.  Er  scheint,  Thes.  c.  27,  den  Amazonenschild  für  ein 
Viereck  zu  halten  und  nach  solchen  Angaben  haben  Suidas  und  Phavorinus: 
niXzai,  Xöyiai  xal  aonlöia  zszqdyiova. 

187)  Strab.  XI,  504  nennt  sie  Enlxgava,  öoovxQava  oder  neqixQava,  Quin- 
tus  Calaber,  I,  145,  hat  xoqvv  und  Propertius  sagt  von  der  Hippolyte, 
IV,  3,  44: 

Et  texit  galea  barbara  molle  Caput. 
Nach  den  Vasengemälden   trugen  sie  eine  Mütze  von  Leder. 

188)  oxeTiccGfiaza  —  öia^cöfiaza,  Strab.  XI,  504.  Böttiger,  Griech.  Va- 
sengemälde  I,   3,   184. 

189)  Vgl.  Stat.  Silv.  V,  1,  130.  Achill.  II,  84.  Callimach.  H.  in  Dian.  212. 
Propert.  III,  14,  13.  —  Ueber  den  Gürtel  s.  vorher  Anm.  40;  an  die  Scy- 
thische  Art  ihn  umzugürten  erinnert  auch  Martial.  Epigr.  IX,   102,  5: 

Pellatam  Scythico  discinxit  Amazona  nodo. 
Die  Amazonen  nannte  man  ttovoydozgiegnüch  Hesychius;  vgl.  Böttiger,  Griech.  Va- 
sengem. 1,  3,  177.  —  Dassdie  Amazonen  als  Reiter  gehleidet  waren,  bemerkt  Arrian. 
Exped.  Alex.  VII,  17  im  Allgemeinen.  Curtius  sagt,  VI,  5,  27:  vestis  non  toto 
Amazonum  corpori  obducitur;  nani  laeva  pars  ad  pectus  est  nuda,  cetera  deinde 
velantur;  nee  tarnen  sinus  vestis,  quem  nodo  colligunt,  infra  genua  descendit.  In 
voller  Rüstung,  nach  griechischer  Art,  erscheinen  sie  bei  Quintus  Calaber 
I,  140  u.  s.  w.  Tzetz.  Posthorn.  58;  vrgl.  NonnusDionys.  XXXVI,  265.  XXXVIII, 
117.  —  Demetrius  (de  elocut.  ed.  Goeller  §.  138.  p.  31)  theilt  folgende 
Schilderung  mit  von  einer  schlafenden  Amazone  :  zo  zo^ov  ivzsza/.i€vov 
e'xeizo  xal  rj  cpagezga  nX^Qtjg ,  zö  yegQOv  etci  zft  xecpaXfj,  zovg  de  Ü,coazrjgag 
ov  Xvovzai.  Er  sezt  hinzu :  ev  ydg  zovzw  xal  6  vöfiog  siQt]zat  6  nsql  zov 
^toozrJQog  xal  ovx  l'Xvae  zov  tyoozrjga. 

Wie  Viigil,  Aen.  XI,  661,  die  Penthesilea  auf  einem  Wagen  in  die 
Schlacht  fahrend  schildert,  so  finden  wir  auch  Amazonen  fahrend  auf  Vasen- 
gemälden. 

Polygnotus  hatte  die  Penthesilea  gemalt,  als  Jungfrau  mit  einem  Bogen, 
der  den  Scythischen  ähnlich  war,  und  mit  einem  Pardelfell  auf  der  Schulter. 
Das  Gemälde  war  in  der  Lesche  zu  Delphi.  Pausan.  X,  31,  3.  —  Vgl.  Nonn. 
Dionys.  XXXVI,  265.  XXXVIII,   117.  Quint.   Calab.  140,    158. 

190)  Heroic.  c.  19.  —  Philostratus  erzählt,  die  Amazonen  hätten  Schiffer 
und  Schiffsbaumeister,  die  ein  Sturm  an  ihre  Küste  warf,  gefangen  genommen, 
an  Krippen  gebunden  und  eine  Zeit    lang  gefüttert,  um  sie  an  die  menschen- 

8- 


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fressenden  Scythen  jenseits  des  Phasis  zu  verkaufen.  Sie  erhielten  aber  durch 
die  Verwendung  einer  Amazone  die  Freiheit,  erzählten  von  der  Insel  Leuke 
und  dem  Achilles  daselbst,  bauten  eine  Flotte,  und  die  kriegerischen  Frauen 
unternahmen  den  ihnen  so  verderblichen  Zug.  —  Philostratus  bemerkt  sie 
säugten  die  von  ihnen  gebornen  Mädchen  nicht,  sondern  nährten  sie  mit 
Pferdemilch  und  dem  süssen  Thau,  der  sich  wie  Honig  auf  das  Rohr  auflegt. 
Vrgl.  Senec.  ep.   84.  Salmas.  ad  Solin.  pag.  717. 

191)  c.    17. 

192)  1.  1.  C   19. 

193)  Clem.  Alex.  Strom.  V,  1.  ed.  Potter  p.  481.  V,  4,  p.  59t.  Euseb. 
Praep.  ev.  VI,  10.  Tertullian.  adv.  Marcian.i,  1:  Hamaxobiis  instabilior,  Massa- 
getis  inhumanior,    Amazonis  audacior. 

194)  c.  17. 

195)  Vopisc.  Aurel.  34:  duetae  sunt  et  decem  mulieres,  quas  virili  ha- 
bitu  pugnantes  inter  Gothos  ceperat,  cum  multae  essent  interemtae,  quas  de 
Amazonum  genere  titulus  indicabat. 

196)  Anm.    146. 

197)  XXII,  8,  18.  XXXI,  12,  16. 

198)  de  raptu  Proserp.  II,   62: 

Qualis    Amazonidum   peltis    exultat    aduncis 
Pulcra   cohoi-s,  quoties  Arcton  populata  virago 
Hippolyte    niveas   ducit  post  proelia  turmas  ; 
Seu  ilaveos  stravere  Getas,    seu   forte    rigentem 
Thermodontiaca   Tanain    fregere    securi. 
Er  nennt  den  Pontus   auch  den  Amazonischen  :  in  Eutrop.  II,  261. 

199)  Jotnand.  de  reb.  get.  c.   5.  7.  Freculf.    Ab.    Ursprng.  1.  II.  c.   16. 

200)  Fassen  wir  kurz  zusammen,  was  Quintus  Smyrnaeus,  Tryphiodorus, 
Coluthus  und  andere,  auch  Spatere,  über  die  Amazonen  mittheilen,  so  ist  es 
Folgendes:  Penthesilea  ist  die  Führerin  des  Heeres,  das  vom  Thermodon 
nach  Troja  aufbrach  (vgl.  Tzetz.  Antehonl.  12,  22.  Posthorn.  54).  Nach  Ei- 
nigen hatte  sie  die  Hippolyte  erschlagen  und  musste  desshalb  das  Land  ver- 
lassen (Diod.  Sic.  II,  46.  Quint.  Smyrn.  I,  18.  Schol.  II.  III,  189),  nach  An- 
deren trieb  kriegerischer  Muth  die  Jungfrauen  zu  diesem  Unternehmen,  und 
der  Führerin  Wunsch  von  einem  der  Heroen  Mutter  zu  werden  (Tzetz. 
Posthorn.  Tz.  ad  Lycophr.  1327.  Serv.  ad  Virg.  Aeneid.  XI,  661;  Malalas  p. 
159.  Gedrenus  p.  105).  Manche  geben  an ,  die  in  den  Krieg  ziehende  Schaar 
sei  nicht  gross  gewesen,  einige  (Dictys  Gretens.  IV,  2)  Hessen  bedeutende 
Haufen  von  den  benachbarten  Völkern   zu    dem  Unternehmen  mit  aufbrechen. 


61 

Als  sie  in  die  Nähe  von  Troja  kommen,  hören  sie,  dass  Hektor  gefallen  ist, 
und  Penthesilea  will  zurückkehren,  lä'sst  sich  aber  endlich  bewegen  zu  blei- 
ben. Nach  einigen  Tagen  kommt  es  zur  Schlacht,  die  vier  Tage  dauert  (Tzetz. 
Posthorn.  114).  Penthesilea  mit  ihrer  Reiterei  steht  in  der  Mitte  der  Schlacht- 
reihe, ihr  gegenüber  befehligt  Achilles.  Nach  mancherlei  Vorfällen  verwun- 
det dieser  mit  seinem  Speer  die  Penthesilea  und  reisst  sie  bei  den  Haaren 
vom  Pferde,  die  anderen  Amazonen  fliehen.  (Abweichend  erzählten  einige  — 
Ptol.Hephaest.  ap.Phot.  p.251,H.  —  die  Königin  habe  den  Achilles  erschossen, 
auf  Bitten  seiner  Mutter  riefen  ihn  die  Götter  ins  Leben  zurück,  und  er  töd- 
tete  dann  seineGegnerin,  vgl.  Teiles  ap.Eust.adOd.  A,  538.  p. 430  Lips.  (III,  p.  1696, 
ed.  Born.).  Nach  Quintus  (JacobsadTzetz.Posthom.20)  bestatteten  dieTrojaner  eh- 
renvoll die  Penthesilea;  anderen  zufolge  (Dictys  Cret.  IV,  2)  beabsichtigten  die 
Griechen,  den  Leichnam  in  einen  Fluss  zu  werfen  und  von  Hunden  zerreis- 
sen  zu  lassen.  Einer  Sage  gemäss  stürzt  Diomedes  sie  ins  Wasser;  verschie- 
dene erzählten,  Achilles  habe  sie  bestattet  (Tryphiodor.  37.  Tzetz.  Posthorn, 
209.  Serv.  ad  Virg.  I,  491;  vgl.  Propert.  III,  11,  15.  Pausan.  V,  11).  Manche 
nahmen  an,  (Dio  Chrysost.  Vol.  I,  p.  353.  Dares  Phryg.  36.  Anthol.  vett.  lat. 
epigr.  ed.  Meyer.  T.  I,  p.  233.  705),  Neoptolemus,  des  Achilles  Sohn,  habe 
die  Penthesilea  erschlagen. 

201)  B.  Goth.  IV,  4. 

202)  I,  1;  IV,  4. 

203)  Dahlmann,    Forschungen    auf   dem    Gebiet    der    Geschichte,    1,    413. 
Turner  history  of  the  Anglo-Saxons  Vol.  II. 

204)  De  situ  Daniae  c.  228,  in  Lindenbrog.  Scriptt.  rer.  germ.  sept.  Hamb. 
1706.  Fol.  pag.  59.  61. 

205)  De  gestis  Longobardorum  1,  15.  Er  lässt  die  Amazonen  in  Kampf 
mit  den  Longobarden  gerathen;  bemerkt  aber,  dass  viele  so  etwas  nicht  glaub- 
ten :  omnibus  enim,  quibus  veteres  historiae  notae  sunt,  patet,  gentem  Amazo- 
num  longe  anteaquam  haec  fieri  potuerunt  esse  deletam ;  nisi  forte,  quia  loca 
eadem,  ubi  haec  gesta  feruntur,  non  satis  historiographis  nota  fuerunt,  et  vix 
ab  aliquo  eorum  vulgata  sunt,  fieri  potueril,  ut  usque  ad  id  tempus  hujusce- 
modi  inibi  mulierum  genus  haberetur.  Nam  et  ego  referri  a  quibusdam  audivi, 
usque  hodie  in  intimis  Germaniae  finibus  gentem  harum  existere  foemina- 
runv  —  Vgl.  Gundlingiana  3  St.  S.  273.  6  St.  S.  122.  Er  meint:  „die  erste 
Idee  von  der  Amazonen  Tapferkeit  haben  den  Griechen  Sarmatische,  Gothische, 
Teutsche  Weiber  eingedrückt." 

206)  Voy.  T.  I,  p.  121. 

207)  Marco  Polo  ed.  Marsden.   Anm.   1319. 

208)  Klaproth,  Mag.  Asiat.  T.  I,  p.  23.  Bitter,  Erdkunde.  Asien.  Thl.  3.  S.  210. 


02 

209)  Rec.  gen.  des  voy.  T.  V.  p.  100.  P.  Jean  de  Sunto  descr.  de  l'Ethio- 
pie  Orientale.  —  Clapperton,  in  seiner  zweiten  Reise,  erzählt  von  einer  Leib- 
wache eines  Königs  im  Innern  Afrikas,  die  aus  jungen  berittenen  Mädchen  bestand. 

210)  Herrera  bist.  gen.  Dec.   VI.  Hb.  VIII,   c.  7.  Hb.  IX,    c.  2. 

211)  Edinb.  Review  1840.  April  v.  143.  p.  30;  vrgl.  La  Condamine  relat. 
p.  101.  Guy,  Nachricht  vom  Lande   Guyana.  Hamburg  1795.  S.   103. 

212)  Tagebuch  der  ersten  Reise.  Th,  IL  p.  270;  v.  Humboldt,  krit.  Un- 
tersuchungen über  d.  histor.  Entwickelung  der  geogr.  Kenntnisse  von  der 
Neuen  Welt.  Th.  I,  S.  275. 

213)  Nach  H.  v.  Hammer  —  in  Eöttigers  griech.  Vasengem.  I,  3,  196  — 
linden  sich  über  die  Amazonen  nur  Nachrichten  in  dem  persischen  Werke: 
Adschnibal-Machlukat,  der  Abschnitt  ist  überschrieben:  „die  Weiber  derAdi- 
ten  beim  Heere  Alexanders." 

214)  Gewöhnlich  die  Canaiischen  Inseln,  s.  Herbelot  Eibl.  or.  h.  v.  H. 
v.  Hammer  meint  aber,  es  müsse  auch  eine  andere  Gegend  bedeuten.  —  Ei- 
nen inselähnlichen  Aufenthalt  in  Asien  gibt  ihnen  auch  Julius  Valerius  —  res 
gestae  Alex.  ed.  Majo  III,  70— der  sie  selbst  diesen,  in  einem  Rriefe  an  Ale- 
xander, auf  folgende  Weise  schildern  lässt:  scito  igitur  primum  colere  nos 
interamnanum  a  Machonico  flumine  locum  omnem  quo  consistimus  ambitum, 
eo  fluenle  circiter  spatio  cpjo  una  sit  aditicula  eaque  vix  aecolis  nota,  qua 
septem  flumina  vel  irrumpi  oporteat  vel  emergi:  ejusque  alvei  tanta  est  dif- 
ficultas  quanta  nos  a  quibusvis  periculis  tueatur.  Sie  nennen  das  Gebiet,  im 
Verhällniss  zu  ihrer  Zahl,  da  ihrer  200,000  sind,  nur  klein.  Jährlich  gehen 
sie  über  den  Fluss,  zu  einem  Fest,  Hippophama  genannt,  dort  treffen  sie 
Männer  und  pflegen  mit  ihnen  der  Liebe. 

Alexander  unterscheidet  diese  Amazonen  von  denen  am  Thermodon,  da 
er  in  einem  Brief  an  Olympias  schreibt:  —  III,  82.  —  Dieser  Fluss  stehe 
keinem  an  Grösse  nach  und  ströme  durch  ebene  und  reiche  Gegenden  in 
grosser  Fülle.  Propter  hunc  Thermodonta  genus  Amazonum  colit,  mulieres 
magnitudine  corporis  ac  pulchritudine  cetera  hominum  genera  superveetae, 
amietae  vero  ut  in  picturis  est  visere  unimammas,  et  omnis  hisce  ferme  amic- 
tus  est  arma  vel  ferrum.  Igitur  cum  haud  proeul  Ins  ageremus,  ipsarum  qui- 
dem  potiri  haud  facile  erat,  utrumque  nostrum  a  congressu  magnitudine  flu- 
minis  dispertiente.  Sed  praeter  illius  agmen  bestiae  quoque  nonnullae  aspe- 
ritatesque  impedimento  erant.  —  At  enim  comperto  illae  quod  ceterae  quo- 
que Amazones  de  nostra  amicitia  coeptassent,  ipsae  etiam  periculi  causam  do- 
nis  a  nobis  et  obsequiis  redemerunt.  Alexander  zieht  dann  zum  rothen 
Meer  und  trifft  dort  Menschen  ohne  Köpfe. 


63 


Berichtigungen. 

Seite  3  in  der  Ueberschrift  lies:    Üav/.taozöv  —  TcXaväoSai. 
,,     3  lezte  Zeile  ,,        Priamos. 

,,     4  erste       ,,  „       Sangarius. 

,,     ,,      3.  „    seze  nach  gerechnet  ein  Komma. 

„     ,,      8.  ,,  lies:    Lykien. 


5)         55 

12. 

55 

55 

heisst. 

55          55 

14. 

55 

55 

wahrscheinlich. 

L    5 

2. 

55 

von 

unten 

>5 

Sauromaten. 

1    6 

3. 

55 

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Sauromatides. 

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12. 

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Appian. 

1    9 

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55 

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erscheinen. 

|  10 

7. 

55 

5> 

Heroinnen. 

»5         5  5 

20. 

5> 

55 

Prosaiker. 

55           5> 

21. 

5' 

5> 

Arktinus. 

5,      11 

9. 

55 

55 

auszuliefern. 

55          55 

2. 

55 

von 

unten 

55 

Maeotis  am  Th. 

„  12 

16. 

5> 

'5 

Delphi. 

„  13 

2. 

>5 

5> 

Panaenos. 

55          55 

19. 

55 

55 

zu  Elatea  in  Phokis 

„  14 

4.  u. 

11. 

55 

Pherekydes. 

55         55 

6. 

5  J 

J5 

Geschichtschreiber. 

5  5         >> 

9. 

55 

55 

dem  Phorbas. 

55          55 

16. 

'5 

55 

schickten. 

55          55 

19. 

55 

1f 

Kleinasien. 

„  15 

5. 

55 

55 

Hellanikus. 

55          55 

17. 

55 

5> 

vom  Thermodon. 

55         55 

22. 

5) 

5> 

Kremni. 

55          55 

23. 

55 

55 

zulezt. 

„  16 

5. 

55 

55 

Herodorus. 

»   17 

8. 

55 

von 

unten 

55 

Museum. 

„  18 

6. 

55 

55 

55 

>5 

Skotussa. 

„  20 

15. 

5J 

55 

Klete. 

|  21 

1. 

>} 

55 

Gelae  und  Legae. 

55       55 

4. 

55 

55 

Hypsikrates. 

„29  21. 

55 

55 

Mena. 

,,  31 

1. 

55 

5» 

Kaikos. 

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Taf.I. 


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\MLoi~(w+. 


Zu 

JJr.  Eätidwlg  Schorn's 

im   XII.  Bande    dieser   Denkschriften   1835     abgedruckter 

Abhandlung 

über   das 

römische  Denkmal  in  Igel 

bei  Trier. 

Von 

JT.  A,  HchmeHer* 


Mit  lithographischer    Abbildung. 


Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Alt.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A) 


Zu 

Dr.   Ludwig    Schorris 

im  Xu.  Bande  dieser  Denkschriften  1835  abgedruckter  Abhandlung 

über  das 

römische  Denkmal  in  Igel 

bei  Trier. 

Von 
«7.  A.  Schneller. 


Mehrern  der  verehrten  CoIIegen  ist  noch  der  Vortrag  im  Ge- 
dächtniss,  welchen  unser  seitdem  leider  hinübergegangenes  Mitglied 
am  3.  December  1831  in  ihrer  Mitte  gehalten  hat.  Dr.  Schorn, 
nachdem  er  die  verschiedenen  Beschreibungen  und  Abbildungen  die- 
ses Denkmals  und  die  Meinungen  über  dessen  Zweck  und  Bedeu- 
tung, die  bisher  bekannt  geworden  sind,  hinreichend  besprochen,  hat 
seinerseits  den  Versuch  gemacht,  die  darauf  vorkommenden  Bild- 
werke vollständig  zu  erklären.  Es  kommt  mir  nicht  in  den  Sinn, 
auf  diesen  Versuch  selber  hier  einzugehen,  und  mich  so  auf  ein  Ge- 
biet zu  versteigen,  auf  welchem  dem  Neuling  keine  Stimme  zuste- 
hen kann;  dagegen  hoffe  ich  nicht  ganz  unwillkommen  zu  seyn,  wenn 
ich  die  Geschichte  der  frühem  Beschreibungen  und  Abbildungen 
durch  die  eine  oder  andere  Thatsache,  auf  welche  ich  zufällig  in 
meinem  täglichen  Beruf  gestossen  bin,  zu  ergänzen  suche. 

Von  altern  Erwähnungen  und  mehr  oder  minder  flüchtigen  Be- 
schreibungen des  Monuments  fand  die  eine  Wyttenbach  in  einer 
dermal  verloren  gegangenen  Handschrift  des  XIII.  Jahrhunderts,  die 


68 

andere  soll  in  einem  auf  der  Trierer  Stadtbibliothek  liegenden  Co- 
dex des  angehenden  XV. Jahrhunderts,  (GestaTrevirorum)  enthalten 
seyn  (s.  Schoru's  Abhandlung  S.  261.,  wo  von  der  altern  Meinung, 
„die  Igeler  Pyramide  sey  zum  Andenken  der  Ehe  des  Constantinus 
Vhiorus  und  der  Helena  errichtet  worden,"  die  Rede  ist).  Die  nächste 
nach  diesen  Beschreibungen  ist  unter  den  bei  Schorn  angemerkten 
wohl  die  von  Job.  Herold  aus  Höchstätt,  der  in  seinem  a.  a.  0.  S.  263  als 
ein  seltenes  angegebenen  Büchlein  (welches,  im  Vorbeigehn  gesagt,  dieK. 
Bibliothek  zweimal  besitzt,  und  das  ohne  Zweifel,  wie  sein  „de 
Romanorum  in  Rhetia  littorali  stationibus  commentariolus,  1555  zu 
Basel  gedruckt  ist)  cap.  23.  die  Meinung  ausspricht,  das  Denkmal 
sey  zu  Ehren  des  Germanicus  und  zur  Verherrlichung  der  Ge- 
burt des  Caligula  errichtet,  auf  dessen  künftige  Thaten  durch  die 
Bildwerke  angespielt  werde,  so  wie  nach  ihm  der  Ort  auch  seinen 
Namen  Egle  erhalten  habe.  Abraham  Ortelius  bezieht  in  seinem 
Itinerarium  per  nonnullas  Galliae  belgicae  partes  1584  Fol.  52 — 53 
dieses  Denkmal  lediglich  auf  die  in  der  Inschrift  genannte  Familie. 

Nicht  zur  Hand  ist  mir  das  Werk,  auf  welches  Schorn  in  Be- 
treff aller  frühern  über  das  fragliche  Denkmal  aufgestellten  Meinun- 
gen sich  bezieht  (Abbildung  des  römischen  Monumentes  in  Igel,  ge- 
zeichnet und  lithographirt  v.  Christoph  Hawich  mit  einem  erläutern- 
den Text  v.  Matthias  Neurohr,  Trier  1826  in  fol.),    auch  nicht  das 
im  Jahre  1829    zu  Koblenz  erschienene   (das  römische  Denkmal  in 
Igel  und  seine  Bildwerke,  mit  Rücksicht  auf  das  von  Herrn  Zumpft 
nach  dem  Original  ausgeführte    19  Zoll    hohe  Modell,    beschrieben 
und  durch  Zeichnungen  erläutert  von  Carl  Osterwald) ;  indessen  darf 
ich  wohl  annehmen,  Schorn  selbst  werde  wenigstens  keine  der  al- 
tem Beschreibungen  unerwähnt   gelassen   haben.     Unter  dieser  Vo- 
raussetzung kann    ich    die  Reihe  derselben   durch  ein   paar  bisher, 
wie  es  scheint,  minder  beachtete  ergänzen,  die  wahrscheinlich  schon 
dem  zweiten   Zehen    des   XVI.    Jahrhunderts  angehören. 


69 

Wenn  man  bedenkt,  welche  Feinde  ein  im  Freien  stehendes 
Denkmal  der  Art,  wenn  es  auch  haus-  d.  h.  über  70  Fuss  hoch 
und  verhältnissmässig  breit  und  tief  ist,  nicht  nur  an  der  Zeit  und 
den  Einflüssen  der  Witterung,  sondern  auch  an  den  Menschen  und 
manchmal  gerade  an  Liebhabern  des  Alterthums  habe  (um  das  Jahr 
1570  machte  ein  Graf  Peter  Ernst  v.  Mansfeld  den  Versuch  das 
Igelmonument  nach  Luxeuburg  in  seinen  Garten  zu  versetzen;  im 
Jahre  1765  hatte  es  so  sehr  gelitten,  dass  ein  Schultheiss  zu  Ecter- 
nach  Theodor  Lorent,  der  in  einer  französischen  Notiz  über  das- 
selbe auf  Herolds  Idee  von  Caligula  zurück  kam,  von  den  Luxen- 
burgischen  Ständen  den  Auftrag  erhielt  und  ausführte,  das  Schad- 
hafte auszubessern),  wenn  man  dies  bedenkt,  so  müssen  Nachrichten 
über  den  Zustand  desselben  um  so  höher  angeschlagen  werden,  als 
sie  älter  sind,  und  als  sie  namentlich  über  solche  Versetzungs-  und 
Ausbesserungs-Unfälle  zurückreichen. 

Die  eine  dieser  Beschreibungen  findet  sich  in  einem  durchaus 
von  des  berühmten  Nürnberger  Arztes  und  Literators  Hartmann  Scbe- 
dels  Hand  geschriebenen  und  im  Jahre  1505  vollendeten  „Liber  an- 
tiquitatum  cum  epigrammatibus"  (Nr.  716  unter  den  lateinischen  Hand- 
schriften der  k.  .Bibliothek). 

Es  sind  in  demselben,  ohne  Zweifel  für  spätem  Druck,  die 
Inschriften  sehr  vieler  Bau-,  Grab-  und  anderer  Kunstdenkmäler 
sowohl  Griechenlands  und  Italiens  als  auch  Deutschlands,  die  darin 
besprochen  und  zum  Theil  durch  Federzeichnungen  dargestellt 
werden,  zusammengetragen.  Zwischen  den  Blättern  313  u.  ,314  hat 
er  noch  in  einem  der  letzten  seiner  74  Lebensjahre  (er  starb  1514) 
zwei  neue  eingefügt  mit  Notizen,  die  ihm  sein  Freund  Wilibald 
Pirckhamer  über  Denkmäler  in  und  um  Trier  mitgetheilt.  „Wili- 
baldus  Pirchameir  hec  epigrammata  collegit  in  dieta  Treuerensi  anno 


douiini  1512"  bemerkt  er  am  Schlüsse  derselben.     Eine  dieser  Noti- 
zen, die  siebente,  lautet  wie  folgt: 

In  villa  Egle  longe  a  Treveri  miliare. 

Structura  antiqua  alta  et  variis  imaginibus  ornata :  »am  in 
fronte  imago  est  quam  aliae  duae  imagines  junctis  tenent  manibus. 
A  tergo  est  zodiacus  et  in  medio  solis  currus.  a  lateribus  vero  tri- 
umphi  et  sacrificia  quam  plurima.  In  columnis  pueruli  nudi.  in  base 
vero  imagines  una  legens  et  aliae  circum  stantes.  in  alto  vero  aquila 
expansis  alis  super  globum  stans.  Sed  imagines  ut  plurimum  tempore 
et  tempestate  exesae  sunt,  principium  vero  literarum  deletum  est. 
ceternm  quae  legi  possunt  haec  sunt: 

LI  •  SECVNDINI     SECVRI     ET  •  PV-*) 
BLIAE     PAGA1A  •  E  •  CONIVGI  •  SE 
CVNDINI  •  AVENTINI  •  ET  •  ISACC- 
10  •  MODESTO  •  ET  •  MODESTOM- 
ACEDONI  FILIO  •  ET  IVSSV  .  .  E  •  SE- 
CVNDINVS  AVENTINVS     ET  SEC- 
VNDINI SECVRVS  PARENTIBVS. 
FF-  CVNCTISET 

Es  galt  deshalb  nachzusehen,  ob  in  dieses  nicht  minder  be- 
rühmten im  Jahre  1530  verstorbenen  Nürnbergers,  (der  zwar  von 
Geburt  ein  Eichstätter  war)  eigenen  Werken,  wenigstens  so  weit 
.sie,  durch  Goldast  gesammelt  und  im  Jahre  1610  herausgegeben,  zu- 
gänglich sind,  nichts  der  Art  finden  lasse.  In  der  That  liest  man  hier 
S.  93  ein  „fragmentum  de  origine,  antiquitate   et  eversioue  atque  in- 


*)  Die  Abtheilung  der  Zeilen  ist  die  der  Schedeischen  Hs. 


stanratione  urbis  trevirensis  descriptum  ex  mithographo  Bilibaldi", 
worin  es  heisst:  „Variae  juxta  Trevirim  conspiciuntur  antiquitates  jn- 
ter  qoas  praecipua  est  quae  in  villa  Egle  adhuc  integra  permanet, 
nisi  quautura  tenipestatis  injuria  exesa  est.  Moles  euim  in  altum 
fastigiata  undique  simulacris  ac  signis  exornata  est.  In  fronte  tres 
conspiciuntur  imagines  juuctis  astare  manibus.  Ex  qua  re  accolae 
fabulam  finxere,  Constantinwrn  et  Helenam  illic  desponsatos  fuisse. 
Sed  ex  literis,  quae  adhuc  ex  parte  extare  videntur,  clare  depre- 
hendi  potest,  illud  Monumentum  esse.     Ita  enim  ex  literis  colligitur 

LI.  SECVNDINI.  SECVRI.  ET.  PVBLIAE.  PA.  GAIAE. 
CONIVGISECVNDINI.AVENTINI.ET.ISACIO.MODESTO.ET. 
MODESTO.  MACEDONI.  FILIO.  ET.  IVSV  . . .  SECVNDINVS. 
AVENTINVS.  ET.  SECVNDINI.  SECVRVS.  PARENTIBVS.  F.  F. 
CVNCTIS.  ET  .  . 

in  medio:  principium  vero  penitns  abolitnm  est.  A  tergo  vero  Phae- 
tontis  currus  ac  triumphi  insculpti  sunt,  in  apice  vero  aquila  expan- 
sis  constitit  alis  circulari  insistens  globo:  sed  caput  longo  temporis 
decidit  aevo.  Villam  vero  ex  illa  aquila  nomen  sortitam  esse  con- 
jecturare  licet,  Galli  enim  aquilam  eglam  nominare  consueverunt,  nee 
longum  est  ex  quo  euneta  a  Gallis  habitata  fuerunt." 

Dies  wären  die  beiden,  wenigstens  von  Schorn  nicht  namhaft 
gemachten,  altern  Beschreibungen,  die  freilich  kurz  und  oberflächlich 
genug  sind.  Ueberhaupt  sind  Worte  wenig  geeignet,  von  so  einzig 
auf  das  Auge  berechneten  Gegenständen  eine  hinlänglich  befriedi- 
gende Vorstellung  zu  vermitteln.  Dazu  sind  unumgänglich  Abbildun- 
gen vonnöthen.  Dass  aber  dergleichen  von  einem  Denkmal  solcher 
Höhe  und  solches  Umfanges,  das  mit  seinen  vier  Seiten  selber  eine 
Art  kleiner  Glyptothek  von  Sculpturen  ist,  die,  wie  es  scheint,  hie 
und  da  nur  wenig  über  das  Flache  hervortreten,   zu  fertigen,  keine 


72 

leichte  und  eine  ohne  Gerüst  kaum  ausführbare  Arbeit  sey,  braucht 
nicht  gesagt  zu  werden.  Scliorn  hält  das  im  Jahre  1829  unter  sol- 
cherlei Vorkehrungen  von  Herrn  Zumpft,  Modelleur  der  Sayner  Ei- 
senhütte, gemachte  Modell  (wovon  ich  einen  dem  Herrn  Geheimen 
Rath  v.  Walther  gehörigen  Abguss  in  Eisen,  durch  Güte  dieses  un- 
sers  verehrten  Mitgliedes  abermals  vor  Augen  stellen  kann)  und  die 
v.  Osterwald  darnach  genommene  Zeichnung  aus  innern  Gründen 
für  so  getreu,  dass  man  sich,  auch  ohne  die  anderthalbtaasendjährige 
Vorlage  selbst  gesehen  zu  haben,  auf  dieselben  verlassen  könne,  so 
wie  er  denn  auch  seiner  Abhandlung  eine  lithographirte  Copie  der- 
selben beigefügt  hat.  Was  aber  ältere  Kupferstiche,  die  man  davon 
besitze,  betrifft,  so  seyen  sie  alle,  was  somit  auch  von  dem  im 
Jahre  1783  durch  Dr.  Pars  gefertigten,  von  Edw.  Booker  gestoche- 
nen Blatte,  welches  S.  272  eigens  citirt  wird,  gelten  muss,  höchst 
unvollkommen  und  oberflächlich.  Unter  den  neuern  Abbildungen 
scheinen  ihm  die  in  Labordes  Monumens  de  la  France,  1816  Band 
I.  Blätter  96  —  99,  ebenfalls  nur  flüchtig  gemacht,  und  so  auch  die 
von  Hawich  lithographirten  v.  1826  zu  mangelhaft  gezeichnet,  als 
dass  man  sie  für  treu  halten  könnte. 

Aus  alledem  glaube  ich  den  Schluss  ziehen  zu  dürfen,  dass 
unserm  seligen  Schorn  keine  über  die  Zeit  der  von  ihm  aus  dem 
XVI.  Jahrhundert  citirten  Beschreibungen  hinaufreichende  Abbildung 
des  Denkmals  von  Igel  bekannt  gewesen  sey.  Denn  wäre  ihm  un- 
ter den  altern  Kupferstichen,  von  denen  er  spricht,  etwas  der  Art 
vorgekommen,  so  hätte  ers  ohne  Zweifel,  auch  abgesehen  von  der 
Treue  oder  vom  Kunstwerthe,  schon  der  Zeit  wegen,  für  wichtig 
genug  halten  müssen,  eigens  davon  zu  reden. 

Nun  gibt  es  aber  eine  solche  Abbildung  als  Handzeichnung, 
die,  wie  die  Züge  der  erklärenden  Zeilen  von  denen  sie  begleitet 
ist  schliessen  lassen,  aus  den  ersten  höchstens  zwanzig  Jahren  des 


73 

XVI.  Jahrhunderts  herrührt.  Sie  ist  enthalten  auf  einem  grossen 
einzelnen  Papierbogen,  der  in  die  k.  Bibliothek  aus  jener  der  Jesui- 
ten in  Augsburg,  und  in  diese  ohne  Zweifel  mit  der  Sammlung  von 
Büchern  und  Handschriften  gekommen  ist,  die  der  letzte  der  Peu- 
tinger,  als  Erbschaft  vom  berühmten  Ahnherrn  Dr.  Conrad  f  1547 
her,  im  Jahre  17 IS  dem  dortigen  Collegium  vermacht  hatte. 

Wenn  man  den  lebhaften  Verkehr  bedenkt,  welcher  zwischen 
den  ausgezeichneten  um  die  Wette  auf  die  Reste  des  Alterthums 
ausgehenden  Gelehrten,  die  um  jene  Zeit  sowohl  Nürnberg  als  Augs- 
burg unter  seine  Bürger  zählte,  gerade  einem  Hartman  Schedel, 
Wilibald  Pirckhamer,  Conrad  Peutinger,  statt  gehabt,  so  ist  kaum 
der  Gedanke  abzuweisen,  dass  eben  bei  Gelegenheit  des  Trierer 
Reichstages  v.  1512,  dem  von  Nürnberg  aus  nebst  Erasmus  Top- 
ler auch  W.  Pirkhamer  angewohnt,  unsere  Zeichnung,  vielleicht  für, 
wo  nicht  durch  diesen  selber  ausgeführt,  au  Freunde  wie  Schedel 
und  Peutinger  mitgetheilt  worden,  und  endlich  in  des  Letztern  Samm- 
lung geblieben  sey.  Möchte  ich  doch  sogar  aus  einer  dialektischen 
Eigenheit,  die  sich  in  den  erwähnten  Zeilen  kund  gibt,  (dem  eyden 
statt  jeden)  den  Schluss  ziehen,  wenigstens  der  Schreiber,  wo  nicht 
auch  der  Zeichner,  sey  ein  Nürnberger  gewesen.  Es  bietet  nemlich 
der  Bogen  in  vier  abgesonderten  Partien  die  Ansichten  der  vier 
Seiten  des  Monumentes,  zuerst  die  zwei  breitern,  die  nach  Nord 
und  die  nach  Süd,  sodann  die  beiden  schmälern,  die  nach  West  und 
die  gegen  Osten  dar. 

Oben  zwischen  dem  einen  und  dem  andern  Paar  ist  in*  flüchti- 
ger deutscher  Cursiv  zu  lesen: 

Der  stain  ist  vierecket  vnd  ist  auff  einer  eyden  seytten  besun- 
der  fiegnren  wie  dan  hie  ein  wenig  v er  zeichnet  ist.  Neben 
der  Südseite  steht:  Das  ist  die  vorder  seyten  do  die  geschrifft   stet, 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  1  0 


74 

neben  der  Nordseite:  das  ist  die  seytcn  hindert  gegen  der  geschrifft. 
Oben  zwischen  den  Spitzen  des  andern  Paares  ist  zu  lesen:  das 
seyndt  die  zwo  neben  seyten  die  eine  gegen  lutzenburg  die  ander 
gegen  frier. 

Der  bescheidene  Ausdruck:  wie  dan  hie  ein  wenig  verzeichnet 
ist,  gibt  den  Massstab,  nach  welchem  das  Blatt  zu  beurtheilen  seyn 
wird.  Augenscheinlich  enthält  es  nicht  einen  ersten  unmittelbar  am 
Platze  selbst  gemachten  Entwurf,  der  wol  ohne  Gerüst  oder  andern 
besoudern  Apparat  und  vielleicht  auch  nicht  in  lauter  für  alle  Sei- 
ten gleich  günstigen  Tagesstunden  gefertigt  war,  sondern  eine  spä- 
tere mit  einer  gewissen  einiges  Spiel  eigener  Phantasie  nicht  völlig 
ausschliessenden  künstlerischen  Sorgfalt,  glaublich  von  einer  andern 
Hand,  vorgenommene  Ausführung  desselben. 

Vergleicht  man  nun  diese  Zeichnungen,  die  zwar,  da  der  Bo- 
gen lange  unter  andern  als  unnütz  verworfenen  Papieren  gelegen 
hatte,  an  ein  paar  Stellen  etwas  gelitten  haben,  im  Ganzen  aber 
noch  ziemlich  gut  erhalten  sind,  mit  den  spätem  Darstellungen  bei 
Laborde  und  mit  den  von  Zumpft  und  Osterwald  gelieferten  und 
hauptsächlich  mit  dem  Modelle,  so  wird  man  gestehen,  dass  mit  Aus- 
nahme eines  freilich  wesentlichen  Dinges,  worüber  nachher  die  Rede 
seyn  soll,  das  was  in  den  neuem  Bildern  deutlich  ausgedrückt  ist, 
so  ziemlich  auch  in  diesen  altern  vorkommt,  die  dagegen  manches 
enthalten,  was  in  jenen  als  zur  Zeit  nicht  mehr  vorhanden  oder 
nicht  mehr  erkennbar  natürlich  hatte  wegbleiben  müssen. 

Dieser  Umstand  darf,  wie  mir  scheint,  dem  ursprünglichen  Zeich- 
ner das  Vorurtheil  zuwenden,  dass  er  bei  seiner  Arbeit  nicht  so 
ganz  obenhin  verfahren  sey,  sondern  so  weit  sein  Auge  trug,  nur 
was  er  sah  oder  zu  sehen  glaubte,  gegeben  habe,  und  dass  nament- 
lich die  vier  nackten  Figuren  (Genien  ?)  die  nach  ihm  über  den  vier 


75 

Ecken  der  Attica  auf  würfelförmigen  Vorsprüngen  als  Akroterien 
stehen,  und  die  man  über  diesen  Vorsprüngen  auf  den  spätem  Abbil- 
dungen vergebens  sucht,  nicht  etwa  eine  müssige  blos  von  ihm  be- 
liebte Zuthat  seyen.  Die  „pueruli  nudi  in  columnis"  der  Pirkhei- 
nerischen  Beschreibung  werden  wol  nicht  auf  diese  Akroterien  son- 
dern auf  die  Relief-Figuren  gehen,  die  an  den  Eck-Pilastern  sicht- 
bar sind.  Jedenfalls  waren  solche  freistehende  Statuen*)  am  mei- 
sten der  Gefahr  ausgesetzt  heruntergenommen  und  anderwärts  ver- 
wendet, wo  nicht  aus  Muthwillen  zerstört  zu  werden.  Viel  minder 
begreiflich  scheint  der  Umstand,  dass  ganz  zu  oberst  einer  der  vor 
andern  ins  Auge  fallenden  Bestandtheile,  der  auch  in  beiden  Be- 
schreibungen ausdrücklich  genannte  Adler  (aquila  expansis  alis  su- 
per globum  stans),  von  welchem  sogar  die  spätem  Abbildungen  we- 
nigstens noch  die  Flügel  zeigen ,  in  unserm  alten  Bilde  gänz- 
lich  fehlt. 

Etwas,  das  dem  Kunstwerke  so  sehr  zur  Zierde  gereichen 
musste,  eigenmächtig  wegzulassen,  dazu  konnte  der  Zeichner  doch 
unmöglich  einen  Grund  haben.  Wäre  es  vielleicht  zur  Zeit,  als  er 
zur  Stelle  war,  nur  zufällig  abgenommen  gewesen,  da  diesem  merk- 
würdigen Reste  des  heidnischen  Alter thums,  über  dessen  vergleichs- 
weise gute  Erhaltung  durch  so  viele  zerstörende  Jahrhunderte  und 
so  hoch  im  Norden,  selbst  wenn  er  für  christlich  gegolten  hätte, 
man  sich  mit  Recht  wundern  darf,  wol  schon  zu  jener  Zeit  mitun- 
ter auch  eine  pflegende,  ausbessernde  und  so  notwendiger  Weise 
manches  verändernde  Hand  nicht  gefehlt  zu  haben  scheint/"""5)  Wenn 


*)  Auch  Franz  Kugler  in  Chr.  W.  Schmidts  Baudenkmalen  um  Trier.  1845. 
2tes  Heft  S.  98  setzt  dergleichen  Akroterien  voraus. 
**)  An  vielen  Stellen    sind   neue  Steine   zur  Ausbesserung    des  Schadhaften 
eingesetzt,    ja    neu  gemeisselt,    sagt  Kugler  a.   a.   O.    S.   97.    103.    107. 
112.  114. 

10* 


70 

die  neuesten  Heraasgeber  der  Gesta  Treviroruin,  Trier  1838  3r  Bd. 
S.  291,  bei  Gelegenheit  des  im  Jahre  1769  erschienenen  oben  er- 
wähnten Werkes  von  Lorent  behaupten,  der  in  dessen  Abbildung  oben 
aufgesetzte  vermeintliche  Adler  sey  ein  verstümmelter  Genius  (For- 
tuna familiae  Secundinorum),  der  auf  einer  Kugel  ruht,  wie  man  denn 
neuerlich  in  der  Nähe  dieses  Mausoleums  wirklich  den  Kopf  eines 
Genius  gefunden  habe,  so  wird  diese  Behauptung  gegen  die  klaren 
Worte  der  obigen  Beschreibung  kaum  Stand  halten  können,  es 
müsste  denn  Schorns  Ansicht  dazwischen  treten,  der  über  der  Ku- 
gel den  Ueberrest  einer  jugendlichen  mit  etwas  Gewand  bekleideten 
Figur  zu  erkennen  vermag,  die  von  einem  Adler,  dessen  ausgebrei- 
tete Flügel  noch  übrig  sind,  um  die  Hüfte  gefasst  und  empor  ge- 
tragen werde,  und  die  ohne  Zweifel  ein  Ganymed  gewesen  sey  und 
symbolisch  auf  den  frühen  Tod  der  im  Denkmal  gefeierten  Personen, 
sodann  auf  die  von  den  Göttern  geliebte  unvergängliche  Jugend  des 
im  Denkmal  verewigten  Geschlechtes  hingedeutet  habe.  Der  Adler 
könne  zugleich  als  eine  Erinnerung  an  Aquileja,  dem  nach  einer 
Inschrift  bei  Gruter  I.  p.  XXXVI.  15  vermutheten  Stammort  der 
Seeundini  genommen  werden. 

Die  Kugel  hält  Schorn  für  ein  Sinnbild  der  Erde,  die  Halb- 
karyatiden, auf  denen  sie  ruht,  und  welche  in  der  alten  Abbildung, 
nicht  so  in  der  neuen,  Kronen  tragen,  für  ein  solches  des  Wassers, 
und  die  schlangenfüssigen  Gestalten  an  den  Ecken  des  Kapitells, 
das  auf  der  halsförmigen,  in  der  alten  Abbildung  noch  ganz  ge- 
schuppten  Pyramide  liegt,  nimmt  er  für  Giganten,  als  Ausdruck  des 
Feuers,  so  dass  von  da  an  aufwärts  bis  zum  Adler  alle  vier  Ele- 
mente versinnbildlicht  wären. 

Auf  den  vier  Giebelfeldern  sieht  er  die  vier  Tageszeiten  sym- 
bolisch angedeutet.  Wenn  indessen,  was  an  der  am  meisten  ver- 
waschenen Wetterseite   hier   die  Neuem   erkannt   haben  (ein  Mann 


77 

—  Mars  —  der  mit  Schild  und  Speer  zu  einer  sitzenden  Nymphe 
tritt),  das  Richtige  ist,  so  hat  der  alte  Zeichner  bedeutend  falsch 
gesehen.**) 

Was  die  Hauptfelder  des  Cippus  betrifft,  so  stimmt  die  obere 
Abtheilung  des  östlichen  so  ziemlich  zu  Schorn's  Erklärung,  dass 
sie  die  Geburt  des  Hercules  darstelle,  wobei  der  alte  Zeichner  nur 
das  von  der  Ilitbya  etwas  barbarisch  angefasste  Kindlein  übersehen 
hätte,  das  übrigens  auch  in  A.  Wiltheims  (zwischen  1630  u.  1694 
genommenen)  Abzeichnung  nicht  zu  erkennen  und  auch  in  jüngster 
Zeit  von  Kugler  (a.  a.  0.  124)  nicht  wahrgenommen  ist.  In  der  un- 
tern Abtheilung  dieses  Feldes  gewährt  das  alte  Bild  noch  deutlich 
eine  Gruppe  von  drei  Figuren,  während  in  neuerer  Zeit  nur  noch 
ein  Kopf  mit  einem  rechten  Arme  sichtbar  ist. 

Der  Inhalt  des  westlichen  Hauptfeldes ,  auf  welchem  unser 
Archäolog  in  einer  obern  Abtheilung  den  Kampf  des  Hercules  mit 
der  lernäischen  Hydra,  in  einer  untern  die  Erbeutung  der  hesperi- 
schen  Aepfel  zu  erkennen  glaubt,  stellt  sich  in  der  alten  Zeichnung 
durchaus  anders  dar.  Dieses  Feld  ist  nicht  wagrecht,  sondern  von 
oben  nach  unten  in  zwei  Bilder,  das  eine  mit  zwei,  das  andere  mit 
vier  Figuren,  getheilt,  deren  eine  einer  andern  auf  den  Schultern 
sitzt,  während  eine  derselben  in  der  That  mit  einer  Doppelschlange 
zu  kämpfen  scheint. 


*)  In  diesem  Relief  war  vielleicht  wegen  der  Höhe  und  wegen  der  Aus- 
ladungen um  das  Giebelfeld  bei  gerade  ungünstiger  Tageszeit  das  Ein- 
zelne schwerer  zu  unterscheiden;  indessen  wird  von Kugler  a.  a.  O.  be- 
merkt, dass  gerade  dieses  Relief  vortrefflich  gearbeitet  sey  und  sich 
(also  trotz  des  Wetterschlages)  vor  allen  übrigen  durch  gute  Erhal- 
tung  auszeichne.     Neuere    Zuthat? 


78 

Auf  der  gegen  den  Berghang  gerichteten  und  am  hesten  erhal- 
tenen Nordseite  sieht  Schorn  endlich  die  Apotheose  oder  Himmel- 
fahrt seines  Heros.  Während  der  alte  Zeichner  hier  richtig  eben- 
falls den  Thierkreis,  und  an  den  Ecken  die  vier  Winde  andeutet, 
setzt  er  zwischen  die  auf  dem  Wagen  fahrende  und  die  ihr  aus 
den  Wolken  entgegenkommende  Figur,  beide  geflügelt,  noch  eine 
dritte ,  welcher  von  der  zweiten  ein  Apfel  gereicht  zu  werden 
scheint. 

Auf  dem  Dedicationsrelief  endlich,  welches  an  der  Mittags- 
oder Hauptseite  über  der  Inschrift  angebracht  ist,  zeigt  die  alte 
Abbildung  noch  vollständig  die  drei  Figuren,  wovon  die  mittlere  der 
ihr  zur  Linken  stehenden  die  Hand  reicht,  selbst  aber  von  der  zur 
Rechten  an  der  Schulter  berührt  wird.  Der  Raum  für  die  Inschrift 
ist  leer  gelassen.*) 

Dagegen  finden  sich  unter  demselben  am  Würfel  deutlich  die 
Figuren,  „una  legens  et  aliae  circumstantes,"  wie  die  Beschreibung 
sagt,  nemlich  eine  sitzend  und  vortragend  und  zwölf  andere  an 
zwei  Tischen  dastehend  ausgedrückt.  Schorn  sieht  hier  zwei  Ster- 
bende und  die  feierliche  Aufnahme  ihres  Testamentes. 


*)    Von  dieser  hatte    zwischen    den  Jahren  1630  und  1694  P.  Alex.   Wilt- 
heim  noch  gelesen: 

D.     T.  SECVNdino.  Securo  et.   VOCAtiae.     M. 
conjugi  eius  et  Securo  AventiNO 
hüls  SECVND1NI.   SECVRI.  ET  PVBLIAE  PA 
GATAE.  CONIVGI.   SECVNDINI.  AVENTINI.  ET.  L.  SAC 
CIO.  MODESTO.  ET.    MODESTIO.  MÄCEDONI.  FILiO.  EI 
VS.  I.   SECVNDINVS.  AVENTINVS.  ET.  SECVNDI 
NIVS.  SECVRVS.  PARENTIBVS.  DEFVNCTIS.  ET 
SIbl.   YTVT  •  •  *  •  FECERVNT. 


79 

Der  Würfel  der  Nordseite  enthält  nach  unserer  alten  Zeich- 
nung deutlich  vier  Figuren,  zu  ihren  Füssen  einen  dreigeschwänz- 
ten Drachen,  auf  welchen  sie  mit  Speeren  oder  Stangen  zu  stossen 
scheinen.  Schorn  dachte  sich  die  jetzt  noch  übrigen  Spuren  dieser 
Darstellung  als  die  eines  Kampfes  des  Achilles  mit  Simois  und 
Skamandros  den  Flüssen. 

Das  Relief  am  Würfel  der  Abendseite  ein  von  Maulthieren  ge- 
zogenes vierrädriges  Plaustrum  {ß^a'^a),  das  mit  Waaren  beladen 
aus  einem  Thore  jVs  Freie  gelenkt  wird,  ist  in  der  neuen  wie  in 
der  alten  Darstellung  gleich  deutlich. 

Ebenso  ist  was  sich  sowohl  am  Fries  als  an  der  Attica  jeder 
Seite,  nach  Schorns  Deutung  in  Bezug  auf  die  Gewerbs-  und  Han- 
delstätigkeit der  Secundinischen  Familie,  abgebildet  findet,  in  der 
alten  Auffassung  so  ziemlich  mit  der  neuern  übereinstimmend,  nur 
dass  in  jeuer  manches  mit  Grund  oder  Ungruud  bestimmter  gehalten 
erscheint. 

Von  den  Reliefen  an  den  Sokeln  hat  der  alte  Zeichner  gänz- 
lich Umgang  genommen. 

Da  dieses  merkwürdige  „Monumentum  Eglense  Secundinornm" 
welches  vor  Wiltheim's  Luciliburgensia  Ausg.  v.  1842  „cis-alpino- 
runi  princeps"  genannt  ist,  hoffentlich  noch  fernere  Jahrhunderte 
stehen,  und  wie  schon  dem  einfachen  Wanderer  der  die  Heerstrasse 
vorbeizieht,  so  auch  manchem  andern  gelehrten  Archäologen  noch 
zu  denken  geben  wird,  hat  es  mir  nicht  unpassend  geschienen,  der 
eingangs  erwähnten  Abhandlung  unsers  seligen  Collegen  diese  kur- 
zen Notizen,  besonders  die  über  eine  frühere,  unter  den  jetzt  be- 
kannten wahrscheinlich  die  älteste,  Abbildung  desselben,  sey  sie 
auch  nicht  blos  in  dem  Sinne,  in  welchem  ihr  Urheber  den  Ausdruck 
gebraucht  hat,  ein  wenig  verzeichnet,  bei  solchem  Anlasse  nachzusenden. 


Über 

die  Bücher  des  Königs  Numa. 

Ein 
Beitrag   zur  Religionsphilosophie 

von 

Ernst  vonldustmlüc. 


Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)  11 


Über 

die  Bücher  des  Königs  Numa. 

Von 
Ernst   von  Lasanlx. 


So  oft  mir  beim  Studium  der  römischen  Literaturgeschichte  die 
merkwürdigen  Zeugnisse  alter  Schriftsteller  über  die  Bücher  des 
Königs  Numa  begegueten,  hat  es  mich  stets  befremdet,  wie  wegwer- 
fend von  neueren  Gelehrten  dieser  Gegenstand  behandelt  wird1.     Ich 


*)  Rernhardys  Grundriss  der  römischen  Litteratur  p.  73:  ein  weitläufiges 
Machwerk,  vorgeblich  des  Königs  Numa,  das  man  im  Jahre  571  auffand, 
wurde  sogleich  als  untergeschoben  erkannt  und  vernichtet.  Ebenso  urtheilt 
Puchta  in  seinem  Cursus  der  Institutionen  I,  121:  dass  der  Entdeckung  eine 
Mystification  zu  Grunde  gelegen,  durch  welche  die,  von  denen  der  Schatz 
fabricirt  und  zur  Auffindung  hingelegt  war,  auf  Volk  und  Staat  hätten  einwir- 
ken wollen,  und  dass  die  Sache  wahrscheinlich  mit  der  einige  Jahre  vorher 
entdeckten  bacchanalischen  Verschwörung  zusammengehangen  habe.  Noch 
abenteuerlicher  will  Härtung  in  seiner  Religion  der  Römer  I,  215:  in  der 
zufälligen  Auffindung  und  Verbrennung  des  kostbaren  Fundes  die  Züge  jener 
Sagenbildung  erkennen,  aus  welcher  die  Erzählung  von  den  Sibyllinischen 
Prophezeiungen  und  der  Mythus  von  dem  Etruskischen  Tages  hervorgegan- 
gen seien,  dergestalt,  dass  sogar  der  Name  des  Schreibers  Terentius  oder 
Tarutius  identisch  sei  mit  Tarquinius  oder  Tarchun !  Desgleichen  Grotefend, 
zur  Geographie  und  Geschichte  von  Altitalien  III,  5:  die  Art  und  Weise,  wie 
man  schon  im  J.  180  vor  Chr.    dem  Numa  Pompilius    allerlei  Schriften  unter- 

11* 


84 

dachte  an  ein  bekanntes  Wort  Lichtenbergs2,  und  beschloss  die 
Sache  zu  untersuchen.  Die  Untersuchung  selbst  und  ihr  Ergebnis 
siud  folgende. 

Der  altrömische  Annalist  L.  Cassius  Hemina  erzählte  im  vierten 
Buche  seiner  Jahrbücher  also:  Unter  den  Consuln  P.Cornelius  Ce- 
thegus  und  M.  Baebius  Tamphilus  (im  Jahre  der  Stadt  573)  habe 
der  Schreiber  Cn.  Terentius  beim  umgraben  seines  Ackers  am  Ja- 
niculum  den  Sarg  des  Königs  Numa  gefunden  und  in  demselben  auf 
Papier  geschriebene  Bücher,  mit  Cedernöl  getränkt  und  in  Wachs- 
schnüre eingewickelt.  Der  Inhalt  der  Bücher  sei  Pythagorisch  ge- 
wesen, und  der  Praetor  Q.  Petilius  habe  sie  verbrennen  lassen,  weil 
sie  eben  Philosophie  enthalten  hätten.  Aus  den  übrigen  Annalisten 
notirt    Plinius3    einige    nähere   zum   Theil    abweichende   Angaben: 


schob,  gibt  uns  ein  Recht  (!),  an  der  Echtheit  der  Senats-  und  Volksbeschlüsse 
und  anderer  Urkunden,  welche  nach  Suetoniu9  Vesp.  8  fast  bis  zum  Ursprünge 
der  Stadt  hinaufreichten,  eben  so  sehr  zu  zweifeln,  als  an  dem  noch  höheren 
Alterthume  der  Sibyllinischen  Bücher.  Relativ  besonnener  Bährs  Bömische 
Litteraturgeschichte  II,  11:  was  man  von  Schriften  des  Numa  Pompilius  er- 
wähnt, ermangelt  der  historischen  Grundlage.  Die  bei  Bahr  angeführte  Dis- 
sertation von  Gh.  G.  Joecher  de  Numae  Pompilii  libris,  Lips.  1755  habe  ich 
mir  leider  nicht  verschaffen  können;  ich  kann  aber  kaum  glauben,  dass  ein 
so  nüchterer  Gelehrter  wie  Joecher  auf  Grund  einer  selbständigen  Untersu- 
chung sich  gegen  die  Echtheit  der  Bücher  Numas  erklärt  haben  sollte. 
2)  Lichtenbergs  Vermischte  Schriften  II,  305. —  3)  Plinius XIII,  13:  Cassius 
Hemina,  vetustissimus  auctor  annalium,  quarto  eorum  libro  prodidit,  Cn.Teren- 
tium  scribam  agrum  suum  in  Janiculo  repastinantem  offendisse  arcam,  in  qua 
Numa,  qui  Romae  regnavit,  situs  fuisset.  In  eadem  libros  eius  repertos  P.  Cor- 
nelio  L.  F.  Cethego,  M.  Baebio  Q.  F.  Tamphilo  Coss.  ad  quos  a  regno  Nu- 
mae colliguntur  anni  DXXXV,  et  hos  fuisse  e  charta,  maiore  etiamnum  mira- 
culo,  quod  tot  infossi  duraverunt  annis,  quaproptor  in  re  tanta  ipsius  Hemi- 
nae  verba  ponam.  Mirabantur  alii  quomodo  illi  libri  durare  potuissent,  ille 
ita  rationem  reddebat:  lapidem  fuisse  quadratum  circiter  in  media  arca  vinc- 
tum  candelis  quoquoversus.  in  eo  lapide  insuper  libros  impositos  fuisse;  prop- 


85 

L.  Calpurnius  Piso  erzähle,  sieben  der  genannten  Bücher  hätten  von 
dem  oberpriesterlichen  Rechte  gehandelt,  sieben  andere  seien  Py- 
thagorischen  Inhaltes  gewesen;  C.  Seinpronius  Taditanus  gebe  an, 
die  Bücher  hätten  die  Verordnungen  Numas  enthalten;  Q.  Valerius 
Antias  spreche  von  zwei  Lateinisch  geschriebenen  Pontificalbüchern 
und  von  eben  so  vielen  Griechisch  geschriebenen  Büchern  philo- 
sophischen Inhaltes, 

Aus  den  Werken  des  gelehrtesten  aller  Römischen  Altertums- 
forscher, des  M.  Terentius  Varro,  hat  uns  Aurelius  Augustinus4 
folgende  Nachricht  erhalten:  Ein  gewisser  Terentius  habe  ein  Grund- 
stück am  Janiculum  besessen ;  dort  habe  der  Pflüger,  als  er  nahe 
dem  Grabe  des  Numa  Pompilius  den  Pflug  führte,  aus  der  Erde  die 
Bücher  des  Königs  ausgeackert,  in  denen  die  Gründe  seiner  gottes- 
dienstlichen Anordnungen  aufgeschrieben  waren.  Terentius  habe 
diese  Bücher  zu  dem  städtischen  Praetor  Petilius  getragen,  und 
dieser,  als  er  den  Hauptinhalt  eingesehen,  die  Sache  für  so  wichtig 


terea  arbitrari  eos  non  computruisse.  et  libros  citratos  fuisse;  propterea  arbi- 
trarier  tineas  non  tetigisse.  In  his  libris  scripta  erant  pbilosophiae  Pytbago- 
ricae;  eosque  combustos  a  Q.  Petilio  praetore,  quia  philosopbiae  scripta  es- 
sent.  Hoc  idem  tradit  L.  Piso  Censorius  primo  commentariorum;  sed  libros 
septem  juris  pontificii  totidemque  Pythagoricos  fuisse ;  Tuditanus  decimo  ter- 
tio,  Numae  decretorum  fuisse;  ipse  Varro  Humanarum  antiquitatum  sexto,  An- 
tias secundo,  duos  pontificales  Latinos,  totidem  Graecos  praecepta  philosophiae 
continentes.  idem  tertio   ponit,    quo    comburi  eos  placuerit. 

4)  Augustinus  de  C.  D.  VII,  34:  apudVarronemlegiturinlibro  decultudeorum: 
Terentius  quidam,  cum  haberet  ad  Janiculum  fundum  et  bubulcus  eius  juxta  sepul- 
crumNumaePompilii  trajiciensaratrum  eruisset  e  terra  libros  eius  ubi  sacrorum 
institutorum  scriptae  erant  causae,  in  Urbem  pertulit  ad  praetorem.  At  ille 
cum  inspexisset  principia  rem  tantam  detulit  ad  senatum,  ubi  cum  primores 
quasdam  causas  legissent,  cur  quidque  in  sacris  fuerit  institutum,  Numae  mor- 
tuo  senatus  assensus  est,  eosque  libros  tanquam  religiosi  patres  conscripti, 
praetor  ut  combureret,  censuerunt. 


86 

gehalten,  dass  er  sie  dem  Senate  vorgelegt ;  und  da  hätte,  nachdem 
die  Vornehmsten    einige    der  Gründe  gelesen,   warum    ein  jegliches 
im  Gottesdienste  angeordnet  sei,  der  Senat  mit  seinem  Urtheile  dem 
verstorbenen  Numa  beigestimmt,  und  es  hätten  die  Väter  als  fromme 
Männer  beschlossen,  dass  der  Praetor  diese  Bücher  verbrennen  solle. 
Am  ausführlichsten  erzählt  die  Sache  Livius  folgendermassen5: 
In    diesem  Jahre,    sagt    er    (unter  dem  Consulate    des  P.  Cornelius 
Cethegus  und  des  M.  Baebius  Tamphilus  im  J.  d.  St.  573)  sind  auf 
dem  Acker  des  Schreibers  L.  Petillius  unten  am  Janiculum,  als  die 
Feldarbeiter    die  Erde    tiefer   aufgruben,   zwei  steinerne  Särge  ge- 
funden worden,  acht  Fuss    ohngefähr  ein  jeder  lang  und  vier  Fuss 
breit,    die  Deckel  mit  Blei  fest  verschlossen.     Beide  Särge  hatten 
eine  Lateinische    und  eine  Griechische  Iuschrift,  zu  Folge    welcher 
in  dem  einen  Numa  Pompilius,    des  Pompo  Sohn,    König  der  Römer 
begraben,    in    dem    andern    die  Bücher    des  Numa  enthalten  waren. 
Als  auf  den  Wunsch  seiner  Freunde  der  Besitzer  die  Särge  geöff- 
net, habe  man  den  einen,  in  welchem  nach  der  Aufschrift  der  König 
begraben  lag,  leer  gefunden,  ohne  alle  Spur  eines  menschlichen  Kör- 
pers oder  sonst  einer  Sache,  weil  durch  die  Verwesung  in  so  vie- 
len Jahren  alles  verschwunden  war;  in  dem  andern  aber  enthielten 
zwei  Pakete  in  Wachsschnüre   eingewickelt  je   sieben  Bücher,  die 
nicht  nur  unversehrt  sondern   wie  neu  aussahen.     Die  sieben  Latei- 
nischen handelten  von  dem  oberpriesterlichcn  Rechte,  die  sieben  Grie- 
chischen   von   der  Lehre   der  Weisheit,  wie  sie    nemlich  in   jenen 
Zeiten  sein  konnte.     Valerius  Antias  setzt  hinzu,    sie  seien  Pytha- 
gorische  gewesen,  indem  er  sich  durch  diese  wahrscheinliche  Lüge 
der  gewöhnlichen  Meinung   anbequemte,  wonach  Numa  ein  Zuhörer 
des  Pythagoras  gewesen   sein  soll6.     Zuerst    nun   sind    die  Bücher 
von  den  Freunden  die  zugegen  waren  gelesen  worden;    darauf,  als 


')  Livius    XL,    29.         ")  in    altera    duo    fasces  candelis  involuti  septenos 


87 

sie  durch  die  mehreren  Leser  bekannt  worden,  nahm  dieselben,  neu- 
gierig sie  zu  lesen,  der  städtische  Praetor  Q.  Petillios.  Es  bestand 
nemlich  ein  befreundetes  Verhältniss  zwischen  ihnen,  da  Q.  Petillios 
als  Schatzmeister  jenen  in  die  Decorie  der  Schreiber  aufgenommen 
hatte.  Als  aber  der  Praetor  nach  Durchsicht  des  Hauptinhaltes  der 
Bücher  wahrgenommen,  dass  sie  geeignet  seien  den  bestehenden  Reli- 
gionscultus  grossentheils  aufzulösen,  sagte  er  dem  L.Petillius:  er  werde 
diese  Bücher  ins  Feuer  werfen;  ehe  er  jedoch  dieses  thue,  wolle  er 
ihm  überlassen,  von  jedem  Rechtsmittel  Gebrauch  zu  machen,  wo- 
durch er  sich  die  Bücher  wieder  verschaffen  zu  können  glaube;  er 
könne  das  unbeschadet  ihrer  Freundschaft  thun 7.  Da  wandte  sich 
der  Schreiber  an  die  Volkstribunen;  die  Tribunen  aber  überwiesen 
die  Sache  dem  Senate.  Der  Praetor  versicherte,  er  sei  bereit  ei- 
nen Eidschwur  zu  leisten,  dass  diese  Bücher  nicht  gelesen  und  auf- 
bewahrt werden  dürften8.  Darauf  erklärte  der  Senat,  es  sei  hin- 
reichend, dass  sich  der  Praetor  zu  dem  Eide  erbiete;  die  Bücher 
müsse  man  alsobald  auf  dem  Comitium  verbrennen;  der  Preis  der 
Bücher,  so  hoch  ihn  der  Praetor  und  die  Mehrzahl  der  Volkstribu- 
nen bestimmen  würden,  sollte  dem  Eigentümer  ausgezahlt  werden. 
Der  Schreiber  nahm  das  Geld  nicht  an.  Die  Bücher  wurden  auf 
dem  Comitium  in  einem  von  den  Opferdienern  angezündeten  Feuer 
vor  den  Augen  des  Volkes  verbrannt9. 


habuere  libros,  non  integros  modo  sed  recentissima  specie.  septem  Latini 
de  jure  pontificio  erant,  septem  Graeci  de  disciplina  sapientiae,  quae  illius 
aetatis  esse  potuit.  Adjicit  Antias  Valerius  Pythagoricos  fuisse,  vulgatae  opi- 
nioni,  qua  creditur  Pythagorae  auditorem  fuisse  Numam,  mendacio  pro- 
babili  adcommodata  fide.  < 

7)  Lectis  rerum  summis  quum  animadvertisset  pleraque  dissolven- 
darum  religionum  esse,  L.  Petillio  dixit  :  sese  eos  libros  in  ignem  con- 
jecturum  esse,  prius  quam  id  faceret  ,  se  ei  permittere  uti  si  quod 
seu  jus  seu  auxilium  se  habere  ad  eos  libros  repetendos  existimaref, 
experiretur  :     id    integra   sua    gratia     eum    facturum.  *)  Praetor    se  jusju- 

randum  dare  paratum  esse  ajebat,  libros  eos  legi  servarique  non  oportere. 
9)  Libri  in  comitio,   igne  a  victimariis  facto,   in  conspectu  populi  cremati  sunt. 


8S 

Nach  dem  Vorbilde  des  Livius,  den  er  augenscheinlich  vor 
sich  hatte,  aber  in  einem  Punkte  von  ihm  abweichend,  erzählt  Va- 
lerius  Maximus  in  seiner  Beispielsammlung  altrömischer  Frömmigkeit 
dieselbe  Sache  also10:  Auch  uuter  den  Consuln  P.  Cornelius  und 
Baebius  Tamphilus  bewiesen  unsere  Vorfahren  ihre  grosse  Sorgfalt 
für  Erhaltung  der  Religion.  Auf  dem  Acker  des  Schreibers  L.  Pe- 
tillius  unten  am  Janiculum  fanden  die  Erdarbeiter,  als  sie  das  Feld 
tiefer  aufgruben,  zwei  steinerne  Särge,  deren  einer  der  Aufschrift 
zufolge  den  Leib  der  Numa  Pompilius  in  sich  barg,  der  andere  die 
Bücher  desselben:  sieben  Lateinische  über  das  oberpriesterliche  Recht 
und  eben  so  viele  Griechische  über  die  Lehre  der  Weisheit.  Die 
Lateinischen  Hessen  sie  mit  grosser  Sorgfalt  aufbewahren;  die  Grie- 
chischen aber,  weil  man  glaubte  dass  sie  theilweise  die  Religion 
auflösen  könnten,  liess  der  städtische  Praetor  Q.  Petillius  auf  das 
Gutachten  des  Senates  in  einem  durch  die  Opferdiener  angezündeten 
Feuer  im  Angesichte  des  Volkes  verbrennen.  Denn  die  Alten  woll- 
ten nicht  dass  man  irgend  etwas  in  der  Stadt  aufbewahre,  wodurch 
die  Gemüther  der  Menschen  von  der  Verehrung  der  Götter  abge- 
zogen werden  könnten11. 

Bei  Plutarchus  im  Leben  des  Numa  lesen  wir  i  2  :  Numa  selbst 
habe  verboten  seine  Leiche  zu  verbrennen;  man  habe  daruui  zwei 
steinerne  Särge  gemacht  und  diese  am  Fusse  des  Janiculum  einge- 
senkt: der  eine  habe  den  Leichnam  enthalten,  der  andere  die  hei- 
ligen Bücher  des  Königs,  welche  er  selbst  geschrieben  wie  die  Hel- 
lenischen  Gesetzgeber  ihre  Tafeln.     Gelehrt    nemlich    habe    er    das 


10)  Valerius  Maximus  I,  1,  12.  J1)  Latinos  magna  diligentia  adservandos  cura- 
verunt;  Graecos  quia  aliqua  ex  parte  ad  solvendam  religionem  pertinere  exi- 
stimabantur,  Q.  Petillius  praetor  urbanus  ex  auctorüate  senatus  per  victima- 
rios  igne  facto  in  conspectu  populi  cremavit.  Noluerunt  enira  prisci  viri  quic- 
quam  in  hac  adservari  civitate  quo  animi  hominum  a  deorum  cultu  avoca- 
rentur.      ,2j  Plutarchus  v.   Numae  22  p.  74,   C. 


89 

Geschriebene  die  Priester  noch  während  seines  Lebens,  und  ihnen 
die  Beschaffenheit  und  den  Sinn  von  allem  lebendig  eingeprägt; 
begraben  aber  solle  man  die  heiligen  Bücher  mit  seiner  Leiche  da- 
rum, weil  durch  todte  Buchstaben  Geheimnisse  nicht  gut  gehütet 
würden.  Aus  welchem  Grunde  auch  die  Pytliagoräer  wie  man  sagt 
ihre  Lehren  nicht  in  Schrift  niederlegten,  sondern  ungeschrieben  den 
Würdigen  mittheilten,  auf  dass  sie  derselben  eingedenk  wären  und 
dadurch  erzogen  würden  .  .  Die  dem  Antias  folgen  erzählen,  es 
seien  zwölf  Pontificalbücher  und  zwölf  andere  philosophische  in  Hel- 
lenischer Sprache  in  den  Sarg  gelegt  worden.  Ohngefähr  nach  vier- 
hundert Jahren,  unter  den  Consuln  P.  Cornelius  und  M.  Baebius, 
wurden  die  Särge  in  Folge  grosser  Regengüsse,  die  den  Grabhügel 
ringsum  abgerissen,  herausgespült,  und  als  die  Deckel  herabgefallen, 
sah  man  den  einen  ganz  leer  ohne  irgend  ein  Ueberbleibsel  des 
Körpers;  in  dem  andern  aber  wurden  die  Schriften  gefunden,  von 
dem  damaligen  Praetor  Petilius  anerkannt  und  vor  den  Senat  ge- 
bracht; und  hier  erklärte  er,  es  scheine  ihm  unerlaubt  und  sündhaft, 
die  Schriften  der  Menge  bekannt  werden  zu  lassen:  wesshalb  dann 
die  Bücher  auf  das  Comitium  gebracht  und  dort  verbrannt  wurden  13, 
Eine  sehr  ungenaue  Erzählung  derselben Thatsache  begegnet  uns 
bei  Lactantius,  der  was  er  über  die  Einrichtungen  Numas  überhaupt 
bei  Cicero14,  und  über  die  Wiederfindung  seiner  Bücher  bei  Va- 
lerius  Maximus  gelesen,  nach  der  Weise  seiner  Polemik  folgender- 
massen  entstellt  hat 1 5 :  Der  Urheber  und  Anordner  des  Römischen 
Aberglaubens,  jener  Sabinische  König,  habe  um  die  rohen  Gemüther 
desto  fester  zu  umstricken,  seine  Sazungeu  für  die  der  Göttin  Egeria 


13)  p-  74,  F;  ev  de  zfj  eveocc  zcjv  yQafXf.täzu)v  evqed-evtiov  avayvcovai  uev 
avza  Xeyezai  IleiiXiog  oiqanqyüiv  zöce,  nqng  de  zrv  avyxXrjzov  xo/.iloai, 
/j.tj  doxelv  auvoj  i^eßtcov  eivat,  /.irjde  oainv  £'ktvvovcc  zolg  noXXolg  zä  yeyQa/.i- 
fxeva  ysvea&ar  du)  xal  xoj.uo  (&eloag  eig  zb  xnulviov  zag  ßißXovg  xazaxctrjvca. 
,4)  Cicero  de    Rep.    II,  14.      15)  Lactantius  I,  22. 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Alt.  d.   Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  12 


90 

ausgegeben,  mit  welcher  er  nächtliche  Zusammenkünfte  habe;  wie 
vor  ihm  der  schlaue  Minos  seine  Geseze  von  Zeus  empfangen  zu 
haben  behauptete;  und  dergleichen  Dinge  den  altrömischen  Hirten 
aufzubinden  sei  nicht  schwer  gewesen.  So  habe  er  die  Priesterthü- 
mer  der  Pontifices,  Flamines,  Salii  und  Augures  geschaffen,  die  Götter 
nach  Familien  eingetheilr,  den  wilden  Sinn  des  Volkes  gesänftigt 
und  vom  Kriegshandwerk  den  Künsten  des  Friedens  zugewendet. 
Doch  indem  er  andere  täusche,  habe  er  sich  selbst  nicht  getäuscht. 
Denn  nach  vielen  Jahren,  unter  den  Consuln  Cornelius  und  Baebius, 
seien  auf  dem  Acker  des  Schreibers  Petilius  unten  am  Janieuluni 
zwei  steinerne  Särge  von  den  Erdarbeitern  wiedergefunden  wor- 
den, in  deren  einem  der  Leib  des  Numa  gewesen,  im  andern  sieben 
Lateinische  Bücher  über  das  oberpriesterliche  Recht,  und  eben  so 
viele  Griechische  über  die  Lehre  der  Weisheit:  welche  nicht  nur 
die  von  ihm  selbst  gestiftete,  sondern  überhaupt  alle  Religion  völlig 
zerstört  hätten.  Die  Sache  sei  darum  an  den  Senat  gebracht  und 
von  diesem  befohlen  worden,  dass  die  Bücher  vernichtet  würden; 
und  so  habe  dann  der  städtische  Praetor  Q.  Petilius  dieselben  in 
der  Volksversammlung  verbrannt;  was  freilich  eine  Thorheit  gewe- 
sen sei,  da  die  Ursache  ihrer  Verbrennung,  weil  sie  nemlich  den 
Religionscultus  auflösen  würden,  doch  offenkundig  geworden  sei. 
Alle  damaligen  Senatoren  seien  also  Tölpel  gewesen.16 


16)  Scd  quum  alios  falleret,  scipsum  tarnen  non  fefellit.  Nam  post  an- 
nos  plurimos  Cornelio  et  Baebio  coss.  in  agro  scribae  Petilii  sub  Janiculo 
arcae  duae  Iapideae  sunt  repertae  a  fossoribus  :  quarum  in  altera  corpus 
Numae  fuit,  in  altera  Septem  Latini  libri  de  jure  pontificio,  item  Graeci  toti- 
dem  de  disciplina  sapientiae  scripti:  quibus  religiones  non  eas  modo  quas 
ipse  instituerat,  sed  omnes  praeterea  dissolvit.  Qua  re  ad  senatum  delata  de- 
cretum  est,  ut  hi  libri  abolerentur.  ita  eosQ.  Petilius  praetor  urbanus  concione 
populi  concremavit.  insipienter  id  quidem,  quid  enim  profuit  libros  esse  com- 
bustos,  quum  hoc  ipsum,  quod  sunt  ideo  combusti  quia  religionibus  deroga- 
bant,   memoriae    sit   traditum.     Nemo    ergo    tunc    in    senatu    non    stultissimus. 


91 

Die  lezte  kurze  Notiz  über  diese  Bücher,  aus  der  Varronischen 
wie  es  scheint  gemacht,  findet  sich  bei  S.  Aurelius  Victor:  Numa 
an  einer  Krankheit  gestorben  sei  auf  dem  Janiculum  begraben,  wo 
nach  vielen  Jahren  ein  Kästchen  mit  Büchern  von  einem  gewissen 
Terentius  ausgeackert  worden;  welche  Bücher,  weil  sie  für  religiöse 
Gebräuche  einige  leichte  Gründe  namhaft  machten,  nach  dem  Gutachten 
des  Senates  verbrannt  worden  seien.17 

Dass  diese  sieben  verschiedenen  Erzählungen  derselben  That- 
sache  einzelne  Widersprüche  enthalten,  ist  ebenso  unleugbar  als  dass 
sie  in  der  Hauptsache  übereinstimmen.  Einige  der  abweichenden 
Nachrichten  ergänzen  sich  gegenseitig,  andere  scheinbare  Wider- 
sprüche verschwinden  bei  näherer  Betrachtung  oder  lassen  sich  ge- 
nügend erklären;  alle  Angaben  in  Uebereinstimmung  zu  bringen  ist 
unmöglich,  so  unmöglich  als  eine  vollkommene  Harmonie  der  apo- 
stolischen Evangelien.  Es  giebt  kaum  zwei  Menschen  welche  die- 
selbe Sache  sehend  sie  auf  dieselbe  Weise  schildern;  geschweige 
dass  sieben  fast  in  eben  so  vielen  Jahrhunderten  lebende  Schrift- 
steller, welche  ganz  verschiedene  schriftstellerische  Zwecke  verfolg- 
ten, ein  Ereignis,  das  möglicher  Weise  kaum  einer  von  ihnen  mit- 
erlebt haben  konnte,  völlig  übereinstimmend  erzählen  sollten. 


Ebenso  verkehrt  urtheilt  Augustinus  C.  D.  VII,  34.  35  wenn  er  meint,  der 
Senat  habe  jene  Bücher  Numas  als  gottlose  verbrennen  lassen:  illos  libros 
tarn  perniciosus  esse  judicavit,  ut  juberet  flammis  aboleri  nefanda  monumental 
17)  S.  Aurelius  Victor  de  viris  iliuslribus  3:  morbo  solutus  in  Janiculo  se- 
pultus  est,  ubi  post  multos  annos  arcula  cum  libris  a  Terentio  (AI. Tarentio  s.  Ta- 
rentino) quodam  exarata;  qui  libri,  quia  leves  quasdam  sacrorum  causas  con- 
tinebant,  ex  auctoritate  patium  cremati  sunt.  —  Eine  der  Zeit  nach  noch  spä- 
tere kurze  Notiz  über  die  Wiederfindung  der  Biicber  des  Numa  steht  bei  Fe- 
stus  p.  173,  27;  doch  lässt  sich  daraus  wegen  der  Lückenhaftigkeit  unseres 
Textes  nichts  entnehmen,  als  dass  auch  sie  aus  Varro  entlehnt  ist.  Die  Worte 
lauten :  Numam  Pompilium  JanicuA?  in  monte  silum  esse  ferunt,  in  quo  arcam 
ejus  iaveniam  cum  libris  Numae  nominis  a  Terentio  quodam  scriba  repasti- 
nante  agrum.     Das  cursiv  Gedruckte   ist  Ergänzung    von  Scaliger  und  Müller. 

1-2* 


92 

In  Angabe  der  Zeit  und  des  Ortes,  da  die  Bücher  des  Numa 
wiedergefunden  und  auf  Befehl  des  Senates  durch  den  städtischen 
Praetor  Petilius  im  Jahre  573  verbrannt  wurden,  stimmen  alle  Nach- 
richten überein ;  auch  über  den  Hauptinhalt  derselben,  den  keiner  der  Be- 
richterstatter aus  eigener  Einsicht  kannte,  berichten  sie  ziemlich 
einstimmig.  Nach  Tuditanus  enthielten  die  Bücher  die  decreta  Nu- 
mae,  nach  Varro  die  causae  sacrormn  a  Numa  institutorum;  die 
übrigen  berichten  übereinstimmend  dass  die  eine  Hälfte  derselben, 
die  Lateinischen  de  jure  ponfificio,  die  andere  Hälfte,  die  Griechi- 
schen de  disciplina  sapientiae  gehandelt  haben.  Hemina,  Piso,  An- 
tias  bezeichneten  diese  Weisheit  als  Pythagorische,  indem  sie  der 
weitverbreiteten  Meinung  sich  anschlössen,  welche  den  Numa  zu 
einem  Pythagoräer  gemacht  hatte. 

Als  weitere  Einzelheiten,  scheinbare  und  wirkliche  Wider- 
sprüche, ergeben  sich  folgende.  Die  verschiedenen  Angaben  über 
die  Veranlassung  des  Fundes:  dass  nach  der  einen  Feldarbeiter 
beim  tiefern  Umgraben  des  Ackers  die  Särge  gefunden;  nach  der 
anderen  heftige  Regengüsse  sie  aus  der  Erde  herausgespült  hätten: 
schliessen  sich  nicht  aus,  der  Regen  könnte  den  Feldbauern  vorge- 
arbeitet haben.  Wenn  Plinius  nur  von  einem  Sarge  spricht,  wäh- 
rend Livius  und  die*  Folgenden  von  zweien  reden,  so  ist  das  nicht 
sowohl  ein  Widerspruch  als  eine  Ungenauigkeit;  Plinius  hat  gar 
nicht  die  Absicht  eine  genaue  Erzählung  des  ganzen  Herganges  der 
Wiederfindling  zu  geben,  sondern  spricht  nur  von  den  e  Charta 
bestehenden  Büchern,  auf  welche  ihn  der  Zusammenhang  seiner  Un- 
tersuchungen über  das  Alter  des  Schreibpapiers  geführt  hatte.  Varro 
erwähnt  der  Särge  gar  nicht,  da  auch  er  nur  von  den  Büchern  und 
ihrem  Inhalte  handelt.  Ebenso  leicht  Hessen  sich  die  verschiedenen 
Angaben  über  die  Zahl  der  Bücher  erklären :  nach  der  einen  wären 
ihrer  je  zwei,  nach  der  andern  je  zwölf,  nach  der  dritten  bei  Piso, 
Livius  und  den  Folgenden  je  sieben  Lateinische  und  Griechische 
gewesen:  aus  der  Zahl  VII  konnte  leicht  XII  und  daraus  nach  Ab- 


93 

fall  des  ersten  Zeichens  II  werde«.  Wie  unzuverlässig  solche 
Zahlangaben  seien,  beweisen  die  des  Plinius  und  des  Plutarchus 
über  die  desfallsige  Nachricht  des  Antias :  bei  Plinius  lesen  wir 
Antias  duos  pontificales  Latinos,  bei  Plutarchus  ol  mql  ^Avxlav 
iGtoQovoi  dwdsxa  ilvai  ßi'ßÄovg  hoocpavTiadg.  Hemina  nennt  den 
Besizer  des  Grundstückes  auf  welchem  die  Bücher  gefunden  wur- 
den Cn.  Terentius  scriba,  Varro  einfach  Terentias  quidam;  Livius 
nennt  ihn  L.  Petillius  scriba,  und  berichtet,  dass  der  städtische  Prae- 
tor Q.  Petillius  während  seiner  Quaestur  denselben  in  die  Decurie 
der  Schreiber  aufgenommen,  und  dass  daher  ein  familiaris  usus 
zwischen  ihnen  bestanden  habe.  Da  Fremde,  wenn  sie  das  Römische 
Bürgerrecht  erhielten,  gewöhnlich  den  Namen  desjenigen  annahmen 
dem  sie  die  Wohlthat  der  Civität  verdankten  * 8 ,  so  wäre  es  eine 
Möglichkeit  die  Verschiedenheit  der  Namensangaben  auch  hier  da- 
durch zu  erklären  * 9 ;  doch  will  ich  auf  diesen  Einfall  kein  Gewicht 
legen.  Die  Verschiedenheit  mag  fortbestehen  mit  der  anderen,  ein- 
zig wesentlichen:  dass  nemlich  nach  den  übrigen  Berichterstattern 
alle  wiedergefundenen  Bücher  des  Numa  verbrannt  wurden,  nach 
der  Angabe  des  Valerius  Maximus  dagegen  nur  die  Griechisch  ge- 
schriebenen Bücher  philosophischen  Inhaltes. 


18)  Vergl.  Cicero  ad  Famm.  XIII,  35  und  36:  cum  Demetrio  Mega  mihi  ve- 
tustum  liospitium  est,  familiaritas  autem  tanta  quanta  cum  Siculo  nullo.  Ei 
Dolabella  rogatu  meo  civitatem  a  Caesare  impetravit,  qua  in  re  ego  interfui. 
Itaque  nunc  P.  Cornelius  vocatur.  19)  Es  Hesse  sich  diese  Vermuthung  um 
so  wahrscheinlicher  machen,  als  der  Name  Terentias  handschriftlich  gar  nicht 
sicher  ist,  indem  bei  Victor  der  Cod.  Havn.  a  Tarentio  qaodam  uud  die  Codd. 
Paris.  etAgripp.  a  Tarentino  quodam  lesen.  Ob  auch  bei  Plinius  und  Augusti- 
nus dieselben  verschiedenen  Lesarten  sich  finden,  kann  ich  aus  der  Silligschen 
Ausgabe  des  ersteren  und  aus  der  Mauriner  des  lezteren,  welche  allein  mir 
zur  Hand    sind,    nicht   ersehen. 


94 

Dieser  Widerspruch  ist  auf  eine  völlig  befriedigende  Weise 
nicht  zu  lösen.  Man  könnte  sich  zwar  leicht  versucht  fühlen,  einen 
Schriftsteller  wie  Valerius  Maximus,  wenn  seine  Nachrichten  in 
Widerspruch  stehen  mit  denen  des  Hemina,  Varro,  Livius,  unbedenk- 
lich preiszugeben;  aber  aus  dem  allgemeinen  kritischen  Uuwerthe 
eines  Schriftstellers  folgt  noch  nicht,  dass  er  für  jede  Thatsache 
die  er  allein  bezeugt,  keinen  Glauben  verdiene.  Hat  Valerius  im 
vorliegenden  Falle  nur  aus  Livius  geschöpft,  so  hat  er  was  er  von 
ihm  abweichend  berichtet,  geradezu  erlogen:  die  Verbrennung  aller 
Bücher  des  Numa  kam  ihm  unwahrscheinlich  vor,  religionsgefährlich 
konnten  nur  die  Griechisch  geschriebenen  philosophischen  Inhaltes 
sein,  es  war  hinreichend  diese  zu  verbrennen,  und  er  hat  darum  auf 
seine  Faust  die  Lateinischen  de  jure  pontificio  aus  den  Flammen 
gerettet!  Möglich  aber  ist  auch,  dass  diese  Bücher  wirklich  nicht 
verbrannt  worden  seien,  und  dass  Valerius  Maximus  seine  von  Li- 
vius abweichende  Nachricht  anderswoher  überkommen  habe.  Ja  es 
könnte  einer  so  etwas  sogar  in  den  Angaben  Heminas  und  Varros, 
selbst  in  der  abgerissenen  Form  worin  uns  dieselben  bei  Plinius  und 
Augustinus  erhalten  sind,  angedeutet  finden  und  zwischen  den  Zei- 
len herauslesen.  Denn  Heminas  Angabe:  Petilius  habe  die  Bücher 
verbrennen  lassen,  weil  sie  eben  Philosophie  enthalten  hätten,  qaia 
philosophine  scripta  essent:  geht  ja  nur  auf  den  philosophischen 
Theil  der  Bücher;  Varro  aber  drückt  sich  darüber  noch  vorsichtiger 
aus,  indem  er  sagt:  der  Praetor  habe,  als  er  den  Hauptinhalt  der 
Bücher  gelesen,  die  Sache  für  so  wichtig  gehalten,  dass  er  sie  dem 
Senate  vorgelegt,  und  dieser  habe  dann,  nachdem  die  Vornehmsten 
einige  der  Gründe  gelesen,  warum  ein  jegliches  im  Gottesdienste  an- 
geordnet sei,  mit  seinem  Urtheile  dem  verstorbenen  Numa  beige- 
stimmt, und  es  hätten  die  Väter  als  fromme  Männer  beschlossen, 
dass  der  Praetor  diese  Bücher  (eosque  libros)  verbrennen  solle. 
Wollte  man  nach  heutiger  Redeweise  den  Hemina  und  Varro  für 
Jesuiten   oder  Diplomaten  halten,    so  Hessen  ihre  Worte  allerdings 


95 

eine  mentale  Reservation  zu,  und  würden  der  bestimmten  unzwei- 
deutigen Angabe  des  Valerius  Maximns  nicht  widersprechen.  Doch 
will  ich  auch  auf  diesen  Einfall  kein  Gewicht  legen;  die  Alten  ha- 
ben zwar  dergleichen  Misbrauch  der  Sprache  za  casuistischen 
Kunststücken  wohl  gekannt,  ihr  grader  männlicher  Sinn  aber  hat 
selten  Gebrauch  davon  gemacht.  Dass  jedoch  Valerius  Maximus 
seine  Nachricht  nicht  willkürlich  ersonnen  hat,  beweist  die  That- 
sache,  dass  auch  Tertullianus  jene  Lateinischen  Bücher  des  Numa 
zu  kenneu  scheint,  und  dass  Fulgentius  sogar  ein  Fragment  ans 
ihnen  erhalten  hat;  dessen  Echtheit  eine  besonnene  Kritik  nicht  da- 
rum leugnen  darf,  weil  es  ein  später  Grammatiker  ist  der  dasselbe 
anführt.  2  ° 


20)  Fulgenlius  de  abstrusis  sermonibus  14  :  Varro  in  pontificalibus 
ait  tutulos  sacerdotes  dici  brevium  (Lerscb  emendirt;  trium)  deorum.  Nu- 
ma vero  Pompilius  ,  et  ipse  de  pontificalibus  scribens,  tutuluin  dicit  pi- 
leum  quo  sacerdotes  Caput  tutabant  cum  ad  sacrificium  accessissent.  si- 
cut  et  Virgilius  (Ae.  III,  545)  '.  et  capita  ante  aras  Pbrygio  velamur  ami- 
ctu.  Die  Worte  Varros  de  L.  L.  VII,  44  lauten;  tutulati  dicti  ii  qui  in 
sacris  in  capitibus  habere  solent  ut  metam;  id  tutulus  appellatus.  Womit  zu 
vergleichen  ist  Festus  p.  355,  29:  tutulum  vocari  aiunt  Flaminicarum  capitis 
ornamentum,  quod  fiat  vitta  purpurea  innexa  crinibus,  et  exstructum  in  altitu- 
dinem.  Quidam,  pileum  lanatum  forma  metali  figuratum,  quo  flamines  ac  pon- 
tifices  utantur,  eodem  nomine  vocari.  Vergl.  unten  Anm.  85.  Zwei  andere 
Fragmente  aus  den  philosophischen  Büchern  Numas,  deren  Echtheit  ich  nicht 
vertheidige,  geben  Apuleius  de  Orthographia  §.  26  :  atha  per.  th.  infans  VIII 
annorum  Cursor  admirandus.  Numa  in  dogmatum  philosophiae  libro  tertio  — 
und  Joh.  Lydus  de  ostentis  16  p.  292,  3:  xrj(>vt;  öi  xQv  ürcoQQiqxüJv  'tj  (pvoig. 
wgx  ovx  h'^o)  (pqevoßXaßsiag  f.i€fx(povxai  xcäg  (.ledööoig  öi  cüv  xov  /.liXXovvog 
ozo%äteod-ai  elaayö/.te&a'  ovde  xo  tcsql  xrjv  xwv  aoxeowv  ^eoiqiav  anaoyßXovv 
i'^u)  ÜEoaeßeLag  noier  aXX'  svl  (.iSXXov  xtjV  nävooqjov  l'ati  öicc  xwv  sgycov 
aviüv  ftecoorjoai.  noövoiav  xov  navxtöv  aqqrjtov  TzaxQog,  xal  $av[.iäoaL  xtjv 
xpvyyv  ävd-QWTTov  dvvao&cu  rjyov/.ievov  &sov  xal  negl  xwv  ovoaviojv,  (hg  6v- 
vaxöv ,     diaXeyeo&cti.    xavxa    (iev    ovv   OovXßiög  (piqatv    ix  xwv   xov  Novf.iä 


9(> 

Doch  wie  dem  auch  sei,  die  Echtheit  der  wiedergefundenen 
Bücher  des  Nuina  hat  keiner  der  Alten  bezweifelt:  in  keinem  der 
erhaltenen  Berichte  begegnet  die  leiseste  Spur  eines  Verdachtes, 
dass  die  Bücher  unechte  oder  untergeschobene  gewesen  seien.  Der 
Fund  geschah  in  Rom,  unter  den  Augen  der  Regierung,  wurde  von 
ihr  amtlich  untersucht,  von  dem  Haupte  der  städtischen  Rechtspflege, 
dem  nachmaligen  Consul  Q.  Petillius 2  * ,  und  von  den  ersten  Män- 
nern des  Senats,  in  welchem  damals  auch  M.  Porcius  Cato,  der 
gelehrteste  Alterthumsforscher  seiner  Zeit  mitstiminte22.  Ein  ver- 
suchter  Betrug  hätte  nothwendig  entdeckt  werden  müssen,  und  wahr- 
heitsliebende Männer  wie  Varro,  Livius,  Plinius  hätten  uns  den  Be- 
trug nicht  verschwiegen,  wenn  ihre  Quellen,  die  alten  Annalisten, 
desselben  erwähnt  oder  wenn  sie  selbst  au  einen  solchen  geglaubt 
hätten.  Der  uns  bekannte  älteste  Gewährsmann  der  Thatsache,  L. 
Cassius  Hemina,  von  Plinius  vetustissimus  auctor  annalium  genannt, 
schrieb  wie  wir  wissen  um  das  Jahr  608 23,  also  nur  35  Jahre 
nach  Ausgrabung  der  Särge,  so  dass  er  entweder  als  Augenzeuge 
berichtet  oder  doch  was  er  von  Augenzeugen  gehört  hatte.  Geschrie- 
ben waren  die  Bücher  in  Charta  d.  h.  auf  Baumrindenbast,  einem 
der   ältesten   Schreibmaterialien24.     Um   diesen    vor  dem  Wurm   zu 


iotogrjOag.  Die  Hälfte  des  Textes  ist  erst  durch  Restitution  der  lückenhaf- 
ten Handschrift  gewonnen. 

2t)     Er    fiel     als     Consul    im    Kampfe    gegen     die    Ligurer     im    Jahre 
578  :    Livius    XLI  ,     18.  22)     Cato    war    geb.    im    Jahr    520  ,     seit     seiner 

Quaestur  550  Mitglied  des  Senates,  und  starb  605.  Sein  Geschichtswerk 
hatte    er   fortgeführt    bis    zum   Jahr   604:     Nepos    v.  Catonis  3.  23)  Censo- 

rinus  de  die  nat.  17.  24)  Symmachus    Epist.    IV,    28:     mallem  Aborigenum 

more  dictionem  salutis  aeternae  ligno  aut  corticibus  scribere.  IV,  34:  Marti- 
orum  vatum  divinatio  caducis  corticibus  inculcata  est.  Auch  das  Wort  Über, 
dem  Aeolischen  ItrcoQ,  Xenog  entsprechend,  bezeichnet  ja  ursprünglich  nichts 
anderes  als  Bastblatt,  corticis  pars  interior:  Cicero  de  N.  D.  II,  47.  Servius 
ad  Ecl.  X,  67.  Cassiodorus  Var.  XI,  38.  Isidorus  Orig.  XVII,  6,  16.  Ebenso 
ßißlog  Bast,  und  das  deutsche  Wort  Buch  hängt  ohne  Zweifel  auch  mit  der 
Buche  zusammen. 


97 

schützen,  waren  sie  mitCedernöl  getränkt,  cifrati2S,  nnd  in  Wachs- 
schnüre eingewickelt,  cantlelis  involuti;  denn  dass  Honig  nnd  Wachs 
gegen  Fäulnis  schützen,  war  den  Alten  wohlbekannt26.  Ausserdem 
waren  die  Deckel  der  Särge  mit  Blei  fest  verschlossen,  opercula 
plumbo  devincta.  Wem  von  uns  die  fünfhundertjährige  Erhaltung 
der  Bücher  unglaublich  vorkommt,  der  vergisst,  dass  wir  noch  jezt, 
ohne  alle  diese  Vorsichtsmaasregeln  Handschriften  von  mehr  als 
doppelt  so  hohem  Alter,  und  mehr  als  vierhundertjährige  Drucke 
besitzen  von  so  neuem  Aussehen  als  hätten  sie  gestern  die  Presse 
verlassen. 

Wenn  aber  die  Bücher  echt  waren,  ein  wahrhaftiges  Werk 
des  Königs  Numa,  dessen  religiöse  Satzungen  für  die  Römer  wa- 
ren was  die  Mosaischen  den  Juden:  wie  ist  es  dann  denkbar  dass 
dieselben,  als  mau  sie  nach  fünfhundert  Jahren  wiederfand,  auf  Be- 
fehl des  Senates  öffentlich  verbrannt  worden  sind  ? 

Heminas  Angabe:  die  Bücher  seien  verbrannt  worden,  weil  sie 
eben  Philosophie  enthalten  hätten:  ist  offenbar  in  dem  Geiste  ge- 
dacht, wonach,  wie  er  selbst  es  miterlebt  hatte,  durch  den  Consul 
L.  Postumius  im  Jahre  581  die  Epikureer  Alkios  und  Philiskos  aus 
der  Stadt  verwiesen  wurden27;  wonach  ferner  durch  einen  von 
dem  Praetor  M.  Pomponius  ausgeführten  Senatsbeschluss  im  Jahre 
593  bestimmt  wurde,  dass  den  Philosophen  und  den  Rhetoren  der 
Aufenthalt  in  Rom  nicht  gestattet  werden  solle 2  8 ;  und  wonach  sie- 


25)  Vergl.  Vitruvius  II,  9,  13:  cedrio  etiam  libri  a  tineis  et  a  carie  non 
laeduntur.  26)  Darum  legten  die  Babylonier  ihre  Todten  in  Honig  und  die 
Skythen  überzogen  sie  mit  Wachs:  Herodotus  I,  198.  IV,  71.  Für  die  Kennt- 
nis der  Römer:  Columella  XII,  45,  4.  Plinius  XV,  17,  65.  XXII,  24,  108. 
27)  Athenaeus  XII,  68  Aelianus  V.  H.  IX,  12.  28)  Gellius  XV,  11,  1: 
C.  Fannio  Strabone  M.  Valerio  Messala  coss.  senatusconsultum  de  philosophis 
et  de  rhetoribus  Latinis.  factum  est:  M.  Pomponius    praetor  senatum  consuluit 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  h.  AU.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  13 


98 

ben  Jahre  später  bei  Gelegenheit  der  bekannten  griechischen  Ge- 
sandtschaft der  drei  Philosophen  Karneades,  Diogenes  und  Kritolaus 
auch  der  alte  Cato  wiederholt  gerat hen  hatte :  die  griechischen 
Schwäzer  mit  guter  Manier  aus  der  Stadt  zu  schaffen,  damit  sie 
zu  Hause  mit  den  griechischen  Jünglingen  nach  wie  vor  klügeln, 
nicht  aber  die  Ohren  der  römischen  Jugend  von  den  Worten  der 
Obern  und  der  Gesetze  abwenden  möchten.29 

Näher  deuten  Varro,  Livius  und  Plutarch  die  Gründe  der  Ver- 
brennung an:  einmal  nemlich  habe  Numa  selbst,  indem  er  die  Bücher 
mit  sich  ins  Grab  genommen,  unzweideutig  gewollt,  dass  seine  Reli- 
gionsgeheimnisse nur  mündlich  den  Würdigen  mitgetheilt  und  von 
diesen  im  Herzen  bewahrt  werden  sollten;  dann  aber  habe  auch 
der  Senat  nach  Einsichtnahme  des  Hauptinhaltes  jener  Bücher  wahr- 
genommen, dass  wenn  dieselben  dem  Volke  bekannt  würden,  sie 
geeiguet  wären  den  bestehenden  Religionscultus  grossentheils  aufzu- 
lösen. Und  in  der  That,  wer  mit  den  alten  Religionen  bekannt  ist 
und  sich  den  damaligen  Zustand  der  römischen  Religion  vorstellig 
macht,  wird  unschwer  einsehen,  dass  diese  Gründe  hinreichend  und 
der  leztere  völlig  entscheidend  sein  musste,  die  Bücher  im  Interesse 
der  Republik  zu  vernichten. 

Alle  alten  Religionen  hatten  eine  disciplina  arcani,  selbst  das 
offenbar  gewordene  Mysterium,  die  christliche  Offenbarung  der  Ge- 
heimnisse Gottes,  befiehlt  das  Heilige  nicht  zu  profaniren.30     Hätte 


quod  verba  facta  sunt  de  philosophis  et  de  rhetoribus.  De  ea  re  ita  censu- 
erunt:  uti  M,  Pomponius  praetor  animadverteret  curaretque  uti  ei  e  republica 
fideque  sua  videretur,  uti  Romae  ne  essent. 

*»)  Plutarchus  v.Catonis  p.350,  A.  Allen  besonnenen  Staatsmännern  konnte  es  nicbt 
entgeben,  dass  die  Lehrmeinungen  jener  Philosophen  unter  dem  Einfluss  des  sinken- 
den nationalen  Lebens  der  Griechen  entstanden  seien,  und  -wenn  sie  in  Rom  her- 
schendwürden,  auch  hier  zur  Auflösung  des  Staates  bei  tragen  würden.3 °)Matthaeus 


99 

der  Senat  die  wiedergefundenen  unzweifelhaft  echten  Bücher  des 
Nuina  vom  Volke  allgemein  lesen  lassen  und  der  individuellen  Kri- 
tik preisgegeben,  so  würden  viele  in  Rom  eingesehen  haben,  wie 
ganz  verschieden  der  damalige  Göttercultus  von  dem  ursprünglichen 
Numas  geworden  sei,  jeder  würde  erkannt  haben,  dass  wie  Varro 
sich  ausdrückt,  von  vielen  Salzungen  Numas  nicht  Hand  noch  Fuss 
mehr  übrig  sei 3  * :  unbesonnene  Eiferer  würden  gestützt  auf  die  Auc- 
torität  jener  heiligen  Schriften  versucht  haben,  den  in  jedem  Sinne 
ausgewachsenen  Cultus  wieder  auf  die  Stufe  seiner  Kindheit  zurück- 
zuführen,  und  es  würde  dort  wie  anderswo  eine  religiöse  Revolu- 
tion entstanden  sein,  wTelche  den  ganzen  Staat,  der  aufs  innigste 
mit  seinen  sacris  verwachsen  war,  erschüttert  und  das  bürgerliche 
Leben  dauernd  vergiftet  hätte:  -vor  welchen  Übeln  theologischer 
Zänkereien  der  politische  Verstand  des  Senates  das  altrömische 
Reich  bewahrt  hat. 3  2 

Waren  aber  jene  Bücher  echt,    woran    zu  zweifeln    kein  ver- 
nünftiger  Grund  ist,   so  haben   wir   erstlich  im  Interesse    der  Reli- 


1,    6:   Ihr   sollt  das  Heilige  nicht   den  Hunden  geben  und  euere  Peilen  nicht 
vor  die  Säue  werfen. 

31)  Varro  bei  Nonius  Marcellus  p.  282,  B,  4:  haec  Numa  Pompilius  fieri. 
si  viderit,  seiet  suorum  institutorum  nee  volam  nee  vestigium  apparere. 
S2)  Aehnlich  fasst  auch  Beaufort  in  seiner  Bömischen  Republik  I,  98,  99. 
die  Verbrennung  der  Bücher  auf,  als  einen  Staatsstreich  der  Palricier,  damit 
es  nicht  offenbar  werde,  wie  sehr  die  ursprüngliche  Beligion  Numas  im  Lauf 
der  Jahrhunderte  verändert  worden  sei,  und  damit  man  nicht  die  Entdeckung 
dieser  grossen  Veränderungen  zum  Tadel  der  bestehenden  Religion  mis- 
brauche.  Auch  Niebuhr  R.  G.  I,  251  scheint  die  Echtheit  der  Bücher  nicht 
leugnen  zu  wollen;  obgleich  dies  mit  seiner  allgemeinen  Ansicht  über  die 
römische  Rönigsgeschichte  nicht  zusammenstimmt.  Seine  Behauptung,  dass 
des  Pyihagoras  historische  Persönlichkeit  nicht  sicherer  sei  als  die  des  Numa 
d.  h.  gleich  unsicher,  ist  frevelhaft,  da  wir  über  Pyihagoras  ein  Zeugnis  des 
fast  gleichzeitigen  Heraklitus  bei  Diogenes  L.  IX,   1  besitzen. 

13- 


100 

gionsphilosophie  keinen  Verlust  im  ganzen  Urnfang  der  alten  Littera- 
tur  schmerzlicher  zu  beklagen,  als  den  Untergang  dieser  Bücher. 
Vieles  in  den  alten  Religionen  was  jetzt  ein  kaum  zu  lösendes 
Räthsel  ist,  wäre  uns  klar,  besässen  wir  sie.  Doch  freilich,  hätte 
auch  die  Staatsklugheit  des  römischen  Senates  sie  nicht  verbrannt, 
wir  besässen  sie  dennoch  nicht,  so  wenig  als  irgend  ein  anderes 
der  zahlreichen  altrömischen  Religionsbücher  uns  erhalten  ist.33 
Zweitens  aber,  wenn  jene  Bücher  echt  waren,  so  sind  sie. der  un- 
widersprechlichste  Beweis,  dass  Numa  nicht  eine  mythische  Perso- 
nification,  sondern  eine  völlig  historische  Person  ist,  so  historisch 
wie  Moses  und  Pythagoras,  mit  deren  Satzungen  die  seinigen,  so 
viel  wir  davon  wissen,  die  grösste  Aehnlicheit  hatten.  Ich  sage, 
der  unwidersprechlichste  Beweis —  und,  so  viel  wir  davon  wissen; 
denn  auch  ohne  seine  Bücher  steht  die  historische  Persönlichkeit 
Numas  vollkommen  fest,  und  vieles  von  dem  was  jene  Bücher  ent- 
hielten, wissen  wir  aus  anderweitigen  Quellen  so  sicher  wie  aus 
ihnen  selbst. 

Die  heiligen  Sagen  welche  an  Numa  sich  knüpfen,  machen 
die  geschichtliche  Wahrheit  seines  menschlichen  Daseins  nicht  un- 
sicherer, als  ähnliche  Züge  das  Leben  von  Moses  und  Pytha- 
goras; und  derselbe  leichtfertige  kritische  Hochmuth,  welcher 
die  Persönlichkeit  jener  priesterlichen  Gesetzgeber  leugnet,  könnte 
mit  demselben  Rechte  auch  Karl  den  Grossen  und  Napoleon  in 
Mythen  auflösen ;  er  misachtet  mit  der  historischen  auch  die  phi- 
losophische Wahrheit,  dass  an  der  Spitze  aller  weltgeschichtlichen 
Bewegungen    Personen    als    die    Träger    der  Ideen    stehen,  welche 


33)  Alle  Römischen  Priester  hatten  wie  die  unsrigen  für  die  bei  bestimm- 
ten Feierlichkeiten  üblichen  Gebete  eigene  Ritualbücher.  Gellius  XIII,  22: 
comprecationes  deum  immortalium,  quae  ritu  Romano  fiunt,  expositae  sunt 
in  libris  sacerdotum  populi  Romani. 


101 

ohne  sie  niemals  verwirklicht  werden.  Dass  aber  der  wesentliche 
Inhalt  jener  wiedergefundenen  Bücher  des  Numa  auch  in  den  Ritual- 
bücheru  enthalten  war,  welche  er  nach  den  ausdrücklichen  Zeug- 
nissen der  Alten  den  von  ihm  eingerichteten  Priestercollegien  der 
Pontifices,  Flamines,  Salier  und  Vestalinnen  übergeben  hatte3*, 
versteht  sich  als  in  der  Natur  der  Sache  liegend  von  selbst,  und 
die  Insinuation  des  Lactantius,  die  wiedergefundenen  Bücher 
hätten  nicht  nur  seine  eigene  sondern  alle  Religion  aufgelöst, 
bedarf  keiner  Widerlegung.  Cicero  bezeugt  wiederholt  dass 
die  Gesetze  Numas  noch  zu  seiner  Zeit  in  öffentlichen  Denk- 
malen erhalten  seien35;  was  der  Gallische  Brand  theilweise  zer- 
stört hatte  3  6 ,  wurde  aus  anderweitigen  Abschriften  wiederher- 
gestellt, wie  später  das  in  dem  Neronischen  Brande  zerstörte  Reichs- 
archiv,  welches  gegen  dreitausend  Erztafeln  enthielt  aus  allen  Jahr- 
hunderten seit  Gründung  der  Stadt,  unter  Vespasianus  wiederherge- 
stellt wurde37.  Der  Indigitamenta  Pompiliana  d.  i.  der  Weisthümer 
Numas  erwähnt  noch  Arnobins.38 


34)  Cicero  de  Rep.  II,  14.  Livius,  l,  20:  pontificem  deinde  Numam  Mar- 
cium  M.  F.  ex  patribus  legit  eique  sacra  omnia  exscripta  exsignataque  adtri- 
buit.  I,  32:  Ancus  Marcius  .  .  sacra  omnia  ex  commentariis  Numae  pontifi- 
cem, in  album  relata,  proponere  in  publico  jubet.  Dionysius  II,  63: 
TiEQiXaßtov  6i  arcaaav  rfjv  tcsql  ra  &eia  vof.iodeolav  yqacpaig,  dielXev  elg 
oxtcj  fioiyag,  oaat,  rwv  leqäv  rjoav  al  avfi^OQiai.  35)  Cicero  de  Rep.  II,  14: 
Pompilius  .  .  piopositis  legibus  his,  quas  in  monumentis  babemus.  V,  2:  qui 
legum  etiam  scriptor  fuisset    quas    scitis  exstare.  36)  Livius  VI,  I:    quae  in 

commentariis  pontificum  aliisque  publicis  privatisque  erant  monumentis,  in- 
censa  urbe  pleraque  interiere.  Ebenso  Clodius  bei  Plutarchus  v.  Numae  p. 
59,  F.  37)  Suetonius    y.  Vespasiani  8:     aerearumque  tabularum   tria  millia, 

quae  simul  confiagraverant,  restituenda  suscepit:  undique  investigatis  exempla- 
ribus,  instrumentum  imperii  pulcberrimum  ac  yetustissimum  confecit,  quo  con- 
tinebantur  paene  ab  exordio  urbis  senatusconsulta  ,  plebiscita  de  societate  et 
foedere    ac    privilegio  cuicunque  concessis.  88)  Arnobius  II,   73:   non  doc- 


102 

Ich  will  nun  im  Nachfolgenden  das  Merkwürdigsie  dessen  was 
uns  von  den  religiösen  Gesezen  Numas  sowol  ihren  Worten  als 
ihrem  Inhalte  nach  überliefert  ist,  zusammenstellen  und  mit  analogen 
Bestimmungen  anderer  Religionen  des  Alterlhums  vergleichen.  Die 
meisten  dieser  Sazungen  stimmen  auf  eine  sehr  merkwürdige  Weise 
mit  Mosaischen  üherein;  doch  möchte  ich  daraus  nicht  auf  einen  di- 
recten  Zusammenhang  beider  Gesetzgebungen  scbliessen,  der  jeden- 
falls historisch  unerweislich  ist.  Es  liegt  nahe  an  die  priesterlichen 
Institute  Aegvptens  als  eine  beiden  gemeinsame  Quelle  zu  denken, 
um  so  mehr  als  auch  die  verwandten  Hellenischen  Culte  und  viele 
Pythagorische  Sazungen  dort  ihre  Wurzel  haben.  Doch  zur  Sache. 
Thatsachen  sind  nicht  davon  abhängig,  dass  die  Gelehrten  sie  ver- 
stehen, und  die  Wissenschaft  gewinnt  mehr  dabei,  auch  die  nicht 
erklärten  als  solche  anzuerkennen,  als  sie  darum  zu  ignoriren  weil 
ihre  Erklärung  bis  jezt  nicht  gelungen  ist. 

Uebereinstimmend  ist  erstlich  die  jüdische  und  altrömische  Sitte, 
die  Gottheit  ohne  Bild  zu  verehren.  Das  bekannte  Gebot  der  Mo- 
saischen Dekaloges:  du  sollst  dir  von  Gott  kein  Bildnis  machen  zur 
Anbetung39:  findet  sich  wieder  in  den  Gesezen  Numas.    Plutarchus 


torum  in  litteris  continetur  Apollinis  nomen  Pompiliana  indigitamenta  nescire? 
Seivius  ad  Ge.  1,21:  in  indigitamentis  i.  e.  in  libris  pontificalibus,  qui  et  no- 
mina  deorum  et  rationes  ipsorum  nominum  continent:  quae  etiam  Varro  dicit. 
Glossae  Philoxeni:  indigitamenta,  leQCtzixa  ßtßkia.  Das  Nähere  über  ihren 
Inhalt,  die  darin  verzeichneten  Götter,  deutet  Censorinus  an  in  der  Schrift  de 
die  natali  3,  und  nach  ihm  Ambrosch  über  die  Religionsbücher  der  Römer, 
Ronn  1843.  Das  Wort  indigitamenta,  indigitare  oder  indegetare  gehört  zu 
demselben  Stamme  wie  digilus,  indicium,  öslxvv^a,  del^ig,  zeigen,  anzeigen, 
weisen,  und  bezeichnet  nichts  anderes  als  Fingerzeige,   Weisthümer. 

3a)  Moses  II,  20,  4.  V,  4,  16.  27,  15.  Diodorus  XL,  3.  Strabon  XVI.  p. 
523,  39  ff.  Josephus  Ant.  Jud.  III,  5,  5  und  Adv.  Appionem  II,  6.  Tacitus 
Hist.  V,  5:  Judaei  mente  sola  unumque  numen  intelligunt.    profanos,  qui  deum 


103 

sagt  ausdrücklich40:  die  Geseze  Numas  über  die  Cuhusbilder  seien 
nahe  verwandt  mit  den  Dogmen  des  Pythagoras.41  Wie  dieser  an- 
genommen, das  Urwesen  sei  weder  den  Sinnen  noch  dem  Leiden 
unterworfen,  sondern  ein  unsichtbares,  unerschaffenes,  geistiges;  so 
habe  auch  Numa  den  Römern  verboten  sich  von  Gott  ein  menschen- 
oder  thierähuliches  Bild  zu  machen.42  Und  wirklich  hätten  sie  in 
der  früheren  Zeit  weder  ein  gemaltes  noch  ein  plastisches  Bild 
der  Gottheit  gehabt,  sondern  während  der  ersten  einhundert  und 
siebenzig  Jahre  zwar  Tempel  gebaut  und  heilige  Capellen,  ein  Göt- 
terbild aber  hätten  sie  sich  nicht  gemacht,  weil  es  unheilig  sei  das 
Bessere  durch  das  Schlechtere  abzubilden,  und  unmöglich  Gott  an- 
ders als  durch  das  Denken  zu  erfassen.  Dieselbe  Nachricht  hat 
uns  Augustinus43  aus  Varro  erhalten  mit  dem  Beisaze,  dass  dieser 
bereits  die  Römische  mit  der  Jüdischen  Sitte  verglichen  und  be- 
merkt habe,  dass  wenn  dieselbe  fortbestände,  die  Göttervereh- 
rung reiner  wäre;  die  dem  Volke  zuerst  Götterbilder  aufgestellt, 
hätten    ihm    die   Gottesfurcht  genommen    und    den  Irrthum    gegeben. 


iniagines  mortalibus  materiis  in  species  hominum  effingant:  summum  illud  e 
aeternum  neque  imitabile  neque  interiturum.  igitur  nulla  simulacra  urbibus 
suis  nedum  templis  sinunt. 

40)  Plutarcbus  V.  Numae  8  p.  65)  B.  41)  t'azi  de  za  negi  zcov  acpiÖQV- 
(.täzwv  vo/.io&£zrj[iaza  nttvz6.na.oiv  adslya  zwv  IIv&ayoQov  doy(.iäziov. 
42 )  öiexto/.vo£v  av$Qü)noeidrj  xai  Ku>6[.iOQcpov  eixöva  ■Seov  c Pcofialovg  vof.il'QELv. 
Ebenso  Zonaras  VII,  5  :  av$Qiono£tdfj  zs  xai  tui6[.ioq(pov  eixöva  &tov  ävi- 
azäv  'Pco^iaioig  ccn£iQt]xev.  43)  Augustinus  de  C.  D.  IV,  31:  Varro  dicit 
antiquos  Romanos  plus  annos  centum  et  septuaginta  deos  sine  simulacro  co- 
luisse.  Quod  si  adhuc,  inquit,  mansisset,  castius  dii  observarentur.  Cuius  sen- 
tentiae  suae  testem  adhibet  inter  cetera  etiam  gentein  Judaeam:  nee  dubitat 
eum  locum  ita  concludere  ut  dicat,  qui  primi  simulacra  deorutn  populis  posu- 
erunt,  eos  civitatibus  suis  et  metum  dempsisse  et  errorem  addidisse;  pruden- 
ter  existimans  deos  facile  posse  in  simulacrorum  stoliditate  contemni. 


101 

Clemens  von  Alexandrien  und  nach  ihm  Eusebius,  der  erstere 
aus  Plutarchus  schöpfend,  behaupten  geradezu  Numa  habe  seine  Sa- 
zung  von  Moses  entlehnt;44  was  sich  freilich  nicht  erweisen  lässt 
und  um  so  weniger  angenommen  zu  werden  braucht,  als  jener  bild- 
lose Göttercultus  vielen  Völkern  des  Alterthums  auf  einer  gewissen 
Culturstufe  gemein  ist.  Selbst  die  Aegyptischen  Tempel  sollen  in 
der  ältesten  Zeit  ohne  Götterbilder  gewesen  sein45,  und  die  Got- 
tesverehrung auf  dem  Carmel  bestand  noch  zu  Tacitus  Zeit  ohne 
Bild  und  Tempel46;  und  von  den  Persern  wird  einstimmig  bezeugt, 
dass  sie  ihren  Göttern  weder  Tempel  noch  Bildsäulen  errichtet, 
sondern  einfach  auf  hohen  Berggipfeln  geopfert47,  und  dass  erst 
Artaxerxes  des  Darius  Ochus  Sohn  Götterbilder  unter  ihnen  einge- 
führt habe.48  Aehnliches  bezeugt  bekanntlich  Tacitus  von  den  Ger- 
manen, die  damals  noch  in  den  Wäldern  Deutschlands  auf  dersel- 
ben Stufe  religiöser  Entwicklung  standen  wie  ihre  Brüder  in  Asien 
tausend  Jahre  früher.  Die  Germanen,  sagt  er,  erachten  es  der 
Grösse  des  Himmlischen  unangemessen,  die  Götter  in  Tempelmauern 
einzuschliessen  und  unter  menschlicher  Gestalt  nachzubilden  :  Haine 
und  Waldreviere   weihen   sie   ihnen   und   benennen  mit  Götternamen 


44)  Clemens  Alex.  I,  15  p.  359.  Eusebius  Praep.  Ev.  VW,  6.  45)  Lucianus 
deSyria  dea  3:  xo  naXaLov  xai  nag  ^diyvnxioiai  a^öavoi  vrjoi  eoav.  46)  Ta- 
citus Hist.  II,  78:  nee  simulacrum  deo  aut  templum :  sie  tradidere  majores, 
aram  tantura  et  reverentiam.  ")  Herodotus  I,  131:  ayälfiaxa  fiiv  xai  vrjovg 
xai  ßcof.invg  ovx  iv  vo/.ap  7toiev(.tivovg  lÖQuea&ai,  aXXa  .  .  .  vo[.iitovoi  Jii, 
ini  xcc  vxprjXöxaxa  xwv  ovgitov  avaßaivovxeg,  Svolag  f'gösiv.  Xenophon  Cyrop. 
VW,  7,  3 :  KvQog  Xaßcov  legsla  e&vs  Jil  xs  naxQtoo)  xai  cHXi(o  xai  xdlg  aX- 
Xoig  d-eolg  ini  xwv  axgwv,  wg  TTigoai  S-vovoiv.  Dinon  bei  Clemens  Alex. 
Cobort.  5.  p.  56,  25:  xovg  Tligaag  xai  xovg  Mr>5ovg  xai  xovg  Mäyovg  d-veiv 
iv  vnaL'tgct)  6  Jiviov  Xiyei,  öeiov  ayäX/.iaxa  /xova  xb  tcvq  xai  vöcog  vofxil^ovxag. 
Strabon  XV.  p.  503,  55:  IJigaai  ayäX^iaxa  xai  ß<x>(j.ovg  ovx  iögvovxai,  &vovoi 
öi  iv  viprjhZ  xön(i).  48)  Berosus  bei  Clemens  Alex.  Cobort.  5  p.  57,  1  ff. 
p.  69.  70  der  Richterschen  Fragmentensammlung. 


105 

jenes  Geheimnisvolle  das  nur  im  Schauer  der  Ehrfurcht  geschaut 
wird.49  Dasselbe  darf  auch  im  ältesten  Griechenland  von  den  Pe- 
lasgern  angenommen  werden,  die  wie  Herodot50  berichtet,  opferten 
und  beteten  zu  Göttern  ohne  Namen  und  Beinamen,  und  sie  verehr- 
ten als  die  Ordner  des  Weltalls  und  die  Vertheiler  aller  guten  Ga- 
ben. Wie  Abraham  in  dem  Terebinthenhaine  zu  Mamre5  £  betete 
und  opferte  unter  der  Eiche  Ogyges,52  die  seit  Erschaffung  der 
Welt  dort  gestanden  haben  soll53  und  noch  zur  Zeit  des  Hierony- 
mus  auf  abergläubige  Weise  verehrt  ward;54  so  die  ältesten  Grie- 
chen unter  der  heiligen  Bucheiche  zu  Dodona,55  und  die  Römer  zu 
Numas  Zeit  in  der  Stille  heiliger  Haine  auf  einfachen  Altären  von  Rasen.5  6 
Auch  Numas  Anordnung  des  ewigen  Feuers  im  Tempel  der 
Vesta  scheint  übereinzustimmen  mit  dem  ewig  brennenden  niemals 
verlöschenden  Feuer  des  Altars,  welches  das  Mosaische  Gesetz 
vorschreibt:57    dem   ignis  foci  publki  sempüernus^8    zu  Rom  liegt 


49)  Tacitus  Germ.  9:  nee  cohibere  parletibus  deos  ,  neque  in 
ullara  humani  oris  speciem  assimulare  ,  ex  magnitudine  caelestium  ar- 
bitrantur.  lucos  ac  nemora  consecrant  ,  deorumque  nominibus  adpel- 
lant  secretum  illud,  quod  sola  reverentia  yident.  Vergl.  43.  Grimms  D.  M. 
Vorrede  p.  XLIII  und  p.  60  ff.  93  f.  und  die  Abhandlung  meines  Freundes 
H.  Müller  in  Dieringers  Zeitschrift  III,    1  p.  219  ff  5ü)    Herodotus  II,  52. 

51)  Moses  I,  13,  18.  21,  33.  52)  Josephus  Ant.  Jud.  I,  10,  4.  53)  Josephus  de 
Bell.  Jud.  IV,  9,  7.  54)  Eusebius  v.  Const.  III,  53.  Hieronymus  de  situ  et  no- 
minibus locorum  Hebraicorum  T.  III  col.  130. 195.  55)  S.  die  Abhandlung  über  Do- 
dona p.  9f.  S6)PliniusXII,  1,  3:  haeefuere  numinumtempla,priscoqueritu  simplicia 
rura  etiam  nunc  deo  praecellentem  arborem  dicant.  Nee  magis  auro  fulgentia 
atque  ebore  simulacra,  quam  lucos  et  in  iis  silentia  ipsa  adoramus.  Tertullia- 
nus  ad  INationes  II,  17  und  Apolog.  25:  etsi  a  Numa  coneepta  est  curiositas 
superstitiosa,  nondum  tarnen  aut  simulaciis  aut  templis  res  divina  apud  Roma- 
nos constabat:  frugi  religio  et  pauperes  ritus,  temeraria  de  cespite  altaria, 
et  vasa  adhuc  Samia  et  nitor  ex  illis,  et  deus  ipse  nusquam.  nondum  enim 
tunc  ingenia  Graecorum  atque  Tuscorum  hngendis  simulacris  urbem  inunda- 
Terant.  57)  Moses  III,  6,  12  f.  58)  Cicero  de  Legg.  II,  8:  virgines  Vestales 
in    urbe    custodiunto    ignem    foci   publici    sempiternum. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Al<ad.  d.  Wiss.  V-  Bd.  I.  Abthl.  (A.)  14 


100 

dieselbe  Idee  zu  Grunde  wie  dem  tivq  acßsorov69  zu  Jerusalem, 
beide  sind  das  älteste  und  natürlichste  Symbol  der  Gegenwart  Got- 
tes, das  Römische  vielleicht  auch  im  Mittelpunkte  des  Staates  ein 
Abbild  des  heiligen  Centralfeuers  in  der  Mitte  des  Weltalls,  von 
dem  man  sich  Licht,  Wärme  und  Leben  ausströmend  dachte  durch 
die  gesammte  Natur.60  Aber  nicht  blos  zu  Jerusalem  und  in  Rom, 
fast  in  allen  nationalen  Heiligthümern  der  alten  Welt  finden  wir 
ein  solches  ewiges  Feuer:  in  dem  grossen  Pyreum  der  Persischen 
Provinz  Ardabigana  unterhielten  die  Magier  ein  immerwährendes 
nie  verlöschendes  Feuer;61  in  dem  Tempel  des  Amun  in  Libyen 
brannte  ein  hvyvog  ctoßsorog-,62  in  allen  Prytaneen  der  griechischen 
Städte  auf  dem  öffentlichen  Herde  ein  ewiges  Feuer:63  zu  Syra- 
kus,64  zuTarent,65  zu  Olympia,66  zu  Athen,67  von  welchem  Staats- 
herde alle  Auswanderer  auszogen  und  an  dem  heiligen  Feuer  der 
Mutterstadt    die  Lebensflamme   der  neuen   Pflanzung   anzündeten.68 


59)  Josephus  B.J,  II,  17,6  adv.  Appioneml,  22.  Auch  heidnische  Schriftsteller 
gedenken  dieses  ewigen  Feuers  des  Altars  und  des  Leuchters  im  Tempel  zu 
Jerusalem:  Hecataeus  von  Ahdera  heiEusebius  praep.  evang.  IX,  4:  inlzovxcjv 
cp<Zg  eozlv  avanöoßeozov  xal  zag  vvxzag  xal  zag  fjf.i£qag.  Diodorus  XXXIV 
fr.  1,  4:  adävaxog  Xeyöfxsvog  naq  avzolg  Xvxvog  xal  xaio/.i£vog  adiaXsinxcog  sv 
zu)  vcto).  60)  Die  Pythagoreer  nannten  dieses  Centralfeuer  den  Herd  des  Weltalls, 
das  Haus  des  Zeus,  die  Mutter  der  Gölter,  den  Altar  und  Zusammenhalt  und 
das  Maass  der  Natur.  Philolaus  Fragm.  XI  p.94:  OiXöXaog  nvq  ev  /.leoto  neql 
zb  xtvxqov,  oneq  eaxiav  zov  navxbg  xaXel  xal  Jibg  oixov  xal  urjxeqa  &ecöv, 
ßwj.i6v  ze  xal  ovvox'jV  xal  filxqov  cpvoscog.  Vergl.  Plutarchus  v.Numae  p.  67,  C.  D. 
61)  Procopius  de  Belle-  Persico  II,  24  p.  259.  Vergl.  Kleukers  Zendavesta  III 
p.  237.  62)  Plutarchus  Mor.  p.  410,  B.  6ä)  Casauhonus  ad  Athenaeum  Tom. 
XIII  p.  354  ff.  Bip.  64)  Theocritus  XXI,  36.  65)  Euphorion  bei  Athenaeus 
XV,  60.  66)  Pausanias  V,  15,  5:  nvq  ava  naaäv  ze  r^ilqav  xal  iv  ndor] 
vvxxl  woavxwg  xaiexai.  07)  Pollux  Ouom,  I,  7:  ovxo)  d'av  xvqiüxaxa  xaXotrjg 
zrjV  Iv  nqvzaveüo  eoxlav,  iq?  rtg  zb  nvq  zb  aoßeovov  avdnxexai.  68)  Herodo- 
tus  I,  146  mit  den  Anmerkungen  Larchers,  Elymol.  M.  p.  694,  28:  Tlqvxavala' 
bxt  zb  leqbv  nvq  snl  zovxtov  anöxzLzav  xal  xovg  onoi  noxe  anoixiav  oxiX- 
Xovxag,   avxöitev   aveo&ai.  zb    anb  zrjg  iaxiag  nvq,  oniq  eatt  tionvqelad-at,: 


107 

Gleicherweise  brannte  auf  dem  Opferherde  zu  Delphi  ein  nvQÖg 
(piyyos  ci(p9-iT0i>;  eg  in  dem  Tempel  der  Athene  Polias  auf  derAkro- 
polis  zu  Athen  ein  aoßsorog  Xvyyog  yj>vasos;1Q  im  Tempel  der  De- 
meter und  Kora  zu  Mantinea  ein  tivq  äüßsotov;1 1  im  Tempel  der 
Athene  Itonia  zu  Alalkomene  legte  täglich  eine  Frau  Feuer  auf  den 
Altar  der  Jodama  und  rief  dreimal  die  Worte :  Jodama  lebt  und 
verlangt  Feuer;72  im  Tempel  des  Hephaestos  zu  Aetna  unterhielt 
man  eine  tivq  äoßsotov  zal  äxof/jiqtop}? s  im  Tempel  der  Aphrodite 
zu  Argyrus  eine  lucer  na  semper  ardens1 4  ,  und  gleicherweise  im 
"Tempel  des  Apollon  zu  Antiochien  eine  ewige  Lampe,  zu  deren 
Unterhaltung  die  Gläubigen  an  dem  jährlichen  Feste  des  Gottes  das 
Ol  beisteuerten : 7  3  und  die  ewigen  Lampen  in  unseren  Kirchen, 
stammen  nicht  auch  sie  wie  unzähliges  andere  aus  dem  heidnischen 
Cultus?76 

Gleicherweise  entsprechen  sich  in  beiden  Gesezgebungen  viele 
das  Priesterthum  überhaupt  und  insbesondere  den  Oberpriester  be- 
treffende Bestimmungen. 

Als    notwendiges  Erfordernis  zur  Verwaltung    eines  Priester- 


und  dem  Scholiasten    des  Aristides   T.   III.  p.  48,   8:  ev  zip  7tQvzavei(p  icpvldz- 

TSVO    ZO    71ÜQ,    €§    OV    XCtl    Ol    CCTIOIXOI  ^ri^})]VaiCOV    (.1  El  cid  f.1  ß '(XV OV '. 

69)  Aeschylus  Choeph.  1033.  Calllmachus  hym.  in  Apoll. 83:  dsvaov  nvQ,  Plu- 
tarclius  Mor.  p.  385,  C:  tivq  dd-ävazov ,  und  v.  Nuraae  p.  66.  E  :  nvo  aßeozov. 
70)  Strabon  IX  p.  273,  13.  Plutarchus  v.  Numae  p.  66,  B.  C  und  v.  Syllae 
p.  460,   B.   Pausanias  I,  26,   7.  71)  Pausanias  VIII,  9,    1.     7ä)  Pausanias  IX, 

34,  1:  ^Iodä^av  Lqv  xal  alzeiv  tivq.  73)  AelianusH.  A.  XI,  3.  74)  L.  Ampelius 
8.  75)  Julianus  Misopog.  p.  363,  B.  76)  Dass  die  hängenden  ehernen  Lam- 
pen in  den  Griechischen  und  Römischen  Tempeln  sehr  beliebt  waren,  be- 
zeugt Plinius  XXXIV,  3,  8:  placuere  et  lychnuchi  pensiles  in  delubris;  im 
vierten  Jahrhundert  gedenkt  ihrer  in  den  christlichen  Kirchen  wiederholt 
Paulinus,  Bischof  von  Nola,  Poem.  XIV,  99:  clara  coronantur  densis  altaria 
lychnis    luminaria   ceratis    adolentur   odore  papyris,  nocte  dieque  micant.    XIX, 

14* 


108 

thums  bestimmte  das  Römische  Gesez:  Integrität,  leibliche  und  sitt- 
liche;77 ebenso  das  Mosaische  Gesez:  keiner  solle  zum  Altar  her- 
zutreten  und  das  Brod  seines  Gottes  opfern  an  dem  irgend  ein 
Fehler  sei.78  Trat  während  der  Amtsführung  ein  Gebrechen  ein, 
so  wurde  der  Priester  des  Dienstes  unfähig,  hier  wie  dort.79  Die- 
selbe körperliche  und  sittliche  ätptäsict  forderten  die  Aegyptischen80 
und  Hellenischen  Pricstersazungen.81 

Der  Römische  Pontifex  Maximus  hatte  seit  ältester  Zeit  die 
Verpflichtung  die  nach  ihm  benannten  annales  maximi  zu  schreiben, 
d.  h.   ein   kurzes  Verzeichnis    der    merkwürdigsten   Hauptereignisse" 


467:  continuum  scyphus  est  argenteus  ad  usum.  XXVI,  389:  tectoque  superne 
pendentes  lychni  spiris  retinentur  ahenis  .  .  mit  den  Noten  p.  932  ed.  Mura- 
tori.  Von  dem  Papste  Sabinianus  I,  dem  Nachfolger  Gregors  des  Grossen, 
berichtet  Piatina  de  vitis  pontif.  p.  76:  eius  hoc  fuisse  institutum  fertur, 
ut  in  ecclesiis  accensae  lampades  continuo  retinerentur,  potissimum  in  eccle- 
sia  b.  Petri;  und  ebenfalls  aus  dem  sechsten  Jahrhundert  bezeugt  Anastasius 
Monachus,  angeführt  in  Suicers  Thes.  Eccl.  II  p.  32,  dass  in  dem  Kloster  auf 
dem  Sinai  zu  Ehren  der  h.  Jungfrau  eine  ewige  Ampel  brannte:  xavdrjka 
aoßeazog  In  6v6(.iazu  zrjg  ayiag  Üeozöxov  xqefxazai.  Mehr  in  dem  gelehr- 
ten Werke  des  Fr.  Fort.  Scacchi:  sacrorum  elaeochrismaton  myrothecium  c. 
6.  7  p.  21  ff  der  Amsterdamer  Ausg.  vom  J.  1710,  wo  auch  gute  Abbildun- 
gen dieser  Lampen  gegeben  sind. 

,7)  Dionysius  II  ,  21  :  <xQ£tjj  diacpoqovg  xal  /.irjdiv  rjXaTzco/.iEvovg 
zwv  Tiepi  zb  oöJf-ict.  Seneca  Exe.  Controv.  IV,  2:  Lex:  sacerdos  inte- 
ger sit  .  .  Sacerdos  non  integri  corporis  quasi  mali  ominis  res  vitanda 
est.    hoc  etiam  in  victimis   notatur,    quanto   magis   in   sacerdotibus.  78)  Mo- 

ses III,  21,  17  ff  Josephus  Ant.  Jud.  III,  12,  2.  79)  Vergl.  für  die  Römer 
Seneca  am  angef.  Orte,  für  die  Juden    Josephus  XIV,   13,   10.  80)  Heliodo- 

rus  VII,  8:  ixavojg  i'xeiv  IptiypjQ  zs  af.ia  xal  atö[.iazog  fiqbg  rag  leQoavvrjg 
Xurovqylag.  81)  Ein  altattisches  Gesez  bei  Aeschines  adv.  Timarchum  §.21 
bestimmt  ausdrücklich:  iäv  zig  Id&rjvaiog  ezaiQrjor],  [.ti]  s^eazo)  avtio  .... 
UQtoavvrjv  ieQaoaoÜai.  Mehr  bei  Piaton  de  Legg.  VI  p.  428,  6  ff  Etymol. 
M.    und    Hesychius    v.    aepekrjg. 


109 

des  Jahres,  die  Jahrbücher  des  Staates;82  ebenso  war  bei  den  Ju- 
den der  Hohepriester  verpflichtet  die  Geschlechtsregister  -zu  halten 
und  die  Geschichte  des  Volkes  Gottes  zu  schreiben.83  Auch  die 
Aegyptier  hatten  ebensolche  priesterliche  Jahrbücher.84 

Uebereinstimmend  sind  ferner  die  Bestimmungen :  dass  der  Pon- 
tifex  Maximus  und  der  Flamen  Dialis  wie  der  Jüdische  Hoheprie- 
ster das  Haupt  nicht  entblössen,  sondern  stets  bedeckt  oder  mit  ei- 
ner Stirnbinde  umwunden  haben;85  und  dass  die  einen  wie  der  an- 
dere jede  Berührung  eines  Todten   vermeiden  sollten,  um  sich  nicht 


8t)  Cicero  de  Ornt.  II,  12.  83)  Josephus  c.  Appionem  I,  6.  7.  84)  S.  die 
von  Bunsen:  Aegyptens  Stelle  in  der  Weltgeschichte  I  p.  26  ff.  angeführten 
Zeugnisse.  Nach  Diogenes  L.  IX,  49  hatte  der  vielgereiste  Demokritus  über 
die  heiligen  Schriften  in  Babylon  und  inMeroezwei  besondere  Werke  gesehrie- 
ben, 85)  Lydus  de  Magistr.  II,  4  und  de  Mens.  I,  18  :  l'öiov  aal  yiyove  %(ov 
aQXiEqäoiv  ttjv  x£q>a?»r]v  oxe7ZEtv  ij  öiadeo/.ieiv  raivia.  Varro  de  L.  L.  V, 
84:  flamines,  quod  in  Latio  capite  velato  erant  semper  ac  Caput  cinetum 
habebant  filo  ,  flamines  dicti.  Gellius  X,  15,  16:  Dialis  cotidie  festatus 
est,  sine  apice  sub  divo  esse  licitum  non  est.  Appianus  B.  C.  I,  65:  6 
iegsiig  0Xaf.iivrag  tov  /dibg  niXocpoQEi  f.iovog  asl,  xöiv  aXXwv  ieqecüv  iv 
[xövaLg  niÄocpoQOvvTCov  zalg  uQOVQyiaig.  Pauli  Exe.  p.  87,  15:  flamen  Dialis 
dictus  quod  filo  assidue  veletur.  Servius  ad  Ae.  VIII,  664:  flamines 
in  capite  habebant  pileum  ,  in  quo  erat  brevis  virga  desuper  habens 
lanae  aliquid,  quod  cum  per  aestus  ferre  non  possent ,  filo  tantum  capi- 
ta  religare  coeperunt.  nam  nudis  penitus  eos  capitibus  incedere  nefas 
fuerat.  Vergl.  ausserdem  die  oben  Anm.  20  angeführten  Stellen.  Moseß 
III,  21,  10.  11:  Welcher  Hohepriester  ist  unter  seinen  Brüdern,  auf  dessen 
Haupt  das  Salböl  gegossen  und  seine  Hand  gefüllt  ist,  dass  er  angezogen 
•würde  mit  den  Kleidermde  r  soll  sein  Haupt  nicht  blossen  und  seine  Kleider 
nicht  zei'reissen;  und  soll  zu  keinem  Todten  kommen,  und  soll  sich  weder 
über  Vater  noch  über  Mutter  verunreinigen.   Vergl.  Josephus  Ant.   Jud.  III,  12?  2. 


110 

zu  verunreinigen.86  Doch  findet  sich  der  leztern  Bestimmung  Aehn- 
liches  auch  in  anderen  Culten:  auch  die  Aegyptischen  Priester  ent- 
hielten sich  der  Todtenberührung,87  und  die  Priester  der  Syrischen 
Göttin  durften,  wenn  sie  einen  der  Ihrigen  zur  Erde  bestattet  hat- 
ten, sieben  Tage  lang  den  Tempel  nicht  betreten,  und  mussten  sich 
reinigen  wenn  sie  einen  Todten  auch  nur  gesehen  hatten.88 

Die  Bestimmung  dass  der  Pontifex  Maximus  eine  reine  Jung- 
frau heiratheu  solle,89  ist  völlig  identisch  mit  der  Mosaischen,  wo- 
nach der  Hohepriester  nur  eine  unberührte  Jungfrau,  keine  Wittwe 
noch  Verstossene  noch  Geschwächte  heiratheil  durfte;90  dasselbe 
Gesez  aber  bestand  auch  in  Athen  für  den  Archon  Basileus,91  und 
wahrscheinlich  auch  für  die  Aegyptischen  Priester.92  Die  weitere 
altrömische  Bestimmung,  wonach  der  Pontifex  Maximus  und  der 
Flamen   Dialis   sich    nicht  zum   zweitenmal    verheirathen   durften,93 


6G)  Seneca  Consol.  ad  Marciam  15 :  Tiberius  Caesar  ipse  pro  rostris 
laudavit  filium  araissum  ,  interjecto  tantummodo  velamento ,  quod  pontificis 
oculos  a  funere  arceret.  Servius  ad  Ae.  III,  64:  moris  Romani  fuerat,  ramum 
cupressi  ante  domum  funestam  poni,  ne  quisquam  pontifex  per  ignorantiam 
pollueretur  ingressus.  Vergl.  Dion  Cassius  LIV,  28.  35.  LVI,  31.  Gellius  X, 
15,  24:  flamen  Dialis  locum  in  quo  bustum  est,  nunquam  ingreditur:  mortuum 
nunquam  attingit:     funus  tarnen  exsequi  non  est  religio.  87)  Porpbyiius  de 

Abst.  II,  50.  88)  Lucianus  de  Syria  dea  52.  53.  89)  Dies  folgt  aus  Plinius 
Panegyr.  83:  Tibi  (Trajano)  uxor  in  decus  et  gloriam  cedit,  quid  enim  illa 
sanctius,  quid  antiquius?  nonne  si  Pontifici  Maximo  deligenda  sit  conjux,  aut 
hanc  aut  similem  (ubi  est  autem  similis?)  elegerit?  90)  Moses  III,  21,  13  f. 
Josepbus    Ant.     Jud.    III,    12,     2.  9')    Demosthenes   adv.    Neaeram    §.    75: 

ttjv  yvvatxa  avxov  vöfiov  h'&evzo  aazrjv  eivai,  xal  firj  eminsfxiy^ievrjv  eregcp 
dvögi,  dXXd  nao'&hov  ya/.ielv.  92)  Diodoius  I,  80:  yafxovoi.  öiTiaq"  AlyvmLoig 
ol  /iiiv  IsQtlg  [ilav,  %(äv  dJ  dlXiov  boag  dv  exaorog  7TQoaLQ?jzai.  93)  Ateius 
bei  Plutarchus  Mor.  p.  276,  D.  Massurius  Sabinus  bei  Gellius  X,  15, 
22:  flamen  Dialis  uxorem  si  amisit  flaminio  decedit;  matrimonium  flarainis 
nisi  morte  dirimi  non  est  jus.     Tertullianus  de  exhort.  cast.  13:    pontifici  ma- 


111 

kehrt  wieder  in  dem  bekannten  Ausspruche  des  Apostel  Paulus: 
der  Bischof  solle  eines  Weibes  Mann  sein,  welcher  wahrscheinlich 
mit  altjüdischer  Priestersitte  zusammenhängt.94  Doch  findet  sich 
ähnliches  auch  im  Aegyptischen  und  im  Griechischen  Priesterleben:  zu 
Priestern  des  Apis  nahm  man  nur  Einmalverheirathete,95  und  der 
Hierophantes  der  Eleusinien  musste  aller  geschlechtlichen  Gemein- 
schaft sich  enthalten.96 

Auch  das  schöne  völkerrechtliche  Institut  der  Fetialen,  von 
Numa  eingesezt  zur  Verhinderung  ungerechter  Kriege,97  findet  sich 
bei  den  Juden,  welche  gesezlich  keinen  Krieg  beginnen  durften 
ohne  vorher  Recht  gefordert  und  friedliche  Vermittelung  umsonst 
versucht  zn  haben.98 


ximo  iterare  matrimonium  non  licet.  Ad  uxorem  I,  7:  regem  saeculi  pontifi- 
cem  maximum  rursus  nubere  nefas  est.  De  monogamia  17:  pontifex  maximus 
et  flaminica  nubunt  semel.  Hieronymus  Epist.  123,  8:  flamen  unius  uxoris  ad 
sacerdotium  admittitur,  flaminica  quoque  unius  mariti  eligitur  uxor.  Adv.  Jo- 
vinianum I,  49:  nullam  sacerdotem  digamam,  nullum  flaminem  bimaritum. 
94)  Paulus  ad  Titum  1,  6:  j-iiag  yzivaixbg  avrjQ,  und  ad  Timothum  I,  3,  2:  Sei 
%bv  £7ilo%07iov  elvac  fuag  yvvaiv.bg  avöga.  Appollinaris  Sidonius  Epist.  VII,  9 
p.  188:  illi  ex  canone  non  requiruntur  qui  ad  secundas  nuptias  transierunt. 
Hieronymus  adv.  Jovinianum  I,  15  :  primus  Adam  monogamus,  secundus  aga- 
mus  ;  qui  digamiam  probant,  exhibeant  tertium  Adam  digamum  quem  sequan- 
tur.  Epist.  123,  6:  ab  officio  sacerdotii  digamus  excluditur.  95)  Hieionymus 
Epist.  123,  8:  ad  tauri  Aegyptii  sacra  semel  maritus  assumitur.  96)  Origenes 
adv.  Celsum  VII,  48  verglichen  mit  Dioscorides  mat.  med.  IV,  79-  Julianus 
Orat.  V  p.  173,  C:  naoa  ld.dTqvu.Loig  ol  ztuv  dqQrjrcov  amöf-ievot  navayelg  el- 
ar  y.al  6  tovrcov  e^äqxwv  leQocpecvzTjg  aTisazQamai  nüoav  ti]P'  ysveoiv. 
Hieronymus  Epist.  123,  8:  hierophanta  apud  Athenas  ejurat  virum  et  aeterna 
debilitate  fit  castus  ;  und  adv.  Jovinianum  I,  49:  hierophantas  Atheniensium 
usque  hodie  cicutae  sorbitione  castrari  et  postquam  in  pontificatum  fuerint  ad- 
lecti,  viros  esse  desinere.  97)  Dionysius  II,  72.  Plutarchus  v.  Numae  p.  68, 
A.     98)  Moses  V,  20,   10  ff.  Josephus  Ant.  lud.  IV,  8,  41.  V,  2,   9. 


112 

In  dem  Principe  der  Sühnopferlelire,  Seele  für  Seele,  dem  Cen- 
trum aller  positiven  Culte,  stimmten  wie  ich  anderswo  nachgewiesen 
habe,  die  altrömischen  Pontificalbücher  mit  der  Mosaischen  Lehre 
vollkommen  überein;  welche  Lehre  freilich  dem  ganzen  Alterthum 
gemeinsam  ist."  Die  Angabe  des  Plinius:100  Numa  habe  ange- 
ordnet den  Göttern  Feldfrüchte  und  Opferschrot  d.  h.  geröstete  mit 
Salz  vermischte  Körner  von  Dinkel  oder  Spelt  darzubringen,101 
bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  die  Erstlingsopfer  nach  der  Erndte, 
wie   wir  sie   auch  bei  den  Juden102  und  bei  den  Griechen103   fin- 


")  Servius  zu  den  Worten  Virgils  Ae.  II,  118:  aniina  lilandum  Aryolica: 
Videtur  sane  peritia  juris  pontificalis  animalis  hostiae  mentionem  fecisse;  nara 
et  animam  dicit  et  litare,  verbo  pontificali  usus  est  i.  e.  sacrificiis  deos  pla- 
care.  Den  weiteren  Nachweis  in  der  Abh.  über  die  Sühnopfer  p.  5  ff. 
10°)  Plinius  XVIII,  2,  7:  Numa  instituit  deos  fruge  colere  et  mola  Salsa  sup- 
plicare  atque,  ut  auctor  est  Hemina,  far  torrere,  quoniam  tostum  cibo  salubrius 
esset.  Id  uno  modo  consecutum,  statuendo  non  esse  purum  ad  rem  divinam 
nisi  tostum.  Is  et  Fornacalia  instituit  farris  torrendi  ferias  et  aeque  religio- 
sas  terminis  agrorum.  Hos  enim  deos  tunc  maxime  noverant,  Seiamque  a 
serendo,  Segestam  a  segetibus  appellabant,  quarum  simulacra  in  circo  videmus. 
Tertiam  ex  bis  nominare  sub  tecto  religio  est.  Ac  ne  degustabant  quidem 
novas  fruges  aut  vina,  antequam  sacerdotes  primitias  libasscnt.  Ueber  Letz- 
teres vergl.  die  vorerwähnte  Abh.  p.  18.  101)  Festus  p.  141,  31:  mola  vo- 
catur  far  tostum  et  sale  sparsum,  quod  eo  molito  hostiae  aspergantur.  Ser- 
vius ad  Ecl.  VIII,  82  :  far  pium  i.  e.  mola  casta,  salsa,  utrumque  enim  idem 
significat,  ita  fit:  virgines  Vestales  tres  maximae  ex  nonis  Maus  ad  pridie 
Idus  Maias  alternis  diebus  spicas  adoreas  in  corbibus  messuariis  ponunt,  eas- 
que  spicas  ipsae  virgines  torrent,  pinsunt,  molunt,  atque  ita  molitum  condunt. 
Ex  eo  farre  virgines  ter  in  anno  molam  faciunt,  Lupercalibus,  Vestalibus, 
Idibus  Septembribus,  adjecto  sale  cocto  et  sale  duro.  Über  das  Salz  als 
nothwendige  Zugabe  aller  Opfer  heisst  es  bei  Moses  III,  2,  13:  Alle  deine 
Speisopfer  sollst  du  salzen.,  in  alle  deinem  Opfer  sollst  du  Salz  opfern;  bei 
Plinius  XXXI,  7,  89:  maxime  in  sacris  intelligitur  auctoi'itas  salis,  quando 
nulla  conficiuntur  sine  mola  salsa.  102)  Moses  II,    23,    19.  IV,   15,  20  f.   18, 

12  f.   V,   26,  2  ff.         ,03)  Aristoteles    Eth.   Nie.    VIII,    11   extr.   Maximus  Tyr. 


113 

den;  vielleicht  auch  hat  er  zu  Dankopfern  vorzugsweise  diese  ein- 
fachsten aller  Gaben  bestimmt;104  dass  er  nur  unblutige  Opfer  an- 
geordnet und  alle  Thieropfer  verboten  habe,  wie  neuere  Forscher 
behaupten105,  ist  an  sich  sehr  unwahrscheinlich,106  und  wird  durch 
drei  von  ihm  erhaltene  Gesezesbestimmungen  über  die  Ehrenbeute 
siegreicher     Feldherren,  107     über     die     Wiederverheirathung     der 


XXX,  5.  und  die  ausführlichen  Nachweisungen  über  die  Identität  der  jüdi- 
schen und  heidnischen  Sitte  hei  Spencer  de  leg.  Hebr.  rit.  III,  1,  9.  p.  714  ff. 
ed.  Pfaff. 

lo4)  So  Plutarchus  v.  Numae  8  p.  65,  C:  xoftidjj  xal  rä  rwv  Svoitov  e%s- 
%av  rrjg  IIvO-ayoQixrjg  ayiaisiag'  avaif.tay.roL  yctq  rjaav  af  re  noXXal,  öl  äl- 
q>Lrov  xal  OTtovörjg  xal  riov  evieXearäziov  nenoLrjftevaL.  I05)  Pellegrino  (Krjn- 
koff)  über  den  Religionsunterschied  der  Patricier  und  Plebejer  p.  9.  71. 
106)  In  dem  auf  die  Sazungen  Numas  gegründeten  Gesezesentwurf  Ciceros  de 
Legg.  II,  8  werden  Früchteopfer  und  Thieropfer  erwähnt:  certasque  fruges 
certasque  bacas  sacerdotes  publice  libanto:  hoc  certis  sacrificiis  ac  diebus. 
itemque  alios  ad  dies  ubertatem  lactis  feturaeque  servanto  . .  quaeque  quoique 
divo  decorae  grataeque  sint  hostiae  providento.  Die  Behauptung  des  Ovidius 
Fast.  I,  337  ff.  dass  vormals  nur  unblutige  Opfer  dargebracht  worden  seien : 
ante,  deos  homini  quod  conciliare  valeret,  far  erat  et  puri  lucida  mica  salis. . 
In  sacris  nullum  culter  habebat  opus:  bezieht  sich  nicht  sowol  auf  Numa  als 
auf  die  älteste  Zeit  unter  der  Herschaft  des  Janus,  und  scheint  überhaupt 
mehr  ein  Philosophumenon  als  eine  historische  Thatsache  zu  sein.  Die  Nach- 
richt des  Zonaras  VII,  5  Numa  habe  unblutige  Opfer  angeordnet,  weil  die  Götter 
als  die  Wächter  des  Friedens  und  der  Gerechtigkeit  rein  sein  sollten  von 
allem  Blutvergiessen  ,  ist  eine  im  Sinne  der  Pythagoreer  gedachte  Aus- 
schmückung der  Plutarchischen  Angabe,  die  er  vor  Augen  hatte.  107)  Plutar- 
chus v.  Marcelli  p.  302,  C  und  Festus  v.  opima  spolia  p.  189,  11:  *esse  etiam 
Pompilii  regis  legem  opimorum  spoliorum  talem :  cuius  auspicio  classe  pro- 
cincta  opima  spolia  capiuntur,  Jovi  Feretrio  darier  oporteat,  et  bovem  caedito 
qui  cepit  aeris  ducenta.  secunda  spolia  in  Martis  aram  in  campo  solitaurilia 
utra  voluerit  caedito.  tertia  spolia  Jano  Quirino  agnum  marem  caedito,  centum 
qui  ceperit  ex  aere  dato,  cuius  auspicio  capta,  dis  piaculum  dato. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  b.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)  15 


IM 

Wittwen,108    und    Aber    die    Concubinen  109    ausdrücklich    wider- 
legt. 

Über  die  Weinopfer  enthielt  ein  Gesez  Numas  die  Bestim- 
mungen: dass  man  den  Scheiterhaufen  nicht  mit  Wein  besprengen 
—  und:  dass  bei  den  Weinspenden,  welche  man  den  Göttern  dar- 
bringe, nur  Wein  von  beschnittenen  Reben  gebraucht  werden  solle. 
Plinius  meint,  die  erstere  Bestimmung  habe  ihren  Grund  darin,  dass 
der  Wein  damals  noch  kostbar  und  selten  gewesen  sei;  die  andere 
aber  habe  Numa  gegeben,  um  die  trägen  Winzer  zum  Beschneiden 
der  Weinstöcke  zu  zwingen.  *  *  °  Trankopfer  von  Wein  verordnet 
auch  Moses;111  gleicherweise  das  Beschneiden  der  Weinstöcke 
wie  aller  Fruchtbäume,  und  dass  nur  die  Frucht  beschnittener  Stöcke 
rein  sei,  die  der  nichtbeschnittenen  aber  unrein.  l  *■ 2 


108)  Wittwen  die  sich  vor  Ablauf  der  gesezlichen  zehnmonatlichen  Trauer 
■wieder  verheiratheten,  mussten  eine  trächtige  Kuh  als  Sühnopfer  darbringen. 
Plutarchus  v.  Numae  12  p.  67,  F:  rj  7Tq6t€QOv  yafArjd-sloa  ßovv  eyxv/nova  xaze- 
dvoev  ixetvov  vo/.io&eTrjoavTog.  109)  S.  unten  Anm.  159.  110)  Plinius  XIV, 
12,  88:  Numae  regis  Postumia  lex  est:  vino  rogum  ne  respergito.  quod  san- 
xisse  illum  propter  inopiam  rei  nemo  dubitat.  Eadem  lege  ex  imputata  vite 
bari  vina  diis  nefas  statuit,  ratione  excogitata,  ut  putare  cogerentur,  alias 
aratores  et  pigri  circa  pericula  arbusti.  XIV,  19,  119:  quoniam  religione  Tita 
constat,  prolibare  diis  nefastum  habetur  vina  imputatae  vitis ,  fulmine  tactae, 
quamque  juxta  hominis  mors  laqueo  pependerit,  aut  vulneratis  pedibus  con- 
culcata,  et  quod  circunicisis  vinaceis  profluxerit,  aut  superne  deciduo  immun- 
diore  lapsu  aliquo  polluta;  item  Graeca,  quoniam  aquam  habeant.  Plutarchus 
v.  Numae  p.  69,  E:  to  {.irj  ouivdeiv  &£oig  e§  at-inilcov  dt/.i^T(ov.  Vergl.  Festus 
p.  262,  15  :  resparsum  vinum  apud  antiquos  significat  vinum  rogo  inspersum, 
quod  in  sacris  novendialibus  vino  mortui  sepulcrum  spargebatur.  quae  sacra 
fiebant  die  nono.  —  Die  solenne  Formel  bei  den  Weinlibationen  war:  macte 
hoc  vino  inferio  esto,  sei  mir  geehrt  durch  diesen  Opferwein:  Cato  de  re  rust. 
132,  134.  Arnobius  VII,  31.  in)  Moses  II,  29,  40.  IV,  15,  5.  7.  18,  12. 
V,  32,  38.  ll2)  Moses  III,  19,  23  f.  vergl.  Johannes  Ev.  15  mit  der  Erklä- 
rung und  den  rabbinischen  Parallelstellen  in  Sepp's  Leben  Christi  I,  193.  II,  442. 


w 

Ein  Gesez  Numas  über  die  Fischopfer  sezte  fest:  dass  Fische 
welche  keine  Schuppen  hätten,  den  Göttern  nicht  geopfert  werden 
sollten:  Hemina  meint,  er  habe  dies  aus  Sparsamkeit  ersonnen,  da- 
mit die  öffentlichen  und  privaten  Gastmale  und  die  Göttermalzeiten 
leichter  bestellt  werden  könnten,  und  damit  nicht  die  für  den  Opfer- 
schmaus anschafften,  des  Geldes  weniger  schonten  und  vorwegkauf- 
ten.113  Wahrscheinlicher  ist,  dass  der  Grund  ein  religiöser  war. 
Auch  die  Aegyptier  und  die  Juden  assen  nur  solche  Fische,  die  Schup- 
pen uud Flossfedern  hatten,  indem  die  übrigen  für  unrein  galten ;,u 
dass  die  Juden  auch  Fische  geopfert  hätten,  wird  im  Mosaischen 
Gesez  nicht  erwähnt. 

Numas  Bestimmungen  über  die  Gelübde,  welche  nach  dem  Zeug- 
nisse Tertullians  den  Mosaischen  sehr  ähnlich  waren,  kennen  wir 
nicht  in  der  ursprünglichen  Fassung,  nur  aus  dem  Ciceronischeo 
Gesezesentwurf.  Dort  heisst  es:  Gelübde  sollen  behutsam  gemacht 
und  gewissenhaft  erfüllt,  und  die  Rechte  der  Religion  nicht  unge- 
straft verlezt  werden.  Keiner  solle  darum  seinen  Acker  verloben; 
Gold,  Silber,  Elfenbein  solle  mit  Maass  gewidmet   werden.115      Bei 


11 3)  Plinius  XXXII,  2,20:  pisces  marinos  in  usu  fuisse  protinus  a  condita 
Roma,  auctor  est  Cassius Hemina,  cuius  verba  de  ea  re  hie  subjiciam:  Numa 
constituit,  ut  pisces  qui  squainosi  non  essent,  ni  pollucerent;  parsimonia  com- 
mentus,  ut  convivia  publica  et  privata  coenaeque  ad  pulvinaria  facilius  compa- 
rarentur ,  ni  qui  ad  polluctum  emerent,  pretio  minus  parcerent  eaque  prae- 
mercarentur.  Vergl.  Festus  p.  253,  17:  pollucere  merces  quas  cuivis  deo 
liceat,  sunt  far,  polenta,  vinum,  panis  fermentalis,  ficus  passa ,  suilla,  bubula, 
agnina,  casei,  ovilla,  alica,  sesama  et  oleum,  pisces  quibus  est  squamä  praeter 
squarum:  Herculi  autem  omnia  esculenta,  poculenta.  114)  Für  die  Aegyptier: 
Porphyrius  de  Abst.  IV,  14;  für  die  Juden:  Moses  III,  11,  9  ff.  115)  Cicero 
de  Legg.  II,  9,  22:  caute  vota  reddunto:  poena  violati  juris  esto.  quocirca 
ne  quis  agrum  consecrato:  auri  argenti  eboris  sacrandi  modus  esto.  Gesezlich 
bindend  waren  Privatgelübde  nur  dann,  wenn  die  Pontifices  sie  bestätigt 
hatten.     Festus    v.    sacer    mons    p.  321,   7:    quod  privati   suae   religionis   causa 

15* 


116 

feierlichen  Gelübden  der  Magistrate  pflegte  der  Pontifex  die  Formel 
vorzusprechen.116  Gleicherweise  befiehlt  das  Mosaische  Gesez: 
Wenn  du  dem  Herrn  ein  Gelübde  thust,  deine  Seele  verbindend, 
darfst  du  das  ausgesprochene  Wort  nicht  schwächen  ;  Gott  wird  es 
fordern  von  dir,  und  es  wird  dir  Sünde  sein.  Gelübde  der  Frauen 
und  Töchter,  heisst  es  dann  weiter,  seien  nur  gültig  mit  Zustim- 
mung ihrer  Männer  und  Väter.117  Denn,  sagt  ein  Salomonisches 
Sprichwort,118  es  ist  dem  Manne  ein  Strick,  Heiliges  zu  verschlin- 
gen und  nach  dem  Gelübde  es  wollen  untersuchen:  d.  h.  vorschnell 
zu  versprechen  und  dann  zu  suchen  wie  man  loskomme.  Der  gehei- 
ligte Acker  konnte  gelöst  werden,  wenn  der,  so  ihn  gelobt  hatte, 
den  fünften  Theil  des  Geldes  um  das  er  geschäzt  war,  darüber 
gab.119 

Das  Sacrilegiengesez  Numas  bei  Cicero  lautet:  Wer  Heiliges 
oder  an  heiliger  Stätte  Hinterlegtes  gestohlen  oder  geraubt  hat,  soll 
wie  ein  Vatermörder  (mit  dem  Tode)  bestraft  werden.120  Ein 
ähnliches  althellenisches  Gesez  schimmert  bei  Piaton121  durch.  In 
der  Mosaischen  Gesezgebung  findet  sich  zwar  eine  legislatorische 
Bestimmung  über  Tempelraub  nicht;  doch  erzählt  das  Buch  Josua, 
dass  Achan,  der  etwas  -von  dem  Cherem  d.  i.  von  dem  heiligen 
Weihegnt  der  Stiftshütte  gestohlen  hatte,  nachdem  er  den  Diebstahl 
eingestanden,  gesteinigt  und  verbrannt  worden  sei;122  und  im  Tal- 
mud heisst    es  geradezu:    wenn  jemand    ein  heiliges  Gefäss  stiehlt, 


aliquid  earum  rerum  deo  dedicent,  id  pontifices  Romanos  non  existimare 
sacrum.  at  si  qua  sacra  privata  suscepta  sunt,  quae  ex  instituto  pontificum 
stato  die  aut  certo  loco  facienda  sint,   ea  sacra  appellari,  tanqum  sacrificium. 

11 G)  Beispiele  bei  Brissonius  de  Formulis  p.  105  ff.  und  p.  118  der  Pari- 
ser Ausg.  von  1583.  '")  Moses  IV,  30,  3  ff.  V,  23,  21  ff.  118)  Proverb. 
20,  25.  119)  Moses  III,  27,  19.  1S0)  Cicero  de  Legg.  II,  9,  22:  sacrum 
sacrove  commendatum  qui  clepserit  rapsitque,  paricida  esto.  ,21)  Piaton  de 
Legg.  IX.  p.  120.  121.  Vergl.  das  Amphiluyoniscbe  Gesez  bei  Aeschines  adv. 
Ctesiph.  §.  107  ff.     i2i)  Josua  7. 


117 

den  können  die  so  für  den  Herrn  eifern  auf  frischer  That  ergrei- 
fen und  tödten.123 

Übereinstimmend  ferner,  oft  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten, 
war  in  beiden  Gesezgebungen  die  Feiertagsordnung:  nur  dass  die 
Römische  im  Ganzen  geschäzt  milder  war  als  der  harte  Buchstabe 
der  Jüdischen.  Die  von  Numa  angeordneten  Fest-  und  Feier- 
tage124 sollten  als  den  Göttern  geweihte  vor  allem  Tage  der  Ruhe 
sein,  der  Feier  von  aller  Arbeit,  den  Opfern,  Festmalzeiten  und 
Spielen  gewidmet.  Aller  Hader  und  Streit  sollte  ruhen,  nur  gute 
Worte  am  guten  Tage  gehört  werden,  auch  das  Hausgesinde  sollte 
nach  gethauer  Arbeit  an  der  Feier  Theil  haben.  * 2  5 

Da  das  römische  Leben  wesentlich  auf  den  Ackerbau  gegrün- 
det war,  so  beziehen  sich  die  meisten  der  uns  erhaltenen  Rechts- 
bestimmungen über  das  was  am  Feiertage  zu  thun  erlaubt  oder 
nicht  erlaubt  war,  auf  die  regelmässig  wiederkehrenden  Geschäfte 
des  Landlebens.126      Nicht   erlaubt  war   an  Feiertagen   zu  ackern 


123)  Mischnah  IV.  p.  147.  §.6.  der  Rabeschen  Übersezung  (Sanhedrin  9,  6.) 
124)  Vergl.  Hartungs  Religion  der  Römer  1, 153  ff.  188  ff.  wo  jedoch  die  eigentlichen 
loci  classiciCatos  und  Columellas  übersehen  sind.  125)  Cicero  de  Legg.11,8,  19: 
feriis  jurgia  amovento,  easque  in  famulis  operibus  patratis  habento.  Ovidius 
Fast.  I,  71:  prospera  lux  oritur.  Unguis  animisque  favete:  nunc  dicenda  bono 
sunt  bona  verba  die.  Lite  vacent  aures,  insanaque  protinus  absint  jurgia.  diflfer 
opus  livida  turba  tuum.  Macrobius  Sat.  I,  16:  Numa  ut  in  menses  annum,  ita  in 
dies  mensem  quemque  distribuit,  diesque  omnes  aut  festos  aut  profestos  aut 
intercisos  vocavit.  festi  dies  dis  dicati  sunt.,  festis  insunt  sacrificia,  epulae, 
ludi,  feriae.  Servius  ad  Ge.  I,  268:  feriae  operae  deorum  creditae  sunt. 
126_)  Die  Zeugnisse  der  Alten,  welche  der  nachfolgenden  Darstellung  zu  Grunde 
liegen,  sind  Cato  de  re  rust.  2,  4:  per  ferias  potuisse  fossas  veteres  tergeri, 
Tiam  publicam  muniri,  vepres  reeidi,  hortum  fodiri,  pratum  purgari,  virgas 
vinciri,  spinas  runcari,  expinsi  far,  mundicias  fieri.  138:  boves  feriis  conjun- 
gere  licet,  hoc  licet  facere,  arvehant  ligna,  fabalia,  frumentum,  quod  non 
daturus  erit.  mulis,  equis,  asinis  feriae  nullae,  nisi  si  in  familia  sunt.  Virgi- 
lius  Ge.  I,   268:    quippe    eliatn    festis    quaedam    exercere    diebus    Fas   et   jura 


118 

und  die  Erde  aufzugraben;  die  Felder  zu  bewässern;  die  Aussaat 
zu  besorgen;  die  Saaten  neu  zu  unihägen;  Bäume  zu  setzen  oder 
sie  zu  liebten;  Heu  zu  mähen,  zu  binden,  einzufahren;  Schaafe  mit 
Fellen  zu  übcrkleiden,  zu  scheeren,  sie  zu  waschen,  ausser  der  Ge- 
sundheit wegen  um  die  Räude  zu  verhüten;  Weinlese  zu  halten. 
Verboten  war  ferner  die  Männer  (zum  Heere)  einzuberufen,  und 
einen  Todten  zu  begraben.  Nöthigten  die  Umstände  eine  dieser 
Arbeiten  an  einem  Feiertage  vorzunehmen,  so  musste  zur  Sühne  ein 


sinunt:  rivos  deducere  nulla  Religio  vetuit,  segeti  praetendere  saepum,  Insi- 
dias  avibus  moliri ,  incendere  vepres,  Balantumque  gregem  fluvio  mersare 
salubri.  Columella  II,  22:  Pontifices  negant  segetem  feriis  sepiri  debere. 
vetant  quoque  lannrum  causa  lavari  oves,  nisi  propter  medicinam. .  sunt  enim 
vitia,  quorum  causa  pecus  utile  sit  lavare.  Feriis  autem  ritus  majorum  etiam 
illa  peiunittit:  far  pinsere,  faces  ineidere,  candelas  sebare,  vineam  conduetam 
colere,  piscinas  lacus  fossas  veteres  tergere  et  purgare,  prata  sicilire,  stercora 
aequare,  foenum  in  tabulata  componere,  fruetus  oliveti  conduetos  cogere, 
mala  pira  ficos  pandere,  caseum  facere,  arbores  serendi  causa  collo  vel  mulo 
clitellario  afferre;  sed  juneto  advehere  non  permittitur,  nee  apportata  serore, 
neque  terram  aperire,  neque  arborem  collucare :  sed  ne  sementem  quidem 
administrare,  nisi  prius  catulo  feceris;  nee  foenum  secare  aut  vincire  aut 
vehere,  ac  ne  vindemiam  quidem  cogi  per  religiones  pontificum  foriis  licet, 
nee  oves  tondere  nisi  prius  catulo  feceris.  Defrutum  quoque  facere  et  de- 
frutare  vinum  licet,  uvas  itemque  olivas  conditui  legere  licet,  pellibus  oves 
vestiri  non  licet,  in  horto  quiequam  olerum  causa  facias,  omne  licet.  Feriis 
publicis  hominem  mortuum  sepelire  non  licet.  M.  Porcius  Cato  mulis  equis 
asinis  nullas  esse  ferias  dixit;  idemque  boves  permittit  con jüngere  lignorum  et 
frumentorum  advehendorum  causa.  Nos  apud  pontilices  legimus,  feriis  tantum 
denicalibus  mulos  jüngere  non  beere,  ceteris  licere.  XI,  1,  20:  tum  etiam  per 
ferias  instrumentum  rusticum,  sine  quo  nullum  opus  effici  potest,  recognoscat 
et  saepius  ins[>iciat  ferrumenta.  Macrobius  Sat.  I,  15:  Verrium  Flaccum  juris 
pontificii  peritissimum  dicere  solitum  refert  Varro,  quia  feriis  tergere  veteres 
fossas  beeret,  novas  facere  jus  non  esset.  16  p.  288:  Varro  in  augurum  libris 
scribit  inesse  haec  verba;  viros  vocare  feriis  non  oportet,  si  voeavit  piaculum 
esto. 


119 

Ferkel  geopfert  werden.  Erlaubt  dagegen  waren  an  Feiertagen 
altem  Herkommen  gemäss  nach  geistlichem  und  wehlichem  Rechte 
folgende  Arbeiten,  deren  Vergünstigung,  wie  man  sieht,  vorzugsweise 
den  Armen  zu  Gute  kam:  den  Gemeindeweg  ausbessern,  Hecken 
aushauen,  im  Garten  graben  der  Gemüse  wegen,  die  Wiesen  reini- 
gen und  mit  der  Sichel  nachmäheu,  Ruten  binden,  Dornen  ausrotten 
und  verbrennen,  Dinkel  stampfen,  Ochsen  anspannen  zur  Einfuhr 
von  Holz,  Bohnenstroh  und  Getraide,  das  nicht  verkauft  wird,  Bäche 
ableiten,  Netze  aufstellen  gegen  schädliche  Vögel,  Kienfackeln 
schneiden,  Talglichter  ziehen,  einen  gepachteten  Weinberg  bestellen, 
Fischbehälter,  Teiche,  alte  Graben  trocken  legen  und  reinigen,  Mist 
breiten,  Heu  auf  den  Boden  bringen,  gepachtete  Oliven  pflücken, 
Apfel,  Birnen,  Feigen,  auf  die  Darre  legen,  Käse  machen,  Wein 
einkochen,  Bäume  des  Versezens  wegen  auf  dem  Halse  oder  auf 
Saumthieren  herbeibringen;  sie  auf  einem  Wagen  herbeizubringen  war 
nicht  erlaubt.  Auch  pflegten  sorgsame  Landwirthe  an  den  Feier- 
tagen ihren  ganzen  Hausrath,  insbesondere  die  Eisenwerkzeuge  zu 
besichtigen,  ob  alles  noch  in  gutem  Stande  sei. 

Wer  sich  gegen  die  Feiertagsordnung  unwissentlich  versündigte, 
musste  ein  Schwein  zur  Sühne  opfern ;  absichtliche  Sünde  Hess  nach 
Scaevolas  Ausspruch  keine  Sühne  zu.  Auf  die  Frage,  welche  Ar- 
beiten überhaupt  an  Feiertagen  erlaubt  seien,  erwiderte  der  genannte 
Pontifex :  diejenigen,  deren  Unterlassung  Schaden  bringe.  Wenn  ein 
Ochse  in  die  Grube  gefallen  und  der  Hausvater  ihn  mit  Hilfe  seiner 
Knechte  herausziehe,  so  schände  er  den  Feiertag  dadurch  nicht; 
eben  so  wenig  wer  einen  geborstenen  Balken  stütze  um  sein  Haus 
vor  dem  Einstürze  zu  bewahren.  127 


127)  Macrobius  Sat.  I,  16:  praecepti  negligens  multabatur.  praeter  multam 
vero  affirmabatur  eum ,  qui  talibus  diebus  imprudens  aliquid  egisset,  porco 
piaculum  dare  debere;  prudentem  expiare  non  posse  Scaevola  pontifex  affirma- 
bat.    sed  Umbro  negat  eum  pollui   qui  opus  vel    ad   deos  pertinens  sacrorumve 


120 

Das  Mosaische  Gesez  über  die  Feier  des  Sabbatbs  und  der 
Festtage  bestimmte  einfach,  dass  dieselben  als  Tage  der  Ruhe  und 
der  Freude  durch  Brand-,  Speise-  und  Trankopfer  gefeiert  werden, 
und  dass  Menschen  und  Thiere  sich  an  denselben  aller  Dienstar- 
beit enthalten  sollten.  Du  sollst  kein  Werk  thun,  weder  du  selbst 
noch  dein  Sohn,  noch  deine  Tochter,  noch  dein  Knecht,  noch  deine 
Magd,  noch  dein  Vieh,  noch  der  Fremdling  der  in  deinen  Thoren 
ist.  1  - s  Wer  den  Tag  vorsäzlich  entheiligt  und  daran  arbeitet,  soll 
des  Todes  sterben ;  * 2  9  wer  aus  Unwissenheit  oder  Irrthuui  das 
Gesez  bräche,  sollte  wie  die  Rabbiner  lehrten,  ein  Sühnopfer  dar- 
zubringen schuldig  sein.  *  3  °  Dieselben  Schriftgelehrten  haben  dann, 
ähnlich  den  römischen  Pontifices,  die  Arbeiten,  welche  am  Sabbath 
zu  thun  verboten  und  welche  erlaubt  seien,  bis  ins  kleinste  detaillirt, 
und  der  ersteren  neununddreissig  sogenannte  Vaterarten  und  noch 
mehr  Kinder-  oder  Unterarten  herausgerechnet.  Die  den  römischen 
parallelen  Bestimmungen  des  Talmud  sind  folgende.  Als  den  Sabbath 
schändend  war  verboten:  das  Säen,  Ackern,  Unkraut  ausjäten, 
Bäume  beschneiden,  erndten  oder  lesen,  es  sei  Getraide  oder  Baum- 
frucht, Garben  oder  Büschel  machen,  dreschen,  worfeln,  Früchte 
ausklauben,  Mehl  machen,  es  sieben,  kneten,  kochen,  backen,  Wolle 
scheeren   oder  waschen  oder  cartetschen,    färben,  spinnen,   zetteln, 


causa  fecissct,  vel  aliquid  ad  urgentem  vitae  utilitatem  respiciens  actitasset 
Scaevola  denique  consultus  quid  feriis  agi  liceret,  respondit,  quod  praetermissum 
noceret.  si  bos  in  specum  decidisset  eurnque  paterfamilias  adhibitis  operis 
liberasset ,  non  est  visum  ferias  polluisse;  nee  ille  qui  trabem  tecti  fraetam 
fuleiendo  ab  imminenti  vindieavit  ruina.  Servius  adGe.  I,  272:  qui  diseiplinas 
pontificum  interius  agnoverunt,  ea  die  festo  sine  piaculo  dieunt  posse  fieri, 
quae  supra  terram  sunt,  vel  quae  omissa  nocent,  vel  quae  ad  honorem  deorum 
pertinent,  et  quidquid  fieri  sine  institutione  novi  operis  potest.   .   . 

l"j  Moses  II,  20,  10.  Über  die  Festtage  II,  12,  16.  III,  16,  29.  23,  21. 
25.  28.  30  f.  35  f.  129)  Moses  II,  31,  14-  1J0)  Mischna  II  p.  36.  §.  6.  der 
Kabeschen  Übersezung  (Sabb.   11,  6.) 


121 

weben,  einen  Knoten  knüpfen  oder  auflösen,  nähen,  Vögel  oder  Rehe 
jagen,  schlachten,  die  Haut  abziehen,  sie  einsalzen,  ausarbeiten,  von 
Haaren  säubern,  in  Riemen  schneiden,  schreiben  oder  etwas  auslö- 
schen um  zu  schreiben,  bauen  es  sei  viel  oder  wenig,  niederreissen, 
Feuer  auslöschen  oder  anzünden,  mit  dem  Hammer  schlagen,  und 
etwas  von  einem  Orte  zum  andern  tragen.131). 

Schuldig  der  Übertretung  der  Sabbathgeseze  ist:  wenn  einer 
auch  nur  so  viel  Stroh  austrägt  als  eine  Kuh,  so  viel  Ähren  als 
ein  Lamm,  so  viel  Gras  als  ein  Ziegenböcklein  im  Maule  fasse» 
kann;  132  schuldig  wer  auch  nur  so  viel  Wein  austrägt  als  zur 
Mischung  des  Segenbechers  erfordert  wird,  so  viel  Milch  als  ein 
Mensch  auf  einen  Schluck  trinkt,  so  viel  Honig  als  man  auf  eine 
Wunde  legt;133  schuldig  wer  auch  nur  so  viel  Pergament  austrägt, 
dass  man  zwei  Worte,  Höre  Israel,  darauf  schreiben  kann;134  oder 
so  viel  Holz  als  man  braucht  um  ein  Ei  zu  kochen , 1 3  5  wer  sich 
seine  Nägel  einen  mit  dem  andern  oder  mit  den  Zähnen  verkürzt 
oder  abbeisst,  oder  ein  Haupt-  oder  Barthaar  ausreisst,  eine  Frau 
die  sich  die  Haare  scheitelt  oder  flicht,  oder  die  Augen  sich 
schminkt:136  und  dergleichen  mehr,  wodurch,  nachdem  die  Strenge 
des  Gesezes  das  störrige  Volk  zum  Gehorsam  gewöhnt  hatte,  der  Aber- 
wiz  seiner  Ausleger  ihm  mit  Pflichten  wie  mit  Fussatigeln  den  ganzen 
Lebensweg  gepflastert  hat.  Verboten  war  ferner  am  Sabbathe  Waffen 
zu  tragen  und  alles  was  die  Waffenruhe  des  Friedenstages  störte;137 


131)  Mischna  II.  p.  25  f.   (Sabb.  7,  2.)  132)   Am    angef.  Orte  p.  26. 

133)  p.  27.  134)  p.  28.  135)  p.  31.  136)  p.  34.  137)  Mischna  II.  p.  22. 
(Sabb.  6,  4.) :  ein  Mann  darf  am  Sabbath  nicht  ausgehen  mit  einem  Schwert 
noch  mit  einem  Bogen,  weder  mit  einem  dreieckigen  noch  runden  Schild 
noch  mit  einem  Spiess,  und  so  er  damit  ausgeht,  ist  er  eines  Sündopfers 
schuldig.  Wirfers  biblisches  Realwörterbuch  v.  Sabbath  p.  406.  407:  „an 
Schwärmerei  grenzte  es,  wenn  jüdische  Heere  am  Sabbath  sich  des  Gebrauchs 
der  Waffen  enthielten    und   von    den  Feinden    niedermetzeln  Hessen:    I.  Macc. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)  16 


122 

verboten  auch  einen  Todten  zu  beerdigen ,  * 3  8  obgleich  man 
sonst  ihm  alles  thun  durfte  was  nöthig  war:  ihn  waschen,  salben, 
die  Kinnbacken  ihm  binden,  nur  dass  man  kein  Glied  ihm  be- 
wegte. 139  Erlaubt  dagegen  war  am  Sabbathe:  Geräthe  von  der 
Stelle  zu  bringen,  es  sei  um  der  Geräthe  willen  oder  wegen  des 
Plazes;140  vier,  fünf  oder  auch  mehr  Kufen  oder  Kasten  Stroh 
oderGetraide  auszuräumen,  wenn  es  zur  Erfüllung  eines  anderwei- 
tigen Gebotes  nöthig  war;141  Bündel  von  Stroh  oder  Zweigen  weg- 
zutragen, wenn  man  sie  zum  Futter  brauchte;142   Wein  durchzusei- 


2,  32  ff.  II,  6,  11  Josephus  B.  J.  II,  17,  10.  vit.  32.  Die  Wahrnehmung  wie 
hiebei  der  Feind  stets  in  sicherem  Vortheil  sei  (vergl.  Josephus  Ant.  XIII 
12,  4.  XI V,  4,  2),  bewog  die  besonnenen  Heerführer,  Waffenruhe  am  Sab- 
bath  nur  hinsichtlich  der  Offensive  zu  beobachten:  I.  Macc.  11,  34.  43  ff.  Jo- 
sephus Ant.  XII,  6,  3.  XIII,  1,  3.  XIV,  4,  2.  XVIII,  9,  2.  10,  2.  "  Über  die 
prahtischeren  Römer  Macrobius  Sat.  I,  16  p.  288:  Sciendum  est  eligendi  ad 
pugnandum  diem  Romanis  tunc  fuisse  licentiam,  si  ipsi  inferrent  bellum;  at 
cum  exciperent,  nullum  obstitisse  diem  quo  minus  vel  salutem  suam  vel  publi- 
cam  defenderent  dignitatem,  quis  enim  observationi  locus  cum  eligendi  facul- 
tas non  supersit? 

13s)  Dies  war  schon  zur  Zeit  Davids  der  Fall,  wie  die  Erzählung  der 
Gemara  Babyl.  Sabb.  Fol.  30,  B.  beweist.  Dort  heisst  es:  David  pflegte  jeden 
Sabbath  beim  Studium  des  Gesezes  zu  sitzen.  Als  nun  an  dem  Tage  da  seine 
Seele  zur  Ruhe  gehen  sollte,  der  Engel  des  Todes  vor  ihn  trat,  konnte  er 
ihm  nichts  anhaben,  da  der  Mund  des  Königs  nicht  inne  hielt  mit  dem  from- 
men Lesen.  Da  sprach  der  Engel  :  was  soll  ich  mit  ihm  thun?  Es  hatte 
aber  David  einen  Park  (Bustana)  hinter  seinem  Hause;  hier  schüttelte  der 
Todesengel  in  den  Bäumen,  so  dass  David  herauskam  um  nachzusehen  ;  wie 
er  aber  auf  die  Leiter  trat,  brach  die  Sprosse  unter  ihm,  worauf  er  schwieg 
und  den  Geist  aufgab.  Und  als  dann  Salomon  das  Synedrium  befragte,  was 
mit  der  Leiche  seines  Vaters  anzufangen  sei,  erhielt  er  zur  Antwort,  man 
dürfe  sie  nicht  vom  Platze  bringen  bevor  die  Sabbathfeier  -vorüber  sei."  Ich 
verdanke  die  Mitlheilung  dieser  Notiz  meinem  Freunde  Professor  Ilaneberg. 
J39)  Mischna  II.  p.  58.  (Sabb.  23,  5.)  ,4°)  Am  angef.  Orte  p.  46.  141)  p.47f. 
l4t)  P.  48. 


123 

gen  und  Honigwein  zu  machen;143  einFass  aufzubrechen  um  dürre 
Feigen  daraus  zu  essen.144 

Dass  man  ein  Schaf,  das  am  Sabbathe  in  die  Grube,  einen 
Ochsen  oder  Esel  der  in  den  Brunnen  gefallen,  herausziehen  durfte, 
ist  aus  den  neutestamentlichen  Schriften  bekannt;145  und  auch  das 
andere  Beispiel  des  Römischen  Pontifex,  „einen  zerbrochenen  Balken 
am  Sabbathe  mit  einem  Stuhl  oder  Bettbrette  öder  Fensterladen  zu 
stützen,  nicht  zu  erhöhen,  sondern  nur  dass  er  nicht  weiter  weiche," 
wird  im  Talmud  erwähnt.146« 

Völlig  übereinstimmend  ist  das  Numaische  Gesez:  verflucht  sei 
sammt  seinen  Ochsen  wer  einen  Grenzstein  ausackert:  147  mit  dem 
Fluchgeseze  Mosis:  Verflucht  sei  wer  seines  Nächsten  Grenze 
engert,  und  alles  Volk  soll  sagen  Amen.148  Doch  finden  sich 
ähnliche  Bestimmungen  auch  bei  Piaton,  149  in  dem  Etruskischen 
Fragmentum  Vegoiae,  15°  und  in  den  meisten  alten  Gesezge- 
bungen.  1 5  * 

Sehr  nahe  auch  stehen  sich  in  beiden  Gesezgebungen  die  Be- 
stimmungen über  Mord  undTodtschlag.  Ein  Gesez  Numas  bestimmte: 
wer  einein  freien  Menschen  durch  List  wissentlich    den   Tod   giebt, 


143)  Mischna  II  p.  51.  52.        144)  Am  angef.  Orte  p.  55.        145)  Matthaeus 
12,  11.     Lucas  14,   5.  ,46)  Mischna  II.  p.  58.   (Sabb.  23,  5.).  i47)  Dio- 

nysius  II,  74  und  Pauli  Exe.  p.  368:  Numa  Pompilius  statuit,  eum  qui  ter- 
minura    exarasset,     et    ipsum    et  boves  sacros  esse.  14a)  Moses  V,  27,   17. 

149)  Piaton  de  Legg.  VIII  p.  103,  3  Bekker.  ,5°)  W.  Goesius  Rei  agrariae 
auetores  legesque  p.  258:  qui  contigerit  moveritque  possessionem  proniovendo 
suam,  alterius  minuendo,  ob  hoc  scelus  danmabitur  a  diis.  si  servi  faciant, 
domino  mutabuntur  in  deterius;  sed  si  conscientia  dominica  fiet,  celerius 
domus  exstirpabitur  gensque  ejus  omnis  interiet,     etc.  läl)  Vergl.  W.  M. 

Goethe  de  fragmento  Vegoiae  p.  12  ff;  C.  F.  Hermann  de  terminis  eorum- 
que  religione  apud  Graecos,  Gottingae  1846;  und  für  das  germanische  Recht 
J.  Grimms  D.  R.  A.  p.  546. 


16 


* 


124 

soll  als  Vatermörder  (d.  li.  mit  dem  Tode)  bestraft  werden.152  Im 
Mosaischen  Gesez  wird  der  Elternmord  legislatorisch  nicht  erwähnt, 
aber  auch  nach  ihm  wird,  wie  nach  Aegyptischem  Rechte,  153jederMord 
d.  h.  jede  wissentliche  Tödtung  eines  freien  Menschen  mit  dem  Tode 
bestraft:  „wer  irgend  einen  Menschen  erschlägt,  der  soll  des  Todes 
sterben."  * 5  4  Für  unvorsäzlichen  Mord  bestimmte  Numa  wie  das 
altattische  Recht,  dass  der  Thäter  den  Agnaten,  die  zur  Blutrache 
verpflichtet  waren,  für  das  Haupt  des  Getödteten  einen  Widder  zur 
Sühne  darbiete;155  der  israelitische  Gesetzgeber  errichtete  hiefür 
besondere  Freistätten,  wohin  die  Unglücklichen  fliehen  und  bis  zum 
Tode  des  regierenden  Hohenpriesters  bleiben  sollten:  früher  ein 
Lösegeld  zu  nehmen  verbot  er.  1 5  6  Zur  religiösen  Sühne  der  Un- 
that  verordnete  auch  er  vielleicht,  dass  dem  Herrn  ein  Widder  als 
Schuldopfer  dargebracht  werde ; i  5  7  wenigstens  wissen  wir,  dass 
wenn  ein  von  unbekannter  Hand  Erschlagener  auf  dem  Felde  ge- 
funden wurde,  zur  Sühne  des  Mordes  eine  junge  Kuh  geopfert 
werden  musste. 1 5  8 

Rücksichtlich  der  Kebsweiber  waren  die  Geseze  Numas  stren- 
ger  als    das    nach    der    Sitte    der  Asiaten   nachsichtige  Mosaische 


t:'2)  Paulus  Exe.  p.  221,  15:  parieida  non  utique  is  qui  parentem  occi- 
disset  dicebatur,  sed  qualemcunque  hominem  indemnatum.  Ita  fuisse  indicat 
lex  Numae  Pompilii  regis  his  composita  verbis:  Si  qui  hominem  liberum  dolo 
sciens  morti  duit,  parieidas  esto.  ,53)  Diodorus  1,  77,  6.  154)  Moses  III,  24, 
17.  vergl.  I,  9,  6:  Wer  Menschenblut  vergiesst,  dess  Blut  soll  auch  durch 
Menschen  vergossen  werden;  denn  Gott  hat  den  Menschen  zu  seinem  Bilde 
gemacht.  155)  Festus  v.  subici  ari'es  p.  347,  2.  Servius  ad  Ge.  III,  387  und 
ad  Ecl.  IV,  43:  in  Numae  legibus  cautum  est,  ut  si  quis  imprudens  oeeidisset 
hominem,  pro  capite  occisi  et  natis  eius  in  cautione  (Scaliger  1.  in  concione) 
offerret  arietem.  156)  Moses  II,  21,  13.  IV,  35,  11  ff-  157)  Moses  III,  5,  15- 
16.  6,  6;  19,  21.  IV,  5,  8.  158)  Moses  V,  21,  1  ff.  Über  die  Blutrache  über- 
haupt  vergl.  meines  sei.  Freundes  J.  Kalthoff  Handbuch  der  Hebräischen  Al- 
terthümer  p.  342  ff 


125 

Gesez.  Numa  verordnete:  die  Beischläferin  eines  verheiratheten 
Mannes  solle  den  Altar  der  Juno  nicht  berühren,  berühre  sie  ihn, 
so  solle  sie  mit  aufgelösten  Haaren  der  Göttin  ein  weibliches  Lamm 
opfern.  ' 5  9  Das  Mosaische  Gesez  gestattete  jedem  Manne  neben  sei- 
ner rechtmässigen  Frau  noch  Beischläferinnen  zu  halten;  Hessen  sich 
diese  mit  einem  andern  Manne  ein,  so  musste  derselbe  für  seine 
Schuld  dem  Herrn  vor  die  Stiftshütte  einen  Widder  zum  Schuld- 
opfer bringen. I60 

Ohne  Parallele  im  Mosaischen  Gesetz  sind  die  Bestimmungen 
Numas  über  die  Bestattung  der  vom  Blitz  Erschlagenen  und  der  Selbst- 
mörder. Die  erhaltenen  Gesezesfragmente  sagen :  Wenn  einen  Men- 
schen der  Blitz  des  Jupiter  erschlagen  hat,  soll  er  nicht  über  die 
Kniee  erhoben  (d.  h.  über  die  Kniee  auf  den  Schooss  gelegt,  ge- 
waschen und  angekleidet)  werden ;  und :  Ein  Mensch  der  vom  Blitz 
erschlagen  worden,  soll  nicht  mit  den  gebührenden  Feierlichkeiten 
bestattet  werden.161  Er  durfte  nämlich  nicht  verbrannt  werden, 
sondern  wurde  an  der  Stelle,  wo  er  vom  Blitz  erschlagen  worden,  still 
eingescharrt.162  Dasselbe  geschah  nach  altgriechischem  Rechte.163 


159)  Pauli  Exe.  p.  222,  3.  Gellius  IV,  3:  pellex  asam  Junonis  ne  tagito, 
si  taget,  Junoni  crinibus  demissis  arnum  feminam  caedito.  Das  Gesez  Numas 
•war  auch  in  das  Jus  Papirianum  aufgenommen,  wie  aus  den  Dig.  L,  16,  144 
hervorgeht.  160)  Moses  III,  19,  20  f.  161)  Festus  p.  178,  18:  occisum  a  necato 
stingui  quidam,  quod  alterum  a  caedendo  atque  ictu  fieri  dieunt,  alterum  sine 
ictu.  itaque  in  Numae  Pompilii  regis  legibus  scriptum  esse:  si  hominem  fulmini- 
bus  (Scaliger:  fulmen  Jovis)  occisit,  ne  supra  genua  tollito  (Scaliger:  tollitor). 
et  alibi:  homo  si  fulmine  occisus  est,  ei  justa  nulla  fieri  oportet.  Der  Ausdruck: 
supra  genua  tollere  heisst  s.  v.  a.  curare,  pollingere  et  vestimenta  funebria  in- 
duere.  Vergl.  La  Cerda  zu  Virgilii  Ae.  VI,  218ff.  162)  Plinius  II,  54,  145:  ho- 
minem ita  (fulmine)  exanimatum  cremari  fas  non  est,  condi  terra  religio  tradidit. 
Quintilianus  Declam.  274:  quo  quis  loco  fulmine  ictus  fuerit,  eo  sepeliatur. 
Vergl.  Gutherius  de  jure  manium  in  Graevii  Thes.  XII  p.  1090  ff.  und  Meur- 
sius  de  funere  in  Gronovii  Thes.  XI  p.   1140.      163)  Marcellinus  ad  Hermoge- 


120 

Über  die  Selbstmörder  aber  bestimmten  die  Römischen  Pontifical- 
bücher:  dass  wer  seinem  Leben  durch  den  Strick  ein  Ende  «emacht 
habe,  unbegraben  liegen  bleiben  solle;164  eben  so  die  Statuten  einer 
Dianenbruderschaft  zu  Lanuvium:  wer  immer  aus  was  immer  für 
einer  Ursache  sich  selbst  den  Tod  gegeben,  soll  eine  feierliche  Be- 
erdigung nicht  erhalten.165  Eben  so  befahl  auf  Kypros  ein  Gesez 
der  Donassa,  dass  wer  sich  selbst  das  Leben  genommen,  unbegra- 
ben hingeworfen  werde;  166  das  altattische  Recht,  dass  wenn  einer 
sich  selbst  getödtet,  die  Hand,  welche  die  That  vollführt,  vom  Kör- 
per getrennt  und  abgesondert  begraben  werde:  167  wie  denn  auch 
Piaton  will,  dass  man  die  Selbstmörder  an  einer  unfruchtbaren  ein- 
samen Stelle  ohne  Grabsäule  beerdige.  168  Das  Mosaische  Gesez 
enthält,  wenn  man  nicht  das  Noachische :  euer  Blut  will  ich  fordern 
von  eueren  Seelen:  darauf  bezieht, 1 6 9  keine  legislatorische  Bestim- 
mung über  den  Selbstmord;  doch  galt  er  auch  den  Juden  als  ein 
grosses  Verbrechen,  und  Josephus  bezeugt  ausdrücklich:  die  Seelen 
der  Selbstmörder  nehme  der  finsterste  Hades  auf,  Gott  räche  den 
Frevel  noch  an  den  Nachkommen,  und,  sagt  er:  auch  bei  uns  pflegt 


nera  bei  Walz  IV  p.  269:  vo/nog  zbv  zvqavvov  vtxeqÖqlov  Qinzeo&ai'  -Kai  zbv 
<jy.i]7TT<~>  ßlt]de:vza  avzoü  danteodai  ob  sueosv.  Artemidorus  II,  8  p.  9t:  ov 
yaq  xsoavvcoO-evzeg  /.levazL&svzac  aXX  ozov  av  vnb  zov  nvqbg  xazaXsicp&cü- 
aiv,  ivzav&a  iyämovxat. 

ls4)  Seivius  ad  Ae.  XII,  603:  cautum  fuerat  in  pontificalibus  libris,  ut  qui 
laqueo  vilam  finisset,  insepultus  abjiceretur.  165)   Inscriptio  Lanuvina    bei 

Momrasen  de  collegüs  et  sodalitiis  Romanorum  col.  II.  vers  5:  item  placuit, 
quisquis  ex  quacunque  causa  mortem  sibi  adsciverit,  eius  ratio  funeris  non  ha- 
behitur.  16°)  Dio  Chrysostomus  Or.  LXIV  p.  592,  D:  zöv  auzöv  aTioxzsl- 
vavta  azacpov  QiTtzsa&at,  devveoog  ouzng  drjf.tovüaorjg  vö/xog.  ts7)  Aeschi- 
nes  adv.  Ctesiphontem  §.  244:  käv  zig  avxbv  öiaxo^arjxai,,  zijv  X£^Qa  T^v 
zovvn  Tcgdt-aoav  %u)Qtg  zov  aco/^azog  &ct7Zzo{iev.  169)  Piaton  de  Legg.  IX.  p. 
158.  16S)  Moses  I,  9,  5  nach  der  Erklärung  meines  Freundes  Prof.  Haneberg, 
dem  ich  auch  diese  Nachweisung  verdanke. 


127 

man  ja  die  Selbstmörder  bis  zu  Sonnenuntergang  unbegraben  hinzu- 
werfen. * 7  ° 

Die  Beschränkung  der  väterlichen  Gewalt  durch  ein  Gesez 
Nunias,  welches  bestimmte:  dass  wenn  der  Vater  seinem  Sohne  er- 
laubt habe  sich  eine  Frau  zu  nehmen,  welche  an  seinen  Opfern  und 
an  seinem  Vermögen  gesezüchen  Antheii  nahm,  er  denselben  nicht 
mehr  in  die  Schuldknechtschaft  verkaufen  dürfe:171  kann  weder  im 
Mosaischen  noch  im  althellenischen  Rechte  ein  Analogon  haben;  da 
die  Strenge  der  Römischen  patria  potestas  sich  überhaupt  bei  kei- 
nem andern  Volke  des  Alterthums  wiederfindet.  i  7  2 

Die  auffallende  Identität  der  meisten  dieser  Sazungen  Numas 
mit  denen  des  Mosaischen  Gesezes  ist  auch  dem  gelehrten  Tertul- 
lianus  nicht  entgangen,  der  die  heidnischen  Religionen  wie  die  jüdi- 
sche und  christliche  aus  dem  Leben  und  aus  der  Litterafur  so  genau 
kannte.  Er  bezeugt  diese  Übereinstimmung  wiederholt,  sie  war  un- 
leugbar und  gewiss  von  \ielen  seiner  Zeitgenossen  bemerkt  und 
vielfach  gedeutet  worden.  Da  ein  historischer  Zusammenhang  sich 
nicht  nachweisen  Hess,  so  erklärte  er  sich  dieselbe  durch  die  selt- 
same Annahme,  dass  der  Teufel  als  Lügner  von  Anbeginn 
in  dem  Cultus  der  Heiden  überall  die  Lüge  des  wahren  Gottes- 
dienstes aufgestellt,173  und  auch  hier  die  göttlichen  Satzungen  des 


170)  Josephus  de  hello  Jud.  III,  8,  5:  zovg  yovv  avsXövzag  havzovg  naqa  f.tiv 
Tj(.üv  (.lexgig  ijklov  dvoswg  acäqovg  ixQinzsiv  l'xQivav.  171)  Dionysius  II,  27: 
lav  Tiarrjo  vlijj  ovyyvu)Qr'jorj  yvvaixa  ayayeof)ai,  xoivwvov  lcof.i&vtjv  isqcüv  ze  xal 
%QT]l.iäztov  xaza  zoug  vöf.iog,  (.irjxäzL  zrjv  e^ovoiav  eivai  zt£>  tcucqI  nioXelv  zbv 
vtöv.  Ähnlich  Plutarchus  v.  Numae  17  p.  71,  E.  172)  Institut.  I,  9,  2:  jus 
potestatis  quod  in  liberos  habemus  proprium  est  civium  Romanorum.  nulli 
enim  alii  sunt  homines,  qui  talem  in  liberos  habeant  potestatcm  qualem  nos 
habemus.  173)  Tertullianus  de  Corona  7:  mendacium  divinitatis  diabolus  ope- 
ratur,  a  primordio  mendax.  Am  ausführlichsten  erklärt  er  sich  über  diese 
überall  -wiederkehrende  Hypothese:  dass  der  Satan  und  seine  Engel,  die  bösen 
Daemonen   als  feine  listige   schnelle  Geister   die  Aussprüche  Gottes  durch    die 


128 

Moses  iu  denen  des  Numa  listig  nachgeäfft  habe.  Seine  Worte 
sind:  Der  Teufel,  dessen  Theil  es  ist  die  Wahrheit  zu  verdrehen, 
ahmt  selbst  die  göttlichen  Sacramente  in  den  Mysterien  der  Idole 
nach:  auch  er  taufet  einige,  nämlich  seine  Gläubigen  und  Getreuen, 
und  verheisset  Tilgung  der  Sünden  durch  das  Bad;  175  er  bezeich- 
net in  den  Mithrasmysterien  seine  Streiter  auf  der  Stirne,  feiert  auch 
das  Opfer  des  Brodes,  stellt  vor  das  Bild  der  Auferstehung,  und 
erkauft  unter  dem  Schwerte  die  Krone.176  Den  Oberpriester 
heisset  er  eines  Weibes  Mann  sein,  * 7  7  hat  Jungfrauen  und  Ent- 
haltsame. * 7  8  Endlich  wenn  wir  des  Numa  Pompilius  superstitiose 
Sazungen  durchgehen,  die  priesterlichen  Pflichten,  Insignien  und  Pri- 


Propheten  diesen  gleichsam  vom  Munde  weggeschnappt  und  zur  Verführung 
der  Menschen  gemisbraucht  hätten:  im  Apologeticus  22.  Ihm  folgt  Lactantius 
II,  16.  Beiden  voran  gieng  in  dieser  Erklärungsweise  Justinus  Martyr.  Apolog. 
I,  54.  64.  66.     Dial.  cum  Tryph.  69.  70. 

17  *)  Tertullianus  de  praescriptionibus  haereticorum  40:  Diabolus,  cuius 
sunt  partes  invertendi  veritatem,  ipsas  quoque  res  sacramentorum  divinorum  in 
idolorum  mysteriis  aemulatur.  Tingit  et  ipse  quosdam,  utique  credentes  et 
fideles  suos;  expiationem  delictorum  de  lavacro  repromittit ;  et  si  adhuc  rae- 
mini  Mithrae,  signat  illic  in  frontibus  milites  suos,  celebrat  et  panis  oblatio- 
nem,  et  imaginem  resurrectionis  inducit,  et  sub  gladio  redimit  coronam.  Quid 
quod  et  summum  pontificem  nuptiis  statuit?  habet  et  virgines,  habet  et  con- 
tinentes.  Ceterum  si  Numae  Pompilii  superstitiones  revolvamus,  si  sacerdo- 
talia  officia  insignia  et  privilegia,  si  sacrificantia  ministeria,  et  instrumenta  et 
vasa  ipsorum  sacrificiorum ,  ac  piaculorum  et  votorum  curiositates  considere- 
mus:  nonne  manifeste  diabolus  morositatem  illam  Judaeae  imitatus  est? 
175)  Derselben  Taufe  in  den  Eleusinien  und  in  den  Mithrasmysterien  gedenkt 
er  in  der  Schrift  de  baptismo  5.  176)  Anspielung  auf  die  christlichen  Märty- 
rer die  unter  dem  Schwerte  des  Henkers  die  Krone  des  Lebens  sich  verdien- 
ten. Das  Nähere  über  diese  Mithrasmysterien  in  der  Schrift  de  Corona  mi- 
litis  15.  ,77)  S.  oben  Anm.  93.  178)  Bezieht  sich  auf  die  Römischen  Vesta- 
linnen,  die  jungfräuliche  Priesterin  der  Hera  zu  Aegium,  der  Pythien  zu  Del- 
phi, und  der  Priesterinnen  der  Africanischen  Ceres:  deren  er  in  den  Büchern 
ad  uxorem  I,    6  und  de  monogamia  17  gedenkt. 


129 

vilegien,  den  ganzen  Opferdienst  und  die  dabei  üblichen  Werkzeuge 
und  Gefässe,  und  alle  Wunderlichkeiten  der  Sühnungen  und  Gelübde 
betrachten:  ist  es  dann  nicht  offenbar,  dass  der  Teufel  darin  die 
Majestät  des  jüdischen  Gesezes  nachgeahmt  hat?"  Und  an  einer 
andern  Stelle  179  betrachtet  er  den  Numa  gerade  so  als  einen  Vor- 
arbeiter Christi,  wie  sonst  Moses  aufgefasst  wird:  Numa  habe  die 
noch  rohen  Menschen  durch  die  Menge  seiner  Götter  erschüttern 
und  durch  ein  beschwerliches  Ritualgesez  zur  Menschlichkeit  heran- 
bilden ;  Christus  den  schon  gebildeten  und  durch  die  Bildung  selbst 
getäuschten  Menschen  zur  Anerkennung  der  Wahrheit  die  Augen 
öffnen  wollen. 

i] 
Diese  Erklärung  der  Übereinstimmung   Mosaischer   und  Nümai- 

scher  Institutionen  aus  des  Teufels  Gewalt  begehre  ich  nicht 
zu  vertheidigen :  so  lange  menschliche  Mittel  ausreichen ,  mag 
der  Teufel  füglich  aus  dem  Spiele  bleiben;  die  menschenmöglichen 
Erklärungsmittel  aber  sind  in  der  Altertumswissenschaft  noch  lange 
nicht  erschöpft.  Die  Ansicht  aber  von  einer  der  Stellung  Mosis  zu 
Christus  parallelen  Stellung  Numas  nehme  ich  von  dem  christlichen 
Apologeten  gerne  an.  Die  beschwerliche  Disciplin180  der  von 
Numa  augeordneten  Sacra,  sein  ganzes  lästiges  Caerimonialgesez  ist 
dem  Mosaischen  allerdings  ähnlich,  ja  die  beiden  Völkern  gemein- 
same   ängstliche   Scrupulosität   in    der  pünktlichsten    Erfüllung   aller 


l79)  Tertullianus  Apolog.  21:  homo  fuit  Pompilius  Numa,  qui  Romanos 
operosissimis  supeistitionibus  oneravit.  Licuerit  et  Christo  commentari  divi- 
nitatem  rem  propriam;  non  qui  rupices  et  adhuc  feros  homines  multitudine 
tot  numinum  demerendoiutn  attonilos  efliciendo  ad  humanitatem  temperaret, 
quod  Numa;  sed  qui  jam  expolitos  et  ipsa  urbanitate  deceptos  in  agnitionem 
veritatis  ocularet.  —  180)  Cic.  de  Eep.  II,  14:  sacrorum  ipsorum  diligentiani 
difhcilem,  apparatum  perfacilem  esse  voluit.  Über  Lezteres,  die  Einfachheit 
der  von  Numa   angeordneten   Sacra,   vergl.  de   N.  D.   III,   17.     Parad.  I,  2,    11. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Akad-   d.   Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)  17 


130 


gesezlich  vorgeschriebeneu  Förmlichkeiten  l  s  l  ist  frappant :  und  wenn 
Paulus  das  Mosaische  Gesez  einen  Erzieher  nennt,  der  zu  Christus 
hinführe ,  * 8  2  so  ist  es  dem  Geiste  des  grossen  Heidenapostels 
schwerlich  zuwider,  dieselbe  Wahrheit  auch  auf  die  Saznngeii 
Numas  anzuwenden.  Denn  dass  die  neue  Weltreligion  der  geisti- 
gen Freiheit,  die  wahre  Lehre  Christi,  das  pantheistische  Princip 
der  heidnischen  und  das  monotheistische  der  jüdischen  Religion  in 
sich  bescbliesse,  183  dass  die  Römer  nur  darum  die  Mission  hatten. 
Jerusalem  zu  zerstören,  weil  was  in  ihm  ewig  war,  bei  ihnen  wie- 
der auf-  und  fortleben  sollte,  kurz  dass  das  christliche  Rom  auf 
den  Trümmern  des  Heidenthums  wie  des  Judenthums  erbaut  sei :  das 
ist  für  die  Philosophie  der  Geschichte  eine  unzweifelhafte  Wahrheit. 


181)  Vergl.  Plutarchus  v.  Coriolani  25  p.  225  f.     v.  Marcelli  4  p.  300,   A. 
Arnobius   IV,    31.    37.  182)   Gal.   3,    24:     vöfiog   Tcaidaycoyög   dg  Xoiotöv. 

t83)  Vergl.  die  treffliche  Abhandlung  von  J.  H.  Deinhardt  über  den  Gegensaz 
des  Pantheismus  und  Deismus  (vielmehr :  Monotheismus)  in  den  vorchristlichen 
Religionen,  ßromberg  1845. 


U  e  b  e  r 


die    Mauern   von    Babylon 


un( 


das  Heiligthum  des  Bei  daselbst 


Dr.   Franz  Streber. 


17* 


t  eber 

die  Mauern  von  Babylon 

und 

das    Heiligthuin    des    Bei    daselbst 


Dr.  Franz  Streber. 


Babylon  gehörte  unstreitig  zu  den  ältesten  und  berühmtesten 
Städten  der  alten  Welt,  von  denen  Kunde  zu  uns  gekommen. 

Wer  kennt  nicht  die  mosaische  Erzählung,  dass  die  Völker 
schon  zu  der  Zeit,  als  noch  Eine  Sprache  auf  Erden  war  und 
einerlei  Rede,  sich  in  der  Ebene  Senaar  eine  Stadt  bauten  und 
einen  Tlsunn,  von  da  aber  zerstreut  wurden  über  alle  Gegenden  l)'?. 
So  prangt  der  Name  Babel  schon  in  den  ältesten  Urkunden  als  dei- 
chte Sitz  der  bürgerlichen  Gesellschaft  und  die  Wiege  der  Cultur. 
und  bereits  ein  Enkel  des  Cham,  Nimrod  2),  oder  wie  die  Profan- 
ScL-riftsteller  berichten,  Bei  3),  wird  als  ein  mächtiger  Herrscher 
daselbst  geschildert. 

Nicht  minder  herrscht  über  die  Grösse  und  Pracht  dieser  alten 
Königsstadt  nur  Eine  Stimme.     Als  Nebucadnezar    von  seiner  Burg 


')   Genesis,  cap.   11.     2)    Genesis,   cap.    10-      3)    Vergl.    Perizonii   Origines 
Babylon,    cap.    VIT.    pag.   93. 


134 

die  uuermessliche  Stadt  überschaute,  die  der  Sammelpunkt  von  al- 
len Reichthümern  und  Schätzen  geworden  war,  konnte  er  mit  Recht 
ausrufen  '):  „Ist  das  nicht  die  grosse  Babel,  die  ich  zur  Wohnung 
des  Königs  erbaut  durch  meine  starke  Macht  und  zu  Ehren  meiner 
Herrlichkeit ■?"  und  die  Propheten  des  alten  Bundes  stimmen  ein  in 
dieses  Urtheil  und  nennen  Babel  „die  grosse,  die  weltgepriesene, 
die  stolze  Zierde  der  Chaldäer."  Auch  die  alten  Schriftsteller  des 
Occidents  bestätigen  solches.  Herodot  2)  nennt  Babylon  die  berühm- 
teste und  stärkste  unter  den  vielen  Städten  Assyriens.  Philo  von 
Byzanz  3)  zählt  die  Mauern  der  Stadt  und  die  schwebenden  Gärten 
unter  die  sieben  Wunder  der  Welt.  Dasselbe  wiederholt  Strabd  *). 
In  ähnlicher  Weise  berichtet  Plinius  5):  „Babylon  diu  summam  cla- 
ritatem  obtinuit  in  toto  orbe."  Selbst  zur  Zeit  Alexanders  des  Ero- 
berers musste  diese  Stadt  noch  viele  Denkmäler  ihrer  alten  Pracht 
aufzuweisen  haben,  denn  Curtius  6J  schreibt:  „ipsius  urbis  pulchri- 
tudo  ac  vetustas  (venustas)  non  regis  modo  sed  etiam  omnium  ocu- 
los  in  semet  haud  immerito  converth,"  und  bekanntlich  gedachte  Ale- 
xander, voll  von  weitaussehenden  Plänen,  Babylon  zum  Mittelpunkte 
seines  neuen  Reiches  und  zum  Herzen  des  Welthandels  zu  Was- 
ser und  zu  Land  zu  machen. 

Es  wäre  nun  gewiss  nicht  uninteressant,  wenn  wir  uns  über 
die  vorzüglichsten  Bauwerke  dieser  Stadt,  zumal  gerade  diese  ih- 
ren hohen  Ruhm  begründeten,  ein  sicheres  und  klares  Bild  zu  ver- 
schaffen vermöchten.  Auch  fehlt  es  uns  nicht  an  Nachrichten  hiezu. 
Allein  bei  näherer  Prüfung  derselben  erscheint  manches  dunkel,  und 
wenn  man  die  einzelnen  Nachrichten  miteinander  vergleicht,  erheben 
sich  selbst  bedeutende  Widersprüche. 


')  Daniel,  cap.  4.  v.  26.  2)  Herodot,  Lib.  I.  cap.  178.  3)  Philo  Byz. 
Lib.  de  7  orbis  spectaculis.  *)  Strabo,  Lib.  XVI.  cnp.  5-  5)  Plinius.  Hist. 
Nat.  Lib.   VII.  cap.   26.      6)  Curtius  Riifus.    Lib.  V.   cap.    t. 


135 

Das  Dunkle  aufzuklären  ist  mit  grösserem  oder  minderem  Glücke 
mannigfach  versucht  worden ;  die  Widersprüche  entweder  als  solche 
festzustellen  oder  miteinander  auszugleichen,  noch  nicht,  wenigstens 
meiues  Wissens  nicht  mit  Erfolg.  Zu  beidem  einen  Beitrag  zu  lie- 
fern, ist  der  Zweck  der  folgenden  Abhandlung. 


Zu  den  am  meisten  in  Widersprüche  verwickelten  Nachrichten 
der  Alten  gehört,  was  uns  über  die  Mauern  der  Stadt,  nämlich 
ihre  Länge,  ihre  Verdoppelung  oder  Verdreifachung,  ihre  Höhe  und 
Dicke  berichtet  wird;  am  dunkelsten  ist  die  Schilderung  des  Hei- 
ligthums  des  Bei.  Diess  sind  demnach  die  Gegenstände,  die  hier 
näher  erörtert  werden  sollen. 


136 


Von   der  Länge  der  Mauern. 

Die  Länge  der  Mauern  Babylons  wird  bei  den  verschiedenen 
Schriftstellern  des  Alterthums  in  nachstehender  Weise  angegeben. 

Herodüf  schreibt  *):  „Babylon  liegt  in  einer  grossen  Ebene,  in 
der  Grösse  von  hundert  und  zwanzig  Stadien  an  jeder  Seite  und 
ist  ein  Viereck;  so  dass  sich  der  Stadien  des  Umfangs  der  Stadt 
zusammen  vierhundert  und  achtzig  ergeben.  Das  ist  die  Grösse  der 
babylonischen  Stadt".  Kisrai  &v  Titdüo  jutycuipj  fi^ycc&og  tovoa  usrvo- 
iov  sxccotop  ttxooi  xul  ixccrov  Gradiwv,  tovoqg  rtTQaywvov  ovroi 
Grädioi  rijg  nsQiodov  zijg  nöXiog  yivovrm  Gvvänavvsg  oyd'uvcoi're.  y.iü 
r&zQccjcooioi.  to  fiiv  vvv  fstiyaS-ög  togovtoi'  igt/  tov  «ortog  tov  Bk- 
ßvXatvtov. 

Ctesias?)  berichtet,  Seiniraniis  habe,  den  Euphral  in  die  Mitte 
nehmend,  die  Stadt  mit  einer  Mauer  von  dreihundert  und  sechzig 
Stadien  umgeben,  worauf  viele  grosse  Thürme.  3j7ioÄaßovot!  dt 
(Zt-iiiou/mg)  rov  Ev<fqurriv  noretjiidv  elg  f.iiGov  mottßc'cÄtro  Tfi/og  ti] 
noXsi  GTC(diwi>  TQiaxoGloyv  t^rjxoi'ra  <$ihihiu(.ibvov  nvoyoig  nvxvolg  xcu 
ui-yü'/Mig, 


*)  Herodot.  Lib.  I.  cap.    178.      '*)  Diodbr  Sicul.  Li?>.   II.   c.,p.  8. 


137 

Clitarchm  und  einige  Andere,  die  nachher  mit  Alexander  nach 
Asien  kamen  l),  geben  die  Länge  der  Mauern  auf  dreihundert  fünf 
und  sechzig  Stadien  an  und  fügen  hinzu,  Semiramis  habe,  da  eben 
soviele  Tage  im  Jahre  sind,  die  gleiche  Zahl  von  Stadien  anbrin- 
gen wollen,  cog  Ss  KÄsCxaojrog  xal  xvov  vgxsqop  just3  'AÄs^avdoov  dia- 
ßqvxmv  zig  xrjp  \4okiv  xivig  äv^oaipav,  xqiaxoGloiv  k^xoisva  xal  ngvze 
oxadliov  xal  nQogxi&iaGiv  ort  xwv  Xgvov  i]jusqcui/  sig  xbv  iviavxöv  ovovijv, 
i(piZoxi/Lü]0-t]  xov  ioov  aoiü/udv  xuiv  GxaSiwv  dnooTijGag&ai. 

Philo  von  Byzanz  2)  redet  von  einer  Befestigung  von  dreihun- 
dert und  sechzig  Stadien  im  Umfange.  BaßvÄwva  ycio  txsixtae 
(seil.  JZsjuiQajuig)  xoiaxooiwv  t&jxovxa  Gxadiwv  ßäÄÄovoa  {rs^i-XiwaiVy 
wGxe  xr\v  nsQi/usxQOv  xrjg  nöXswg  ^jusqoöqojuov  xog/uov  (xonov)  £%siv. 

Strabo  3)  setzt  den  Umfang  der  Mauer  auf  dreihundert  fünf 
und  achzig  Stadien,  xov  ds  xvxXov  &%si  xov  xsfyovg  xoiaxooiiov 
oydotjxovva  nsvxs  Gxadiwv  4). 

Plinius  5)  schreibt :  Babylon  sexaginta  millia  passuum  am- 
plexa. 

Curtius  Ruf us  meldet6):  Totius  operis  ambitus  CCCLXVIII 
stadia  complectitur:  singulorum  stadiorum  strueturam  singulis  diebns 
perfeetam  esse  memoriae  proditum  est. 

Nach  Philostratus  7)  war  Babylon  in  einem  Umfange  von  vier- 


')  Diodor  Sicul.  loc.  cit.  *)  Philonis  liyz.  libellus  de  7  orbis  speetacu- 
lis.  5)  Strabo  Lib.  XVI.  §.  5.  ed.  Tsch.  p.  249.  4)  Es  ist  wohl  nur  ein  Druck- 
fehler, wenn  Hirt  in  seiner  Geschiebte  der  Baukunst,  B.  I.  S.  135  schreibt, 
Strabo  gebe  den  Umfang  der  Mauern  auf  dreihundert  und  drei  und  achzig 
Stadien  an.  5)  Plinius  Hist.  Nat.  Lib.  VII.  cap.  26  6)  Curtius  Rufus ,  de 
rebus  Alex.  Lib.  V.  cap.  1.  ')  Philostratus,  de  vita  Apollonii  Tyanensis  Lib. 
I.  cap.   25. 

Abhandlungen  d.  I.   Cl.  d.  h.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  18 


1 :5S 

hundert  und   achzig  Stadien  befestigt.     BaßvAaJp  r^xuxiorcti  /utp  6y- 
fiorixovza  xcd  TSTQaxooiec  Gttxdiec  xvzZq). 

Solinus  *)  beliebtet :  Urbs  est  sexaginta  millia  passunm  cir- 
euitu  patens. 

Bei  Oroftius  endlich2)  lesen  wir:  Cetermn  ambitns  ejas  qua- 
dringentis  et  octoginta  stadiis  circumvenitur. 

Es  ist  also  in  den  Angaben  der  verschiedenen  Schriftsteller 
des  Alterthums  über  die  Länge  der  Mauern  von  Babylon  keine  Ueber- 
einstiminung.  Wir  lesen  von  einem  Umfange  von  480,  385,  368, 
365  und  360  Stadien. 

Nothwendig  entsteht  hiebei  die  Frage :  sollen  wir  diese  Ab- 
weichungen durch  die  Annahme  erklären,  dass  sich  die  meisten  Be- 
richterstatter eines  Irrthums  oder  doch  die  Abschreiber  einer  Unge- 
nauigkeit  schuldig  gemacht?  oder  ist  es  vielleicht  möglich,  diese 
verschiedenen  Nachrichten  ihrer  Abweichungen  ohnerachtet  ganz 
oder  doch  theilweise  miteinander  auszugleichen  ? 

Allerdings  scheint  nichts  naheliegender,  als  dort,  wo  sich  Wi- 
dersprüche finden,  sogleich  Irrthum  oder  Uugenauigkeit  vorauszuse- 
tzen, allein  zu  solch  einem  Urtheile  sind  wir  erst  dann  berechtiget, 
wenn  wir  vorher  die  Sache  genau  geprüft  und  nach  allen  Seiten 
hin  wohl  erwogen  haben.  Ich  bin  nun  weit  entfernt  zu  behaupten, 
alles  was  uns  die  Schriftsteller  des  Alterthums  zumal  über  ein  so 
ferne  liegendes  Reich  wie  das  babylonische  berichten,  sei  über  je- 
den Zweifel  erhaben;  ich  behaupte  im  Gegentheil,  bei  diesen  Be- 
richten habe  sich  hie  und  da  eine  Ungenauigkeit  wirklich  einge- 
schlichen;  nichts  destoweniger  jedoch  glaube  ich,    dass  gerade  die 


')  Solinus,   Polyhistor,    cap    LX.     2)   Orosius,   Hist.   Lib.  II.   cap.  6. 


139 

scheinbar  grössten   Widersprüche   ohne   Mühe  ausgeglichen  werden 
können.     Ich  versuche  dieses  in  nachstehender  Weise  zu  zeigen. 

Betrachten  wir  vorerst  die  verschiedenen  Nachrichten  im  All- 
gemeinen, so  lassen  sich  die  Schriftsteller,  die  von  der  Länge  der 
Mauern  Babylons  berichten,  füglich  in  zwei  Classen  theilen.  Auf 
der  einen  Seite  stehen  diejenigen,  die  von  viermal,  auf  der  andern 
die,  welche  mit  etwas  grösserer  oder  geringerer  Abweichung  von 
dreimal  hundert  und  zwanzig  Stadien  sprechen. 

Zu  der  ersten  Classe  gehören  Herodot,  Plinius,  Philosfratus, 
Soli/ms  und  Orosius.  Diese  fünf  Schriftsteller  stimmen  genau  mit- 
einander überein ;  denn  wenn  Plinus,  und  nach  diesem  Solinus,  den 
Umfang  auf  60,000  Schritte  berechnen,  so  kömmt  dieses  Maass  den 
480  Stadien  gleich,  von  denen  Herodot,  Philostratus  und  Orosius 
Meldung  thuu. 

Die  Angaben  der  übrigen  Schriftsteller  schwanken  zwischen 
eiuem  Längeninaasse  von  385  und  360  Stadien.  Ctesias  nämlich 
und  Philo  von  Byzanz  reden  von  360,  Clitarchus  von  365,  Strabo 
von  385,  Vurtius  Rufus  endlich  von  368  Stadien.  Da  sie  sämmt- 
lich  von  den  erstgenannten  bedeutend,  unter  sich  selbst  aber  nur 
wenig  abweichen,  bilden  sie  zusammen  eine  zweite  Klasse. 

Unsere  erste  Aufgabe  wird  nun  seyn,  zn  untersuchen,  was  von 
den  geringeren  Abweichungen  der  Schriftsteller  der  zweiten  Klasse 
zu  halten  sey,  dann  erst  können  wir  fragen,  ob  und  in  wieferne 
zwischen  ihnen  und  den  ersteren  eine  Uebereinstimmung  gefunden 
werden  möge. 

Am  befremdendsten  erscheinen  die  Angaben  des  Strabo  und 
Curtius.  Schon  die  Zahlen  an  sich,  auf  deren  Bedeutung  später 
noch  hingewiesen  werden  soll,  scheinen  verdächtig;  ferner  liegt  ein 

18* 


110 

Widerspruch  in  den  eigenen  Angaben  des  Curtius;  endlich  deutet 
eine  genauere  Vergleichung  der  Nachrichten  des  Strabo  mit  denen 
des  Curtius  nicht  unklar  darauf  hin,  dass  sich  in  Bezug  auf  die 
Länge  der  Mauern  ein  Irrthum  wirklich  eingeschlichen  habe. 

Vergleichen  wir  zuerst  die  Angaben  beider  Schriftsteller  mit- 
einander, so  ist  mit  Ausnahme  des  Längenmaasses  zwischen  ihnen 
eine  so  auffallende  Uebereinstimmung,  dass  keinen  Augenblick  ge- 
zweifelt werden  kann,  Curtius  habe  entweder  den  Bericht  Strabos 
vor  sich  gehabt,  oder  beide  haben  aus  der  nämlichen  Quelle  ge- 
schöpft. 

Strabo  ist  der  erste  und  einzige  Schriftsteller,  der,  abweichend 
von  allen  übrigen,  die  Dicke  der  Mauern  auf  32  Fuss  angibt,  nd- 
%og  8k  rov  rsixovg,  schreibt  er,  nodwv  dvo  xccl  Tqicixovra.  Curtius 
folgt  ihm  hierin  wörtlich,  indem  er  berichtet :  „spatium  XXX  et  duo- 
rum  pedum  latitudinem  amplectitur". 

Andere  Schriftsteller  bedienen  sich,  um  die  Dicke  der  Mauern 
zu  bezeichnen,  des  Ausdruckes:  so  und  so  viele  Wagen  hätten  auf 
derselben  nebeneinander  Platz  gehabt;  Ctesias  redet  von  sechs, 
Philo  von  vier,  Diodor  von  mehr  als  zwei  Wagen.  Strabo  ist 
der  erste  und  einzige,  der,  obgleich  er  das  Maass  der  Breite  ohne- 
hin schon  genau  angegeben,  dennoch  hinzufügt,  die  Mauer  sei  so 
breit  gewesen,  „dass  Viergespanne  auf  derselben  mit  Leichtigkeit 
einander  ausweichen  konnten",  ohne  übrigens  näher  anzugeben,  wie 
viele  Viergespanne  nebeneinander  Platz  gehabt.  CH  8k  ndoodog  im 
rov  T€i'%ovg,  schreibt  er  i),  cog  rid-Qinna  hvnvriodQoiLisiv  e>X%r]?,oig  qci- 
dliog.     Auch  hierin  folgt  ihm    Curtius  wörtlich,   indem  er,    nachdem 


')  Strabo 


141 

er  gleichfalls  die  Breile  ohnehin  schon  auf  32  Fuss  angegeben,  hin- 
zufügt: „quadrigae  inter  se  obcurrentes  sine  periculo  comraeare  di- 
cuntur". 

Strabo  ist  endlich  der  erste  und  einzige,  der  ein  bestimmtes 
Maass  der  Thürme  angibt  und  sie  um  zehn  Ellen  höher  ansetzt  als 
die  Mauer.  c'Yipog  Js  tuiv  fxtv  [xsoonvQybvw  ttjjfcsig  nsvnqzovrci ,  ta>v 
dt  TivQytov  t'i^xovra.  Auch  hierin  stimmt  Curtius  genau  mit  ihm 
übereiu  :  „ Altitudo  murorum  L  cubitorum  eminet  Spatio :  turres  de- 
nis  pedibus  quam  murus  altiores  sunt". 

Man  sollte  nun  erwarten ,  Curtius  werde  auch  in  der  Angabe 
der  Länge  der  Mauer  dem  Strabo  folgen.  Diess  ist  jedoch  nicht 
der  Fall,  denn  der  eine  setzt  den  Umfang  der  Stadt  auf  368,  dej 
andere  auf  385  Stadien.  Dieser  Umstand  berechtiget  uns  um  so 
mehr  zu  der  Annahme,  dass  sich  hier  ein  Schreibfehler  oder  sonst 
eine  Unrichtigkeit  eingeschlichen  habe,  als  sich  weder  die  Zahl  368 
noch  385  bei  irgend  einem  anderen  Schriftsteller  findet.  Ohne  Zwei- 
fel wollten  beide,  wie  Clitarchus  und  andere,  365  schreiben  *). 

Diess  gewinnt,  was  wenigstens  die  Angabe  des  Curtius  be- 
trifft, noch  mehr  an  Wahrscheinlichkeit,  wenn  wir  erwägen,  dass 
dieser  Schriftsteller  gerade  in  Bezug  auf  das,  was  er  von  der  Länge 
der  Mauern  sagt,  mit  sich  selbst  in  Widerspruch  kömmt.  Er  gibt 
nämlich  den  Umfang  der  Mauern  auf  368  Stadien  an,  fügt  aber  un- 
mittelbar hinzu,  dass  je  ein  Stadium  in  einem  Tage  fertig  gebaut 
worden  sey.  „Totius  operis  ambitus",  sind  seine  Worte,  „CCCLXVIII 
stadia  complectitur :  siugulorum  stadiorum  structuram   singulis  diebus 


l)  Strabo  mochte,  als  er  ,,365  Stadien"  schreiben  wollte,  sich  an  die  äl- 
tere Angabe  von  400  und  achzig  Stadien  erinnern  und  nun,  beide  Angaben 
miteinander  verwechselnd,  dreihundert  fünf  und  achzig  statt  drei  hundert  fünf 
und  sechzig  setzen. 


112 

perfectam  esse  memoriae  proditum  est".  Diesen  Zusatz  nahm  Vurtim 
offenbar  aus  Diodor  von  Sicilien,  welcher  erzählt  '),  Semiramis  habe, 
um  den  Bau  schneller  zur  Vollendung  zu  bringen,  jedem  ihrer 
Freunde  ein  Stadium  zugemessen  und  die  hiezu  nöthigeu  Auslagen 
angewiesen  und  sie  aufgefordert,  das  Werk  in  einem  Jahre  zu 
vollenden  {öiccy.eXsvoa^vri  tsXoq  smd-sivca  roig  tQyoig  Iv  iviavzw). 
Auf  jeden  Fall  könnte  der  Zusatz,  es  sei  an  je  einem  Tage  ein 
Stadium  fertig  gebaut  worden,  nur  dann  einen  Sinn  haben,  wenn 
hiemit  zugleich  angedeutet  ist,  dass  in  solcher  Weise  innerhalb  Jah- 
resfrist der  ganze  Bau  fertig  geworden  sey.  Das  Jahr  hat  aber 
nicht  368  Tage. 

Vollends  begründet  scheint  endlich  die  Annahme,  dass  die  von 
Sfrabö  und  Vurthis  angegebenen  Zahlen  ungenau  seyen,  wenn  wir 
auf  die  Zahlen  selbst  Rücksicht  nehmen,  und  diess  führt  uns  zur 
näheren  Prüfung  der  Angaben  des  Ctesias,  Clitarchus  und  Philo 
von  Byzanz. 

Ctesias  gibt  den  Mauern  von  Babylon  einen  Umfang  von  360 
Stadien,  Clitarchus  und  Philo  geben  denselben  auf  365  an.  Diese 
beiden  Zahlenangaben  haben  offenbar  beiweitem  mehr  Glaubwür- 
digkeit für  sich  als  die  von  Sfrabo  und  Curfius-  angeführten.  Denn 
es  ist  unzweifelhaft  und  auch  von  den  Archäologen  anerkannt,  dass 
die  Völker  des  Alterthums  in  der  Anlage  der  Heiligthümer  sowohl 
als  der  Städte  sich  von  einem  tiefeu  Natursinne  und  von  religiösen 
Anschauungen  leiten  Hessen.  Wie  die  Stadt  Babel  nicht  aus  blos- 
sem Zufalle  in  einem  Vierecke  erbaut  und  nach  den  vier  Weltge- 
genden angelegt  war,  sondern  hiebei  die  uralte  Natur  und  Elemen- 
tenzahl „Vier"  zum  Grunde  gelegt  wurde,  so  sollte  auch,  wir  kön- 
nen kaum  daran   zweifeln,    die  Länge   der   Mauer   symbolisch    hin- 


')  Diodor  Sicul.   Lib.  II.  cap.  7. 


143 

deuten  auf  den  ältesten  Cultus  der  Babylonier,  nämlich  auf  die  Ver- 
ehrung der  Umkreisung  des  Himmels  und  hiemit  auf  den  immer  wie- 
derkehrenden Kreislauf  des  Jahres.  Diese  Erklärung  ist  übrigens 
keine  neue,  schon  die  Alten  haben  es  so  aufgefasst.  Clitarchus 
und  andere  sprechen  es  geradezu  aus,  dass  die  Erbauer  den  Mau- 
ern darum  eine  Länge  von  365  Stadien  gegeben  haben,  weil  sie  die 
Zahl  der  Stadien  der  Zahl  der  Tage  im  Jahre  gleichmachen  woll- 
ten. c£2g  f)«  KfeirciQxog ,  schreibt  Diodor  x),  xal  tmv  votsqov  /ust 
\4Xa^c'cvÖQ0v  d LußüvTvov  eig  rtjv  'Aoiav  nvkg  ävtyQcctyav ,  romzooimv 
i'irizovxu  zdi  nsvrs  Gradiwv,  xal  TtQogri9-£ciGiv  ort  xwv  Yawv  tfjuSQiuv  sig  töv 

tvMVTQV     OVGWV    igjlZoTljUlj&t}     XOV    löOV    CCQld-UÖV    T(OV    GTCtdCwV    VTlOGTfJ- 
GC(G\)-C!l. 

Hat  diese  Deutung  ihre  Richtigkeit,  muss  in  dem  Längeninaasse 
der  Mauer  eine  Symbolik  gesucht  werden,  so  haben  wir  einen 
Grnnd  mehr,  in  den  Angaben  des  Strabo  und  Curtius  einen  Fehler 
zu  suchen,  und  den  Angaben  des  Ctesias,  Clitarchus  und  Philo  den 
Vorzog  zu  geben. 

Wenn  die  letztgenannten  Schriftsteller,  da  Ctesias  von  360, 
Clitarchus  aber  und  Philo  von  Byzanz  von  365  Stadien  reden,  nicht 
ganz  genau  übereinstimmen ,  so  ist  doch  der  Unterschied  von  5  Sta- 
dien zu  unbedeutend,  als  das«  es  der  Mühe  lohnte,  hierauf  ein  be- 
sonderes Gewicht  zu  legen.  Sollte  übrigens  dennoch  ein  besimmter 
Ausspruch  gethan  werden,  so  würde  ich,  da  Quinctüian  über  Cli- 
tarchus scheibt:  „Clitarchi  probatnr  ingenium,  fides  infamatur",,  der 
Angabe  des  Ctesias,  als  der  glaubwürdigeren,  den  Vorrang  ein- 
räumen. 


M   Diodor.  Sicul.   Lib.   II. 


cap. 


III 

Doch  dem  sei  wie  ihm  wolle,  wir  mögen  den  Umfang  der 
Mauern  mit  dem  älteren  Ctesias  auf  360,  oder  mit  dem  jüngeren 
Clifarckus,  mit  welchem  Philo  von  Byzanz  genau  übereinstimmt  und 
von  dem  selbst  Strabo  und  Curtius  nur  unbedeutend  abweichen,  auf 
365  Stadien  setzen  :  immerhin  bleibt  uns  noch  die  Hauptschwierig- 
keit zu  lösen,  wie  sich  nämlich  diese  Nachricht  mit  den  Angaben 
der  Schriftsteller  der  ersten  Klasse,  welche,  Herodot  an  der  Spitze, 
von  480  Stadien  reden,  ins  Gleichgewicht  bringen  lasse.  Sollte 
Herodot,  der  mit  Recht  der  Vater  der  Geschichte  genannt  wird, 
der  allgemein  als  ein  glaubwürdiger  Schriftsteller  anerkannt  ist,  der 
hier  überdiess  als  Augenzeuge  redet,  da,  wo  er  über  die  alte  Kö- 
nigsstadt am  Euphrat  berichtet,  für  minder  zuverlässig  gehalten 
werden,  wie  Ctesias,  der  Leibarzt  des  Artaxerxes  Memnoii  zu  Susa, 
oder  Clitarchns,  der  beständige  Begleiter  Alexanders  auf  seinem 
Zuge  nach  Asien  ? 

Einige  schenken  nur  dem  Herodot  Glauben,  ohne  auf  die  Anga- 
ben der  übrigen  Schriftsteller  die  mindeste  Rücksicht  zu  nehmen ; 
andere  verwerfen  umgekehrt  die  Nachrichten  Herodots  als  fabelhaft 
oder  verfälscht  *)  und  halten  sich  an  die  Neueren,  denn  die  Beglei- 
ter Alexanders,  sagen  sie  2),  haben  sich  länger  aufgehalten  und  ge- 
nauer gemessen.  Die  Meisten  endlich  führen  die  verschiedeneu 
Nachrichten  an,  ohne  sich  selbst  für  die  eine  oder  andere  mit  Be- 
stimmtheit auszusprechen. 

Ich  glaube,  wir  haben  nicht  nöthig,  an  der  Wahrheitsliebe  und 
Genauigkeit  dieser  Schriftsteller  zu  zweifeln,  vielmehr  ist   der  Wi- 


')  Vielleicht,  sagen  Einige,  schrieb  Herodot  Palaestea  oder  Palmen,  de- 
ren lünf  eine  Elle  ausmachten  und  diesen  richtigen  Ausdruck  verfälschte  et- 
wa irgend  ein  Abschreiber  und  machte,  um  das  Wunderbare  zu  vergrössern. 
Ellen  daraus.      2)  Vergl.  Bredow  Untersuch,  über  alte  Gesch.  II.   541. 


145 

derspruch,  für  so  gross  man  ihn  im  ersten  Augenblicke  halten  mag, 
nur  ein  scheinbarer.  Durch  eine  aufmerksame  Prüfung  der  Nach- 
richten Herodots  wird  dieses   klar  werden. 

Herodof  gibt,  wie  bereits  oben  erwähnt  worden,  den  Umfang 
der  Stadt  auf  480  Stadien  an.  Diese  Nachricht  haben  bisher  sämmt- 
liche  Erklärer  so  verstanden,  als  rede  Herodot  von  den  Mauern. 
Allein  einer  solchen  Auslegung  muss  ich  widersprechen.  Ich  be- 
haupte im  Gegeiltbeile,  Herodot  sage  mit  keiner  Silbe,  dass  die 
Mauern  den  erwähnten  Umfang  gehabt  haben.  Nachstehende  Dar- 
legung mag  meine  Behauptung  rechtfertigen. 

Der  Bericht,  den  uns  Herodot  über  Babylon  gibt,  zerfällt  in 
drei  Theile.  Zuerst  entwirft  er  ein  allgemeines  Bild  von  der  Lage, 
der  Gestalt  und  dem  Umfange  der  Stadt,  ohne  sich  vor  der  Hand 
auf  eine  Schilderung  oder  auch  nur  eine  Erwähnung  der  einzelnen 
Theile  oder  Merkwürdigkeiten  derselben  einzulassen.  Sodann  be- 
schreibt er,  nunmehr  zu  dem  Einzelnen  übergehend,  die  Befestigungs- 
werke und  zwar,  als  wollte  er  den  ankommenden  Fremdling  als 
Führer  den  einfachsten  und  kürzesten  Weg  weisen,  zuerst  den  Gra- 
ben mit  seinen  Dämmen,  dann  die  Mauern  mit  ihren  Tbürmen  und 
Tboren  und  endlich  den  Wall  zu  beiden  Seiten  des  die  Stadt  in 
zwei  Hälften  theilenden  Euphrats.  Zuletzt  geht  er  auf  die  Merk- 
würdigkeiten über,  die  sich  im  Innern  der  Stadt  finden,  erwähnt  in 
Kürze  der  Königsburg,  spricht  dann  ausführlich  von  dem  Heiligthume 
des  Bei  und  führt  sonst  noch  an,  was  ihm  besonders  des  Gedächt- 
nisses werth  schien.  Diess  ist  der  Gedankengang,  der  dem  Berichte 
Herodots  zum  Grunde  liegt.  Lassen  wir  ihn  nun,  soweit  es  für  un- 
seren Zweck  nöthig  ist,  selbst  reden. 

„Assyrien",    schreibt    Herodot  *),   „hat  zwar  noch  viele  andere 


l)  Herod.  Lib.  I.  cap.    178. 
Abhandlungen  d.  I.  CI.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (Aj         19 


146 

grosse  Städte,  aber  die  berühmteste  nnd  stärkste,  und  seit  der  Er- 
oberung der  Ninusstadt  auch  der  Sitz  des  Königthums  war  Baby- 
lon. Die  Stadt  aber  war  also  beschaffen,  iovoa  xoiavxn  dtj  xig 
nö/.ig.  Sie  liegt  in  einer  grossen  Ebene,  in  der  Grösse  von  hundert 
und  zwanzig  Stadien  auf  jeder  Seite  und  ist  ein  Viereck,  so  dass 
sich  der  Stadien  des  Umfang*  der  Stadt  zusammen  vierhundert  und 
achzig  ergeben,  ovxoi  Gxädioi  xijg  jxsqioöov  xrjg  noÄtog  yivovxai 
avvcinavTsg  oydcpxovxa  xal  xsxqcsxooioi. 

So  lauten  die  Worte  Herodots  und  die  hier  angeführte  Stelle 
ist  die  einzige,  in  welcher  von  einem  Umfange  von  480  Stadien  die 
Rede  ist.  Nun  frage  ich,  wo  findet  sich  hier  die  Behauptung  ge- 
rechtfertiget, Herodot  gebe  die  Länge  oder  den  Umfang  der  Mauern 
auf  480  Stadien  an  ?  Er  spricht  hier  einzig  und  allein  nur  von 
dem  Umfange  der  Stadt.  „Die  Stadt  war  also  beschaffen",  mit  die- 
sen Worten  eröffnet  er  die  Schilderung,  die  er  von  Babylon  geben 
will ;  „das  nun  ist  die  Grösse  der  babylonischen  Stadt,  xo  fxiv  vvv 
ueya&og  xooovxöv  toxi  xov  aoxsog  xov  BaßvXwvCov",  mit  diesen  Wor- 
ten scliliesst  er  das  allgemeine  Bild,  das  er  entwerfen  wollte.  Von 
den  Mauern  ist  hier  ganz  und  gar  keine  Rede ;  es  wird  derselben 
gar  nicht  gedacht. 

Deutet  vielleicht  Herodot  im  zweiten  Theile  seines  Berichtes, 
in  welchem  er  ausführlich  von  den  Befestigungswerken  und  somit 
auch  von  den  Mauern  handelt,  darauf  hin,  dass  letztere  gemeint 
seien  ,  wenn  vom  äussersten  Umfange  der  Stadt  die  Rede  ist,  dass 
diese  sonach  in  einer  Länge  von  480  Stadien  sich  ausgedehnt  ha- 
ben ?  Auch  das  nicht;  Herodot  sagt  im  Gegentheile,  dass  nicht  die 
so  berühmten  Mauern,  sondern  ein  breiter  Graben  die  Grenze  der 
Stadt  gebildet  habe.    Lassen  wir  auch  hier  wieder  ihn  selbst  reden. 

„Es  war  aber  dieselbe  (nämlich  die  Stadt]  eingerichtet",  schreibt 
er,    „wie  keine    andere  Stadt   unseres  Wissens,     ixexooutjxo  ds  wg 


147 

ovSkv  uXXo  nöXiopa  twv  lausig  ifipsv.  Fürs  erste  umgibt  sie  ein  tie- 
fer, breiter  und  wasserreicher  Graben,  racp^og  juiv  nowxä  piv  ßa- 
frea  re  xm  svoicc  xccl  nXhr\  vdcaog  TieQi&esi,  dann  aber  eine  Mauer 
von  fünfzig  königlichen  Ellen  in  der  Breite  und  zweihundert  in  der 
Höhe,  fxsrd  dt  zsixog  x.t.Z."  Zulezt,  nachdem  er  noch  etwas  aus- 
führlicher von  der  Beschaffenheit  dieser  Bauwerke,  von  dein  hiezu 
verwendeten  Material,  von  den  Thürmen  und  Thoren  u.  s.  w.  ge- 
sprochen, schliefst  er  diesen  zweiten  Theil  seines  Berichtes  mit 
den  Worten  :  „In  solcher  Weise  nun  war  Babylon  befestigt,  its- 
TSi%iGro  piv  vvv  f\  BaßvAwv  rorma)  roundn". 

Es  ist  also  auch  hier,  wo  die  Befestigungswerke  beschrieben 
werden,  nirgend  gesagt,  dass  die  Mauern  die  erwähnte  Länge  ge- 
habt haben;  Herodot  behauptet  vielmehr  mit  klaren  Worten,  dass 
die  ringsum  480  Stadien  messende  Stadt  zuerst,  das  ist  nach  aussen 
durch  einen  hreiten  Graben,  und  dann  erst,  das  ist  nach  innen  mit 
einer  hohen  und  dicken  Mauer  befestiget  gewesen  sey.  Diess  heisst 
offenbar  so  viel  als,  nicht  die  Mauern,  sondern  die  äussere  Linie 
des  Grabens  hatte  einen  Umfang  von  480  Stadien. 

Sollte  dennoch  ein  Zweifel  übrig  bleiben,  ob  Herodot  bei  dem 
Umfange  der  Stadt  wirklich  den  dieselbe  umschliessenden  Graben 
mitgerechnet  habe,  indem  es  ja  viel  natürlicher  sey,  die  Grösse  ei- 
ner Stadt  nach  dem  Umfange  der  Mauern  als  nach  dem  ausserhalb 
derselben  befindlichen  Graben  zu  berechnen:  so  wird  auch  dieser 
Zweifel  durch  den  weiteren  Bericht  Herodots  gelöst.  Nachdem  er 
nämlich  in  der  bezeichneten  Weise  von  dem  Graben  sowohl  als  von 
der  Mauer  Melduug  gethan,  geht  er  unmittelbar  zu  der  näheren 
Schilderung  derselben  über  und  sagt,  man  habe  den  Bau  mit  ge- 
brannten Ziegeln  und  heissem  Erdpeche  aufgeführt  und  zwar  „bau- 
ten sie  in  solcher  Weise  zuerst  die  Ränder  des  Grabens  und  zwei- 
tens die  Mauer  selbst  auf  gleiche  Art,  Msipccv  nqwxa  piv  rrjg  rdtp- 

19* 


US 

oov  rc'c  yet'Asa ,  dtVTSQcc  (U  avTO  ro  reTyog  top  civtöv  tqotiov".  Hier- 
aus ergibt  sich,  dass  wir  hier  durchaus  nicht  an  einen  gewöhnli- 
chen Graben,  sondern  an  ein  ordentliches  Befestigungswerk  zu  den- 
ken liaben  und  zwar  auf  gleiche  Art,  top  ccvtov  roönov,  erbaut,  wie 
die  Mauer  selbst.  Ja,  da  Herodot,  wo  er  von  dem  Baue  dieses 
Grabens  redet,  nicht  blos  vom  Rande  desselben,  sondern  in  der  Mehr- 
zahl von  den  Rändern  spricht,  Iduucv  tcc  ysiXsa ,  da  sonach  der 
Graben  auf  jeder  Seite  mit  einem  festgemauerten  Damme  eingeschlos- 
sen war.  so  bildete  dieser  ein  für  sich  selbst  bestehendes,  von  der 
Mauer  gesondertes  Bollwerk  und  zwar  dem  Feinde  gegenüber  das 
erste,  die  Mauer  aber  das  zweite.  Es  war  sonach  für  Herodot 
Grund  genug  vorhanden,  bei  dem  Gesammtumfange  der  Bauwerke 
von  Babyion  auch  den  Graben,  insoferne  dieser  ebensogut  wie  die 
Mauer  selbst  zu  den  Befestigungswerken  der  Stadt  gehörte,  mit  zu 
rechnen. 

Wenn  nun  aber  Herodot  nirgend  behauptet,  dass  die  Mauern 
einen  Umfang  von  480  Stadien  gehabt  haben,  so  steht  auch  seine 
Angabe  mit  der  des  Ctesias  und  Clitarchus  nicht  im  Widerspruche, 
vielmehr  erklärt  sich  die  Sache  ganz  einfach  dadurch,  dass  Herodot 
vom  Umfange  der  ganzen  Stadt  mit  Einschluss  särnmtlicher  Bollwerke 
redet,  während  die  übrigen  Schriftsteller  blos  von  der  Länge  der 
Mauern  Erwähnung  thun. 

Diese  Unterscheidung  wird  übrigens  durch  die  Berichterstatter 
selbst  bestätiget,  denn  blicken  wir  nochmal  auf  die  Nachrichten  der 
einzelnen  Schriftsteller  zurück,  so  finden  wir,  dass  alle  diejenigen, 
die  den  Umfang  Babylons  auf  360  oder  365  Stadien  angeben,  deut- 
lich und  einzig  nur.  von  dem  Umfange  der  Mauern  reden,  während 
die  übrigen,  ihrem  Gewährsmann  Herodot  folgend,  wenn  auch  min- 
der klar,  allemal  von  den  Mauern  nur  die  Höhe  und  Dicke ,  von 
der  Stadt  aber  den  Umfang  erwähnen.     Jlsoiißc'dtro  rsiyog  vi}  nö- 


149 

khi ,  schreibt  Ctesias,  Grccdkov  TQictzoGtwv  &!*iJ}coptc'..  —  Töv  dk  xv- 
zXöv  b/€i  rov  T£t%ovg  TQiaxoGtow  6ydoi]}covta  n£vrs  öraddov,  sind 
die  Worte  Strabos.  —  BccßvJuovci  yaQ  Irsf^ios  tquixogicop  t^xovza 
Gradiiov  ßctXXovGcc  &elueAi'wGti> ,  berichtet  Philo  von  Byzanz.  Selbst 
der  Ausdrock  des  Curtius,  „totius  operis  ambitus  CCCLXVIII  sta- 
dia  complectitur"  kann,  da  er  unmittelbar  vorher  von  dem  Material 
der  Mauer  und  ihrer  Dicke  und  Höhe  und  dem  Maasse  ihrer  Thürme 
gesprochen  hat,  nur  auf  die  Mauer  selbst  bezogen  werden.  Wenn 
aber  dagegen  Plinius  schreibt :  „Babylon,  chaldaicarum  gentium  Ca- 
put, —  sexaginta  millia  passuum  amplexa,  niuris  ducenos  pedes  al- 
tis,  quinquaginta  latis",  was  dann  fast  wörtlich  Salinus  nachge- 
schrieben; oder  wenn  Orosius  berichtet:  „Haec  (Babylouia),  campi 
planitie  undique  conspicua,  natura  loci  laetissima,  castrorum  facie 
moenibus  paribus  per  quadrum  disposita;  murorum  ejus  vix  credibilis 
relatu  firmitas  et  magnitudo  id  est  latitudine  cubitorum  quinquaginta, 
altitudine  quater  tanta.  Ceterum  ambitus  ejus  (seil,  urbis)  quadrin- 
gentis  et  octoginta  stadiis  cirenmvenitur",  so  lässt  sich  nicht  verken- 
nen, dass  Plinius,  wie  Herodot,  zuerst  vom  Umfange  der  Stadt 
überhaupt  und  dann  erst  von  den  Maassen  der  Mauer  redet,  Oro- 
sius  aber  umgekehrt  zuerst  die  Höhe  und  Dicke  der  Mauern  und 
dann  den  Gesammtumfaug  der  Stadt  anführt. 

Hat  das  bisher  Gesagte  seine  Richtigkeit;  so  ergibt  sich  nun 
von  selbst  die  Lösung  einer  weiteren  Frage,  wie  wir  uns  nämlich 
das  Verhäliniss  des  Grabens  zur  Stadtmauer  vorzustellen  haben. 

Wenn  der  Bezirk  der  ganzen  Stadt  zufolge  der  Angabe  Hero- 
dots  auf  jeder  Seite  120  Stadien  mass,  die  Mauer  aber  nach  Cte- 
sias auf  jeder  Seite  eine  Länge  von  90  Stadien  hatte,  so  blieb  zwi- 
schen dem  äussersten  Rande  des  Grabens  und  der  eigentlichen  Stadt- 
mauer auf  jeder  Seite  ein  Zwischenraum  von  15  Stadien. 


150 


Ein  solcher  Zwischenraum  mag  zwar  übergross  scheinen;  al- 
lein Herodot  sagt  ausdrücklich,  der  Graben  sey  breit  gewesen;  und 
in  der  That,  da  derselbe  Schriftsteller  überdiess  hinzufügt,  aus  der 
Erde,  die  aus  dem  Graben  gestochen  wurde,  habe  man  diejenigen 
Ziegel  geformt,  die  zur  Erbauuug  nicht  nur  der  Räuder  des  Gra- 
bens, sondern  auch  der  Stadtmauer,  ja  selbst  der  über  derselben 
befindlichen  Thürme  erforderlich  waren,  diese  Bauten  aber  ihrer  un- 
glaublichen Höhe  und  Dicke  wegen  eine  ausserordentliche  Menge 
von  Ziegeln  erforderten:  so  müssen  wir  uns  den  Graben  sehr  breit 
vorstellen. 

Ferner  ist  schon  oben  darauf  aufmerksam  gemacht  worden, 
dass  der  Graben  auf  beiden  Seiten  mit  einem  gemauerten  Damme 
befestiget  war.  Hieraus  folgt,  dass  das  Wasser  des  Grabens  die 
Stadtmauer  nicht  unmittelbar  bespülte,  sondern  zwischen  dem  inne- 
ren Damme  und  der  Stadtmauer  sich  noch  ein  Zwischenraum  be- 
fand. Dieser  mag  in  Vereinigung  mit  dem  breiten  Graben  und  des- 
sen Dämmen  immerhin  eine  Breite  von  15  Stadien  eingenommen 
haben. 

Uebrigens  wird  sich  das  Verhältniss  des  befestigten  Grabens 
zur  grossen  Mauer  erst  dann  vollkommen  deutlich  herausstellen, 
wenn  wir  näher  betrachtet  haben,  was  sonst  noch  von  inneren  und 
äusseren  Mauern  erwähnt  wird.  Bevor  wir  jedoch  zu  diesem  Ge- 
genstande übergehen,  prüfen  wir  noch  die  verschiedenen  Nachrich- 
ten, welche  sich  bei  den  Schriftstellern  des  Alterthums  über  die 
Höhe  und  Breite  der  Mauern  finden. 


151 


II. 

Von  der  Höhe  der  Mauern. 

Wie  die  Länge,  so  wird  auch  die  Höhe  der  Mauern  bei  den 
verschiedenen  Schriftstellern  verschieden  angegeben.  Ich  führe  die 
einzelnen  Nachrichten  der  Reihe  nach  an. 

Herodot  l)  bemisst  die  Höhe  auf  zweihundert  königliche  Ellen. 
Mszä  Je  r£i%og  n^vxrir.ovxa  /usp  n^yjojv  ßaOiAqtojv  sov  ro  svqog,  vipog 
d£  dirjxoGiwv  nrj/Jvov. 

Ctesias  bei  Diodor  von  Sicilien  2)  drückt  sich  in  doppelter  Weise 
aus.  Zuerst  bemerkt  er  im  Allgemeinen,  die  Höhe  der  Mauern  sei 
so  gross,  dass  es,  wer  sie  nicht  selbst  gesehen  hat,  unglaublich 
findet,  ro  d*  vxpog  amorov  roig  äxovovaiv,  dann  aber  gibt  auch  er 
ein  bestimmtes  Maas  an,  nämlich  fünfzig  Orgyien ,  ro  php  vtpog  nev- 
rtjxovrcc  doyvivüv. 

Andere  Schriftsteller,  welche  Diodor  3)  nicht  mit  Namen,  son- 
dern nur  im  Gegensatze  zu  Ctesias  als  „einige  Neuere"  bezeichnet, 
sprechen  von  fünfzig  Ellen.  10g  d1  tvioi  rwv  vswrgowi'  eyocapav^  mj- 
%ojv  mvxiqxovrc!. 

Philo  von  Byzanz  schreibt  4),  die  Höhe  habe  mehr  als  fünfzig 
Ellen  betragen,  xcä  ro  juep  vxpog  iorl  rov  ral^ovg  ntäov  f\  mvrijxoprct 


l)  Herodot.  Lib.  1.  cap.   178.     2)  Diodor.  Sicul.  Lib.  II.  cap.  7.     3)  Diod. 
Sic.  loc.  cit.     4)  Phil.  Byz.  lib.  de  7  orbis  spectaculis. 


IB2 

Nach  Strabo  ')  erreichte  die  Höhe  der  Mauern  zwischen  den 
Thürmen  fünfzig  Ellen,  vipog  Js  xa>v  juiv  jusaojivQyicjf  niq/sig  nav- 
riqxovra. 

Plinius  2)  berechnet  sie  auf  zweihundert  Fuss  ;  muris,  schreibt 
er,  ducenos  pedes  altis. 

Curtius  Rufus  3)  meldet:  Altitudo  murorum  C  (L)  cubitoruai 
eminet  spatio. 

Phitostratus  4)  spricht  von  einer  Höhe  von  drei  Halb-Plethren. 
refyog  (5fc  ccvzijg  tQia  fxkv  ro  vyjog  ij/uitiXsS-qk. 

Solinus  5 )  schreibt  in  Uebereinstimmung  mit  Plinius  :  Urbs  mu- 
ris circumdata  quorum  altitudo  ducentos  pedes  detinet. 

Orosius  endlich  6)  berichtet :  murorum  ejus  vix  credibilis  relatu 
firmitas  et  magnitudo  id  est  Iatitudine  cubitorum  quinquaginta,  altitu- 
dine  quater  tanta. 

Was  ist  nun  von  diesen  Nachrichten  zu  halten  ?  Sind  auch 
hier  die  Abweichungen  nur  scheinbar,  wie  diess  bei  der  Angabe 
des  Unifangs  der  Mauern  der  Fall  ist,  oder  finden  sich  wirklich 
Widersprüche?     Ich  glaube,  es  sei  beides  der  Fall. 

Dass  die  Nachrichten  des  Herodot,  Ctesias  und  Plinius,  ob- 
wohl jeder  in  anderer  Weise  sich  ausdrückt,  einander  nicht  wider- 
sprechen, darauf  hat  bereits  schon  Olearius  hingewiesen  7),  und  wir 
brauchen  nur  dem  von  ihm  angedeuteten  Wege  zu  folgen,  um  hier- 
über ohne  Mühe  ins  Klare  zu  kommen. 


')  Strab.  Geogr.  Lib.  XVI.  §.  5-  2)  Plin.  Hist.  Nat.  Lib.  VII.  cap.  26. 
3)  Curt.  Ruf.  de  rebus  Alex.  Lib.  V.  cap.  1.  4)  Pläloslrat.  de  vita  Apollonii 
Tyanensis  Lib.  I.  cap.  25.  5)  Solinus  Polyhist.  cap.  LX.  6)  Orosü  Hist.  Lib. 
II.  cap.  6-     7)  In:  Philostrati  de  vita  Apollonii  Tyan.  Lib.  I.  cap.  25. 


153 

Herodot  gibt  die  Höhe  der  Mauern  auf  zweihundert  königliche 
Ellen  an,  Ctesias  auf  fünfzig  Orgyien.  Da  aber  eine  Orgyie  vier 
Ellen  enthält,  so  kommen  fünfzig  Orgyien  zweihundert  Ellen  gleich. 
Ein  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Angaben  besteht  demnach 
nur  darin,  dass  Herodot  hier  nicht  die  gewöhnliche  Elle  meint,  die 
nach  seiner  eigenen  Angabe  4)  sechs  Handbreiten  d.  i.  zwei  Span- 
nen oder  anderthalb  griechische  Fuss  beträgt,  sondern  ausdrücklich 
die  königliche  Elle  nennt,  die,  wie  er  hinzufügt,  um  drei  Finger 
grösser  ist  als  die  gewöhnliche  2);  während  Ctesias-  oder  vielmehr 
dessen  Berichterstatter  Diodor  nur  von  Orgyien  glatthin  redet,  wTir 
also  nicht  berechtiget  sind,  auch  hier  ein  ungewöhnliches  und  zwar 
grösseres  Maass  anzunehmen  3J. 

In  ähnlicher  Weise  ist  zwischen  den  Angaben  des  Herodot 
und  Plinius  kein  anderer  Unterschied,  als  welcher  sich  durch  eine 
Ungenauigkeit  des  Plinius  selbst  oder  eines  Abschreibers  ergab. 
Denn  wenn  Herodot  schreibt:  /uszd  dt  rsi%og  TtsvTTqxovxa  iikv  mj- 
yj(av  ßaoifafivw  iop  zo  siJQog,  vipog  dt  d i7]%oö  ioiv  nriyjaov,  und  dann 
hinzufügt:  6  dt  ßaOihji'og  ntj^vg  roü  /listqiov  iorl  nrj%eog  h££vjv  tqigI 
dciXTvXoiöi,  und  wir  dann  bei  Plinius  lesen:  „niuris  ducenos  pe- 
des  altis,  quinqüagenon  latis"  und  hinzugesetzt  finden:  „in  singulos 
pedes  ternis  digitis  meusura  ampliore  quam  nostra";  so  kann,  da  es 
zwar  eine  gewöhnliche  griechische  Elle  gegeben  hat  und  eine  kö- 
nigliche oder  persische,  die  um  drei  Finger  grösser  war  wie  die  er- 
stere,  von  einem  Fusse  aber,  der  um  drei  Finger  grösser  gewesen 
wäre  als  der  gewöhnliche  römische,  nirgendwo  die  Rede  ist,  so- 
nach der  Zusatz,  der  sich  in  den  dermaligen  Ausgaben  des  Plinius 
findet,  gar  keinen  Sinn  gibt,  nicht  im  mindesten  gezweifelt  werden, 


•)  Herod.  Lib.  II.  cap.  149.  2)  Herod.  Lib.  I.  cap.  178.  3)  Olearius  loc. 
cit.  berechnet  den  Unterschied  zwischen  200  königlichen  Ellen  und  50  Orgyien 
auf  37  Fuss,   8  Zoll. 

Abbandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abtbl.  (A)         20 


151 

dass  Plinius,  als  er  diess  niederschrieb,  die  Nachrichten  Heroäots 
vor  Augen  hatte  und  entweder  selbst  aus  Versehen  „Fuss"  statt 
„Ellen"  gesetzt  habe  oder  dass  diess  von  der  Uligenauigkeit  eines 
Abschreibers  herrühre. 

Da  ferner  Solinus,  indem  er  schreibt  :  „murorum  altitudo  ducen- 
tos  pedes  detinet,  latitudo  quinquaginta ,  in  singulos  pedes  ternis 
äigitis  ultra,  quam  mensura  nostra  est,  altioribus",  dem  Plinius 
nicht  nur  in  Angabe  der  Maasse,  sondern  selbst  in  dem  nichtssagen- 
den Zusätze  von  einem  Fusse,  der  um  drei  Finger  grösser  ist, 
wörtlich  folgt:  so  fällt  auch  diese  Angabe  als  der  des  Herodot  und 
Ctesias  widersprechend  hinweg. 

Da  endlich  auch  Orosius  die  Höhe  auf  viermal  fünfzig  d.  i. 
zweihundert  Ellen  ansetzt,  so  haben  wir  bereits  fünf  Nachrichten, 
die  in  der  Angabe  der  Maasse  übereinstimmen. 

Diesen  zunächst  steht  Philostratus,  der  die  Höhe  auf  drei  halbe 
Plethren  angibt.  Um  die  Nachricht  dieses  Schriftstellers  richtig  be- 
urtheilen  zu  können,  müssen  wir  die  ganze  Stelle  hersetzen.  Sie 
lautet  :  BccßvXwv  rsTS/yjarca  fjisv  dydoiqxovTCi  xal  tsTQaxoaia  orädicc 
y.vxho,  ruyog  dz  avrrjg  tqicc  /uw  rö  vipog  riixdiXs&qa,  tiX£9-qov  de 
[xatov  ro  svQog.  Philostrat  gibt  also,  wie  Herodot,  den  Gesamint- 
umfang  der  Befestigungswerke  auf  480  Stadien  an.  Diess  scheint 
mir  bemerkenswerth,  denn  da  Plinius  und  Solinus  denselben  nach 
Schritten  berechnen,  so  ist  Philostrat  neben  Orosius,  der  übrigens 
erst  dem  fünften  Jahrhunderte  unserer  Zeitrechnung  angehört,  der 
einzige  von  allen  Schriftstellern,  welcher  sich  bei  dem  Liängenma.a&ss 
derselben  Berechnung  bedient,  wie  Herodot.  Wir  können  hieraus 
füglich  den  Schluss  ziehen,  dass  er  Herodot  vor  sich  gehabt 
und  den  Angaben  dieses  Geschichtschreibers  mit  Beiseitesetzung 
der  übrigen,  die  ihm  gewiss  nicht  unbekannt  geblieben  waren,  den 
Vorzug   gegeben  habe.     Die   Breite   der  Mauern  bestimmt  er  nicht 


155 

genau;  er  spricht  sich  mir  im  allgemeinen  daliin  aus,  sie  habe  we- 
niger als  ein  Plethron  betragen.  Auch  in  dieser  Angabe  entfernt 
er  sich,  wie  später  gezeigt  werden  soll,  weit  von  den  übrigen, 
kömmt  aber  dem  Herodot,  der  sie  auf  ein  Viertel  der  Höhe,  nämlich 
auf  fünfzig  Ellen  setzt,  am  nächsten,  steht  wenigstens  mit  demsel- 
ben nicht  in  Widerspruch.  Man  sollte  daher  erwarten,  er  werde 
auch  in  der  Angabe  der  Höhe  nicht,  oder  doch  nicht  sehr  weit  von 
Herodot  abweichen.  Und  doch  lesen  wir:  rslyog  dt-  avzrjg  tqi'ci  /Litv 
ro  vipog  jjjui'jtAe&Qa.  Drei  halbe  Plethren  sind  150  Fuss  1).  Er  setzt 
also  die  Höhe  auf  die  Hälfte  des  von  Herodot  und  Ctesias  ange- 
gebenen Maasses.  Ich  glaube  daher,  es  habe  sich  in  dieser  Stelle  ein 
Fehler  eingeschlichen;  und  in  der  Tliat,  wenn  wir  nXid-Qcc  lesen 
statt  tj/ufaZed-Qa ,  so  ist  alle  Schwierigkeit  gehoben  und  auch  in  die- 
sem Punkte  die  Uebereinstimmung  mit  Herodot  und  Ctesias  herge- 
stellt, denn  drei  Plethren  kommen  zweihundert  Ellen  oder  fünfzig 
Orgyien  gleich.  Eine  solche  Aenderung  im  Texte  hat  aber  nicht 
nur  keine  Schwierigkeit,  sondern  scheint  aus  mehreren  Gründen  so- 
gar nothwendig. 

Fürs  erste  steht  die  Angabe  des  Philostrat  ganz  vereinzelt  da. 
Nicht  nur  dass  er  in  Bezug  auf  die  Höhe,  wie  bereits  bemerkt  wor- 
den, und  zwar  nur  hierin  von  den  älteren  Schriftstellern  abweicht, 
er  stimmt  auch  mit  keinem  einzigen  der  jüngeren  überein.  Wäh- 
rend jene  von  300,  und  diese  von  75  Fuss  sprechen,  gibt  er 
ganz  allein  die  Höhe  auf  150  Fuss  an. 

Dann  tragen  die  Zahlenverhältnisse,  wie  sie  in  den  dermaligen 
Ausgaben  des  Philostrat  angegeben  sind,  schon  an  und  für  sich  das 


i)  Hirt  in    seiner    Geschichte    der    Baukunst    Bd.   I.   S.  136   bemerkt   mit 
Unrecht,  Philostrat  gebe  die  Höhe  der  Mauern  auf  150  Ellen  an. 

20* 


156 


Gepräge  der  Uliwahrscheinlichkeit.  Die  Höhe  von  nur  150  Fuss 
passt  in  keiner  Weise  zu  der  angegebenen  Dicke  der  Mauer  von 
beinahe  100  Fass.  Nach  Herodot  verhielt  sich  die  Dicke  zur  Höhe 
wie  1  zu  4 ;  schon  diese  Stärke  der  Mauer  ist  in  Vergleich  zur  Höhe 
ausserordentlich;  nach  Philostrat  aber  würde  die  Dicke  sogar  der 
halben  Höhe  gleich  kommen. 

Ferner  möchte  zu  bezweifeln  seyn,  ob  es  überhaupt  jemals  üb- 
lich gewesen,  nach  Halb-Plcthren  zu  rechnen.  Und  wenn  auch,  so 
hat  doch  eine  solche  Rechnung,  da  unmittelbar  vorher  Stadien  und  nach- 
her Plethren  genannt  werden,  hier  etwas  sehr  befremdendes.  Dass 
Philostrat  zweierlei  Maasse,  nämlich  Stadien  und  Plethren,  nennt, 
erklärt  sich  leicht  durch  den  Umstand,  dass  ihm  hierin  Herodot  mit 
dem  Beispiele  vorgegangen,  der  in  ähnlicher  Weise  die  Stadt  nach 
Stadien,  die  Mauer  aber  nach  Ellen  bemisst;  in  dem  einen  und 
demselben  Satze  jedoch  dreierlei  Maasse,  nämlich  Stadien,  Plethren 
und  Halb-Plethren  namhaft  machen,  ist  doch  zu  ungewöhnlich  als 
dass  nicht  ein  Schreibfehler  angenommen  werden  sollte. 

Endlich  fehlt  dem  zweiten  Theile  des  Satzes :  rsi/og  (5t  av- 
rrjg  tqicc  fxlv  rb  vipog  q[iinXi9-Qct  das  Zeitwort.  Dass  das  Zeitwort 
des  Vordersatzes  als  ergänzend  hinzugedacht  werden  müsse  und 
Philostrat  geschrieben  habe :  zezsi/iozai  rt?xog  wird  Niemand  im 
Ernste  behaupten. 

Allen  diesen  Schwierigkeiten  aber  weichen  wir  aus,  wenn  wir 
lesen  :  ruyog  <Jt  avzrjg  tqik  /xtv  zö  vipog  si/s  nM&oa,  nfä&qov  Sh 
fxüov  zö  svQog.  Durch  die  Aenderung  sl%s  nfä&occ  statt  qutTiAs&Qcc 
wird  dem  Texte  keine  Gewalt  angethan. 

Wir  dürfen  sonach,  scheint  mir,  auch  den  Philostrat  ohne  Be- 
denken zu  denjenigen  Schriftstellern  rechnen,  die  mit  den  zwei  äl- 
testen, mit  Ctesias  und  Herodot,  in  ihren  Angaben  übereinstimmen. 


157 

Schwieriger  jedoch  ist  es  mit  den  noch  übrigen  Nachrichten, 
nämlich  des  Philo,  Strabo,  Curtius  und  derjenigen,  die  von  Diodor 
Xvioi  rcöv  v£(ot£qu)v  genannt  werden.  Sie  weichen  von  den  ersteren 
zu  viel  ab.  Philo  zwar  schreibt,  die  Höhe  der  Mauern  betrage 
mehr  als  fünfzig  Ellen,  xcd  rö  juev  vfog  eazt  rov  rsi'xovg  nZ£ov 
tj  nsvTiqxovTct  nr^fscov ,  allein  wenn  wir  auch  diesen  Ausdruck  n?>£ov 
noch  so  weit  ausdehnen ,  so  bleiben  wir  doch  von  der  Angabe  Hero- 
dots,  der  von  zweihundert  Ellen  spricht,  noch  immer  weit  entfernt; 
Strabo  endlich  und  Curtius  sagen  aufs  bestimmteste,  die  Höhe  der 
Mauern  habe  fünfzig  Ellen  betragen.  Das  ist  um  das  Vierfache 
weniger,  als  Herodot  und  Ctesias  berichten. 

Wie  lässt  sich  nun  dieser  Widerspruch  ausgleichen  ? 

Ein  Ausweg  scheint  darin  angedeutet,  wenn  einerseits  Diodor 
die  Nachrichten  des  älteren  Ctesias  und  die  der  Neuern,  „die  mit 
Alexander  in  Asien  gewesen"  ausdrücklich  unterscheidet,  andrer- 
seits aber  Herodot  erzählt  d),  dass  erst  Darius  Hystaspis  die  Mauern 
von  Babylon  habe  einreissen  lassen.  Denn  da  es  nur  neuere,  erst 
unter  und  nach  Alexander  lebende  Schriftsteller  sind,  welche  im 
Gegensatze  der  älteren  die  Höhe  der  Mauern  statt  auf  zweihundert 
nur  auf  fünfzig  Ellen  angeben,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  die 
Mauern  hätten,  wenn  sie  auch  ursprünglich  höher  gewesen,  doch 
später,  etwa  seit  den  Zeiten  des  Darius  Hystaspis  nur  mehr  eine 
Höhe  von  fünfzig  Ellen  gehabt;  es  könnten  demnach  beide  Nach- 
richten richtig  seyn,  nur  müssten  die  verschiedenen  Zeiten  unter- 
schieden werden.  Allein  wenn  ich  dessungeachtet  eine  solche  Aus- 
gleichung für  unstatthaft  halte,  so  bestimmen  mich  hiezu  nachstehende 
Gründe. 


')  Herodot.   Lib.  III.  cap.  159. 


158 


Wenn  Herodot  von  Dallas  Hystaspis  schreibt :  xb  reT/og  ns- 
QitV.z  y.ocl  zag  nvÄccg  ndoag  cmtonaGe,  so  kann  diess  nur  in  dreier- 
lei Weise  verstanden  werden;  entweder  dass  Darius  die  ganze 
Mauer  ringsum,  oder  dass  er  nur  einen  Theil  derselben  ?iiederreis- 
sen,  oder  endlich  dass  er  sie  bis  auf  eine  Höhe  von  fünfzig  Ellen 
habe  abtragen  lassen.  Aber  bei  keiner  dieser  Voraussetzungen 
würde  der  Widerspruch  in  der  Art  sich  lösen,  dass  beide,  die  Nach- 
richten der  älteren  wie  der  jüngeren  Schriftsteller,  als  in  gleicher 
Weise  glaubwürdig  nebeneinander  bestehen  könnten. 

Sind  die  Mauern  unter  Darius  Hystaspis  ringsum  und  gänzlich 
abgebrochen  worden,  so  dass  dieselben,  wie  im  Ernste  behauptet 
wurde  *),  zur  Zeit  Alexanders  gar  nicht  mehr  vorhanden  waren, 
so  konnten  begreiflicher  Weise  die  Schriftsteller,  die  gleichzeitig 
mit  Alexander  in  Babylon  gewesen  oder  nach  ihm  dahin  kamen, 
nicht  mehr  sagen,  die  (nicht  vorhandene)  Mauer  habe  fünfzig  Ellen 
in  der  Höhe. 

Im  zweiten  Falle,  wenn  von  der  Mauer  nur  ein  Stück  wäre 
niedergerissen  worden,  der  übrige  Theil  aber  in  seiner  ursprünglichen 
Höhe  von  200  Ellen  stehen  blieb,  —  konnten  die  ivioi  zütv  veoj- 
z(qwv  wieder  nicht  schreiben,  die  Mauer  sei  50  Ellen  hoch  ge- 
wesen. 

Aber  auch  der  dritte  Fall,  wenn  nämlich,  was  übrigens  durch 
Nichts  begründet  werden  kann,    Darius   die  Mauern  bis  auf  fünfzig 


*)  So  schreibt  z.  B.  Schmieder,  Comment.  in  Curtium ,  Lib.  V.  cap.  1. 
„Alexandri  tempore  isti  muri  non  exstabant".  Allein  wenn  noch  Pausanias, 
der  doch  erst  unter  den  Antoninen  lebte,  um  die  Verödung  Babylons  zu 
schildern  ,  sich  des  Ausdruckes  bedienen  konnte  :  nichts  mehr  sei  von  dieser 
Stadt  übrig  als  die  Mauer,  Baßulwvog  ovöev  tri  tjv  ei  fj.rj  Tei%og,  so  können 
diese  Mauern  nicht  schon  zur  Zeit  Alexanders  verschwunden  gewesen  seyn. 


159 

Ellen  abgetragen  Latte,  bietet  keine  Ausgleichung  an  die  Hand. 
Denn  da  Herodot  und  Ctesias  selbst  erst  nach  Darius  Hystaspis 
lebten,  so  hätten  ja  auch  diese  Schriftseller  nicht  mehr  die  alte, 
sondern  nur  noch  die  auf  fünfzig  Ellen  erniedrigte  Mauer  gesehen, 
sie  hätten  also  die  Höhe  nicht  auf  zweihundert  Ellen  angeben  kön- 
nen. In  allen  drei  Fällen  sahen  Herodot  und  Ctesias  nichts  ande- 
res als  die  Begleiter  Alexanders.  Herodot  redet  aber  nicht  von 
vergangenen  Zeiten,  er  spricht  von  der  Mauer  immer  mir  als  hätte 
er  sie  selbst  gesehen  *). 

Bei  solchen  Verhältnissen  bleibt  uns  nichts  anderes  übrig,  als 
die  eine  von  diesen  Nachrichten  für  falsch  zu  halten  und  es  kann 
nur  noch  die  Frage  aufgeworfen  werden,  wem  wir  den  Vorzug  ge- 
ben sollen,  ob  den  älteren  Schriftstellern,  welche  die  Höhe  auf  200, 
oder  den  jüngeren,  welche  sie  auf  50  Ellen  angeben? 

Ich  zweifle  keinen  Augenblick,  dass,  wir  mögen  hiebei  auf  in- 
nere oder  äussere  Gründe  Rücksicht  nehmen,  die  Nachrichten  Hero- 
dots  und  Ctesias  allein  die  richtigen  sind. 

Fürs  erste  haben  wir  für  die  Angabe  der  Höhe  auf  fünfzig 
Ellen  keinen  sicheren  Gewährsmann;  Philo,  Strabo  und  Curtius 
reden  nicht  als  Augenzeugen.  Clitarchus  ist  unter  den  neueren 
Schriftstellern  der  einzige,  der  selbst  in  Babylon  gewesen,  aber  ge- 
rade über  die  Höhe  der  Mauern  hat  uns  Diodor  die  Angabe  des 
Clitarchus  nicht  aufbewahrt. 


4)  Von  dem  Heiliglhume  des  Bei  wird  uns  gleichfalls  gesagt,  Xerxes  habe 
es  zerstört  (Strabo  Lib.  XVI.  §.  5.)  und  doch  schreibt  Herodot  (Lib.  I.  181), 
es  habe  sich  noch  bis  auf  seine  Zeit  erhalten.  Wenn  übrigens  auch  Herodot 
die  Mauer  nicht  mehr  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  gesehen  hätte,  so  er- 
zählt er  doch  nur,  was  er  von  glaubwürdigen  Berichterstattern  hörte  und 
selbst  glaubwürdig  fand. 


100 

Wenn  zweitens  die  Neuern  im  Gegensatze  der  Aelteren  ein 
viel  geringeres  Maass  angeben,  so  darf  nicht  übersehen  werden,  dass 
sie  selbst  nur  sehr  schwankend  sich  ausdrücken  und  keineswegs 
genau  unter  sich  übereinstimmen.  Philo  von  Byzanz  redet  von  mehr 
als  fünfzig  Ellen,  wohei  es  Jedem  anheimgestellt  ist  dieses  mehr  nach 
Belieben  auszudehnen ;  Strabo  und  Curtius  geben  den  Thürmen  sech- 
zig, den  Zwischenräumen  aber  fünfzig  Ellen;  die  wioi  rü>v  vsa>- 
TtQWf  endlich  reden  überhaupt  von  fünfzig  Ellen. 

Wenn  wir  drittens  die  Höhe  nur  auf  fünfzig  Ellen  ansetzen, 
was  ist  dann  noch  ausserordentliches  an  den  Mauern  von  Babylon? 
Mit  welchem  Grunde  werden  sie  dann  noch  unter  die  Wunder  der 
Welt  gerechnet  ?  Hatte  doch  Themistokles  den  Piräus  mit  einer 
Mauer  von  vierzig  Ellen  in  der  Höhe  umgeben,  und  zwar  nicht 
blos  wie  die  babylonische  aus  Ziegeln,  sondern  aus  Quadern  erbaut 
und  mit  Eisen  und  Bley  verbunden !  Diese  Befestigung  Athens  ge- 
hörte zwar  allerdings  zu  dem  Grossartigsten,  was  die  hellenische 
Geschichte  aufzuweisen  vermag,  allein  die  Bauten  der  Hellenen 
dürfen  auch,  was  die  colossalen  Dimensionen  anbelangt,  nicht  mit 
enen  der  ältesten  Städte  des  Orients  in  Vergleich  gezogen  wer- 
den, und  dann  wissen  wir,  dass  die  Mauern  des  Piräus  nach  dem 
Plane  des  Themistokles  sogar  das  Doppelte  der  Höhe,  also  acbzig 
Ellen  erreichen  sollten.  Wie  sollte  es  da  noch  wahrscheinlich  seyn, 
dass  die  so  berühmten  Mauern  Babylons  nicht  mehr  als  fünfzig  El- 
len gehabt  haben  ? 

Endlich  ist  gar  kein  Grund  vorhanden,  warum  wir  an  der  Rich- 
tigkeit der  Angaben  des  Herodot  und  Ctesias  zweifeln  sollten.  Beide 
sind  glaubwürdige  Schriftsteller ;  beide  schöpfen  aus  den  zuverläs- 
sigsten Quellen ;  Herodot  spricht  als  Augenzeuge,  Ctesias  war,  wenn 
nicht  in  Babylon  selbst,  doch  in  Susa  und  erzählt,  was  er  entweder 
selbst  gesehen  oder  von  Augen-  und  Ohrenzeugen  gehört  oder  in  den 


161 

persischen  Archiven  gefunden  hat  5  beide  sind  sogar,  wo  sie  von 
den  Maassen  der  babylonischen  Mauer  reden,  ungewöhnlich  umständ- 
lich und  vorsichtig  in  ihren  Ausdrücken.  Herodot  fügt,  wenn  er  die 
Höhe  derselben  auf  zweihundert  Ellen  angibt,  noch  besonders  bei, 
er  ineine  hier  nicht  die  gewöhnliche  Elle,  sondern  die  königliche, 
die  noch  um  drei  Finger  grösser  ist  als  jene,  6  de  ßaaiZq'i'og  nlj^vg 
tov  justqi'ov  iari  nrj%sog  pti^iop  tqioI  Sc.y.TvXoiGi.  In  gleicher  Weise 
bemerkt  Ctesias  ausdrücklich,  die  Höhe  der  Mauer  sei  so  gross, 
dass  wer  sie  nicht  selbst  gesehen  hat,  sondern  nur  davon  erzählen 
hört,  solches  unglaublich  finden  müsse,  rö  <T  vxpog  caiimov  roig  cixovov- 
otv,  beide  versichern  demnach  ausdrücklich,  dass  sie  gerade  hier, 
wo  sie  von  den  Maassen  der  Mauer  reden,  besonders  genau  zu 
Werke  gegangen. 

Was  kann  uns  berechtigen,  die  Wahrhaftigkeit  dieser  Männer 
in  Zweifel  zu  ziehen?  Wenn  uns,  die  wir  einer  so  jungen  Zeit 
angehören  und  gewöhnt  sind,  Alles  nur  nach  einem  ganz  modernen 
und  europäischen  Maassstabe  zu  beurtheilen,  diese  Angaben  unwahr- 
scheinlich und  übertrieben  scheinen,  so  kann  hieraus  unmöglich  mit 
Grund  gefolgert  werden,  dass  sie  wirklich  unwahr  und  übertrieben 
sind.  Auf  solche  Bedenken  hat  bereits  schon  dev  Leibarzt  des  Arta- 
xerxes  Memnon  zu  Susa  geantwortet,  wenn  er  schreibt :  ro  d*  vxpog 
amorov  roig  uxovovdiv,  und  treffend  bemerkt  Heeren  l):  „die  chine- 
sische Mauer,  die  noch  steht,  konnte  nicht  in  Europa  gebaut  wer- 
den und  die  medische  Mauer,  die  einst  Babylonien  von  Norden  be- 
gränzeud  vom  Euphrat  bis  zum  Tigris  ging,  auch  von  Backsteinen, 
war,  wenn  auch  nicht  so  hoch,  doch  gewiss  länger  als  die  von 
Babylon". 


')  Heeren,  Ideen  I.    2.  nota   160. 
Abbandlungen  d.  1.  Cl.  d.  lt.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A)  21 


162 

Nach  diesen  Bemerkungen  wird  es  auch  nicht  mehr  schwer 
halten,  die  Frage  zu  beantworten,  woher  es  gekommen  seyn  mag, 
dass  einige  Schriftsteller  die  Höhe  auf  fünfzig  statt  auf  zweihundert 
Ellen  angegeben  haben.  Wer  sind  diese  Schriftsteller  ?  Sie  sind 
i'viot  rwv  veortQwv,  sagt  Diodor  von  Sicilien.  Es  sind  also  solche, 
die,  wie  wir,  einerseits  einem  in  Verhältniss  zu  den  mächtigen  Völ- 
kern der  früheren  Jahrhunderte  minder  kräftigen  Geschlechte  ange- 
hörend, andrerseits  nicht  im  Stande,  sich  in  die  Eigentümlichkeit 
des  Orients  hineinzudenken,  die  Angaben  des  Herodot  und  Ctesias 
für  übertrieben  hielten  und  desshalb  ein  geringeres  Maass  ansetzen 
zu  müssen  glaubten.  Da  sie  nicht  als  Augenzeugen  sprechen,  aber 
auch  nicht  die  vorhandenen  Zeugnisse  geradezu  als  unwahr  besei- 
tigen konnten,  so  blieb  ihnen  nichts  anderes  übrig  als  an  dem  Texte 
jener  älteren  Berichte  diejenige  Aenderung  vorzunehmen,  die  am 
mindesten  auffallend  schien.  Die  Zahlen  ändern  schien  bedenklich; 
leichter  ging  es  mit  dem  Maasse.  Herodot  redet  von  Ellen,  Ctesias 
von  Orgyien.  Da  nun  die  Ellen  ohnehin  schon  ein  kleines  Maass 
sind  und  überdiess  der  Zusatz  des  Herodot:  „königliche  Eilen"  und 
abermal:  „Ellen,  welche  um  drei  Finger  grösser  sind  wie  die  ge- 
wöhnliche" sich  nicht  leicht  einer  Aenderung  anpassen  liess,  so  lag 
es  am  nächsten ,  die  Angabe  des  Ctesias  zu  corrigireu  und  statt 
„fünfzig  Orgyien",  zu  setzen  „fünfzig  Ellen".  Dass  in  solcher  Weise 
wirklich  verfahren  worden  sei,  deutet  Diodor  klar  an,  wenn  er 
beide  Nachrichten  unmittelbar  nebeneinanderstellend  schreibt :  „die 
gebrannten  Ziegel  mit  Asphalt  verbindend  erbaute  sie  (Semiramis) 
die  Mauer  in  einer  Höhe,  wie  Ctesias  berichtet,  von  fünfzig  Orgyien, 
wie  aber  einige  Neuere  schreiben,  von  fünfzig  Ellen".  Ja,  diese 
Neueren  scheinen  anfangs  selbst  noch  mit  einiger  Schüchternheit  an 
diese  Aenderung  gegangen  zu  sein,  denn  Philo  von  Byzauz  gebraucht 
wenigstens  noch  den  Zusatz  nUov,  erst  die  nachfolgenden  Schrift- 
steller lassen  auch  diesen  Zusatz  weg. 


163 


in. 

Von  der  Dicke  der  Mauern. 

In  ähnlicher  Weise  wie  über  die  Höhe  der  Mauern  haben  wir 
auch  die  verschiedenen  Nachrichten  über  die  Breite  derselben  zu 
beurtheilen. 

Herodot  *)  gibt  sie  auf  fünfzig  königliche  Ellen  an  (rsT^og  nsv- 
njxovrci  jusy  nri^ojv  ßaöiXrfiwp  iöv  xo  &iqog)\  nach  Vfesias  2)  war 
die  Mauer  von  solcher  Breite,  dass  auf  ihr  sechs  Wagen  nebenein- 
ander fahren  konnten  {xi]Xikovxov  §*  ^v  xo  ßaoog  xwv  toyiov,  Soxs 
xo  jLiev  nXaxog  slvctt,  xcov  zsi%wi>  ££  aQjuctGiv  inrtdoijuov);  dem  Clitar- 
chus  und  einigen  Neueren  zufolge  3)  betrug  die  Breite  mehr  als  für 
zwei  Wagen  nöthig  war  (rö  Je  nXccxog  nÄsTov  ij  dvolp  aq^maiv  ln- 
naöi/uov);  nach  Philo  von  Byzanz  4)  konnten  vier  Viergespanne  zu 
gleicher  Zeit  durch  die  Zwischenräume  hindurchfahren  (xci  Je  nXccxrj 
xcop  nccoadooiiidtov  aqacixa  t^tqüdqcc  xiGGaoci  xvtxct  top  avxov  zeuoov 
dü'nmfot,) ;  Strabo  5)  schreibt,  die  Mauer  habe  32  Fuss  in  der  Dicke 
gemessen  (na%og  Je  xov  xefyovg  nodiov  8vo  xal  xqictxovxcc),  die  Zwi- 
schenräume aber  (zwischen  den  Thürmen  auf  beiden  Seiten  der 
Mauer)  seien  so  gross  gewesen,  dass  Viergespanne  mit  Leichtigkeit 


J)  Herodot.  Lib.  I.  cap.  178-  2)  Diodor.  Sicul.  Lib.  H.  cap.  7.  3)  Dio- 
dor.  Sicul.  loc.  cit.  4)  Philonis  Byz.  lib.  de  7  orbis  spectaculis.  5)  Strab. 
Geogr.  Lib.  XVI.  §.  5.   pag.  249.  ed.  Tzsch. 

21* 


161 

einander  vorbeifahren  konnten  (//  Je  nccQoöog  im  zov  zsCy^ovg,  dg  x£- 
&otJina  ivavuodoonuv  dkXrjXoig  qciddog) ;  bei  Plinius  6)  lesen  wir 
„meris  quinquagenos  pedes  latis,  in  singulos  pedes  ternis  digitis  rnen- 
sura  ampliore  quam  nostra";  Curtins  Rufus  2)  schreibt :  „murus  spa- 
timn  XXX  et  duorum  pedum  latitndinem  amplectitur,  quadrigae  inter 
se  obcurrentes  sine  periculo  commeare  dicuntur";  Philostrat  3)  setzt 
die  Breite  auf  weniger  als  ein  Plethron  {txM&qou  dh  püov  xb  evoog); 
Solinus  4)  berichtet:  „murorum  latitudo  quinquaginta  pedes  detiuet"; 
Orosius  5)  endlich  spricht  von  fünfzig  Eilen. 

Vergleichen  wir  diese  verschiedenen  Nachrichten  miteinander, 
so  stimmen  auch  hier,  wie  bei  den  Angaben  der  Höhe,  Herodot, 
Ctesias,  Plinius,  Solinus  und  Orosius  miteinander  überein;  denn  dass 
bei  Plinius  und  seinem  Abschreiber  Solinus  „Ellen"  statt  „Fuss"  ge- 
lesen werden  müsse,  ist  schon  oben  gezeigt  worden.  Wenn  Cte- 
sias die  Breite  nicht  auf  fünfzig  königliche  Ellen  angibt,  sondern  sie 
nach  Wagen  berechnet,  deren  sechs  nebeneinander  fahren  konnten, 
so  finde  ich  hierin  keinen  Widerspruch  gegen  Herodot,  sondern 
glaube  im  Gegentheile,  eben  der  Umstand,  dass  beide  Schriftsteller 
die  Höhe  sowohl  als  die  Breite  nach  ganz  verschiedenen  Maasssta- 
ben berechnen  und  dennoch  einander  nicht  widersprechen,  zeuge  für 
die  Richtigkeit  ihrer  Angaben. 

Auch  Philostrat  stimmt  mit  den  obigen  Schriftstellern  überein; 
denn  wenn  diese  die  Breite  auf  fünfzig  Ellen  oder  75  Fuss  berech- 
nen, er  aber  auf  weniger  als  ein  ganzes  Plethron  d.  i.  auf  weniger 
als  100  Fuss,  so  drückt  er  sicli  nur  minder  bestimmt  und  genau  aus, 
wie  die  anderen. 


»)  Plinii  Hist.  Nat.  Lib.  VIII.  cap.  26.  *)  Curtä  Rufi  Lib.  V.  cap.  i. 
3)  Philoslrat.  de  vita  Apollonii  Ty.m.  Lib.  I.  cap.  25.  4)  Solin.  PolybisL  cap. 
60.      s)   Orosü  Ilistor.  Lib.  II.  cap.  6. 


165 

Selbst  die  Nachricht  des  Philo  weicht  von  den  vorigen  in  nichts 
ab.  Da  er  schreibt:  \ier  Viergespanne  könnten  zu  gleicher  Zeit 
durch  die  Zwischenräume  (jiaQadQO/utdeg)  hindurchfahren ;  unter  die- 
sen Zwischenräumen  aber  nichts  anderes  verstanden  werden  kann 
als  der  Raum  zwischen  den  Thürmeii,  die,  einander  gegenüberste- 
hend, an  beiden  Rändern  der  Mauer  emporragten:  so  sagt  Philo 
im  Grunde  dasselbe  was  Ctesias  berichtet,  dass  nämlich  die  Dicke 
der  Mauer  da,  wTo  keine  Thürme  angebracht  waren,  für  sechs  Wa- 
gen Raum  dargeboten  habe. 

Strabo,  Curtius  Rufus  und  einige  Neuere  (Zvioi  twv  vswr^qwv) 
sind  sonach  die  einzigen,  die  ein  geringeres  Maass  ansetzen.  Sie 
müssen  aber,  was  die  Glaubwürdigkeit  anbelangt,  vor  den  älte- 
ren Schriftstellern,  zumal  solchen,  die  selbst  an  Ort  und  Stelle  ge- 
wesen, zurückstehen.  Da  sie  in  der  Angabe  der  Höhe  der  Mauern 
sich  eine  Aenderung  erlaubt,  mussten  sie,  wenn  sie  nicht  mit  sich 
selbst  in  Widerspruch  fallen  wollten,  nothwendig  auch  das  Maass 
der  Breite  vermindern.  Es  lässt  sich  aber  auch  hier  nachweisen, 
wie  sie  erst  allmählig  an  diese  Aenderung  gingen.  Ctesias  hatte 
von  sechs  Wagen  gesprochen,  die  auf  der  Mauer  nebeneinander  fah- 
ren konnten;  Philo  redet  von  vier  Viergespannen,  Clitarchus  sagt, 
die  Mauer  sei  so  breit  gewesen,  dass  mehr  als  zwei  Wagen  neben- 
einander Platz  hatten,  Strabo  und  Curtius  endlich  nennen  gar  keine 
Zahl  der  Wagen  mehr,  sondern  schreiben  nur  überhaupt,  es  hätten 
Viergespanne  leicht  an  einander  vorbeikommen  können. 


106 


IV. 

Von  den  äusseren  und  inneren  Mauern. 

Mit  dem  was  bisher  über  den  Umfang  der  Stadt  und  über  die 
Länge  und  Höhe  ihrer  Mauern  gesagt  worden,  ist  jedoch  noch  nicht 
alle  Schwierigkeit  gehoben.  Herodot  redet  an  einer  Stelle  *)  nicht 
undeutlich  von  einer  doppelten  Mauer,  einer  inneren  und  äusseren, 
Berosus  aber  2)  spricht  aufs  bestimmteste  sogar  von  einer  dreifa- 
chen Einfassung,  welche  Nebukadnezar  innerhalb  sowohl  als  aus- 
serhalb der  Stadt  aufFühren   Hess. 

Was  haben  wir  nun  von  diesen  Nachrichten  zu  halten  ?  Wie 
haben  wir  uns  die  innere  Mauer  zu  denken,  von  welcher  Herodot 
spricht?  wie  die  dreifache,  womit  nach  Berosus  die  Stadt  nach  in- 
nen und  nach  aussen  befestiget  war?  wie  sind  endlich  diese  bei- 
den Nachrichten  theils  unter  sich,  theils  mit  dem,  was  uns  von  der 
grossen  Stadtmauer  erzählt  wird,  in  Vereinigung  zu  bringen? 

Wir  wollen  zuerst  näher  ins  Auge  fassen,  was  Herodot  von 
einer  inneren  Mauer  schreibt.  Um  jedoch  die  etwas  dunkle  Stelle 
richtig  beurtheilen  zu  können,  müssen  wir  dieselbe  im  Zusammen- 
hange mit  dem  vorhergehenden  betrachten. 


')  Herodot.  Litt.  I.  cap.   181.     2)  Berosus  bei  Flav.  Joseph,  contra   Appio- 
nem  Lib.  I.  19.  Antiqu.  Jud.   Lib.  X.   cap.   11. 


167 

Nachdem  Herodot  ein  allgemeines  Bild  von  der  Grösse  der 
Stadt  Babel  gegeben,  beschreibt  er,  wie  bereits  oben  erwähnt  wor- 
den, zuerst  die  Befestigungswerke  derselben  und  schliesst  diesen 
Theil  seiner  Schilderung  mit  den  Worten  :  irsrst'/jGxo  p&v  vvv  r\  Bcc- 
ßvXcov  tqojioj  rouoSs,  um  nunmehr  zum  Innern  der  Stadt  überzuge- 
hen. Bevor  er  jedoch  die  vorzüglichsten  Gebäude  beschreibt,  erzählt 
er  noch,  dass  die  Stadt  durch  den  Euphrat  in  zwei  Hälften  getheilt 
werde,  und  fährt  dann  fort :  „Nun  zieht  sich  die  Mauer  mit  ihren 
beiden  Armen  bis  zum  Flusse  hin,  von  da  an  aber  ziehen  sich  die 
Einbiegungen  als  ein  Wall  von  Backsteinen  den  beiden  Ufern  des 
Flusses  entlang  (ro  dz  and  rovxov  .cd  incxccjancu  tic.qci  %siAog  iy.c'ixs- 
qov  rov  TWzccjLiov  cd^iaOttj  nXivfrwv  onxUoiv  naoaxhivti).  Die  Stadt 
ist  von  lauter  geraden  Strassen  durchschnitten,  in  der  andern  Rich- 
tung sowohl  als  in  der  Querre,  wo  sie  an  den  Fluss  herüberreichen. 
Es  waren  aber  in  jeder  Strasse  in  dem  Walle  längs  dem  Flusse 
Thüren  angebracht  {xcixä  dij  d>f  ixccartjv  oddu  Iv  rij  cdjuaouj  rr\  naoa 
rov  norauöv  nvZidsg  infiaociv),  deren  gab  es  eben  so  viele  als  Gas- 
sen. Auch  diese  wraren  von  Erz  und  führten  alle  in  eben  diesen 
Fluss".  Nun  folgt  der  etwas  dunkle  Satz  :  rovxo  jidv  drj  ro  ruyog 
i9-a)o^|  toxi,  i'rsoov  dt  töcofrsv  ruyog  tibolSsT,  ov  noW.w  rüo  dads- 
veorf-oov  rov  §r€QOv  rstysog,   oxtivöxeoov  d£. 

Dass  hier  von  einer  doppelten  Mauer  die  Rede  ist,  nämlich 
von  einer  äusseren,  die  der  Stadt  gleichsam  als  Panzer  dient,  und 
von  einer  inneren,  etwas  schwächer,  wie  die  erstere,  darüber  kann 
kein  Zweifel  obwalten ;  was  jedoch  unter  der  inneren  Mauer  zu 
verstehen  sey,  darüber  sind  die  Meinungen  getheilt. 

Schweiyhäuser  übersetzt  die  fragliche  Stelle  wie  folgt  i):  „Ille 
igitur,    quem  dixi,   murus  munimentum  urbis  est,  (riempe  munimentum 


')  Schweighäuser,   Lexic.  Herodot.  s.  v.   3cüQn 


16S 

exterius,  quod  urbem  adversus  molimina  extrinsecus  ab  hoste  sus- 
cepta  tuetur)  intra  urbem  vero  (sive,  et  iutra  urbem,  nam  8k  par- 
ticula  hie  non  habet  ntu\ue  vim  adversativam)  alius  cirenmeurrit 
(circumduetus  est)  murus  - —  minorem  haben s  latitudinem",  und  glaubt, 
„die  andere  Mauer  inwendig"  (treQov  8k  bOcoS-sf  rsi^og)  sei  nichts 
anderes  als  der  an  beiden  Ufern  des  Euphrats  innerhalb  der  Stadt 
sich  hinziehende  Damm.  „Videri  poterat,  schreibt  er,  turbatus  non- 
niliil  ordo  rationis,  et  verba  ista  parum  commodo  loco  inserta  po- 
terant  videri,  sed  curatius  si  spectes,  rite  omnia  succedere  videbis. 
Scilicet  cap.  179.  describebatur  major  ille  et  stupendae  mensurae 
murus,  extrinsecus  circa  urbem  circumduetus;  dein  cap.  180.  des- 
cribitur  minor  murus  (alfiaou])  intra  urbem  ripam  utramque  praete- 
xens  fluvii  qui  mediam  urbem  perfluit,  eamque  in  duas  regiones  di- 
vidit.  Nunc  cap.  181.  priusquam  exponat  quid  in  utraque  harum 
regionum  maxiine  memorabile  insit,  velut  in  transitu,  suo  more,  bre- 
vibus  verbis  ea  repetit  quae  duobus  superioribus  capitibus  nberius 
exposuerat.  Herodotus  igitur  totum  illum  majorem  mumm  &voQi]y.ec 
vocat,  haud  sane  incommode,  qnippe  qui  urbem,  veluti  lorica  homi- 
nem,  protegat  ac  tueatur". 

Es  sind  nun  gewiss  Wenige  so  in  den  Geist  der  Sprache  und 
Ausdrucksweise  Herodots  eingedrungen,  wie  Schweighäuser,  allein 
ich  glaube  doch,  dass  das,  was  Hcrodot  von  der  inneren  Mauer  sagt, 
nicht  auf  den  an  beiden  Ufern  des  Euphrats  sich  hinziehenden  Damm 
bezogen  werden  könne. 

Fürs  erste  widerspricht  einer  solchen  Erklärung  schon  der  Ge- 
gensatz von  tovto  fxiv  xb  rn^og  und  tttoov  dk  zsi%og.  Hiedurch 
sind  unstreitig  zwei  verschiedene  Mauern  angedeutet.  Nun  aber 
schreibt  Herodot  von  der  grossen  Mauer  :  „dort,  wo  sie  den  Fluss 
berührt,  beuge  sie  sich  um  und  ziehe  sich  längs  den  Ufern  des  Eu- 
phrat  hin,  zwar  hier  nicht  mehr  aus  Ziegeln  und  Asphalt,   sondern 


169 

nur  aus  Ziegeln  erbaut,  aber  in  gleicher  Weise,  wie  die  äussere 
Mauer,  mit  ehernen  Thoren  befestiget".  Herodot  betrachtet  also 
den  Damm  am  Euphrat  nicht  als  eine  von  der  grossen  Mauer  ver- 
schiedene Mauer  {trsoov  rstxog),  sondern  als  mit  ihr  unmittelbar  zu- 
sammenhängend, als  eine  Fortsetzung  derselben.  Ist  diess  der  Fall, 
so  kann  er  nicht  das  rovro  i^dv  ro  ralyog  auf  die  grosse  Mauer, 
das  i'rsoov  dz  rsT/og  dagegen  auf  den  Damm  bezogen  haben.  Woll- 
ten wir  aber  auch  zugeben,  Herodot  unterscheide  wirklich  die  er- 
wähnten Befestigungswerke  als  zwei  verschiedene  Mauern,  so  kann 
doch  nicht  mit  Schweighäuser  angenommen  werden,  dass  er  in  der 
fraglichen  Stelle,  was  er  von  denselben  in  den  vorhergehenden  Ca- 
piteln  ausführlich  vorgebracht,  nochmal  kurz  wiederhole,  dass  sich 
sonach  das  rovro  aiv  und  tTSQov  Je  auf  die  Ringmauer  und  den 
Wall  beziehe,  denn  in  diesem  Falle  müsste  der  Artikel  ro  auch  im 
Nachsatze  wiederholt  werden  und  es  müsste,  da  nun  von  bestimm- 
ten, bereits  näher  beschriebenen  Mauern  die  Rede  ist,  heissen : 
tovto  iiiv  ro  zsT/og  und  ztsqov  Jt  ro  (sie)  ruyog.  Endlich  bezieht 
sich  das  Wort  rovro  in  der  Regel  auf  das  zunächst  Liegende.  Un- 
mittelbar vorher  spricht  Herodot  von  dem  Damme.  Es  müsste  also, 
wenn  hier  eine  kurze  Wiederholung  des  vorher  Erzählten  ange- 
nommen werden  will,  übersetzt  werden  :  „Diese  Mauer  nun  (näm- 
lich die  innere,  cäjuaoi^ ,  minor  murus)  ist  ein  Panzer,  die  andere 
aber  (nämlich  die  äussere,  major  murus)  lauft  innen  herum",  was  ein 
offenbarer  Widerspruch  wäre. 

Zweitens  widerspricht  einer  solchen  Erklärung  der  Ausdruck 
TiBQi&sl  (circumeurrit,  circumduetus  est),  den  Herodot  von  der  „an- 
dern Mauer  inwendig"  gebraucht.  Der  Wall  (aliiao-irj)  lief  nicht 
innen  ringsherum,  sondern  zog  sich  mehr  oder  minder  geradlinig 
den  beiden  Ufern  des  die  Stadt  in  der  Mitte  durchschneidenden  Eu- 
phrats  entlang,  nciQarsivsi,  sagt  Herodot,  naqei  %tiÄog  txchsQOi/ 
rov  norufxov. 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abtlil.  (A)         22 


170 

Drittens  schildert  Herodot  die  innere  Mauer  als  ov  noXXw  rdo 
aa&i-vs'OTeQOv  rov  trtoov  rst%£og,  gtelvÖtsqop  dt.  Um  nun  seine  Er- 
klärung zu  rechtfertigen,  fibersetzt  Scltweighäuser  :  „die  andere  Mauer 
inwendig  ist  nicht  viel  schwächer  (als  die  äussere)  aber  schmaler  — 
minorem  habens  latitudinem";  allein  wenn  auch  gtmvotsqov  ebenso 
gut  statt  mit  „enger"  mit  „schmaler"  übersetzt  werden  kann,  so  darf 
meines  Bedünkens,  doch  hier  nicht  dieser  Sinn  untergelegt  werden; 
denn  der  Damm  am  Euphrat  scheint  nicht  schwächer  gewesen  zu 
sein,  als  die  äussere  Ringmauer.  Herodot  zufolge  bestand  der  Un- 
terschied nur  darin,  dass  bei  dem  Damme  blos  Ziegel,  bei  der  Ring- 
mauer aber  auch  Asphalt  verwendet  wurde;  im  Uebrigen  waren 
beide  in  gleicher  Weise  mit  ehernen  Thoren  befestiget  {iv  rrj  aifzaoifj 
nvAt'dsg  intje&ap,  — )\aav  dt  xai  avrai  %e<?.xeai)',  und  Diodor  bezeugt 
ausdrücklich  *),  dass  der  mächtige  Wall  an  Breite  der  Mauer  bei- 
nahe gleichgekommen  sei  (*£  txc:r£oov  <Jg  tusQovg  rov  narauoü  xot]- 
nlöcc  noZuT£?.ri  xcnaGzsvaGe  naQcmfa^Gtav  xcträ  zo  nXärog  roTg  tsi%sgiv). 
Auch  gäbe  der  ganze  Satz  in  der  von  Schweighäuser  vorgeschla- 
genen Uebersetzung  keinen  guten  Sinn;  oder  was  soll  das  heissen, 
die  innere  Mauer  sei  zwar  nicht  viel  schwächer,  aber  schmaler  ge- 
wesen ?  War  sie  nicht  viel  schwächer,  so  kann  sie  auch  nicht 
wohl  viel  schmaler  gewesen  sein  und  umgekehrt,  war  sie  schmaler, 
so  war  sie  auch  schwächer. 

Ich  glaube  daher  das  itsqov  dz  zgw&sv  rei%og  müsse,  wie  es 
auch  Hirt  2),  Heeren  3)  und  andere  gethan  haben,  von  einer  inneren 
"Ringmauer  verstanden  werden ;  und  dann  erklärt  sich  alles  höchst 
einfach.  Nunmehr  passt  der  Ausdruck  kxsqov,  da  Herodot  von  einer 
grossen    Mauer,    welche   die  Stadt  umgibt   und   von   einer  anderen 


')  Diodor.    Sicul.    Lib.   It.    cap.    8.      2)  Hirt,    Gesch.    d.    Baukunst  bei  den 
Alten  B.  I.   S.   135-      3)  Heeren  Ideen  über  die  Politik  u.  s.   w.  Th.  II.  S.  161. 


171 

spricht,  die  inwendig  herumlauft;  nunmehr  passt  der  Ausdruck  rce- 
Qid-sT,  da  nicht  mehr  die  Rede  ist  von  einer  Mauer,  die  geradlinig 
zu  beiden  Seiten  des  Euphrats  sich  hindehnt  (naoeitsivet,),  sondern 
von  einer  Mauer,  die  innerhalb  der  grossen  äusseren  ringsum  er- 
baut "war;  nunmehr  gibt  der  Zusatz  ov  nohhuj  aod-zvi-GrsQov,  gtuvö- 
tsqop  de  einen  guten  Sinn,  indem  die  innere  Ringmauer,  wenn  gleich 
nur  um  weniges  schwächer,  doch  um  ein  bedeutendes  „enger"  seyn 
musste  als  die  äussere;  nunmehr  steht  auch  die  Erwähnung  der  in- 
neren Mauer  an  der  rechten  Stelle  und  bleibt  der  ganze  Zusammen- 
hang ein  natürlicher,  indem  Herodot  von  den  verschiedeneu  Befesti- 
gungswerken zuerst  die  Dämme  des  Grabens  (rrjg  rdcpoov  tcc  yaiXsa), 
dann  die  grosse  Mauer  (tsTyog),  die  sich  als  ein  Wall  von  Back- 
steinen (cu/Licianj  nXiv&iov  onttoou)  an  beiden  Ufern  des  Flusses  fort- 
setzt und  gleichsam  einen  Panzer  (d-vompca)  bildet,  und  endlich  die 
zweite,  innere  Ringmauer  {bteQov  ds  Zoto&sv  tsiyog  Ttsoid-ef)  erwähnt, 
welche  sich  von  der  ersten  oder  äusseren  zwar  nicht  durch  mindere 
Stärke,  wohl  aber  durch  minderen  Umfang  unterscheidet. 

Wie  weit  wir  übrigens  den  Ausdruck  ötsivots^ov  auszudehnen, 
d.  h.  um  wie  viel  wir  uns  die  innere  Ringmauer  enger  zu  denken 
haben  als  die  äussere,  das  wird  sich  nicht  mehr  bestimmen  lassen; 
wenn  sie  jedoch  Hirt  auf  90  Stadien  im  Umkreise  einschränkt,  so 
geht  er  hierin  meines  Dafürhaltens  zu  weit. 

Hirt  nämlich  sucht  sich  das  Verhältniss  der  äusseren  zur  in- 
neren Ringmauer  in  nachstehender  Weise  zu  erklären.  „Die  Grösse 
einer  Stadt,  wie  Babylon,  schreibt  er  i),  hat  etwas  Ungewöhnliches 
für  unsere  Vorstellung,  so  dass  ungeachtet  der  klarsten  Zeugnisse 
wir  uns  nur  mit  Mühe  damit   befreunden   können.     Wie  gross    war 


»)  Hirt  Gesch.   d.  Baukunst  B.  I.  S.    138. 

22* 


172 

oder  konnte  die  Bevölkerung  eines  solchen  Ortes  seyn  ?  Woher 
kam  die  Nahrung  in  gewöhnlicher  Zeit,  besonders  aber  im  Falle 
einer  Belagerung  ?  Je  grösser  der  mit  Gebäuden  erfüllte  Raum  und 
die  Bevölkerung  war,  desto  schwieriger  war  die  Ernährung,  desto 
geschwinder  musste  Mangel  eintreten  und  damit  die  Uebergabe  des 
Platzes.  Durch  diese  Betrachtung  wird  es  schon  für  sich  klar,  dass 
der  Kaum,  den  die  äusseren  Mauern  einschlössen,  nicht  ganz  mit 
Häusern  erfüllt  sein  konnte,  sondern  dass  bei  weitem  der  grössere 
Flächeninhalt  zu  Gärten  und  Ackerland  bestimmt  war,  damit  wäh- 
rend einer  langwierigen  Belagerung  die  Einwohner  sich  aus  den 
eigenen  Erzielungen  grossentheils  nähren  könnten.  Dass  diess  der 
Fall  war,  sagt  Curtius  ausdrücklich.  Aber  in  welchem  Verhältnisse 
standen  der  mit  Gebäuden  erfüllte  Raum  und  das  Ackerland  gegen- 
einander? Hierauf  antwortet  wieder  Curtius,  der  den  bewohnten 
Raum  auf  90  Stadien  angibt.  Dieser  von  den  Gebäuden  erfüllte 
Raum  nun  ist  es,  welcher  mit  einer  besonderen  Mauer  umschlossen 
gewesen  zu  sein  scheint,  von  der  Herodot  schreibt:  „„Eine  an- 
dere Mauer  umgibt  das  Innere,  nicht  viel  weniger  stark  aber  von 
geringerem  Umfange  "  ". 

Hirt  ist  sonach  der  Ansicht,  „die  eigentliche  innere  Stadt  oder 
der  bewohnte  Theil"  habe  im  Gegensatze  des  „zum  Ackerbau  be- 
stimmten Landes"  nur  90  Stadien  im  Umfange  gehabt.  Dagegen 
bemerke  ich  : 

Fürs  erste  stimmen  Alle,  sie  mögen  sonst  über  das,  was  uns 
von  den  Merkwürdigkeiten  Babylons  erzählt  wird,  noch  so  verschie- 
den urtheilen,  doch  darin  überein,  dass  diese  Stadt  sehr  gross,  ja 
eine  der  grössten  der  alten  Welt  gewesen  sei.  Wollten  wir  aber 
mit  Hirt  annehmen,  dass  die  eigentliche  Stadt  nur  90  Stadien  im 
Umfange  gehabt  habe,  so  würde  diess  nach  unserem  Maasse  nicht 
mehr  als  2{  Meile,  etwas  über  |  deutsche  Meile  auf  jeder  Seite  be- 


173 

tragen.     Wie  kann  da  noch  mit  Grund  gesagt  werden,  Babylon  liabe 
dereinst  zu  den  grössten  Städten  gehört  ? 

Zweitens  befanden  sich  im  Innern  der  Stadt  einzelne  Gebäude, 
die  einen  so  bedeutenden  Raum  für  sich  in  Anspruch  nahmen,  dass, 
wenn  wir  die  eigentliche  Stadt  auf  90  Stadien  einschränken,  für 
Privatwohnungen  beinahe  gar  nichts  mehr  übrig  blieb.  Wenn  wir 
den  Angaben  Diodors  Glauben  schenken  1),  so  haben  die  zwei  Kö- 
nigsburgen zu  beiden  Seiten  des  Euphrat,  da  die  eine  60,  die  an- 
dere 30  Stadien  im  Umfange  mass,  allein  schon  90  Stadien  einge- 
nommen. Und  wollten  wir  auch  diese  Maasse  für  übertrieben  hal- 
ten und  nur  die  Nachrichten  bei  Herodot  und  Curtius  berücksichti- 
gen, so  bleiben  uns  doch  noch  immer  das  Heiligthüm  des  Bei  mit  8, 
die  schwebenden  Gärten  mit  4,  die  Burg  des  Nebucadnezar,  nach 
Curtius  mit  20  Stadien  an  Umfang.  Rechnen  wir  noch  dazu  die 
ältere  Burg  der  Semiramis ,  deren  Existenz,  obgleich  Herodot  und 
Curtius  hievon  keine  Meldung  machen,  nicht  geläugnet  werden  kann  2), 
und  setzen  wir  ihren  Umfang  statt  auf  90  nur,  wie  den  der  jünge- 
ren zu  20  Stadien  an  (sie  war  aber  grösser  als  die  von  Nebucad- 
nezar erbaute) :  so  blieben  selbst  nach  diesen  Rechnungen  für  sämmt- 
liche  Privathäuser  nur  noch  dreissig  und  einige  Stadien  übrig,  was 
offenbar  aller  Wahrscheinlichkeit  widerspricht. 

Drittens  müssen  wir  allerdings  annehmen,  dass  ein  grosser 
Theil  des  von  den  Mauern  eingeschlossenen  Raumes  zu  Ackerland 
bestimmt  gewesen,  allein  einerseits  nöthiget  uns  nichts,  die  Zahl 
der  Bevölkerung  und  somit  der  Wohnhäuser  zu  sehr  einzuschrän- 
ken ;   denn  auch  von  Niniveh  wissen   wir,   dass   daselbst  mehr  als 


')  Diodor.  Sicul.  Lib.  II.  cap.  8.     *)   Vergl.  Heeren,    Ideen   über  die  Poli- 
tik u.   s.  w.  Th.  II.   S.   183. 


17  1 

hundert  zwanzig  tausend  Menschen  gewesen,  die  nicht  rechts  und 
links  zu  unterscheiden  wusslen  *),  andrerseits  stünde  der  Flächenin- 
halt der  inneren  Stadt  oder  des  bewohnten  Theiles,  wenn  wir  den- 
selben auf  90  Stadien  einschränken,  zu  dein  Ackerlande  in  gar  kei- 
nem Verhältnisse  mehr.  Oder  wer  sollte  glauben,  dass,  wie  Hirt 
selbst  berechnet  2),  beide  sich  nach  den  Maassen  des  Curtius  wie 
1  zu  154  oder  nach  denen  des  Herodot  wie  1  zu  27^-  verhalten 
haben  ? 

Wenn  viertens  Hirt,  um  diesem  Einwurfe  zu  begegnen,  hinzu- 
fügt:  „Indessen  würde  man  sich  irren,  wenn  man  die  Wohnge- 
häude  einzig  auf  die  innere  Stadt  einschränken  wollte.  Wahrschein- 
lich dienten  die  den  äusseren  Mauern  zunächst  gelegenen  Wohnun- 
gen für  solche,  Welchen  die  Bewachung  der  Mauern  zunächst  ob- 
lag, und  die  andern  über  das  Feld  zerstreuten  Gebäude  für  die 
Kaste,  welche  das  Feld  bestellte":  so  kömmt  er  mit  sich  selbst  io 
Widerspruch,  denn  wenn  zunächst  der  äusseren  Mauer  und  zerstreut 
über  das  Feld  Wohnungen  standen,  so  kann  „der  bewohte  Raum" 
im  Gegensatze  des  Ackerlandes  nicht  mehr  blos  auf  90  Stadien  ein- 
geschränkt werden. 

Endlich  stüzt  sich  die  Behauptung,  als  sei  nur  ein  Quadrat  von 
90  Stadien  im  Umfange  oder  ein  Raum  von  22^  Stadium  in  der 
Länge  bewohnt  gewesen,  einzig  nur  auf  eine  Stelle  bei  Curtius. 
Diese  scheint  mir  aber  gerade  das  Gegentheil  davon  auszusagen. 
Die   Stelle   lautet3):     „Aedificia  non  sunt  admota  muris,    sed  fere 


1 )  Jonas  IV.  11.  Da  durch  diesen  sprichwörtlichen  Ausdruck  Kinder 
bis  zu  drei  oder  fünf  Jahren  bezeichnet  werden,  so  wird  nach  dem  gewöhn- 
lichen Verhältnisse  die  Gesammtzahl  der  Einwohner  auf  2  Millionen  berech- 
net. J)  Hirl  Gesch.  d.  Baukunst.  B.  I.  S.  140.  3)  Curtius  Rufus,  Lib.  5. 
cap.    1. 


175 

spatium  uuius  jngeris  absunt.  Ac  ne  totam  quidem  urbem  tectis  oc- 
cupaverunt;  per  XC  stadia  liabitatiir;  nee  omnia  continua  sunt;  credo, 
quia  tutius  visum  est  pluribus  locis  spargi".  Den  Satz  nun:  „per 
XC  stadia  liabitatiir"  übersetzt  Hirt :  „der  bewohnte  Raum  hatte 
nur  90  Stadien  im  Quadrat".  Allein  wenn  auch,  was  ich  übrigens 
bezweifle,  die  Praeposition  „per"  sich  übersetzen  Hesse  „im  Quad- 
rat" oder  „im  Umfange  von",  so  würde  doch  eine  solche  Deutung 
dem  ganzen  Zusammenhange  widersprechen.  Curtius  sagt  deutlich, 
die  Wohngebäude  reichen  ohngefähr  bis  auf  ein  Juchert  an  die  Stadt- 
mauer. Da  nun  derselbe  Schriftsteller  den  Umfang  der  Stadtmauer 
auf  360,  also  die  Länge  jeder  Seite  auf  90  Stadien  angibt,  so  nah- 
men die  Wohugebäude  die  Länge  von  90  Stadien,  weniger  ohnge- 
fähr ein  Juchert,  ein.  Wenn  aber  Curtius  schreibt,  die  Wohnhäu- 
ser dehnen  sich  in  einer  Länge  von  90  Stadien,  weniger  ohngefähr 
ein  Juchert,  aus,  so  kann  er  nicht  zu  gleicher  Zeit  geschrieben 
haben,  die  Wohnhäuser  dehnen  sich  in  einer  Länge  von  22^  Sta- 
dium aus.  Der  Sinn  der  ganzen  Stelle  scheint  mir  vielmehr  folgen- 
der zu  sein:  „die  Gebäude  reichen  nicht  bis  an  die  Mauer,  sondern 
stehen  ohngefähr  ein  Jugerum  davon  entfernt;  auch  ist  nicht  die 
ganze  Stadt  mit  Gebäuden  angefüllt;  zwar  ist  sie  in  einer  Länge 
von  90  Stadien  bewohnt,  aber  die  Häuser  stehen  nicht  dicht  anein- 
ander, sondern  es  sind  Zwischenräume,  ich  glaube  darum,  weil  sie 
es  für  sicherer  hielten,  mehr  auseinander  zu  wohnen". 

Die  Nachricht  des  Curtius  ist  also  ganz  übereinstimmend  mit 
den  Nachrichten  der  übrigen  Schriftsteller,  welche,  insoferne  sie 
den  Umfang  der  Mauern  auf  360  Stadien  ansetzen,  der  Stadt  gleich- 
falls eine  Ausdehnung  von  90  Stadien  geben,  und  namentlich  mit 
Diodor,  der  den  Zwischenraum  zwischen  der  Mauer  und  den  Häu- 
sern auf  zwei  Plethren  berechnet  i). 


')  Diodor.  Sicut.  Lib.   II.  cap.  7.  ava  {.itotov  de  xCtv   oixiwv  xai  xtov  zei- 
%üv  oöog  nävziq  xaTtteXeimo  dLnXedqog. 


176 

So  viel  über  die  innere  Mauer,  von  welcher  Herodot  redet. 
Nun  erst  können  wir  zum  Berichte  des  Berosus  übergehen  und  die 
Beantwortung  der  Frage  versuchen,  wie  sich  die  Nachricht  dieses 
Schriftstellers,  welcher  deutlich  von  einer  dreifachen  Einfassung 
redet,  zu  der  bei  Herodot  verhalte,  der  nur  von  einer  zweifachen 
zu  sprechen  scheint. 

Wenn  Hirt  die  Nachricht  des  Berosus  gar  keiner  Beachtung 
werth  hält,  sondern  dieselbe  kurz  mit  den  Worten  abfertiget  J)  : 
„Von  äusseren  und  inneren  Mauern  spricht  auch  Berosus,  nur  macht 
er  die  äussere  Ringmauer  sowohl  als  die  innere  dreifach,  eine  An- 
gabe, die  bei  keinem  andern  Alten  vorkommt",  so  geht  er  von  der 
Annahme  aus,  dass  die  Nachricht  des  Berosus  einerseits  mit  der 
bei  Herodot  im  Widerspruche  stehe,  andrerseits  aber  schon  darum 
verdächtig  erscheine,  weil  andere  Schriftsteller  nichts  von  einer 
dreifachen  Mauer  erwähnen.  Allein  wir  haben  bereits  oben  gese- 
hen, wie  mancher  Widerspruch  bei  genauerer  Prüfung  kein  wirk- 
licher, sondern  nur  ein  scheinbarer  sei  und  was  das  Stillschweigen 
anderer  Schriftsteller  anbelangt,  so  kann  hieraus  nicht  auf  die  Un- 
richtigkeit irgend  einer  Nachricht  geschlossen  werden.  Herodot 
spricht  z.  B.  nirgend  von  den  schwebenden  Gärten  zu  Babylon  und 
doch  existhten  sie  und  wurden  sogar  zu  den  Wundern  der  Welt 
gezählt. 

Der  Bericht  des  Berosus  lautet  wie  folgt 2  J.  „Nabuchodonosor  hat 
von  der  Kriegsbeute  das  Heiligthum  des  Bei  und  andere  reichlich  ge- 
schmückt; die  alte  Stadt  und  die  andere  (ausserhalb}  verbunden  und  er- 
neuert ;  und  damit  die  Belagerer  nicht  mehr  durch  Abwendung  des  Flus- 


')  Hirt  a.   a.   O.   S.    139.      2)    Berosus    bei    Flav.    Joseph,    contra    Appion. 
Lib.    I.   cap.    19.   Antirpj.  Jud.  Lib.  X.   cap.    11. 


177 

ses  sich  gegen  die  Stadt  zu  kehren  vermöchten,  Mauern  aufgeführt, 
drei  innerhalb  der  Stadt,  drei  ausserhalb,  die  einen  von  gebrannten 
Ziegeln  und  Asphalt,    die  andern   nur  von  Ziegeln    (rtoög  ro  jutjx^n 

dvVCiö9-Ctl    TOl'S    710?.10QX0UVTC'.Q    TOV   TlOXCtfXOV    aVCCOTQSlfOVTCtQ    tili   Xt]V  710- 

Xiv  xaraoxsva^uv ,  vnsosßäXsro  rosig  fi&v  rijg  evdov  Tiofewg  neoißöAovg, 
rosig  de  rrjg  t^co  rovroiv,  rovg  fxsv  Ü;  onrrjg  nÄivd-ov  xal  aGydÄtov, 
rovg  ds  &■  txvrijg  rtjg  nfav&ov)',  und  nachdem  er  die  Stadt  wohl  be- 
festiget und  die  Thore  würdig  geschmückt,  hat  er  neben  der  väter- 
lichen Burg  noch  eine  andere  erbaut  u.  s.  w.". 

Berosus  berichtet  hier  unzweideutig,  erstens  dass  die  Stadt  mit 
einer  dreifachen  Mauer  befestiget  gewesen  und  zwar  mit  einer  drei- 
fachen nach  aussen  und  mit  einer  dreifachen  nach  innen;  zweitens 
dass  Nebukadnezar  diese  rosig  nsoißöAovg  zunächst  zu  dem  Zwecke 
aufführen  liess,  dass  der  Feind  im  Falle  einer  Belagerung  die  Stadt 
nicht  etwa  durch  den  Fluss  in  Gefahr  zu  bringen  vermöge;  drittens 
dass  drei  von  diesen  Befestigungswerken  ans  Ziegel  und  Asphalt, 
die  andern  aber  nur  aus  Ziegeln  erbaut  gewesen  seien. 

Berosus  war  selbst  in  Babylon,  wir  haben  daher  keinen  Grund 
an  der  Richtigkeit  seiner  Angaben  zu  zweifeln.  Aber,  wie  stimmen 
diese  mit  den  Nachrichten  des  Herodot  überein  ?  Ich  antworte, 
was  zunächst  die  äusseren  Ringmauern  anbelangt,  wortwörtlich. 

Wenn  Berosus  schreibt,  die  Stadt  habe  nach  aussen  hin  drei 
Ringmauern  gehabt,  diese  hätten  aber  vorzugsweise  zur  Befestigung 
des  Flusses  gedient,  so  kann  unter  dem  also  befestigten  Flusse 
ausserhalb  der  Stadt  nichts  anderes  gemeint  sein  als  der  breite  und 
tiefe  Graben,  welcher,  ein  Arm  des  Euphrat,  die  Stadt  von  aussen 
rings  umgab.  Dem  Berosus  zufolge  hatte  also  der  Graben  gemauerte 
Einfassungen.  Wenn  nun  Herodot  schreibt,  zuerst  kommt  ein  tie- 
fer, breiter  und  wasserreicher  Graben  mit  einer  gemauerten  Einfas- 
sung an   beiden   Seiten,    dann   kömmt   die    hohe  und  starke  Mauer, 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)  23 


178 

•was  heisst  das  anders    als  die  Stadt  hatte  nach  aussen  rqug  nsQi- 
ßöXovg  ? 

Aher  auch  was  Berosus  von  einer  inneren  dreifachen  Mauer 
schreibt,  steht  mit  Herodot  nicht  in  Widerspruch.  Auch  hier  kön- 
nen wir  sagen:  Wenn  Berosus  berichtet,  die  Stadt  habe  innen  drei 
Ringmauern  gehabt,  diese  hätten  aber  vorzugsweise  zur  Befestigung 
des  Flusses  gedient,  so  folgt  hieraus,  dass  dem  Berosus  zufolge 
der  die  Stadt  in  zwei  Hälften  theilende  Eup/irat  gemauerte  Ein- 
fassungen gehabt  habe.  Wrenn  dann  Herodot  schreibt,  im  Innern 
der  Stadt  habe  ein  Wall  von  Backsteinen  sich  neben  den  beiden 
Ufern  des  Euphrat  hingezogen,  ausserdem  aber  sei  daselbst  noch 
eine  Ringmauer  aufgeführt  gewesen ,  nicht  viel  schwächer  wie  die 
äussere  grosse  Stadtmauer,  spricht  da  nicht  Herodot  gleichfalls  von 
einer  dreifachen  Befestigung  nach  innen  ? 

Wie  die  äussere,  grosse  Mauer  mit  den  zwei  Dämmen  des 
Grabens  die  rQtig  rtjg  t|ct>  noAecog  nsQ/ßöAovg,  so  nennt  Berosus  die 
innere,  engere  Ringmauer  mit  den  zwei  Dämmen  des  Euphrats  die 
TQseg  rijg  tvdov  nöfewg  nsQißoZovg  *). 


!)  Heeren  (Ideen  über  die  Politik.  TL.  II.  S.  182.)  glaubt  die  dreifache 
Mauer  inwendig  nicht  so  fast  auf  die  Stadt,  als  -vielmehr  auf  die  von  Nebu- 
kadnezar  erweiterte  Burg  beziehen  zu  müssen,  ,, unter  welcher  man  nicht  ei- 
nen blossen  Pallast  zu  verstehen  habe,  sondern  eine  Abtheilung  der  östlichen 
Stadt,  welche  sowohl  den  eigentlichen  Pallast  nebst  den  schwebenden  Gärten 
und  vielen  andern  grossen  Gebäuden  enthielt,  aber  auch  durch  eine  dreifache 
Circumvallationslinie  befestiget  war".  Er  sucht  sodann  die  Spuren  derselben 
zwischen  den  Ruinen  von  Mukullibe,  Elkassr  und  dem  Hügel  Amram  nach- 
zuweisen. Allein  Josephus  oder  vielmehr  Berosus  unterscheidet  ausdrücklich 
die  Befestigung  der  Sladt  und  die  Erweiterung  der  Burg,  und  zählt  die  drei- 
fachen Mauern  zu  den  zur  Befestigung  der  Stadt  und  des  Flusses  aufgeführ- 
ten Werken. 


179 

Wenn  endlich  Berosus  bemerkt,  drei  von  diesen  Befestigungs- 
werken  seien  von  Ziegeln  und  Asphalt,  die  andern  nur  von  Ziegeln 
erbaut  gewesen,  so  wird  auch  diess  durch  Herodot  bestätiget,  wel- 
cher ausdrücklich  schreibt,  die  äusseren  Ringmauern,  nämlich  die 
grosse  Mauer  und  die  beiden  Dämme  des  Grabens  seien  auf  gleiche 
Art  aus  Ziegeln  und  heissem  Erdpech,  zwischen  je  dreissig  Lagen 
von  Ziegeln  Rohrflechten,  erbaut  gewesen,  die  Mauer  aber,  welche 
sich  im  Innern  der  Stadt  an  beiden  Ufern  des  Euphrat  hinzog,  habe 
nur  aus  Backsteinen  (ohne  Asphalt)  bestanden. 

Schliesslich  findet  nun  auch  der  weitere  Bericht  des  Berosus: 
„und  nachdem  Nebukadnezar  die  Stadt  wohl  befestiget,  und  die 
Thore  würdig  geschmückt,  habe  er  neben  der  väterlichen  Burg  noch 
eine  andere  erbaut",  seine  Ergänzung  und  Bestätigung  bei  Herodot 
insoferne  dieser  meldet,  dass  sämmtliche  Thore,  die  der  grossen 
Mauer  sowohl  als  die  unmittelbar  zu  der  Befestigung  des  Flusses 
führenden,  von  Erz  gewesen  seien. 


23* 


ISO 


V. 

Vom  Heiligthume  des  Bei. 

Nicht  so  widersprechend  und  auch  sonst  deutlicher  als  die 
Nachrichten  über  die  Mauern  von  Babylon,  sind  die  Berichte  über 
das  merkwürdigste  der  Gebäude  im  Innern  der  Stadt,  nämlich  das 
Heiligthiiin  des  Bei;  nichts  desto  weniger  bedürfen  auch  hier  einige 
Punkte  einer  nähereu  Erörterung. 

Es  sind  nur  drei  Schriftsteller,  welche  von  diesem  Gebäude 
Erwähnung  thun;  nämlich  Herodot,  Strabo  und  Diodor.  Wir  wol- 
len vorher  ihren  Bericht  hören  und  dann  versuchen,  wie  weit  wir 
im  Stande  sein  werden  uns  hieraus  ein  vollständiges  Bild  zu  ent- 
werfen. 

Diodor  lässt  sich  auf  eine  genaue  Beschreibung  der  architec- 
tonischen  Verhältnisse  nicht  ein.  Er  bemerkt  nur  im  Allgemeinen, 
wie  folgt1):  „In  der  Mitte  der  Stadt  erbaute  sie  (nämlich  Semi- 
ramis)  ein  Heiliglhum  {Uqov)  des  Zeus,  den  die  Babylonier  Bei 
nennen.  Da  jedoch  hierüber  die  Nachrichten  der  Schriftsteller  von 
einander  abweichen  und  der  Bau  selbst  durch  die  Zeit  zusammen- 
fiel, kann  man  nichts  Genaues  davon  sagen.  So  viel  ist  jedoch  ge- 
wiss, dass  es  ungemein  (xad-3  vnsQßohjp')  hoch  gewesen  sei  und 
dass  die  Chaldäer  in  ihm  ihre  Beobachtungen  der  Gestirne  machten, 
da  die   Höhe    des    Gebäudes   einer  genauen   Betrachtung  des   Aof- 


')  Diodor.  Sicul,  Lib.  II.  cap.   9. 


181 

und  Niedergangs  günstig  war.  Der  ganze  Bau  war  aus  Asphalt 
und  Ziegeln  mit  vieler  Kunst  und  Pracht  hergestellt.  Auf  der  Spitze 
des  Aufgangs  (in  axQag  xrjg  avaßdoswg)  standen  drei  goldene  Bil- 
der, des  Zeus,  der  Hera  und  der  Rhea." 

Nicht  minder  kurz  aber  doch  in  Bezug  auf  die  Gestalt  des  Hei- 
ligthums  mehr  befriedigend  ist  die  Nachricht  Sfrabos,  die  also  lau- 
tet *):  „Daselbst  ist  auch  das  Grabmal  des  Bei  (o  xov  BiqXov  xct- 
<pog),  jetzt  zwar  zusammengestürzt,  Xerxes  soll  es  zerstört  haben, 
es  war  aber  eine  viereckige  Pyramide  (nvqcifxlg  xBxqüyojvog)  aus  ge- 
brannten Ziegeln  und  zwar  von  einem  Stadium  in  der  Höhe  und 
einem  Stadium  auf  jeder  Seite  (xcä  ccvxtj  oxaSimia  xo  v\pog-  oxc.8iaia 
§k  xcd  ixcioxf]  xwv  nfevqwv.')  Alexander  wollte  sie  wieder  herstel- 
len. Es  ei  forderte  aber  viele  Mühe  und  viele  Zeit,  denn  zur  Weg- 
räumuug  des  Schuttes  allein  hätten  zehntausend  Mann  zwei  Monate 
gebraucht,  darum  ward  das  Angefangene  nicht  vollendet,  auch  kam 
bald  die  Krankheit  und  der  Tod  des  Königs  dazwischen". 

Die  vollständigste  Beschreibung  gibt  uns  Herodot.  Ich  muss 
sie  der  Folgerungen  wegen,  die  daraus  zu  ziehen  sind,  ganz  hie- 
her  setzen.  Sie  lautet  wie  folgt  2^ :  5Jn  dem  andern  Theile  der 
Stadt  ist  das  Heiligthum  des  Zeus  Bei  mit  ehernen  Thoren :  es 
stand  noch  zu  meiner  Zeit,  ein  Viereck  von  zwei  Stadien  auf  je- 
der Seite  (iv  dk  xa>  txeQco  Aiog  BqAov  ieQÖv  %alxönvXov ,  zcd  ig  ejus 
xouzo  i'xi  iov,  ovo  Gxadtwv  ndvxt],  lov  xhxoäyiovov).  In  der  Mitte 
des  Heiligthums  war  ein  massiver  Thurm  erbaut,  von  eines  Stadiums 
Länge  und  Breite  {iv  /usacp  Ss  xov  hoov  nvoyog  axsoeög  olxodojAflxai, 
axccdtov  xcd  xo  juqxog  xcd  xo  svQog) ;  und  auf  diesen  Thurm  kam  ein 
anderer  Thurm  zu  stehen  und  auf  diesen  wieder  ein  anderer  bis  zu 


»)  Strabo    Geogr.   Lib.   XVI.    pag.   244.    ed.    Tzsch.       2)    Herodot.   Lib.  I. 
cap.  181. 


182 

acht  Tliürmen.  Der  Aufgang  aber  zu  denselben  ist  aussen  rings 
um  alle  die  Tliünne  herum  angebracht ,  und  ziemlich  in  der  Hälfte 
des  Aufgangs  ist  ein  Ilastort  mit  Ruhebänken,  wo  sich  die  Hinauf- 
steigenden niedersetzen  um  auszuruhen.  In  dem  letzten  Thurme 
aber  ist  ein  grosser  Tempel  (ßv  dt  tw  tsXsvrauo  nvQycp  vqog  tntaxi 
/ut'yag)  und  in  dem  Tempel  liegt  ein  grosses  Lagerpolster  wohlge- 
bettet und  vor  demselben  steht  ein  goldener  Tisch.  Ein  Bild  aber 
ist  daselbst  nicht  aufgerichtet,  auch  übernachtet  daselbst  kein  Mensch 
ausser  einer  Frau  von  den  Eingebornen,  die  sich  gerade  der  Gott 
aus  allen  erwählt,  wie  die  Chaldäer,  die  Priester  dieses  Gottes, 
sagen  .  . .  Noch  ist  in  dem  Heiligthume  zu  Babylon  unten  ein  an- 
derer Tempel  (tan  dt  rou  tv  BaßvXwvi  iqov  y.al  aW.og  xäx(x>  vi]6s). 
Dort  ist  ein  grosses  Bild  des  Zeus,  sitzend,  von  Gold  und  vor  ihm 
steht  ein  grosser  Tisch  von  Gold,  auch  der  Fussschemmel  und  der 
Thron  sind  von  Gold.  Es  wurde,  wie  die  Chaldäer  sagen,  mit 
800  Talenten  Goldes  gemacht.  Und  ausserhalb  des  Tempels  ist 
ein  goldner  Altar.  Es  ist  auch  noch  ein  anderer  grosser  Altar  da, 
worauf  die  ausgewachsenen  Thiere  geopfert  werden;  denn  auf  dem 
goldnen  Altar  darf  nichts  dargebracht  werden  als  was  noch  Milch 
säugt.  Auf  dem  grossen  Altare  verbrennen  auch  die  Chaldäer  jähr- 
lich 1000  Talente  Weihrauch,  wenn  sie  das  Fest  dieses  Gottes 
feiern.  Auch  war  in  diesem  heiligen  Bezirke  (ßv  rw  re/uefai'  rovtia) 
damals  eine  Bildsäule  von  zwölf  Ellen,  von  Gold,  stehend.  Ich 
sah  sie  indessen  nicht  und  sage  nur,  was  von  den  Chaldäern  ge- 
sagt wird.  Nach  dieser  Bildsäule  trachtete  Darius,  der  Sohn  des 
Hystaspis,  wagte  es  aber  nicht  sie  zu  nehmen;  Xerxes  jedoch,  der 
Sohn  des  Darius,  nahm  sie  und  tödtete  den  Priester,  der  ihm  un- 
tersagen wollte,  die  Bildsäule  anzutasten.  So  war  dieses  Heilig- 
thom  beschaffen". 

So  lauten   die    drei   noch   vorhandenen   Beschreibungen.     Wel- 
ches Bild  nun  gewinnen    wir  hiedurch  ?     Wie   war    der   Grundriss 


183 

dieses  Heiligthums  beschaffen '?  Wie  Laben  wir  uns  den  Aufriss 
desselben  zu  denken  ?  Welche  Bedeutung  liegt  überhaupt  dem  gan- 
zen Bau  zum  Grunde?  Diess  sind  die  vornehmsten  Fragen,  die 
sich  uns  darbieten  und  ohne  deren  gemeinschaftliche  Lösung  wir 
uns  unmöglich  eine  klare  Vorstellung  von  diesem  eigentümlichen 
und  merkwürdigen  Baue  machen  können  ? 


a. 

Von  dem  Grundrisse  des  Heiligthums. 


Was  den  Grundriss  anbelangt,  haben  sich  in  den  bisherigen 
Erklärungen  einige  Irrthümer  eingeschlichen,  die  einer  Berichtigung 
bedürfen. 

Fürs  erste  glaubten  Einige,  das  viereckige  Heiligthum  des  Bei 
habe  zwei  Stadien  oder  zwölfhiindert  Fuss  im  Umfange,  folglich 
dreihundert  Fuss  auf  jeder  Seite  gemessen.  Da  nun  der  Thurm 
sechshundert  Fuss  im  Durchmesser  hielt,  so  ziehen  sie  hieraus  den 
Schluss,  als  sei  jenes  Viereck  von  dem  untersten  Theile  des  Thur- 
mes  eingeschlossen  gewesen  *). 

Diese  Ansicht  ist  irrig.  Herodot  schreibt :  Jiög  BijÄov  Uqov, 
dvo  Grcidioiv  nc'.vzrj ,  tov  TSTQäywvov.  Der  Ausdruck  nävxri  lässt 
nicht  wohl  eine  andere  Erklärung  zu,  als  das  viereckige  Heilig- 
thum habe  überall,  d.  i.  auf  jeder  Seite,  zwei  Stadien  gemessen  2). 
Sollte  aber  dennoch  ein  Zweifel  desshalb  übrig  bleiben ,  so  schwin- 
det er  vollends  durch  den  weiteren  Bericht  Herodots,  wenn  dieser 
hinzufügt :    „in   der   Mitte  aber  dieses   heiligen  Raums  (Iv  ^aco  de 


*)  Schubert,    die    Geschichte    der   Seele.     2te   Auflage   S.    874.     '.)  Vergl. 
Schweighäuser,  Lexic.  Herod.  s.  v. 


181 

rov  Uqov)  war  ein  massiver  Tlnirm  erbaut,  von  eines  Stadiums  Länge 
und  Breite".  Hiemit  ist  deutlich  ausgesprochen,  dass  nicht  das  Viereck 
von  dem  Thurme,  sondern  umgekehrt  der  Thurm  von  dem  Vierecke 
eingeschlossen  gewesen  sei. 

Zweitens  ist  so  ziemlich  allgemein  angenommen,  dass  der  Bau, 
in  welchem,  der  Angabe  Herodots  zufolge,  das  kolossale  goldene 
Bild  eines  sitzenden  Zeus  gezeigt  wurde,  sich  im  unteren  Theile 
des  Thurmes  befunden  habe.  So  schreibt  Hirt  *):  „Ausser  diesem 
oberen  (in  welchem  keine  Statue,  sondern  nur  ein  Ruhelager  ge- 
wesen) fand  sich  unten  im  Bau  noch  ein  anderer  Tempelsaal,  worin 
sich  ein  sitzender,  zwölf  Ellen  hoher  (?)  Colossrdes  Jupiter  in 
massivem  (?)  Golde  befunden  hatte"2).  Dann  abermal  3):  „Auf 
der  Spitze  des  achtfachen  Thurmes  war  ein  Tempelsaal,  worin  die 
dem  Gott  geweihte  Braut  die  Nächte  zubrachte,  in  dem  untern 
Theile  des  Thurmes  aber  ein  Prachtsaal,  wo  colossale  Bilder,  Throne 
und  Altäre  des  Belus  vorkamen".  In  gleicher  Weise  schreibt  Kug- 
ler  4) :  „Unterwärts  war  in  dem  Bau  eine  Tempelhalle,  diese  ent- 
hielt ein  goldenes  Colossalbild  des  Gottes,  einen  goldenen  Thron 
und  Tisch".  Der  nämlichen  Ansicht  ist  K.  0.  Müller5):  „Unten  ein 
ungeheures  Uqov,  zwölf  hundert  Fuss  im  Quadrat;  mitten  darin  der 
Tempel  des   Baal   mit   der   goldenen   Bildsäule,    von   einem   runden 


l)  Hirt,  Geschichte  der  Baukunst  hei  den  Alten.  Band  I.  S.  145.  2)  Im 
Vorheigehen  sei  bemerkt,  dass  Herodot  weder  von  einer  Höhe  von  zwölf 
Ellen,  noch  von  massivem  Golde  etwas  sagt.  Hirt  verwechselt  hier  die  zwei 
Statuen  miteinander,  deren  erstere ,  einen  Zeus  vorstellend,  aber  unbekannt, 
wie  gross,  in  sitzender  Stellung,  die  andere  12  Ellen  hoch,  aber  unbekannt, 
was  sie  vorstellte ,  stehend  gebildet  war.  Die  erstere  war  im  unteren  Tem- 
pel, die  letztere  im  heiligen  Bezirke  aufgestellt.  3)  Hirt  a.  a.  O.  S.  147. 
4)  Kugler ,  Handbuch  der  Kunstgeschichte  S.  71.  5)  K.  O.  Müller,  Handbuch 
der  Archäologie  der  Kunst.   2te  Ausgab.  S.  285. 


185 

Thurm  eingeschlossen,  der  unten  sechshundert  Fuss  im  Durchmes- 
ser sich  in  acht  Terrassen  erhob;  im  obersten  Stockwerk  der  hei- 
ligste Tempel  ohne  Bild,  nur  mit  einem  goldenen  Tisch  und  Ruhe- 
bett für  den  Gott". 

Auch  diese  Vorstellung  ist  unrichtig.  Herodot  sagt,  der  Thurm 
sei  massiv  erbaut  gewesen  (nvQyog  ore^sög  olxod6/ut]Tcci).  So  wenig- 
stens scheint  mir  müsse  der  Ausdruck  azsQsog  um  so  mehr  verstanden 
werden,  als  Herodot  dieses  Wort  auch  an  andern  Orten  in  dem- 
selben Sinne  gebraucht  *).  In  diesem  Falle  aber  konnte  der  Thurm 
in  seinem  unteren  Theile  nicht  einen  Prachtsaal  oder  Tempel  ent- 
halten. Und  wollte  man  auch  diese  Erklärung  nicht  gelten  lassen, 
so  sagt  doch  Herodot  nicht,  der  Tempel  habe  sich  „unten  im  Thur- 
me"  sondern  „unten  in  dem  heiligen  Räume"  befunden,  und  diess 
führt  uns  zu  einer  weiteren  Bemerkung. 

Ein  dritter,  allgemein  verbreiteter  Irrthum  besteht  nämlich  in 
der  Annahme,  alles  was  Herodot  in  der  angezogenen  Stelle  be- 
schreibt, beziehe  sich  auf  einen  Tempel  des  Bei,  die  ganze  Schil- 
derung solle  uns  nur  das  Bild  dieses  Einen  Tempels  vervollständi- 
gen. So  versteht  es  z.  B.  Hirt  2),  indem  er  seiner  Untersuchung 
über  diesen  Gegenstand  die  Aufschrift  gibt :  „Von  dem  Tempel  des 
Belus"  und  sich  auf  Herodot  berufend,  die  Beschreibung  mit  den 
Worten  beginnt:  „Der  Tempel  bildete  ein  Quadrat,  jede  Seite  von 
zwei  Stadien". 


*)  So  schreibt  er  z.  B.  Lib.  I.  cap.  52.  von  Crösus.  „Dem  Amphiaiaus 
weihte  er  einen  Schild  ganz  von  Gold,  desgleichen  eine  massive  Lanze  ganz 
von  Gold  (aixprjv  ot£Q£Tjv  näaav  xqvoitjv),  die  Spitze  ebenso  wie  der  Schaft 
golden".  Hirt  selbst,  obwohl  er  von  einem  Tempelsaale  im  Innern  des  Thur- 
mes  redet,  nennt  (loc.  cit.  S.  145)  den  Thurm  massiv  gebaut.  2)  Hirt,  Gesch. 
d.  Baut.  Band.  I.   S.    145. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  lt.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)       24 


1S6 

Zu  dieser  Ansicht  mag  allerdings  der  Umstand  Veranlassung 
gegeben  haben,  dass  die  Schriftsteller  des  Alterthums,  wo  sie  von 
dem  Heiligthume  des  Bei  reden,  sich  verschiedener  Ausdrücke  be- 
dienen; indem  in  der  That  Herodot  an  zwei  Stellen  von  einem 
Tempel,  Sfrabo  von  einen»  Grabmale  und  Curtius,  wie  es  scheint2), 
sogar  von  einer  Burg  des  Bei  spricht;  allein  wenn  durch  diese  Ver- 
schiedenheit der  Ausdrücke  nunmehr  das  ganze  Bild  so  unklar  ge- 
worden, dass  die  Archäologen  ausser  dem  „Tempel''  bald  von  einem 
„Tempelsaal"  bald  von  einer  „Tempelhalle"  bald  von  einem  „heilig- 
sten Tempel",  wovon  überall  bei  den  alten  Schriftstellern  nicht  die 
Rede  ist,  Erwähnung  thun,  so  liegt  die  Schuld  nicht  an  jenen 
Schriftstellern  selbst,  sondern  an  ihren  Auslegern. 

Wenn  Hirt  behauptet  *),  Herodot  (I.  181.),  Diodor  (II.  9.)  und 
andere  nennen  diesen  mächtigen  Bau,  nämlich  das  Quadrat  mit  dem 
hohen  Tlmrnie  in  der  Mitte,  einen  Tempel',  so  muss  ich  dieser  Be- 
hauptung geradezu  widersprechen.  Herodot  spricht  allerdings  von 
einem  Tempel  des  Bei,  ja  er  nennt  deren  sogar  zwei,  aber  von 
einem  Tempel,  der  viereckig  auf  jeder  Seite  zwei  Stadien  gemes- 
sen hätte,  sagt  er  nichts.  Eben  so  wenig  richtig  ist  die  Berufung 
Hirts  auf  das  Zeugniss  Diodors.  Dieser  nennt  in  Uebereinstimmung 
mit  Herodot  den  ganzen  mächtigen  Bau  zwar  ein  isqöv,  aber  nicht 
einen  Tempel. 

Ueberhaupt  müssen  wir  strenge  unterscheiden  zwischen  einem 
heiligen,  dem  Bei  geweihten  Räume  (hgov)  und  zwischen  den  Tem- 


>)  Hirt,  a.  a.  O.  Band  I.  S.  145.  *)  Curtius  Lib.  V.  cap.'l.  schreibt: 
„Semiramis  eam  (seil,  urbem)  condiderat,  vel  ut  plerique  credidere,  Belus, 
cujus  regia  oslenditur".  Hiezu  bemerkt  nicht  mit  Unrecht  Schmieder:  ,, cujus 
si  regia  ostendebatur,  templum  ejus  non  intelligo;  hoc  enim  Alexandri  adhuc 
tempore  ab  Xerxi  ob  res  in  Graecia  male  gestas  dirutum  jacebat,  sed  arcern 
urbis,    quam  Bagophancs  Alexandro  tradiderat". 


187 

peln  (vaoC)  und  den  übrigen  dein  Bei  geweihten  Denkmälern,  welche 
sämmtlich  von  jenem  heiligen  Bezirke  eingeschlossen  waren.  Nur 
durch  diese  Unterscheidung,  die  auch  in  den  uns  vorliegenden  Nach- 
richten durchaus  beachtet  ist,  vermögen  wir  über  den  Grundriß?  ins 
Klare  zu  kommen. 

Was  nun  zuerst  den  heiligen  Bezirk  (isqou)  anbelangt,  so  war 
dieser  viereckig  und  mass  auf  jeder  Seite  zwei  Stadien.  Von  seiner 
weiteren  Beschaffenheit  meldet  Herodot  nichts  als  dass  er  %aXx6nv- 
Xov  gewesen  sey;  aber  diess  genügt,  um  uns  zu  belehren,  dass  er 
mit  einer  Mauer  eingeschlossen  war,  denn  was  sollten  die  ehernen 
Thore,  wenn  der  Raum  sonst  offen  gestanden  hätte?  Da  uns  über- 
diess  Herodot  an  einem  andern  Orte  erzählt  *),  dass  ein  Theil  der 
Babylonier,  als  der  listige  Zopyrus  den  Soldaten  des  Darius  das 
sogenannte  Cissische  und  Belische  Thor  öffnete  und  die  Perser  hin— 
einliess,  in  das  Heiligthum  des  Bei  geflohen  sey,  so  haben  wir 
Grund  anzunehmen,  dass  die  ehernen  Thore  dein  Heiligthume  nicht 
blos  zum  Schmucke,  sondern  gleich  den  ehernen  Thoren,  die  rings- 
um in  der  Stadtmauer  und  zu  beiden  Seiten  des  Dammes  am  Euphrat 
angebracht  gewesen,  zum  Schutze  gedient  und  auch  die  Mauern 
gleich  Befestigungswerken  von  gehöriger  Stärke  gewesen  seyen. 

Innerhalb  dieser  also  befestigten  Umzäunung  befanden  sich  so- 
dann die  zu  Ehren  der  Götter  und  vor  allem  des  Bei  errichteten 
Bauten,  nämlich  Tempel,  Altäre  und  andere  Kunstwerke.  Es  ist 
eine  ganz  irrige  Vorstellung,  wenn  man  annimmt,  jener  heilige  Be- 
zirk habe  nur  dem  grossen  Thurme  zur  Einfriedung  gedient,  der 
dazwischen  liegende  Raum  aber  sei  leer  gewesen  oder  nur  zu  den 
Wohnungen  der  Priester  benützt  worden  2).     Wir   sind    zwar   über 


')  Herodot,  Lib.   III.   cap.   157.      *)   Vergl.   Hirt  a.  a.  O.    S.   146. 

24* 


188 

das  Einzelne  nicht  vollständig  unterrichtet,  aber  der  Nachricht  Hero- 
dots  zufolge  standen  daselbst  zwei  Tempel,  zwei  Altäre  und  eine 
kolossale  Bildsäule. 

Der  eine  Tempel  stand  zu  oberst  auf  einem  in  mehreren  Stock- 
werken erbauten  Thurme.  Er  war  gross,  aber  eine  Bildsäule  war 
daselbst  nicht  aufgestellt,  sondern  nur  ein  Ruhebett  und  ein  golde- 
ner Tisch.  Der  Thurm  stand  in  der  Mitte  des  Heiligthums,  der 
Tempel  aber  oben  auf  dem  Thurme.  Der  Thurm  selbst  war  uicht 
der  Tempel,  dieser  bildete  nur  den  obersten  Theil  des  Thurmes. 
Diess  sagt  Herodot  ausdrücklich,  wenn  er  schreibt:  „iv  St  ral  in- 
fevTciko  nvoyw  vrjog  knsozi  /u^yag.  Auf  den  Grundriss  des  Thurmes 
und  des  Tempels  komme  ich  später  zurück. 

Ausser  diesem  einen  Tempel  wird  von  Herodot  noch  ein  zwei- 
ter (ßXXog  prjog)  erwähnt,  in  welchem  ein  colossales,  goldenes  Bild 
des  Bei  aufgestellt  war.  Wie  der  erste  oben,  so  stand  der  zweite 
unten,  aber  nicht,  wie  bereits  schon  angedeutet  worden,  unten  im 
Thurme,  sondern  unten  im  heiligen  Bezirke  neben  dem  Thurme. 
Hierüber  lassen  uns  die  Worte  Herodots  nicht  in  Zweifel.  Wie 
er  bei  dem  ersten  Bauwerke  genau  unterscheidet  zwischen  dem  Tem- 
pel {vrt6g),  dem  Thuime  {nvoyog~),  auf  welchem  der  Tempel  stand, 
und  dem  heiligen  Bezirke  {loöv),  in  dessen  Mitte  der  Thurm  errichtet 
war,  so  unterscheidet  er  auch  bei  dem  zweiten  Bauwerke -den  Tem- 
pel (vrjög)  und  den  heiligen  Bezirk  (iqov),  in  welchem  der  Tempel 
sich  befand.  "Egti  Jt  rov  iv  BaßvXwpi  Iqov,  sind  seine  Worte, 
xal  üXXog  xürio  rqog.  Also  in  dem  Heiligthume ,  sagt  er,  ist  unten 
noch  ein  anderer  Tempel.  Hätte  er  schreiben  wollen,  unten  im 
Thurme,  so  hätte  er  sich  anders  müssen  ausdrücken.  Da  er  ferner 
nur  von  einem  einzigen  Heiligthume  redet,  so  müssen  wir  diesen 
zweiten  Tempel  in  dem  nämlichen  heiligen  Bezirke  suchen,  in  wel- 
chem  auch   der  Thurm  mit   dem  ersten   Tempel   errichtet  war.     Da 


189 

endlich  der  zweite  Tempel  nicht  wie  der  erste  erhöht,  sondern  un- 
ten (#«rco)  stand,  so  niuss  er  neben  dem  Tliurme  gestanden  haben. 

In  demselben  heiligen  Bezirke  befanden  sich  aber  auch  zwei 
Altäre ,  ein  goldener  zum  Opfer  der  säugenden  und  ein  grosser  zum 
Opfer  der  erwachsenen  Thiere  und  des  Weihrauchs.  Sie  standen 
nicht  in  den  Tempeln  selbst,  sondern  ausserhalb  derselben.  Von 
dem  ersteren  bemerkt  es  Herodot  ausdrücklich,  indem  er  schreibt 
„ausserhalb  des  Tempels,  tj&o  <Tt  rov  vtjov,  ist  ein  goldner  Altar", 
von  dem  andern  dürfen  wir  es  voraussetzen. 

Endlich  spricht  Herodot  noch  von  einer  goldenen,  zwölf  Ellen 
hohen  Statue,  welche  Xerxes  wegnahm.  Auch  diese  haben  wir 
nicht  in  einem  der  Tempel  zu  suchen,  sie  stand  gleichfalls  in  dem 
genannten  heiligen  Bezirke,  tv  nö  rsixkrti  rovrio. 

Da  der  Thurin  in  der  Mitte  des  Heiligthnms  {ßv  jutocp  rov 
Isqov)  erbaut  war,  so  müssen  der  zweite  Tempel,  die  beiden  Altäre 
und  die  erwähnte  goldene  Statue  etwas  bei  Seite  gestanden  haben. 
Hiezu  war  Raum  genug,  denn  wenn  der  Thurm  600,  der  heilige 
Bezirk  aber  auf  jeder  Seite  1200  Fuss  im  Durchmesser  hatte,  so 
blieb  noch  ringsum  ein  Zwischenraum  von  300  Fuss. 

So  viel  vom  Grundrisse  des  Heiligthums.  Was  nun  noch  schliess- 
lich das  merkwürdigste  von  den  daselbst  befindlichen  Denkmälern, 
nämlich  den  Thurm  anbelangt,  so  denken  sich  einige  J)  den  Grund- 
riss  desselben  rund.  Dazu  mag  Veranlassung  gegeben  haben,  dass 
Herodot  von  dem  Aufgange  zum  Tempel  sagt,  er  sei  aussen  rings 
um  alle  die  Thürme  herum   (l'^w&kv  xüxhio  moi   nccvvag  rovg  tivq- 


»)  So  schreibt  K.  O.  Müller  (Handb.  d.  Arch.  d.  Kunst.  2te  Aufl.  S.  285): 
Unten  ein  ungeheures  isgov,  mitten  darin  der  Tempel  des  Baal,  von  einem 
runden  Thurm e  eingeschlossen. 


190 

yovg)   angebracht  gewesen.     Auch  fände  sich  hiefür   eine    Analogie 
in  der  Gestalt  der  älteren  Burg  der  Semiramis. 

Diodor  schreibt  nämlich  von  der  im  westlichen  Theile  der  Stadt 
befindlichen  Burg  *):  „die  erste  Einfassung  hatte  60  Stadien  im  Um- 
fange und  war  mit  hohen  Mauern  von  gebrannten  Ziegeln  befestiget. 
Innerhalb  derselben  war  eine  zweite  in  die  Runde  aufgeführt,  sie 
bestand  aus  ungebrannten  Ziegeln,  auf  welchen  allerlei  Thiere  ab- 
gebildet waren,  durch  die  Kunst  der  Farben  die  Natur  nachahmend. 
Diese  hatte  40  Stadien  in  der  Länge,  300  Ziegel  in  der  Breite 
und  50  Orgyien  in  der  Höhe.  Eine  dritte  innere  Mauer  umschloss 
die  Burg  in  einem  Umfange  von  20  Stadien,  ihre  Höhe  und  Breite 
aber  übertraf  die  der  mittleren  Mauer". 

Aus  dieser  Beschreibung  ergibt  sich,  dass  erstens  die  inneren 
Mauern  allemal  enger  waren,  wie  die  äusseren;  die  innerste  hatte 
20,  die  mittlere  40,  die  äussere  60  Stadien  im  Umfange.  Zwei- 
tens dass  die  inneren  Mauern  in  Vergleich  zu  den  äusseren  immer 
an  Höhe  zunahmen,  sonach  die  Burg  einen  terrassenförmigen  An- 
blick darbot;  denn  von  der  ersten  Mauer  sagt  Diodor  nur,  sie  sei 
hoch  gewesen,  von  der  zweiten,  sie  habe  in  der  Höhe  50  Orgyien 
gemessen,  von  der  dritten,  sie  habe  an  Höhe  noch  die  mittlere  über- 
troffen. Weil  endlich  drittens  Diodor  von  der  ersten  Mauer  glatt- 
liin  meldet,  dass  sie  60  Stadien  im  Umfange  gehabt  habe,  in  Be- 
treff der  zweiten  aber  ausdrücklich  hinzufügt,  sie  war  in  die  Runde 
erbaut  (btsQov  <f  ivrog  rovrov  xvxZozsQtj  xcasoxavaos):  so  spricht 
alle  Wahrscheinlichkeit  dafür,  es  seien  die  beiden  inneren  Mauern 
rund,  die  äusseren  aber  viereckig  gewesen. 

Da  nun  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  dem  Belusthiirme,  wie  spä- 
ter deutlicher  gezeigt  werden  wird,    die  inneren  Mauern  immer  en- 


')  Diod.  Sicul.  Lib.  II.  cap.  8. 


191 

ger  waren  wie  die  äusseren,  indem  das  achte  Stockwerk  von  dem 
siebenten,  dieses  von  dem  sechsten  u.  s.  w.,  und  das  unterste  selbst 
wieder  von  einer  noch  viel  grösseren  Umfangmauer  eingeschlossen 
war ;  da  ferner  in  gleicher  Art  wie  die  ältere  Burg  auch  das  ganze 
Heiligthum  von  aussen  einen  terrassenförmigen  Anblick  darbot;  in- 
dem, wie  dort  über  die  erste  die  zweite  und  über  diese  die  dritte, 
so  auch  hier  über  die  äussere  Umfriedung  des  Heiligthums  der  Thurm, 
und  über  die  unteren,  weiteren  Stockwerke  desselben  immer  engere 
und  höhere  hervorragten;  da  sonach  die  Burg  und  das  Heiligthum 
zwei  Eigenthümlichkeiten  miteinander  gemein  hatten :  so  würde  es 
nicht  befremden,  wenn  sich  auch  das  Verhältniss  des  Quadrates  zum 
Kreise  bei  beiden  Gebäuden  in  gleicher  Weise  wiederholte,  so  dass, 
wie  dort  die  inneren  runden  Mauern  von  einer  grösseren  vierecki- 
gen eingeschlossen  waren,  so  auch  hier  die  grössere  viereckige 
Mauer  einem  runden  Thurme  zur  Umfriedung  diente. 

Dessohngeachtet  müssen  wir  annehmen,  der  Thurm  sei  vier- 
eckig gewesen;  denn  Strabo  sagt  von  demselben  ausdrücklich  l) 
nicht  blos,  dass  er  die  Gestalt  einer  viereckigen  aus  Ziegeln  er- 
bauten Pyramide  hatte,  sondern  auch  dass  wie  die  Höhe  so  auch 
jede  Seite  ein  Stadium  gemessen  habe  {fiv  Jt  Ttv^ct/xlg  rstQccyoivog 
£%  OJizrjs  nXivß-ov ,  xeä  avxij  oxccSiaia  xo  vipog-  oxadictia  dt,  xal  txdo- 
rn  ratv  nUvQwv).  In  gleicher  Weise  schreibt  Herodot  2),  der  Thurm 
war  von  eines  Stadiums  Länge  und  Breite  (oxccdiov  xccl  zo  juijxog 
xai  xo  euQog).  Die  Ausdrücke  „ein  Stadium  auf  jeder  Seite"  und 
„ein  Stadium  in  der  Länge  und  in  der  Breite"  passen  nur  auf  einen 
viereckigen,  nicht  aber  auf  einen  runden  Bau. 


»)  Strabo.  Geogr.  Lib.  XVI.  §.  5.     2)  Herodot.  Lib.  I.  cap.  181. 


192 


b. 

Von  dem  Aufrisse  des  Heiligt  hums. 

Da  der  in  der  Mitte  des  heiligen  Bezirkes  stehende  Thurm  sich 
in  mehreren  Stockwerken  erhob,  so  müssen  wir  auch  den  Aufriss 
desselben  näher  befrachten. 

Herodot  schreibt,  in  der  Mitte  stand  ein  fester  Thurm,  und 
auf  diesen  kam  ein  anderer  Thurm  zu  stehen  und  auf  diesen  wie- 
der ein  anderer  bis  zu  acht  Thürmen  ;  Strabo  aber  vergleicht  die- 
sen Bau  einer  viereckigen  Pyramide:  wir  haben  uns  also  den  gan- 
zen Bau  wie  eine  in  acht  Absätzen  erbaute    Pyramide  vorzustellen. 

Da  es  ferner  das  Einfachste,  und  wie  sich  später  zeigen  wird 
allein  Wahrscheinliche  ist,  anzunehmen  dass  jeder  dieser  acht  Ab- 
sätze gleich  hoch  gewesen  sei,  nach  Strabo  aber  die  Höhe  des 
ganzen  Baues  ein  Stadium  oder  600  Fuss  betrug,  so  bestand  die 
Pyramide  aus  acht  Strockwerken  von  je  50  Ellen  oder  75  Fuss. 

Ohne  Zweifel  waren  die  acht  Stockwerke  wie  im  Aufrisse, 
so  auch  im  Grundrisse  gleichmässig  vertheilt,  so  dass  der  Durch- 
messer des  oberen  Stockwerkes  allemal  um  ein  Achtel  weniger  be- 
trug als  der  des  unmittelbar  unter  ihm  befindlichen.  Da  nun  der 
unterste  Thurm  600  Fuss  im  Durchmesser  hatte,  so  würden  auf  den 
zweiten  525,  auf  den  dritten  450,  und  so  auf  jeden  folgenden  um 
75  Fuss  oder  50  Ellen  weniger  treffen.  Der  oberste  Absatz  aber 
hätte  75  Fuss  im  Durchmesser. 

Bis  auf  diesen  Punkt  werden  so  ziemlich  alle  Archäologen  ein- 
verstanden sein ;  was  jedoch  den  Tempel  anbelangt,  der  sich,  Hero- 
dot zufolge  ganz  oben  in  diesem  Thurme  befand,  ist  die  Meinung 
sehr  verbreitet,   als  habe   er  über  dem  letzten  oder  achten  Absätze 


193 

gestanden.  So  schreibt  Heeren  i):  „Auf  dem  obersten  Absätze 
stand  das  Heiligthum  mit  einem  goldenen  Tisch  und  Sitz  ohne  Sta- 
tue"; so  spricht  Hirt  2)  „von  einem  Tempelsaale  auf  der  Spitze 
des  achtfachen  Thurmes";  so  übersetzt  Scholl  die  hieher  bezüg- 
liche Stelle  bei  Herodot 3) :  „Auf  dem  letzten  Thurme  ist  ein  gros- 
ser Tempel".  Wäre  diess  richtig,  so  würde  sich  der  Aufriss  des 
Thurmes  in  der  Weise  ändern,  dass  wir  nun  eigentlich  9  Absätze 
erhielten,  nämlich  8  Stockwerke  des  Thurmes  und  über  diesen  erst 
den  Tempel ;  allein  der  Tempel  stand  nicht  auf,  sondern  befand  sich 
in  dem  achten  Absätze.  Diess  bezeugt  Herodot  ausdrücklich  mit 
den  Worten  Iv  8i  reo  Ttfewaico  nvQyw  vtjts  tTisori  /uzyag.  Diese 
Unterscheidung  ist  von  Wichtigkeit  für  die  Frage,  welche  symbo- 
lische Bedeutung  diesem  Thurme  mit  dem  Tempel  zu  Grunde  lie- 
gen möge. 

c. 

Von  der  symbolischen  Bedeutung  des  Bei us  -  Tempels. 

Dass  dem  Belus-Thurme  mit  dem  über  ihm  befindlichen  Tempel 
die  oben  beschriebene  Gestalt  nicht  zufällig  oder  aus  blosser  Laune 
des  Baumeisters,  sondern  absichtlich  und  auf  Anordnung  der  Prie- 
ster gegeben  worden  sei,  dass  sonach  demselben  irgend  eine  reli- 
giöse Bedeutung  zu  Grunde  liege,  kann,  wenn  wir  nicht  den  Geist 
des  Alterthums  und  der  alten  Kunst  inbesondere  verkennen  wol- 
len, nicht  bezweifelt  werden.  Worin  mag  das  Bedeutsame  gesucht 
werden  ? 


»)  Heeren  Ideen  über  die  Politik,  u.  s.  w.  Th.  II.  S.    160.    2)  Hirt  Gesch. 
d.  Baukunst    bei    den    Alten.    Bd.  I.   S.    147.     An  einem  andern  Orte  (S.    145.) 
schreibt  er  wieder  richtig:    „In  dem  obersten  Absätze  war  ein  grosser  Tem- 
pelsaal1'.     3)  In  gleicher  Weise  Nork,  Beal-Wörterbuch  Bd.  I.  S.   176. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  li.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl.  (A.)  25 


191 

Da  Herodot  von  acht  Thürmen  redet,  so  glaubte  man  das  Sym- 
bolische in  der  Zahl  Acht  finden  zu  müssen.  Vier,  sagt  man,  ist 
die  Signatur  des  Zeitlichen  und  Räumlichen,  ist  die  Signatur  der 
Offenbarung  Gottes  in  der  sichtbaren  AVeit.  Acht  drückt  jene  Idee 
in  verstärktem  Grade  aus.  Daher  gehörten  bei  den  Israeliten  zur 
Amtstracht  des  gewöhnlichen  Priesters  vier  Kleidungsstücke,  der 
Hohepriester  aber  hatte  deren  acht  1).  In  gleicher  Weise  bildete 
die  Grundlage  des  Heiligthums  des  Bei  ein  Viereck,  der  Thurm 
aber  war  in  der  doppelten  Vier,  in  acht  Absätzen  erbaut,  weil  der 
Tempel  als  Wohnung  der  Gottheit  die  sichtbare  Offenbarung  Gottes, 
die  Welt,  welche  man  sich  viereckig  dachte,  vorstellen  sollte. 

Ich  gebe  nun  gerne  zu,  dass  dieser  Erklärung  eine  Wahrheit 
zu  Grunde  liege,  halte  sie  aber  nicht  für  erschöpfend.  Diess  könnte 
sie  nur  sein,  wenn  der  Tempel  wirklich,  wie  gemeiniglich  ange- 
nommen wird,  aus  acht  Stockwerken  bestanden  hätte.  Es  ist  aber 
so  eben  gezeigt  worden,  dass  diess  nicht  der  Fall  gewesen,  dass 
vielmehr  zwischen  Tempel  und  Thurm  unterschieden  werden  müsse. 
Herodot  nennt  nur  das  oberste  Stockwerk  des  Thurmes,  niemals 
aber  den  ganzen  Thurm  einen  Tempel.  Hieraus  folgt,  dass  der 
Tempel  selbst  nicht  aus  acht,  sondern  nur  aus  einem  einzigen  Stock- 
werke bestanden  habe,  zugleich  aber,  dass  derselbe  auf  einem  in 
sieben  Absätzen  erbauten  Fundamente  errichtet  gewesen.  Wenn 
wir  daher  die  symbolische  Bedeutung  des  ganzen  Baues  finden  wol- 
len, so  dürfen  wir  zwar  die  Zahl  Acht,  welche  sich  ans  den  sie- 
ben Stockwerken  in  Gemeinschaft  mit  dem  darüber  stehenden  Tem- 
pel ergibt,  nicht  ausser  Acht  lassen,  müssen  jedoch  vor  Allem  die 
einzelnen  Theile  selbst,  nämlich  die  Basis  sowohl  als  den  Tempel, 
jedes  für  sich  ins  Auge  fassen. 


')  Bahr,    Symbolik   des   mos.  Cullus  II.   116.     Nork   Etym.-symb.-mylhol. 
Wörterb.  s.  v.  Acht. 


195 

Was  nun  zuerst  das  Fundament  des  Tempels  anbelangt,  was 
mag  ein  Bau,  der  sich  in  sieben  immer  enger  weidenden  Terrassen 
erhebt,  anders  sein  als  ein  Nachbild  der  Planeten  ?  Es  ist  schon 
oben,  als  von  der  viereckigen  Gestalt  Babels  und  den,  den  Tagen 
des  Jahres  entsprechenden  360  oder  365  Stadien  ihres  Umfangs  die 
Rede  war,  darauf  hingewiesen  worden,  wie  wir  in  den  Anlagen 
der  alten  Städte  allenthalben  eine  Rückerinnerung  an  den  uralten 
Elementen-  und  Sternendienst  zu  suchen  haben.  Was  liegt  uns  aber 
näher,  als  dasselbe  in  den  ältesten  Bauwerken  der  Chaldäer,  die 
noch  mehr  wie  irgend  ein  anderes  Volk  dem  Dienste  der  Sterne 
gehuldiget,  die  noch  überdiess,  wie  uns  Diodor  berichtet,  den  Be- 
lusthurm  zu  ihren  astronomischen  Beobachtungen  benützten,  wieder- 
zufinden? Was  liegt  uns  näher  als  die  Annahme,  die  sieben  Stock- 
werke, auf  welche  die  Babylonier  ihren  Tempel  stellten,  seien  selbst 
nichts  anderes  als  ein  Bild  der  sieben  Planeten,  denen  sie  eine  be- 
sondere Verehrung  zollten  ? 

Es  würde  nicht  schwer  halten,  diese  Deutung  durch  verschie- 
dene Betrachtungen  in  ein  helleres  Licht  zu  setzen,  doch  mag  es 
genügen,  auf  einen  anderen  Bau  hinzuweisen,  welcher,  weil  er  von 
einem  den  Chaldäern  benachbarten  Volke  herrührt  und  zugleich  ei- 
ner ziemlich  frühen  Zeit  angehört,  mehr  wie  irgend  ein  anderes  Mo- 
nument geeignet  ist,  hier  in  Vergleich  gezogen  zu  werden.  Ich 
meine  die  von  dem  Mederkönige  Dejoces  erbauten  Mauern  von  Ek- 
batana. 

Herodot  schreibt  hievon  *):  „Dejoces  baute  sich  eine  weite 
und  feste  Burg,  die  nun  Ekbatana  genannt  wird,  so  dass  immer 
ein  Ring  von  Mauern  von  einem  andern  umgeben  war  und  immer  die 


')  Her  od.  Lib.   I.  cap.  98. 

25* 


196 

eine  Mauer  nur  mit  de»  Zinnen  über  die  andere  hervorragte.  Dazu 
half  ihm  die  Lage  des  Platzes,  da  er  bergig  war.  Im  Ganzen  sind 
es  sieben  Ringe  und  im  obersten  sind  die  Burg  und  der  Schatz". 

Wir  haben  hier  offenbar  dieselbe  Anordnung  wie  beim  Belus- 
Thurme.  Hier  wie  dort  sieben  Mauern,  die  terrassenförmig  in  die 
Höhe  steigen ;  hier  wie  dort  die  inneren  Mauern  allemal  enger  wie 
die  äussern,  über  welche  sie  hervorragen;  hier  wie  dort  zu  oberst, 
über  den  sieben  Stockwerken,  das  Gentium  des  ganzen  Baues,  dort 
die  Wohnung  des  Gottes,  nämlich  den  Tempel,  hier  die  Wohnung  sei- 
nes Stellvertreters  auf  Erden,  nämlich  die  königliche  Burg  mit  dem 
Schatzhause.  Diess  scheint  mir  bedeutungsvoll  genug  um  hieraus 
den  Schluss  ziehen  zu  dürfen,  dass  auch  beim  Belusthurme  nicht  so 
fast  von  acht  als  vielmehr  nur  von  sieben  Stockwerken  die  Rede 
sein  könne. 

Aber  auch  was  von  einem  Abbilde  der  Planeten  gesagt  wor- 
den, dürfte  durch  die  Hinweisung  auf  Ekbatana  gerechtfertiget  wer- 
den, denn  Herodot  fährt  in  seiner  Schilderung  also  fort:  „Die  Zin- 
nen der  ersten  Mauer  waren  weiss  {Xsvxoi),  die  der  zweiten  schwarz 
(jLa'Xafsg),  die  der  dritten  purpurn  (<poivt'xsoi) ,  die  der  vierten  blau- 
lich (y.vävtoi),  die  der  fünften  röthlich  {Gccvdc.Qccxivoi),  die  letzten 
zwei  aber  versilbert  und  vergoldet  (xcac.Qytioojjuei'oi  xbcl  zcaaxQVGw- 
fievoi)u.  Dass,  wie  die  Zahl  der  Mauern  der  Zahl  der  Planeten, 
in  gleicher  Weise  diese  einzelnen  Farben  je  einem  der  Planeten 
entsprechen,  ist  schon  längst  von  Anderen  bemerkt  worden.  Die 
Zinnen  der  ersten  Mauer  waren  weiss,  diess  ist  die  Farbe  des  Ju- 
piter und  des  ihm  zugetheilten  Zinnes;  die  der  zweiten  Mauer  wa- 
ren schwarz,  das  ist  die  Farbe  des  Saturn  und  seines  Metalls,  des 
Bleies;  die  der  dritten  purpurn,  das  ist  die  Farbe  des  Mars,  (ihm 
wird  sonst  das  Eisen  zugeschrieben);  die  der  vierten  waren  bläu- 
lich, das  ist  die  Farbe  des  Mercur  und  des  nach  ihm  benannten 
Metalls;  die  der  fünften  röthlich,  das  ist  die  Farbe  der  Venus  und 


197 

des  ihr  zugeteilten  Kupfers;  die  Zinnen  endlich  der  sechsten  und 
siebenten  Mauer  waren  versilbert  und  vergoldet,  das  sind  die  Far- 
ben des  Mondes  und  der  Sonne. 

Wir  haben  also  in  der  Burg  zu  Ekbatana  ein  planetarisches 
Bauwerk,  in  welchem  sich  die  himmlische  Hierarchie,  deren  Abbild 
die  neu  geordnete  irdische  Monarchie  sein  sollte,  versinnlichte  *). 
Gewiss  gilt  dasselbe  von  dem  in  sieben  Terrassen  aufsteigenden 
Belusthurme;  auch  er  ist  ein  Abbild  der  sieben  Planeten. 

Doch  hiemit  ist  erst  der  eine  Theil  jenes  merkwürdigen  Bau- 
werkes erklärt.  Die  sieben  Terrassen  des  Thurmes  zu  Babel  bil- 
deten so  wenig  ein  für  sich  bestehendes  Ganze  wie  die  sieben 
Ringmauern,  die  Dejoces  zu  Ekbatana  erbauen  liess.  Wie  hier 
über  die  letzte  und  oberste  Ringmauer  die  Burg  des  Königs  hervor- 
ragte, in  gleicher  Weise  stand  in  dem  Heiligthnme  des  Bei  über 
der  letzten  und  obersten  Terrasse  der  Tempel  der  Gottheit.  Wenn 
aber  dem  Fundamente,  so  lag,  das  dürfen  wir  mit  Sicherheit  an- 
nehmen, auch  der  Gestalt  des  Tempels  eine  symbolische  Bedeutung 
zu  Grunde.     Welche  mag  diese  sein  ? 

Es  ist  bereits  oben  gezeigt  worden ,  dass  das  oberste  Stock- 
werk oder  der  Tempel  viereckig  gewesen  und  allen  Gründen  der 
Wahrscheinlichkeit  zufolge  75  Fuss  oder  50  Ellen  in  der  Höhe  und 
eben  so  viel  in  der  Breite  und  Tiefe  gehabt  habe.  Die  Gestalt  des 
Tempels  war  sonach  die  eines   Würfels  oder  Cubus. 

Dass  das  Alterthum  der  Gestalt  des  Würfels  eine  symbolische 
Bedeutung  unterlegte,  beweist  unter  andern  der  Umstand,  dass  der- 
selbe in  der  Architektur  der  Israeliten  eine  so  wichtige  Rolle  spielt. 
Die  mosaische  Stiftshütte  war  in  einem  länglichen  Vierecke  erbaut, 


!)  Nork,  Real-Wörterb.  I.  221. 


198 

der  vorzüglichste  Theil  derselben  aber,  nämlich  das  Allerheiligste, 
war  in  der  Gestalt  eines  Würfels  aufgerichtet  *),  Selbst  noch  beim 
Salomonischen  Tempel,  obwohl  man  bei  dem  Heiligen  in  Bezug  auf 
die  Höhe  von  dem  Vorbilde  der  Stiftshütte  abwich,  wurde  für  das 
Allerheiligste  die  Würfelform  beibehalten  2). 

Galt  nun  das  Viereck  als  ein  Bild  der  Offenbarung  Gottes  in 
der  sichtbaren  Welt,  sind  desswegen  alle  alten  Tempel,  die  phöni- 
cischen  und  ägyptischen  nicht  minder  wie  die  griechischen  und  rö- 
mischen im  Vierecke  erbaut,  so  musste  der  Würfel,  —  der  einzige 
reguläre  Körper,  der  von  Quadraten  begränzt  ist  —  als  das  voll- 
kommenste, als  das  nach  allen  Dimensionen  des  Raumes  gleichmäs- 
sig  ausgebreitete  Viereck  auch  als  das  vollkommenste  Bild  jener 
sichtbaren  Offenbarung  und  hiemit,  als  die  entsprechendste  Form  für 
ein  Heiligthum  erscheinen,  in  welches  die  Gottheit  selbst  hernieder- 
steigen sollte. 

Ist  das  von  den  einzelnen  Theilen  Gesagte  richtig,  ruht  die 
Cella  des  Gottes  über  einem  Fundamente,  dessen  sieben  Stockwerke 
auf  die  Planeten  hinweisen,  so  wird  es  schliesslich  nicht  mehr 
schwer  halten,   auch   den   näheren  Zusammenhang   dieser  einzelnen 


')  Die  Stiftshütte  hatte  30  Ellen  in  der  Länge,  10  in  der  Breite,  10  in 
der  Höhe.  Anbelangend  die  Länge  trafen  20  Ellen  auf  das  Heilige,  10  auf 
das  Allerheiligste.  Dieses  war  sonach  eben  so  lang  wie  breit  und  hoch. 
2)  Der  Salomonische  Tempel  wurde,  was  die  Länge  und  Breite  anbelangt,  nach 
dem  Vorbilde  der  Stiftshütte  erbaut,  nur  wurden  die  Maasse  verdoppelt.  Der 
Tempel  erhielt  nämlich  20  Ellen  in  der  Breite  und  60  in  der  Länge  (40  das 
Heilige  und  20  das  Allerheiligste).  Während  man  aber  beim  Heiligen  in  Be- 
zug auf  die  Höhe  von  dem  Vorbilde  abwich  und  demselben  statt  der  doppel- 
ten Höhe  die  dreifache,  nämlich  30  Ellen  gab,  behielt  man  beim  Allerheilig- 
sten  die  ursprüngliche  Proportion  bei  und  erbaute  es  in  der  Gestalt  eines 
Würfels  von  20  Ellen  Quadralfläche. 


199 

Theile  und  liieinit  die  Beantwortung  der  Frage  zu  finden,  warum 
jener  Sonderung  ohuerachtet  das  Ganze  sich  dennoch  nach  der  dop- 
pelten Vier  zusammenfügte  und  dem  Beschauer  als  ein  Bau  von  acht 
Stockwerken  erschien. 

Was  zuerst  den  näheren  Zusammenhang  der  Cella  mit  den  sie- 
ben Terrassen  anbelangt,  ergibt  sich  derselbe  aus  dem  Begriffe  des 
Bei,  dem  der  Tempel  erbaut  war. 

Bei  war  die  vornehmste  und  älteste  Gottheit  der  Babylonier. 
Ihm  war  desshalb  das  älteste  und  grösste  Heiligthum  errichtet  wor- 
den. Welche  Vorstellung  haben  wir  mit  diesem  Bei  zu  verknüpfen? 
Die  griechischen  Schriftsteller  nennen  ihn  Zeus.  So  nennt  Herodot 
das  Heiligthum  des  Bei  *)  Jiög  BtjZou  Uobv,  noch  bestimmter  screibt 
Diodor  2)  isqöv  Aios  ov  zäXovoiv  ol  BaßvZcovioi  BfjAov.  In  gleicher 
Weise  heisst  es  von  Berosus  3),  er  war  ein  Priester  des  Bei,  ov 
jcai  Atcc  jued-eQ/LiefsvouGi.  Allein  der  Bei  der  Babylonier  ist  eine 
von  dem  Zeus  der  Hellenen  verschiedene  Gottheit.  Wenn  ihn  die 
Griechen  Zeus  oder  die  Römer  Jupiter  nennen,  so  ist  hiebei  nur 
der  griechische  oder  römische  Name  für  die  oberste  Gottheit  ge- 
braucht 4),  denn  der  Name  Bei  oder  Baal  bezeichnet  überhaupt  den 
Herrn  und  wurde  desshalb  der  gemeinschaftliche  Name  der  höheren 
Götter,  wie  die  Bezeichnungen  Baal  Berith,  Baal  Hammon,  Baal 
Peor,  Baal  Zebub  u.  s.  w.  beweisen. 

Was  uns  von  dem  babylonischen  Bei  erzählt  wird,  deutet  viel- 
mehr auf  eine  weit  frühere  Periode  hin  als  diejenige,  welcher»  der 
Zeus  der  Hellenen  angehört;  denn  wenn  Herodot  zwei  Tempel  des 
Bei  erwähnt  und  hinzufügt,   dass  der  eine  in  dem  Mittelpunkte  des 


')  Herod.  Lib.  I.    cap.   181.     2)  Diodor,  Lib.  IL   cap.   8.      3)  Euseb.  Praep. 
Evang.  X.   11.      4)  Vergl.  Munter,  Relig.  d.  Babyl. 


200 

heiligen  Bezirkes  und  zwar  hoch  oben  über  einem  siebenstöckigen 
Thinnie,  der  andere  aber  unten,  neben  dem  ersteren  gestanden  habe: 
so  können  wir,  meines  Bedünkens,  sowohl  aus  der  Gestalt  des  erst- 
genannten als  aus  der  Stellung,  welche  beide  Tempel  einnahmen, 
den  Sehluss  ziehen,  dass  der  mittlere,  pyramidenartige  Bau  der  al- 
tere sei,  der  zweite,  zur  Seite  stehende  Tempel  aber  erst  später 
hinzugefügt  wurde.  Wenn  Herodot  ferner  als  etwas  Eigentüm- 
liches hervorhebt,  dass  eine  Statue  des  Bei  zwar  in  dem  jüngeren 
Tempel  gezeigt  wurde,  in  dem  älteren  aber  ein  Bildniss  des  Gottes 
nicht  aufgestellt  war,  so  folgt  hieraus,  dass  die  Einrichtung  des  äl- 
teren Baues  bis  in  die  frühesten  Zeiten  hinaufreiche,  in  welchen  die 
Götter  überhaupt  noch  nicht  in  Bildern  von  Metall,  Stein  oder  Holz 
verehrt  wurden  1).  Es  war  aber  der  älteste  Götterdienst  allenbal- 
ben  Sternendienst.  „Wie  die  Sterne,  als  die  erstgebornen  Geschö- 
pfe gleichsam  den  ersten  Gottesdienst  ausübten,  indem  sie  schwei- 
gend auf  ihren  Bahnen  sich  bewegten  und  durch  ihre  feierlichen 
Tänze  dem  Schöpfer  huldigten :  so  richteten  anfangs  auch  die  Men- 
schen, sehend,  wie  die  Gestirne  bei  all  ihrem  Wandel  unwandelbar 
blieben,  ihren  Blick  staunend  nach  diesem  unzählbaren  Volke  und 
fingen  an,  diese  Heerschaaren  selbst  für  überirdische  Mächte  und 
unsterbliche  Kräfte  zu  halten  2).  Diess  gilt  namentlich  von  den  Ba- 
byloniern,  denn  dass  auch  an  den  Ufern  des  Euphrat  der  älteste 
Cultus  in  der  Verehrung  derjenigen  Kräfte  bestanden  habe,  welche 
den  gestirnten  Himmel  in  Bewegung  setzen,  würde,  wenn  wir  auch 


*)  Wenn  Diodor  von  drei  goldenen  Bildern  des  Zeus,  der  Hera  und  der 
Rhea  Meldung  macht,  so  widerspricht  diess  nicht  der  Behauptung  Herodots, 
dass  in  dem  älteren  Tempel  kein  Bildniss,  sondern  nur  ein  Ruhebett  und  ein 
Tisch  gestanden  habe,  denn  Diodor  sagt  nicht,  diese  Statuen  seien  im  Tem- 
pel, sondern  kfi  ccxqccq  zrjg  dvaßäaeiog  gestanden.  Sie  mögen  zu  der  näm- 
lichen Zeit  aufgestellt  worden  scyn  als  der  jüngere  Tempel  erbaut  wurde. 
2)  Görres  Mythengescb. 


201 

nicht  wüssten,  dass  die  Priester  des  Bei  mehr  noch  wie  andere  mit 
der  Beobachtung  der  Gestirne  und  ihres  Auf-  und  Niedergangs  sich 
beschäftigten,  schon  aus  dem  einleuchten,  was  bisher  von  den  sie- 
ben Stockwerken  des  Belusthuimes  und  ihrem  Bezüge  zu  dem  Pla- 
netenhimmel  gesagt  worden  ist. 

Ich  glaube  daher,  Bei,  als  der  vornehmste  und  älteste  Gott  der 
Babylonier  sei  ursprünglich  l)  kein  anderer  als  derselbe,  welchen 
nach  Philo,  dem  Uebersetzer  des  Sanchuniathon,  die  Phönicier  den 
alleinigen  Gott  des  Himmels,  /aovov  ovqcIvov  &sov,  genannt  haben  2), 
derselbe,  der  sonst  mit  dem  Namen  „der  Bei"  ^2D    oder    Beelsa- 

ineu,  Baal-aschschama'im,  y.vQiog  olqccvov  bezeichnet  wird,  dessen 
Gedächtniss  sich  bei  den  Hellenen  nur  noch  in  ihrer  Theogonie  un- 
ter dem  Namen  des  Uranos  erhalten  hat. 

Ist  aber  Bei  der  Herr  und  König  des  Himmels,  xvQiog  ovqcivov, 
der  da  über  den  Gestirnen  thront,  wo  wäre  sein  Haus  entsprechen- 
der erbaut  worden  als  im  Centrum  des  Heiligen,  hoch  oben  und 
zwar  über  einer  siebenfachen  Terrasse,  dem  Sinnbilde  des  Plane- 
tenhimmels  ?  In  solcher  Weise  erhalten  also  beide  Theile  unseres 
Bauwerkes,  der  Thurm  und  der  Tempel,  einen  ganz  einfachen  und 
natürlichen  Zusammenhang  3). 


')  Ich  meine  hier  die  frühere  Periode,  in  welcher  Bei  noch  ohne  Bild- 
niss  verehrt  wurde.  Später,  als  man  anfing,  ihm  wie  den  Göttern  überhaupt 
Statuen  zu  errichten,  mag  auch  der  Begriff',  den  man  ursprünglich  mit  dem 
Namen  dieser  Gottheit  verbunden  hatte,  sich  geändert  haben.  2)  Seiden,  Synt. 
II.  cap.  1.  3)  Gesenius  hält  den  Bei  für  den  Planeten  Jupiter,  Munter  für  den 
Sonnengott;  allein  wenn  unsere  von  dem  siebenstöckigen  Thurme  gegebene 
Deutung  richtig  ist,  so  kann,  da  die  Sinnbilder  des  Jupiter  und  der  Sonne 
in  dem  Fundamente  des  Belustempels  ohnehin  schon  enthalten  sind,  Bei  nicht 
selbst  wieder  der   Planet  Jupiter  oder  der  Sonnengott  sein. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  lt.  Akad  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl  (A.J  26 


202 


Aber    auch    die   weitere   Frage,   warum    beide  als  ein  Ganzes 
und  zwar  als  ein  Bau  von  acht  Stockwerken  sich  zusammenfügten, 
findet  hierin  eine  genügende  Lösung. 

Wir  sind  zwar  über  die  religiösen  Anschauungen  der  Babylo- 
nier,  namentlich  über  das  Verhäitniss,  in  welchem  sie  sich  den  Bei 
zu  den  Planeten  dachten,  nicht  genug  unterrichtet,  aber  gewiss  dür- 
fen wir  annehmen,  dass  sie  nicht  blos  die  Planeten  als  solche  und 
den  Bei  als  solchen,  jeden  gesondert  für  sich,  wie  höhere  Mächte 
göttlich  verehrten,  sondern  dass  dieselben  nach  der  Lehre  der  Prie- 
ster auch  in  einem  gewissen  Bezüge,  wie  zu  den  Menschen  so  auch 
zu  einander  selbst  gestanden  haben,  und  in  einer  gewissen  hier- 
archischen Ordnung  gegliedert  gewesen  seien. 

Wenn  wir  nun  in  der  Glaubenslehre  der  Aegypter  sieben  Ca- 
biren  begegnen ,  denen  Phtha  als  der  achte  sich  beigesellt,  alle  von 
derselben  göttlichen  Natur,  darum  auch  (wie  im  Tempel  zu  Mem- 
phis) in  der  äusseren  Bildung  einander  gleich;  alle  zusammen  die 
Himmelsmächte  bildend,  aber  doch  der  eine,  nämlich  Phtha,  der  vor- 
nehmste unter  ihnen  und  der  Vater  der  übrigen ;  wenn  in  ähnlicher 
Weise  die  Phönicier  sieben  Planetengötter,  die  Söhne  des  Sydek 
oder  Sydyk,  als  schützende  Mächte  verehrten,  denen  in  Esmun  der 
achte  sich  beifügte ;  wenn  wir  dieselben  grossen  und  mächtigen 
Götter,  zwar  unter  anderen  geheimuiss vollen  Namen,  aber  in  der 
nämlichen  Zahl  selbst  in  den  ältesten  Sagen  von  Samothrace  wie- 
der finden  *):  was  hindert  uns  anzunehmen,  dass  dieselbe  Lehre  — 
wenn  sie  nicht  vielleicht  von  der  Ebene  Sinear  aus  zu  den  übrigen 
Völkern  gebracht  wurde  —  den  Priestern  des  Bei  bekannt  gewe- 
sen und  von  diesen  durch  den  symbolischen  Bau  des  Tempels  und 
Thurmes  versinnlicht  worden  sei  ? 


»)  Vergl.   Creuzer,  Symbolik.   B.  II.   S.  312.  313.  319. 


203 

Wir  haben  zwar  für  diese  Deutung  meines  Wissens  kein  schrift- 
liches Zeugnis«,  aber  ist  nicht  die  architectonische  Anordnung  des 
ganzen  Bauwerkes  selbst  der  sprechendste  Beweis  hiefür?  Mir 
scheint,  wenn  die  durch  die  Lehre  von  den  sieben  Cabiren  mit  dem 
achten  an  der  Spitze  angedeutete  Harmonie  der  Himmelskörper  durch 
architectonische  Formen  symbolisch  ausgedrückt  werden  wollte,  so 
hätte  mau  die  Aufgabe  nicht  glücklicher  lösen  können  als  es  durch 
die  Erbauer  des  Heiligthums  des  Bei  geschehen  ist:  denn  blicken 
wir  nochmal  auf  den  Grund  und  Aufriss  dieses  Gebäudes  zurück, 
so  drängen  sich  uns  ungezwungen  nachstehende  Bemerkungen    auf. 

Der  Thurm  ist  aus  den  nämlichen  Grundformen  erbaut,  wie  der 
Tempel  selbst.  Der  Tempel  besteht  nämlich  aus  einem  Würfel  von 
50  Ellen  Quadratfläche.  Der  nämliche  Wrürfel  8  mal  in  der  Länge 
und  8 mal  in  der  Breite  bildet  die  Basis  des  Thurmes  *);  der  näm- 
liche Würfel  7  mal  in  der  Länge  und  7  mal  in  der  Breite  bildet  das 
zweite ,  6  mal  in  der  Länge  und  6  mal  in  der  Breite  das  dritte  Stock- 
werk, 11.  s.  w.  Hiemit  scheint  angedeutet,  dass  allen  Wesen,  auf 
welche  durch  die  verschiedenen  Stockwerke  des  Thurmes  sinnbild- 
lich hingewiesen  werden  soll,  dieselbe  Natur  zukomme,  wTie  dem- 
jenigen, dessen  Bild  in  dem  zu  oberst  stehenden  Würfel  symbolisch 
ausgedrückt  ist,  d.  h.  die  sieben  Planeten  nehmen  Theil  an  der  gött- 
lichen Natur  des  Bei. 

Diese  Würfel  fügen  sich  aber  nach  dem  Grund  und  Aufrisse 
einer    vierseitigen    Pyramide   von   400  Ellen  in   der  Basis  und,  eben 


')  Die  Basis  des  Thurmes  hatte  nach  Herodot  ein  Stadium  oder  600  Fuss 
in  der  Länge  und  in  der  Breite.  600  Fuss  kommen  gleich  400  Ellen  oder 
8  mal  50  Ellen. 

26* 


201 

so  viel  in  der  Höhe  zusammen  *).  Da  nun  das  Eigentümliche  ei- 
ner Pyramide  zunächst  darin  besteht,  dass  die  Spitzen  der  Seiten- 
flächen sich  in  einem  einzigen  Punkte,  in  der  Spitze  der  Pyramide, 
vereinigen:  so  scheint  hiemit  angedeutet,  dass  die  sieben  Planeteu- 
götter und  der  Gott  Bei  nicht  blos  in  einem  nothwendigeu  inneren 
Bezüge  zueinander  stehen,  sondern  auch  erst  alle  Acht  miteinander 
Ein  harmonisches  Ganzes  ausmachen. 

Die  Pyramide,  nach  deren  Grund  und  Aufriss  sich  die  erwähn- 
ten Würfel  zusammenfügen,  ist  ferner  parallel  zur  Basis  siebenmal 
durchschnitten.  Hiedurch  ordnet  sich  das  Eine  Ganze  in  acht  Glie- 
der, nämlich  in  „eiue  Pyramide"  und  in  „sieben  abgekürzte  Pyra- 
miden". Die  sieben  abgekürzten  Pyramiden  sind  alle  einander  ähn- 
lich, aber  sie  siud  nicht  vollkommene  Pyramiden ,  nur  das  oberste 
oder  achte  Glied  behält  die  vollkommene  Gestalt  einer  Pyramide 
bei  2).     Hiemit  scheint  angedeutet,   dass   die   sieben    Planetengötter 


')  Es  scheint  mir  bemerkenswerth ,  dass,  wie  die  Höhe  des  Tempels 
seiner  Länge  und  Breite,  so  auch  die  Höhe  der  Pyramide,  welche  den  Grund 
und  Aufriss  des  ganzen  Gebäudes  bildet,  ihrer  Grundfläche  gleichkömmt.  Ge- 
wiss ist  die  Würfelform ,  die  dem  Tempel  als  dem  vorzüglichsten  Theile  des 
Ganzen  gegeben  wurde,  nicht  ohne  besonderen  Grund  auch  in  der  Pyramide 
wieder  durchschimmernd.  Es  dürfte  auch  hierin  eine  Andeutung  liegen,  dass 
die  Theile  und  das  Ganze  in  einem  inneren  nothwendigen  Bezüge  zueinander 
stehen.  2)  Es  ist  hier  von  einer  Pyramide  natürlich  nur  in  so  ferne  die 
Hede,  als  es  sich  um  den  Grund  und  Aufriss  handelt,  nach  welchem  die  ein- 
zelnen Würfel  zusammengefügt  wurden.  Uebrigcns  findet  zwischen  den  7 
Terrassen  und  dem  Tempel  ganz  dasselbe  Verhältniss  statt,  wenn  wir  mit  Bei- 
seitesetzung der  den  Aufriss  bildenden  Pyramide,  blos  die  Würfel,  aus  de- 
nen sich  die  verschiedenen  Stochwerke  erbauen,  ins  Auge  fassen.  Die  aus 
Würfeln  gebildeten  Stockwerke  sind  alle  einander  ähnlich,  aber  nur  das 
oberste  oder  achte  Stockwerk  erscheint  in  der  vollkommenen  Gestalt  eines 
Würfels. 


205 

von  einander  verschieden  und  doch  einander  ähnlich  sind,  Bei  aber 
als  der  achte  sie  an  Vollkommenheit  übertreffe. 

Die  Pyramide  ist  endlich  parallel  zur  Basis  siebenmal  in  gleich 
grossen  Entfernungen  durchschnitten.  Nun  verhalten  sich  die  bei- 
den Basen  einer  abgekürzten  Pyramide  zueinander,  wie  die  Quad- 
rate ihrer  Entfernungen  von  der  Spitze.  Darum  enthält  der  Grund- 
riss  unseres  Thurmes  im  siebenten  Stockwerke  4,  im  sechsten  9, 
im  fünften  16,  im  vierten  25,  im  dritten  36,  im  zweiten  49  und  im 
ersten  Stockwerke  64  Würfel.  Hiemit  scheint  angedeutet,  dass 
das  Verhältniss  der  einzelnen  Planetengötter  zu  einander  und  aller 
zu  Bei  auf  eine  gewisse  hierarchische  Ordnung  gegründet  sei,  ver- 
möge welcher  allein  sie  alle  zusammen  ihrer  Verschiedenheit  ohn- 
erachtet  Ein  harmonisches  Ganze  bilden. 

Diese  aus  der  architectonischen  Gliederung  des  Belusthurmes 
sich  ergebenden  Bemerkungen  nun  mit  dem  in  Vergleich  gebracht 
was  uns  von  den  Cabiren  in  Aegypten,  Phönicien  und  Samothrace 
erzählt  wird,  dürfte  der  Schluss  nahe  liegen,  dass  beide  Theile  des 
ältesten  Bauwerkes  zu  Babel,  der  Thurm  und  der  Tempel,  desshalb 
ihrer  Sonderung  ohneraehtet  als  Ein  Ganzes  und  zwar  als  ein  in 
acht  Absätzen  gegliedertes  Ganzes  erscheinen,  weil  nach  der  Lehre 
der  Babylonier  in  ähnlicher  Weise  wie  nach  der  Lehre  der  ägyp- 
tischen, phönicischen  und  samothracischen  Priester,  zu  den  sieben 
Planetengöttern  sich  Bei  als  der  achte  der  Cabiren  hinzugesellte, 
alle  zusammen  aber  als  die  acht  grossen  Himmelsgötter  verehrt 
wurden. 


Abhandlungen  der  I,  Cl.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  I.  Abthl  (A.)  27 


ABHANDLUNGEN 


DER 


PHILOSOPHISCH  -  PHILOLOGISCHEN  CLASSE 


DER  KÖNIGLICH  BAYERISCHEN 


AKADEMIE  dehWISSENSCHAFTEN. 


FÜNFTEN  BANDES 

ZWEITE  ABTHEILUNG. 

IN  DEH  REIHE  DEB  DENKSCHRIFTEN  DER  XJ»,  BAND. 


Ml  NC  HE  IV. 

1  8  4  9. 

AUF  KOSTEN  DER  AKADEMIE. 

GEDRUCKT  IN  DER  J.  GEORG  WEISS'schen  BÜCHDRÜCKEREI. 


yiaamucMAHHA 


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ABHANDLUNGEN 

DER 

PHILOSOPHISCH  -  PHILOLOGISCHEN    CLASSE 
DER  KÖNIGLICH  BAYERISCHEN 

AKADEMIE    der     WISSENSCHAFTEN. 


FÜNFTEN   BANDES 

ZWEITE  ABTHEILÜNG. 


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Inhalt. 


Seite. 
De  locis  quibusdam  Aeschyli  Lacunosis  aut  versuum  tanspositione  sanandis 

scripsit  et  in  consessu  classis  I.  die  IV.  Julii  anni  MDCCCXLVI 

exhibuit  Friedericus  Thiersch 1 

De  locis  in  P.  Cornelii  Taciti  vita  Agricolae  Lacunosis  dissertationem 
classi  philolog.  ac  monac.  die  IX.  Maii  anni  MDCCCXLVII 
exhibitam  praecedenti   epimetrum  adjecit  Friedericus  Thiersch         71 

Ueber  ein  in  den  Besitz  des  h.  Antiquariums  übergegangenes  silbernes 
Gefäss  mit  Darstellungen  sus  der  griecbischen  Heroenge- 
schichte. Vorgetragen  in  der  Sitzung  der  I.  Classe  der  k. 
Akademie  der  Wissenschaften  am  4.  Juni  1848  von  Friedr. 
Thiersch  (Mit  einem   Kupfer) 105 

Ueber  die  Reihenfolge  der  naturwissenschaftlichen  Schriften  des  Ari- 
stoteles, von  Professor  Dr.  Leonh.  Spengel 141 

Römische  Inschriften,  mit  Bemerkungen  von  Professor    Jos.  v.    Hefner, 

(Mit  2    Tafeln    Abbildungen) 169 

Corrigenda ' 275 


1 1  ß  d  n  I 


DE 

LOCIS  QUIBUSMI  AESCHYLI  LACUNOSIS 

AUT 

1 

VERSUUM  TRANSPOSITIONE  SANANDIS 

SCRIPSIT 
ET 

IN  CONSESSÜ  CLASSIS  I.  DIE  IV.  JÜLII  ANNI  MDCCCXLVI 

EXHIBUIT 

FRIDERWUS  THIERSCH. 


Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.    V.  Bd.  II.  Ablhl. 


DE 

LOCIS  QUIBUSDAM   AESCHYLI   LACUNOSIS 
AÜT  VERSUUM  TRANSPOSITIONE  SANANDIS 

SCRIPSIT 
ET 

IN  CONSESSU  CLASSIS I.  DIE  IV.  JÜLII ANNI MDCCCXLVI 

EXHIBU1T 
FRIDERICUS  THIERSCH. 


]Wota  res  est,  multa  inveniri  in  Aeschyli  tragoediis,  quae  loco 
suo  mota  sensam  contarbent  atque  confundant,  multa  eliain,  quae 
lacunosa  sint,  et  inter  quae  integrae  sententiae  ant  versus  continui 
interciderint.  Horum  insigne  exemplum  oratio  praebet  Minervae  ad 
finem  Eumenidam,  deceui  versibus  constans,  v.  975 — 85,  quam  duo- 
deviginti  constitisse  docemur  scholio  metrico:  Alvw  dk  /uvS-ovg' 
§t€qcc  nsgtodog  iv  ix&iGsi  rov  dQccjuctTog'  ol  öh.  Gxtyoi  siolv  ia/ußucol, 
tQtjusTQOi,  azatäXrixToi  irj'.  Non  defuere  critici,  qui  lacunas  hujas 
orationis  investigarent,  et  sententiam  eorum,  quae  interciderunt,  ex- 
plicare  niterentur,  e  quorum  numero  G.  Hermannus  et  Schöemannus 
prae  ceteris  nominandi  sunt.  Versus  ipsos  Graecos  sistere  nemo, 
quantum  sciam,  ausus  est;  id  nos  tentavimus,  non  quod  putaremus,  in 
tali  re  quemquam  poetae  mentem  et  dictionem  consequi  posse,  sed 
imitati  rationem  statuariorum,  qui  signa  capite  brachiis  aut  pedibus 
carentia  ita  reficere  student,  ut  corpus  integrum  appareat.     Ne  Li 

1- 


quidem  credunt  se  reficere  posse,  quae  interciderint,  qaippe  persuasi, 
veterum  statuarioruui  artein  et  diligentiam  tantam  fuisse,  ut  a  novel- 
lis  artificibus  imlla  ratione  prorsus  attingi  possint,  laudantur  vero,  si 
tarnen  ea  praestiterint,  qoae  totius  operis  numeros  et  harmoniam  ali- 
quo  modo  restituant  corpusque  ipsum  eatenus  restaurent,  ut  com  qua- 
dam  voluptate  conspici  possit,  neque  defectus  integrarum  partium 
nimium  contemplautium  oculos  offendat.  Eadem  de  causa  nostram 
quoque  operam  in  Aeschylo  restaurando  aut  commendatam  autexcu- 
satam  esse  volumos.    Locus  ita  se  habet  inde  a  versu  975: 

Alvw  Ss  /uv&ovg  tojpös  tojp  xaTSvyjuccTWP, 
ntjLiipco  rs  <p£yyrj  Xa/^nddwp  GsAaG<p6o(OP 
Elg  tovq  ipsqOs  xal  xcctw  %&opog  ronovg 
!£vp  noognöXoiGiv,  curs  (pQOVQOvGtv  ßo^Tag 
Tovjuop  dixaiiog  •  o/u/ua  yccQ  ndatjg  %&ov6g 
OqGfjdog  styxoiT    civ,  sixZstjg  2,6%og 
Haldoiv,  yvpcuxwv  xal  GToXog  nqsGßvTiSoiP 
4>oiPixoßänTOig  svdvToig  sG&ij^iaoi. 
Ti/uaTS  xal  to  (ps'yyog  öojuaG&a)  nvoög, 
"Onwg  uv  sv<pqa.)p  ij<f  öfjuXCa  %&opog 
To  ?.oinop  svccpSqoigi  avfjupoQcctg  nqs'mj. 

v.  975  —  985. 
v.  975.     Alpw  ds  /uv&ovg  twpös  twp  xc.TSvy/uccTcop  x.  t.  X. 

Quae  in  anapaestis  postremis  breviter  indicaverat  dea  de 
pompa  Furiarum  exornanda,  haec  jam  uberius  persequitur,  ab  animo 
Furiarum  laudando  orsa.  Sed  offendit  particula  8s,  quae  initio  ora- 
tionis  locum  nou  habet.  Negat  quidem  Wellauerus,  hoc  usui  Graeco 
repugnare,  sed  alius  generis  exempla  sunt,  ad  quae  provocat,  ut 
Aristoph.  Acharn.  514.  3Eya>  dt  juiguj  /usp  AaxsSaifxopiovg  GyöSqa 
in  media  Dicaeopolis  oratione  positum,   item  Ecclesiaz.  173.     3Efiol 


d'  laof  pzv  xrjgde  rijg  x^QaS  f^sxa,  et  v.  759.  (728  ed.  J.  Bekk. 
Lond.)  3Eyu>  <f  Xv  ug  ayoQciv  ye  xa  Gxsvtj  (figo),  in  quo  loco  vir, 
qui  loquitur,  ipse  quid  facere  velit,  opponit  ei,  quae  antea  socius 
de  se  indicaverat:  iya>  aoi  naqaxoÄov&üj  n^atov,  et  ejusdem  iudolis 
sunt,  quae  ab  Erfurdtio  ad  Soph.  Antig.  1181  ed.  min.  et  Elsmlejo 
ad  Eurip.  Heracl.  p.  986  tractantur.  Accedit,  quod  sequens  versus, 
nisi  aliud  quidquam  processit,  male  priori  junctus  est.  Nam  senten- 
tiae  in  utroque  versu  inclusae  ita  comparatae  sunt,  ut  per  fikv  et  <Js 
necti  debeant :  cdvdö  /utp  juv&ovg,  ni/x^poi  ds  (psyyt],  vel  suppresso  fikv 
per  simplicem  particulam  d£.  Frustra  igitur  laboravit  Pearsonius, 
qui  alvdü  ysf  Hermannus,  qui  aivio  xs  proposuit,  et  ulterius  progressus 
Job.  Franzius,  qui  H.  L.  Abrensium  secutus  cciviö  #£  fiio&ovg  in 
textu  posuit,  quod  vertit:  lubenter  mercedem  do  pro  tali  benedicen- 
tium  voto  (Ich  gebe  gern  den  Lobn  zu  solchem  Segenswunsch), 
quam  mercedem  dein  in  facibus  accensis  quaerere,  i.  e.  ad  rem  ini- 
nimam  reducere  necesse  est.  Non  meliora  Wieselerus,  qui  alvw  an 
juv&ovg  proposuit.  Cum  vero  in  praecedentibus  non  vota  tantum 
fecisset  Furia,  sed  animum  quoque  Atheniensihus  benevolum  decla- 
rasset,  probabile  est,  ad  utrumque  respexisse  Minervam  in  respon- 
sione,  et  excidisse  versum,  qui  de  mente  Furiarum  propitia  ageret, 
fere   hunc: 

Sriqyoi  ro  oov  (pqov^fxa  n^6g<pOQOv  noXu, 
Alvw  Jg  fjLv&ovg  .  .  . 

HqogtpoQov  elegi  ob  senteutiam  praecedentem:  ovxi  ju£/uipsc&8 
avju^>0Qdg  ßtov.  Est  enim  nQogyoQOv ,  quod  utile  est  et  salutare  ali- 
cui  contingit,  Pind.  Nem.  IX,  7.:  in£uiv  xav%aig  aotSd  nqögcpoQog, 
rebus  cum  gloria  gestis,  seu  de  quibus  gloriari  possis,  Carmen  salu- 
tare est.  Ac  fjbiv  quidem,  ad  quod  §h  pertinet,  in  tali  nexu  omiüi 
posse,  res  est  notissima.  Cum  vero  verba  cävüj  $t  %.  r.  L  senten- 
tiam  a  verbis  ar^yco  ro  abv  <pQovt]/uci  inchoatam  absolvant,  recte  jara 
sequentia  simplici  copula  his  nectuntur. 


Sed  haec  ipsa  v.  976 — 78,  n^uxpco  rs  <pfyyrj  —  ßo£rctg  rov/uov 
dtxatcog,  diverso  modo  lecta  et  intellecta  sunt.  M.  Ven.  1.  Farn. 
Guelph.  Aug.  A.  R.  ysyysi.  <p£yyrj  Flor.  Turn.  Vict.,  item  collator 
Vict.,  qui  margini  editionis  Robertellianae  e  P.  Victorii  bibliotheca 
in  nostram  translatae  ad  voces  nt/uya)  ri  (ita  R.)  <p£yyst  adscripsit 
ytyyr],  sed  vocem  obduxit;  unde  patet,  eum  in  codice  suo  primo  ob- 
tutu  (ft'yytj  vidisse,  sed  accuratius  inspecta  vocula  ys'yysi  distinxisse, 
et  sunt  sane  ductus  simillimi.  —  tpiyysi  qui  probant,  Fritzschius,  Wie- 
selerus ,  Job.  Franzius ,  idem  esse  hoc  statuunt  ac  vno  (ptyyovg,  et 
intelligunt  v/uäg,  utrumque  ut  non  insolitum,  ita  durum.  Nee  opus, 
a  naturali  et  simplici  struetura  Tif/xxpo)  rs  <p£yyri  %vv  noognoZoioi  rece- 
dere.  Non  enim,  quae  Wieseleri  sententia  est,  de  igne  sacro  sermo 
est,  quem  praeferant  ministrae  Palladis,  sed  lux  taedarum  <p£yyrj  vel 
(fiyyog  XafxnäSwv  GsZaoyoowp  eadem  est,  quae  antea  dieta  (pwg  Isqov 
rwvSs  7TQ07iotund)p.  Poeta  autem,  qui  hanc  lucem  antea  generaliter 
vocabnlo  <p<x>g  Isqov  nominaverat,  nunc  quidem  utpote  loco  commodo 
eam  accuratius  describit,  taedarum  splendentium  lumina  appellans,  ut 
doceat,  quo  nsu  illa  lux  futura  sit.  Facit  additis  verbis  dg  rovg 
tpsod-s  y.cd  xürw  yß-ovbg  ronovg.  Mittuntur  enim  faces,  ut  Furiis  et 
pompae  in  istarum  speluncarum  tenebris  praeluceant.  Neque  poteris 
lucem  taedarum  et  famulas  deae  ita  nectere  cum  Wieselero,  cui 
in ii Ita  incommoda  in  hoc  loco  aeeiderunt,  ut  mulierculas  cogites  illa 
lumina  quaeeunque  fuerint  portasse.  Sunt  enim  <p£yyt},  seu  si  Wie- 
selerum  sequeris,  est  tpsyyog  %vv  noognöloioi,  non  vero  nqognoXoi  sunt 
'%vv  (ptyyu.  Distinguendi  igitur  sunt  qui  taedas  portant  a  famularum 
ministeriis.  Loca  autem,  ad  quae  dedueuntur  Furiae,  antea  v.  772. 
tdoag  rs  xal  zsv&juwpag  svdCxovg  y&ovbg  dixerat  et  1.  1.  rovg  I'psq&s 
zai  zchco  y&ovbg  ronovg,  quibus  inferri  taedae  debeant.  Sunt  igitur 
specus  tenebris  pleni.  Notum  autem,  infra  arcem  prope  Areopagum 
yäoua  hiasse  et  aedes  Furiarum  fuisse  constitutas,  nee  dubium,  quin 
aedes  sacrae  eodem  situ  exstruetae  fuerint.  Paus.  I,  c.  38.  Hty- 
olov  8s  ^Aqslov  näyov)  isqbv  &sol>v  ioriv,  ag  xaAovOiv  3A&i]vaToi  2s/uvdgf 


'Hotodog  de  'Eqivvg  iv  Oeoyovty.  Itaque  credas,  id  agere  Aeschy- 
luni,  ut  per  %äana  illud  ad  inferos  descendant  Furiae.  Hoc  ex 
vulgi  persuasione  factum  esse  ex  Eurip.  quoqne  Electra  v.  1271 
concludas :  nciyov  ticiq'  avxov  yßofia  dvöovxcti  %&ovog. 

HqognöÄovg  autem  Minervae  0.  Müllerus,  Wieselerus,  alii  an- 
cillas  deae  dicatas  credunt,  i.  e.  IsQodovZovg ,  quo  jure  equidem  ne- 
scio.  ÜQognoXog  enim  uonnisi  ministrura  significat ,  qui  servus  esse 
potest,  sed  eo  ipso  non  est,  quia  hoc  nomine  dicitur.  Occurrnnt 
nQÖgnoXot  (al.  nQonoXoi)  de  ministris  Martis  apud  Aegyptios,  He- 
rod.  II,  42,  i.  e.  de  viris  ingenuis.  Nam  apud  Aegyptios  templorum 
miuisteria  omnia  a  diversis  sacerdotum  ordinibus  procurabantur.  Nee 
putem,  ancillas  quamquam  sacratas  deae  in  publicis  pompis  conspici 
et  circumduci  solitas,  inprimis  illis,  quibus  flos  omnis  civitatis,  quem 
deineeps  dea  evocat,  interesse  deberet.  Accedit,  quod  ministerium 
earum,  in  custodia  statuae  Minervae  positum,  jure  ab  iis  fieri  dici- 
tur, aiTH  (pQOVQoiioiv  ßgeretg  rov/uop  dixaiatg.  Hoc  ipsum  enim  ad  offi- 
cia  legibus  instituta,  i.  e.  quae  a  liberis  fierent,  referri  debet.  Non 
enim  sunt  ÄovrQcideg,  quas  Wieselerus  commemorat,  sed  custodes 
Palladii  illius  sacratissimi  et  augustissimi,  quod  summa  religione  cul- 
tum  in  sanetuario  Minervae  Poliadis  servabatur.  Fuerunt  igitur  vir- 
gines  liberae,  illae  nimirum,  quae  in  templo  illo  habitabant,  ad  quas 
Erechthei  filiarum  i.  e.  regiarum  virginum  munus  et  officium  deve- 
nerat,  quaruin  imagiues  xavri<p6Qovg  tecto  Pandrosii  suppositas  etiam- 
nunc  inter  templi  illius  aedes  seu  aedium  reliquias  conspicias.  Mi- 
nisterium autem,  quod  in  pompa  illa,  quae  paratur,  praestare  hae 
nQÖgnoXoi  IlaXMdog  debent,  non  erit  ponendum  in  sacro  igne  ferendo, 
sed,  qui  mos  erat  virginum,  in  novis  Furiarum  sedibus  augendis  et 
decorandis.  Huic  igitur  negotio  cum  propriae  Furiis  ministrae  non- 
dum  essent  constitutae ,  suas  praebet  Minerva  e  templo  suo  evoca- 
tas.     Statuendum  igitur,  eas  nsju/uara,  mel  et  corollas  cauistris  por- 


8 

tasse,   i.    e.  xavrjtpooovg  fuisse ,   quales  in  pompa  illa  Phidiaca  inter 
ceterarum  uiuliercularuiii  catervas  praebent  Parthenonis   reliquiae. 

His  ita  expositis  patet,  omnem  hie  pompae  solemnioris  appara- 
tum  ab  ipsa  dea  institui,  nee  fingi  haee  tantnmmodo  ita,  ut  extra 
scenain  fieri  cogitentur,  quae  Hermanni  opinio  fuit  de  hostiis;  sed 
re  vera  in  orchestram  conspicienda  introduci,  ut  ex  ordine  ante  ocu- 
los  speetatonim  transeaut.  Itaque  introdueuntur  dadovxot  vel  tiqo- 
nofinol,  qni  pompae  ad  specus  tenebris  obsitos  tendenti  praeluceant, 
non  qui  taedas  eo  conjiciant,  ut  credidisse  videtur  Wieselerus.  Porro 
praesto  sunt  hoonofinoi,  hostias  ducentes  EvjasvCgiv  immolandas,  dum 
in  specus  ipsae  delabuntur ,  item  xavrjyöooi  ex  ministerio  Minervae 
accitae.  Nee  duces  pompae  desideres,  siquidem  verba  v.  964. 
lYfiüg  S'  rjysTo&e,  nofaooov%oi,  nctldsg  Kqv.vv.ov  ad  Areopagiticos  ju- 
dices  referas,  qui  tijg  nofinijg  tjysfiovsg  esse  jubentur. 

Qui  vero  praeter  dadovx,ovg,  hoonofmovg,  xavtjcpooovg  et  rjysfio- 
vug  accesserint  ad  pompam  illam  splendidiorem  etiam  efficiendain,  in 
seqnentibus  demonstrat  v.  979 :  ofifiv.  yäo  ndotjg  %9-ovög  Qtjötjdog 
QCxoix  uv.  0.  Müllerus  cum  aliis  haee  vertit:  „in  conspectum  prae- 
grediatur  omnis  terrae  Theseidos  clara  caterva." 

At  vero  o/ujuet  elgixiod-ai  pro  elg  buua  vel  d(p9aZuovg  slgiyJo&ca, 
non  Graecum  est,  sed  barbarum.  "O/u/ua  et  oy&aÄfiög  de  eo,  quod  in 
quaque  re  praeclarum  et  splendidum  est,  dici  notum  est.  Vers.  165: 
ofificc  yciQ  dofiwv  vofißa)  Ssonöxov  naoovGiav,  eundem  dicit  Choepb. 
922:  otp&aXfibv  oheov,  et  Pind.  Olymp.  II,  9  de  Theronis  majoribus: 
Isqov  ig%ov  otxtjf4.ee  norctfiov,  JZtxsAtccg  x    tGav  otpd-ecXfiog. 

Junxit  autem  haee  prioribus  per  cansalem  particulam,  quia  appa- 
ratus,  quem  indicat,  documento  est,  deam  eximii  aliquid  et  spleudidi 
instruere.     Haee  igitur,  quae  parant,  in  causa  sunt,  quare  florem  uni- 


versi  populi  evocet  ad  pompam.  Cum  vero  evocetur  omne  quod  The- 
sei  terra  aniversa  splendidum  continet,  ö/uucc  naGrjg  %0-ovdg  0qGrjdog 
i%iy.ovt  av ,  in  sequentibus  autem  praeter  pueros,  mulieres  et  anicu- 
las  nihil,  quod  ad  pompam  illam  pertineat,  commemoretur,  acute  per- 
spexit  Hermannus ,  orationem  Minervae  hie  quoque  lacunosam  esse 
et  intereidisse  virorum,  juvenum,  aliorum  commemorationem.  Frustra 
autem  laboravit  0.  Müllerus,  dum  docere  studet,  non  desiderari  vi- 
rorum cornmemoratiouem  in  pompa  eultui  destinata,  qui  inprimis  ad 
mulieres  pertineret.  Non  enim  de  iis  sermo  est,  ad  quos  ille  cultus 
pertineat,  sed  de  pompae  instruetione,  cni  flos  civitatis  omnis  interesse 
jubetur,  quieunque  demum  illi  fuerint,  quibus  posteriori  aevo  sacro- 
rum  illorum  cura  contigerit.  Accedit,  quod  hgonoimoi  Eumenidum 
ex  universo  Atheniensium  populo  lecti  commemorantur.  Pompam  au- 
tem earum  e  viris  et  mulieribus  lectissimis  compositam  fuisse  demon- 
stratur  loco  Philonis  (quod  omn.  prob,  über  §.  20),  quo  Müllerus 
quoque  usus  fuit:  Aio  /not  SoxovGiv  ol  röjv  ^EXXrjvwv  otzudsozeGzcnoi 
Siavoiav  \4&rjvcuoi  ....  rtjv  tnl  redg  Gs^ivaig  ß-aedg  nof.inijv  otctv 
GT&XXo3Gi  3  dovXov  firjdsva  noogXct^ißavuv  rö  netocinctv ,  äXXä  <$V  iXsv- 
&£oiov  zxciGTci  rwv  vsvouiG/usywi'  ccvöqwv  ts  xal  yvvcaxwv  iniTsXsiv, 
zai  ov%  ditov  clv  vvyjjß,  dXXd  ßiop  eZrjXojxoTcoi'  ccvsniXqnrov  (qui  igitnr 
o/uua  y&ov6g  illud  constituunt).  inei  xcel  tu  noog  ty\v  bOQTTjv  ttsjuuutu 
tüÖv  i<prjßwi>  ol  doxi/jbojTaTOt,  Gitotioiovgi,  noög  svdotyug  xul  Tiuijg,  bnto 
Zgti,  Tr\v  vnEQrjGiav  &8jLisi>oi.  Addit  I lcrmannus :  „Num  id  (interfuisse 
nempe  illis  sacris  viros)  hoc  ipso  loco  omiserit,  in  quo  id  miuime 
praeteriri  poterat,  cum  antea  v.  818  rem  per  verba  tiuq  ai>doioi>  xul 
ywuixsiuw  GTÖXoiv  aecuratius  indicasset?  His  ipsis  verbis  poeta  re- 
fotat,  quae  hoc  loco  O.  Müllerus  ad  antiquitatem  pro  arbitrio  effin- 
gendam  statuerat."  Juvabit  autem,  hie  quoque  pompam  Phidiae  Pana- 
theuaicam  in  auxilium  vocare,  cum  dubium  vix  esse  possit,  eam  ad 
exemplar  uniuseujusque  pompae  splendidioris  fuisse  compositam,  nee 
minoris  magnificentiae  institui  voluisse  deam  hanc  ipsam,  quam  cum 
insigni  Furiarum    honore   meditatur.     Itaque   ex   illorum   quoque  ana- 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k  Ak  d.  Wiss.    V.  Bd.  II.  Abthl.  2 


10 

glyptoruin  analogia  höh  minus,  quam  ex  verbis  couceptis  patet,  quinam 
populi  florem  coustituant;  sunt  nimirum  juvenes,  viri  robustiores,  senes, 
sunt  virgines  cum  pueris  et  mulieribus  diversae  aetatis.  Inde  sup- 
plementuin  statuere  possis  fere  hoc: 

6/ujua  yaq  ndorjg  y&ovog 
QrjOtjdog  et-ixoir    av,  svx^etjg  höyog 
'Avöqiov  TtAsicov  xai  ysQÖvrsiov  üsßag, 
AafMQÖv  d'  itprißwv  av&og,  sv  di  nciQ&tvwv , 
üaiöiov,  yvvaixwv  xai  öröhog  nQSGßvriöoiv. 

JZroAog  no&oßvTidwv  dixit  verbis  ob  inetrum  trauspositis.  2£ro- 
Aog  euim  simul  ad  tres  qni  proxime  praecednnt,  genitivos  pertinet. 

v.   982,  83.     4>oivixoßänroig  ivdvxolg  io&tjjuaoi 

Ti/uars  xai  ro  (p£yyog  ÖQjuäo&co  nvQÖg. 

Haec  quoque  lacunosa  esse  perspexit  Hermannus.  Nam  Ti/uara 
non  habet,  quo  referatur.  Furiarum  enim  mentio  longius  abest,  quam 
ut  hie  repeti  animo  possint  supplendo  amdg.  Id  igitur  certum  lacu- 
nae  indicium.  Quid  vero  exciderit,  Hermannus  ex  parte  demonstra- 
vit  usus  grammaticorum  auxilio,  a  quibus  doeemur,  Aeschjlum  in 
i'abula,  quae  inscribitur  Eumenides,  retulisse,  'Eoivvag  a  Minerva 
placatas,  et  ob  id  ipsum  El^ihvidag  vocatas  fuisse.  Praecipuus  ejus 
rei  auetor  scholiastes  est,  qui  vnoSkOiv  Ev/usvidtov  scripsit :  'Oogoryg, 
inquit ,  §p  AaXyolg  nsotsfro/usvog  vttö  twv  'Eqivvwv  ßovhfi  AnoAfaovos 
tig  ^AD-ijvag  naQsytvSTO  dg  zo  Uqov  rrjg  'AS"t\väg,  tjg  ßovXfi  vixqoag 
xatfjXd'sv  stg  "Aoyog.  Tag  dt  'EQivvag  TiQavvag  nQogqyoQtvoev  Evue- 
irtffag.  In  his  nQavve.g  corruplum  esse  manifestum  ex  eo,  quod  auc- 
tore  Aeschylo,  quem  sequitur  scholiastes,  non  Orestes  sed  Minerva 
placavit  Furias.  Non  igitur  dubium,  quin  pro  7iQavi>ag  scribi  debeat 
nQa'vvuaa    rt    &iä.     Optimo    autem    jure   contendit   Hermannus,    hoc 


11 

ipsum,  quod  refert  seholiastes,  Erinyas,  posteaquam  a  Minerva  pla- 
catae  fuissent,  i.  e.  in  hac  ipsa,  de  qua  agitur,  scena,  ab  eadem  dea 
Eumenidas  fuisse  dictas,  non  alio  loco  commodius  fieri  potuisse, 
quam  hac  in  oratione,  in  qaa  oninia  comprehendit  et  absolvit,  quae 
ad  honorem  deabus  illis  habendis  pertinent.  Itaque  haec  fere  in 
lacuna  intercidisse  statuit:  „et  deas,  quae  urbi  non  amplius  infestas 
sed  benevolas  se  praebent,  in  futurum  ob  hanc  benevoleutiam  Eume- 
nidas colite.  Hoc  Graecis  verbis,  et  quantum  nobis  novellis  homini- 
bus  datnm  est,  Aeschylea  oratione  ita  fere  exprimas: 

Kai  tiqooSsv  ovoag  dvOtusveig,  vvv  d1  svfievslg 
Evjuevidag  slg  rbv  ticcvt    inwpujuovg  y^övov 
TlfltiTS. 

Hermanno  successit  Fritzscbii  solertia,  qui  monuit,  ne  ea  quidem, 
quae  praecedunt,  (poivixoßanxoig  tvdvroTg  io&quaGi  —  rijucire  integra 
esse.  „Minerva,"  inquit,  „quae  hucusque  de  futuro  Eumenidum  cultu 
breviter  tautum  et  velut  iv  na^iqyw  locuta  est,  eam  necessario  jam 
orationem  habere  debet,  qua  cultus  ille,  quamquam  concisis  verbis. 
eodem  modo  instituatur,  quo  ante  Areopagum  instituerat.  Postrema 
autem  haec  oratio  Minervae  in  duas  partes  dirimitur,  quarum  in  priore 
pompa  jubetur,  in  altera  cultus  Eumenidum  Athenis  pro  futuro  tem- 
pore fundari  debuit.  Num  vero  cultus  tanti  momeuti ,  cui  ipsa  Mi- 
nerva tan  tum  pretium  tribuat,  his  siccis  et  in  summa  nudis,  fere  in- 
sipidis  verbis  juberi  potest:  „honorate  eas  purpureis  vestibus?"  Haec 
acute  et  ingeniöse  dicta  deinceps  olterius  persequitur;  sed  suflficiunt 
ad  consilium  nostrum,  quae  attulimus.  Notandum  autem,  verba  ipsa 
(poivixoßänroig  ivdvxoig  io&ij/uaot,  de  quibus  agitur,  leviter  esse  af- 
fecta.  0.  Müllerus,  ut  tvdvxcc  ioB^fmva  habeant,  quo  referantur. 
praecipientem  facit  Minervam,  ut  statuae  Furiarum  purpureis  vesti- 
bus indueantur.     Sed    ipsa    dictio    vitiosa    est.     ^Epövrog    iofryitari 

quid  sit  omnes  sciunt;   ivdvrov  to9rj/ua  non  magis  dici    potuit,   quam 

9* 


12 

tunica  induta,  pallimn  vestitum  pro  eo,  qui  tunica  indutus,  pallio  ve- 
«.titus  est.  Scribendum  haud  dubie  <poivixoßdnroig  ivduroi  #'  io&rr 
uaoi,  et  vitium  traxit  oratio  ex  eo,  quod  particula  dt  post  secuudam 
vocem  rejecta  erat  His  jure  addi  potuit  versus  de  sacrificiis,  quem 
deesse  perspexit  Fritzschius,  fere  hie:  Jtäooig  fr&ioig  svoeßovvrsg  xcci 

?.ITC(lg    TIUC.T.S. 

Sed  nondum  integra  evadit  oratio,  quippe  cui  et  in  fiue  desint. 
quae  ad  sensum  explendum  requirautur.  Dicit  progredi  debere  tae- 
daruui  lucem,  xul  ro  (ptyyog  6Qf.ida&w  nvQog,  ut  in  posterum  Eume- 
nidum  cum  Attica  terra  societas,  %&  6/uih'a  %&ovog,  bene^ola  se  prae- 
beat  et  conspicua  sit  (not-ntf)  sorte  viris  prospera  seu  prosperis» 
eventibus  (evävdooiGi  ovjiufOQcug),  i.  e.  talem  prosperitatem  praebeat. 
Hoc  vero  speiet  Minerva  solo  ardentium  taedarum  incessu  effectum 
iri?  Ni  fallor,  preces  et  compellationes  accedere  debebant,  quibu» 
animus  dearum  delectaretur,  cumque  hae  ipsae  in  honorem  dearum 
iuehoentur,  deineeps  a  pompa,  apertum  est,  haue  ad  eas  canendas 
a  dea  fuisse  excitatam. 

Itaque  verbis  ro  (ptyyog  oQ/uda&u)  nvoog  addam  versum:  tiqo- 
.loinnov  sv<pi]fxoiGi  avv  ngogtvyjuaoiv.  Jam  versus,  quos  supplementi 
loco  feeimus,  si  undeeim  Ulis,  qui  integri  servati  sunt,  addas,  duo- 
deviginti  jambicorum  trimeticorum  acatalecticorum  efficitur  numerus, 
quot  se  legisse  testatur  sciioliastes  metricus,  primum  a  Fritzschio  in 
auxilium  vocatus,  usus  ille  haud  dubie  manuscripto  integro,  et  a 
Wieselero  scite  contra  0.  Mülleri  suspiciones  defensus.  Ipsam  vero 
orationem  suppletam  sub  conspectu  ponamus: 

1      ^xioyio  ro  aov  <po6vr}  ua  noogtpooov  noXti, 
Aivoj  dt  /xv&ovg  riovöt  xwv  xarevy/Liätwv, 
Jli/iixpui  rs  (ptyyrj  Aa/unddiov  otÄccotpooiov 
Eig  rovg  tvso&t  xou  xdrw  %&ovög  xönovg 


13 

5     Si/p  noognokoiGip,  cuzb  (fQovQovotv  ßoezag 
Tov/uov  dixctlojg '  o/u/ua  yäo  nüoqg  %&opog 
0t]ofjdog  iitKOiz?  ctv,  svxAefjg  %6%og 
"AvSqwv  zsästatp  xa\  ysgdpz  siop  o£ßccg, 
Accjutiqop  r'  eipijßwp  ap&og,  §p  ds  nao&tpvop, 

10     Ilaidwp,  yvpccixcöp  y.al  ötoXog  TiQSGßvridoop, 
4>oiPizoßänxoig  tpdvzol  iofry/uccoi 
Jcoootg  szsioig  svasßovpzeg  xcci   Ziictlg 
Tag  noog&sp  ovoag  dvgfiepstg,  vvp  S'  ev/^apeig 
Ev/usv Cd ag  sig  top  navz    stkopvuo  vg  y^qöpop 

15      Tificcxs'  xai  zo  (ptyyog  oq/uccGitcd  nvoog 

Iloono/iinöp  evytj juoiGi  gvp  noogsvy juaaip , 
"Onwg  up  sv(pQQ)p  tjd''  S/utÄta  x&opög 
To  Xoinop  svÜpÖqoigi  Gv/uipooccig  no&nr\. 

His  subjungamus  quae  ad  finem  fabulae  propompi  caneutes  intro- 
ducuntur,  non  illa  quidem  lacunosa,  nisi  in  siagulis  vocibus  seu  vo- 
cum  formis,  sed  ita  tarnen  comparata,  ut  critici  operam  etiamnurn 
requirant. 

liiMiin  preces  et  eupliemiae  Atheniensium ,  quibus  Eumenides 
ad  sedem  destinatam  prosequuotur,  quas  multis  modis  corruptas 
primas  Hennannus  arte  Aescbylo  digna  disposuit  et  in  plurinri» 
egregie  persauavit. 

Distinxit  aatem  inter  ea,  quae  comitum  chorus  seu  potius  plurium 
chororum  concentus  pronunciat,  et  acclamationes,  quae  interponuntur 
ita,  ut  illa  duas  strophas  et  antistropbas  minores  efficiant,  acclama- 
tiones  autem  seu  oXoXvy^iol  duobus  versibus  strophicis  et  antistrophicis 
compositae  illis  interponantur. 


II 

v.  986  —  99. 
Bars  döfiip,  fisydXm  (pikoriuot  — 
OXoXvz,t(T£  vvv  inl  juoAnaig. 

Initio  ßdr  iv  dofjuo  Med.  ßdr  iv  döixw  absque  iota  Reg.  L. 
Flor.  Ven.  1.  Aid.  Guelph.  Aug.  Emendatius  ßdr  iv  ööfiio  Rob.  ßdr 
ix  Sö/lKov  T.  V.,  et  is  quident  cum  glossa  /usydäai  (piAoTtjuoi-  cutiqo- 
nofincti.  Aperte  vitiosa  iv  So/lico  et  ex  douwv.  Nou  enim  in  aedi- 
bus  sunt,  neque  ex  aedibus  progredi  possunt,  sed  exeitantur,  ut  in 
aedes  suas  abeant.  Hinc  Wellaueros  ßdre  öö/am,  Lingwood  ßcirt 
<)6uoi,  neutnini  bene,  quia  motüs  ad  locum  indicandus.  Itaque  ßdr& 
do/uov  scribendum,  quod  in  archetypo  codice,  in  quo  aperte  JOMOl 
erat,  levi  vitio  corruptum  fuit.  Br,vai  döfiov  dictum  est  ut  Homerica 
dvvcti  do/nov,  Ixdvuv,  iX&sTv  döpov,  similia  II.  y,  421,  £,  370,  v,  336. 
Od.  /;,  22,  46,  n,  335,  »/>,  314.  Porro  jutydZcu  dici  possuut,  non 
item  (piP.6rituoi,  nee  quidquani  de  Eumeiiidum  <pi2ori/uia  actum.  Ita- 
que suspicor  scriptum  fuisse:  /usydZag  i^ln^ioi  JVvxrog  nccldsg  cintu- 
ihg  /usydÄag  ad  Nvxrog  translato.  "Ancadccg  dici  putat  Hermannus, 
quae  non  sint  naidsg;  haee  tarnen  appellatio  rationem  nullam  habere  t, 
quod  de  contrario  nemo  necogitare  quidem  potuit.  "Anmdsg  usn  so- 
lemni  sunt,  quibus  nnlla  soboles.  Suam  ipsae  sortem  utpote  ab  om- 
uiDih  deorum  et  hoininum  communione  alienam  descripserunt  v.  330: 
oudi  rig  Igti   avviJat'iwQ  fxsrdxoivog  x.   r.  X. 

lYn  sv&v(pQovi  noiiTJcc.  Euxrv<pQwv  qui  reeta  et  justa  meditatur. 
Haue  vulgatam  lectionem,  quam  Aug.  quoque  praebet,  Dindorfius  in 
f-.v<poovi  mutavit,  ut  metro  prospiceret,  et  fieri  potuit,  ut  ex  versu  992, 
qui  tvfrv(f$ovhg  habet,  vox   huc  transferretur. 

Hac  prima  stropha  finita  succinit  pompa  tvyctjuuT?.  dt,,  /wQthe, 
quae  postrema  vox  egregie  ab  Hermanno  emendata  est  xutQlrca  scri- 


15 

beute,    terrae   iucolae   seil,   universi,  quibus   napdauel  in  autistropha 
substituitur. 

989.  rag  vno  xtv&toiv  x.  z.  X.  Haec  verba  orationeiti  accla- 
inatione  vulgi  interrnptain  contiituant,  sed  corruptasunt  inde  a  voeibus  xal 
Tijuatg.  Conseutiunt  Codd.  et  Edd.  in  xal  ziuatg  xal  xrvolaig,  quibus 
priorem  particulam  exemit  Hermauaus  metri  caussa.  Dein  neoiaenzcci 
zvyai  ze  M.  Reg.  L.  Suppresso  utroque  iota  nsoi'osnra  rbyazs  Ven.  1. 
neoioenzp  tv/o-  rs  Flor.  Farn.  Rob.  utroque  iola  subscripto.  Ileoi- 
osnzä  zvyai  ze  Aug.  punetis  super  a  positis  dubiam  seripturam  no- 
tans.  Neque  hoc  Hermanni  attentionem  fugit,  quaniquam  codicem, 
qui  id  exhibeat,  non  nomine  designat.  IlsQiotnza  zvyai  re  Guelph. 
TIsqI  otnzä,  ziyag  rt  Aid. —  Tle-oloenza,  zvyaig  zu  T.,  et  hie  inciso 
ante  zvyaig  posito ,  quod  ex  jota  praecedentis  syllabae  ortum  credi- 
derim.  —  üa-oCoinzai,  xvya  ze  Vict.  Non  minor  est  conjeeturarum 
numerus,  quas  hie  recensere  uou  opus,  cum  haud  dubie  verum  sit, 
quod  Musgravii  ingenio  debetur:  neoioenza  xvyovoai,  quibus  con- 
struetio  ßazs  do/nov  ....  yag  vno  xev&eoi  zi/uaig  xal  S-voiaig  neoi- 
oenza xvyovoai  absolvitur,  suntque  ob  hoc  ipsum  antea  £otzi/uoi  no- 
minatae.  Consecutae  igitur  sunt  neoioenza  i.  e.  maximam  veneratio- 
nem  ab  Atheniensibus,  quae  et  honoribus  et  sacrifieiis  consistit. 

v.  991.     "iXaoi  de  xal  evd-vyooveg  ya  x.  z.  X. 

Ut  versuum  antistrophicorum  aequalitatem  efheeret,  Hermannus 
in  primo  zaS"1  post  xal,  in  seeundo  ovv  addidit  post  osuval,  et  tertio 
scripsit  Aäfuia  pro  XaundSi.  Istud  tarnen  ovv  extra  sensus  necessi- 
tatem  adderetur,  quamquam  ferri  possit  intellecto  avzw  post  zeonö- 
uevai.  Praestabit  xal  addere,  quod  post  oe/nval  facile  obliterari  po- 
tuit  et  cum  XXaoi  de  xal  evdvipooveg  devo' l'xe  commode  jungitur.  sla/u- 
nädi ,  cui  in  antistrophico  respondet  ohzw,  Job.  Franzius  defendit, 
provocans  ad  Agamn.  1 10  (Well.),  in  quo  tarnen  $i\u(fQOva  zayäv  in 


16 

antislr.  v.  127  nc'ivrct  8$.  nvoyiov  oppositum  habet,  et  Suppl.  538,  cu- 
jus loci  ltietruiii  in  antistr.  v.  555  corruptom  est.  Sed  dubitatum  de 
sigiiificatione.  Aäfinrj  enim  injecto  ju  ex  Xün}]  ortum  videtar,  et  ävtj- 
Xtog  Xäuna  de  situ  et  luto  inferno  Eumen.  365:  Aä%r}  $-swi>  dt%o- 
otcitovvt  aviiXUo  Xa/nnce  dvgodoncunaXci.  Itaque  Schoeinannns  nsvxcc 
proposuit,  cujus  glossa  Xa/xnadi  fuerit.  Optime  autem  factum  a  Bois- 
sonade,  viro  docto  et  ingenioso,  quod  in  v.  rsonö^isvai.  xa&  oöov 
<T  sublato  iuciso  scripsit  rsonöfxsvcct,  xccd?  oJoV.  Nani  postremae  vo  - 
ces  a  seq.  versu  SXoXv^ccts  vvv  inl  uoXnaig  separari  debent,  qui  seor- 
sum  ponitur  ut  strophicus.     Lectio  igitur  erit: 

"iXaoi  dt  xcd  r«J"  sv&V(pooi>sg  ycc 
Asvq  us,  GS  [Aval,  xcd  nvQidcinrcty 
Ilsi'xa  TSQTCO/usvat  zct&*  ödöv. 

Ceterum   in  priino    versu  metrum  dactylicum  requirit  Job.  Fran- 

z,ius,  quod  in  reliquis  obtinet,  nee  tarnen  rhythmum  _  j_  ±l  * a  loco 

alienum  putans,  cujus  gravitate  dochraiaca  volubile  illud  dactylicum 
bene  temperatur.  In  iniipwviqijtari  voces  inl  uoXncclg  significant  ad  can- 
tus,  quia  comitibus  peraguntnr,  nee  de  eo  dubitare  debui  Wieselerus, 
qui  inl  fioXncüg  pro  [.loXnrjdöv  dictum  putat,  abusus  Pers.  380  xsXctdog 
uoXnrjdöv  sv(pijut]Osv.  Nam  oXoXvyjuog,  ut  fit  hoc  loco,  ubique  seor- 
sum  a  rebus,  quae  simul  aguntur,  dieuntur  aut  canuntur,  diversus  est, 
utque  apud  Homerum  Nestoris  uxor  et  filiae,  dum  hostia  caeditur, 
oXoXvy/udv  tollunt  Od.  y,  450  Xvgsv  dt  ßoög  usvog-  al  <T  6X6Xv%ctv 
Qvyars'Qsg  x.  r.  X.,  ita  hoc  idem  ad  dithyrambos  fit,  dum  canuntur  ab 
Horis  in  Callim.  Epigr. ,  quod  ipse  Wieselerus  affert:  Ilo2.Xv.xi,  dtj 
<pvXqg  Axciixavxldog  iv  %oqoigiv  'Hoch  amoXöXv^czv  xiGGoipöootg  inl 
(hfrvofiußotg  al  AiovvGiädsg,  nee  dubitandum,  quin  nostro  in  carmine 
oXoXvyjuog  fiat  a  mulierum  catervis,  fjtoXnal  autem  i.  e.  strophae  et 
antistrophae  a  viris  canantur. 


17 

Vexatissimus  est  qui  sequitur  primus  antistropbae  versus  996« 
cujus  prima  pars :  2novdal  <T  ig  zö  nav  sine  lectionis  diversitate 
tradita  est,  contra  iu  posteriore  tvöaidsg  ol'xcov  M. ,  Aug.  et  Vict. 
cum  gl.  ivSaidsg  otxcov'  /uszd  Xa/unddojv.  Idem  distractis  voeibus 
Aid.  t-vö'ai  <T  ig  oI'xojv  (iion  ivdaid\  ut  Joh.  Franzius  ex  ea  et  Guelph. 
refert),  nee  aliter  Turn.,  quem  praeteriit  Joh.  Franzius.  Subscripto 
iota  Rob.  ivdadsg  oXxoiv,  non  Zvöadsg,  quod  Job.  Franzius  affert,  ni 
fallor,  typographi  errore;  nam  lectionem  iota  carentem  l'vö'ad'sg  ol'xvov 
separatim  notavit  e  cod.  Flor.  Ven.  1.  Farn.  Multae  hinc  editoruni 
conjecturae,  quas  praetereo,  quia  omnes  eodem  vitio  laborant.  Sen- 
sum  enim  versus  non  constituunt,  qui  verbo  caret;  futurum  autem 
loopxai,  quod  saue  requiritur,  non  poterat  omitti  in  tali  nexu.  Hinc 
versus  ita  erit  constituendus,  ut  praecedentem  orationem  6XoXvyf.au 
interruptam  continuet,  ut  factum  vidimus  bis  jam  in  prioribus.  Cum 
vero  nvoidanza)  nsvxqe  zsonousvat,  praecedat,  scrib.  erit  GnovSalg  (V 
ig  zo  nav  ivddösGiv  oixwv.  Scio  legitimam  formam  esse  ivdddi-GGi, 
quam  in  lyricis  adhibere  Attico  quoque  permissum  poetae;  sed  ivöd- 
dsöi  analogiam  sequitur  similium:  dvdxzsoi,  %£tosGi,  oI'sgi,  quas  ne 
Aristarchea  quidem  severitas  ex  Homericis  prorsus  exstirpare  potuit. 
Cf.  nos  in  gramrn.  maj.  §.  187  n.  11   p.  494  ed.  tert. 

In  stropha  autem  hortatur  Eumeuidas,  ut  praesente  Xct/unadtj- 
yoolcc  delectentur,  in  antistropha,  ut  delectentur  libationibus.  quas  ad 
faces  accensas  eis  omni  tempore  (ig  zo  nav)  oblatum  iri  promittit. 

Jam  cominode  subnexa  est  clausula:  Jla)>Xd8og  dozoloi  Zsvg  nav- 
xonzctg.  Ol'zw  [toioct  zs  Gvyxazsßa.  Ita  MSS.  et  Rob.  Viani  emen- 
dandi  monstrant  A.  T.  V.  navonzag  exhibentes.  Inde  Hermannns: 
IlaXXdöog  a.ozoig.  Zsvg  6  navönzag.  Is  igitur  üaXXddog  dozotg  praece- 
dentibus  conjungit.  Haec  autem  conjnnctio  cum  praeclusa  sit  ea,  quam 
sequimur,  emendationum  ratione,  referenda  erunt  ad  seqq.,  ut  jam  di- 
catur  Jupiter  et  Parca  civibus  Atticis  descendisse.     De   auxilio    fe- 

Abhandlungen  der  l.  Cl.  d.  Ii.  Ak    d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abthl.  3 


IS 

rendo  vocabulum  adhibitum  Choeph.  715:  vlv  ytiQ  axjuriusi  mt&a> 
Sokltt»  Üvyxarcsßtjpcfi ,  quo  loco  commode  usus  est  Schoemannus  ad 
nostrum  explicandum.  Nimirum  in  praecedente  versu  Athenienses 
in  se  recipiunt  cultum  Eumenisin  praestandum  eo,  quo  promiserat, 
modo  infra  Pallas,  cum  v.  855  declararet,  se  effecturam,  wg  fxrj  tip 
olxop  tv&evtiv  apsv  as&sv,  quod  ipsa  sacra  per  singulas  aedes  iis 
institoenda  includit,  et  re  accuratius  iudicata  v.  798:  noXXtjg  Se 
ywoag  TtjgF  £V  äxQO&CPia ,  @vi]  tiqo  naidvov  xcd  yct/itjAtov  reXovg, 
"Ey<)vo  ig  atsl  topö'  inctivtasig  Xöyov.  Haec  igitur  sacra  si  ritepro- 
curant,  confidunt  fore,  ut  Jovem  quoqne  et  Parcain  propilios  habeant, 
Jovem  ntpote  summum  sortis  liumanae  arbitnnn  et  Parcam  ejus  inter 
homiues  dispensatricem.  Itaque  Jovis  et  Parcae  favorem,  quem  spe- 
rant,  cum  hac  nova  religione  recipienda  conjungunt,  nee  injuria,  quia 
eam  vidimos  Eumenidum  dignitatem  esse,  ut  ad  omnia,  quae  saneta 
inter  homiues  sunt,  tuenda  et  fovenda  pertineant.  Usus  autem  est  prae- 
terito  tempore  avyxeatßa,  ut  indicaret,  quod  celeriter  et  certo  fieret, 
et  ovreo  dixit  cum  respectu  ad  Eumenidum  sacra,  quae  praemittit. 
Hoc  igitur  modo,  si  scilicet  prius  bis  deabus  eultus  praestabitur, 
per  aedes  omni  aevo  simul  praesentes  nobis  et  propitii  aderunt  Ju- 
piter et  Parca.  Simili  prorsus  modo  Pindarus  invocationibus  et  pro- 
missis  adverbium  hoc  subjunxit,  Olymp.  III.  init. :  TvpdciQidcug  re 
<pihoiupoig  aSsip  xaXXinXoxä^im  &  lEXe'pa  KXbiPcip  ^AxQäyapxcc  ysgai- 
ocop  €v%OjLtai,  &i]Q(OPogJOXvjU7iioptxap  v/upop  do&iöoaig,  axauccpronödvov 
"Itituop  awzop.  Moiüa  <T  ovtw  rot,  naQeora  /uoi  psoofyaXop  s<5- 
oopti  xQonop,  JtoQicp  (fwpap  ipaQ/uo^ai   nhdifao. 

His  ita  dispositis,  locus  totus  hoc  modo  se  habebit: 

Xogog. 

2x$0(f>ri  ü.      Bars  So/uop  jUsyäXag  iofriuoi 

Nvxrög  naideg  ctnaidsg  vn    i-vipqopi  nouna  — ■ 


19 


X  CO  Q  IT  Cd. 

(Evtpa/ßSiTS  ds  xwolrcci  — ) 

XoQog. 

'AvTiOTQoqrj  d.     rag  ino  xsv&zgiv'  wyvyioiGi 

Tijucug  xcd  ß-votccig  ttsqigstitk  tv/ovghi,. 

Xwqit  e.i. 
(Ei>(pa]u,SiTS  d't   navda/Lisi) 

Xoyög. 

^roo<pirj  ß'.     "lAaoi  dt  xal  rc}ö'  tv&vcpoovsg  ya 
Jüvq3  lis    Gs/uvcd  xal   nVQlÖCiTlTM 
Ilsvxa  TSQnoju&vai  xatf  ödöv  — 

XiOQlT  C!  I. 

{^OXoXv^ara  vvv  im  jLioÄncäg   — ) 

Xo  j>  6  g. 

'AvTiGTQOiprj  ß' .     2novdeug  cf  ig  ro  nav  ivdcptiSGtv  oXxiov 
IlaXhädog  aGroig  Zeug  6  ncivönrag 
Ovrco  MoTqc'i  rs  Gvyxmißa. 

XwQirai. 

(  OÄoXv^cn  £  vvv  im   uoXneJg.) 


20 

Altera  lacuua,  de  qua  agere  suscepinius,  Choepliororum  initio  est. 

Ineipit  tragoedia  ab  oratione  Orestis,  qui  in  patriam  e  fuga  re- 
versus  ad  patris  tumulum  verba  de  consilio  et  conamine  suo  faciens 
a  poeta  introductus  fiiit.  Ea  intercidunt  ouinia.  Nam  qnae  prima  in 
codicibas  apparent,  ad  pompam  muliebrem  spectant,  quam  cum  liba- 
tionibus  ex  aedibu.s  patriis  progredientem  conspicit  et  miratur  bis 
verbis :  Ti  XQ*iLlCi  ^vggo)  x.  t.  X. 
* 

Ad  ea,  quae  interciderunt  ex  parte  supplenda,  usui  fuerunt  poeta- 
rum  et  seholiastarum  loci,  in  quibus  ad  Choepliororum  initium  et 
Orestis  orationem  respicitur. 

Primum  Aristopbanis  Ran.  in  dialogo,  quo  Aeschylus  et  Euripides 
de  principatu  inter  tragicos  coram  Baccbo  altercantes  introducuntur. 
Quae  ad  rem  nostram  faciunt,  baec  sunt  v.  1123 — 1176. 

AlO.  dys  Si]  Gtiönct  nag   dvijQ.  Xiy    AlG%vXs' 
AI.     cEQ/uij  %3-övis,  naTQOi    snomsvwv  xodtr], 

GwrtJQ  ysvov  /uoi  Gvju/uaxög  r    alrovaivao. 

tjxa)  ydo  us  yrtv  riqvös  xal  xario^o^iai. 
JIO.   Tovxwp  &%sis  ip£ysiv  xi\   EY.  nXalv  rj  diod&xa. 
AlO.    dXX  ov8k  ndvra  ravrd  y1  tGr'  dXX    tj  roi'a. 

EY.  t/si  (T  exaGrov  sXxogIv  y    d/uaQriag. 
AlO.  AIg%vÄe,  naoaivw  ooi    Guandv .    u  J«  [irj, 

TiQog  tqigIv  ia/ußuoiGi  noogoipsiXcov  yav&l. 
Ah     iyoi  gkoticÖ  r(pd*',  AlO.  iäv  nsi&t]  y    ijuoi. 
EY.     zv&vg  ydo  tfjudQrt]xsv  ovodviöv  y1  ogov. 
AI.     ooag  ort  Xqosig.  AlO.  dXX3  oXiyov  y£  /not  /usXu. 
AI.     nd>g  <pijg  ju    djuaQtuv,  EY.  avd~ig  £§  doxijs  Xiys. 
AI.     'EofArj  %&övih,  narom    inonrevwv  xodzt]. 


21 


EY.    ovxovp  ^OoiGrrjg  tovt  im  toj  rv/ußcp  Xiyti 

tu)  tov  nazQog  Tsd-vsaJTog',  AI.  ovx  äAZcog  Xiyco. 
EY.     nöreQ1  ovv  top  'EQjurjp  cu^  6  TiartJQ  anojXero 

ccvtov  ßiutwg  ix  yvpaixeiag  ysoog 

SöXoig  Äa&ocuoig ,  Tavr   inomevuv  t(pt]; 
AlO.  ov  drjT    ixhlpop ,  äh?,a  top  'Eqiovpiop 

'Eojurjp   y&oviov    noogunt,  xcidiqXov  Ziycop 

OTti}  naroojop  rovto  xixtfjtai  yioag. 
EY.    tri  fisfäov  i^^uaQzsg  rj  3yco  'ßovf.öjutjp. 

si  yao  narquiop  ro  yß-öpiop  tysi  y$Qag,  — 
AlO.  ovtwg  uv  d'tj  noog  naroog  TVjußojovyog. 
AI.     Aiopvgb,   m'vug  olvov    ovx  apS-oG/uiap. 
AlO.  Asy  stsqop  avriv.  ov  <?'  inntfosi  ro  ßÄäßog. 
AI.     GWTrjQ  yspov  /uoi  Gv/ujuayog  r  ahov/uevü). 

fjxoj  yäo  ig  yr\v  xrjvds  xal  xarioyopiai. 
EY.    §\g  ravtop  jj/uip  einsp  6  Goipög  AiGyvZog. 
AlO.  noZg  dig$  EY.  oxönsi  ro  Qtj,u\  iyoj  ds  ooi  (foäoio. 

„tjxw  yäo  ig  yijp"  (prjol  „xal  xaTiqyofiai." 

tjxoj  Js  ravtöp  ion  toj  xaTioyojuai. 
AlO.  piij  top  AC ,  öjgneo  St  Tig  unoi  yefaovi 

„XQtJGoif  oii  fxäxTQccp,  sl  ds  ßovXu,  xäodonop." 
AI.     ov  dfJTct  tovto  y,  w  xaTSGTCouvZjuiPS 

av&Qoms,  ravT1  igt ',  ak%  uqigt  stiojp  tyop. 
AlO.  ncüg  drj;  dtda^op  yaQ  jus  xa&  o  Tb  ö^  hiyug. 
AI.    iXdslp  utp  sig  yijp  Ib^',  brcp  fxsrrj  naroag' 

ywolg  ycio  aMqg  Gvjuipooäg  iXiqhvd-Bv, 

(psvyojp  <?'  ecprjQ  fjxsi  re  xal  xaTigysTai. 
AlO.  sv  ptj  top  3Ano).Xu).  xt  gv  ?.iysig,  EvQmtdtj; 
EY.    ov  (pr\fxl  top  ^OosGTrjp  xaTsXdslp  oYxads' 

Xd&oa  ycio  fjA&ep,  ov  m&ojp  rovg  xvoiovg. 
AlO.  sv  pi]  top  'Eojurjp.  o,   n  hiyeig  d"1  ov  fj,ap&c'.p(ß. 
EY.    m-oaips  toi'pvp  i'rsQOP.  AlO.  i&i  nioaips  gv, 


22 

tlaxvX,   uvvac.g-  üv  (V  ttg  ro  xaxdv  änoßXsns. 
II.      Tv/Lißov  (V  in    ox&(g  T(0(h  x>]otMG(o  narQi 

xÄfcip,  cbsovGctt.  EY.  rovif  i'rs^of  ctvS-ig  h&yu, 
x/.vuv ,  ctxovGcti    TavTQv   op  <)(i(fborarc{. 
JIO.  ts&pijxogip  yaQ  f-fayeu,    to  fioxfrqos  ov , 
olg  ovd&  TQig  Xiyopxss  t&xpovfisO-ci. 
Gt>  Jt  ndog  inoisig  rovg  noohöyovg;  EY.  tya>  (pociGw. 

Ex  hoc  loco  primus  Guil.  Canterus  Choephoris  proemii  quatuor 
versus  priores  et  partem  quinti  restitait  (falsus  (amen  in  eo,  quod 
putavit,  se  in  versibus  Aristophanis  sen  totuin  inilium  Cboephoiorum 
habere),  bis  usus  verbis  p.  349 :  „Jam  quod  ad  piincipium  tragoediae 
perlinet,  id  nobis  fere  totuin  conservavit  in  Ranis  Aristophanes .,  in 
qua  eomoedia  cum  Enripides  Aeschyli  prologos  examinat,  hie  tan- 
quani  singularis  ab  Aeschylo  proferlur,  quem  quidem  de  hac  tragoedia 
sumtum  noii  est  obscurum."     Sic  autein  habet : 

'Eojufj  x&opie,  TiciTQcp    bnoniiviov  xochrl}  * 
gwti]Q  ytpov  juoi  Gvuue>.%6g  r    (drovfxipto' 
tjxo)  yä{>  eig  yijp  TijpSs  xcel  xccTiQxofJuzi. 
rvußov  ()"  tri  0£i9w  T(pdt   xtjouGGw    tiutqL 
xAvsip ,  axovoca. 

Eosque  versus  post  Canterum  in  texlu  posuit  Staulejus. 

Ac  is  quidem  ulterius  progressiv  est,  usus  Pindar.  schol.  ad 
Pyth.  IV,  81  (v.  145):  ovdt  xouäp  nAöxaf.101  xsQ&sprsg  Cöyovx  dy- 
McoL  Ad  haec  schol.  v.  145.  Ovdt  xojuup  n Aoxauoi-  ovdt  rrjt' 
noaurjp  xo^rjv  dg  dnuox^  tolg  &toig  ixtl^aro,  uXX ,  wg  \l)ri?>Abvg 
vf.og  f[P  TiQMTOXÖ/utjg.      TOj,irjfiOg  U.   ip.    144 

2ntQ%tiJ,  aW.oig  Golyt  neertjo  qotJGciTo   üijAsvg. 
xc.i   ;i«o   Mo/iho  Choeph.  6. 


23 

IlXoXCiUOV    'lvä'/W    &Q£TIT}]010V, 

Tov  ctevr&QOv  de  zövöe  7iev&i]rrjQiov, 
^Ooeozt]g    (f>]0)    tw    ^AyafJtifJivovt.    rag    yäo     Tiowrag    xö/uag    rolg    no- 
zafioig  ot  äo/cuoi  änsxsiqavrb,  Gv^ißoX.ov  tov  &'£,  vdazog  elvai   ndvzwv 
zi)v  uv^rjOiv. 

Eodein  spectat  Eustath.  ad  II.  ß.  p.  165.  I.  7.  KaQqxo/udwvzag 
de  Xeyei  zovg  *A%aiovg  ijzoi  xo/ucövrag  zd  xaQTjva  xaCnoXvTQi%äg,  diözi 
e&og  }\v  c.vTolg  xö/urjv  TQecpeiv,  ov  juövov  dg  xdXXog,  v.XXd  xai  did  rö 
tfoßeoöv  ovtco  yc'.Q  xai  Xe'wv  ycuz^eig  (foßeowzeoog  tov  /nrj  yatriqv 
tyovzog.  Xe'yovTc.i  de  tov  /uev  dXX.ov  ndvra  %oovov  xoixdv  olc'EXXtjveg, 
ev  de  Tievd-ovg  xaiow  xeioeGfrai.  wgavT  wg  de  aal  ev  xaiow  äxjLirjg  ijzot 
zeXeiag  rjXixfag .  rrjvixavra  ydo  nXoxajuov  xeiQctvreg  ävert&ovv  " 'AnöXXwvi 
zovQOToöcpoy  xai  noTauoig,  xaS-dnsQ  6  c'0/a]oog  iGTOQijoei  ev  ToTg  ei;)]g' 
xai  fjv  ovzog  uev  6  7iX.6xajuog  d-Qenz^Qiog  xazd  tov  AioyyXov,  nev9v\- 
T7]Otog  de   6  tTSQOg. 

Eadem  breviori  oratione  repetit  ad  II.  v.  39  p.  1 194  I.  53  ad 
v.  4>otßog  dxe^oexö /^rjg'  "Oqc,  de  ojg ,  ei  xai  zavTOv  dxeQOex6tui]V 
eineiv  xai  xaoijxojuöwvza,  o/ucog  ovx  Y[9eXi]6e  tov  *AnoXXwva  xaoqxo- 
uöwvza  elnetv ,  wg  äv&QWTioig  dnovet^iag  exelvo,  di  Tofyovzsg  x6jui]v 
exeiqovzo  noze  avzijv ,  xai  ov  juövov  im  nivd-ei,  OJlSO  im  üazQOxXw 
yivezat ,  dXXd  xai  dXXwg  im  dvazqoyfi'  nXoxafiog  yäq  xovgijuog  6  /uev 
zig  r\v  xazd  tov  (add.  noir/iijv]   einovza  d-Qenzfjoiog ,  6  de  \r(>qpt]zrJQiog. 

Versum  priorein  supplevit  Erfurdtius  ad  Sophocl.  Electr.  v.  52 
(nazoög  rvußov')  Xoißcag  tu  txqwzov  xai  xaoazo/uoig  yXidalg  Ozixpavzsg, 
baec  in  maj.  ed.  notans:  „Aeschyl.  Choeph.  12.  dicit  Orestes: 

"H  nazQi  zw  '/iiw  zdgd'  inetxdoag  zvyw 
Xov.g   (fiQoioag  veozegoig  /ueiXJyjuaaiv; 
ubi    Schützius    monente    Hermanno    (Obs.  critt.   p.   55    sq.)    praeter 


2i 

necessitatein    scripsit    /.iH/Uyi-uiTa    —    xuorouoig   %hidatg.    Aescfhylos 
ibid.    v.    a. 

HX6%a/jiov  3Ivct%(p  d-osnrrjQtov , 
Tov  dsvrsQov  df.  tövds  nsvd-riT}]Qi,ov. 

Priori  versiculo  integritas  restitui  possit  sie,  ut  addas  (psow  HL 
C£  etiam  Eurip.  Orest.  v.  96,  113  et  Hom.  II.  ip,  15i." 

Ulis  denique  aecessit  G.  Dindorfii  areana  quaedam  sedulitas, 
qui  in  actis  antiqq.  stud.  a  Zimmermann«)  editis  a.  1840  p.  1123  sqq. 
de  nostro  loco  et  versibus  ex  Aristoph.  et  schol.  Pind.  supplendo 
agit,  ita  disputans:  Ulis  nunc  quidem  (gegenwärtig)  duo  insuper 
versus  accedunt,  duplici  modo  firmati  (zwei  doppelt  beglaubigte  Verse), 
in  quibus  Orestes  rationem  reddit,  quare  nuue  deinum  patri  oeciso 
debita  pietatis  sacrificia  offerat.  Haec  verba  morem  veterum  e 
pluribus  locis  notum  tanguut,  qui  e  verbis  Euripidis  elucescit  Suppl. 
772.  AXX  slev,  aoiu  %siq  aTravriqaag  vsxQolg  Al'dov  r«  aoXnäg  ix%&(o 
tiaxQVQQÖovg  4>ü.ovg  noogavdwv ,  wv  fehujifjbivoq  rä'Aag  "Egy/ua  x'Miko. 
Alcest.  767.  fH  <f  ix  döjucov  ßgßyxev  ovd'  i^sonö^v  Ovd1  i^izuva 
%uo ,  anoifxwZiDv  ijbttjv  Aionoivav,  tj  *juoi  naai  r    oixirccimv  tjv  Mfjrrjo. 

Versus  ipsi  sunt : 

Ov  yv.Q  naqvav  (puio^a  aov ,  närkq ,  juöoof, 
Ovd-   i^stsiva  %M£>    in    txtpoQCi  üe9-£t>. 

Dicit  Bambergerus  se  nescire,  unde  sumti  sint  hi  \ersus^  et 
mirum  sane,  quod  fontem  eorum  non  indieaverit  Dindorfius  neque 
docuerit,  quaenam  duplex  illa  fides  sit,  qua  nituntur;  ni  fallor  ex 
scholiis,  quorum  apographa  apud  eiim,  sunt  deprompti.  Ceterum  et 
dictionis  et  sensus  concinnitate  idonei  sunt  ad  partem  lacunae  ex- 
plendam. 


1J 


Quae  praeter  ea  desint  optime  docemur  initio  Sophoclis  Electrae. 
in  quo  Orestes  a  paedagogo  nomine  suo  compellatur  et  docetur,  qui 
loci  sint,  quos  Argos  delatus  conspiciat,  simul  vero  ei  in  inentem 
revocat  narratque,  quo  consilio  venerint.  Pertinent  autein  ad  rem  no- 
stram  hi  inprimis  versus: 


IJcadriy.    1.     'il  xov  GxQaxfjyfjGavxog   iv    TqoCk    Hots 
'  Aycifx&nvovog  neu. 
11.     b&sv  gs  TtctTQog  ix  (fovwv  iyoj  noxt  — - 
13.     ijvsyxcc  xagiGvoGce  xäge&Qeipd/uqp    — 
'Oqsgx.    32.     iyco  yaQ  f}vi%    lx6/ut]v  xo  Tlv&ixdv 

juavrsiov,  wg  judS-ot/u    oxw  xqotiw  neergog 
(Mxag  eiQOi/Arjv  xwv  tpovsvGiivxwv  näoa, 
Xqti  juot  tomxv&  6  4>oißog,  wv  nsvoet]  xäyji , 
ctGxsvov  aixov  ccGniöwv  xs  xcd  gxqccxov 
döXoiGi  xMipar,  %£iQÖg  ivdixovg  Gtpaydg. 
44.     Xöyw  de  %qw  xoiwd*  bxi  gevog  fiiv  si 

'Pwxsvg,  nccQ    ävÖQog  4>avoxtwg  xjxwv  o  ydo 
jusytoxog  avxoTg  xvyyßvu  Soqv&vwv. 
51.     fjfisTg  Öi  TTCixodg  xvfxßov ,    wg  i<pisxo, 

XoißcciGi,  nqwxov  xal  xc(QKx6]uoig  yfadeug 
Gxixpavxsg ,  eix'  axpoQQOv  fj£oju,sp  ndXiv. 
56.     onwg  höyw  xtänxovxsg ,  ffistccv  (päxiv 

(QhQOijjkSv   avxoig,  xov/uov  a5g  tQQf-i  dsficcg. 

Talia  fere  si  et  nostro  loco,  ut  par  erat,  Orestes  eloeutus  est, 
facile  eo  dueimur,  ut  statuamus  harum  partem  in  Aristophaneis  etiam 
nunc  latere,  ea  nempe,  quae  de  dolo  Aegystho  et  matri  instruendo 
agunt,  v.   1165: 

Abhandlungen  der  I.  Cl    d.  k.   Ak.  d.  Wiss.    V.  Bd.  II.  Abthl.  4 


26 

Evq.     ndtSQ1  ovv  rov  'EQjuijv,  cog  6  narr/o  arao?.BTO 
ccvTOv  ßiaicog  ix  yvvctixstctg  xsQ°S 
SoXoig  Xcc&Qctloig,  tccvt   inoTiravstp  k<pt]j 

Nenipe  verba:  6  narrjo  ctnootero  aurov  ßiaivog  ix  yvvaixei'ag  %tQog 
döÄoig  Aa&Qcu'otg  non  simplicis  babent  dictionis  indoleiii,  quae  in  co- 
moediae  diverbiis  dominatur  apud  Aristophanem ,  sed  mere  tragicam, 
verbis  inflatam  et  fere  redundantem.  Quod  autem  interrogat  Euripi- 
des,  nuni  haec  ipsa  a  Mercurio  respici  putet,  id  quidem  novo  argu- 
mento  est,  non  Aristophanis  verba  esse,  sed  sententiam  ab  Euripide 
ex  Orestis  oratione  repetitam.  Dixerat  nimirum,  se  clam  patris  vin- 
dictain  praeparare,  quia  et  ipse  clam  matris  dolo  perierit,  hoc  fere 
modo: 

.  .  .  inti 

xccvxög  ßiaicog  ix  yvpcuxzCccg  x£Q°S 

döZoig  Äad-Qaloig  övgxXsiqg  r   änwÄsro. 

Reliqua  nonnisi  mera  conjectura  addi  possunt  ex  analogia  qua- 
dam  Sophoclis  et  Euripidis  deducta.  Itaque  totum  prologi  contex- 
tum    usque   ad   verba   ri  XQW01  tei'GGio  banc  fere  fuisse  crediderim: 

30Qiaztjg. 

1.      'Eg/ui]   y&övik }  näroio   inojirsvwp  xgccrq, 
2£u)Tt'jQ  ysvov  /uoi  GVjU/ua%6g  r    cthovuiviy  • 
"Hxw  yao  ig  yqv  rtfvdt  xal  xariQXOfjuxi 
rO  to  v  OTQciTtjytjoapzog  iv  TqoCcc.  nori 

5-      'Aya/ut-jupovog  naig,  gvv  dswv  tv%T]  (pövov 
lluxQÖg  <poi>svai  xQvßöa  öworjoGcop,  insi 
Kavrog  ßiatoog  ix  yvvctixzlug  xsQ°S 
AoXoig  Xa&Qttioig  övgxXtrig  t    änvoXsro. 
Tvußov  ö'  in    (>x&ip  Tqtde  xrjQVGOuo  tiutqI 


27 

10.    KXvsiv,  dxovGai  7iQSVju€vwg  avywv  iuwv. 
4>£qo>  Sk,  nÄöxafjLOv  ^Iväyw  &Qsnxi]Qioy , 
Tov  dsvxsqov  dz  xöpds  nsv&rjzriQiov , 
Tätpio  nccTQcocp  rcod'  inäXnviGxov  yävog  • 
Ov  yaq  naqibv  (p/no^d  oov ,  ndxeq,   iaoqov  , 

15.    Ovo1  il-ärsiva  %siq   in   ixyoqdg  otdsv , 
<Pvydg  tot    otxov  tovös  xal  ndxqag  di%ct 
fpojxscov  xaxoixiav  nsdia  xal  zQ0(prjg  Xayiav. 
*AXX\  ai  naxqioa  yrj  Ssoi  t   ty^woiot , 
Js^aoSe  vvv  //  iXS-ovxa  Gvv  noXXä  xqovoj 

20.    Kai  juij  f£  axifjiOv  Gxrjoax\  dXX'  iuwv  öojxwp 

*AQxfiy£TOV    TB    Xal    TtaXQOQ    XlfiaOQOV. 

"Ea 
Ti  XQVt*0*  fevGGw;  x.  r.  X. 

Pauca  sunt,  qoae  bis  tentaminibas  addere  opus.  Vers.  5  ex 
Sophoclis  Electra  translatus.  Ne  autem  dictio  cpövov  ....  (povsvGt 
d-wQiJGGwi'  offendat,  cf.  Eurip.  Electr.  89:  <popov  <povsvGi  jiuxqös 
dXXd^wv  ijuov.  v.  17  seqq.  ad  rationetn  Sophocleorum,  quos  supra 
posuimus,  utcunque  compositi  sunt,  ne  clausula  sua  oratio  careat. 
Nam  in  seqq.  actio  ipsa  incipit.  Poterat  autein  ex  his,  quae  expo- 
suerat,  ad  ea,  quae  vides,  indicanda  transire  comuiodissirae  interjecta 
exclamandi  vocula  ««,  ut  factum  in  siraili  nexu,  quamquam  majore 
miserationis  ivsoysCa  obque  hanc  ipsam  multiplicatis  particulis,  Prometb. 

112.       Toidgds  noiväg  d[A7iXaxrifj,dxiov  xi'vw, 
'Ynaid-Qiog  ösg/lioiGi  naGGaXsvxog  wv. 
A    a ,  aa ,  ta. 

Tig  a%a>,  xig  odfiä  x.  x.  X. 

Haecde  lacunisAeschyleis  nunc  quidem  sufficiant.  Sunt  enim  multa. 
quae    addi   possint.      Minus   frequenter    inveniuntur    in    Sophoclegf  et 


2S 


Euripidea  oratione.  Nee  tarnen  hae  ita  decurrunt,  ot  non  Iiic  illic 
eursum  interruptuin  ex  eo  sentias,  quod  strueturae  hient  neque  ab- 
solvantur.  Ejus  rei  insigne  exemplum  ponam  Sopbocl.  Antig. 
v.  211.  seqq. 


Xo 


Qog. 


aoi  rcryr1  äotoxsi,  neu  Msvoixtiog  Kqsov, 
rov  rrjds  dvgvovv  xal  rov  svjusvrj  nöXu. 
vojuüj  dt  ^orjoS-eu  navxl  nov  x   tvsori  ooi 
xal  riov  &avövxo}v  %(oji6goi  ^w/uiv  nioi. 

KotwV. 
wg  av  Gxonoi  vvv  tjrs  rcöv  eiQrjjuevwv. 

In  his  plura  hiare  apertum  est.  Nam  verba  rov  rrjds  dvgvow 
xal  xov  sv/usvij  noXu  exitum  non  habent.  Neque  enim  jungi  possunt 
aoi  ravx  ccq£gxu  —  rovr^ds  diigvovv,  neque,  si  haec  separes,  dicitur, 
quidnain  de  utroque,  de  inimico  et  de  amico,  facere  instituat.  Eodem 
modo  se  babent  wg  av  oxonol  vvv  t}zs  rvöv  eioq/usvojv ,  quae  pertiuent 
neeessario  ad  a liquid,  quod  a  choro  interrogatus  fuerat  Creon.  Re- 
spondet  enim  de  consilio,  quo  id  fecerit,  wg  av  oxonol  vvv  yrs.  Scio 
quidem  multa  ab  interpretibus  tentari,  nt  haec  aut  consarcinent  aut 
defendant;  sed  frustra;  neque  alio  modo  nexus  biantis  difficultates 
evadas,  nisi  statueris,  in  utraque  parte,  quam  indieavimus,  lacuno- 
sum  esse  hunc  locum,  et  intereidisse  versus  integros.  Itaque  hunc 
fere  ejus  contexturn  fuisse  crediderim. 

Xooog. 

JSbt  rcevT    aoioxu,  nal  Msvoixtwg  Kq£ov, 
tov  rfi$b  frvgvovv  xal  rov  svjLisvrj  nöXu 


29 


ov  ztjg  6/bioitjg  ix  oG&tv  zi/ut]g  Xct%<siv. 

No/LUp  d'k  ZQtjo&eci  navzl  nov  z    tvsozi  goi, 

xai  zwv  Q-c.vovziov  %u)7i6aoi  £wjlisi>  niqi. 

Ti  d'  ovv  ig  tj/uag  y*  avzä  xijqvg a wv  näQEi, 

Kq£wv. 
wg  ctv  Gxonol  vvv  ijzs  zwv  iiQtjjuivtov. 


Haec  igitur  de  lacunis.  Jam  adloca  nonnulla  tractanda  trauseamus, 
quae  versuum  transpositione  sauari  debent,  iuterpositis,  quae  ad  ex- 
plicationem  aut  criticam  eorum  spectaut,  primumque  agamus  de  ver- 
sibus  Aescbyli  Agamemn.  272 — 84,  a  quibus  oratio  Clytaemnestrae 
incipit ,  qua  Trqjae  excidium  per  igues  continuos  iude  ab  Ida 
usque  ad  Arachneum  moutem    inceusos    sibi  nuntiatum   choro    refert. 

v.  272—84. 

"Hcpctiozog  "Idrjg  ActfJuiQov  ixnfyniop   aiXag. 
<Povxzög  Sk  (pQvxzov  devQ    mi  ayydoov  nvQog 
"Ene/unev.    "Idrj  /mkp  nQog  lEQfxaTov  7>€nag 
Aij/upov  fxiyav  8k  tpavov  ix  v^gov  zqizov 
"A&ooov  cclnog  Zrjvog  i&di^azo, 
cYnsQZ£Äijg  zs,  növzov  wGzs  vmziGai, 
Ioyvg  noosvzoZ  Xa/xnctdog  nqog  rjSovjjV 
Ilsvxt] ,  zo  %Qvoo(psyykg,   Sg  zig  tj/uog, 
2£%ttQ  nctQuyysCÄctgu  MaxlGzov  Gxonalg. 

Signa  cum  per  igues  darentur,  poeta  Vulcanuni  eorum  auctorem 
nominal.  Isprimam  flammam  splendid  am,  Äa/unoop  oiXag,  ex  Ida  emit- 
tit  i.  e.  ex  summo  ejus  cacumine,  quod  Gangaron  Homerus  nominat. 
Quo  facto  8svqo,  huc,  Argos  <povxzog  yovxzov  msfiiisp  cid  uyyaqov 
nvQog:  4>Qtxz6g,  quem  frutices,  tpQiyccva,  constricti  efficiuut,  eodem 
modo,  quo  ntvxtj  de  face  accensa,  dictum  de  ardente  fruticum  fasci- 


30 

culo,  nt  v.  30:  a5g  6  (pQvxrog  äyyO.Xojv  nqtnu.  Sed  Codd.  et  Edd. 
omnes  ayyZXov  pro  dyyaQov  praebent,  quod  glossam  esse  vocis  ge- 
iniiuae  äyyüoov  evicit  cum  aliis  Etym.  M.:  AloxvXog  iv  3Ayaju^uvovt 
rov  ix  SictdoxfjQ  nvQödv  art  dyyäqov  nvoog  tcprj.  —  v  Ayyaqoi  enim  re- 
gnm  Persicorum  cnslodes,  qui  per  stationes  dispositi  mandata  et 
litteras  tum  regis,  tum  satraparum  ad  regem  portare  solent,  tabella- 
riorum  ix  Siadoxijg  ministerium  praestantes.  Cf.  Herod.  VIII ,  98. 
Hinc  ab  Aeschylo  ad  <pqvxtwv  diadox^v  translata  vox,'  quae  in  nsum 
Graecorum  cnm  aliis  Persicis,  ut  naQadsioog,  naqaaayyrig,  aarQanrjg  aliis 
transierat.  Eodem  pertinent  dyyaqavuv,  ayyaqoyoQuv .  Itaqoe  jam  Can- 
terus  ayyaqov  recipiendum  suasit,  et  versione  expressit  Stanlej.: 
„Lainpas  vero  lampadem  angariantis  ignis  misit."  Sed  is  praetervidit 
adverbium  Ssvqo,  huc,  nempe  Argos,  et  praepositionem  äno.  Ver- 
sus structuram  Schützius  iudicat  hanc:  (povxrog  (pqvxrov  dyydqov  nv- 
oog aninsfxnsv .  Postqoam  rem  in  Universum  indicavit,  seil,  ignibus 
ix  diadoxijg  ab  Ida  Argos  usque  nuncium  venisse,  ad  partes,  i.  e. 
singulos  montes,  in  quibus  signa  data  erant,  enumerandos  pergit. 

v.  274-  *Idrj  fxiv,  sc.:  <pqvxtov  tnsjunsv ,  et  cogitat  Gangaron. 
Montem  igitur  (fovxrco,  qui  in  eo  ardebat,  substituit.  ÜQÖg  'Eq/uuiov 
Äsnag  Arjfivov.  —  Ainag  dictum  de  praerupto  et  eminente  montis  parte 
eaque  nuda  virgultis  et  velut  levigata.  Ainuv  enim  uude  duetnm 
extenuare  et  levigare  significat.  Ducta  sunt  inde  Xonij,  UnaSva 
et  Xsnrog,  quod  adjeetivum  verbale  habeas.  Dictum  autem  in- 
primis  de  ipso  montis  cacumine,  ut  hoc  loco  et  v.  289  Ki&ai- 
owvog  Xtnag,  item  ab  alnvg  cänog  in  seq.  versu  "A&ioov  ainog 
et  v.  300  *Aqaxvalov  ainog.  De  monte  schol.  v.  'EquccTov  ooog  Ar\- 
upov,ivuj  itificcxo  6cEQ/utjg.  Inde  ignis  in  Athoa,  vA&wov  ainog,  trans- 
missus ;  qui  cum  satis  magno  intervallo  a  Lemno  distet,  magnus  accendi 
debuit  lignorum  acervns,  ut  per  interfluentia  maria  usque  ad  Athoa 
eulmina  effundi  posset.  Jovi  autem  cum  summa  montium  cacumina  di- 
cata    essent,    et    plerumque  ejus    dei    altaria  strueta  haberent.  inde 


31 

vA9wop  cclnog  Ztjpog  dixit.  Hoc  igitur  culmen  narrat  excepisse  (£§&- 
Ss^aro)  (fctvöv.  Praebent  haue  formam  Mss.  et  Edd.  critt.  omnes. 
Item  in  lemmate  schol.  R.  V.  exstat  <pav6v  Xa/jtjiäda.  Huic  sub- 
stituerunt  formam  priscam  navov  Casaub.,  Stanlej.,  reliqui,  Athe- 
naeum  secuti  1.  XV.  p.  701  E.  Ilapog  <T  opof^d^srai  rö  diaxexou- 
fiivov  %v%op  .  .  .  zovro)  <T  ixQWPTO  Xafincidi.  MepccpdQos  .  .  .  AfyiZog 
....  TiQorsQog  ds  tovtiop  AloyvAog  sp  1j4ycclu£'/upopi  jus/upt]rai  rov 
jiccpov,  aueto  seil,  significatu,  ut  factum  et  in  vv.  nsvxtj,  Aa/unag, 
quae  vocabula  in  seqq.  de  magnis  illis  ignibus  accensis  adhibuit: 
Haec  igitur  plana.  Sed  error  in  versione  Stanlej.:  „Ingentem 
vero  facem  ex  insula  tertiam  Atho  montis  fax  dedicatam  excepit," 
Non  enim  tertia  fax,  quam  Atho.s  excepit,  sed  post  Idam  seeunda, 
quippe  quae  ex  Hermaeo  perveniebat;  contra  ipse  mons  tertius  erat, 
in  quo  signa  illa  fiebant.  Itaque  xoixov  ad  J 'A&wop  cänog  referen- 
dum.  Sed  hoc  leve:  Gravius,  quod  non  dicitur  ignis  novus  in  Atho 
accensus,  sed  is  ipse,  quem  Lemnus  mittebat,  per  Aegaeum  mare 
usque  ad  Euboeam  continuatus.  Nam  vnnQrsX^g,  quod  sequitur,  non 
alio  potest  referri,  quam  ad  /ufyap  napop  ex  Lemno  relucentem. 
Perspexit  hoc  Stanlej.,  qui,  haec  ut  necteret,  „adeo"  versioni  intu- 
lit,  quod,  ni  fallor,  ad  [ityccp  retulit:  „ingentem  facem  —  excepit, 
adeo  ut  super  Hellespontum  etiam  transfretaretur  ct."  Hoc  autem 
qois  credat  a  poeta  factum,  qui  ne  in  uno  quidem  sequentium  cacu- 
minum  ignem  novum  accensum  praetermisit?  Quis  porro  sibi  persua- 
deat  intermissum  id  in  montium,  qui  commemorantur,  et  maximo  et  qui 
longissime  splendorem  propagare  deberet?  Hoc  qui  reputet,  facile 
perspiciat,  ignis  accensionem  in  Atho  non  solum  non  potuisse  prae- 
termitti,  sed  debuisse  majore  etiam  ornatu  et  amplioribus  verbis  fieri, 
quia  ingentis  flamma  magnitudinis  opus  erat,  quae  ab  Atho  usque  ad 
Euboeae  montes  exsplendesceret.  Hocque  factum  revera  fuisse  a 
poeta  sequentes  versus  demonstrant,  in  quibus  vis  ejus  ignis  expri- 
mitur,  et  insignis  flammarum  splendor  cum  sole  Oriente  comparatus 
est.     Nullum  igitur  dubium  esse  potest,  quin  locus  lacunosus  sit.  JNec 


32 

tarnen  iuterciderunt  versus,  qui  ad  sensum  integrum  constituendom 
requiruntur,  sed  expulsi  situ,  in  quo  necessarii  sunt,  locum  occupant, 
quem,  ut  videbimus,  inutili   mqixxoÄoyCa  onerant  post  v.  291. 

Hits  in  nostrum  locum  translatis  oratio  sie  contiuuabitur  aptissime: 

jLityav  effc  tlc.vov  ix  ptjoov  xqixov 
"A&odov  cänog  Zr\vbg  £%sd£%cno, 

<t>ClOS     Ss    Tt]  ZS710JL11T01>    OVZ    iqVCltvt-TO 

4>qovqc(  ,  nX&ov  xaiovoct  xeov  siqi]jli£viov , 
tYnsQTsXrjg  rs,  novxov  uigxs  vmxiaca     ::.  x.  X. 

„Lumen  vero  de  longinquo  missum  non  neglexerunt  custodes 
(in  Atlio  vigiliam  agentes),  majorem  accendentes  flammam  ea,  quae 
dieta  est."  Non  est,  qnod  moneamus,  quam  apte  versus  hie  illati 
continuentur  per  seq.  vm-Qxzkrjg  xs.  Ex  eo  enim,  quod  majorem 
etiam  quam  in  Ida  et  Hermaco  factum  erat,  lignorum  acervum  cu- 
stodes illi  accendebant,  evenit  ut  magnum  illum  pontum  splendore 
perlustraret,  qui  solis  orientis  instar  in  dissitis  Euboeae  montibus 
couspici  posset.  Sed  haec  ipsa  praeclara  descriptio  gravissimo  vitio 
laborat.  Non  loquor  de  primis  ejus  voeibus,  quae,  ut  videbimus,  per- 
sanatae  sunt,  sed  <juod  verbum  deest,  quo  solo  disjeeta  membra  in 
justae    periodi  ambitu  conjungi  possunt.     Victorius  dedit: 

1Ytj.hq  EXrigxi  (sie)  növxov  (sine  inciso)  wgzs  viuxIgui, 
Ig /ig  txoqbvxov  Aa/UTrädog  ngog  ^dovrjv 
Ilsvxfi,  xö  xQVGOipsyyig ,  wg  zig  r^iog, 
mXug  nciQayysCÄaOci  MccxiGxov  *  Gy.onalg. 

Postremae  voci  asteriscum  apposuit.  Primas  voces  exbibet  mzq- 
xhXijg  xb  M.  G.,  quod  recte  A.  T.  in  vnsoxsX^g  xs  distinxit.     Contra 


33 

VTVgQTatet's  ts  Ven.  2.  vtisq&  tXhjg  ts  R.,  unde  via  patefacta  ad 
vnsio  styg  ts  Flor.  Farn.,  quam  interpolationem  Triclinianam  illa- 
tam  puto,  ut  metra  salisfieret,  cum  gl.  Farn,  vnto  kXXridnovTOv ,  sed 
cum  labe  formarum  vnto  et  "EXXr\g.  Haec  tarnen  lectio  ed.  Victor, 
occupavit  servata  a  Stanlejo  et  Cantero  et  in  Glasg.  priore.  Hea- 
thius  Robortelli  vestigia  secutus  vnsod-  c'EJJ„ijg  ys  novTov,  quod  mire- 
ris  Sehützio  quoque  placuisse,  quamquam  contrarium  et  sensus  nexui 
et  ntetro.  Etenim  cum  flammarum  signa  ad  Atlio  jam  pervenerint, 
de  Hellesponto  sermo  esse  non  potest,  cui  nonnisi  post  Idam  com- 
memoratam  locus  fuisset.  Genuina  lectio  primum  in  Glasgov.  2.  poetae 
reddita,  quam  Aid.  növxwv  pro  növTov  subjiciens  adulterat,  Turnebus 
autemrectedistinxittm^rs^'g  ts,  növTov\.  e.  eminens  ita  ut  pontum  tergo 
obduceret.  'YnsoTSÄijg  eiiim  est  6  vnto  rsXovg  tyyjüiv  seu,  utHesych.  habet, 
vnto  tö  T^Xog  cupixöpsvog ,  unde  v.  350  vnsoTsZsocu  us'ya  dovXsCag 
yayyafiov ,  superare,  evadere  servitutis  retia.  Hövtov  vvdtigcii,  Schol. 
R.  V.  vwTCoaf  vnsoßrjvcu.  Vocem  ductam  credas  ex  Homericis 
*Aoysloi  (psv^ovxca  in  svqs'a  vwxa  d-a^äoorjg  II.  ß,  159,  ut  lux  dica- 
tur  vcoTioai  növTov,  per  ejus  terga  ire,  quae  Blomheldii  sententia. 
At  vero,  si  etymou  spectas,  vwTfesiv  nihil  aliud  est  nisi  tergum  fa- 
cere,  aut  ut  <pioxiZsip ,  quod  nonnulli  perperam  hie  intulerunt,  ozoti- 
Lsiv,  lucem,  tenebras  facere  et  innumera  alia.  JErit  igitur:  tergum 
facere  niari  seu  mare  tergo  obducere,  quod  alibi  dicitur  iniviorCC,siv, 
xcitcivu)tCC,siv ,  quae  Porsoni  ad  Phoeniss.  v.  663  explicatio,  male  im- 
probata  a  Blouifieldio.  Dictio  est  ipsa  splendida  et  poetica,  quippe 
iguis  super  aequorum  trauquillorum  planitiem  e  longinquo  trauslucens 
velut  tergo  lucido  eam  videtur  ornare.  Reliqnae  dictiones  hujus  loci 
faciles;  sed  jam  de  nexu  quaestio.  Apparent  duo  nominativi:  i6%vg 
tioqsvtov  Xccixnä.Sog  et  nsvxri 3  quorum  alterum  ad  priora  explicanda 
subjeetum  statuit  Blomfieldius,  siquidem  vulgata  salva  sit.  Quis  vero 
voces  ioyvg  tioqsvtov  Aajunddog  explicatione   indigere   credat?     Sua- 

AbLandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.   V.  Bd.  IL  Abthl.  5 


3i 

serunt  hoc,  ni  fallor,  qui  ad  voces  immutandas  se  convertunt,     non 
excepto  ipso  Blomfieldio. 

'iöyvv  ex  Marg.  Ask.  Musgravius,  quod  recepit  Blomf.  jnngens 
Sgrs  la%vv  tioqsuxov  Xcc/uuiüdog  novxov  vwxioc.i.  Contra  Schützius: 
TiQÖg  ixdox>]v  nsvxris,  ut  facis  exceptio  fieri  possit,  quo  vis  poetica 
verborum  TiQog  fjdovtjv,  quae  ignem  velut  vigore  luxuriantem  exhibent 
et  solis  commemoratiouein  praeparant,  penitus  evanescit.  Blomfieldius 
sententiae  ambiguus  ait,  si  lo/^vg  retineatur,  se  malle  mvxqg  ro  %qv- 
oocf&yytg  jüngere,  voce  nevxtjg  juxta  xQvöoipzyyig  aiXag  prorsus  otiosa. 
Denique  H.  L.  Ahrens  pro  io%vg  legit  Ix&vs,  quam  mutationein  emen- 
dationem  esse  praedicat  Joh.  Franzius  et  in  textu  posuit.  Vertit 
antun:  „ita,  ut  splendor  flammae  pisces  prae  voluptate  in  tergum  maris 
pelleret"  („dass  der  Wandelflamme  heller  Schein  in  Lust  die  Fische 
auf  des  Meeres  Rücken  trieb"),  sensu  verbi,  ut  hoc  primum  monea- 
mus,  prorsus  insolito.  Ntoti&uv  enim  jam  erit:  in  tergum  maris  pro- 
trudere  vel  elicere.  Adde  miraculum,  quod  prae  gaudio  pisces  in 
maris  tergum  protrudantur,  quod  ipsum  cogitari  non  potest,  nisi  si- 
mul  fingas,  eos  ex  undis  eminuisse.  Nam  quod  maris  in  tergo  est, 
id  necessario  ei  innatare  debet.  Quodsi  autem  v.  vioxfeeip  significa- 
tioni  vulgari  et  legitimae  insistas,  majus  etiam  exoritur  portentam. 
Tunc  enim  ipsi  pisces  lucis  dulcedine  allecti  mare  tergo  obducunt, 
Tiövrov  voixi'iovot,  i.  e.  tanta  copia  annatant,  et  sese  truduut  atque 
extollunt,  ut  fluctibus  tergum  imponere  videantnr. 

Accedimus  ad  verbi  definiti  defectum.  Si  vulgata  servatur, 
suppleri  debet  verbum  substantivum  r\v  ad  vnsQxefyg,  vel  iytvsxo, 
quod  Blomfieldius  suadet,  et  vnsQxsXrjg  ^v  ponatur  pro  vjtsqsx&.si. 
At  vero  talis  ellipsis,  quam  brevia  lyricorum  xo^^axa  non  respuunt, 
interdnm  etiam  concinnae  brevitatis  caussa  requirunt,  aliena  est  ab 
ampla  hac  et  feie  epica rei gestae  narratione.  Debuisset  igitur  legi  vtisq- 
rtXti  ts,  quod  idem  suasit  Blomfieldius  extra  justi  nexus   cum  prae- 


35 

cedentibus  Ieges  et  manente  nsQitToXoyic:  vocabulorum  iG/^vg  .... 
Ttsvxt].  Inde,  ni  fallor,  Musgravii  conamen  tiqögvo  zovet  pro  nobg 
tj$ovi]v  Jegentis  et  Elmsleji  improspera  mutatio.  Sensit  hie  vir  re- 
vera  doetns  atque  ingeniosus,  qnod  statim  ab  initio  monuimus,  ver- 
bum  sententiae  deesse,  sed  vitium  latere  credidit  in  verbis  nQog  fjdo- 
vi\v ,  non  quod  dubitaret  äyy£ÄXsiv  7ioög  qdoprjv  graece  diei  eodem 
modo,  quo  ysviod-cu,  Xiysiv  iiQÖg  Yi8ovt]v  et  similia,  sed  quod  voces 
nobg  ^Sovijif  longius  a  v.  nccQccyysiXaOcc  absint,  quam  ut  salvo  justae 
strueturae  usu  cum  eo  jungi  possint.  Itaque  nybg  fi§ovr\v  mutat  in 
nooorivvösif  idque  vult  esse  promovit (vel  auxit  (advanced  or  increa- 
sed),  monens  tarnen,  imperfeetam  esse  eam  versionem.  Hunc  signi- 
ficaturn  ut  verbo  adstruat,  provocat  ad  Hesychium,  qui  formani  pri- 
mitivam  nqogaviöv  nooGeiv^iov  explicat:  avuv  yäq  rb  av^siv xai  av- 
xi]v  xr\v  av^rjoiv  (ubi  add.  videtur  ctvriv  av  eXnoig).  Structura  igitur 
esset  lö%vg  .  .  .  nqogtivvasv  rb  xQvGoysyy&g  GsÄag  nuQctyysü.aGcc  sc. 
avxo.  Sed  non  patet,  quare  composito  noogrivvoav  pro  simplici  usus 
sit;  nam  glossa  Hesychii  verbum  simplex  et  compositum  idem  signi- 
ficare  nequaquam  evincit,  neque  solvitur  incongrua  copulatio  substan- 
tivorum  iG%ig  et  7i£vxrj.  Ceterum  Elmslejus  pro  prudentia,  qua  erat, 
insigui  ipse  dubitanter  de  hac  crisi  judicat.  Ait  enim:  „Quodcunque 
viri  docti  de  nostra  conjeetura  judieaverint,  hoc  saltem  concedent, 
corruptelam  loco  inesse  manifestam,  voces  autem  nqbg  tjdovriv  defendi 
non  posse,  nisi  cum  nuqayydXaGa  jungantur,  a  quo  tarnen  üimio  in- 
tervallo  sunt  remotae;  denique  verbum  desiderari."  Haec  omuia  bene 
et  perspecte  dieta  sunt;  sed  cum  nccQayysiKaGa  nimium  a  vv.  nqbg 
^dovrjv  remota  sit,  quam  ut  cum  iis  jungi  possit,  verbum  in  propi- 
ore  situ  quaeri  debuisset  id,  quo  simul  nsQizro^oyia  vocum  iG/vg  et 
nsvxtj  locus  liberaretur.  Hoc  ipsum  autem  levissima  et  certissima 
mutatione  sisti  posse  confido.  Scribendum  enim  Xg%u  pro  iG%vg  hoc 
nexu: 

vnsQxsXrjg  re,  novrov  Sgrs  v(or(Gai, 

Ig%si  tioqsvtou  ZajUTiädog  nobg  f\8ovr\v 


30 

nsvjct]   ro   yovGotfsyytg ,    wg  rig  fjAiog, 
ot'Aag,  TiaoayyeiJ.aOa  Maxiorov  oy.ona.lg, 

"loysi  jungenduni  cum  vnsQTsh}g,  et  vnsoTSÄtjg  l'oysi  idem  est, 
quod  (tv/oysi,  sursum  tenet,  quod  commodissime  cum  accus,  ro  yqv- 
oocpeyytg  otAag  jungitur.  Forniata  phrasis  ad  analogiam  "vocum  6  rjAiog 
aviGysi ,  neque  hoc  incommode  nostro  loco  ad  facem  translatum  est, 
quae  instar  solis  e  mari  orientis  elucet.  Est  quidem  in  altissimo 
inonte  accensa  sed  cujus  culmen  ex  Euboeae  montibus  prospicienti 
ultra  niare  parum  assurgit,  unde  fit,  ut  ignis  in  eo  accensus  illic  ex 
ipsis  fluctibus  emergere  videatur,  eoque  optime  cum  solis  orien- 
tis  lunüne  conferatur. 

Jam  Iiabes  Iocum  pulchritudinis  absolutae,  sive  ad  dictionis 
splendorem  et  rhythmorum  harmoniam,  sive  ad  aptam  periodi  dispo- 
sitionem  respicias,  qua  fit,  ut  sensus  per  imagines  et  figuras  prae- 
clare  explicitas  justo  ordine  devolvatur  et  usque  ad  finem,  ut  debuit, 
suspensus  maneat. 

In  line  naociyyhtXag  ccjucmiotov  A.  vitiosa  vocum  divisione,  quae 
jam  in  R.  sublata  est.  Non  admittenda  Wakefieldii  conjectura: 
2.bXc.g  niiociyyziXaoa  [acougtov  oxona,  cui  Blomfieldius  aliquam  veri- 
tatis  speciem  accedere  credit  ex  schol.R.  V.  ioyvg'  /usyiort]  nsvxi], 
löyvg  Tivqog,  quod  ad  solam  v.  ioyvg  spectat  et  leg.  ioyvg  tioqsvtov 
Xcc/Lincidog'  Ioyvg  nvqög,  /ueyi'orj]  Tißvxq.  Ipse  Blomtield.  recte  ju- 
dicat,  niontem  et  hie  cogitandum,  ut  in  ceteris  stationibus,  quae 
conuueniorantur,  omnibus.  Porro  oxoneagY.  cum  asterisco.  — oxonag 
M.  G.  Ven.  2  Flor.  Farn.  A.  R.,  quod  in  oy.onolg  T.  emeudavit.  In 
notis  Stephanianis  p.  378  oxonaig'  yoa>-  oy.onal.  (Ita  in  utraque  editione, 
qua  utor.  Johannes  Franzius  „oxonv.g"  varia  lectio  apud  Steph.), 
quod  non  prorsus  leve.  Est  enim  dativus  oxona,  cui  iota  ex  antiquo  usu 
adscriptum  est.  Sufficit  sane  singnlaris,  quia  in  Macisto  inonte 
una  tantum  oyonrj  (Warte),  i.  e.  speculatorum  statio  ut  in  reliquis,  quae 


37 

in  Atho  monte  (pqovou  dicta.  Sed  obstat  dorismus.  Itaque  leg.  oxonaig, 
ex  quo  oxoncil  et  oxonäg  orta.  Notat  Bl omf.  axonäg  (atqui  Mss.  et  Edd. 
oxondg  habent,  non  oxonäg')  ex  oxonoig  natum  videri,  pejus  etiam  Hea- 
thius  o}  quod  seqaitur,  ad  hominein  refert.  Mdxioxog  mons  masc.  gen. 
ut  'YjurjTtdg,  TJaovaoög .  Isque  pro  custodia  ipsi  inposita  infertor  in 
seqq.  prorsus  na&fjtixwg:  6  <T  ovri  fiiXXoov.  Ita  G.  Hermannus  in 
scholis  explicuit.  Cum  vero  in  seqq.  Msacdmov  ÖQog  a  duce  Mes- 
sapo  dictum  occurrat,  fortasse  mons  bujus  loci  Mc.xioriov  nominaba- 
tur  a  Macisto  duce,  et  adhibuit  Macisti  nomen  poeta,  quia  personam 
cogitabat  montis  illius  praesidem  et  custodem.  Schützius  insigni  in- 
terpolatione  lectionem  pervertit  scribendo:  ol  cT  out'  i'usXXov  —  — 
vixwubvoi  TiaQtjxccPy  quod  ad  oxonovg  retulit,  quos  in  oxoncug  latere 
credidit.  De  situ  Macisti  nihil  traditum.  In  Euboea  eum  fuisse, 
sequeus  Euripi  commemoratio  indicat.  Huc  accedit,  quod  teste  Stra- 
bone  (X,  10)  Eretria  Euboica  a  Macisto  Elidensi  condita  fuit.  Inde 
statuas,  nomen  inditum  montium  tractui,  qui  post  Cbalcidem  et  Ere- 
triam  insurgit.  Sed  alio  ducunt  seqq.  v.  281 — 92  adquos  transeundum 

l0  (T  ovri  jusXXcoi^,  ovS1  dcpoaouövcog  vnvio 
Nixw/usvog,  naorjxsv  dyy£Xov  jutoog' 
'Exdg  ($£  (pQvxrov  cpöög  in   Evo/'nov  QO&g 
Msounfov  <pvXa%i  otjucJvsi  fxoXöv. 
Ol  <T  avciXafx\\)av  xcd  naoyyystXccp  nodoco, 
rouCag  ioeixt]g  S-co/uoy  arpävtsg  nvot. 
2&£vovoa  Xa/unäg  <f  ovdenoi  uctvoovfxivti , 
'Ymq&OQOvöa  neötov  *Aoi»nov,  dtxrjv 
4>aidoc<g  osXtjvrjg,  noög  Kid-aiodivog  Xsnag, 
"HytiQW  uXXrjv  ix8oyJ\v  no/unov  nvoög. 
4>äog  dk  rfjXinounov  ovx  yvciCvsto 
4>qovqci,  nXsop  xaCovoa  cwv  HQruxipwv. 

Inde  a  Macisti  specula  ignis  ad  Messapium  montem  relucet,  cujus 


fluxa  orthographia  et  situs  incertus.  Msooamov  M.  G.  R.  (Is  /ueo- 
oanfov  (fi'Xal,  arjfActivsi,  in  quibus  cpvZagi  in  yvla^,  i.  e.  in  nomin  a- 
tivum  cum  inciso  postposito  turbatum  vides)  ei  lenuna  R.,  quod  ta- 
rnen /  omittit.  Habet  enim  jubogcctiov.  ISUoacmov  oQog  ct.  .  .  Msacc- 
m'ov  Flor.  Farn.  V.  2,  T.  V.,  quod  in  Msrcmiov  corrupit  A.  Sigma 
in  hoc  nomine  duplicatum  fuisse  monstrat  nomen  proprium  Messapus, 
eqnuni  domitor  Virgilii.  De  situ  schol.  R.  jusGoänov  fi^ooanop  OQog 
ustci^v  Evßoiccg  xc.l  Boicoriag.  Idem  V.  nisi  quod  fxeaanlov  et  Photins 
fisoc'cniov  Steph.  Byz.  MsoödmovoQog  Evßotag.  Accuratius  Strabo  IX, 
p.  405  B.  ip  de  rfj  ^Avd-rjdovia  Mhoodmov  oqog  zGxlv  and  Msöodnov,  quod, 
ut  Blomf.  observat,  verlit  Servius  ad  Virg.  Aen.  VIII,  9:  „In  Anthedonia 
ora,  quae  Boeotiae  est,  mons  est  Messapius,  a  duce  Messapo  nominatus." 
Haec  igitur  iide  librorum  tradita.  Reliqua  ex  ipso  Aescbylo  edu- 
cenda.  Ex  hoc  autem  primum  efficitur,  uon  fuisse  in  insula  Euboea 
Messapium  montein,  quia  nulla  prorsus  ratione  in  eadem  insula  duas 
speculas  poeta  posuisset,  et  unam  tantummodo  in  reliquarum  terra- 
rum  tractibus,  in  Boeotico,  Attico,  Megarico,  Argivo.  Errant  igitur, 
qui  Messapium  in  Euboea  posuerunt.  Porro  notanda  ratio  scholiastae, 
qui  niontem  inter  Euboeam  et  Boeotiam  collocat.  Hoc,  si  verba  pre- 
mas,  incongruum.  Boeotia  enim  et  Euboea  cum  freto  distinguantur, 
montes  litoribus  contermini  aut  ad  Euboeam,  aut  ad  Boeotiam  perti- 
nere  debent.  Si  minus  quod  dixit  scholiastes  urgeas,  Messapium 
habebis  conterminum  fere  Euboeae,  i.  e.  moutem  Boeotiae  ex  ipsis 
freti,  quod  utramque  terram  interfluit,  littoribus  exsurgentem  et  altis- 
simum,  quippe  qui  speculae  illi  inservierit.  Huc  accedit,  quod  lux 
ad  Euripi  fluenta  et  inde  ad  Messapium  venisse  dicilur.  Euripi  au- 
tem nomen  cum  ultra  Chalcidensis  freti  augustias,  in  quibus  verus 
Euripus  est,  et  ultra  adjacentia  littora  non  extendatur,  inde  couclu- 
das,  Messapium  Euripo  in  Boeotico  littore  propinquum  et  fere  oppo- 
situm  fuisse.  Sciunt  regionum  illarum  periti,  in  eo  ipso  situ  e  re- 
gione  Chalcidis  ultra  altam  illam  Boeotiae  planitiem  extolli  montis 
cacumen  tanta  magnitudine,  nt,  si  sol  post  eum  occidat,  umbras  ve- 


39 

spertinas  Euripo   et  Chalcidi  dimidia  fere  hora  prius  inducat,   quam 
ad  circumjacentes  regiones  extendantur. 

Hie  igitur  proeul  dubio  Messapius  mons  est,  et  circa  3Jl^&t]dwj/ 
regio  multis  odoriferis  arbustis  etiamnom  insignis,  ex  quibus  tiomen 
eam  duxisse  verisimile  est.  Meminimus  nos,  cum  inense  Novembri 
anni  1831  Chalcide  profecti  montis  illius  noönodag  et  colles  ascen- 
deremus,  circa  nos  habuisse  uberrimam  roris  marini  copiam,  quae 
fruticum  magnitudine  iu  silvam  fere  exereverat  et  totam  regionem 
jueundo  odoratu  perflabat.  Invento  autem  Messapii  situ  de  Macisto 
seu  Macistio  judicari  poterit.  Ab  eo  enim  cum  proeul,  txag,  lux  ad 
Messapium  pervenerit,  non  potent  post  Eretriam  poni,  quamquam  ex 
nomine  ejus  id  concludere  possis.  Eretria  enim  nonnisi  paucis  mil- 
liariis  geographicis  Chalcide  et  a  regione  Messapii  distat.  Trans- 
ferendus  igitur  erit  Macistus  ad  borealem  Euboeae  partem,  Thessa- 
liae  e  regione  sitam  et  altis  montibus  post  planitiem,  in  quam  ex- 
currit,  insignem,  qui  inde  ab  origine  boreali  uno  tractu  insulam  fere 
mediam  secant.  Hoc  loco  si  situs  fuit  Macistus,  egregie  speculae 
inservire  potuit,  ex  qua  prospectus  in  septemtrionale  pelagus  et 
Atho  montis  confinia  patet,  nee  minus  aptus  erat  ad  lucem  usque 
ad  Euripum  et  Messapii  cacumen  propagandam. 

v.  285 — 90.    Ol  <T  avT&ajuxjJav  —  no/xnov  ttvqoq. 

Stanlej.:  „Qui  vero  fulgori  responderunt  et  nunciarunt  ulterius, 
Grajae  ericae  accendentes  igni  (scr.  igne).  Valida  autem  lampas 
neutiquam  obscurata  Asopi  campuni  transsiliens  instar  Lunae'  serenae 
ad  Citbaeronis  apiceni  Excitavit  aliam  successionem  deduetoris  ignis." 

Quod  vertit  Stanlej.  „quivero"o£  <T,praebet Farnes,  teste  Joh.Fran- 
zio.  oi  x  Flor,  ol  (f  reliqui,  ut  par  erat,  nisi  quod  A.  mala,  ut  solet, 
divisione  ol  <f  avx  tZa/uxpav.  —  rqccCag  miro  errore   Stanlej.  Grajae 


40 

vertit,  in  curis  secundis  melius  antit/uae.  rgcc/og  a  personis  ad  res 
translatam  est  vetustum,  et  de  fruticibus  si  adhibetur,  aridum,  ut 
ygcciag  axäv&riQ  Soph.  ap.  Plut.  Mor.  p.  1 100  B.  a  Blomfieldio  lau- 
datus.  'Eqsi'x)]  virgulti  genus,  cnjus  flores  ab  apibus  circninstrepi 
canit  Nicander  Tlier.  610.  Ad£eo  d*  avd-a^iötooav  atpao  ruvixpvXXov 
$Q$fat]V ,  "Hv  ts  /usXiGGcciog  ns^ißÖGy.srca  ovXa/uog  tqnwp,  et  quod  se- 
nem  colligentem  inducit  Theoer.  5.,  6.  Al  fajg  top  6qvt6juop  ßioGTQrjGoinsg, 
og  rag  iq&bcag,  Tr\vag  rag  neiget  r\v  gvXoxt'Gdsrai.  Latinis  erice. 
Schol.  R.  V.  xtco/uof  gwqöv ;  struem.  Hesych.  Gcoqog  Gra/vwv  tf 
xoQfxdöp.  Blomf. :  „Nescio  an  öw/udg  et  dwmy'%  caunabinus  eandem 
habeant  originem."  Ab  Hermaiino  in  scholis  memini  vocem  a  ri&r\^i 
deduetam,  ut  sit  pro  O^rj^ög.  Nam  w  in  noniinibus  e  verbo  derivatis 
vocali  t]  iuterdum  substituitur.  Ita  in  vv.  ßrj/ua  et  ßwjuog  ex  eadem 
radice  ßs  et  ßci,  unde  ßai'vco,  deduetis.  "Ayavreg  tivqi.  Non  superflua, 
sed  pleua  dictio.  Est  enim  cimsiv  nvql  igne  attingere,  et  si  anruv 
solum  adhibetur,  fit  hoc  elliptice.  Cum  vero  acervum  aridae  ericae 
accendisse  dicantur  custodes,  inde  concludas,  montem,  arboribus 
vaeuum,  virgultis  abundasse ,  et  haue  indolem  regio,  iu  qua  Messa- 
pium  ponendum  monstravimus ,  etiamnunc  servat.  lüde  concinnitas 
dictionis  in  sequenti  versu.  Virgultorum  aridorum  acervus  si  aeeen- 
ditur,  subitanea  iude  et  valida  flamma,  gO-Zvougo,  Xafxndg,  prodit. 
Cum  vero  eadem  celeritate,  qua  ex  arida  congerie  erigitur,  consi- 
dere  soleat,  materie  tenui  celeriter  igne  consumto,  quaeri  poterit, 
quare  ovdünw  luciv<)ovlu£'i>)]  addatur.  MavQovjuspt]'  Schol.  Vict. 
GrifxhlwGov,  ort  em£ßaX.s  rö  a  rhee  ro  /ustqop.  Non  opus  erat  metro, 
hoc  ut  fieret.  Est  autem  /uavQovGd-at,  vel  ajuavQOiG&ai  obscuriorem 
reddi,  evanescere.  Hoc  igitur,  quare  in  tali  materia  non  aeeidisse 
moneatur,  et  quid  istud  ovdtna)  velit,  aeque  obscurum  est.  Stanlej. 
vertit  neutiquam.  Sed  ovdtna)  est  nondum  autnunquam,  quae  signi- 
ficatio  ab  hoc  loco  aliena.  Hinc  scrib.  ovSi  mag,  utvoeibus  g&€vovgci 
Xa/xnäg  sequentes  ovd£  nwg  juavQov/u^  subjunetae  simul  et  aretins 
junetae  siut.     Verte  igitur:  „Valida  autem  flamma  neque  ullo    modo, 


41 

vel  nequaquam  evanescens,  nimirum  nova  materie  continuo  suggesta  • 
quod  cum  ex  effectti  facile  intelligatur,  poeta  omittere  potuit.  —  In 
seqq.  ncadiov  wttov  M.  Ven.  2-  Guelpb.  Paulo  correctius  mdiov  wnou 
R.  et  emendate  ntdtov  'Aovonov  Fl.  Farn.  V. ,  a  quibus  deflectit  T. 
'üqwtiov  exhibens,  falso,  quatnquam  probaverit  vir  magnus  Casau- 
bonus.  Nam  Asopus  Oropi  quidem  campo.s  perfluit,  sed  in  eos  non 
extenditur  Cithaeron,  ad  quem  super  Asopi  fluenta  lux  e  Messapio 
venisse  dicitur.  Contra  Messapius  mons  prospectum  praebet  super 
Boeotiae  planitiem,  fere  duo  millia  pedurn  supra  Euripi  fluenta  ela- 
tam  et  fertilissimam,  quae  ab  Euboea  venientibus,  ita  ut  Messa- 
pium  a  dextra  babeant,  e  longinquo  Cadmeam  situ  päulum  edito,  et 
post  baue  campos  continuatos  usque  ad  Cithaeronem  ostendit,  cujus 
pedes  Aesopus  praeterfluit. 

Flamuia  igitur  valida  et  continuo  nutrita  concinne  dicitur  vtizq- 
S-oqovoc(  nzSiov  Aoiottov,  super  Asopi  planitiem  cueurrisse  instar 
splendidae  lunae.  Ut  antea  solem,  ita  nunc  lunam  orientem  cogitat, 
pleno  orbe  supra  horizontem  elatam,  quae  subjacentes  campos 
subito  splendore  complet.  Huc  igitur,  ad  Citbaeronis  eulmen,  nyog 
Kid-c.iQuJvog  Xsnag ,  delata  rjysiQsv  x.  r.  X. 

Ilounog.     Blomf. :  „qui  ducit  (quidni  qui  mittit*?).  Ilo/unov  nv^og, 

ignis,  qui  ignem  transmittit."     Valet  lioc,    quamquam  passivo  sensu, 

de  seqq.  tpäog  rr\X£noiinov,  non    item   puto  de    nof.mog,    quod  activa 

significatione  et  dictum  videtur  pro  ngono/unog,  qui  nuntium  instar 
cursoris  feit,  eoque  äyyaQov  nvo  dictum  est. 

Sequentes  vv.  291,  92,  quosque  in  praecedeutem  Atho  comme- 
morationem  removeramus,  diximus  nostro  loco  superfluos  esse,  ut- 
pote  quem  inutili  m-QnroZoyCcc  onerent.  Nam  cum  Cithaeron  dicatur 
in  praecedd.  aliam  successionem  nuntiantis  ignis  excitasse,  factum 
jam    est,    quod    in    verbis:    <päog   <Jfc   ry  Ätna /mm»/  ovz  r^airsTO  (f>Q0VQ(i 

Abhandlungen  der  1.   Cl.  d.  Jf.  Ak    d.  \Tiss.  V.  Bd.  II.  Abthl.  6 


12 

refertur,  nee  poterit  dici,  eandem  rem  sensu  generali  expressam. 
Hör  eniin  si  evenisset,  poeta  hanc  ipsam  rem  generalem  initio  ponere 
et  deineeps  specialem  notionem  aecuratius  definiendam  subjungere 
debuisset.  Nee  ratio  est,  quare  custodia  Cithaeronis  referatur  nXtov 
xc.mvGa  twv  siq^jluvwv.  Schol.  R.  V.  nXsov  xaiovGa  r}  rov  Ki&ai- 
qwvog  sc:  yqovqd.  Non  enim  longius  a  Cithaerone  abest  mons,  qui 
sequitur,  quam  Cithaerou  a  Messapio,  minus  etiam  quam  Macistus 
ab  Atlio ,  ad  cujus  situm  tanto  spatio  a  Macisto  distantem  indicandum 
liaee  verba  aptissima  esse  monuimus. 

Choeph.    vv.   967—1000. 

"IdtG&a  xwQKS  TVV  dinAijP  Tvqavvida , 

IlaTQOXTOVOVg    TS    düiflClTlÜV    TlOQ&rjtOQag. 
JZSUVOI    fXtV    tfGUV    IV    &o6vOig    Töty    tj/USVOl , 

4>(Äoi  TS  xal  vvv ,  u>g  in&ixÜGai  nd&rj 
TläosGriv,  bqxog  t    i/ujutvei  ntGTajjuaoiv. 
Svvw/uoGav  juiv  Q-dvuxov  u$Xiwg  nurql, 
Kai  %vi>&avhlo&ai  •  xal  röd'  f-voqxojg  t%si. 
'[dso&s  <f  avrs,  rwvo"  inr\xooi  xaxüiv , 
T6  iiqxdvqjua ,  Ssg/uop  ad-kCoa  nurol, 
TI(dag  öt.  %&qoiv  xal  nodolv  ^vvwqida. 
'Exxsivax    avrov ,  xal  xvxXco  naoaGradov 
^xiyaGrqov  dvdqog  dbi§a&* ,    tog  Ydrj  narrjo, 
Ovx  ov/uog,  v.Xfi  6  nävx    inomeviov  rüde 
"Hfaog,  dvayva  /jLfjtQog  toya  rijg  ifxijg. 
li2£  uv  naotj  jiioi  /uaQTvg  iv  dtxt]  nork, 
c&g  rovd}  iyco  /ustijÄ&ov  Ivdlxwg  /uoqov 
Tov  /iif]Tq6g'  AlylG&ov  ydq  ov  xptyw  /uoqov 
vEyu  ydq,   uiG%WTriQog  (vg  vo/uov,  ölxtjv 
''Hrigd*  tri   dvöql  toüt'  ijutJGuro  Gxvyog, 
*E§  ov  rtxviov  ijveyx'  vnö  Ziovrjv  ßdqog, 


43 

4>iXov  rswg,  vvv  J1'  £%9-QÖv,   (og  ipeävu,  xecxöv. 
Ti  oot  doxet',  juuQcavd  y    fax    tyiäv    %(pv 
Htjnsiv  &iyovG)  äv  ciXXov ,  ov  dsdrjy^iivov , 
ToAuyg  exccxi  xadixov  (pQOvtjiwzog. 
Ti  viv    noogninixt ,  xliv  rv^ia  /uciX  svGxotuov; 
"Ayosv/uet  &t]Qog  rj  vsxqov  nodüvdvxov 
Aooixqg  xarctaxijvojjLtcc',  dixxvov  /utv  ovv , 
v  Aoxvv  <T  uv  unoig  xed  nodioxfjoeig  ninkovg. 

TOIOVTOV    CiV    XXTjGatXO    <pt]Al]TT]g   C'.VfJQ 

Btvcov  dnccioXrjixa,  xdoyvQOUrsQij 
Biov  vo/j>il,wv  '  zqjde  x    eiv  SoXvo/xaTi 
HoXXoiig  dvaiQcov,  noXXd  d-tQjuecivoi  (pgtvi. 
Toietds  f-ioi  £vvoixog  iv  döfioiGi  jurj 
r^voir  •   oAoijnt]v  nqÖGß-ev  ix  Oswv  eineiig. 

Dum  cauitur  Carmen  quod  liaec  praecedit,  Orestes  intus  matrem  in- 
terfecisse  fingitur.  Cantu  finito  aperiuntur  mediae  aedium  partes,  et 
Aegisthi  atque  Oytaemnestrae  cadavera,  iyxvxAtjueixt  imposita,  in  sce- 
n  am  efferuntur.  Notat  hoc  schol.  eiväysxcti  tf  Gxrjvrj  xeil  znt  iyxvxAij- 
fxein  bqdxui  xcc  Gcojuaxet,  ec  X€yu  ri\v  dinXi]v  xvqetvvldci.  Siinul  vero 
progreditur  Orestes  cum  Pylade,  ut  par  erat,  et  comitibus,  quibus 
stipatus  advenerat.  Hi  ferale  vestirnentum  ferunt,  quo  post  balneum 
Agamemnon  irretitus  fuerat.  Sumit  igitur  Aeschylus,  vel  ex  epicis, 
quos  sequitur,  poetis  repetit,  vestem  istam  ab  interfectoribus  ut  yi- 
ctoriae  de  Agamemnone  reportatae  insigne  servatam  fuisse.  Ipse 
Orestes  altera  manu  ensem  sanguine  matris  maculatum,  altera  vero 
olivae  ramum  et  taenias  ex  alba  lana  faetas  gestat,  quibus  se  suppli- 
"cem  Apollinis  profitetur,  ut  patet  ex  v.   1031. 

£vv  zioSs  d-eiAhw  xed  Gxtysi  nqoGi^OjLiat 

....  Ao'%iov  nidov, 
ac  coram  comitatu  et  choro,  affluentibus  etiam  aliis  speetatoribus,  ut 
e    versibus    981 — 83   conjicere   licet,    causam  agit   nou  tain  Aegisthi 

6* 


II 

occisi,  quam  matris  inleremptae,  quam  jure  causam  contendit.  Ora- 
tionein  autem  ita  instituit,  ut  hoc  quoque  loco  mutuam  et  facinorosam 
matris  et  moechi  caritatem,  utpote  caedis  originem,  primo  loco  ponat, 
et  decenter  quidem,  sed  acerbe  tarnen  exprobret.  Hiuc  ad  invidiam 
augendam  veste  illa  letali  explicata  horrorem  facinoris  veluti  ante 
oculos  intuentium  pouit  et  ejus  abominandum  artificium  maternique 
anirni  acerbitatem  et  crudelitatem  ulterius  persequitur,  ut  et  jure 
eaesam  asseveret  et  semet  ipsum  contra  suborientis  conscientiae  et 
matricidii  terrorem  tueatur.  Oratio  plena  est  affectus  graviter  com- 
moti,  iramque  cum  indignatione  et  patris  commiseratione  mixtam  spi- 
rat.  In  medio  vero  decursu  altius  assurgit  et  sublimitatem  attingit. 
Vestem  enim  sanguinis  maculis  indelebilis  foedatam  dum  patri  mon- 
strare  jubet,  „non  meo",  addit,  „sed  illi,  qui  omnia  Iumiue  collustrat 
soli  nempe,  ut  nefasta  matris  facta  videat,  mibique  testis  in  futuro 
judicio  adsit",  v.  978 — 81.  Nimirum  in  eo  sublime  positum  est,  ut 
animus,  cui  res  magna  et  insolita  una  notione  vel  imagine  compre- 
hensa,  subita  et  non  exspectata  objiciatur,  ad  ejus  magnitudinem 
penitus  capiendam  se  ipsum  quasi  extendere  et  erigere  debeat,  ut  fit 
hoc  loco,  qui,  dum  divina  et  huinana,  praeterita  atque  imminentia 
protracto  e  tenebris  infernali  habitu  velut  uno  obtuto  comprehendit 
in  nefandi  flagitii  spectaculo  inentem  a  patris  nece  ccnQooSoxrjxujg  ad 
solis,  purissimi  et  sanctissimi  dei,  lumina  et  testimonia  subito  velut 
instinctu  abreptus  convertit. 

v.  967.  "Idzods  x°JQaS  T*lv  8t>nhi\v  xvoavvlSa.  Aegisthum  et 
Clytaemneslram  dicit,  i.  e.  duplicem  regem,  quia  Clytaemnestra  pari 
cum  Aegistho  dignitate  imperium  obtinuerat.  Eosdem  noQfrtjxoQag 
dwuchwv  nuxQoxxövovg  compellat,  utpote  patris  sui  interfectores ,  qui 
rege  peremto  aedes  funditus  everterant.  Ac  hi  quidem  os/uvol  /uev 
rjOccv  iv  &q6voiq  röiy  rj/uevoi,  tplhoi  dt  xal  vvv.  In  Mss.  et  Edd.  cri- 
ticis  <pChoi  ts  xal  vvv  legitur,  quod  si  tueri  velis,  construi  deberet 
os/uvoi  /uiv  rjoav  —  <ptXoi  t«  {xal  zoxe  tjoav  xal  vvv  sioi),  quod  arti- 


45 

ficiosius  esset  quam  verius.     Legendum  igitur    cum  Abreschio   yiXoi 

<$s  xal  vvv,  quo  recepto  simul   oppo.~itionis  ratio   per  /utv d£ 

praecedens  salva  est.  Tors  autem  in  verbis  iv  d-oovoig  tod-3  tjtusvoi  ex- 
plicaliouem  habet  justam.  Idem  enim  est  ac  rörs  ots  iv  &q6voiq  ijvro.  Sen- 
sus  igitur:  Augusti,  regia  specie  superbientes  erant,  dum  in  throno 
sedebant,  cari  autem,  seu  mutua  caritate  conjuncti  etiamnunc  sunt, 
quo  indicatur,  durante  regno  eos  tarn  regia  majestate  quam  mutua  ca- 
ritate beatos  fuisse;  posteaquam  vero  regium  illud  abscesserit,  man- 
sisse  caritatem:  Hoc  quid  sibi  velit,  explicat  in  sequentibus.  Sed 
haeret  explicatio  in  vocibus,  ws  insixdaai  jicc&rj  ndqmTiv.  Eixdoai  et 
insixäaai,  assimilare,  notum  est,  item  insixdaai  ti  xivi,  assimilando 
conferre  aliquid  cum  aliquo  indeque  aliquid  concludere.  At  hoc  loco 
habemus  insixdoat  nä&t]  absque  dativo,  nee  patet,  cui  assimilentur 
vel  quoenm  conferantur.  Accedit,  quod  nä&og  potius  h.  1.  dixeris, 
quam  ncc&tj.  Natu  res  una  et  sola  est,  quam  perpessi  sunt,  nempe 
mors.  Hinc  ndS-rj  leviter  affectum  credas  et  scribendum  ojg  inuxä- 
aai  na&st  ticiqsgti.  Haue  igitur  mortuorum  caritatem  ex  eo  quod  perpessi 
sunt  et  quod  etiam  nunc  juneti  eonspiciuntur  conjicere  vel  perspicere 
in   promptu  est  —   rqv  (piXiav  xal  vvv  ovoav  nd&ti  av  iTrstxdosiag. 

Addit  rationem,  ooxog  d3  ifxfjbivsi  niorwjuaai.  "Oqxog  et  jusjuran- 
dum  est  et  res,  quae  eo  sancitur  ut  foedus.  Hoc  autem  cum  et  ju- 
ramentis  et  fide  data  atque  aeeepta  sanciatur,  jam  Homero  oaxia 
niGxä  ra/uovreg  dieunturii,  qui  foedus  faciunt  et  solemnibus  sacrifieiis 
fidem  obstringunt,  et  Soph.  Oed.  C.  656:  ov  toi  o3  v(p  oqxov  y3,  u>g  xa- 
xöv ,  mGTwoojucu,  ubi  ntorw/na  in  ipso  juramento  situm  est.  Eodem 
modo  ivvo/uoaai  et  motd  dt/sod-ca  junguntur  in  Agamemn.  v.  636. 
$vvo)uoGav  ydo  .  .  .  n vq  xcd  3-dXaoGa  xal  rec  niöx1  ids^dr^v.  Nostro 
loco  zo  nioröv  vel  to  nioroj/ua,  ut  sequentia  docent,  est  mortis  con- 
sortium,  juramenti  fide  promissum  v.  978:  ^vvw/uoaav  /usv  &dvarov 
d&Aioj  TiatQi  Kai  (nempe  ^vvvöfxoaav)  ^vv&avEla&ai.  Caeterum  Mss. 
et  Edd.  critt.  d&fa'cog  narol,  quod  jam  Portus  in  d&Mm  mutavit,  quae 


1(1 

voces  post  duos  versus  ad  augendam  miserationem  repetuntur.  \i- 
nrinim  miserandum  illud  non  erat  in  conjuratione ,  ut  recte  ctd-Xkos 
ivvouÖGc.i  diei  possit,  sed  pater  erat  miserandus,  quem  illa  conjura- 
tione  petebant.  Sensus  igitur:  Juraverunt,  se  patrem  meuin  inter- 
fecturos  et,  si  in  illo  couainine  periculum  subeundum  esset,  se  siinul 
interituros.  Ni  fallor,  in  epicis,  quorum  argumentum  sequitur  Aeschv- 
lus,  actum  fuit  de  illa  conjnratione,  et  credas,  utrumque  se  ad  mor- 
tis communitatem  et  juramento  et  solemni  sacrificiorum  rhu  obstrinxisse. 
Haec  igitur  erunt  mGriöficna ,  nostro  loco  simul  cum  oQX(p  commemo- 
rata,  et  oozog  iu/ugpei  TUGrcojuaat  jam  erit:  foedus  manet  in  promissis 
sen  salvum  est,  quia  praestiterunt,  quod  promiserant,  idque  cum  re- 
spectu  ad  xcu  %vv&av£iG&ea  mutatis  tantum  verbis  denuo  exprimit:  x«l 
TÜd"  svooxiog  ±x*i.  Monet  Schützius,  haec  cum  sarcasmo  seu  acerba 
ironia  dici,  ut  antea  v.  881:  4>iÄtig  tov  c'iv8oci\  roiyaq  iv  rcevno  TÜ<fM 
Khiohu  B-ctvovTK  <T  ovn  /u,ij  Tioodtog  nore.  Nempe  ironia  in  eo  posita 
est,  quod  factum  ipsorum  ad  fidem  et  caritatem  mutuam  refert.  Quam 
enim  coacti  perpessi  sunt  mortem,  eam  voluntariam  dicit,  utpote  mu- 
tui  amoris  et  fidei  servatae  documentum.  Haec  igitur  orationis  pro- 
oemium  absolvunt,  quod  si  ad  unam  sententiam  referas,  demonstrat. 
utrisque  patris  interfectoribus  accidisse,  quod  ipsi  perferendum  in  se 
recepissent. 

v.   974-     "IdsG&s  cT  Kurs,  novo*1  imjxooi  xaxätv, 
T6   ixt]yävr^aci. 

Blomf.  legendum  putat  cevro  sc:  avro  rö  fxr\xävY\iibtt.  Haec  nui- 
tatio  neque  necessaria,  neque  orationi  congrua.  Nam  i'dso&s  <T  avn 
tanquam  alterum  priori  YdfG&t  x°JQ('-£  i^v  dinZrjv  rvQavvCdcc  per  a'Srt 
recte  jungitur,  quin  jungi  debet.  'Enijxoot  Hesychio  monente:  vtal  01 
uriorvot-g  xccl  <n  (hxa'Covthg,  quae  glossa  referenda  videtur  ad  Agamn. 
v.    1394:    iniqHoos    tf    iuiov    toycov,    öixc.Gr^s    roa^vs  £?.    In   Eumeiw 


47 

701  :  inst  xa&m7id£et  jus  nQSoßvriv  v€og,  Aixiqg  ykvto&cu  rrjotf 
intjxoog  f^ivw ,  quod  chorus  Eumenidum  de  se  ipso  Apollini  dicit. 
Siimli  modo  hie  imjxooi  appellantur,  qui  non  tanquam  judices  aut 
teste*  ,  quid  agatur,  percipiunt,  sed  tanquam  tales,  quorum  id  scire 
interest. 

Tö  inq%üvr\iici  autem  vestis  est  artificiose  texta  et  connexa,  qua 
balneo  egressus  Agamemnon  constrictus  fuerat.  Hinc  eandem  dso/udv 
cl&Xfo)  narQi  nominat,  quae  misero  patri  vinculum  exstitit.  Item  ni- 
dag  ts  %slqoTv  xal  nodotv  QvvwQida ,  quae  non  ita  intelligenda  sunt, 
ut  manuum  vincula  et  compedes  simul  cum  veste  monstrentur;  nam 
hujus  solius  involucris  circumventus  periit.  Erunt  igitur  praedicata 
ad  jutixdvri/ua,  eodem  quo  Sso/uog  modo  referenda.  Itaque  quod  in 
Universum  dscuög  erat,  nsdag  xsiyolv  xal  nodolv  ^vvwqiöa  appellat, 
quippe  quo  regis  manus  veluti  vincnlis  ejnsque  pedes  ut  jugo  con- 
stringerentur.  Eodem  sensu  dictum  erat  v.  486 :  n£daig  <T  dxaAxevToig 
h&rjQsv&tjg,  nchsQ.  BvvwQtg  a  v.  gvvaeiQw  de  equis  et  mulis,  qui  jugo  simul 
incedere  et  cursum  tenere  coguntur.  Hinc  omnino  dejunctura,  con- 
junctione,  Aeschyl.  fragm.  308:  onov  yd$  loyvg  ovtvyovöi  xal  §Ixy\, 
Hoia  ^vpwqig  rijads  xciQTSQcors'Qa,  et  nostro  loco  de  vestimento,  cujus 
plicis  Agamemnonis  pedes  velut  jugo  jumenta  constringebantur. 

v.  977.  ^Exrslvax  avröv.  Hoc  ad  Ssguov  pertineret,  i.  e.  ad 
unum  e  tribus  praedicatis,  quibus  fxiqyriv^ia  exornatum.  Id  cum  ra- 
tionem  non  habeat,  recte  Auratus  aorö  scripsit,  ut  ad  ipsam  vocem 
principalem  referri  possit.  Putat  autem  schol.,  chorum  esse,  quem 
Orestes  allocutus:  sxrslvar  avröv  ngög  rbv  x°Q^p-  ^e(^ 
hujus  in  tali  demonstratione  partes  esse  possunt  nullae.  Verba  sunt 
ad  comites,  qui  cum  ipso  in  scena  versantur,  dum  chorus  orchestram 
occupat. 

In  sequentibus:  xal  xvxXao  nagaorattov   JSrsyaarQOv  avdQÖg    ösi- 


ÜB 

£a&'  .  .  .  Med.  lectio  dvdQog  est,  quam  R.  sequitur;  contra  dvdowv 
G.  A.  V.  T.  Hoc  ad  xvxXm  referri  deberet,  ut  structura  esset  xid 
.laQc.OTctddv  dei'^ars  xvxXco  ävö^wv.  Hoc  Abreschio,  Schützio,  et 
quod  mireris,  Porsono  quoque  placuit.  Si  autem  comites  sunt,  qiii 
id  jubenfur,  hi  ipsi  viri  sunt,  qui  in  scena  adstant;  nee  possuut  ju- 
beri,  ut  öt^/ccotqov  sibi  ostendant.  Itaque  Stanlejus,  ut  debuit, 
xixAw  nciQciOTadov,  circulo  seu  cirenm  adstantes  junxit.  Si  adverbiiun 
solvas,  erit  xvxfao  naQaorä/usvoi  Ss/^kts.  His  duobus  explicationibus 
accessit  nuper  lectio  Clausenii,  qui  or^yaGtQov  ävÖQÖJv  vestem  viri- 
lem intelligit.  At  vero  non  erat  hie  ejus  usus,  neque  esse  poterat. 
sed  ad  opprimendum  Agamemnonem  loco  vestimenti  erat  adhibitum. 
Putat  quidem  Clausenius,  id  ironice  dici  potuisse.  Ironia  vero,  quae 
«analogia  nulla  cum  re,  ad  quam  pertinet,  conjungi  potest,  est  et 
J.nQogdiövvGog. 

Ceterum  ax£yei6xQov  vim  iutensivam  habet  a  Gxsyä'^siv  duetum. 
et  est  fere:  operculum,  operimentum,  et  areyaorgop  ävdoog  viri  i.  e. 
Agamemnonis  dicitur,  qui  eo  penitus  coopertus  fuerit.  Simili  modo 
Aeschylus    pellem   oGxtiav   oxgyaoxQov   dixerat,    referente   Polluce   x, 

Q 

180,  quem  locnm  laudat  Blomfieldius.  Hoc  igitur  expansum  vult,  ut 
pater,  non  ipsius,  sed  sol,  qui  haec  omnia  lumine  collostrat,  impurae 
matris  facinora  videat  —  wg  "dy  naxijQ  ....  xtjg  ijufjg.  Confert 
Blomf.  tragicorum  loca,  quibus  soli  vel  solis  radiis  moustrari  aliquid 
dicitur,  non  exceptis  uvis ,  de  quibus  Hes.  Opp.  603.  B.  609.  Toxi 
nävx.ag  dnödotnsv  ol'xads  ßoxQvg,  /tel'^ai  <)'' tfsXho  dixec  x  tj/uaxa.  Sed 
horum  omnium  ratio  diversa  est,  et  vis  loci  nostri,  ut  supra  monui- 
mus,  in  hoc  est,  quod  ab  eo,  quod  exspeetas,  in  verbis  wg  i(hj  na~ 
xrjg ,  animus  subito  ad  solem  cogitandum  evehatur,  cujus  sanetum 
numen  cum  hoc  impuro  speetaculo  committit  v.  981 :  cog  ccv  ncoy  juoi 
ut'iQTvg  iv  olxr\  noxü.  Schol.  jraQtj  /uoi-  r\  juol  avrvovvfxk:  xrjv  oixtio- 
TKjza  drjXot,  quippe  Sol,  omnium,  quae  impure  üvuyvci  essent.  osor. 
necessario  Ore.-sti ,  qui  ea  delere  studuit,  opitnlari  propitius  debuit  in 


49 

eo,  quod  instat,  judicio.  Schol.  iv  dCzy.  iv  tij  kqCösi  xwv  Ev/usvtdwv. 
Nolim  tarnen  hoc  de  Eumeuidibus  tarn  certe  statuere.  Ignorat  enim 
adhuc  Orestes,  quae  Furiae  moliantur,  sed  praevidet,  se  civibus  facti 
rationera  reddere  debere. 

Is  igitur  mihi  testis  erit,  wg  xovcT  syw  /usxrjä&ov  IvStowg  /uoqov 
Tov  uqxQog.  MexgQxeGd-cu  vel  diwxsiv  ad  judicia  transferri  et  de 
accusando  dici  res  notissima.  Accusator  enim  insequitur,  /uexsq%sxcci, 
vel  persequitur,  qaem  reum  facit.  Hoc  quoque  certum  a  personis  ad 
reum  vel  culpam  transferri,  et  aeqne  bene  dicas  /uextQxsG&cu  <povstc 
ac  (pövov  naxQÖg.  At  vero  iii  nostro  loco  translatum  ad  poenam, 
quam  qois  a  reo  exigit,  de  morte  nimirum.  Nam  wg  .  .  .  /usxrjAirov 
<pooov  ju7]tQog:  me  mortem  matris  jure  exegisse  ejusque  caedem,  ut  par 
erat,  perpetrasse.  Id  vero,  quantum  video,  sine  exemplo.  Nee  ta- 
rnen quidquam  mutemus,  sed  $Qccyv%oylav  statuamns  in  [xaxrjX&ov  uoqov, 
quod  dictum  erit  pro:  fisxsQ/ofxsvog  ißovfevöa  xovds  /uoqov,  vel  simile 
quidquam. 

v.  983.  AlyiG&ov  yao  ov  xjjiyw  /uoqov.  rag  rationem  reddit, 
quare,  quum  xovds  /uoqov  dixerit,  hoc  ad  solam  matrem  referat.  Ha- 
bet autem  \p£yw  M.  G.  A.  R.  X$yw  T.  V.  et  schol.  AlyiG&ov  yao  ov 
ksyw  /uoqov,  fifjxQÖg  ds,  fjxig  in1  dvÖQi  xovxo  /uqGctxo  (serb. :  xovx' 
t/uijoaro^  Gxvyog,  quod  unice  verum.  Nam  siquis  commemorata  CJy- 
taemnestrae  morte  subjungit  Aegisthi  caedem  se  non  vituperare,  is 
quidem  indicat,  se  priorem  illam  vituperare  vel  eulpare,  quod  tarnen 
a  ratione  loci  prorsus  alienum  est.  Nam  Orestes,  quamquam  sub- 
orientibus  deineeps  Furiarum  morsibus,  tarnen  in  eo  perseverat,  se 
jure  matrem  cecidisse.  Ov  Xiyw  autem  est  vel  commemoratione  vel 
excusatione  dignum  non  habeo. 

v.  984.  E%si  yaQ  cuG%vvxi]Qog  wg  vo/uov  dtxfjv.  E  cod.  M. 
collator  Weigelianus  wg  vö/uov  attulit.  J.  Franzius  wg  vöuov  („sie" 
addito).     Hob.  vö/uov  sine  wg.  Hoc  collator  Vict.  e  Med.  supplet,  de 

Abhandlungen  der  I.  Cl.   d.  k  Ak    d.  Wiss.  V.  Bd.   II.  Abthl.  7 


50 

i'öuor  niliil  nofat,  quod  argumenta  est,  hunc  quoque  genitivum  in 
Ms.  legisse.  Idem  in  G.  A.;  wg  gravi  notatam  vocem  habet  T.  V. 
Esset  igitur  pro  ovxwg  positum;  sed  contorta  structura  prodit  t/si 
wg  (h'zqv  cuGxvvrfJQog  vöfxov ,  vel  t%si  wg  vojuov  d'txqv  alüyvvxri^og, 
poenam  habet,  quam  lex  adultero  proposuit.  Idem  fere  valet  de 
Clausenii  ratione ,  intelligentis :  (wg  vo/uov)  dixt]  toxi  „habet  poenam 
ut  est  legis  poena.,"  quod  dictum  puto  a  neinine.  Canterus  in  textu 
ms  vo/uov,  sed  in  nota  27:  „Melius  si  divinare  liceat,  imo  verbo  Ixvo/uov." 
Eidem  tribuitur  wg  vo/uog,  uempe  toxi,  ut  lex  est  vel  jubet,  quod 
verum  haud  dubie.  Nam  moechos  interficere  etiam  lex  et  Draconis 
et  Solonis  permisit,  et  in  talibus  rebus  tragici  patrios  mores  et  in- 
stituta  respicere  solent. 

v.  985.  ' Hxig  <T  tri  dpdoi  xovx  i/urjoaxo  oxvyog.  Abominatio- 
nem  dixit  pro  facinore  abominaudo.  Sed  offendit  <Js,  quae  particula, 
cum  versus  ad  verba  /uoqov  xöv  [ir/xQog  referatur,  aliena  est  ab  hoc 
loco.  Nihil  enim  est,  quod  sententiae,  quae  ab  tjxig  incipit,  subjun- 
gatur.  Tollere  incommodum  possis  scribendo  ijxig  y\  ut  particula 
sit  explicativa,  „quae  nimirum  vel  scilicet."  Sed  alia  accedunt  incom- 
moda.  Nam  posteaquam  matris  abominandam  indolem  ulterius  pro- 
secutus  est,  versibus  sex  985 — 90,  octo  sequenübus:  xl  viv  noogsmw 
—  no)>)>ovg  ävaiQwv,  nolXd  ShQ{ivdvoi ,  <pQSvi  ad  vestinienti,  a  quo 
orsus  fuerat,  execrationem  redit,  ut  v.  999  ad  matrem  relapsus  in 
ejus  imprecationes  desinat.  Ordo  igitur  rerum  turbatus,  et  senten- 
tiarum  inversio  inducta  est. 

Eandem  produnt  verba  xl  viv  nqogdnw,  quae,  si  structuram 
spectas,  ad  matrem,  sin  sensum,  ad  vestem,  axiyaoxqov,  referenda 
sunt,  ad  quam  tarnen  viv ,  cum  duodecim  versus  intercesserint ,  non 
amplius  pertinere  potest.  Haec  igitur  coufusa  et  dgvoxctxa  tollas,  si 
cum  Aug.  Meinekio,  viro  praeclaro,  versus  991 — 998  xi  viv  noog- 
ainw   —   noXXcc   &s^fxalvoi  (pQsvi   ponas,    quo   pertinent,   nempe  post 


51 

v.  976:  nidcig  rs  %uqoTv  xal  nsSotv  ^vviooida,  quo  facto  cum  vesti- 
nienti  descriptionem  dederit,  recte  ad  ejus  naturain  comparationibus 
invidiosis  declarandam  regreditur.  Obstat  Iris  Bambergerus ,  qui  tur- 
bataui  Orestis  orationem  notat  quidem,  sed  ad  mentis  ejus  agitatio- 
nem  refert.  Neque  vero  obscurum  fuisse  dicit,  quo  viv  referretur. 
Orestem  enim  indusium  monstrasse.  Hoc  igitur  non  oratione,  sed 
gestu  fuisset  explicatum.  Sed  a  talibus  admiuiculis  prudens  rernm 
exhibendarum  tragoedus  prorsus  abstinuit.  Idem  meutis  agitationein 
per  confusum  sententiaruin  ordinera  et  per  nexus  defectum  aut  par- 
ticulas  male  positas  indicare  nee  voluit  nee  potuit.  Sed  de  his  postea. 

v.  986.  3E$  ov  tsxvcqv  i]t>£yy'  vno  Qoivr]v  ßäoog.  Cum  M.  G.  A. 
T.  et  codex  Robortelli  ix  aov  habeant,  hoc  quoque  vestigium  codi- 
cis  prisci,  qui  EX20Y  habuerit,  recte  monet  Franzi us.  Nempe  Ae- 
schylus  EX20  scripserat.  Rob.  in  textu  habet  fe§  ov  tsxvojv  rjvt'xtj. 
Collator  Vict.  de  fc|  ov  tacet,  ad  yKiiXfä  notat  G.  ijvsyx-  Ipse  Ro- 
bortellus  in  notis  num.  21  ix  aov  tsxvoj  vvv  k/si.  i£  ov  rsxviov  ayäx%t- 
Haec  vestigia  si  sequeris,  scribendum  erit  i£  ovrexviov  ävsi%B  x.t.A. 
Sed  aüo  ducit  Med.  lectio.  Eam  vulgo  exhibet  qvsy/i.  J«  Franzins 
rsxvwv  rtttixfl  addito  „sie."  Collator  Victv  ut  monuimus,  ijveyx  addito 
~Jj  post  %  et  deleto,  ita  ut  codex  qv£yji  habere  videatur,  sed?/obdu- 
ctum.  Vict.  tjveyx  >  quod  unice  verum.  Dixit  autem  tjvsyx'  Ino  £w- 
vrjv  ßoaxvAoywg  pro  vno  l,(6vi]v  Äaßovoa,  aut  simile  aliquid.  Neque 
rixvwv  ßdoog  sine  consilio;  erat  enim  uteri  gravidi  onus  et  puerperii 
dolor  indicaudus,  ut  oppositum  emineret,  nempe  liberos  inde  pro- 
gnatos  jueundos,  dum  mater  se  eis  et  marito  fidam  exhibeat.  Hoc 
inest  in  voeibus  <p(Äov  riiog,  in  quo  rscog  de  re,  quae  per  tempus 
aliquod  durat  (der  Weile,  eine  Weile).  Sed  posteaquam  caede  ma- 
riti  vindietam  e  liberis  in  se  adtraxit,  istud  ad  tempus  jueundum 
onus  infestum  malum  nunc  exstitit:  vvv  <f  ix&gov ,  wg  <pcu'vsi,  xaxöv. 
Molestum  in  Iris  tpeeivet  sensu  activo,  eoqne  a  Schützio  cum  xctxov 
junetum:  sicut  malum,  i.  e.    calamitas    Clytaemnestrae    ostendit,   quae 

7'* 


52 


sane  lenior  ratio,  quam  si  tpaivei  ad  ßäoog  aut  ad  Clytaemnestram 
referas.  Pejus  etiam,  qui  xcixov  et  nexu  et  rhythmo  naturali  diducto 
ad  sequentem  v  ersinn  trahunt,  jungentes:  TC  xaxov  ooi  doxu.  Haee 
ipsa  xl  ooi  doxu;  pvoeiivü  y  rj  fc//<5V  %<pv ,  ut  Vict.  contra  metrum 
habet,  multis  dubitationibus  sunt  obnoxia.  Med.  lectio  est:  {ivouiva  y1 
tJT  ,  unde  Herinannus  juvoaivd  y  ut  tyidv'  i'<pv  scripsit,  vere 
oninino  dictinnque  hoc  pro  d're  juvoaiva  urs  tyiöv  tyv,  ut  perinde 
sit  uvocavav  an  iyidvav,  muraenam  an  viperam  appelles.  Ideui  Her- 
inannus  ov  ooi  doxei,  sine  causa.  In  vulgata  rl  ooi  doxsi  intelligas 
jTtoi  avrfjg,  vel  dvcti  ccvriq.  Blonif.:  „Ex  muraenae  autem  cum  vipera 
coitu  genus  muraeuarum  nasci,  quarum  morsus  erat  (scr. :  sit)  letalis, 
tradit  Andreas  nsoi  daxsrwv  ibidem  (Athen.  VII.  p.  312)  citatus. 
Äuget  hoc  Orestes  addens:  ojjtisiv  &(yovo>  o.v  aXXov  ov  dedyyjugvov. 
Nempe  öcxträ  illa  morsu  putredinem  efficiunt  eoque  interimunt;  haec 
autem,  de  qua  agitur,  muraena  vel  vipera  ipso  tactu  perimere  pos- 
sit.  Lectio  fluxa:  &iyovo<xv  aXlov  M.  G.  A.  sed  &iyovo  av  aXXov 
R.  T.  V.,  in  quo  aoristum  Siyolo  tiv  jure  reduxit  Blomfieldius.  Fluxa 
est  reliquorum  lectio.  Sunt:  Zytöp  t<pv  mjnsiv  .  .  ov  dsd^y/u^vov.  In 
his  si  infmitivum  explices  intellecto  post  i'tpv  wgrs  Gynsiv,  requiritur. 
quod  in  M.  est,  &iyovoav,  Hac  tarnen  ellipsi  non  opus.  Nam  t<pv  i.  q. 
(fi'oiv  tyu  vel  kXctye  oqnuv,  simplici  junctura  cohaeret.  Recte  con- 
tulit  Blomf.  Theodecten  ap.  Stob.  XXXVII.  p.  139:  "Anavr  iv  civ&qiö- 
noioi  yqodox£ti>  Ztpv.  Hinc  firmatur  nominativus  &iyovoa  et  leg.  cum 
R.  gtjttuv  &iyovo  av.  Particulae  vis  apparet,  si  haec  ad  directam 
orationem  referas:  ijrig  &tyovoa  aXXov  av  g^ttoi.  Sequitur  offensio, 
quam  v.  v.XXov  pluribus  praebuit.  Cujus  ratio  cum  non  pateret,  &t- 
yov(f  civovrov  tentatum  est  in  marg.  Ask.,  xttyovo1  avovXov  Portus, 
friyovoa  uäXXop  Blomf.,  sine  sensu.  Nam  quem  ipse  exponit:  „magis 
a  natura  composita  est  ad  labefaciendum  aliquem  sine  morsu,"  ejus 
nolio  comparativa  prorsus  relatione  caret.  Siyovoa  uovvov  Martinas 
non  multo  melius,  pejus  etiam  Bambergerus  &iyoioct  (T  aXXov.  Sane 
pro  I'cXXop  expectes  *iwa\  subesse  tarnen  videtur  notio :  animalia  cuncta 


53 

aliu»  generis  quam  viperiui,  tactu  illius,  quem  cogitat,  daxtxov 
absumi.  Si  quid  mutandum,  scribi  deberet  aXXov  r\  dsd^y/x^vov ,  ut 
äXXog  fj  dsdqy^vog  periphrastice  diceret  pro  ov  dsdqy/uevog  et  oi  e 
glossa  ortum  esset;  sed  necessitas  mutandi  nulla.  Schol.  recte: 
JZijjisiv  &iyovd  av  vnsQßo/Lrj ,  oxi  xal  xov  /ut]  dtjx&svTa,  ciXha 
uovov  äipatu£vt]  orjrtst.  Accuratius  schol.  dixisset  av  ar\noi.  Non  enim 
pronuiiciat,  quod  revera  fit,  sed  quod  a  Clytaemnestra  effici  posse 
cogitat.  Eaque  tactus  efficacia  ei  tribuitur  xoA/uqg  txaxi  xabixov 
(poovquaxog.  Eam  esse  seu  fuisse  mulieris  audaciam  et  animi  im- 
probitatem,  ut  vel  inuraenam  et  viperam  superare  potuerit. 

v.   991.      T£  viv  TiQögsmco,  xav  rv%(x>  juccX1  svGxo/ucöv  ; 

Kav  lectio  est  omnium  Mss.  et  Edd.  critt.  Eymopwv  ore  bene 
uti,  de  lusciniis  per  nemus  canentibus  adhibitum  a  Soph.  Oed.  C. 
18.  siGu)  xax  avxöv  siorofxovG1  äqdöveg.  Hoc  loco  adhibetur  de  eo, 
qui  rem  aliquam  nomine  aptissimo  appellet.  Sed  non  procedit  stru- 
ctura  per  xi  incipiens  et  per  xav  rv/ot  continuata.  Non  enim  ii 
r.vyw,  sed  nwg  xv%w  requiritur,  neque  av  cum  conjunctivo  in  inter- 
rogatioue  habet,  quo  locum  tueatur.  Portus  omisso  av  legit  xai  xvyw, 
quem  plerique  recentiorum  sequuntur.  Sed  sublata  particula  manet 
incommodum  ex  interrogativo  xl  ortum.  Joh.  Franzius,  H.  L.  Ahren- 
sium  secutus,  edidit  xt  viv  noogniiunv  av  xiiyoif/  av  evGxojuoöv ,  quae 
conjectura  dictionem  adulterat.  Nam  av  repeti  solet,  si  notio  aliqua 
alio  spectans  iuterjecta  aut  res  majori  dubitationi  objecta  est,  quoruui 
neutrum  hie  locum  habet.  Scribi  sane  possit:  mos  viv  noogsinva  xal 
xv %w  x.  x.  X.  Sed  vitium  haud  dubie  est  in  voeibus  xav,  et  pro- 
babile  noogstnoixav  i.  e.  ÜPOZEIIIOKAN  ex  IIP02EII10IMAN  i.  e. 
noogsinoiju  av  corruptum  est.  Hoc  si  admittas,  totus  versus  scribi 
poterit: 

Ti  viv  noogUnoifjb   av  xvycbv  fxaX  svGxofuag, 


54 

quo  facto  locus  fere  parallelus  priori  illi  v.  937:  Atxciv  dt  viv  nyog- 

CCyOQSVOjUM    ßQOTOt  ,    TV%6l>T£g   xaAtog. 

Mc'cX  avOTÖutog  admodum  convenienter  duplici  adverbio  dictum, 
ut  in  simili  phrasi  Agamn.  667.  Tig  not  (opo/uc^sp  coJ'  ig  to  jxcip 
trijTvinog  .  .  .  yÄwoGap  iv  rvxy  pi/ucop. 

v.  992.  Anceps  haeres,  mun  vestimentum  nomiuet  cr/Qtvjua  &r\- 
oög.  Schol.  dixrvov  intelligit,  sed  hoc  in  sequentibus,  nee  convenit,  quod 
juxta  ponitnr  xaraGxijpwaa.  Referam  igitur  ad  pannos  quibus  apte 
dispositis  et  expansis  ferae  in  loca  destiuata  a  venatoribus  cogi  so- 
lent.  Nsxqou  jiodtvdvrov  ÖQonrjg  xaTdGxptjpcojLia.  Schol.  naoanira- 
Gfia  boovg  explicat,  seu  potius  goqov,  ut  Stanlej.  verissime  correxit. 
Est  igitur  hoc  /utya  <pcioog  illud  ad  ornatuin  funeris  pertinens,  quäle 
Penelope  Laertae  ylasori]  tjgtoi  rci(fiqiov  texens  in  Odyssea  introdu- 
citur.  Hoc  cum  pedes  involutos  amplecteretur,  noöipövrop  dictum 
est,  et  xataGxijpoj/ua  dQoixrjg.  Jqoctij  vel  ÖQvrt]  a  voce  $qvs  (nostrum 
True)  dedueta,  indumenta  et  vasa  diversa  e  quercu  fieri  solita  no- 
tat:  Trog,  Wanne,  Sarg,  Wiege.  Cf.  Eustath.  ad  Odyss.  XII. 
p.  1726,  qui  formam  dgovTt]  e  dovoiirt]  contraetam  statuit,  %va  tj  xv- 
yi'oog  nvskog  ij  Äägpa!;  roig  rsd-vdiot,.  Sensus  igitur:  tarn  aptum  esse 
illud  tegmentum,  ut  instar  ra<pt]tou  tot  um  mortui  corpus  et  loculum 
simul  velare  possit.  Sed  alio  ducere  videtur  locus  fere  genuinus 
Eumeu.  602.  ^a  tiXhIgt  d/ustrov  tvipooGip  dsdeytuipi]  (scr.:  top  nkslGr 
dfnvpov  avyQÖviog  dsd..)  dgoirr\  (amice  balneo  posteaquam  aeeepisset), 
jisqcüpti  AovTQa  (ei  cum  e  lavacro  prodiret)  xanl  rsofictTi  (sc:  cpti) 
4>uQog  nagsGxptjpojGSP ,  quo  induetus  nostro  quoque  loco  dQofarjv  vas 
balueatorium  Blomfieldius  intelligit.  Sed  in  hoc  psxqov  dooirrj  est, 
neque  alio  nisi  ad  Xaovaxa ,  loculum  mortui,  referri  potest,  utque 
utrumque  locum  inter  se  conformem  reddas,  in  Eumenidibus  dookri 
iutelligere  possis  comparative ,  ut  wg  omittatur.  Sensus  jam  esset: 
vas  baluei  Agamemnon!  instar  loculi  fuisse. 


55 

Haec  igitur  duo  uyotv/ua  &qo6g  et  vsxqov  xuruGxfjvcD/uu  inter  se 
analogia  ex  magnitudine  ducta  conveniunt. 

Addit     —     —  ,  —     —       Sixxvov  jutvo  ovv. 
"Aqxvv  (?'  uv  unoig  xul  nodiöTVJQag  ngnAovg. 

Lectio  librorum  constans,  nisi  quod  R.  uqhv  ,  ad  quod  coli.  Vict. 
M.  uoxw  notat.  Sed  primum  molesta  interpretatio  post  /uiv  ovv. 
Nam  dixrvov  atque  uqxvv  arctius  cohaerent,  et  Agamn.  1087  quoque 
junguntur:  f\  dixrvöv  xi  y"AiSov;  v.XX  uoxvg  q  '^vvevvog.  Utrumque 
rete  significat ,  ita  tarnen  ut  dCxrvov  vox  generalis ,  uoxvg  an  lein  spe- 
cies  quaedam  retis  sit.  Conjicias  hoc  e  Pollucis  X,  27  descriptione: 
Alxxvu  fxiv  tu  iv  rolg  6/uuXoig  xai  toonsdoig  tsivo/usvu ,  ivodia  dt  rd 
iv  ruig  odoig.  AI  dk  aoxvg  tovtojv  jutv  iXdrtovg  slai  rolg  /usysdsGGi^ 
xsoxMpdXcp  ($£  ioi'xuGi  xuzd  rd  G/rj^u  üg  6%v  xaraX^yovGu  i.  Haec 
etiam  cum  ad  pisces  et  aves  capiendas  adbibitas  videas,  retium 
erunt  species,  quae  latiore  ambitu  accedentia  animalia  admittunt  et 
dein  velut  sacculo,  cui  exitus  deest;  comprehensa  retinent.  Scri- 
bendum  igitur  sublata  majore  interpunctione  dixrvov  /usv  oiv,  vAoxw 
d'  uv  el'noig.  Rete  quidem,  sed  tale  dicas,  quod  neque  exitum  ei 
permittit. 

At  vero  incoucinne  postrema  apposita  sunt  xai  nodiariJQug  n£- 
n).ovg.  Nam  oratio  per  metaphoras  progreditur  uyqzvfxu ,  xutugxij- 
vw/uu,  dixrvov,  uoxvg.  JlenXoi  autem  sunt,  de  quibus  agitur,  nee 
potuit  appellatio  inter  metapboricas  poni.  Hinc  Bambergerus  et  H. 
L.  Ahrensius,  quem  J.  Franzius  sequitur:  dixrvov  fiiv  ovv.  "Aqxvv  <T 
uv  sinoig  xul  noöiGrijoug.  ninXov  Toiovrov  uv  xrijouiro  x.  r.  X. 
Neuipe  nodiGxfjQug  seorsim  intelligunt  translatos  de  viueulis,  quibus 
pedes  equorum  iv  GraO-juoig  degentium  etiamnunc  in  illis  terris  con- 
junguntur.  Rem  narrat  Xenoph.  Anab.  III,  4,  21.  laudatus  Bloin- 
fieldio:     JSvxrdg   Xnnoi  uvrwv    didsvrui   xul    wg  tmnoXv   nenodiOu€voi 


56 

hioii'.  Ex  Ins  autem  et  similibus  non  sequitur,  nodiGirJQag  inde  dictos, 
et  hos  TioSiozrjQccs  termini  technici  naturam  ita  induisse,  ut  usu  me- 
taphorico  ad  similia  transferri  potuerint.  Accedit,  quod  usui  illi  non 
velamentorum  aliquod  genus,  sed  lora  et  funiculi  inserviunt,  qui  ad 
eomparationem  cum  Clytaemnestrae  velamento  nulla  ratione  adhiberi 
poterant.  Neque  hoc  praetervidendum ,  quod  hac  conjectura  dictio 
et  rhythmus  naturali  modo  decurrentes  discerpuntnr.  Schol.  vulgatam 
sequitur:  nodiGriJQccg  rovg  ti%€ov  xwv  nodwv  xaO^jxovrag ;  sed  abest 
a  vocabulo  hie  sensus,  et  ejus  auetor,  ut  recte  observat  Bamberge- 
rus,  simili  voce  noSiJQtjg  deeeptus  fuit.  Vix  dubium,  quin  bfinoöi- 
oriJQag  nin?.ovg  scribi  debeat,  ab  ipnodiXsiv ,  quibus  pedes  ineiden- 
tium  constringebautur,  ut  fieri  solebat  feris,  si  in  ccqxvv  seu  ägxv- 
gtcitov  ineiderent.  Hoc  admisso  concinnitas  totius  loci  Slxxvov  uw 
ovi>,  "Aqxvv  J"  civ  sinoig  iiAnodiGxfJQctg  n€nhovg  eminet.  ^EjLmodiGzrJQtg 
niTiXot,  genuina  vestis  illius  appellatio,  praecedentibus  comparationi- 
bus  magis  etiam  illustrata  erit.  Hos  igitur  ijunodiGrijoocg  n€xAear§ 
simul  öi'xxvov  vel  potius  ccqxw  nominari  possi  addit.  EM  autem  fa- 
cile  in   KAI  abire  potuit. 

v.  995.  Toiovtop,  nempe  n(nÄov,  quod  e  praecedenti  plurali 
facile  intelligas,  uv  xxtJGcuxo  (pijAqxtjg  ävrjQ.  —  4>rj^fixrjg}  quam  for- 
niam  pro  tptlijxtjg  Mss.  et  Edd.  critt.  reduxit  Scaliger,  usu  antiquo 
est  ap.  Hes.  Opp.  373.  "Og  ds  yvvaixl  n£noi&s,  ninoid?  äga  (piAjjxrjGi. 
Vox  originem  habere  videtur  a  G^Xai.  Hesych.  glossa,  quae  ad 
Hesiodi  versum  spectat:  <piAijxi]Gi  KrjGxcdg,  sed  non  latrones  sunt, 
verum  ganeones. 

Talern  aecuratius  notat  tanquarn  %£vwv  dnaiöXfifxa ,  fraudulentia 
pro  eo,  qui  fraudat  et  deeipit,  hospite.  Schol.  djiaioXtj^a  v.nüxijfxu. 
Vox  dueta  ab  aloAog,  euöXXio,  cäoXhvo,  diversum  colorem  induo. 

h'('oyvooGT8oi]  ßiov  vouCuiv,  qui  utitur  vita  (votui'Ceiv   enim  iv  foiuy 


57 

tysiv ,  in  usu  habere),  quae  argento  privat  seu  hospites  pecunia  exu- 
ere  solet.  Ni  fallor,  cauponera  cogitat,  qui  hospites  apud  se  dever- 
tentes  blande  excipit  et  per  noctem  circumventos  pecunia  et  vita 
spoliat,  qua  comparatione  simul  mores  et  factum  matris  nova  notantur 
ignominia. 

Concludit:  xw8£  t'  av  doXcv/Liati  HoXXoiig  ävaiQÖüv  notäa  &sq- 
/xaCvoi  <pQsvi.  In  his  r  av  non  ad  rs  av  debet  referri  cum  Bamber- 
gero;  nam  raidi  rs  barbarum  est  nee  ulla  excusatione  lenienduui,  sed 
erit  nota  xqaöts  pro  toi  av.  Asseveratio  autem,  quae  inest  parti- 
culae,  loco  convenientissima  est.  Idem  ne  a  voce  dvaiQcov  quidem 
mauum  abstinuit,  quamquam  notio  tollendi,  interficiendi  ipsa  est,  quam 
locus  requirit,  scripsitque  av  alqwv  et  membra  orationis  interno  sen- 
tentiarum  nexu  conjuneta  ££vtov  dnaioXrjfxa  xaQyvQOGTSQtj  ßiov  vofifewv 
distraxit  puncto  post  änaioXrifia  posito.  Contra  recte  Lobeckius  cpQeva 
scripsit  pro  <pQsvl.  4>Q$va  &sQua£veiv  calefacere  animum,  perfundere 
gaudio.  Bambergerus  monet  dubitari  posse,  utrum  &sQ/ua£vsiv  ad 
audaciam  an  ad  laetitiam  improbam  facinorosi  ganeouis  referendum  sit. 
De  laetitia  dici  monet  Eurip.  Electr.  404,  ubi  integra  dictio  est:  yaoa 
ü-SQ/uaivso&at  xaQÖlav. 

.  Haec  igitur  de  singulis.  Jam  de  nexu  videndum,  quem  confu- 
sum  esse  facile  intelligas.  Monstrat  Orestes  interfectorum  corpora. 
quos  amore  junetos  et  vixisse  et  interiisse  monet  v.  967 — 973-  Mon- 
strat deinde  tunicam/  qua  irretitum  Agamemnonem  Clytaemuestra 
obtruneaverat  v.  974 — 76,  eamque  explicari  jubet  ante  Solis  adspe- 
ctum,  ut  purissimum  numen  ipsi  in  judicio  de  morte  matris  subeundo 
testis  adsit,  cujus  nefarium  scelus  persequitur  et  quam  infestis 
nominibus  inseetatur  v.  977 — 90,  rSA/u^G  exan  xädCxov  ^gov^uarog. 
His  finitis  cum  v.  991 :  Ti  viv  nQogefjiw;  pergat,  credas,  eum  novis  in 
matrem  dicteriis  usurum,  sed  seqq.  992  ayQSv/ua  &t]oog  docent,  haec 
et  ipsa  ad  tunicam  referri,  ad  quam  tarnen,  cum  ab  ejus  priore  com- 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k    Ali.  d.  Wiss.    V.  Bd.  II.  Abthl.  8 


58 

memoratione  duodecim  versibus  remota  sint,  pertinere  non  possnnt. 
Nam  quae  in  medio  ponuntur,  ita  comparata  sunt,  ot  omnis  tunicae 
commeinoratio  ex  memoria  et  mente  audientis  effluxerit.  Accedit, 
quod  haec  ipsa,  quae  v.  992 — 98:  "jlyQt-viua  &rjQog —  noXXa  &SQ/ucet- 
vot  (fQsvl  subjiciuntur,  feralis  illius  vestis  descriptionem  absolvunt,  eoque 
ab  ejus  iuitio  v.  974  Idio&s  <T  ccvrs  —  976  xai  nodolv  IvvoyQida  dis- 
solvi  non  possunt.  Non  melior  est  utriusque  posteriorum  versuum 
999 — 1000  ratio,  quae  matris  incusationem  et  acerbam  indolem 
fmiunt,  eoque  non  meliore  jure  ab  ejus  descriptionis  initio  985  sqq. 
separantur. 

Haec  a^votccja  esse  non  Iatuit  Klausenium,  qui  confusam  istam 
orationis  texturam  in  auimo  videtur  habuisse,  cum  haec  scriberet: 
,.In  hac  (matris  culpa)  demonstranda  invehitur  in  id,  quo  usa  est,  in- 
strumentuin,  dictione  concitata,  quae  legitimum  et  aequabilem  senten- 
tiarum  decursum  aspernatur,  neqne  justum  in  augenda  conviciorum 
vi  ordinem  servat,  sed  profert  singula,  prout  in  mentem  veniunt. 
Sic  summa  arte  ipsam  insaniam  praeparat  poeta."  Praeparatur  quidem. 
ut  verbis  Klausenii  utamur,  Orestis  insania  ab  Aeschylo,  i.e.  äcerba 
occisoris  utriusqne  irrisione  et  summae  indignationis  elocutione  animum 
graviter  concussum  prodit,  sed  qui  praeter  hanc  artem  ex  intimo 
animo  repetitam  insaniae  suborientis  indicia  conviciis  sine  ordine 
prolatis  et  relicto  legitimo  et  aequabili  sententiarum  ordine  se  ex- 
hibere  aut  debere  aut  posse  crederet,  is  inter  vetefes  quidem, 
qui  etiam  in  summo  dolore  et  aniini  commotione  modum  tenendum 
et  decori  terminos  non  transgrediendos  docebant,  non  summae  artis 
specimina  edere ,  sed  poetam  non  Orestein  insanire  arbitra- 
retur.  Ejus  artis  egregium  specimen  Orestis  quae  deinceps  se- 
quitur  oratio  exhibet,  quae,  quamquam  erurnpentem  insaniam  monstrat, 
aequabilem  tarnen  cogitationum  et  sententiarum  cursum  vel  in  summa 
animi  perturbatione  non  relinquit.  Hoc  enim  intimum  est  antiquae 
artis,  ut  vel  in  maximo  doloris  atque  irae  irnpetu  modus  servetur  et 


59 

illaesa  maneat  animi  summa  et  inia  miscentis  aequabilitas.  Valet  eiiiui 
per  omnia  praeclara  illa  irati  Neptuni  apud  Virgilium  imago,  qui 
graviter  commotus  „placidum  caput  extulit  undis." 

Quid  vero  faciendum,  ut  malo,  quod  in  nostra  oratione  indica- 
vimus,  succurratur  et  suus  bonos  summo  poetae  restituatur,  mihi  qui- 
dem  in  äperto  est.  Duo  Orestes  adstantibus  spectacula  exhibet,  alterum 
corporum  Aegisthi  atque  Clytaemnestrae,  alterum  mortis  Agamemno- 
niae  instrumenta  Utrumque  aecuratius  distinguit  verbis  v.  967 :  idsod-i 
Xojqctg  xtjp  dmÄrjp  xvqappiSa,  et  v.  974  t  ffisG&s  $  ctvxe,  xajpff  £mj- 
y.ooi  xaxwp,  To  firjxdprjfia.  Conspicitur  tyrannorum  corpus,  couspi- 
citur  vero  etiam  instrumentum  letale,  quibus  satis  aperte  deelaratum 
est,  nonnisi  absolutis,  quae  de  priore  dsiy/uccrt  dicenda  erant,  transiri 
posse  ad  alterum.  Haec  cum  ita  se  habeant,  versus  eo  ordine  erunt 
ponendi,  ut  sese  excipiant,  primum  qui  ad  Aegisthi  et  Clytaemne- 
strae corpora  in  conspectu  posita  pertinent,  deinde  qui  tunicam  cae- 
dis  instrumentum  describunt  et  detestautur.  In  ipsa  hac  descriptione 
et  detestatione  cum  ad  matris  facinora  animus  Orestis  revolvatur,  optime 
illis  absolutis  subjungit,  quae  ad  ejus  detestabilem  conatum  et  men- 
tis  acerbitatem  spectant  in  iisque  orationem  terminat  hoc  modo: 

"Idso&s  %wqccs  xtjp  dmXrjv  xvqappida, 
üaxqoy.xopovg  xs  dui/utartov  noQ&^xoqccg. 

JZs/UPOi    jUSP    iJGCCP ,    SP    \TQOPOig    TO#'    tjllSPOl , 

<S>i/,oi  <5e  xal  pvp,  o5g  snsixäoai  na&u 
IldoeGxip,    boxog  x   i/u/ugpsi  niGziö/uaGip. 
Svvw/xoöav  fjihv  &üvaxov  ä&kkp  ticczqI 
Kai   '^vvd-avsiG&M'  xcd  xdd*  hvooxios  t%.si. 
"IdeG&e  <T  avxs ,  xojpff  imjxooi  xcutwp , 
To  jut]xdpi]/uctj  dsGjuop  a&Xioj  naxol, 
IlsSag  xs  yuqolp  zv.i  noöoip  gvpcootda. 
Tj  vip  noogeinoifA?  up  xvywv  udX  svarouwg; 


«0 


"Ayosv/iicc  &t]Qog  tj  ptxoov  nodtvdvTov 
jQoCrrjg  xaxaoxijpwjucc;  SCxtvop  /u£p  ovp  _, 
"Aqxvp  <T  ctp  smoig  ijuodioxrjoccg  ninhovg, 
Toiovxop  av  xxr\Gaixo  (ptjXiqxtjg  dptjo 
£€i>wv  ccnatöXrjfia  xdoyvQOGxsQi] 
BCop  vofifewv  xüöd£  xav  öoXwpLaxv 
UoXXovg   avcuQvüv  noAM  &eQ[xatvoi  (fQiva. 
Exxsipccx1  avxop ,  xal  xvxXtp  naoaoxaö'dp 
2x£yctGXQ0P  dpttodg  dei^aO-'  wg  Tdtj  nccxqq, 
Ov%  ovf.wg,  ciXX  6  ncwx    inonxsvoop  xccSs 
"Hliog,  apaypu  /utjxodg  toycc  xtjg  i/uijg. 
lSig  uv  naqri  juot  /udqxvg  £p  Sixtj  noxi, 
lSlg  xopö*  iyri)  /xbx^X&op  ivdtxwg  /uoqop 
Top  /ut]XQog'  AlylG&ov  ydo  ov  yfyco  /uoqop  , 
"E^si  ycco,  cäo%vpxrJQog  cug  po/uog,  dtxrjv 
"Hxig  $'  in1  dpdoi  xovx*  üjuiJGazo  oxvyog , 
J£|  ov  xixvwv  tjpsyx1  vno  tcövrjv  ßäqog, 
'PtAop  xtoag,  pvp  (f  £%d-()dp,  wg  (palpu,  xccxop  , 
TC  goi  doxsi;  [avqccipÜ  y1  s?V  %%idrf  %(f>v 
JZiJTieip  &tyovo'  ctp  äZXop,  ov  dsdrjy^pop 
T6Ajut]g  txcixi  xädtxov  (pQOPtjjuaxog. 
Toiäds  /uoi  gvpoixog  ip  doixoiGt  /utj 
rtpoix1'  oXoC/xfjp  noogS-sp  ix  &swp  änaig. 

His    succedat    £umenidunt   locus,  qui  et  ipse  non  nisi  versuum 
trausposiiione  adbibita  in  ordinem  redigi  potuit. 

v.  810— 31. 


'Oqyccg  %vpoCow  goi  .  yeqccixiqct  yäa  sl. 
Kulxoi  ys  jutjp  ov  xäqx   i/uov  GoyojxtQct , 
'Pqopsip  dt  xd/uol  Zsvg  tdioxtp  ov  xccxwg. 


61 

'Y/usig  J"  ig  dXXöipvXov  £Ä&ovGai  %&6va 
rijg  zrjgff  ioaG&riGSG&s'  nqovvvinoa  zäun. 
OvniQQiwv  ydq  zi/uiaizsQog  XQ0V°S 
"Eozai  noXlzaig  zoigds.  xal  gv  zifjbiav 
"ESqccv  s^ovocc  nQog  do/uotg  ^Eosyfäws , 
Tsv^si  nag   ccvöqvov  xal  yvvatxstoiv  gzoXüjv, 
"Ootjv  nao'  äXXwv  ovnoz1  av  G%€&oig  ßoozwv. 
2v  (T  iv  zonoiGt  zoig  i/uoiGi  /utj  ßafyg 
Mtj&J  al/uazt]qdg  iyriyävag,  GnKayxvtov  ßXdßag 
N£(ov y  doivoig  ijujuavsig  ^v/uoo/uaGi' 
Mfi^  i^skovo1  wg  xaQÖiav  äXsxzoqojp , 
3Ev  zolg  ijuolg  aGzolGiv  IdqvGyg  "Aorj 
EjLHfvZwv  TS  xal  7iQÖg  dXXi^Xovg  &oaGvv. 
GvQaiog  töToi)  noAs/uog,  ov  juohg  naoobv, 
'Ev  cu  rig  %Gzat  dsivog  svxfetag  sovog' 
Evoixlov  <?'  bovi&og,  ov  Myoo  fiax^v- 
Toiavz1  kXiöd-at  ooi  näqsGziv  «£  i/uov, 
Ev  docoGav,  sv  nda^ovoav,  sv  zi/LMDju€pt]P , 
Xwoag  juszaGxsiP  zijgds  &so<piAsGzdzt]g. 

v.  810.     'Ooydg  %vpo(G(o  cor  ysqaiziqa  yüq  si. 

JZvfMpiQsiv  zivl  seu  <p£qMv  gvp  zivt  ooyäg,  iram  cum  aliquo  ferre, 
ei.  in  ira  perferenda  auxilio  esse,  eoque  se  patientein  et  mansuetum 
irato  praebere.  Soph.  Electr.  1464  ed.  Br.:  zu)  yaq  %oövu>  vovv  %o~%ov 
wgze  Gv/Jup£ouv  zotg  xqsi'ggogip  ,  et  Eurip.  Med.  v  13-  Avzv\  ds  (ft 
Mijdeta)  nävzu  gv/u^qovg1  *IaGovi,  ubi  Elmslej.:  „Significat  d/uoipQo- 
vovgcc,  ni  fallor."  Falsus  sane,  ut  locus  noster  docet.  Est  enim 
vjiei'xovGct.  Non  melius  nostro  loco  Staulej.:  „Iram  tibi  condono", 
aut  schol.  (p$QovGu  Goi  zag  oqydg,  quae  tarnen  manca  videntur. 

Cedit  autem  iratae,  quia  haec  senior  est,  ysoaiziqa  yäo  sl. 


<>2 

Sed  turbae  niaxiinae  motae  sunt  iu  v.  proximo.  Med.  lectio  est: 
xairoi  fxsv  ov  xagr.  Eadem  Aug.  Guelph,  Rob.,  cui  e  codice  S. 
eollator  Vict.  adscripsit  ys  /usv  signo  ad  rot  posito.  Is  igitur  xai 
toi'  ys  (jap  ov  xciqt  habuit.  Idem  Flor,  Ven.  1.,  quod,  ut  videbiuius, 
verum  proxime  attingit.  Victorium  addit  J.  Frauzius;  sed  is  prae- 
bet,  xaitoi  ys  /ur,p  ov  xaqx  ,  idque  inani  particularum  strepitu  et 
barbaro,  ac  si  „Et  vero  quidem  sane"  in  Latinis  conjungere  velles. 
Alio  modo  corrupta  Aid.  xai  xoi  juev  ov  ycco  x.  Haec  in  ordiuein 
ut  redigeret  Turnebus  scripsit:  xai  xoi  ov  jjlsv  xaqx'  si  y  (non  sl,  ut 
refert  J.  Franzras),  eoque  longam  conjecturarum  seriem  inchoavit. 
Tres  solus  tentavit  G.  Hermannus,  quod  argumento,  viruni  egregium 
diversis  temporibus  sedulo  de  hoc  loco  cogitasse  nee  tarnen  inve- 
nisse,  quod  ipsi  satisfaceret.  Hinc  nuperrime  in  censura  ed.  Aeschyl. 
Annall.  Vindob.  auni  1846  desperata  causa  versum  spurium  judicat 
et  delendum.  At  vero  sublato  eo  hiat  sententiarum  nexus.  Ouodsi 
enim  Minerva  dicit,  se  irae  Furiae  concedere,  quia  haec  ipsa  sit 
senior,  et  si  deleto  medio  versu  subjungit:  Prudentiam  autem  mihi 
quoque  Jupiter  concessit,  yoovslv  ds  xdfxol  Zsvg  sdujxsv  ov  xaxwg, 
indicat,  se  furiae  quoque  prudentiam  tribuisse ;  alias  enim  istud  xd/uoi 
non  haberet,  quo  referretur.  At  vero  tribui  sane  senectuti  prudentia  po- 
test;  sed  cum  ea  non  necessario  sit  cum  senectute  conjuneta,  quae 
imprudentissima  esse  et  stolidissima  possit,  nexus  sententiae  ruit,  si 
non  iudicata  simul  cum  Furiarum  senectute  prudentia  suam  illi  op- 
pouat.  Hinc  necessaria  verba  et  sauissima  judicanda:  ov  xuqx'  i/uov 
oocpojrsQcc,  non  minus  sanae  voculae  ys  /usv.  Posterior  enim  versus 
<p()ovsiv  Ss  xd/uoi  habet,  quod  huic  [i&v  opponitur.  Etiam  de  copulae 
xai  sinceritate  dubitatio  esse  non  potest,  quae  recte  prudentiam  Fu- 
riae ejus  senectuti  nectit,  et  ys  commode  ad  xoi  referas.  Latet  igitur 
vitium  in  sola  vocula  xoi',  sed  ne  in  hac  quidem.  Est  enim  pri- 
scae  orthographiae  residuum,  et  locus  proeul  omni  dubio  scribendus: 

xai  rwys  (jlsv  ov  xäox    s/uov  ooipüiTSQa, 


63 

Ken  rcöys  est:  et  hoc  quidem,  idque  cnm  respectu  ad  ysQcure'Qa 
yccQ  et.  Est  igitur  xal  rcöys  i.  q.  xal  diu  xo  ysgaiz^Qav  slvai,  eo 
ipso,  quod  senior  es,  av  xäqr  s/xov  ooywrtya,  tu  saue  sapientia  nie 
superas,  vetustissima  dea  juniorem.  Perspexit  hoc  glossator  Aug. 
et  Vict.;  quamquam  ejus  gl.  ad  oocpwr^Qa  pertinet:  ooipvotgQcc  diu  röv 
Xqövov.  Eodem  tendunt  conjeeturae  Wieseleri:  x-ali(xj  fxkv  et  av  xägr 
et  H.  L.  Ahrensii;  sed  aretius  inhaerendum  erat  codicura  scripturae 
et  simul  dictionis  concinnitati  inserviendum ,  cui  rwye,  utpote  in  quo 
tonus  et  vis  sententiae  insit,  uiagis  respondet  quam  simplex  zw. 
Verum  fere  assequutus  Wackef.  xal  rep  ys  juyv  av  xccqt\  falsus 
tantum  in  eo,  quod  non  vidit,  afnrmativum  firjp  exeludi  affirmatione 
xaqxa,  et  fiiv  ad  justam  sententiarum  disjunetionem  necessarium  esse. 

v.  813-  Ad  augendum,  quem  promittit,  honorem  futuram  Atbe- 
niensium  gloriam  eloquitur:  „Fore,  inquiens,  ut  ipsas  facti  poeniteat, 
siquidem  spretis  Minervae  promissis  in  aliam  terram  abire  velint." 
lYjusig  <f  ig  ätäoyvÄov  iA&ovaai  %&6va  rijg  rrjgff  iQaa&tfosa&s ,  de- 
siderio  hujus  terrae  tenebimini,  hisque  it^ovvvinvj  rdds  subjiciuntur 
iv  naQevds'Gei.  Namque  ad  praecedentia  pertinent,  non  ad  sequentia, 
quae  causam  desiderii  illius  continent:  Ovtiiqqscov  yccQ  rijuiwtsQog  xqo- 
vog  "Egtcu  noUxaig  roigde,  nee  dubium,  quin  ad  sui  aevi  gloriam 
Atheniensium  in  bis  et  seqq.  poeta  respexerit. 

v.  816  — 19.     —     —     —         Kai  av  xmiav 
"EdQav  iyovaa  nQÖg  d'6/uoig  3EQe%&£'a)g 
Tsv^si  nag1  civdqwv  xal  yvvccixsfvDv  GroXwv , 
c'Oat]v  nag1  aZÄiop  ovnor    av  ayid-oig  ßgorcov. 

Structura  vacillat.  Nam  si  habet  sedem,  non  potest  dici,  earn 
habituram  esse:  tyovaa  %8<*av  tsv^ei  {sSgav  vel  avri]v)  x.  r.  X.,  nee 
potest  ootjp  ad  böqkv  referri.  Non  enim  de  magnitudine  aedium,  quae 
non  sane  erat  insignis,  sed  de  magnitudine  honoris   sermo  est.     Sa- 


64 

cellum  Furiarum  teste  Pausania  I,  c.  28,  §  6,  extra  arcein  erat 
Athenarum  prope  Areopagum:  nXr\Glov  8k  (sc:  'Aqslov  ndyov)  Uqov 
&swv  iorlv,  clg  xciXovgiv  'Axhjvaioi  2ejuvdg.  Hinc  latiore  sensu  An- 
teilig. TXQÖg  do/xotg  ^Eosxd-swg.  Erechtheum  enim  in  ipsa  arce  situm, 
nee  puto,  quae  plurimorum  est  sententia,  Souovg  'Eoex&gwg  pro  acro- 
poli  dici,  id  enim  sine  exemplo  esset. 

Hinc  irriti  incongrua  illa  nectendi  conatus,  ut  Abreschii,  qui 
t/ovoa  reibet  idem  esse  statuit  quod  e&ig,  Fritzscbii,  qui  ad  oGt]v 
intelligit  rifjirjv ,  quod  ex  ri/ulav  bdoav  duci  posse  arbitratnr;  sed  hoc 
nimium  remotum,  et  cum  i'doav  intercedat,  ab  hoc  quidem  ogyjv  se- 
parari  non  potuit;  Wieseleri,  qui  ad  xi/ulav  xögov  intelligit,  ut  oGrjv 
habeat,  quo  referatur;  at  vero  relationis  lex  tunc  ogov  seil.:  nulav 
requirat.  Corrupta  igitur  vox  et  scrib.:  ogwv  jiciq1  utäwv  x.  r.  X.  i.  e. 
toovov,  boa  nao'  aAAcov  ovnor'  av  G%£&oig.  Origo  corruptelae  ex 
nimio  ouotsäsvzwv  numero,  nao'  dvdouiv  xal  yvvaixslcov  gtoäuiv,  ogojv 
naQ   dV.wv,  nee  tarnen  quidquam  in  bis  impediti  aut  perplexi. 

v.  820.  Sv  <f  iv  xotioigi  roTg  iftoloi  juij  ßdX^g 

M^d^  atjuartjQccg  d-Y\ydvag}  Gnkdyyvwv  ßXäßag 
N£wv,  dolvoig  ifi/uavsig  &v/u(6/uaGi. 

Ita  vtwv  dolvoig,  sed  sine  interpunetione  Med.  teste  J.  Franzio. 
vtcov,  dolvoig  F.  V.  Idem  collator  Vict.  ad  Rob.  non  indicato  codice, 
et  falsum  est,  quod  refert  Wieselerus,  dolvoig  conjeetura  Robortelli 
vulgo  illatum  esse  in  verborum  ordinem.  Has  autem  aljuanjQag  &riyd~ 
vag  Gnldyxvuiv  v£üjv  ßXdßag  dicit,  quia  viro  illo  laedi  partus  et  cor- 
rurnpi  persuasio  erat;  sed  quare  eosdem  dolvoig  i/ujuccvsig  &vui6jU(eGi 
appellaverit,  aut  quomodo  ita  appellare  possit,  id  quidem  nemo  neque 
aperuit  neque  aperiet.  Qv/uw/uceTa  enim  seu  irae,  quaeeunque  sint 
Furiarum,  non  possunt  ad  guttas,  quas  destillant,  transferri;  haec 
enim  metaphora,   quae  nobis  iratas  stillas  seu  potius  furiosas  iris  vino 


65 

carentibus  exhiberet,  non  Aescliylea,  sed  absurda  esset.  Altera  le- 
ctio  viwtf  doivovg  Flor.  Veu.  1.  Aug.  Guelph.  A.  R.,  quo  miraculum 
augetur,  admissum  illud  ab  H.  L.  Alirensio,  qui  opinatur,  multo  me- 
lius GJiMyzviov  ßXdßag  doivovg  vocari,  quam  Svjuoj^ccra,  non  impro- 
bante  talia  Wieselero. 

vAoivov  istud  ad  ipsas  Furias  spectat.  His  occurrit  Oedipus,  ut 
ipse  ait  Soph.  Oed. C.  100  vij<f>wi>  doivoig,  i.e.  sobrius  sobriis,  ad  quae 
illustranda  eonferunt  a  scholiaste  apposita  ad  v.  157  seqq.,  ubi  de 
luco  Eumenidum  senno:  jutj  noogniörig  vdnsi  üoidsvzi,  xd&vdoog  ov 
Koartjo  /lisiäixioji'  noziöv  cP8v/nazi  gvvxq£xsi-  Ait  schol. :  bnov  xqazrJQ 
vdcczog  nAijorjg  Gvyxvqvdzui  QSVjuazi  yXvrJwp  nötoiv.  Alter  schol.: 
avyzvqvazai  ydq  zavzaig  zeug  ihsaig  vdazog  xctl  /ushzog  xqd/ua.  Haec 
vrupdha  sunt  Furiis  ex  antiquo  usu  offerri  solita,  ut  a  Clytaemne- 
stra  Eumeu.  v.  106  f]  noXXd  /usv  örj  zdtv  ifxäjp  iZsi^azs  Xodg  z  doi- 
vovg ,  vtj(pdkia  jueiAiy/uccza.  Ista  igitur  et  nostro  loco  respicias,  nee 
dubium,  quin  singulari  numero  opus  sit:  dotvoig  ijuuaprjg  ^rv/ueouaot. 
Non  sine  acerbitate  dicit  Furiam  iraeundia  velut  inebriatam,  cum 
tarnen  vino  nti  non  consueverit.  Sensit  hoc,  ni  fallor,  schol.  R.  V. 
d-v/xm/jüaGi'  oqyalg,  bzi  xal  olvoi&^vzsg  zqönovzivd  yCyvovzca  e/u/uca/sig. 

v.  862.  Mr\&  &%shovo'  wg  xaqöiav  dXsxzoqoov , 
*Ev  zoig  i/uoig  dozoloiv  tdqiorjg  "jtqt] 
3E/J.(pvhöv  zs  xal  nqog  dXlr\Xovg  &qccgvv. 

Pro  i^sXovoa  contra  metrum  habet  t&l&ovGa  Aug.  et  schol.  R. 
in  lemnate :  i&A&ovGcc  dianeqüoccGcr  fxd^ifiov  ydq  xö  oqvtov  zvSv  zs 
dXXojv  Ctocov  zb  Gvyysp&g  cädovfASvuw  juovog  ov  <psidtzai.  Sed  schol. 
V.  i'geÄovGcc  avanzsQcÖGaGcc  ud%i{iov  ydq  x.  z.  X.  voce  aperte  cor- 
rupta.  Fuit,  ni  fallor,  et  hie  i&ZxrovGa-  dvcmeqdGeiGct.  Nam  tl-sÄ- 
S-sip  pro  dicmsqdGai  vel  dvamqdoat  explicari  potest.  Sed  aliena 
haec  a  nostro  loco.      Hinc  in    auxilium   vocandnm   Pindaricum    illud: 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  |V.  Bd.  II.  Abthl.  9 


trvdouc'cyas  ar  eeXiy.rvDo  Ol.  XII,  14,  ubi  schol.  top  äXtxTOoa  naoif- 
/Ltjq&p  diee  xo  xazoixidfovg  noielG&ai  rag  fiäyag  tö  £wov  zovro.  Nempe 
gallus  gallinaeeus  omnis  gallum  hnpugnat  nee  possunt  duo  simul  in 
eadein  galliuarum  caterva  locum  obtinere,  quod  commode  ad  dy/ua- 
yioyovg  avriliqkovg  et  ad  bella  intestina  vel  civilia  transferas. 

Nee  in  his  solis  difficultas  \  corrupta  etenim  sequentia ,  in  quibus 
ifiQVGtjt  xceoa  M. ,  posteriori  am  v\  nsutato,  teste  J.  Franzio.  Wovori 
xüotj  Aug.,  tdovörj  ßccorj  R.  Ex  bis  proxima  verae  lectioni 
Med.  illa  Idgvoqi  xaor\,  quae  quidem  2  in  K  mutatuni  monstrat, 
et  verum  invenit  jam  egregius  G.  Canterus  n.  16:  „Puto  Aeschylum 
scripsisse  idovörfg  aor}. 

Sed  quid  facias  partieipio  t&Xovaal  De  hoc  cum  desperarent 
interpretes,  multis  conjeeturis  locum  vexaverunt,  Wackef.  utjdi  nrt- 
oovo ',  Hermannus  firjd''  l^iSovd1  scribendo,  alii  aliter.  At  vero  ex- 
plicatione  vocabulum  indiget,  quae  in  promptu  est.  'E^atotiv  enim 
eximere  vel  exserere,  promere,  eoque  excitare  et  in  eonspicuo  po- 
liere: Soph.  Electr.  1419  tioXvqqvzop  yao  alfi  vnsizaioovGt  rtov  Kra- 
vövtwv  oi  nalai  &av6vT£g ,  ad  quae  minus  aecurate  schol.  txyjovoi 
t6  alfjtcc  r(x)v  (fov&vGävxwv  oi  (povsvd-ivrsg ,  quamquam  probatus  ab 
Ellendtio  in  lex.  Soph.  s.  h.  v.,  qui  pejus  etiam:  morte  s.  occisione 
de  medio  tollere.  Qua  enim  alfj.ee  occisione  de  medio  tolli  potuit? 
quod  tali  nexu  ipsam  mortem  indicat.  Hermannus  significationi  pri- 
mariae  inhaerens  {vjis&ciquv  est  oeculta  et  recondita  promere.  Oed. 
R.  227.  Eurip.  Hipp.  633.)  verbis:  clarn  promunt,  i.  e.  excitaut 
caedem  vel  ad  caedem  oeculto  compellunt.  —  Cor  sedes  animi  tarn 
f'ortis  quam  timidi  habetur,  utque  Homerus  cervi  corde  timiditatem  in- 
dicat, II.  a,  265  xvvög  ö/ufjat  tyiav,  zoadirjv  <T  IXäyoio ,  ita  Aeschy- 
ius  animum  audacem  xaqdktv  aX£xxoqog  nominat,  sed  audacem  in 
vixis  internis  et  ad  decertandum  paratum.  Ceterum  notanda  inirä 
Wieseleri    verborum   interpretatio    xaodiag  —   Idovoat    /   scribentis. 


67 

Vertit:  „Neque  vero  eximes  tanquam  e  corde  gallorum,  ot  in  civiuin 
meorum  pectore  colloces  martern  domesticum."  Quid  vero?  opasne 
auiaimn  puguacem  galli  gallinacei  exirnere,  hosque  inanes  relinquere, 
ut  eum  in  cives  transferas?  Et  quid  hoc  ipsum,  gallis  animum  velut 
intestina  exirnere  et  alio  transferre?  Struas  igitnr:  fiyds  sv  rotg 
8/iiotg  dazoiai  l§Qvorigy'AQrj  IfxtfvXiov,  i^sAovaa  (sc. :  ovtöv)  wg  xctQ§iäv 
äXsxroQcov.  „Neque  constituas  in  civibus  rneis  martern  domesticum, 
exserens  eum  et  in  lucem  proferens  velut  animum  gallorum",  i.  e.  ne 
efficias,  ut  cives  mei  de  rebus  domesticis  inter  se  decertent  deprae- 
liantium  instar  gallorum. 

Notanda  item  minor  sane,  non  tarnen  praetermittenda  Dindorfii  mu- 
tatio,  m]t  pro  /ut]d'  scribentis.  Poeta  saue  sententiae,  quam  a  versu  2n> 
<T  ip  rönoiai  rolg  i/uocoi  utj  ßäfyg  inchoat,  praedicata  forma  oratio- 
nis  disjunctivä  subjungere  voluit  per  /utjrs  — juijts,  sed  cum  in  priore 
disjunctionis  membro  amplificaudo  jwjd'  aljuart]Qag  x.  r.  X.  duos  ver- 
sus insumsisset,  pro  altero  levi  anacoluthia  sententiam  posuit  novam 
et  iutegram:  fxrjd'  i&2.ovo  —  IdQvoyg  "AQt]  x.  r.  X.,  addens  insuper 
lp  xolg  i/uoig  dotoloip,  quod  nsQiTroAöywg  fieret ,  si  disjunctio  servata 
esset.  Nam  idem  continent  verba  ip  ronotai  toig  i/uoig  in  praece- 
dentibus  extra  disjunctionem  et  ita  posita,  ut  ad  utrumque  ejus  mem- 
brum  pertinere  debeant.  Vidit  Wieselerus  quoque,  quid  justa  mem- 
brorum  disjunctio  requireret,  nempe  /utj  ßdfyg  &iqyüpctg,  //^J"  i/u(pü- 
XiopvAQtj,  quamquam  non  ubique  /utjrs  et  jutjds  sese  excipere  possunt, 
ut  ille  videtur  statuere,  sed  in  illis  tantumlocis,  in  quibus  posteriore 
disjunctioue  majus  et  significantius  priore  continetur.  Interiorem  autem 
loci  oeconomiam  qualis  illa  ex  anacolutho  prodiit,  nee  ipse  perspe- 
xit,  dum  dicit,  „vel  sie"  inepte  procedere  verborum  strueturam,  ut 
interpolationi,  quam  tetigimus,  locum  patefaceret. 

v.  865.   (")vQctlog  tGrco  TtöÄeuog,  ov  uoAig  necowp , 
*Ep  10  tis  bozai  detpog  svxAei'ag  totog. 

9* 


68 

Cogitare  poetam  de  bello  sui  aevi  Persico  magno  illo  et  glorioso 
perspexit  jam  glossator  Aug.  super  &vocuog  ponens  6  nsooixög.  Nee 
alker  Hermannus,  alii.  Non  igitur  erat,  quare  de  verbis  ov  fiöfag 
mtQtov  dubitarent,  quae  ov  pofag,  naoeov  distinxit  Wieselerus,  tj 
«o//s  nciQiov  scripsit  Hermannus,  et  mox  adest  (er  ist  bald  da)  ver- 
tit  J.  Franzius,  sequutus,  ut  videtur,  scholiasten,  qui  ov  fxaxqctv  naq- 
6)v  explicat.  Est  /usiojaswg  species,  quam  eadem  forma  habet  Agam. 
1052.  'Ati(6?,£öccq  yao  ov  /noÄig  to  (hvrzQov ,  et  in  similibus  Sept.  c. 
Tli.  v.  447.  Eofttj/Ltdr iGtca  J"  äamg  ov  ö/mxqov  tqotiov  de  insigni  or- 
natu,  et  Pind.  Pyth.  II ,  32:  ovx  avsv  x£%vc(g  de  dolo  maximo  et  per- 
niciosa Est  igitur  ov  fxohg  naqwv  i.  q.  Gifödocinaoubp ,  nenipe  Mars 
ille  Syrius ,  de  quo  Delphicum  oraculum  Athenieusibus  dira  haec  ca- 
nebat  ap.  Herod.  VII,  140.  s£  /ueÄeoi,  xt  xä&tjG&i;;  Xmwv  (ptvy 
to/arn  ycefyg,  Ovrt  yao  tj  xttpah]  ju£vsi  tjUTiedov  ovrs  to  ocoua  .  .  . 
y.c.Ti'.  yccQ  fiiv  iqsCnsi  TIvq  ts  xcu  o%vg  "AQfjg^  ^VQiqykvsg  cco/uet  diwxwv 
;r.    r.   ä. 

At  vero  miraculi  instar  quod  jubet  et  hortatur  Minerva  Övoaiog 
kGTw  nöXtpog  x.  r.  %.,  ubi  vaticinari  debet  et  vaticinatur  iv  a>  rig 
Unat  x.  r.  X.,  ubi  hortationi  locus  erat.  Haec  aperto  avio  xcitw  fluni; 
sed  leni  manu  sanes,  jutTa&£ou  iniperativum  et  futurum  suo  loco 
collocans. 

("Jvot'log  torat    nÖÄt/uog  ov  fxöhg  naqwv , 
Ev  o)  rig  I'gtuo  dstj'og  svxAeiccg  toojg. 

Nunc  demum  recte  subjungit:  *Evoixlov  d'  bovi&og  ov  Myw  /ua- 
Xr/i>,  i.  e.  nibili  facio,  despicio,  utpote  in  quibus  gloriae  nullus  locus, 
et  eo  quo  debent  ordine  omnia  procedunt:  „Nee  internas  in  urbe 
mea  pugnas  excites."  Vcniet  peregrinum  bellum  magno  cum  impetu. 
atque  in  eo  cives  mei  maximum  illud  gloriae  desiderium  exhibeant, 
quae  nulla  esse  polest  in  turbis  civilibus. 


69 

Internum  bellum,  Opposition  externo,  xtvoaiw  indicat  iwixiov  op- 
vi&og  fxüyr\.  Haec  dum  negat  se  dicere,  ou  As'yto,  hoc  non  simpli- 
citer  est  commemorari,  quae  Hermanni  aliorumque  fuit  sententia,  sed 
nullo  loco  ducere,  despicere,  cum  contemptu  dictum,  ut  Soph.  Autig. 
183:  Kai  /btsiZor  oGrig  avrl  rijg  avrov  näroag  <f>iXov  v'OfXiXsi ,  tovtov 
ovSafxov  fayu) ,  de  quo  cf.  interprett.  et  Ellendt.  lex.  Sopli.  T.  III. 
p.  17.  Eorum  enim,  qui  haec  audiebant,  animo  obversabantur  prae- 
clarae  illae  Nestoris  obtestationes  II.  *,  63 :  'Ag>(fijrwQ;  cid-g/MGrog, 
dvsGriög  sgtiv  sxslvog,  "Og  noAtjuov  soarai  tmdtjjutov ,   o-xöüo&PTög. 

Splendidam  haue  orationem  epilogo  coucludit  aptissimo: 

Toiaix)-3  sXso&ai  goi  näosGnv  «|  s^wv, 

Ei  Sowoav,  sv  na^G/ovOav,  sv  riuw^isv^v , 

Xuioag  f-israG^slv  rijods  dsoipiKsGr artig  — 
in  quibus  se  excipiunt  naosori  goi  steG&ai,  et  ins^jjyijaiv  constituunt 
%wQag  fxstaG^stv  sv  dorioGav,  quae  sententia  prior  generalis  per  par- 
tes explicatur.  Possis  wgrs  post  s2,so&ai  goi  uccqsgtiv  Ǥ  s/uov  in- 
telligere;  sed  neque  hoc  opus.  At  vero  nexus  totius  orationis  tur- 
batus  est.  Cum  euim  in  novem  praecedentibus  versibus  nihil  uisi 
quod  ad  mala  a  Furiis  imminentia  averruncanda  et  ad  Athenienses 
nioneiidos  spectet,  exponi  videas,  ad  haec  quidem  toiuv&  bXso&ai 
pertinere  non  possunt;  ea  autem,  ad  quae  haec  pertinent,  et  quae 
de  houore  Furiis  apud  Athenienses  destinato  agunt,  cum  tantum 
remota  sint,  apertum  est,  haec  quidem  non  amplius  audientium  animis 
ita  inhaerere  posse,  ut  roiavif  sXsG&ai  nulla  alia  re  apposita  illuc 
referri  possint.  Hinc  trauspositione  opus  judico,  qua  orationis  ordo 
constituatur  bic:  Primum  monet  dea  Furias,  siquidem  vetustiores  eoque 
sapientiores  sint,  ob  id  ipsum  ne  prudentiam  sibi  quoque  a  Jove  da- 
tam  despiciant,  haneque  deineeps  eo  explicat  modo,  quo  bis  jam  in 
praecedentibus  fecerat,  primum,  ut  preces  adhibeat,  quibus  a  maus 
Atticae  infereudis  Furias  sevocet,  deinde  vero,  ut  honores  ei,  si- 
quidem obsequiosae  esse  velit,  ab  Atheniensibus  habendos  promittat. 


70 

His  ita  positis  servatur  eadem,  quae  in  utraque  oratione  praegressa  dis- 
positionis  ratio,  et  jam  commode  epilogum  addere  potuit  roucvfr'  kXia&m. 
Iuvabit  auteni  totnni  locuni  adscribere,  qualem  cum  constiluimus: 

'Ooydg  %vvoIgü)  aoi-  ysoanhoa  yäo  et' 
Kai  ztöyn  /.up  ov  xäQTy  i/nov  ooyxozh'Qa , 
4>qopup  dz  xd/uol  Zsvg  tdwxsp  ov  xaxcög. 
J£v  (f  ip  xonoioi  roig  i/uoiai  juij  ßäXyg 
Mi]d-}  al/ucntjQCig  &rjyäpag,   07zAay%pcop  ßXaße.g 
JVicop ,  v.oivoig    i/u/uaptfg  xJ-v/uojjuaoi , 
Mrjff  i&Xovo1  tog  xaodtap  äXsxroowp 
*Ep  roig  i/uotg  äotolaip  IdQvGflg  "Aqtj 
3E/n<pvAiop  re  xccl  noog  dAAijAovg  &qccgvp. 
QvQcdog  total  noÄejUog  3  ov  fxöXtg  TiaQOjp , 
*Ep  u}  rig  torw  dsipog  svxXstag  towg. 
'Epoixiov  <T  OQPi&og  ov  Xiyo)  ptkpjv. 
'YfM-ig  <T  ig  atäoipvXop  iXdovoai  %&6va 
rijg  rjysff  ioao&tjoso&s ,  noovppsnto  rddi. 
OvniQQscop  yäo  rtjMWTSQog  %oöpog 
"Eorai  noXtxaig  rolgde  *  xal  ov  riuCap 
"Edoap  tfiovoa  noög  (fö/uoig  ^Eosx&swg 
Tsv$ei  naQ    ccpöomp  xal  yvpaixsiwp  otoäwp, 
'Öoojp  nao'  aXXojp  ovnox    up  O'/i&oig  ßooTWP. 
TotavS-'  bÄto&ai  oot  näosovip  0;  i/nov, 
Ev  dowoav,  sv  ndogovoap ,  sv  rijucofiepr/Pj 
Xojoag  jusraG^sTp  rrjgds  &so(fiXsoräj^g. 

Non  opus,  quod  monear»,  liaec  quoque,  quae  praedicit:  lYfisig 
(T  ig  .  .  .  igaoS-rjoea&s  nunc  habere,  quo  nitantur,  ea  nimirum,  quae  de 
magno  illo  hello  et  de  Atheniensium  praeclaro  gloriae  in  illis  pugnis 
studio  cecinit.  Ex  Ins  enim  futura  Atheniensium  magnitudo  orietur. 
quae  desiderium  Atticae  terrae  movere  in  postero  aevo  Furiis  debeat. 


DE  LOCIS 

IN 

P.  CORNELII  TACITI  VITA  AGRICOLAE 

LACUNOSIS 

DISSERTATIONEM 

CLASSI  PHILOLOG.  AC.  MONAC. 

DIE     IX.     MAU    ANNI     MDCCCXLVU 

EXHIBITAM 

PRAECEDENTI   EPIMETRUM 

ADJECIT 

FRIDERWüS   THIERSCH. 


DE 


LOCIS  IN  P.  CORNELII  TACITI  VITA   AGRI 
COLAE  LACUNOSIS    DISSERTATIONEN. 


Cum  de  locis  Acschyli  lacunosis  egerimus,  haud  inconimoduin 
visum  est,  dissertationi,  qua  de  Ulis  tractatur,  epimetri  loco  subjun- 
gere  alteram  de  lacunis,  quibus  oratio  Tacitea  in  Vita  Agricolae 
etianmum  hiat.  Interpretes  enim  fere  omnes  11011  tani  in  Ulis  inve- 
stigandis  atque  demonstrandis,  quam  in  eo  versati  sunt,  ut,  quae 
discerpta  et  inconcinoa  e  reliquorum  ruina  eminent,  aliquo  modo  con- 
sarcinarent  aut  quadam  ratione  dici  posse  contenderent,  quae  res  et 
miras  explicationes  protulit,  et  orationem  reliquit  multis  vitiis  conta- 
minatam. 

Codices  manuscripti  Agricolae  pauci  sunt  iique  recentes^  quippe 
qui  saeculum  XV.  non  superent.  Ex  uno  fönte  eorum  orationem  de- 
rivatam  esse  inde  concludi  potest,  quod  in  principibus  corruptelarum 
locis  easdem  lacunas  aut  eadem  lectionum  monstra  exhibent.  Eadem 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d   1i.  Alt    d.  Wiss   V.  Bd.  II.  Abthl.  10 


7  1 

Geriiianiae  et  dialogi  de  rhetoribus  conditio,  neque  dubiuni  mihi  vi- 
detur,  tres  hos  minores  libros  Taciti  majoribus  postpositos  finem 
constituisse  tum  reliquorum  codicum  Taciti  integrorum,  tum  illius,  qui 
saec  x.  ductibus  Lombardicis  exaratus  et  initio  atque  fine  destitutus 
in  bibliotheca  Medicea  Florentiae  asservatur,  quem,  si  priores  Auna- 
lium  libros  excipias,  nniversae  Annalium  et  Historiarum  lectionis  ori- 
ginem  esse  jam  omnes  interpretes  profitentnr.  Statuendum  igitur, 
saeculo  XV.,  cum  über  ille  misere  habitus  detegeretur,  ultimos  ejus 
quaternioues  a  reliquo  corpore  divulsos  fuisse,  unde  factum  est, 
ut  seorsim  haberentur  et  librariis  inservirent,  qui  nulla  reliquorum 
cina  Agricolam  ant  Germaniam  aut  dialogum  describerent.  De  Ger- 
mania id  nunc  quidem  summa  diligentia  et  antiquae  diplomatiae  peritia 
monstravit  Job.  Ferd.  Massmannus,  qui  nuper  Germaniam  integra 
manuscriptorum  lectione  instructam  edidit.  Eadem  prorsus  est  Agri- 
colae  natura  et  conditio,  cujus  duo  tautum  Codices  Vatic.  A.  B.  ac- 
eurate  cogniti  sunt,  ductu  nitido  et  ita  descripti,  ut  facile  perspicias, 
librarios  in  expendendis  et  reddendis  scripturae  siglis  saepius  hae- 
sisse  aut  falsos  fuisse.  Quo  pervenerit  priscum  illud  exemplar,  id 
quidem  hucusque  investigari  non  potuit,  uec  tarnen  desperandum  est, 
fore  ut  in  aliquo  Italicarum  bibliothecarum  loculo  vel  latibulo  inve- 
uiatur.  Praeter  utriusque  codicis  Vaticani  collationem,  quam  satis 
accuratam  Dronkiana  exhibet  editio  altera,  a  Wexio  e  codicibus 
duobus,  quos  r.  A.  notat,  publicatae  sunt  sparsae  lectiones  in  pro- 
grammate  de  Taciti  Agncola  a  1845  edito.  lüde  Joh.  Casp.  Orel- 
lius,  vir  praeclarus,  sperat  multo  plura  et  accuratiora  a  Wexio  ali- 
quando  subministratum  iri,  et  certam  xqCgiv  diplomaticam  tuuc  demum 
in  hac  Taciti  cura  exercitum  iri,  ubi  Wexii  editio  diu  exspectata 
prodierit.  Nos  quoque  quod  felix  faustumque  sit  in  ea  re  optamus, 
sed  quae  specimina  Wexius  e  codicibus  suis  protulit,  quicunque  de- 
miiin  illi  sint,  documento  sunt,  hos  non  melioris  esse  notae  quam  li- 
bros Vaticanos.  Editio  princeps  Taciti,  quae  Vendelino  Spirensi 
debetur,  Agricofam  ignorat,  quem  primus  seorsim,   mox  cum  reliquis 


75 

Taciti  libris  tunc  cognitis  edidit  Puteolanus.  Hujus  textus  cum  a 
Codd.  A.  B.  non  raro  recedat,  interpolatum  ab  editore  jodicat  cum 
aliis  Orellius,  de  qua  re  nulluni  certum  datur  Judicium.  Cum  primus 
Agricolam  Puteolanus  ediderit,  libellum  nonnisi  e  manuscripto  codice  du- 
cere  potuit.  Huoc  ab  utroque  Vat.  codice  diversum  flösse,  magna 
lectionum  in  multis  locis  diversitas  docet,  dissentiunt  etiam  saepius 
quae  Wexius  e  Codd.  r.  A.  attulit.  Quis  vero  codex  fuerit, 
num  servatus  ille  ad  nostram  memoriam  sit,  et.  quo  lateat  loco,  cum 
omnes  ignoremus,  Judicium  nulluni  institui  poterit  de  iis,  quae  ex  ejus 
scriptura  fluxerint  aut  Puteolani  ingenio  debeantur.  In  Universum 
judicanti  probabilius  est,  Puteolanum  cum  fide  exhibuisse,  quod  scri- 
ptum aut  invenit  aut  se  inverüsse  credidit,  quamquam  priscis  illis 
editoribus  non  magis  quam  librariis  nulla  religio  esset,  non  monito 
lectore  corrigere,  quae  aperto  corrupta  judicarent.  Accedit,  quod  de 
codicum  adhuc  exstaiitium  lectionibus  nequaquam  dubitationes  omnes 
sublatae  sunt.  Ita  quae  ab  initio  notatur  ab  Orellio  lectio:  „petissem 
ni  cursatnrus  tum"  cum  Put.  B.,  ea  in  Puteolani  quidem  libro  est. 
sed  in  cod.  B.  petiissern  incusaturus  tarn  exstat.  In  eodem  seria 
(i.  e.  saevia)  et  infelicidj  quod  Wexius  e  C.  J.  attulit. 

Ac  mihi  quidem  opinio  suborta  est,  codicum  primorum  et  reli- 
quorum  parentem  Puteolani  aevo  adhuc  superstitem,  eiqne  in  ador- 
nanda  Agricolae  editione  ad  manum  fuisse.  Continent  enim  ejus 
editiones  lectiones  non  paucas,  quas  e  compendiis  scripturae  diffici- 
libus  et  evanidis  pervetusti  libri  ductibus  majore  minoreque  cura  aut 
recte  aut  perverse  ab  ipso  editore  extricatas  credas.  Sed,  de  Ins 
nunc  quidem  agere  non  est  animus,  verum  ad  propositnm  transeamus. 

Cap.   8. 

Brevi  deinde  Britannia  consularem  Petilium  Verteilern  accepit.   Hn- 
buerunf  virtutes  spatium  exemploriim. 

10  * 


70 

Spatium  est,  quo  virtutes  sese  exercere  et  excurrere  poterant. 
Sed  hoc  ne  in  Tacitea  quidem  brevitate  spatium  exemplorum  dici  po- 
tuit.  Nou  enim  exempla  seu  exemplum  ducis  id  praebuerunt,  sed 
Cerialis  expeditiones  et  in  viris  idoneis  eligendis  prudentia,  quam 
seqq.  monstrant:  „Sed  primo  Cerialis  modo  labores  et  discrimina, 
mox  et  gloriam  communicabat;  saepe  parti  exercitus  in  experimen- 
fum,  aliquando  majoribus  copiis  ex  eventn  praefecit."  Eodem  spe- 
ctat locus,  quo  usus  est  Doederlinius,  vir  praeclaros  mihique  dile- 
ctissimus  Annal.  XIII,  6.  „videbaturque  virtutibus  locus  patefactus. 
Huic  igitur  spatio,  quod  virtutes  habuerunt,  accessit  exemplum  ducis, 
tauquain  altera  pars  praeclarae  illius  disciplinae  bellicae.  Seite,  ut 
solet ,  Lipsius ,  magnus  Taciti  restaurator :  „Ego  sie  lego.  Habuerunt 
virtutes  spatium  et  exemplum.  Sed  primo  Cerialis  modo  labores  etc. 
hac  sententia:  Cerialis  et  spatium  campumque  exercendis  virtutibus 
dedit  et  exemplum  ct."  Nulluni  tarnen  particulae  et  vestigium,  neque 
darum,  unde  syllabae  orum  origiuem  habuerint.  Itaque  lacunam 
quatuor  syllabarum  statuo  et  scribendum  judico:  spatium  exemplum- 
que  superiorum.  Plurali  usus  est,  ut  tauquam  sententiam  universa- 
lem adderet:  exemplum,  quäle  a  superioribus  dari  potest. 

Cap.  10. 

.  .  .  insulas,  quas  Orchadas  vocant,  invenit  domuitqne.  dispeeta  est 
et  T/tule,  quam  hactenus  nix  et  hiems  appetebat.  Sed  mare 
pigrum  et  grave  naviganlibus  perhibent  ne  ventis  quidem  prffi- 
inde  attolli. 

Ita  Puteolanus;  Frobenii  editio  despecla  et  perinde.  Rbenanus: 
„Scribo  abdebaf,  hoc  est:  oecultabat."  Idem  despeeta  in  dispeeta 
mutavit  aut  e  Puteolano  reduxit.  Sequuti  sunt  Lipsius,  Pichena,  alii. 
Cod.  Vat.  A.  abdebaf. ,  B.  jussum  et  hiems  appetebat.  Idem  jussum 
et  e  cod.  J.  a  Wexio  notatur. 


77 

Haec  corrupta  esse  statuunt  fere  omnes,  et  Orellius  crucem  inter 
voces:  quam  hactenus  posuit.  Defendere  ausus  est  Doederlinius  sup- 
pleudo  ad  quam  hactenus  voces  invenit  domuitqne.  Sed  quomodo 
classis  Romana  non  invenisse  soluin,  sed  domuisse  quoque  dici  potuerat 
insulam,  quam  nonnisi  et  longinquo  dispexit  i.  e.  ne  clare  quidem  di- 
stinxit?  Nee  acumeu  inveniri  potest  cum  Doederlinio  in  eo,  ut  quasi 
dispexisse  terram  aliquam  populo  Romano  paene  idem  haberetur  ac 
domuisse,  seeundum  Caesaris  illud:  veni,  vidi,  vici.  Hoc  enim  supinae 
jaetantiae  esset,  non  Taciteae  gravitatis,  siquidem  contenderet,  suffi- 
cere  fere  Romanis  ad  domaudam  insulam,  si  vel  e  longinquo  dispi- 
ceretur.  Ab  bis  longe  diversum  est,  quod  ipse  Agricola  c.  33  non 
sine  gloria  coram  exercitu  dicit:  inventa  Britannia  et  subaeta.  Exer- 
citum  enim  alloquitur  ejusque  pugnandi  cnpiditatem  incendere  studet, 
non  vero  bistoricum  agit;  quo  accedit,  quod  Caledoniam  ingressus 
est,  ejusque  proxima  exercitu  forti  stipatus  obtinet.  Adde,  quod  ne 
coustruetio  quidem  procedit,  cum  neque  „hactenus,  i.  e.  in  eum  usque 
locum,  ut  dispiceretur  invenit",  Latinum  sit,  et  „eum  usque  in  locum 
domare"  sensu  careat.  Dronkius  scite,  ut  solet,  notat:  Equidem  puto 
corruptelam  latere  in  verbis:  hactenus  nix  et  vel  jussum  et,  ex  qui- 
bus  quid  sit  eliciendum  nondum  perspexi."  Lectio  codicum  duplex : 
hactenus  jussum  et  atque  hactenus  nix  et  monstrat,  in  textu  prisco 
fuisse  fere  duetus:  JUSSUMNIX,  ex  quibus  alter  librarius  jussum, 
alter  nix  derivaret,  reliquis  litteris  neglectis.  Orellius,  qui  et  ipse 
locum  corruptissimum  judicat,  Handium,  virum  litterarum  Latinarum 
scientissimum,  commemorat,  qui  Tursel.  III,  p,  10  multas  multorum 
iuterpretationes  et  conjeeturas  examinet  additque:  „Puteolani  autem 
scripturam  nix  pro  jussum  prorsus  arbitrariam  esse  etiamtum  nescie- 
bat.  Recte  Wexius  Program.  p.  10  eam  emendationem  ab  illo  fa- 
etam  moustris  adnumerat."  Cum  vero  eadem  lectio  in  codice  Vat. 
B.  quoque  oecurrat,  Puteolano  saltem  non  recentiore,  baud  dispicias, 
quomodo  emendationibus  Puteolani  adnumerari  possit?  Summa  autem 
iniquitas  memoriam  viri  ceteroquin  eruditissimi  et  perspicacis  onerare 


78 

emendationes  ab  ipso  factas  dicendo  easque  monstra  appellando,  quae 
aperto  codicis,  quem  exprimebat,  corruptelae  sunt.  His  autem  si  in 
salutein  scriptoris  uti  non  possis,  culpam  saltem  in  alius  vituperium 
ne  couvertas.  Textus  autem  aperte  lacunosus,  quem  suppleverim  et 
emendaverim  scribeudo:  „nam  hactenus  penetrare  visum,  neque  nix 
et  hiems  abdebat."  Sed  mare  ct.  —  Visum  in  jussum  abiit,  neque  i.e.  nq 
vocula  sequente  nix  oblitterata  fuit.  Penetrare  autem  de  expeditio- 
nibus  bellicis  solemne.  Vellej.  Paterc.  H.  II,  c.  40:  Secuta  deinde 
Cn.  Pompeji  militia  .  .  .  Penetratae  cum  victoria  Media,  Albania, 
Iberia  ct.  Annal.  IV,  44:  (Domitius)  exercitu  flumen  Albim  transcen- 
dit,  longius  penefrata  Germania  quam  quisquam  priorum.  Agric.  c.  27: 
Penetranda  Caledonia  inveniendusque  tandem  Britanniae  terminus. 
Agric.  c.  34 :  silvas  saltusque  penetrantibus  fortissimum  quodque  ani- 
mal  ruere.  Classis  igitur  Thulen  i.  e.  insulam,  quam  Thulen  puta- 
bat,  non  attigit,  visum  enim  eatenus  tautum  penetrare,  qua  Thule 
dispici  poterat.  Quaeres,  quare  non  ulterius  provecta  fuerit?  Vulgo 
credebant  istas  extremas  regiones  septemtrionales  gelu  et  hieme  ri- 
gidas  et  inhabitabiles,  Hör.  Od.  I,  22  v.  17  seqq.:  „Pone  me  pigris 
ubi  nulla  campis  Arbor  aestiva  recreatur  aura,  Quod  latus  mundi  ne- 
bulae  nmlusque  Jupiter  urget",  quod  illustratur  Lucan.  IV.  106. 
„Mundi  pars  ima  (i.  e.  latus  mundi)  jacet,  quam  zona  nivalis  Per- 
pefuaeque  premutit  hiemes.  Hinc  credas,  vulgi  fuisse  opinionem, 
Thulen  adiri  non  posse,  utpote  nivibus  abditam  et  gelu  atque  glacie 
concretam.  Negat  igitur  Tacitus,  hanc  causam  fuisse,  quare  non 
ultra  oceanus  penetraretur,  sed  aliam,  quam  deinceps  aperit,  a  natura 
maris  septemtrionalis  repetitarn.  Hoc  eriim  tarn  pigrum  et  navigan- 
tibus  grave  perhiberi  docet,  ut  ne  ventis  quidem  proinde  i.  e.  eo, 
quo  par  est  et  exspectes,  modo  tollatur,  eoque  navigantibus  et  in 
defectu  ventorum  ad  remigia  coactis  adversum.  Non  igitur  hiemis 
rigore,  sed  oceani  borealis  natura  impedita  fuit  classis,  quominus 
ulterius  penetraret  et  Thulen  ipsam  attingeret.  Hoc  concisa,  ut  so- 
let,  brevitate  dicit  Tacitus:  „hactenus  penetrare  visum,  neque  nix    et 


79 

hiems  abdebat.  Sed  mare  pigrum  .  .  .  perhibent  ct."  Neque  tarnen 
nivis  et  biemis,  sed  oceani  natura  ad  ulteriora  nitentibus  obstitit. 
Ceterum  apertuai  est,  in  cod.  archetypo  verbi  abdebat,  consonantes 
priores  bd  siglo  fuisse  iudicata»,  quod  Puteolanus  in  ppet  (appetebat), 
recte  Vat.  A  in  bd  solvit,  prius  sine  sensu,  quamquam  nostris  qnoque 
diebus  defensores  nactum  sit. 

Cap.  15. 

„Singulos  sibi  olim  reges  fuisse,  nunc  binos  imponi,  e  quibus  legatus 
in  sanguinem,  procurator  in  bona  saeviret,  aeque  discordiam 
praepositorum,  aeque  concordiam  subjectis  exitiosarn.  alterias 
manus  centurionis,  alterius  vim  et  contumelias  miscere." 

Ita  Puteolanus  et  Frobenius.  In  his  B.  lihenauus  centuriones 
correxit,  quem  Lipsius  et  Pichena  sequuti,  uterque  ulterius  pro- 
gressiv. Ac  Lipsius  quideni,  alterura  ....  alternm  in  margine  cor- 
rigens,  baec  addit  in  notis:  „Corrigo,  alterum  manus,  centuriones, 
alterum  vim  et  contumelias  miscere.  Legatus  quidem,  inquiunt,  ma- 
nus militum  et  centuriones  immittit;  procurator  vim  et  contumelias 
infert.  Fortasse  etiam  melius:  alteruis  manus,  centuriones,  alternis 
vim  et  contumelias  miscere,  ut  velit  eos  alternis  et  vicissitudine 
quadam  saevisse."  Pichena  de  majori  mendo  se  suspicari  ait,  sed 
tarnen  in  Salinerii  sententia  acquiescit,  qui  putat,  Tacitum  omissis  de 
discordia  probationibus,  ut  per  se  claris,  de  propositorum  concordia 
tantum  loqui,  alterius,  scilicet  legati,  concordiam  manus  et  centuriones 
procuratori  commodare,  alterius  i.  e.  procuratoris  concordiam  vim  et 
contumelias  circa  praedas  et  raptus  legato  permittere."  Is  igitur  simile 
quid  cogitavit  eorum,  quae  c.  6  de  Salvio  Titiano,  proconsule  Asiae, 
et  Julio  Agricola,  quaestore  ejus,  refert  Tacitus :  priorem,  „in  oinueni 
aviditatem  prouum,  quantalibet  facilitate  redempturum  fuisse  mutuam 
dissimulationein  mali."  At  vero  haec  ratio  non  sincera,  sed  turbida 
et  menti  scriptoris  contraria,  quippe  qui  ea  sublecerit,  quae   et    con- 


so 

cordibus  et  discordibus  propositis  fieri  soleant.  Interim  Fulvius  Ur- 
sinus  e  eodice  suo  i.  e.  Vat.  A.  lectionem:  „alterius  servos  vim" 
protulerat,  non  inultiim  diversus  a  Vat.  B.,  qni  „alterius  manum  cen- 
lurionis,  alterius  servos",  quae  vel  sola  mons  traut,  recte  vidisse 
Pichenam,  cum  suspicaretur,  gravius  mendum  loco  inesse,  quem  ul- 
ceratum  et  verborum  confusio  et  lectionum  haec  diversitas  monstret. 
Quidni  enim  et  procurator  manus  habeat,  quaecunque  demum  eae 
siut?  et  si,  quae  recentiorum  interpretum  plurium  est  seuteutia,  manus 
explieaudi  causa  additum  fuerit,  quaeras,  quare  opus  fuerit  indicare, 
ceuturiones  alterius  i.  e.  legati  manus  esse,  quod  nulla  prorsus  ex- 
plicatione  atque  indicatione  egeref?  Doederlinii :  „alterius  manus,  cen- 
turiones  alterius,  servos  vim  et  contumelias  miscere"  quae  eodem  vitio 
laborant.  Tribuuntur  procuratori  manus  nulla  addita  vocula,  qua  in- 
dicetur,  haec  inetaphorice  de  ministris  dici,  legato  ceuturiones,  qui 
et  ipsi  ejus  manus  sunt,  servos  autem  dicit  se  revocasse  ex  Vatt. 
addito  lacunae  signo  (quod  nulluni  in  textu);  suspicatur  enim  ex- 
cidisse  utriusqtte.  De  sensu  dubitatio  nulla,  quem  et  locus  Annal. 
XIV,  31  a  Dronkio  adbibitus  monstrat:  „quod  contra  vertit ,  adeo 
ut  regnum  per  centuriones,  domum  per  servos  velut  capta  vertere- 
tur";  sed  oratio  hiulca  et  lacera,  quam  restitua.-  scribendo:  alterius 
mancipia,  centuriones  alterius  ut  in  servos  vim  et  contumelias 
miscere. 

Nempe  legatus  per  centuriones,  procurator  plerumque  per  liber- 
tos  et  servos,  quos  cum  contemtu  vocabulo  mancipia  comprehendit 
vim  et  raptus  atque  contumelias  exercebat.  Mancipia  non  intellecto 
conipendio,  quo  scriptum  fuit,  in  manus  et  w?«mwi  abiit;  voculae  ut  in 
ob  similitudinem  praecedeiitium  syllabarum  terms  extritae  sunt.  Eadem 
ruina  in  cod.  B.  et  Puteolano  v.  servos  quoque  traxerat.  Sensus  se 
ab  utrisque  pro  servis  se  haberi,  et  servorum  in  modum  ut  a  dominis 
vim  et  contumelias   pati. 


81 

Cap.   17. 

Et  cum  Cerialis  quidem  alterius  successoris  curam  famamque  ob- 
ruisset, sustinuit  quoque  molem  Julius  Frontinas,  vir  mägmis, 
quantum  licebat. 

Haec  lectio  est  inde  a  Puteolano  in  editionibus  tradita.  Sed  dubi- 
tationem  movet  quidem,  \erhis  et  quum  Cerialis  postpositum.  Conten- 
dit  quidem  Dronkius,  voculam  non  frigere,  sed  majorem  vim  voca- 
bulo  Cerialis  addere;  id  vero  recte  se  habet,  si  simpliciter  et  Ce- 
rialis quidem  dicitur,  appellativo  in  fronte  sententiae  posito,  non 
item  illato  quum,  quo  temporis  notio  appellativi  notioni  admiscetur. 
Accedit,  quod  quum  ab  utroque  cod.  Vat.  abest,  item  a  cod.  r.  A. 
Altera  diversitas  in  vv.:  sustinuit  quoqne  molem;  nam  cod.  A.\  su- 
stinuitque  molem  exhibet.  Hinc  orta  Orellii  mutatio:  „et  Cerialis  qui- 
dem alterius  successoris  curam  famamque  obruisset,  sed  sustinuit 
molem  Julius  Frontinns",  qua  ratione  nemo,  puto,  veterum  locutus 
est,  ut  sed  inferret,  ubi  nisi  expectas.  Doederlinius  vulgatam  reti- 
nuit,  et  quoque  ad  vv.  Julius  Frontinus  referendum  esse  contendit, 
„insoleutiore,  inquiens,  hyperbato,  quam  XI,  13,  X,  14",  sed  ob 
haue  ipsam  causam  non  admittendo.  „Quare  suspicor",  ita  pergit  vir 
doctissimus ,  quoque  ex  seq.  locorum  quoque  per  diGGoyocHplav  na- 
tum  expulisse  quod  hie  scriptum  erat.  „Et  cum  Cerialis  alterius  suc- 
cessoris curam  famamque  obruisset,  sustinuit  quidem  molem  Julius 
Frontinus"',  id  vero  vel  hac  de  causa  improbandum,  quod  tali  in  situ 
quidem  vim  minuit,  non  äuget,  ut  fieri  debet.  Supplendum  enim: 
et  sustinuit  quidem  molem,  sed  non  tantum,  quantum  auf  poterat 
aut  expeetari  debeat  aut  simile  aliquid. 

Locus  autem  laborat  etiam  in  vv.  alterius  et  obruisset.  Prius 
poni  dieunt  ut  Graecum  hiQov  xivög,  idque  pro  cujusque  alte- 
rius vel   uniuseujusque  alterius  successoris,    quieunque    ille  fuerit. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak    d.  Wiss.  V.  Bd.    II.  Abthl.  1  1 


82 

Hoc  vero  simplici  vocabulo  alterius  absque  cujusque  dici  non  potest, 
neque  probatur  exemplis  a  Walchio  ad  h.  1.  et  Freundio  iu  Lex. 
allatis,  ad  quae  provocaut.  Solum  subsidium  lectionis  erit,  si  intel- 
ligimus:  alterius  quam  Julii  Frontini. 

Obruisset  autem  defendi  non  potest.  Non  enim  factum  fuerat, 
quod  factum  cogitando  poneretur,  poni  autem  non  poterat.  Scire 
enim  nemo  poterat,  quinam  post  Cerialem  legati  venturi  essent,  qua 
gloria,  qua  prudentia  praediti,  ut  pronunciare  eis  licuisset,  nunqnam 
tale  quid  factum  iri  neque  id  narrationi  intulisset  Tacitus  post 
verba:  Sed  ubi  cum  cetero  orbe  Vespasianus  et  Britanniam  recupe- 
ravit,  magni  duces,  egregii  exercitus.  Haec  enim  monstrant,  nume- 
rum  virorum,  a  quibus  magna  exspectare  liceret,  Vespasiani  aevo 
insignem  fuisse,  cum  sub  ejus  principatu  vel  in  una  provincia  magni 
duces  sese  exciperent,  Vespasianus  autem  tanta  esset  in  hoininibus 
dignoscendis  peritia  atque  prudentia,  ut  dignissimos  facile  distin- 
gueret  et  in  suo  quemque  loco  poneret.  Temerarium  igitur  esset, 
quod  Tacito  de  Cerialis  cura  et  gloria  tribueretur  Judicium;  quod 
ne  fiat  hie  quoque  orationem  mancam  statuere  debemus. 

Itaque  scribendum  puto :  Et  Cerialis  quidem  quum  alterius  cujus- 
que successoris  curam  famamque  obruere  nisus  esset,  sustinuit  quo- 
que ct.  Jam  et  ...  .  quidem  usu  Iegitimo.  adhibentur,  Puteolanus 
autem  quum,  loco  suo  motum,  ad  initium  retulisse  censeudus  est; 
cujusque  ob  similitudinem  praecedentium  syllabarum  ms  excidit, 
öbruisset  autem  ex  syllabis  obr  ....  vi  ...  .  esset,  i.  e.  e  reli- 
quiis  vocabulorum  obruere  visus  esset,  superstes  mansit.  Quoque 
recte  se  habet,  cum  brevitate  dictum  pro:  Frontinus  non  solum  non 
obrutüs  fuit,  sed  sustinuit  quoque  molem  ct.  Non  jam  refertur,  quid 
factum  fuerit  {cum  öbruisset),  sed  res  omnis  ad  Judicium  hominum 
et    opiniones    transit.     Tanta    fama    provinciam   curavit  Cerialis,    ut 


83 

videretnr   obruere    famam   cujusque,   qui    post    eum    eandem     cnram 
suscepturus  esset. 

Cap.   20. 

.  .  .  et  praesidiis  castellisque  circumdatae  sunt  tanta  ratione  cura- 
que,  ut  nulla  ante  Britanniae  nova  pars  illacessita    fr  ansier  it. 

Ita  omnes,  nisi  quod  Puteol.  Vat.  B.  J.  et  ut  pro  simplici  ut 
habent,  particula  altera  ex  altera  orta.  Sensus  nullus.  Sermo  enim 
de  re  generali,  qua  nova  pars  Britanniae,  quae  tiinc  transiit,  re- 
liqnis,  quae  antea  transierint,  opponitur  omnibus.  Jam  si  nulla  antea 
Britanniae  pars  nova  illacessita  transiit,  quid  hoc  ad  partem,  quae 
tunc  sub  Agricola  transiit?  et  haec  quomodo  per  ut  jungi  possunt? 
quomodo  cura  atque  ratione,  qua  Agricola  in  castris  et  praesidiis 
ponendis  usus  est,  effici  potuit,  ut  ante,  i.  e.  ante  ejus  curam,  nulla 
nova  pars  illacessita  transierit  i.  e.  in  possessionem  Romanorum  ve- 
nerit?  Haec  igitur  portenta  sunt,  ex  re  praesenti  derivare  velle 
quae  ante  facta  sunt,  et  ne  verum  quideni  hoc,  quod  nostro  loco  tale 
monstrum  praetendit.  Nempe  nullae  illacessitae  transierant  ante  novae 
Britanniae  partes,  quod  in  seqq.  narrat  c.  22:  „soliti  fuerant  Bri- 
tanni  damna  aestatis  hibernis  eventibus  pensare.u  Inde  patet,  quo 
vergat  oratio  et  quid  velit.  Nempe  cum  ante  Agricolam  gentes  novae 
fide  uon  firma  agerent,  sed  data  per  hiemes  occasione  arma  cape- 
rent  et  damna  aestiva  hibernis  successibus  compensarent,  nunc  qui- 
dem  aliter  evenit,  seil.:  prudenti  castellorum  dispositione  et  cura 
effectum,  ut  armis  aestate  positis  Britanni  hieme  uuiescerent  neque 
pacem  lacesserent. 

Jam  dudum  exstiterunt,  qui  loco  graviter  laboranti  suecurrere 
niterentur.  In  his  Boxhomius ,  qui  omnino  mendosum  locum  existi- 
mat,  legendum  proponit:    ut  nulla   inde   Britannorum    pars   illacessita 

11  * 


84 

(ransierit,  ante  in  inde,  Britanniae  nova  in  Britannorum  conversis. 
Sensnm  explicat:  „ut  ex  eo  tempore  nulli  rebellinm  Britannorum 
illaesi  et  sine  clade  ea  loca  transire  potuerint."  Hoc  mirum  sarie, 
alque  ipse  subnectit  vir  probus  et  industrius:  „Sed  ne  sie  quidem 
niihi  satisfacio.  Ad  feliciora  ingenia  provocandum."  Nostro  aevo 
.successere  Duebnerus  et  Wexius.  sed  quorum  acumen  in  hoc  conatu 
desideres.  Locum  enim  ita  discerpunt  et  mutant:  Tanta  rattone  cura- 
que,  ut  na  IIa  ante  Britanniae  nova  pars,  Illacessita  transiit  se- 
quens  hiems,  sahiberrimis  consiliis  absumpta.  Eo  quid  efficitur? 
primum,  ut  sententia  principalis,  quae  a  verbis:  ut  nulla  ante  Bri- 
tanniae nova  pars  ineipit,  nervo  suo  privefur,  quo,  neque  si  per  se 
spectetur,  neque  si  praecedentia:  tanta  ratione  curaque,  respicias, 
ullo  modo  carere  potest.  Haec  enim  ita  disposita  et  inchoata  sunt, 
ut  particula,  quae  sequitur,  cum  verbo  (ut — trausierit)  necessarie  inde 
pendat.  Deinde  post  sententiam  levem  et  vi  carentem:  ut  nulla  ante 
Britanniae  nova  pars,  initium  sequentisperiodi,  simplex  atque  aper- 
tum,  sequens  hietns  sahiberrimis  consiliis  absumpta,  oneratur  verbis 
non  sine  mutatione  praefixis  absque  usu  ullo:  illacessita  transiit. 
Nulla  enim  octo  annorum,  quos  Agricola  in  Britannia  egit,  hiems 
lacessita  fuit;  neque  opus  fuit,  hoc  de  seeunda  hieme  referre.  Mo- 
net  quidem  Duebnerus  hoc:  „Altera  hiems  (prior  nempej  illacessita  non 
fuerat,  cum  transveeta  jam  aestate  expeditionem  in  Ordovices  inci- 
piendam  indicasset."  Sed  haec  expeditio  in  auetumni  tempus  inci- 
derat  et  brevi  erat  perfecta.  Et  si  de  ea  cogitaretur,  lacessita  dici 
non  poterat,  quae  vox  de  hostibus  Romanos  lacessentibus,  non  de 
his  dicitur,  qui  barbaris  bellum  inferunt.  Haec  igitur  ratio,  quam  et 
Orellius  sequitur,  prorsus  erit  rejicienda.  Veram  viam  jam  ingressus 
erat  Freinshemius:  „Putern",  inquit,  legendum:  „ut  paulo  ante  Bri- 
tanniae nova  pax  illacessita  tnanserit."  Haec  perversa  quidem ;  ne- 
que enim  sensnm  praebent,  quem  vult  Freinshemius:  „Hoc",  iuquiens, 
„egisse  praedicat  illa  tanta  ralione  curaque,  ut  conservaret  pacem 
ante  vix  notam".  neque  patet  quo  \stnd'  paulo  ante  pertineat.     Recte 


85 

tarnen  vidit,  pacta  not io nein  requiri  ad  sensum  explendum,  et  laces- 
sitam  pacem  alibi  quoque  dixisse  auctorem,  Arm.  IV,  32:  „immota 
quippe  aut  inodice  lacessita  pax."  XV:  2:  „(Romani)  pacem  ipsis 
nunqoam  prospere  lacessitam  nunc  quoque  in  exitium  abrumpunt." 
Nou  vero  dubium  est,  sedein  corruptelae  inter:  pars — illacessita  esse, 
seu  potius  Iacunae,  quam  haud  cunctanter  ita  expleas:  ut  nulla  ante 
Britanniae  nova  pars  pace  tarn  illacessita  transierit.  Voculae:  pace 
tarn,  quibus  sensus  integer  constituitur,  haustae  sunt  vocis  pars  simili- 
tudine. 

Cap.  24. 

Soltim  (Hiberniae)  caelumque  et  ingenia  cultusque  hominum  haud 
mulhtm  a  Britannia  differunt,  in  melius.  Aditus  portusque  per 
commercia  et  negotiatores  cogniti. 

Ita  codd.  V.  A.  B.  et  A.  et  edd.  ante  Rhenanum,  qui  in  casti- 
gationibus  p.  470  ait:  „Prodigiose  corruptus  locus  est.  Lego  diffe- 
runt. Ejus  adifus  portusque  per  commercia  et  negotiatores  cogniti. 
Ejus  seil,  insulae  Hiberniae."  Vox  ejus  otiosa  et  nulli  interpretum 
probata.  —  Cod.  F.  suppresso  in  legit:  differunt.  melius  aditus,  quem  se- 
quitur  Orellius.  Acidalius:  differunt  nee  melius.  Muretus:  differunt 
in  melius,  quod  Dronkius  reeepit.  Doederlinius:  differt;  in  melius. 
Idem  differunt  Rhenani  commentum  appellat  et  differt  ad  extremam 
vocem,  culttts,  singulari  numero  verbum  relatum  dicit,  ut  Ann.  IV, 
49:  quos  vuluera,  quos  sitis  peremerat.  Cfr.  II,  69.  Hist.  II,  78: 
Germ.  27.  Hoc  scite  et  concinne.  Sed  post  tot  praedicata:  solum 
caelumque  et  ingenia  cultusque  hominum,  durus  et  asper  est  singu- 
laris,  quum  ad  oinnia  referatur,  nee  verum,  pluralem  numerum  Rhe- 
nani commentum  esse.  Jam  vero  quid  facias  praepositione  in  ante 
melius?  et  si  statuas,  in  melius  idem  esse  quod  melius,  quaenam  res 
minus  erat  cognita,  ad  quam  hie  comparativus  referatur?  Nee  tarnen 
„differunt  in  melius"  tolerari  potuit.  Si  enim  parum  discriminis    inter 


80 

ingenia  cultusque,  ut  par  erat  apud  cognatas  et  conterminas  gentes, 
inveniebatur ,  unde  conjicere  poterat  Tacitus,  hoc  in  melius  esse,  i.  e. 
esse  inter  Hiberniae  et  Britanniae  incolas  parum  discriminis,  idque, 
quod  intersit,  in  laudein  aut  coiiiniodiim  Hiberniae  popnlorum  esse? 
Haec  nullani  prorsus  rationein  habent,  et  labern  traxit  locus  ex  eo. 
quod  vox,  quae  tertium,  quod  dicunt  comparationis  continebat,  exci- 
dit  et  locum  lacunosum  reddidit.  Scr.:  haud  muh  um  a  Britannia  dif- 
feruut.  Interiora  fama  tantum,  melius  aditus  portusque  .  .  .  cogniti. 
Apertum,  totius  formulae  nonnisi  primain  syllabam  in  ruinae  esse 
superstitem.  Interiora  autem  insulae  si  fama  et  rumore  tantum  in- 
notuerant,  factum  est,  quod  idem  dicilur  de  Caledonia  c.  30,  cujus 
incolas  reeessus  ipse  ac  sinus,  ntpote  incognita  Romanis,  defen- 
disse  praedicantur. 

Cap.  25. 

Amplas  civil ates  Irans  Bodofriam  sitas,  quid  motus  universarum 
ultra  gentium  et  infesta  hostili  exercitu  itinera  timebantnr. 
portus  classe  exploravit. 

Haec  vulgata  veterum  editionum.  Lipsius:  amplä  civitate  trans 
Bodotriam  sitä.  Veram  lectionem  amplexus  uterque  Vaticanus  prae- 
buit.  Porro  Rhenanus  hostili  exercitu  in  textu  ponit,  quod  repertum 
in  cod.  Vat.  B.,  idem  in  castigationibus :  „Opinor  scribendum  prius 
classe  exploravit",  quod  superfluum.  Ernestius  aut  post  sibi  aut  ante 
amplas  excidisse  aliquid  putavit.  Sed  situs  corruptelae  est  in  vocibus 
Iwstilis  exercitus,  cui  uon  succurras  recipiendo  hostili  exercitu.  Neque 
enirn  doceri  possit,  quare  hosfilis  exercitus  pro  vulgato  hostinm  exercitus 
dicatur,  quorum  non  tarn  exercitus  quam  copiae  commemorari  solent.  Ex- 
ercitu« plerumque  de  Romanis.  Porro  non  est,  quare  hostilis  exercitus 
itinera  timeantur,  nee  quare  illa  infesta  dicantur,  voce  superflua,  quia 
hostium    itinera    cum    respectu    ad    Romanos    nonuisi     infesta    esse 


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poterant,  nempe  Romains.  Haec  igitur  omnia  unQosdiopvaa ,  nee 
emolliuntur,  si  cum  Doederlinio  infesta  itinera  „invasiones"  intelligas, 
quae  ne  possunt  quidein  itinera  dici.  Non  enim  viae,  sed  insidiae 
et  impetus  infesta,  ut  expertus  Germanicus  in  expeditione  contra 
Clieruscos  et  magis  etiam  Quiuctilius  Varus  ante  eum.  Non  meliora 
Orellius,  qui  vertit:  das  drohende  Anrücken  der  Feinde,  quod  nihil 
peculiare  contiuet.  Nain  qui  in  liostium  terras  iugreditur,  infestas 
eorum  nQooödovs  timere  debet;  et  quod  sua  sponte  intelligitur  et  ne- 
cessario  sequitur,  non  solet  commemorari  a  sobrio  scriptore,  ut  cau- 
sam reddat,  ex  qua  novum  aliquid  dux  molitus  fuerit.  Scribendum: 
quia  infesta  ab  hostibus  exercitus  itinera  timebantur. —  Ab  inter 
infesta  et  hostibus  extritum  fuit  litteris#A,  quibus  voces  conterminae 
praepositionem  includunt.  Deleta  autem  ea,  hostibus,  quod  cum  com- 
pendio  scriptum  fuit,  in  hostili  solutum  est.  Jam  habes  exercitus 
Romain  per  loca  paludosa  et  silvestria  itinera,  quae  ab  hostibus  lo- 
corum  gnaris  facile  infestari  potuerunt,  et  mox  silvarum  et  montium 
profunda  milites  jaetant  a  se  superata.  Exercitus  si  per  se  speeta- 
tur,  superfluum  quidem;  sed  voluit  de  classe  subjungere,  quäle  nempe 
consilium  Agricola  ob  huue  ipsum  timorem  de  ea  habuerit.  Quia  in- 
festa ab  hostibus  exercitui  itinera  timebat,  classem  in  auxilium  ad- 
sumsit,  ut  portus  exploraret  et  praetentaret.  Hoc  enim  si  fiebat,  ut 
loca  circum  jacentia  perscrutaretur,  detegi  poterant  liostium  insidiae, 
si  quae  erant.  Simul  exercitui,  qui  non  multum  a  mari  remota  itinera 
faciebat,  auxilio  et,  si  opus,  refugio  esse  poterat.  Portibus  igitur 
a  classe  oecupatis  et  exploratis  copiae    terrestres   tutius  agebaut. 

Cap.  27. 

At  Britanni,  non  virtute,  sed  occassione  et  arte  ducis  rati,  nihil  se 
ex  arrogantia  remitiere,  quominus  juventutem  armarent  ct. 

Locus  corruptus  atque  maneus.     Orellius  post  Britanni  crucem 
posuit.     Sed  sedes  ulceris  in  v.  rati  est,  quia  non  dicitur,   quidnaui 


88 

rati  fuerint.  Non  male  Rhenanus:  „Opinor  legendum:  irati,  „quam- 
quani  nulla  ratio  est,  iram  Britannornm  occasione  et  arte  ducis  mo- 
veri.  Successit  Freinshemii  solertia  legentis:  non  virtutem,  sed  oc- 
casionem  et  artem  ducis  rati,  narratione  haud  minus  manca.  Nam 
quae  ad  eam  intelligendam  necessaria  essent:  rati  non  virtutem ,  sed 
occasionem  et  artem  du  eis  esse,  quibus  superati  essent,  haec  qui- 
dem  non  possuut  e  nexu  cogitando  addi.  Hinc  strati  vel  fracti 
proponit  Acidalius,  non  reputans,  haec  si  addantur,  non  ab  hostibus 
amplius  sed  ab  ipso  Tacito  tanqnam  suum  Judicium  pronuntiari,  non 
virtute  Romanorum  Stratos,  quam  tarnen  snmmam  fuisse  praedicat  in 
praecedentibus ,  inquiens:  „et  fuit  atrox  in  ipsis  portarum  angustiis 
proelium  ....  utroque  exercitu  (nempe  Romano)  certante  ct."  Eo- 
dem  vitio  laborat  superati,  quod  Gruterus  proposuit.  Vero  propior 
Lipsius:  „Putern  commode  expleri:  arte  ducis  victos  rati."  Sed  alia 
quoque  suspeeta.  Recte  Pichena:  „ego  ducis  vocem  redundare  cen- 
seo.  Nam  recte  subintelligitur  (intelligitur)  et  arte  hostium."  Ac- 
cedit,  quod  in  scriptore  dictionis  concinnitatem  tantopere  seetante 
nequaquam  praetermitteudum,  oppositionem  non  justam  esse,  quae  in 
priore  membro  unum,  in  posteriore  duo  praedicata  habeat.  Itaque 
vel  ex  his  indieiis  nequaquam  levibus  concludas,  gravius  orationi 
subesse  ulcus,  idque  apertius  quoque  docet  locus  geminus  fere  in 
simili  casu  Julii  Caesaris  de  bello  Gall.  VII,  c.  29:  „Ne  se  admo- 
dum  animo  deinitterent,  neve  perturbarentur  incommodo :  non  virtute 
neque  acie  (al.  in  acie)  vicisse  Romanos,  sed  artificio  quodam  et 
scientia  oppugnationis."  Hie  locus  si  Tacito,  ut  mihi  quidem  admo- 
dum  probabile  videtur,  obversatus  fuit,  scribendum:  non  virtute  ne- 
que acie,  sed  occasione  atqne  artificio  quodam  superatos  se  arbi- 
trati.  His  si  fides  non  negatur,  verba  neque  in  acie  et  quodam 
prorsus  exciderunt,  artificio  in  arte  ducis  abierat,  et  e  vv.  supera- 
tos se  arbitrati  nihil  nisi  syllabae  ra  .  .  .  .  ti  supererant.  Reliqua 
sonorum  similitudo  abstulerat. 


89 

Cap.    2S. 

(Usipii)  tres  liburnicas  adactis  per  vim  gubernatoribus  ascendere, 
et  ano  remigrante,  suspectis  duobus  eoque  interfectisf  nondum 
vulgato  rumore  ut miraculum  provehebantur,  mox  ad  a quam 
atque  ut  illa  raptis  secum  plerisque  Britannorum  sua  de- 
fensantium  proelio  congressi  ct. 

Haec  usque  ad  Rhenauum  vulgabantur,  qui  remigrante  et  pro- 
vehebantur reliquit,  in  seqq.  vero  mox  hac  atque  illa  rapti  et  cum 
plerisque  Britannorum  scripsit,  sensu  utcunque  consarciuato.  Se- 
cutus  est  Lipsius.  —  Pro  remigrante  Vat.  A.  A.  r emigante ,  qnod 
plurimis  recentiorum  probatum.  Defendit  tarnen  Peerlcampius  remi- 
grante, hoc  sensu:  unum  statira  interfecerunt,  quia  remigrabat  ad 
portum  et  littus  redibat,  duos  mox  iuterficiebant,  quia  erant  suspecti 
propter  conatus  unius  gubernatoris  redire  cnpientis,  unde  mira  sane 
Taciti  in  re  nullius  momenti  distinguenda  sedulitas  et  latinitatis  in- 
curiosa.  Nam  ad  v.  uno  remigrante  intelligi  non  potest  interfecto, 
quod  addita  vocula  eoque  ad  praecedentia  sola  suspectis  duobus  re- 
ferri  potest.  Sed  remigare  quoque  sensu  laborat.  Non  enim  guber- 
nator  remigabat,  et  si  credas  superstitem  unum  in  una  nave  id  fe- 
cisse,  coactum  nempe  utpote  nullam  habentibus  Usipiis  remigandi  peri- 
tiam,  quid  dein  factum  in  duabus  reliquis?  Ceterum  remigare,  i.  e. 
remigia  vertere,  non  tanti  est,  ut  peculiari  arte  indigeat,  et  si  usum 
remigum  non  babebant  Usipii,  quod  de  Rheni  accolis  vix  credibile, 
facile  eum  necessitate  coacli  acquirere  poterant  {xqshq  yctQ  Xxcivsp). 
Itaque  pro  remigante  regimen  agente  scribam.  Etenim  naves  regendi 
inscitia  Usipiorum  in  sequentibus  commemoratur,  atque  regimen  de 
navibus  Tacitus  habet  Ann.  II,  33:  „undique  procellis  mixti  fluctus 
prospectum  adimere,  regimen  impedire."  Agere  autem  de  negotiis  et 
occupationibus  non  inusitatum,  ut  bellum,  proelium,  curam  alicujus  rei 
agere.  Cf.  et  Cic.  de  senect.    c.  VI,  §  7:   „Similesque   sunt,   ut  si 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k  Ali.  d.  Wiss.    V.  Bd.  II.  Abthl.  12 


90 

qui  gubernatorem  in  navigando  nihil  agere  dicant  ct."  Sed  magis 
etiam  ulcerata,  quae  Rhenanus  corrigere  nisns  est.  Nam  qood  ad- 
dit,  Britaunos  sua  defensasse,  i.e.  magno  studio  defeudisse,  id  qui- 
dem  documento  est,  haec,  i.  e.  possessiones  eorum  abUsipüs  fuisse 
armis  petitas,  necessitate  coactis.  Hinc  voces,  hac  atque  illa  rapti, 
quod  ad  solos  niaris  errores  referendae  essent,  non  sufficiont.  Quid 
iuterciderit ,  id  quidem  ex  parte  saltem  lectio  Puteolani  prodit,  quam 
in  textu  posuimus,  prolata  eadem  e  codd.  Vatt.:  mox  ad  aquam  atque 
ut  illa  raptis  secnm  plerisque  (nisi  quod  B.  ad  aquam  puncto  distiu- 
guit:  aquam.  Atque',  A.  autem  commate:  aquam,  atque).  Nee  aliter 
r ,  A.  Hinc  Sellingius,  vir  doefus  et  ingeuiosus:  „Mox  ad  aquam 
(seil.:  liauriendam)  egressi  atque  vi  alia  raptantes  cum  plerisque  .  . 
proelio  congressi"  proposuit  audacia  non  prorsus  infelici.  Sed  priora 
vv.  ad  aquam,  quae  Dronkius  sine  dubio  Taciti  esse  contendit,  non 
satis  aecurata,  quamquam  iutelligas  liauriendam.  Utuntur  enim  in 
tali  re  verbo  solemni.  Hoc  restituas  ad  aquandum  scribendo,  quod 
compendio  scripturae  in  aquam  abiit.  Caes.  bell.  civ.  I,  76:  Pre- 
mebantur  Afraniani  pabulalione,  aquabantur  aegre,  frumenti  legiona- 
rii  non  nulluni  habebaiit,  Livius  1.  XXXV,  c.  28:  Ex  eodem  rivo 
utrimque  cum  praesidio  levis  arinaturae  aquati  sunt,  et  Sallust.  bell. 
Jugurtb.  c.  89:  Ex  cohortibus  auxiliariis  miles  gregarius  castris 
aquatum  egressus.  Addit  Doederlinins:  An  potius  illnd,  quod  intrusi 
egressi,  ex  seq.  congressi  licet  mutuari?  Audaci  sane  braehylogia, 
non  tarnen  incredibili?"  Incredibili  sane,  quippe  quae  temeraria 
esset.  Idem  provehebantur  defendit;  seil.:  in  altum,  injuria;  non 
enim,  quod  portu  provehebantur,  miraculo  erat,  sed  quod  littora  pro- 
vinciae  legebant,  ignaris  incolis,  qui  essent  et  quo  teuderent,  non- 
dum  vulgato  rumore,  quod  ipse  Tacitus  explicandi  causa  praemittit. 
Seite  autem  praevehebantur,  quae  lectio  Vat.  A.  est,  i.  q.  praeter- 
veliebaittur,  defendit  Dronkius,  Horatiano  illo  Od.  IV,  3,  10:  Sed 
quae  Tibur  aquae  fertile  praefluunt,  et  aliis  locis  utiliter  collectis. 
Major    tarnen    superest    difflcultas    in   verbis:    atque   ut    illa  raptis 


91 

secum.  Peerlcampius  haec:  (ad  aquam)  vitaeque  utilia  raptis  se- 
cum plerisque  Britannorum  scribit  infelici  successa.  Non  enim  quae- 
ritur  hie,  quae  vitae  utilia  essent,  sed  quae  victui  vel  ad  victum 
necessaria,  et  cum  in  v.  secum  haud  dubie  ad  sequentia  plerisque 
Britannorum  .  .  .  congressi  pertinet.  Talia  vesligia  qui  non  legit, 
sed  in  arbitraria  omnia  egreditur,  non  criticum  agit,  sed  interpola- 
torem,  in  prirais  si  tarn  mira  comminiscitur,  ut  sunt  haec:  plerosque 
Britannorum  secum  rapuisse.  Non  enim  captivos  ut  facerent,  sed  ut 
commeatibus  potirentur,  in  terram  egrediebantur  et  Britannos  adver- 
sos  habebant.  In  vv.  ut  illa  latere  crediderim  huc  illuc,  et  in  syl- 
labis  RAPTISSE  reliquias  vocum  „raptibus  evagati  et"  superesse, 
ut  totius  loci  tenor  sit:  mox  ad  aquandum  egressi  atque  huc  illuc 
raptibus  evagati  et  cum  plerisque.  Egredi  cogebantur  ad  aquandum, 
et  Lac  oceasione,  i.  e.  semel  in  terras  delati  huc  illuc  ad  rapinas 
faciendas  evagabautur,  victus  penuria  coacti. 

Cap.  30. 

(Ex  Calgaci  cohortatione    ad   pognam.) 

1.  „Quotietis  causas  belli  et  necessitatem  nostram  intueor,  magnus 
mihi  animus  est,  hodiernum  dient  consensumque  vesfrum  ini- 
tium  libertatis  totius  Britanniae  fore.  Nam  et  uniuersi  ser- 
vitutis  expertes,  et  nullae  ultra  terrae,  ac  ne  mare  quidem 
securum  imminente  nobis  classe  Romana." 

Non  offenderunt  in  voeibus:  nam  et  universi  servitutis  expertes, 
quae  tarnen  extra  nexum  reliquarum  positae  sunt.  Agit  enim  ante 
omnia  de  necessitate  Caledoniae  populorum,  i.  e.  de  causis,  quibus 
ad  fortiter  pugnandum  vel  inviti  compelli  debeant,  et  quae  in  hanc 
rem  dixit,  verbis  coucludit  bis:  „ita  proelium  alque  arma,  quae  fortibus 
honesta,  eadem  etiam  ignavis  tutissima  sunt",  eaqne  deineeps  perse- 
quitur.  Ad  hanc  autem  necessitatem  non  pertinent,  quin  ei  contraria 

12* 


92 

sunt,  quae  praemittuntnr,  dum  se  universos  servitutis  expertes  esse 
commemorat.  Itaque  plura  excidisse  crediderim  inter  verba:  nam 
et  .  .  .  uuiversi  .  .  .  servitutis,  quae  suppleat  scribendo:  Nam  de- 
victis  universis  nos  soll  servitutis  expertes,  idque  e  seqq.  etiam 
elucet,  in  quibus  totam  sententiam  paucis  comprehendit,  terrarum  et 
libertatis  extremos  cives  suos  appellando.  Haec  denique  cum  reliquis 
concordant.  Se  solos  adhuc  liberos,  nullam  ultra  gentem  servitutis 
expertem,  a  qua  victi  auxilium  expetere  possent,  et  nullas  ultra  ter- 
ras,  quae  perfugium  praeberent,  quod  antea  fuerat  in  prioribus  Bri- 
tanniae  proeliis,  quia  tunc  victi,  spem  et  subsidium  in  Caledoniae 
gentium  mauibus  habebant. 

2.  Nos  terrarum  ac  libertatis  extremos  recessus  ipse  ac  sinus 
famae  in  hanc  diem  defendit.  Nunc  terminus  Britanniae  patet, 
afque  omne  ignotum  pro  magnifico  est.  Sed  nulla  jam  ultra 
gens;  nihil  nisi  fluctus  et  saxa  ct. 

In  bis  plura  offendunt,  primum:  famae  defendit ,  quod  neque  cum 
siuu  jungi  potest,  quod  scite  explicat  Orellius,  neque  cum  defendit,  ut 
sit  dativus,  quae  vulgata  fere  opinio  ad  Orellium  usque  propagata, 
ut  sit:  a  fama  seu  contra  famam  defendit.  Romani  enim  fama  re- 
rum  reconditarum  inCaledonia  hucusque  retenti  fuisse  dicuntur,  eam- 
que  majorem  etiam  veritate  fuisse  monstrant,  quae  mox  subjunguntur: 
„atque  omne  ignotum  pro  magnifico  est.u  Haec  enim  ad  famam 
pertinere  et  nexus  rerum  docet  et  geminus  fere,  qui  praecedit  locus 
de  iisdem  populis  (c.  25),  dum  dicuntur  ad  arma  conversi,  paratu 
magno,  majore  fama  uti  mos  est  de  ignotis.  Scribendum  igitur: 
fama  defendit,  quia  nempe  vires  et  apparatus  nostros  fama  auxerat 
etiam  et  in  majus  extulerat. 

Deinde  hoc  ipsum  offeudit,  quod  verba:  atque  cmne  ignotum 
pro    magnifico    est   ab  iis,    quae  explicare  debent  {fama    defendit), 


93 

interposita  sententia  aliena  separantur.  Huic  autera  incommodo  trans- 
positione  occurres.  Denique  sed,  quod  sequitur  in  verbis:  sed  nulla 
jam  ultra  gern,  nihil  habet  in  praecedentibus ,  cui  opponatur,  eoque 
sensu  cassum  est.  Lacuna  manifesla.  Pro  sed  nulla  jam  ultra  gens 
scrib. :  Sedes  nullae,  nulla  jam  ultra  gens,  ita  ut  ultra  ad  utrumque 
pertineat.  Totus  igitur  locus  ita  se  habebit:  Nos  terrarum  ac  li- 
bertatis  Ultimos  recessus  ipse  et  sinus  fama  in  kam  diem  defendit 
atque  omne  ignotum  pro  magnifico  est.  Nunc  terminus  Britanniae 
patet.     Sedes  nullae,  nulla  jam  ultra  gens  ct. 

Cap.  33. 

(Ex  Agricolae  cohortatione  ad  exercitum  Romanum.) 

1.  Nam  ut  superesse  tantum  itineris  silvas  evasisse,  transisse  aestu- 
aria  pulchrum  ac  decorum  in  frontem:  item  fugientibus  peri- 
culosissima quae  hodie  prosperrima  sunt. 

Haec  vulgata  lectio  ante  Rhenanum,  qui  superasse  edidit  pro 
superesse  et  ad  item  notavit:  „Lego  ita  fugientibus,  ut  stet  com- 
paratio."  Nondum  vero  stat.  Nam  periculosissima  non  potest  opponi 
vocibus  pulchrum  ac  decorum,  sed  turpe  aut  inhonestuui  aut  simile 
aliquid,  neqne  is  est  Tacitus,  qui  oppositionis  concinnitatem  negligat 
aut  in  eis  jungat  praedicata,  quae  justam  ävTidiosvog  rationem  pes- 
sumdent.  Accedit,  quod  postremae  voces  quae  hodie  prosperrima 
sunt  extra  comparationem  omneraque  oratiouis  nexum  wg  tv  naq^yco 
subjiciuntur  et  necessario  alterum  uovae  comparationis  membrum  con- 
stituuut,  cujus  prius  in  v.  periculosissima  continetur.  Hoc  si  verum, 
periculosissima,  quod  ut  monuimus  sensu  a  priore  comparatione  ab- 
errat, ex  nexus  ratione  solvi  et  cum  posteriore  comparatione  jungi 
debet.  Ad  utramque  enim  pertinere  non  potest.  Itaque  alterum  pri- 
oris  comparationis  membrum  excidit  et  scribendum  pro  item  fugien- 
tibus periculosissima  seqq.  sie:  ita  fugientibus  turpissima,   ac  peri- 


94 

culosissitna,  quae  hodie  prosperrima  sunt.  —  Turpissima  dixit,  non 
turpissimum,  quia  vocabulum  utrique  illi  pulchrum  ac  decorum  op- 
ponit,  simul  plurali  transituni  ad  seq.  periculosissima  praeparat,  quae 
vox  praecedenti  turpissima  ob  terminationis  similitudinem ,  perniciosa 
fuit.  —  Hodie  dictum,  ut  emolliatur  omissum  in  praecedentibus  fu- 
turum. Nam  plena  oratione  dixisset,  ac  periculosissima  erunt,  nempe 
victis,  quae  hucusque  prosperrima  victoribus  fuerunt. 

Cap.  34. 

2.  ...  sie  acerrimi  Britannorum  jam  pridem  ceciderunt,  reliquus 
est  numerus  ignavorum  et  metuentium,  quos  quod  tandem  in- 
venistis,  non  restiterunt ,  sed  deprehensi  sunt  novissime  id  et 
extremo  metu  corpora:  defixere  aciem  in  Ms  vestigiis,  in  qui- 
bus  pulchram  et  spectabilem  victoriam  ederetis. 

Ita  usque  ad  Rhenanum  vulgabatur,  verbis  novissime  id  et  ex- 
tremo metu  corruptis.  Rhenanus  in  castigationibus :  „Tu  repone  no- 
vissime, id  est  extremo  metu.  Idem  ad  v.  „defixere  aciem":  „non 
dixit:  constituere  sive  direxere,  sed  defixere,  quod  stupidis  prae 
metu  convenit."  In  textu  posuit:  sed  deprehensi  sunt  novissimi,  et 
extremo  metu  corpora  defixere  in  his  vestigiis",  quae  ratio  nimiuin 
audax  est  et  temeraria,  quippe  in  qua  aciem  omissum,  et  novissimi 
superfluumest,  si  praecedentibus  additur.  Non  enim  de  eo  agitur,  quod 
novissimi,  sed  quod  omnino  deprehensi  sunt,  utpote  qui  non  restiterint, 
sed  corpora  metu  defixa  praebeant.  Cod.  Vat.  A.  et  r.  novissime  res,  et 
Vat.  B  et  A.  novissimae  res  et  in  margine  codicis :  „quod  tarn  diu  non 
inveiiistis ,  restiterunt,  sie  legendum  puto",  conjeetura  inutili  et  sensu 
casso.  Sensus:  quod  tandem  eos  invenistis,  id  factum  est,  quoniam 
metu  fuga  praepediuntur  et  immotis  corporibus  eodem  loco  haerent. 

Sed  struetura  haeret.  Nam  novissimae  res  et  extremo  metu 
cum  duo  praedicata  sint  eandem  rem  diversis  rnodis  indicantia,  nempe 
desperationem  et  stupidam  mortis  exspeetationem,    diverso    casu   dici 


95 

non  possunt.  Itaque  scribam:  novissimae  res  et  extremus  metus  .  . 
defixere  corpora,  ita  ut  novissimae  res,  quod  per  se  sensu  ambiguo 
est,  et  ad  tempus  solum  referri  potuit,  adjecto  extremus  metus  ad 
majus  et  significantius  aliquid,  nempe  ad  extremam  necessitatem,  i.  e. 
desperationem  omnium  rerum  pertinere  appareat.  Simili  sensu  con- 
juncta    vocabnla,    quamquam    mutato    situ    et   ad  unum  substautivum 

relata,   Germ.    24:    „aleam inter   seria   exercent,    tanta  lu- 

crandi  perdendive  temeritate,  ut,  cum  omnia  defecerunt,  extremo   ac 
novissimo  jactu  de  übertäte  et  de  corpore  contendant." 

Sequentia  autem  non  procedunt,  nisi  aciemque  scribas  pro  aciem. 
Quis  euim  sibi  persuadeat,  a  Tacito  dictum:  corpora  aciem  defixisse? 
Crediderunt  tarnen  interpretes  usque  ad  Orellium  fere  omnes,  non 
excepto  quod  mireris  Doederlinio,  viro  ingenii  sagacissimi,  qui  ad 
priscam  lectionem  fere  rediit  scribendo:  „Novissime  id  est  extremo 
metu  corpora  defixere  aciem."  Non  tarnen  novissime  addito:  id  est 
extremo  metu,  explicari  potest,  quia  in  simplici  adverbio  novis- 
sime nihil  de  metu,  et  ut  oratio  procedere  posset,  saltem  novis- 
simo: id  est  extremo  metu,  dici  debuisset,  quod  et  ipsum  incon- 
gruum,  quia  novissimo  et  extremo  nihil  diversitatis  continent.  Vult 
quidem  vir  doctissimus,  inesse  sarcasticam  quandam  epexegesin  ad- 
verbii  per  se  innoxii,  et  Germanice  vertit:  „zum  letzten  Male,  näm- 
lich in  der  Todesangst",  quae  nee  ipsa  sarcasmum  spirant.  Quod 
ex  dialogo  affert:  „In  nemora  et  lucos  id  est  in  solitudinem  rece- 
dendum  estu,  simplicem  explicationem  habet  seu  causam,  quare  in 
nemora  ipsi  recedendum,  ut  nempe  solus  sit.  Ceterum  ad  nostram 
rationem  iuclinat,  dum  addit:  „quamquam  si  quis  id  prorsus  delere, 
atque  et  retinere  voluerit,  non  refragabor."  Tum  ad  dictionem 
„corpora  defixere  aciemil  aut  defendendam  aut  excusandarn  ac- 
cedit,  nullo,  ut  equidem  puto,  successu.  Corpora  dici  pro 
persouis  non  quidem  cum  contemptu,  sed  in  personis  vilibus,  ut  sunt 
meretrices,  servi,  gladiatores,  alii,  res  nota    et  jam    apud  Graecos 


96 

obvia,  ut  in  inscriptionibus  Delphicis  apud  Boeckhium  n.  1709  b: 
äntdoTO  ÄQVOinnog  .  .  .  (riö  *An6Ä%  iovi)(S  w  jucc  avÖQSio  v  olxoysvkg, 
quin  1705  a:  antdoxo  .  .  .  reo  IIv&up  owua  ywaunov  oixoysvig,  w 
ovo^ia  JZwttjQis,  et  inulta  alia  hujus  generis.  Sin  vero  hujusmodi 
personae  aliquid  fecisse  perhibentur,  nunquam  id  ad  corpora  trans- 
latum  videas,  ut  dicautur  corpora  ivisse,  pugnasse.  Haec  nimirum 
absona  et  incondita,  neqne  dictionem  „corpora  defixere  aciem"  inter- 
pretando  emollias,  quod  facere  aggressus  est  Doederlinius,  praegnauti 
brevitate  dictum  putaus  pro:  defixu  suo  effecere  aciem  vel  aciei 
speciem  praebuere.  Quaudo  enim  corpora,  quaeeunque  illa  sint, 
etiamsi  actionem  iis  tribuas,  aciem  defixu  efficere  possunt?  Sensisse 
incommodum  videtur  hujus  explicationis  auetor,  dum  alter  am  prorsus 
diversam  addit:  vel  aciei  speciem  praebuere,  idque  ipsum  baud  ad- 
mittendum.  Nou  enim  species  aciei,  sed  vera  acies  erat  bene  dis- 
posita  „in  speciem  simal  ac  terrorem",  ut  in  seqq.  Tacitus  addit. 
Contra  concinne  haec  ad  metum  et  desperationem  referunt.  Haec 
defixere  corpora  aciemque,  i.  e.  corpora  in  aciem  disposita,  ut  ad 
caedendum  praeparata  et  destinata  videantur.  Hinc  addit:  „in  his 
vestigiis  (quae  nempe  conspicitis),  in  quibus  pulchram  et  spectabilem 
victoriam  ederetis." 

Cap.    36. 

Interim  equitum  hirmae  fugere:  covinarii  peditam  se  praelio  mi- 
scuere:  et  quamquam  recentem  terrorem  intulerant,  densis  ta- 
rnen hostium  agminibus  et  inaequalibus  locis  haerebant :  mini- 
me(/ue  equestres.  Ea  enim  pugnae  f acies  erat:  cum  ae- 
gra  diu  aut  staute:  simul  equorum  corporibus  impellerentur. 

Ita  edd.  ante  Rhenanum.  Lacunosain  esse  orationem  et  ipsam 
pugnae  narrationem  jam  ab  iniüo  manifestum,  ubi  equitum  turmae  di- 
euntur  fugisse,  priusquam  aliquid  de  eorum  pugna  dictum  fuit.     Hoc 


97 

Monet  Doederlinius  turmas  equitum  de  Romanorum  equitatu 
dici  usu  legitimo.  Ac  is  quidem  usus  quamquam  non  excludat,  bar- 
barorum quoque  equitatum  hoc  nomine  dici  (Britannorum  turmas  ex 
Ann.  XIV,  c.  34  Orellius  affert),  necesse  tarnen,  id  nostro  loco  ad 
Romanos  pertiuere,  quia  in  sequentibus,  dum  equitum  Romanorum 
mentionem  facit,  eorum  tantum  alas  quatuor  commemorat,  quas  ad  subita 
belli  retinuerat  Agricola;  unde  manifestum  est,  de  aliquo  equitatu  in 
praecedentibus  pugnae  viribus  aliquam  saltem  mentionem  fuisse  fa- 
ctam.  Idem  vir  doctissiinus  observat,  hostium  agmina  in  seqq.  non 
nisi  de  Britaunorum  copiis  intelligi  posse,  quia  contra  morem  Roma- 
llorum  sit,  etiamsi  aliquid  referant,  quod  adversariis  Romanorum  *äc- 
ciderit,  Romanos  ipsos  mutata  veluti  persona  hostium  nomine  indi- 
care.  Itaque  correxit:  Interim  equitum  turmae  immis'sae,  ut  fugere 
covinarii,  peditum  se  proelio  immiscuere",  in  quibus  v.  immissae 
verissimum  et  revera  Taciteum  judico.  Ipsam  tarnen  sententiam,  quae 
jam  prodit,  veram  non  crediderim,  quia  covinariorum  fugam  cum  equi- 
tum immissione  ita  jam  conjungi  videas,  ac  si  nihil  inter  utramque 
intercessisset,  quod  uullo  modo  probabile,  siquidem  viri  et  principes 
et  fortissimi  huic  copiarum  parti  inerant  ac  principum  Britaunorum 
robur.  Imaginem  eorum  pugnae  admodum  vividam  exhibet  Caesar 
bell.  Gall.  IV,  33,  ex  priore  in  Britanniam  expeditione  repetitam. 
„Genus  hoc  est  ex  essedis  pugnae.  Primo  per  omnes  partes  per- 
equitant  et  tela  conjiciunt,  atque  ipso  terrore  equorum  et  strepitu 
rotarum  ordines  plerumque  perturbant  et,  quum  se  inter  equitum 
turmas  iusinuaverint,  ex  essedis  desiliunt  et  pedibus  proeliantur.  Au- 
rigae  iuterim  paulatim  ex  proelio  excedunt  atque  ita  currus  collocant, 
ut,  si  illi  a  multitudine  hostium  premantur,  expeditum  ad  siios  re- 
ceptum  habeant.  Ita  mobilitatem  equitum,  stabilitatem  peditum  in 
proeliis  praestant."  Mansisse  autem  essedarios  seu  covinarios  in 
pugna  contra  Agricolam  si  non  omnes,  partem  tarnen,  impetu  turma- 
rum  non  perterritam,  ex  ulteriore  ejus  descriptione  videas,  dum  equo- 
rum corporibus  impulsi  ac  vagi  saepe  currus,  exterriti  sine  rectoribus 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  1«.  Äk.  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abthl.  13 


9S 

equi  transversos  aut  obvios  incursasse  perbibentur.  Hinc  plura  ex- 
cidisse  conjicias,  quae  aliquo  modo  reficias  scribendo:  Interim  equi- 
tum  turniae  immissae ,  fugere  covinarii  aut  peditum  se  proelio  im- 
miscere,  et  quamquam  recentem  terrorem  intulerant,  densis  tauten 
obsistentium  agminibus  et  inaeqaalibns  locis  haerebant.  —  Obsisten- 
tium  pro  hostium  dedimus,  cum  respectu  ad  eos,  qui  recenti  terrore 
confusi  fuerunt. 

De  sequentibus:  minimeque  equestres  ct.  Rbenanus  baec  notat: 
„Corruptus  locus  est.  Ego  sie  legerim  et  distinxerim:  minimeque 
eqitestris  ea  pugnae  fades  erat,  quam  in  gradu  stantes  simul  equo- 
rum  corporibus  impellerentur."  Concinue  correetam:  minimeque 
equestris  ea  pugnae  facies;  sed  obstant  libri,  quorom  Iectio  paren- 
tbeticam  sententiam  eamque  integram  praebet:  ea  enim  pugnae  facies 
erat,  et  apertum  est,  enim  in  antiquo  codice  lectum  fuisse.  Excidit 
igitur  sententia,  cujus  initium  in  vv.  minimeque  equestres  servatum. 
Equidem  excidisse  crediderim  „t>pectaculumu,  cujus  prima  tantnm 
littera  servata  in  v.  equestres,  etlegendum:  minimeque  equestre  spe- 
ctaculum,  quae  per  parentliesin  interrupta  continuantur  in  sequenti- 
bus. Ita  mox  proelio  finito  c.  37:  tum  vero  patentibus  locis  grande 
et  atrox  speetaculum.  —  Continuatur  descriptio  verbis  corruptis: 
cum  aegra  diu,  qnorum  medela  male  cessit  Rhenano.  Est  enim 
ejus  ratio  admodum  violenta,  dumvoeibus:  cum  aegra  diu  aut  staute, 
prorsus  arbitrarias:  cum  in  gradu  stantes,  substituit.  Sane  in  gradu 
stare  de  iis,  qui  cominus  et  gradu  obfirmato  pugnant,  dicitur,  ut  Ovid. 
Metam.  IX,  42  seqq.  „Digredimur  paulum  rursumque  ad  bella  coimus, 
lnque  gradu  stetimus  certi  non  cedere,  eratque  Tum  pede  pes  jun- 
ctus."  Tale  quid  autem  num  in  Iioc  pugnae  tumultu^fieri  potuerit,  ut 
in  gradu  starent ,  deque  eo  non  recederent,  jure  dubito.  Accedit, 
quod  simul  non  babet,  cui  tanquam  liovi  aliquid  indicatum  sitsubjun- 
gatur.  Probat  tarnen  Doederliuius  Rhenani  conamina,  quamquam  non 
omni  ex  parte,  et  locum  conclamatum  appellans,  qui  sine  libris  emendari 


99 

vix  possit.  Contra  L.  Rotbius,  bonns  dictionis  Taciteae  indagator: 
„cum  auriga  tunc  adstaute",-  in  quibus  aurigae  nomen  ex  v.  aegra 
felici  manu  protractum  judico,  siquidem  covinariorum  conamina  refe- 
runtur  eoque  aurigarum  mentiö  commoda  et  necessaria.  Sunt  enim 
propugnatoribus  nobiliores,  ut  docemur  c.  12:  honest  ior  auriga,  clien- 
tes  propugnant. 

Sed  reliquorum  quae  corrupta  et  lacuuosa  sunt:  diu  auf  staute, 
lubrica  medicina  et  non  minor  conjectantium  turba  et  confusio  est, 
quam  pugnantiiim  in  illo  proelio  fuisse  perhibetur,  quas  nunc  quidem 
in  medio  relinquamus.  Nos  syllabas  AEGRADIUAUTSTANTE 
ex  aur  .  .  .  a  .  .  .  ad  .  .  .  sultanti  .  .  .  corruptas,  et  has  reliquias 
esse  putamus  verborum:  „aurigae  impetu  adsultantium  simul  equorum 
corporibus  impellerentur."  Nam  in  pedites  cum  essent  illati  eosque 
in  se  convertissent  turbatis  simul  equis,  tumultus  is  potius  erat  et 
aurigarum  curruum,  equorum  et  peditum  fixa  aut  confusa  moles,  quam 
eqnestre  spectaculum.  Equestris  enim  pugna,  qualem  covinarii  so- 
lebant  exbibere,  agilis  est  et  brevis  ac  variato  impetu  huc  illuc  va- 
gatur.  Germ.  c.  30.  „Equestrium  sane  virium  id  proprium,  cito  pa- 
rare  victoriam,  cito  cedere.  Factum  igifur,  quod  apud  Sallust.  bell. 
Jug.  c.  59  memoratur.  „Neque  diutius  Numidae  resistere  quivisseut, 
ni  pedites  cum  equitibus  permixti  magnam  cladern..  facerent;  quibus 
illi  freti,  non,  uti  equestri  proelio  solet,  sequi,  dein  cedere,  sed  ad- 
ver sis  equis  concurrere ,  implicare  ac  perturbare  aciem. 


Cap.    37. 

Postquam  sylvis  appropinquarunt,  collecti  primos  sequentium  in- 
cautos  et  locorum  ignaros  circumveniebant.  Quodni  frequens 
ubique  Agricola  validas  et  expeditas  cohortes  indaginis  modo: 
et  sicubi  artiora  erant:  partem   equitum   dimissis  equis:   simul 

13* 


100 


rariores  silvas  eqttitem  persidtari  jussisset :  acceptum  aliquod 
vithtus  per  nimiam  fiduciam  foret. 


Haec  prisca  lectio  et  Puteolani  interpunctio:  sed  in  prima 
editione  eqttitem  est;  B.  et  A.  equites  perlustrari.  Recte  Rhenanus 
persultare  ex  ingenio,  quod  Vat.  A.  firmavit.  Sed  sententiae  non 
recte  procedunt.  In  silvis  circumveniebant  Britanni  eos,  qni  incau- 
tins  secuti  erant.  Häs  igitur  Romani,  insidiis  et  liostium  tnrbis  ple- 
nas,  et  perscrutari  et  tutas  praestare  debebant,  priusquam  agmina 
immilterentur.  Fit  lioc  indaginis  modo,  ut  si  in  venatu  praetentaut, 
quae  ferae  in  saltibus  inveniantur,  partim  a  cohortibus,  partim  ab 
equitibus.  Cohortes,  quae  adhibeantur,  appellat  validas  et  expedi- 
tas.  Erant  igitur  numero  et  vigore  conspicuae,  et  etiain  armorum 
partem  minus  necessariam  depcnere  jussae,  ne  in  fruticibus  et  du- 
metis  eis  praepedirentur,  quod  v.  expeditas  indicatur.  Addebatur 
pars  equitum  et  hi  quidem  dimissis  equis.  Hoc  dicitur  factum,  sicubi 
artiora  erant,  i.  e.  si  silvae  arboribus  densae,  quibus  dein  rariores 
opponuntur.  Inde  sequeretur,  equites  tunc  demum  adhibitos,  si  den- 
sae et  impeditae  silvae  obslarent,  quod  nulla  ratione  factum  esset. 
Peditum  et  equitum  calervae  perinde  adliibitae  fuerunt,  et  artiora 
Uta  ncnnisi  eo  possunt  spectare,  ut  tunc  dicantur  equites  dimissis 
equis,  i.  e.  relictis  ante  silvas  et  in  aliorum  manus  traditis,  ingressi; 
contra  cum  ipsis  equis,  siquidem  arborum  raritas  lioc  permiüeret. 
Accedit  dictionis  quaedam  scabrilies:  quodni  .  .  .  partem  equitum  .  . 
simul  eqnite  persultari  jussisset.  His  maus  nonnisi  transpositione 
adhibifa,  addito  verbo  et  alterius  terininatione  mutata  suecurri  posse 
credo,  siquidem  scribas:  ni  frequens  ubique  Agricola  validas  et  ex- 
peditas coliortes  et  partem  equitum,  sicubi  artiora  erant,  dimissis 
equis,  indaginis  modo  praetentare,  simul  rariores  silvas  equitando 
persultare  jussisset."  Scio  quidem,  talia  plerumque  per  zeugma 
explicari,  cujus  auxilio  ex  v.  persultare  istud  perscrutari  aut  simile 


101 

quid   intelligatur;    sed   hujus    figurae    durae  admodum    et  inconditae 
exempla  ultra  uecessitatem  augere  mihi  quidem  religio  est. 

Cap.  38. 

Et  simul  classis    secunda  tetnpestate  et  fama  Trutulensem  partum 
tennit,  linde  proximo  latere  Britanniae  lecto  omni  r edier at. 

In  libris  nihil  diversi,  nisi  quod  in  orlhographia  portus  Trutulensis 
variant,  et  Puteolani  editio  altera  latere  ante  Britanniae  ponit.  Por- 
tus ipse  incognitus;  clarum  tarnen,  cum  classis  ab  orientali  littore 
solveret,  ut  septentrionalem  insulae  partem  circumnavigaret,  eum  in 
latere  opposito  i.  e.  occidentem  versus  fuisse  situm.  Nam  univer- 
sam  insulam  illa  navigatione  non  fuisse  comprebensam,  sed  septen- 
trionalem Tantum  ejus  partem  seu  Caledoniain  et  res  atque  consilium 
Agricolae  docent,  et  quod  additur,  classem  e  Trutulensi  portu  re- 
disse  nimirum  in  stationem  pristinam.  Sed  laborat  sensus.  Quid 
enim  illud  plusquamperfectum  redierat?  Quando  id  factum  erat,  et 
quomodo  factum  dici  poterat,  cum  nihil  de  eo  reditu  dictum  fuerit, 
ad  quod  istud  redierat  referri  possit?  Haec  igitur  sine  nexu  abs- 
que  sensu  dicuntur,  quidquid  nuperrimi  editores  et  in  his  Orellius 
tentaverint  ad  sensum  loco  inferendum.  Quodsi  enim  —  quae  viri 
hujus  praeclari  sententia  est  —  Trutulensem  portum  in  littore  orien- 
tali juxta  Taum,  i.  e.  a  castris  hibernis  legionum  non  multum  remo- 
tum  ponis,  nulla  causa  erat,  quare  reditus  ex  eo,  quisquis  ille  fuerit, 
velut  memorabile  aliquid  narraretur,  neque  rationem  habet,  quod  in 
eo  proximum  Britanniae  latus  omne  legisse  dicatur.  Quid  enim 
proximo?  cuinam  proximum,  quod  legerat,  fuit  latus?  Num  stationi? 
cui  vero?  Trutulensi  an  portui  ex  quo  solveret  cum  versus  septen- 
trionem  tenderet?  hoc  ipsum  autem  quare  additur?  Quodcunque 
vero  illud  proximum  latus  fuerit,  quare  omne  dicitur,  quiduam  me- 
morabile aut    insolitum,    si  omne  proximum   latus    legerat  in   reditu, 


102 

cum  aliter  ne  redire  quidem  posset?  Haec  igitur  ita  comparata  sunt, 
ut  iion  nisi  supina  negligentia  praetervideri  aut  intacta  transmitli 
possin t.  Accedit  et  hoc,  quod  de  ipsa  navigatione  septentrionali 
insigni  illa  atqne  periculosa,  quippe  quae  per  niare  incognitum  fieret, 
ut  terrae  et  gentes  hucusque  inauditae  cognoscerentur,  nihil  refert 
nisi  eam  secunda  tenipestate  et  fama  factam,  contra  reditui  illi  pe- 
culiare  aliquid  et  insigne  tribuitur,  dum  addit  proximo  Britanniae 
latere  lecto  omni  absolutum  eum  fuisse.  Haec  et  ipsa  uvm  xccrw 
fieri  manifestum.  Itaque  et  lacunosum  et  transpositione  vocabulorum 
depravatum  locuoi  existimo  eumque  restituo  scribendo:  Et  simul 
classic  secunda  tempestate  et  fama  septentrionali  latere  Britanniae 
lecto  omni  Trutulemem  portum  tenuit,  unde  proximo  vere  redire 
jus sum  erat. 

Jam  ratio  totius  loci  patet.  Missa  erat  post  victoriam  de  Bri- 
tannis  reportatam  classis  Romana,  ut  incognitam  ante  insulae  partem 
circumveheret,  eumque  aestas  jam  exacta  esset  finita  hac  expeditione 
in  Trutulensi  portu  hiemaret  et  proximo  vere  inde  in  stationem  pri- 
stinam  ad  Taum  rediret.  Hocque  consilium  quantum  ad  expeditionera 
pertinebat,  eventom  habuit  plenum  et  felicem.  Lecto  enim  septen- 
trionali Britanniae  latere  omni  Trutulensem  portum  tenuit.  Quod  vero 
in  seqq.  usus  fuit  plusquamperfecto  redierat  seu  potius  redire  jussum 
erat,  hoc  qnoque  non  sine  ratione  factum  est.  Narrat  enim  Tacitus 
quae  praeceperat  Agricola  de  reditu,  in  eoque  narrationem  de  ejus 
expeditionibus  et  consiliis  terminat.  Statuendum  igitur,  proximo 
vere,  quo  redire  classis  debebat,  Agricolam  insula  jam  excessisse. 
Hoc  enim  modo  accnratus  auctor  referre  poterat  quid  jussisset.  Num 
proximo  vere  re  vera  redierit  nee  ne,  id  quidem  ad  ejus  consilium 
non  pertiuet,  cui  sufficiebat,  si  adderetur,  quid  de  reditu  jussisset 
Agricola,  cum  classem  a  se  in  septentrionalem  oceanum  dimitteret. 
Ceterujn  facilis,  ut  mihi  quidem  videtur,  est  medicina,  quam  loco 
prorsus  incongruo  adhibuimus,  sive  vocabulorum  transpositionem,  sive 


103 

voces  septentrionali  et  vere  ad  sensum  supplendum  additas,  sea 
denique  formae  redierat  in  redire  jussum  erat  ainplificafionem 
spectes. 

Cap.  39. 

Frustra  studio,  fori  et  civilium  artium  decus  in  silenlium  acta,  si 
militarem  gloriam  alias  occuparet,  et  cetera  utcunaue  facilius 
dissimulari,  ducis  boni  imperatoriam  virtutem  esse. 

Post  decus  distinguit  Doederlinius,  ut  ad  frustra  intelligatur 
esse,  et  in  silenlium  acta,  seorsim  ponantur,  utpote  quae  jam  causam 
praecedentium  contineant.  Nexus  vero  unani  et  integram  requirit  sen- 
tentiam  frustra  studia  fori  in  silentium  acta,  si  militarem  gloriam  alius 
occuparet,  i.  e.  se  frustra  laborasse,  ut  forum  sileret  et  ne  periculum 
inde  priucipatui  oriretur,  si  quidem  majus  ex  eo  periculum  immineret, 
quod  militaris  gloria  a  principe  ad  alium  privatum  transiret.  Haec 
igitur  plana  et  expedita;  sed  difficultas  in  sequenfibus,  quibus  priora 
ulterins  persequitur  et  novi  aliquid  addit.  Difficultas  autem  non 
tarn  in  verbis,  quam  in  oppositionis  ratione  ac  sensu.  Cetera,  cum 
respectu  ad  boni  ducis  virtutem,  sunt  reliquae  praeter  hanc  ipsam 
virtutes  omnes,  quas  in  praecedentibus  fndicat  et  c.  4.  studio  elo- 
quentiae  sapientiaeque  comprebendit.  Haec  si  dissimulari  dicuntur, 
spectat  boc,  ut  scite  monuit  Doederlinius,  ad  Studium  Domitiani,  qui 
se  oratorem  ferebat,  poetam  quoque  ac  juris  atque  pbilosophiae  pe- 
ritum,  nee  tarnen  erat,  quamquam  impudentissime  a  Quintiliano  ob 
lias  artes  laudatns.  Harum  igitur  artimn  defectum,  i.  e.  cetera,  dum 
reliqui  silebant,  assentatores  autem  loquebantur,  a  se  dissimulari 
posse,  nou  prorsus  quidem  sed  utcunaue,  et  facilius.  Sed  hie  ipse 
comparativus  ralionem  non  habet.  Sequitur  enim  ducis  boni  impera- 
toriam virtutem  esse,  quae  verba  nihil  habent,  quod  ad  facilius  et 
ad  principalem  sententiam  spectet.     Intelligunt  saue:   „non  posse  op- 


101 


primi  vel  tarn  facile  celari",  aut  simile  quidquam;  sed  uti  nunc 
verba  sese  habent,  sentenlia  absoluta  est,  et  talia  additamenta  non 
patitur.  Ac  ipsa  quidem  nihil  praedicat,  nisi  ducis  boni  imperato- 
riam  virtutem  esse,  de  quo  nemo  unquam  dubitavit.  Haec  igitur 
signa  sunt  manifesta,  aliquid  excidisse,  quod  suppleas  scribendo: 
„ducis  boni  imperatoriam  virtutem  in  aperto  esse",  neque  tarn  facile 
dissimalari  posse  ejus  defectum  quam  ceterarum,  quippe  quae  factis 
testari  et  proprio  lumine  splendere  debeat.  In  aperto  positum  est, 
ut  c.  1 :  agere  memoratu  digna  pronum  magisque  in  aperto  erat. 


Haec  jam  de  Aeschyli  et  Taciti  locis  lacunosis  aut  transposi- 
tione  vocabulorum  sanandis  sufficiant.  Voluimus  autem  simul  eis 
specimen  exbibere  commentariorum,  quos  de  bis  scriploribus  compo- 
suimus.  Quodsi  uberius  pleraque,  Aeschylea  inprimis,  tractata  videan- 
tur  uonnullis,  lii  velim  reputent,  non  viris  tantum  perfectae  doctrinae, 
sed  simul  juvenibus  ea  scripta  esse,  qui  me  duce  in  pbilologiae 
studiis  tractandis  exercentur,  eoque  non  pauca  admittere,  quin  requi- 
rere  etiam,  quae  ceteroquin  aut  omitti  aut  brevius  notari  poteraut. 


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Ueber  ein 
in  den  Besitz  des  königl.  Antiquariums 

übergegangenes 

silbernes    Gefäss 

mit  Darstellungen 
aus  der  griechischen  Heroengeschichte. 

Vorgetragen 

in  der  Sitzung  der  ersten   Classe   der  k.  Akademie   der  Wissen- 
schaften am  4.  Juni  1848 

von 

Friedr.   Thiersch. 


Mit    einem    Kupferstiche. 


Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.   V.  Bd.  II.  Abthl.  14 


Ueber  ein 
in  den  Besitz  des  königlichen  Antiquariums  übergegangenes 

silbernes     Gefäss 

mit  Darstellungen 
aus  der  griechischen  Heroengeschichte. 

Vorgetragen 
in  der  Sitzung  der  ersten  Classe   der  k.  Akademie  der  Wissen- 
schaften am   4.  Juni  1848 
von 
Friedr.   T hier  seh. 


/<u  Anfange  des  gegenwärtigen  Jahres  (1848)  gelangte  zu 
Kunde  des  historischen  Vereins  von  Schwaben  und  Neuburg  ein 
silbernes  Gefäss,  welches  ringsum  mit  Relieffiguren  geschmückt  und 
in  den  Besitz  des  Gold-  und  Silberarbeiters  Hrn.  Peter  Constantin 
zu  Ingolstadt  übergegangen  sey,  mit  der  wiewohl  noch  unbeglau- 
bigten  Meldung,  dass  es  von  einem  Bauer  zu  Mauching,  Land- 
gerichts Neuburg,  beim  Ackern  auf  seinem  Felde  wäre  gefunden 
worden,  und  mit  dem  Ansinnen  au  den  historischen  Verein,  dasselbe 
für  seine  Sammlungen  käuflich  zu  erwerben. 

Die  Angabe  des  Fundorts  schien  dadurch  beglaubigt  zu  werden, 
dass  bei  Manching,  wie  Hr.  Regierungsdirector  v.  Raiser  in  seiner 
sehr  schätzbaren  und  reichhaltigen  Schrift:  „Der  Oberdoriaukreis 
unter  den  Römern"  Tbl.  III,  p.  44  mit  der  ihm  eigenen  Sachkunde 
gezeigt  hat,  der  aus  dem  Antoninischen  Itinerar  und  der  Notitia 
Imperii  bekannte  Römerort  Valladum  gewesen  und  die  Gegeud  um- 
her durch  Reste  des  römischen  Alterthums  und  als  Fundort  von 
Münzen  und  anderen  antiken  Merkwürdigkeiten  berühmt  ist.    Indess 

14* 


108 

bei  näheren  im  Auftrage  des  historischen  Vereins  durch  den  königl. 
Landrichter  Herrn  Gerstner  über  Herkunft  und  Besitzer  dieses 
Kunstwerkes  eingeleiteten  amtlichen  Erhebungen  zeigte  sich,  dass 
Hr.  Constantin  dasselbe  nicht  von  einem  Bauer  aus  Manching,  son- 
dern von  einem  Mitbürger  in  Ingolstadt,  dem  Glockengiesser  Hrn. 
Pascolini,  erworben  hatte.  Dieser  hatte  ihm  die  Vase  nach  dem 
Silberwerth  bei  einer  mit  ihm  gepflogenen  Abrechnung  für  41  fl. 
überlassen.  Hr.  Pascolini  aber  erklärte,  er  habe  das  Gefäss  aus 
der  Verlassen schaft  seines  erst  vor  einem  Jahre  zu  Eichstädt  ver- 
storbenen Bruders,  welcher  das  gleiche  Geschäft  wie  er  getrieben, 
mit  anderen  Metallstücken  unter  alter  Glockenspeise,  demnach  durch 
Erbschaft  als  rechtmässiges  Eigenthum  bekommen.  In  der  Meinung, 
dass  es  aus  Messing  bestehe,  habe  er  es  seinem  Lehrling  zum 
Behuf  des  Zerschlagens  und  Einschmelzens  übergeben.  Dieser  nun 
bemerkte  beim  Anfange  des  Zerschlagens,  dass  das  Gefäss  von 
Silber  sey,  und  durch  diesen  Umstand  erst  wurde  man  veranlasst, 
es  näher  zu  betrachten  und  die  Figuren  wahrzunehmen,  mit  denen 
es  geschmückt  ist. 

Wir  hielten  für  nöthig,  diese  Notizen  über  die  letzten  Schick- 
sale eines  Werkes,  das  sich  beim  ersten  Anblick  sogleich  als  eines 
der  edelsten  Erzeugnisse  der  griechischen  Toreutik  ankündigt,  hier 
näher  anzugeben,  nicht  nur  weil  in  ihnen  ein  neuer  Beweis  vorliegt, 
wie  nahe  dem  Untergange  solche  kostbare  Werke  des  Alterthums 
selbst  in  unserer  Zeit  durch  Unachtsamkeit  oder  Unkunde  können 
gebracht  werden,  sondern  auch  weil  sie  auf  die  Herkunft  desselben 
hindeuten.  Mit  Recht  bemerkt  Hr.  Gerstner  in  seinem  Schreiben 
(Ingolstadt  29.  Jänner)  an  den  Hrn.  Regierungsdirector  v.  Raiser: 
„Die  Vase  werde  von  einem  der  säkularisirten  eichstädtischen  Klö- 
ster stammen,  wo  man  sie  wahrscheinlich  als  kirchliches  Geräth, 
etwa  als  Weihrauchgefäss,  gebraucht  oder  als  Antiquität  aufbewahrt 
habe.     Bekanntlich  seyen  sämmtliche  Effecten  der  Klöster  Rebdcrf, 


109 

Maria -Stein,  der  Dominikaner  u.  a.  iin  Jahre  1805/6  öffentlich  ver- 
kauft und  nach  allen  Seiten  hin  zerstreut  worden."  Auch  erklärt 
sich  aus  ihrem  letzten  Schicksale  der  gegenwärtige  schadhafte  Zu- 
stand der  Vase.  Der  untere  Theil  der  Hauptgruppe  ist  fast  ganz 
zerstört;  nur  die  hinter  der  Hauptfigur  am  Boden  mit  zurückgebun- 
denen Händen  sitzende  Figur  hat  sich  davon  erhalten,  und  zwar 
als  Bruchstück,  das  die  Aufmerksamkeit  des  darauf  schlagenden 
jungen  Glockengiessers  auf  sich  zog  und  dadurch  gerettet  wurde. 
An  diese  Lücke  schliessen  sich  die  drei  anderen  *  kleineren  der 
rechts  gezeichneten  Gruppe,  die  zum  Glück  in  der  Grundfläche  lie- 
gen, und  von  denen  nur  zwei  Figuren  unwesentlich  beschädigt  sind. 
Die  Brüche  sind  überall  frisch,  auch  an  dem  grösstenteils  ver- 
schwundenen Boden  des  Gefässes,  dessen  Ueberreste  Spuren  von 
mehreren  im  Kreise  laufenden  Vertiefungen  zeigen ,  mit  denen  er 
-verziert  war.  Es  besteht  darum  wohl  kein  Zweifel,  dass  das  Ge- 
fäss  bis  dahin  sich  ganz  erhalten  hatte,  und  nur  erst  durch  den 
Hammer  jenes  Knaben  zu  seinen  gegenwärtigen  Beschädigungen  ge- 
kommen ist.  Das  von  ihm  eingelieferte  Bruchstück  N.  14  ist  in 
der  Zeichnung  an   der  Stelle  eingefügt,    in   die  es   genau    einpasst. 

Der  historische  Verein  von  Augsburg  hatte  gleich  auf  die  erste 
Kunde  die  Einsendung  des  Gefässes  begehrt  und  von  dem  Besitzer 
erhalten.  Zum  Ankauf  desselben  war  er  um  so  mehr  geneigt,  als 
dieser  leicht  zu  erwirken  stand,  wenn  das  Gefäss  in  der  That  beim 
Pflügen  ausgeackert  worden  war.  Es  konnte  dann  von  der  öffent- 
lichen Behörde  um  den  Metallwerth  erworben  werden,  zu  dem  ge- 
wöhnlich als  Entschädigung  des  Finders  noch  ein  massiger  Zusatz 
als  Honorar  bewilligt  wird.  Dagegen  machte  Hr.  Constantin,  der 
indess  den  Werth  des  Kunstwerkes  erkannt  hatte,  sein  Recht  als 
Besitzer  an  einem  Gegenstande  geltend,  den  er  in  gesetzlicher 
Weise  aus  der  Erbschaft  eines  Mitbürgers  erworben  hatte.  Er 
werde  darum  die  Sache    an   S.  Majestät   den  König  Ludwig  briu- 


110 

gen,  den  Verkauf  des  Gefässes  für  die  königl.  Sammlung  bean- 
tragen ,  und  vorbehaltlich  seiner  Zustimmung  die  Schätzung  nur  dem 
Couservator  desselben  anvertrauen.  So  gelangte  das  Gefäss  nach 
München.  Durch  höchstes  Ministerialrescript  vom  6.  Februar  wurde 
die  Akademie  aufgefordert,  darüber  zu  berichten.  Ehe  dieses  ge- 
schah, trat  ich  mit  Hrn.  Constantin  über  die  Bestimmung  der  Kauf- 
summe in  brieflichen  Verkehr,  schrieb  ihm,  dass,  wenn  das  Gefäss 
unverletzt  geblieben,  ich  seinen  Werth  auf  100  Ducaten  schätzen 
würde  und  ihn  auf  75  stelle,  da  es  so  beträchtliche  Beschädigungen 
erlitten  habe.  Auf  diese  Schätzung  hin,  mit  welcher  Hr.  Constan- 
tin sich  einverstanden  erklärte,  wurde  der  Kauf  eingeleitet,  vom 
königl.  Ministerium  des  Innern  für  Cultus  und  Unterricht  unterm  9. 
Mai  genehmigt  und  sofort  vollzogen. 

Die  ursprüngliche  Bestimmung  des  Gefässes  unterliegt  wohl  kei- 
nem Zweifel.  Es  zeigt  einen  einfachen  „Weitling",  und  die  schlich- 
teste Form  der  Becher,  welche  unter  dem  Namen  oxixpog,  dinccg 
begriffen  werden  und  ebenso  au  Grösse,  wie  an  Gestalt  und  Aus- 
stattung mit  Untersatz  und  Henkeln  oder  Ohren  (coro)  verschieden 
waren.  Athenäus,  welcher  (XI.  S.  498  A.  ff.)  davon  ausführliche 
Nachricht  gibt,  führt  als  poetische  Form  oxvjupog,  oxtxpwucc,  oxvn- 
tpsiov  d£nag,  und  für  den  mit  Henkeln  öxvipog  wrosig  an,  erwähnt 
solcher  Geschirre  aus  Holz,  Gold  und  Silber,  und  unterlässt  nicht 
zu  bemerken,  dass  ursprünglich  die  Trinkgeschirre  der  Hirten  und 
Bauern  so  genannt  wurden,  die  einfachsten  nämlich,  bis  die  Kunst 
sich  ihrer  bemächtigte  und  die  feineren  Formen  bildete,  von  denen  unten 
zwei  Arten:  der  ozvcpog  Botconog  und  ^HqayJ.uiarizog,  mit  dem  cHqcc- 
r.Xuog  dvddsGfxog  zur  Erwähnung  kommen  werden.  Exemplare  aus 
Silber  haben  sich  mehrere  erhalten,  wie  der  einfache  kleine  Becher 
mit  der  Apotheose  des  Homer  im  bourbonischen  Museum,  und  der 
schlanke  mit  Henkeln  in  der  Bibliothek  der  Familie  Corsiui  zu  Rom, 
und  andere,  die  in  Paris  und  Petersburg  aufbewahrt  werden. 


111 

Der  untere  Rand  zeigt  eine  Hohlkehle  mit  starker  wulstähn- 
licher Erhöhung  am  Boden  und  einer  feineren  Linie,  auf  welcher 
die  Fignren  der  Gruppe  rechts  neben  dem  Schilde  stehen.  Unter 
der  Gruppe  links  dem  Schilde  ist  diese  Erhöhung  ungleich,  was  für 
die  Erklärung  des  Pokals  nicht  ganz  ohne  Bedeutung  ist.  Der 
obere  Rand  ist  wulstähnlich  übergebogen  und  wird  in  der  Tiefe 
durch  ein  etwas  eingebogenes  Stäbchen  geschlossen.  Die  beiden 
Ränder  sowohl  als  die  am  meisten  hervorstehenden  Theile  der  Fi- 
guren zeigen  dadurch,  dass  sie  zum  Theile  bedeutend  abgegriffen 
sind,  von  dem  langen  und  häufigen  Gebrauche  dieses  Trinkgeräthes ; 
doch  hat  derselbe  ihrem  Werthe  keinen  wesentlichen  Abbruch  ge- 
than,  wie  von  andern  Silbergefässen  solcher  Art  Plinius  erwähnt 
(XXXIII,  c.  12.  S.  55  §  157):  usque  adeo  attritis  caelaturis,  ne  figura 
discerui  possit,  auctoritas  constat. 

Die  Figuren  zeigen  fast  ohne  Ausnahme  noch  die  volle  Model- 
lirung  ihrer  Glieder;  nur  die  Gesichtszüge  sind  bei  vielen  nicht  un- 
bedeutend abgerieben;  doch  tritt  auch  hier  aus  dem,  was  noch  übrig 
ist,  der  ursprüngliche  Charakter  fast  überall  noch  deutlich  hervor. 
Ueber  die  Art  seiner  Verfertigung  äusserte  sich  nach  einem  den  Ac- 
ten beiliegenden  Bericht  des  historischen  Vereins  von  Augsburg  Hr. 
Hundertpfund,  ein  hochgeachteter  Maler  daselbst,  nicht  ohne  Grund 
dahin,  dass  die  Figuren  weder  gegossen  noch  getrieben,  sondern 
frei  ausgeschnitten  seyen;  mau  sehe  dieses  besonders  aus  dem  ein- 
gewickelten Kinde  der  aufrecht  stehenden  Frau  und  dem  Schilde 
mit  den  vier  kleinen  Figuren.  Die  Arbeit  selbst  geschah  wie  bei 
den  geschnittenen  Steinen  mit  Hilfe  der  Drehscheibe,  des  roQvog, 
und  des  Aus-  und  Abschleifens  (roQsvety),  wovon  die  Toreutik  (ro- 
qevtixtj  r€%vri,  caelatura)  ihren  Namen  hat.  Die  Stifte  oder  Bohrer 
(terebrae),  deren  der  Künstler  beim  Schneiden  sich  bedient,  enden 
nach  dem  Bedürfniss  der  Arbeit  in  eine  Spitze,  einen  Bart,  eine 
gerade  oder  gebogene  Scheibe  und  werden  mit  einem  Rad  in  Ver- 


112 

biudung  gebracht,  das  von  der  um  die  Drehscheibe  geschlungenen 
Schnur  beim  Umdrehen  derselben  wie  das  Spinnrad  in  rasche  Be- 
wegung gesetzt  wird,  und  wie  dieses  die  Spuhle,  so  die  eingefügten 
terebrae  dreht  (terebrarum  fervor  bei  Plinius).  Bei  geschnittenen 
Steinen  mussten  die  terebrae  wegen  der  Härte  des  Stoffes  das 
Ganze  verrichten,  bei  Metallen  war  es  leicht,  mit  freier  Hand  in 
dem  Feinen  nachzuhelfen.  Die  stärksten  Erhöhungen  waren,  wie 
es  Hrn.  Hundertpfund  nicht  entgangen  ist,  aufgelöthet,  und  wurden 
durch  Schnitt  und  Abdrehen  dann  mit  den  übrigen  Stücken  in  Har- 
monie gesetzt.  An  einigen  Stellen,  wie  am  linken  Schenkel  und 
am  Kopfe  des  als  Bruchstück  erhaltenen  Kriegers  ist  der  Ansatz 
ausgefallen,  und  der  Grund  an  diesen  Stellen  noch  mit  kleinen 
perlenähnlichen  Erhöhungen  bedeckt.  Auch  aus  den  Stücken  des 
au  dem  Boden  knieenden  und  gefesselten  Kriegers,  der  sich  der 
Frauengruppe  anschliesst,  ist  fast  die  ganze  Fläche  des  Rückens 
ausgesprungen  und  sind  noch  Spuren  der  Punktirung  des  Grundes 
übrig. 

Der  der  Abhandlung  beigegebene  Kupferstich  enthält  in  dem 
oberen  Rande  eine  genaue  Zeichnung  des  ganzen  Reliefs  mit  über- 
geschriebeneu Zahlen,  nach  denen  bei  der  Beschreibung  die  Figuren 
sollen  bezeichnet  werden.  Darunter  ist  Nr.  I  und  II  eine  perspe- 
ctivische  Ansicht  der  beiden  Seiten  des  Gefässes  gezeichnet  und 
Nr.  IV  die  Breite,  die  Tiefe  und  die  Ausbiegung  derselben  in  Linien 
angegeben. 

Gehen  wir  auf  den  Inhalt  über,  so  ist  bald  wahrzunehmen, 
dass  eine  Vereinigung  von  drei  zu  einander  gehörigen  Gruppen  sich 
vor  uns  entfaltet,  von  denen  die  mit  den  Kriegern  sich  gleich  als 
die  vorwaltende  und  darum  als  die  Mitte  der  ganzen  Darstellung 
kenntlich  macht.  Zu  beiden  Seiten  sind  weibliche  Gruppen,  sitzende 
und  stehende  Frauen,    zum   Theil  mit  Kindern   und  mit   Ausnahme 


113 

von  Einer  sämmtlicli  den  tiefsten  Schmerz  ausdrückend.  Wie  aber 
in  der  Hauptgruppe  selbst  über  die  Männer  entschieden  wird,  so 
zeigt  der  tiefe  Schmerz  der  Frauen,  der  Trost,  den  die  Greisinnen 
unter  ihnen  zu  spenden  bemüht  sind  und  die  stumme  Verzweiflung 
anderer,  dass  diese  die  Entscheidung  ihres  Looses  eben  vernommen 
haben,  und  von  welcher  Art  dasselbe  sey,  deutet  nicht  nur  der 
Ausdruck  der  Frauen,  sondern  auch  vor  der  rechten  Gruppe  die 
Gestalt  eines  mit  der  Chlamys  bekleideten  und  aufrecht  stehenden 
Kriegers,  der  das  noch  in  der  Scheide  ruhende  Schwert  mit  ange- 
zogenem Arme  in  der  Rechten  hält.  Alles  das  weist  mit  Entschie- 
denheit auf  Vorgänge  nach  Eroberung  einer  Stadt,  wo  über  das 
Loos  der  gefangenen  Männer  und  Frauen  gerichtet  wird.  Die 
Entscheidung  selbst  aber  geht  von  dem  jungen  Krieger  aus,  der  mit 
der  Chlamys  um  den  linken  Arm  geschlungen,  mit  dem  Riemen  des 
Schwertes  (balteus)  um  Nacken  und  Brust,  die  Hand  nach  einem 
Krieger  hinstreckt,  der  aufmerksam  nach  ihm  blickt,  während  dessen 
aber  das  Schwert  zurückhält,  das  bestimmt  ist,  einen  Gefangenen 
zu  treffen,  der  mit  rückwärts  gebundenen  Händen  von  ihm  abgewen- 
det auf  den  Knieen  liegt,  und  dem  er  zum  Behufe  des  tödtlichen 
Streiches  mit  der  Linken  das  Haupthaar  gefasst  und  das  rechte 
Knie  in  den  Rücken  über  die  gefesselten  Arme  gestemmt  hat.  Der 
Vorgang  selbst  aber  tritt  in  die  heroische  Zeit  zurück.  Dieses  ist 
daraus  klar,  dass  die  handelnden  Männer  unbekleidet,  oder  nur  mit 
Chlamys,  Helm  und  Parazonium  ausgerüstet  sind.  Auch  Götter  feh- 
len bei  dem  Vorgang  nicht.  Dem  Gebietenden  zur  Seite  steht  ganz 
flach  erhaben  Pallas  Athene,  an  Helm  und  Lanze  leicht  zu  erken- 
nen; eine  ähnliche  Gestalt  erhebt  sich  hinter  der  mit  einem  Kinde 
auf  dem  Schoosse  am  Boden  sitzenden  Frau.  Sie  ist  fast  ganz 
erloschen;  aber  das  Parazonium  über  Schulter  und  Brust,  einige 
Umrisse  von  dieser  und  von  dem  ausgestreckten  rechten  Arme  sind 
noch  zu  unterscheiden.  Die  Figur  Avar  also  eine  männlich-heroische. 
Die  Geradheit  ihrer  Stellung  deutet  darauf  hin,    dass   sie   als  Theil 

Abhandlungen   der  I.  Cl.  d.  k  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.   II.  Abthl.  15 


11t 

eines  Tropäoii,  von  dem  dann  Reste  des  Panzers  und  der  grade 
abstellenden  Bekleidung  des  Oberwamses  übrig  wären,  wenn  nicht 
als  Statue  zu  betrachten  war,  und  dieser  Umstand  ist  zur  weitern 
Erklärung  von  Wichtigkeit.  Bezüglich  der  Pallas  bemerkte  Herr 
Hundertpfund  bei  ihrer,  Erwägung  und  Theilnahme  ausdrückenden 
Stellung  mit  vollem  Rechte,  dass  sie  nicht  als  Statue,  sondern  als 
die  zum  Schutze  oder  Rathe  dem  Sieger  nahe  Gottheit  gegenwärtig 
sey.  Sie  ist  wie  in  grosser  Entfernung  gehalten  und  als  ob  sie 
dem  gewöhnlichen  Blicke  sich  entziehen  wollte,  ungefähr  wie  im 
Anfange  der  Iliade,  wo  sie  bei  ihrer  Erscheinung  iui  Streite  der 
Helden  (II.  a,  194)  dem  Achilles  allein  sichtbar  ist,  den  sie  be- 
rathen  und  von  Gewalttätigkeit  abmahnen  soll,  von  keinem  der  An- 
dern aber  gesehen  wird.  Ist  sie  auch  hier  erschienen,  den  Zorn 
eines  jungen  Helden  zu  ermässigen?  Fast  scheint  es  so;  ihre  fried- 
same, gegen  den  Unglücklichen,  der  den  Todesstreich  erwartet,  hin- 
gewendete Stellung  lässt  es  vermuthen.  Der  Umstand  aber,  dass 
der  Held  die  Fläche  der  vorgestreckten  Hand  nach  oben  wendet, 
deutet  auf  Erwägung  und  milde  Gesinnung.  Es  ist  dieselbe  Haltung 
der  Hand ,  welche  die  Götter,  wenn  auch  bei  herabgesenktem  Arme, 
zeigen,  der  Ausdruck  wohlwollender  Beachtung  und  Geneigtheit 
gegenüber  denen,  die  sich  ihnen  mit  Gebeten  nahen,  was  Aristo- 
phanes  in  muthwiHigem  Spott  dahin  deuten  lässt,  dass  sie  die  Hand 
nach  den  Gaben  wenden,  die  man  ihnen  darbietet.  Ist  diese  die 
richtige  Deutung,  so  erschien  hier  die  Göttin  ihrem  siegreichen 
Schützling,  um  seinen  Zorn  zu  ermässigen,  den  die  Gefangenen 
der  besiegten  Stadt  zu  erdulden  im  Begriffe  waren,  und  die  Wir- 
kung ihrer  Nähe  und  ihres  Willens  ist  dann  dadurch  ausgedrückt, 
dass  der  Held  dem  auf  ihn  blickenden  und  horchenden  Krieger  be- 
deutet, das  gezückte  Schwert  zurückzuhalten  und  des  Gefangenen 
zu  schonen,  der  mit  vorgebeugtem  Haupte  seinen  letzteu  Augen- 
blick erwartet. 


115 

Damit  sind  wir  auch  der  Begebenheit  selbst  auf  der  Spur,  die 
in  diesem  schönen  Werke  verherrlicht  wird.  Es  ist  Pyrrhus  oder 
Neoptolemus ,  der  Sohn  des  Achilles,  der  Besieger  von  Troja,  der 
nach  Eroberung  der  Stadt  über  troische  Gefangene  Gericht  hält. 
Hinter  ihm,  umgeben  von  Frauen  und  in  tiefem  Grame  am  Boden 
sitzend,  Polyxena,  welche  zum  Opfer  für  Achilles  gefordert  wird, 
und  in  der  Frauengruppe  linker  Hand,  in  gleicher  Weise  an  der 
Erde  sitzend  und  vom  Grame  gebeugt,  Andromache,  welche  das 
Loos  vernommen,  das  ihrem  Kinde,  dem  Sohne  des  Hector,  be- 
stimmt ist,  der  vor  ihr  am  Boden  sitzt  und  der  Mutter  die  Arme 
entgegenstreckt.  Beide  Frauengruppen  sind  durch  das  Schild  zwi- 
schen ihnen  getrennt,  welches  auch  seinerseits  andeutet,  dass  die 
Scene  in  ein  Feldlager  verlegt  ist.  Es  trennt  die  beiden  Gruppen 
an  der  Stelle,  die  dem  Mittelpunkte  der  Hauptgruppe  im  Diameter 
entgegensteht.  Dadurch  wird  die  Anordnung  vollends  klar;  die 
Gruppe  der  Krieger  und  des  Gerichts  rechtfertigt  sich  auch  durch 
diese  Anordnung  als  die  vorwaltende  und  entscheidende,  und  die 
weiblichen,  welche  durch  das  Schild  getrennt  werden,  sind  ebenso 
durch  ihre  Stellung  wie  durch  ihren  Inhalt  den  andern  untergeordnet 
und  sie  ergänzend. 

Dass  der  Sohn  des  Achilleus,  welcher  nach  des  Vaters  Tode 
vor  Troja  auftrat,  als  Jüngling  von  sehr  frühen  Jahren  unter  den 
Ersten  in  der  Schlacht  und  im  Hat  he  geglänzt,  bei  Eroberung  der 
Stadt  aber  die  höchste  Tapferkeit  und  Unerschrockenheit  bewiesen, 
und  einen  herrlichen  Theil  der  Beute  und  ein  gleiches  Ehren- 
geschenk erworben  hat  (juoiqc.v  xal  ytyag  to&kov  t^wy),  erfährt 
bereits  der  Schatten  seines  Vaters  von  Odysseus  in  der  Unterwelt 
(Odyss.  /,  534).  Die  späteren  epischen  Dichter  haben  dieses 
Thema  zum  Theil  wohl  aus  alter  Sage  des  Weiteren  ausgeschmückt, 
und  in  den  Meldungen  aus  ihnen,  denen  Virgilius  folgt  (Aen.  II, 
v.  469  ff.)  erscheint  er  als  der  Held  jenes  Entscheidungstages,  der 

15* 


110 

die  eigentliche  Burg  der  Dardaniden  stürmt,  ihre  Pforten  ond  Mauern 
bricht  und  über  ihren  Trümmern  und  den  Leichen  der  heldeumüthi- 
geu  Vertheidiger  zum  König  Priamos  vordringt  und  den  vom  Blute 
seines  jüngsten  Sohnes  bespritzten  Greis  durchbohrt.  Er  war  also, 
wie  der  Erbe  des  Namens  und  Ruhmes,  so  der  Fortsetzer  der  Tha- 
ten  seines  grossen  Vaters,  und  es  erscheint  dieser  Stellung  ganz 
entsprechend,  wenn  er  in  der  Scene  nach  der  Eroberung,  die  in  unse- 
rem Werke  als  der  Mittelpunkt  der  bedeutendsten  auf  sie  bezüglichen 
Vorgänge  auftritt,  die  hervorragende  Persönlichkeit  bildet,  zumal  der 
Inhalt  der  weiblichen  sich  auf  sein  Ehrengeschenk,  wenigstens  einen 
Theil  desselben  und  auf  die  Ehrung  seines  Vaters  bezieht.  Hinter  ihm 
(N.  11)  stehen  (N.  12,  14,  15)  zu  einer  schönen  Gruppe  vereinigt  drei 
Myrmidonen,  der  erste  davon  eiu  Jüngling  mit  Helm  und  Schild  ge- 
rüstet, dessen  Spuren  noch  sichtbar  sind,  der  andere  bärtig  und  bis  über 
die  Schulter  mit  breitem  Schilde  bedeckt  ohne  Helm,  beide  zu  Pyr- 
rhus  hingewandt,  der  dritte  wider  ein  Jüngling,  ohne  Helm,  aber 
mit  der  Lanze  in  der  Linken,  und  ebenfalls  von  dem  grossen 
Schilde  bedeckt,  das  Haupt  nach  einem  Gefangenen  zurückwendend. 
Von  grosser  Merkwürdigkeit  und  Bedeutsamkeit  ist  der  Schild,  des- 
sen Fläche  der  ganzen  Ausdehnung  nach  von  vier  unbekleideten 
und  zu  einer  Gruppe  vereinigten  Gestalten  angefüllt  ist.  Die  mittlere 
bedeckt  das  Haupt  mit  einem  von  der  linken  Hand  emporgehobenen 
Schilde,  umschlingt  mit  dem  rechten  Arme  einen  Getödteten,  der 
zurück  gebogen  und  mit  gesunkenen  Armen  überhängt,  und  schreitet 
über  einen  Leichnam  hhnveg,  während  ein  ganz  unbekleideter  und 
unbewaffneter  Mann  in  aufrechter  Stellung  nachschreitet,  die  Hand 
ebenfalls  über  das  Haupt  emporhebend,  und  mehr  in  der  Haltung 
eines  Wehklagenden  als  eines  an  dem  Kampfe  Betheiligten.  Es 
wird  also  der  Leichnam  eines  gefallenen  Kriegers  während  noch 
andauernden  Kampfes  aus  der  Schlacht  getragen.  Aber  wessen 
Tod  ist  es,  der  hier  in  diesem  ausnehmend  schönen  und  bedeu- 
tungsvollen Symplegma  gerettet  wird?     Ist  die  Hauptfigur  auf  Pyr- 


117 

rhus  zu  beziehen,  so  würde  dieser  Umstand  schon  hinreichen,  in 
der  Gruppe  den  Tod  des  Patroklus  zu  erkennen,  dessen  Leichnam 
von  Meuelaus  aus  der  Schlacht  getragen  wird.  Die  Schilderung, 
eine  der  lebendigsten  und  bewegtesten  der  Iliade,  steht  II.  q,  717 
ff.,  wo  im  Kampfe  um  den  Leichnam  Ajas  dem  Menelaos  zuruft: 

„Aber  du  selbst  und  Meriones  duckt  unter  den  Leichnam 
„Schnell  und  hebt  ihn  empor  und  traget  ihn  aus  dem  Getümmel, 
„Während    die  Troer   ich    selbst   abwehr'    und    den    göttlichen 

Hektor." 

Es  wird  also  Menelaos  seyn,  der  den  Patroklos  emporgehoben 
hat  und  davonträgt.  Diese  aus  der  Sache  selbst  gezogene  Deutung 
findet  ihre  volle  Bestätigung  durch  die  berühmte  Marmorgruppe, 
welche  denselben  Gegenstand  darstellt  und  sich  in  einem  Exemplar 
ganz  und  in  Bruchstücken  eines  andern  erhalten  hat.  Die  ganze 
steht  jetzo  in  der  untern  Halle  des  Pallastes  Pitti  in  dem  nach  dem 
Garten  geöffneten  Räume;  die  Bruchstücke  der  andern,  das  Haupt 
des  Menelaus,  die  Schenkel  des  Patroklus  und  einzelne  andere 
Reste  liegen  im  hintern  Grunde  der  langen  Statuengallerie  (galleria 
delle  statue)  des  Vatikan.  Dazu  der  Torso,  der  in  die  Mauer  eines 
Hauses  der  Strasse  del  Pasquino  eingefügt  wurde,  selbst  Pasquino 
genannt  wird,  und  der  Strasse  den  Namen  gegeben  hat.  Er  ist  von 
Visconti  (Museo  Pio- Clement,  t  IV.  S.  21  —  31)  als  ein  zu  jener 
oder  einer  dritten  solchen  Gruppe  gehöriger  Torso  des  Menelaos 
erkannt  worden  und  ein  Werk  vom  höchsten  Style  der  Skulptur. 
Ist  aber  dieses  der  Inhalt  des  Schildreliefs  auf  unserer  Schale,  so 
tritt  es  dadurch  in  nähere  Beziehung  zu  Pyrrhus  und  verstärkt  die 
Schlussfolgerung,  durch  welche  wir  zur  Erklärung  des  jungen  He- 
ros geführt  wurden.  Der  Künstler  hat  dadurch,  dass  er  auf  einem 
Schilde,  vielleicht  auf  des  Helden  eigenem  Schilde,  welchen  der 
Krieger  als  sein  Diener  (&£QÜn<av)   ihm  während   des   ganzen  Vor- 


118 

ganges  trägt,  eine  in  den  Schicksalen  seines  Vaters  hervorragende 
Scene  und  den  Tod  des  Patroklus  darstellt,  zugleich  den  Achilles, 
der  durch  jenen  Tod  zur  Entfaltung  seiner  ganzen  Heldengrösse 
geführt  wurde,  schon  die  Beziehung  der  Gruppe  auf  jene  Scene 
näher  bezeichnen  wollen. 

Ehe  wir  in  ihrer  Deutung  weiter  gehen,  ist  beizuziehen,  was 
sie  an  Gefangenen  enthält.  Hinter  dem  Schildträger  steht  ein  Greis 
(N.  16)  in  faltiger,  nicht  hellenischer  Kleidung  und  dadurch  als 
Nichtachäer  bezeichnet,  mit  vorgebogenem  Haupte,  die  Hände  auf 
den  Rücken  gefesselt  und  rückwärts  von  einem  Krieger  gehalten, 
der  allein  mit  Helm  und  Parazonium  gerüstet  ist.  Das  also  ist  ein 
Gefangener  aus  Troja,  einer  der  Demogeronten,  die  um  Priamus  zu 
Rathe  zu  sitzen  pflegten,  der  hier  seinem  Schicksale  entgegengeführt 
wird.  Mit  ihm  hängen  innerlich  die  zwei  Gestalten  am  Boden  (N. 
9  und  13)  zusammen;  beide  sind  in  gleicher  Weise  gefesselt,  der 
eine  knieend  unter  dem  Schwerte  des  Achäers  (N.  8),  der  andere 
ein  ähnliches  Loos  erwartend.  Pyrrhus  also  ist  hier  in  dem  Augen- 
blicke dargestellt,  wo  er  über  das  Loos  gefangener  Feinde  verfügt, 
Dass  er  sie  dem  Tode  bestimmt  hat,  ist  klar.  Aber  zu  welchem 
Tode?  wozu  diese  Grausamkeit  nach  vollendetem  Kampfe?  Oder 
lag  hier  eine  Ueberlieferung  zum  Grunde,  über  welche  die  Sage  bei 
den  uns  übrig  gebliebenen  Sängern  der  3Wov  m'QGig  ebenso  schweigt, 
wie  die  aus  ihnen  geschöpften  bei  den  attischen  Tragikern  ?  Und 
handelte  es  sich  dabei  nicht  sowohl  von  einem  blossen  Acte  scho- 
nungsloser und  ruchloser  Härte,  als  vielmehr  von  einer  Sühne,  so 
konnte  diese  sich  nur  auf  den  frühen  Tod  seines  Vaters  beziehen, 
dessen  Asche  neben  der  des  Patroklus  in  Troja  zurückblieb  und 
vielleicht  durch  blutige  Todtenopfer  der  Gefangenen  sollte  geehrt 
werden.  Die  Scene  träte  dann  derjenigen  zur  Seite,  welche  Homer 
bei  Beeidigung  des  Patroklus  schildert.  Achilles  hatte  bei  dem 
Rachekampfe  für  seinen  gefallenen  Freund,  als  die  feindlichen  Schaa- 


119 

ren  iii  den  FIuss  gedrängt  wurden,  des  Mordens  müde,  zwölf  troi- 
sche  Jünglinge,  welche  sich  in  dem  Ufergeklippe  bargen ,  ausgelesen 
(II.  (p,  27  f.)  und  geschont,  um  sie  bei  der  Bestattung  des  Freundes 
zu  seiner  Sühne  neben  dem  Scheiterhaufen  zu  schlachten  und  mit 
ihm  zu  verbrennen. 

,. Sühne  bereitend  dem  Tode  des  Menoitiaden   Patroklos. 
Diese  führt'  er  heraus,  die  erzitterten  ähnlich  den  Rehen, 
Ihnen  zurück  die  Hände  mit  zierlichen  Riemen  umschlingend, 
Welche  sie  selbst  getragen  auf  reichlich  gefaltetem  Leibrock, 
Gab  sie  darauf  den  Genossen,  sie  nach  den  Schiffen  zu  führen." 

Als  nun  die  Verbrennung  des  Palroklus  vollzogen  wurde,  und 
um  den  Scheiterhaufen  Schafe  und  Rinder  geopfert  und  mit  ihrem 
Fette  der  Leichnam  bedeckt,  auch  mit  Honig  und  Salben  umgeben 
war,  wurden  noch  vier  Pferde  und  zwei  Hunde  des  Patroklus  ge- 
schlachtet und  auf  den  Scheiterhaufen  gelegt.  Dann  fährt  der  Dich- 
ter fort  (II.  i/>,  175): 

„Auch  zwölf  treffliche  Söhne  dazu  der  muthigen  Troer, 

Die  er  mit  Erze  getödtet;  denn  schreckliche  Thaten  erwog  er." 

Diesem  analog  finden  wir  die  Scene  unseres  Gefässes.  Auch 
hier  Jünglinge,  gleich  jenen  gefesselt  und  im  Begriffe,  wenn  nicht 
von  Pyrrhus,  aber  doch  auf  dessen  Geheiss  den  tödtlichen  Streich 
zu  erwarten,  ein  Greis  noch  neben  ihnen,  und  in  der  Lücke  hinter 
ihnen  ein  Dritter  gefesselt  am  Boden  sitzend.  Wahrscheinlich  ist 
noch  ein  vierter  hinter  diesen  gewesen,  der  in  dem  Bruche  verloren 
ging.  Die  VermuÜiung  liegt  also  nahe,  dass  es  hier  auch  auf  eine 
Sühne  (noivrf),  und  zwar  das  Vaters,  durch  troische  Gefangene  ab- 
gesehen sey,  die  nach  Eroberung  der  Stadt  und  vor  Abfahrt  des 
Heeres   dem  gefallenen   Helden    von   seinem  Sohne  sollen  geopfert 


120 

werden.  Ist  aber  dieses  der  Fall,  und  wird  die  Ausführung,  wie 
oben  angegeben  ward,  noch  im  entscheidenden  Augenblicke  durch 
das  Vorwiegen  anderer  Erwägungen  des  Siegers  gehemmt,  so  inuss 
dafür  ein  weiterer  Grund  nachgewiesen  werden,  der  in  der  andern 
Gruppe  angedeutet  seyn  wird. 

Zunächst  für  diesen  Zweck  bietet  sich  die  rechts  angeschlos- 
sene, welche  durch  den  das  Schwert  haltenden  und  von  der  Haupt- 
gruppe abgewendeten  Krieger  (N.  19)  zweckmässig  angefangen, 
und  durch  eine  am  Boden  sitzende  Frau  (N.  20),  die  ihr  Kind 
säugt,  und  dann  durch  vier  Frauen  (21,  22,  23,  24)  fortgesetzt 
wird.  Als  Hauptgestalt  wird  man  leicht  die  sitzende  (22)  erken- 
nen, an  ihrer  edlen  Haltung  und  an  ihrem  tiefen  Schmerz;  die  hin- 
ter ihr  stehende  (21)  zeigt  sich  durch  ihre  Haltung  mehr  als  Die- 
neriu.  Selbst  in  Trauer  versenkt  blickt  sie  auf  diese  gegen  sie 
hingebogene  Alte,  die  als  in  lebhafter  Rede  begriffen  durch  die 
Vorbeugung  ihrer  Gestalt  und  die  halb  vorgestreckten  und  geöff- 
neten Hände  sattsam  angedeutet  wird.  Es  ist  demnach  eine  Lei- 
densgruppe mit  heftiger  Erregung  über  das  Ereigniss,  von  dem  die 
am  Boden  Sitzende  getroffen  wird.  Die  letzte  (N.  24),  die  ihren 
Säugling  trägt,  erscheint  durch  Haltung  und  reiche  Kleidung  über 
die  andern  im  Ganzen  hinausgehend,  und  ist  wohl  als  Stellvertre- 
terin der  andern  edlen  troischen  Mütter,  als  eine  von  vielen  in  der 
Scene  gegenwärtig,  welche  nur  wenig  Gestalten  zuliess.  Zu  nähe- 
rer Deutung  führt  der  mit  dem  Schwerte  bewaffnete  Krieger,  der 
die  Gruppe  beginnt.  Seine  Haltung,  das  Schwert  selbst  in  seiner 
Rechten,  obwohl  noch  in  der  Scheide,  deutet  darauf  bin,  dass  er 
es  ist,  der  die  Trauerbotschaft  gebracht  hat,  von  der  die  Frauen 
erschüttert  werden,  und  dass  er  Folgeleistung  für  den  Befehl 
erwartet,  zu  dessen  Ausrichtung  er  gesandt  wurde.  Ist,  wie  nicht 
zu  zweifeln,  die  am  Boden  Sitzende  davon  getroffen,  und  deutet 
das  bereit  gehaltene  Schwert,    dass   es    auch   eine  arge   That   und 


121 

weil  es  Frauen  sind,  Sühne  oder  bluh'ge  Opfer  gilt,  die  einem  Ge- 
fallenen bestimmt  worden,  so  ist  bei  der  Nähe  des  Pyrrhus  wohl, 
wie  wir  gethan,  mit  Notwendigkeit  an  Polyxena,  die  Tochter  des 
Priamus,  zu  denken,  welche  nach  Trojas  Fall  als  ein  letztes  Ehren- 
geschenk dem  Achilles  an  seinem  Grabe  geopfert  wurde.  Euripi- 
des  hat  diese  Sceue  zweimal  geschildert,  in  den  Troaden  (v.  624 
ff.  ed.  Matthiae)  und  in  der  Hekabe  (v.  216  seq.),  wo  Odysseus 
eingeführt  wird,  die  Botschaft  zu  melden,  und  dass  er  zum  Be- 
gleiter und  Führer  {nofj,7xdg  und  xofxtöTtjo)  der  Jungfrau  bestellt  sey: 
vEdo£  *A%cuolg  nalöcc  Gr\v  HoXv^evrjv  J£(pagat  TJQog  6q9-6i>  yw^  *AyjX- 
Xsiov  rcxpov.  cH/uag  Ss  nofinovg  xal  xotuiOTt]Qag  y.öqrjg  Taoaovoiv 
üvai,  dass  die  Erscheinung  des  Achilles  {(päprao/x  *AyiXteu>g)  dieses 
Opfer  begehrt  habe,  wird  aus  alter  Sage  (v.  366)  beigefügt,  der 
auch  die  nachhomerische  Epik  bis  auf  Quinlus  Calaber  herab  ge- 
folgt ist.  Dieser  lässt  (Paralip.  XIV,  v.  180  ff.)  den  Schatten  des 
Achilles   dem  Sohne  selbst  erscheinen.     Er  stand  ihm  zu  Haupte: 

„so   wie  er  einst  noch 
Lebend  den  Troern  Leid  und  Lust  den  Achäern  gewähret." 

Wir  werden  dadurch  zur  Erklärung  der  schattenhaften  d.  i. 
ganz  flachen  und  nur  wie  angedeuteten  grossen  Gestalt  geführt  (N. 
19),  die,  wie  wir  oben  bemerkt,  sich  hinter  der  am  Boden  sitzen- 
den Frau  erhebt  und  den  Raum  zwischen  dem  wartenden  Krieger 
und  der  ersten  abgewendeten  Frau  ausfüllt.  Die  Beziehung  der- 
selben auf  Achilles  wird  wohl  kaum  zweifelhaft  seyn,  obgleich  das 
Wenige,  was  von  ihren  Umrissen  übrig  ist,  nähere  Bestimmung 
nicht  gestattet.  Es  bleibt  unbestimmt,  ob  die  aufrechte  Gestalt  mit 
dem  erhobenen  und  ausgestreckten  Arme  das  Phantasma  selbst,  den 
sein  Opfer  fordernden  Helden,  bezeichne,  oder  ob  in  ihr  sein  Bild, 
wie  auf  dem  oben  erläuterten  Schilde  das  Schicksal  seines  Freun- 
des, dargestellt  sey,    um  der  Scene  ihre  Deutung  zu  sichern,   oder 

Abbandlungen  der  I.  CK  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abthl.  16 


122 

ob  nur  ein  Tropänm  als  ein  Denkmal  seines  Sieges  gebildet  war. 
Die  Statue,  wenn  es  eine  solche  war,  würde  auf  die  Ehrung  des 
Helden  hinweisen,  welche  durch  das  Opfer  der  königlichen  Jung- 
frau vermehrt  wird.  Der  Anachronismus,  nach  welchem  Bildsäulen 
zu  Ehren  und  zum  Schmucke  des  Verstorbenen  vor  Troja  aufge- 
stellt werden,  wäre  bei  einem  Künstler  nicht  so  bedeutend,  da  schon 
das  homerische  Zeitalter,  wie  die  Schilderung  der  Werkstatt  des 
Hephästos  zeigt,  die  Kunst  wohl  verstand,  wenigstens  Reliefe  aus 
edlerem  Metalle  zu  bilden. 

Die  nähere  Deutung  der  Frauen,  von  welchen  die  am  Boden 
über  ihr  Schicksal  trauernde  Polyxena  umgeben  ist,  lässt  sich  kaum 
mit  Bestimmtheit  geben.  Das  Gesicht  der  über  sie  hin  und  nach 
der  andern  vorgebogenen  ist  zwar  stark  abgegriffen,  zeigt  aber 
doch  noch  alternde  Züge.  Sie  wird  darum  als  Amme  der  dem  Tode 
bestimmten  und  mit  den  Dienerinnen  oder  Schwestern  derselben  im 
Gespräche  begriffen  zu  denken  seyn.  Die  Haltung  zeigt  zugleich 
Bestürzung  und  Unmöglichkeit  der  Hilfe.  Die  beiden  jungen  Mütter 
mit  ihren  Kindern  sind  dann  wohl  Schwestern  oder  Schwägerinnen 
ebenderselben,  welche  zur  Vollendung  der  Scene  dienen,  zwei  vor- 
treffliche Gestalten  in  reicher  Kleidung,  die  Eine  im  Schrecken  zu- 
rückgebogen und  ihr  Kind  fester  umschlingend,  die  Andere  sorgloser 
am  Boden  sitzeud,  das  ihrige  säugend,  und  mit  dem  Antlitz  nach 
den  Uebrigen  zur  Seite  gewendet,  wodurch  die  Einheit  der  Be- 
wegung und  die  Mannichfaltigkeit  der  Handlung  vermehrt  wird. 
Dass  der  Krieger  als  TiQonojunög  und  xojuiotjjq  der  Jungfrau  steht 
und  ihres  Aufstehens  wartet,  ist  wohl  klar,  nicht  aber,  ob  er  als 
Odysseus  zu  denken  sei,  da  ihm  die  diesen,  wenn  auch  nicht  immer, 
doch  glücklich  kennzeichnende  Schifferkappe  fehlt. 

Die  Scene  zur  linken  Hand  hängt  mit  der  mittleren  durch  zwei 
Gefangene  zusammen,    von  welchen   der  eine  (N.   6)    stehend    und 


123 

zu  den  Frauen  hingewendet,  der  andere  (N.  7)  auf  den  Knieen 
liegend  und  gegen  Pyrrhus  gekehrt  ist,  beide  mit  auf  den  Rücken 
gebundenen  Händen.  Daran  schliesst  sich  die  Gruppe  der  vier 
Frauen  (N.  1,  2,  3,  4),  zwei  sitzend,  zwei  in  gebogener  Stellung, 
mit  dem  Kinde  (N.  5),  das  am  Boden  sitzend  nach  der  vor  ihm 
Sitzenden,  also  wohl  nach  seiner  Mutter,  die  Arme  verlangend 
hebet.  Diese  jedoch,  den  Schleier  bis  über  die  Stirne  gezogen, 
ganz  verhüllt  und  die  Arme  über  die  Kniee  gelegt,  stellt  das  Bild 
einer  in  tiefem  Schmerz  trostlos  Versunkenen  dar.  Dass  das  Kind 
Gegenstand  desselben  sey,  deutet  die  hinter  ihm  Siehende,  welche 
mit  der  Linken  einen  Theil  des  Gewandes  gegen  das  Auge  hebt, 
also  ihre  Thrünen  trocknet,  die  Rechte  aber  nach  dem  Kinde  herab- 
senkt, als  ob  sie  es  als  Gegenstand  ihrer  schmerzlichen  Theilnahme 
bezeichnen  wolle.  Gleiche  Theilnahme,  wenn  auch  in  anderer  Weise, 
wird  auch  durch  die  andere  am  Boden  sitzende  Frau  (N.  1),  wel- 
che das  Haupt  auf  die  emporgezogenen  Kniee  stützt,  deutlich  aus- 
gedrückt, die  Alte  aber  hinter  der  unglücklichen  Mutter,  ebenfalls 
in  reicher  Verhüllung  und  der  in  der  eben  erklärten  Gruppe  (N. 
23)  fast  gleich  an  Stellung  und  Ausdruck,  drückt  wohl,  wie  ihre 
Haltung  und  die  halb  vorgebreitete  und  geöffnete  Linke  zeigen, 
den  Schmerz  aus,  der  die  ganze  tragische  Leidensgenossenschaft 
durchdringt  und  um  so  inniger  ist,  als  er  rathlos  und  hilflos  zu- 
gleich erscheint. 

Das  Schild,  welches  die  Gruppe  von  der  andern  trennt,  und 
die  in  den  Linien  noch  erkennbare  Draperie,  die  von  ihm  ausgeht, 
deutet  wohl  an,  dass  die  Scene  in  ein  Zelt  verlegt  ist,  welches  nur 
das  des  Pyrrhus  seyn  kann,  und  dieser  Umstand  leitet  dazu,  ihren 
Inhalt  verständlich  zu  machen.  Wir  thun  dieses  mit  Bezug  auf 
Euripides  Troaden.  Andromache  war  auf  dem  Wagen,  umgeben 
von  der  troischen  Beute  des  Pyrrhus,  in  die  Scene  geführt  worden. 
Sie  berichtet  der  Hekabe,  dass  sie  Zeugin  von  dem  Opfer  der  Poly- 

16* 


124 

xena  gewesen  sey  und  die  Jungfrau  nach  dem  Tode  verhüllt  habe. 
Ihr  Loos  ist,  dem  Sohne  des  Achilles  als  Magd  nach  dem  Lande 
der  Myrmidonen  zu  folgen;  aber  das  ist  nicht  der  härteste  Theil 
desselben.  Bald  erscheint  Tallhybius  (v.  711  ff,),  ihr  zu  melden, 
dass  Odysseus  die  Versammlung  der  Könige  bewogen  habe,  ihren 
Sohn  zu  tödten.  Es  schien  gefährlich,  den  Sprössling  des  gröss- 
ten  der  troischen  Helden  am  Leben  zu  lassen,  und  man  weiss,  wie 
dieses  Urtheil  an  dem  unmündigen  Knaben  vollzogen  wurde.  Ist 
die  Scene  auf  dasselbe  zu  deuten,  so  erklärt  sich  Alles  von  selbst. 
Das  Urtheil  ist  verkündigt,  und  die  Mutter  darüber  in  jenen  tiefen 
Schmerz  gesunken,  der  nicht  einmal  durch  das  Vorbeugen  des  Kin- 
des nach  ihr  in  Bewegung  und  zum  Ausbruche  in  Klagen  und 
Thränen  gebracht  wird.  Derselbe  spiegelt  sich  in  der  abgewen- 
det sitzenden  Gestalt,  in  dem  Ausdruck  der  jungen  Frau,  wahr- 
scheinlich der  Amme  des  Kindes,  in  den  Mienen  und  Gebärden  der 
Alten,  in  der  man  sofort  Hekabe  erkennen  wird,  die  auch  bei  Eu- 
ripides  in  der  Scene  dieses  Jammers  ihrer  Schwiegertochter  zur 
Seite  steht.  Selbst  der  gefangene  und  gefesselte  Jüngling  scheint 
seines  eigenen  Looses  zu  vergessen,  denn  er  hat  sich  von  der  Seite, 
wo  ihm  selbst  der  Tod  bereitet  wird,  weggewendet  und  blickt  mit 
gesenktem  Haupte  nach  der  Gruppe  der  trauernden  Frauen. 

Nach  dieser  Erläuterung  ist  nicht  nur  das  Einzelne  deutlich, 
sondern  auch  das  Ganze  stellt  sich  in  der  Bezüglichkeit  seiner 
Theile  dar.  Um  die  Person  des  Pyrrhus  vereinigen  sich  die  beiden 
am  meisten  tragischen  Ereignisse  nach  der  Vertilgung  von  Troja, 
die  Opferung  der  Polyxena  und  der  Tod  des  Astyanax,  der  von 
den  durch  Hektor  geschützten  Maueririn  das  Verderben  geschleu- 
dert wurde.  Beide  stehen  mit  Pyrrhus  in  Verbindung.  Polyxena 
wird  seinem  Vater  geopfert,  Andromache  ihm  selbst  als  Magd  über- 
geben; durch  den  Tod  jener  wird  sein  Vater,  durch  das  Geschenk 
von  Hektors  Wittwe  wird  der  Sohn  geehrt.     Er  selbst  aber  thront 


125 

umgeben  von  diesen  Gruppen  in  jener  Handlung,  die  wir  erläutert 
haben,  und,  ist  ihr  Moment  richtig  bezeichnet,  wendet  er  unter  dem 
Einflüsse  der  mildernden  Gegenwart  der  Pallas  Athene  das  letzte 
Schicksal  von  den  gefangenen  Troern  ab,  so  scheint  er  selbst  zu 
sagen:  „Genug  ist  an  dem,  was  geschehen,  genug  der  Ehre,  die 
dem  Vater  gebühret  und  die  mir  geworden.  Nicht  braucht  es  wei- 
teren Blutes.  Darum  sollen  diese  leben ,  dass  sie  mir  und  der  An- 
dromache  zum  Dienste  in  die  Heimath  folgen."  Die  Andromache 
des  Euripides  zeigt  diese  nach  der  Heimkehr  des  Pyrrhus,  von 
Pyrrhus  geliebt,  durch  ihn  Mutter,  umgeben  von  troischen  Frauen 
und  durch  die  Ehre  und  Neigung,  die  sie  bei  ihrem  Herrn  fand, 
der  Eifersucht  und  der  Rache  seiner  Gemahlin,  der  Tochter  des 
Menelaos  und  der  Helena,  ausgesetzt,  welche  durch  Stolz  und 
Eifersucht  die  Liebe  ihres  Gatten  verloren  hatte. 

Die  Vortrefflichkeit  der  Anordnung,  die  Reinheit  der  einzelnen 
Figuren,  die  Grossartigkeit,  welche  zumal  die  Gestalten  der  Andro- 
mache, der  Polyxena  und  der  beiden  Mütter  zeigen,  ihre  Verbin- 
dung unter  einander  und  zu  einem  reichen  Ganzen,  die  Mannichfal- 
tigkeit  der  Lagen  und  Stellungen,  der  Gefühle  und  des  Ausdruckes 
zeigen  das  Werk  eines  Künstlers  von  hohem  Range,  Arbeit  und 
Styl  sind  dessen  würdig.  Ueberall ,  in  allen  Formen  der  edelste 
Ausdruck  reiner  Schönheit,  und  über  den  tiefsten  Schmerz  jenes 
hellenische  Maass  ausgebreitet,  welches  auch  dem  Herzergreifenden 
die  Aumuth  beizugesellen  weiss. 

Darum  ist  kein  Zweifel,  dass  wir  ein  Werk  acht  hellenischer 
Kunst  vor  uns  haben,  das  auf  unbekannten  Wegen  aus  seiner  Hei- 
math nach  Italien,  und  von  da  aus  wohl  in  den  Besitz  eines  geist- 
lichen Stiftes  oder  Bischofsitzes  gekommen  ist,  dem  es  nach  der 
Umdeutnng  seines  Inhalts  in  christliche  Ueberlieferung  (wie  nahe  lag 
für  jene  Zeit  die  Beziehung  auf  Herodes  und  Bethlehem!)  zu  hei- 


126 

ligem  Gebrauche  diente,  bis  es  unter  altes  Metall  und  zuletzt  unter 
den  Hammer  eines  Knaben  gerieth,  um,  gleich  den  auf  ihm  abge- 
bildeten Troern,  noch  in  dem  letzten  Augenblicke,  wo  ihm  der  ver- 
nichtende Schlag  drohte,    Rettung  und  neues  Leben  zu  gewinnen. 

Um  aber  für  die  Untersuchung  über  Zeit,  Alter  und  Herkunft 
des  Werkes  festen  Grund  und  Boden  zu  erhalten,  wird  es  nöthig 
seyn,  über  die  hellenischen  Silberarbeiten  hier  das  Wesentlichste 
um  so  mehr  zusammenzustellen,  da  dieser  Gegenstand  in  den  neuen 
Werken  über  Archäologie  gewöhnlich  nur  nebenher  behandelt  wird. 
Ist  Toreutik  oder  Caelatur,  wie  oben  bemerkt  wurde,  Bearbeitung 
des  Metalls  durch  Abarbeiten  und  Eingraben  zu  bestimmten  Gestal- 
ten und  Geräthen  im  Allgemeinen,  so  reicht  ihr  Ursprung  und  ihre 
erste  Ausbildung  bis  in  die  Zeit  zurück,  in  welcher  Geräth  und 
Geschirr  aus  Metall  gemacht  wurden.  Cälatur  ist  so  alt,  wie  die 
Herstellung  kostbaren  Geräthes  überhaupt,  und  die  homerischen 
Schilderungen  von  den  aus  Gold,  Silber  und  Elfenbein  gebildeten 
Gerätschaften,  stellen  ihre  Uebung  bis  in  den  Ursprung  der  helle- 
nischen Bildung  zurück,  vorzüglich  aber  die  Meldung  vom  Becher 
des  Nestor  (II.  /,  652  Ssnag  TTSQtxaW.ts)  mit  vier  Ohren  (offenbar  zu 
zwei  Paaren  an  beiden  Henkeln  geordnet)  um  deren  jedes  zwei 
goldne  Tauben  weideten  ((doiai  &£  nsksiädsQ,  afttplg  txa^ov  yqvoeiai). 
7i\x  besonderen  Ehren  jedoch  gelangten  einzelne  Meister  in  ihr  erst 
zur  Zeit  der  vollendeten  Plastik,  als  man  die  durch  langen  Ge- 
brauch erworbene  Kunstfertigkeit  auf  Ausstattung  von  TrinkgesChir- 
ren,  besonders  aus  Silber,  übertrug.  Plinius  gibt  von  den  Meistern 
(II.  N.  XXXHI,  c.  II,  S.  52  ff.)  derselben  da,  wo  er  vom  Silber 
und  seinem  Gebrauche  handelt,  erwünschte  Nachricht,  welche  S. 
53  mit  der  Bemerkung  eingeleitet  wird,  es  sey  seltsam,  dass  in  Gold 
Niemand  mit  Ruhm  gearbeitet  habe.  Gold  war  in  Griechenland  vor 
der  macedonischen  Zeit  überhaupt  selten,  dagegen  Silber,  vorzüglich 
aus  den  attischen  Bergwerken  von  Laurion,  zu  Athen  namentlich  in 


127 

Ueberfluss.  Die  silbernen  Gefässe,  die  Becher  und  Schalen  (oxvytjy 
tficiXai)  besonders,  wurden  zum  Theil  nach  den  Meistern,  die  ihre 
Form  mit  besonderem  Glück  ausgebildet  hatten,  zum  Theil  auch  noch 
zu  Plinius  Zeiten  nach  den  Werkstätten  genannt,  Sect.  49:  Vasa 
ex  argento  mira  iuconstantia  humani  ingenii  variant,  nulluni  genus 
officinae  diu  probando,  nunc  Firmiana,  nunc  Clodiana,  nunc  Gratiana. 
Die  ältesten  Cälatoren  des  Silbers,  die  er  nennt,  reichen,  so  weit 
man  ermitteln  kann,  in  die  Zeit  des  Phidias  hinauf,  Mys  nämlich 
und  Calamis.  Denn  Mys  soll  nach  Paus.  1,  28,  2  den  ehrenen 
Schild  der  Athene  des  Phidias  mit  dem  Kampfe  der  Lapithen  und 
Ceutauren  und  anderen  Zierden  toreutisch  geschmückt  haben  (toqsv- 
aai) ,  und  Calamis,  der  auch  als  Urheber  von  Bildsäulen  unter  den 
Meistern  ersten  Ranges  glänzt,  scheint  sogar,  wrenn  auch  nicht  viel, 
über  ihn  hinausznreichen,  da  er  von  Cicero  (in  Brut.  18,  17)  und 
Quintilian  (XII,  10)  unter  den  Sculptoren  aufgeführt  wird,  die  in 
ihren  Werken  noch  nicht  ganz  die  Härte  des  altüberlieferten  Sty- 
les  besiegt  hätten.  Indess  wird  er  von  Plinius  nach  Mys  und 
den  mit  ihm  Verbundenen  gesetzt.  Von  Calamis  führt  er  kein 
Werk  namentlich  an,  von  Mys  aber  im  Bacchustempel  zu  Rho- 
dus  einen  Silenus  und  Amorinen  (Silenum  et  Cupidines),  nach  dem 
Zusammenhang  auf  einem  silbernen  Scyphus.  Einen  gleichen  von 
ihm,  einen  herakleotisclien  (oxvipog  t]QaxA€i(oztx6i>)  erwähnt  Athenäus 
(1.  XI,  p.  792  B) ,  auf  welchen  wir  später  zurückkommen.  Dem 
Mys  werden  an  Ruhin  gleichgestellt  Acragas  und  BoefJms,  und  mit 
dem  Calamis  werden  Antipater  und  Stratonicus  verbunden,  aber 
allen  an  Ruhm  Mentor  vorangestellt:  .  .  .  inclaruisse  .  .  .  argento 
multi.  Maxime  tarnen  laudatus  est  Mentor.  Von  ihm  besass  der 
Redner  L.  Crassns  zwei  Becher  (1.  1.  Sect.  53,  §  148):  duos  scy- 
phos  Mentoris  artificis  manu  caelatos),  die  um  Sestertiis  C,  d.  i. 
100,000  HS.  =  10,000  fl.  gekauft  waren;  doch  bemerkte  Crassus, 
dass  er  sie  aus  Scheu  niemals  zu  brauchen  wage.  Derselbe  hatte 
vier  Paare  (Sect.  55.  §  154)  gemacht:    quatnor   paria   (sc.   scypho- 


128 

rum)  ab  eo  omnino  facta  sunt,  ac  jam  nulluni  exstare  dicitur  Ephe- 
siae  Dianae  templi  et(add.  Jovis)  Capitolini  incendiis  .  .  . ,  wo  om- 
nino unhaltbar  und  der  Satz  am  Ende  lückenhaft  ist.  Jenes  ist  wohl 
aus  einem  Geräthnamen  entstanden,  die  Lücke  aber  durch  consumpta 
zu  ergänzen.  In  jenem  Tempel  nämlich  waren  des  grossen  Meisters 
Werke  geweiht  und  hatten  sich  darum  in  den  Tempelschätzen  unter 
dem  Schirme  der  Heiligthümer  erhalten.  Vergl.  Plin.  VII,  38,  Sect. 
39  §  1*27:  Plridiae  Jupiter  Olympiae  quotidie  testimonium  perhibet, 
Mentoris  Capitolinus  et  Diana  Ephelia,  quibus  fuere  consecrata 
artis  ejus  vasa.  Zwei  Becher  von  seiner  Hand  und  nach  dem  Ur- 
heber ihrer  Form  Therikleische  genannt  (duo  pocula,  qnae  Thericlea 
nominantur),  Werke  von  der  höchsten  Kunst  (summo  artificio  facta), 
hatte  Verres  dem  Diodorus  aus  Lilybaeum  entrissen  (Cic.  Verr:  IV, 
18,  §  38).  Eine  Schale  (phiala)  von  seiner  Hand  mit  einer  Ei- 
dechse, so  dass,  wie  der  Dichter  sagt,  man  das  Silber  fürchtete,  prei- 
set Martialis  (III,  41):  Inserta  phialae,  Mentoris  manu  ducta,  lacerta 
vivit  et  timetur  argentum.  (Diese  war  also  im  Innern  des  flachen 
Gefässes,  auf  dessen  Grunde,  als  ein  tjußtyua  gebildet,)  und  mit  dem 
des  Mys  verbindet  seinen  Ruhm  Propertius  (III,  9,  13).  Dazu 
aber  kommt  die  Meldung  zu  beleuchten,  dass  von  ihm  eine  beson- 
dere Art  von  Bechern  juevroQovQyijg  genannt  worden  sey,  welche  von 
Sillig  (Catol.  Artif.  v.  Mentor,  p.  272)  angenommen  wird.  Doch, 
ist  diese  Benennung  an  sich  nicht  wahrscheinlich.  Sie  wäre  dann 
MsvtÖouov  (noirjoiov)  gewesen,  und  folgt  nicht  aus  Luciau,  auf 
den  er  sich  beruft  (Lexiph.  §  7,  Opp.  T.  II  p.  332  ed.  Reiske): 
JIorrjQia  de  txsizo  navtola  ini  itjg  dt?.(p(vidog  roanC^S  o  xoviptusTvo- 
nog  y.al  rQvt]Xrjg  jusvrooovoyiig.  Der  Eine  Scholiast,  den  Sillig  an- 
führt und  der  Mentor  zu  einem  Glasschmelzer,  vatoxpog,  umwandelt, 
sagt:  MtvroQovoyijg  di  ccno  Mevrooog  nvog  vuXo\\iov}  rovT(p  xatu^Qtj- 
aafxtvov  zw  tl'dti,  doch  auf  eigene  Hand,  und  der  andere  erklärt 
ganz  richtig:  and  [yno)  MtvToqog  nsnoi^juei/ov.  Lexiphanes,  „der 
Wortkünstler",    hat  nach  seiner  Weise  diese  Phrasis  in  Ein  Wort 


129 

zusammengezogen,  am  die  Zahl  der  künstlichen  Worfgebilde  nnd 
seltenen  Termini  zu  vermehren,  von  denen  die  Erzählung  strotzt 
und  ihren  parodischen  Character  erhält.  Das  Gefäss  war  tqvij- 
Aqg,  zum  Rühren  wohl  geeignet,  am  Schweife  bequem  zu  fassen: 
svÄaßrj  kxwv  x®v  %£Qxot/,  also  ein  in  einen  xfyxog  ausgehendes  Trink- 
horn,  und  darum  zQvxpi/ugrw7iog,  d.  i.  auf  der  Stirn  liegend,  weil  ein 
solches  Trinkgeschirr  nicht  zum  Stehen  geeignet  ist  und  auf  die 
Stirn  gestellt  werden  muss,  ferner  ßo/ußvhog  mit  engem  Halse,  der 
das  Getränk  unter  häufigen  ßojußoig  durchfliessen  Hess,  jedoch 
wie  der  xQvipiju^Twrcog  zeigt,  in  ein  weites  Mundstück  sich  öSnet, 
darum  aber  ein  dsiQoxvnuXÄov,  ein  Halsbecher,  d.i.  einer  mit  langem 
und  schmalem  Halse.  Wie  dies  seltsame  Gebild  ein  /usvTOQovQytfg, 
so  werden  von  diesem  Wortkünstler  darauf  die  irdenen  theriklei- 
schen  Becher  erdgeborene  (ytjys^rj)  genannt.  Uebrigens  ist  zu  be- 
dauern, dass,  abgesehen  von  der  bei  Martialis  erwähnten  Schale 
mit  einer  Eidechse,  des  Inhaltes  der  Darstellung  auf  den  übrigen 
Bechern  dieses  grossen  Meisters  mit   keinem  Worte  gedacht  wird. 

Die  neben  Mys  genannten  Meister  werden  mit  einzelnen  Wer- 
ken angeführt.  Neben  den  Arbeiten  des  Mys  zu  Rhodos  werden 
vom  Plinius  a.a.O.  genannt:  Boethi  apud  Lindiam  Minervam,  Acra- 
gantis  in  templo  Liberi  patris,  in  ipsa  Rhodo  (in  der  Hauptstadt), 
Bacchus  Centanrosque  (add.  habentes)  caelati  scyphi.  Acragantis 
et  venatus  in   scyphis    magna  fama. 

Antipater  neben  Kaiamis  ist  ohne  Angabe  eines  Werkes  ge- 
nannt; aber  Stratonicus  mit  einer  berühmten  Schale,  qui  Satyrum 
in  phiala  gravatum  somno  collocavisse  verius  quam  caelavisse  dlctus 
est.  Der  war  also  ebenfalls  ein  im  Innern  der  Trinkschale  auf 
ihrem  Grunde  angefügtes  t/ußtyucc.  Es  ist  bekannt,  dass  der  bar- 
berinische  Faun  unserer  Glyptothek,  das  Werk  eines  der  gröss- 
ten  Meister    der  alten   Sculptur,      denselben    Gegenstand    wie   die 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.    V.  Bd.  II.  Abthl.  17 


130 

Schale  des  Stratonikus  darstellt,  der  also,  wie  die  Cälatoren  und 
Daktylioglypten  häufig  gethan,  eine  Statue  grossen  Namens  nach- 
gebildet haben  wird.  Ueber  sein  Zeitalter  gestattet  Plinius  dadurch 
einen  Schluss,  dass  er  (XXXIV,  8  p.  19)  ihn  unter  den  Künstlern 
nennt,  welche  für  Attalns  und  Eumenes  die  Kämpfe  gegen  die  Gal- 
lier gemacht  haben,  und  darum  Ol.  CXXVI,  zur  Zeit  des  zweiten 
punischen  Krieges  gesetzt  ward.  Boethus  war  auch  als  Bildhauer 
ausgezeichnet.  Da  er  nach  Pausanias  (V,  17,  1)  ein  Karthager 
war,  so  hat  er  vor  Karthagos  Fall  gelebt.  Es  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  er,  wie  der  Kunst,  so  der  Zeit  nach  dem  Strato- 
nikus nahe  stand. 

Die  chronologische  Folge  dieser  Meister  geht  also  von  Mys 
und  Kaiamis,  d.  i.  von  Phidias  bis  Stratonikus,  oder  bis  auf  die 
pergamenischen  Könige  herab.  Acragas  steht  wohl  auch  der  Zeit 
nach  über  Mys,  da  Plinius  den  Kaiamis  erst  nach  diesen  (post  hos) 
setzt,  wenn  ihm  nicht  die  Nameu  chronologisch  durch  einander  ge- 
rathen  sind.  Nach  Stratonikus  tritt  die  chronologische  Folge  be- 
stimmter hervor.  Bald  (mox)  nachher  wurden  Tanriskus  aus  Cy- 
cikus,  (welcher  allein  in  dieser  Stelle  genannt  wird),  Ariston, 
(der  auch  XXXIV,  8,  19  neben  Calliades  als  argenti  caelator 
wiederkehrt),  Eunikns  aus  Mytilene  (auch  XXXIV,  8,  p.  19 
genannt)  und  lieh  ata  eus  gelobt."  Diese  rücken  also  der  römi- 
schen Zeit  näher,  in  welche  wir  mit  Pasiteles  mitten  hineintreten. 
Plinius  (H.  N.  XXV,  c.  12  S.  45  §  156)  meldet  von  ihm,  dass  er 
in  der  Toreutik  (caelatura)  und  in  Bildsäulen  aus  Erz  und  Marmor 
von  höchster  Auszeichnung  gewesen  (cum  esset  in  Omnibus  his  sum- 
mus),  und  berichtet  (XXVI,  c.  5  §  39),  dass  er  fünf  Bücher  über 
die  berühmten  Kunstwerke  sämmtlicher  (griechisch-römischen)  Län- 
der geschrieben  habe  (quinqne  volurnina  scripsit  nobilium  operum  in 
toto  orbe).  Ihm  folgt,  wie  mir  scheint,  Plinius  vor  Allem  bei  Auf- 
zählung der  Künster  und  ihrer  Werke,  und  weiss  darum  wenig  zu 


131 

berichten,  wo  ihn  dieser  verlässt.  Desshalb  kennt  er  auch  die 
Werke  des  Pasiteles  selbst  nicht  einzeln,  (quae  fecerit,  nomiuatim 
non  refertur),  offenbar,  weil  Pasiteles  verschmäht  hat,  von  sich 
selbst  zu  berichten.  Dessen  wird  hier  darum  gedacht,  weil  es  uns 
auf  die  Quelle  der  plinianischen  Nachrichten  über  die  Silberarbeiten 
hinweist,  die  darum  von  grosser  Bedeutung  ist,  da  sie  offenbar 
von  keinem  andern,  als  dem  eben  genannten  grossen  Meister  in 
dieser  Kunst  selbst  ausgeht. 

Mit  Pasiteles  verbindet  Plinius  fünf  Namen  der  gleichen  Kunst, 
von  denen  er  also  in  den  fünf  Büchern  dieses  Meisters  Nachricht 
gefunden  hat,  und  welche  darum  in  seiner  Zeit  oder  unmittelbar  vor 
ihm  gelebt  haben:  Posidonius  aus  Ephesus,  Leostratides  (oder 
Lysistratides  „qui  proelia  armatosque  caelavit")?  Zopyrus,  qui  Areo- 
pagitas  et  Judicium  Orestis  in  duobus  scyphis,  HS.  XX  aestimatis. 
Ein  Gefäss  letztern  Inhaltes,  ein  schlanker  Becher  mit  zwei  aufstei- 
genden Handhaben  und  einem  Einsatz,  der  als  eigentlicher  Becher 
dient,  und  den  äusserlich  sichtbaren  mit  den  Reliefs  nur  als  Hülle  um 
sich  hat,  welche  durch  Schliesen  mit  jenem  zusammenhängt,  wird  in 
der  Bibliothek  der  Familie  Corsini  zu  Rom  aufbewahrt  und  ist  von 
Winkelmann  (monumenti  inediti  N.  152)  herausgegeben,  der  es  unent- 
schieden lässt,  ob  man  in  ihm  das  Original  des  Zopyrus  oder  eine 
Nachbildung  desselben  hat.  Letzteres  ist  wahrscheinlich,  weil  die 
Figuren  bei  allen  Vorzügen  doch  in  der  Form  nicht  fein  entwickelt 
sind.  Es  fehlt  die  den  Werken  ersten  Ranges  eigene  freie  und 
feine  Eurythmie  der  Modellirung.  Dargestellt  ist  der  Moment,  wo 
Pallas  Athene  für  Orestes  den  Stein  in  die  Urne  legt.  Ferner  Py- 
thagoras,  „cujus  duae  unciae  (Silbergefäss  von  diesem  Gewicht)  X 
venierunt.  Ulysses  et  Diomedes  eraut  in  phialae  emblemate,  Palla- 
dium surripientes.  Der  Gegenstand  ist  durch  die  Behandlung  grosser 
Daktylioglypten  berühmt,  von  denen  die  Namentragenden  Stosh  ge- 
liefert   hat,    Pierres   antiques   gravees,    N.    39.    JI02KOPIJOY   zu 

17* 


132 

Paris,  N.  35  KJAI10YPNI02  2E0YHP0Z  WHAlE  (d.  i.  felix) 
EIIOIEI,  der  wohl  ein  Freigelassener  war,  in  der  arnndelischen 
Sammlung,  N.  MI10AYKAEITOY,  Diomedes  ohne  Ulysses  mit  dem 
Palladium,  sitzend.  N.  61  ZOA&N  EIIOIEI,  Diomedes  wieder 
allein,  zum  Kampfe  bereit,  und  das  Palladium  in  der  linken  zurück- 
gezogenen Hand.  Auch  die  Steinschneider  pflegten  für  ihre  kleine 
Arbeit  nicht  selten  berühmte  Werke  der  Vorgänger  und  Zeitgenos- 
nen  nachzubilden,  und  dass  so  hervorragende  Meister  der  Daktylio- 
glyptik  wie  Dioskorides  und  Solon,  die  durch  sichere  Werke  mit  ihren 
Namen  bekannt  sind,  als  solche  auftreten,  welche  den  von  Pytheas 
behandelten  Gegenstand  darstellten,  zeigt  von  dem  Ruhm,  den  sich 
jenes  Werk  erworben  hatte.  Von  demselben  heisst  es:  Fecit  idem 
et  cocos,  magiriscia  appellatos  (/udyeiQog,  fiaysiqlGxog,  wovon  /ua- 
ysioionov,  Küchlein),  parvulis  potoriis,  sed  e  ((albus  ne  exemplaria 
(fuidem  licet  exprimere.  Tarn  opportuna  injuriae  subtilitas  erat. 
Das  waren  also  xva&oi,  kleine  Triukbecherchen  und  um  sie  her 
noch  kleinere  Köche,  die  offenbar  mit  Zubereitung  des  Mahles  be- 
schäftigt waren. 

Der  letzte,  Teucer,  wird  mit  den  Worten  kurz  abgethan: 
„Habuit  et  Teucer  famam",  ganz  gegen  die  Art  des  Plinius.  Dazu 
ist  in  mehreren  Handschriften  dem  Namen  noch  crustarius  beigesetzt, 
ein  Wort,  das  nicht  zufällig  ist.  Crustarius  ist  der,  welcher  cru- 
stas  macht,  d.  i.  Verzierungen  an  Gefässen,  welche  Cicero  (c.  Verr. 
IV,  23)  neben  emblemata  stellt,  und  die  gleich  jenen  von  den  Ge- 
fässen konnten  abgenommen  werden  (iis,  nämlich  vasibus,  crustae 
vel  emblemata  detrahuntur).  Es  hat  also  Teucer  den  Beinamen  von 
der  Geschicklichkeit,  mit  welcher  er  solche  crustas  oder  emblemata 
machte,  und  Plinius  hat  dennoch  geschrieben:  „Habuit  et  Teucer 
famam,  crustarius  apellatus" ,  vielleicht  mit  Angabe  des  Grundes. 
Es  ist  also  wahrscheinlich  derselbe  Künstler,  welcher  den  schönen 


133 

Amethyst  (TEYKPOY)  mit  Herkules  und  Jqle  geschnitten  hat  (Stosh 
N.  68). 

Plinius  endet  seinen  Bericht  von  den  Cälatoren  nach  Erwäh- 
nung des  Teukros  mit  den  Worten:  Subitoque  ars  haec  ita  exolevit, 
ut  sola  jam  vetustate  censeatur  usque  adeo  attritis  caelaturis,  (add.  us) 
ne  figura  discerni  possit  auctoritas  constet.  Die  Gestalten  waren  meist 
abgegriffen,  aber  das  Ansehen  dieser  alten  Werke,  ihr  Ruhm  be- 
hauptete sich.  Das  plötzliche  Aufhören  jener  Kunst  in  römischer 
Zeit  ging  wTohl  daraus  hervor,  dass  der  Geschmack  der  Römer  sich 
von  den  silbernen  Geräthen  auf  die  pocula  gemmata  und  die  Mur- 
rinen gewendet  hatte,  neben  welchen  die  silbernen  als  geringfügiger 
konnten  betrachtet  werden.  Dass  übrigens  Plinius  in  jenen  drei 
Gruppen  von  Cälatoren,  die  sich  den  Namen  von  Mys,  Kaiamis  und 
Pasiteles  anschliessen ,  und  von  Mentor  überragt  werden,  nicht  alle 
namhaften  Meister  dieser  Cälatur  in  Silber  aufgeführt  hat,  geht  so- 
wohl aus  der  unermesslichen  Menge  von  so  geschmückten  Silber- 
geräthen  hervor,  von  denen  die  Schatzkammern  der  Könige  von 
Alexandria,  Seleucia,  Pergamos,  von  Pontus,  Macedonien  u.  a.  voll 
waren,  als  auch  aus  der  Meldung  bei  Athenäus  (L.  XI,  p.  782  B.), 
w7o  eine  Gruppe  berühmter  Toreuten  aufgeführt  wird,  unter  denen 
neben  einzelnen  Namen  des  Plinius  noch  andere  hervortreten:  "Ev- 
do'$oi  dkroQtvTut,  ^Ad-qvoxAijg,  KQctTrjg,  JZrQarovixog,  Mvqjliij- 
xtdqg'p  MiÄrjoiog,  KaXXix^drtjg  6  Adxwv  xal  Mvg.  Neben  Afheno- 
Jdes  wird  dann  ein  anderer,  Kimon,  erwähnt  (ibid.  p.  782  C):  ort 
dicc  anovdrjg  ü%ov  ol  ciQ%aloi  tyxoXanrovg  tGtOQiag  £v  ixniofictdiv. 
3Ev  ravrrj  dh  rij  x^yvr^  evSoxCtirjoav  Kt/uwv  xcd  'A&tjvoxZtjg.  So 
viel  zur  historischen  Grundlage  für  unsere  weitere  Erwägung. 

Dass  auf  solchen  Trinkgeschirren  Geschichten,  nämlich  my- 
thische und  heroische,  von  denen  in  Werken  der  antiken  Kunst  fast 
allein  die  Rede  seyn  kann,    dargestellt  wurden,   ist   aus   den  eben 


134 

erwähnten  Stellen  des  Athenäus  klar,  und  diese  Geschirre  treten 
dadurch  in  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  den  irdenen  und  bemal- 
ten Schalen,  deren,  wie  bekannt,  sehr  viele  ebenfalls  Darstellungen 
aus  der  Götter-  und  Heldensage  enthalten,  zur  Erinnerung  an  die 
Heroen  alter  Zeit,  von  denen  das  Leben  der  Späteren  umgeben 
war,  und  auf  denen  sie  Beispiele  der  Ermunterung  zu  gleicher  Tu- 
gend oder  das  Vorbild  der  Tugenden  und  Thaten  erblickten,  nach 
denen  sie  selbst  trachteten,  oder  die  sie  in  ihrem  Leben  dargestellt 
hatten,  und  so  konnte  zumal  für  einen  jungen  Helden  der  späteren 
Zeit  die  Darstellung  eines  solchen  Siegers  und  der  Belohnung,  durch 
welche  der  Sohn  des  Achilles  war  geehrt  worden,  ungeachtet  des 
tragischen  Inhaltes,  selbst  auf  einem  Trinkbecher  nicht  als  ein  dem 
Becher  ungeziemender  Gegenstand  betrachtet  werden.  Ziehen  wir 
aber  den  Styl  und  die  Behandlung  des  Werkes  zur  Erwägung,  so 
werden  wir,  im  Fall  nach  der  Zeit  seines  Ursprungs  gefragt  wird, 
über  die  Gebilde  der  römischen  Epoche,  die  vorzüglich  durch  grosse 
geschnittene  Steine  bekannt  sind,  zurück  in  die  der  schönsten  hel- 
lenischen Kunstblüthe  geführt,  welche  von  Kaiamis  und  Mys  beginnt, 
und  über  Mentor  sich  bis  in  die  Zeit  nach  Alexander  fortsetzt.  Die 
ideale  Form  der  Gestalten,  die  Reinheit  der  Zeichnung  und  Model- 
lirung,  die  edle  und  grossartige  Haltung,  sowohl  der  einzelnen  Ge- 
stalten, wie  der  Gruppen  und  der  ganzen  Composition,  erinnern  zu- 
nächst an  die  grossen  Werke  der  Schule  des  Phidias  und  Iktinus, 
die  von  dem  Tempel  der  Nike  an  der  Akropolis,  von  dem  Parthe- 
non und  dem  Tempel  des  Apollon  Epicurius  bei  Phigalia  in  Arkadien 
übrig  sind.  Wir  werden  dadurch  in  die  erste  Zeit  der  vollendeten 
hellenischen  Kunst  selbst  geführt,  und  aus  ihr  tritt  uns  eine  Meldung 
bei  Athenäus  über  Mys  entgegen,  welche  zu  weiteren  Schlüssen 
Veranlassung  gibt.  Athenäus  nämlich  endet  (XI,  c.  4  p.  782  B) 
die  oben  erwähnte  Liste  der  Toreuten  mit  der  Bemerkung,  welche 
an  ihren  letzen  Namen,  den  des  Mys,  geknüpft  wird:  ov  sl'do/utv 
axvipov  'IIqccxXewtixov,  ts%vm(X)s    tfiovra  *lXtov  ivTsroQSv/uiytju  noQ&q- 


135 

giv,  t%ovTct  (vielleicht  bloss  xal  oder  dieses  doch  dem  Particip  nach- 
zusetzen) to   InlyqccfXfxa  tods. 

rQÜ/ujuarct  Tlr[QaGloio,  riyvy  Mvog'    Sfifii  dt  Zoyov 
*I%tov  cänuvrjg,  av  iXov  AlccxCdai. 

Ijxixpog  'HQaxAscoTixög  erklärt  Athenäus  (p.  500  A)  neben  dein 
Boiwriog  als  einen  Becher,  dessen  sich  zuerst  Herakles  in  den 
Feldzögen  bedient  habe,  und  von  dem  die  gleichen  benannt  wären: 
Xqr]ocifxivov  diu  rijg  atQarsiag  TXQWTOv'Hqaxteovg  rä>  ysvsi,,  worüber 
Bentley  (Dissert.  de  Phalaridis  epist.  S.  64  der  lateinischen  Uebers.) 
ganz  richtig  bemerkt,  der  Name  sey  wohl  von  Heraklea  herzulei- 
ten (in  dem  Falle,  welchen  Athenäus  oder  sein  Gewährsmann  an- 
nimmt, würde  das  Gefäss  tHqäxXsiog  heissen),  und  der  eine  Sky- 
phos  hat  von  der  erwähnten  Stadt  eben  so  den  Namen,  wie  der 
andere,  der  Boiwriog  vom  Lande;  auch  wird  das  'Hqaxfeiov  Sinccg 
von  Athenäus  eigens  behandelt  (p.  469C).  Dass  beide  oxv<poi,  der 
böotische  und  herakteotische,  von  besonderer  Form  waren,  zeigt 
auch  der  Zusatz:  tyovai  jusvtoi  nyog  rovg  aAAovg  diayoQÜv  tnsatt 
yvo  ini  Twv  dir cov  avrotg  6  Asyö/usvog  'HgccxAeiog  deü/uög. 
Ohren  sind  die  hervorstehenden  Henkel  des  Gefässes,  wie  derglei- 
chen der  corsinische  Becher  hat,  doch  ohne  den  herkulischen  Kno- 
ten (dsojuog,  v.vädaouog,  nodus).  Dieser  ist  nach  Macrobius  (Sa- 
tural I,  19)  eine  Verschlingung,  wie  sie  über  dem  Mercuriusstabe 
die  zwei  über  ihm  emporragenden  Schlangen  zeigen,  und  die  Er- 
scheinung dieses  Knotens  auf  den  Henkeln  des  herakleotischen 
Bechers  hängt  mit  der  magischen  Wirkung  zusammen,  die  man  ihm 
beilegte  (Plin.  H.  N.  XXVIH,  c.  6  S.  16  §63:  Vulnera  nodo  Her- 
culis  praeligare  mirum  quantum  ocior  mediana  est.  Atque  etiam 
quotidiani  cinctus  tali  nodo  vim  quandam  habere  dicuntur,  quippe 
qua  Hercules  eum  praediderit.  —  Die  Henkel  werden  demnach  aus 


136 

zwei  zierlich  gearbeiteten  gebogenen    und   sich   gegen  die  Mitte  in 
Knoten  durchschlingenden  Stäben  bestanden  haben. 

Indess  die  metrische  Inschrift  des  herakleotischen  Bechers  von 
Mys,  welchen  Athenäus  sah,  hat  ihre  Schwierigkeiten.  Die  r^ä/A- 
jj.eucc  Ilrj^aaCoio  zwar  werden  als  y^ayal,  als  Zeichnung,  leicht  und 
sicher  erklärt.  Es  galt  also:  Jl^Qaog  tyQaxps,  Mvg  iroQsvoe.  Vergl. 
Hesych.  Tqu  jj.fi  ccr  er  rd  ysyQaju/ugva  zal  ovÄAßßcä  xal  rd  ^coyQatpq/ucc- 
tcc.  Demnach  stand  an  dem  Becher  in  Versen  aasgedrückt,  was  in 
ähnlicher  aber  einfacher  Weise  auf  irdenen  bemalten  Vasen  sich  fin- 
det, auf  denen  die  Namen  des  Zeichners  und  des  Töpfers  unter  Bei- 
fügung von  ErPAWEJS  uud EUOIEZEN,  geschrieben  stehen.  Warbei- 
des von  Einem  Meister  gemacht,  so  kommen  beide  Zeitwörter  in 
Verbindung:  ETVAWEKAIIOEZEME ,  wie  auf  der  Vase  Dipoletli 
(Vgl.  Hrn.  Raoul-Rochette  Lettre  ä  Mr.  Schorn.  Paris  J  845.  S.  44). 
Uebrigens  wird  gewöhnlich  das  noislv  allein  auf  die  Töpferei  bezogen; 
aber  das  Verhältniss  zwischen  Mys  und  Parrhasius  zeigt,  dass  ygct- 
q>nv  nur  auf  Herstellung  der  Zeichnung  ging,  dem  andern  Meister  also 
die  Ausführung  derselben  im  Kunstwerke  zufiel.  Theilung  der  Arbeit, 
selbst  bei  den  bedeutendsten  Werken,  ist  auch  unter  den  Alten  sehr  ge- 
wöhnlich gewesen.  Die  attischen  Bauinschriften  auf  der  Akropolis  leh- 
ren z.  B.,  dass  die  Herstellungen  der  Zeichnungen  zu  plastischen  Wer- 
ken, die  Modellirungen  von  Säulenköpfen  u.a.  besonders  verdungen 
und  bezahlt  wurden,  und  besonders  wieder  die  Ausführung  in  Marmor, 
die  Bemalung,  die  Vergoldung.  Wenn  übrigens  nach  Plinius  Zeu- 
xis  Töpfergeschirre  gemacht  hat  (H.  N.  XXXV,  S.  36  Fecit  et 
figlina  opera),  so  ist  das  eben  so  zu  verstehen.  Wie  sein  Zeitge- 
noss  und  Nebenbuhler  Parrhasius  für  die  Erzarbeiter,  so  hat  er  für 
die  Töpfer  und  Vasenmaler  die  Zeichnungen  geliefert.  Daraus,  dass 
Meister  so  hohen  Ranges  sich  bei  Ausstattung  der  Vasen  aus  gebrann- 
ter Erde  in  dieser  Art  betheiligten,  erklärt  sich  die  hohe  Vortrefflich- 
keit von  nicht  wenigen  ihrer  Darstellungen,  die  man  gewohnt  ist  als 


137 

Nachahmungen  berühmter  Kunstwerke  zu  betrachten;  doch  wider- 
streitet diese  Annahme  wenigstens  bei  einem  Theil  derselben,  z.  B. 
bei  den  Compositionen  auf  dem  gebogenen  äusseren  Rande  der  gros- 
sen Schalen,  Anordnung  und  Ausführung  des  graphischen  Werkes, 
die  offenbar  auf  Raum  und  Gestalt  des  Gefässes  berechnet  sind, 
welche  zu  schmücken  sie  bestimmt  waren.  Aber  wer  "ist  ürjoccGog? 
Pausanias  (Attic.  I,  c.  28  §67)  da,  wo  er  bemerkt,  dass  Mys  dem 
Phidias  die  Arbeiten  am  Schilde  der  Pallas  gemacht  habe,  die 
Schlacht  der  Kentauren  und  Lapithen,  (zcä  ogcc  ctXXa  IgtIv  insi- 
Qyao/usva  Xsyouoi  toqsvgcu  Muv]  fügt  bei:  tiq  Je  Mut  tciutcc  ts  zal 
Tß  Xoinct  xwv  i'oyojv  TIciQ^äGtov-  xaTctyodipai  %6v  Eutjvrroog.  Das 
also  wäre  der  grosse  Maler,  und  es  liegt  die  Vermuthung  nahe, 
dass  mit  Jakobs  (Exercit.  crit.  Tom.  II,  p.  152)  Hciqqcigioio  statt 
H)]Qcigloio  hier  einzusetzen  sey,  wenn  nicht  IIt]Qc<oiog  eine  mildere 
ionische  Namensform  des  ephesinischen  Meisters  ist.  Einen  andern 
sonst  ungenannten  und  darum  uuberühmten  Zeichner,  Perasius,  statt 
des  grossen  Parrhasius  mit  Mys  und  Phidias  in  Verbindung  zu 
bringen,  wie  Sillig  thut,  leidet  weder  der  grosse  Ruhm  der  Werke 
dieser  Schule,  noch  der  Umstand,  dass  ein  Theilhaber  an  ihm  in 
einer  Zeit,  aus  der  alle  Namen  berühmter  Künstler  in  erwünschter 
Vollständigkeit  sich  erhalten  haben,  bis  auf  jene  dunkele  Spur 
des  Epigrammes  erloschen  seyn  sollte.  Indess  erheben  sich  chro- 
nologische Zweifel  gegen  die  Gleichzeitigkeit  von  Parrhasius  und 
Mys ,  welche  von  Sillig  (Cal.  artiff.  v.  Mys  und  Parrhasius) 
nicht  glücklich  behandelt  sind.  Sie  liegen  nicht  in  den  That- 
sachen  aus  dem  Leben  des  Parrhasius,  sondern  in  den  Zeit- 
angaben und  Zeitberechnungen.  Von  den  Thatsachen  sind  allein 
sicher  seine  Beihilfe  an  dem  Schilde  des  Mys,  also  seine  Gleich- 
zeitigkeit mit  Phidias,  dann  des  berühmten  Malers  Gespräch  mit 
Sokrates,  welches  von  Xenophon  (Memor.  III,  10)  erwähnt  wird. 
Sokrates  ist  aber  schon  zu   Anfang  des    pefcponuesischen   Krieges 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  1«.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abthl.  18 


138 

ein  in  den  Waffen  und  durch  Weisheit  berühmter  Name,  und  in  die 
Anfänge  jenes  Krieges  reicht  auch  Phidias. 

Es  steht  gar  nichts  entgegen,  wenn  man  den  Parrhasius  in  sei- 
nen jungen  Jahren  mit  dem  im  Alter  schon  vorgerückten  Phidias 
zusammenbringt,  nrn  dann  mit  dem  Maler  auch  auf  spätere  Zeiten 
herabzureichen,  auf  welche  sein  Name  sich  zu  erstrecken  scheint. 
Auf  keinen  Fall  hat  man  nöthig,  mit  Ottfr.  Müller  (de  Min.  Poliad. 
sacr.  p.  19)  anzunehmen,  Mys  habe  erst  30  Jahre  nach  Aufstellung 
der  Bildsäule  mit  Parrhasius  Hülfe  ihr  Schild  gemacht,  um  mit  die- 
sem in  eine  spätere  Zeit  herabzukommen. 

Die  Darstellungen  auf  dem  Becher  des  Mys  waren  aus  der 
Zerstörung  Ilions.  *IXiov  ntooig  oder  nÖQ&tjGig  aber  ist  ein  weiter 
Begriff,  der  auch  die  nach  der  Eroberung  eingetretenen  Begeben- 
heiten bis  zum  Anfang  der  Heimkehr  umfasst:  Die  IX/'ov  nsooig  des 
Arktinos  scheint  sogar  die  Unfälle  der  Heimfahrt  der  Achäer  noch 
enthalten  zu  haben.  Das  Bruchstück  einer  alten  3lAt'ov  ntoatg  in 
Heeren's  Bibl.  d.  alt.  Litt.  II,  S.  35,  welches  der  Herausgeber  auf 
des  Lesches  Gedicht  dieses  Namens  bezieht,  begriff  namentlich  des 
Astyanax  Tod  durch  Odysseus  und  der  Andromache  Uebergabe  au 
Neoptolemos  und  schloss  mit  der  Polyxena  Opferung  an  des  Achil- 
les Grab  (tmna  tuoiorjocvro  rrjv  noMv.  IIoZv^fi]i/  GipuyuCLovoiv  t-ni 
tu)  tov  *Ayj?Mwg  r('f(f(p),  was  also  gerade  die  Stoffe  der  Darstel- 
lungen auf  unserem  Becher  inbegreift.  Das  Epigramm  selbst  ist  am 
Ende  des  Hexameters:  ifaiii  dt  Hoyov  verdorben,  wie  der  Hiatus 
nach  i)t  und  die  Verbindung  toyov  *lXtov  amhivrjg  zeigt;  denn  iQyov 
kann  in  dieser  Folge  nicht  argumentum  operis  heissen,  wie  Schweig- 
häusser  annimmt;  doch  ist  dessen  Conjectur:  etjil  (H  ntooig  auch 
unstatthaft  und  wenigstens  zu  gewaltsam.  Kaum  scheint  zweifelhaft, 
dass  slfju  <V ' anciQ'/öjv  3fÄtov  cänsipijg  zu  lesen  ist:  'Anc.Q/ai,  primi- 
tiae,  mit  'IXCov  in   Verbindung  sind  die  Ehrengeschenke,  welche  die 


139 

Einzelnen  empfingen,  die  Gaben,  welche  den  Heroen  und  den  Göt- 
tern vor  den  Uebrigen  ausgewählt  wurden,  und  ist  die  Conjectur 
zulässig,  so  war  auf  dem  Becher  ein  Theil  solcher  cmctQxcä  *lhiov 
dargestellt 

Dieses  vorausgesetzt  dürfen  wir  den  Inhalt  unseres  Bechers 
mit  den  eben  erläuterten  Darstellungen  unbedenklich  in  Verbindung 
setzen.  Die  Scenen  gehören  zur  IXiov  ntoGig,  sie  sind  die  hervor- 
stechendsten aus  den  Begebenheiten,  welche  zwischen  der  Ein- 
nahme der  Stadt  und  der  Einschiffung  des  Heeres  stehen,  oder  be- 
ziehen sich  doch  auf  dieselben,  und  es  ist  nicht  ohne  Bedeutung 
für  unsere  Sache,  dass  das  Epigramm  die  Aiak'ulen  als  Eroberer 
von  Ilion  nennt:  av  hXov  Aic.xidcu.  Von  den  Aiakiden  war  nach 
Achilles  und  Ajas  Tode,  wenn  Teukros,  der  Bastard,  ausgenommen 
wird,  nur  Pyrrhus  gegenwärtig.  Er  ist  also  vor  allen  gemeint. 
Diese  Nennung  in  einem  solchen  Zusammenhang  rechtfertigt  die 
Annahme,  dass  das  Werk  selbst  dazu  Veranlassung  gab,  und  in 
ihm  Scenen,  die  auf  Pyrrhus  und  seinen  Antheil  an  den  Thaten  und 
der  Siegesbeute  sich  beziehen,  dargestellt  gewesen  sind.  Dadurch 
wird  der  silberne  Becher  des  Antiquariums  mit  dem  roQtvua  des 
Mys  und  der  Zeichnung  des  Parrhasius  in  unmittelbaren  Zusammen- 
hang gebracht. 

Wir  glauben  natürlich  nicht,  in  ihm  das  gepriesene  Werk  jener 
beiden  grossen  Meister  aus  der  schönsten  Blüthezeit  der  griechi- 
schen Kunst  erhalten  zu  haben.  Schon  die  Form  unseres  Gicixpog, 
die  einfachste  von  allen,  welche  die  vielgestaltigen  Gefässe  dieses 
Namens  haben  konnten,  schliesst  diese  Vermuthung  aus,  da  des 
Mys  Becher,  welchen  Athenäus  beschreibt,  ein  herakleotisclier  mit 
Henkeln  und  mit  dem  herakleischen  Knoten  in  ihnen,  geschmückt  war. 
Desto  sicherer  aber  ist  nach  dem  Vorhergehenden  die  Annahme, 
dass  wir  auf  ihm  eine  Wiederholung    der  Composition   des   Parrha- 

18  * 


J  10 

sius  und  des  Toreuma  haben,  das  Mys  nach  ihr  bildete,  weil  der 
Aiakide  selbst,  dessen  Geschlecht  das  Epigramm  nennt,  im  Mit- 
telpunkt erscheint,  in  Gegenwart  der  Pallas  Athene,  Gericht  über 
die  gefangenen  Troer  haltend,  und  ihm  zu  beiden  Seiten  in  beson- 
deren Gruppen  Andromache  und  Polyxena,  die  eine  ihm  selber,  die 
andere  seinem  Vater  bestimmt,  beide  als  Theil  und  Ehrenpreise 
{anctQxccC),  welche  die  Aiakiden  aus  der  troischen  Beute  davon- 
trugen. 

Dass  Werke,  welche  durch  Schönheit  und  Namen  der  Urheber, 
Ruhm  erlangt  hatten,  durch  Nachbildungen  vervielfältigt  wurden, 
unterliegt  keinem  Zweifel,  und  die  oben  aus  Plinius  angeführte 
Meldung,  man  habe  nicht  gewagt,  von  den  Werken  des  Pytheas 
wegen  ihrer  Kleinheit  und  feinen  Behandlung  Abdrücke  machen  zu 
lassen,  deutet  nicht  nur  auch  in  Beziehung  auf  die  Silberarbeiten 
eben  dahin,  sondern  bezeichnet  auch  das  Verfahren  als  ein  gewöhn- 
liches, indem  sie  die  Kleinheit  und  Zierlichkeit  der  genannten 
Becher  als  den  Grund  einer  Ausnahme  anführt.  Der  Anblick  des 
Toreuma  aber  lehrt,  dass  die  Nachbildung  vollkommen  im  Geiste 
der  Schule,  aus  der  es  stammt,  mit  vollendeter  Meisterschaft  aus- 
geführt wurde,  und  uns  darum  in  treuer  Darstellung  eine  Composi- 
tion  jenes  grossen  Meisters  erhalten  hat,  der  würdig  geachtet  wurde, 
in  den  Zeiten  des  Phidias  für  die  zum  Schmucke  seiner  erhabenen 
Werke  bestimmten  Darstellungen  die  Zeichnungen  zu  liefern,  und 
der  selbst  als  Maler  zu  den  hervorragendsten  gehörte,  welche  die 
ältere  Schule  vor  Apollodorus  und  Zeuxis  hervorgebracht  hat. 


Ueber  die  Reihenfolge 
der 

n aturwissenschaftlichen    Schriften 

des 

Aristoteles, 

von 
Professor  Dr.  Leonh.  Spengel. 

Vorgetragen 

in  der  philosophisch -philologischen  Classe 

den  3.  Junius  1848. 


Ueber  die  Reihenfolge 
der 

natur  wisse ii  schaft liehen    Schriften 

des  Aristoteles 

von 

Professor  Dr.  Leonh.  Spengel. 

Vorgetragen  in   der  philosophisch -philologischen  Classe 
den  8.  Junius   1848. 


.Betrachtet  man  die  Schriften  des  Aristoteles  ihrem  Umfange 
und  Inhalte  nach,  so  fällt  bei  weitem  der  grösste  Theil  in  das  Ge- 
biet der  Naturwissenschaft,  und  während  bei  Plato  diese  Seite  nur 
durch  den  Timaeus,  wenn  auch  auf  höchst  würdige  Weise,  ver- 
treten ist,  sonst  überall  das  Ethische  und  Diabetische  vorwiegt, 
finden  wir  bei  Aristoteles  das  Physische  der  Art  sich  vordrängend, 
dass  es  sich  selbst  in  seine  ethischen  und  logischen  Werke  hinein- 
zieht; mau  erkennt  leicht,  dass  dieses  das  eigentliche  Element  des 
Autors  ist,  in  welchem  er  forscht  und  ordnet.  Seine  Lehren  wur- 
den von  den  unmittelbaren  Schülern  vielfach  erläutert,  wie  die  näch- 
sten Anhänger  eines  grossen  Mannes  immer  in  der  Art  und  Weise 
ihrer  Lehrer,  wenn  auch  nicht  mit  demselben  Geiste  und  gleichem 
Erfolge  fortzufahren  streben.  Wir  wissen  von  seinen  Nachfolgern 
weniges  und  grossentheils  nur  äusserliches,  wie  dass  Straton  die 
Physik  vorzüglich  hervorgehoben,  die  beiden  andern  Theile  der  da- 


111 

maligen  Philosophie,  Logik  und  Ethik,  wenig  beachtet  habe.  Dieses 
ist  dem  Geiste  des  Aristoteles  nicht  entgegen,  auch  er  ist  tpvoixog, 
ein  Empiriker,  aber  vielleicht  der  geistreichste,  den  es  je  gegeben 
hat;  immer  geht  er  von  dem  Gegebenen  und  Bestehenden  aus,  so 
weit  als  einem  besonnenen  und  denkenden  Beobachter  zu  gehen  mög- 
lich ist.  Begründung,  der  Aoyog,  muss  mit  den  Thatsachen  überein- 
stimmen, weil  sie  aus  diesen  genommen  ist,  aus  dem  on  findet  er 
das  dtoTi.  Sind  die  Thatsachen  nicht  gehörig  gesammelt,  so  stellt 
er  selbst  den  Äoyog  als  unsicher  hin,  und  überlässt  weiteren  For- 
schungen, das  Richtige  und  Wahre  zu  finden.  Weder  dieses,  noch 
die  Bescheidenheit,  mit  welcher  Aristoteles  sich  in  Dingen,  die  über 
alle  Erfahrung  hinausgehen,  auszudrücken  pflegt,  ist  gehörig  ge- 
würdigt. Daher  sein  Streben,  immer  auf  dem  Gebiete  der  Natur 
zu  verweilen;  auch  wo  der  Inhalt  über  diese  hinaus  geht  und  das 
Denken  sich  selbst  zum  Gegenstaude  hat,  kehrt  er  immer  wieder 
gern  in  die  Regionen  der  Wirklichkeit  zurück,  im  strengsten  Gegen- 
satze von  Piaton,  der  seine  intelligible  Welt  nicht  gern  verlässt  und 
wenn  er  diese  irdischen  Sitze  besucht,  sich  unheimisch  fühlt  und 
mit  Sehnsucht  wieder  seinem  xoo/uog  vorzog  entgegeneilt.  Dieser 
Unterschied  beider  Philosophen  liegt  klar  da  und  ist  auch  von  den 
Alten  anerkannt,  am  schärfsten  drückt  ihn  die  spielende  Antithese 
aus :  \4Qi(JTOT^t]g  fxlv  asi  &soyvi)v  (pvaioZoyst,  W.drwv  $£  dsi  tfVGio- 
Xoyöjy  frsoÄoyei.  !) 

Wie  sein  Schüler  Eudemus  die  Lehren  sich  eigen  machte  und 
diese  wieder  in  anderer  Form  zu  verbreiten  suchte,  kann  die  Eu- 
demische  Ethik,  gegenüber  gehalten  der  Nikomachischen  lehren, 
ebenso  die  Bruchstücke  der  Eudemischen  Physik  bei  Simplicius, 
verglichen  mit  den   vollständig   erhaltenen    Büchern    des   Aristoteles. 


»)   Schol.   Aristol.  p.   26  und  27. 


145 

Auch  Theophrastus  hat  über  dieselben  Gegenstände  wie  sein  Leh- 
rer, und  ich  zweifle  nicht,  nach  den  wenig  vorhandenen  Bruch- 
stücken zu  urtheilen,  in  derselben  Folge  und  Ordnung  wie  dieser, 
geschrieben.  Wir  besitzen  von  ihm  noch  eine  kleine  Abhandlung, 
welche  uns  das  Verfahren  deutlich  macht.  Die  Schrift  tisqI  aia&ij- 
asujg  xal  cuGd-rjTcö^  bildet  ein  Fragment  desselben  grossen  Corpus, 
welches  Aristoteles  von  der  Grundlegung  der  Principien  zur  Physik 
an  bis  zur  vollsten  Entwickelung  aller  organischen  Wesen  mit  einer 
für  damalige  Zeiten  unglaublichen  Fülle  von  Kenntnissen  und  mit 
bewunderungswürdigem  Scharfsinne  durchgeführt  hat.  Aber  dieser 
setzt  die  Kenntniss  dessen,  was  seine  Vorgänger  gesagt  haben, 
wo  er  sie  bestreitet,  als  bekannt  voraus,  nennt  sie  oft  nicht  einmal, 
und  wird  dadurch  für  uns,  welchen  deren  Schriften  nicht  mehr  zu- 
gänglich sind,  dunkel.  Schon  den  Zeitgenossen  des  Aristoteles  muss 
das  Verständniss  dadurch  erschwert  worden  sein;  denn  Theophra- 
stus  gibt  im  genannten  Büchlein  über  die  Sinne  eine  historische 
Entwicklung,  prüft  die  verschiedenen  Ansichten  aller  Vorgänger 
über  diesen  Punkt  von  den  ersten  bedeutenden  Namen  bis  auf  Pia- 
ton und  Aristoteles,  und  bildet  dadurch  für  des  letztern  gleichnamige 
Schrift  tzsqI  tuc&qqswg  zccl  ecbG&tjTwv  einen  integrirenden  unschätz- 
baren Commentar.  Wie  für  diesen  Gegenstand  Theophrastrus  die 
vorzüglichste  Quelle  ist,  so  war  er  es  gewiss  auch  für  die  damit 
zusammenhängende  und  vorausgehende  Schrift  tisqI  tyvxijg,  und  über- 
all, wo  nicht  etwa  Aristoteles  zuerst  und  allein  ohne  alle  Vorgänger 
gewirkt  und  neues  Licht  verbreitet  hat;  ist  aber  dieses,  so  bildeten 
Commentare  solcher  Art  zugleich  eine  Geschichte  der  Philosophie 
im  alten  Sinne  des  Wortes,  wie  sie  für  uns  höchst  wünschenswerth 
wäre  und  wir  mögen  daraus  den  Werth  der  Theophrastischen 
Bücher  wie  die  Grösse  ihres  Verlustes  ermessen.  Auch  Theophrastus 
war  kein  Forscher  wie  Aristoteles;  nicht  tiefer  und  weiter  zu 
suchen,  den  Principien  schärfer  nachzugehen,  sie  zu  prüfen  und 
nöthigenfalls    mit   andern    zu    vertauschen,     sondern    das    von    dem 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abth.  19 


146 

Lehrer  Gefundene  und  Geförderte  wie  immer  zu  vertheidigen,  bildet 
den  Charakter  der  peripatetischen  Schule,  die  eben  so  schroff  wie 
die  stoische  den  andern  gegenübersteht. 

Mehr  als  zweihundert  Jahre  lang  fehlt  uns  alle  nähere  Kunde 
über  die  peripatetische  Schule,  erst  mit  der  viel  besprochenen  Auf- 
findung der  Bibliothek  des  Aristoteles  in  Athen  und  deren  Wegfüh- 
rung nach  Rom  durch  Sulla  wird  ein  regeres  Studium  für  die  Schrif- 
ten des  Philosophen  bemerkbar,  und  zwar  jelzt  eigentlich  der 
Schriften,  weniger  der  Lehre  und  Philosophie  im  Allgemeinen, 
welche  früher  allein  beachtet  worden  ist;  wir  möchten  sagen,  von 
jetzt  an  beginne  das  philologische  Studium  mit  den  Werken  des 
Aristoteles,  die  kritische  und  exegetische  Behandlung  dieser  durch 
Tyrannion,  Andronikos,  Adrastos  und  viele  andere  nachfolgende, 
unter  welchen  der  Arzt  Alexander  von  Aphrodisias  (in  Caracalla's 
Zeit)  den  meisten  Ruhm  erlangte,  er  galt  den  spätem  als  der  eigent- 
liche Interpret  des  Philosophen,  i^t]yi]ri]g,  und  wie  der  Name  des 
Aristarchos  an  Homeros  geknüpft  ist,  so  der  des  Alexander  an 
Aristoteles. 

So  bedeutend  aber  auch  gewesen  sein  mag,  was  diese  spätem 
im  einzelnen  für  das  Verständniss  der  aristotelischen  Schriften  ge- 
leistet haben,  es  bleibt  dem  Theophrastos  und  Eudemos  immer  ihr 
eigenes  Verdienst,  obschon  diese  nicht,  in  der  Absicht  wie  jene 
das  System  zu  entwickeln  und  zu  erklären  suchten;  denn  ihr  Stre- 
ben war,  die  Lehre  im  Ganzen  vorzutragen  und  deutlich  zu  macheu, 
nicht  jeden  Satz  für  sich  zu  vertheidigen;  aber  bei  ihnen  ist  jeder 
Gedanke,  jede  Einleitung  schon  deswegen  wichtig,  weil  sie  von 
Zeilgenossen,  von  unmittelbaren  Schülern,  ja  möglicher  Weise  von 
dem  Munde  des  Meisters  strömen;  es  zeigt  von  wenig  Einsicht 
und  Kenntniss  für  die  spätere  Zeit,    dass  sie  die   ersten  Peripate- 


147 

tiker,  wie  es  scheint,  ganz  ignorirten;  das  Verdienst,  auf  diese 
hingewiesen  zu  haben,  gebührt  nicht  einmal  einem  eigentlichen  Peri- 
patetiker,  sondern  dem  Simplicius  in  seinem  Commentare  zur  Physik, 
der  aber  in  den  Büchern  über  die  Seele  noch  keinen  Gebrauch  da- 
von macht,  weswegen  diese  Exegese  jener  zur  Physik  so  tief 
nachsteht. 

Die  verschiedenen  physikalischen  Schriften  des  Aristoteles  bil- 
den eine  zusammenhängende  Reihe,  mögen  sie  nun  schon  von  An- 
beginn im  Geiste  des  Autors  so  geordnet  und  in  dieser  Folge  nach 
einander  ausgearbeitet,  oder  einzelne  Werke  theilweise  schon  früher 
ausser  ihrer  Stellung  als  für  sich  bestehend  ausgegeben  und  erst 
später  der  Gesammtreihe  eiuverleibt  worden  sein.  Ihre  Ordnung 
lässt  sich  noch  jetzt  grossentheils  aus  dem  innern  Zusammenhange, 
in  welchem  die  Schriften  zu  einander  stehen,  angeben.  Den  Ein- 
gang bilden  die  acht  Bücher  der  ^vGixtj  ^Axooäoig,  eine  Metaphysik 
der  Physik,  wie  sie  Hegel  nicht  unpassend  nennt,  über  die  Princi- 
pien  und  deren  Zahl,  ctQxcä,  die  Bewegung  xi'ptjGig,  Zeit  und  Raum, 
%oovog,  ronog,  dann  das  ttquotov  xivovv  ar.ivrirov,  das  v.uydvr\Tov,  das 
nur  in  der  Kreisform  möglich  sei  und  nach  der  Ansicht  der  Alten 
im  ovoc.vog  verwirklicht  war;  damit  ist  zugleich  der  Uebergang  zu 
den  vier  Büchern  tisqI  ovoavov  eingeleitet.  Dieser  ovoavög  ist  die 
höchste  und  oberste  Region,  welche  keine  Veränderung  erleidet,  das 
cesi  ravröv  aal  wGavttog  i%ov,  er  ist  ohne  Anfang  und  Ende,  ccytvvrj- 
rog,  cht  wy,  daher  ald-qg,  die  Bewegung  der  Himmelskörper,  sich 
immer  gleich,  der  Sitz  des  Ewigen,  Unvergänglichen  und  Göttlichen, 
zö  nqwxop  rwv  owjuäTwi>,  dessen  Gegensatz ,  da  es  selbst  ccy&ccQrov 
ist,  das  (f&ccqxov  bildet,  d.  h.  alles  sublunarische  und  tiefer  gelegene. 
Nie  nennt  Aristoteles  diese  unvergängliche  Region,  so  oft  auch 
spätere  es  behaupten,  xo  ns/inrov  oroiyslop,  und  kann  es  nicht, 
da  er  von    dem  Obersten    und    Höchsten    aus   abwärts    steigt    und 

19* 


148 

die   Arten   des    <p&ctQtdv    dem   Genus,    dem  a<f{^ccqrop,  gleichstellen 
würde  2). 

Ehe  Aristoteles  die  Region  des  Vergänglichen  betrachtet, 
spricht  er  in  den  zwei  Büchern  nsQi  yevtGswg  xal  <p&oQv.g  im  Allge- 
meinen vom  Entstehen  und  Vergehen;  er  entwickelt  hier  seine 
eigene  Theorie 3),  nicht  die  vier  Elemente  sind  ihm  die  Principien, 
wie  sie  seit  Empedocles  angenommen  wurden,  durch  deren  Mischung 
Leben  und  Tod  hervorgebracht  wird,  diese  sind  ihm  nicht  primi- 
tiver, sondern  selbst  zusammengesetzter  Natur;  eigentliche  Grundlage 
ist  ihm  das 

&SQJUOP 

yv/oott 

vyoov, 
und  da  die  Gegensätze  keine  Verbindung  erleiden,  also  nicht 


2)  Vergl.  des  Verfassers  commentatio  de  Aristotelis  libro  decimo  histo- 
riae  animalium  et  incerto  autore  libri  neql  xöofxov.  Heidelbergae 
1842.  p.  14  seq. 

3)  Dieses  ist  wie  aus  dem  ganzen  Gange  der  Untersuchung,  so  auch  dar- 
aus klar,  weil  er  die  Ansicht  der  früheren  Philosophen  anführt  und 
widerlegt;  wenn  wir  daher  bei  dem  sogenannten  Ocellus  Lucanus  die- 
selbe Lehre  vorgetragen  lesen,  so  ist  dieses  nur  aus  Aristoteles  ge- 
nommen und  einem  angeblichen  Pylhngoreer  vindicirt.  —  Die  Folge  ist 
II,  1  pag.  328,  33  bezeichnet  nqwxov  fxev  %6  övväfiEi  0(Jö(.ia  aio&r]- 
zov  aqy^,  öevreQov  <5'  ai  ivavTiwaeig,  Xiycj  d'  olov  SeQ/uorrjS  xal  ipv- 
Xqni^g,  tqltov  d'  rjörj  nvq  xal  vöioq  xal  xa  xoiavxa'  xavxa  piv  yaq 
^exaßäkXet  eig  akkrjla. 


149 

so  bleiben  nur  folgende  vier  av£vyicti  als  möglich 

dsQ/AOP       %t}QOV 

&SQiudp  vyQov 
ipvxQOp  l-qQoi' 
ipvxQov     vyqop. 

Ihnen  entsprechen  die  einfachen  Körper,  %a  anha  (pcupo/uspa 
öwjuarcc ;  denn  die  erste  Mischung  bildet  das  Feuer,  die  zweite  Luft, 
die  dritte  Erde,  die  vierte  Wasser. 

Durch  diese  Theorie,  welche  der  Autor  ausführlich  zu  begrün- 
den bemüht  ist,  hat  er  sich  den  Weg  gebahnt,  das  Vergängliche  zu 
betrachten;  die  dem  ovQccpög  zunächst  liegende  Region  sind  die  /ue- 
TscoQdy  wo  steter  Wechsel  und  Aenderung  herrschen;  die  Ausein- 
andersetzung und  Erklärung  dieser  ist  der  Inhalt  die  MstsoyqoXoyiza, 
aber  nur  die  ersten  drei  Bücher,  das  vierte  ist  von  diesen  auszu- 
sondern und  hat  einen  mit  der  Meteorologie  keineswegs  verwandten 
Gegenstand.  Was  die  apad-vfjiCciGig  är^iöiöd^g  und  xanvwSrjg  über 
der  Erde  bewirkt,  ist  Inhalt  der  ersten  drei  Bücher,  dessen  letztes 
Capitel  p.  378,  12  von  den  Wirkungen  dieser  auf  die  in  oder  unter 
der  Erde,  analog  jenen  über  der  Erde,  übergeht  und  damit,  was 
kommen  soll,  andeutet:  oöa  fiep  ovv  t-Qycc  av/ußai'psi  TiaQg/so&ai  rrjv 
txxQccGip  £p  roig  tonotg  vntQ  zijg  yrjg,  g/söop  toxi  rooavta  xcel  roi- 
avrcc.  'Ooct  dk  tp  avrrj  rrj  ytj  tyxaraxZsiöju^Pi]  rotg  rrjg  ytjg  jufyi-oip 
änsqyätercu ,  Aext€op.  Die  trockene  Verdampfung  erzeugt  vorzugs- 
weise Gesteinarten,  die  feuchte  die  Metallarten.  Nachfolgende 
Worte  geben  kurz  den  Hauptinhalt  aristotelischer  Lehre  über  diesen 
Gegenstand 

§vo  fxtp  yco  cd  äpct&vjxiäösig,   q  /uep   atjutSw^g  q  di  xcMPcbdqg, 
ujg   <pcc/usp,    slo(p  _,    dvo  dh  xal  zce  sXdrj  twp  ip  xr\    yfj  yiPOtu£pcopf 


150 

xd  jusv  oovxxd  xd  fik  /usxaAZsvxd'  q  ^itv  ovv  £t]Qcc  dva&vuiaGtg 
iOTiv  Y[  xig  ixnvoovGa  noist  xd  ogvxxd  ndvxa ,  olov  Xf&iov  xs 
y£vr\  xd  ccxqxxa  xcd  GavSaQaxtjv  xal  ü)%Qav  xcd  fxlXd-ov  xixl  S-smv 
xal  xdXXa  xd  xoiavxa'  xd  Sk  nXsiGxa  xcöv  oqvxxojv  tGxl  zu  /ukv 
xovla  xsxQWfxcaiG^vrj,  rcc  Sä  XC&og  ix  xoiavxyg  ysyovojg  Gvoxd- 
Gsvos,  olov  xivvdßciQi'  xrjg  Sä  äva&v/uidoeojg  xijg  dx/uiSwSovg, 
oGct  /uexaXXEvsxai ,  xal  sgzip  tj  yvxd  jj  tXaxd'  olov  GtStjoog  %aX- 
xbg  %ovGog.  noiu  Ss  ravxa  ndvxa  q  dva&vjuiaGig  tf  dxuiSvö- 
Srjg  tyxaxaxXeio/ugvt] ,  xcd  /udXiGxa  iv  xolg  Xl&oig,  Sid  ^rjooxrjxa 
dg  tv  GvvS-Xißofxivrj  xcd  nrjyvv/j.^vtj,  olov  Soooog  xal  nd%vq, 
oxav  ccnoxQi&rj"  ivxaufra  St  tiqIv  änoxoi&rjvcu  ysvvaxai  xavxa. 

Er  ist  damit  von  der  Höhe  auf  die  Erde,  oder  vielmehr  in  die 
Erde  hinein  gekommen,  und  man  sieht  leicht,  dass  seine  Absicht 
nur  sein  kann,  von  diesem  auf  das,  was  die  Erde  von  organischem 
Leben  an  sich  trägt,  überzugehen.  Was  aber  der  Schluss  des  dritten 
Buches  ankündigt:  xoivrj  /uev  ovv  sfätjrcu  jisqI  ndvxoiv  avxiav,  IS  Ca 
St  tmGxsnxtov  7iQO%£t,Qi£o/u€voig  tlsqI  txdoxov  yivovg^,  die  ausführ- 
liche Darstellung  des  Einzelnen,  sucht  man  im  vierten  Buche  ver- 
gebens. 

Ueber  dieses  vierte  Buch  der  Meteorologie  ist  man  wohl  im 
Ganzen  im  Reinen,  —  man  sehe  die  weitläufige  Abhandlung  Ideler's 
II,  pag.  347  —  389,  —  dennoch  bleibt  noch  Manches  zu  berich- 
tigen. 

Der  erste  Zweifel  geht  von  Alexander  Aegeus  aus  zu  IV, 
fol.  126.  Da  dieser  älter  als  Alexander  Aphrodisiensis,  so  haben 
wir  seine  Worte  vorzüglich  zu  achten.     Er  spricht  in  der  That   so 


4)    Der  Genitivus  ist  aus  N  für   exaaxov  ysvog  herzustellen.  Physik  III,   1 
GXETCxiov  7ZQo%ei()ioai.i£voig  neql  exaoxov  xovzuiv.    Conf.  Ideler  I,  642. 


151 

dass  man  nicht  glauben  kann,    ein  anderer  vor  ihm  habe  denselben 
Gedanken  geäussert.     Er  aber  sagt: 

ro  Titaqrov  iniyQacpSjusPOP  rwv  ^AqiGxoxiXovg  jusrecoQoXoytxwp  iürl 
/Ltfp  ^AQigroriXovg'  ov  /utjp  rfjg  ys  /usTscoooAoyixtjg  n^ccy/xarsCag' 
ov  yäo  ixslvfjg  oixeia  rd  iv  ccvtüj  X^yö^ieva,  judXXov  Jg  ogov  int 
roTg  Xsyolu£voig,  ijv  av  tnojusvov  roig  neol  ysveGewg   xccl   (p&ooag. 

Ersteres  ist  ganz  richtig;  dieses  sogenannte  vierte  Buch  hat 
nichts  mit  der  Meteorologie  zu  tlion,  und  der  Name  ist  ganz  falsch. 
Das  zweite  aber  hat  Keiner  richtig  betrachtet;  alle  sprechen,  als 
hätte  Alexander  die  Behauptung  aufgestellt,  unser  Buch  müsse  als 
das  dritte  neol  ysvtGewg  xccl  y&oodg  in  die  Reihenfolge  der  Schrif- 
ten des  Aristoteles  aufgenommen  werden,  und  alle  widerlegen  diese 
Behauptung  des  Alexander,  und  doch  hat  er  das  keineswegs  gesagt. 
Man  könnte  es,  spricht  er,  seinem  Inhalte  gemäss  eher  für  das 
dritte  Buch  neol  ysv^Gewg  xccl  (p&oqclg,  als  für  das  vierte  der  Meteo- 
rologika  halten,  und  dies  ist  vollkommen  gegründet. 

Dass  Alexander  hier  nur  das  Verhältniss  dieses  Buches  zu  den 
beiden  Werken  andeuten,  und  nicht  eine  neue  Ordnung  einführen 
wollte,  sieht  man  recht  deutlich  aus  dem  Schlüsse  seines  Commen- 
tars,  wo  er  bemerkt,  dass  dem  Ende  dieses  Buches  sich  das  Werk 
neol  Ctpcov  /uoqiwv  anschliesst: 

0)GTS    ix    ZOVTCOV    ÖfjXoV ,     Ott     T(X)    ßlßXtit)     TOVTU)     in€G&Ctl    ÖOXSl    TCi 

neol  £wcw  /uoqiüjv  iv  yv.q  tw  devze'qco  neql  £(6wv  jaoqCvov  neql 
wv  ivTuv&cc  l'(pr]  deiv  elnelv ,  eins'  X£yei  yctq  iv  c.vra.  nqwrov 
/uiv  neql  rvov  6/uoio/usqwv  juoqiwv^  tneitcc  neql  rwv  ccvo/uoiojueqwv 
a  icrtv  ix  rovrwv. 

Wenn  nun  Alexander  selbst   hier  die  richtige  Folge    bestimmt, 


152 

so  konnte  er  nicht  annehmen,  dass  das  vierte  Buch  der  Meteoro- 
logika  das  dritte  neol  yevgoecog  xcd  cpfrooclg  sei,  diesem  das  Werk 
über  die  Grundbestandtheile  folge  und  etwa  dann  erst  die  Meteoro- 
logie, sondern  wie  bemerkt,  nur  dass  der  Inhalt  näher  den  Büchern 
über  Entstehen  und  Vergehen  liege  als  der  Meteorologie,  nicht  mehr, 
sollte  damit  ausgedrückt  sein. 

Wenn  nun  aber  dieses  Buch  nicht  zur  Meteorologie  gehört  und 
von  ihr  ganz  auszuschliessen  ist,  so  steht  es  mit  dem  Auffinden  der 
Originalhandschrift  des  Aristoteles  ziemlich  schlecht,  man  müsste 
wenigstens  annehmen,  dass  entweder  von  diesem  das  Original  sich 
nicht  darunter  gefunden,  oder  ohne  Aufschrift  gewesen  und  von 
anderen  falsch  dem  vorausgehenden  Werke  beigezählt  worden  sei; 
denn  dass  Aristoteles  es  so  genannt  habe  und  von  ihm  diese  Be- 
zeichnung ausgehe,   ist  geradezu  unmöglich. 

Gleichwohl  suchten  andere  auch  dieses  Buch  für  die  Meteoro- 
logie zu  retten,  wie  Olympiodorus  fol.  59.  zu  III,  6.  pag.  161  Idel. 

fO  <fM<7o<pog  juscd  ro  nXrjQwGcu  rcc  iv  reo  /ustscooco  ysvo/usva 
nä&rj  vno  rrjg  öiTrrjg  dva&vjuiaoscog  {liruGi  xcd  im  rd  ysvo/usvcc 
ncc&i]  vno  xare^o^vojv  iv  zfj  yij  ovo  avad-v/utdoscov ,  xcd  jutf  ano- 
Qrjöi]g,  nojg  just£(dqc(  xb  ßißXiov  imy^yqanxca,  sl'ys  xtöv  vno  yijv  vvv 
noiüxcu  Xoyov  StQtjrai  ydo  6  axonog  zijg  noay^iax^lag,  bxi  ßov- 
ästcu  tu  ix  xwv  Svo  ctvad-vfJuctGsißv  ysvousvet  nciqctdovvca,  tixs 
vno  yfjV  zvyxctvoiev,  sl'xs  iv  zw  /uezswoq),  xcd  did  zovzo  /ueziwoci 
imytyoctnzai ,  wg  av  zijg  dtzzrjg  äva&v/xiäasoig  iv  zw  {U-tsojqu) 
nonco  &sovoi]g. 

Aber  dieses  ist  falsche  Voraussetzung;  Aristoteles  hat  nirgends 
solches  versprochen,  er  konnte  es  nicht,  ohne  sich  zu  wider- 
sprechen,   und   seine   Worte  selbst  zeigen  den   Gegensatz   deutlich 


153 

genug  an,  wo  er  vou  der  Ausdünstung  in  der  Erde  redet  III,  6 
oaa  (T  §p  avtjj  tri  yfj  iyxccTCixAeio/ugprj  toig  rrjg  yrjg  /u€qsoip  änsQ- 
ycttercu  Xtxxiop'  noiel  yccq  dvo  dicapoqcig  gwjucctwp  dicc  xo  dmXrj  ne<pv- 
xivai  xctl  avrtj  xccS-cctisq  xal  ip  zw  just ewoat.  Auch  bebandelt 
dieses  Buch  gar  nicht  die  durch  Ausdünstung  innerhalb  der  Erde 
entstehenden  Producte. 

Der  Anfang  des  vierten  Buches,  in  welchem  allerdings  von  y£- 
vsaig  und  <p$o()ä,  jedoch  nicht  mehr  im  Allgemeinen,  sondern  in  Be- 
ziehung auf  lebende  Wesen  gesprochen  wird,  (wir  finden  uns  hier 
sichtbar  auf  unseren  Boden  versetzt),  kann  leicht  dazu  verleiten, 
einen  Uebergang  aus  dem  Allgemeinen  in  das  Besondere  zu  finden; 
doch  —  von  dem  Ende  dieses  Buches  zu  schweigen  —  es  liesse 
sich  nicht  erklären,  wie  denn  von  den  irdischen  Wesen  zu  dem, 
was  zwischen  Himmel  und  Erde  schwebt,  den  Meteoren,  ein  Ueber- 
gang möglich  wäre.  Der  stufenweise  Fortschritt  von  oben  nach 
unten  in  dem  Systeme  unseres  Philosophen,  einmal  erkannt,  muss  auch 
festgehalten  werden;  und  ist  dieses,  so  kann  auch  nicht  entgehen, 
dass  zwischen  dem  dritten  Buche  der  Meteorologie  und  dem  vierten, 
das  mit  Unrecht  diesen  Namen  trägt,  eine  bedeutende  Lücke  fällt, 
in  welcher  die  durch  die  äpcc&vukcGig  im  Innern  der  Erde  bewirkten 
oqvxxa  und  juszaXhvrd  ihre  Erklärung  gefunden  haben  5). 


5)  Schon  Simplicius,  Philoponus,  und  von  neueren  Patricius  u.  a.  haben 
diese  Meinung  aufgestellt.  Vergl.  Ideler  Addend.  I,  642.  Was  Vico- 
mercato  bei  Ideler  p.  352  seq.  anführt,  um  die  Verbindung'  mit  der 
Meteorologie  zu  rechtfertigen,  ist  unhaltbar,  und  Schneider's  Behaup- 
tung p.  354,  dass  der  Anfang  der  Meteorologie  schon  den  Inhalt  die- 
ses vierten  Buches  verspreche,  also  nothwendig  sei,  hätte,  da  sie  nur 
Folge  von  falsch  verstandenen  Worten  ist,  Ideler  nicht  annehmen, 
sondern  widerlegen  sollen. 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k  Ak.  d.  Wiss.  V.  B.  II.  Abthl.  20 


154 

Die  vier  Potenzen  —  eigentlich  nur  Qualitäten  —  bringen  durch 
ihre  Thätigkeit  oder  Empfänglichkeit,  denn  das  &sqju6p  und  yvxQov 
ist  noir\xixov ,  das  vyoöp  und  ^yjqov  aber  na&tjxixov,  festes  Bestehen 
und  in  der  organischen  Welt  Leben  und  Tod  hervor.  Die  verschie- 
deneu Arten  der  Wirkungen  der  einen  und  die  Affecte  der  andern 
nachzuweisen,  wodurch  y£vsGig  und  GtjxjJig  entsteht,  ist  Inhalt  dieses 
Buches,  das  durch  einige  weitere  Andeutungen  den  synthetischen 
Gang  des  Verfassers  klar  darlegt  und  dadurch  die  zunächst  sich 
anschliessenden  Bücher  im  voraus  sicher  bestimmt;  aus  den  ersten 
Elementen  werden  durch  Mischungen  gleichartige  Theile  xä  o/uoio- 
/ASQij,  in  weiterer  Bildung  und  Mischung  dieser  xä  äpo/uoiojusorj;  durch 
deren  Verbindung  endlich  das  Ganze,  die  £wa  und  (pvxcc,  hervorge- 
bracht werden.  Die  entscheidenden  und  belehrenden  Stellen  darüber 
sind  folgende:  cap.  8  p.  384,  6,  30 

Ix  jusv  ovp  vdaxog  xai  yfjg  xa  6/LioiojusQfj  Gcvjuaza  GvpiGxaxai  xai 
£p  (pvxoig  xal  Iv  £cpoig,  xai  xä  jusxaAZsvö/Lieva ,  oiop  yqvGog  xai 
aoyvoog  xai  oöa  aXXa  xoiavxa,  t£  avxwv  xs  xai  xrjg  ava&v/utd- 
oscog  xijg  txax€()ov  iyxaxaxZsw/u^p^g  f  Sonso  sTQTjxai  k'p  äXXoig. 

Diese  letzten  Worte  zeugen  immer,  sie  mögen  sich  auf  den 
Schluss  des  dritten  Buches  oder  auf  die  besondere  Ausführung  nsqi 
psxäAZwp  beziehen,  wie  mit  Unrecht  unser  Buch  der  Meteorologie 
beigegeben  ist. 

Ferner  cap.  10  p.  388,  10 

xovxoig  <5s  xoTg  rca&TjjuaGi,  xai  xavraig  xaig  diayogatg  xä  6/uoio- 
jusorj  xcup  Gwfiäxwv,  wGtuq  stoqxai,  diafptQSi  aÄXrjXoiv  xaxd  xijp 
a<f?jp,  xai  txi  oG/uaig  xai  yyfxo'ig  xai  xqwnaGiv  Myco  $'  ojuoio- 
fisotj  xa  xs  fisxaXXtvousvce,  olop  %qvg6p  yaXxop  aqyvqov  xaxxCxs- 
qop  GCdtiQOv  Xtfrop  xai  xaXXa  xä  xaiavxa,  xai  ooa  ix  xovxüop  yl- 


155 

ypsxai  ixxQtPO/uepa,  xal  xa  ip  xolg  £(potg,  xal  tpvxolg,  olop  odqxeg 
oGxä  psvqop  Siqfxa  GnXdy%pop  xQt%eg  fr*  ff  ^X.ißsg,  £|  wp  ijdt]  gvp- 
iGxtjxs  xa  avofxoiofisqi],  olov  tiqogwtiop  %elo  novg  xccl  xäXXa  rd 
roiavxa,  xal  ip  (pvxotg  %vXop  yXoiog  (pvXXov  QiXa  xal  oGa  xoi- 
avxa. 

Endlich  aus  dem  Anfange  und  Schlüsse  des  letzten  Capitels: 

inel  Ss  mol  xovxwp  diwoioxat,  xa&*  i'xaoxop  Xsywjusp  xl  GaQ% 
fj  ooxovp  tj  xwp  dXXwp  xwp  ojuoiojusqwp  (pvoig  GvpiGxqxs,  xa  yiptj 
ovtwp,  xi'pog  txaoxop  y£vovg  did  xijg  yeptoewg'  ix  ptp  ydo  xwp 
Gxoiyblwp  xa  ojuoiojueoij,  ix  xovxwp  <T  wg  vXrjg  xa  bXa  toya  xijg 
(pvGeiog  .  .  .  inel  oup  ^xo/xsp  xlvog  yipovg  ixaoxop  xwp  o/uoio/us- 
qwp,  Xrjnxiop  xatf  txaGxop  xC  tGxip,  olop  xC  al/ua  fj  gciq^  y  Gntq- 
fxa  xal  xwp  aXXwv  ixaoxop*  ovxw  ydq  fGfxep  txaGxov  öid  xC  xal 
xt  ioxiPf  idv  xtjp  vXt]P  fj  xop  Xoyop  k^w/nsp,  fidXiaxa  ö*3  bxap  ä/U(pw 
xqg  xs  ysviGswg  xal  (p&OQag,  xal  tio&sp  ij  dq^rj  TVS  xtprjGswg, 
drjX.w&ipXwv  de  xovxwp  dfxoiwg  xa  dpofioio/usqij 6)  &£WQt]x€op  xal 
tiXog  xa  ix  xovxwp  ovpsoxwxa,  olop  dp&Qwnop,  (pvxöp  xal  xdXXa 
xa  xoiavxa. 

Diese  sänimtlichen  Stellen  hängen  mit  dem  Ganzen  so  enge 
zusammen,  dass  an  eine  Einschaltung  durch  spätere  Redaction  nicht 
zu  denken  ist. 

Welches  war  wohl  die  Benennung  dieses  vierten  Buches? 
Schade,   dass  Aristoteles  nicht  selbst  uns   die  nähere  Bezeichnung 


')  Die  Handschriften  haben  oftotOfiEQrj,  die  Ausgaben  firj  ojiöibflegrj  aus 
den  Commentatoren  -wie  es  scheint;  dieses  ist  nicht  Art  des  Aristo- 
teles sich  auszudrücken.  Wir  haben  daher  das  ihm  gewöhnliche  Wort 
hergestellt. 

20* 


156 

angegeben  hat;  denn  de  part.  Anim.  V,  4  p.  784  b.  ist  mit  den 
Worten :  yfrexcu  i]  cijipig  vno  ötQ/uoryTog  juev  naaa,  ov  xijg  Gvfupixov, 
iÜotisq  sTytjTcci  iv  txsooig,  unser  Buch  IV,  1,  10  gemeint.  Pa- 
tricius  erfindet  den  Namen  tisqI  xiop  aroiy^Coiv  ioyctGiiöp,  Ideler  II, 
379.  Nach  IV,  8  ix  ds  xovxoiv  (pavs^ov  oxi  vno  &£quov  xal  yv%(>ov 
GvvlGxcixcci  xcc  Gw/uccxcc,  xcevxce  d£  ixayvvovxa  y.cd  ntiyvwxa  noisfrcci 
xr\v  toyuGictv  eivxwv.  p.  385,  10  xwv  t/.XXiov  hcaoxov  xwp  ojuoio/usoojv 
jutv  (pvGixüip  ök  awjxäxcov.  cap.  4  xa  wqiG^vcc  Gwuccxa,  sollte  man 
denken,  das  Buch  habe  einen  Titel,  etwa  wie  tieqI  xijg  xwv  ow/ud- 
xwv  GvoxdöEtog  gehabt.  Alle  Körper  haben  Antheil  an  den  vier 
Elementen,  zunächst  die  ojuoiojutorj,  aus  welchen  dann  die  verschie- 
denen Arten  von  <pvxd  und  twa  hervorgehen. 

Das  der  Ausgabe  hier  angereihte  Werk  tisqI  xög/uov  gibt  eine 
kurze  Uebersicht  der  Bücher  nsol  ovoavov,  mol  ysviGsoig  zcä  (pfroqäg 
und  der  Msxsvooohoyixcc,  kann  auch  für  die  Ordnung  dieser  zeugen,  ist 
aber  an  Sprache  und  durch  stoische  Gesinnung  so  wenig  aristotelisch, 
dass  der  Verfasser  gar  nicht  die  Absicht  haben  konnte,  sein  Buch 
als  solches  unterzubringen,  da  jeder  den  Gegenbeweis  leicht  führen 
konnte;  die  Vorrede  an  Alexander  ist  also  untergeschoben,  wie  in 
der  kleinen  Rhetorik,  oder  sie  ist  an  einen  andern  Alexander  ge- 
richtet. Nur  der  Aehnlichkeit  des  Inhalts  verdankt  das  Werk  seine 
jetzige  Stellung  in  der  Reihe  der  aristotelischen  Schriften. 

Ueber  die  Stellung,  welche  den  drei  Büchern  tisqI  ipvxrjg  und 
den  damit  innigst  verbundenen  Abhandlungen,  den  fälschlich  soge- 
nannten parva  naturalia,  könnte  manches  Bedenken  entstehen,  würde 
nicht  Aristoteles  selbst  in  ihnen  sich  so  deutlich  aussprechen,  dass 
jeder  Zweifel  verschwinden  muss.  Die  letzten  Worte  der  Meteoro- 
logie, dass  der  Mischung  der  nodixcc  Gxoiyüa  die  6/uoiojusQrj  folgen 
und  jedes  von  diesen  zu  erklären  sei,  z.  B.  was  al^ia,  GaQ%,  aniq- 
fxu  u.  s.  w.  sei,  aus  welchen  die  öjuoio/nsqij  hervorgehen  und  das  aus 


157 

ihnen  zusammengesetzte  Ganze,  finden  ihre  Fortsetzung  und  Wieder- 
aufnahme nur  in  dem  Anfange  der  Thiergeschichte  und  des  zweiten 
Buches  tisqI  l,wuw  /xo^iojv,  welche  beide  von  den  o/xoiojusqt]  und  ccp- 
ojuoiojusQrj  ausgehen,  erstere  mehr  historisch,  letztere  physiologisch 
und  streng  wissenschaftlich.  Auf  die  Verbindung  mit  dem  zweiten 
Buche  tisqI  l.w(ov  jäoqCojv  hat  schon  Alexander  Aegeus  hingewiesen7); 
sie  ist  jedoch  unmöglich,  theils  weil  das  zweite  Buch  mit  dem  all- 
gemeinen ersten,  wie  es  jetzt  ist,  unzertrennlich  zusammenhängt, 
theils  weil  auch  das  erste  selbst  auf  die  Grundbestandteile  der 
twcc,  d.  h.  den  Schluss  des  vierten  Buches  zurückkehrt8).  Aristo- 
teles ist  nämlich  in  seinem  Gange  bis  zur  Bildung  der  lebenden 
Wesen  und  Geschöpfe  gekommen,  zu  den  Una  und  tpvxä,  wobei 
auch  die  Frage  sich  aufdrängt,  ob  die  Pflanzenwelt,  die  <pvxay 
welche  ihm  zwar  nicht  Zcoa,  aber  doch  Zwvta  sind,  allem  dem,  was 
über  die  Zwcc  so  vielfach  gelehrt  wird,  vorausgeht,  oder  erst  nach 
Vollendung  jener  seinen  Platz  erhielt. 

Als  Aristoteles  seine  Abhandlung  ttsqI  cdö&^oewg  schrieb,  war 
die  Phytologie  noch  nicht  vollendet;  denn  er  verweist  die  Behand- 
lung eines  Gegenstandes  als  künftig  in  jenes  Gebiet,  p.  442,  b.  23: 
y.al  tisqI  ju&v  rov  ytvGrov  tccd  xv/xov  sYQtjrai'  tä  yaQ  aÄÄcc  rttx&t]  rwv 
%vfjuöv  oizskiv  h%si  rijv  Gx$xpiv  iv  rrj  <pvGioÄoytu  rrj  tisqI  twv  (pvrwv, 
wozu  Alexander  fol.  109  die  Bemerkung  macht,  dass  zu  seiner  Zeit 
diese  Bücher  nicht  existirten:  zccl  Ügti  /usp  tisqI  <pvrwv  0so<pQccGrcp 
n^ayfiarsCa  yEyQa/u/u&q  •  * AqigtotÜ.ovq  yccQ  ov  (pgqsrcu.  Auch  noch 
nicht  am  Schlüsse  der  Abhandlung  tisqI  /uaxQoßiÖTijros,  p.  467,  b.  5, 
wo  sich  die  Pflanzenlehre  als  später  folgend  ankündigt:  MM  fxrv 
tisqI  tovtov  scal  xa&'  ccvtcc  £v  roTg  tisqI   (pvzöiv   dto()iG&7JGSTaif    vvv   Ss 


7)  S.  oben  die  angeführte  Stelle. 

8)  p.  640  b.   17. 


158 

rxeoi  xwv  ceXXwv  twwv  tforjxai  xo  cuxiov  nsqt  xs  juey€&ovg  twijg  xal 
ßqayvßioxtjxog.  Xoinöv  <T  ij/uTv  &twQt]Gai  mql  xs  vsoxrjxog  xal  ytjqwg 
xal  £wijg  xal  &avdxov  •  xovxwv  yaq  dioqiG&ivxwv  xiXog  av  q  mol  xwv 
twwv  tx01  p&odog,  eine  Stelle,  welche  obige  Frage  deutlich  dahin 
entscheidet,  dass  die  Pflanzenwelt,  obschon  als  nur  d-qsnxixov  die 
niedrigste  Potenz  der  Darstellung  des  thierischen  Lebens,  nicht  vor- 
ausging, sondern  nachfolgte.  Man  hat  der  Aussage  dieser  Worte 
gemäss  die  naturhistorischen  Theile  vorangestellt,  weil  Aristoteles 
bestimmt  behauptet,  hiemit  habe  die  Behandlung  der  £wa  ihr  Ende 
erreicht;  es  wäre  jedoch  Unrecht,  aus  diesen  Worten  einen  solchen 
Schluss  zu  machen,  ohne  den  Zusammenhang  zu  betrachten ;  es  lehrt 
nämlich  der  Anfang  des  Buches,  dass  nur  die  xoival  noä^sig  ge- 
meint sind,  allgemeine  Begriffe,  die  allen  £üja  zukommen,  wovon  der 
obengenannte  der  letzte  ist,  und  in  sofern  hat  Aristoteles  Recht  zu 
sagen  xiXog  av  t'xoi  tf  jutöodog.  Dagegen  wird  in  der  Thiergeschichte 
V,  1  p.  539,  15  wgtisq  sYqqxai  iv  xy  &swo£a  xfi  nsql  xwv  <pvxwv, 
(der  Zusammenhang  scheint  nicht  dafür  zu  sprechen,  dass  die  Worte 
später  eingesetzt  worden  sind),  die  Pflanzenlehre  als  vollendet  be- 
trachtet, während  die  Bücher  nsql  £wwv  fxoqtwv  p.  656,  1  q  /usv 
ovv  xwv  tpvxwv  tpvoig  ovaa  /uövi/uog  ov  noXvsid^g  tGzi  xwv  dvo/uoio/us- 
qwv  .  .  .  $to  &swqr}x£ov  xa&  avzd  nsol  xijg  idgag  avxwv,  ferner 
die  Bücher  nsql  twwv  ysvioswg  I,  2  p.  716,  1  nsql  fxiv  ovv  tpvxwv 
avxd  xa&  avxd  %wqig  snioxsnxs'ov ,  nsol  ds  xwv  dXXwv  £<wcw  xijg  ys- 
vs"oswg  Xsxxtov ,  und  V,  3  p-  783,  b.  10  dio  xal  xwv  tpvxwv  xä  Xir- 
naqd  asltpvXXa  /udXXov.  dXXd  nsol  /uev  xovxwv  iv  aX,Xoig  xo  atxiov 
Xsxxs'ov  xal  ydq  aXXa  ovvalxia  xov  xoiavxov  ndS-ovg  avxoig.  Worte, 
welche  wiederholt  die  Thiergeschichte  als  längst  bekannt  voraus- 
setzen, in  der  Art  reden,  dass  man  glauben  muss,  Aristoteles  sei 
noch  ziemlich  ferne  von  der  Abfassung  der  <pvxd.  Sollte  vielleicht 
jene  einzige  widerstrebende  Stelle  durch  die  Aenderung  des  sfqtjzai 
in  slqijosxat  ihre  Ausgleichung  erhalten,   wenn  anders  jene  seltene 


159 

Futurform  bei  Aristoteles  sicher  steht,    wie  es   wenigstens   p.    420, 
b.  21  ist? 

Fr.  Nie.  Titze9)  hat  die  Entdeckung  gemacht,  dass  das  erste 
Buch  tcsqI  Zatujv  ixoqiwv  die  allgemeine  Einleitung  zur  Behandlung 
aller  zoologischen  Schriften  bilde  und  darum  auch  allen  vorausgehen 
müsse;  G.  Schneider  und  J.  Kopp  haben  diese  Bemerkung  für  eben 
so  richtig  als  geistreich  gehalten,  und  es  ist  nicht  zu  läugnen,  dass 
so  viel  auch  Titze  in  Erklärung  einzelner  Stellen  aus  Uukunde  der 
Sprache  seiner  Hypothese  zu  lieb  gefehlt  hat,  der  Grundgedanke 
doch  wahr  bleibt  und  selbst  noch  besser  bewiesen  werden  kann. 
Aristoteles  wirft  die  Frage  auf,  wie  eine  wissenschaftliche  Behand- 
lung über  die  thierische  Natur  erreicht  werden  könne;  er  habe  von 
der  höhereu,  unvergänglichen  Welt,  von  der  wir  nur  Weniges  wis- 
sen, seine  Ansicht  mitgetheilt,  und  sei  jetzt  in  seiner  Darstellung 
auf  das  Gebiet  des  thierischen  Lebens  gekommen,  cap.  6,  insl  Ss 
tisqI  Ixtlvviv  {t(öv  ä(pS-ccQto)p)  diriXd-Ofxev  fäyovrsg  ro  (pcuvdfxsvov  rlfilv, 
Äomov  tisqI  rrjg  kioixrjg  g>vGscog  slnuv  urjdkv  naqaXbTiövrag  slg  dvvctfiiv 
/urjzs  dtiuorsQov  /ajjts  tijuicorsQov.  Deutet  er  damit  schon,  wie  Titze 
mit  Recht  behauptet,  an,  dass  dieses  der  Uebergang  von  den  frü- 
heren physischen  Werken  zu  den  über  die  £uuxt[  tpiioig,  und  die  erste 
Schrift  auf  diesem  neuen  Felde  sein  soll  —  wogegen  sich  nichts 
anführen  lässt  —  so  ist  noch  weit  überzeugender,  was  nicht  be- 
merkt worden  ist,  dass  die  Fragen,  welche  über  dies  methodische 
Verfahren  aufgeworfen  und  beantwortet  werden,  den  einzelnen 
Schriften  wirklich  zu  Grunde  gelegt  sind. 


9)  In  der  Vorrede  zur  Ausgabe  des  ersten  Buches  de  partibus  animalium 
cons.  Titze  de  Aristotelis  operum  serie  distinetione  p.  55>  8.  Prantl 
de  Aristotelis  librorum  ad  bistoriam  animalium  pertinentium  ordine 
atque  dispositione.     1843-     p.  23. 


160 

Gleich  die  erste  wichtige  Frage,  ob  man  jedes  einzelne  Wesen 
für  sich  allein  durchgehen,  oder  das  was  allen  geraeinsam  ist  oud 
unter  sich  keinen  Unterschied  trägt,  um  Wiederholung  zu  meiden, 
wie  Schlaf,  Athmen,  Wachsthum,  Tod,  mitsammen  verbinden  soll, 
p.  639,  15: 

X£yo)  <f  olop  noxsqov  deo  Aajußdpopxag  /jiCav  hxäoxrjp  ovoCap  nsol 
xavxtjg  dioofceip  xa$  avztfp,  olop  tisqI  äp&QcoTiov  (pvoscog  q  X£ov- 
xog  tj  ßoög  fj  xal  ripog  ciXXov  xaS-'  ixaoxop  nqoy^iqito^povg  f  q 
rä  xotPt]  ov/ußsßqxoxa  naoi  xaxd  xb  xoivov  vno&s/ufrovg.  noXXd 
yäq  vnäqxu  xavxd  ixoXXolg  yipeoip  (ytpsi  ?J  £x£qoig  ovoip  aXhiqhojp 
olov  vnvog,  äpanvoi]3  avl-qoigj  <f0-i0ig,3-äp axog3  xccl  nodg 
xovxotg  boa  xoiavxa  xwp  Asmojuspwp  *  °)  ncc&iöv  xs  xal  dia&£- 
geojv  '  adtjAop  yciq  xal  ad io qiox 6p  iGxt  Xiysip  pvp  neql 
xovxwp.  (pavsodv  d*  ort  xal  xaxd  /utoog  juip  Xiyopx^g  nsql  noh- 
XoZv  iqov/usp  noXXaxig  ravxd  •  xal  yaQ  l'nnoig  xal  xvol  xal  av- 
&Q(67ioig  vndqysi  xwp  eiqt]/u€pwp  kxaoxop,  woxs  lav  xa&  txaoxop 
xwv  ovjußf-ßt]x6rojp  A£y}]  tig3  nokhdxig  dpayxao&rjOsxai  tisqI  xwp 
avxwp  Xiyziv  boa  ravtd  /utp  vndqyu  roTg  sidsi  diayiqovoi  xwp 
£wwp.  avxd  dk  firjdh^iiav  %,%u  diatpoqäp  .  .  .  öio  ösT  jutj  (dies')  %s- 
hri&£vai}  nwg  imoxsnxsop ,  fäyw  ö*k  nöxaqop  xoiPtj  xaxä  y£vog 
ttqojxov,  $ix  vgxsqop  tisqI  xwp  idiwp  &swqrjx£OP}  rj  xaO-'  i'xaoxop 
sv&vg. 

vergl.  p.  644,  23  seqq.,  findet  ihre  vollständige  Erledigung  in  den 
Parva  naturalia,  welche  die  oben  bezeichneten  allen  Uocc  gemeinsamen 
Eigenschaften  ausführlich  behandeln,  und  es  leuchtet  ein,  dass  die 
hier  vorgetragene  Aporia  nicht  erst,  nachdem  die  Ausführung  bereits 


10)    XeMOjiievtov  ist  ganz  gegen  die  Sprache  des  Aristoteles,  man  erwartet, 
■wie  Titze  richtig  vermuthet,  Xeyofxlvwv  oder  Äoinwv. 


161 

schon  vorlag,  gemacht  werden  konnte;  sondern  dieser  vorausgehen 
masste. 

Die  Frage,  ob  man  die  Erscheinungen,  das  ort  zuerst,  und 
dann  erst  die  Ursachen,  das  diön,  erklären  solle,  oder  umgekehrt 
p.  639,  b.  5  vvv  ydq  ov  diiöqiorcci  tisqI  ctvxov  bvM  ys  rö  pvp  Qtj&rj- 
goixspop  y  olop  tiotsqop  xaS-anso  ol  jua&rjjuanxol  rd  tisqI  rtjp  aGrooko- 
ylup  dsixpvovGip,  ouxto  dsi  xal  top  (pvGixop  rd  (faipo/uspa  tiqwxop  rd 
nsql  rd  £aice  &£(DQiJGc(vtct  xal  rd  /usorj  sxugtop,  instd-'  ovrio  ÄGysip  rö 
did  rl  xal  rag  alriag,  fj  dMcog  nwg,  wird  dahin  • beantwortet,  dass 
al  tisqI  td  £(Jöct  iGxoQiat  den  Schriften  nsql  Zwujp  uoqCüjp  und  nsql 
Zcpcop  ysps'oscog  vorausgehen,  was  auch  sämmtliche  Verweisungen 
dieser  auf  jene  beweisen,  p.  640,  13  soixs  <T  §ptsv&sp  ccqxts'op  shai, 
xa&ansQ  xal  tiqÖtsqop  sXjiojxsp,  ort  tiqcdtop  rd  (paipo/xspa  Xrjnriop  nsql 
sxaGrop  y£pog,  £«#'  ovxco  rag  alxlag  xovtcop  Xsxts'op,  xal  nsql  ysps'Gswg' 
juäAAop  ydq  rdds  Gv/ußai'pst  xal  nsql  rtjp  olxodofxrjGiP ,  snsl  toiopö1 
§Gxl  rö  sidog  rijg  olxiag,  rj  toiÖpS*  sgtIp  q  olxia,  ort  ylpsxai  ovxwg  * '). 

Die  alten  Philosophen  haben  zumeist  nur  die  vAixt}  dq%tj  unter- 
sucht, es  genügt  jedoch  nicht,  die  djuow/usqrj  und  dpo/uoio/usqtj  anzu- 
führen, es  muss  sUog  und  juoqcpt]  betrachtet  werden,  diese  besteht 
nicht  in  äusserer  Form  und  Gestalt,  sondern  im  innern  Leben,  darum 
ist  dem  Physiker  Psychologie  unentbehrlich,  p.  641,  19 

sl  drj  xovxo  iGxi  xjJv/tj  q  ipvxjjä.  juiqog  tj  /utj  d'psv  ipvyrjg  {ansX- 
■S-ovGtjg  yovp  ovxf-xi  Z,ioöp  sgxip]  ovds  rwp  juoqiwp  ovSsp  rd  avrö 
Xslnsrai,  nAijp  reu  G^tf/uan  juopop,  xaS-änsq  rä  juv&svojuspa  Xir- 
&ovG&ai)  sl  §rj  xavxa  ovrwg,  rov  <pvGtxov  nsql  ipv%rjg  äp  sti]  M- 


u)  Diese  Stelle  scheint  de  animalium  generatione  V,  1  p.  778,    b.    1    ge- 
meint zu  sein,   aianeg  1X1%^  xar'  &Q%ag  ev  rolg  nqunoigXoyoig,  was 
für  die  gewöhnliche  Stellung  dieses  Buches  angeführt  werden  könnte. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  li.  Ak  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abthl.  21 


J62 

ysiv  xctl  eldsvaij  xal  tl  /utj  naoqg,  xax1  avxö  xovxo  xa&  o  xoi- 
ovto  xö  Zcpov,  xal  xC  ioxiv  tj  ipv%ij,  fj  avxö  xovxo  xo  /uöoiov,  xal 
txbqI  xojv  GVjußsßt]xöxwv  xaxct  xijv  xoiavxt]v  avxrjg  ovgCciv  ,  äMcog 
xs  xctl  xtjg  (pvoEwg  di%ü)g  Zeyo/u&'vrjg  xal  ovaqg  xrjg  /utv  cog  v).t]g, 
xijg  dt  cog  ovGi'ag.  xctl  toxiv  avxt]  xctl  wg  r]  xivovoa  xctl  wg  xo 
xsXog.  xoiovxov  de  xov  £wov  rj  toi  näact  rj  tyvyjrj  rj  /utoog  xi  av- 
xrjg, wGxs  xctl  ovxwg  av  faxxsov  e'i't]  xw  mol  yvGswg  &ewQi]Xixw 
neol  ipvx*js  i^äXkov  fj  tisqI  xijg  vXrjg,  oow  juäMov  rj  vXt]  di  txst- 
vr\v  (fvoig  ioxlv  tj  avänaXiv .  xctl  xXCvt]  xctl  xqlnovg  xö  %vÄov  ia- 
xiVy  oxi  Svvct/iiEi  xctvxci  ioxiv. 

Sind  diese  Worte  schon  wichtig,  so  liefert  die  folgende  Apo- 
rie  sogar  den  einzigen  Maasstab,  wie  die  Bücher  tisqI  yvyrjg  be- 
trachtet werden  wollen: 

anoQtJGsie  <T  av  xig  dg  rö  vvv  XeyS-hv  inißMipag,  nöxsoov  nsol 
naorjg  yjvyt]g  tfjg  cpvGixijg  iaxi  xö  unuv  fj  nsqC  xivog .  st  yctQ 
mol  nctorjg,  ovdsfjiCa  Aetnsxcti  nctqct  xrjv  cpvGixrjv  imgxrj/ut]v  <piAo- 
üotpCct '  6  yctQ  vovg  xwv  vot]xwv .  (Sgxs  nsol  ndvxwv  rj  tpvGixr) 
yvwcig  av  ut]  •  xtjg  yctQ  avxrjg  nsol  vov  xctl  xov  vorjxov  dswQtJGai, 
sinsQ  TiQÖg  aXXrjXa,  xctl  fj  ctvxtj  d-kWQtct  xcov  TiQÖg  akXt]Xa  Tldv- 
XWV,  XCt&CiTlSQ  xctl  nsol  cuGd-rJGswg  xctl  xwv  aiG&rjxwv '  fj  ovx 
toxi  näoa  rj  ipvyrj  xivtjöswg  ctQyrj,  ovde  xct  fxoQict  anavxa,  akX 
av^rjoswg  juiv  07X8Q  xcel  iv  cpvxolg,  dXXoiwGtwg  de  xö  ctlG&t]xixöv, 
ffOQag  <T  txeQov  xi  xctl  ov  xö  votjxixöv'  vnctQysi  yctQ  tj  cpoQct  xctl 
iv  txe'QOig  xwv  £cowv,  didvoia  <T  ovdsvC'  drjXov  ovv  cog  ov 
tisqI  nctGt]g  ipv%ijg  Asxx£ov  ovdt  yctQ  nctGa  tyvyi]  cpvoig  xig 
äXXä  xi  juoqiov  avxrjg  'iv  tj  xal  nfe(a). 

Diese  Bücher  gehören  also  ganz  eigentlich  in  die  Physik  und 
behandeln  das,  wodurch  das  thierische  Leben  besteht,  sie  sind  kei- 
neswegs,   wie   man  irrthümlich    gewöhnlich   glaubt,    Psychologie   in 


163 

unserem  Sinne;  denn  die  tyvyji  des  Menschen  fällt  zugleich  ausser 
der  (fvGixi]  imar^fif],  welche  von  der  yvyj  überhaupt,  in  sofern  sie 
allen  Zwei  gemeinsam  ist,  zu  sprechen  hat,  und  nur  von  der  Seite 
als  die  menschliche  ipvxi]  mit  der  der  Zwcc  zusammenfällt,  gehört 
auch  sie  hierher;  da  aber  die  menschliche  Seele  durch  den  ihr  von 
der  Gottheit  gegebenen  Zoyog  und  vovg  etwas  Höheres  als  die  thie- 
rische  ist,  fällt  sie  über  die  givaixtj  imatijut]  hinaus  und  wird  Ge- 
genstand der  TTQcött]  (fiXoooiflci.  Dieses  ist  der  einzig  richtige  Stand- 
punkt, den  glücklicher  Weise  uns  Aristoteles  selbst  mittheilt,  von 
dem  aus  die  berühmte  Schrift  unseres  Philosophen  beurtheilt  werden 
will,  und  wenn  im  ersten  Buche  die  ipv%r}  nicht  auf  diesen  engen 
Begriff  beschränkt  auftritt,  so  liegt  der  Grund  einzig  darin,  dass 
eiue  Kritik  der  Vorgänger,  wie  sie  in  jenem  Buche  enthalten  ist, 
nicht  verschweigen  darf,  in  welchem  Geiste  und  Sinne  der  Gegen- 
stand aufgefasst  und  dargestellt  worden  ist;  er  selbst  hält  fest, 
dass  es  tj  ipvxij  tf  iwv  Zwwv  sei  (III,  9)  und  von  der  diapoqztxi] 
ipv%i},  dem  vovg,  wird  wenig  III.  4 — 7  und  dunkel  gesprochen12). 

Die  Untersuchung,  wie  der  Gegenstand  behandelt  werden  soll, 
muss  der  Ausführung  vorausgehen,  und  hat  keine  Bedeutung  da, 
wo  sie  jetzt,  lange  nach  deren  Vollendung,  steht;  sie  ist  keine 
Rechtfertigung  oder  Vertheidigung  des  bereits  gelieferten,  sondern 
Angabe  des  methodischen  Verfahrens,  welches  die  leitenden  Prin- 
cipien  sind,  die  der  Behandlung  des  Einzelnen  zu  Grunde  liegen. 
Ich  halte  daher  Titze's  Annahme  der  Hauptsache  nach  für  vollkom- 
men gegründet,    kann  jedoch  nicht  verschweigen,    dass  das    Ende 


12)  Von  einem  gründlichen  Kenner  des  Aristoteles  ist,  was  bei  Photius 
Bibl.  Cod.  249  steht,  (Anonym,  de  vita  Pythag.  p.  112  —  4  ed.Kiesl.): 
"Ott  nkärtov,  girjoi,  xai  LdQiazoTekrjg  a&dvccTov  6f.iotwg  ÄeyovGL  ttjv 
xpvxqv,  x<*v  Ttvsg  etg  zbv  lAqiazozeXovg  voüv  ovx.  i/jßctd-vvovzeg  &vt]zrjv 
vüfii^ovoi  avzbv  liyeiv. 

21  * 


161 

auf  die  £a5av  juoqicc  übergeht  und  einen  Zusammenhang  mit  dem 
nächsten  Buche  andeutet.  Ist  dieses  Folge  früherer  Redaction,  oder 
lassen  sich  obige  Bedenken  irgend  wie  genügend  lösen? 

Den  ersten  Platz  in  der  Auseinandersetzung  der  Zwixr\  <pvoig 
ausser  diesen  methodischen  Lehren,  welche  das  Verfahren  und  die 
Behandlung  im  Voraus  anzugeben  bestimmt  sind,  nehmen  die 
Bücher  tisqI  ipvxijg  ein,  diese  ipvxq  ist  das  allen  unentbehrliche 
Lebensprincip,  und  Aristoteles  giebt  uns  in  der  dieser  folgenden 
Abhandlung  negl  alö&ijoscog  xal  mG&rjrov  jeden  erwünschten  Aus- 
schluss. Er  will  von  den  £wa  und  Zcüvra  reden  und  hat  das  Ge- 
meinsame gefunden;  daher  ist  deren  Erkenntniss  so  wichtig,  cap.  1 
noög  (pioiv  noXXa  Gv/ußdAAstaf  ton  yccQ  olov  uqxV  ™v  £(P(J0J'>  darum 
macht  er  den  Anfang  mit  diesem  wichtigen  Lebensprincipe,  das  in 
allen  Abstufungen  sich  findet,  von  den  nur  durch  Nahrung  sich  fort- 
bringenden Wesen ,  dem  &Q£7tTix6v,  der  (fvxd,  bis  zu  den  Menschen, 
dem  §iavor\xixbv,  und  wir  dürfen  als  zuverlässig  annehmen,  dass 
keine  Schrift  vorausgegangen,  die  irgend  Beziehung  auf  die  £wa 
hatte;  die  ipvxq  aber  wird  an  und  für  sich,  xa&  avxrtv,  betrachtet  ; 
erst  von  hier  aus  wird  der  Uebergang  zur  Verbindung  mit  dem 
G(üu,cc  gemacht,  zu  den  lebenden  Geschöpfen,  ihren  Eigenschaften, 
worin  sie  alle  übereinstimmen,  und  worin  sie  von  einander  abwei- 
chen; alle  wichtige  Thätigkeiten ,  welche  der  yvxri  und  dem 
ocüjua  gemeinsam  sind,  werden  zuerst  hervorgehoben,  ehe  das  in- 
dividuell Unterscheidende  folgt;  er  geht  nach  seiner  Weise  auch 
hier  von  dem  Allgemeinen  aus,  um  zu  dem  Besondern  zu  gelangen, 
und  die  einzelneu  Arten  der  lebenden  Welt,  die  er  in  Zwa  und 
<pvxd  theilt,  und  deren  Physiologie  zu  lehren,  p.  436,  1; 

insl  Jfc  neol  ipvxqg  xctty  avxtjv  SuLoiGxai  xal  niol  xcov  dvvdjuscov 
txaOrtjg  xaxd  ju6qiov  avxijg,   ix°fxsvov  *Grl  noitJGaa&ai   xr\v    ini- 


165 

axsxpip  nsgl  rcvy  Zwiov  xal  rwv  ^coijy  i%6vt(ov,  tivsg  sialy 
idiai  xal  tCvsg  xotval  rtQa^sig  avt(vviS). 

Als  die  wichtigsten  gemeinsamen  Thätigkeiten  der  Seele  und 
des  Körpers  sind  ihm,  olov  ata&qoig  xal  fJ>v^/xri  i!ctl  ®&pos  xal  §m- 
&vjuta  xal  oXvog  OQtg'ig,  xal  ngog  rovtoig  rjdoviq  rs  xai  Xvnrj'  xal  yaQ 
ravra  a%£ddv  naoi  xolg  £cpoig.  Aber  nur  cuoSfjOig  und  /uvij/ui]  wer- 
den durchgenommen,  warum  fehlen  die  andern?  Nachstehende 
Eigenschaften  werden  als  allen  am  Leben  Theil  nehmenden  We- 
sen gemeinsam  hervorgehoben: 

sygijyoQtfig  xal  vnvog, 
vsorqg  xal  yiJQag, 
avanvot}  xal  sxnporj, 
twrj  xal  &ävaxog3 


1S)  Dass  auch  die  alten  Erklärer  des  Aristoteles  die  Sache  richtig  aufge- 
fasst  und  die  Bücher  neql  xpv%tjg  den  historischen  und  physiologi- 
schen vorausgesetzt  hatten,  sieht  man  aus  einer  Bemerkung  Alexanders 
ad  Arist.  de  sensu  cap.  1>  fol.  93  b.: 

eiqiqxwg  axoXovSelv  zoig  neql  xpv%ijg  elqijfxevoig  zrjv  neql  ze  ^cicov  xal 
ttjv  £wjjv  e%6vz(av  &eioqlav,  exäazov  de  zovzwv  dvvafiig  xai  eidog  rj 
xpv%r],  xal  öielwv  zbv  neql  zovtwv  Xoyov  eig  ze  zag  xoivccg  eveqyelag 
avzöJv  xal  eig  zag  lölag,  neql  z&v  xoivwv  nqwzov  iveqyeiäiv  iy  näv- 
zwv  zöjv  e(xxpv%o}v  rj  zöjv  ys  nXelgzutv  notrjoezai,  xal  fieza  zovzo  neql 
zojv  iöioiv  iveqyeiwv  exäazov  eXdovg  eqel  t,wa>v ,  nqwzov  neql  t,u>(av 
lazoqtjQag'  %qrjai^iog  yäq  rj  neql  tflnav  lozoqla  xal  dialqeoig  nqog  zag 
lölag  eveqyelag  exäazov  ze  el'öovg  t,(ätov  xal  zcov  fxoqlcov  avzüJv .  at 
yaQ  xoival  zcäv  e(J.vjv%(ov  eveqyeiai  ncog  avvänzovd'  ziu  xoivw  neql  %pv- 
Xtjg  Xoyia .  ziveg  de  eiaiv  avzai,  e^ijg  eqel  .  .  .  leyov  (xezcc  zavza  neql 
£,(orjg  ze  Saväzov ,  xal  vnvov  xal  iyqiyyoqoeiog,  xal  zijg  xa#'  vnvov 
fiavztxrjg  ei&  vazeqov  neql  "Qiäiav. 


166 

neol  c6f  \}€WQt]T€ov  xt  ts  exaGtov  ctvTwv  xal  dia  rlvag  alt  tag  Gv/uißaC- 
vu .  Zu  diesen  vier  Gv^vyCai  tritt  eine  fünfte,  jisqi  vyietag  xalvooov, 
zwar  eigentlich  der  Medicin  zugewiesen,  aber  in  ihren  allgemeinen 
Principien,  noojrai,  a^x^h  hei  dem  engen  Zusammenhange  beider 
Wissenschaften,  wo  die  Physik  bis  in  die  Medicin  hin  sich  er- 
streckt, diese  aber  aus  der  Physik  ihre  Grundsätze  holt,  auch  dem 
Physiker  unentbehrlich.  Diese  hat  sich  nicht  erhalten  und  schon 
Alexander  Aphrodisiensis  kennt  sie  nicht  I4),  sie  ist  verloren  ge- 
gangen ;  denn  dass  Aristoteles  sie  geschrieben  hat,  lehrt  die  wieder- 
holte Wichtigkeit,  die  er  ihr  beilegt,  de  longitudine  vitae  p.  464, 
b.  30  tisqi  fxip  ovv  vtipov  xal  iyQtjyÖQöswg  UQ^rcti  tiqotsqov,  neol  ds 
tcoijg  xal  S-avdrov  Äsxz£ov  vgtsqov,  6/uotojg  ds  xal  voaov  xai  vyi- 
siceg,  ogov  tnißaAhet,  rjj  (pvöixij  (piAoGocpta,  sie  ist  in  ihren 
Anfangsworten  noch  erhalten  am  Schlüsse  der  Abhandlung  tisqI  ava- 
nvoijg  p.  480,  b.  21  —  30,  es  waren  nach  dem  Obigen  zu  schliessen, 
nur  allgemeine  Andeutungen.  Eine  GvZ,vy(,a,  die  pioztjg  xal  yijoag 
ist  nur  dem  Namen  nach  erhalten,  es  wird  sogleich  auf  £a)i}  über- 
gegangen ,  (auch  tisqI  avanvof^g  ist  der  Abhandlung  nsol  £wijg  xal 
&avcitov  einverleibt,  vergl.  Anfang  und  p.  472,  16  —  19)  doch  tritt 
im  Verlaufe  obiger  xoival  nqä&ig  zwp  twwv  eine  neue  GvCvyia  ähn- 
lichen Inhaltes  auf,  neol  juaxQoßi6tt]zog  xal  ßQa%vßi6zqzoS. 


14)  Alexander  ad  Aristot.  de  sensu  fol.  94  : 

neql  (.tev  ovv  zcov  Idtcov  ov£,vyiü)v  wv  enqayfiazevaazo  rceql  avzötv, 
Xiyw  de  neql  eyqrjyöqoewg  xal  imvov ,  xal  veözrjzog  xal  yrjqcog,  xal 
avanvorfi,  xal  ^corjg  xal  &aväzov .  zd  de  neql  vyeiag  xal  voaov,  ei 
eyevezo,  ov  oto^ezai .  eozi  de  xal  zovztov  xotva  [.tev  navzwv  zvüv  ^caiov 
eqyrjyoqoig  xal  vnvog,  et  (.irj  nov  yevog  l%&va)v  eozc  zi  ayqvnvov  o 
tyzel  ev  zfj  Tteql  tiooiv  loioqia.  fj  de  veözrjg  xal  zb  ytjqccg  navziov 
zwv  zfjg  fafjg  f.ieze%6vziov  xoivä,  ov  zwv  ^oiwv  /növov  xal  ydq  ev  zo'ig 
(pvzolg  rj  ze  veöziqg  xal  zb  yrjqccg.  uioneq  ovv  xal  rj  £cdi)  xal  o  &dva- 
zog,  avanvor]  ze  xal  exnvorj  xoiva  zolg  nXeiozoig. 


167 

Zu  dem  was  allen  £«*«  gemeinsam  zukommt,  müsste  man  auch 
die  Abhandlungen  tisqI  Zwodp  xivrjaecog  und  jene  tisqI  £töcop  noQeiag 
rechnen,  wie  er  p.  645,  b.  33  sagt:  Xiyco  ^  itci&t]  xal  ngdgeig  y£vs- 
Oiv  ccvgtjGiv  6%Eiccv  iyQtjyoQOiv  vnvov  noqsCav  xccl  bnod  aXXct  roiavza 
rotg  £t6oig  vnaQxsi,  so  dass  sie  ihre  Stellung  hier  finden  sollten; 
da  aber  hierin  nicht  eine  gleichartige,  sondern  nach  dem  Zustande 
ihrer  Bildung  verschiedene  Thätigheit  stattfindet,  und  die  Eintheilung 
der  Thiere  wie  sie  die  Naturgeschichte  gibt,  voraussetzt,  so  wer- 
den sie  wohl  mit  Recht,  wie  die  Zeugung,  yfrt-oig,  zu  den  physio- 
logischen Büchern  gerechnet. 


Römische    Inschriften, 

mit  Bemerkungen 


von 


Professor  Jos,  von  Hefner. 


Mit  2  Tafeln  Abbildungen. 


Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ah.  d.  Wis».  V.  Bd.  II    Abtb.  22 


I. 

Ueber  die 
im  k.  Antiquarium  in  München  befindliche, 

sogenannte 

Tabula  h  o  n  e  s  t  a  e   missionis 

der  beiden  Kaiser  Philippus 

und  die  Einwürfe  gegen  ihre  Aechtheit, 

(Mit  einem  Facsimile  der  Tafel.) 

Von 

Professor  v.  Hefner. 


Mwie  Aechtheit  unserer  Tafel *),  welche  Herr  Hofrath  Tbiersch  2) 
in  neuerer  Zeit  edirte,  wurde  von  Bernhard  Stark  in  seinen  Bemer- 


')  Sie  wurde  in  der  Nähe  von  Mantua  ausgegraben,  im  J.  1724  von 
Agostino  Rudolfi  an  Ficorini  verkauft;  dann  von  dem  Bischöfe  von 
Passau,  Grafen  v.  Thun,  in  Rom  erworben,  nach  Passau  gebracht,  von 
wo  sie,  nach  Aufhebung  des  Stiftes  daselbst,   ins  k.  Antiquarium  kam. 

*)  Im  I.  Jahresbericht  der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 
1827  —  29  S.  24  Taf.  I.  Als  fernere  auf  die  Tafel  bezügliche  Lite- 
ratur ist  anzuführen:  Maffei  Galliae  antiquit.  Ver.  1734  p.  2-  Mus. 
Ver.  pag.  325.  Muratori  Thes.  T.  I.  p.  362,  1.  Taciti  opera,  recogn. 
Brotier,  T.  II,  p.  456.  Vernazza  dipl.  di  Adr.  spieg.  Murini  Frat, 
Arv.  T.  II,  p.  468  et  p.  488.  Cardinali  Diplomi  imper.  p.  XXXXVII 

22* 


172 

kungen  über  eine  in  dem  k.  Antiqnarium  in  München  befindliche 
Tabula  honestae  missionis  von  dem  Kaiser  Philippus3),  ferner  in 
seiner  Abfertigung4)  des  in  den  bayer.  Annalen  abgedruckten  Re- 
ferats und  endlich  in  seinem  Nachtrage  zu  den  Bemerkungen  5)  an- 
gestritten und  über  sie  das  harte  Urtheil  gefällt,  dass  sie  als  Mach- 
werk eines  Betrügers  neuerer  Zeit  forthin  aus  der  Zahl  der  ächten 
Tafeln  dieser  Gattung  ausscheiden  müsse. 

Für  die  hart  Angeschuldigte  trat  ein  Ungenannter  in  den  bayer. 
Annalen6),  und  in  neuester  Zeit  Herr  Custos  Föringer 7)  in  die 
Schranken.  Da  mir  die  Verwahrung  der  Tafel  anvertraut  ist,  so 
finde  ich  mich,  nachdem  durch  den  angeregten  Streit  sich  die  Augen 
der  Gelehrten  auf  sie  wendeten,  veranlasst,  ihre  Verteidigung  zu 
übernehmen.  Nachdem  ich  durch  triftige  Gründe  ihre  Aechtheit  er- 
wiesen, wird  sie  künftig  wieder  einen  ehrenvollen  Platz  unter  den 


et  287  —  290.  Labus  Mus.  di  Mant.  Vol.  IL  p.  145.  Spangenberg 
Tab.  jur.  rom.  Visi  Mem.  stör,  di  Mantov.  p.  41.  Eckhel  Doctr.  Vet. 
Num.  Vol.  VII.  p.  335.  Amelh  Militärdiplome  S.  8.  N.  38.  Mass. 
mann  Libell.  aurar.  p.  23.  (wo  jedoch  die  Literatur  unserer  Tafel 
mit  der  der  Neapolitaner  verwechselt  wird).  Haubold  Opuscula 
Academica.  Lips.  1829.  t.  II.  p.  895. 

*)  In  dem  Anhange  seiner  Abhandlung  über  einen  zum  Andenken  des 
Kaisers  Decius  und  seiner  beiden  Söbne  errichteten  und  in  dem  Stift 
Wüten  bei  Innsbruck  aufbewahrten  Meilenstein.     Augsburg  1832. 

*)  Seite  17  der  Palä'ogr.  .Bemerkungen  über  einen  bei  Zirl  in  Tyrol 
aufgefundenen,  zum  Andenken  des  Kaisers  Decius  und  seiner  beiden 
Söhne  errichteten  Meilenstein.      Landshut  1840. 

s)  Ebendaselbst  p.  55- 

•)  Jahrgang  1833  N.  67  S.  475. 

7)  Gelehrte  Anzeigen.     München,  1844.     N.  35. 


173 

Ueberresten  des  Alterthums  in    der   Sammlang   des  k.   Antiquarinms 
einnehmen. 

Die  Inschrift  der  Tafel  lautet  so: 

Vorderseite: 

IMP     CAES     M     IVLIVS     PHILIPPVS     P1VS 
FEL  AVG  PONT  MAX  TR  POT  V  COS  IIIPPPROC 
IMP  CAES  M  IVLIVS  PHILIPPVS  PIVS  FEL  AVG 
PONT  MAX  TRIB  POT  H  COS  II  P  P 
5)  NOMIiXA  MILITVM  QVI  MILITAVER  IN  CO 

HORTIBVS  PRAETOR    PHILIPPIANIS  DECEM 

i  ii  m  im  v  vi  vii  viii  vmi-  x  piis  vindicibvs 

QVI   PH    ET    FORTITER   MILITIA     FVNCTI     SVNT 
IVS  TRIBVIMVS    CONVBII   DVMTAXAT  CVM 
10)  SINGVLIS      ET     PRIMIS     VXORIBVS      VT     ETIAM 
SI      PEREGRINI     IVRIS     FEMINAS     IN     MA 
TRIMONIO    SVO     IVNXER     PROINDE     LIBE 
ROS     TOLLANT     AC     SI     EX    DVOBVS     CIVIBVS 
ROM  ANIS     NATOS    AD     VII    ID    IAN 
15)  IMP    M    IVLIO    PHILIPPO   PIO     FEL-    AVG    III    ET 
IMP    M    IVLIO     PHILIPPO     PIO    FEL    AVG  II  C-  S 
COH     VIII      PR      PHILIPPIAN      P      V- 
M     B  R  A  E  T  I  0     M     F-     I  V  S  T  I  N  0- 
SABATIN   MANTVA- 
20)  DESCRIPT  ET  RECOGNIT  EX  TABVLA  AEN  QVE  FIX 
EST    ROM    IM  MVR    POSTEMPLVM    DIVI  AVG  AD 
MINERVAM 


171 


Rückseite : 

CVI 

PRAEST 
BASSVS 

s 

N 
LAVDIC 

SI 

LAVDIC    L 
BESSO 

GINO 

ALABAND 

PANN 

L 

ONI 

PHILADEL 

C 

0 

ALABAND 
NICOM 

C 

Imperator  Caesar  Marcus  Julius  Philippus  Pius,  FeMa;,  Au- 
gustus,  Powtifex  maximus,  tvibunitiae  potestatis  quintum,  Consul  ter- 
tium,  paler  patriae,  Proconsnl  et  Imperator  Caesar  Marcus  Julius 
Philippus  Pius,  FeUx,  Augustus,  Pontifex  maximus,  tribunitiae  po- 
testatis secundum,  Consul  secundum,  pater  patriae.  Nomina  mili- 
tum,  qui  militaveraw£  in  cohortibus  praetom?  Philippianis  decem  I. 
II.  III.  IV.  V.  VI.  VII.  VIII.  Villi.  X  Piis  Vindicibus,  qui  pii  et 
fortiter  militia  functi  sunt,  jus  tribuimus  connubii,  dumtaxat  cum  sin- 
gulis  et  primis  uxoribus,  ut  etiam  si  peregrini  juris  feminas  in  matri- 
monio  suo  jimxerint,  proinde  liberos  tollant,  ac  si  ex  duobus  civibus 
Romanis  natos ;  ante  diem  VII  Idus  Jamiarias  Imperatore  Marco 
Julio  Philippo,  Pio,  Felice,  Augusto  tertium  et  Imperatore  Marco 
Julio  Philippo,  Pio,  FeMce,  Awgusto  secundum  consulibu.%.  Cohor.9 
VIII  praetor ia  Philippian«,  Pia,  V index.  Marco  Braetio,  Marci 
{Mo,  Justino,  Sabatin«  (tribu),  Mantua  (nato).  Descriptww  et  re- 
cognitwm  ex  tabula  aenea,  quae  fix«  est  Romae  in  muro  post  tem- 
plum  divi  Augusfi  ad  Minervam. 


175 

Cui  praeest  Bassus.  N.  Laudiceä  L  . . .  Besso  .  .  .  gino  Ala- 
bandä  . . .  Pannoniä  . . .  o»i  Philadelphia  co  . .  Alabandä  . . .  Nico- 
mediä. 

Die  Gründe  für  die  Unächtheit  unserer  Tafel  suchte  Stark  aus 

inneren  und  äusseren  Kriterien  zu  erweisen.    Wir  wollen  nun  seine 

Einwürfe  nach  der  Reihenfolge  der  Zeilen  zu  widerlegen  ver- 
suchen. 

1.  Zeile.     IMP    CAES-  M-  IVL1VS  PHILIPPVS  PIVS  FEL- 

Nach  diesen  Worten  vermisst  Stark  (Bemerk.  S.  63.)  den  Titel 
INYTCTVS,  der  auf  früheren  Meilensteinen  dieses  Kaisers  zu  lesen 
sey.  Hierauf  antworten  wir:  Es  ist  in  der  Epigraphik  etwas  Be- 
kanntes, dass  nicht  alle  Denkmäler  die  Titel,  die  ein  Kaiser  zur 
Zeit  ihrer  Errichtung  führte,  vollständig  enthalten;  so  fehlt  dieses 
lnvictus  auch  auf  der   Toletanischen8)   Inschrift. 

%  Zeile.  PROO  Das  Wort  Proconsnl  gilt  Stark  (1.  c.)  als 
neuer  Beweis  der  Fälschung,  „da  bekanntlich  dieser  Titel  nur  dann 
römischen  Kaisern  beigelegt  worden  sey,  wenn  sie  sich  in  den 
Provinzen  aufhielten  oder  in  den  Krieg  zogen,  doch  sey  vom  Kai- 
ser Philippos  nicht  erweislich,  dass  er  im  J.  248  von  Rom  sich 
entfernt  habe.  Was  von  Denksteinen  gelte,  das  gelte  auch  von 
Tafeln  aus  Erz". 

Der  Titel  Proconsnl,  erwiedern  wir,  war  nicht,  wie  Stark 
glaubt,  zu  den  Kaiserzeiten,  wie  zu  Zeiten  der  Republik  au  die- 
selben Bedingungen  gebunden;  sondern  dieser  Titel  war  von  Augu- 
stus  an  von  dem  Senate  den  Kaisern  ertheilt,  wodurch  diese  gleich- 


B)  Orelli  Coli.  Vol.  I.  No.  980. 


170 

sain  die  Gewalt  über  alle  Proconsuln  der  kaiserlichen  Provinzen  er- 
hielten, und  so  zu  sagen  zu  Gener alproconsnln  ernannt  wurden. 

Zeile  4.  TRIB-  POT  II-  Während  unsere  Tafel  bei  dem 
Sohne  des  Philippus  das  zweite  Regierungsjahr  oder  Tribunat  in 
Verbindung  mit  dem  fünften  seines  Vaters  angiebt,  kommt  sie  mit 
der  bei  Neapel  gefundenen  Tafel9)  von  diesem  Kaiserpaare  in 
chronologischen  Widerspruch,  da  diese  das  vierte  Tribunat  des 
Vaters  und  das  gleiche  des  Sohnes  verzeichnet.  Bei  dem  Mangel 
an  verlässigeu  Geschichtsquellen  über  das  Leben  der  beiden  Phi- 
lippus muss  bis  zur  Auffindung  solcher  die  Frage,  welche  der  bei- 
den Tafeln  die  richtige  Angabe  enthalte,  unerörtert  bleiben,  und  es 
darf,  selbst  wenn  die  Neapolitaner  das  Tribunat  des  Sohnes  richtig 
bestimmte,  über  unsere  Tafel  der  Stab  noch  nicht  gebrochen  wer- 
den, da  durch  ein  Versehen  des  Kupferstechers  an  die  Stelle  des 
IUI  Tribunats  das  II  gesetzt  werden  konnte. 

5.  Zeile.  NOMINA  MILITVM  QVI  MILITAVER.  Einen 
Hauptbeweis  für  die  Unächtheit  unserer  Tafel  nimmt  Stark  (1.  c.) 
von  dieser  Stelle  her.  Der  Mangel  der  Namen  der  Prätorianer 
reicht  ihm  schon  hin ,  das  Verdammungsurtheil  auszusprechen. 
Hätte  sich  Stark  nur  einigermassen  mit  dem  Texte  der  für  die  Prä- 
torianer ausgefertigten  Diplome  bekannt  gemacht,  so  würde  er  ge- 
funden haben,  dass  diese  Formel  eine  von  jenen  ist,  wodurch  sich 
diese  Diplome  von  den  die  übrigen  Truppen  betreffenden  Tabulis 
honestae  missionis  charakterisch  unterscheiden.  Diese  Formel  findet 
sich  auf  den  unbestritten  ächten  Tafeln  des  M.  Aurelius10)  und   L. 


•)   Marini,  Frat.  Arv.  P.  II:  p.  467.      Haubold,   Vol.  II.   p.  893. 
">)   Cardinali  p.  XXX XI. 


177 

Veras  v.J.  151,  des  Sept.  Severus  und  Caracalla1  *)  v.J.  208,  von 
Gordianus  III 12)  v.  Jahre  243  und  dem  Maxiininianischen  Fragmente. 
Diese  Stelle  nun,  die  Stark  für  sich  allein  schon  gewichtig  genug 
hielt,  die  Unächtheit  zu  erweisen,  gibt  ihr  gerade  das  Gepräge 
der  Aechtheit. 

8.  Zeile.  QVI  PH.  Dass  hier  das  Adjectiv  statt  des  Adverbs 
steht,  hält  Stark  für  einen  Kunstgriff  des  Fälschers,  um  seinen  Be- 
trug zu  verbergen.  Es  ist  jedoch  hier  offenbar  die  Sache  auf  keine 
Täuschung  angelegt,  sondern  scheint  entweder  ein  Uebersehen  des 
Kupferstechers,  wovon  wir  vorher  schon  einen  Fall  erwähnt  haben, 
oder  eine  Eigenheit  in  dem  damaligen  Sprachgebrauche  zu  seyn. 
Uebrigeus  ist  die  Formel :  qui  pie  et  fortiter  militia  functi  sunt,  wie- 
der eine  von  denen,  die  nur  auf  den  Diplomen  der  Prätorianer  vor- 
kommen. Diese  erhielten  nicht,  wie  die  übrigen  Truppengattungen, 
denen  Tabulae  ausgefertigt  wurden,  die  Entlassung  aus  dem  Kriegs- 
dienste und  das  Bürgerrecht,  denn  diess  besassen  sie  schon  als 
Leibwache  des  Kaisers,  sondern  das  Jus  Connubii  und  zwar  mit 
der  bemerkenswerthen  Beschränkung 


'» 


DVMTAXAT  CVM 
SINGVLIS  ET  PRIMIS  VXORIBVS. 

Der  Beisatz  primis-  ist  für  die  Erklärung  des  oft  missverstan- 
denen singulis,  in  welchem  die  Neapolitanischen  Akademiker  13)  ein 
Verbot  gegen   die   Polygamie   zu   erkennen    glaubten,   sehr    wichtig. 


»»)  Hmibold  p.  890. 

4I)  Cardinali  p.  XXXXV.    XXXXVU. 

13)  Antiquitates  Herculan.    T.  V.  Praef.  p.  XXVII,  not.  46  und  p.  XXXV 
not.  78. 
Abhdlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wis».  V.  Bd.  II.  Abtkl.  23 


178 

Haubold14)  bemerkt  hierüber:  Tabula  connubitini  indulget  niilitibus 
dtuntaxat  cum  sinyulis  et  primis  uxoribas,  manifesto  indicio,  id,  quod 
missionis  auxilio  consequuti  sunt  milites,  non  promiscue  ad  quod  vis 
etiam  secundum  vel  ulteriiis  conjuyium  pertiuere,  sed  semel  taiitum 
prodesse,  ita  ut,  si  visuni  sit  militibns,  soluto  priori  inatriinouio  ad 
secundas  nuptias  transire,  aut  civem  Romanam  ducere  debeant,  ant 
intelligere,  iteratas  nuptias  justas  non  futuras. 

10—12.  Zeile.  VT  ETIAM 

SI  PEREGRINI  IVRIS  FEMINAS  IN  MA 
TRIMONIO  SVO  IVNXER. 

Beide  Ausdrücke  sind  eine  Eigentümlichkeit  der  prätoriauischeu 
Tafeln  und  finden  durch  Ulpians  Worte  1S)  ihre  Bestätigung:  Comin- 
bium,  sagt  er,  habebaut  cives  Romani  cum  civibus  Romanis,  cum 
Latinis  autem  et  pereyrinis ,  si  concessum  esset.  Stark  hat  den 
Ausdruck  in  matrimonio  suo  statt  des  gewöhnlichen  matrimonio  sibi 
anstössig  gefunden  5  allein  auch  diese  Sprechweise  ist  Eigentüm- 
lichkeit  der  prätorianischen  Tafeln. 

17.  —  19.  Zeile. 

COH   VIII-  PR-  PHILIPPIAN-  P-  V 
M-  BRAETIO  M   F    IVSTINO 
SABATIN  MANTVA 

„Die  17  —  20.  Zeile",  bemerkt  Stark  (Abfert.  p.  59  Not. 
51),    „passen    nichts    weniger   als   ganz   genau   auf  einen   einzelnen 


,4)   Opuscula  Acad.  Vol.   II.  p.  850. 
,5)  Fragm.  Tit.  V,  $  4. 


179 

Veteranen,  indem  die  in  der  17.  Zeile  enthaltenen  abgekürzten 
Worte  COH-  VIII-  PR-  PHILIPPIAN-  P  V  weder  mit  dem  vorher- 
gehenden, noch  mit  dem  nachfolgenden  Satze  in  Verbindung  gebracht 
werden  können.  Der  Ref.  hat  sich  daher  keinen  geringen  Irrthum 
zu  Schulden  kommen  lassen,  da  er  die  angeführten  Worte  auf  den 
Brätius  anwendete,  nicht  wissend,  dass  die  Benennung  einer  Legion 
oder  Cohorte,  bei  welcher  der  Entlassene  gedient  hat,  niemals 
vor,  sondern  allezeit  nach  dem  Namen  desselben  gesetzt  wurde". 

Hätte  Stark  die  Diction  der  prätorianischen  Tafeln  berücksich- 
tigt, so  würde  er  in  allen  dieselbe  Sprechweise  gefunden  haben, 
die  zwar  eine  Abweichung  von  dem  epigraphischen  Style,  doch 
dem  Geiste  der  lateinischen  Sprache  keineswegs  entgegen  ist. 
Die  Worte  COH  VIII  PR  PHILIPPLAN-  P  V-  stehen  unabhängig 
von  dem  folgenden  M-  BRAETIO  etc.,  als  Hinweis  auf  die  Origi- 
naltafel. 

.  Einen  argen  Missgriff  machte  Stark  jedoch  hierin,  dass  er  bei 
der  Erklärung  nicht  zugeben  wollte,  dass  Brätius  derjenige  sey, 
für  den  die  Tafel  gefertigt  wurde,  sondern  zu  der  grammatischen 
Figur  Antiptosis  seine  Zuflucht  nahm,  wornach  der  im  Dativ  ste- 
hende Name  Braetio  in  den  Ablativ,  vor  dem  die  Präposition  a, 
weggeblieben  sey,  verwandelt  und  der  Prätorianer  zum  Notar  oder 
Siegler,  der  die  Specialurkunde  mit  dem  Originale  in  Rom  verglich, 
gemacht  wird.  Eine  widersinnige  Behauptung,  worin  Stark  leider 
Vorgänger  hat! 

18.  und  19.  Zeile.  M-  BRAETIO  M  F  SABATIN-  1VTAN- 
TVA.  „Ein  starker  Verdacht,  schreibt  Stark  (Bern.  p.  64),  gegen 
die  Aechtheit  der  Tafel  ergibt  sich  aus  dem  Namen  und  der  Zunft 
des  Brätius;  denn  bei  Mainz  wurde  1731  ein  Grabstein  entdeckt 
mit  M.  Braetius  M.  F.,  Stellatina  tribu  Taurinus.  In  dieser  Grab- 
schrift liest  man  den  Namen  eines  Brätiers,    der  zur  Stellatinischen 

23* 


180 

Zunft  gehörte,  und  von  Turin  gebürtig  war.  Dagegen  versetzt  die 
Philippische  Inschrift  den  M.  Brätius  in  die  Sabatinische  Zunft 
und  dessen  Geburtsort  nach  Mantua.  Beide  stammten  jedoch  von 
der  Familie  der  Brätier  ab,  welche  keine  der  ansehnlichsten 
war.  Da  nun  Niemand  aus  einer  Zunft  in  die  andere  ohne  beson- 
dere Erlaubniss  treten  durfte,  so  könnte  man  die  Vermulhung  gelten 
lassen,  dass  dem  Brätius  diese  Vergünstigung  geworden  sey.  Doch 
bleibt,  wenn  wir  auch  dieses  zugeben,  der  gegründete  Zweifel:  Ob 
zu  den  Zeiten  des  Kaisers  Philippus  die  Benennung  einer  Zunft  in 
den  öffentlichen  Aufschriften  noch  gebräuchlich  war,  da  Zaccaria 
bemerkt,  dass  nach  Sept.  Severus  die  Zünfte  in  den  Steininschriften 
äusserst  selten  mehr,  vorkommen". 

Anlangend  diesen  Einwurf,  so  überzeugt  uns  ein  Blick  in  die 
Geschichte  und  auf  die  übriggebliebenen  Denkmäler,  dass  er  ganz 
unrichtig  ist.  Als  zu  den  Zeiten  Caracalla's  eine  Eutwerthung  des 
Bürgerrechts  eintrat,  die  unter  den  folgenden  Kaisern  sich  immer 
mehr  steigerte,  so  brachte  diess  in  die  Bezeichnung  der  Tribus  eine 
grosse  Verwirrung  hervor.  Es  ist  bekannt  * 6),  dass  die  Freigelas- 
senen einer  der  4  städtischen  Tribus  (Subusana  oder  Sucusana,  Pa- 
latina,  Esqnilina  und  Collina)  zugewiesen  wurden;  aber  es  ist 
ungewiss,  wie  es  sich  in  dieser  Hinsicht  mit  den  Söhnen  der  Frei- 
gelassenen verhielt,  ob  sie  in  die  Tribus  der  Stadt,  wo  sie  geboren 
waren,  eingetragen  wurden,  oder,  wie  ihre  Väter,  in  die  Stadt- 
tribus;  wahrscheinlich  jedoch  ist  es,  dass  wenigstens  die  Söhne  der 
Allecti,  d.  h.  solcher  Leute,  die,  obgleich  aus  andern  Städten  stam- 
mend und  also  meistens  zu  einer  andern  Tribus  gehörend,  doch 
wenn  sie  zu  Decurioneri  oder  andern   Ehrenstellen  erwählt  wurden, 


'*)  Man  vergl.   hierüber  Grotefend:  Die  Rom.    Tribus  etc.;   in  der    Zeit- 
schrift für  die  Altei  thumswissenschaft  III.  Jahrg.  p.   917. 


181 

jn  die  Tribus  ihres  Wohnorts  übergingen.  Hiezu  ist  die  Inschrift 
bei  Gruter  (p.  416,  8)  zu  vergleichen,  wo  der  Sohn  des  Freige- 
lassenen Q.  Colius  Nicomedes,  0.  Colitis,  in  der  Colonia  Julia  Fa- 
nestris  geboren,  in  der  Pollischen  Tribus  eingeschrieben  ist.  Auf 
einer  Inschrift  bei  Maffei  (Mus.  Ver.  p.  309)  sind  T.  Scutrius  Sa- 
biniauus  und  L.  Septimius  Hyginus,  Freigelassene,  aus  Rom  gebür- 
tig, der  Tribus  Fabia  zugetheilt,  während  sie  als  Römer  und  Frei- 
gelassene   einer    der  Stadttribus  einverleibt  seyn  sollten. 

Die  Ansicht  Stark's,  dass  die  verschiedenen  Familien  eines 
Geschlechts  zu  derselben  Tribus  gehört  haben,  ist  eine  irrige  und 
wird  durch  die  Inschriften  vieler  Denkmäler  widerlegt,  wofür  ver- 
glichen werden  mögen:  Gens  Aelia:  Gruter  p.  516,  7.  Fabretti  p. 
213,  536.  Murat.  T.  IV.  p.  2040.  GensCassia:  Grut.  p.  536,  5.82,  10 
Murat.  T.  IL  p.  804,  4.  Gens  Cornelia:  Grut.  p.  36,  15.  538,  4.  Gens 
Naevia.  Gruter  p.  554,  8.  Maffei  Mus.  Ver.  p.  171.  p.  451,  1. 
Gens  Julia:  Grut.  p.  423,  1.  424,  7.     Reines  Synt.  p.  8. 

Der  schlagendste  Beweis  aber  gegen  Stark  ist,  dass  sich  bei 
Muratori17)  ein  ihm  unbekannt  gebliebenes  Denkmal  findet,  worauf 
ein  Brätius  aus  Verona,  der  in  der  Publilischen  Zunft  verzeichnet 
ist,  sich  findet:  L-  BRAETIVS  L  F  PVBL-  VERON  besagt 
die  Inschrift. 

lieber  das  Vorkommen  der  Tribus  in  späterer  Zeit  (bis  zum 
J.  262  n.  Ch.)  vergl.  man:  Henzen,  Tabula  alim.   Baebianor.  p.  55. 

Die  Rückseite  unserer  Tafel  ist  sehr  merkwürdig;  denn  sie 
machte  wahrscheinlich  einst  eiueu  Bestandteil  eines  jener  militäri- 


i7)  Tom.  II,  p.  799,   No.  7. 


182 

sehen  Original- Diplome  aus,  die  in  Rom  angeheftet  waren.  Von 
den  auf  einer  solchen  Originaltafel  in  mehren  Reihen  (colnmnae  oder 
paginae)  senkrecht  unter  einander  geschriebenen  Soldatennamen 
(nomina  subscripta)  sind  noch  auf  der  Rückseite  unserer  Tafel  Aus- 
gänge von  Bei-  oder  Familiennamen,  zur  Rechten  Siglä  von  Prae- 
nominen  und  in  der  Mitte  8  Heimathbezeichnungen  erhalten,  die,  wie 
der  Name  BESSO  zeigt,  im  Dativ  stehen.  Stark,  der  über  den 
Inhalt  einer  solchen  Originaltafel  keinen  deutlichen  Begriff  hatte, 
vermengt  diese  8  Namen  mit  den  gewöhnlich  in  der  Zahl  7  und 
mit  der  Genitivendung  vorkommenden  Namen  der  Zeugen  und  sucht 
hierin  einen  Grund  zur  Verdächtigung  der  Tafel.  Eine  Widerlegung 
wäre  nnnöthig. 

Somit  ist  die  Tafel  rücksichtlich  der  ihr  gemachten  Vorwürfe, 
dass  sie,  nach  inneren  Kriterien  beurtheilt,  sich  als  die  Arbeit  eines 
Betrügers  erweise,  hinlänglich  gerechtfertigt.  Es  übrigt  nun  noch 
von  den  äusseren  Kriterien  zu  sprechen. 

Aeussere  Kriterien. 

„Noch  verdächtiger  als  der  Inhalt,  sagt  Stark  (Bemerk.  S.  65. 
X.),  erscheint  uns: 

1)  Die  Schrift;  sie  trägt  nicht  das  Gepräge  der  Zeit,  nämlich 
die  schlecht  geformten  und  verbundenen  Buchstaben,  wie  sie  der  im 
Jahre  250,  also  nur  3  Jahre  früher  errichtete  Meilenstein  des  De- 
cius  hat." 

Hierauf  ist  zu  entgegnen:  Eine  Schrift,  gefertigt  mit  dem  Grab- 
stichel, ist  nicht  dieselbe,  wie  die  mit  dem  Meissel,  und  eben  so 
wenig  sind  die  Schriftzüge  der  in  Rom  gearbeiteten  Denkmäler 
immer  dieselben,  wie  die  der  Provinzen.     Nicht  unbemerkt  darf  es 


183 

bleiben,  dass  die  Verschlechterung  der  Schrift  im  Verlaufe  der  Zeit 
bei  den  Tabalis  honestae  missiones  nicht  wie  bei  den  Steinschriften 
sichtbar  ist,  sondern,  dass  spätere  Tabulae  regelmässiger e  Formen 
der  Buchstaben  zeigen,  als  frühere  und  dass  bei  ihnen  die  Ligatur 
der  Schriftzeichen  nicht  vorkommt,  wie  die  Fac  similia,  besonders 
in  Arneth's  Militär- Diplomen,  deutlich  darthun.  Nehmen  wir  bei 
unserer  Tafel  auch  auf  das  Technische  Rücksicht,  so  dürfte  die 
sichere  Führung  des  Grabstichels,  wodurch  die  Buchstaben  durch- 
aus gleiche  antike  Form  erhielten,  jeden  Gedanken  der  Fälschung 
zurückweisen. 

2)  Die  Orthographie  ist  Stark  nicht  weniger  als  die  Schrift 
verdächtig.  Er  stösst  sich  an  der  Schreibart  POSTEMPLVM  und 
IM  MVRO  (Bemerk.  S.  66,  67.)-  Was  das  erstere  Wort  anbelangt, 
so  ist  jedem  Paläographen  wohl  bekannt,  dass  es  bei  Inschriften 
nichts  seltenes  ist,  dass  von  2  auf  einander  folgenden  gleichen  Buch- 
staben nur  einer  gesetzt  wird  z.  B.  IVENTVS  für  IVVENTVS, 
CVIVS  für  CVI  IVS;  wo  dann  die  beiden  getrennten  Wörter,  wie 
bei  der  Krasis,  in  eines  zusammengezogen  wurden:  CVIVS, 
POSTEMPLVM. 

In  Bezug  auf  die  Schreibart  IM  MVRO,  so  erklärt  sich  diese 
nach  griechischer  Sprachweise,  indem  die  Liquida  N  in  die  nach- 
folgende M  überging,  so  bei  Gruter18)  IMPERPETVVM  statt  IN 
PERPETVVM;  bei  Cardinali*  9)  PANN.  IMF.  für  PANN.  INF. 

Die  auf  beiden  Seiten  der  Tafel  gleich  gefärbte  und  grossen- 
theils  in  der  Vertiefung  der  Buchstaben  noch  haftende  Aerugo  nobi- 


,8)  pag.  108S  No.  4. 

*•)  Iscrizioni  antiche  inedite  Bologna  1819.     p.   59.   N.  369- 


184 

lis  —  leider  wurde  die  Tafel  auf  der  Vorderseite,  um  die  Schrift 
lesbar  zu  machen,  etwas  gescheuert  —  zeigt,  dass  der  Rost  kein 
künstlicher,  aus  der  neuesten  Zeit  herrührender  sey. 

Die  Tafel  ist  demnach,  wie  erwiesen  worden,  ein  nach  inneren 
und  äusseren  Kriterien  als  acht  anerkanntes,  vorzügliches  Stück  des 
Alterthums  und  eine  wahre  Zierde  des  k.  Antiquariums. 


IL 

Das  römische  Denkmal  in  Prutting. 

(Mit  einer  Abbildung.) 


V  I  C  T  0  R  I  A  E       AVGVSTAE 

...RVMPRO      SALVTEM 

..IN     MAXIMINI        ET       C 

.     .STANTINIETLICINI 

.     .     .    PER    AVGG     AVR-     SENECIO 

D  V  X-        TEMPLVM        NVMINI 

.    IVS  EX  VoTo   A    NoVo    FIERI  IVSSIT 

PER     INSTANTIAM     V  A  L      SAM 

BARRAE     P-     P-    EQQ      DALM     AQ 

V  E  S  I  A  N  I  S     C  0  M  I  T     L-     L-     M 

OB     VICTORIA     FACTA     V-      K-     IVLIAS 

ANDRONICO  ET  PROBO  COS. 

Victoriae  Augustae  sacrmn.  Pro  salutem  PrmcipumMaxianm  et 
Cowstantini  et  Licinit  (Liciniani)  semper  Augustorum,  Aurelius  Se- 


185 

uecio  dux,  templum  numini  ejus  ex  voto  a  novo  fieri  jossit  per  in— 
stantiam  YaAerii  Saum  Barrae,  yraeipositi  equitum  D&hnatarum  et 
Aquilii  Vesianis  (Vesiani  sui  ?)  conüÜ.s  lubens,  laetus,  merifo  ob 
victoria  facta;  quinto  Kalendas  Iulias  Andronico  et  Probo  consulihus- 

Geschichte  des  Denkmals.  Die  Auffindung  des  Denkmals  ge- 
schah am  27sten  April  1848,  als  man  die  Pfarrkirche  in  Pruttiny 
Landgerichts  Rosenheim,  erweiterte.  Bei  Abbrechung  der  linken 
Kirchenmauer  und  des  ihr  zunächst  befindlichen  Altars  fand  sich  in 
demselben  das  Denkmal  eingefügt  vor.  Der  dermalige  Ortspfarrer 
Herr  Franz  Seraphim  Mayr  Hess  nach  der  Auffindung  dasselbe  vor- 
läufig in  der  Kirche,  dem  Taufstein  gegenüber,  aufstellen. 

Form,  Grösse,  Material  des  Denkmals.  Es  bildet  eine  Ära 
aus  röthlich-weissem  Marmor,  ist  5'  5"  hoch,  3' 2"  breit.  Die  beiden 
Nebenseiten  sind  mit  Trophäen  geschmückt,  die  aus  einem  Helme 
mit  einem  Hörnchen  und  einem  menschlichen  Ohre  darunter,  einem 
Panzer,  aus  Schilden,    Speeren,  einem  Köcher  und  Bogen  bestehen. 

PRO  SALVTEM,  so,  und  nicht  pro  salute,  muss  man  lesen; 
denn  das  M  steht  nicht  vereinzelt  oder  mit  einem  Punkte  versehen; 
auch  passt  es  nicht  als  Sigla  zu  dem  Worte  Principis.  Die  ver- 
fehlte Construction  der  Präposition  pro  ist  auf  Rechnung  der  späten 
Zeit  zu  schreiben  und  findet  sich  noch  auf  5  andern  Denkmälern 
bei  Gruter:  PRO  SALVTEM  SVAM  (p.  4  N.  12)  und  PRO  SA- 
LVTEM IMP  (p.  46,  N.  9),  bei  Maffei  (Mus.  Veron.  p.  254,  1.) 
PRO  SALVTEM  ET  VICTORIAS  und  bei  Marini  (Fiat.  Arvali 
p.  425  Not.)  RRO  SALVTEM  PVFIORVM 

OB  VICTORIA  FACTA.  Ein  zweiter  Beweis,  wie  sehr 
zur  Zeit  der  Errichtung  unseres  Denkmals  die  Sprachrichtigkeit 
vernachlässigt  wurde. 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.   Wiss    V.  Bd.    II.    Abth.  24 


ISO 

Beispiele  mit  ungewöhnlichem  Casus  construirter  Präpositionen, 
finden  sich'  in  Scaliger's  gramm.  Register  zu  Gruter  und  bei  Marini 
I.  c.  gesammelt.  - 

PRIN-  MAXIMINI  ET  CONSTANTINI  ET  LICINI 

ANDRONICO  ET  PROBO  COS.  Fragt  man  sich  um  das  Jahr 
der  Errichtung  dieses  für  das  Wohl  der  Kaiser  Maximin,  Coustan- 
tin  und  Licinius  gewidmeten  Denkmals,  so  lässt  sich  dasselbe,  ob- 
wohl das  Consulat  des  Andronicus  und  Probus  angegeben  ist,  den- 
noch nur,  weil  jene  Consuln  nicht  in  den  Fasten  aufgeführt  sind, 
aus  Schlüssen  ermitteln. 

Zu  diesem  Zwecke  ist  es  nun  nöthig,  einen  Ueberblick  der 
Begebenheiten  während  der  vom  Jahre  306  —  314  das  röm.  Reich 
beherrschenden  Regenten  zu  geben. 

Rom  hatte  im  J.  306  sechs  Regenten:  Galerius,  Sever,  Con- 
stantin,  Maximin,  Maxentius  und  Maximian.  Im  J.  307  wurde  Sever 
auf  Maximians  Befehl  hingerichtet.  Au  seine  Stelle  ernannte  Gale- 
rius den  C.  Val.  Licinius  zum  Augustus,  welchen  Titel  auch  Ma- 
ximin annahm.  Maximum  fand  im  J.  309  auf  Constantins  Befehl 
seinen  Tod.  Galerius  starb  311  natürlichen  Todes.  So  blieben  für 
das  J.  312  noch  Constantin,  Licinius,  Maximin  und  Maxentius. 
Am  28.  Oct.  dieses  Jahres  kam  Maxentius  bei  der  Milvischen 
Brücke  um.  Im  Kriege  zwischen  Maximin  und  Licin  ward  ersterer 
im  J.  313  bei  Adrianopel  geschlagen  und  entleibte  sich  selbst.  Es 
blieben  nun  noch  Constantin  und  Licin.  Im  J.  314  wurde  nach 
Hinrichtung  Licins  Constantin  Alleinherrscher  des  gesammten  Römer- 
reiches. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  das  Gesagte,  so  kann  das  am 
29.  Juni  errichtete  Denkmal  nur  auf  das  Jahr  312   gesetzt  werden. 


187 

Es  ist  auffallend,  dass,  gegen  die  sonstige  Gewohnheit,  den  Namen 
des  besiegten  Volkes  zu  nennen,  man  diesen  auf  dein  Denkmal  ver- 
misst,  und  es  dürfte  daher  die  Vermuthung  Platz  greifen,  der  Sieg 
sey  gegen  die  Anhänger  des  Maxentius  erfochten  worden  und  man 
habe,  aus  Schonung  für  die  besiegte  Partei,  den  Namen  der  Be- 
siegten verschwiegen,  besonders  da  Maxentius  noch  am  Leben  war. 

Die  Angabe  der  Namen  der  beiden  Consuln  Andronicus  sind 
Probus  ist   eine   wichtige   Bereicherung   der  Fasten. 

EQO.  DALM.  Der  dalmatischen  Reiter  gedenkt  eine  Inschrift 
von  Thyatira  (bei  Peyssonel  Observations  hist.  et  geogr.  sur  les 
peuples  barbares.  Paris  1765  p.  285)  mit  den  Worten:  VAL.  IV- 
VENTVS  EXARCVS  1 1  QVI  MILITAVIT  ANNOS  XX  IN  VE- 
XILLATIONEM  1 1  EQQ.  DALM.  COMIT.  ANCIALITANA.  etc. 

DVX COMIT.     Dux  und  Comes  war  die  Benennung  für 

Befehlshaber,  die  unter  der  höhern  Aufsicht  der  Magistri  miütum 
standen.     Der  Dux  stand  unter  dem  Comes  *). 

AQ.  VESIANIS.  Die  Stelle  macht  einige  Schwierigkeit  in 
der  Erklärung.  In  welcher  Verbindung  stehen  die  beiden  Namen 
mit  den  vorhergehenden?  Der  Zusammenhang  verlangt  ein  ET,  das 
auch  bei  den  Kaisernamen  steht.  Ungewöhnlich  ist  die  Genitiv- 
form Vesianis;  liesst  man  Vesiaui  sui  comitis,  so  muss  man  anneh- 
men, dass  der  Comes  unter  dem  Praefectus  equitum  steht,  wo  dann 
Praefectus  die  Stelle  von  Magister  equitum  vertreten  würde. 


')    Codex   Theodosianus,   de  divid.   officiis    Lib.    XI.    8.    7.    Vergl.    Savigny 
Gesch.  d.  Rom.   Rechts   1.   Bd.   2te  Ausg.   S.  98.  99. 

24* 


188 

Werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  die  Basrelief«  mit  den  Tro- 
phäen, so  erscheint  unter  diesen  der  Helm  mit  dem  Hörnchen  und 
dem  menschlichen  Ohre  unter  demselben  als  das  Interessanteste. 
Was  Salmasius 2)  vermuthet,  dass  der  Cornicularius,  ein  Rotten- 
führer oder  Gefreiter,  als  eigenes  Abzeichen  ein  Hörnchen  am  Helme 
getragen  habe,  das  bestätigt  sich  factisch  durch  die  trefflich  erhal- 
tene Abbildung  unsers  Helmes. 


III. 

Römische  inschriftliche  Denkmäler  aus  Algerien.  *J 

A.  Denkmäler  zur   Verehrung  der  Götter. 

I.  Denkmal. 

Setif. 

PLVTONI  ET 
CERERI  SAC 
Q-  N   MARINVS 
VOTVM  SOL 
VIT  LIBENS 

Plutoui  et    Cereri    sacrwm.    Qnintus  Numerius   Marinus   votum 
solvit  libens. 


2)  Plin.  Exercitt.  p.  547. 

*)  Die  hier  mitgetheilten  röm.  Inschriften  copirte  Herr  Dr.  Lorent  auf 
seiner  Reise  durch  Algerien  nach  den  Originalen  und  theilte  sie  Herrn 
Lyzealprofessor  Rappenegger  in  Mannheim  mit,  durch  dessen  Gefällig- 
keit sie  mir  zur  Herausgabe  überlassen  wurden. 


189 

Grösse  des  Denkmals.  Die  Höhe  beträgt  0,89  Centimeter,  die 
Breite  0,50.  Das  oberhalb  der  Schrift  sich  befindliche  Basrelief  zeigt 
die  Brustbilder  des  Pluto  und  der  Ceres. 

II.  Denkmal. 

Diana. 

MERCVRIO 
AVG   SACRVM 
M   AVRELIVS  M-  FIL- 
PAP-  AEMILIANVS  Q- 
AEDIL   IIVIRV  STATVAM 
QVAM  OB  HONOREM  II 
VIRATVS  EX  HS-  V   MIL-  N- 
POLICITVS  EST  POSVIT 
INLATIS  REIP   LEGITIMIS 
HONO R VM  SVORVM 
SUMMIS  ET  ANT  FORIS  TRA 
•  •  •  CVRAV-  IDEM  DEDICAVIT 

Mercurio  Augusto  sacrum.  Marcus  Aurelius,  Marci  ülius,  Pa- 
piria,  Aemilianus,  Quaestor,  Ae&ilis,  Duumvir  vialis,  statu  am,  quam 
ob  honorem  Duumviratus  ex  sestertiis  quinquies  mille  numero  (quin- 
que  mWlibus  nummüm)  pollicitus  est,  posuit,  inlatis  reipublicae  legi- 
timis  honorum  suorum  summis  et  ante  (templi)  fores  transportandam 
curavit,  idem  dedicavit. 

Grösse  des  Denkmals:  Höhe  i.  Met.  2  Ctm.,  Breite  0,77. 

II  VTRV.  Es  bleibt  zweifelhaft,  ob  diese  Siglen  zu  erklären 
sind:  Duumvir   vialis   oder  Duumvir   quintum  oder    Duumvirorum 


190 

(unus),  wie  man  auf  dem  Seeoner-Denkmale1)  II  VIRVM  liest,  wo- 
zu Gellius2)  die  Erläuterung  mit  den  Worten  gibt:  Cujus  pater  fla- 
men,  aut  augur,  aut  (piindecimvirüm  sacris  faciundis,  aut  qui  septew- 
rinim  epulonum,  aut  Salius  est. 

STATVAM.  Statua  für  Signum,  Götterbild,  kommt  auf  Denk- 
mälern Algeriens  öfter  vor;  so  werden  dem  Neptun,  dem  Herkules 
und  dem  Apollo  Statuen  errichtet.3) 

QVAM  OB   HONOREM  IIVIRATVS  EX  HS    V   MIL   N 

POLICITVS  EST.  Die  Widmung  von  Bildsäulen  für  Götter  und 
Menschen,  die  Errichtung  von  Gebäuden,  die  Anordnung  von  Spie- 
len und  Mahlzeiten,  von  Stiftungen  u.  dgl.,  finden  sich  auf  Denk- 
mälern häufig  als  Beweis  des  Dankes  für  erlangte  Aemter  und  Ehren 
erwähnt.  So  weiht  auf  algerischen  Inschriften  ein  Q.  Nicanius  Ho- 
noratus  OB  HONOREM  IIVIRI  dem~ Neptun  eine  Statue;*)  eine 
solche  L.  Petronius  Januarius  OB  HONOREM  AEDilitatis  dem 
Antoninus  Piuss);  ebenso  dem  Apollo6')  ein  Decius  Fundanius 
Primanns  OB  HONOREM  AEDILITATIS.  Eine  Zusammenstellung 
solcher  Widmungen  findet  man  in  demjiegister  zu  Gruter  in  Capite 
quintodecimo. 

EX  HS-  V-  MIL-   N-   Ex   entspricht  unserm   Ausdrucke:   für 


')   Hefner,  die  römischen  Denkmäler  Oberbayerns  (im  Oberbayer.   Archive 
VI.  B.  2  H.)  S.  250. 

!)  Noctes  Atticae.  Edit.  Bipont.    1784.  Vol.   I.   c.   12.  p.   62. 

')  Journal  des  Savants  1837.  Dec    p.  711  —   12.    Schaw    Travels  of  Bar- 

bary.  Edinburgh  1808.  Vol.  I.  p.   196.  IV. 
«)  Journ.   1837  p.   711.  N.  32. 
*)  Denkmal.    XVII. 
•)  Schaw  p.   198.  IV.   Orelli  Coli.  Inscr.   Vol.  1.  P.  446.  N.  '2548. 


191 

die  Summe.  Der  Kostenbetrag  ist  auf  Algeriscben  Inschriften  häufig 
angegeben,  so  auf  Denkmal  VII.  XIII.  XVII.  XXI.  und  auf  Denk- 
mälern von  Bone  und  Ghelma.7) 

INLATIS  REIP  LEGITIMIS  HONORVM  SVORVM  SVM- 
MIS.  Die  legitimae  bonorum  summae,  deren  auch  auf  Denkmal  XVII. 
gedacht  wird,  sind  eine  dem  Staate  für  die  Anstellung  als  Duumvir 
zu  entrichtender  Betrag,  worüber  das  oberwähnte  Denkmal  zu  ver- 
gleichen ist.  Auf  einer  Inschrift  von  Ghelma8),  sowie  auf  einer  von 
Mesherga9)  heisst  dieser  in  die  Gemeinde-Kasse  zu  leistende  Betrag 
HONORARIA  SVMMA. 

ET    ANT    FORIS     Die  Abschrift  gibt    AT  FORIS  TRA  II 
RACVBX. 

III.  Denkmal. 
Setif. 

DIANAE 

AVG.  MAV 

RORVM  SAC 

L   MAMILIVS 

CASTVS  L   AE 

MILIVS  H  VIRI 

DEDICAVE 

RVNT 

Dianae  Augustae  Manrorum  sacrwm.  Lucius  Mamilius  Castus 
et  hucius  Aemilius  Duumviri  dedicavernnt. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  0,67,  Breite  0,52. 


T)  Journ.  1837.  p.  711.  N.  31.  32.  u.  P.  712.  N.  33. 
•)  Journ.   1837  p.  712.  N.  33. 
8  )  Schaw  p.    196,   IV. 


192 

DIANAE  AVG.  MAVRORVM.  Die  Substantive  Genitivform 
des  Beinamens  einer  Gottheit  ist  selten;  gewöhnlich  steht  das  Ad- 
jectiv ;  doch  finden  davon  sich  Beispiele,  so  liest  man  auf  einer  In- 
schrift von  Silchester*)  DEO  HERCVLI  SEGONTIACORVM. 

L    MAMILIVS.  M.  Letronne-)  gab  MAXIMILIVS.     Da  sich 

das  plebeische,  aus  Tuskulum  stammende,  weit  verbreitete  Geschlecht 
der  Mamilier ,  auch  auf  andern  Inschriften,  zum  z.  B.  auf  einem 
röm.3)  und  florent.4)  Denkmale  findet,  so  trug  ich  kein  Bedenken,  die 

Lorentsche  Lesart  beizubehalten. 

* 

IV.  Denkmal. 

Setif 

MARTI 

VICTORI 

AVG    SAG 

M   VLPIVS  M 

F-  PAP-  ANDRO 

NICVS  Q-  AED 

II  VIR-  FLAM 

II  VIR  Q-  Q-  PE 

CVNIA  SVA 

Marti  Victori  Augusto  s&crum.  Marcus'  Ulpius,  Marei  filius, 
Papz'n«,  Andronicus,  Quaestor,  Aedilis,  Duumvir,  Flamen,  Duumvir 
quinquennalis  pecunia  sua  posuit. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  1,55,  Breite  0,58. 


')   Orelli.  Coli.   Inscr.  Vol.   I.  p.  354,  N.  2013 

2)  Journ.  1847.  Dec.  p.  735. 

3)  Jahn,   Specimen  epigraphicum.  Kilae.  1841.  p.  34,  N.  73.  et  p.  39,  N.  53. 
*)  Gori  Inscript.  antiq.  P.   III.  p.  37,  N.   53.  et  p.   129.  N.    139. 


193 

V.   Denkmal. 

Lambesa. 

AESCVLAPIO  ET  SALVTI 
IMP  CAES  M  AVRELIVS  ANTONINVSAVG  PONT  MAX  ET 
IMP-    CAESAR    L     AVRELIVS    VERVS    AVGVSTVS 

Aesculapio  et  Saluti  Imperator  Caesar  Marcus  Aurelius  An- 
toniuus  Augusfus,  Poutifex  maximus  et  Imperator  Caesar  hucius 
Aurelius  Verus  Augustus. 

Die  Inschrift  befindet  sich  an  dem  Friese  eines  Tempels  in 
Lambesa,  dessen  Beschreibung  und  Abbildung  die  Revue  archeologi- 
que*J  gibt. 

VI.  Denkmal. 

Diana. 

IANO  PATRI  AVG    SAC 

M.  AVRELIVS  FELIX 

VOTVM   SOLVIT   ANIMO 

S    P    P     D     DEDICAVIT 

Jauo  Patri  Avgusto  sacrum.  Marcus  Aurelius  Felix  votnm  sol- 
vit  aninio.  saa  pecunia  posait,  dedit,  dedicavit. 

Grösse    des  Denkmals.  Höhe  0,47,  Breite  0,60. 

IANO  PATRI.  Pater  ist  der  beständige  Beiname  des  Janus. 
In  Bezug  hierauf  schreibt  Aur.  Victor1):  In  sacris  omnibus  primum 
locum  Jano  detulerunt,   usque  eo,   ut   etiam,    cum  aliis  Diis  sacrifi- 


*)    4te  Annee.    Livraison  7.   Octobre  p    452. 

')   Origo  gentis  Romanae.  Edit.   Bipont.    1789.  c.  3,  p.  6. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.    V.  Bd.  II.  Abthl  25 


15)1 


cimn   fit,    dato   ture   in    altaria,   Jamtn  prior  nominetar,    cognomento 
quoque  addito  Pater,  secundum  quod  uoster    cognomento  sie   intulit: 

Hane  Janus  Pater,  hanc  Saturnus  condidit  arcem. 

Mit  dem  Beinamen  Pater  finden   wir  Janus    auf   einem   Denk- 
male in  Rom2)  und  einem  in  Albano.3) 

VOTVM  SOLVIT  ANIMO.  Die  Weiheformel  mit  Animus,  wie 
T(otus)  A(nimo)  auf  einer  Speyrer  Inschrift4),  ohne  libens,  ist  sehr 
selten,  doch  mit  demselben  findet  sie  sich  mehrmals  vollständig  ge- 
schrieben und  in  Sigleu  als :  ANIMO  LIBENS  VOTVM  SOLVIT5)  - 
VOTVM  SVSCEPTVM  ANIMO  LIBENS  POSVIT.6)  —  A-  L 
V-S-  —  V-  A  L  S-  —  A  L  P-7)  Auf  den  nachfolgenden  Denk- 
mälern IX.  und  XI.  —  V-  S-  L    A- 

VII.  Denkmal. 

Setif. 

SATVRNO 
L   IVLIVS  PETVS  SAOERDOS 

Saturno  Lucius  Julius  Petus  sacerdos. 

Das  Basrelief  des  Denkmals,  dessen  Höhe  0,82,  dessen  Breite 


*)  Marini  Frat.  Arv.  P.   I.  p.  CXLIV.  v.  25.  et  P.   II.  p.    365.  XXIII. 

5)  Gorii  Symbol.    Dec.  II.  Vol.  9.  p.  229.  Orelli,    Vol.  I.  p.  306.   N.   1583. 

*)  Lehne,    die  röm.     Alterthümer  des  Donnerberges.     Mainz   1837.     I.  Thl. 
S.  248. 

')  Gruler   p.  87.  N.   10.  et  p.  88.  N.  4.  cf.  p.  5,  N.  2.  ;  p.  17,  N.  8. 

•)  Gruter  p.  87.  N.   11. 

'■)  Gruler  p.  88.  N.  5,  6,  7. 


195 

0,52  beträgt,  zeigt  Mann   und    Frau,  die  eine   Libanon    darbringen. 
Unterhalb  ruht  das  Opferthier. 

VIII.  Denkmal. 

Setif. 

VICTORIAE 
AVGVSTORVM  SAC 
DEDICANTE 
D     FONTEIO     FRONTI 
NIANO  LEG    AVGVST- 
PRPREXHS.  ..MIL  N 
ITQ     M    COSSINI    SE 
CVNDI FIL  P-  P  EX  HS- 
Uli  M  N    L-  SVTORIVS 


Victoriae  Augustorum  sacrutn,  dedicante  Decimo  Fontejo  Fron- 
tiniano,  Leg/stfo  Augustorum  Pvo\>raetore  ex  sestertiis  .  .  .  onMibus 
nummüm,  itemque  Marco  Cossinio,  Secundi  fih'o,  Praeposito?  ex 
sestertiis    quatuor   millibus  immmwn,  Lucius  Sutorius  .  .  . 

AVGVSTORVM.  Die  Augusti  sind  wahrscheinlich  Sever  und 
Caracalla. 

D.  FONTEIO  FRONTINIANO.  Diesem  Legaten  an  der  Stelle 
des  Prätor  weiht  Sextus  Terentius  das  Denkmal  XXX. 


25* 


196 

IX.  Denkmal. 

Se'tif. 

VICTORIAE  AVG 

SAC 
M-  LONGEIVS  M 
FIL   PAP   SILVA 

NVS   V   S-  LA 

Victoriae  Augustae  sacrum.  Marcus  Longeius,  Marci  ti\ius,  Pa- 
ptWa,  Silvanus  xotmn  solvit  Mbens  animo. 

Grösse  des  Denkmals:  Höhe  1,52,   Breite  0,49. 

VICTORIAE  AVG.  Victoriae  Augustae  oder  August»;  denn, 
um  Augustorum  zu  lesen,  müsste  regelmässig  die  Sigla  AVGG. 
stehen. 

X.  Denkmal. 

i 

Se'tif. 

VIKTVTI 
AVG 
M    VLPIVS 
M    FIL     PAP 
AVITVS     Q 
AEDILH  VIR 
OB  H  0  NO 
RESSVOSPO 

SVIT  D  D 

Virtuti  Augustae  Marcus  Ulpius,  Marci  fAius,  Papiria,  Avitus,  Quae- 
sfor,    Aedilis,  Duumvir  ob  honores  suos  posoit  decreto  Decurionum. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  1,55,  Breite  0,58- 


197 

XI.  Denkinai. 

Setif. 

EX  PRECEPTO 

DEAE  SANCTAE 

CAELESTIS 

MERCVR 

AVG    S- 

C.     IYLIOS 

V    8   L-  A- 
A   P  CXCVI 

Ex  praecepto  Deae  Sanctae  caelestis.  Mercui  «o  Auguste  sacrum. 
Caius  Julios  \otum  solvit  \ibens  Animo.  Anno  Provinciae  centesimo 
nonagesimo  sexto. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  0,98,  Breite  0,50. 

EX  PRECEPTO.  Die  Errichtung  des  Denkmals  ist  Dicht  so- 
wohl Folge  eines  Gelübdes,  als  eines  Auftrages  oder  einer  Mah- 
nung der  Gottheit  vermittelst  einer  Erscheinung;  daher  bei  Denk- 
mälern dieser  Art  mit  den  Ausdrücken:  ex  praecepto1},  ex  imperio2}, 
ex  jussu3),  ex  monitu*),  ex  visus),  gewöhnlich  die  Weihungsformel 


■)  Gruter  p.  21-  N.  3.;  p.  38.  N.   10. 

*)  Gruter  p.  64.  N.  9.;  p.  91.  N.  2.  Lersch  Centralmuseum.  Bonn,  1839.  I. 
Heft  N.  19."  21.  24.  25.  27.  28.  de  Wal  Mythologiae  septentrionalis  Mo- 
numenta  epigraphica.  Trajecti  ad  Rhenum.   1847.  p.   50.    LXVHI. 

s)  Gruter  p.  12.  N.  5. ;  p.  16,  N.  12.;  p.  38.  N.  2.;  p.  40.  N.  6.;  p.  57.  N.  4. 
p.   129.  N.   14.  de   Wal  p.  10,  N.XIV.p.  1 13.  N.  CL.  Lersch  III.  H.N.  197 

*)  Maffei  Mus.  Veron.  p.  294.  N.  1. 

5  )  Gruter?. 2.  N.  4.    de  Wal  p.  243,  N.  CCCXXXVI.  p.  244.,  N.  CCCXXXVH. 


198 

fehlt,  (die  bei  unserer  Inschrift  auf  Mercur  sich  zu  beziehen  scheint) 
und  nur  ein  Paar  sie  enthalten.6) 

DEAE  SANCTAE  CAELESTIS.  Die  Himmels göttin  ist  die 
Astarte,  über  deren  Kultus  man  Münters7)  Religion  der  Karthager 
vergleichen  mag. 

A*  P*  CXCVl.  Anno  Pwvinciae  dentesimo  nonagesimo  sexto. 
Die  Siglae  A-  P-  wofür  auf  Inschriften  Numidiens  und  Mauretaniens 
auch  AN-  PRO;  ANNO  PROV  ;  oder  PRO VICIE  vorkommt,  wei- 
sen, worauf  bereits  Shaw8)  aufmerksam  machte,  und  worin  Hase. 
Dureau  de  la  Malle9),  Prevost10),  Letronne11),  Orelli12)  übereinstim- 
men, auf  eine  Provincial-Aera  Mauretaniens  hin,  deren  Beginn  Shaw. 
Hase,  de  la  Malle  und  Prevost  auf  das  Jahr  32  oder  33  v.  Chr. ; 
Letronne  auf  das  Jahr  42  n.  Chr.,  Orelli  auf  das  Jahr  46  v.  Chr. 
setzen. 

Fragen  wir  nun  um  die  auf  jene  P.rovinzial-Aera  bezüglichen  hi- 
storischen Data,   so  sind  es  folgende: 

Im    J.  46.  v.  Chr.   wird  Numidien  von  Jul.  Caesar  besiegt  und 


fi)  Gruter  p.  32,  5.  Lersch  I.  H.  N.  20.  II.  H.  N;.  29. 

7)  S.  62.  der  2.  Ausg.  Koppenhagen    1821. 

")  Travels    p.  95- 

9)  Journ.   des  Sav.   1837  Nov.  p.   649. 

10)  Revue  archeologique   1848.  Janvier  p.  662. 

")  Journ.   des  Sav.   1847.  Dec.  p.   727. 

'*)  Coli.  Insc.  Vol.   I.  p.   144.  N.  529- 


199 

zum  erstenmale  unter  dem  Namen  Neuafrika  zur  römischen  Provinz 
gemacht.13) 

Im  J.  26.  v.  Chr.  überweist  Augustus  bei  der  Theiluug  der  rö- 
mischen Provinzen  zwischen  ihm  und  dem  Senate  die  Provinz  Nu  mi- 
dien dem  Letzteren.  * 4 ) 

Im  J.  41  n.  Chr.  wird  Ptolemaeus,  Juba's  Sohn,  Mauretaniens 
letzter  König,  durch  Caligula  ermordet,  und  nach  Beendigung  des 
sich  darüber  entsponnenen  Krieges ,  dieses  Land  dem  römischen 
Reiche  einverleibt.  In  diese  Zeit  setzt  Plinius15)  die  Einteilung 
Mauretaniens  in  zwei  Provinzen,  in  das  Tingitanische  und  Vaesa- 
rische Mauretanien.  Es  ist  jedoch  wahrscheinlich,  dass  diese  Ein- 
teilung —  wozu  der  Grund  durch  die  Vergrösserung  Mauretaniens 
gegen  Osten,  indem  schon  nach  dem  Friedensschluss  mit  Bochus  die- 
sem das  Numidifeche,  vom  Flusse  Molochat  bis  zum  Vorgebirge  Tre- 
ton  reichende  Gebiet  der  Massäsylier16)  zugetheilt  wurde,  gelegt 
war  —  von  Caligula  nur  eingeleitet,  nicht  aber  in  Ausführung  ge- 
bracht wurde. 

Im  J.  42  n.  Chr.  ging,  wie  Dio17)  berichtet,  diese  Eintheilung 
nun  wirklich  vor  sich  und  es  wurden  die  beiden  Mauretanien,  wie 
sie  Tacitus18)  nennt,  oder  das  Tingitanische  und  Caesarische  als 
römische  Provinzen  organisirt. 


13)  Dio  Cassius  Lib.   XLIII.  c.  9.  Hirtius ,     de    hello    Afric    c.  97.    A/tpiu- 
nus,  bell,  civil.  Lib.  VI,  c.  53.  Plinius,  Hist.  Nat.  Lib.  V,   c.  3- 

'*)  Dio  Lib.  LIII.  c.  12. 

,s)  Plinius  Hist.   Nat.  Lib.  V,   c.    1. 

»•)  Strato,  Lib.  XVII,  3,  25. 

,7)  Lib.  LX,   c.  9- 

!»)  Hist.  Lib.  II.  c.  53. 


200 

Nehmen  wir  nun  das  J.  42.  n.  Chr.  als  den  Beginn  unserer 
Aera  an,  so  wurde  unser  Denkmal  im  J.  154  n.  Chr.  errichtet. 

XH.  Denkmal. 
Batnah. 

GENIO     LAMBAESES 

PRO  SALVTE 
IMPP   CAESS   L  SEPTIMI 
SE  VERI  PERTINA  CIS-  AVG 
ET  M  AVRELI  ANTONINI 
AVG  FELIC  PAR  BR  GER-  MX 
AVG  ET  IVLIAE  AVG  MA 
TRI   AVG    N   ETCASTROR 
DEDICANTE  0  ANICIO  FAVSTO 
LEG  AVGG  PR  PR  COS  DES 

L    BALBIVS  FAVSTA 
NVS  SIG  LEG  AI  AVG  P  V 
L-   BALBI  FELIC1S  VET    EX 
SIGNIFERO    FILIVS 

VOTVM    SOLVIT 

Genio  Lambaeses  pro  salute  Imneratorum  Caesarum,  Lucii 
Septinm  Severi,  Pertinacis,  Augnsti  et  Ward  AurehV  Antonini  Au- 
gusfi,  Felicis,  Vavfhici,  Bvitannici,  Germanici  maximi  Aagusti  et  Juliae 
August  ae ,  Matri  Augnsti  nostri  et  Castron/w?.  Dedicante  Quinto 
Anicio  Fausto,  Legato  Augustorum,  Vvo^raetore,  Consulari  desig- 
nato,  Ltucius  Balbius  Faustanus,  Signifer  Legionis  tertiae  Augustae 
Piae,  Vindicis,  Ltucii  Balbi  Felicis,  Veterani  Exsignifero  filius  vo- 
tuin  solvit. 

GENIO  LAMBAESES.  Die  Verehrung  des  Genius  der  Stadt 
Lambäsa  wird  noch  durch  ein  anderes  von  Herrn  Dr.  Lorent  da- 
selbst copirtes  Denkmal,  da»  so  lautet,   beurkundet: 


201 

....  AVG-  COSS 
MINERVAE  ET  GENIO  LÄMBAE 
SITANORVM  ANNO  ET  MENSIBVS 
M-  AVRELIO  COMININ  CASSIAN*  muni- 
C1PII  -  - 

LAMBAESES  ist  entweder  Geuitivendung  von  Lambaese  des  Iti- 
nerar's1)  oder  eineadjeetivische,  die  Einwohner  bezeichnende  Form,  wie 
LAMBAESENTIVM  auf  einem  Denkmale  von  Lambesa  bei  Shaw.2) 

MATRI  AVG-  N-  Der  Ausdruck:  Matri  Augusti  nostri  be- 
zeichnet die  Inschrift,  da  nur  mehr  von  einem  Sohne  die  Rede  ist, 
als  eine  nach  Ermordung  Gelds  (occis.  212  p.  Chr.)  errichtete,  wo- 
hin auch  Caracalla's  Titel  Germanicns,  den  dieser  erst  im  J.  213 
annahm,  hinweist. 

Q    ANICIO  FAVSTO  LEG    AVGG    PR    PR   COS    DES- 

Unser    Quintus   Anicius  Faust us  weihte   bereits  im  J.  201.  gleich- 
falls unter  Sever  und  Caracalla,    ein    Denkmal3)   wo   er,   wie    auf 


')  Edit  Wesselingi  p.   40. 

2)  Travels   127. 

3)  Die  Inschrift  desselben  findet  sich  in:  Narrative  of  Havels  in  Northern 
Africa  by  Lyon.  Lond.  1821  p.  18.  und  lautet  nach  Verbesserung  der 
dort  vorkommenden  epigraphischen   Verstösse: 

IMP-  CA  ES-  L-  SEPTIMIO  SEVERO 
PIO  PERTINA  CI  AVG-  TR-  POT    VHII 
IMP-  COS-    II    ET  IMP-  CAES-  M* 
AVRELIO  ANTONINO  TR-  POT- 
HR    ET  L-  SEPTIMIO  GETAE  NOR-  CAES- 
DEDICANTE 
Qj  ANICIO  FAVSTO  LEG 
AVGVSTORVM    CONSVLARI 
.  .  .  LEG-  III-  AVG-  P-   V 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k  Ak.  d.  Wiss    V.  Bd.  II.  Abthl.  26 


202 

Denkmal  XIII.  Consularis  heisst ,   zu   welchem  Titel    die    darauffol- 
gende Lücke  von  3  Buchstaben  die  Sigla  DES  vermuthen  lässt. 

Einem  COS  DESIGNATO  ist  auch  das  Denkmal  XXX.  gewid- 
met.  Somit  erklären  sich  die  Siglae  COS*  DES-  unsers  Denkmals  mit 
CONSVLARI  DESIGNATO.  üeber  diese  Consularen  vergleiche 
man  Denkmal  XXVII. 

LEG.  HI.  AVG.  P.  V.  Die  Legio  III  Augusfa  wurde  von 
August us  errichtet,  und  war  die  einzige,  die  in  Afrika  sfationirte; 
denn  die  IX.  Legion,  die  zum  Gätulischen  Kriege  im  J.  21  (773. 
n.  R.E.)nach  Afrika  gezogen  war4),  verliess  dasselbe,  nach  Ueber- 
windung  Tacfarinas,  bereits  im  J.  25  wieder.  Unter  Augustus  und 
Tiberius5)  wurde  sie  von  einem  Proconsul  befehligt.  Im  Kriege 
gegen  Tacfarinas6)  erwarben  sich  mehre  ihrer  Anführer  Triumph- 
insignien  und  Bildsäulen.  In  ihr  dienten  Gutta"1)  und  Clodius  Macer 
als  Legaten.  Nach  Ermordung  des  Letztern  erklärte  sie  sich  für 
Vitellius,  dessen  Verwandter  Valerius  Festus  sie  damals  befehligte.8) 
Sie  baute  unter  Hadrian9)die  Strasse  von  Karthago  nach  Theveste. 
Zu  den  Zeiten  des  Alexander  Severus10)  lag  sie  in  Numidien,  wo 
sie  ihr  Standquartier  in  Lambaesa  hatte,  wohin  das  dem  Namen  dieser 
Stadt  auf  der  Ptolemaeischen  Karte1  *)  beigefügte  jfeystwp  TQiTTjosßaozrj 


*)  Tacilus,  Annal.   Lib.  III..  c.  9. 

5)  Tacit.  Hist.  Lib.  IV.  c.  48. 

•)  Tacit.  Annal.  L.  II,  c.  52.  III,  74.  Dio  CassiusL,.  LV,  c.  28. 

7 )  Tacit.  Hist.  IV,  c.  48,   49.  Suetonius,  Vita  Galbae  c.   7. 

8)  Tacit.  Hist.  L,  II,  c.  97;  IV,  c.   49.  Sueton.  Vitel.  c.  5.  Vcspas.   c.  4. 

9)  Shaw  p.   172.  Donati  II.   p.  214,  7.  Orelli  Vol.  II.  p.  122.  N.  3564.  Re- 
vue arch.    1845.  (Mars)  p.  824. 

10 )  Dio  Cassius  L.  LV.  c.  23. 

")  Edit.  Nobbe.    III,   29.  Cf.  Ed.  Amstcl.   1730  Tab.  II.  D.  b. 


203 

deutet,  wie  auch  die  dort  entdeckten  Inschriften  und  Ziegelein- 
drücke12), welche  letztere  immer  auf  längeren  Aufenthalt  eines 
römischen  Heeres  weisen.  Für  längern  Aufenthalt  dieser  Legion  in 
Numidieu  sprechen  auch  die  in  den  Städten  Sitifis,  Calama  und 
Theveste  entdeckten  Denkmäler,  die  ihren  Namen  enthalten.  Dass 
die  III.  Legion  noch  unter  Maximin1  z)  in  Afrika  bestand,  zeigt  ein 
Denkmal,  auf  dem  sie  die  Maximinische  heisst.  Die  Reichsnotizen14) 
führen  sie  unter  dem  Comes  von  Afrika  mit  dem  Namen  Tertio  Augu~ 
stani  an,  und  sie  ist  wahrscheinlich  jene  Legion,  die  Claudian15), 
da  er  von  dem  Siege  des  Stilicho  über  Gildo  spricht,  dictaque  ab 
August o  legio  nennt. 

Auf  Denkmälern  findet  sich  unsere  Legion  mit  der  Benennung 
LEG-  III-  AVG  —  LEG-  HI-  AVG  Pia  Vindex  — LEG  III-  AVG- 
Pia  Fidelis.  —  LEG  HI-  AVG-  SEVERIANA-  —  LEG-  IIT 
AVG-  P-  V- MAXIMINIANA. 

Anlangend  diese  Beinamen,  so  ist  Augusta  der  älteste.  Wir 
finden  ihn  ohne  einen  weitereu  auf  Inschriften  aus  den  Zeiten  des 
Augustus16),    Tiberius  und  Drusus17),    Trajans  und    HadriansiS), 


'»)  Revue  arch.  4e  Annee   1847  (Octobre)  p.  453. 

13)  Journal  des  Savants  1847  Oct.  p.  622.   Dec.  p.  736  Cf.  Kellermann,  Vi- 
gilura  Rom.   Latercula.  Romae   1835.  p.  73,  N.  295. 

14 )  Edit.  Panciroli.  Genevae.   1623.  Imp.  Occid.  p.  46. 

15 )  Rellum  Gildonicum,   v.  422. 
>«)  Gruter  p.   1026,   N.  3. 

1T)  Gruter  p.  491,  N.   10. 

48 )  Gruter^  p.  396,  N.  8;  p.  498,  N.  5.  Mural.  T.  I.  p.  236,  N.  4.  T.  II. 
p.707,N.  2.  Marini  Fiat.  Arr.  P.  II.  p.  771.  774.  Orelli  Vol.  I.  p.271,N. 
1271;  p.  484,  N.  2760.  Vol.  II.  p.  88,  N.  3382.  Kellermann  Vigil.  p.  38 
N.  46;  p.  67.  N.  247.  Journ.  des  Sav.  1847.  Oct.  p.  624. 

26* 


201 

Caracallas19),  Diocletians20),  ja  sogar  auf  einer  Inschrift  aus  Ma- 
ximins2i)  Zeit,  wenn  Kellersmanns  Conjectur  richtig  ist.  Ein  Denk- 
mal des  Sever  gibt  ihu  in  Verbindung  mit  Severiana.22) 

Die  Beinamen  Pia  Vinäex  gehören  einer  spätem  Zeit  an.  Sie 
finden  sich  zuerst  auf  Denkmälern  aus  den  Zeiten  des  Sever.  Von 
zwei  Inschriften  aus  den  Zeiten  des  Maximin  nennt  die  eine23) 
unsere  Legion:  LEG-  III-  AVG  P-  F-,  die  andere:2*)  LEG-  III 
AVG  P   V   MAXIMINIANA. 

Von  der  dritten  Augustischen  Legion  finden  wir  auf  Denk- 
mälern erwähnt:  Tribuni26),  Legati2®),  Legati  Propraetore27),  Cen- 


19 )  Gruter  p.  345,  N.  8. 

*u)  Donat.  p.  43,  N.  11.  Class.  I. 

21 )  Kellennann  Vig.  p.  73,  N.  295. 

22 )  Denkmal  XXIV. 

23 )  Shaw  Travels  p.   128. 

■«)  Journ.  des  Sav.  1847  Oct.  p.  622  et  Dec.  p.  736. 

25 )  Gmter  p.  345,  N.  8;  p.  396,  N.  8;  p.  375,  N.  5;  p.  415,  N.  8;  p.  491. 
N.  10;  p.  543,  N.  l.Muratori  T.  1.  P.  236,  4.  T.  II.  P.  707,  N.  2.  Spon. 
Miscel.  p.  189,  2.  Gudius  p.  136-  5.  Gori  Inscr.  P.  II.  p.  293,  N.  17. 
Orelli  Vol.  I.  p.  484,  N.  2760.  Kellermann  Vig.  p.  69,  N.  256.  Cardi- 
nali Dipl.  p.  299,  N.  582. 

26 )  Gruter  p.  498,  N.  5.  Mural.  P.  II.  p.  691,  N.  7.  Marita  Frat.  Arv.  P. 
II.  p.  748. 

27 )  Journ.  des  Sav.  1847  Oct.   p.  624. 


205 

turiones28),   einen  Praefectm2 9) ,   Primipilm* °) ,   und  einen  üfeVe.? 
frumentarius.3  * ) 

XIII.  Denkmal. 

Batnah. 

GENIO  LEG-  El   AVG   P   V- 
PRO  SALVTE 

IMPP    CAESS-  L    SEPTIM 
SEVERI   PH   PERTINACIS 
AVG    ET   M   AVRELI   AN 
TONINI    AVG   FELICIS 
PAR   BRIT    GER-  MX-  AVG 
ET  IVLIAE  AVGVSTAE 
MATRIS    AVGVSTI   N- 
ET  CASTROR    DEDICAN- 
Q    ANICIO  FAVSTO   LEG- 
AVGG    PR-  PR-  COS    DES 
AFRANIVS  PATVS 
SIGNIFER 
EX   HS   III   MIL   N   DE  SVO 
POS  VIT 


«")  Murini  P.  II.  p.  564    Orelli  Vol.  II.  p.  425,    N.    4974.    Kellerm.   ,p.  35, 

N.  34.  Not.;  p.  38,  N.  46;  p.  43,    N.  89.    Memminger  Würtemb.  Jahr- 
bücher. 1825,  S.  89,  N.    79. 

")  Gruter  p.   1026,   N.  3.  Journ.   des  Sav.   1847.   Oct.  p.  622,  Dec.  p.  736. 

30 )  Maffei  Mus.   Veron.  p.  425.  N.   1.   Orelli  Vol.  II.  p.   143,  N.  3664. 

31 )  Cardinali  Dipl.  p.  299.   N.  581.  Kellerm.  p.  73,   N.  295. 


206 

Genio  Legt'omV  teriiae  Augustae  Piae  Vindicis  pro  salate  Ira- 
peratoritm  Caesörww  Laien  Septimh*  Severi,  Pii,  Pertinacis,  Augusti 
et  Marci  Anrein  Antonini  Augusti,  Felicis,  P&vthici,  Britannici,  Ger- 
manici  maximi,  Augusti  et  Juliae  Augustae,  inatris  Augnsti  nostri 
et  Castrorum,  dedicante  Quinto  Anicio  Fausto,  Legato  Augustorum, 
Propraetore,  Consulari  designato,  Afranius  Patiis  (Paetus?),  Signi- 
fer  ex  sestertiis  tribus  millihus  uumtnüm  de  suo  posuit. 

B.  Denkmäler  zur  Ehre  der  Kaiser. 

XIV.  De  okmal. 

Se'tif. 

IMP  CAESARI 
DIVI  NERVAE  FIL 
NERVAE  TRAIANO 
AVCr  GERM-  DACICO 
PONT-  MAX-  TRIB-  POT- 
XHI  COS- V7  IMP-  VI  P  P- 
DD         P   P 

Imveratori  Cae.sari,  Divi  Nervae  ülio,  Nervae  Trajano  Augusto, 
Germanico,  Dacieo,  Pontifici  m&ximo,  Trihunitiae  ipotestatis  decimum 
tertium,  Consuli  quiutum,  Imperafori  sextum,  Patri  patriae.  Decreto 
Decurionum,  necunia  miblica. 

Grösse  des  Denkmals:  Höhe  0,66,  Breite  0,67- 

Die  Errichtung  unsere  dem  Kaiser  Nerva  Trajanus  gewidme- 
ten Denkmals  fällt  ins  862  Jahr  Roms,  110.  nach  Chr. 


207 


XV.  Denkmal. 

Diana. 

I  M  P  C  A  E  S- 
T  AE  LIO  HA 
DRIANO  ANTO 
NINO  AVG  PIO 
DIVI  HADRIN 
FIL  DIVI  TRAIA 
P  A  R  T I  C  I  NE 
POTI  DIVI  NERV 
AE  PRONEPOTI 
PONTIF      MAX 

Imperatori  C&esari  Tito  Aelio  Hadriano  Antonino  Augusto  Pio, 
Divi  Hadriaui  fih'o,  Divi  Trajam  Parthici  nepoti,  Divi  Nervae  pro- 
nepoti,  Pontifici  max»«o. 

Die  Errichtung  dieses  dem  Kaiser  Antoninus  Pins  geweihten 
Denkmals  fällt,  da  kein  Tribunat  darauf  verzeichnet  ist,  wahrschein- 
lich in  das  Jahr  seiner  Adoption,  und  das  Todesjahr  des  Hadrianus 
(138)  der  hier  Divas  genannt  wird. 


2(»8 

XVI.  Denkmal. 

Diana. 

M     AVRELIO  CAE 
SARI     IMP     AN 
TONININI     AVG 
FIL    HADRIANI 
NEPOTI 
DD  P  P 

Marco  Aurelio  Caesari,  Imyeratbris  Antoniui  Augusti  fih'o,  Ha- 
driani  nepoti,  Decreto  Decurionum,  yecunia  publica. 

Grösse  des  Denkmals:  Höhe  1,0,  Breite  0,57. 

M-  AVRELIO.  Marcus  Aurelius,  dem  dieses  Denkmal  gewid- 
met ist,  ist  der  von  Antoninas  Pius  adoptirte  Marcus  Aelius  Verus, 
nach  seiner  Thronbesteigung  M.  Aurelius  Antoninus  Philosophas 
genannt.  Da  die  Inschrift  ihn  noch  Caesar  nennt,  so  fällt  die  Er- 
richtung derselben  vor  seinem  Regierungsantritte,  etwa  145-  n.  Chr. 

Ein  in  Dalmatien  aufgefundenes  Denkmal1),  das  unserin  Anto- 
nin gleichfalls  noch  als  Caesar  errichtet  war,  gibt  seine  Genealogie 
so  an : 

MARCO   AE||LIO    AVRELIO  ||     VERO   CAESARI    ||     IMP-    T-    AELI. 
CAESARIS    ||    HADRIANI  ANTONI  ||  NI  AVGVSTI  PII  PATRIS  ||  PATRIAE 
FILIO  DIVI  HA||DRIANI  NEPOTI  DIVI  |]  TROIANI  (sie)  PARTHICI  PRO  || 
NEPOTI  DIVI  NE  ||  RVAE  ARNEPOTI II  CON"  II  DECRETO  DECVRIONVM. 


»)  Mural.  P.  I.  p.   239.  N.   4.   Orelli  Vol.  I.  p.  202,  N.  857. 


209 

XVII.  Denkmal. 

Setif. 

IMP   CAES 
DIVI  HADR'-  FIL    DI 
VI  TRAI    PART   NEPOTI 
DIVI  NERVAE  PRONEP 
T      AELIO  HADR    ANTONINO 
A  VG  PIO  PONT  MAX-  TRIB 
POT  XVIII  IMP  II  COS  IUI  P  P 
L   PETRONIVS  M-  F   ARNENSI 
IANVARIVS  AED  EX  HS  VIII  MIL  N 

IN  ORNAMENTVM  CIVITA 
TIS  EX  LIBERALITATE  SVA  OB 
HONOREM  AED    PRAETER 
LEGITIMAM  SVMMAM 
PROMISERAT  D    D 

lmiperatori  C&esari,  Divi  HadnV/m  fih'o,  Divi  Traj^m,  Parthici 
nepoti,  Divi  Nervae  pronepoft*,  Tito  Aelio  H&dviano  Antonino,  Au- 
gusto,  Pio,  Pontifici  maximo,  tnhunitiae  ^otestafis  duodecimum,  Ln- 
^eratori  secundum,  Consuli  quartum,  Patri  patriae,  Ltucius  Petro- 
nins,  Marci  tilius,  Arnensi,  Januarius,  Aedilis  ex  sestertiis  octies 
mille  numero  in  ornamentuni  civitatis  ex  liberalitate  sua  ob  honorem 
Aedilitatis  praeter  legitimani  summain  prontiserat.  Decreto  Decurionum. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  1,2,  Breite  0,59. 

Das  Denkmal  wurde  im  Jahre  Roms  908,  n.  Chr.  156  dem 
Kaiser  Antoninus  Plus  errichtet. 

OB  HONOREM  AED  PRAETER  LEGITIMAM  SVMMAM 
PROMISERAT.  Die  Summe  wird,  als  eine  bekannte,  wie  auch   auf 

Abhandlung  der  I.  Cl    d.  k.  AL  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abth.  27 


210 

Denkmal  IL  nicht  genannt.  Eine  in  Lavinia  gefundene  Inschrift1) 
gibt  als  Stimme  für  den  Eintritt  in  ein  Collegium  100,000  Sester- 
zien  und  als  ferner  zu  leistenden  Beitrag  in  die  Vereinskasse  mo- 
natlich 5  Asse  an:  VT  QVISQVIS  IN  HOC  COLLEGIO  IN- 
TRARE  \  OLVERIT  DABIT  KAPITVLARI  NOMINE  HS.  C. 
N.  ET  VINI  BONI  AMPHORAM  ITEM  IN  MENSES  A  V. 
Verdienste  um  den  Staat  bewirkten  die  Aufnahme  als  Ehrenmit- 
glied und  somit  die  Befreiung  von  der  Einzahlung,  die  Immunitas, 
worüber  Ausführliches  bei  Fabretti2),  Gori3)  und  Labus4J. 

IN  ORNAMENTVM.     Darunter  ist   die    ihren  Aufstellungsort 
schmückende  Bildsäule  des  Kaisers  Antoninus  Pins  zu  verstehen. 

XVIII.  Denkmal. 

Diana. 

DIVO  PIO 

PATRI 

IMP    CAES-    M     AVRELI 

ANTONINI  AVG 

ARMENIACI   ET 
IMP    CAES    L    AVRELI 
VERI  AVG   ARMENIAC 
C   IVLIVS    C   FIL    PAP 
CAESIANVS   AEDIL 
n  VIR   Q   P   P   STATVAM 


')  Labus  Museo  di  Mantova.  Vol.  II.  p.  311. 

- 
*)  Inscript.   dornest,  c.   6.  N.  58. 

»)  Columb.   Liviae.   Florent.    1727.   p.   65. 

*)  Museo  di  Mantova.  Vol.   II.  p.  312. 


211 

Divo  Pio,  Patri  hnperaforis  Caesaris  Marci  Anrelit  Antonini 
Augusti,  Armeniaci  et  Imperators  p&esäris  Liucii  Aureli»  Veri  Au- 
gusti,  Anneniac«  Caiiis  Julius,  Caii  ü\ius,  Papiria,  Caesianus,  Aedilis, 
Duumvir  quinquennalis,  Praepositus  (pecunia  publica?)  statuarn  .... 

Der  Diviis  Pins,  dem  das  Denkmal  gesetzt  ist,  ist  Antoninus 
Pins,  der  Adoptivvater  der  beiden  Kaiser  M.  Äurelius  Antoninus 
und  L.  Äurelius  Verus. 

Gemäss  des  Siegestitels  Armeniacus,  den  auf  unserer  Inschrift 
beide  Kaiser  führen,  kann  dieselbe  nicht  vor  dem  Jahre  163  abge- 
fasst  sein.  Eckhtl1)  bemerkt  hierüber:  Armeniacus.  Hunc  titulum 
suscepit  (M.  Aur.  Antoninus)  primum  in  tribunaiu  XVTU.,  qui  coepit 
—  Kalendis  Jan.  V.  C.  917.  P.  X.  164.  At  aliquando  maturius  eo 
uti  coepit  Verus,  nimirum  in  tribunatu  III.,  qui  coepit  Kalendis  Jan. 
917  P.  X.  163.  lieber  Veranlassung  dieses  Titels  berichtet  Capi- 
tolinus2):  Gestae  sunt  res  in  Armetiia  prospeie  per  Statium  Pris- 
cum,  Artaxatis  captis,  delatumque  Armeniacmn  nomen  utrique  Prin- 
cipnm,  quod  Marcus  per  verecundiam  primo  recusavit,  postea  tarnen 
recepit. 


1  )  Doch  ina  Nuni.    vct.    Vol.  IL    p.   72. 

2)  In  vita  M.  Aur.  Antonini  Philosophi  c.   9-  Cf.   Vita   Veri  c.  7. 


27* 


212 

XIX.  Denkmal. 

Se'tif. 

IMP   CAES    DI 
VI  ANTONINI  PH 
FIL    DIVI  COMMODI  FRA 
TRI  DIVI  ANTONINI  PII  NEP 
DIVI  HADRIANI  PRONEP    DI 
VI  TRÄIANI  PART  ABNEP  DI 
VI  NEU  VAE  ADNEPOTI  — 
SEPTIMO  SEVERO  PIO  PER 
TINACI  AVG    ARAB  ADIAB 
PARTHIC   MAX    PONT    MAX 
TRIB    POT   XVi   IMP   XI  COS   IIF 

PRO  CONS   PATRI 
IMP   CAES    M    AVR   ANTONINI 
PH  AVG  PONT  MAX  TRIB  POT 
XI  P    P    COS   III 

POLICITATIONEM  HONORIS 
AEDILITATIS  M    CAESIVS  L   FIL 
QVIR    REGIANVS  S    P    D.  D 

\m\teratori  Caesari,  Divi  Antonini  Pii  fil/o,  Divi  Commodi  fra- 
tri,  Divi  Antonini  Pii  nepoti,  Divi  Hadriani  pronepoti,  Divi  Trajani 
Partliici  abnepoti,  Divi  Nervae  adnepoli,  Septiniio  Severo  Pio  Per- 
tinaci,  Augusto,  Arabico,  Adiabenico,  Partlrico  maxinio,  Pontifici  nia- 
ximo,  tribunitiae  pote.statis  deciinum  sextum,  Imyeratori  undecimum, 
Consuli  tertiuni,  Proconsw/?,  Patri  Im^eratoris  Caesaris  Marci  Au- 
relii  Antonini,  Pii,  Augusti,  Pontificis  maxiaii,  tribunitiae  pote.statis, 
undecimum,  Patris patriae,  Consulis  tertinm  etPnblii  Septimii  Getae  no- 
bilissimi  Vaesaris,  ob  polücitationem  honoris  Aedilitatis  Marcus  Caesins, 
Ijucü  filiiis,  Quiiw/,  Regianus  sua  pecunia  öecreto  Decurionum. 


213 

Grösse  des  Denkmals.  Hölie  1,6,  Breite  0,58. 

Die  Errichtung  dieses  dein  Kaiser  Sever  und  seinen  beiden 
Söhnen  Caracalla  und  Gela,  dessen  Name  getilgt  ist,  gewidmeten 
Denkmals  geschah  im  XVI.  Regierungsjahr  des  Sever,  im  XI.  des 
Caracalla,  960  u.  R.  E.,  208.  n.  Chr. 

PONT.  MAX.  Man  nimmt  bekanntlich  an,  dass,  wenn  2  oder 
3  Kaiser  zu  gleicher  Zeit  regierten,  nur  einer  uud  zwar  der  ältere 
die  Würde  des  Pontifex  maximus  bekleidet  habe.  Diese  Annahme 
scheint  Dio1)  zu  bestätigen,  wenn  er  schreibt:  "Ex  rs  rov  %v  naoaig 
Talg  Isqwgvvcciq  leowo&ca  xal  nqoGtri  xal  xolg  ciXXoig  rag  nXsiovg 
G(f{äv  öidovai,  ccQftitQi-oov  zs  ziva  avzwv,  xav  dvo,  xäv  zosig  a/ua  ccq- 
%voGiv}  slvai,  itavxwv  ccvrol  xal  tüjv  ogiwv  xal  zriöv,  Isqcöv  xvqwvovgiv. 
Allein  Münzen  und  Denkmäler  zeigen,  dass  hievon  oft  Umgang  ge- 
nommen wurde.  So  finden  wir  die  gleichzeitigen  Kaiser  M.  Aar. 
Antonmus  und  L.  Verus2),  Sept.  Severus  und  Caracalla ,  Balbinus 
uud  Pupienus3),  die  beiden  Philippiis  *) ,  Licinius  Valerianus  und 
Gall&nw6),  Diocletianus  und  Maximianus6)  %u  gleicher  Zeit  mit 
der  Würde  des  Pontifex  maximus  bekleidet. 

OB  POLICITATIONEM  HONORIS  AEDILITATIS.  Wäh- 
rend man  auf  andern  Denkmälern  angeführt  findet,  dass  sie  aus 
Dankbarkeit  für  erlangte  Ehrenstelleu  errichtet  wurden,  so  sehen 
wir  das  unsrige   auf  das    blose    Versprechen   hin ,    die    Aedilswürde 


1   Lib.  LIII,  c.   17.   Cf.  Eckhel  Doct.  Num.    Vet.  VIII.   p.  382. 

2)  Orelli  Vol.  I.  P.  202.  N.  859;  p.  203-  N.  873;  p.  204.  N.  875. 

3)  Capitolinus,   in  vitis  Maximi  et  Balbini  c.   8.    cf.   c.    1. 

4)  Sieh  p.   173.  die  Tabula  hon.  miss.  der  beiden   Philippus.    Z.  2.  u.   4. 

5)  Orelli  Vol.   I.   p.  226.  N.   1002. 

•)  Gruter  p.    166.  N.   7,  281.  N.  5.  7. 


211 


Sil  erlanget),  den  beiden  Kaisern  von  M.  Caesius  Regianos  gewid- 
met. In  der  That  ein  feines  Auskunftsmittel  einem  Versprechen  die 
Erfüllung;  zu  sichern!  Auf  ähnliehe  Weise  erhält  Annia  Aelia  Re- 
stituta  5  Bildsäulen  OB  IN||SIGNEM  LIBERALITA  1 1 TEM 
PÜLLICITAT1.0||NIS  EIVS  CCCCM||AT  (sie)  TBEATRVM 
FAC1||ENDVM')  und  C.  Julius  Helenus  EX  DECRETO  DE- 
CVR||  MVNICIPII-  ALETRINATII  ET  POLLICITATIONE 
SEVIR  s)  einen  Denkstein. 


XX.  Denkmal. 


Von  staut  ine. 
IAE  AVGVSTAE 
ATRI  CASTRORVM 
CI  CONIVGI 

CAESARIS    DIVI  MARCI 
ONIM  PH  GERMANICI  SAR  .  . 
Cl  FIL    DIVI  COMMODI  FRATRIS 
TONINI    PII    NEPOTIS-  DIVI  HADRIAN 
PRON PARTH   ABNEPOTIS 

PAGATORIS-  1MPERII-  FORTISSIMI  FELIC1SSIMIOVE-  PRIN 
S-PATRIAE-  MATRI IMP-  CAESARIS  L SEPTIMISE  VERI  PH . . . 
S  AVG  ARABICI-  ADIAB'ENICI-  PARTHICI MAXIMI FILI  DI V  . . 
NI-  PH-  GERMANICI-  SARMATICI  NEPOTIS-  DIVI  ANTONINI 
NEPOTIS    DIVI  HADRIANI-  AB    NEPOTIS  DIVI  TRAIANI 
DIVI  NERVAE-  AB-  NEPOTIS-  M-  AVRELI  ANTONINI-  PH 
AVG    PONTIFICiS  MAX    TRIB-  POTESTAT   V-  COS-  PRO 
.  .  SSIMI  FELICISSIMIQVE  PRINCIPIS  PATRIS  PATR 
.  .  ISSIMI     ET     SVPER     OMNES     PRINCIPES 
INDVLGENTISSIMI 
S  PVBLICA  CIRTENSIVM 


')  Journ.  des  Savants  1837.  Dcc.  p.   714. 
B)  Gruter  p.   422.  N.   3. 


215 

Juliae  {Domnae)  Augnslae,   Matri  Caslrorum, 

Clarissimae  Conjugi  Imperatoris  Caesaris,  Divi  Marci  Antonim, 
Pii,  Germanici,  Sarmatici  filii,  Divi  Commodi  fratris,  Divi  Antonmi 
Pii  nepotis,  Divi  Hadriaiu  ipronepotis,  Divi  Trajani  Parthici  abne- 
potis, Divi  Nervae  adnepotis  hucii  Septimii  Severi,  Pii,  Paca- 
toris   imperii,  fortissimi  felicissimique  Pv'mcipis,  Patris  patriae, 

Matri  Imperatoris  Caesaris,  hucii  Septimi«  Severi,  Pii,  Perfi- 
nacis,  Angusti,  Arabici,  Adiabenici,  Parthici  maximi  filii,  Div«  Marci 
Antonim  Pii,  Germanici,  Sarmatici  nepotis,  Divi  Antonini  ;;ronepotis, 
Divi  Hadriani  abnepotis,  Divi  Trajani  et  Divi  Nervae  abnepotis, 
Marci  Aureli«  Antonini  Pii  Augusti,  Pöntincis  maximi,  tribunitiae 
potestatf?  quintum,  Cousulis,  Proconsulis,  f'o?*tissuni  felicissimique 
Principis,  Patris  patriae,  elementissimi  et  super  omnes  principes  In— 
dulgentissimi  Respublica  Cirtensium. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  1,0  Breite  0,64. 

Das  im  Jahre  202  n.  Chr.,  auf  welche  Zeit  das  V.  Tribun at 
des  Caracalla  hinweist,  errichtete  Denkmal,  ehrt  das  Andenken  der 
Julia  Domna,  sowie  ihres  Gemahls  des  Kaisers  Sep.  Severus  und 
ihres  altern  Sohnes  des  Caracalla. 

DIVI  TRAIANI  DIVI  NERVAE  AB  NEPOTIS  Bemerkens- 
werth  ist  die  Verwandtschaftsbezeichung  abnepos,  die  sich  auf  Tra- 
jan  und  Nerva  zugleich  bezieht,  statt  TRAIANI  ADNEPOTIS 
NERVAE  TRINEPOTIS.  Die  Schreibart  abnepos  für  adnepos  fin- 
det sich  noch  auf  2  andern  Denkmälern.1)   Eine   Inschrift   von   Pe- 


*)  Maffei  Mus.  Veron.  p.   101,  N.  2.    Marini   Frat.    Arv.    T.    I.    p.    CXLIV. 
v.   15.  u.  T.  II.  p.  359.  XIV. 


216 

ruggia2),  sowie  eine  «andere  von  Martos3)  in  Spanien  und  3  von 
Setif4)  haben  als  Verwandtschaftsbezeichnung  für  Trajan  und  Nerva 
den  Ausdruck  adnepos,  da  das  Wort  trinepos  als  den  sechsten  Ver- 
wandtschafl  sgrad  bezeichnend  (filius,  nepos,  pronepos,  abnepos,  ad- 
nepos, trinepos),  wie  Letronne  bemerkt,  erst  spätem  Ursprungs  ist 
und  zu  den  Zeiten  Severs  und  Caracalla's  noch  nicht  gebräuchlich  war. 

Sever,  der  von  Antonin  abstammen  wollte  und  wie  alle  Au- 
toninen  von  Nerva  sein  Geschlecht  herleitet  und  für  eiuen  Sohn  des 
Marcus  Aütonihüs  und  Bruder  des  Commodus  gelten  wollte5),  zählte 
5  Verwandtschaftsgrade;  Caracalla  deren  6. 

S  t  a  in  m  r  e  g  i  s  t  e  r. 

Sever 's.  Caracalla's. 

DIVI  MARCI  ANTONINI  PH  FIL-  1/  SEPTIMII  SEVERI  Filz 

DIVI  COMMODI  FRAT  DIVI  M-  ANTONINI  PII  NEP- 

DIVI  ANTONINI  PII  NEP-  DIVI  ANTONINI  PII  PRONEP 

DIVI  HADRIANI  PRONEP-  DIVI  HADRIANI  ABNEP- 

DIVI  TRA1ANI  ABNEP-  DIVI  TRAIANI  ADNEP- 

DIVI  NERVAE  ADNEP-  DIVI  NERVAE  ADNEP- 

RESPVBLICA  CIRTENSIVM.  Cirta,  die  Hauptstadt  von  Nu- 
midia  Massylorum ,  die  Residenz  der  Masinissa  und  seiner  Nach- 
folger, wurde  unter  Julius  Caesar  durch  Publius  Sittius  Colonie 
(Colonia  Sittiunorum)  im  J.  311  n.  Chr.  zerstört  und  von  Constan- 
tiu  dem  Grossen  wieder  erbaut,  woher  sie  ihren  jetzigen  Namen 
Constantin  erhielt. 


»)  Murini  1.  c.  P.  360.  Orelli  Vol.  I.  p.  213.  N.  926. 
»)  Mural,  p.  247.  N.    1.  Orelli  Vol.  I.  p,  213.  N.  927. 
4)  Journal  des  Sav.  1847.  Dec.  p.  733. 
5j  ])io  Lib.  LXXV.  c.  7. 


227 

XXI.  Denkmal. 

Batnah. 

PRO  SALVTE-  AVGG- 
OPTIONES-  SCHOLAM-  SVAM  CVM    STATVIS  ET  IMAGINIBVS  DOMVS  DIVINAE 
ITEM-  DIIS-  CONSERVATORIB   EORVM-  EX  LARG1SSIMIS  STIPENDIIS  ET 
LIBERALITATIBVS-  QVE-  IN  EOS- CONFERVNT- FECER- CVRANTE'  1/  EGNATIO 

MYRONE  Q- 
OB-  QVAM-  SOLLEMNITATEM  DECREVERVNT-  VTI  COLLEGA-  PROFICISCENS* 

AD  SPEM-  SVAM-  CONFIRMAN 
DAM  ACCIPIAT   HS   VIII  MIL  N  VETER  QVOQVE  MISSI  ACCIPIANTMILIA  IT 

ANVLARIVM  SINGVL.  HS.  V  MII/  N 
QVAE    ANVLARLV  SVA-  DIE-  Q  VAESTOR-  SINE    D1LATIONE*  ADNVMERARE- 

CVRABIT 

Pro  Salute  Aägustorum  Optiones  scholam  suam  cum  statuis  et 
imaginibus  Domus  divinae,  item  Diis  conservatorib?*?  eorum  ex  lar- 
gissiniis  stipendiis  et  liberalitatibws,  quae  in  eos  conferunt,  fece- 
runt,  curante  Lucio  Egnatio  Myrone  Quaestore,  ob  quam  sollemni- 
tatem  decreverunt,  uti  collega  proficiscens  ad  spem  suam  confirman- 
dum  accipiat  sestertiüm  octo  millia  nummüm,  \eierani  quoque  missi 
accipiant  millia  duo  et  annularium  singuli  sestertiüm  quinque  millia 
nummüm,  quae  anularia  sua  die*  Ouaestor  sine  dilatione  adnume- 
rare  curabit. 

SCHOLAM.  Die  Scholae  als  Versammlungsorte  für  Corpora- 
tionen  und  Collegien  finden  auf  Denkmälern  häufige  Erwähnung.  So 
wird  auf  einer  Inschrift  von  Buda1)  eine  SCHOLA  SPECVLA- 
TORVM  LEGIONVM||  I  ET  H  ADIVTRICVM  PIARVM 
FIDELIVM  1 1  SEVERIANARVM  —  in   Misenum    eine  SCHOLA 


')  Gruter  p.    169.  N.  7. 
Abhandlnugen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.   IL  Abthl.  28 


228 

ARMATVR  2)    —  in  Rom    eine    SCHOLA-    SCVTARIORVM*) 

genannt. 

Auch  der  Ausschmückung  solcher  Scholae  gedenken  die  In- 
schriften: so  berichtet  eine  in  Rom*):  IN«  HONOREM-  DOMVS- 
AVGVST-IITI  CLAVDIVS  etc.  SCHOLAM  CVM  STATVIS- 
ET  IMAGINIBVS  ORNAMENTISQVE  OMNIBVS  SVA-  IM- 
PENSA  FECIT. 

SPEM.  Spes  steht  hier  in  der  Bedeutung  von  aninius,  volun- 
tas,  proposifum. 

ANVL ARIVM.  Ein  anderwärts  nicht  vorkommender  Ausdruck ; 
der  Wortableitung  nach  Ringgeld,  wie  tvövf]  Gürtelgeld. 

MILIA  IL  Die  Abschrift  gibt  MLIAN. 

Die  Inschrift  befindet  sich  an  einer  Ruhebank,  worüber  Denk- 
mal XL.  zu  vergleichen  ist. 

XXII.  Denkmal. 

Se'tif. 

MAGNO  ET  INVICTO  PRINCIPI  D    N-  IMP    CAESARI 
FLAV   VAL   CONSTANTINO  PIO  FELICI  SEMPER  AVG. 
PONT   MAXIMO  SARMATICO  MAX  GERM  MAX  GOT  MAX- 
TRIB   POT-  X-  CONS    HII   IMP   VEOU-  P   P   PROCONSVLI 
SEPTIMIVS  FLAVIANVS  V  P  P  P  MAVR   SITIF- 
NVMINI  MAIESTATIQ    EIVS  SEMPER  DICATISSIMVS 


*)  Orclli  Vol.  II.  p.  70.  N.3300. 
a)  J!>.  p.  119.  3543. 
*)  Gruter  p.   169,  N.  5. 


229 


Magno  et  invicto  Principi,  Domino  nostro  Imperatori  Caesari 
Flaveo  Valm'o  Constantino,  Pio  Felici,  seraper  Augusto,  Pontifici 
maximo,  Sarmatico  maxw/io ,  Germanico  maximo,  Gotfiico  maximo, 
tr'ibunitiae  yotesfatis  decimum,  Consuli  quartuni,  Jm^eratori  nonum, 
Vatri  patriae,  Proconsuli,  Septimius  Flavianus,  \ir  perfectissimas, 
Vvaefectus  Vraetorio  M&uritaniae  Sitifensis,  liuraiiii  majestatiqwe  ejus 
seraper  dicatissimus. 

Votis  decennalibus,  multis  vicennalibus. 

Grösse   des  Denkmals.  Höhe  0,64,  Breite   1,57. 

TRIB-  POT.  X*  Die  Errichtung  dieses,  Constantin  dem  Gros- 
sen, gewidmeten  Denkmals  fällt  ins  J.  315-  n.  Chr.,  1067  n.  R.  E. 

MAVR-  SITIF-  Das  Sitifensische  Mauretanien,  der  Landstrich 
swischen  den  Flüssen  Salda  und  Ampsaga,  wurde  wahrscheinlich  wäh- 
rend der  vonDiocletiau  bis  Constantin  sich  gestaltenden  Ländereintheil- 
uug  von  Mauretanien  Caesariensis  losgerissen  und  zur  eigenen  Pro- 
vinz gemacht.  Unter  Kaiser  Valens  wurde  Mauretanien  Caesarien- 
sis und  Sitifensis  von  Praesides  verwaltet5),  wie  auch  die  Reicbs- 
notizeu6)  angeben;  dass  das  Sitifensische  Mauretanien  noch  im  J.  390 
unter  der  Regierung  der  Kaiser  Valentinian,  Theodosius  und  Arca- 
dius  bestanden  habe,  zeigt  eine  in  Rom  gefundene  Inschrift.7) 


5)  Rufus  Breviarium  c.  4. 

6)  Imp.  Occid.  p.  93. 

*)   Grnler,  p.  361,  N.  1.  Orelli  Vol.  II.  p.  145,  N,  3672. 


28* 


230 

XXIII.  Denkmal. 

Setif. 

DIVO  CAESARI 
P  CORNELIO    LICINIO  VA 

LERIANO  NEPOTI 
IMP  CAES  P  LICINI  VALERIA 
NI  AVG  FILIO  IMP  CAES 
P  LICINI  GALLIN  AVG  FRA 
TRI  P  CORNELI  LICINI  SA 
LONI  NOBILISSIMI  CAES 

AVG 
COL  NERVANA  AVG  MART 
VETERNOR  SITTIFENS 
DD  PP 

Divo  Caesari  Vublio  CorneJio  Licinio  Valeriano,  nepoti  Im- 
^eratoris  C&esaris  Vublii  Licinii  Valeriani  Augusti,  filio  Imiperatoris 
Caesaris  Vublii  LiciniV  Galliini  Augusti,  fratri  Vublii  Cornelii  Li- 
cinii Salonini,  nobilissimi  C&esaris  Augusti,  Colonia  Nerviana  Au- 
gusta  Martiana  Veteranoram  Sitifens/wm,  decreto  Decurionum,  vecu- 
nia  publica. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  1,0,  Breite  0,50. 

Das  Denkmal,  rücksichtlich  der  Familie  des  Gallienos  eines  der 
interessantesten,  ist  dem,  bei  Errichtung  des  Denkmals  bereits  verstor- 
benen Pub lius  Cornelius  Licinius  Valerianus,  dem  Thronfolger  (Cae- 
sar), dem  Enkel  des  Kaisers  Publios  Licinius  Valerianus,  dem  Sohne 
des  Kaisers  Publius  Licinius  Gallienus,  dem  Bruder  des  Publius  Cor- 
nelius Licinius  Saloninus,  der  Mitregent  (Caesar  Augustus)  war,  von 
der  Veteranen-Colonie  in  Sitifis  errichtet. 


231 

Die  Stammtafel  der  in  der  Inschrift  Genannten  ist  diese: 

P.  Com.  Licinius  Valerianus 
Imp.  Caes.  Aug. 


P.  Licinias  Gallienus 

Imp.  Caes.  Aug. 
(occis.  268  p.  Chr.) 


P.  Com.  Licinius  P.  Com.  Licinius 
Valerianus  Saloninus 

Caesar,  Divus.  Nob.  Caes.  Aug. 
(occis.  260)  (occ.  268) 

Die  Namensbenennung  der  beiden  Söhne  Galliens  stimmt  mit 
der  Angabe  des  Aur.  Victor  überein  und  lässt  sich  auch  mit  den 
Münzen  und  Inschriften  in  Einklang  bringen.  Aur.  Victor1)  berichtet: 
Licin.  Valerianus  erhob  seinen  Sohn  Gallienus  zum  August  und 
den  Sohn  dieses,  den  Com.  Valerianus,  zum  Caesar.  Dann:  Gallie- 
nus ernanute  an  die  Stelle  seines  ermordeten  Sohnes  Cornelius  sei- 
nen Jüngern  Sohn  Saloninus  zum  Caesar.  Trebellius  PoIIio2)  be- 
merkt, dass  Saloninus,  Galliens  Sohn  und  Aurelians  Enkel,  von  ei- 
nigen Geschichtschreibern  Gallien  von  andern  Salonin  genannt  werde. 
Diesem  sey  eine  Bildsäule  in  dem  Tempel  der  Faustina  errichtet 
worden  mit  der  Inschrift:  GALLIENO  IVNIORI  SALONINO. 
Eine  fast  gleichlautende  Inschrift:  SALONINO-  GALLIENO  MI- 
NOR! gibt  Gruter3)  als  in  Rom  aufgefunden. 


')  Imperat.  c.  32  et  33. 

*■)   Valerian.   jun.   Saloninus  Gallienus  c.   1   et  3. 

3)  Pag.  275.  N.  6. 


232 

Befragen  wir  nun  die  Inschriften  über  Galliens  Familie,  so  ge- 
ben sie  uns  Folgendes:  IMP  CAES-  P-  LICINIVS  VALERIANVS 
ET  IMP-  CAES-  P-  LICINIVS  GALLIENVS  ET  P  CORNE- 
LIVS  SALONINVS  VALERIANVS  NOBILISS-  CAES-4)  und 
PVBLIO  CORNELIO  LICINIO  VALERIANO  NOBILISSLMO 
CAESARI.5) 

Die  Münzen  enthalten  die  Umschrift:  IMP-  C-  P-  LIC-  VA- 
LERIANVS AVG  Ferner:  IMP  C- P- LIC  GALLIENVS  AVG- 
Dann  IMP-  SALONINVS  VALERIANVS  AVG  oder  HO Y  A.  KOP 
2AA-  OYAAEPIANOZ  ZEB-  und  endlich  P-  C-  L-  VALERIANVS 
CAES  od.  DIVO  CAES.  VALERIANOe). 

Wir  sehen  nun  durch  Inschriften  und  Münzen  die  Namen  un- 
seres Denkmals  bestätigt  und  vermissen  blos  bei  dem  Saloninus 
den  Beinamen  Valerianus,  den  wir  bei  dem  Namen  des  Bruders  fin- 
den, bei  jenem  Jüngern  Valerianus,  welchem  Eckhel7)  den  Titel  Cae- 
sar abspricht. 

Des  dritten  Sohnes,  den  man  dem  Gallienus  beilegt,  mit  Namen 
Q.  Gallienus ,  gedenkt  unsere  Inschrift  nicht.  Die  Münzeu  mit  DIVO 
CAES  Q  GALLIENO  und  die  Inschrift  IMP  Q  IVLIO  FILIO 
GALLIENI  AVG-  ET  SALONINAE  AVG-  entbehren  nicht  des 
Verdachtes  der  Fälschung. 

COL    NERVIANA  AVG  MART  VETERANOR  SITIFENS. 


<)  Orelli  Vol.  I.  P.  226,  N.  1002. 

')  ib.  P.  227.  N.  1009. 

•)  Eckhel  Doctr.  Num.  vet.  Vol.  VII.  P.  376  —  379 ;   p.  389  —  395 ;  p . 
421  —  424. 

')  1.  c.  p.  427. 


233 

Die  Veteranen-Colonie  von  Sitifis  war,  wohin  die  Namen  Nerviana 
und  Martiana  deuten,  von  Nerva  oder  seinem  Adoptivsohn  Trajan 
gegründet  oder  doch  wenigstens  begünstigt,  und  von  Martiana,  der 
Schwester  Trajans,  beibenannt. 

Ausser  uuserm  Denkmale  finden  wir  diese  Colonie  noch  erwähnt: 

1)  Auf  einem  Meilensteine8)  Severs  und  Caracalla's  vom  J.  198; 
hier  liest  man:  Col  NEBPIANA  (sie)  AVG  MARTIANVS 
(sie)  .  .  .  NORVM  SITIFEN 

2)  Auf  einem  Meilensteine  derselben  Kaiser:9)  COL-  N-  AVG* 
MART    VETER    SITIF- 

Neben  der  Colonie  der  Veteranen  von  Sitifis  finden  wir  auf 
Denkmälern  auch  eine  Hespublica  von  Sitifis  erwähnt. 

1)  Auf  einem  Meilensteine  Severs10)  vom  J.  210  liest  man:  R* 
P    SITIFENSIVM  NERVIANORVM. 

2)  Auf  einem  Meilensteine  desselben  Kaisers11):  R*  P*  SITI- 
FENSIVM NERVIANORVM  ANTONINIANORVM. 

Es  fragt  sich  nun,  ist  jene  Veteranen-Colonie  von  Sitifis  dieselbe 
mit  der  Hespublica  Sitifensiutn  oder  nicht?  Wir  müssen  die  Frage 
verneinend  beantworten  und  nach  M.  Letronne  richtiger  Ansicht  un- 
terscheiden : 

1)  Eine  Colonia  Sitifensis,  auch  Hespublica  Sitifensium  Nervi- 
anorum   oder     Antoniniana,    von    Caracalla    beigenannt,     und 


8)  Journ.   des  Sav.   1847  Dee.  p.  732. 

9)  ibid.  P.  733. 
,0)  ib.  P.  734, 
u)  ib.  p.  734. 


234 

2)  Eiue  Colonia  Atigusta  Nerviana   Martiana    Veter anorum ,  die 
in  der  Nähe  von  Sitifis  gegründet  war. 

C.  Denkmäler,   zur  Ehre  von  Militärpersonen  und 
Civilbeamten  errichtet. 

XXIV.  Denkmal. 

Cowftantine. 

P   IVLIO  IVNIANO  MARTIALIANO  CV 
COS    QVAEST   PROVINCIAE  ASIAE   TRIB- 
PLEBEI   PRAETORI  CVRATORI  CIVITATIS  CA 
LENORVM    CVRATORI  VIARVM  CLODIAE 
CASSIAE  ET  CIMINIAE  PRAEFECTO  AERARI  MILI 
TARIS  PROCONSVLI  PROVINCIAE  MACEDONIAE 

LEGATO  LEG   III    AVG    SEVERIANAE 
PRAESIDI   ET  PATRONO  RESPVBLICA   CIRTENSIVM  DE 

CRETO  ORDINIS  DEDIT  DEDICAVITQVE 

Pubtio  Julio  Juniano  Martialiano  clarissimo  \iro,  consulari  Quae- 
stori  provinciae  Asiae,  Trlbimo  plebei,  Praetori,  Curatori  civitatis  Ca- 
lenorum,  Curatori  viarnm  Clodiae,  Cassiae  et  Ciminiae,  Praefecto 
aerarii  militaris,  Proconsuli  provinciae  Macedoniae,  Legato  \egionis 
III.  Augustae  Severianae,  Praesidi  et  Patrono  Respublica  Cir- 
tenssium  decreto  ordinis  dedit  dedicavitque. 

MARTIALIANO:  Diese  Namensform,  von  Martialis  gebildet, 
findet  sich  auch  auf  Denkmal  XXIX. 

COS-  QVAEST-  Der  Consularis  Quaestor  (Quaestor  pro  Con- 
sule  s.  Consulari)  war  der  Oberstatthalter  in  einer  Provinz,  der  ent- 
weder von  dem  Senate  an  der  Stelle  des  Consuls  gesendet  wurde, 


235 

oder  bei  der  Abreise  eines  Consuls,  oder  überhaupt  in  dessen  Ver- 
hinderung die  Amtsverwaltung  desselben  übernahm  und  führte.  Wir 
finden  in  der  Provinz  Asien  einen  Quaestor,  da  sie  dem  Volke  und 
dem  Senate  gehörte;  denn  in  die  kaiserlichen  Provinzen1)  wurden 
keine  Quaestoren  geschickt. 

TRIB-  PLEBEI.     Die  Form  plebei  kommt  sowohl  als  Genitiv, 
als  auch  als  Dativ  bei  Klassikern2)  und    auf  Inschriften3)  häufig  vor. 

CVRATORI  VIARVM  CLODIAE  CASSIAE  ET  CIMINIAE. 

Die  Aufsiebt  dieser  3  von  Rom  nach  dem  Padus  führenden  Land- 
strassen scheint  demselben  Curator  übertragen  worden  zu  seyn,  denn 
so  finden  wir  es  auch  auf  2  andern  Denkmälern.4) 

LEG-  III-  AVG-  SEVERIANAE    Ueber  diese  Legion  wurde 
Denkmal  XII.  das  Nöthige  erörtert. 


')  Cajus  Istitut.  1.  6. 

*)  Cicero  ad  divers,  X.  16.  Verres  III,  c.  30.  Livius  Lib.  II.  c.  33-  III. 
65.  Gellius  Lib.  VII.  c.  19.  Plinius  Hist.  XI.,  c.  10.  Varro  L.  L.  IV- 
14.  V.  92.  Priscian,  Lib.  VI,  c.  11. 

3)  Gruter  p.  350  N.  7. 

4)  Gruter  p.  399-  N.  6;  p.  446,  N.  4. 


Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ah.  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abth.  29 


236 

XXV.  Denkmal. 

Constantine. 

M    COCVLNIO 
SEX   SIL    QVIR- 
QVINTILIANO  LATO 
CLAVO  EXORNATO  AB 
IMP   CAESARE  L   SEPTIMIO 
SEVERO    PERTINACE-  AVGVSTO   PIO 
PARTHICO   ARABICO   PARTHICO 
ADIABENICO    QVAESTORI  DESIG- 
POST  FLAMONIVM-  ET   HONORES 
OMNES    QVIBVS    IN  COLONIA  IVLIA 
IVVENALI  HONORIS  ET  VIRTVTIS   CIRTA 
PATRIA  SVA  FVNCTVS    EST 
FLORVS   LABAEONIS   FIL 
PRINCEPS  ET  VNDECIM  PRIMVS 
GENTIS  SARDINVM-  AMICO  MERENTI 
DE  SVO  P  ....  T  ...  Q  DED  .  .  . 
L       A       D 

Marco  Coculnio,  Sexti  filio,  Quivina,  Quintiliano,  latoclavo  exor- 
nato  ab  Invperatore  Caesare  hucio  Septimio  Severo,  Pertinace,  Angu- 
sto  Pio,  Parthico,  Arabico,  Parthico,  Adiabenico,  Quaestori  designato 
post  Flamonium  et  honores  omues,  quibus  in  colonia  Julia  Juvenali 
honoris  et  virtutis  Cirta  patria  sua  functus  est,  Florus,Labaeonis  GÜus, 
Princeps  et  undecim  primus  gentis  Sardinum,  amico  merenti  de  suo 
posuit  deditque  dedicavitque.  hocus  a  Decurionibus  datus  est. 

Grösse  des  Denkmals:  Höhe  4^,  Breite  2f. 

LATOCLAVO  EXORNATO,  für  LATICLAVIO,  wie  aof 
Denkmal  XXVffl. 


237 

PARTHICO  findet  sich  hier  doppelt,  sey  es  durch  Versehen 
des  Marmorarius  oder  des  Abschreibers. 

FLAMONINVM,  für  Flaminium,  die  Würde  oder  das  Amt 
eines  Flamen.  Sidonius1)  bedient  sich  derselben  Sprachweise:  in- 
vident  flamonia  municipibus,  auch  die  Inschriften2)  geben  dieses  Wort. 

COLONIA  IVLIA  IVVENALI  CIRTA.  Der  Beiname  Juveni- 
lis, den  hier  neben  Julia  die  Colonie  Cirta  führt,  ist  sonst  nicht 
weiter  bekannt. 

PRINCEPS  ET  VNDECIM  PRIMVS.  Der  in  dem  Sardini- 
schen Municipal-Collegium  der  Eilfmänner  den  vorzüglichsten  Rang 
Bekleidende,  dessen  Namen  wahrscheinlich  wie  bei  dem  Princeps 
Senatus  der  Fall  war,    bei    der  Abstimmung   zuerst  gerufen  wurde. 

XXVI.  Denkmal. 

Constantine. 

L-     IVLIO     VICTORI 
MODIANO  V   E   PROO 
AVGGG   NNN-  PER  NV 
MIDIAM  VA  PROC   TRAC 
TVS     THEVESTINI 
FOR      IVNIVS      VINDEX 
ET      DIOTIMVS     AVGGG- 
LIB      ADIVT-     TABVL 
IVS     AB      AMORE     EIVS 
SEMPER     ET    DIGNA 
TIONE      PROTECTI 


<)  Epist.  5,  7. 

*)  Gruter  p.  80,  N.  6;  p,  195.  N.  5;  p.  254,  p.  5 


29* 


238 

hucio  Julio  Victori  Modiano,  xiro  egregio,  Procuratori  Au- 
gustorum  nostrorum  per  Numidiam  quinque  annos?  Procuratori 
tractos  Thevestini,  Formius?  Junius  Vindex  et  Diotimus  Augustorum 
hiberti,  Adjutores  TabulanV,  ...  ab  amore  ejus  semper  et  digna- 
tione  protecti. 

Grösse  des  Denkmals.  Höhe  4,0,  Breite  2,0. 

THEVESTINI.  Ueber  Theveste  und  seiue  Denkmäler  sehe 
man  Revue  archeol.  1847.  p.  360  —  374. 


XXVII.  Denkmal. 

Lambaesa. 

M   VA  .  .  . 
MAXIMIANO 
LEG-  AVG-  PRPR 
LEG-  III   AVG   COS- 

PAESIDI 
R  A  R  I  S  S  I  M  0 
REFRIVS  MA 
XIMVS  y  LEG 
ffl-  AVG  ...  RA 
TOR        E  I  V  S 

Marco  Valmo  Maximiano,   hegato  Augusti   Pro^raetore  Le- 
gionis  III.  Augustae,  Curatori?  ejus. 

Grösse  des  Denkmals:  Höhe  1,0,  Breite  0,46. 


239 

COS*  PRAESIDI.  Unter  dem  Consularis  ist  hier  nicht  ein  ge- 
wesener Consul,  sondern  ein  Legatus  Consularis,  wie  solche  in  die 
kaiserlichen  Provinzen  geschickt  wurden1)  zu  verstehen.  Die  Benen- 
nung Praeses  ist  eine  allgemeine  für  Statthalter  höhern  und  nie- 
dern  Ranges :  Praesidis  nomen  generale  est  eoque  et  Proconsules 
et  Legafi  Caesaris  et  omnes  provincias  regentes,  licet  Senatores 
sunt,  Praesides  appellantur.2)  Nach  den  Reichsnotizen3)  waren  im 
Occidente  22  Consulares  und  31  Praesides. 

REFRIVS.  Das  Geschlecht  der  Refrier  ist  wenig  bekannt.  Ein 
Denkmal  hei  Muratori4)  nennt  eine  Refria  Pacata  und  Restuta. 


')  Spanheim  de  Praest.  et  Usu  Numismatum  II.  p.  595  Eckhel  Doctr.  Num. 
Vet.   Vol.  IV.  p.   240. 

2  )  Macer  lib.  I.   de  offlc.  Praesidis  in  Digest,  lib  I.  Tit.   18.  §.  1. 

3)  Notitia  dignitatum  Genev.   1623.   p.  9. 

4)  T.  IV.  P.  2086.  N.  10. 


240 


XXV1H.  Denkmal. 

Constantine. 

.  .  LIO  P   FIL   QVIR 

.  .  MINIO  MARCIANO 

SODALI  TITIO  PROCOS  PROVINC 

IAE  MACEDONIAE  LEG    AVGG   PROPR- 

.  .  OVINCIAE  ARABIAE  LEG   AVGG-  SV 

.  .  VEXILLATIONES   IN    CAPPA  .  . 

CIA-    LEG      AVG      LEG     X     GEMINAE 

PROPR      PROVINC     AFRICAE 

.  .  ETORI    TRIB     PLEB      QVAESTORI 

.  .  BVNO     LATICLAVIO     LEG     X 

.ENSIS    ET    LEG    IUI    S  C  Y 

.  ICAE     III    VIRO     KAPITA  LI 

.TIMO    CONSTANTISSIMO 

.VRMIVS    FELIX    PRIMI 

.  LARIS    LEG     III    CYRENAICAE 

.ATOR    INARABIA    MAIORI 

LEGATIONIS      EIVS 

....  A.  DD 

T^ublio  JuWo,  Publii  R\io,  Quirina,  Ceminio  Marciano,  Sodali 
Titio,  Vroconsuli  provinciae  Macedoniae,  Legato  Augustorum,  Pro- 
vvaetore  provinciae  Arabiae,  Ttegato  Augustorum  super  vexillationes 
in  Cappadocia,  Liegatus  Aogusti  legionis  X.  geminae,  Vrouraetori 
provinciae  Africae,  Praetori,  Tr'ihuno  plelm-,  Ouaestori,  Tnbuno  la- 
ticlavio  legionis  X.  Fretensis  et  legionis  IV.  Scythicae,  Triomviro 
Kapitali,  optimo,  constantissimo  .  .  .  urmius  Felix,  Primi/^laris  legeo- 
nis  TU.  Cyrenaicae,  Curator  in  Arabia  majori  .  .  .  legationis  ejns  .  .  . 
Locus  a  Decurionibus  datus. 

.  .  .  LIO  P-  FIL  QVIR-  P  •  •  MINIO  Zur  Ergänzung  des 
am  Anfange  unserer  Inschrift  nur  mehr  fragmentarisch  stehenden 
Namens  des  durch  das  Denkmal   Geehrten   dienen  2  von   den  Be- 


241 


wohnern   von  Adra,  einer   Stadt  des  Petraeischen  Arabiens,  ihm  in 
Constantine  geweihte  and  von  M.  Letronne*)   herausgegebene  grie- 


*)  Journal   des   Savants   Juin  1848   p.  378  u.  379.  Revue  arch.   1S48  (Aout) 
p.  282.  Die  drei  oben  erwähnten  Inschriften  lauten  : 

üovßXiov  'IovXiov  ref-ilviov 

MctQxiavbv, 

7iQSoßev%rjv  2eßao- 

tiüv,    avTiovQÜTrjyov, 

VTtatov,  rj  ßovXrj  xccl 

o    örjfxog  ^AdgayvoJv  TleTqal- 

cov  (irjXQonöXewS  rrjg  'Aqcc- 

ßlag,  öia  KXavöiov  Aive(l) 

ov  TtQeoßevcS,  evegyeTt]- 

■frevTOQvn  avtov,  ävear  (jqoEvf.  äve$t]xev) 


ÜIOYAION  rE MINION 

MAPKIANON 

ÜPE2BEYTHN  2EBA2 

TQN  ANTI2TPATHrON 

YIIATON  HBOYAH  KAI 

oJHMoZ  AJPAHNQN  TIETRAI 

9.N  MHTPoüoAEQZ  TH2APA 

BIA2  JIA  KAAYJIOY  AINE 

OY  ÜPEZBEYTOY  EYEPPETH 

GENT02  YIIATO  YANE2Q 

und  an  der  Seite 

TOII02  EJOQH 

WH0I2MATI  BOYAH2 

niOYAinirEMi 

NIQIMAPKIANQI 

ÜPE2BEYTHI2E 

BA2TQ.NANTI2TBA 

THm  YIIA  T9.AAPA 

HN9.NT10AI2H 

THZ  APABIA2JIA 

JAMA2E0Y2I02 

AKbOYIIPEZBEY 

THAAJPAHND.NE 

IIAPXEIA2APABIA2 


TRANSLATAABVRBESECVN 

DVMVOLVNTATEM  MARCIANI 

TESTAMENTO  SIGNIFICAT 

D  D 


tönog  edo&r] 
tptjcpla^tati  ßalrjg. 

üovßXiq)  3 IaXUo    re[xi~ 
vlio  Magxiavqj 
TiQEoßevTfi  2s- 
ßaartSv,  ävuovga- 
irtyci)  vnaxoj,  z Aöga- 
rjvwv  noXig  tj 
rrjg  'Agetßlag,  öiä 
Aa/.taoesg  'Ioo- 
atcpa,   ngsaßev- 
rov    Adgarjvwv  e- 
nagxelag  'Agaßlag. 

Translata  ab    urbe,    secun- 
dum  voluntatem  Marciani, 

testamento  signilicatum. 
Decreto  decurionum. 


242 

einsehen  Inschrifte'  und  eben  so  eine  lateinische,  wodurch  wir 
erfahren,  dass  der  Geehrte  Publius  Julius  Geminius  Marcianus 
heisse,  dass  ihm  die  Adraener  durch  eine  Weih-Inschrift  und  eine 
Bildsäule  ehrten  und  dass  nach  seiuer  testamentarischen  Anordnung 
eine  ihm  in  Rom  errichtete  Statue  nach  Constantine,  wo  seine  Fa- 
milie ansässig  war,  gebracht  worden  sey. 

Unser  Denkmal  nennt  4  Legionen,  in  denen  Geminias  Mar- 
cianus Kriegsdienste  that.  In  der  Legio  X  Gemina  befand  er  sich 
als  Legatus,  in  der  Legio  X  Fretensis  und  in  der  Legio  IV  Scy- 
thica  als  Tribunus  laticlavius  und  in  der  Legio  III  Cyrenaica  als 
Primipilaris. 

LEG-  X-  GEMINA*  Die  Legio  |X  Gemina  wird  schon  unter 
Tiberius  und  Drusus  durch  Denkmäler1)  beurkundet.  Während  Au- 
gustus  und  seiner  nächsten  Nachfolger  Regierung  lag  sie  in  Spa- 
nien2). Sie  diente  gegen  Viriatus,  wie  eine  Inschrift3)  von  Calle 
(Ouirique)  mit  den  Worten  bezeugt:  C.  MINICIVS  O  F-  LEM- 
IVB||ATVS  .  .  .  LEG  X  GEM  QVEM  IN||PRELIO  CON- 
TRA VIRIATVM  1 1  VOLNERIBVS  SOPITVM IMP  1 1  CL AVDIVS 
VNIMAnus  PRO  MOR|jTVO  DERELIQVIT  etc.  Im  Jahre  71 
n.  Chr.  zog  die  X.  Legion  in  den  Kampf  gegen  Civilis  nach  Ger- 
manien4). Nach  dem  Friedensschluss    erhielt  sie  ihr    Standquartier 


1 )  Mvrat  T.  II.  p.  736.  N.  7.  Orelli  Vol.  II.  p.  190,  N.  3876. 

*)  Tacii.  Hist.Lib.;il.[c.  58.  III.  c  44.  Gruter  P.  536,  N.  2;  p.  572,  N.  8. 
Mural  T.  II.  p.  785,  N.  7.  Florez  Medallas  de  las  Colon,  de  Espana". 
T.  I.  Tab.  VI,  1.   VIU,   8. 

3)  Zimmermann  Zeitschrift  für  die  AUerthumswissenscbaft  1840  N.  89, 
S.  729. 

*)  Tacit.  Hist.  Lib.  IV.  c.  6S.  V.  e.  20. 


213 

in  Niedergermanien,  wo  von  ihrem  Aufenthalte  noch  viele  Denkmä- 
ler5), besonders  aus  der  Gegend  von  Nimwegen  und  Brohl  sprechen. 
Unter  M.  Aurel  lag  sie  bereits  in  Oberpannonien.  Hier  führen  sie 
auch  Dio  Cassius6)  und  Ptolemaeus7),  der  sie  rtQjiicci'ixr}  nennt  und 
ihr  Standquartier  nach  Juliobona  verlegt,  an.  Das  Itinerar8)  und  die 
Reichsnotizen9)  kennen  sie  ebenfalls  in  Oberpannonien  und  zwar  in 
den  Städten  Vindobona  und  Arrabona,  wo  man  noch  viele  Denkmä- 
ler10) von  ihr  findet. 

Die  Münzen1 ')  des  Gallienus  geben  als  eines  ihrer  Signa  einen 
Stier. 

Auf  Inschriften  führt  unsere  Legion  die  Namen  LEG'  X*  GEM- 
—  LEG-X-  GEM   PIA  F1DELIS12)  —  LEG    X- GEM  Pia,  Fi- 


5)  Gruter  p.  534,  N.  1.  p.  547,  N.  1.  OöerlinMm.  Schoepll.  p  III.  Orelli 
Vol.  I.  p.  361,  N.  2090.  Vol.  II.  p.  121,  N.  3551  Lersch  Centralmuseum 
II.  H.  S.  27,  N.  21;  S.  31.  N.24;  III.  H.  S.  56,  N.  79;  S.  81,  N.  141. 
Steiner  Cod.  Inscript.  Romanor.  II.  Th.  S.  146.  N.  944,  916.  Cf.  612, 
629,  741,  745,  948  —  951. 

•)  Lib.  LV,  c  23. 

7)  Europa.  Tab.   V.  d.   B. 

8)  Pag.  248. 

9)  Iraper.  Occident.   p.   129.   130. 

10 )  Gruter  P.  11,  N.  4;  P.  12,  N.  9;  P.  14,  N.  11;  P.  22,  N.  7;  ,p.  514, 
N.  13;  p.  531,  N.  1;  p.  561,  N.  4.  Mural.  T.  II.  p.  875,  N.  2.  Orelli 
Vol.  II.  p.  423,  N.  4964.  Kellermann  Vigil.  p.  53,  N.    112- 

1 '  )  Eckhel  Doctr.  Num.  vet.  Vol.  VII.  p.  403.  Arneth  Synopsis  Num.  vet. 
P.  II.  P.   166.  N.  78. 

•*')    Gruter  p.  492.  N.  5. 
Abhandlungen  der  I.  C1    d.  h.   kh    d.  Wiss.    V.  Bd     II  Ablhl.       *  30 


244 


delis   Victrix  Valens1 3)    -  LEG   X-    GEM    ANTONINIANA  »  *) 
-   LEG   X-  GEM   GORDIANA* % 

LEG-  X-  E'RET.  Die  Legio  X.  Fretensis  hatte  bereits  zu  Auga- 
stus  Zeit  ihr  Standlager  in  Syrien  und  zwar  in  der  Stadt  Cyrrhus16). 
Von  Syrien  führte  sieTitus17)  seinem  Vater  Vespa.sianus  zum  Jüdi- 
schen Kriege  zu.  Ihr  Legat  war  damals  Trajan18).  Hier  wohnte  sie 
der  Einnahme  der  Städte  Jatapa,  Japha,  Tiberias,  Tarichaea  und 
Gamala19)  bei.  Da  Vespasianus  nach  Rom  abgereist  war,  zog  sie 
unter  Titus  zur  Belagerung  von  Jerusalem20).  Nach  dessen  Eroberung 
blieb  sie  daselbst  als  Besatzung21).  Unter  Corbulo22)  machte  sie 
den  Armenischen  und  unter  Trajan23)  den  Parthischen  Krieg  mit. 
Zu  den  Zeiten  Alexanders  Sever24)  lag  sie  in  Judaea.  Die  Reichs- 
notizen25) nennen  als  ihr  Standlager  Aila  in  Palaestina.   Sie  findet 


13 )   Orelli  Vol.  I.  p.  361,  N.  2090. 

14  )   Grvter  p.    12,  N.  9;  p.  514,   N.   13. 

18 )    Grvter  p.  433.  N.    1.   Orelli  Vol  II.   p.   44,  N.   3143- 

,b)    Tacit.  Annal.  Lib.  II.  c.  57. 

17 )   Josephus  de  hello  Iudaico  Lib.  III.  c.   1.   v.   3;   c    4,    2. 

18  )    Ibid.  Lib.  III,   c.   7.   v.  31. 

•9)   Ibid.  Lib.  III.  c.  7,  21.  III.  7,  31.  III.  9,  7.  III.  10,  5.  IV.   I.   10. 

2U)   Ibid.  Lib    V.  1,  6;  2,  3,    4.  V.   11,  4.  Tacit.  Hist.  Lib.   V.  c.   1. 

21  )  Joseph.  Lib.  VII.   c.   1,  2. 

23 )  Tacit    Annal.  Lib.  XIII.   c.  40. 
")  Gruter  p.  367.  N.  6. 

24 )  Dio  Cass.   Lib.   LV.  c.  23. 

25 )  Imper.   Orient,  p.   216. 


215 

sich  auch  auf  den  beiden  zwischen  den  Jahren  120  —  170  gefer- 
tigten Legionssiäulen26),  nach  Grotefends27)  Nachweis  in  Judaea 
stationirend,  aufgeführt.  Auf  Münzen  des  Victorinus28)  ist  ihr  Sig- 
num ein  Stier.  Auf  Denkmälern  führt  sie  den  Namen ;  LEG*  X- 
FRET-  und  LEG-  X-  FRET-  ANToniniana.2^) 

LEG-  IUI-  SCYTH-  Die  Legio  IV.  Scythica  erhielt  durch  Au- 
gust ihr  Standquartier  in  Syrien,  wo  sie  sich  noch  unter  Alexander 
Severus30)  und  selbst  zur  Zeit  der  Reichsnotizen3  *),  die  sie  in  der 
Stadt  Oresa  anführen,  befand.  Sie  verliess  Asien  niemals.  Unter 
ihrem  Legaten  Funisolanus  Vettonianus32)  machte  sie  den  unglück- 
lichen Feldzug  gegen  die  Parther  mit,  wo  sie  durchs  Joch  gehen 
musste.  Die  Denkmäler33),  welche  man  bisher  von  dieser  Legion 
auffand,  sind  nicht  zahlreich. 

LEG-  III-  CYR-  Die  Legio  ID.  Cyrenaica  befand  sich  bereits 
unter  August34)  in  Aegypteu.     Unter  Nero    kämpfte  sie  gegen    die 

2ß)  Gruter  P.  513,  N.  2,  3.  Orelli  Vol.  II.  p.  83,  N.  3368,  3369. 
2 »  )  Zimmermanns  Zeitschrift   1840.  N.  80.  S.   662. 

28 )  Eckhel  Vol.  VII.   p.  451. 

29 )  Orelli  Vol.  I.  p.  365.  N.  2129. 
3")  Dio  Lib.  LV.  c.  23. 

»»)  Imp.  Orient,  p.  226. 

32)  Tacil.  Annal.  Lib.  XV.  c.  7.  Sext.  Rufus  Brev.  c.  20. 

33)  Gruter  p.  448,  N.  5-  p.  492,  N.  5;  p.  561,  N.  2.  Mural.  T.  I.  p.  315, 
N.  3.  Orelli  Vol.  I.  p.  392,  N.  2273;    p.    398,    N.   2287.    Marini  Frat. 
Arv.  P.  II.  p.  755  et  766.    Cardinali  Diplomi  p.  120,  N    160;  p.  301, 
N.  586.  Morcelli  de  Stilo  Inscr.  Patav.  1822.  Vol.  III.  p.  40.  Kellermann 
Vig.  p.  71,  N.  275. 

3")  Gau     Antiq.  de    la  Nubie  Taf.  XIV.   N,  31.  Gruter  p.  376,    N.    3.   Le- 
tronne    Statue  vocale  de   Memnon.   p.    127. 

30* 


216 

aufrührerischen  Alexandrinischen  Juden.35)  Unter  dein  Lagerpräfecten 
Aeternius  Fronto  stiess  sie  zur  Armee  des  Jernsalem  belagernden 
Titus36)  und  wirkte  bei  der  Eroberung  dieser  Stadt  mit37).  Nach 
einer  Inschrift38)  zog  sie  unter  Trajan  in  den  Partbischen  Krieg. 
Unter  Hadrian  unternahm  sie  einen  Feldzug  gegen  die  Juden39). 
Zur  Zeit  des  M.  Aur.  Antouinus  hatte  sie  ihr  Standquartier  in  Bo- 
stra  in  Arabien40),  wo  sie  sich  noch  unter  Alexander  Severus41) 
und  selbst  zu  den  Zeiten  der  Reichsnotizen42)  befand.  Auf  einem 
Denkmale  Valerians  und  seines  Sohnes  Gallienus  heisst  sie  LEG* 
ffl   KVR-  VALERIANA  GALLIENA43). 

Ueber  die  hier  erwähnten  4  Legionen  sind  zu  vergleichen  Gro- 
tefend,44),  Pauly4*)  und  Pfitzner46). 


3\)  Joseph,  bell.  Jud.  Lib.  II.  c.  18,   8. 

36  )  Jos.  Lib.  V.  c.   1,  6.  VI.  4,  3.  Cf.   Tacit.  Hist.  Lib.    V.  c.   1. 

3  • )  Jos.  Lib.  V.  6,  5. 

3 » )  Oi  elli  Vol.  I.  p.  198,  N.  832. 

3«)  Ibid.  1.  c.  Kellermann  Vig.  p.   67,  N.  247. 

40 )  Boekh  Corpus  Inscr.  graec.  T.  III.     N.  4554  et  4651. 

41 )  Dio  Lib.  LV.  c.  23. 

42 )  Imper.   Orient,   p.  220,  8. 

43  )  Orelli  Vol.  II.  p.  50,  N.  3392. 

14  )  In  Zimmermanns  Zeitschrift    für  die   Altertumswissenschaft   1840,  N. 
79,  80,  81. 

4  5  )  In  dessen  Real-  Enyclopädie  IV.   B.  unter  Legio. 

46  )  In  ßergk's  und  Caesar's  Zeitschr.   für  die  Alterthumsw.  1846.  N.  1.  2.3. 


247 


XXIX.  Denkmal. 
Lambesa. 

NO  MARTIALIA 
NO  LEG  AVG-  PR 
PR  CV  COS  PRAK 
SIDI  IVSTISSIM0 
ET  BENIGNISSI 
M°  G  CALVENTIVS 
IANVARIVS  V 
LEG  III  AVG- 

Publio  Julio  Juniano  Martialiano,  hegafo  Augusti  Proyraefore, 
clarissimo  \iro,  Consulari,  Praesidi  justissimo  et  benignissimo  Gaius 
Calventius  Januarius,  Centurio  Legionis  III.  Augnstae. 

MARTIALIANO.  Die  Lücke  der  ersten  Zeile  lässt  sich  nach 
dem  XXTV.  Denkmal  ergänzen,  da  beide  Inschriften  demselben  Mar- 
tialianas  gewidmet  sind. 

Der  Form  der  Buchstaben  nach  zu  schliessen  gehört  das  Denk- 
mal dem  IV.  Jahrhondert  an:  das  L  ist  gerade  so,  wie  auf  dem 
Pruttinger  Denkmale  S.  184  Tafel  IL  gebildet. 

O  V-  Als  Consularis  and  Vraeses  führt  Martialianus  hier  den 
Titel  clarissimus  vir1^. 


1 )  Notitia  Imper.  p.  15. 


248 


XXX.  Denkmal. 

Lambesa. 

D    FONTEIO  FRONTINIANO 

I   STERTINIO  RVFINO 

LEGATO     AVGVSTORVM 

PRPR-    COS     DESIGNATO 

SEX-  TERENTIVS  SATVR 

NINVS  LEG 

AVGVST 

ftecimo  Fonteio  Frontiuiano  et  Julio  Stertinio  Rufino,  Legato 
Aogustorum  Propraetore,  Consulari  designato,  Sextus  Terentius  Sa- 
turninus  hegatus  Augastorum. 


XXXI.  Denkmal 

Nabal 

M-  AVRELIO  M-  FIL  ARNEN- 
SERANO  CV-  AEDILI  ET  DE 
SIGNATO  Q-  PROVINCI 
AE  CRETAE  CIVILI  PA 
TRONO  TR  P-  P- 

Marco  Aurelio,  Marci  fil/o,  Arnens?',  Serano,  Curat  ort  yiarnm. 
Aedili  et  designato  Qtiaestori  Provinciae  Cretae,  civili  (civitatis?) 
Patrono,  Tribuno?  pecunia  publica. 


219 

XXXII.  Denkmal. 

El-Djem. 

NIO  RVMVO  CV  QVI  THYSDRVM 
EX  INDVLGENTIA  PRINCIPIS  CV 
RATET  COLONIAE  SVFFICIENS  ET 
PER  PLATAEAS  LACVVS  INPERTITA 
DOMIBVS  ETIAM  CERTA  CONDI 
CIONE  CONCESSA  FELICIS  SECV 
LI  PROVIDENTIA  ET  INSTINCTV 
MERCVRII  POTENTIS  THYSDRITA 
NAE  COL  PRAES1DIS  ET  CONSERVA 
TORIS  NVMINIS  DEDICATA  EST 

ex  indulgentia  principis  curata  et    coloniae    sufficiens 

et  per  plateas  lacubus  impertita,  etiam  certa  conditione,  felicis  sae- 
culi  providentia  et  instinctu  Mercurii,  potentis  Thysdritanae  coloniae 
praesidis  et  conservatoris  nominis,  dedicata  est. 

Der  Anfang  der  Inschrift  ist  mangelhaft.     Die  Lorent'sche  Ab- 
schrift, die  ich  hier  gab,  befriedigt  so  wenig  für  eine  verlässige  Er- 
klärung, als  die  des  M.  Pellisier'),  die  so  lautet:  NIORVM  V 
CA  .  .  VE  THYSDRVM. 

Die  Inschrift,  die  sich  an  einer  Wasserleitung  befand,  erhält 
durch  Frontin  de  Aquaeductibus,  besonders  aber  durch  die  Stellen 
c.  94,  98,  100,  103,  105,  106.  Edit.  Bipont.  ihre  Erklärung.  Dem 
Style  nach  dürfte  die  Inschrift  in  das  IV.  Jahrhundert  gehören. 


*)  Revue  archeolog.   1847.  Juillet  p.  273- 


250 


XXXIH.  Denkmal 
Kurba. 


PONTI 

O  HELVIO  O  F  ARN  HONORA 
TO  AEDILI  U  VIRO  .  .  . 
CVRATO  ALIMENT-  DISTRIB 
OB  INSIGNES  LIBERALITATES 
IN  REMPVB-  ET  IN  CIVES 
AMOREM  VIRO  BONO 
COL    FVLVIA  CVRIBIS  DD  PP« 

Pontifici  .  .  .   Vaio  Helvio,  Caji  filio,   Aruensi,  Ho- 

norato,  AedaYa,  Duumviro  .  .  .  Curatora"  alimentär  distribuendis  ob  insig- 
nes  liberalitates  in  rempublicam  et  in  cives  araorem  viro  bono  Colonia 
Fulvia  Curibis,  decreto  Decurionum,  pecunia  publica. 

XXXIV.  Denkmal. 

Nabal 

.. COELIVS   LA  ETI   FIL 

LAETVS  ET 
M     COELIVS    SVLLAE   FIL 

PACATVS  AED 
SVPER  QVAN  TITATEM 
EX  MVLTIS  REDACTAM  ALTE 
RA  TANTA  DE  SVO  EROGATA 
PECVNIA  POSVERVNT 
L   D   D    D- 

.  .  .  Coelius,  Laeti  fila'w?  et  Marcus  Coelius,  Sullae  filius,  Pa- 
catus,  Aediles,  super  qnantitatem  ex  multis  redactam  altera  tanta 
de  suo  erogata  pecunia  posuernnt.  Locus  datus  decreto  Decurionum. 


251 

LAETI  FIL-  Die  Verwandtschaftsangabe  geschieht  hier  nicht, 
wie  gewöhnlich,  nach  dem  Praenomen  des  Vaters,  sondern  nach 
dessen  Cognomen. 

EX  MVLTIS.  Dass  die  Erhebung  und  Verwendung  der  Straf- 
gelder Sache  der  Aedilen  war,  sagt  ein  Denkmal  *")  aus  Nicander  bei 
Aquileja  mit  den  Worten:     AEDILIS   MVLTATIO    ESTO.     Wir 

finden  diese  Gelder  nicht  selten  zur  Errichtung  von  öffentlichen 
Denkmälern  verwendet,  so  sagt  Livius  2),  dass  die  Aedileu  Manius 
Acilius  Glabrio  und  Caius  Laelius  von  den  Strafgeldern  drei  eherne 
Standbilder  der  Ceres,  dem  Liber  und  der  Libera  aufstellten. 

ALTERA  TANTA.  Die  Abschriften  von  Lorent  und  Tein- 
ple3)  lesen  MALIRAT ANIA. 

XXXV.  Denkmal. 

Constantine. 

L  M  A  E  C  I  L  1 
0  P  F  Q-  N  E  P  O 
T  I  FL  P  P  E  Q  P 
EXORNATO 
0  M  N  I  B  V  S  H  0 
NORIBVS     INHlICOL 

FVNCTO 
P     PACONIVS    CERI 
ALIS     AMICO-     OPTI 
MO   ET-  MERENTI  S   P  P 
L    D   D    D- 


')  Orelli  Vol.  I.  P.  432,  N.  2488. 
ä)  Lib.  XXXIII,  c.  25. 

3)  Excursions  in  the  Mediterranean.     Vol.  II,  p.  3Q3.  N.   5. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Alt.  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Abth.  31 


252 

Lucio  Maecilio,  Publii  filio ,  Quinti  nepoti,  Flamini  perpetuo, 
eqwo  publico  exornato,  omnibus  houoribus  in  Quartanorum?  colonia 
functo,  Publius  Paconius  Cerialis  amico  optimo  et  merenti  sua  pe- 
cunia  posuit;  locus  datas  decreto  Decurionum. 

Grösse  des  Denkmals.     4,0  hoch,  2,0  breit. 

XXXVI.  Denkmal. 

Kurba. 

M  APPVLEIO 
P  S  I  L  I  O  C  0  S- 
C  N  D  0  M  I  T  I  0 
MALCHIONI 
DVO  VIR  QVIN 
L  SERTORIVS  AL. .  AN 
L    VITRVVIVS  ALEXAN- 

AED- 
PLVTEVM   PERPETV. 
S  C  H  0  L    A   $     II     I 
.     0  R  0  L  0  G  I  V  .     . 
.      .     M.     M    V   N-     .     . 
.  .  P  .  . 

Marco  Appulejo  et  Publio  Silio  Consulibns.  Cneio  Domitio 
Malchioni,  Duoviro  qumc/uennali ,  Lucius  Sertorius  Alearandrinus  et 
Lucius  Vitruvius  A\exandrimis,  Aediles  pluteura  perpetuum,  scholas 
duas  et  ^orologium  in  usum  nnwicipii  ^ecunia.  .  . 

M  APPVLEIO  P  SILIO  COS.  Die  Errichtung  des  Denk- 
mals fällt  gemäss  des  Consulates  des  Marcus  Appulejus  und  Pub- 
lius Silius  in  das  dritte  Regieruugsjahr  des  Augustus,  733  ni  R.  E.. 
20  Jahre  v.  Chr. 


253 

DVOVIR-  QVIN.  Die  Form  Duovir  für  Duumvir  findet  sich 
auch  anf  andern  Inschriften,  bei  Gruter1),  Muratori2),  Marini 3), 
Orelli  *). 

XXXVII.  Denkmal. 

Tlemsen. 

SEX      COCCEIO     VIBIANO 
PRO  COS  PROVINCIAE  AF 
PATRONO  .  .   M    DD.  PP 

Sex/1«  Cocceio  Vibiano,  Proconsuli  Provinciae  Africae,  Patrono, 
Municipii,  (bene  merenti)  decreto  Decurionum,  pecunia  publica. 

XXXVUI.    Denkmal. 
(Konstantine. 


.  F-  PALAT  STATIO  .  . 
.  NO-  ME  MM  10-  MA  .  . 
.  AVGVSTALI-  LEG  PRPR-  . 
.  CAE  LEG-  LEG  Hill  G  M 
M  I  V  N  I  0  R  V  M-  A  D  I  . 
.  GIONEM  TRANSPAD  .  . 
ANDIDATO  DIVI  HADRIAN 
.  .  .  INIE    XV  VIRVM  STLITIB 

D 

.  .  .  .   ON    PP- 


')  Pog.  445,  N.  5. 

-)  T.  II.  p.  169,  N.   10.  T.  II.  P.  617,  N.  2;  p.  742.  N.  3. 

3)  Frat.   Arv.  P.  I.   52  et  62. 

')  Vol.  II.  P.  192,  N.  3886. 


31 


254 

.  .  .  Filio,  Pal&tina,  Statio  .  .  .  no  Meminio,  Ma  .  .  .  Angu- 
stali,  Ltega/o  Proyraetori  Provinciae  Afric&e,  hegato  Legeonw  XIV 
Geminae  Martiae  Yictricis,  Tribuno  Numeri  Junioram,  Adjutori?, 
Procuratori  per  regionein  Transpadanam,  Candidato  Divi  Hadrian/... 
Quindecim  virornm  stlitibws  judicandis  uni,  Decreto  Decuriomtm, 
pecunia  publica. 

.  .  M.  IVNIORVM.  Die  Ergänzung  von  Numerus  rechtfertigt 
sich  nach  einem  Denkmale  bei  Mari ni1)  Ex  Trib.  Numeri  Juniorum. 

.  .  GIONEM  TRANSPAD.  Die  Regio  Transpadana  findet 
sich  auch  auf  andern  Inschriften  2)  erwähnt. 

.  ANDIDATO  DIVI  HADRIAN.  Ein  Candidatus  Divi  Ha- 
driani  wird  auch  auf  einem  Denkmale  3)  von  Tibur  genannt. 

XV  VIRVM-  lieber  die  Form  Vir  um  ist  Denkmal  II.  S.  189 
zu  vergleichen. 


)  Frat.  Arv.  P.  I.  p.  296. 

)  Gruterp.  890,  N.  14.     Orelli  Vol    1.  p.  392,  IS.  2273.     Vol.  II.  p.  44, 
N.  3143. 

)  Gmter  p.   457,  N.  6. 


255 


XXXIX.  Denkmal. 
Kazareen. 


MILITAVIT    L     ANNIS-    IUI     IN    LEG    II-    AVG- 
LIBRAR     TESSER     OPTIO     SIGNIFER 
F  A  C  T  V  S    EX    S  V  F  F  R  A  G  I  0    LEG    IUI  .  . 
MILITAVIT    y     LEG     II    ITAL     y    LEG     VII    .   .   . 
y    LEG    I    MIN-    y    LEG     X     GEM     y    LEG    II   .    .    . 
y   LEG     III     AVG      GALL -    y    LEG     XXX-     VLP 
y  LEG   VI-  VIC-  y    LEG   III    CYR    y  LEG.  XV    APOL- 
y    LEG     II     PAR     Z    LEG     I     A  DI  VT  R  IC  IS 
CONSECVTVS  OB  VIRTVTEM    IN  EXPEDITIONEM  (sie) 
PARTH1CAM  CORONAM  MVRALEM  VALLAREM 
TORQVESET    PHALARESEGIT1N 
DIEM     OPER  IS     PERFECTI     ANNOS     LXXX 

SIBI  ET 
CLAVDIAE     MARCIAE      CAPITOLINAE 
KONIVGI     KARISSIMAE     QVAE     EGIT 
IN     DIEMOPERIS      PERFECTI 

ANNOS  LXV  ET 
M  PETRONIO  FORTVNATO  FILIO 
MILITAVIT  ANNIS  VI  7  LEG  XVIII  PRIMIG  .  . 
LEG-  II  AVG...  V  I  X  I  T  ANN  XXXV 
CVI  FORTVNATVS  ET  MARCIA  PARENTES 
KARISSIMO     MEMORIAM     FECERVNT 

Marcus  Petronius  Fortunatus,  qui  inilitavit  quinquaginta  an- 
nis,  quatuor  in  Leg/owe  II.  Augnsta  Libranw.y,  Tesserarim,  Optio, 
Signifer  factus  ex  suffragio  Leg/owi.v  IV  Scythicae ,  miütavit  Cen- 
turio  Legionis  II.  ItaMcae,  Centorio  Xjpgioni.%  VII.  Vlaudiae  Ge~ 
minae?,   Centurio    hegionis    1.    m'inerviae,     Centurio    Liegiottis   X. 


2oß 

Geminae,  Centurio  hegionis  EL  Trajanae? ,  Centurio  Legj'om's  III. 
Angustae  GaWicae,  Centurio  hegionis  XXX.  VApiae,  Centurio  Le- 
gionis  VI.  Victricis,  Centurio  hegionis  III.  Cyrenaicae,  Centurio 
Legtom.«  XV.  Apol/m«W.<?,  Centurio  hegionis  II.  P&rthicae,  Centurio 
Leg«om.s  I.  Adjutricis,  consecutus  ob  virtutem  in  expeditione  Par- 
thiea  coronam  muralem,  vallarem,  torques,  et  phaleres;  egit  in  dieua 
operis  perfecti  anuos  LXXX,  sibi  et  Claudiae  Marciae  Capitoiiuae, 
konjugi  karissimae,  quae  egit  in  diem  operis  perfecti  anuos  LXV  et 
Marco  Petronio  Fortuuato,  filio,  qui  militavit  annis  VI  Centurio  hegio- 
nis XVIII.  Primigeniae,  Legtom'sII.  Augustae  et  vixit  anuos  XXXV. 
cui  Fortunatus  et  Marcia  parentes  karissimo  memoriam  fecerunt. 

Die  erste  Zeile  mangelt;  sie  enthielt  den  Namen  des  Vetera- 
nen, der  das  Denkmal  setzte.  Da  dieser  sich  in  der  22  Zeile  mit  sei- 
nem Cognomen  Fortunatus  und  seineu  Sohn  Z.  19.  M.  Petroniux 
Fortunatus  nennt,  so  lässt  sich  wohl  daraus  der  Sehluss  ziehen, 
dass  er  selbst  M.  Petronius  Fortunatus ,  wie  sein  Sohn,  gebeis- 
sen  habe. 

L1BRAR.  Die  Abschrift  bei  Sbavv  J)  liest  LIB.,  die  bei  Tem- 
ple2)  LABRAH,  was  auf  Librarius  führt,  da  ein  Labararius,  Trä- 
ger des  Labarums,  vor  den  Zeiten  Coustantins  nicht  vorkommt. 

MEMORIAM.  Memoria  hat  hier  die  Bedeutung  von  Denkmal. 
Grabmal,  in  welchem  Sinne  es  besonders  auf  Inschriften  späterer 
Zeit,  wie  auf  Deukmal  LX.  und  bei  Gruter3),  Marioi4),  Orelli5), 
Lersch 6)  uud  öfters  vorkommt. 


')  Pag.  227,  N.  8. 
2)  P.  328.  INI.  106. 

')  P.  383,  N.  4;  p.  488,  N.  8  und  Öfter, 
i)  Frat.  Aiv.  T.   II.  p.  513. 
5)  Vol.  II.  P.  296,  N.  4469;  P.  307,  N.  4549. 

c)  Centralmus.  I.     H.    S.    42.      Vergl.    Oberbayer.     Archiv   VI.    B.    2    H. 
S.  226      Bemerk.  4. 


2*     -V 
.1  i 


volvs   .   . 

IVLIVS  G.   .     . 

POMPEIVS  .     .    . 

IVNIVS  RVSI  .    . 

AGRIVS  G.  AI.    . 

HERNIVS  RVCATV  . 

IVLIVS  HONORATV  . 

IVLIVS  DONATVS 

C-  AELIVS  LAVRENNVS 

C   IVLIVS  SIL  VAN  VS 

M    SALLVSTIVS  QVESTOR 

IVLIVS  QVIETVS 

C    AETEREVS  NOVELLVS 


XL.  Denkmal. 
Bainah. 

N     .    .     .    . 
PR  PRAECILIVS 
NAT.  FORTVNATVS 
.  .  NATIVS  MIRO 
C    OCTAVIVS  FELIX 
C-  IVLIVS  DONATVS 
C    GARGILIVS  FELIX 
C   SEMPRONIVS  FELIX 
L    CLOD.  HONORATVS 
C-  APONIVS  SATVRNINVS 
P    PERILLIVS  FELIX 
L    SEMPRONIVS  VICTOR 
M   IVLIVS  CINNIVS 
M   M-  AT  ROMAN  VS 
C    SERGIVS  CATERVANVS 
M-  LAETOR   BELLICVS 
L    AVFIDIVS  HILARIVS 
Q-  IVLIVS  FLORVS 
C   IVLIVS  FELIX 
L    EQVITIVS  FELIX 
M    VALERIVS  FELIX 
C   MVMIVS  LICINIVS 
C   IVLIVS  FRONTO 
Q   IVLIVS  AFRICANVS 
C    IVLIVS  GERMANVS 
C   IVL    MONIMVS 


C 


L  .  .  CR  .  .  . 
C  FVLVI-  IAN  .  . 
C  AMVL  MAX.  . 
M  CAELIAN  VAR 
Q    SEMP   FELIX 

P   AEM  MACRIXVS 

L;  VAL-  AVARVS 

C.  IVL.  LONGIXIAN 

M   ANT-  SILVANVS 

T   FL   ALEXANDER 

C-  PVBL    SEPTIMIVS 

C  IVL   HONORATVS 

C   FVLLON-  ANTONTN 

C.  RVPIL    ROGATANVS 

M   VLPIVS  ASCLA 

C.  PASS   CLARVS 

Q-  AVREL   PROCESSVS 

T-  EL   FLACCIANVS 

C-  MARTIVS  ELEPHAS 

L    CORNELIVS  CATO 

M   VALERIVS  SPERATVS 

L'  AEMILIVS  CALINVS  COR 

L    FLAVIVS  SVRVS  ACT    LEG' 


Die  obenstehendeii  Namen  befinden  sich  an  3  Seiten  der  die 
Armlehne  bildenden  2  Säulen  einer  halbkreisförmigen  marmornen  Ruhe- 
bank von  4,25  Höhe  und  0,95  Radius,  deren  Mittel  wand  die  Denk- 
mal XXI  gegebene  Inschrift  enthält. 


258 


D.   Grabdenk maeler. 

XLI.  Denkmal. 

Setif. 

D  M-         S 

M       DAMATIVS 

V  R  B  A  N  V  S 
S    V    M    A    R    V    M     A  R  T  I 

V  M  L  I  B  E  R  A  L  I  V  M 
LITERARVM    STVDIIS 

V  T  R  I  V  S  Q  LINQVAE 
PERFECTE  ERVDITVS 
OPTIMA  FACVNDIA 
PRAEDITVS  V  A-  XXII 
DIES  VII   H   S-  E   Villi  K    OCTOBR 

A    P  CLXXXX 
M     DAMAT     FELIX-     PATER    PIVS 
FECIT 

Diis  Manibus  sacruni.  Marcus  Damatius  Urbauus  summarum 
artium  et  liberalium  literarom  studiis  utriusque  linguae  perfecte  eru- 
ditus,  optima  facundia  praeditus,  vixit  anuos  XXII,  dies  VII;  hie 
sepulfus  est  nono  kaleudas  Octobres  anno  Provinciae  centesimo  no- 
nagesimo.    Marcus  Damatius  Felix,  pater  pius  (ejus)  fecit. 

A.  P.  CLXXXX.  Die  auf  uuserm  Denkmale  angegebene  Zeit 
des  Todes  des  Marcus  Damatius  Urbanus  fällt  auf  den  24.  Sept. 
des  Jahres  148  n.  Chr.  und  des  J.  190,  seit  Mauretanien  zur  rem. 
Provinz  gemacht  wurde,  worüber  Denkmal  XI.  S.  193  zu  ver- 
gleichen ist. 


259 


XLII.  Denkmal. 


Seif. 


D      6     M 
Q      D   0 

TI   6   VS 


*      S     tf 
:■    M  I    $ 

o    SA   6 


TVR  <^  NI  £   NVS 


c? 


9 


C? 


xxxxv 


DiV*  Manibus  sacrutn. 


XLHI.  Denkmal. 

Batnah. 

C     ANTONIVS 
MATERNVS 
DOMO  CLVNIA 
Z  LEG   ITT  AVG 
HIC  SITVS   EST 


Caius  Antonius  Maternus  domo 

Clunia ,    Centurio    hegionis    III. 
Quintus    Domitius    Saturninus,       .  .         ¥¥. 

,  *  Augustae.     Hie  Situs  est. 

vixit  &nnos  XLV. 


XLIV.  Denkmal. 

Batnah. 

L  OCTAVIVS 
L  F  ARN  SCAE 
VA  VIXIT  ANNOS 
MENSES  VIII.  D. 
XXI     F     PATER 


XLV.  Den  kmal. 

ge'tif. 

D      M      S 
FORTVNATVS 
O  V  I     ET     D  A  C  V  S 
V   A   XXO   M   X  D   XX- 
H-     0     T     B     Q 


Liucius  Octavius,    Lucii  filius,  Dm-    Manibus    sacrum.     For- 

Arnensi,  Scaeva,  vixit    annos  .  .  .  tunatus ,    qui    et    Daeus ,     vixit, 

menses   VIII.,   dies    XXI.,    fecit  annos  XXII.,  menses  X.,  diesXX. 

pater.  Hie  ossa  tun  hene  qiuescanf. 


Abhandlungen  d.  I.  Kl    d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  II.  Ahthl. 


32 


260 


s 

E 

V 

s 

V 

N 

I 

0 

s- 

E- 

XLVI.  Denkmal. 
Kazareen. 
M-     F     L     A    V    I    V    S 
CVNDVS     FILI 

F  E  C  I  T 
I-  FLAVIO  SEC 
DO  P  A  T  R  I  P 
VIXIT  ANN.  CXII  H 
FLAVIAE  VRBANAE 
MATRI  P  I  A  E  V  I  X- 
ANN-  C  V-  H-  S-  E- 
ET  SECVNDAE  SO 
R  0  R  I  VA  XXn  H  S  E- 
ET  MARCELLO  FRA 
TRI  P  V-  A-  XX-  H  S-  E 
FL.  MARTI  ALI  FRATR- 
MILIT-  A  XH-  V-  A  XXXV  H-  S-  E- 
FLSPERATAE  SORO 
R  I  P  V  A  XXXVIII  H  S  E 
AEMILIAE  SEX-  FIL 
PACATAE  VXORI  PIAE 
FLAMINICAE  PERP- 
V  I  X-  ANN  LIII  H  S  E 
T  FLAVIVS  T  FILIVS 
PAP  SECVNDVS  IPSE 
FLAMEN  PERP  V  I X- 
AN  L  X.  H  S  E. 
FL-  T  FILIAE  PACATAE  FLA 
MINICAE  PERP.  COL-  THE 
LEPT  FILUE  N  LIBERA  MA 
TER  STATVAM  POSV1T 
V-  A  XV-  M-  X-  H-  S-  E- 
...FRAT  ET  SECVNDI 
VXOR  PIA  VIX-  AN-  LXXXVUI  H  SB- 


261 

Marcus  Flavius  Secundus  filius  fecit  Jnlio  Flavio  Secundo  pa- 
tri  pio,  vixit  annos  CXII.  Hie  situs  esf.  F'laviae  Urbauae  matri  piae, 
vixit  annos  CV.  Hie  sita  esf  et  Secundae  sorori,  vixit  aimosXXII. 
Hie  sita  est  et  Marcello  fratri,  nie  vixit  annos  XXII.  Hie  situs  est. 
Ylavio  Martiali  fratri,  mWiUivit  annos  XII,  vixit  annos  XXXV.  Hie 
situs  est.  Wlaviae  Speratae  sorori,  nie  vixit  annos  XXXVIII.  Hie 
sita  est.  Aemiliae,  Sexti  üliae,  Pacatae  uxori  piae,  Flaminicae  per- 
netuae,  vixit  annos  IAH.  Hie  sita  est.  Titus  Flavius,  Titi  filius, 
Vapiria,  Secundus,  Ipseus?,  Flamen  nernetuus,  vixit  anno*  LX. 
Hie  situs  est.  Flaviae,  Titi  filiae,  Pacatae,  Flaminicae  nernetuae 
coloniae  Thevestes  et  Lepü'??,  filiae ,  TSumeria  (ISumisia)  Libera, 
mater  statuam  posuit ,  vixit  annos  XV.,  menses  X.  Hie  sita 
est  ....  Secundi  .  .  uxor ,  pia  vixit  annos  LXXXVIII.  Hie 
sita  est. 

Die  Abschrift  des  Denkmals  bei  Temple~)  liest  Z.  5.  PA- 
TRITIO  für  PATRI  PIO  u.  Z.  15.  PATILA  für  MILIT-  A 

XLVII.  Denkmal.  XL VIII    Denkmal. 

Setif.  Se'tif. 

?■  AELIVS    P    FIL-    PAPIRIA  IVLIAE     MAIORI 

SATVRNINVS  OMNIBVS  SPONSAE    ACMARI 

HONORIBVS     FVNCTVS  TE     RARISSIMAE 

V-    A     LH-    H     S-   E-    IVLIA  P-   OCTAVIVS  LAE 

VICTORINA    MARITO  RARISSIMO  TVS     FLAM*     COL1 

A   P  CLXXXXI  P     P        FECIT 

Publius  Ae\\üs,l?ublii  filius,  Pa-  Juliae  Majori  sponsae  ac  ma- 

piria,  Saturninus ,   omnibus  liono-      ritae  rarissimae  Publius  Octavius 


*)  F.xcursions  in  the  Mediterranean.     Vol.   II.  p,   330.  N.  108. 

32* 


262 


ribus  functus ,    yixii  sumos   LH.      Laetus,    Flamen    coloniae,    uer- 
Hic   situs    est.      Julia   Victorina      tuus  fecit. 
marito  ranssimo,  Anno  Vrovinciae 
centesimo   nonagesimo  primo 
(p.  Chr.  149.) 

XLIX.  Denkmal. 

Lambesa. 

D      M      S 

.   .   VRIAE    PROCIL 

V1XIT  ANNIS    LXX- 

.CORNELIVS 

FLACCVS  MILES 

LEG   IIF  AVG    P    V 

MATRI AMAN 

TISSIMAE  FECIT 

FECIT 

Dm*  Manibus  mcriini.  Vetuv\ü,e  Diis  Manibus    sacrum.     Cajo 

VrocWlae  ,    vixit    annis    LXX  .  .      Julio    Publicoui,   vixit   anwos  L 
Cornelius  Flaccu.s,  miles   Legio-      Julius  Donatus  patri  fecit. 
nis  III.    Äwgustae   niae  xindicis, 
jnatri  ainantissimae  fecit. 


L 

.  Denk 

Setif 

ma 

1. 

D      M- 

S- 

C- 

I  V  L  I  0 

P 

V  B  L 

I 

C 

0   N 

I 

V      A 

L 

I 

V    L- 

D 

0 

N 

A    T 

V 

s 

P 

A    T 

R 

I 

F 

E    C 

I 

T 

263 


LI.  Denkmal. 

El  Kaitiara. 

D      M      S 
THEMARSA 

I     HAR1ANI     <$     PATRI 

MERENTI   V  I X    ANN 

IS  LXXX    FECIT  HARIAN 

THEMARSA    FILIVS 

Diis  Manibus  sacrum.  The- 
mars/te,  Hariani  filio,  patri  me- 
renti,  vixit  annis  LXXX,  fecit 
Hariauius  Themarsa  filius. 

Das  Denkmal  bildet  eine  Tod- 
tenkiste  0,50  hoch ,  0,98  lang, 
0,45  breit.  Die  ersten  2  Zeilen 
stehen  auf  dem  Deckel. 


LH.    Denkmal. 

El  Kaitiara. 

D  M  S- 
1IERENI  RVFIL 
LAE  MATR1  VIX 
ANN1S  LX  FECIT 
MERENTI  HARI 
THEMARSA  FI 
LIVS    M  A  1 0  R 

Y)iis  Manibus  sacrum.  Heren- 
ni«e  Rufillae  matri,  \ixit  annis 
LX.  fecit  merenti  Harianim  The- 
marsa filius  major. 

Eine  Todtenkiste  0,50  hoch, 
0,98  lang,  0,45  breit.  Die  4  er- 
sten Zeilen  befinden  sich  auf  dem 
Deckel. 


LUI.    Denkmal. 

Consta  iti  ine, 

A  POMPE10 
M  FIL-  QVIR  MA 
RITIMIANO 
L-    NAEVIVSLI 

B  O    P  A  T  R  V  V  S 

Aulo  Pompejo,  Marci  Mio,  Qui- 
rina,  Maritimiano,  "Lucius  Nae- 
vius  Libo  patruus. 


LIV.  Denkmal. 

Comtantine. 

A      POMPE 
IVS    A-    FIL 

QVIR 
M   A   R  I   T  I 
M  I  A  N  V  S 

Atilus    Pompejus,    Auli   ixMus, 
Qmriua,  Maritimianus. 


264 


Die  Namensform  Maritimianus  ist  von  dem  öfters  vorkommen- 
den Cognomen  Maritimus  gebildet,  wie  Martialianus,  Denkmal  XXIV. 
und  XXIX.  von  Martialis. 


LV.   Denkmal. 

Se'tif. 

D-     M-     S 
M    VLP-   VRBA 
NVS  V    A    XXXII 
H     S     E 


LVI.    Denkmal. 
Setif. 

D     M     S- 
M     VLP     VRBA 
NVS IVNIOR 
V-  A-  IIA    M    V 

H-     S     E 


Bits  Manibus  sacrum.  Marcus  ftns  Manibus  sacrum.   Marcus 

Ulpw*     Urbanns  ,     vixit     smnos      Ulpms    Urbanus  ,   junior ,     xixit 

annoslV.  menses  V.  Hie  situs  est. 


XXXEL   Hie  situs  est. 


LVII.  Denkmal. 

IWi-Bu-Ilif. 

D-    M-    S 
OPPIO  ASARCIO  OPPI FII/  VIX  AN  XL- 
ME  MMIA  VENE  RIA  CONIVGI  MAE  (sie) 
RENTI  VNA  CVM  P-  TRERIO  HO 
NORATO     PARENTE     FECIT 

Diis  Manibus  sacrum.  Oppio 
Asarcio,  Oppi  fih'o  ,  yixit  anno« 
XL.  Memmia  Veneria,  conjugi 
merenti,  una  cum  Publio  Trebio 
Honorato  pareute  fecit. 


LVIU.   Deukmal. 
Setif. 

D     M     S- 
CAE      VALEN 
TINVS   VIX     AN.  VII- 
CAE-    IANVARIVS    FIL 
R    A    R    I   S   S    I   M  0 

H-     S      E- 

Diis  Manibus  sacrum.  Caelius 
Valentinus  yixit  annos  VII.  Cae- 
lius Jauuarius  ,  fih'o  rarissimo. 
Hie  situs  est. 


265 


LIX.    Denkmal. 

Setif. 

D  M 

A  V  R  E  L  I  A 
PRIMA  V  I  X- 
A  N  XL  VIII 
EVTYCHES 
G  E  N  E  R  E  T 
SATVRNIA  N 
FLA-  MATRI 
PIISIMAE  FE 
CERVNT  ET 
DEDICAVERVNT 

Diis  Manibus.  Aurelia  Prima 
yixit  annos  XLVIII.  Eutyches 
gener  etSaturniam/s  Flamen  matri 
piissimae  fecerunt  et  dedica- 
verunt. 


LX.   Denkmal. 

Setif. 

(Monogramm  Christi.) 
M-  CALVARI  IN  PACE 
VIXIT   ANIS   T  R  ES 

A  I)     A     S   P 
CVI     MEMORIA     FE 
CIT  M    ARIMANVS  AVVS 
CVM  ADVTORE  FILIO  SVO 
AN  P  DXXXXVI  ? 


Marci  Calvari  in  pace,  vixit 
annis  tres,  ante  diem...  sepultus, 
cui  memoria//»  feeit  Marcus  Ari- 
manus  avas  cum  adjutore  filio 
suo  anno  Provinciae  DXXXXVI.  ? 
(p.  Chr.  504.) 


LXI.    Denkmal. 

Mudhar     Waled   Ayar. 

C   VERRIVS  ROGATVS  0    QVINTILI  FIL-  FL-  PP   III    VIR 
OMNIBVS  HONORIB    FVNCTVS  PIE   VIX-  AN    LXV- 

H-     S-     E- 

Caius  Verrius  Rogatus,  Qainti  Quintili  filius,  Flamen  perpetuns, 
Triumvir,  omnibus  honor'ibus  functus  pie  yixit  annos  LXV.  Hie 
situs  est. 


266 


P 
R 


0 
0 


LXII.  Denkmal. 
Constantine. 

0    M    P    E    I 

E    S    T    V    T 

IVDEO 

POMPEIA     CARA 

PATRI     CARIS 

SI  M  0 

FECIT 

Pompejo  Restituto  Judaeo  Pom- 

peja  Cara  patri  carissimo  fecit. 


LXIH.  Denkmal. 

Tlemsen. 

D  M-  S- 
IVL  CECILIA  VIX 
ANNIS  LI  MIX  CVI 
VIR  ET  FILII  FEC  DO 
MVM  ETERNAL 
A  P      CCCCLXXXVII 

Djis  Manibus  sacrum.  Julia 
Caecilia  \\xit  annis  LI.,  menses 
IX.,  cai  vir  et  filii  fecerunt  do- 
inum  aeterualem  autio  Vrovinciae 
CCCCLXXXVU.  (p.  Chr.  445.) 


LXIV.    Denkmal. 


An 


eiw. 


SEXCORNELIO- 
SEX    F  1  L     Q  V  I R-    HO 
N  0  R  A  T  0      PONT 
MI  LIT    EQVESTRIB 
EXORNATO    PROC 
SEXAGENARIO- 
PROC-     MESOPOTA 
MIAE    ET  MAV    EX  TES 
T  A  M  E  N      E  I  V  S  D  E  M 
M     CAECIL      CAECI 
L  1  A  N  V  S    H  E  R  E  S 

Sexto  Cornelio,  Sex//  f\\io,  Quirina.  Honorato,  Pontifta,  mili- 
tiis  equeslribi/.y  exornato,  Vvocurafori  sexagcnario,  Procuratori  Meso- 
potamiae  et  Mauretaniae ,  ex  testamenfo  ejusdem  Marcus  Caecil?M.v 
Caecilianus  heres. 


267 

LXV.  Denkmal. 

Tlemsen. 

D     M      S 
Q      MARCO    RVS 
TICO    FERRO    PE 
TITO    QVl    VIXIT 

ANN  XXXIII 
M  HI  D  XXI  H  V 
MAECII  AFRI 
KANVS  ET  DO 
NA  T  VS  F  R A 
TRI  INNOCEN 
TISSIMO 

Diis  Manibus  sacrum.  Quinto  Marco  Rustico  ferro  petito,  qui 
vixit  annos  XXXIII,  menses  III,  dies  XXI,  horas  V,  Maecii  Afri- 
kanin et  Donatus  fratri  innocentissimo. 

Q.  MARCO.  M.  Hase1)  glaobt  nach  M.  Lebas2)  Vorgang,  für 
Marco  Maecio  lesen  zu  müssen;  allein  dass  eine  und  dieselbe  Per- 
son 2  Vornamen  führt,  ist  besonders  in  späterer  Zeit  nicht  selten. 
Marini3)  hat  über  diesen  Fall  mehre  Beispiele  gesammelt.  Da  die  bei- 
den Brüder  des  Rusticns  sich  Maecii  nennen,  d.  i.  der  Familie  der  Mäcier 
angehörig,  so  konnte  dieser  Gentilname  bei  Rusticus  füglich  wegbleiben. 

FERRO  PETITO.  Der  Ausdruck  ferro  peti  weist  auf  einen 
Tod,  den  jemand  von  Mörderhand  oder  in  dem  Amphitheater  erlei- 
det, hin,  was  auch  der  Ausdruck  innocentissimo  zu  bestätigen  scheint. 


*)  Journal  des  Savants  1837  Juliet  p.  430. 

2)  Journal  general  de  l'Instruction  publique  du  7  aoüt  1836. 

s)  Frat.  Arv.  p.  234  XLVHI.  Cf.  p.  162,  354,  672,  677,  735. 

Schluss  der  ersten  Abhandlung. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  lt.  Ak.  d.  Wiss    V.  Bd.  II.  Ablli.  33 


Inhalts -Verzeichniss  der  röin.  Denkmäler. 


I.  Römisch-bayeriche  Denkmäler. 

Seite. 

I.  Tabula  honestae  missionis  von  den  beiden  Kaisern  Philippus 
dem  Praetorianer  Marcus  Braetius  Justinus  i.  J.  248.  ertheilt  (mit 
Facsimile) .        171 

II.  Volivdenkmal  für  die  Victoria,  im  J.  312.  am  29.  Juni  zum  Wohle 
der  Kaiser  Maximin,  Constantin  und  Licinius  wegen  eines  Sieges 
errichtet.    (Mit  Abbildung) 184 

II.  Denkmäler    aus  Algerien. 

A.  Denkmäler  zur   Verehrung  der  Götter. 

1.  Denkmal.  Gelübdestein  für  Pluto  und  Ceres  von  Quintus  Numerius 

Marinus.   In  Setif  befindlich 188 

II.  Denkmal.  Gelübdestein  für  Merkur  von  Marcus  Aurelius  Aemili- 
anus.    In  Diana  (Taggou-Zainah) , 189 

III.  Denkmal.  Gelübdestein  für  Diana  Maurorum  von  Lucius   Mami- 

lius  Castus  und  Lucius  Aemilius.    In  Setif :     .        191 

IV.  Denkmal.  Gelübdestein  für  Mars  Victor  von  Marcus  Ulpius  An- 
dronicus.  In  Setif 192 

V.  Denkmal.  Tempelaufschrift  für  Aesculap  und  Salus.,  von  den  Kai- 
sern Marcus  Aurelius  Antoninus  und  Lucius  Aurelius  Verus.  In 
Lambesa 193 

VI.  Denkmal.  Gelübdestein  für  Janus  Pater  von  Marcus  Aurelius  Fe- 
lix.  In  Diana 193 


269 

Seite. 
VII.  Denkmal.  Gelübdestein  für  Saturnus  von  Lucius  Julius  Paetus. 

In  Setif 194 

VIII.  Denkmal.     Gelübdestein    für  die    Victoria  von  Decimus  Fonte- 

jus  Frontinianus  und  Marcus  Cossinius 195 

IX.  Denkmal.  Gelübdestein  für  die  Victoria  von  Marcus  Longejus 
Silvanus.  In  Setif 196 

X.  Denkmal.    Gelübdestein  für  die    Virlus  von  Marcus  Ulpius  Avi- 

tus,   nach  Beschluss  der  Decurionen.   In  Setif       ......        196 

XI.  Denkmal.  Gelübdestein  für  die  Dea  coelestis  und  Mercurins  von 
Cajus  Julios,  errichtet  im  J.  196.  der  Provinz  Mauretanien,  154 
n.  Chr 197 

XII.  Denkmal.  Gelübdestein  dem  Genius  von  Lambesa  für  das 
Wohl  der  Kaiser  Septimius  Severus  und  Caracalla  und  der  Ju- 
lia Domna,  von  Quintus  Anicius  Faustus  gewidmet  und  errich- 
tet von  Lucius  Balbius  Faustanus.  In  Batnah        200 

XIII.  Denkmal.  Gelübdestein  dem  Genius  der  Legio     IH.Augusla  Pia 

Vindex  für  das  Wohl  der  Kaiser  Sept.  Severus  und  Caracalla, 
sowie  der  Julia  Augusta,  von  Afranius  Paetus  errichtet,  und 
gewidmet  von  Quintus   Anicius  Faustus.      In  Batnah        ....        205 


B.  Denkmäler  zur  Ehre  der  Kaiser. 

XIV.  Denkmal.   Denkstein   für  den  Kaiser  Nerva  Trajanus,   errichtet 

nach  dem  Beschlüsse  der  Decurionen  im  J.   HO  n.Chr.  In  Setif       206 

XV.  Denkmal.  Denkstein  für  den  Kaiser  Antoninus  Pias,   vom  J.  138 

nach  Beschluss  der  Decurionen.  In  Diana 207 

XVI.  Denkmal.  Denkstein  für  den  Caesar  Marcus  Aurelius,   nach  ei- 
nem Beschlüsse  der  Decurionen  im  J.   145?  errichtet.   In  Diana       20$ 

XVII.  Denkmal.  Denkstein  für    den  Kaiser    Antoninus  Pitts    von    Lu- 
cius Petronius    Januarius  im  J.   156.  n.   Chr.  errichtet.  In  Setif         209 

XVIII.  Denkmal.     Denkstein  für  den  Kaiser  Antoninus  Pitts  von  Cajus 

33* 


270 

Seite. 
Julius  Cnesianus   nebst  einer  Bildsäule  im  J.   163?  errichtet    In 
Diana 210 

XIX.  Denkmal.  Denkstein  für  den  Kaiser  Sept.  Severus  und  seine 
Söhne  Caracalla  und  Geta,  im  J.  208.  n.  Chr.  von  Marcus 
Caesius  Begianus  errichtet.  In  Setif 212 

XX.  Denkmal.  Denkstein,  ehrend  das  Andenken  der  Julia  Domna. 
des  Sept.  Severus  und  Caracalla,  von  der  Stadt  Cirta  im  J.  202 
errichtet.    In  Constantine 214 

XXI.  Denkmal.  Denkstein  zum  Andenken  an  die  Ausschmückung  der 
Schola  der  Optionen  unter  dem  Quaestor  Lucius  Egnatius  Myro. 

In  Batnah 227 

XXII.  Denkmal.  Denkstein  für  den  Kaiser  Flavius  Valerianus  Con- 
slantinus,   im  J.  315  n.  Chr.  errichtet.   In  Setif 228 

XXIII.  Denkmal.  Denkstein  für  den  Caesar  Publ.  Com.  JAcinius  Valeri- 
anus, den  Sohn  des  Kaisers  Publ.  Licinius  Gallienus,  von  der 
Colonia  Nei  viana  Augusta  Martiana  Veleranorum'  Sitifensium,  nach 
einem  Beschlüsse  der  Decurionen  errichtet.  In  Setif     ....        230 

('.  Denkmäler,  zur  Ehre   von  Militärpersonen   und   Civilbeamten 

errichtet. 

XXIV.  Denkmal  Denkstein  zur  Ehre  des  Publius  Julius  Juniamis 
Martialianus  von  der  Stadt  Cirta.  nach  dem  Beschlüsse  des  Se- 
nates daselbst.  In  Constantine 234 

XXV.  Denkmal.  Denkstein  für  Marcus  Coculnius  Quintilianus  von 
Florus,  des  Labeao  Sohn,  nach  Beschluss  der  Decurionen  in  Cirta 
errichtet.  In  Constantine 236 

XXVI.  Denkmal     Denkstein    dem  Lucius  Julius    Victor  Modianus  von 
Junius   Vindex  und  Diotimus.  errichtet.   In  Constantine        .     .     .       237 

XXVII.  Denkmal.  Denkstein  für  Marcus    Valerins  Maxiinianus  von  Re- 

frius  Maximus  errichtet.     In  Lambesa 238 

XX\  III.  Denkmal.    Denkstein    für   Publius    Julius    Geminius   Marcianus 

von     .   .   .  urmius    Felix    nach  dem    Beschlüsse  der  Decurionen.        240 
In  Constantine        


271 

XXIX.  Denkmal.  Denkstein  für  Publius  Julius  Junianus  Martia- 
lianus  von  Gaius  Calventius  Januarius.    In  Lambesa      .     .     .       247 

XXX.  Denkmal.  Denkstein  für  Decimus  Fonteius  Frontinianus  und 
Jul.  Stertinius  Rufus  von  Sextus  Terentius  Saturninus.  In 
Lambesa 248 

XXXI.  Denkmal.    Denkstein  für  Marcus  Aurelius  Seranus.  In  Nabal       248 

XXXII.  Denkmal.  Denkstein  zur  Erinnerung  an  die  Zutheilung  von 
Trinkwasser  für  die  Bewohner  der  Stadt  Thysdrus.  In  El 
Djem 249 

XXXIII.  Denkmal.  Denkstein  für  Caius  Helvius  Honoralus,  nach  Be- 
schluss  des  Senates  der  Stadt  Fulvia  Kurubis      .....       250 

XXXIV.  Denkmal.  Denkstein,  den  Coelius  Laettts  und  Marcus  Coelius 
Pacatus  aus  Strafgeldern  nach  dem  Beschlüsse  der  Decu- 
rionen  errichten  Hessen.     In  Nabal     .      .     .     .' 250 

XXXV.   Denkmal.  Denkstein  für   Marcus  Maecilius  von  Publius  Pa- 

conius  Cerialis,  nach  Beschluss  derDecurionen.  In  Constantine        251 

XXXVI.  Denkmal.  Denkstein  für  Cnejus  Domitius  Malchio  von  den 
Aedilen  Lucius  Sertorius  und  Lucius  Vitruvius  aus  Alexan- 
drien,  wegen  Herstellung  eines  Pluteums,  einer  Schola  und 
eines  Horologiuras  errichtet,  während  des  Consulates  des 
Marcus  Appulejus  und  Publius  Silio.  Im  J.  20  n.  Chr.  In  Kurba       252 

XXXVII.  Denkmal.  Denkstein  für  Sextus  Cocceius  Viöianus,  als  Patro- 
nen des  Municipiums,  nach  Beschluss  der  Decurionen.  In 
Tlemsen 253 

XXXVIII.  Denkmal.  Denkstein  für  Statins  .  .   .  Memmius,  nach  Beschluss 

der  Decurionen.    In  Constantine 253 

XXXIX.  Denkmal.  Denkstein,  den  Marcus  Petronius  Fortunatus  sich, 
seiner  Gattin  Claudia  Marcia  Capitolina  und  seinem  Sohne 
Marcus  Petronius  Fortunatus  errichtete.  In    Kazareen  .     .     .       255 

XL.  Denkmal.  Denkstein,  die  Namen  von  Soldaten,  die  zur  Er- 
richtung der  Schola  (Denkmal  XXI.)  Beiträge  lieferten  ent- 
haltend. In  Batnah 257 


272 

D.  Grabdenkmäler. 

Seite. 
XLI.  Denkmal.  Grabstein  für  Marcus  Damatius  Urbanus  von  seinem 
Vater  Marcus  Damatius  Felix,  am  24.  Sept.  im  J.   190  der  Pro- 
vinz Mauretanien,    148  n.  Chr.,    errichtet.   In  Setif       ....       258 

XLII.  Denkmal.   Grabstein  für  Quintus  Domitius  Saturninus   In  Setif       259 

XLIII.   Denkmal.  Grabstein  für  Caius  Antonius   Matemus.    In  Batnah       259 

XLIV.  Denkmal.    Grabstein  für     Lucius    Octavius    Saeva.  In  Batnah       259 

XLV.   Denkmal.  Grabstein  für  Fortunatus ,    auch  Dacus  genannt.    In 

Setif 259 

XL  VI.  Denkmal.  Grabstein,  den  Marcus  Flavius  Secundus  für  die 
nachgenannten  Glieder  seiner  Familie  errichtete  :  Für  Julius 
Flavius  Secundus,  Flavia  Urbana,  Secunda,  Marcellus,  Flavius 
Martialis,  Flavia  Sperata,  Aemilia  Pacala,  Titus  Flavius  Se- 
cundus, Flavia  Pacata.    In  Kazareen     .  •  .  260 

XLVII.  Denkmal.    Grabstein  für  Publius  Aelius  Saturninus  von  Julia 

Viclorina  errichtet  im  J.   149.  In  Setif 261 

XLVIU.  Denkmal.     Denkstein  für  Julia  Major,    von    Publius    Octavius 

Laetus  errichtet.  In  Setif 261 

XLIX,  Denkmal.  Grabstein  für    Veluria  Procilla ,  von  Cornelius  Flac- 

cus.  In  Lambesa      .     . 262 

L.  Denkmal.  Grabstein  für  Caius  Julius  Publico,  von  Julius  Do- 

natus.  In  Setif ,     .     .     .       262 

LI.  Denkmal.     Grabstein  für  Themarsa ,     von  Harianus  Themarsa. 

In  El  Kantara 263 

LH.  Denkmal.      Grabstein  füs  Herenia    Rufilla,    von    Harianus  The- 
marsa. In  El  Kantara 263 

LIII.  Denkmal.   Grabstein  für  Aulus  Pompejus  Marilimianus  von  Fla- 
vius Naevius  Libo.    In  Constantine 263 

LIV.  Denkmal.  Grabstein  für  Aulus  Pompejus  Maritimianus.   In  Con- 
stantine       . 263 

LV.  Denkmal.  Grabstein  für  Marcus  Ulpius   Urbanus.  In  Setif  .     .       264 


273 

Seite. 
LVI.   Denkmal.      Grabstein  für  Marcus    Ulpius  Urbanus  Junior.    In 

Setif .      264 

hyil.   Denkmal.  Grabstein  für  Oppius  Asarcius,  von  Memmia  Veneria 

und  PubliuS  Trebius  Honoratus.  In  Vedi-Bu-Ilif 264 

LVHI.  Denkmal.     Grabstein   für   Caelius    Valentinus ,  von  Caius  Cae- 

lius  Januarius.  In  Setif 264 

LIX.  Denkmal.  Grabstein  für  Aurelia  Prima,  von  Eutyches  und  Sa- 

turnian.  In  Setif. 265 

LX.  Denkmal.  Grabstein  für  Marcus  Calvarius  von  Marcus   Arima- 

nus.      In  Setif 265 

LXI.  Denkmal.  Grabstein  für  Caius  Verrius  Rogatus.  In  Mudbar  Wa- 

led  Ayar 265 

LXII.  Denkmal.     Grabstein   für  den   Juden  Pompejus  Restitutus,  von 

seiner  Tocbter  Pompeja  Cara.  In  Constantine     ......        266 

LXIII.  Denkmal.  Grabstein  für  Julia  Caecilia,  der  ibr  Gatte  und  Sohn 

das  Grabmal  im  Jahre  445  p.  Chr.  errichtete.      In  Tlemsen  266 

LXIV.  Denkmal.  Grabstein  für  Sextus  Cornelius  Honoralus ,  von  sei- 
nen Erben  Marcus  Caecilius  Caecilianus  errichtet   In  Arzew     .       266 

LXV.  Denkmal.  Grabstein  für  Quinlus  Marcus  Ruslicus,  von  seinen 
Brüdern  Maecius  Afrikanus  und  Maecius  Donatus  errichtet. 
In  Tlemsen 267 


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Cor  rigenda. 


Pag.  4  Hn.  8  lege:  aut  excusatam  pro  aulexcus.  —  P.  5  1.  7  lege:  prae- 
sesserit  pro  processit.  —  P.  6-  1.  18  adde:  „Aocu  post  Facit,  —  P.  8  1.  28 
lege:  parat  pro  parant.  —  P.  9  1.  23  lege :  vrtrjosoiav  pro  bnaorjolav.  - —  P.  11 
1.  20  dele  pro.  —  P.  11  1.  29  lege:  induantur  pro  indueantur.  — P.  12  1.  21 
lege:  trimetrorum  pro  trimeticorum.  — •  P.  13  1.  7  lege:  d'io&rjuaoi.  —  P.  15 
1.  12  lege:  xe  pro  re.  —  P.  16  1-  18  scribe:  qui  a  pro  quia.  —  et  debuil 
pro  debui.  —  P.  18  1.  5  dele  infra.  —  P.  22  1.  10  lege:  fere  pro  seu.  — 
P.  24  1.    15  lege:   al'ow^  pro  a?w.  —  P.   24  1.    17  lege:  779  pro  767.  —  P  24 

I.  24  lege:  deprompta  pro  depromti.  — ■  P.  27  1.  1  lege:  tcq£V{ievwq  pro  noev- 
(.izvvjg.  —  P.  27  1.  5  scribe:  <o/.t(o^a  aov.  —  P.  27  1.  10  lege:  tioXXm  pro 
rioXXä.  —  P.  27  1.  21  lege:  videt  pro  vides.  —  P.  29  1.  2  lege :  näoeaxl  pro 
z't'veorl.  —  P.  30  v.  29.  lege:  Athonis  pro  Athoa.  —  P.  32  1.  16  lege:  quin 
pro  qui.  —  P.  33  1.  2  lege:  eamqve  illalam.  —  P.  33  1.  3  lege:  metro  pro 
metra.  —  P.  33  1.  30  lege:  suaserunt  pro  senserunt  —  P.  34  1.  26  lege:  ut 
pro  et.  —  P.   35  1.   25    adde    vox    ante    naQW/yeikccaa.    —   P.    36    1.    15    lege: 

explicitus  pro  explicitas.  —  P.  37  1.  4  lege  :  imposita  pro  inposita.  —  P.  38  1.  21 
lege:  Cithaeronia  pro  Messapium.  — P.  471.  13  lege:  Asopus  pro  Aesopus.  — 
P.  41  1.  25  lege:  quos  pro  quosque  et  Athonis  pro  Atho.  —  P.  42.  1.  20  lege: 
XeiQoiv  pro  %*()rt7i'.  —  P.  43  1.  5  scribe:  tvxo).  —  P.  48  1.  13  lege:  aut  nulla 
est  pro  est  et.  —  P.  48  1.  20  dele  vocern  haec. —  P.  48  1.  23  lege:    Hes.  Opp. 

II.  219  pro  603.  —  P.  48  1.  30  lege:  quae  impura  x  uvayva  sunt  pro  impure 
avayva  essent  —  P.  49  1.  9  lege:  rem  pro  reum.  —  P.  49  1.  12  lege:  (pövov 
pro  (pooor.  —  P.  51.  v.  12  adde  post  vestigium  esse.  —  P.  51  1.  21  lege: 
vno  pro  lino.  —  P.  53  1.  3  lege:  ab  pro  oi\  —  P.  53  1.  7  lege:  potuisse  pro 
posse.  —  P.  53  1  21  scribe:  nqoaamwv  pro  noooeiniov.  —  P.  53  1.  27  lege: 
corruptum  esse  pro  est.  —  P.  54  1.  13  dele  vocem  Laertae.  —  P.  54  1.  16 
scribe:  Truhe  pro  True.  —  P.  54  1.  19  lege:  amplum  pro  aptum.  —  P.  55. 
].  3  scribe:  (.tev  pro  f^evo.  —  P.  55  1.  18  lege:  quod  ingresso  exitum  non  pro 
neque  exitum  ei.  —  P.  56  1.   17  lege:  y^Aiyrvjfft  pro  (filx^oi.    —  P.  58  1.  29 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.   Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abth.  34 


27  (i 

lege:  insunientem  exhibere  judicaretur  pro  insanire  arbilraretur.  — P.  59.1.  5 
lege:  aeque  ac  Meineckio  pro  quidem.  —  P.  59  1.  10  lege:  utriusque  tyranni 
pro  tyrannorum.  —  P.  60  1.  8  lege:  avio  pro  aucov.  —  P.  60  1.  14  lege: 
Xeyco  pro  ipäyto.  —  P.  60  1.  18  scribe  a>g  (palveiy.ax.6v.  —  P.  60  1.  27  scribe : 
avvoiaio.  — P.  64  1.  26.  lege:  potueritpvo  possil.  —  P.  65  1.  8  lege  :  Scholiasta 
pro  seholiaste.  —  P.  66  1.  21  Interrogationis  signum  post  potuit  ad  finem  sen- 
tentiae  transferenduni.  ■ —  P.  64  1.  24  lege:  vertit  pro  verbis.  —  P.  66  1.  29 
lege:  rixis  pro  vixis  et  irritam  pro  inirä.  —  P.  67  1.  6  scribe:  mg.  —  P.  67 
1.  25  ackle:  aliquid  posl  significantius.  —  P.  63  1.  4  scribe:  ßöXig.  —  P.  68 
1.  15  scribe:  2iiQttjyeveg.  —  P.  69  I.  15  lege:  quibus  pro  quae.  —  P.  69  1. 
30  lege:  eis  pro  ei.  —  P.  69  1.  31  lege:  velint  pro  velil.  —  P.  70  v.  17 
scribe:  ioagO-rjßea^e.  —  P.  70  v.  18  scribe:  obiciQoerca>v.  —  P.  77  1.  5  lege: 
ex  pro  et.  —  P.  79  1.  15  interpunge  :  Corrigo :  alter  um  :  —  P.  86  I.  22  lege: 
sitas  pro  siti.   —  P.   92  1.   3  lege:   suppleas   pro   supphal. 



S.  112  Z.  10  v.  u.  lies:  Nr.  2  u.  3.  statt  Nr.  I.  u.  II.'—  S.  122  Z.  8.  v. 
u.  lies:  Nr.  4.  statt  Nr.  IV.  —  S.  116  Z.  16  v.  ob.  lies:  wieder  statt  f/ixler. — 
S.   117  Z.   9  v.   u.  lies:   T.  IV.  —  S.   120  Z.  8  v.  ob.   lies:  (N.    18.)  für  (N.  19.) 

—  S.  121  Z.  v.  ob.  schreib:  Täaaovaiv.  —  S.  121  Z.  12  v.  ob.  lies:  ehat. 
Dass  für  tivai,  dass.  —  S.  121  Z.  13  v.  ob!  lies:  (v.  389)  für  (v.  366).  — 
S.  123  Z.  4  v.  ob.  lies:  (Nr.  1,  2,  4,  5)  für  (N.  1,  2,  3,  4).  --  S.  123.  Z.  5 
v.  ob.  lies:  (N.  4)  für  (N.  5).  —  S.  123  Z.  9  v.  ob.  lies:  tiefen  für  tiefem.  — 
S.  123  Z.  12.  V.  ob.  lies:  Thranen  für  Thrünen.  —  S.  126  Z.  13  v.  u.  lies: 
632  für  652  —  S.  126  Z.  11  v.  u.  schreib:  dl  —  S.  126  Z.  6  v.  u.  lies  H  für 
Jl.  —  S.   128  Z.   7  v.   u.   schreib:  öehfLVid'>g.  --  S    131  Z.  2  v.  u.  lies:  Stosch. 

-  S.  133  Z.  1  v.  ob.  lies:  Stosch.  —  S.  133  Z  5  v.  ob.  lies  (add.  ut)  für 
(add  us.)  —  S.  133  Z.  6.  v.  u.  schreib:  eyxo?u<7icoig.  —  S.  133  Z.  5  v.  u. 
schreib:  ravrtj  zrj  xeXvrj  — S.    135  Z.   1  v.  u.  lies.-  Saturttal  für  Satural.  — [S. 

136  Z.  6  v.  ob.  lies:  Ilr^aaiog  für Iltjoaoog.  —  S.  136  Z.  7  v.  ob.  lies:  ovk- 
Xaßai  für  avXlßßul  —  S  136  Z.  14  v.  ob.  lies:  Raotd-Rockette  s  für  Raoul- 
Rochette.  —  S.  137  Z.  2.  v.  ob.  lies:  dieser  für  diese.  —  S.  137  Z.  6  v.  ob. 
lies:  Tlrjodoingl  für  ür^aoogl  —  S.    137  Z.  9  v.   ob.  lies:  eotlv  insiQ.    —    S. 

137  Z.   10  v.   ob.    lies:  EvrjvoQng   für  EinjV7iQog. 

S.  250  ist  XXXIII.  Denkmal  Z.  8  KVRVBIS  für  KVR1B1S  und  ebenso 
Z.   12  Kurubis  zu  lesen. 


ABHANDLUNGEN 


DER 


PHILOSOPHISCH -PHILOLOGISCHEN  CLASSE 


MEB  KÖMGLICH  BAYERISCHEM 


AKADEMIE  der  WISSENSCHAFTEN 


FÜNFTEN  BANDES 

DRITTE  ABTHEIFMG. 

IN  DER  REIHE  DER  DENKSCHRIFTEN  DER  XXI.  BAND. 


MÜNCHEN 

1  8  4  9. 

AUF  KOSTEN  DER  AKADEMIE. 

GEDRÜCKT  IN  DER  J    GEORG  WEISS'schen  RUCHDRUCKEREI. 


Inhalt. 


Seite 
Die    ältesten  Münzen    der  Grafen  von  Hohenlohe,    oder    zwanzig    bisher 

meist  unbekannte  Pfennige  des  Herrn  Ulrich  von  Hohenlohe. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Hohenlohe  von 
1371  bis  1408,  von  Dr.  Franz  Streber.  (Mit  einer  Tafel  Ab- 
bildungen.)     1 

Ueber    das    Erechtheum    auf    der    Akropolis    zu    Athen.     Von    Friedrich 

Thiersch.     Erste  Abtheilung 79 

Epistola  Roscelini  ad  P.   Abaelardum.      Editore  J.   A.  Schneller      .     .     .      187 
Feber   die  Endung  -  e%    [-es]    spanischer  und  portugiesischer  Familien- 
namen, von  J.  A.  Schmeller 211 

Q.  Valerii  Catulli  Veron.  über.  (Ex  rec.  C.  Lachmanni.  Berol.  typis  et 
impensis  Ge.  Reimeri.  A.  1829.)  Vorschläge  zur  Berichtigung 
des  Textes   von  Joh.   v.  G.  Fröhlich 233 


ABHANDLUNGEN 

DER 

PHILOSOPHISCH- PHILOLOGISCHEN  CLASSE 
DER  KÖNIGLICH  BAYERISCHEN 

AKADEMIE    der     WISSENSCHAFTEN. 


FÜNFTEN   BANDES 

DRITTE  ABTHEILDNG. 


Die  ältesten  Münzen 

der 

Grafen  von   Hohenlohe 

oder 

zwanzig  bisher  meist  unbekannte  Pfennige  des 

Herrn  Ulrich  von  Hohenlohe 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Hohenlohe 
von  1371  bis  1408 

von 

Dr.  Franz  Streber. 


Mit  einer  Tafel  Abbildungen. 


Abhandinngen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl. 


Die  ältesten  Münzen 

der   Grafen  von  Hohenlohe 

oder  zwanzig  bisher  meist  unbekannte  Pfennige   des  Herrn    Ulrich 

von  Hohenlohe,   ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Grafen  von 

Hohenlohe  von  1371  bis  1408, 

Von 

Dr.  Franz  Streber» 


W  or  kurzem  übergab  der  den  Numismatikern  rühmlichst  bekannte 
hohenlohische  Assessor  und  Archivar  Joseph  Albrecht  dem  liter- 
arischen Publikum  ein  eben  so  durch  Gründlichkeit  wie  Vollständig- 
keit ausgezeichnetes  Werk  unter  dem  Titel:  „Münzgeschichte  des 
Hauses  Hohenlohe,  vom  dreizehnten  bis  neunzehnten  Jahrhundert, 
nach  Original-Urkunden  und  Münzen.  1844  4°  mit  6  Tafeln  Abbil- 
dungen." Daselbst  sind  namentlich  die  ältesten  auf  das  Münzwesen 
des  genannten  Hauses  bezüglichen  Urkunden  sorgfältig  zusammen- 
gestellt und  alle  die  Gepräge,  welche  dem  fleissigen  Sammler  zu  Ge- 
sicht kamen,  in  Beschreibung  und  Abbildung  mitgetheilt.  Allein  was 
Albrecht  aus  dem  Ende  des  vierzehnten  und  den  ersten  Jahren  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  aufzufinden  vermochte,  beschränkt  sich 
auf  3  Stücke,  die  er  auf  dem  Titelblatte  seines  Werkes  abbilden  Hess. 

Wir  sind  im  Stande,  eine  ganze  Reihenfolge,  und  zwar,  wie 
wir  zu  beweisen  hoffen,  gerade  der  ältesten  hohenlohischen  Gepräge 
hinzuzufügen. 

4  5J5 


Da  wir  uns  jedoch  nicht  mit  einer  blossen  Mittheilung  der  Ge- 
präge begnügen  können,  sondern  je  räthselhafter  Bild  und  Aufschrift 
erscheinen,  am  so  mehr  uns  für  verpflichtet  halten  auf  eine  Erklär- 
ung derselben  einzugehen,  so  gestaltete  sich  die  vorliegende  Ab- 
handlung unwillkührlich  zu  einer  historischen  Untersuchung,  die  den 
ganzen  Zeitraum,  in  welchem  Ulrich  von  Hohenlohe  lebte,  zu  umfas- 
sen hatte. 

Wäre  es  mir  möglich  gewesen,  eine  Schrift  des  Herrn  Hofrath 
W.  Hammer,  unter  dem  Titel:  „Beiträge  zur  Genealogie  des  fürstli- 
chen Hauses  Hohenlohe  für  den  Zeitraum  von  1220  bis  1 490.1  Oeh- 
ringen  1843.  4° "  zur  Einsicht  zu  erhalten,  so  würde  ich  ohne  Zwei- 
fel viele  Mühe  erspart  haben  und  vielleicht  auch  bei  mancher  Frage 
zu  einem  andern  Ergebnisse  gekommen  seyn.  Da  ich  jedoch  auf  die 
in  einzelnen  Druckschriften  zerstreuten  Urkunden  und  die  wenigen 
Vorarbeiten,  die  überdiess  nicht  selten  keineswegs  miteinander  über- 
einstimmen, beschränkt  gewesen  bin,  so  wird  man  bei  der  Beurth ei- 
lung der  nachstehenden  Untersuchung  nachsichtiger  sein.  Ich  selbst 
habe,  da  es  sich  zunächst  nur  um  Aufhellung  der  noch  dunklen 
Periode  der  Geschichte  Ulrichs  und  seiner  Brüder  handelt,  meinen 
Zweck  erreicht,  wenn  vielleicht  Herr  Assessor  Albrecht  hiedurch 
veranlasst  wird,  durch  die  noch  unedirten  Urkunden  des  hohenlohi- 
schen  Archivs  die  eine  oder  andere  der  hier  ausgesprochenen  An- 
gaben zu  bestättigen  oder  umzustossen  und  zu  berichtigen;  denn 
auch  Irrthümer  können  zur  Aufhellung  der  Wahrheit  beitragen. 


1. 

Beschreibung    der  Münzen. 

1. 
Pfennige  mit  drei  Brustbildern. 

1 )  Zwischen    den    Buchstaben  V  -  0   und   über  einem   Postamente 
ein  vorwärts  gekehrtes  Brustbild  in  blossen  Haaren. 

Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett  und  Spitzen- 
kragen zwischen  drei,  oben  durch  Spitzbogen  verbundenen  Säu- 
len, deren  mittlere  mit  einem  Thürmchen  geschmückt  ist,  unten 
ein  (heraldisch)  rechs  schreitender  Leoparde.  &  Abbild.  N.  1. 

2)  Vorderseite  wie   die   vorige,   aber   das  Brustbild   grösser,   das 
Postament  verschieden  iind  unter  demselben  ein  Stern. 

Rückseite  wie  die  vorige,  aber  von  anderem  Stempel.  $. 
Abbild.  N.  2. 

3 )  Zwischen   den   Buchstaben  0  -  V   und    über   einem   Postamente 
ein  vorwärts  gekehrtes  Brustbild  in  blossen  Haaren. 

Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett  und  Spitzen- 
kragen zwischen  drei,  oben  durch  Spitzbogen  verbundenen  Sän- 
len,  deren  mittlere  mit  einem  Thürmchen  geschmückt  ist;  unten 
ein  (heraldisch)  rechts  schreitender  Leoparde.  '&.  Abbild.  N.  3. 

4)  Vorderseite  wie  N.  3.,  aber  das  Brustbild  grösser,  das  Posta- 
ment verschieden  und  unter  demselben  drei  Sterne. 

Rückseite  wie  N.  3.,  aber  von  anderem  Stempel.  &  Abbild.  2V.  4. 

5)  Vorderseite  wie  N.  4. 


Rückseite  wie  N.  4.,  aber  die  mittlere  Säule  ohne  Thürmcbeu. 
S.  Abbild.  N.  5. 

6)  Vorderseite  wie  N.  4. 

Rückseite  wie  N.  4-,  aber  statt  des  schreitenden  Leoparden 
nur  ungeschickt  gezeichnete  Striche.     &  Abbild.  N.  6. 

7)  Vorderseite  wie  N.  4. 

Rückseite  wie  N.  4-,  aber  ohne  den  schreitenden  Leoparden. 
&  Abbild.  N.  7. 

8)  Vorderseite  wie  N.  4. 

Rückseite  wie  N.  4-,  aber   ohne  die  mittlere  Säule.  S.  Abbild. 

N.  8. 

9)  Zwischen  einem  Punkte  und  einem  Sternchen  und  über  einem 
Postamente  ein  vorwärts  gekehrtes  Brustbild  in  blossen  Haaren- 
Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett  und  Halskra- 
gen, dazwischen  eine  Säule,  unten  zwei  Sterne.  «S".  Abbild. 
N.  9. 

10)  Zwischen   den   Buchstaben  ?  -  0    ein  vorwärts  gekehrtes,    et- 
was undeutliches  Brustbild,  im  Felde  sechs  Sterne. 

Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett  und  Halskra- 
gen; über  jedem  ein  Spitzbogen;  unten  zwei  Sterne.  $.  Abbild. 
N.  10. 

11)  Zwischen  den  Buchstaben  V-  0  ein  vorwärts  gekehrter  Kopf 
in  blossen  Haaren;  im  Felde  Sterne  und  Ringelchen. 

Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett  und  Halskra- 
gen zwischen   drei,   oben   durch   Spitzbogen  verbundenen  Sau- 


Jen ,  deren  mittlere  mit  einem  Thürmchen  geschmückt  ist,  unten 
ein  Stern  zwischen  zwei  Ringelchen  S.  Abbild.  N.  11. 

12)  Zwischen  den  Buchstaben  V  -  0  ein  vorwärts  gekehrter  Kopf 
in  blossen  Haaren,  im  Felde  Sterne  und  Ringelchen. 

Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett,  über  jedem 
ein  Spitzbogen ,  in  deren  Mitte  ein  Thürmchen ,  unten  zwe  i 
Sterne.  &  Abbild.  N.  12. 

13)  Zwischen  den  Buchstaben  V  -V  ein  vorwärts  gekehrter  Kopf 
in  blossen  Haaren,  im  Felde  Sterne  und  Ringelchen. 

Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett,  über  jedem  ein 
Spitzbogen,  in  deren  Mitte  ein  Thürmchen.  S.  Abbild.  N.  13. 

14)  Zwischen  den  Buchstaben  V-0  und  über  einem  Postamente 
ein  vorwärts  gekehrter  Kopf  in  blossen  Haaren,  unten  ein  kleines 
Andreaskreuz  zwischen  zwei  Punkten. 

Zwei  vorwärts  gekehrte  Brustbilder  mit  Barett  und  Halskra- 
gen,  über  jedem  ein  Spitzbogen,  dazwischen  ein  Thürmchen, 
unten  ein  kleines  Andreaskreuz.     S.  Abbild.  N.  14. 

2. 
Pfennig  mit  zwei  Bildnissen. 

15)  Zwischen  den  Buchstaben  V-0  und  über  einem  Postamente 
ein  vorwärts  gekehrter  Kopf  in  blossen  Haaren,  im  Felde  sie- 
ben Ringelchen,  unten  ein  Stern. 

Ein  Brustbild  mit  Barett  und  Halskragen,  im  Felde  (sieben) 
Sterne.     S.  Abbild.  N.  IS. 


3. 
Pfennige  mit  "Bildnis s  und  Wappen. 

16)  Zwischen  den  Buchstaben  V-0  und  über  einem  Postamente 
ein  vorwärts  gekehrter  Kopf  in  blossen  Haaren ,  unten  ein  klei- 
nes Andreaskreuz  zwischen  zwei  Punkten. 

In  einer  dreimal  gebogenen  Einfassung  ein  Wappenschild  mit 
zwei  rechts  schreitenden  Leoparden.     S.  Abbild.  N.  16. 

17)  Vorderseite  wie  die  vorige,  aber  unten  drei  Sterne. 

Rückseite  wie  die  vorige,  aber  in  den  Winkeln  der  Einfas- 
sung ein  Blümchen.  S.  Abbild.  N.  17. 

18)  f  VLRICH.  Ein  Kopf  von  vorne  mit  Barett. 

f  HOENLOCH.  Ein  Wappenschild  mit  zwei  rechtsschreiten- 
den Leoparden.  Albrecht  Münzgesch.  den  Hauses  Hohenlohe 
S.  6.  N.  1.  Abbild.  Titelb. 

19)  VLRICH.  Ein  Kopf  von  vorne  mit  Barett. 

HOENLOH.  Ein  Wappenschild  mit  zwei  rechts  schreiten- 
den Leoparden.  Hanselmann  Römermacht  S.  257.  Tab.  XIX. 
Lit.  B. 

20)  f  HER  ULRICH.  Ein  Kopf  von  vorne  mit  Barett. 

f  HOENLOCH.  Ein  Wappenschild  mit  zwei  rechts  schreiten- 
den Leoparden.  Albrecht  a.  a.  0.  N.  3. 


9 


II. 

Erklärung;  der  Münzen. 

1. 
Vorliegende  Pfennige  sind  hohenlohisch. 

Betrachten  wir  die  vorliegenden  Pfennige  genauer,  so  theilen  sie 
sich  nach  den  Typen,  wie  bereits  schon  in  der  Beschreibung  ange- 
deutet worden,  in  drei  verschiedene  Klassen.  Die  einen  haben  drei, 
die  andern  zwei  Brustbilder  zum  Gepräge,  die  dritten  endlich  haben 
auf  der  Vorderseite  ein  Brustbild  und  auf  der  Rückseite  einen 
Wappenschild. 

Alle  gehören  aber,  ihrer  grösseren  oder  geringeren  Verschie- 
denheit ohnerachtet,  dem  einen  und  demselben  regierenden  Hause 
und  zwar  dem  gräflich  hohenlohischen  an.  Dass  die  unter  den 
Nummern  16  —  20  beschriebenen  Pfennige  der  dritten  Gattung  ei- 
nem Grafen  von  Hohenloh  zugetheilt  werden  müssen,  lehren  die  Um- 
schrift und  der  Wappenschild  mit  den  zwei  übereinander  schreiten- 
den Leoparden;  sind  aber  diese  Münzen  hohenlohisch,  so  ist  es  auch 
der  Pfennig  der  zweiten  Gattung  N.  15.,  denn  die  Vorderseite  des- 
selben ist  von  der  Vorderseite  der  Pfennige  N.  16  und  17.  dem 
Wesentlichen  nach  in  Nichts  verschieden ;  und  ist  der  Pfennig  N.  15 
hohenlohisch,  so  müssen  die  der  ersten  Gattung  N.  1  — -14  um  so 
mehr  dafür  gehalten  werden,  als  auch  hier  die  Vorderseite  des  Pfen- 
nigs N.  14.  mit  dem  Gepräge  der  Nummern  15  —  17  genau  über- 
einstimmt, die  Pfennige  N.  1  —  8  aber  ohnehin  durch  das  mehr 
oder  minder  deutliche  Bild  des  Leoparden,  das  unter  den  zwei 
Brustbildern  der  Rückseite  angebracht  ist,  auf  dieselbe  Heimath  hin- 
deuten. 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  h.  Ak.  d.  Wiss.   V.  Bd.  III.  Abth.  2 


10 

Dass  auf  den  letztgenannten  Münzen  nur  Ein  Leopard  ange- 
bracht ist,  während  in  dem  Hohenlohischen  Stammwappen  zwei  Leo- 
parden sich  befinden,  darf  uns  nicht  befremden.  Dasselbe  ist  auch 
der  Fall  auf  den  Münzen,  welche  Gottfried  von  Hohenlohe  als  Bischof 
von  Würzburg  (f  1322)  schlagen  Hess,*)  obwohl  dort  der  Stem- 
pelschneider weniger  wie  hier  durch  den  Raum  beengt  war.  Es  exi- 
stirt  sogar,  wie  Albrecht  versichert**),  ein  altes  hohenlohisches  Si- 
gel,  worauf  sich  nur  Ein  Leoparde  zeigt. 


2. 

Vorliegende  Pfennige  sind  von  einem  Grafen  Ulrich. 

Wie  aus  den  Typen  die  Heimath,  so  wird  aus  der  Aufschrift 
der  Name  des  Grafen,  der  unsere  Münzen  schlagen  Hess,  ohne 
Schwierigkeit  sich  finden  lassen. 

Die  ersten  siebenzehn  Pfennige  haben  mit  Ausnahme  zweier 
Stücke  —  des  neunten  und  dreizehnten  —  sämmtlich  die  Buchsta- 
ben V  und  0  zum  Gepräge.  In  diesen  Buchstaben  muss,  darüber 
kann  kaum  ein  Zweifel  obwalten,  der  Name  des  Münzfürsten  ent- 
halten sein  und  zwar  sind  nur  vier  Fälle  möglich,  wie  dieselben  er- 
klärt werden  können ;  entweder  sind  in  den  zwei  Buchstaben  die 
Namen  zweier  Grafen  angedeutet,  oder  beide  Buchstaben  enthalten 
zusammen  den  Namen  eines  Grafen,  oder  der  eine  Buchstabe  ist 
durch  den  Namen  und  der  andere  durch  den  Titel  zu  ergänzen 
oder  endlich  wir  haben  in  demselben  den  Namen  des  Müuzfürsten, 
welcher  und  des  Prägeortes,  wo  er  unsere  Münzen   schlagen  Hess. 


*)  Hanselmann  Hohenloh.  Landeshoheit  B.   II.  S.  310. 
**)  Albrechl,  Münzgesch.   d.   Hauses  Hohenlohe  S.  71. 


11 

Die  Namen  zweier  Grafen,  die  gemeinschaftlich  regierten  und 
gemeinschaftlich  münzten,  können  im  vorliegenden  Falle  darum  nicht 
angedeutet  sein,  weil  sich  in  der  gräflich  hohenlohischen  Familie 
zwei  Namen,  von  denen  der  eine  mit  0,  der  andere  mit  V  anfängt, 
gleichzeitig  nicht  finden. 

Ebenso  wenig  können  die  beiden  Buchstaben  zusammengelesen 
und  auf  den  Eigennamen  Eines  Grafen  bezogen  werden.  Kein  Ei- 
genname fängt  mit  den  Buchstaben  VO  an,  und  wenn  diess  auch 
der  Fall  wäre,  so  würde  doch  gegen  eine  solche  Deutung  schon 
der  Umstand  sprechen,  dass  dieselben  Buchstaben  auf  den  Pfennigen 
N.  3  —  8  auch  in  umgekehrter  Ordnung,  nämlich  0  —  V  statt 
V  —  0  vorkommen. 

Auch  durch  einen  Titel,  es  sei  nun  des  Ranges  oder  eines 
Amtes  kann  keiner  der  beiden  Buchstaben  ergänzt  werden.  Die  Ti- 
tel, die  damals  den  Grafen  von  Hohenlohe  gegeben  wurden,  sind  in 
den  deutschen  Urkunden. „Herr,  der  edle  Herr,  der  edle  wohlge- 
borne  Herr,"  in  den  lateinischen  „Baro",  auch  finden  wir  unter  ihnen 
kaiserliche  Statthalter,  dann  Bischöfe,  Domherren,  Deutschherren, 
Pröbste  u.  s.  w.,  allein  alle  diese  Bezeichnungen  von  Aemtern  und 
Würden  passen  nicht  zu  den  Buchstaben  V  oder  O. 

Es  bleibt  uns  sonach  nichts  anderes  übrig  als  den  einen  dieser 
Buchstaben  auf  den  Namen  eines  Grafen  von  Hohenloh  zu  bezie- 
hen, den  andern  aber  durch  den  Namen  der  Stadt  oder  des  Ortes 
zu  ergänzen,    in  welchem  jener  Graf  seine  Münzen  schlagen  Hess. 

Welcher  nun  von  den  beiden  Buchstaben,  ob  V  oder  0  den 
Namen  des  regierenden  Grafen  bezeichne,  darüber  kann  gleichfalls 
kein  Zweifel  obwalten;  denn  unsere  Pfennige  gehören,  wie  aus  der 
Fabrik    und   dem  ganzen   Habitus   derselben  ersichtlich  ist,  in   das 

2  4*' 


12 

Ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts,    um  diese  Zeit  aber  lebte  kein 
Graf  0  von  Hohenloh,  folglich  kann  hier  nur  ein  Graf  V  genannt  sein. 

Ich  lese  daher  V-lrich,  und  dass  diese  Ergänzung  die  richtige 
sei,  beweisen  zur  Genüge  die  Pfennige  N.  18  —  20,  auf  denen  der 
Name  „Ulrich"  vollständig  ausgeschrieben  erscheint. 

Demselben  Grafen  Ulrich  müssen  auch  der  neunte  und  der 
dreizehnte  Pfennig,  die  einzigen,  welche  nicht  die  Buchstaben  V — 0 
zur  Aufschrift  haben,  zugetheilt  werden.  Der  Pfennig  N.  9  hat  zwar 
gar  keine  Schrift,  aber  die  Typen  sind  die  nämlichen  wie  auf  den 
vorhergehenden  Münzen,  und  was  den  Pfennig  N.  13  anbelangt, 
finden  wir  in  der  Wiederholung  des  Buchstaben  V  nur  eine  Be- 
stätigung der  Behauptung,  dass  in  diesem  und  nicht  in  dem  Buch- 
staben 0  der  Name  des  Münzfürsten  angedeutet  sei.  *) 

3. 

Dieser  Graf  Ulrich  ist   der   im  Jahre  1407   verstorbene  Sohn   des 

Grafen  Kraft  III. 

Gegen  das  Ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts  finden  wir  aber 
zwei  Grafen  von  Hohenloh  des  Namens  Ulrich,  wovon  der  eine 
der  nunmehr  erloschenen  Brauneck' sehen,  der  andere  der  noch  blü- 
henden Hohenloh' 'sehen  Linie  angehört.  Welchem  dieser  beiden  Ul- 
riche müssen  unsere  Pfennige  zugeschrieben  werden? 


*)  In  gleicher  Weise  ist  auf  einigen  Pfennigen  des  Bischofs  Gerhard  von 
Würzburg  der  Name  des  Münzfürsten  durch  die  Buchstaben  G  —  G 
angedeutet,  die  entweder  neben  dem  gräflich  Schwarzburgischen  Löwen 
oder  neben  dem  grösseren  Buchstaben  K.  d.  i.  Karlstadt  angebracht 
sind.  S.  Streber  Münzen  des  Bisch.  Gerhard  v.  Würzb.  Abbild.  N.  12-, 
14.  und   16. 


13 

Sollten  unsere  Münzen  einem  Uliich  von  Hohenloh - Branneck 
angehören,  so  könnte  derselbe  nur  der  Sonn  Ulrichs  und  der  Eli- 
sabeth Gräfin  von  Mehrenberg*)  seyn,  denn  das  Gepräge  der  Mün- 
zen deutet,  wie  bemerkt,  auf  die  letzten  zwei  Decennien  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  hin,  Ulrich  der  Vater  aber,  der  die  Gräfin 
Elisabeth  von  Mehrenberg  zur  Gemahlin  hatte,  starb  schon  im  Jahre 
1 367, i;:""")  während  sein  Sohn  „Ulrich  von  Hoenloch  genannt  von  Braun- 
eck" noch  am  7.  Dezember  des  Jahres  1380  am  Leben  war .*i«0"1)  Al- 
lein wenn  wir  auch  annehmen  wollten,  dieser  Ulrich  habe  noch  viel 
länger  gelebt  als  sich  urkundlich  nachweisen  lässt ;  f)  oder,  was 
aber  nicht  zugegeben  werden  kann,  alle  unsere  Münzen  seyen  schon 
vor  dem  Jahre  1380  geprägt;  wenn  wir  endlich,  was  sich  übrigens 
gleichfalls  nicht  erweisen  lässt,  auch  voraussetzen  wollten,  die 
Braunecksche  Linie  habe  das  Münzrecht  dereinst  wirklich  ausgeübt, 
so  würde  doch  mit  einer  solchen  Annahme  die  Aufschrift  im  Wi- 
derspruche stehen,  denn  so  einfach  der  Buchstabe  V  mit  Ulrich  er- 
gänzt wird,  so  wenig  wird  man,  wenn  wir  die  Münzen  dem  Grafen 
Ulrich  von  Höh enloh-B rauneck  zutheilen,  von  dem  Buchstaben  0  eine 
genügende  Erklärung  zu  geben  im  Stande  seyn. 

Wenn  wir  dagegen  vorliegende  Münzen  dem  Grafen  Ulrich  der 
noch  blühenden  Linie  Hohenloh,  dem  Sohne  Krafts  III.  und  der  Land- 
gräfin von  Leuchtenberg  zuschreiben,  so  stimmt  alles,  die  Zeit  so- 
wohl, auf  welche  das  Gepräge  hinweist,  als  die  Aufschrift,  welche 
die  Münzen  tragen,  einfach  zusammen. 

Ulrich  von  Hohenloh  wird  in   den  Urkunden  zum  erstenmal  im 


*)    Wibel,     Hohenloh,  Kirchen-  und  Reformations-Historie  B.  I.  Vorbericht 
S.  34 
**)  Hanseiniann,  Diplom.  Beweis  v.   d.  Landeshoheit.  B.  II.  S.  309. 
***)  Freyberg,  Regesta  Boica. 

f)   Wibel,  'a.  a.  O.  bemerkt,  er  sei  jung  gestorben. 


14 

Jahre  1367  erwähnt  und  starb  erst  im  Jahre  1407;  er  lebte  also  in 
der  nämlichen  Zeit,  welcher  unsere  Münzen  angehören.  Was  aber 
die  Aufschrift  anbelangt,  ist  schon  oben*)  erwähnt  worden,  dass 
der  Buchstabe  0  nur  auf  den  Prägeort  bezogen  werden  könne. 
Dass  es  gegen  Ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts  üblich  war,  die 
Namen  des  Münzfürsten  und  der  Münzstätte  durch  zwei  neben  dem 
Brustbilde  der  Vorderseite  angebrachte  Buchstaben  anzudeuten,  habe 
ich  an  andern  Orten  gezeigt.  **)  Ich  nehme  daher  keinen  Anstand, 
die  mehrerwähnten  Buchstaben  auch  hier  in  gleicher  Weise  zu  er- 
gänzen und  lese  desshalb:  V-lrich  O-ehringen  oder  wie  es  meist 
in  den  gleichzeitigen  Urkunden  geschrieben  wird  Orenyew. 

Dass  die  Grafen  von  Hohenloh  in  Oehringen  wirklich  gemünzt 
haben,  beweisen  mehrere  Urkunden.  Schon  in  der  Mitte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  hatten  sie  das  Münzrecht  daselbst.  Diess  er- 
giebt  sich  aus  einem  Diplome  des  Grafen  Hermann  vom  Jahre  1253, 
worin  es  heisst :  #.#*)  „Der  Voit  (der  Hohenlohische  in  Orengew)  sol 
auch  haben  alleine  die  Münze  und  sol  setzen  zvvelf  munzere,  die 
heizent  husgenozzen."  Ja,  schon  Graf  Hermann  selbst  hat  von  die- 
sem ihm  zustehenden  Rechte  wirklich  Gebrauch  gemacht,  denn  in 
dem  nämlichen  Diplome  nennt  er  die  zu  Oehringen  geprägten  Hel- 
ler „seine  Heller"  z.  B.  „die  Wiueigen  suln  geben  ze  Meien  sibeu- 
zehen  vnze  Hell\  die  brotpecken  suln  geben  ze  Meien  sibenzehn 
unze  HelF  ze  brotpecken  sture." 

Oehringen  wurde  auch  noch  gegen  Ende  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts als  Münzstätte  benützt.    Diess   beweist  eine  Urkunde  vom 


*)  S.  oben  §.  2. 

**)  Streber,  böhmisch-pfälzische  Silberpfennige.        Idein:   die  ältesten  Mün- 
zen der  Burggrafen  von   Nürnberg. 
***)  Hanselmann  a.   a.  O.  B.  I.  cod.  dipl.    N.    XLIII.     Wibel  a.  a.  O.  B.  III. 
cod,  dipl.  N.  69. 


15 

Dienstag  nach  Mitfasten  des  Jahres  1391,  worin  der  Münzmeister 
Georg  von  Urheim  dem  Grafen  Ulrich  von  Hohenloh  einen  Schuld- 
brief  über  200  Gulden  ausstellt  und  der  Münzmeister  Ciintz  zu  Oren- 
gew  als  Zeuge  unterschrieben  ist.*)  Endlich  wissen  wir  sogar  mit 
Bestimmtheit,  dass  Graf  Ulrich  von  Hohenloh  selbst  in  Oehringen 
münzen  Hess,  denn  in  einer  Urkunde  vom  Montag  nach  St.  Jakobs 
Tag  des  Jahres  1395  bekennt  „Hans  Flache  zu  diesen  zyten  Müncz- 
meister  zu  Orengew,"  dass  ihm  sein  „gnediger  here  here  Vlriche 
von  Höhenloch  sin  Müncze  zu  Orengew  befolhen"  habe.  **) 

Gründe  genug,  unsere  Münzen  für  Oehringer  Pfennige  zu  hal- 
ten und  sie  nicht  einem  Grafen  Ulrich  von  Hohenloh-Brauneck,  der 
in  Oehringen  nichts  zu  schaffen  hatte,  sondern  dem  Grafen  Ulrich 
von  Hohenloh,  welcher  daselbst  einen  besonderen  Münzmeister  auf- 
stellte, zuzuschreiben. 

Wenn  auf  mehreren  unserer  Münzen  statt  V  — 0  vielmehr  um- 
gekehrt 0  —  V  geschrieben  steht,  wenn  demnach  unserer  Erklär- 
ung zufolge,  vermöge  welcher  0  mit  O-rengevv  zu  ergänzen  ist,  der 
Name  des  Prägeortes  zuweilen  die  erste  und  der  des  Grafen  erst 
die  zweite  Stelle  einnimmt,  so  spricht  diess  nicht  gegen  die  Rich- 
tigkeit unserer  Ausleguug,  denn  dasselbe  findet  sich  auch  anderwärts. 
Auf  den  Erlanger  Pfennigen  z.  B.  der  böhmischen  Könige  Karl 
und  Wenzel  lesen  wir  bald  K  —  E  und  W  —  E,  bald  umgekehrt 
E— K  und  E  —  W***) 


*)  Albrecht,  Münzgeschichte  des  Hauses  Hohenloh.   S.  2.  Urk.  N.  1. 

**)  Albrecht,  a.  a.   O.   S.  76.   N.   2. 

***)  Streber,   böhmisch-pfälzische  Pfennige.  Tab.  I.  Fig.  6—8.  Tab.  II.  Fig 
6  —  13. 


16 


4. 

Vorliegende  Pfennige    sind    die    ältesten    bisher   bekannten   hohen- 

lohischen  Münzen. 

Diese  Oehringer  Pfennige  des  Grafen  Ulrich  sind  die  ältesten 
hobenlohischen  Münzen,  welche  bisher  bekannt  geworden  sind.*) 

Es  bat  zwar,  wie  bereits  erwähnt  worden,  schon  Graf  Hermann 
in  der  ersten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts  in  Oehringen 
Heller  schlagen  lassen;  allein  man  ist  zur  Zeit  noch  nicht  so  glück- 
lich gewesen,  ein  hohenlohisches  Gepräge  von  so  hohem  Alter  zu 
finden. 

Hanselmann  glaubt  allerdings,  die  Grafen  voii  Hohenloh  hätten 
nicht  blos  im  dreizehnten,  sondern  selbst  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  zwölften  Jahrhunderts  das  Münzrecht  besessen  und  ausgeübt. 
Er  stützt  seine  Meinung  sogar  auf  Münzen,  die  er  in  Abbildung  mit- 
theilt. >;;:*)  In  dem  steinernen  Grabmonumente  nämlich  im  oberen  Chor 
der  Oehringer  Stiftskirche  fand  man  unter  dem  Deckel  auf  dem  zwi- 
schen den  Gebeinen  des  Grafen  Hermann,  des  Stifters  des  Hauses 
Hohenloh,  und  seines  Sohnes,  des  Bischofs  Gebhard,  aufgeführten 
Mäuerlein  zwei  Silberpfennige,  welche  Hanselmann  dem  Grafen 
Hermann  zuschreiben  zu  dürfen  glaubt.  %%%)  Allein  diese  beiden  Mün- 
zen sind  weder  hohenlohisch,  noch  von  so  hohem  Alter.  Von  ersterer 


*)  Es  ist  hier  nur  die  Rede  von  solchen  Münzen,  welche  die  Grafen  von 
Hohenlohe  in  der  Eigenschaft  als  Regenten  von  Hohenlohe  prägen  Hes- 
sen. Die  Münzen,  welche  ein  Graf  Gottfried  von  Hohenlohe  als  Bischof 
von  Würzburg  schlagen  Hess,   sind  allerdings  älter. 

**)  Hanselmann,  a.   a.  O.  Beil.  E.  N.  14  und  15. 

***)  Hanselmann,   a.  a.  O.  B.  I.  S.  47.  295.  B.  II.  S.  153. 


17 

hat  Hanselmann  selbst  bemerkt,  dass  das  Bild  des  Adlers  grosse 
Aehnlichkeit  mit  dem  Wappen  von  Nürnberg  habe,  letztere  aber  hat 
das  Grumbachsehe  Familienwappen  zum  Gepräge  und  ist  ein  Heller 
des  Johann  von  Grumbach,  welcher  von  1455  bis  1466  auf  dem 
bischöflichen  Stuhle  zu  Würzburg  sass. 

Ferner  erhielt  allerdings  Graf  Gerlach  von  Hohenlohe  —  aus  der 
Speckfeldschen  Linie  —  von  Kaiser  Karl  IV.  im  Jahre  1378  die 
Erlaubniss  „eyne  Pfenigemunze  zu  slahen  Regenspurger,  Wirzpur- 
ger,  Swarczpurger,  die  davorn  in  Franken  vnd  in  Bayern  yzunt  geng 
vnd  geb  seyn  oder  hernach  in  künftigen  Zeiten  geng  vnd  geb  wer- 
den, mit  sülichem  Korne  vnd  Ufzal  als  sie  ander  Fürsten  vnd  Her- 
ren davorn  in  Franken  vnd  in  Beyern  slahen  lassen/'*)  aber 
auch  hier  ist  die  Frage,  ob  Graf  Gerlach  von  dem  ihm  zugestandenen 
oder  vielmehr  erneuerten  Rechte  jemals  Gebrauch  gemacht  habe, 
durch  Münzen  selbst  noch  nicht  bejahend  beantwortet. 

Was  die  Münzen  des  Grafen  Ulrich  anbelangt,  war  Plafo- 
Wild  zu  Regensburg  der  erste,  welcher  eine  solche  mit  vollständig 
ausgeschriebenem  Namen  entdeckte,  nur  irrte  er  darin,  dass  er  meinte 
sie  sei  zu  Ende  des  XIV.  oder  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts  ge- 
prägt worden,  ein  Irrthum,  den  sodann  Hansehnann,  welcher  zugleich 
eine  Abbildung  von  diesem  seltenen  Stücke  mittheilte,  berichtiget  hat.**) 
Albrecht  fügte  in  seiner  Münzgeschichte  des  Hauses  Hohenlohe  die- 
sem Exemplare,  von  welchem  er  vermuthet,  dass  die  Abbildung  das 
Original  nicht  ganz  treu  wiedergebe,  wesshalb  er  auch  nur  die  Be- 
schreibung anführt,  zwei  ähnliche  vorher  unbekannte  Gepräge  in  Be- 
schreibung und  Abbildung  hinzu.5""**) 


*)  Albrechl  a.  a.    O.  S.  2.  Hanselmann  B.  II.  S.   130, 

**)  Hanselmann,   Beweis,    wie  weil  der  Bömer  Macht  u.   s.  w.    II.  S.  257. 
Tab.  XIX.  Lit  B. 

***)  Albrecht  a.  a.  O.  S.   6.  Abbildungen  auf  dem  Titelblatt. 

Abhandlungen  der  1.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.    V.  Bd.  III.  Abthl.  3 


18 

Alle  übrigen  hier  mitgeteilten  Gepräge  sind  neu,  zwar  nicht 
insoferne,  als  wären  sie  den  Sammlern  bisher  unbekannt  geblieben, 
im  Gegentheile,  ich  bin  überzeugt,  dass  dieselben  Stücke  sich  in  vie- 
len Sammlungen  finden,  aber  iiisoferne  als  man  sie  bisher  nicht  zu 
erklären  wnsste.*) 

5. 

Die  Typen  bedürfen  jedoch  noch  einer  näheren  Erklärung. 

Wir  haben  bereits  gefunden,  wann  unsere  Münzen  geschlagen 
wurden,  wer  sie  prägen  Hess  und  wo  sie  geprägt  wurden.  Hiemit 
scheint  unsere  Aufgabe  gelöst,  und  die  Reihenfolge  der  Münzen  des 
Hauses  Hohenlohe  ist  nunmehr  durch  eine  nicht  unbedeutende  An- 
zahl nicht  blos  vorher  unbekannter,  sondern  gerade  der  ältesten  Ge- 
präge der  Vollständigkeit  näher  gebracht.  Allein  wenn  wir  uns  nicht 
blos  mit  den  allgemeinsten  Resultaten  begnügen,  sondern  genauer  in 
die  Sache  eingehen  wollen,  so  haben  wir  noch  die  doppelte  Frage 
zu  beantworten:  ersteus,  wie  kam  Graf  Ulrich  dazu,  das  Münzrecht 
auszuüben?  Die  Ausübung  dieses  Rechtes  steht  doch  allenthalben  nur 
dem  Haupte  der  Familie  zu,  in  dessen  Händen  die  Regierungsge- 
walt gelegen  ist;  Ulrich  war  aber  unter  den  vielen  Söhnen  KraftsHI. 
nur  der  drittgeborne ;  der  älteste  seiner  Brüder,  der  nach  des  Va- 
ters Tod  die  Regierung  antrat,  starb  nur  wenige  Jahre  vor  Ulrich; 
und  der  zweite  von  Krafts  Söhnen  hat  ihn  sogar  überlebt!  Zweitens, 
wenn  auch  Graf  Ulrich  eine  Zeit  lang  regierender  Herr  war,  wie 
kommt  es,  dass  seine  Münzen  bald  drei,  bald  zwei,  bald  nur  ein 
einziges  Bildniss  zum  Gepräge   haben?     Soll   diese   Verschiedenheit 


*)  Selbst  Albrecht,  obwohl  er  den  Pfennig  N.  17  mit  Recht  als  hobenlohisch 
erkannte,  hat  doch  von  einer  Erklärung  des  Buchstaben  O  Umgang  ge- 
nommen und  die  Münze  selbst  als  „unbestimmt"  bezeichnet.  Albrecht 
a.  a.   O.   S.  6.  N.  4. 


19 

nur  zufällig  sein  oder  hat  sie  einen  Grund,   der  in  der  Geschichte 
der  gräflichen  Familie  Aufklärung  findet? 

Diese  Fragen  sind  nicht  überflüssig,  wohl  aber,  bei  dem  Man- 
gel an  Nachrichten  schwer  zu  lösen.  Ich  will  sie  so  gut  ich  vermag 
zu  beantworten  suchen,  indem  ich  zuerst  die  Resultate  zusammen- 
stelle, welche  zunächst  aus  den  Münztypen  selbst  hervorgehen  und 
dann  untersuche,  inwieferne  die  Nachrichten,  die  wir  über  die  ho- 
henlohische  Familie  besitzen,  sich  mit  jenen  Resultaten  in  Einklang 
bringen  lassen. 


6. 


Auf  einigen  unserer  Pfennige  sind  zwei  Grafen  von  Hohenlohe 
vorgestellt,  auf  anderen  mir  einer. 

Es  ist  schon  bemerkt  worden,  dass  sich  unsere  Münzen,  wenn 
wir  die  Typen  ins  Auge  fassen,  in  drei  Klassen  theilen.  Die  einen 
haben  drei,  die  andern  zwei,  die  dritten  nur  ein  Brustbild  zum  Ge- 
präge. Es  ist  aber  zwischen  diesen  Bildnissen  ausser  der  Zahl,  in 
welcher  sie  auf  den  einzelnen  Münzen  erscheinen,  noch  ein  anderer 
Unterschied,  den  wir,  sobald  es  sich  um  die  Bedeutung  derselben 
handelt,  nicht  übersehen  dürfen.  Einige  Köpfe  nämlich  und  Brust- 
bilder sind  in  blossen  Haaren,  andere  mit  einem  Hute  bedeckt  vor- 
gestellt und  zwar  fiudet  sich  die  Verschiedenheit  nicht  blos  auf  den 
verschiedenen,  sondern  auf  der  einen  und  derselben  Münze.  Alle 
von  N.  1  —  15  beschriebenen  Pfennige  haben  ein  unbedecktes 
Brustbild  auf  der  Vorder-  und  zu  gleicher  Zeit:  ein  oder  zwei  be- 
deckte Brustbilder  auf  der  Rückseite. 

Diese  Bemerkung  bringt   uns  von  selbst  der  Beantwortung  der 

3* 


20 

Frage,  was  die  verschiedenen  Bildnisse   auf  der  einen  und  dersel- 
ben Münze  bedeuten  mögen,  um  vieles  näher. 

Fürs  erste  wollte  der  Stempelschneider  unzweifelhaft  durch  die 
Bildnisse  mit  unbedecktem  Haupte  etwas  anderes  vorstellen,  als  durch 
die  mit  bedecktem  Haupte. 

Ferner  können  wir  mit  Grund  annehmen,  dass,  wenn  auf  Einer 
Münze   zwei  oder  mehrere  Bildnisse,    zumal   verschiedener   Gestalt, 
erscheinen,  unter  denselben  auch    das  Bildniss  des  Münzherren  vor- 
gestellt sei.  Nicht  minder  unzweifelhaft  ist,  dass,  wenn  auf  unseren 
Münzen  das  eine  oder  das  andere  der  genannten  Bildnisse  den  Münz- 
herren vorstellen  soll,  nur  das  mit  dem  Hut  bedeckte  dafür  gehalten 
werden  könne.  Es  ist  eben  in  dieser  Kopfbedeckung  der  Ran0-  und 
die  Würde  des  Münzfürsten   angedeutet.     Wie   die  Könige  mit  der 
Krone,  die  Bischöfe  und  Aebte  mit  der  Infel,  so  sind  andere  Für- 
sten je  nach  ihrem  Range  z.  B.  die  Herzoge  von  Bayern,  die  Pfalz- 
grafen am  Rhein,  die  Landgrafen  von  Leuchtenberg,  die  Grafen  von 
Wertheim   u.   s.   w.  mit  einem  Hute,    die  Burggrafen  von  Nürnberg 
aber    ohne  Kopfbedeckung  vorgestellt.     Betrachten   wir    z.    B.    die 
Pfennige  N.  18  —  20.  mit  dem  bedeckten  Kopfe  auf  der  einen  und 
dem   Wappenschilde  auf  der  andern  Seite,   so  wird  Niemand  zwei- 
feln, dass  der  Stempelschneider  in   dem  bedeckten  Kopfe  das  Por- 
trät des  Grafen  Ulrich  geben  wollte ;  in    gleicher  Weise  wird  mau 
aber   auch   zugeben   müssen,    dass    auf  dem   Pfennige  N.    15.,    auf 
welchem  ein  Kopf  in  blossen  Haaren  und  zugleich  ein  Brustbild  mit 
dem  Hute  erscheint,  das    Porträt   Ulrichs  nicht  in  dem  unbedeckten 
Kopfe  sondern  in  dem  bedeckten  Brustbilde  zu  suchen  sei. 

Hiemit  übereinstimmend  muss  endlich,  wenn  auf  der  einen  und 
derselben  Münze,  wie  diess  auf  den  Pfennigen  N.  1  —  14.  der  Fall 
ist,  zwei  bedeckte  Brustbilder  neben  einander  angebracht  sind,  an- 
genommen werden,  dass  in  denselben  zwei  Bildnisse  der  Münzher- 


21 

ren  vorgestellt  seien.  Sollte  über  letzteres  noch  ein  Zweifel  obwal- 
ten, so  verweise  ich  auf  die  alten  Regensburger  Denare  und  die 
denselben  nachgebildeten  mit  unseren  Münzen  gleichzeitigen  Pfennige, 
die  von  ähnlichem  Gepräge  in  Lauffen  und  Amberg  sind  geschlagen 
worden.  Die  von  dem  Bischöfe  von  Regensburg  gemeinschaftlich 
mit  dem  Herzoge  von  Niederbaiern  geprägten  Denare  haben  auf  der 
Vorderseite  ein  unbedecktes,  auf  der  Rückseite  ein  mit  der  Infel 
und  ein  mit  dem"] Hute  bedecktes  Brustbild  nebeneinander.*)  Die 
Lauffener  Pfennige  haben  auf  der  Vorderseite  ein  unbedecktes,  auf 
der  Rückseite  zwei  gekrönte,  **)  die  Amberger  Pfennige  auf  der  Vor- 
derseite ein  unbedecktes,  auf  der  Rückseite  zwei  mit  Hüten  bedeckte 
Brustbilder  nebeneinander.***)  Wenn  nun  auf  allen  diesen  Münzen 
die  Bildnisse  der  regierenden  Herren  in  den  zwei  mit  Krone,  Infel  oder 
Hut  bedeckten  und  nebeneinander  gestellten  Brustbildern  nicht  ver- 
kannt werden  können,  so  folgern  wir  gewiss  mit  Recht,  dass  auch 
auf  unseren  Münzen  die  zwei  mit  dem  Hute  bedeckten  und  neben- 
einander gestellten  Brustbilder  für  Porträte  zu  halten  seien. 

Hat  diess  seine  Richtigkeit,  so  ergibt  sich  hieraus  nothwendig 
der  für  unsere  Untersuchung  sehr  wichtige  Satz,  dass,  weil  auf 
einigen  unserer  Münzen  zwei  bedeckte  Brustbilder  nebeneinander, 
auf  andern  aber  nur  ein  einziges  erscheint,  auf  ersteren  zwei  Gra- 
fen von  Hohenlohe  vorgestellt  sind,  auf  letzteren  nur  einer. 


*)   Obermayr  histor.   Nachricht,    v.  hayr.    Münzen.    Tab.  X.   fig.  18.    Domus 
Wittelsb.  numism.   Tab.  IV.  fig.   10. 

**)  Streber,  böhm.-pfälz.  Pfennige.  Tab.   I.  fig.  3. 

***)  Obermayr   hist.  Nach.   Tab.  X,  fig   26.  Dom.   Wittelsb,  numistn.   Tab.   1. 
fig.  6.  : 


22 


7. 

Die  zwei  Grafen  von  Hohenlohe  sind  Graf  Ulrich 
und  einer  seiner  Brüder, 

Wer  mögen  die  zwei  Grafen  von  Hohenlohe  sein,  deren  Bild- 
nisse auf  der  Rückseite  unserer  Pfennige  N.  1  —  14  erscheinen? 
oder  vielmehr,  da  unsere  Münzen  dem  Grafen  Ulrich  angehören, 
wer  mag  mit  ihm  das  Münzrecht  gemeinschaftlich  ausgeübt  und  die 
Ehre  des  Bildnisses  getheilt  haben"? 


Auf  anderen  Münzen  der  zweiten  Hälfte  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts von  ähnlichem  Gepräge  sind  in  den  zwei  neben  einander 
befindlichen  Brustbildern  der  regierende  Herr  und  dessen  ältester 
Sohn  vorgestellt.  So  auf  den  zu  Laufen  und  Erlangen  geschlagenen 
Pfennigen  des  Kaisers  Karl  IV.  der  Kaiser  selbst  und  sein  Sohn 
Wenceslaus*),  auf  den  Langenzenner  und  Bayreuther  Pfennigen 
der  Burggrafen  von  Nürnberg  Burggraf  Friedrich  V.  und  sein  älterer 
Sohn  Fridrich  VI**). 


Graf  Ulrich  hatte  keinen  Sohn,  wohl  aber  mehrere  Brüder, 
denn  Graf  Kraft  III.,  welcher  am  16.  November  1371  starb,  hinter- 
liess  von  seiner  Gemahlin  Anna,  einer  gebornen  Landgräfiu  von 
Leuchtenberg,  nebst  einer  Tochter  Anna,  die  sich  mit  Graf  Conrad 
von  Brauneck  und  nach  dessen  Tod  mit  Conrad  von  Weiusberg 
vermählte,  sieben  Söhne,  nämlich: 


1.     Kraft  IV.,   vermählt    mit  Elisabeth,    Gräfin    von   Sponheim, 
f  1399; 


*)    Streber,  böhm.-pfälz.  Pfennige  S.  45. 
**)    Streber,  die  ältesten  Münzen  der  Burggrafen  von  Nürnberg  S.  80. 


23 

2.  Gottfried  f  1413; 

3.  Ulrich,  dem  unsere  Pfennige  angehören,  -j-  1407; 

4.  Johann,  dessen  Sterbejahr  unbekannt  ist  (s.   unten   §.   16) 

5.  Fridricb,  dessen  Sterbejahr  unbekannt  ist    (s.  unten  §.  18) 

6.  Georg,  Bischof  zu  Passau  und  Erzbischof  zu  Gran,  -j-  1424 

7.  Albrecht,    vermählt  mit  Elisabeth,    des   Grafen   Ulrich  von 
Hanau  Tochter,    f  1429. 

Wenn  wir  nun  einerseits  wissen,  dass  Graf  Ulrich  einen  Sohn, 
welcher  mit  ihm  die  Ehre  des  Bildnisses  hätte  theilen  können,  nicht 
hatte,  andererseits  aber  feststeht,  dass  auf  einigen  der  von  dem 
Grafen  Ulrich  in  seiner  Residenz  zu  Oehringen  geschlagenen  Mün- 
zen zwei  Grafen  von  Hohenlohe  vorgestellt  sind:  so  ergiebt  sich 
hieraus  von  selbst  der  weitere  für  unsere  Untersuchung  wichtige 
Satz',  dass  in  den  zwei  neben  einander  befindlichen  Brustbildern 
N.  1  —  14  nur  Ulrich  selbst  und  einer  seiner  Brüder  vorgestellt 
seyn  können. 


8. 

Graf  Virich  muss  daher  eine  Zeitlang  die  Herrschaft  theils    mit 
einem  seiner  Brüder  gemeinschaftlich ,  theils  allein   besessen   haben, 

Ist  das  bisher  Gesagte  richtig,  ist  auf  unseren  Münzen  Graf 
Ulrich  bald  allein,  bald  gemeinschaftlich  mit  einem  seiner  Brüder 
vorgestellt,  so  wird  hieraus,  da  das  Recht  des  Bildnisses  auf  Mün- 
zen nur  demjenigen  zusteht,  der  zugleich  die  Regierungsgewalt 
wenigstens  theilweise  iuue  hatte,  nothwendig  der  weitere  Schluss 
gezogen,  dass  Graf  Ulrich  die  Herrschaft  eine  Zeitlang  mit  einem 
seiner  Brüder  getheilt,  eine  Zeitlang  aber  allein  besessen  habe. 

Dass  wir  aus  denjenigen  Münzen,  aufweichen  nur  Ulrich  allein 
vorgestellt  ist,  mit  Recht  den  Schluss  ziehen,  Ulrich  habe  eine  Zeit 


24 

lang  allein  regiert,  wird  ohnehin  nicht  bezweifelt  werden.  Aber 
auch  die  weitere  aus  den  Münzen  mit  zwei  neben  einander  gestell- 
ten Brustbildern  abgeleitete  Behauptung,  Ulrich  habe  eine  Zeit  lang 
mit  einem  seiner  Brüder  gemeinschaftlich  die  Herrschaft  inne  ge- 
habt, wird  vollends  gerechtfertigt,  wenn  wir  erwägen,  dass  es  in 
der  hohenlohischen  Familie  seit  den  frühesten  Zeiten  her  üblich 
war,  so  oft  der  Vater  mehrere  Söhne  hatte,  den  zwei  älteren  mit 
einander  die  eigentliche  Herrschaft,  den  jüngeren  aber  eine  Apanage 
zuzuweisen. 

Bereits  im  Jahre  12*20  finden  wir,  dass  die  zwei  älteren  Brü- 
der Gottfried  und  Conrad,  die  Stifter  der  nachmaligen  zwei  Haupt- 
linien Hohenlohe  und  Brauneck,  die  eigentlichen  weitläufigen  Laud- 
und  Herrschaften  erhielten,  während  die  jüngeren,  Heinrich  und 
Fridrich,  sich  mit  einer  gewissen  Apanage,  die  sie  dann  dem  deut- 
schen Orden,  in  welchen  sie  traten,  geschenkt  haben,  begnügen 
mussten  i:r). 

In  ähnlicher  Weise  verschrieb  Graf  Kraft  III.  in  seinem  Testa- 
mente vom  Jahre  1367,  auf  welches  wir  später  ohnehin  noch  aus- 
führlicher zurückkommen  weiden,  seinen  beiden  ältesten  Söhnen 
Kraft  dem  jüngeren  und  Gottfried,  die  ganze  Herrschaft  miteinander 
zu  gleichen  Theilen,  den  jüngeren  aber,  namentlich  den  Grafen 
Ulrich  und  Hans,  ein  gewisses  Apanagium  J":i;:<). 

Dasselbe  finden  wir  noch  im  fünfzehnten  Jahrhundert.  Als 
Graf  Albrecht  im  Jahre  1429  starb,  ging  die  Herrschaft  auf  seine 
beiden  älteren  Söhne  Kraft  und  Albrecht  über,   der  jüngere    Georg 


*)  Hanselmann,  B.   I,   S.    175  Urk.  N.  XIII. 
**)  Hanselmann,  a.  a.  O.  N.  CXXVH. 


25 

aber  erhielt  nur  gewisse  jährliehe  Einkünfte,  und  als  im  Jahre  1472 
Graf  Kraft  das  Zeitliche  segnete,  kam  abermal  die  Herrschaft  an 
dessen  zwei  ältere  Söhne  Gottfried  und  Kraft,  während  die  jünge- 
ren Fridrich  und  Adolf  nur  mit  einem  bestimmten  jährlichen  Depu- 
tat bedacht  wurden. 


9. 
Nähere  Bezeichnung  der  Fragepunkte. 

Wenn  wir  bisher  durch  die  nähere  Prüfung  der  Aufschriften 
und  Typen  unserer  Münzen  zu  dem  allgemeinen  Ergebnisse  gelang- 
ten, dass  Graf  Ulrich  eine  Zeit  lang  allein,  eine  Zeit  lang  aber 
gemeinschaftlich  mit  einem  seiner  Brüder  regiert  und  in  Oehringen 
gemünzt  habe:  so  wird  nunmehr  die  bereits  oben  im  Allgemeinen 
aufgeworfene  Frage,  woher  es  komme,  dass  Graf  Ulrich,  obwohl 
nur  der  dritte  von  Krafts  III.  Söhnen,  das  Münzrecht,  und  zwar  noch 
bei  Lebzeiten  seines  älteren  Bruders  Gottfried  *),  ausgeübt  habe  und 
warum  auf  seinen  Münzen  bald  ein,  bald  mehrere  Bildnisse  erschei- 
nen ?   genauer  in  folgender  Weise  gestellt  werden  müssen: 


Wann  kam  Graf  Ulrich  zur  Regierung?  wann  und  wie  lange 
besass  er  die  Herrschaft  allein?  wann  regierte  er  gemein- 
schaftlich mit  seineu  Brüdern?  mit  welchem  von  seinen  sechs 
Brüdern  hat  er  die  Herrschaft  getheilt?  mit  einem  oder  mit 
mehreren  nach  einander? 

Wir  müssen  demnach  zu  diesem  Behufe  die  wenn  gleich  we- 
nigen Nachrichten,  welche  sich  in  den  Urkunden  finden,  zusammen- 
stellen,   um    womöglich   einen   Ueberblick   über   die   Geschichte    des 


*)  Gottfried  starb  im  Jahre   1413,  also  erst  6  Jahre  nach  Ulrich. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  1«.  AU.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  4 


26 

Grafen  Ulrich  zu  gewinnen.  Dass  hiebei  auch  die  Geschiebte  sei- 
ner Brüder,  in  sofern  diese  sich  mehr  oder  minder  an  den  Re«ne- 
rungsgeschäften  betheiligt  haben,  in  die  Untersuchung  hereingezogen 
werden  müsse,  versteht  sich  von  selbst. 


10. 

Graf  Ulrich  bei  Lebzeiten  .seines   Vaters 
oder  vor  dem  Jahre  1371. 

Von  den  Jugendjahren  Ulrichs  ist  uns  wenig  bekannt.  So 
lange  noch  Graf  Kraft  III.  lebte,  wird  Ulrich,  meines  Wissens  we- 
nigstens, nur  zweimal  in  Urkunden  erwähnt,  zuerst  in  der  testa- 
mentlichen Verordnung  seines  Vaters  und  dann  in  einer  Urkunde 
des  Klosters  Gnadenthal. 

Die  testamentliclie  Verordnung  Kraft's  III.  ist  vom  Jahre  1367 
und  enthält  nachstehende  Bestimmungen,  die  hier  angeführt  werden 
müssen,  weil  durch  sie  allein  manches  für  die  nachfolgende  Unter- 
suchung klar  wird. 

1)  Die  Söhne  Kraft  und  Gottfried  und  ihre  ehlichen  Leibes- 
erben sollen  nach  dem  Tode  der  Eltern  mit  einander  zu  gleichen 
Tbeilen  die  ganze  Herrschaft  erben  uud  besitzen. 

2)  Die  Brüder  Ulrich  und  Hans  sollen  ein  Jahr  nach  der 
Eltern  Tod,  ersterer  die  Burg  uud  Stadt  Vorthenberg,  letzterer 
Hoenard  die  Burg  und  das  Dorf  daran  erhalten  und  jeder  noch  so 
viel  dazu,  dass  ihm  jährlich  zweihundert  Pfund  Heller  werden. 

3)  Die  andern  Brüder  sollen  Kraft  und  Gottfried  zu  sich  neh- 
men bis  sie  vierzehn  Jahre  alt  sind ,  dann  soll  jeder  eine  Behausung, 


27 

die  Stadt  Ulsshoven  oder  die  Burg  Solz  erhalten  und  dazu  so  viel, 
dass  ihnen,  wie  den  Söhnen  Ulrich  und  jHans,  „zweihundert  Pfunt 
jerlichs  hellergelts"  wird,  ein  Jahr  nachdem  sie  es  gefordert. 

4)  Will  einer  der  Söhne  etwas  veräussern,  so  soll  er  es  ein 
halbes  Jahr  zuvor  den  Brüdern  anbieten  und  diesen  soll  immer  die 
Wiederlösung  vorbehalten  bleiben. 

5)  Sollten  Kraft  und  Gottfried  ohne  ehliche  Leibeserben  ster- 
ben, so  soll  der  ältere  Bruder  die  Herrschaft  unter  den  nämlichen 
Bedingungen  erben  und  besitzen; 

6)  welche  aber  ehliche  Söhne  hinterlassen,  diese  Söhne  sollen 
die  Herrschaft  „vor  uss"  haben*). 

Aus  dieser  Urkunde  ergiebt  sich,  so  weit  sie  von  Graf  Ulrich 
handelt,  fürs  erste,  dass  er  der  drittgeborene  von  Krafts  Söhnen  ge- 
wesen; zweitens  dass  ihm  im  väterlichen  Testamente,  eben  weil  er 
zwei  ältere  Brüder  hatte,  ein  Antheil  an  der  Regierung  nur  für  den 
Fall  zugedacht  war,  wenn  einer  der  älteren  Brüder  ohne  eheliche 
Leibeserben  sterben  sollte;  drittens  dass  er  damals  schon  mehrere, 
nämlich  ausser  den  namentlich  aufgeführten  Grafen  Kraft,  Gottfried 
und  Hans  noch  „andere"  Brüder  hatte;  endlich  viertens,  dass,  weil 
von  diesen  „andern"  Brüdern  das  Gegentheil  ausdrücklich  erwähnt 
wird,  Ulrich  und  Hans  damals,  als  das  Testament  abgefasst  wurde, 
das  vierzehnte  Jahr  schon  zurückgelegt  hatten. 

Die  Gnadenthaler  Urkunde,  in  welcher  Ulrich  nochmals  er- 
wähnt wird,  ist  vom  Montag  nach  Urbanl371   und  lautet**):  „wir 


*)  Hanselmann,  B.  I,  S.  461,  Urk.  N.   CXXVII. 
**)    Wibel,  a.   a.  O.   II.  cod.  dipl.  p.  207,   N.  136. 

4* 


28 

frawe  Elizabet  Eptissin..  zu  Gnadenthal.,  vor  vnserin  alten  Herren 
Hern  Gräften  von  Hohenloch . . .  dabey  was  vnser  Junger  Herre 
Her  Ulrich  von  Hohenloch...  Götze  von  Stetten,  Vogt  zu  Waiden- 
berg .  . ." 


11. 

Von  1371  bis  1379  regiert  Graf   Kraß  IV.  gemeinschaftlich   mit 

seinem   Bruder  Gottfried. 

Graf  Kraft  III.  und  Anna  seine  Hausfrau  hatten  in  ihrem  Testa- 
mente vom  Jahre  1367  verordnet:  „Des  ersten  setzen  wir  und 
machen,  dass  unser  lieben  Sun  Craft  und  Gotfrid,  und  ireu  libs 
erben,  daz  elich  sun  sin,  miteinander  zu  glichem  teil  nach  uuserni 
tode,  ob  sy  uns  überlebent,  alle  unser  Herschafft  mit  allen  irin  Zu- 
gehornden  erben,  besitzen,  nutzen  und  nissen  sullen  mit  vollem 
gantzem  Gewalt  und  mit  allen  rehteu  und  nutzen,  als  wir  die  dann 
lassen  und  hernach  geschriben  sten"  #)..  Nach  dem  Tode  Krafts  HI. 
welcher  am  16.  November  1371  erfolgte  #*),  sollten  daher  jener  letzt- 
willigen Bestimmung  zufolge  die  zwei  älteren  Brüder  Kraft  IV. 
uud  Gottfried  die  Regierung  gemeinschaftlich  antreten.  Dass  diess 
auch  in  der  That  geschehen  sei,  beweisen  mehrere  Urkunden,  na- 
mentlich mehrere  diesen  beiden  ausgestellte  eidliche  Reverse,  von 
denen  ich  nachstehende  im  Auszuge  mittheile. 

.,Ich  Dgemar  Schopfloch  tun  kunt..  daz  ich  gelobe  vnd  gelobt 
han,  daz  ich  wider  die  Edeln  Hochgeborn  Herren  Herren  Kräften 
vnd  Herren  Gottfriden  von  Hohenloch   gebruder   nimmer   sol   gesein 


*)  Hanselman,   B.  I.  cod.  dipl.  ürk.  N.  CXXVH. 
**)  Hanselmann,  ß.  I,  S.  176. 


29 

noch  gen  kein  den  ire  ongeverd . .     an   dem  nehsten  dienstag    nach 
vnser  Frawen  tag  zu  lichtmesse  1372"*). 

„Ich  Cwitz  von  Wisenbach  Virich  Tauben  seiligen  tochterman 
tun  kunt  .  . .  von  der  Sache  wegen  als  ich  zu  schiken  het  mit  den 
Edeln  wolgeboni  minen  geneidigen  H'ren  H'ren  Kräften  vnd  H'ren 
Gotfriden  von  Hohenloch  dez  bin  in  gutlichen  mit  in  v'riht  worden 
Also  daz  ich  han  gesworen  zu  den  heiligen  einen  eyt,  daz  ich 
nymmer  mer  sin  sol  noch  getun  wider  die  obgenanten  min  H'ren 
von  Hohenloch  noch  wider  ir  diener  vnd  auch  wider  alle  die  iren 
one  allez  geu'de...  an  den  neihsten  Dunderstage  nach  aller  heiligen 
tag  1372"**). 

„Ich  Hans  Ramsauvver  bekenne . .  daz  ich  gesworen  han  . . 
daz  icli  wider  die  Edeln  wolgeboren  vnd  min  geneedigen  H'ren 
H'ren  Kräften  vnd  H'ren  Gotfriden  von  Hohenloch  gebrüdern  vnd 
wider  alle  ir  erben  dyener  vnd  arme  lüte  nymmer  ine  getun  vnd 
gesin  sol  weder  mit  Worten  noch  mit  werken  heimlich  noch  offen- 
lich  inde  hein  wise..    1372"  ***). 

„Ich  Wernher  von  Ippesheim  ton  kunt..  daz  ich  zu  den  heili- 
gen gesworen  han  ein  gelehrten  Ajt..  daz  ich  nymmer  me  gesin  sol 
wider  die  Edien  Heren  Heren  Kräften  von  Hohenloch  vnd  Heren 
Gotfrit  von  Hohenloch  Gebrüder  noch  wider  die  iren  one  alle  ge- 
verde  . .   au   dem  nechsten  Montag  nach  dem  obersten  tag  1373."*) 


*)  Ha?iselmann,  B.   I,   cod.  dipl.  ürk.  N.  CXXXI. 
**)  Hanselmann,  B.  II,  S.  91,  N.  XXIV. 
***)  Hanselmann,  B.  II,  S.  92,  XXV. 
•fr)  Hanselmann,  B.  I,  S.  467,  N.    CXXXIV. 


30 

„Ich  Berchtolt  von  tzvvingenberg  bekenne  daz  ich  gefangen  bin 
gewesen  der  Edeln  Herren  Hern  Kra/ftes  vnd  Hern  Gotfrides  von 
Hohenloch  Gebnider  vnd  irer  erb'n  vnd  der  Gefengnisse  hab'n  sie 
mich  ledig  vnd  loz  gesaget  mit  solcher  bescheidenheit  vnd  gedinge 
daz  ich  furbaz  wider  die  itzgenanten  Herren  und  alle  ire  erben  noch 
keinen  der  iren  nummer  getan  sol  .  .  vnd  dorumb  so  vormache  ich  vnd 
gib  den  vorgenanten  Herren  Hern  Kr  äfften  vnd  Hern  Gotfriden  von 
Hohenloch  gebrudern  mine  hernach  geschrib'n  gut  daz  ich  hau  ztu 
Jerichsteten  die  min  eygen  vor  sind  gewest . .  an  dem  suntage  vor 
der  Crutzewochen  1373."#) 

„Johann  Landgraf  zum  Leutemberg  und  Graf  zu  Hals  entschei- 
det zwischen  Friedrich  Burggrafen  zu  Nürnberg  einerseits  und  Kraft 
und  Gotfrid  von  Hohenloch  andrerseits  hinsichtlich  ihrer  gegenseiti- 
gen durch  ihre  Diener  verübten  Feindseligkeiten.  G.  an  Philippi  und 
Jacobi  Tag  1377."*-) 

„Derselbe  vereinigt  Kraft  und  Goffried  von  Hohenloch  seine 
Oheime  und  chunz  von  Elrichshusen  einerseits,  dann  den  Ritter 
Hans  von  Sekkendorf  andrerseits  hinsichtlich  aller  ihrer  Misshelungen 
und  Zweyungen.  G.  am  Suntag  nach  Philippi  und  Jacobi  1377."  ***) 

„Ich  Friz  Vogt  vnd  ich  Chunz  von  Burk  edel  Kneht  tun  kuut 
von  der  Gefenknüsse  wegen  als  wir  gefangen  sin  gewesen  der  Edel 
Herren  Herrn  Krafts  uud  Herre  Gotfrids  von  Hohenloch  Gebrüder 
derselben  Gefänguüsse  haben  sie  Uns  ledig  und  lossgesagt,  Also  mit 


*)  Hanselmann,   B.  II.  S.  101.  N.  XXXVI. 

**)  Freyberg,    Reg.  Boica   B.    IX.  (V)  pag.    374.   Hanselmann   B.    I.  S.  467. 
N.  CXXXV.   Wibel,  I.  S.   156. 

***  )  Freyberg  a.   a.   O. 


31 

selicher  Besclieidenlieit  daz  wir  wider  sie  noch  wider  die  iren  nim- 
mer mer  geseiu  noch  tun  sollen  ongeverd. .  Auch  haben  wir  gelobt 
vnd  gesworen  daz  wir  Man  sulln  sin  der  obgenanten  Herren . .  vnd 
sullen  in  gebunden  vnd  gehorsam  sin,  iren  schaden  warnen  vnd  iren 
frumen  werben  als  man  von  Manschafft  sinen  Herren  billichen  schul- 
dig ist..  An  dem  nehsten  Dienstag  nach  dem  weyssen  Suntag  1378.#) 

Diese  Urkunden  beweisen  unwidersprechlich,  dass  nach  KraftsIII. 
Tod  seine  beiden  ältesten  Söhne  Kraft  IV.  und  Gottfried  gemein- 
schaftlich regierten.  Sie  werden  auch  sonst  noch  gemeinschaftlich  er- 
wähnt. 

Am  16.  März  1376  verpflichten  sich  Kraft  von  Hohenloch 
und  sein  Bruder  Gottfried  von  Hohenloch,  den  Inhalt  des  Briefes, 
laut  welchem  ihnen  der  Bischof  Gerhard  zu  Würzburg  fünfhundert 
Gulden,  drei  Fuder  Wein,  dreissig  Malter  Korn  und  dreissig  Mal- 
ter Haber  jährliche  Gült  auf  der  Stadt  Jpfhofen  um  fünftausend 
Gulden  verpfändet  hat,  genau  zu  halten;**)  und  am  6.  April  des 
darauffolgenden  Jahres  bekennen  beide,  an  den  fünftausend  Gul- 
den, wofür  ihnen  die  Stadt  Ipfhofen  vom  Bischof  Gerhard  zu  Würz- 
burg verpfändet  war,  eintausend  vierhundert  und  achzig  Gulden  er- 
balten zu  haben.  ***) 

Desgleichen  werden  in  einer  Urkunde  der  „Berl  von  Sultz,  Heint- 
zen  von  Sultz  elicher  Hausfrau  „vom  Jahre  1375  die"  Edeln  Hoch- 
gebornen  Herrn  Herr  Cr  äfft  und  Gottfried  von  Hohenlohe"  gemein- 
schaftlich genannt,  f ) 


*)  Hanselmann,  B.  I.  S.  468.  N.   CXXXVI. 
**)  Freyberg,  Reg.  Boic.  T.  IX  (V)  pag.  342. 
***)  Freyberg  a.  a.   O.   S.  373. 
f)    Wibel  a.  a.  O.  B.  III.  S.  68. 


32 

Im  Jahre  1377  kaben  Graf  Kraft  nnd  Gottfried  von  Konrad 
von  Kirchberg  den  Kirchsatz  zu  Gründe  lhard,  eine  Meile  von  Kreils- 
heim,   nebst  dem  Gericht  daselbst  und  anderen  Gütern  erkauft.*) 

Wenn  dessohngeachtet  zuweilen  statt  der  beiden  Brüder  nur 
Kraft  allein  als  der  ältere  namhaft  gemacht  wird,  wenn  z.  B.  Graf 
Kraft  im  Jahre  1373  einen  schriftlichen  Gewaltsbrief  erhielt,  die  Ju- 
den in  der  Reichsstadt  Hall,  welche  Kaiser  Karl  IV.  seine  und  des 
Reiches  Kammerknechte  nennt,  zu  schützen  und  zu  geniesen  bis  auf 
Widerruf,**)  oder  wenn  im  Jahre  1 378  Kaiser  Karl  IV.  den  Bischof 
von  Würzburg  ,  die  Grafen  zu  Würtemberg  und  den  Grafen  Kraft 
von  Hohenlohe  mit  den  Reichsstädten  vergleicht,***')  so  ändert  diess 
im  Hinblicke  auf  obige  Urkunden  nichts  an  der  Richtigkeit  der  Be- 
hauptung, dass  Graf  Gottfried  mit  seinem  älteren  Bruder  Kraft  ge- 
meinschaftlichen Autheil   an  der  Herrschaft  gehabt  habe. 

Zum  letztenmal  erscheinen  die  genannten  Brüder  als  gemein- 
schaftlich regierende  Herrn  im  Jahre  1379. 

Am  Mittwoch  nach  Mathis  Tag  1379  versprechen  Kraft  von 
Hohenloch  und  sein  Bruder  Gotfried  von  Hohenloch  dem  Eberhard 
Philips  Bürger  in  Halle  von  den  ihm  schuldigen  5760  Gulden  3600 
Gulden  auf  kommenden  Peters  Tag  Kathedra  und  die  andern  2160 
Gulden  auf  den  darauf  folgenden  Georien  Tag  zu  bezahlen,  widri- 
genfalls sie  sich  verpflichten,  von  dieser  Schuld,  zu  welchem  Ziele 
sie  nicht  gereicht  würde,  je  von  zehn  Gulden  einen  Gulden  Gült  zu 
geben,  f) 


*)  Wibel  a.   a.   O.  B.   I.   S.    149. 

**)  Wibel  a.  a.  O.  B.  I.   S.  252. 

***)  Wibel  a.  a.  O.  B.  I.  S.  225. 

f)  Freyberg,  Reg.  Boic.  Vol.  X.  (VI.)  pag.  27. 


33 

Am  St..  Urbanstag  desselben  Jahres  ertheilen  Kraft  von  Hohen- 
loch und  sein  Bruder  Gotfrit  von  Hohenloch  dem  Eberhart  Philips 
Burger  zu  Halle  die  Gewalt  sie  an  Leuten  und  Gütern  zu  pfänden, 
im  Falle  sie  die  wegen  Rückzahlung  ihrer  Schuld  von  5760  Gulden 
eingegangenen  Verpflichtungen  nicht  beobachten  würden.*) 

Am  nämlichen  Tage  endlich  beurkunden  Krafft  und  Gottfryd 
gebruder  von  Hohenlohen,  dass  sie  „mit  guter  Vorbetrachtung  und 
mit  ratt,  willen  und  gunst  irer  besten  Frund  und  besunder  irer  üben 
brader  Ulrichs,  Johansen  und  Fryderichs  von  Hohenloch  einen  Stift 
und  ein  Samenunge"  gestiftet  haben  „von  weltlichen  priestern  in  iren 
Kirchen,  die  sie  gebauwen  haben  in  irer  Statt  zu  Meckmulen  vor 
der  bürg  in  Wirzpurger  bistump  gelegen."**) 

12. 

Graf  Ulrich  während  der  gemeinschaftlichen  Regiei'ung  Krafts  IV. 
und  Gottfrieds  von  1371  bis  1379. 

Da  nach  des  Grafen  Kraft  III.  Tod,  wie  so  eben  gezeigt  wor- 
den, die  zwei  älteren  Söhne  die  Regierung  antraten  ,  so  war  Graf 
Ulrich  mit  seiner  unbedeutenden  Apanage  auf  das  Leben  eines  schlich- 
ten Privatmanns  angewiesen.  Diess  mochte  seinem,  wie  wir  später 
sehen  werden,  sehr  rührigen  Geiste  nicht  zusagen.  Die  jüngeren 
Brüder  adeliger  Familien  suchten  damals  gerne  Stellen  in  irgend  ei- 
nem geistlichen  Stifte,  wo  sich  ihnen  eher  eine  Aussicht  emporzu- 
kommen darboth.  Dasselbe  thaten  die  Grafen  von  Hohenlohe.  Als 
Graf  Ulrich  seinen   geringen  väterlichen  Antheil  erhielt,  hatten  nicht 


*)  Freyberg  a.  a.   O.  S.  33. 

**)  Hanselmann,  B.  I.  S.  469.  N.    CXXXVII.       Wibel  a.    a.  O.  I.  S.  66.  II. 

Cod.  dipl.  S.  323.  N.  CLXXVIL 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.   V.  Bd.  III.  Abthl.  5 


34 

weniger  als  neun  seiner  nächsten  Verwandten  sich  dem  Kleriker 
Stande  gewidmet.  Von  der  Linie  Hohenloh-Brauneck*)  war  Graf  An- 
dreas Probst  zu  Bingen  und  Mainz  (f  1391),  dessen  Bruder  Geb- 
hard  Ritter  des  deutscheu  Ordens  (erwähnt  1366)  und  der  dritte 
Bruder  Engelhard  Ritter  des  Johanniter-Ordens,  desgleichen  ihr  Vet- 
ter Gottfried  von  Hohenloh-Brauneck  Domprobst  zu  Trier  (jl390); 
fast  gleichzeitig  waren  aus  der  Speckfeld'schen  oder  Uffenheimischen 
Linie**)  Graf  Albrecht  Bischof  zu  Würzburg  (1345  —  1372)  und 
dessen  Bruder  Graf  Friedrich  Bischof  zu  Bamberg  (1343  —  1352). 
Von  Ulrichs  Brüdern  war  Georg  Bischof  zu  Passau  und  später  Erz- 
bischof von  Gran,  Albrecht  Canonicus  in  Mainz  und,  wie  wir  spä- 
ter sehen  werden,  vermuthlich  auch  noch  Johannes  Decan  in  Oeh- 
ringen. 

Diesem  Beispiele  folgte  auch  unser  Graf  Ulrich,  wie  aus  nach- 
stehender Urkunde  hervorgeht:  ***)  „Ich  Jungfrauwe  Agnes  von  Kunt- 
zelsauwe  tun  kunt  daz  ich  vf  geben  han.  .  daz  Huss  gelegen  zu 
Kuntzelsauwe  mit  dez  Edeln  vnd  mines  gneidigen  Herren  Virichs 
von  Hohenloch  Tumherre  zu  Wiirtzberg  eygin  Insigel  vnd  auch 
mit  Götzen  von  Stetten  dez  Eltern,  Vogt  zu  Waidenberg  Insigel. 
an   S.  Erhards  Abend  1372." 

Dass  dieser  „Ulrich  von  Hohenloch  Tumherre  zu  Würtzperg" 
kein  anderer  sei  als  unser  Graf  Ulrich,  der  Sohu  Krafts  III.,  kann 
nicht  wohl  bezweifelt    werden,    wenn    wir    die  obenf)    erwähnte 


*)  Hanselmann  B.  II.  S.  309. 
**)    Wibel,    Vorbericht  S.  36. 
***)   Wibel,  Th.  I.  S.   28.  Th.  II.  cod.   dipl.    Gnadenthaler  Urk.  N.   139. 
f)  S.  oben  §,  9.   pag.  27.  Anm.  ** 


35 

Urkunde  vom  Moudtag  nach  Urbani  1371  und  die  vorliegende  vom 
S.  Erhards  Abend  1372  miteinander  vergleichen.  Beide  Urkunden 
sind  aus  dem  Kloster  Gnadentbai;  zwischen  der  Ausfertigung  bei- 
der Urkunden  liegt  nur  ein  kurzer  Zeitraum,  erstere  wurde  wenige 
Monate  vor,  letztere  bald  nach  dem  Tode  Krafts  III.  ausgestellt; 
in  beiden  erscheinen  Ulrich  von  Hohenlohe  und  Götze  von  Stetten, 
Vogt  zu  Waidenberg  als  Zeugen.  Da  nun  Ulrich  in  der  einen  Ur- 
kunde zugleich  mit  Kraft  III.  und  zwar  dieser  als  der  alte,  jener 
aber  als  der  junge  Herr  von  Hohenlohe  genannt  wird,  da  sonach 
der  im  Jahre  1371  genannte  Ulrich  der  Sohn  Krafts  III.  ist,  so 
muss  auch  der  im  Jahre  1372  genannte  Ulrich  Domherr  zu  Würz- 
burg dafür  gehalten  werden,  und  Ulrich  muss  diese  Würde  bald  nach 
seines  Vaters  Tod  erlangt  haben. 

Ulrich  änderte  jedoch  bald  wieder  seinen  Plan.  Die  eben  erwähnte 
Urkunde  ist  die  einzige,  in  welcher  er  als  Domherr  erscheint.  Wir 
finden  ihn  überhaupt  in  den  folgenden  Jahren  gar  nicht  in  Würz- 
burg, sondern  bei  seinen  Brüdern  und  zwar  nicht  als  einfachen  Pri- 
vatmann, sondern  bei  den  politischen  Bewegungen,  von  denen  auch 
das  Haus  Hohenlohe  berührt  wurde,  betheiliget.  Wenn  die  Angabe 
Speners,*)  dass  Ulrich  eine  Tochter  des  Königs  Fridrich  von  Si- 
cilien,  Namens  Elisabeth,  zur  Gemahlin  hatte,  Glauben  verdient,  so 
hatte  er  geistliche  Weihen  nie  empfangen,  konnte  sonach  um  so 
leichter   aus   dem  Capitel  zu  Würzburg  wieder  austreten. 

Urkundlich  nachweisbar  finden  wir  unsern  Grafen  Ulrich  bereits 
im  Jahre  1375  auf  dem  politischen  Schauplatze.  Bekanntlich  hatte 
damals  der  Kampf  der  Städte  gegen  Fürsten  und  Adel  einen  bedroh- 
lichen Anfang  genommen.  König  Wenzeslaus  suchte  im  Jahre  1375 


')  Spener,  Op.   herald.  Lib.  I.  cap.  XLII.  pag.  208. 


36 

die  Zwistigkeit  zwischen  den  Reichstädten  and  Adeligen,  welche 
den  Juden  viel  schuldig  waren  und  sich  durch  kaiserliche  Immuni- 
tätsbriefe  davon  los  machen  wollten,  durch  eine  Commission  zu  he- 
ben. Hiezu  ward  unser  Graf  Ulrich  berufen.3*)  Die  Zwistigkeiten 
dauerten  aber  fort,-""»")  die  Reichsstädte  machten  Bündnisse  unter 
sich  wider  diejenigen,  von  welchen  sie  sich  beschwert  glaubten,  und 
so  bekamen  sie  auch  mit  den  Grafen  von  Hohenloh  zu  thun.  1378 
verglich  zwar  Kaiser  Karl  IV.  den  Bischof  zu  Würzburg,  die  Gra- 
fen zu  Würtemberg  und  den  Grafen  Kraft  von  Hohenloh  mit  den 
Städten,  das  folgende  Jahr  jedoch  sendeten  diese  den  Herren  von 
Hohenlohe  einen  Fehdebrief,  in  welchem  neben  den  damals  regieren- 
den Brüdern  Kraft  und  Gottfried  auch  Graf  Ulrich  namentlich  ange- 
führt wird.  Der  Fehdebrief  lautet :*%%) 

„Die  Edle  vnd  Wolgeborne  fraw  derer  von  Hohenloh,  Herrn 


*)    Wibel,  Th.  I.    S.  252. 

**)  Ulrich  brachte  gemeinschaftlich  mit  Friedrich  Herzog  in  Bayern ,  Ni- 
colaus Bischof  zu  Constanz  und  Heinrich  von  der  Tuben  eine  Ueber- 
einkunft  mit  den  Bundesstädten  in  der  Art  zu  Stande,  dass  vier  von 
beiden  Theilen  gesetzte  Männer  über  das  Geld  absprechen  sollten, 
welches  jede  Stadt  den  Juden  schuldig  ist.  Zu  einer  vollständigen  Bei- 
legung jedoch  hat  die  Uebereinkunft  nicht  geführt,  denn  noch  zehn  Ja- 
hre nachher,  am  13.  Juni  1385,  hielten  der  Landgraf  Johann  zu  Leuch- 
tenberg und  Berthold  Plintzing  Bürger  zuNürnberg  für  nöthig,  für  den 
Fall,  dass  sich  die  vier  nicht  vereinen  könnten,  den  Städten  „Augsburg, 
Nürnberg,  Ulm,  Botenburg  an  der  Tauber,  Wintzham  und  Wissenburg 
zu  einem  genieinen  Manne  Hansen  von  Steinach,  Bürgermeister  von 
Begensburg,  dann  der  Stadt  Basel  und  allen  anderen  Städten  unter  der 
Albe,  an  dem  Sew  und  in  dem  Algöw  zu  einem  gemeinen  Manne  Hen- 
gin  Humppis,  Bürger  zu  Bavenspurg  zu  geben.''  Vgl.  Freyberg  Beg. 
Boic.  Vol.  X  (VI.)  pag.  158. 

***)    Wibel  Thl.  I.  S.  225. 


37 

Craffts,  Herrn  Gottfrieds  und  Herrn  Virichs  mutter,  Gräfin  von  Ho- 
henloh,  lassen  wir  wissen  von  des  grossen  Unrechts  wegen,  so  Eure 
Sone  vnsern  Eidsgenossen  denen  von  Rotenburg  vnd  Dinkelsbühl 
getan  haben  vnd  noch  täglich  tun,  vnd  damit  vns  kein  glimpff,  fueg 
vnd  bescheidenheit  von  inen  niemals  wiederfaren  könt  noch  möchte, 
wie  doch  das  ist,  dass  wir  bisshero  lange  Zeit  geschonet  haben, 
das  aber  vns  gegen  Inen  nichts  verfangen  hat,  darum  können  vnd 
mögen  wir  auch  fürbas  nimmer  schonen  vnd  wollen  auch  vnser  Ehr 
gegen  euch  vnd  allen  euren  Helfern  vnd  Dienern  wol  bewaret  ha- 
ben. Geben  zu  Vlm,  von  aller  vnser  Geheiss  wegen,  vntter  deren 
von  Vlm  Iusigel,  freytags  vor  dem  Palmtag  A.    1379." 

In  der  That  machten  bald  hierauf,  noch  im  Herbste  des  nämli- 
chen Jahres,  die  Städte  Rotenburg,  Hall  und  Dünkelsbülil  einen  Zug 
gegen  Creilsheim,  konnten  aber  nichts  dawider  ausrichten,  sondern 
mussten  am  7.  Februar  1380  die  Belagerung  aufheben.  Doch  diess 
greift  schon  in  die  Geschichte  der  folgenden  Periode  hinüber. 

Im  Jahre  1379  gibt  Ulrich  seine  Bewilligung  zu  der  von  sei- 
nen Brüdern  Kraft  und  Gottfried  beabsichtigten  Gründung  eines  Stif- 
tes von  Weltpriestern  zu  Meckmühl.*} 

Dass  er  damals  sich  zumeist  mit  seinen  älteren  Brüdern  bei 
seiner  Mutter  aufgehalten  habe,  ist  aus  einer  Urkunde  vom  Jahre 
1379  ersichtlich,  vermöge  welcher  der  Cardinal  Pileus  der  Wittwe 
Anna  von  Hohenloch  und  ihren  Söhnen  Kraft,  Gottfried  nnd  Ulrich 
auf  ihr  Ansuchen  bewilliget,  den  Religiösen,  namentlich  des  Cister- 
zienser  Ordens,  denen  sonst  der  Genuss  von  Fleischspeisen  unter- 
sagt ist,  wenn  sie  bei  ihnen  Einkehr  nehmen,  so  lange  sie  daselbst 
sich  aufhalten,  mit  Fleischspeisen  bewirthen  zu  dürfen.** ) 


*)  S.  oben  §.   11.  pag.  33.  Anm.  ** 
**)   Wiöel,     Th.  II.  cod.  dipl.  pag.  325.  N.  CLXXVIU. 


38 


13. 

Im  Jahre  1379  zog  sich  Graf  Gottfried  von  den  Regierungs- 
geschäften zurück. 

Neun  Jahre  lang  hatte  Graf  Gottfried  mit  seinem  älteren  Bru- 
der Kraft  gemeinschaftlich  die  Regierungsangelegenheiten  besorgt, 
als  er  dessen  überdrüssig  wurde.  Sey  es  dass  er  von  jeher  ein  zu- 
rückgezogenes Leben  vorzog  oder  dass  ihn  die  Misshelligkeiten,  in 
welche  er  die  letzte  Zeit  unwillkührlich  durch  die  Streitigkeiten  mit 
den  Reichsstädten  verwickelt  wurde,  zu  dem  Entschlüsse  brachten; 
er  legte  die  Regierung  nieder  und  widmete  sich  dem  beschaulichen 
Leben. 

Dass  Graf  Gottfried  die  Regierung  niederlegte  beweist  eine 
von  seinem  Bruder  Ulrich  am  St.  Georgen  Tage  1384  ausgestellte 
Urkunde  nachstehenden  Inhalts.*) 

„Wir  Virich  von  Hoenloch  dun  kunt . .  von  der  Herrschaft  we- 
gen die  unser  lieber  Vater  selich  unsern  lieben  Brüdern  Craffte 
und  Godefried  von  Hoenloch  geerbet  und  gelaissen  hait,  des  beken- 
nen wir  Ulrich  von  Hoenloch  das  das  halb  deil  derselben  Herrschafft 
mit  allen  Ingehuren  und  nuzen  unsers  lieben  bruder  Godefrid  von 
Hoenloch  ist,  den  Wir  zu  diesen  zyten  ynne  haben  von  sinen  wegen, 
vnd  were  ob  der  obgenante  unser  lieber  bruder  Godefrid  von  Ho- 
enloch den  halb  deil  der  Herrschafft  wider  wolt  haben,  wann  er 
uns  dan  der  mant  mit  botten  oder  mit  brieve  zu  hus  oder  zu  hoff  oder 
selbes  uuder  awgen,  so  sollen  wir  im  oder  weme  er  heist  die  Herr- 
schafft halb  wieder  geben  unverzogenlich  an  alles  geverde." 


*)  Hanselmann  B.  I.  pag.  473.  cod.  dipl.  N.  CXLIV. 


39 

Dass  ferner  Graf  Gottfried  die  Regierung  desshalb  niederlegte 
um  sich  nunmehr  ungehindert  einem  beschaulichen  Leben  widmen  zu 
können,  ist  aus  der  für  seinen  Bruder  Graf  Albrecht  ausgestellten 
Dispensationsbnlle,  vermöge  welcher  diesem  gestattet  wird  in  den 
weltlichen  Stand  zurückzutreten  und  sich  zu  verehelichen,  klar  er- 
sichtlich, denn  daselbst  heisst  es:*) 

„Cum  prefatus  Albertus  (de  Hohenloch,  canonicus  ecclesie  Ma- 
guntine)  de  nobili  et  antiqua  Baronum  prosapia  ortus  existat  et  ejus 
genitor  decesserit  ac  duo  ipsius  Alberti  germani  remanserint,  quo- 
rum  unus  pontificali  dignitate  prefulget,  alter  senex  est  et  vitam 
quodammodo  religiosam  ducit  contemplationi  et  orationibus  vacans 
ita  quod  non  est  spes  quod  proles  suscipiatur  ex  eo  .  ." 

Diese  Dispensationsbulle  ist  vom  Jahre  1409.  Von  den  sechs 
Brüdern  Albrechts  lebten  damals  nur  noch  zwei,  nämlich  Georg  und 
Gottfried.  Ersterer  war  Bischof  zu  Passau,  er  ist  folglich  der  „pon- 
tificali dignitate  prefulgens,"  der  andere,  von  dem  es  heisst:  „vitam 
quodammodo  religiosam  ducit  contemplationi  et  orationibus  vacans" 
ist  demnach  unser  Graf  Gottfried. 

Diese  zwei  so  eben  erwähnten  Urkunden  beweisen  nun  aller- 
dings nur,  dass  Gottfried  sich  von  der  Regierung  zurückzog  um  sich 
einem  beschaulichen  Leben  zu  widmen,  ferner  dass  er  seinen  Antheil 
an  der  Regierung  seinem  Bruder  Ulrich  abtrat,  endlich  dass  diess 
spätestens  im  Jahre  1384  geschah;  sie  beweisen  aber  keineswegs, 
dass  Gottfried  schon  im  Jahre  1379  von  der  Regierung  abgetreten 
sey:  allein  es  spricht  alle  Wahrscheinlichkeit  für  das  letztere,  denn 
der  von  Ulrich  in  der  Urkunde  vom  Jahre  1384  gebrauchte  Aus- 
druck: „das  halb  deil  der  Herrschaft  den  wir  zu  diesen  Zyteti  inne 


*)  Hanselmann  B.  I.  S.  478.  cod.  dipl.  N.  CLII. 


40 

haben  von  sinen  (Gottfrieds)  wegen"  dentet  klar  darauf  hin,  dass 
Ulrich  den  Antheil  seines  Bruders,  eben  weil  er  ihn  am  Georgitage 
1384  bereits  inne  hatte,  schon  früher  erhielt,  und  da,  wie  schon 
oben  bemerkt  worden,5"5)  die  im  Jahre  1379  ausgestellten  Urkun- 
den über  eine  Schuld  von  5760  Gulden  und  über  die  Stiftung  zu 
Meckmühl  die  letzten  sind,  in  welchen  Gottfried  als  regierender 
Herr  erscheint,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  er  schon  im 
Jahre  1379  sich  zurückgezogen  habe. 

Was  übrigens  hier  nur  als  wahrscheinlich  bezeichnet  werden 
kann,  wird  durch  die  nachfolgende  Untersuchung  zur  Gewissheit. 

14. 

In  den  Jahren   1380  und  1381   regiert   Graf  Kraft  IV.  gemein- 
schaftlich mit  seinem  Bruder   Ulrich. 

Wenn  bisher  einerseits  urkundlich  nachgewiesen  wurde,  dass 
Graf  Gottfried  sich  von  den  Regierungsgeschäften  zurückgezogen 
habe,  andrerseits  aber  die  Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht,  dass  sol- 
ches nicht  erst  im  Jahre  1384,  sondern  schon  1379  geschehen  sey, 
so  knüpft  sich  nun  hieran  von  selbst  die  weitere  Frage,  wer  ist 
damals,  als  er  von  der  Regierung  zurück  trat,  an  seine  Stelle  ge- 
treten? Hat  Gottfried  bei  seinem  Rücktritte  im  Jahre  1379  seineu 
Antheil  an  der  Regierung  dem  älteren  Bruder  Kraft  überlassen,  so 
dass  dieser  allein  regierender  Herr  wurde  und  Ulrich  erst  1384 
zum  Mitregenten  machte,  oder  hat  damals  schon  Graf  Ulrich  an 
Gottfrieds  Stelle  die  Regierung  übernommen?  Von  der  Beantwortung 
dieser  Frage  wird  es  sodann  abhängen,  ob  obige  Vermuthung,  dass 
Gottfried  schon  1397  sich  zurückgezogen  habe,  begründet  sey  oder 
nicht. 


»)  S.  oben  §.   H.  pag.   32. 


41 

Hansehnann  schreibt'"5)  „dass  Graf  Gottfried  seinem  Bruder 
Kraft  die  Regierung  aus  Liebe  zur  Ruhe  bald  ganz  allein  überliess 
und  sich  mit  einem  jahrlichen  Deputat  von  200  Gulden  auf  Schloss 
und  Stadt  Weikersheim  begnügt  habe,  bezeugt  eine  Urkunde  in 
Archivo  de  a°  1379,  welcher  Vertrag  jedoch  fünf  Jahre  hernach 
wieder  geändert  und  dieses  Grafen  Gottfrieds  halber  Theil  an  der 
Herrschaft  Hohenlohe  dessen  jüngerem  Bruder  Grafen  Virich  zu  re- 
gieren eingeräumt  worden,  laut  dessen  darüber  ausgestellten  Rever- 
ses de  a°  1384." 

Hanselmann  behauptet  demnach,  dass  von  1379  bis  1384  Kraft 
allein,  von  1384  angefangen  aber  Kraft  gemeinschaftlich  mit  Virich 
regiert  habe.  Er  beruft  sich  desshalb  auf  Urkunden  von  den  Jahren 
1379  und  1384.  Was  jedoch  die  letztere  von  diesen  Urkunden  an- 
belangt, ist  schon  oben  bemerkt  worden,  dass  dem  Wortlaute  nach 
Ulrich  den  Antheil  Gottfrieds  nicht  erst  im  Jahre  1384  erhielt,  son- 
dern vielmehr  damals  schon  inne  hatte.  Die  Urkunde  vom  Jahre 
1379  theilt  Hanselmann  nicht  mit,  wir  können  daher  nicht  geradezu 
beweisen,  dass  in  derselben  nur  vom  Rücktritte  Gottfrieds,  nicht 
aber  auch  davon  die  Rede  sey,  dass  nunmehr  Kraft  allein  die  Re- 
gierung übernahm,  allein  dass  die  Behauptung  Hanselmanns  soweit 
sie  die  alleinige  Regierung  Krafts  betrifft,  der  Berufung  auf  diese 
Urkunden  ohnerachtet,  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben  sey,  geht 
schon  daraus  hervor,  dass  er  selbst  an  einem  andern  Orte*-*1)  die 
Vermuthung  ausspricht,  Ulrich  habe  schon  vor  dem  Jahre  1384  die 
Regierung  angetreten  und  zwar  nicht  gemeinschaftlich  mit  Kraft, 
soudern  allein.  Seine  Worte  sind:  „Da  Graf  Gottfrid  aus  Liebe 
zur  Ruhe  a°  1384  sich  freiwillig  der  Regierung  begeben  und  seinen 


*)  Hanselmann  B.  I.  S.  176. 
**)  Hanselmann  B.  II.  S.  211. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  IH.  Abth.  6 


42 

Landesantheil  seinem  Bruder  Ulrich  überlassen:  so  hat  auch  Ulrich 
von  solcher  Zeit  au  und  auch  schon  einige  Jahre  vorher  bis  gegen 
das  Jahr  1407  die  Lehen-Administration  und  zwar  wie  es  scheint 
ganz  allein  gehabt,  obgleich  sein  älterer  Bruder  Graf  Kraft  noch 
bis   1399   am  Leben  gewesen." 

Die  Wahrheit  liegt  in  der  Mitte.  Graf  Gottfried  hat  sich  al- 
lerdings im  Jahre  1379  in  das  Privatleben  zurückgezogen,  aber  we- 
der sein  älterer  Bruder  Kraft,  noch  sein  jüngerer  Bruder  Ulrich 
hat  die  Regierung  allein  übernommen,  sondern  diese  beiden  regier- 
ten gemeinschaftlich. 

Es  war  im  gräflich  hohenloheschen  Hause,  wie  oben  *•)  an  Bei- 
spielen aus  dem  dreizehnten,  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhun- 
dert nachgewiesen  wurde,  herkömmlich,  dass  zwei  Brüder  gemein- 
schaftlich regierten.  Das  nämliche  hatte  Kraft  III.  in  seinem  Te- 
stamente ausdrücklich  verordnet  und  seinen  Willen  dahin  ausgespro- 
chen, dass  nach  seinem  Tode  nicht  bloss  seine  zwei  ältesten  Söhne 
„Kraft  und  Gottfrid  miteinander  zu  glichem  teil  die  Herrschaft  be- 
sitzen, nutzen  und  nissen  sullen  mit  vollem  ganzem  Gewalt"  sondern 
■ —  und  das  ist  hier  von  besonderer  Wichtigkeit  —  dass  überhaupt 
die  Regierung  bei  den  je  zwei  älteren  Brüdern  verbleibe,  sonach 
wenn  der  eine  von  den  zwei  älteren  ohne  männliche  Leibeserben  ab- 
gehen sollte,  der  dem  Alter  nach  nächste  an  seine  Stelle  einrücke. 
„Ez  ist  auch  gerett"  heisst  es  in  dem  Testamente,  „were  ob  die 
vorgenanten  unser  sun  Craft  und  Gotfrid  bede  an  libs  erben,  daz 
elich  sun  wern,  nach  unserm  tod  stürben  und  abgingen,  daz  dann 
der  ander  unser  elich  sun  einer,  der  darnach  nach  denselben  unsern 
sunen  der  Eilest  ist  .  .  die  vorgnant  unser  Herschafft  mit  allen  irn 


*)  S.   oben  §.  8. 


43 

Zugehorungen   erben   und  besitzen   sullen  glicher  wise  und  zu  allen 
rechten  als  die  vorgeschriben  unser  sun  Crafft  und  Gotfrid." 

Nun  ist  allerdings  Gottfried  erst  im  Jahre  1413  gestorben,  al- 
lein es  wurde  doch,  wenn  er  im  Jahre  1379  von  der  Regierung 
zurücktrat  und,  wie  diess  wirklich  der  Fall  gewesen,  einen  Sohn 
nicht  hinterliess,  seine  Stelle  ebenso  erlediget,  als  wenn  er  mit  Tod 
abgegangen  wäre.  Es  erforderte  also  der  Vollzug  des  Testamentes, 
dass  nun  an  seine  Stelle  der  dritte  von  Krafts  Söhnen  eintrete; 
dieser  war  aber  kein  anderer  als  Ulrich.*) 

Wird  es  durch  diese  Betrachtungen  wahrscheinlich,  dass  nach 
dem  Rücktritte  Gottfrieds  weder  Kraß  noch  Ulrich  allein,  sondern 
beide  miteinander  regiert  haben,  so  verschwindet  vollends  jeder 
Zweifel  hierüber,  wenn  wir  nochmal  den  von  Ulrich  im  Jahre  1384 
ausgestellten  Revers  ins  Auge  fassen.  Graf  Ulrich  beurkundet  in  dem- 
selben, dass  er  „zu  diesen  Zyten  das  halb  deil  der  Herrschafft  ynne 
habe  von  sinen  (seines  Bruders  Gottfried)  wegen."  Hatte  Ulrich  blos 
die  Hälfte  der  Herrschaft,  regierte  er  sonach  nicht  allein,  so  muss 
ein  anderer  mit  ihm  gemeinschaftlich  regiert  haben,  dieser  andere 
aber  konnte,  da  Ulrich  nur  an  Gottfrieds  Stelle  eingetreten  war, 
wenigstens  anfänglich  wohl  Niemand  sein  als  Graf  Kraft. 

In  der  That  finden  wir  in  den  Urkunden  von  den  Jahren  1380 
und  1381  nunmehr  statt  der  Brüder  Kraß  und  Gottfried  die  Brüder 
Kraft  und  Ulrich. 

Ein  Diplom  des  Oehringer  Hospitals  vom  Sonntag  vor  Georgi 
des  Jahres  1380  beginnt  mit  den  Worten :  **)  „Wir  Crafft  von  Ho- 
henloch  vnnd  Wir  Virich  von  Hohenloch  Gebruder." 


*)  S.  oben  §.  9. 
**)   Wi&el,  Th.  II.  cod.  dipl.  S.  290  Oehring.  Hospital  ürk.  N.  12. 

8* 


44 

Am  nächsten  Samstag  vor  Sant  Urbanstag  1 381  beurkunden 
„Kraft  von  Hohenloch  und  Ulrich  von  Hobenloch  Gebrüder,  an 
Eberhard  Philips  Bürger  zu  Halle,  die  ihm  schuldigen  zwey  tau- 
send sechs  hundert  Gulden  minder  sechs  Gulden  auf  nächsten  St. 
Katherinen  Tag  zurückzuzahlen  oder  bei  Versäumung  dieser  Frist 
sie  mit  einem  Gulden  je  von  zehn  Gulden  zu  verzinsen."*)  Verglei- 
chen wir  diese  Urkunde  mit  den  oben  erwähnten  Schuldverschrei- 
bungen vom  2.  März  und  25.  Mai  1379,  in  welchen  Kraft  und 
Gottfried  dem  nämlichen  Eberhard  Philips  5660  Gulden  schuldig 
zu  sein  bekennen,**)  so  ergibt  sich,  dass  im  Jahre  1381  die  Brüder 
Kraft  und   Ulrich  für  eine  Schuld  einstanden,  für  welche  im  Jahre 

1379  die  Brüder  Kraft  und  Gottfried  haftbar  zu  sein  versprochen 
hatten.  Hierin  scheint  mir  ein  klarer  Beweis  zu  liegen  nicht  nur 
dass,  wie  vorher  Kraft  und  Gottfried  nunmehr  Kraft  und  Ulrich  ge- 
meinschaftlich regierten,  sondern  auch,    dass    schon  in   den  Jahren 

1380  und  1381  Ulrich,  wie  in  die  Rechte  so  auch  in  die  Pflichten 
Gottfrieds  eingetreten  ist. 

Gottfried  mochte  wohl  im  Herbste  des  Jahres  1379,  als  die 
Misshelligkeiten  mit  den  Reichsstädten  so  ernstlich  wurden,  dass  sie 
einen  Zug  selbst  gegen  Creilsheim  unternahmen,  seinen  Antheil  an 
den  rüstigeren  Ulrich  abgetreten  haben,  unter  dessen  Mitwirkung  so- 
dann dem  Feinde  solcher  Widerstand  entgegengesetzt  wurde,  dass 
dieser  im  Februar  des  darauffolgenden  Jahres  die  Belagerung  auf- 
zuheben sich  entschloss. 


*)  Freyberg,   Reg.  Boic.  Vol.   X.  (VI.)  pag.  74. 
**)  S.  oben  §.   10.  pag.  32. 


45 


15. 

Seit  dem  Jahre  1382  hat  sich  auch  Graf  Kraft  IV.  von  den 
Regierutigsge.se  haften  zurückgezogen. 

Nachdem  Graf  Kraft  IV.  als  der  älteste  der  Brüder  eilf  Jahre 
lang,  zuerst  gemeinschaftlich  mit  Gottfried,  dann  mit  Ulrich,  der 
Grafschaft  vorgestanden,  scheint  auch  er,  dem  Beispiele  seines  Bru- 
ders Gottfried  folgend,  das  Leben  eines  Privatmanns  den  Sorgen 
eines  Regenten  vorgezogen  zu  haben,  denn  so  zahlreich  die  Urkun- 
den des  gräflich  hohenlohischen  Hauses  sind,  so  finden  wir  doch  den 
Namen  Krafts  IV.  nur  selten  in  denselben  erwähnt,  und  wo  er  ge- 
nannt wird,  erscheint  er  seit  dem  Ende  des  Jahres  1381  nie  mehr 
in  der  Eigenschaft  eines  regierenden  Herrn.  Es  ist,  da  uns  alle  an- 
deren historischen  Nachrichten  hierüber  fehlen,  der  Mühe  werth,  die 
Urkunden,  in  welchen  Kraft  vorkömmt,  anzuführen. 

Im  Jahre  1381  „am  sant  Peterstag  als  er  vff  den  Stul  zu  Rom 
gesetzt  wart"  bekennen  „die  Ept  vnd  diesamung  der  geistlichen  stift  zu 
saut  Burkart  zu  sant  Stepfan  vnd  zu  sant  Jacob  vnd  die  Capitel  der 
Wertlichen  Stift  zu  Hang  vnd  zu  dem  Nuwenmunster  zu  Wirtzbnrg  . .  . 
dem  Edeln  Herren  Hern  Gräften  von  Hohnnloch,  daz  sie  für  sin 
gesunt  vnd  lang  leben  biten  wollen  Jerlichs  di  weil  er  lebt  mit  einer 
gesungen  Mess  .  .  vff"  den  nehsten  tag  vor  oder  nach  sant  Georien 
tag  .  .  vnd  wenn  er  von  diser  Werlt  gescheit,  wollen  sie  Jerlichs 
sinen  Jertizt  begen  mit  seluesper  die  man  Placebo  heizzt  mit  Vigilye 
vnd  mit  seimesse  *)" 

Am  Sonnabend  vor  Laurentius  1384  bekennt  König  Wenceslaus, 
dass  er  „von    rechter  Schult  schuldig    sey    dem  Edlen   seinem   ge- 


*)   Wibel,  Th.  III.  cod.  dipl.  S.  103.  N.  XXIX. 


46 

trewen  Kräfte  von  Hoenloch  funftehalb  tusentMenzer  Galdein"  nud 
verpfändet  ihm  dafür  seinen  „Czol  zu  Macheren  bei  Pilche  gelegen 
uff  der  Moselen  und  den  Czenden  zu  Macheren  von  allerley  Fruchte 
js  sey  von  Rocke,  von  Weicze,  von  Havern  und  das  nuynte  deil 
von  demWiue  .  .  .  und  alle  die  Cappune  und  Hünere  .  .  und  schol 
Kraft  von  dem  Czolle  zu  Macheren  alle  jerlichs  heven  und  nemen 
czwey  hundert  Guidein."*5) 

Am  20.  April  1390  bekennt  Kraft  von  Hohenlohe,  dass  er  sei- 
nem Bruder,  dem  Bischöfe  Georg  von  Passau  eine  Summe  von  tau- 
send Pfund  Pfennigen  zur  Wiedereinlösung  von  den  Getraidzeben- 
ten  zu  Stetelndorff,  ze  dem  aigen,  ze  Nidernabstorff,  ze  Starnwerd, 
ze  Furtt,  ze  Obernzama,  ze  Partzendorff,  zu  der  Haid,  zu  den  Dorff- 
fein,  ze  Chirichhaini,  ze  Smida,  ze  Obern  Ruspach,  ze  Nidern  Rus- 
pach,  ze  Tewffental,  zu  Hawsleiten  von  den  edlen  Ulrichen  und 
Gorigen  Vettern  von  Dachsperg  vorgestreckt  und  dass  ihm  letztere 
zu  Leibgeding  sind  verliehen  worden.  Siegler:  Virich.  von  Hoben- 
loch,  Bruder  des  Krafts  Hohenloch.i;":<) 

Im  nämlichen  Jahre  wird  Kraft  in  einer  Urkunde  des  Stifts 
zu  Oehringen  mit  vier  #**)  und  in  einem  Vertrage  mit  den  Burggra- 
fen von  Nürnberg  mit  fünff )  seiner  Brüder  genannt. 

Am  19.  August  1391  vereinigen  sich  Kraft,  Gottfried  und 
Ulrich  von  Hohenlohe  mit  Anna  von  Hohenlohe  weiland  von  Braun- 
eck hinsichtlich  des  Schlosses  Nuwenstein,  welches  sie  dem  Bischof 


*)  Hanselmann  B.  I.  cod.  dip.  pag.  471.  N.  CXLII. 

**)  Freyberg,  Reg.  Boic.  Vol.  X.  (VI.)  pag.  265.  Mon.  Boic.  Vol.  XXX.  P. 
II.  pag.  401. 

***)   Wibel,  Th.  IV.  cod.   dipl.  pag.  35.  N.  8. 
t)   Wibel,  Th.  I.  Vorbericht  pag.  38.  Nota  4. 


47 

von  Wirzburg  eingeantwortet  haben,  so  dass  es  wegen  des  müt- 
terlichen Erbtheils  der  genannten  Anna  bei  dem  Ausspruch  des  En- 
gelhard von  Winsperg  verbleiben  soll.*) 

Im  Jahre  1398  endlich  wird  Kraft  von  Hohenloh  zugleich  mit 
dem  Grafen  Johann  dem  Aelteren  von  Wertheim  und  dem  Grafen 
Ludwig  von  Rynecke  als  Obmann  bestellt  für  den  Fall,  dass  zwi- 
schen dem  Bischöfe  Gerhard  zu  Würzbnrg  und  Johann  Hofwart 
Statthalter  des  Dechants  und  dem  Capitel  daselbst  neue  Miss  Ver- 
ständnisse entstehen  sollten.**) 

Alle  diese  Urkunden  betreffen  nur  Privatangelegenheiten  des 
Grafen.  Da  seine  Gemahlin  im  Jahre  1331  starb,***)  so  mag  er  da- 
mals den  Entschluss  gefasst  haben,  sich  zurückzuziehen.  Er  selbst 
segnete  das  Zeitliche  im  Jahre  1399  und  liegt  neben  seiner  Gemah- 
lin Lysa,  einer  gebornen  Gräfin  von  Sponheim,  in  dem  Stifte  zu 
Meckmühl  begraben.  Die  Grabschrift  lautet:  Anno  dni  MCCCXCVI1II. 
obiit  dus  Craffto  in  Hohenlohe  in  vigilia  Katherine  virginis,  cuius 
anima  requiescat  in  pace.f) 

Wenn  wir  übrigens  behaupten,  Graf  Kraft  habe  sich  seit  1382  von 
den  Regierungsgeschäften  zurückgezogen,  so  verhehlen  wir  uns  keines- 
wegs, dass  der  Umstand,  dass  in  den  Urkunden  Graf  Kraft  nur 
mehr  als  Privatmann  erscheint,  nicht  als  genügender  Beweis  hiefür 
gelten  könne,  denn  hiebei  müsste  vorausgesetzt  werden,  dass  wir 
alle  Urkunden,  in  welchen  Kraft  erwähnt  wird,  kennen  und    selbst 


*)  Freyberg,  Reg.  Boic.  Vol.  X.  (VI.)  pag.  294. 
**)    Wibel,   Th.  IV.  S.  15.  Freyberg,  Reg.  Boic.  Vol.  XI.  (VII.)  pap.  128. 

***)   Wibel,  Th.  I.  S.    66.    Ihre    Grabschrift   lautet:   Anno    dni    MCCCLXXXI. 
obiit  dna  Lysa  comitissa   de  Sponheim. 

t)   Wibel,  Th.  I.  S.  66. 


48 

in  diesem  Falle  wäre  der  Schluss  noch  voreilig;  allein  aus  der 
nachfolgenden  Untersuchung  wird  sich  zeigen,  dass  unsere  Behaup- 
tung nicht  blos  auf  das  Stillschweigen  der  Urkunden  gegründet  ist, 
sondern  dass  seit  dem  Jahre  1382  in  der  That  ein  anderer  von  den 
Brüdern  an  Krafts  Stelle  gemeinschaftlich  mit  Ulrich  regiert  hat. 


16. 

Im   Jahre   1382  war    Graf  Johann,    der   vierte   von   Krafts  III. 

Söhnen,  schon  gestorben. 

Als  Graf  Kraft  IV.  sich  in  das  Privatleben  zurückzog,  trat 
wieder  derselbe  Fall  ein  wie  im  Jahre  1379,  wo  Gottfried  von 
der  Regierung  abgetreten  war.  Graf  Ulrich,  obgleich  nur  der  dritt- 
geborne  von  den  Söhnen,  war  nunmehr,  da  zuerst  Gottfried  und 
dann  auch  Kraft,  jeder  ohne  Hinterlassung  eines  männlichen  Erben, 
abgetreten  waren,  der  älteste  von  den  Brüdern.  Wie  nun  er  selbst, 
da  Gottfried  zurücktrat,  als  der  nächst  älteste  Bruder  an  Gottfrieds 
Stelle  einrückte,  so  sollte  auch  jetzt  der  letztwilligen  Bestimmung 
Krafts  III.  zufolge,  da  auch  Kraft  IV.  sich  zurückzog,  der  nach 
Ulrich  älteste  Bruder  die  Herrschaft  mit  ihm  gemeinschaftlich  be- 
sitzen. Dieser  war,  wie  aus  dem  Testamente  vom  Jahre  1367  er- 
sichtlich, Graf  Johann,  welchem  Hoeuard  die  Burg  und  das  Dorf 
daran  als  Apanage  angewiesen  worden  war5"5). 

Mit  seinem  Bruder  Johann  jedoch  hat  Graf  Ulrich  nie  gemein- 
schaftlich regiert.  Ausser  dem  eben  angeführten  Testamente  Krafts 
III.  finde  ich  den  Grafen  Johann  nur  noch  dreimal  in  den  Urkunden 
erwähnt. 


*)  S.  oben  §.   10  pag.  26.  Nro.  2. 


49 

Im  Jahre  1379  betheiligte  er  sich  mit  seinen  Brüdern  Ulrich 
und  Friedrich  bei  der  von  den  damals  regierenden  Grafen  Kraft  und 
Gottfried  gemachten  Stiftung  von  Meckmühl  *).  Er  giebt  seinen 
Willen  dazu  und  ist  unter  den  Mitsieglern. 

Im  Jahre  1 380  siegelt  er  nebst  Dietrich  vou  Berlichingen ,  Vogt 
zu  Waidenburg,  einen  Erbstandbrief^). 

Endlich  beabsichtigte  König  Wenceslaus  im  Jahre  1381,  ihn 
als  Pfleger  des  Stiftes  Speyer  vorzuschlagen.  Die  Urkunde  lau- 
tet***): Wir  Wenzlaw..  tun  kund.,  daz  Wir  dem  Erwirdigen 
Adolff  Erzbischoff  zu  Menze..  geret  vnd  gelobet  hau  daz  wir  in 
dryn  Manden  uff  unser  Kost  und  arbeit  an  unserme  Heiligen  Vater 
dem  Babest  Urbano  dem  Sesten  bestellen  und  schaffen  sollen  u. 
wollen,  daz  Er  den  Stift  zu  Spire  Virich  oder  Hansen  gebruderen 
von  Hohenloch  geben  und  providire.  Idem  eventualiter  apud  Urbani 
successorem  acturum  spondens.  Dat.  Norimbergae  Lunae  Purif.  B. 
M.  V.  1381. 

Später  kommt  Graf  Johann  gar  nicht  mehr  vor  und  es  ist  dess- 
halb  sehr  wahrscheinlich,  dass  er  im  Jahre  1381  als  Decan  des 
Stiftes  zu  Oehringen  gestorben  sei.  Im  Verzeichniss  der  dortigen 
Decane  findet  sich  wenigstens:  „Johannes  Hohenloch  -j-  1381" -j*). 
Es  bemerkt  zwar  Wibel,     „Johann  der  Bruder  Ulrichs  müsse   von 


*)    Hanselmann  B.  I.  cod.  dipl.    N.  CXXXVII.        Wibel  Th.    II.   cod.  dipl. 
pag.  323  N.  CLXXVH. 

**)     Wibel  Th.  IV.  S.  31. 

***)     Wibel  Th.  III.  cod.  dipl.  pag.  76-  N.    3.  Th.   IV.    cod.    dipl.    pag.    49, 
N.  XLIII. 

f)    Wibel  Th.   I.   S.  55. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  lt.  Ali.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  7 


50 

dem  Dechant  dieses  Namens  unterschieden  werden,  wenn  es  anders 
richtig  ist,  was  L.  Scholl  von  ihm  meldet,  dass  er  (der  Broder 
Ulrichs)  erst  1412  im  ledigen  Stand  verstorben  sei"*),  allein 
Scholl  hat  sich  bei  der  Angabe  von  Johanns  Sterbejahr  offenbar 
geirrt.  Es  ist  oben  die  päpstliche  Dispensationsbnlle  für  Graf  Al- 
brecht angeführt  worden**).  In  derselben  wird  mit  Bestimmtheit 
gesagt,  dass  Graf  Albrecht  damals,  als  er  die  Erlaubniss  erhielt  in 
den  weltlichen  Stand  zu  treten,  nur  noch  zwei  Brüder  hatte,  näm- 
lich Gottfried,  der  sich  einem  beschaulichen  Leben  widmete,  und 
Georg,  der  damals  Bischof  in  Passau  war.  Diese  Dispensations- 
Bulle  ist  vom  Jahre  1409.  Hieraus  ergiebt  sich  von  selbst,  dass 
Johann,  der  Bruder  Ulrichs,  nicht  erst  1412  gestorben  sein  kann. 
Allerdings  starb  in  diesem  Jahre  ein  Graf  Johann  von  Hohenlohe, 
aber  nicht  ein  Bruder  Ulrichs,  sondern  ein  Sohn  des  Grafen  Ger- 
lach von  Hohenlohe  aus  der  Speckfeldschen    Linie. 


17. 

An  Johanns  Stelle  succedirte  Graf  Friedrich,  der  fünfte  von 

Krafts  III.   Söhnen. 

Da  zu  der  Zeit,  als  Kraft  IV.  von  der  Regierung  zurücktrat, 
sein  Bruder  Johann  schon  gestorben  war,  kam  nunmehr  die  Reihe 
an  Friedrich. 

Dass  dieser  der  fünfte  von  den  Söhnen  Krafts  III.,  dem  zu- 
folge nach  Johann  der  älteste  von  den  Brüdern  gewesen  sei,  wird 
zwar  nirgend  ausdrücklich  gesagt,  geht  aber  nicht  undeutlich  daraus 


*)     Wibel  Th.  IV.  S.    15. 
**)    S.  oben  §.   13  pag.  39. 


51 

hervor,  dass  er,  so  oft  in  den  Urkunden  die  mehreren  Brüder  zu 
gleicher  Zeit  genannt  werden,  allemal  nach  Johann  an  der  fünften 
und  seitdem  Johann  gestorben  war,  nach  Ulrich  oder  an  der  vierten 
Stelle  angeführt  wird,  so  z.B.  in  dem  mehrerwähnten  Stiftungsbriefe 
von  Meckmühl  vom  Jahre  1379:  „Wir  Krafft  und  wir  Gottfryd 
Gebruder  von  Hohenlohen  ..  mit  gunst  unser  üben  bruder  Ulrichs, 
Johansen  und  Fryderichs  von  Hohenloeh",  so  in  dem  würzburgischen 
Lehenbrief  über  die  Stadt  Weikersheim  vom  Jahre  1392,  „die  die 
Edeln  Heren  Craft,  Gotf'rit,  Virich  vnd  Fridenrich  von  Hohenloch 
(Johann  war  inzwischen  schon  gestorben)  bis  her  zu  lehen  gehabt 
haben  von  dem  Stiffte  zu  Fulde"#). 

Uebrigens  wenn  auch  Graf  Friedrich  von  den  noch  lebenden 
Brüdern  nicht  der  älteste  nach  Ulrich  gewesen  wäre,  so  hätte  ihm 
doch,  da  die  zwei  anderen  Söhne  Krafts  III.,  Georg  und  Albrecht, 
in  den  geistlichen  Stand  getreten  waren,  das  Recht  der  Succession 
zugestanden.  Georg  war  Canonicus  in  Passau  und  wurde  daselbst 
im  Jahre  1388  zum  Bischof,  im  Jahre  1423  aber  zum  Erzbischofe 
zu  Gran  erwählt.  Er  starb  den  8.  August  1424  und  liegt,  wie  er 
selbst  verordnet  hatte,  zu  Passau  in  der  St.  Stephanskirche  vor 
dem  St.  Mauritius-Altare  begraben.  Albrecht  dagegen  war  Cano- 
nicus in  Mainz.     Von  ihm  wird  später  noch  die  Rede  sein. 

Graf  Fridrich  hatte  jedoch  nicht  blos  das  Recht  der  Succes- 
sion, sondern  er  war  in  der  That  regierender  Herr.  Diess  glaube 
ich  aus  einer  Urkunde  vom  Jahre  1390  schliessen  zu  dürfen.  In 
genanntem  Jahre  nämlich  berief  der  römische  König  Wenceslaus 
mehrere  Fürsten  nach  Nürnberg,  um  mit  ihnen  der  Münze  wegen  zu 
berathen  „wann  grozz  vnd  mannigley  prechen  in  tewtschen  landen 


*)    Hanselmann  B.  II.  S.  148,  N.  LXXXI1. 

7# 


52 

sein  von  pöser  vnd  geringer  müntze  wegen  als  das  wol  land kundig 
vnd  offenbar  ist"  und  genauere  Bestimmungen  für  die  Zukunft  über 
das  Gepräge  nicht  minder  wie  über  den  Gehalt  derselben  anzuord- 
nen. Die  Fürsten,  welche  diese  Uebereinkunft  unterzeichneten  und 
zu  halten  versprachen ,  waren  Gerhard  Bischof  zu  Würzburg,  Lam- 
bert Bischof  zu  Bamberg,  Burkhard  Bischof  zu  Augsburg,  Fridrich 
und  Ruprecht  der  Jüngere,  Pfalzgrafen  bei  Rhein  und  Herzoge  in 
Bayern,  Fridrich  Burggraf  zu  Nürnberg,  Johann  Landgraf  zu 
Leuchtenberg,  Johann  Graf  zu  Wertheim  und  Fridrich  Herr  zu 
Hohenlohe*).  Wie  hätte  nun  Graf  Fridrich  von  Hohenlohe  diese 
Uebereinkunft  unterzeichnen  und  sie  zu  halten  versprechen  können, 
wenn  er  selbst  nicht  das  Recht  zu  münzen  gehabt  hätte?  Wie 
hätte  er  aber  das  Recht  zu  münzen  haben  können,  wenn  er  nicht 
in  der  Grafschaft  Hohenlohe  regierender  Herr  gewesen  wäre?  Wie 
hätte  er  endlich,  da,  wie  die  folgende  Darstellung  zeigen  wird, 
Graf  Ulrich  im  Besitze  der  Herrschaft  blieb,  regierender  Herr  sein 
können,  wenn  er  nicht  an  seines  verstorbenen  Bruders  Johann  Stelle 
eingetreten  wäre  und  mit  seinem  Bruder  Ulrich  gemeinschaftlich  re- 
giert hätte? 


18. 

Von  1382  —  1396  regiert  Graf  Virich  gemeinschaftlich  mit 
seinem  Bruder  Fridrich. 

Hatte  Graf  Ulrich  schon  in  seiner  Jugend  in  sich  den  Beruf 
gefühlt,  den  Schauplatz  seiner  Thätigkeit  über  den  ihm  durch  die 
Geburt  angewiesenen  engeren  Raum  auszudehnen;  haben  wir  ihn 
bereits  schon  im  Jahre  1375,    als   noch   seine   älteren  Brüder  Kraft 


*)   Hirsch  Miinzarchiv  T.  I.  pag.  53  N.  LVII. 


53 

und  Gottfried  die  Herrschaft  besassen,  bei  den  zwischen  den  Reichs- 
städten und  dem  Adel  ausgebrochenen  Streitigkeiten  betheiliget  ge- 
funden; hat  damals  schon  selbst  der  Kaiser  in  ihm  einen  Mann  er- 
kannt, der  geeignet  schien,  in  jenen  Zwistigkeiten  eine  Ausglei- 
chung herbeizuführen:  so  hat  er  jetzt,  da  er  selbst  die  Angelegen- 
heiten seines  Hauses  zu  leiten  hatte,  um  so  entschiedener  an  den 
politischen  Ereignissen  Theil  genommen. 

Da  Graf  Ulrich  bei  solchen  auswärtigen  Angelegenheiten  zu- 
meist nur  allein  genannt,  sein  Mitregent,  der  jüngere  Fridrich  aber 
ganz  mit  Stillschweigen  übergangen  wird,  so  mag  diess  Hanselmann 
zu  der  Behauptung  geführt  haben,  Graf  Ulrich  habe  seit  1384  und 
auch  schon  einige  Jahre  vorher  allein  regiert.  Die  bald  zu  erwäh- 
nenden Urkunden  jedoch  beweisen,  dass  bei  den  meisten  Verhand- 
lungen, welche  die  inneren  Verhältnisse,  Stiftungen,  Verkauf,  Ver- 
pfändung, Belehnungen  u.  s.  w.  betreffen,  Graf  Fridrich  neben  dem 
Grafen  Ulrich  genannt  wird,  dass  sonach  Graf  Ulrich  wie  vorher 
mit  dem  älteren  Kraft,  so  von  jetzt  an  mit  dem  jüngeren  Fridrich 
die  Herrschaft  getheilt  hat. 

Was  zunächst  die  Thätigkeit  Ulrichs  nach  aussen  anbelangt, 
ist  schon  oben  erwähnt  worden,  dass  der  römische  König  Wences- 
laus  dem  Erzbischof  Adolph  von  Mainz  im  Jahre  1381  versprach, 
sich  bei  dem  Pabste  Urban  VI.  dahin  zu  verwenden,  „daz  Er  den 
Stifft  zu  Spire  Virich  oder  Hansen  gebruderen  von  Hohenloch  gebe 
und  providire".  Dieses  Versprechen  kam  auch  insofern  in  Erfüllung, 
als,  da  Graf  Johann  inzwischen  gestorben  war,  Ulrich  wirklich 
Pfleger  des  genannten  Bisthums  geworden  ist.  Vom  19.  Juni  1383 
findet  sich  eine  Schuldverschreibung  „Ulrichs  von  Hohenloch  Pfle- 
gers des  Bisthums  zu  Speier"  an  Gottschalk  den  Juden  über  490 
Gulden  unter  Bürgschaft  zweier  Nürnberger  Bürger  *). 


*)  Freyberg  Reg.  Boic.  Vol.  X.  (VI.)  pag.   116. 


54 

Inzwischen  hatten  die  Bündnisse  zuerst  der  schwäbischen,  dann 
auch  der  rheinischen  Städte,  zumal  seitdem  Kaiser  Karl  IV.  meh- 
rere der  ersteren  an  die  benachbarten  Fürsten  verpfändet  hatte, 
immer  mehr  an  Kraft  und  Ausdehnung  zugenommen.  Auch  einige 
Reichsstäude  traten  ihnen  bei.  Am  weissen  Sonntag  1384  richtete 
auch  Graf  Ulrich  mit  denselben  ein  Bündniss  auf  zehn  Jahre  auf. 
Sieben  und  dreissig  Reichsstädte  beurkunden  „daz  sie  sich  verbunden 
haben  zu  dem  Edeln  Herren  Herren  Ulrich  von  Hohenloch  zehn  gantze 
Jar,  ob  daz  gescheihe  daz  yemant..  den  obgenannten  Herren  oder 
die  sinen  beschedigen  oder  bekrenken  wolte..  daz  sullen  sie  raten 
und  helffen,  widersten  und  getrülichen  dawider  beholffen  sin,  es 
sollen  auch  alle  ihre  veste  Schlozze  und  Stet  des  obgenannten 
Herren  von  Hohenloch  und  der  iren  Husser  sin  in  und  zu  allen 
ihren  Noten"*). 

Es  will  jedoch  den  Anschein  gewinnen,  als  hätte  ihm  dieses 
Bündniss  wenig  Vortheil  gebracht,  ihn  vielmehr  öfter  in  Geld- 
verlegenheit gesetzt,  denn  der  frommen  Stiftungen,  deren  sonst  in 
diesem  Zeitalter  so  viele  gemacht  wurden,  werden  unter  der  Re- 
gierung Ulrichs  nur  wenige,  neue  Erwerbungen  gar  keine,  desto 
öfter  dagegen  Verpfändungen  und  Verkäufe  erwähnt.  Doch  ich 
will  lieber,  was  uns  aus  diesem  Zeiträume  gemeldet  wird,  iu  chro- 
nologischer Ordnung  aufzählen,  da  hieduich  klarer  hervortritt, 
wann  und  wieferne  der  jüngere  Fridrich  bei  den  inueren  Angelegen- 
heiten als  Mitregent  sich  betheiligte. 

Die  erste  Begünstigung,  die  Graf  Ulrich,  bald  nachdem  sein 
älterer  Bruder  Kraft  von  der  Regierung  zurückgetreten,  für  die 
Grafschaft  Hohenlohe  zu  erwirken  suchte,  war  die  Erweiterung  des 


*)  Hanselmann  B.  I.  cod.  dipl.  N.  CXL1II. 


55 

Wildbannbezirkes.  Der  hierüber  ausgestellte  Begnadigungsbrief  ist 
vorn  Margarethen-Tage  des  Jahres  1382  und  lautet5"'):  „ Wir  Wenz- 
law..  tun  knnt..  das  wir  haben  angesehen  die  Dienste  die  uns  und 
dem  Reiche  der  Edel  Ulrich  von  Hohenloch . .  getan  hat.,  und  ha- 
ben ym  doruinb..  den  Wiltpand  der  vor  get  bis  au  den  Flinswald 
und  von  danuen  bis  gen  Haldenbergsteten,  die  Tauber  ab  bis  gen 
Wykersheim  und  von  dannen  die  Tauber  ab  bis  gen  Kunigshoven 
und  von  Kunigshoven  die  Bach  uff  bis  gen  Schipfe,  von  Schipfe  bis 
gen  Uffiugen,  von  Uffingen  bis  gen  Rosenberg,  von  Rosenberg  die 
Bach  ab  bis  gen  Adelzheim,  von  Adelzheim  bis  an  den  Hart  baser 
Walt,  do  daz  Wilpand  auch  vor  hin  geet,  gnediclichen  genieret,  ge- 
lenget und  gewertet". 

Hansehnann  gab  irrig  diesem  Diplome  die  Ueberschrift  „Begna- 
digungsbrief für  Graf  Cr  äfften  von  Hohenlohe  über  den  erweiterten 
Wildbannsbezirk  der  Grafschaft".  In  der  Urkunde  selbst  ist  nicht 
Graf  Kraft,  sondern  Ulrich  genannt,  ein  Beweis  mehr,  dass  kurz 
vorher  eine  Aenderung  in  der  Herrschaft  vorgegangen  war.  Wäre 
Kraft  noch  regierender  Herr  gewesen,  d.  h.  hätte  damals  noch 
Kraft  gemeinschaftlich  mit  dem  jüngeren  Bruder  Ulrich  regiert,  so 
wäre  die  Urkunde  ohne  Zweifel  auf  seinen,  als  des  älteren,  und 
nicht  auf  Ulrichs  Namen  ausgestellt  worden. 

Aber  schon  im  ersten  Jahre  scheinen  für  Ulrich  Geldverlegen- 
heiten eingetreten  zu  seyn,  denn  am  29.  März  verkaufte  er  an  die 
Gebrüder  Goetz  und  Albrecht  von  Vinsterloch  seine  Gerichtsbarkeit 
zu  Lutenbach  nebst  einer  Fischweide  daselbst  um  2000  Pfund  Hel- 
ler   Rotenburger    Wehrung    und   Vorbehalt   des    Wiederkanfes  **). 


*)   Hanselmann  B.  I.  cod.   dipl.  pag.  470  N.  CXL. 
**)  Freyberg,  Reg.  Boic.  Vol.  X.  (VI.)  pag.  91. 


56 

Wenn  übrigens  hier  nur  Graf  Ulrich  als  Verkäufer  erscheint,  so 
kann  daraus  um  so  weniger  geschlossen  werden,  Ulrich  hätte  da- 
mals allein  regiert,  als  in  einem  späteren  Kaufbriefe  über  die  Ge- 
richtsbarkeit zu  Lutenbach  auch  Fridrich  als  Mitverkäufer  genannt 
wird5*)  und  auch  sonst,  selbst  bei  Gelegenheiten,  wo  es  sich  um 
die  eine  und  dieselbe  Sache  handelte,  bald  Ulrich  und  Fridrich  mit 
einander,  bald  nur  Ulrich  allein  angeführt  wird. 

Einen  Beweis  hievon  liefert  die  Stiftung,  welche  seine  Mutter, 
die  Gräfin  Anna  am  Tage  vor  Bartbolomä  1382,  also  im  nämlichen 
Jahre,  in  welchem  Ulrich  mit  der  Erweiterung  des  Wildbannes  be- 
gnadigt wurde,  für  die  Einsiedler  von  St.  Paul  zu  Goldbach,  zwi- 
schen Hall  und  Waldenburg  gemacht  hat.  Wenn  Anna  den  Ein- 
siedlern eine  Kapelle  baut  und  ihnen  dazu  das  beiliegende  Weiler- 
lein, die  benachbarten  Wälder  und  einige  Zehenden  einräumt,  so 
geschieht  es  mit  Bewilligung  ihrer  beiden  Söhne  Ulrich  und  FW- 
drich**)',  wenn  dagegen  drei  Monate  später,  „feria  quarta  proxima 
post  festum  S.  Katherine  Virginis  1382",  Bischof  Gerhard  von 
Würzburg  diesem  Kloster  die  Pfarrei  Munkheim  incorporirt,  so  ist 
in  dem  hierüber  ausgestellten  Diplome  der  jüngere  Fridrich  nament- 
lich nicht  mehr  aufgeführt,  denn  es  heisst  nur:  „dicta  Anna  (de 
Hohenloch  relicta  quondam  Kraftonis  B.  de  Hohenloch)  fuudatrix 
jus  patronatus  parochialis  ecclesie  in  Munkeim  ad  ipsam  et  suos 
heredes  pertinens  de  consensu  expresso  et  voluntate  nobilis  viri 
Vlrici  de  Hohenloch  filii  sui  et  omnium  aliorum  quorum  iuterest, 
dicto  Monasterio  dedit"'**"*). 


*)  Freyberg  loc    cit.  A.    1388,  28.  Jan. 

**)  Crusius  Schwab.   Chronik.   III.  Th.  B.  V:    cap.   14  bei    Wibel  Th.  IV. 

S.  40. 

*  ***)   Wibel  Th.  II.  cod.  dipl.  pag.  328  N.  CLXXXI. 


57 

Ob  nun  der  öftere  Wechsel  der  Regenten  —  seit  dem  Tode 
Krafts  III.  bis  zum  Jahre  1382  war  ein  solcher  bereits  dreimal 
vorgekommen,  —  ob  die  Beteiligung  Ulrichs  an  den  Angelegenhei- 
ten der  Reichsstädte,  oder  ob  die  mit  jenem  Wechsel  nothwendig 
verbundene  Vertauschung  der  Besitzungen  zu  Irrungen  und  zu  wel- 
chen? geführt  habe,  lässt  sich  wohl  nicht  mehr  mit  Bestimmtheit 
angeben,  aber  dass  irgend  ein  Missverständniss  zwischen  den  Her- 
ren und  ihren  Unterthanen  einerseits  und  zwischen  den  Brüdern 
unter  sich  andrerseits,  Platz  gegriffen  habe,  welches  einer  Ausglei- 
chung bedurfte,  geht  aus  nachstehenden  Urkunden  von  den  Jahren 
1383  und  1384  hervor. 

Am  Freitag  vor  dein  hl.  Pfingsttag  1383  legten  „Arnolt  Mar- 
pach  Bürgermeister  und  die  Richter  der  Stadt  Orengew  und  die  Ge- 
meynde  der  Burger  gemeinlich  der  vorgenannten  Stadt"  eine  Huldi- 
gung in  folgender  Art  ab*).  „Wir.,  bekennen,  daz  wir  eynmütec- 
lich..  gelobet  vnd  gesworn  haben  der  Edeln  Wolgebornen  Frauwen 
Frauwen  Annen  wyland  von  Hohenloch  vnd  allen  iren  erben  furbaz 
Ewyclich  by  In  zu  belyben  vnd  vns  vnd  vnser  Lybe  vnd  gute 
nyemer  me  von  In  zu  enpfrembden  on  alles  geuerde.  Wer  aber 
sache  daz  wir  oder  dehein  der  vnsern  daz  vberfuren  oder  brechen  .. 
Wer  die  weren  oder  wie  viel  der  weren,  ez  wer  einer  oder  me, 
dez  oder  derselben  Lybe  vnd  gute  alles.,  sol  vnd  ist  verfallen  vn- 
ser ietzgenanten  Frauwen  vnd  iren  erben,  und  mögen  daz  furbaz 
wenden  und  kehren  wie  sie  wollen.  Vnd  verzyhen  vns  auch  dez 
mit  diesem  Briefe  furbaz  ewyclich  aller  Ansprach  vnd  vorderung, 
die  wir  darnach  gehaben  mohten  vnd  da  wieder  nyemer  me  zu  tun, 
heymlich  noch  offenlich  mit  Gerillte  oder  an  Gerillte  geistlichs  oder 
weltliches  on  aller  slaht  geuerde". 


*)  Hanselmann,   B.  I.  cod.  dipl.  pag.  471  N.  CXLI. 
Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.    III.  Abth. 


58 

Da  es  sich  hier  um  das  Versprechen  handelt,  der  Rath  und  die 
Bürger  wollen  sich  der  Herrschaft  nicht  mehr  entfremden  und  nichts 
mehr  über  ihre  Ansprüche  thun,  so  muss  vorher  irgend  ein  Miss- 
verständniss  zwischen  der  Herrschaft  und  der  Bürgerschaft  obge- 
waltet haben,  welches  nunmehr  auf  Vermittlung  der  Mutter  der  re- 
gierenden Herren,  der  Wittwe  Anna,  ausgeglichen  worden  ist.  Viel- 
leicht bezog  sich  dasselbe,  wenigstens  theilweise  auf  die  Rechte 
der  einzelnen  Brüder  unter  sich  und  ihr  gegenseitiges  Verhältniss 
zu  den  Unterthanen,  denn  dass  auch  hierüber  sich  einige  Bedenken 
erhoben  haben,  geht  deutlich  aus  der  mehrerwähnten  Urkunde  Ul- 
richs vom  Georgentage  des  nächstfolgenden  Jahres  hervor,  worin 
er  „von  der  Herrschaft  wegen,  die  seine  Brüder  Kraft  und  Gott- 
fried geerbt  hatten"  beurkundet,  dass  derjenige  halbe  Theil  dieser 
Herrschaft,  den  er  zur  Zeit  inne  habe,  eigentlich  seinem  Bruder 
Gottfried  gehöre,  dass  er  denselben  nur  „von  Sineu  wegen"  inne 
habe  und,  wenn  ihn  Gottfried  zurückfordern  würde,  sogleich  wieder 
abzutreten  bereit  sey*). 

Vom  Jahre  1385  finden  sich  wiederholt  Schuldbriefe  und  Ver- 
pfändungen, welche  Ulrich  auszustellen  sich  genöthiget  fand. 

Am  16.  Februar  versetzte  er  an  Eberhart  Philips,  Bürger  zu 
Halle,  einen  Meiden  um  anderthalb  hundert  Gulden  und  versichert 
zur  Atzung  täglich  zwölf  Regensburger  Pfennige **).  Am  2.  Mai 
stellte  er  dem  nämlichen  Eberhart  Philips  einen  Schuldbrief  aus 
über  fünfzehn  hundert  sechs  und  siebenzig  Gulden,  welche  nach 
nächsten  St.  Martinstag  mit  einem  Gulden  von  zehn  Gulden  zu  ver- 


*)  Hanselmann,   B.  I.   cod.  dipl.  pag.  471  N.  XLIY*. 
**)  Freyberg,  Reg.  Boic.  Vol.  X.  (VI)  pag.  149. 


59 

guten  sind*).  Am  28.  November  bescheiniget  er,  von  Herrn  Jo- 
hann von  Steten  Ritter  sechsthalb  hundert  Gulden  empfangen  zu 
haben  **), 

Es  mag  auffallend  scheinen,  dass  auch  in  diesen  Urkunden, 
namentlich  in  den  für  Eberhart  Philips  ausgestellten  Schuldbriefen, 
Graf  Fridrich  nicht  erwähnt  wird,  um  so  mehr  als  wir  oben  selbst 
darauf  aufmerksam  gemacht  haben,  dass  die  dem  nämlichen  Eber- 
hard Philips  im  Jahre  1379  und  1381  gegebenen  Verschreibungen, 
erstere  von  den  Brüdern  Kraft  und  Gottfried,  letztere  von  den  Brü- 
dern Kraft  und  Ulrich  ausgestellt  seyen.  Füglich  sollte  man  er- 
warten, dass  wenn  im  Jahre  1385,  Ulrich  und  Fridrich  wirklich 
gemeinschaftlich  regierten,  die  Schuldbriefe  dieses  Jahres  auch  von 
beiden  gemeinschaftlich  unterzeichnet  wären.  Allein  dem  Grafen 
Fridrich  war  inzwischen  das  Amt  eines  Pflegers  der  Domprobstei 
zu  Würzburg  anvertraut  worden  und  hiedurch  scheint  er  mehrmalen 
veranlasst  worden  zu  sein,  sich  in  Würzburg  aufzuhalten.  Dass 
er  wirklich  damals,  als  die  eben  erwähnten  Schuldbriefe  ausgefer- 
tiget  wurden,  in  Würzburg  war,  beweist  nachstehende  Urkunde 
vom  24.  Februar  1385:  „Karl  von  Hesseburg  Techant  und  das  Ca- 
pitel  des  Domstiftes  zu  Wirzburg,  dann  Fridrich  von  Hohenloch 
Pfleger  und  Staathalter  der  Domprob  sley  daselbst  bewilligen  dem 
Arnolt  von  Sparneck  Besitzer  des  Probstlehens  am  Lindechsperge 
und  am  Rympürer  Steige,  dann  dem  Niclaus  von  Malkos,  Besitzer 
des  Probstlehens  genannt  der  Ueberschütz  der  Roten  wecke,  die 
Vertauschung  mehrerer  zu  diesen  Probstiehen  gehörigen  Zinsen  und 
Gülten  an  das  Karthäuser  Kloster  zu  dem  Eugelgarten  in  Wirzburg 


*)  Frey  her g  a.  a.  O.   S.   155. 
**)  Freyberg  a.  a.  O.   S.  169. 


8* 


60 

gegen    mehrere   Zinsen   und   Gülten   auf   Kramen    und   Häusern    zu 
Wirzburg"  *). 

Mit  der  Uebernahme  dieses  Amtes,  wenn  es  ihn  auch  zuweilen 
von  seiner  Heimath  entfernte,  hat  jedoch  Graf  Fridrich  keineswegs 
auf  die  ihm  an  der  Regierung  der  Grafschaft  zustehenden  Rechte 
verzichtet  oder  sich  von  den  daran  haftenden  Obliegenheiten  los- 
gesagt. Diess  beweisen  die  Verpfändungen  von  Creilsheiin  und 
Weikersheim.  Am  15.  April  nämlich  1386  versetzte  Graf  Ruprecht 
von  Nassau  vorläufig  für  eine  Schuld  von  5000  Gulden  seines  Bru- 
ders Ulrich  von  Hoheuloch  an  ihren  Oheim  Johann  Landgrafen  zu 
Leuchtenberg  die  Veste  und  das  Schloss  Schillingsfürst  bis  auf  St. 
Johanns  Tag  zu  Sonn  wenden,  worauf  sein  gedachter  Bruder  dafür 
Burg  und  Stadt  Creilsheiin  zu  versetzen  hat  oder  er,  Ruprecht  Graf 
von  Nassau  und  sein  anderer  Bruder  Fridrich  von  Hohenloch  ihr 
Schloss,  Burg  und  Stadt  Weither sheim  halb  dafür  eingeben  sollen. 
Die  Brüder  Ulrich  und  Fridrich  siegeln  diese  Urkunde**).  Im 
darauf  folgenden  Jahre  wurde  die  Stadt  Creilsheiin  durch  Graf 
Ulrich  und  Fridrich  von  Hohenlohe  nebst  der  Veste  Werdeck  an 
die  Städte  Hall,  Heilbronn,  Wimpfen  und  Weinsberg  versetzt,  1388 
an  den  Landgrafen  Johann  von  Leuchtenberg  und  von  diesem  im 
Jahre  1399  mit  aller  Zugebör  an  die  Burggrafen  Johann  und  Fri- 
drich zu  Nürnberg  verkauft  ***). 

In  den  Jahren  1387  und  1388  werden  die  Brüder  Ulrich  und 
Fridrich  abermal  gemeinschaftlich  als  regierende  Herren  erwähnt. 
1387  cediren  sie  an  ihren   Bruder   Gottfried   das  jus    patronatus   zu 


*)  Freyberg,  a.  a.    O.   S.   150, 
**)  Freyberg,   Reg.  Boic.   Vol.  X  (VI)  pag.   180. 
***)    Wibel,  Th.  IV.  S.  90. 


61 


Münster*);  im  Jahre  1388  verkaufen  sie  um  550  Golden,  vermuth- 
lich  um  biemit  die  drei  Jahre  vorher  von  dem  Ritter  Johann  von 
Stetten  entlehnte  gleiche  Summe  zurückzubezahlen,  ihr  Gericht  zu 
Lutenbach  und  ihren  Hof  zu  Elpersheim  an  Götz  und  Albrecht  von 
Finsterloch*5'').  Im  nämlichen  Jahre  verschrieb  sich  „Adel  von 
Tuttenheim  der  Elter"  gegen  die  Brüder  Ulrich  und  Vridrich  von 
Hohenloch,  dass  er  ihnen  und  ihren  Erben  keinen  Eintrag  thun 
wolle  weder  an  dem  Kirchsatz  und  Mannlehen,  so  nach  Schupf 
gehörig,  noch  an  dem  Burglehen  zu  Bischofsheim,  als  die  bei  dem 
cum  jure  reluitionis  auf  zwei  Jahre  geschehenen  Verkaufe  der 
Veste  Schupf  und  des  Dorfes  Uffingen  vorbehalten  wurden***). 
Die  Brüder  Ulrich  und  Fridrich  aber  erklärten  am  Mondtag  nach 
dem  Palmtage  desselben  Jahres,  dass,  wofern  die  Pfarrei  Ober- 
albach und  die  Pfarrei  Oettelfingen,  ingleichen  die  Pfarrei  und  Früh- 
messe zu  Schwaigern  nnd  Oettelfingen  ledig  würde,  sie  dieselbe 
demjenigen  verleihen  wollten,  für  welchen  Adel  von  Tuttenheim 
bitten  würde  f). 

Zwei  Jahre  später  finden  wir  zwar  den  Grafen  Ulrich  wieder 
allein.  Am  24.  August  1390  bekennt  der  Ritter  Wilhelm  von  Beben- 
burg von  dem  Landgrafen  Johann  zu  Leuchtenberg,  Grafen  zu  Hals 
dem  älteren,  die  700  Gulden  erhalten  zu  haben,  wofür  ihm  von 
Ulrich  von  Hohenloch  der  See  und  Weiher  zu  Rode  verpfändet 
worden  ist  ff),  und  am  Donnerstag  nach  U.  L.  Frauen  Tag 
Nativitatis  bekennen  Ulrich  und  Georg  von  Altheim  Gebrüder,    dass 


*)  Wibel,  Th.  IV.  S.  105. 
**)  Freyberg,   Reg.  Boic.   Vol.  X.  (VI;  pag.  217. 
***)  Hanselmann,   B.   I,   cod.  dipl.  N.  CXLV. 

f)   Wibel,   Th.  IV.  S.    112. 
ff)  Freyberg,  a.  a.  O.  S.  274. 


62 

ihnen  ihr  „gnediger  Herre  Herre  Virich  von  Hohenloch  von  besun- 
dern  sineu  Gnaden  verlihen  hat  für  verswiegene  verfallene  Lehen 
den  Gügelhofe  zu  Dornhusen  vnd  ein  Gute  gelegen  zu  Wastheim"*); 
der  Grund  jedoch ,  warum  hier  Graf  Fridrich  neben  seinem  Bruder 
nicht  genannt  wird,  ist  derselbe  wie  der  oben  beim  Jahre  1385 
angeführte,  nämlich  weil  er  damals  abwesend  war.  Fridrich  be- 
fand sich  zur  nämlichen  Zeit,  am  hl.  Kreuz  Erfiudungs  Tage  zu 
Nürnberg  um  bei  dem  von  dem  römischen  Könige  Wenceslaus  an- 
geordneten Münzvereine  die  Rechte  und  Interessen  der  Grafschaft 
Hohenlohe  in  seinem  und  seines  Bruders  Namen  zu  vertreten**). 

Während  Graf  Fridrich  in  Nürnberg  sich  durch  Unterschrift 
und  Besieglung  bereitwillig  erklärt,  die  daselbst  getroffenen  Bestim- 
mungen genau  zu  befolgen,  erhält  sein  Bruder  Graf  Virich  einen 
Schuldbrief,  worin  ihm  Georg  von  Vrheim  Müntzmeieter  zweihun- 
dert Gulden  in  Gold  schuldig  geworden  zu  sein  bekennt  und  worin 
er  verspricht,  wenn  er  das  zur  Zurückzahlung  festgesetzte  Ziel 
nicht  einhalten  sollte,  sich  zu  stellen  „gen  Orengew  in  die  Stat  oder 
in  sines  Herren  Slosse  eines  in  welches  er  wil".  Als  Zeuge  ist 
unterschrieben  Cüntz  Müntzmeister  zu  Oerengew***).  Es  ist  hier- 
aus ersichtlich,  dass  die  hohenlohische  Münzstätte  zu  Oehringen 
damals  wirklich  benützt  wurde. 

Inzwischen  war  Graf  Conrad  von  Hohenloh- Brauneck  gestor- 
ben. Seine  Wittwe  Anna  Avar  eine  Tochter  Graf  Krafts  III.  von 
Hohenlohe.  Es  erhob  sich  zwischen  ihr  und  ihren  Brüdern  eine 
Irrung    wegen    des   mütterlichen   Erbtheils.      Am    19.   August   1391 


*)  Hanselmann,  B.  II.  pag.  222  N.  CXLXI.  Wiöel,  Th.  III.   cod.  dipl.  pag. 
76  N.  IV. 

**)  Hirsch,  Münzarchiv  T.  I  j>ag.  53  N.  LVIL 

***)  Albrecht,  Münzgesch.  d.  Hauses  Hohenlohe  S.  76  Urk.  N.  I. 


63 


vereinigten  sich  die  Brüder  Kraft,  Gottfried  und  Ulrich  mit  ihr 
hinsichtlich  des  Schlosses  Nuwenstein,  welches  sie  dem  Bischof 
von  Würzburg  eingeantwortet  hatten,  dahin,  dass  es  bei  dem  Aus- 
spruche des  Engelhard  von  Winsperg  verbleiben  solle  *). 

Drei  Jahre  später  erscheint  Fridrich  abermal  gemeinschaftlich 
mit  seinem  Bruder  Ulrich  in  einer  Urkunde  vom  Sonntag  vor  Christi 
Himmelfahrt  des  Jahres  1394,  in  welcher  beide  „Virich  und  Frie- 
drich Herren  von  Hohenloch  für  sich  und  ihre  erben  dem  Erber 
Hern  Conradt  von  Liekarthusen  Decband  dez  Stiftes  zu  Orengew 
bestettigen,  dass  die  Verbesserung  der  Frühmesse  daselbst  geschehen 
sei  mit  ihrem  guten  Willen  vnd  Worte"**). 

Vom  nämlichen  Jahre  findet  sich  ein  Eignungsbrief  des  Grafen 
Ulrich  für  Cuntz  Zehe  über  eine  Gilt  zu  Schoenbrunn  gegen  Lehen- 
machung  eines  andern  Guts.  Es  ist  dieser  Brief  zu  Oehringen  aus- 
gestellt am  Mittwoch  vor  St.  Valentinstag***). 

Am  Mondtag  nach  St.  Jacobs  Tag  1395  bestellte  er  Hans 
Flach  als  Münzmeister  in  Oehringen -J-).  In  demselben  Jahre  prä- 
sentirte  er  den  Priester  Walther,  genannt  Peter  von  Oehringen,  für 
die  Frühmesse  zu  Neuenstein -J—j-). 

Zum  letztenmal  finde  ich  beide  Brüder  in  einer  Urkunde  vom 
13.  Juli  1396.     Ulrich   und  Fridrich  von  Hohenloch   Gebrüder   be- 


*)  Freyberg,  a.  a.   O.   S.   294. 

**)    Wibel,  Th.  II.  cod.  dipl.   S.    172.    Oehr.  Stift.  UrU.   N.  20. 
***)  Hanselmann,   II.  pag.  148  N.  LXXXIII. 

f)  Albrecht,  Münzgesch.  d.  Hauses  Hohenlohe. 
ff)   Wibel,  Th.  IL  cod.  dipl.  p.  339  N.  CLXXXVIII. 


64 

kennen  und  reden  für  ihren  Bruder  Albrecht  von  Hohenloch,  dass 
er  seine  von  dem  Pabst  erhaltene  Anwartschaft  auf  eine  Pfründe 
des  Stiftes  zu  Würzburg  zu  Nutz  und  Frommen  dem  Dechant  und 
dem  Capitel  wenden  und  kehren  solle,  was  jedoch  ihrem  Bruder 
unschädlich  sein  soll  an  Wirdigkeit*). 

Da  Graf  Fridrich  später  nicht  mehr  erwähnt  wird,  sein  Sterbe- 
jahr aber  unbekannt  ist,  mag  er  im  Jahre  1396  das  Zeitliche  ge- 
segnet haben. 


19. 

Von  1396   —  1406  regiert  Graf  Virich  allein. 

Nachdem  bereits  Kraft  und  Gottfried  sich  freiwillig  von  der 
Regierung  zurückgezogen,  Johann  und  Fridrich  aber  gestorben  wa- 
ren, sollte  nunmehr  der  letztwilligen  Verfügung  Krafts  III.  zufolge 
Graf  Ulrich  die  Herrschaft  mit  demjenigen  von  den  noch  lebenden 
Brüdern  theilen,  welcher  ihm  dem  Alter  nach  am  nächsten  stand. 
Ob  dieser  Georg  oder  Albrecht  gewesen,  lässt  sich  mit  Bestimmt- 
heit nicht  angeben.  Da  jedoch  Georg  damals  schon  die  bischöfliche 
Würde  zu  Passau  erlangt  haue,  so  konnte  er  nicht  an  Fridrichs 
Stelle  eintreten.  Die  Reihe  der  Succession  wäre  demnach  an  Albrecht 
gekommen.  In  der  That  finden  wir  den  Grafen  Albrecht  mehrmal 
zugleich  mit  Ulrich  erwähnt,  so  dass  es  den  Anschein  gewinnt,  als 
hätten  nunmehr  diese  beiden  Brüder  wirklich  gemeinschaftlich  re- 
giert. 

Im   Jahre  1396  verkaufen   Albrecht   und    Ulrich   mit   Vorbehalt 
der  Wiederlösung  an   Conrad   von  Weinsberg  um  1200  Gulden  in 


*)  Freyberg,   Reg.  Boic.  Vol.   XI-   (VII)  p.   78. 


65 

Königshofeii  die  Stadt   an  der  Tauber  nebst  Tauberrettersheim,  Neu- 
broun,  Rinderfeld,  Oberndorf,  Steichenthal  nnd  Wernbrechtshausen.*) 

Am  Abend  St.  Johanns  des  Täufers  1400  schlössen  Ulrich 
und  Albrecht  mit  Eberhard  von  Weinsberg  und  seinem  Sohne  Con- 
rad einen  Erbvertrag.  „Wir  haben  bedacht,"  schreiben  die  beiden 
Herrn  von  Weinsherg,-^^)  „daz  Wrir  noch  nit  elicher  Süne  haben 
vnd  dorumb  so  haben  wir  den  vorgenannten  zwein,  Vlrichen  vnd 
Herrn  Albrechten  von  Hohenloch  gebrüdern  sollich  Liebe  und  Frünt- 
schafft  getan ;  Ist  es  daz  Wir  Beide  abgen  vnd  sterben  daz  Wir  nit 
elich  Süne  hinder  vns  lassen,  So  wollen  Wir  unser  Herrschafft  mit 
aller  zugehörung  In  zwein  vnd  Iren  Erben  allerbast  gönnen  .  .  Also 
haben  Wir  In  dieselben  vnnser  Herrschafft  von  Winsperg  vermacht 
nach  vnnserm  tode."  Die  Gegenverschreibung  der  Brüder  Ulrich 
und  Albrecht  gegen  die  Herrn  von  Weinsberg  ist  vom  nämlichen 
Tage  und,  nur  mit  veränderten  Namen,  in  denselben  Worten  ab- 
gefasst.  ***) 

Zu  gleicher  Zeit  erhielten  die  Grafen  Ulrich  und  Albrecht  von 
den  beiden  Herrn  von  Weinsberg  die  Erklärung,  dass  ihnen,  wenn 
sie  bekriegt  würden,  alle  Weinsbergischen  Schlösser  offen  stehen 
sollten. f) 

Im  Jahre  1401  stellten  Ulrich  und  Albrecht  ein  Bekenntniss 
aus,  dass  ihr   (damals   schon   verstorbener)   Bruder   Kraft   die  zwei 


*)  Wibel  Th.  I.  S.  158.  Der  Tag  an  welchem  der  Kaufbrief  ausgefertiget 
wurde,  ist  bei  Wibel  nicht  angegeben ;  vermutblich  geschah  es  erst 
nach  dem  Margarethen  Tag,   an  welchem  Fridrich  noch  lebte. 

**)  Hanselmann  B.  I.  cod.  dipl.  p.  474.  N.  CXLVII. 
***)  Hanselmann  B.   I.  S.   159. 

f)  Hanselmarnn  B.  I.   cod.   dipl.   pag.  474.  N.  CXLV. 
Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  9 


66 

Kircheusätz  zu  Honhart  und  Mulßngen  dem  Stift  zu  Meckmöbl 
übergeben  habe.*)  Endlich  werden  beide  Brüder  nocbmal  in  einer 
von  Rezze  von  Bechlingen,  Domherrn  zu  Würzburg,  im  Jahre  1403 
ausgestellten  auf  das  Schloss  Buchenbach  bezüglichen  Urkunde  mit- 
einander erwähnt.  **) 

In  Anbetracht  dieser  Urkunden  sollte  man  nun  allerdings  mei- 
nen, dass  Graf  Ulrich,  wie  vorher  mit  seinem  Bruder  Fridrick,  so 
nunmehr  mit  seinem  Bruder  Albrecht  gemeinschaftlich  regiert  habe. 
Wenn  ich  jedoch  nichts  destoweuiger  glaube,  er  habe  seit  dem 
Jahre  1396  allein  regiert,  so  bestimmen  mich  hiezu  nachstehende 
Gründe. 

Fürs  erste  war  Graf  Albrecht  Canonicus  in  Mainz.  Es  ist  aber 
nicht  wahrscheinlich,  dass  er  als  Canonicus  wirklicher  Regent  ge- 
wesen sei. 

Es  ist  auch  der  Inhalt  der  erwähnten  Urkunden  nicht  der 
Art,  dass  hieraus  noth wendig  auf  eine  Mitregentscfaaft  Albrecbts 
geschlossen  werden  müsste.  Allerdings  war  der  mit  den  Herrn 
von  Weinsberg  geschlossene  Erbvertrag  von  höchster  Wichtigkeit, 
aber  es  darf  hiebei  nicht  übersehen  werden,  warum  Albrecht  gerade 
in  dieser  Sache  sich  betheiliget  hat. 

Bald  nachdem  Albrecht  das  Canonicat  in  Mainz  erlangt  hatte, 
ist  seine  Schwester  Anna,  die  mit  dem  Grafen  Conrad  von  Hohen- 
loh-Brauneck  verheirathet  war,  Wittwe  geworden.  Dieser  Conrad 
hatte  zwar  eine  Tochter  Margaretha,  die  später  (1403)  an  den 
Grafen   Heinrich  von    Schwarzburg    und   nach   dessen    Tod  au  den 


*)  Lünig  Specil.  See.  P.  I  pag.  289  bei   Wibel   Th.  I.  S.  66. 
**)  Wibel  Th.  IV,  cod.  dipl.  pag.  37.  N.   16. 


67 


Barggrafen  Johann  III.  zu  Magdeburg  vermählt  wurde,*)  da  er  je- 
doch einen  Sohn  nicht  hinterliess,  war  mit  ihm  der  männliche  Stamm 
der  Brauneck 'sehen  Linie  erloschen. 

Von  der  Speck  feilschen  Linie  lebte  gleichfalls  nur  ein  einzi- 
ger männlicher  Sprosse,  nämlich  Graf  Johann.  Auch  dieser  hatte 
keine  Nachkommenschaft.  Er  starb  im  Jahre  1412  ohne  Erben. 

Nicht  minder  war  die  Hohenlohische  Linie,  obleich  Kraft  III. 
sieben  Söhne  hinterlassen  hatte,  dem  Erlöschen  nahe.  Im  Jahre  1381 
war  Johann  gestorben,  im  Jahre  1396  war  ihm  Fridrich  nachge- 
folgt, beide  ohne  Hinterlassung  eines  Erben.  Da  nun  1399  auch  noch 
Kraft  IV.  gleichfalls  kinderlos  starb,  lebten  zwar  noch  vier  von 
den  Brüdern,  nämlich  Gottfried,  Ulrich,  Georg  und  Albrecht,  aber 
nichts  desto  weniger  drohte  der  ganze  hohenlohische  Stamm  völlig 
zu  erlöschen ;  denn  da  Gottfried  bereits  alt  geworden  war,  Ulrich 
gleichfalls  eine  Successiou  nicht  mehr  zu  erwarten  hatte,  Georg  aber 
schon  seit  10  Jahren  über  das  Bisthum  Paussau  regierte,  beruhte 
die  einzige  Hoffnung  nur  noch  auf  dem  jüngsten  der  Brüder,  auf 
Albrecht.  Dieser  machte  daher  Schritte,  durch  den  päpstlichen  Stuhl 
die  Erlaubniss  zu  erlangen,  seiner  Zeit  in  den  weltlichen  Stand 
zurücktreten  und  nach  Ulrichs  Tod  die  Regierung  übernehmen  zu 
können. 

Wenn  aber  schon  inzwischen  Bestimmungen  getroffen  wurden, 
wie  es,  im  Falle  die  Familie  wirklich  aussterben  würde,  mit  ihren 
Besitzungen  gehalten  werden  sollte;  wenn  desshalb  mit  den  Herrn 
von  Weinsberg  —  Conrad  von  Weinsberg  hatte  mittlerweile  Ul- 
richs  Schwester,    Conrads    von  Brauneck   Wittwe,    geheirathet    — 


*)  Hanselmann,  B.  II,  S.  309. 

9* 


68 

ein  Erbvertrag  abgeschlossen  wurde;  was  war  da  natürlicher  als 
dass  Graf  Ulrich  hiebei,  und  selbst  in  andern  Dingen,  die  Einwilli- 
gung und  Mitwirkung  seines  Bruders  Albrecht  guthiess?  ohne  dass 
desshalb  Albrecht  als  wirklicher  Mitregent  betrachtet  werden  niüsste. 

Ferner  finden  wir,  die  eben  angeführten  wenigen  Ausnahmen 
abgerechnet,  seit  dem  Jahre  1396  bis  zum  Jahre  1407  in  allen  Ur- 
kunden, welche  sich  auf  die  eigentlichen  Regierungsangelegenheiten 
beziehen,  immer  nur  den  Grafen   Ulrich  allein  genannt. 

Das  erste  hieher  bezügliche  Document  ist  eine  Urkunde  vom 
St.  Laurentii  Tage  1396,  worin  Graf  Ulrich  Eberharden  von  Uem- 
mingen  den  Jungen  „von  Gnaden  wegen"  die  Lehen  verleiht  zu 
Gemmingen  gelegen,  die  Albrecht  selig  von  Gemmingen,  den  man 
nennt  Pfaffe  Albrecht,  zu  Lehen  gehabt.1"1) 

Am  St.  Peters  Abend  Cathedra  1397  stellt  Berthold  Dünn, 
gesessen  zu  Hohenloch,  für  den  Grafen  Ulrich  einen  Lehen-Revers 
aus  über  zehn  Morgen  Wiesen,  gelegen  in  dem  Erkenhageu  bei 
Gross-Hartbach  gegen  Eigenmachung  eines  Hofes  zu  Boltzhauseu.**) 

Am  Donnerstag  nach  Quasimodogeniti  1399  bekennt  Cuntz  von 
Kirchberg,  dass  ihm  Graf  Ulrich  die  Lehen  geliehen  hat,  die  seine 
Vettern  Raban  und  Fritz  selige  von  der  Herrschaft  gehabt  haben, 
nämlich  Güter  und  Zehenden  zu  Eberbach,  Onolzheim,  Speltach  und 
Kochensteten.  ***) 

Am  Freitag  vor  St.  Georgen  Tag  1401  eignet  Ulrich  den  bis- 
her lehenbaren  Zehenden  zu  Einhartzbühel   der  ewigen  Messe,  die 


*)  Hamelman,   ß.  II.  cod.  dipl.  pag.  224.  N.  CXLVW. 
**)  Hanselmann,  a.  a.  O.  pag.  223.  N.  CXLVH. 
***)  Hanselmann,  a.  a.  O.  pag.  224.  N.  CL. 


69 

Heinrich  Toppler  Bürger  zu  Rotenburg  in  der  Pfarrkirclie   daselbst 
gestiftet  hat.*) 

Vom  Donnerstag  nach  St.  Martins  Tag  1401  findet  sich  ein 
Lehen-Revers  des  Edelknechts  Friedmann  Zobel  gegen  Graf  Ulrich 
über  einen  Hof  und  einen  Fischweiher  zu  Osthausen  gegen  Eignung 
eines  Hofes  zu  Bollzhausen.**) 

Am  Sonntag  nach  St.  Peterstag  1405  endlich  bekennt  Dietrich 
Zobel,  dass  ihm  Graf  Ulrich  geliehen  habe  „die  Hube  zu  Nidern  Wi- 
tichshusen,  die  Sulzdorfs  dochter  Jone  hat,  vnd  die  Hube  die  Siz 
stahel  June  hat  zu  obern  Witichshusen,  und  das  Lehen,  das  Kunz 
Kemmerer  Iune  hat  zu  obern  Witichshusen,"***) 

In  allen  diesen  sechs  Lehenbriefen  wird  nur  Graf  Ulrich  allein 
genannt.  Dasselbe  ist  auch  in  den  Urkunden  der  Fall,  in  denen  es 
sich  um  die  Ausübung  der  landesherrlichen  Rechte  in  caiwis  eccle- 
siasticis  handelt. 

Am  hl.  Christabend  1404  beurkundet  Graf  Ulrich  „als  die  Er- 
bern Herren  Dechant  vnd  Capitel  dez  Stifftes  tzu  Oreugew  haben 
hernüwert  vnd  gemachet  gesetze  gewohnheit,  vnd  statuta,  die  sie 
fürbatz  In  irem  Stiffte  ewiclichen  haben  wollen  vnd  alle  Ire  nach- 
kumen  .  .  als  In  daz  auch  Herre  Johans  Bischoff  tzu  Wirtzburg  be- 
stedigt  hat  .  .  daz  ist  mit  vnserm  rade  und  gutem  willen  gescheen 
vnd  Zugängen."-)-) 


*)  Freyberg,   Reg.  Boic.  Vol.  XI.   (VII.)  pag.  207. 
**)  Hanselmann,  a.  a.   O.  pag.  225.  N.  CLL 
**•)  Hanselmann,   a.  a.  O.  pag.  223.  N.   CXLVIH. 
f)    Wibel,   Th.  III.  cod.  dipl.   pag.   107.  N.  XXXIII. 


70 

Als  im  Jabre  1405  der  Abt  und  das  Convent  des  Klosters  zu 
Schoenthal  die  Frühmesse  zu  Syndringen  verbesserten  und  hiemit 
die  Güter  und  Gülten  der  Kapelle  zu  Ernspacb  vereinigen  wollten, 
gab  Ulrich  seinen  Consens  dazu  und  bat  aucb  „soliche  gute  vnd 
gülte  die  vnter  Im  vnd  siner  Herrschafft  gelegen  sin,  zue  derselben 
Frümesse  ewiclich  gefryet  vnd  geeygnit." >;;c) 

Auch  ein  auf  die  Ausübung  des  Münzrechtes  bezügliches  Do- 
cument  dieser  Zeit  spricht  nicht  undeutlich  dafür,  dass  nicht  zwei 
Grafen,  sondern  nur  Ulrich  allein  regiert  habe. 

Am  Samstag  vor  St.  Lucientag  1407  stellt  „Hüselin  Brünyngin 
Müntzmeisterin  zu  Orengew"  den  Brüdern  Gottfried  nud  Albrecht 
eine  Quittung  aus,  dass  sie  um  alle  Ansprüche,  welche  sie  an  den 
Grafen  Ulrich  tm  machen  gehabt  habe ,  befriediget  sey.**)  Graf 
Ulrich  war  kurz  vorher  gestorben.  Seine  unmittelbaren  Nachfolger 
in  der  Regierung  waren  Gottfried  und  Albrecht.  Diese  wollten  Ab- 
rechnung darüber  halten,  was  etwa  der  Münze  wegen  noch  an 
der  vorigen  Herrschaft  zu  fordern  sein  möchte.  Da  nun  die  Witt- 
we  Breunig  erklärt,  sie  sei  um  alle  Ansprüche,  welche  sie  an  den 
Grafen  Ulrich  gehabt  habe,  befriedigt,  so  geht  daraus  nicht  undeut- 
lich hervor,  dass,  weil  sie  nur  an  Ulrich  allein  eine  Forderung  ge- 
habt,   dieser  allein  die  Münze  besessen,   sonach  allein  regiert  habe. 

Es  hat  daher  Hanselmann  Recht,  wenn  er  schreibt,  Graf  Ulrich 
habe  bis  gegen  das  Jahr  1407,  obwohl  sein  ältester  Bruder  Graf 
Kraft  noch  bis  1399  am  Leben  gewesen,  die  Lehen-Administration 


*)    Wibel  a.  a.  O.  pag.  108.  N.  XXXIV. 
**)  Albrecht,  Münzgesch.  d.  Hauses  Hohenlohc.  S.  2. 


71 

ganz  allein  gehabt, s;Sr)  nur  irrte  er  sieh  darin,  wenn  er  behauptet, 
diese  alleinige  Lehen-Administration  habe  bereits  1384  und  auch 
schon  einige  Jahre  vorher  angefangen. 


20. 

In  den  Jahren  1407   und  1408    regiert  Graf  Gottfried  gemein- 
schaftlich mit  seinem  Bruder  Albrecht. 

Graf  Ulrich  starb  im  Jahre  1407.  Er  hatte  eine  Zeit  lang  al- 
lein regiert.  Diess  war  wider  das  uralte  Herkommen  und  wider  die 
ausdrückliche  Bestimmung  seines  Vaters.  Es  war  jedoch  nur  darum 
geschehen,  weil  er,  da  die  einen  der  noch  lebenden  Brüder  schon 
seit  längerer  Zeit  sich  freiwillig  von  der  Regierung  zurückgezogen 
hatten,  die  anderen  aber  im  geistlichen  Stande  lebten,  von  allen 
Brüdern  der  einzige  war,  der  die  Regierung  fortführen  konnte  und 
wollte.  Uebrigens  hat  Ulrich  selbst  seit  der  Zeit,  wo  sein  früherer 
Mitregent  Fridrich  starb  und  er  nunmehr  eigentlich  allein  regierte, 
um  das  alte  Herkommen  nicht  ganz  bei  Seite  zu  setzen,  die  Zu- 
stimmung seines  Bruders  Albrecht  wenigstens,  wie  wir  oben  gese- 
hen haben,  in  solchen  Angelegenheiten  erholt,  welche  den  Besitz- 
stand der  Grafschaft  anbelangten. 

Als  nun  Ulrich  starb,  trat  seit  Krafts  Hl.  Tod  zum  fünftennial 
ein  Wechsel  in  der  Regierung  ein.  Es  lebten  noch  Gottfried  und 
Albrecht.  Auf  diese  zwei  musste  nunmehr,  denn  Georg  konnte  als 
Bischof  von  Passau  nicht  gerechnet  werden,  die  Regierung  überge- 
hen, entweder,  wenn  man  am  Herkommen  hielt,  auf  beide  miteinan- 
der, oder,  wenn  Gottfried  aus  seiner  Zurückgezogenheit  nicht  mehr 
heraustreten  wollte,  auf  Albrecht  allein. 


*)  Hanselmann  B.  II.  S.  211. 


72 

Gottfried  mochte,  nachdem  er  bereits  27  Jahre  lang  freiwillig 
ein  stilles,  zurückgezogenes  Leben  geführt,  wenig  Lost  zum  Regie- 
ren empfinden,  allein,  da  Albrecht  die  Dispens,  in  den  weltlichen 
Stand  zurückzutreten,  noch  nicht  erlangt  hatte,  entschloss  er  sich 
gleichwohl  so  lange  bis  diese  angelangt  wäre,  gemeinschaftlich  mit 
seinem  jüngeren  Bruder  nochmal   die  Herrschaft  zu  übernehmen. 

In  den  Jahren  1407  und  1408  regieren  Gottfried  und  Albrecht 
miteinander.  Diess  beweisen  nachstehende  Urkunden. 

Es  ist  schon  oben  erwähnt  worden,  dass  „Hüselin  Brünyngin 
Müntzmeisterin  zu  Orengew"  am  Samstag  vor  St.  Lucientag  1407 
eine  Quittung  ausstellt,  dass  sie  um  alle  Ansprüche,  welche  sie  an 
den  (verstorbenen)  Grafen  Ulrich  zu  machen  gehabt  habe,  befriedigt 
sei.  Da  sie  diese  Quittung  den  Brüdern  Gottfried  und  Albrecht  aus- 
stellt, so  schliesse  ich  gewiss  nicht  mit  Unrecht  daraus,  dass  Gott- 
fried und  Albrecht  die  Nachfolger  Ulrichs  gewesen  seien. 

Im  Jahre  1408  werden  die  Brüder  Gottfried  und  Albrecht 
von  dem  Bischöfe  Johann  zu  Würzburg  mit  dem  Schlosse  und 
Flecken  Buchenbach  an  der  Jaxt  belehnt.*) 

Im  nämlichen  Jahre  belehnt  König  Ruprecht  die  Brüder  Al- 
brecht und  Gottfried  mit  dem  Wildbann.**) 

Am  Mondtag  vor  St.  Valentinstag  1408  endlich  lassen  sich 
beide  Brüder  von  der  Stadt  Oehringen  huldigen.  „Wir  Gottfriede 
vnd  Wir  Albrecht  von  Hohenloch  Gebrudere  Bekennen  .  .  daz  Uus 
die  Ersamen  vnd   wisen,   die   bürgere,   beide   arme   vnd   Riche  der 


*)  Wibel,  Th.  I.  S.  133. 
**)  Albrecht  Münzgesch.   S.  4.  Chmel  Reg.   Ruperti  p.  152.  N.  2467. 


73 

Statt  zu  Orengew  gelobt  vnd  gesworn  haben,  als  hernach  geschri- 
ben  stet,  vnd  wir  die  Egenanten  Burgere  Bekennen,  daz  wir  den 
vorgenanten  Herren  Herrn  Gottfried  vnd  Hern  Albrecht  gelobt  vnd 
gesworn  han  als  dan  hernach  geschriben  stet.  Zum  ersten  haben 
Vns  obgenanten  Herrn  von  Hohenloch  die  egenanten  Burgere  ire 
guten  trüwe  In  vns  hant  geben  vnd  .  .  gesworn,  daz  sie  vns  für 
rechte  Herrn  haben  sollen  vnd  wollen  .  ."*) 

Dem  Grafen  Gottfried  sagten  jedoch  die  Regierungsgeschäfte 
so  wenig  zu,  dass  er  schon  im  zweiten  Jahre  wieder  seinen  An- 
theil  an  Albrecht  abtrat,  denn  in  der  nämlichen  Urkunde,  in  welcher 
ihm  und  seinem  Bruder  die  Stadt  Oehriugen  huldigt,  heisst  es  wei- 
ter: „Auch  ist  zu  wissen,  daz  wir  obgenanten  Hern  Gotfried  von 
Hohenloch  sie  geheisen  haben  uff  die  eyde,  die  sie  vns  gesworn 
haben  daz  sie  vnserm  bruder  Hern  Albrecht  hulden,  sweren,  gewar- 
ten vnd  für  ein  rechten  Herren  halten  sollen  an  uns  sfqt." 

Bald  darauf  traf  auch  wirklich  die  Dispensationsbulle  Pabst 
Gregor  XII.  für  Graf  Albrecht  ein,  des  Inhalts:  Exhibita  siquidem 
nobis  nuper  pro  parte  dilecti  filii  Alberti  de  Hohenloch,  canonici  ec- 
clesie  maguntine,  petitio  continebat  quod  olim  ipse  parentum  suorum 
cupientium  eum  ascribi  militie  clericali  persuasionibus  inductus  cleri- 
cali  caractere  insignitus  canouicatum  et  prebendam  ejusdem  ecclesie 
tunc  vacantes  sibi  collatos  assecutus  ac  deinde  ad  omnes  minores 
et  ad  subdiaconatus  et  diaconatus  ordines  succesive  rite  promotus 
fuit.  Cum  autem  sicut  eadem  petitio  subjungebat,  prefatus  Albertus 
de  nobili  et  antiqua  Baronum  prosapia  ortus  existat  et  ejus  genitor 
decesserit  ac  duo  ipsins  Alberti  germani  remanserint,  quorum  unus 
pontificali  dignitate  prefulget,  alter  senex  est  et  vitam  quodammodo 
religiosam  ducit,    contemplationi  et  orationibus  vacans  ita,    quod  non 


*)     Hanselmann  B.  I,  cod.  dip.  p.  477.  N,  CLL 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.   Ah.  d.  Wiss    V.  Bd.  III.  Abtlil.  10 


74 

est  spes  quod  proles  suscipiatur  ex  eo,  quodque  Carissimus  in  Chri- 
sto filius  noster  Rupertus  Rex  et  carissima  in  Christo  filia  nostra 
Elisabeth  Regina  Romanorum  Illustres,  ne  hujusmodi  prosapia  ex 
prolis  defectu  deficiat  et  extinguatur  et  ne  Baronie  et  bona  feudalia 
genitoris  predicti  ac  progenitorum  ipsius  Alberti  ad  manus  trauseant 
alienas,  ac  ex  eo  etiani  quod  subditi  incole  et  habitatores  Baroni- 
aram  predictarum  eundem  Albertum  in  Dominum  postulant  et  requirunt, 
desiderent  quod  dictus  Albertus  cum  aliqua  muliere  ex  qua  filios 
procreare  valeat  matrimonium  contrahat,  pro  parte  dicti  Alberti  nobis 
fuit  humiliter  supplicatum  ut  ei  super  hoc  de  opportune  dispensationis 
gratia  providere  de  benignitate  apostolica  dignaremur.  Nos  igitur  .  ."*) 

Gottfried  scheint  sich  von  nun  an  in  das  Kloster  Engelzell  be- 
geben zu  haben,  wo  er  begraben  liegt.  Sein  Grabdenkmal  hat  die 
Aufschrift:  Anno  Domini  MCCCCXIII  in  vigilia  exaltationis  sanctae 
crucis  obiit  nobilis  dominus  Gottfridus  comes  de  Hohenloe,  frater 
Georgii  tunc  Episcopi  Pataviensis.5"1*] 


S  c  h  1  u   s  s. 

Blicken  wir  nochmal  auf  die  bisherigen,  theils  auf  die  Münzty- 
pen, theils  auf  die  Urkunden  gestützten  Untersuchungen  zurück,  so 
sind  wir  zu  folgenden  Ergebnissen  gelangt. 

Aus  der  Vergleichung  der  vorliegenden  Münzen  ergab  sich  (§.  1 

—  8),    dass  alle    diese  Gepräge  dem  im  Jahre    1407    verstorbenen 

Grafen   Ulrich   von    Hohenlohe,   dem    Sohne    Krafts  III.   angehören, 


*)  Hanselmann  B.  I.  cod.  dipl.  p.  478    N.  CLII. 
**)    Wtbcl  Th.  I.   S.  26. 


75 

dass  jedoch  einige  derselben  von  Graf  Ulrich  allein,  aridere  aber 
von  ihm  gemeinschaftlich  mit  einem  seiner  Brüder  geschlagen  wur- 
den, dass  sonach  Ulrich  eine  Zeit  lang  allein,  eine  Zeit  lang  ge- 
meinschaftlich mit  einem  seiner  Brüder  regiert  habe. 

Aus  der  Vergleichung  der  bisher  bekannten  Urkunden  ergab 
sich  ferner  (§.  10  —  20),  dass  unter  den  Söhnen  Krafts  III.,  wel- 
cher 1371  starb,  die  Regierung  fünfmal  wechselte  und  zwar  in  nach- 
stehender Weise. 

1.  Von  1371  bis  1379  regierten  die  zwei  ältesten  Söhne  Krafts 
III.,  nämlich  Kraft  IV.  und  Gottfried,  gemeinschaftlich. 

2.  In  den  Jahren  1380  und  1381  regierten  der  erst-  und 
drittgeborne  von  Krafts  III.  Söhnen,  nämlich  Kraft  IV.  und 
Ulrich  gemeinschaftlich. 

3.  Von  1382  bis  1396  regierten  der  dritt-  und  fünflgeborne  von 
Krafts  III.  Söhnen,  nämlich  Ulrich  und  Fridrich  gemein- 
schaftlich. 

4.  Von  1396  bis  1407  regierte  der  drittgeborne  von  Krafts  III. 
Söhnen,  nämlich   Ulrich  allein. 

5.  Von  1407  bis  1408  regierten  der  zweit-  und  jüngstgeborne 
von  Krafts  III.  Söhnen,  nämlich  Gottfried  und  Albrecht  ge- 
meinschaftlich. 

Nun  wird  es  nicht  mehr  schwer  halsen,  genau  zn  bestimmen, 
wann  die  einen  und  die  andern  unserer  Pfennige  geschlagen  wur- 
den, denn  die  Münzen  und  die  Urkunden  ergänzen  und  bestätigen 
sich  gegenseitig. 

10* 


7« 

Sollte  nämlich  der  §.  19.  vorgebrachten  Bemerkungen  ohner- 
achtet  noch  zweifelhaft  erscheinen,  ob  Graf  Ulrich  seit  dem  Jahre 
1396  wirklich  allein  regiert  oder  die  Herrschaft  mit  seinem  Brnder 
Albrecht  getheilt  habe,  so  kommen  die  Münzen  dem  Mangel  an  hi- 
storischen Nachrichten  und  der  möglichen  Zweideutigkeit  der  Ur- 
kunden zu  Hilfe.  Die  Pfennige  N.  15  — -20  sind  ein  unwidersprech- 
liches  Zeugniss,  dass  Ulrich  das  Münzrecht  eine  Zeitlang  allein  aus- 
geübt habe;  aus  den  Urkunden  aber  ergibt  sich,  dass  der  Zeitraum 
von  1396  — 1407  der  einzige  ist,  in  welchen  die  alleinige  Regie- 
rung Ulrichs  gesetzt  werden  kann.  Die  Pfennige  N.  15  —  20  ge- 
hören sonach  in  die  Jahre  1396  bis  1407. 

Da  nun  Ulrich  1407  starb,  so  müssen  alle  übrigen  Münzen  N. 
1  —  14,  die  er  gemeinschaftlich  mit  einem  seiner  Brüder  schlagen 
Hess,  vor  dem  Jahre  1396  geprägt  worden  sein,  und  es  fragt  sich 
nur,  ob  sich  nicht  ganz  genau  angeben  lässt,  wann  und  mit  wel- 
chem seiner  Brüder  Graf  Ulrich  dieselben  prägen  Hess? 

In  den  Zeitraum  von  1371  —  1379  können  unsere  Münzen 
darum  nicht  gesetzt  werden,  weil  Ulrich  zu  dieser  Zeit  nicht  re- 
gierender Herr  war. 

Auch  in  den  Jahren  1380  und  1381  können  sie  nicht  geprägt 
sein.  Damals  war  zwar  Ulrich  regierender  Herr,  und  in  dieser  Ei- 
genschaft hätte  er  das  Münzrecht  ausüben  können ;  auch  würden  die 
Typen  einer  solchen  Annahme  nicht  widersprechen,  denn  in  den  zwei 
nebeneinander  befindlichen  Brustbildern  der  Rückseite  könnten  im- 
merhin die  Bildnisse  der  gemeinschaftlich  regierenden  Brüder  Kraft 
und  Ulrich  vorgestellt  sein;  selbst  die  Aufschrift  V-lrich  —  O-rengew 
würde  insoferne  zu  den  Typen  passen,  als  von  den  zwei  regieren- 
den Herren  hier,  wie  auf  anderen  gleichzeitigeil  Münzen,  eben  nur  Ei- 
ner namentlich  bezeichnet   wäre:    allein,    wenn    von   zwei   gemein- 


77 

schaftlich  regierenden  Herren  nur  einer  mit  Namen  genannt  wird, 
so  versteht  von  sich  selbst,  dass  dann  diese  Ehre  nicht  dem  jun- 
gem, sondern  dem  altern  eingeräumt  wurde.  Ulrich  war  aber  jünger 
als  sein  Bruder  Kraft,  welcher  überdiess  schon  seit  dem  Tode  des 
Vaters  regierte,  während  Ulrich  erst  9  Jahre  später  an  Gottfrieds 
Stelle  zur  Regierung  kam. 

Wenn  nun  unsere  Münzen  nicht  zwischen  1371  und  1381  ge- 
prägt sein  können,  aber  dennoch  vor  dem  Jahre  1396  geschlagen 
wurden,  so  gehören  sie  in  den  Zeitraum  von  1382  bis  1396.  Ich 
suchte  oben  §.18  aus  den  Urkunden  wahrscheinlich  zu  machen,  dass 
von  1382  bis  1396  Graf  Ulrich  gemeinschaftlich  mit  seinem  jün- 
geren Bruder  Fridrich  regiert  habe.  Diess  wird  durch  unsere  Mün- 
zen bestätiget;  denn  wenn  einerseits  weder  Kraft  (der  als  der 
ältere  auf  den  Müuzeu  genannt  sein  müsstej,  noch  Gottfried  (der 
erst  nach  dem  Tode  Ulrichs  wieder  aus  seiner  Zurückgezogenheit 
heraustrat),  noch  Johann  (welcher  vermuthlich  schon  1381  starb), 
noch  Georg  oder  Albrecht  (welche  in  den  geistlichen  Stand  getreten 
waren)  als  derjenige  bezeichnet  werden  kann,  der  gemeinschaftlich 
mit  Ulrich  prägen  liess,  andrerseits  aber  unsere  Münzen  N.  1  —  14 
dennoch  unwidersprechlich  beweisen,  dass  Ulrich  mit  einem  seiner 
Brüder,  gemeinschaftlich  gemünzt  und  regiert  habe,  so  bleibt  uns 
nichts  anderes  übrig  als  anzunehmen,  Ulrich  habe  von  1382  —  1396 
gemeinschaftlich  mit  Fridrich  gemünzt  und  regiert. 

Die  Pfennige  N.  1.  —  14  gehören  also  in  den  Zeitraum  von 
1382  bis  1392  und  sind  von  Ulrich  in  Gemeinschaft  mit  seinem  jün- 
geren Bruder  Fridrich  geschlagen. 

Hiemit  stimmt  auch  Bild  und  Schrift  überein.  Die  zwei  neben- 
einander befindlichen,  hedeckten  Brustbilder  sind  die  Bildnisse  Ul- 
richs und  Fridrichs,    die  Aufschrift  aber,  nämlich  der  Buchstabe  V 


78 

bezieht  sich  nur  auf  Ulrich  als  den  älteren  von  den  beiden  Regen- 
ten. Es  ist  hier  derselbe  Fall,  wie  auf  den  Lauffeuer  Pfennigen  des 
Kaisers  Karl  IV.  und  seines  Sohnes  Wenceslaus  und  auf  mehreren 
Pfennigen  des  Burggrafen  Fridrich  V.  von  Nürnberg  und  seines 
Sohnes  Fridrich  VI.,  wo  in  gleicher  Weise  zwei  Bildnisse  neben- 
einander erscheinen,  aber  nur  der  Name  des  einen  und  zwar  des 
altern  durch  den  Anfangsbuchstaben  angedeutet  ist. 


ür af  en  von  Holienlolie . 


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Ueber  das 


E  r  e  c  h- 1  h  e  u  m 


auf  der 


Akropolis  zu  Athen. 

Von 

Friedrich   Thiersch. 


Erste  Abhandlung. 


Ueber   das   Er  echtheu  m 

auf  der  Akropolis  zu  Athen. 

Von 
Fr.  Thiersch. 

Vorgetragen  am  5.  August  1843  in  der  Sitzung  der  philosophischen  Gasse. 


Erste  Abhandlung  über  die  innere   Einrichtung,     Mannig- 
faltigkeit und  Absicht  des  Baues. 


I. 

Einleitung. 


Das  Heiligthum  des  Erechtheas  (rö  *Eq$x&£iov  Isqqv  auf  der 
Akropolis  in  Athen  hat  seit  Stuarts  Zeiten  die  Forschung  der  Ar- 
chäologen und  Architecten  vielfach  in  Anspruch  genommen,  und  ob 
wohl  darüber  kein  Zweifel  war,  dass  in  ihm  mehrere,  wenigstens  zwei 
Gebäude  zu  einem  Ganzen  vereinigt  seyen,  auch  die  einzelnen  Theile 
sich  sattsam  von  einander  zu  scheiden  und  leicht  erkennbar  schienen, 
so  war  das  doch  nicht  der  Fall  bezüglich  der  Anlage,  Ausdehnung 
und  Verbindung  derselben.  Seine  ausser  aller  Symmetrie  gehaltene 
Form  und  Gliederung  blieb  fortdauernd  das  grosse  Räthsel  der  grie- 
chischen Architectur.  Dieses  aber  wird  nicht  mit  der  Annahme  ge- 
löst, dass  man  bei  dem  Wiederbau  des  Heiligthums  nach  seiner  im 
persischen  Kriege  erfolgten  Zerstörung  durch  die  Rücksichten  des 
Cultus  genöthigt  war,  das  neue  Werk  auf  den  Grund  und  nach  dem 

Abhandlung  der  I.  CI    d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.   Abth.  1  1 


Maase  des  alten  wieder  aufzuführen.  Denn  dadurch  wird  die 
Schwierigkeit  nur  in  eine  frühere  Zeit  hinausgerückt,  und  die  Frage 
kehrt  wieder,  warum,  wenn  das  ursprüngliche  Gebäude  schon  diese 
Zusammensetzung  zeigte,  man  gleich  anfangs  ihm  eine  Gestalt  gegeben 
hatte,  die  bei  dem  Wiederbau  bewog  oder  nöthigte,  einem  gegen  Osten 
gewendeten  Tempel  (Taf.  1  A),  einem  regelmässigen  'Ei-ccoruAog, 
gegen  Westen  eine  Querhalle  mit  Fenstern  und  Halbsäulen  (B)  an- 
zufügen, mit  dieser  aber  südlich  eine  kleine  Halle  (C),  nördlich  eine 
grössere  (D)  zu  verbinden,  jene  nebst  der  Querhalle  auf  einen  stock- 
hohen  Sockel  zu  setzen,  die  Nordhalle  auf  das  Reichste  auszuschmü- 
cken und  im  Hintergrunde  mit  der  prachtvollen  Einfassung  eines  Thores 
auszustatten,  das  Thor  selbst  aber  zu  blenden,  und  das  Dach  der 
Südhalle,  statt  von  Säulen,  von  Jungfrauen  tragen  zu  lassen,  ganz 
abgesehen  von  der  Unebenheit  und  Ungleichheit  des  Grundes,  der 
gegen  Westen  über  9  Schuh  tiefer  liegt  als  gegen  Osten,  und  von  der 
Verschiedenheit  der  Maase  der  Haupttheile,  der  Bedachung  und 
des  Ineinandergreifens  der  mannigfachen  zu  einem  scheinbar  so  übel- 
berechneten Ganzen  verbundenen  Gebäude. 

Es  wird  also  der  Mühe  lohnen,  noch  einmal  mit  der  bestimm- 
ten Absicht  an  den  Versuch  zu  gehen,  in  Grund  und  Zweck  der 
Anlage  dieses  Baues  und  die  Bedeutung  des  Ganzen  und  Einzelnen 
einzudringen. 

n. 

Neuere  Kunde  von  Erechtheum. 

Die  erste  nicht  ganz  ungenaue  Kunde  vom  Erechtheum  brachte 
in  neuerer  Zeit  Jakob  Spon  nach  England,  der  es  noch  in  seiner 
Ganzheit  erhalten  sehen  konnte.  „Wir  waren,"  sagt  er  im  5.  Buche 
seiner  Reise  (S.  21  der  deutschen  Bearbeitung,  Nürnberg  1713) 
„noch  nicht  weit  (vom  Parthenon)  zwischen  alten  Mauern  und  den 
Soldaten  ihren  Wohnungen,  die  allda  liegen,  fortgegangen;  so  fanden 
wir  auf  der  Seite  gegen  die  Stadt  zu  (gegen  Norden)   den   erech- 


83 

theischen  Tempel.  Man  kennt  ihn  an  zwei  Merkzeichen,  deren  Pau- 
sanias  gedenket,  eines,  dass  er  doppelt  ist,  nämlich,  dass  zween  Tem- 
pel aneinander  gefügt  sind,  und  das  andere,  weil  man  den  berühm- 
ten Brunnen  mit  dem  gesalzenen  Wasser  allda  antrifft;  den  wir  nicht 
zu  sehen  bekamen,  weil  er  in  den  Bau  miteingefasset  ist,  worinnen 
das  Frauenvolk  seine  Wohnung  hat,  und  Niemand  ausser  dem  Se- 
rail-Verwalter hineindarf.  Man  versicherte  uns,  dass  er  an  jetzo 
fast  ganz  ausgetrocknet  sei.  Diese  beiden  Tempel  sind  auf  io- 
nische Art  gebaut  mit  auswendig  ausgehöhlten  Säulen,  alles  von 
Marbel,  wie  der  Minerva  ihrer.  Der  Länge  nach  bat  er  dreiundsech- 
zig und  einen  halben,  in  der  Breite  aber  sechsunddreissig  und  ei- 
nen halben  Werk-Schuh.  Der  kleinere  aber  ist  lang  neunundzwan- 
zig  und  breit  einundzwanzig  Schub,  drei  Zoll."  Man  sieht,  dass 
Spon  unter  dem  zweiten  Tempel  die  westliche  Halle  mit  Fenstern 
und  Halbsäulen  und  mit  den  zwei  südlich  und  nördlich  daranstos- 
senden  Vorhallen  verstanden  hat,  und  nicht  zu  übersehen  ist,  dass 
die  südliche  Halle  mit  den  Kanephoren  dem  Pascha  als  Harem,  als 
ywaciztlov  diente.  Ausführlicher  berichtet  dann  über  ihn  Stuart  in  dem 
grossen  und  prächtigen  Werke  über  die  attischen  Alterthümer(II.  eh.  2), 
das  durch  die  Sauberkeit  und  verlässige  Genauigkeit  der  archi- 
tektonischen Zeichnungen  zuerst  die  Reinheit  und  Schönheit  der 
griechischen  Architeqtur  und  ihrer  noch  erhaltenen  Werke  zur  Kunde 
des  gebildeten  Europa  als  einen  Gegenstand  der  Bewunderung  und 
Nachahmung  gebracht  hat.  In  neunzehn  schönen  Knpferplat- 
ten  werden  die  Aufrisse,  die  Maase,  die  Profilirungen  dieses 
ersten  der  ionischen  Bauwerke  nach  ihrer  ganzen  Schönheit  und 
Bedeutsamkeit  vor  Augen  gelegt.  Nach  Stuart  hatte  J.  H.  Inwood 
im  Jahre  1819  auch  von  dem  Erechtheum  genaue  Zeichnungen  ge- 
nommen und  herausgegeben,  welche  dem  sogleich  zu  erwähnenden 
Werke  von  Alex.   Ferd.  von  Quast  zu  Grunde  liegen. 

Iudess  war  schon  durch  Chandler  aus  der  Akropolis  eine  umfas- 

11* 


81 

sende  Inschrift  nach  Europa  gebracht  worden,  welche  sich  auf  den  Bau 
des  Erechtheums  bezieht  und  über  die  Führung  des  Werkes  eine  bis  in 
das  Einzelne  gehende  Kunde  giebt.  Ihre  Meldungen  blieben  unbenutzt 
in  seinen  und  den  nächstfolgenden  Werken,  welche  sie  aus  ihm  ent- 
nahmen. Sie  steht  jetzo  im  Britt.  Museum  Abthlg.  VI.  n.  26,  und 
ist  von  Chandler  besonders,  dann  in  seinen  Inscript.  gr.  T.  II.  n.  1. 
bekannt  gemacht.  Erst  Schneider  unternahm  es  (zu  Vitruv.  T.  II. 
p.  259  seqq.)  im  Jahre  1807,  sie  architektonisch  zu  erläutern  und 
für  jene  Zwecke  auszubeuten  in  einem  nicht  wenige  Punkte  bestim- 
menden, aber  viele  nicht  genau  oder  un verlässig  behandelnden  Coin- 
meutare. 

Dagegen  hat  Wilh.  Wilkins  (Atheniensia  or  remarks  on  the  topo- 
graphy  and  buildings  of  Athens  p.  75  ff.)  durch  genaue  Vergleichung  der 
Chandler'schen  Abschrift  mit  dem  Original  und  durch  sorgfältige 
Erörterung  der  einzelnen  Termini  sie  für  die  Geschichte  der  Bau- 
führung des  Erechtheums  zugänglich  gemacht,  sowohl  in  dem  genann- 
ten Werke  als  in  Rob.  Walpol e's  Memoirs  S.  580  ff. 

Auf  ihm  fusste  dann  Ottfried  Müller,  welcher  in  einer  mit 
so  viel  Gelehrsamkeit  als  Scharfsinn  ausgeführten  Schrift:  Minervae 
Poliadis  sacra  et  aedem  in  arce  Athenarum  illustravit  etc.  Göttingen 
1820,  den  Gegenstand  weiter  gegriffen,  und  das  Verständniss  wie 
der  Inschrift  so  des  Baues,  zum  Theil  nach  ihr,  zum  Theil  nach 
anderen  Angaben  vor  Allem  wesentlich  gefördert  hat.  Ihm  hat  sich 
Aloys  Hirt  in  der  Geschichte  der  Baukunst  bei  den  Griechen  (2.  Bd. 
S.  24)  unbedingt  angeschlossen,  indem  er  zugleich  Einzelnes  über  Be- 
stimmung oder  Beziehung  verschiedener  Theile  und  über  den  Cha- 
rakter des  Baues  zweckmässig  bemerkt.  Auch  Böckh,  welcher  durch 
die  Chandler'sche  Inschrift  (Corp.  Inscript.  gr.  n.  160)  auf  das  Erech- 
theum  geführt  wurde,  legt  die  Behandlung  von  0.  Müller  zu  Grunde, 
weicht  aber,  wie  von  seiner  grossen  Gelehrsamkeit  und  der  Selbst- 


85 

ständigkeit  seines  Urlheils  zu  erwarten  stand,  in  mehreren  Pauk- 
ten zum  Vortheil  der  Sache  von  ihm  ab.  Alle  diese  Arbeiten  sind 
auf  die  stuart'schen  Zeichnungen  gebaut. 

Das  Erechtheum  selbst  hatte  zwischen  Spon  und  Stuart  eine 
wesentliche  Veränderung  nicht  erlitten.  Die  Oeffnungen  zwischen 
den  Säulen  der  nördlichen  Halle,  auch  zwischen  den  Kanephoren 
der  südlichen  hatte  man  mit  groben  Mauerwerk  gefüllt,  um  sie  zu  Ge- 
mächern abzuschliessen.  Die  weiteren  Beschädigungen  begannen  mit 
LordElgin,  der  Eine  der  gebälktragenden  Jungfrauen  der  südlichen 
Vorhalle  und  an  der  Ostseite  des  Haupttempels  eine  Ecksäule  abbre- 
chen Hess  und  entführte.  Dann  kamen  seit  1821  der  Befreiungskrieg 
und  die  Zerstörungen,  zu  denen  er  auch  auf  der  Burg  von  Athen  bei 
ihrer  wiederholten  Belagerung  und  Beschiessung  Anlass  gegeben 
hat,  besonders  als  Gouras,  der  grausame  Mörder  des  edlen  Odysseus, 
den  er  in  dem  Eckthurme  der  Propyläen  gefangen  hielt  und  von 
da  herabstürzen  liess,  sich  im  Jahre  1825  mit  einer  tapfern  Besatz- 
ung gegen  die  Türken  vertheitigte.  Diesen  traf  die  Nemesis  für 
jene  Gräuelthat  in  sämmtlichen  Gliedern  seiner  Familie,  aber  mit 
dem  Untergange  der  nördlichen  Vorhalle,  dem  grössten  Wunder- 
werke der  ionischen  Architectur. 

Er  hatte  in  ihr  seine  Frau  und  seine  Kinder  untergebracht,  und 
das  Dach,  um  seinen  Schutz  gegen  die  Bomben  der  Türken  zu  ver- 
stärken, mit  Erdschichten  bedeckt.  Diese  trug  der  Bau  nicht.  Er 
brach  eines  Tages  plötzlich  zusammen,  und  begrub  die  Genannten 
und  Andere  die  mit  ihnen  gerade  darinnen  verborgen  waren,  unter  sei- 
nen Trümmern.  Im  Januar  des  Jahres  1832,  wo  ich  Gelegenheit  hatte, 
die  Burg  mit  drei  Architecten:  Hrn.  Metzger  aus  München,  Semper 
aus  Holstein  und  Goury  aus  Frankreich  zu  untersuchen,  lag  die  Halle 
fast  ganz  in  Trümmern ;  die  Säulenschafte  bis  auf  drei  waren  um- 
gefallen,   die  Architrave,    die  Friese   und  Giebelstücke  dazwischen 


86 

und  bedeckten  die  Leichen  der  Erschlagenen  noch.  Indess  die  um- 
gefallenen Säulen  konnten  wieder  aufgerichtet,  die  Werkstücke  wie- 
der an  ihre  Stelle  gebracht,  eine  Herstellung  in  den  Haupttheilen 
erzielt  werden,  aber  das  duldete  die  Raubsucht  der  Fremden,  be- 
sonders der  Engländer  nicht,  von  denen  ganze  Schiffsladungen  und 
Schiffsbemannungen  auf  die  Akropolis  nacheinander  eindrangen,  viele 
mit  Hammer  und  Meissel  um  von  den  umherliegenden  Bruchstücken 
einzelne  Zierden  abzuschlagen  und  als  „Erinnerung"  oder  Beute  mit 
sich  zu  entführen,  im  Kleinen  nachahmend,  was  Lord  Elgin  im  Grossen 
gethan  hatte.  Ja  es  wäre  bei  diesem  vaudalischen  Zerstörungsen- 
thusiasmus keine  Spur  von  dem  Gebäude  übrig  geblieben,  wenn 
nicht  Hr.  Pitakis  sich  mit  aller  Energie  der  Trümmer  angenommen 
und  die  Türken,  damals  noch  Herren  von  Athen,  zu  ihrem  Schutze 
gegen  die  gebildeten  Barbaren  bewogen  hätte.  Wir  halfen  ihm  da- 
bei nach  Möglichkeit,  indem  wir  dem  Gouverneur,  Chiamil-Pascha,  ei- 
nem gar  nicht  unwissenden  und  unempfänglichen  Osmanen,  der  uns 
mit  Wohlwollen  aufnahm  und  mit  Bereitwilligkeit  die  Burg  zu  jeder 
wissenschaftlichen  Untersuchung  öffnete,  begreiflich  zu  machen  such- 
ten, welche  Zierden  und  Schätze  der  Baukunst  die  Akropolis  enthalte. 
Wir  versicherten  ihm,  alle  gebildeten  Völker  der  Welt  hörten  mit  Be- 
wunderung davon,  und  suchten  mit  Begierde  nähere  Kunde  und  genaue 
Zeichnungen  von  ihren  Tempeln  zu  haben.  Darum  habe  mich  und  Hrn. 
Metzger  der  König  von  Bayern,  Hrn.  Semper  der  König  von  Däne- 
mark, Hrn.  Goury  der  König  von  Prankreich  nach  Athen  geschickt,  und 
es  würde  seinen,  des  Pascha  ond  des  türkischen  Sultans  Ruhm  und 
Ansehen  in  Europa  vermehren,  wenn  wir  dahin  die  Meldung  brin- 
gen könnten,  dass  durch  seine  Vermittlung,  Einsicht  und  Festigkeit 
keinem  Fremden  mehr  gestattet  worden  sey,  auf  der  Burg  irgend 
etwas  zu  zerschlagen  oder  zu  schänden  oder  mit  sich  davon  zu 
tragen.  Das  und  Aehnliches  wirkte  für  die  solchen  Werken  gefähr- 
lichste Periode  der  Zwischenherrschaft,  wo  Athen  durch  den  Ver- 
trag von  Adrianopel  schon  an  Griechenland   abgetreten,   aber  durch 


87 

die  Täuscbungskunst  des  Job.  Kapodistrias  vor  der  Hand  noch  in 
türkischen  Händen  geblieben  war.  Später,  als  die  türkische  Besatz- 
ung durch  bayerische  Truppen  abgelöst  war,  und  als  die  Thätigkeit 
des  eifrigen  und  patriotischen  Hrn.  Pitakis  durch  eine  geordnete 
Regierung  und  durch  europäische  Architecleu  und  Archäologen  Un- 
terstützung fand,  wurde  der  weiteren  Zerstörung  gesteuert,  und 
man  legte  nun  Hand  an  die  Aufräumung  der  Akropolis  und  Sicherung 
ihrer  Denkmäler,  nachdem  die  Archäologen  gegen  die  Militärbeamten 
es  durchgesetzt  hatten,  dass  die  Burg  aufhöre,  Festung  zu  seyn,  und  al- 
lein als  Heiligthum  altattischer  Grösse  und  Bildung,  als  der  reiche  In- 
begriff der  Denkmäler  derselben  und  die  hohe  Schule  der  Architec- 
tur  sollte  betrachtet  werden. 

Die  bis  dahin  gepflogenen  Untersuchungen  über  den  Bau  ruh- 
ten auf  den  Nachrichten  der  Alten,  der  stuartseben  Vermessung  und 
dem  Augenschein.  Eine  weitere  Führung  derselben  war  erst  mög- 
lich, wenn  der  Bau  vom  Schutte  gereinigt,  dadurch  aber  im  Innern 
und  in  seinem  Grunde  blosgelegt  wurde.  Nun  erst  Hess  sich  über 
die  Stellen  der  in  ihm  enthalten  gewesenen  Gräber,  Altäre  und 
Götterbilder  das  Nähere  bestimmen,  und  ermitteln,  in  wie  fern  die 
Annahmen  der  früheren  darüber  Grund  hatten  oder  nicht.  Die  Ab- 
räumung  der  Akropolis,  durch  Abbruch  der  späteren  Mauerwerke  und 
Abführung  des  Schuttes  bedingt,  welche  die  Propyläen  geöffnet,  den 
Niketempel  enthüllt  und  das  Innere  des  Parthenon  blosgelegt  hat, 
erstreckte  sich  auch  auf  das  Erechtheum.  Auch  die  südliche  Halle 
hatte  gelitten;  eine  der  noch  übrigen  Jungfraueu  war  herabgestürzt, 
und  lag  auf  dem  Aulitz  am  Boden,  die  Säulen  der  östlichen  Halle  wa- 
ren zum  Theil  zertrümmert,  die  Mauer  ober  dem  Fries  fast  ganz 
verschwunden,  der  Zusammenhang  zwischen  der  Qtierhalle  und  den 
Kanephoren  im  obern  Theile  zerstört,  der  Raum  umher  und  im  In- 
nern mit  Bruchstücken  angefüllt.  Ueber  die  Arbeiten,  ihren  Fortgang 
und   Erfolg  und   über  die  Hypothesen,   zu  denen  sie  führten,  geben 


88 

die  Nachrichten  der  EtprjueQtg  aQxatoAoyixtj  seit  ihrer  Gründung, 
zu  Athen,  dann  im  Kunstblatt  1835  n.  78  und  in  der  allgemeinen 
Zeitung  Juli  1835  und  eigene  Abhandlungen  Kunde,  deren  später 
Erwähnung  geschehen  wird.  Auch  neue  Aufrisse  und  Zeichnungen 
fehlen  nicht,  unter  denen  die  des  um  attische  Architektur  hochver- 
dienten Schanbert  in  Athen,  welche  dieser  dem  Hrn.  von  Quast  zur 
Benützung  mittheilte.  Die  Zeichnungen  des  Hrn.  Oberbaurath  Metzger 
selbst,  mussten  unbenutzt  in  unsern  Cartous  zurückbleiben,  weil  mit 
dem  Tode  Cotta's  die  Herausgabe  des  Werkes  über  unsere  Reise, 
auf  der  er  mich  als  Architekt  begleitete,  war  vereitelt  worden. 

Während  aber  die  Umgebung  des  Erechteums  und  das  Innere  der 
verschiedenen  Tempeltheile  geräumt  und  der  Untersuchung  offen  gelegt 
wurde,  gewann  diese,  insofern  sie  auf  Kunde  des  Einzelnen  im  Tem- 
pelbau beruht,  einen  neuen  Stützpunct  durch  die  Entdeckung  anderer 
der  oben  erwähnten  ähnlichen  Inschriften,  die  am  10.  October  1836 
unter  den  Trümmern  der  Propyläen  in  dem  nördlichen  Flügel,  der  soge- 
nannten Pinakothek  nämlich,  gefunden  und  zuerst  in  der  ebengenannten 
E(ptj/usQig  d^^cciXoyiy^  cupoQwöct  rag  tvrog  zijg  'EÄAädog  avsvQtoxo/usvag 
äQ%ai6Tt]Tttg  1837,  Novbr.  Tafel  12  und  13  in  einem  Facsimile,  das  wir 
in  Tafel  III  wiedergeben,  und  im  Texte  unter  N.  9,  10  und  11  mit 
Ergänzungen  und  kurzen  Anmerkungen  von  Hrn.  Rhisos  Rhankabis 
bekannt  gemacht  wurde,  nachdem  Hr.  Prof.  Ross  im  Kunstblatte 
1836  N.  39  ff.  über  sie  berichtet  und  einzelne  Theile  sowie  das 
Wesentlichste  mitgetbeilt  hatte. 

Die  neuen  Entdeckungen  kamen  zum  Theil  schon  Hrn.  Wil- 
kins  in  seinen  Prolusiones  architectonicae  1834  4°,  Hrn.  Prof.  Peter 
Wilhelm  Forchhammer  (Hellenica.  1  Bd.  das  Erechtheion  S.  31  ff.) 
und  dem  Werke  des  Hrn.  v.  Quast  zu  Gute,  das,  auf  die  Grund- 
lage der  Zeichnungen  von  Inwood  und  Schaubert  und  die  Bemer- 
kungen von  Ross  gestützt,  unter  dem  Titel:  das  Erechtheion  zu 
Athen  u.  s.  w.  durch  Alex.  Ferd.  v.  Quast,  Berlin  1840  mit  einem 


89 

Folio-  Atlas  lithographischer  Zeichnungen  erschien,  und  über  das 
Gebäude,  seine  Geschichte  und  die  Geschichte  der  Architectur  in 
Attika  ausführliche  Nachricht  gibt.  Wenige  Jahre  darauf  wurde 
die  vollständige  Ausgabe  der  zweiten  Inschrift  und  mehrere  zu  ihr 
gehörige  Bruchstücke  in  Hrn.  Alex.  Rhisos  Rhankabis,  Professors 
der  Universität  zu  Athen,  reich  ausgestatteten  Antiquites  helleniques, 
4°  1  Thl.  Athen  1 842  n.  56  ff.  wiederholt,  sowie  mit  reichhaltigen 
Coiiimentareii  und  erwünschten  Nachrichten  über  den  Befund  des 
durch  die  Nachgrabungen  gereinigten  Gebäudes.  S.  69  uud  70 
ausgestattet. 

Herr  Professor  Forchhammer  kam  auf  den  Gegenstand  noch 
weiter  zurück  in  einer  Abhandlung  über  alte  Königsgräber  u.  s.  w. 
in  der  Beilage  der  allgemeinen  Zeitung  von  1843  n.  256,  um  zu 
zeigen,  dass  die  tieferen  Theile  des  Gebäudes  Cisternen  gewesen 
seien.  Kekrops  und  Erechtheus  sind  ihm  Väter  des  Regens  und  der 
Feuchtigkeit,  und  ihre  Gräber,  die  im  Erechtheum  waren,  dem  zu  folge 
Behälter  des  in  den  Heroen  persönlich  gewordeneu  Wassers;  doch 
die  erst  nach  seinem  Aufenthalte  vollendete  Aufdeckung  des  Grun- 
des hat  von  Cisternen  keine  Spur,  dagegen  ist  die  Lage  wenig- 
stens des  Einen  Grabes  durch  eine  Unterhöhlung  in  der  nordwest- 
lichen Ecke  von  A  noch  deutlich.  Ein  Gewölbe  ober  der  west- 
lichen Halle  B  war  allerdings  für  eine  Cisterne  bestimmt;  aber  es 
war  späterer  Einsatz  byzantinischer  oder  türkischer  Zeit.  Es  ist 
als  solches  entfernt ,  und  dadurch  der  Boden  jener  Halle  vollkom- 
men frei  gelegt  worden. 

Das  ungefähr  sind  die  Arbeiten  über  das  Erechtheum,  welche 
diese  Abhandlung  vermehrt,  deren  Zweck,  wie  oben  bemerkt,  dahin 
gerichtet  ist,  das  Material  über  diesen  Gegenstand  zur  Lösung  der 
angegebenen  Probleme  zu  gebrauchen  und  die  Absichtlichkeit  der 
einzelnen  Theile,  so  wie  den  Sinn  des  Ganzen  zu  erklären. 

Abhandlungen  der  I.  Gl.  d.  h.  Ab.   d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  \<) 


90 


II. 

Beschreibung  des   Baues. 

(Tafel  II.  und  I.) 

Der  Bau,  soweit  er  aus  den  Trümmern  nach  dem  gegenwärti- 
gen Stande  der  Ausgrabungen  kann  erkannt  werden,  stellt  sich  in 
folgender  Weise  dar. 

Das  Ganze  ist  im  reinsten  ionischen  Style  geführt,  und  verbin- 
det bis  in  seine  kleinsten  Verhältnisse  und  Glieder  hinein  das  Ge- 
fällige und  Weiche  mit  dem  Geschmückten,  jenes  ohne  Schwäche, 
dieses  ohne  Uebermass,  ein  Gegenbild  der  zugleich  sanften  und  ab- 
wechselnden aber  doch  gehalten-männlichen  Harmonie  des  ionischen 
Tonsystems  und  seines  rythmischeu  Baues.  Alles  aus  dem  feinsten 
pentelischen  Marmor,  der  an  Geschmeidigkeit  und  Reinheit  dem  be- 
sten parischen  wenig  nachsteht. 

Vom  östlichen  Tempel,  dem  Hexastylos  A,  erheben  sich  über 
dem  dreistufigen  Sockelbau  noch  5  Säulen,  die  sechste,  die  Eck- 
säule gegen  Norden,  hat,  wie  bemerkt,  Lord  Elgin  entführt.  Von 
der  Mauer  ist  die  nördliche  bis  nahe  zum  Vorbau  an  der  nordwest- 
lichen Ecke  zusammengebrochen,  lieber  den  noch  aufrecht  stehen- 
den Säulen  des  Pronaos  und  des  nördlichen  Vorbaues  ist  der 
Architrav  {sntoivhov)  in  seinen  drei  Absätzen  noch  ganz,  über  die- 
sem der  Fries  (LwgjOQog)  in  einigen  Blöcken  erhalten.  Er  war  von 
schwarzem  Marmor,  den  die  Inschrift  zksvoCviog  Xt&og  nennt,  und 
von  dem  wir  auf  den  Anhöhen  von  Eleusis  noch  ganz  unerschöpfte 
Lager  zu  Tage  liegen  sahen.  In  den  Werkstücken  dieser  Mauer  sind 
noch  zahlreiche  Vertiefungen  sichtbar,  in  welchen  die  Reliefplatten 
hafteten,  mit  denen  er  geschmückt  war. 

Hinter  dem  nQovaog   öffnete  die    Thür  den  Eingang  zu    einer 


91 

schmalen  Terrasse  von  gleicher  Bodenhöhe  mit  der  Vorhalle,  welche  an 
der  nördlichen  Mauer  über  eine  Stiege  von  6  Staffeln  zu  dem  tie- 
ferliegenden Tempelgrund  hinabführte;  aber  an  der  südlichen  Mauer 
ddd  sich  bis  gegen  die  Hälfte  fortsetzte,  um  dann  auch  dort  in  einer 
längeren  Stiege  nach  einer  Thür  e  hinabzuführen,  welche  in  die 
westliche  Mauer  des  innern  Hauses  (otjzög,  cella)  gebrochen  war. 
Der  von  dieser  Terrasse  und  ihren  Stiegen  noch  übrig  gebliebene 
Raum  der  cella  stellt  demnach  gegenüber  der  Vorhalle  ein  tieferes 
Gemach  dar,  dessen  Grundfläche  sich  in  die  übrigen  Theile  des  Baues 
B  C  D  gleichmässig  fortsetzt.  Diese  Verschiedenheit  der  Grund- 
fläche ist  allein  durch  die  Unebenheit  des  Bodens  der  Akropolis 
motivirt,  der  von  Westen  nach  Osten  hin  aufsteigt.  Der  Bau  nahm 
darum  die  höchste  östliche  Fläche  zur  Basis  für  die  Vorhalle  und 
für  die  Sockelführung  des  ganzen  t^aorv^og  in  Anspruch,  und  kam 
mit  dem  tieferen  Grunde  der  übrigen  Theile  dadurch  in  Verbindung, 
dass  er  den  Boden  der  Cella,  so  weit  es  nöthig  für  die  Terrasse, 
hinter  dem  Eingang  und  zu  beiden  Seiten  erhöhte,  für  die  übrige 
Cella  tiefer  legte,  und  für  die  Verbindung  des  höhern  und  tiefern 
Grundes  jene  beiden  Stiegen  einfügte. 

Diese  Eigenthümlickeit  ist  eines  der  wichtigsten  Ergebnisse, 
zu  dem  die  neueren  Ausgrabungen  geführt  haben.  Die  Stiegen  sind 
zwar  verschwunden,  aber  die  Anlage  und  die  Beschaffenheit  der 
Mauer  deutet  an,  dass  sie  vorhanden  waren.  Hr.  Rhisos  sagt  dar- 
über S.  79:  „Die  östliche  Säulenhalle  steht  auf  einem  um  2,87M. 
höheren  Boden  als  der  Grund  des  Tempels.  Auf  1,  1  M.  Entfer- 
nung nach  dem  Innern  des  Tempels  sieht  man  zu  beiden  Seiten  der 
Cellamauer  den  rohen  Stein  (la  pierre  brüte)  erscheinen  vom  Boden 
au  bis  zur  Fläche  der  Vorhalle  (depuis  le  pave  jusqu'au  niveau  du 
portique).  Bis  dahin  also  erstreckte  sich  die  hohe  Fläche,  auf  wel- 
cher gegen  Osten  die  Säulen  ruhen.  Von  diesem  Punkt  an  ist  die 
Mauer  rechts  oder  gegen  Norden  von  weissem  Marmor  und  in  ihrer 

12* 


92 

ganzen  Ausdehnung  geglättet,  während  zar  Linken  gegen  Süden 
man  einen  Theil  der  Mauer  in  rohen  Steinen  wahrnimmt,  welcher 
von  der  Terasse  (plateform)  sich  in  der  Länge  von  5,23  M.  aus- 
dehnt und  in  Staffeln  absenkt,  die  zu  einer  Thüre  leiten,  deren 
Anlage  man  noch  wahrnimmt,  und  die  zu  einem  neuen  Tempel 
führte." 

Damit  fallen  die  Hypothesen  der  früheren  Erklärer  seit  Stuart 
weg,  welche  hinter  dem  Pronaos  die  östliche  Erhöhung  der  Cella 
bis  gegen  die  Mitte  derselben  fortsetzten,  und  auf  sie  die  drei  Al- 
täre stellten,  die  im  Tempel  gegenwärtig  waren,  wie  0.  Müller, 
oder,  wie  A.  Böckh  den  dann  übrig  gebliebenen  vertieften  Raum 
dieser  Cella  als  ein  unterirdisches  Geschoss  betrachten,  in  dem  die 
Heldengräber  gewesen,  deren  die  Alten  im  Erechtheum  gedenken, 
oder  welche,  nachdem  die  ersten  Spuren  von  den  zwei  Stiegen 
entdeckt  waren,  diese  wie  Inword,  ebenfalls  gegen  die  Mitte  der 
Cella  sich  entsprechend  beginnen  liessen  und  gleichmässig  ablau- 
fend bildeten. 

Dagegen  erhebt  sich  nun  die  Frage,  wozu  überhaupt  diese  An- 
lage von  zwei  schmalen  Treppen  an  den  beiden  Laugmanern?  War 
es  nur  darum  zu  thun,  eine  Verbindung  des  höhern  Theiles  der 
Cella  mit  dem  niederem  herzustellen,  warum  unterliess  man,  die 
ganze  Querfläche  der  Terrasse  bbb  oder  den  mittleren  Theil  der- 
selben durch  gleichmässige  Stufen  mit  der  unteren  Cella  zu  verbin- 
den? Warum  zu  diesem  Zwecke  zwei  Stiegen  an  jenen  Wänden 
wodurch  die  Mitte  der  Terasse  ohne  Verbindung  mit  der  übrigen 
Cella  bleibt,  und  der  durch  die  Hauptthüre  auf  sie  Eintretende 
unmittelbar  am  Rande  derselben  über  dem  tieferen  Grunde  stand  und 
in  Gefahr  war  hinabzustürzen?  Waren  aber  dagegen  Vorkehrungen, 
warum  diese  überhaupt  anordnen,  statt  nach  dem  Verbindungsmittel  zu 


93 

greifen,  das  sieh  voii  selbst  darbot?  Warum  endlich  beginnt  die 
nördliche  Stiege  gleich  unmittelbar  neben  der  Terrasse  hinter  der 
Vorhalle,  und  warum  setzt  diese  Terrasse  sich  neben  der  Südmauer 
der  Cella  bis  über  die  Mitte  fort,  um  erst  dann  in  die  Stiege  nach  e 
überzugehen?  Dieses  erste  Räthsel,  welches  uns  auf  dem  Wege 
durch  den  seltsamen  Bau  aufstösst,  findet  seine  Lösung  in  dem, 
was  die  neueste  Ausgrabung  über  die  hintere  oder  westliche  Cella- 
mauer  fff  und  ihr  Zubehör  gelehrt  hat. 

Herr  Rhisos  äussert  sich  zunächst  über  dieses  Zubehör  in 
folgender  Weise:  „In  dem  Winkel  des  Tempels  (der  nordwest- 
lichen Ecke  g)  sieht  man  jetzo  ein  Grab  in  dem  Felsen  (der  na- 
türlichen Grundlage  des  Tempels)  ausgehöhlt,  welches  sich  unter 
die  nördliche  Mauer  fortsetzt  (qui  s'etend  sur  le  mur  septentrional, 
—  also  an  ihrem  Fusse  sich  hin  erstreckt)  —  in  einer  Weise,  dass 
es  Eine  Oeffnung  in  den  Tempel  selbst  hat  (de  maniere  ä  avoir 
une  issue  dans  le  temple  meine  —  also  in  den  niederen  Theil  der 
Cella)  — ,  eine  andere  ausserhalb  der  Mauern  (une  autre  hors  des 
murs  —  also  der  nördlichen  Mauer)  —  und  eine  dritte  in  den 
südöstlichen  Winkel  (h)  der  grossen  Halle  (D)."  Daraus  geht  nun 
deutlich  hervor,  dass  die  nördlich  gelegene  Stiege  der  Cella  bc 
bestimmt  war,  von  der  oberen  Terasse  gerade  nach  diesem  Grabe 
zu  führen,  und  in  einer  Weise,  dass  zwischen  ihrem  Schluss  und 
dem  Grabe  noch  ein  sattsamer  Raum  (cg)  übrig  blieb,  in  dem  ein 
zum  Grabe  gehöriger  und  für  den  dort  beigesetzten  Heros  bestimm- 
ter Altar  aufgestellt  werden  konnte.  Dass  hier  das  Grab  des  Erech- 
theus  war,  und  warum  es  an  dieser  Stelle  gewesen  sei,  werden 
wir  später  nachweisen. 

„Oberhalb  dieser  künstlichen  Aushöhlung",  fährt  der  neueste 
Exeget  des  Tempels  fori,  „und  ein  wenig  gegen  Westen  sieht  man 
an  der    nördlichen    Mauer    die   Spur   einer   Quer-   oder    Theilungs- 


94 

mauer  und  eine  andere  gleiche  genau  gegenüber  an  der  südli- 
chen Mauer"  (Au  dessus  de  cette  cavite  artificielle  un  peu  vers 
l'ouest  on  voit  sur  le  mur  septentrional  la  trace  dun  mor  de  Sepa- 
ration, et  une  autre  semblable  exactement  vis  ä  vis  sur  le  mur  me- 
ridional).  Diese  Wahrnehmung  entscheidet  über  Lage  und  Richtung 
der  dem  Eingang  durch  den  Pronaos  gegenüberliegenden  westlichen 
Schlussmauer  der  Cella,  durch  welche  sofort  alles  Rückwärtslie- 
gende des  Baues  von  dem  bisher  beschriebenen  Tempel  abgeson- 
dert war,  und  dieser  sich  als  ein  in  sich  abgeschlossenes  Ganze 
als  den  omg&odöjLiog ,  mit  dein  gehörigen  Verhältnisse  seiner  Länge 
zur  Breite  darstellt. 

„Die  Annahme,  dass  an  dieser  Stelle  die  westliche  Schlussmauer 
der  Cella  sich  hinzog,  findet  ihre  weitere  Bestätigung  darin  ,  dass 
auf  ihrer  Linie  die  Pfosten  von  zwei  Thüren  sich  erhalten  haben." 
(Entre  les  deux  mures  d.  i.  zwischen  den  beiden  Maueransätzen,  also  auf 
dem  Grunde  der  Cella  zwischen  ihnen  —  on  voit  les  montans  de  deux 
portes),  „der  Einen  auf  der  nördlichen  Seite  hinter  dem  Grabe  des 
Erechtheums,  das  demnach  in  das  Innere  der  Cella  und  gerade 
hinter  die  Schwelle  ihres  nordwestlichen  Eingangs  fällt ,  und 
der  andern,  welche,  südwestlich  (e)  gelegen,  der  südlichen  Cella- 
stiege  dd  entspricht,  welche  sich  bis  gegen  sie  hinab  erstreckte.  Die 
Halle  dahinter  (B),  oder  vielmehr  ein  Theil  von  ihr,  war,  wie  wir 
zeigen  werden,  das  Grab  des  Kekrops  oder  das  Kekropion,  wel- 
ches von  Hrn.  Rhisos  mit  gutem  Grunde  der  Thür  e  gegenüber  in 
den  südwestlichen  Winkel  derselben  (i)  gesetzt  wird.  Denn  in  den 
Inschriften  wird,  wie  wir  sehen  werden,  die  Vorhalle  mit  den 
Jungfrauen  oder  Kanephoren  (C)  jiQooraGig  tiqÖq  tov  Kszqoticov 
genannt.  Ist  dieses  aber  der  Fall,  so  stand  vor  dem  Grabe  i 
nothwendig  ebenfalls  ein  Altar,  auf  dem  die  Opfer  des  Heros  ge- 
bracht wurden.  Zu  ihm  führte  demnach  die  südliche  Treppe,  welche 
sich  bis  zum  Eingang  in  die  hintere  Halle  durch  die  Cellamauer 
erstreckte,  so  dass  von  dieser  im  Innern  der  Halle  bis  zum  Grabe 


95 

der  Raum  ci  für  den  Altar  eben  so  frei  war,  wie  zwischen  der 
nördlichen  Stiege  und  dem  Erechtheum  in  der  Ausdehnung  cg.  Da- 
durch aber  tritt  die  Absichtlichkeit  der  ganzen  Anlage  und  selbst 
ihrer  Verschiedenheit  deutlich  hervor.  Es  sind  zwei  Stiegen,  die 
nach  den  beiden  Heldengräbern  zu  führen  bestimmt  sind,  die  Eine 
nördlich  gegen  die  Mitte  der  Cella  den  Grund  erreichend,  damit 
noch  Raum  für  den  Zugang  zum  Grab  des  Erechtheums  und  für 
den  Altar  desselben  blieb,  die  andere  südliche  aber,  um  über  ihre 
Bedeutung  keinen  Zweifel  zu  lassen,  sich  bis  zum  Ausgang  aus 
der  Cella  gegenüber  dem  Grabe  des  Kekrops  hinzog,  für  des- 
sen Altar  und  Zugang  dann  der  Raum  im  Innern  der  Querhalle 
übrig  blieb. 

Damit  ist  die  ganze  Beschaffenheit  der  Cella  des  eigentlichen 
Tempels  offen  gelegt.  Drei  Eingänge  führen  zu  ihr,  der  Hauptein- 
gang östlich  durch  die  östliche  Vorhalle,  welche  sich  für  die  nach 
der  tieferen  Cellamauer  Gehenden  in  die  zwei  Stiegen  fortsetzt,  und 
zwei  westliche  Eingänge  durch  die  Schlussmauer,  welche  den 
Stiegen  entsprechen;  das  Ganze  so  geordnet,  dass  die  einzelnen 
Theile  der  Anlage  zugleich  zu  den  beiden  Heldengräbern  im  Innern 
des  Baues  in  bestimmtem  Verhältnisse  stehen,  und,  w7as  als  will- 
kürlich und  üherflüssig  erschien,  sich  in  seiner  ganzen  und  wohlbe- 
rechneten Absichtlichkeit  darstellt. 

Wir  gehen  zu  dem  Anhang  oder  Anbau  dieses  Tempels,  in 
welchem  der  erste  Blick  drei  Theile  leicht  unterscheidet:  die  grosse 
nördliche  Halle  D  mit  vier  Säulen  gegen  Norden,  und  je  einer 
hinter  der  westlichen  und  östlichen  Ecksäule;  die  Querhalle  B, 
welche  gegen  Osten  durch  die  Cellamauer  des  Tempels,  gegen 
Westen  durch  eine  eigene  Mauer  gebildet  wird,  über  der  auf 
hohem  Sockel  eine  Stellung  von  vier  ionischen  Halbsäulen  zwischen 
zwei  Eckpilastern  mit  drei  Fenstern  in  den  Säulenweiten  sich  erhob, 


96 

und  der  grossen  nördlichen  Vorhalle  entgegen  die  kleinere  südliche 
C,  in  der  über  einem  noch  höheren  Sockel  die  Statuen  von  sechs 
Jungfrauen,  vier  in  der  vordem  oder  südlichen  Reihe ,  und  zwei 
über  Eck  mit  Körben  auf  den  Köpfen  standen,  über  denen  das 
Gebälk  liegt. 

Diese  drei  Theile  haben  mit  dem  Haupttheile  der  Cella  A 
gleiche  Bodenfläche;  die  Querhalle  stand  durch  die  beiden  genann- 
ten Thüren  zwischen  ff  mit  der  Cella  in  Verbindung,  eben  so  durch 
eine  Thüre  mit  der  südlichen  Halle  C.  Auch  der  hohe  Sockel,  über 
dem  südlich  die  Halbsäulen  stehen,  hat  in  der  Mitte  seiner  Aus- 
dehnung eine  Thür,  neben  welcher  Hr.  Prof.  Forchhammer  S.  31 
am  südlichen  Ende  noch  eine  andere,  auch  durch  die  Mauercon- 
struction  bedingte  nachweist.,  die  also  mit  dem  Grabmal  des  Kekrops 
in  Verbindung  stand,  das  Hr.  Rhisos  in  jenen  Winkel   gestellt    hat. 

Die  nördliche  Halle  B  sollte  gleichfalls  mit  der  mittleren  D  in 
Verbindung  stehen,  denn  in  dem  Theile  ihrer  südlichen  Mauer  hm, 
von  welcher  hier  die  Querhalle  geschlossen  wird,  ist  die  Anlage 
eines  grossen  Thores  mit  prachtvoller  architectonischer  Einfassung, 
ein  Werk,  das  an  Schönheit  und  Reichthum  in  dieser  Art  nicht  sei- 
nes gleichen  hat;  aber  sie  ist,  wie  Forchhammer  bemerkt,  geblendet, 
und  ward  gleich  beim  Bau  mit  Marmorquadern  versetzt.  Nur  die 
Einfassung  zeigt,  dass  es  hier  auf  ein  Prachtthor  abgesehen  war. 

Wie  aber  die  vier  Theile  des  Gebäudes  ABCD  durch  gleiche 
Tiefe  des  Bodens,  durch  gemeinsame  Mauern  und  die  inneren  Thü- 
ren sich  als  zu  einander  gehörig  ankündigen  ,  so  trennen  sie  sich 
eben  so  entschieden  durch  die  weitere  Anlage.  Die  Ouerhalle  steht 
mit  ihrem  Sockel  OTtjAoßccTtjg  um  mehrere  Fuss  höher  als  die  Vor- 
halle oder  der  t^ccorv^og  des  Haupttempels;  derselbe  GTtiXoßärrjs  er- 
hebt sich  bis  gegen  die  Säulenmitte  der  Nordhalle,  und   wird  sei- 


97 

nerseits  wieder  von  dem  Sockel  der  Säulenhalle  überragt,  der  mehr 
als  einen  Fuss  sich  unter  ihm  ansetzt  und  sich  mehr  als  zwei  Fuss 
über  ihn  erhebt.  Dazu  kommt,  dass  die  Nordhalle  gegen  Westen 
mehr  als  die  Hälfte  ihrer  Ausdehnung  über  die  Querhalle  erstreckt, 
und  dass  auch  der  westliche  Schluss  der  Südhalle  mit  der  Ouer- 
halle  nicht  gleiche  Flucht  hält.  Das  also  die  Eigentümlichkeit,  das 
Ausweichen  aus  allen  Regeln  der  Symmetrie,  das  Räthsel  des  Hin- 
terbaues oder  der  Verbindung  der  drei  Hintergebäude,  welches 
durch  den  Umstand,  dass  die  Querhalle  Fenster  und  Halbsäuleu 
hat,  noch  um  ein  Beträchtliches  steigt;  denn  weder  sind  Fenster 
bei  einem  Tempelbau  zulässig,  noch  Halbsäulen  in  der  rein-griechi- 
schen Architectur,  ausser  wo  sie  architectonisch  bedingt  sind,  wie 
z.  B.  im  Zeustempel  zu  Akrapas,  wo  die  enorme  Säulen  weite,  die 
durch  keine  steinernen  Aichitiave  zu  überdecken  war,  die  Führung 
von  Mauern  zwischen  den  Säulen  nöthig  machte.  Das  sogenannte 
Grabmal  des  Theron  bei  Akragas,  das  untergeordnete  Werk  einer 
Mischarchitectnr  mit  Halbsäuleu,  kann  hier  nicht  in  Betracht  kommen. 

Die  Annahme  von  einem  doppelten  Geschoss,  von  denen  das 
untere  in  der  Quer-  und  Südhalle  bedeckt  und  darum  ein  vnöyaiov 
gewesen  wäre,  wie  sie  bis  zu  Forchhammer  sich  herabzieht,  ist  dabei 
ganz  entfernt  zu  halten.  Keine  Spur  in  den  Mauern  des  hoben  Unter- 
baues beider  Hallen  deutet  auf  einen  Einsatz  der  Bedeckung,  auf 
Vertiefung  für  die  steinernen  oder  hölzernen  Deckenbalken  oder  sonst 
eine  hiezu  unerlässliche  Vorkehrung,  und  beide  Hallen  waren,  jene 
durch  die  Fenster,  diese  durch  die  leeren  Räume  zwischen  den 
Kanephoren  bis  auf  den  Grund  vollkommen  beleuchtet,  ja  die  Be- 
leuchtung musste  durch  die  beiden  Thüren  der  westlichen  Cella- 
mauer  auch  in  den  Raum  des  eigentlichen  Tempels  eindringen  und 
zu  seiner  Erhellung  beitrageu. 

Uebrigens  sind  die  Beschädigungen  des  Baues  an  dieser  Stelle 

Abhandlung  der  I.  Cl.  d.  k    Ak.  der  Wiss.  V.  Bd.    III.  Abth.  \  3 


98 

sehr  beträchtlich.  Der  Sockelbaa,  zwar  durch  seine  Massen  ge- 
schützt, hat  sich  erhalten,  auch  das  Dach  über  der  Kanepborenhalle ; 
aber  die  Wand  zwischen  den  Halbsäulen  mit  den  Fenstern,  die  noch 
Stuart  gibt,  ist  verschwunden,  die  Säulen  der  Nordhalle,  bis  auf 
drei  sind  umgestürzt,  mit  ihnen  alles  herabgefallen,  was  sie  als  Ge- 
bälk trugen,  oder  als  Dach  stützten.  Die  Tafel  III  gibt  von  der 
südwestlichen  Seite  betrachtet  nach  der  Zeichnung  des  Hrn.  Ober- 
bauraths  Metzger  eine  Ansicht  der  Ruine ,  wie  wir  sie  im  Jahre 
1831  gesehen  haben. 

IV. 

Meldungen  und  Zeugnisse  vom  Erechtheum  bei  den  Alten. 

Ehe  wir  aber  in  die  Darlegung  der  Beweggründe  zu  dieser 
scheinbar  verworrenen  Bauanlage  eingehen,  ist  es  nöthig,  für  die 
Untersuchung  die  Grundlage  durch  Behandlung  der  Stellen  alter 
Schriftwerke  zu  suchen,  in  welchen  von  diesem  Baue,  seiner  Be- 
stimmung, Benennung  und  Eigentümlichkeit  Meldung  geschieht,  und 
da  wir  den  Neubau  auf  den  Grundplan  des  ursprünglichen  Baues 
ausgeführt  annehmen  können ,  so  werden  wir  dadurch  bis  in  die 
fernsten  Zeiten  des  attischen  Alterthums  zurückgewiesen. 

Die  älteste  und  höchst  merkwürdige  Kunde  von  ihm  liefern 
in  zwei  Stellen  die  homerischen  Gesänge,  um  so  merkwürdiger, 
weil,  wie  wir  sehen  werden,  die  Erklärung  des  ganzen  Baues  auf 
ihnen  als  einer  sichern  Basis  beruht. 

Die  erste ,  Abkunft  und  Cultus  des  Erechtheus  betreffend, 
findet  sich  im  Schiffskatalog  Jl.  ß,  546  fl. 


99 

O?  (T  ccq    *A&fjvag  &xop  tvHti/xsvov  nxo/U's&QOv , 

Sijjuov  'EQSx&jJQg  jutyciAijzoQog,  ov  nox1  'Afryisi] 

d-Qsxpe,  Aiog  &vycht]Q  —  xixs  §k  fetdcugog  "Aqovqcc  — 

xad  <T  iv   A&tfpyg  stow,  §(p  ivl  nlovi  vrjä). 

iv9vcds  fMV  tccvqoioi  xai  dqvsiolg  IXäovxm 

xovqoi  A&rjvctiuiv,  nsQixsAAojugviov  iviavxcov. 

xwv  avty  qyefiovsv    vlog  üstscöo  Mevsad-svg. 

xq>  <F  ovnto xig  öjLioiog  ini^S-oviog  y£vsx    ccvqQ, 

xogjuijocci  %nnovg  xs  xai  ävi^ag  aamduaxag  — 

NsaxtoQ  oiog  tgCw.  o  yaQ  nqoysvsaxsQog  tfsv  — 

xqi  <T  ajuce  nsvxiqxovxct  (xiXaivai  vqsg  tnovxo. 

Doch  die  Athenä  bewohnten,  die  wohlgebauete  Veste, 

Sie  des  Erechtheus  Volk,  des  gewaltigen,  welchen  Athene 

Einst,  Zeus  Tochter,  gepflegt  —  ihn  gebar  die  ernährende  Feldflur  — 

Und  nach  Athenä  gebracht,  in  ihren  begüterten  Tempel; 

Allda  bereiten  die  Sühnung  mit  Opfer  der  Stier'  und  der  Lämmer 

Ihm   der  Athener  Söhne,  so  oft  das  Jahr  sich  erneuert. 

Diesen  war  ein  Führer  des  Peteos  Sprössling  Menestheus, 

Dem  kein  anderer  glich  von  den  erdebewohnenden  Männern, 

Wohl  die  Rosse  zu  ordnen  und  schildbewehrete  Männer  — 

Nestor  allein  erreicht'  ihn;  denn  vor  ihm  war  er  geboren  — 

Jhm  nun  waren  fünfzig  gefolgt  der  dunkelen  Schiffe. 

In  der  zweiten  Stelle,  Od.  t],  78  ff.  meldet  der  Dichter,  wie 
Athene,  nachdem  sie  ihren  Pflegling  Odysseus  in  Scheria  nnter  den 
Phäaken  verlassen,  nach  Marathon  und  Athen  gekommen. 


13 


100 

"&g  tcQct  (fvdvifiuo    an^.ßt]   yAavxwmg  'Axtrjvrj 
jiovtov  in    ciTQvyzrov.  ?J,m  dt  ^sgi'rjp  SQars^tjp 
l'xsto  tftg  Mciqcc&wvci   xai    svQväyvictv  \4&rjvrjv, 
Svvs    d'EQey&rjog  nvxivov    d'djuoi'.    avräo  1OdvGoerg 
AXxivöov  TTQog  dtojActT   ?t  xXvrä.  nokXä  d£  ol  xijg 
WQjuaiv    iOTCi[i£vw ,   txqiv  yciXxaov  ovöov  lx£a&-cti. 

Also  sprecliend  enteilte  die  dunkelblickende  Göttin 

lieber  des  Meeres  Fluth  aus  Scheria's  lieblichen  Fluren, 

Kam  nach  Marathon  dann    and   der  weitgebauten   Athene, 

Ging  dort  ein  in  Erechtheus  Haus,  das  dicht',  und  Odysseus 

Nach  Alkinoos  hoher  Behausung,  und  in  dein  Herzen 

Sann  er  Vieles  und  stand,  eh'  die   eherne  Schwell'  er  beschreitet. 

Wir  werden  durch  diese  Stellen  zuuäcbst  auf  die  erechtheiscbe 
Sage  zurückgeführt. 

Die  von  den  Schreibern  der  Atthis  verzeichnete  und  aus  ihnen, 
wie  es  scheint,  von  Pausanias  (Attic.  2,  §.  6.)  überlieferte  Kunde 
meldet:  „Aktaios  habe  zuerst  über  das  nun  Attika  genannte  Land 
als  König  geherrscht.  Als  Aktaios  gestorben ,  habe  Kekrops  die 
Regierung  übernommen ,  des  Aktaios  Schwiegersohn.  Ihm  wurden 
drei  Töchter  geboren,  Herse,  Aglauros  und  Pandrosos,  und  ein 
Sohn  Erysichthon.  Dieser  war  nicht  König  über  die  Athenäer. 
sondern  ihm  begegnete,  da  sein  Vater  noch  lebte,  zu  sterben,  und 
die  Herrschaft  des  Kekrops  übernahm  Krauaos,  der  unter  den  Athe- 
näern an  Macht  emporragte."  Hier  ist  eine  in  sich  abgeschlossene 
Sage;  denn  Kranaos  und  Aktäos,  der  eine  vom  Gestein,  der  andere 
vom  Strand  seinen  Namen  tragend  (Strandhart  und  Steinhart),  sind 
nur  Beziehungen  der  natürlichen  Beschaffenheit  von  Attika,  und  lie- 
gen über  dem  Anfange  der  historischen  und  selbst  der  mythischen 
Sage.     Dass   die  drei  Töchter  des  Kekrops  den  Namen  vom   Thau 


Uli 

(dgcoog,  üccpÖQOGog),  vom  Feldlager  (ctyoavAog)  und  von  jungen 
Sprossen  auch  des  Thierreiches  {igori,  itoGy)  haben,  deutet  auf  den 
beginnenden  Anbau  des  Landes  hin,  und  es  ist  ganz  in  der  Ord- 
nung, dass  neben  ihnen  Erysichthon,  der  Schinner  des  Landes,  als 
Bruder  geht.  Dann  ist  Kekrops  die  zur  Persönlichkeit  gewordene 
Macht,  durch  welche  Anbau  und  Befruchtung  des  Landes  vermit- 
telt wurde,  ganz  abgesehen  von  dem  historischen  Kern,  der  in  der 
Sage  verhüllt  seyn  mag. 

Gehörten,  wie  nicht  zu  bezweifeln,  die  Urbewohner  von  Attika 
die  avxöx&ov&g,  zu  den  Pelasgern,  so  tritt  dadurch  dieser  Mythus 
iu  näheres  Verhältniss  zu  dem  pelasgischen  Cultus,  der  überall  auf 
Anbau  des  Landes  und  auf  die  schützenden  Mächte  desselben  zu- 
rückweiset. Es  ist  der  Lokalmythns  der  attischen  Bodencultur  durch 
Benützung  und  Leitung  der  Quellen,  der  Bewässerung,  wie  sie  unter 
den  pelasgischen  Arkadern,  vermittelst  der  Führung  von  Canälen  und 
Entwässerung  versumpfter  Thäter  mit  Hülfe  der  Emissäre  durch  Her- 
kules geschah,  der  in  Stymphalos  und  Phenea  diesen  Werken  vorsteht, 
wie  in  Lernä  der  Entsumpfung  des  hintern  Thaies,  in  das  der  Ab- 
finss  des  stymphalischen  Sees  durch  den  Erasinus  seinen  Weg 
nimmt.  An  seine  Stelle  tritt  Kekrops  in  Attika,  der  Befruchter,  den 
Hr.  Prof.  Forchhammer  auf  seine  Weise  in  einen  Quell-  und  Re- 
gengott verwandelt  hat.  Doch  neben  diesem  Lokalmythus  steht  der 
Cultus  der  oberen  altpelasgischen  Götter.  Als  oberste  Gewalten 
desselben  treten  anderwärts  Zeus  und  Hera  hervor,  in  Attika  He- 
phästos  und  Gäa,  welche  nach  der  andern  Sage  bei  Pausanias, 
die  von  Kranaos  beginnt  und  schon  bei  Homer  durchschimmert,  den 
Erysichthon,  der  nun  als  Erichthonios  auftritt,  gezeugt  haben.  Paus. 
a.  a.  0.  §.  8:  IJatgoa  de  3Eoi%&ovkQ  Xeyovoiv  av&owmav  jutv  ovdevcc 
sivui,  yoviag  de  "IfyaiGrov  xcd  Talav.  Denn  ^Egvaiyfiwv,  'JLqly&oviog 
3Eotx&evg  sind  nur  verschiedene  Formen  desselben  Namens,  und 
statt  der  Erde  wird  beim  Dichter  Zeidwoog  ccqovqcc,  die  lebenschen- 
kende Feldflur  genannt,  mit  näherer  Hindeutung   auf  die   Natur  des 


102 

Mythus.  Neben  Gäa  aber  erscheint  hier  auch  Athene,  in  der  ältesten 
Gestalt  des  Mythos  als  Gemahlin  des  Hephästos.  Ottfr.  Müller  aber 
hat  sehr  Unrecht,  die  von  dieser  Ehe  bei  Cicero  aus  Aristoteles 
überlieferte  Meldung  (Nat.  Deor.  III,  c.  22:  Vulcani  item  complures, 
prinuis  Coelo  natus,  ex  quo  et  Minerva  Apollinem  eum,  cujus  in  tu- 
tela  Athenas  antiqui  historici  esse  voluerunt)  als  geringfügig  anzu- 
schlagen, und  den  Zusammenhang  dieses  Mythus  mit  Aegypten  ab- 
zuschneiden, von  wo  nach  andern  Meldungen  Kekrops,  d.  i.  Kunde 
und  Uebung  des  Ackerbaues  und  die  damit  zusammenhängende  Le- 
bensordnung  nach  Ueberlieferungeu,  welche  Theopompus,  Kallisthenes 
und  andere  bewahrt  hatten,  gekommen  war.  Vgl.  Kreuzer's  Symbol.  II. 
S.  286.  Deuten  doch  selbst  die  an  sich  unergründlichen  Namen : 
r'H(pcaOTog  und  'A&rivci  in  ihren  Wurzeln  4>AIZ  und  QHN  oder  0AN 
auf  die  ägyptischen  Namen  beider  Götter  IlTH,  UTAH,  JTTRA 
(Vgl.  Bunsen's  Aegypten  I.  S.  450),  4>&A2  und  NEI%  NEW  hin. 
Dieser  Mythus  hat  sich  durch  Umbildung,  Lokalisirung  und  Bei- 
mischung anderer  Sagen  mannichfach  aufgelöst. 

Das  Verhältuiss  beider  Hauptgötter  wird  sofort  ein  anderes :  Hephä- 
stos tritt  aus  dem  Besitze  der  Göttin,  trachtet  aber  nach  ihr,  ohne 
sie  bewältigen  zu  können.  Die  zeugende  Kraft  des  Gottes  fällt 
auf  die  Erde,  welche  sie  aufnimmt  und  aus  ihr  den  Erichthonios 
gebiert,  bei  den  Aegyptiern  ist  die  Frucht  dieser  Ehe  ebenso  die  zur 
Persönlichkeit  gewordene  Fruchtbarkeit,  gleichsam  der  Jahresertrag 
des  Landes.  In  jener  Umgestaltung  schimmert  die  Sage  bei  Homer 
durch,  welcher  den  Heros  von  der  Erde  gebären,  von  Athene  er- 
nähren und  in  ihren  Tempel  bringen  lässt.  Die  Ernährung  wird  mit 
den  drei  Kekropidentöchtern  in  Verbindung  gebracht,  in  der  Weise, 
die  unter  andern  Pausanias  Att.  c.  18,  §.2  berichtet:  AyÄccvQw 
(?£  xai  xalg  a§s.Xipcug  "Egoy  xai  IlavdQOücp  dovvccC  (pccoiv  A&rpav 
*E$iyß6viov ,  xara&sloav  ig  xißwröv ,  anstnovOap  sig  r^v  naQctzaxcc- 
&qxrjv  jurj  noAvnoay[A,ovuv .   Hv.vdooGov  /uiv  drj  Xiyovoi  nti&to&cii,  xäg 


103 

dt  dvo  (ßpoT'^ou  yaQ  ö<pag  rr\v  y.ißoixov)  fxalvHü9-ai  ts,  wg  sISop  rov 
'Eqix&opiov  j  xctl  xciru  tilg  uxQonöfauog,  w&cc  ijp  juccAiötci  anoTOjuov, 
avrag  Qixpai.  Damit  aber  sei  nicht  gesagt ,  dass  Mythus  und  Cul- 
tus  der  Athener  rein  ägyptisch  seyen.  Kamen  die  Ansiedler  vom 
Nil  nach  Attika,  als  dort  schon  Bewohner  sassen,  wie  die  Sage 
meldet,  und  wareu  diese,  wie  nicht  zu  zweifeln,  pelasgischen  Stam- 
mes, so  verschmolzen  die  einwandernden  Götter  mit  den  lokalen, 
und  die  altpelasgische  Göttin  Pallas  wird  jetzo  zur  Pallas  Athene, 
ohne  darum  ihren  Character  der  flurbeschützenden,  der  3EQydvt],  der 
Bovdeia,  der  stadtbeschützenden,  Hofaüg,  und  der  zum  Schirme  des 
Landes  kämpfenden,  Tl^o^ayog,  zu  verlieren;  ja  es  konnte  geschehen, 
dass  Vieles,  was  die  Einwandernden  schon  in  Uebung  trafen,  ihnen 
und  ihren  Göttern  beigelegt  wurde. 

Die  weitere  Entwicklung  des  Mythus,  nach  welcher  die  Ehe 
des  Hephästos  und  der  Athene  gelöset  und  in  ein  Afterverhältniss 
verwandelt  erscheint,  aus  dem  Erechtheus  hervorgegangen,  Hephä- 
stos aber  mit  einem  Altar  im  Erechtheum  blieb  und  mit  seinem  Cul- 
tus  im  Kerameikos,  in  der  Mitte  der  von  ihm  beschützten  Werk- 
stätte, sammt  Prometheus  angesiedelt  wurde,  gehört  nicht  zu  un- 
serem Vorwurf,  der  allein  die  Sage  von  Kekrophs  und  Erechtheus 
begreift,  in  der  das  attische  Alterthum  noch  einen  historischen  Kern 
bewahrt,  und  die  es  unter  die  ältesten  Könige  des  Landes  gestellt 
hat,  welche  ihre  Namen  auf  das  Volk,  KsxQom'öai,  *EQ£%&£idcu, 
übergetragen,  und  in  dem  ältesten  Heiligthume  der  Burg — wir  wer- 
den sehen,  nach  welcher  Anschauungsweise  —  ihre  Gräber  gefun- 
den haben. 

Doch  haben  wir  noch  zu  diesem  Behufe  einer  andern  Sage  zu 
gedenken,  welche  sich  jenen  anschliesst  und  Athene  im  Streite  mit 
Poseidon  um  Attika  zeigt.  Schon  0.  Müller  hat  auf  ihren  lokalen 
Grund  hingewiesen.     Das  Meer  drang  von  Westen  tief  nach  Attika 


104 

ein,  und,  wie  noch  vor  wenig  Jahren  der  den  Wissenschaften  in 
Athen  selbst  zu  früh  entrissene  Ulrichs  in  einer  Abhandlung  unserer 
Denkschriften  (Band  III,  S.  647  ff.)  gezeigt  hat,  war  der  Piräeus  selbst 
durch  Meeresfluthen  und  Sümpfe  von  den  Höhen  geschieden,  hinter 
denen  östlich  von  ihm  die  Stadt  liegt.  Die  später  mit  dem  Haupthafeu 
ausgestattete  und  zu  einem  reichen  Demos  erhobene  Landschaft 
war  darum  rj  nbqav  x(x>qc>,  der  jenseits  des  Meerwassers  gelegene 
Ort,  zu  welchem  man  nur  auf  Kähnen  und  Schiffen  gelangen  konnte. 
Hat  nun  die  aus  Aegypteu  kommende  Ansiedelung,  welche  sich 
hinter  den  kekropischeu  Namen  birgt,  nach  der  ihr  von  der  Hei- 
math  in  wohnenden  Kunde  und  Uebung  des  Dammlegens  das  Meer 
aus  jenen  Gegenden  weggewieseu ,  und  dem  Kephissos,  der  von 
Norden  her  da  einfliesst,  durch  Canäle  und  Polter  seinen  Weg 
über  die  neugewonnene  Mündung  nach  dem  Meer  jenseits  Munychia 
gezeigt,  wie  es  in  der  neuesten  Zeit  wieder  geschehen  musste,  um 
die  dort  aus  Versäumniss  der  alteu  Werke  wiedergekehrte  Ver- 
sumpfung zu  heben,  hat  ferner,  wie  die  allgemeine  Ueberlieferung 
wollte,  sie  den  Oelbaum  unter  Obhut  ihrer  Göttin  nach  Attika  ge- 
bracht, dessen  künstliche  Pflege  im  Reiche  der  Pharaonen  durch  die 
Bildwerke  der  ägyptischen  Grabhallen  in  vollkommener  Klarheit 
an  das  Licht  tritt,  so  ist  damit  der  Streit  des  Poseidon  uud  der 
Athene  um  den  Besitz  von  Attika,  und  der  Sieg  der  Göttin  über 
ihren  Nebenbuhler  auf  seine  natürliche  Grundlage  zurückgeführt. 
Der  Gott  des  Meeres  ward  darum  nicht  ausgewiesen.  Als  Erzeuger 
des  Rosses  bleibt  er  Beschützer  des  reisigen  Theiles  der  Bevölkerung, 
selbst  als  Pfleger  des  Anbaues  (kommen  doch  aus  dem  Meere  die 
Gewässer,  die  sich  als  Regen  ergiessen  und  in  Quellen  und  Flüsse 
sammeln)  tritt  er  in  Verbindung  mit  den  agrarischen,  den  pelas- 
gischägyptischen  Göttern,  und  in  eine  Genossenschaft,  die  auf  der 
Burg  von  Athen  ihren  ältesten  Sitz  aufschlug.  Es  wTar  im  Erech- 
theum  selbst,  wo  er  wohl  als  erster  Urheber  der  Befruchtung 
des   Grundes    durch   die   Gewässer  mit  Erechtheus  denselben  Altar 


105 

hatte,    ja    mit   ihm   als   Poseidon  -  Erechtheus    angerufen    und    ver- 
ehrt wurde. 

Gehen  wir  nach  diesen  Erörterungen  auf  die  homerischen  Stel- 
len zurück,  so  erheben  sich  allerdings  Zweifel  über  ihr  Alterthum. 
Dass  die  eine  in  der  ursprünglichen  Anlage  des  Katalogs  gewesen, 
ist  kaum  denkbar,  da  dieser  sich  in  den  Theilen,  welche  seine  uu- 
geänderte  Gestalt  bewahrt  haben,  begnügt,  die  Namen  der  Länder, 
der  Anführer,  der  Städte,  so  wie  die  Zahl  der  Schiffe  zu  nennen, 
die  den  Königen  folgten,  hier  aber  ein  den  Athenäern  ganz  specia- 
ler Mythus  mit  ziemlicher  Ausführlichkeit  eingefügt  wird.  Ebenso 
verdächtig  ist  der  Ruhm  des  Menestheus,  des  Königs  der  Athenäer, 
dem  in  Ordnung  der  Schlacht  nur  Nestor  sich  verglichen  habe ,  da 
weder  seine  Persönlichkeit ,  noch  seine  Thaten  im  Verlauf  der 
Iliade  in  irgend  einer  besondern  Weise  hervortraten.  Endlich  ist 
die  diccGxsvaoig  der  Stelle  nach  Erwähnung  des  Salaminiers  Aias 
atierkannt,  dessen  Schiffe  kurz  angeführt  werden,  aber  mit  dem 
Zusätze  v.  558:  Grijas  dayoiv,  Xv  ^A&rjvaCiov  l'otavro  (päAayytg. 
Solou,  heisst  es,  habe  diesen  Vers  eingefügt,  um  die  alte  Verbin- 
dung zwischen  Salamis  und  Attika  gegen  die  Megaräer  geltend  zu 
machen,  die  ihrerseits  den  Dichter  anders  ergänzten.  Vgl.  Heyne 
a.  a.  0.  Dadurch  wird  allerdings  auch  die  Stelle  der  Odyssee  ver- 
dächtig, welche  das  Haus  des  Erechtheus  mit  der  den  Odysseus 
verlassenden  Göttin  in  Verbindung  bringt;  indess  für  unsern  Zweck 
sind  diese  Bedenklichkeiten  von  geringem  Belange.  Denn  kamen 
auch  die  Stellen  erst  zur  Zeit  des  Pisistratos  oder  Solon  bei  Ord- 
nung der  Gesänge  zu  Athen  in  den  Context  derselben,  so  geben 
sie  doch  historische  Kunde  von  dem,  was  in  jener  frühen  Zeit  als 
Tempel  der  Göttin,  als  Cultus  des  Erechtheus  auf  der  Burg  bestand, 
und  von  den  Sagen,  welche  Erechtheus  und  Athene  in  obenerwähn- 
ter Art  verknüpften.  Ferner  melden  sie  auch  dann  nicht  etwas 
Neues,  zu  solonischerZeitErsonnenes,  sondern  was  aus  dem  Alter- 
Abhandlungen  der  I  Cl.  d.  k.  Ali    d.  Wiss.  V.  Bd.  III   Abth-  14 


106 

(Imme  in  jene  Zeit  der  Pisistratiden  überliefert  war,  was  noch  be- 
stand und  galt.  Da  nun  in  der  einen  Stelle  die  Göttin  den  Erech- 
theus  in  ihrem  Tempel  ansiedelt,  nach  der  andern  aber  in  seinem 
Haus  eintritt,  so  ist  dadurch  der  ursprüngliche  Zusammenhang  des 
ältesten  Heiligthnms  der  Bnrggöttin  ^A&i]vä  nohecg)  und  des  alten 
usyaQOP  der  Könige  mit  vollkommener  Verlässigkeit  beurkundet,  wäre 
es  auch,  dass  das  Zeugniss  der  Urkunde  nicht  über  Solon  und  Pisi- 
stratos  hinausginge.  Was  sie  meldet,  ist  wie  gesagt,  altattische 
Ueberlieferung,  bestätigt  den  alten  Bau  und  sein  Heiligthum,  und 
sind  die  homerischen  Verse  interpolirt,  so  hat  die.solonische  Zeit 
nur  Sorge  getragen,  jene  Kunde  in  die  homerischen  Gesänge  ein- 
zufügen, und  dadurch  ihr  Ansehen  zu  befestigen. 

V. 

Herodot  über   das  Erechthemn. 

Die  nächsten  Meldungen  von  dem  Heiligthum  sind  bei  Herodot. 
Nach  1.  V,  c.  82  empfingen  die  Epidaurier  Holz  von  den  attischen 
Oelbäumen  für  die  ihnen  gebotenen  Götterstatuen  unter  der  Be- 
dingung, jedes  Jahr  der  Athene  Polias  und  dem  Erechtheus  Opfer 
zu  senden :  in'  oj  ind^ovoi  txeog  txdoxov  ztj  3A&f]vairj  ry  IloZiädi 
loa  y.ai  xio  yEQ£%&£'C,  wo  also  der  Cultus  der  Göttin  und  ihres  He- 
ros miteinander  in  jener  Verbindung  stehen,  die  schon  in  den  home- 
rischen Versen  bezeugt  ist.  Buch  V,  72  meldet  er  in  der  später 
zu  erörternden  Erzählung  von  Kleomenes,  dem  spartanischen  Kö- 
nige, die  Priesterin  habe  ihn  abgemahnt,  ehe  er  eintrat  (noir  ras 
xruoag  avxov  djuMyai),  in  das  innere  Heiligthum  der  Göttin  zu  gehen, 
um  anzubeten:  rji'e  lg  xo  advxov  rrjg  &sov,  ojg  noogsoecov ,  wo  dem- 
nach von  dem  übrigen  Tempel  das  advxov  unterschieden  wird ,  in 
das  ein  besonderer  Eingang  führt ;  denn  der  ganze  Tempel  kann 
unter  dieser  Benennung  nicht  begriffen  seyn.    Diese  Stelle  eutschei- 


107 

det  über  den  Ort,  an  welchem  das  alte  Palladium  stand,  das  in  dem 
Tempel  verehrt  wurde.  Es  war  die  Querhalle,  durch  die  über  dem  Grab 
des  Erechtheus  der  Eingang  offen  stand  oder  es  war  in  ihr,  und  die 
Bauinscbrift  wird  dafür  noch  einen  besondern  Beweis  liefern.  Ebender- 
selbe meldet  B.  VIII,  c.  55:  es  sei  in  der  Akropolis  ein  Tempel  des 
Erechtheus,  welcher  der  Erdgeborne  genannt  werde,  darinnen  aber 
der  Oelbaum  und  das  Meer,  die  Salzquelle,  welche  Poseidon  beim 
Streite  gegen  Athene  mit  dem  Dreizack  geöffnet  habe:  tan  iv  xfi 
ccxoonoAi  3Eqsx&iog  tov  ytjysviog  Aeyojuivov  elvui  vqdg,  iv  rw  SAccfy 
rsxcd  SäXctaau  iort.  Dieser  Oelbaum  wurde  mit  dem  übrigen  Heilig- 
thum  durch  die  Barbaren  verbrannt;  doch  fanden  die  Athenäer,  welche 
dem  Xerxes  folgten,  als  sie  auf  seinen  Befehl  am  andern  Tage  gin- 
gen, auf  der  Burg  nach  vaterländischer  Weise  zu  opfern,  und  iu 
das  Heiligthum  eintraten,  dass  aus  dem  Stumpf  ein  frischer  Zweig 
von  Ellbogens  Länge  gesprosst  war:  wg  ctvgßqactv  ig  rö  Iqov,  wqwv 
ßXccGxdv  ix  rov  GT£Ä£%£og  ooovtb  7ir\yvcuov  dvedadQctfxrjxora.  Dieser 
Oelbaum  trug  nach  Hesychius  den  Namen  dorrj  und  näyxvyog,  weil  er 
niedrig  und  am  Boden  gehalten  war.  "Agt^,  ikaCa  (verbinde 
darrj  ikcc£ct ,  die  Burgolive)  ij  iv  dxaonoÄei,  xaAov/uivt]  Iläyxvtfog 
diu  x&ctfxccÄÖTriTa.  —  Uayxvtpog.  iXcclag  tidög  ti  xaxaxsxvtpog  xal 
xanuvov  iv  xjj  dxqonöfai.  Das  Kümmerliche  des  Wuchses,  was  in 
dem  Namen  ausgedrückt  ist,  erklärt  sich  wohl  am  besten  aus  der 
Dürftigkeit  des  Bodens,  der  felsig  ist  und  nur  durch  künstliche 
Mittel  in  den  Stand  konnte  gesetzt  werden,  irgend  ein  Gewächs  zu 
nähren.  Die  &äKaaaa  wurde  nach  Apollodorus,  da  wo  er  (B.  III, 
c.  14,  §.  3)  den  Streit  der  beiden  Götter  berichtet,  zu  seiner  Zeit 
Eosx&ti'i'g  genannt  (jihrfeag  zij  xqiaCvrt  xaxd  /Liiorjv  xrjv  dxqöno- 
Xtv  dv£<paivs  &äXaoGavy  rjv  vvv  'EQS%&r[ida  xchovaiv).  Nach  ihm  sei 
Athene  gekommen,  habe  den  Kekrops  zum  Zeugen  genommen  und 
den  Oelbaum  gepflanzt,  welcher  jetzo  im  Pandrosion  gezeigt  werde : 
iifvjhvGsv  iXalav,  ij  vvv  iv  xcp  IlavdQOGitp  dsCxvvxcci.  Statt  des  Tem- 
pels des  Erechtheus   {^Eosx&iog  vrjog),   in  dem  nach    Herodot    Oel- 

14* 


108 

bäum  und  Meer  war,  ist  hier  ein  Tempel  der  Pandrosos  {rö  Tluv- 
()qooiop)  genannt,  welcher  demnach  als  ein  Theil  des  Erechtheums 
und  des  Tempels  der  Polias  (*A&r}vtdris  rijg  TlofoüSog  vrjog)  zu  be- 
trachten kommt.  Als  welcher,  lehrt  eine  Meldung  aus  Philochorns 
bei  Dionys.  Halic.  über  Dinarchus  S.  113  Sylburg,  p.  636  Siebeiis 
von  einem  Hunde,  der  in  den  Tempel  der  Polias  läuft,  von  da  in 
das  Pondrosion  hiueingelangt  (dvosv  tlg  rö  nccvdoooiüv)  und  dort 
sich  auf  dem  Altar  des  Zsi/g  tQxsiog  unter  dem  Oelbaum  niederlegt 
(tniröv    ßw/udv     avaßäaa    rov    ioyMov    Aibg    rov   vno    rtj    l),ala  xuv- 

ti'.UTO.  ) 

Diese  zufällige  Meldung  trägt  bei,  den  Theil  des  Gebäudes, 
welcher  den  Namen  des  Pandrosion  trug,  näher  zu  bestimmen. 
Schon  an  sich  wird  man  geneigt  sevn,  als  solches  die  südliche 
Halle  mit  den  Kanephoren  zu  betrachten,  da  die  Erscheinung  der 
weiblichen  Gestalten  auf  ein  weibliches,  einer  Heroin  gewidmetes, 
Heiligthum  hindeutet.  Dazu  stimmt  auch  der  Umstand,  dass  in  ihm 
der  Oelbaum  der  Burg  sich  befand,  der,  in  dem  Heiligthum  begrif- 
fen, unter  spärlichem  Tageslicht  und  ohne  freie  Luft  und  Sonne 
nicht  bestehen  konnte,  die  beide  ihm  das  Erechtheum  nur  au  der 
genannten  Stelle  im  Innern  der  Halle  gewähren  konnte,  deren  obe- 
rer Theil  zwischen  den  Bildsäulen  der  gebälktragenden  Jungfrauen 
offen  stand.  Der  Weg  aber,  den  der  Hund  einschlug  führt  eben  dahin. 
Er  lief  durch  den  Pronaos  und  nahm  die  Richtung  über  die  südliche 
Treppe.  So  geriet!»  er  über  sie  herabkcmmend  durch  die  daran  stosseude 
Thüre  in  die  Querhalle ,  gerade  da,  wo  sie  an  den  Kauephorenbau 
anschliesst  und  durch  eine  Thüre  den  Eingang  gestattet.  Das  Alles 
entspricht  genau  der  Meldung,  dass  er  aus  dem  Tempel  in  das 
Pandrosium  hineingeschlüpft  sei.  Damit  ist  nun  auch  die  Stelle  der 
&ä/M(socc  gegeben,  welche  von  Pausanias  (Att.  26,  §.  5)  als  vdojo 
x>aXÜGGiov  tv  (fQtan  näher  bezeichnet  wird,  mit  der  Bemerkung, 
in  dem   Felsen    sei    ein   Bild   des  Dreizackes:    roicclvrjg  ioriv  tv  rij 


10!) 

nsTQci.  Man  hat  demnach  dort ,  und  wohl  gleich  bei  Gründung  des 
Baues,  nach  Wasser  in  dem  Felsen  gegraben,  solches  auch  gefun- 
den, aber  salziges,  und  dass  die  Quelle  3Eoey&t]tg  heisst,  deutet  auf 
eine  andere  Sage  hin,  nach  welcher  die  Findling  des  Wassers  auf 
Erechtheus  bezogen  wurde.  Es  geschah  Aehnliches  im  letzten 
Kriege  während  der  türkischen  Belagerung.  Die  Eingeschlossenen, 
an  Wasser  bitteren  Mangel  leidend,  gruben,  alter  Sage  folgend, 
in  der  nordwestlichen  Ecke  der  Burg  nach  einer  Quelle,  fanden  sie 
auch;  aber  das  Wasser  ist  ebenfalls  salzig,  wiewohl  noch  trinkbar. 
Sie  lag  ausser  der  Burgmauer,  ward  aber  durch  einen  dort  im  Eck 
vorgeschobenen  Vorsprung  derselben  in  die  Burg  eingeschlossen. 
Zur  Erläuterung  dient,  dass  aus  dem  Gebirge,  welches  jenseits  des 
Kephissos  die  Ebene  von  Attika  und  Eleusis  trennt,  und  zwar  aus 
dem  Fusse  desselben,  ein  so  reichlicher  Bach  von  Salzwasser 
dringt,  dass  er  in  einem  weiteren  Becken  gestaucht  und  benützt 
wird,  um  Mühlen  zu  treiben,  vielleicht  die  roQywmg  M{ivi]  im 
Agamemnon  des  Aeschylus  (v.  302) ,  da  alle  hineingelegten  Pflan- 
zen und  Hölzer  nach  einiger  Zeit  mit  einer  Salzkruste  überzogen  und 
gleichsam  versteinert  worden.  Die  Quelle  daselbst,  auf  Salzlager  im 
Gebirge  hindeutend,  trieb  demnach,  unterirdisch  sich  fortsetzend,  ihre 
Adern  auch  in  den  geklüfteten  Urkalk  und  die  Marmorlager  der 
Akropolis  empor,  wie  offenbar  die  Quellen  auf  der  Akropolis  von 
Korinth,  deren  eine  an  die  Sage  des  Pegasus  geknüpft  ist,  von  den 
Wasserbehältern  des  südwestlich  und  viel  höher  gelegenen  Kyllene- 
gebirges  in  Arkadien  auf  ähnliche  Weise  Abschösslinge  sind.  End- 
lich bringt  die  Meldung  von  jenem  Hunde  uus  noch  einen  Altar 
des  Zsvg  tQz&Zog  zur  Kunde,  der  bedeutsam  genug,  wie  wir  sehen 
werden,  mit  dem  Brunnen  und  dem  Oelbaum  sich  im  Pandrosion 
befand,  und  von  dem  Baume  beschattet  wurde. 


110 

VI. 

Die  früher  bekannte  Inschrift  über  den  Neubau  des  Erechtheums. 

An  die  Nachrichten  über  das  Erechtheum  in  Homer  und  Hero- 
dot  schliessen  sich  die  obengenannten  Inschriften  über  seinen  Neubau. 

Dass  man  unmittelbar  nach  Besiegung  der  Perser,  und  als  die 
Gemeinde  wieder  in  die  Stadt  einzog,  daran  ging,  sie  und  mit  ihr 
die  Burg  herzustellen,  dabei  aber  sich  nicht  an  dem  Nothbau,  den 
Themistokles  gegen  Furcht  und  Argwohn  der  Spartiaten  rasch  an- 
ordnete, genügen  Hess,  sondern  den  Burgbau  in  einer,  Festigkeit  und 
Schönheit  vereinenden,  Weise,  würdig  der  beginnenden  Grösse  der 
Stadt,  anfing,  zeigt  die  kimonische  Mauer  in  ihrem  prachtvollen  Baue 
ans  Marmor,  welche,  wie  Plutarch  im  Kimon  13  berichtet,  dieser  nach 
der  Schlacht  am  Eurymedon  aus  der  Siegesbeute  aufgeführt  hat,  und 
der  Siegestempel  über  ihr,  dessen  Wiederfindung  und  Wiederauf- 
richtung als  eine  der  schönsten  Erfolge  der  neuen  Thätigkeit  auf 
der  Akropolis  zu  betrachten  ist.  Hr.  Prof.  Boss  hat  (die  Akropolis 
von  Athen  nach  den  neuesten  Ausgrabungen  1.  Abth.  S.  9)  vollkom- 
men Becht,  Mauern  und  Tempel  auch  dem  Bau  und  der  Zeit  nach 
zu  verbinden ,  und  dass  kein  anderer  als  Kimon  selbst  den  Pracht- 
bau seiner  Mauern  mit  dieser  architectonichen  Zierde  geschmückt 
hat,  davon  gibt  nicht  nur  der  constructive  Zusammenhang,  sondern 
auch  die  ganze  Thätigkeit  jenes  grossen  Mannes  Zeugniss,  dem 
nach  Plutarch  (c.  8  u.  13)  die  Stadt  noch  andere  Zierden,  und  unter 
ihnen  auch  das  Theseion,  verdankt.  Es  scheint  kaum  einem  Zwei- 
fel unterworfen,  dass  auch  die  übrigen  Anlagen  der  Akropolis,  die 
Propyläen,  der  Bau  des  Parthenon  und  des  Erechtheums,  schon  da- 
mals in  Aussicht  und  Plan  gestellt  wurden.  Die  weitere  Führung 
des  von  Kimon  Unternommenen  fiel  auch  auf  der  Akropolis  dem 
Perikles  und  seinen  grossen  Werkmeistern  zu.  Zwar  beschränkt 
sich  die  Meldung  von  diesem  nur  auf  die  Propyläen  und  den  Parthenon; 
des  Erechtheums  wird   dabei    nicht    gedacht;    doch   ist   kein   Grund 


m 

für  die  ziemlich  verbreitete  Meinung  vorhanden ,  dass  der  Bau  des 
Erechtheums  mit  dem  der  Propyläen  und  des  Parthenons  nicht  zu- 
sammenhänge, sondern  später  zu  setzen  sei.  Denn  es  ist  ganz  un- 
denkbar, dass  man  gerade  den  ältesten  und  heiligsten  Tempel  der 
Schutzgötter  in  solcher  Weise  sollte  versäumt,  oder  mit  ihm  bis 
zur  Vollendung  der  übrigen  sollte  gewartet  haben.  Dazu  wurden  selbst 
die  Propyläen  nie  so  vollendet,  wie  es  in  der  Anlage  war,  und  in 
dem  rechten  Flügel  zeigt  die  nach  Süden  gewendete  Mauer  durch 
Zapfen,  die  aus  den  Quadern  noch  hervorstehen,  dass  diese  die  ihnen 
bestimmte  Vollendung  und  Glättung  noch  nicht  erlangt  hatten,  als 
man  den  Bau  unterbrach  und  ruhen  Hess.  Das  Erechtheon  ist  also 
auf  jeden  Fall  vor  Vollendung  der  Propyläen  in  Angriff  genommen, 
obwohl  kaum  zu  zweifeln,  dass  mau  Anfangs  die  Hauptkraft  auf 
das  Burgthor  und  den  ihr  zunächst  gelegenen  grossen  Parthenon  ge- 
wendet hat,  der  für  die  glänzende  no/umj  der  Panathenäen  bestimmt 
war.  Der  Bau  des  Erechtheums  ging  darum  neben  dem  der  andern 
Gebäude,  und  wohl  um  so  rascher,  nachdem  der  Parthenon  ganz 
und  die  Propyläen  wenigstens  in  den  Hauptheilen  vollendet  waren. 
Dass  während  des  peloponnesischen  Krieges,  und  zumal  nach  dem 
Untergänge  der  attischen  Macht  vor  Syrakns  der  Bau  unterbrochen 
ward,  ist  an  sich  glaubhaft,  und  scheint  durch  die  ältere  Inschrift 
seine  Bestätigung  zu  finden.  Diese  fällt  unter  dem  Archon  Diokles 
(Ol.  92,  4)  in  das  22te  Jahr  des  peloponnesischen  Krieges,  vier 
Jahre  nach  der  sicilischen  Katastrophe,  in  eine  Zeit,  wo  die  Athe- 
näer durch  die  Siege  am  Hellespont  neue  Kraft  und  Macht  erlang- 
ten uud  die  Lacedemonier  des  Friedens  wegen  nach  Athen  sende- 
ten. Die  Einleitung  derselben  nennt  drei  Vorsteher  „des  Tempels  in 
der  Burg",  in  welcher  das  alte  Götterbild:  3Enigräxai  tov  vsoj  tov 
iv  noXu,  iv  m  ro  ccq%cuov  äya^ua,  im  Gegensatz  des  neuen  colossalen 
aus  Gold  und  Elfenbein  von  Phidias,  das  im  Parthenon  aufgestellt  war, 

deuArchitecteu  {cIqxitGztuov AoxAijg,  wohl  Philokles)  und  den 

Schriftführer  (yocz/u/uccTevs),  demnach  eine  mit  der  Sorge  für  das  Erech- 


112 

theiiiii  speciell  betraute  vollständige  Behörde,  die  ihr  Geschäft  nach 
einem  Beschlüsse  des  Volkes  (yjifyiofta  rov  dtjjuov)  führte,  den  Ep- 
genes  eingebracht  hatte  (o  ^Emyivtjg  slnsv}.  Demgemäss  (xara  ro  iptj- 
(ptgua)  verzeichneten  sie  auf  Marmorplatten  die  Werkstücke  und 
Theile  des  Tempels,  in  welchem  Zustande  sie  dieselben  vorfanden,  die 
vollendeten  und  die  halbfertigen:  \raS\s  ävtyociyctv  t^ycc  rov  vsoj 
a>g  xccri^ccßop  txaocc  .  .  .  i£eiQyaOju£pa  xal  tjjuisQya).  Die  Aufzeichnung 
beginnt  an  der  Ecke  beimKekropion  (im  rfj  ywvla  rr\  nqog  rov  Ks- 
xooniov),  und  geht,  dann  von  §.  4  bei  Böckh  auf  die  Säulen  au  der 
Wand  beim  Pandrosion  über  (riöv  xiövwv  rwv  im  rov  rolyov  rov 
TiQÖg  rov  üuvöqogiov}.  Wandsäulen  hat  nur  die  westliche  Querhalle, 
welche  an  die  Südhalle  stösst,  die  wir  als  das  Pandrosion  erkannt 
haben,  das  darum  §.  6  der  Vorbau  vor  dem  Kekropion  heisst  — 
nh)v  {rov  rol%ov)  rov  iv  rft  Ttqbg  roZ  KexQontü).  Demnach  ist  die 
Ecke,  von  wo  die  Beschreibung  beginnt,  der  südwestliche  Punkt, 
wo  die  westliche  Halle  mit  dem  Pandrosion  zusammenstösst.  Wäre 
nun,  wie  von  Vielen  angenommen  wird,  die  ganze  Querhalle  Kekro- 
pion, so  müsste  sie  nothwendig  mit  diesem  Namen  genannt  werden, 
was  aber  nicht  geschieht,  im  Gegentheil  wird  der  Theil  mit  den 
Halbsäulen  oder  das  obere  Geschoss  die  Mauer  an  dem  Pandrosion 
genannt:  rwv  xiovwv  rcov  im  rov  roi%ov  rov  TiQÖg  rov  üavdQOGiov. 
Die  Benennung  Kekropion  wird  sich  sofort  allein  auf  das  Grab  des 
Kekrops  beziehen,  und  Hr.  Rhisos  hat  ganz  recht,  dieses  in  jene 
Ecke  an  den  Eingang  in  das  Pandrosion  zu  setzen.  Dieselbe  Be- 
schränkung kehrt  §.  6  zweimal  wieder,  und  es  besteht  wohl  kaum 
ein  Zweifel,  dass  das  Kekropion  in  irgend  einer  Weise,  vielleicht 
durch  eine  Quermauer,  von  der  übrigen  Westhalle  abgeschnitten  war 
und  den  Theil  derselben  bezeichnet,  welcher  an  das  Pandrosion 
stösst.  Dieser  Umstand  ist  von  Bedeutung,  weil  er  uns  den  übrigen 
Theil  der  Westhalle  zur  Verfügung  lässt,  die  wir  später  nöthig  ha- 
ben werden. 

Die   Vorsteher  zählen  in  jener  Stelle  auf  als  halbvollendet  (/;«/- 


113 

toyovg)   vier  uneingesetzte  Quader  (nXCv&ovg  u&£xovg),   einen   Ach- 
sel- oder   Kragstein    {jictQxaÄafav) ,    fünf  Kopfsteine    (ßmxQctvfxidag) 
d.    i.    nach   0.   Müller    architektonisch    geschmückte  Mauerschluss- 
steine unter  dem    Gebälk  (nach  Athenäus   V.  S.  205.  B.  xö  ysioov 
k'cug  xov   TisQitQ^xovTog   imaxvXiov)  j   in    gleicher   Höhe   ein   Eckstein, 
einen  gewundenen  {yoyyvXog  Xt&og),  d.  i.  wohl  ein  mit  dem  xv/udxiov 
und  dem  daxqdycXog  darüber  ausgestatteter,  der  (seiner  Lage  nach) 
den  Kopfsteinen  entspricht  [dvxi/uöoog  xoig  imxoavtxiGiv},  ferner  zwei 
solche,  welche  den  Architraven  entsprachen  {avxtfioqoi  xolg  imaxvAfoig), 
d.  i.  in  den  Mauern  dieselbe  Höhe  einnahmen,   wie  die  Architraven 
über  den  Säulen,  ein  Säulenkopf  unaufgestellt   {xioxqavov  u&txov), 
nach  0.  Müller   das  Kapitell  der  hintern  Kanephore   im  südwestli- 
chen Eck,  was  nicht  wahrscheinlich  (dieses  würde  anders  bezeich- 
net sein),  die  innere  Steinplatte  (fx^xoonov  xo  kGca),  nach  Böckh  das 
Antenkapitell,  wahrscheinlich  in  der  Ecke,   wo   das  Kekropion  und 
Pandrosion  zusammenstossen,  endlich  fünf  zu  dem  Architrav  gehörige 
Quader,   nicht  eingesetzt  (71 iniaxvXia  ci&sxa),  und  drei,  welche  zwar 
oben  waren,  aber  noch  der  Ausarbeitung,  Ausglättung  bedurften  {xokt 
ävvu  sxi  ovxa  ....  insoydoaG&ai.)     Von    allen    werden    die  Maase 
nach  Länge,  Breite  und  Dicke  angegeben.  In  diesem  Zusammenhange 
kann  das  xiöxqavov  ct&sxov  kaum  etwas  anderes  seyn,   als  das  Ca- 
pitell  der  letzten  Halbsänle  neben  den  Anten,  nach  dem  Pandrosion 
zu.   Man  sieht,  diese  Ecke  der  beiden  zusammenstossenden  Gebäude 
war  bei  Wiederaufnahme  des  Baues  bis  zum  Mauerschluss  emporge- 
führt. 

Die  Aufzählung  geht  dann  zu  dem  östlichen  oder  eigentlichen 
vadg  über  mit  den  Worten:  xov  J«  Xomov  toyov  anavxog  Iv  xvxXco 
äoföi  6  tXevGiviccxog  Xld-og,  ngog  t»  xd  Uoa  xai  ix£9t]  III  inl  xwv 
ijiiGxctxwp  xovxujp.  Des  eleusinischen  Steines  ist  oben  gedacht  wor- 
den. Der  Fries  war  nach  aussen  mit  Platten  dieses  schwarzen 
Marmors  aus  Eleusis  verkleidet  und   auf  ihm  waren   die  Bilder,   xd 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.   Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  15 


114 

C&ce),  also  die  Reliefe.  Hier  ist  darch  die  neuen  Ausgrabungen  ond 
die  zweite  Inschrift  Alles  deutlich  geworden.  Nicht  uur  von  jenen 
Platten  schwarzen  Marmors,  sondern  auch  von  Reliefen,  die  auf  ihnen 
waren,  ist  unter  dem  Schutte  eine  beträchtliche  Zahl,  meist  sehr 
zertrümmert,  gefunden  worden,  welche  im  Werke  des  Hrn.  Rhisos 
abgebildet  sind.  Diese  sind  aus  weissem  Marmor,  und  sowohl  die 
zweite  Inschrift,  als  der  Augenschein  lehrt,  dass  sie  mit  Blei  und 
Klammern  darauf  befestigt  waren.  Sofort  erklärt  sich  auch  der  Aus- 
druck. vAq%£i  ist  weder  imperat,  noch  praecipnus  est,  noch  bedeutet 
es,  wie  Böckh  glauht,  uq/si  tQyov,  hier  incipere  opus;  denn  warum 
sollte  dann  ausser  rov  homov  noch  anavrog  iv  xvxXtp  beigesetzt 
werden?  sondern:  über  das  ganze  übrige  Werk  zieht  sich  als  oberster 
Theil  der  eleusinische  Stein  hin.  Was  hier  nach  Wiederaufnahme 
de*s  Baues  in  einem  Jahre  geschab,  ist  verhältnismässig  gering  und 
zeigt,  wovon  auch  die  folgenden  Rechnungen  Meldung  thun,  von 
der  Beschränktheit  der  Mittel,  welche  man  damals  auf  das  Unter- 
nehmen verwendete,  wo  der  Staat  durch  Krieg  so  sehr  in  Anspruch 
genommen  wurde. 

Nachdem  sie  in  der  erwähnten  Meldung  angegeben,  was  sie 
am  eigentlichen  oder  östlichen  Tempel  gefunden  und  gethan,  gehen 
sie  auf  den  westlichen  Bau  der  Querhalle  zurück,  von  dem  allein 
der  an  das  Pandrosion  stossende  Theil  behandelt  war.  §.  4.  Die 
Halbsäulen  derselben  waren  aufgestellt,  IIH  xufxivwv  xiovwv,  hat- 
ten aber  noch  ungeschnittene  (aT/ut]ra),  d.  h.  architektonisch  noch 
nicht  ausgebildete  Theile,  und  zwrar  fehlten  anderthalb  Fuss  (an  je- 
der) und  das  dv&e/uiov.  Dieses  haben  Hirt  und  Böckh  richtig  von  dem 
Blätter-  und  Blumenbande  verstanden,  welches  an  den  ionichen  Säu- 
len dieses  schönen  Baues  da,  wro  die  Kanelirungen  schliessen,  be- 
ginnt, und  bis  an  den  kleinen  verzierten  iyjvog  oder  Wulst  des  Säu- 
lenhauptes sich  erstrekt.  Es  wird  aber  der  nicht  ausgeführte  Theil 
näher   bezeichnet:    är/urjTa    ix   rot*    Ivrog  avdeutor    txaGrov    xov 


115 

xtovog  tqCa  quinodicc,  wo  xö  ivxog  dv&iuiov  Schwierigkeit  gemacht 
hat,  die  höchste,  „summa  difficultas",  sagt  Böckh,  der  ix  rov  ivxog 
ohne  Grund  von  äv&euiov  trennt.  Denn  es  wird  offenbar  der  ganze 
Schmuck  zwischen  Kanelirung  und  Voluten  mit  seiner  Perlenschnur 
oben  und  unten,  den  ionischen  Eiern  und  dem  geflochtenen  Wulst 
darüber  als  äv&ifMovy  und  zwar  a  potiori  bezeichnet,  und  im  Ge- 
gensätze davon  xo  ivxog  äv&£/uiov  von  dem  eigentlichen  Blätter- 
schmucke verstanden,  der  von  jener  Verzieruug  umgeben  und  ab- 
geschlossen wurde. 

Darau  wird  die  Meldung  gefügt,  dass  auf  die  westliche  Mauer 
(§.  5:  inl  *ov  xolyov  rov  noög  voxov)  die  Welle  des  achtfussiangen 
Architravs  {iniöxvXiov  oxxaJnoSog  xvjudxiov),  also  die  in  steigender 
Welle  {Xtcßtov  xvjudxiov)  sich  hebende  Krönung  desselben  gesetzt 
wurde,  und  zwar  ig  xo  %o~w,  in  das  Innere,  demnach  innerhalb  der 
Halle,  und  die  Vorsteher  verzeichnen  dann  die  Mauertheile  und  die 
Säulen,  welche  der  Glättung  und  Canelirung  noch  bedurften  {xddt 
dxccxdi-soxa  xal  dqdßdojxa):  es  ist  die  westliche  Mauer,  ausgenommen 
die  der  Säulenstellung  beim  Kekropion,  {nXtjv  xov  iv  xtj  noooxdasi 
xfi  noög  xco  KsxQonho.)  Die  Südmauer  des  Pandrosion  war  also  ge- 
glättet und  vollendet.  Ungeglättet  waren  ferner  sämmtliche  {iv  xvxX(o) 
Mauerpfeiler  oder  Antae  {oq&ooxdxai),  wieder  ausgenommen  die 
an  demselben  Baue  ( nXt)v  xcöv  iv  xjj  nqoaxdou  xfj  noog  xcö 
KexQonüti),  und  die  Polirung  fehlt  noch  jetzo  an  mehreren ;  das  Werk 
ist  nie  in  das  Einzelne  ganz  vollendet  worden.  Ohne  Verstäbungen 
waren  die  obern  Theile  der  Windungen  {ojisiqcu),  gewundene  Säu- 
lenfüsse  oder  Basen,  die  aus  doppeltem  Pfühl  und  den  Mittelgliedern 
bestehen,  ausser  die  der  Wandsäulen,  und  so  waren  die  Säulen 
ausser  der  genannten  ohne  Kanelirung;  die  Basis  {xtjv  xo^n/Sa')  des 
gauzen  Werkes  fanden  sie  ebenfalls  ungeglättet.  Die  äussere  Wand 
hatte  das  Gesims  {yoyyüXog  Xtfrog)  32  Fuss  {xbjQcaiodiccg  Ulli)  ohne 
Glättuug,  und  so  fehlte  die  Glättuug  zum  Theii   auch   an    der  Thür- 

15* 


116 

inüudung ,  an  der  Seitenfolge  and  an  den  Mauern  der  Bildsäulen. 
Diese  letzte  Stelle  ist  lückenhaft:  xov  iv  xiö  nqooxo/uiaico  xsxqanodlug 

AN xtjg  nccqaoxadog  ....  xüxqanodCag ....    xov    (nämlich 

xot%ov)  nqog  xcoydA/uccxog  xexqccnodiag.  Auf  diese  Worte,  nach  denen 
nur  die  Zahl  der  Tetrapodien  fehlt,  folgt  in  der  Urkunde:  iv  xfj 
nqoöxdoet  xfj  nqog   xov  &vqa)juaxog   xov  ßcouov  xov  (ß-v)rixov  a&sxov . 

Unterschieden  werden  zunächst  drei  Theile.  Die  Mauer  iv 
Tip  nqooxotuiaiq),  die  naqaaxdg  und  die  Mauer  nqog  xov  uydXfiuxog 
Das  ayaXjLia  kann  blos  das  alte  Palladion  seyn,  nach  welchem  zu 
Anfang  der  Tempel  bezeichnet  wurde:  iv  cp  xo  <xq%alov  ayaZua. 
Dieses  aber  stand  im  udvxov,  wie  aus  Herodot  klar  wurde,  wo  er 
meldet,  Kleomenes  habe  in  das  udvxov  eingehen  wollen,  zu  der 
Göttin  zu  beten,  wovon  später.  Das  advxov  aber  musste  hinter  der 
nach  dem  nqovaog  offenen  Cella  mit  ihren  Stiegen  und  Altären  lie- 
gen, also  in  dem  Gange,  der  durch  die  westliche  Quermauer  der 
Cella  und  die  Maner  mit  Halbsäulen  sich  ausdehnt.  Dahin  führt 
auch  der  Gang  der  architectonischeu  Aufzeichnungen,  welche  von 
der  Stelle,  wo  das  ayaAua  war,  zu  der  nördlichen  Vorhalle  über- 
geht, die  an  jenen  Quergang  anschliesst.  Dadurch  wird  die  Lage 
des  aSvxov  genau  bestimmt.  Es  ist  der  nordwestliche  Theil  der 
Querhalle,  welcher  an  die  Nordhalle  stösst,  und  zu  welchem  die 
rechtsgelegene  Thür  der  Quermauer  den  Eingang  ans  der  Cella 
bildet.  Damit  stimmt  nun  auch  zusammen,  was  oben  von  der  inneru 
Beschaffenheit  der  Hauptcella  gesagt  wurde.  Die  südlich  gelegene 
Stiege  in  ihr  führte  zum  Kekropion,  die  nördliche  zum  Erechtheum, 
zum  Grabe  des  Erechtheus.  Dieses  Grabmal  lag  demnach  vor  dem 
ciövxov  der  3A&iqvrj  noÄidg,  ebenso  wie  das  des  Kekrops  vor  dem 
Eingange  in  das  Pandrosion ,  und  in  einer  so  übereinstimmenden 
Lage  der  beiden  Heldeugräber  an  den  beiden  Eingängen  in  die 
zwei  Heiligthümer  muss  eine  Absichtlickeit  verborgen  seyn,  auf 
welche  wir  später  zurückkommen.     Wir   sind  also    im    Ad y ton    der 


117 

Göttin,  and  es  ist  offenbar,  dass  dieses  von  dem  Kekropion,  das 
südlich  daran  stiess,  getrennt  seyn  musste,  wohl  durch  eine  Mauer, 
die  jenseits  der  Thür  lag,  welche  von  Westen  durch  die  Mitte  der 
Säulenmauer  oder  vielmehr  ihres  Sockels  in  die  Querhalle ,  dem- 
nach in  das  Adyton  führte.  Warum  dieses  so  geordnet  war,  wer- 
den wir  ebenfalls  später  zu  erörtern  haben.  Das  ccdvrov  wird  da- 
durch allerdings  zu  einem  beschränkten  Räume;  indess  es  war  nur 
der  Behälter  des  Götterbildes,  des  Altares  an  ihm  und  einzelner 
Weihgeschenke. 

Was  aber  ist  ein  nqoaro^iuTov  und  naQcearäg  an  diesem  MvtovI 
Jenes  Wort  kommt  nur    in  unserer  Inschrift  vor,   ein   ähnliches    bei 
Pollux  D,  90:  r;  ds  eis  aXXiqha  rvov  %uhiov  avftßoAtj  itQOGtofxiov  (an- 
dere m-QiGTÖ/Mov)  ri  7iQ0OTo/uia.  Also  der  Schluss  beider  Lippen ,  der 
geschlossene  Mund.     Böckh  bemerkt:  otöjua   quum  pro  janua  dica- 
tur,  TiQoozojuiaiop  erit,  quod  labiis  respondet,  autepegmata  cum  super- 
ciliis.     Das    also    wäre    die    Thüreinfassung ,     bei   der    aber    keine 
Gv/ußoZt}  rwv  %ziX6)v  slg  ct).h]Xa,  kein  Schluss  der  Lippen   oder  der 
Vorsprünge  stattfindet.    Wir  haben  oben  angeführt,  dass  das  grosse 
Prachtthor,   welches  der  Anlage  nach  aus  der    nördlichen   Halle  in 
diesen  Raum,  also  in  das  aSvtov  führen  sollte,  gehlendet  war,    und 
so  kann   jr^oato/utaiov   nur   der   nach  innen   gewandte  Theil    jener 
Thürblendung  seyn,  der  architectonisch  zwar  angedeutet ,  aber  ohne 
Oeffnuug,   also   mit  geschlossenen  Lippen,  war.     Diese    Profilirung 
der  Thüre  an  der   innen)  Mauer  ist  noch  jetzo  erhalten,  und   auch 
in  unserer  perspectivischen  Ansicht  Tab.  III  angezeigt. 

JlaqaGxctg  aber  kann  hier  seine  eigentliche  Bedeutung  nicht  ab- 
legen; es  ist  der  Mauervorsprung,  der  Pilaster,  Anta,  von  vaog  iv 
nccouGTÜGiv,  bei  Vitruvius  templum  in  antis,  mit  zwei  Säulen  zwi- 
schen den  Anten;  und  die  Ante,  die  hier  erwähnt  ist,  muss  in  der 
verschwundenen  Ostmauer   des  Adyton   gewesen    seyn.     Der   Sinn 


118 

der  Stelle,  die  uns  zur  Ermittlang  des  adurov  geführt  hat,  ist  also: 
(Wir  fanden  ongeglättet)  von  der  Mauer  in  dem  Prostomiaion 
(also  von  der  Thürblendung  selbst)  Tetrapodien  (so  viele  —  die 
Zahl  fehlt;  JN  ist  in  der  Abschrift,  das  Bökh  Svo  liest);  von  den 
Pilastern  (fehlt  die  nähere  Tetrapodienbezeichnung)  so  viele  der- 
selben ungeglättet,  nnd  von  den  Mauern  bei  der  Bildsäule  (also 
wohl  hinter  und  neben  ihr)  Tetrapodien  (fehlt  wieder  die  Zahl). 

In  §.  7  kommt  die  Anfzählung  aus  dem  advrov  in  die  Nord- 
balle. Diese  wird  TX^öoraotg  q  7ioög  rov  ^vocu/ucnog  genannt.  Qvowua 
die  grosse  Thür,  das  Thor  im  Innern  der  Halle,  ist  das  eigentliche 
Prachtstück  des  Gebäudes,  durch  Ausarbeitung,  Reichthum  und  Fein- 
heit des  Schmuckes  ein  Werk  ohne  Gleichen.  Darum  gibt  sie  der 
ganzen  Halle  den  Namen.  In  ihr  fanden  sie  den  Altar  des  Opfer- 
priesters ungesetzt,  und  ebenso  in  der  Bedachung  die  Klammern 
und  die  Riemen.  Die  ganze  Stelle  lautet:  Iv  rfj  noooruGu  rjj  noög 
rov  &vQ(6juarog  rov  ßcouov  rov  &v?]Xov  (die  Abschriften  haben  .  .  . 
EXO)  cc&srov,  rfjg  tniöQoytag  oyrixloxovg  xccl  Ifxdprag  ä&irovg. 

Schwierigkeit  macht  zunächst  BOM02  .  .  .  EXO,  das  man  in 
0YEXO  d.  i.  Qvrjyov  ergänzt  hat,  ohne  desshalb  die  Orthographie 
&vt]%6g  nachweisen  zu  können.  Böckh  ändert  darum  &vrjxov  hier 
und  im  folgenden  §.  12,  c,  und  allerdings  hat  Hesycliius:  d-vnxöoi. 
hosig,  und  Photius:  &vrjxooi.  ol  ItosTg  ol  vnio  aÄÄwv  &vovreg  roTg 
S-soTg,  mit  ungeschickter  Erklärung,  da  überhaupt  die  Priester  für 
andere  opfern,  und  der  Begriff  von  äXXow  nicht  in  der  Form  liegt; 
indess  &vtjxooi  ist  Lesart  der  Herrmann'schen  Ausgabe;  die  des 
Codex,  welche  Porson  treu  wiedergibt,  ist  ebenfalls  S-vijxooi,  und 
das  x  )st  aucn  dadurch  gefestiget,  dass  dieselbe  Form  unter  1.  95 
vollständig  in  TO&YEXO  und  in  der  zweiten  Inschrift  (n.  57  A, 
1.  61,  62  bei  Rhisos)  TO  ||  EXOBOMO  und  anderwärts  wieder- 
kehrt,    övrjxoog  wäre  <c  rd  &vt]  yJwv  oder  xaloyv,  eine  plurale  Form 


119 

in  der  Zusammensetzung  &vrj  statt  des  gewöhnlichen  &voop6og. 
Hesych.:  sWog  juäpxsog  dicc  07iA,dy%PWP  xb  psXXop  dtjÄovPxog.  01  dk 
(nämlich  erklären  ihn  als)  top  öi  ijunvomp  isqwp  xä  orj/uaipojuspa 
ypöpxcc,  offenbar  richtig.  Daneben  stünde  nur  &vt]yoog>  wasPhotius 
erhalten  hat,  in  vorliegender  Form  thjqtfog  —  6  xä  &vt]  yJwv >  der 
Trankopfer  ausgiesst,  und  wir  hätten  dort  einen  Altar  allein  für 
Speudungen.  Doch  scheint  X  und  K  nur  unstäte  Schreibart,  ebenso 
wie  y,äh%(u  in  der  folgenden  Inschrift  statt  v.äXyai  wiederholt  ge- 
schrieben wird.  Wem  aber  dort  Opfer  angezündet  wurde,  scheint 
aus  Pausan.  Att.  28,  §.  6  zu  ermitteln.  Dieser  sagt,  vor  dem  Ein- 
gange in  das  Erechtheum  sey:  Aibg  ßio/ubg  vipäxov,  tp&ec  l'juipvxop 
d-vovoip  oidtp,  ngfifiaru  de  &£pxsg  ovdip  txi  (1.  ovdt  tri)  ol'pcp  yotjoa- 
ö&cci  pojut'Lovai.  Jener  Altar  des  Zeus  vnuxog  wird  gewöhnlich  vor 
den  östlichen  Eingang  gesetzt,  da  nach  seiner  Erwähnung  Pausa- 
nias  in  das  Innere  des  Tempels  zu  den  übrigen  Altären  kommt. 
Doch  gedenkt  er  der  nördlichen  Halle  gar  nicht,  und  es  ist  wahr- 
scheinlich, dass  er  sich  bemüssigt  gefunden  hat,  wenigstens  diesen 
Altar  aus  ihr  zu  nennen,  zumal  er  das  Gebäude  nicht  als  puog, 
sondern  als  oixq/ua  *EQe%&£og  bezeichnet. 

Noch  grössere  Schwierigkeit  bieten  §.  7.  b  die  Worte:  xrjg 
inmootfiag  ocpqxtoxovg  xal  tjuäpxag  d&£xovg.  Dass  noch  von  der 
nördlichen  Halle  die  Rede,  kann  einem  Zweifel  nicht  unterliegen; 
beide  Accusative  xop  ßcouop  und  o<pyxi'oxovg  hängen  von  Ip  xfj  tiqo- 
axäau  ab,  und  Stuart  hat  sehr  unrecht,  hier  schon  an  das  Pandro- 
siou  zu  denken,  von  dem  erst  das  Folgende  wieder  gilt.  Die  Auf- 
seher gehen  von  den  tieferen  Theilen  zu  den  oberen  und  der  Be- 
dachung beider  Hallen.  Die  Decke  oder  Bedachung,  inwooyicc,  ist 
in  Arbeit  genommen;  die  oytjyJoxot  und  i/uäpxsg  sind  aber  noch  nicht 
eingesetzt,  und  diese  Worte  entbehren  aller  näheren  Beziehung. 
Klar  ist  an  sich,  dass  es  Theile  der  Decke  sind;  denn  wollte  man 
sie  auf  die  Znhnleisten  und  die   mit  ionischem   Schmuck   verzierten 


120 

Riemen  darüber  deuten,  so  gehörten  sie  nicht  zur  inwQOfpfa,  sondern 
zum  Mauer-  oder  Säulengebälk.  Nun  sind  a<pyxiozoi,  aus  otprjxsg  stam- 
mend, Wespen,  und  zwar  wie  oßeXCoxoi  aus  oßeAot  mit  dem  Begriffe  der 
Grösse,  und  es  unterliegt  keinem  Anstand,  die  Gip^yJoxovg  von  gros- 
sen Gebälkstückeu  zu  verstehen,  die  gegen  das  Ende  zum  Behuf 
des  Einsetzens  verzapft  und  dadurch  dem  Schnitttheile  des  Körpers 
jener  lmecten  ähnlich  waren.  Das  wären  denn  die  Querbalken, 
d.  i.  die  einzelnen  in  Balkenform  geschnittenen  Steinblöcke,  welche 
zwischen  den  Langbalken  eingesetzt  wurden,  sich  demnach  mit 
ihnen  kreuzten  und  die  Verkrippuugen ,  ^arvcöfiarcc  bildeten;  die 
Langbalken  wären  dann  die  ifiävrsg,  da  sie  als  breite  Riemen 
sich  ununterbrochen  durch  jene  ayqxi'Gxovg  hinziehen.  In  der  süd- 
lichen Halle  (rrj  n^oataaei  rtj  nyog  zip  KsxQonho)  waren  noch  die 
Dachsteine  über  den  Jungfrauen  auszuarbeiten,  welche  schon  oben 
waren  (insQydoaGd-cii  avw&sv);  und  ebenso  die  Muscheln  {x&X%m$t 
d.  i.  die  ionischen  Eier  über  den  Architraven. 

Was  Böckh  unter  der  Ueberschrift  „Pars  posterior"  von  §.  9 
an  zusammenstellt,  braucht  hier  nur  kurz  bezeichnet  zu  werden,  da 
er  nur  die  schon  ermittelten  Abtheilungen  des  Gebäudes  weiter  be- 
schreibt und  keine  neuen  zur  Kenntniss  bringt.  Es  wird  §.9,  10 
aufgezählt,  was  sie  als  ganz  fertige  oder  halbfertige  Werkstücke 
am  Boden  fanden.  Dann  §.11  die  Beschaffenheit  der  Krönung 
iysiaa)  des  Gebäudes,  was  daran  fertig  oder  an  ihr  noch  zu  thun 
war,  berichtet,  wobei  der  Stoa  Erwähnung  geschieht.  Da  die  bei- 
den Säulenhallen  gegen  Nord  und  Süd  immer  als  jiQooraostg  be- 
zeichnet werden,  so  scheint  sie  nicht  mit  Böckh  auf  die  nördliche 
zu  beziehen,  sondern  es  ist  wohl  die  t^dorv^og  gtoc'i  als  Hauptein- 
gang zum  Tempel  von  Osten  her  gemeint.  Dann  geht  die  Auf- 
zeichnung zu  deu  Giebeln,  wie  1.  die  ahriccioi  xwv  ano  rijs  oroc.g 
zeigen,  die  Giebelsteiue,  die  von  der  Stoa  aus  sich  erheben,  wor- 
auf §.12  die  Thiirsteine  (IUI  &vqki  UQ-ivai)  folgen,  die  Böckh  mit 


121 

vollem  Hecht  auf  die  östliche  Tliür  des  Haupfeinganges  bezieht,  da 
unmittelbar  darauf  der  Ohr-  oder  Kragstein  {nciQwxig)  unter  der 
Benennung  ovs  erwähnt  wird,  welcher  8  Fuss  und  eine  Handfläche 
{naXaGr/ri  d.  i.  \  Fuss)  hoch  ist,  die  beiden  Ouersteine  2|  Fuss  in 
die  Breite,  mit  der  Bemerkung,  dass  auf  die  Joche  {ig  rcc  £i>/«)  d.  i. 
zur  Krönung  des  oberen  Pfosten  die  schwarzen  Steine ,  also  die 
eleusinischen,  noch  einzusetzen  waren.  Auch  an  dem  Altar  des 
&vtjx6s  fehlen  mehrere  Stücke,  nach  deren  Nennung  die  Inschrift 
abbricht,  die  uns  demnach  die  Haupttheile  des  Gebäudes  gegen 
Osten  mit  der  Stoa,  die  nördliche  Halle  mit  dem  tfi'/p««,  die  süd- 
liche als  IIcivSooGtov  oder  als  die  der  Jungfrauen  gelehrt  oder  be- 
stätigt, in  der  Quermauer  mit  den  Fenstern  und  Halbsäulen  aber, 
oder  vielmehr  in  ihrem  untern  Bau  das  Kekropion  neben  dem  Pan- 
drosion,  und  das  Adyton  mit  der  Bildsäule  neben  der  nördlichen 
Halle,  und  ausserdem  in  dieser  den  Altar  für  die  Spendungen  zur 
Kenntniss  gebracht  hat. 

VI. 

Die  später  gefundenen  Inschriften. 

Wie  die  erste  Inschrift  für  die  Beschaffenheit  des  Tempels  bei 
der  Wiederaufnahme  des  Baues  unter  dem  Archon  Diokles  und  für 
Kunde  seiner  einzelnen  Theile ,  so  sind  die  später  gefundenen 
für  die  Werkführung  von  Wichtigkeit,  und  sollen  vorzüglich  unter 
diesem  Gesichtspuncte  betrachtet  werden.  Da  sie  in  Deutsch- 
land wenig  bekannt  sind ,  geben  wir  aus  der  Ephemeris  auf 
Taf.  III  ein  Facsimile  der  Abbildung,  und  lassen  in  der  Beilage  den 
in  gewöhnlicher  Orthograghie  übergeschriebenen  Text  mit  Ergänzun- 
gen von  Herrn  Rhisos  folgen.  —  Das  Kekropion  und  die  kekropischen 
Mauern  (  .  .  EKOÜION  .  .  .  EKP011JKJ  n.  56  B.  Z.  19,  20), 
die  Säulenstellung  gegen  Morgen  (n.  57  A.  Z.  36.),  die  grosse 
Halle,  die  auch  hier  als  nQÖorriüig  mit  Säulen  auftritt  (n.  56  A.  Z. 

Abhandlung  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak  der  Wi;>s.  V.  Bd.  III.  Ablh.  16 


122 

15)  und  das  Anlötben  der  Reliefe  (n.  57  B.  Z.  38),  das  aof  eleusi- 
uiscbem  Stein  geschah,  von  dem  auf  der  Burg  allein  das  Erech- 
theum  Spuren  und  Ueberreste  zeigt,  nicht  weniger  der  Umstaud, 
dass  der  Bau  ein  ionischer  war,  wie  die  häufige  Erwähnung  der 
Muscheln  oder  ionischen  Eier  und  die  der  Säulenaugen  (n.  57 
A.  Z.,  43)  welches  die  inneru  Puncte  der  ionischen  Convolute  sind, 
beweisen,  dass  auch  sie  vom  Bau  des  Erechtheums  handeln. 

Die  Zeit  dieser  zweiten  Werkführung  ist  nicht  angegeben, 
da  die  Einleitung  der  Inschrift  fehlt;  doch  zeigt  der  Abbruch  der 
Baugerüste,  dessen  sie  gedenkt  (n.  62  a.  I.  14  ixqiw/ucctcc  xa&sXovai 
rcc  äno  xiov  xiövwv  wöv  Iv  ttj  TiQOGräoti),  dass  es  wenigstens  an  den 
Theilen,  wo  diese  stunden,  also  in  der  nördlichen  Halle,  der  Haupt- 
sache nach  vollendet  war,  während  in  der  ersten  Inschrift  die  Ar- 
beiten nur  bis  zum  Dache  sich  erstreckten,  und  auch  an  den  Mau- 
ern, Thüren  und  Säulen  Vieles  noch  abging.  Dagegen  werden  an- 
dere Gerüste  für  die  enkaustischen  Maler  errichtet  das.  Z.  21: 
ixQuÖGaoi  rotg  iyzavraig  rov  {ßv^tös  vno  ztjv  ooocprjv,  also  für  die 
inneren,  enkaustisch  zu  bemalenden  Verzierungen,  zum  Zeichen,  dass 
der  Bau  abgeschlossen  war.  Hr.  Rhisos  sucht  das  Jahr  der  Inschrift 
aus  dem  Umstände  zu  ermitteln,  dass  unter  den  Schatzmeistern 
der  Göttin  {ra/nimg  rijg  &sov)  Aresaichmos  aus  Argylä  ^Aorjacciyjiov 
'AQyqAv&w)  wiederholt  (n.  57  A.  Z.  28  das.  B.  Z.  25.)  genannt  wird. 
Nun  kommt,  wie  Hr.  Rhisos  bemerkt,  in  einer  andern  Inschrift  (n.  96) 
ein  Schatzmeister  der  Göttin  aus  Argylä  unter  Ol.  92,  2  vor,  des- 
sen Namen  zwar  verloren,  der  aber  Aresaichmos  um  so  eher  sein 
kann,  als  unter  den  durch  eine  lange  Reihe  von  Inschriften  über  die 
Schätze  des  Partheuon  in  ziemlich  grosser  Anzahl  vorkommenden 
rcc/ntaig  trjg  &sov  jener  Jahre  kein  anderer  aus  diesem  Orte  genannt 
wird.  Die  Inschrift  fällt  dann  Ol.  93,  2,  in  das  dritte  Jahr  nach  der 
ersten  (unter  Diokles  Ol.  92,  4)  und  zeigt,  wieweit  der  Bau  bei  nicht 
übermässigem  Aufwand  in  nicht  vollen  drei  Jahren  fortgeführt  war. 


123 

Es  sind  von   ihr   zwei  grössere  Stücke  n.   56  und  67   und    einige 
kleinere  n.  68  ff.  erhalten. 

Offenbar  aber  ist  es,  abgerechnet  den  Wechsel  der  Personen, 
dieselbe  Behörde,  welche  wir  kennen,  die  hier  für  ihr  Jahr  Rech- 
nung ablegt,  die  drei  Inioxarai  tov  vsw  rov  iv  noXu,  iv  iu  rb  dq^alov 
ccyaAjucc  iari,  mit  dem  Unterschreiber  (vnoyQccjuuaTsvg)  Pyrgion,  den 
die  Inschrift  unter  zwei  Prytanieen  nennt  (n.  56  A.Z.  56,  n.  57  B.  Z.  8). 
Die  Behörde  war  übrigens  nicht  nur  für  den  Bau,  sondern  für  die 
ganze  Verwaltung  des  Heiligthums  eingesetzt,  und  unterscheidet  da- 
rum den  Aufwand  für  das  Haus  {icayüXcuov  avaXwjuarog  <hköv)  von 
den  Bedürfnissen  für  den  Cultus;  doch  sind  diese  gering:  es  wer- 
den für  Opfer  am  Monatsanfang  fcV#  xal  via  slg  S-voiav  rfj  'Afriyvctifi 
(n.  57  B.  Z.  29)  nur  4  Drachmen,  3  Obolen  aufgeführt.  Es  war  wahr- 
scheinlich ein  Opfer,  das  die  Behörde  als  solche  der  Göttin  darzu- 
bringen hatte.  Die  Summe  für  ein  öffentliches  (sig  tsQa  .  .  .  unöv 
drju  .  .  .  .)  hat  sich  nicht  erhalten.  Die  Rechnungsablage  geschieht 
nach  den  zehn  Prytanieen,  welche  durchschnittlich  je  auf  36  Tage 
im  Senate  und  der  Versammlung  nacheinander  die  Regierung  leite- 
ten. Am  Anfange  jeder  Prytanie  empfangen  sie  den  für  die  Periode 
berechneten  Bedarf  als  Vorschuss  (Ärj/uftct,  Ztjuuata)  von  dem  Schatz- 
meister der  Göttin  (n.  56  A  Z.  60,  u.  57  A.  Z.  25:  int  tijg  Jlctv- 
diovidog  oydorjg  nQVTavsvovatjg^uiinr  et  tkxqcc  ra/utäiv  rt]g  &soii),  be- 
stritten davon  die  einzelnen  Posten  {ccvahatuurci),  welche  ohne  wei- 
tere Ordnung  und  offenbar  in  der  Folge,  wie  sie  zahlbar  werden, 
auftreten,  und  ziehen  am  Ende  die  Abgleichung  von  Zfj/uuci  und 
ävaXoi^xa  (u.  57  A.  Z.  22:  Atj/u/uoc  . ..  ccvccXw/acc  rb  civrö).  Man  sieht  also 
dass  hier  nach  Voranschlägen  verfahren,  und  die  Arbeit  genau  nach 
ihnen  bemessen  wurde.  Doch  kommt  auch  eine  Nachzahlung  (n.  56 
A.Z.  51)  aus  der  vorhergehenden  Prytanie  vor,  zum  Zeichen,  dass 
Ueberschreitung   des    Voranschlags   iu    einzelnen    Fällen   nicht    eben 


versagt  war. 


16* 


124 

Bei  der  Berechnung  werden  die  Ausgaben  für  Lohn  als  ävÜAco/ua 
von  der  für  Ankauf  von  Materialien  zürn  Geschäfte  der  Commis- 
sion  und  zum  Bau  (witqua)  getrennt  (n.  57  A.  Z.  13),  und  sind  die 
einzelneu  Posten  aufgezählt.  Oefter  werden  die  Arten  des  Auf- 
wandes avaätojua  tsxtovixÖv,  Xtdovqyizöv  für  Holz-  und  Steinarbei- 
ten, erst  im  allgemeinen  genannt,  und  dann  nach  Rubriken  für  ein- 
zelne Gewerke  und  Künstler  geschieden,  ebenso  der  Lohn  (uio&6g) 
für  Baumeister  und  Unterschreiber  aufgeführt,  und  die  Summe  (xt- 
ipe'i?>cuov)  jeder  Rubrik  gezogen.  Selbst  wo  nur  Eine  Rubrik  war,  wird 
das  nicht  vergessen  (in.  57.  Z.  33.)  Kehrt  die  Hauptabtheilung  selbst 
wieder,  so  wird  am  Schlüsse  die  Hauptsumme  berechnet  (ovunaisTog 
livaXwfxcaos  y.^ft'.Xaiov  n.  56  A.  Z.  56),  und  die  Genauigkeit  der 
Rechnung  steigt  noch  dadurch,  das  beinahe  durchgehends  jeder  Em- 
pfänger einzeln  mit  seinem  Namen  und  mit  seinem  Demos  oder  Wohn- 
ort manchmal  auch  mit  seines  Vaters  Namen  aufgeführt  wird. 

Auch  über  das  Formale  der  Rechnungsstellung  werden  wir  be- 
lehrt. Es  wird  der  Kanf  der  Steinplatten  {occviötg  n.  57  B,  Z.  33 : 
öavi'dsg  TtGGccQzg  zu  4  Drachmen)  berechnet,  auf  denen  die  Rechnung 
einzugraben  ist,  und  das  Papier,  auf  welches  die  Abschrift  kommt 
(das.  Z.  31 :  xc'iqtcu  itovij&rjGav  dvo,  sig  ag  rci  avTiyQCKfa  ivsyQ('iif>c<u8^, 
zu  2  Drachmen,  4  Obolen ;  jene  wohl  zum  Behuf  öffentlicher  Aus- 
stellung und  als  Grundlage  der  Rechenschaft  (sv&vviß,  welche  Vor- 
steher und  Schatzmeister  am  Schlüsse  ihrer  Amtsführung  dem  Volke 
schuldeten,  diese  zur  Niederlegung  im  öffentlichen  Archive,  welches 
auch  die  Abschriften  sämmtlicher  yqyiouaTc:  enthielt  und  späteren 
Historiographen  in  ihnen  die  sichersten  Urkunden  lieferte.  Die  Originale 
blieben  als  ein  Steinarchiv  auf  der  Burg  zurück,  unter  deren  Trüm- 
mern so  viele,  theils  ganz,  theils  zerbrochen,  auch  über  Verwaltung 
des  grossen  Schatzes  im  Parthenon  gefunden  wurden. 

Da,  wo  eine  grössere  Arbeit  verdungen  wird,  kommt  neben 
den    Arbeitern   der  piG&wrqg  und   iyyvt]T^g,    der    Unternehmer  und 


125 

der  Bürge  vor  (bei  der  Eukausis  des  xv/udrioy:  /uio&ioTijg  J  .  .  .  . 
ooSwqoq  iv  MsAtrtj  ot .  .  .  yvtjttjg  'HQaxZstdtjg  n.  36  A.  Z.  46.  Vgl. 
n.  37  B.  Z.  17.  bei  einem  Vertrag  über  103  Foss  enkaustischer  Ar- 
beit). Jener  dingt  und  bezahlt  dann  die  Arbeiter  (&Qyofa'ißovg),  wie 
es  scheint,  aus  dem  Vorscbuss  (Ar/u/ua),  und  dieser  haftet  für  die 
Sicherheit  des  zu  Leistenden  und  hier  namentlich  des  Vorgeschos- 
senen. Dasselbe  Verfahren  besteht  noch  jetzo  bei  Pachtverträgen 
im  Orient  und  in  Griechenland,  wo  z.  B.  der  Bürge  des  Zehntpäch- 
ters, meist  ein  reicher  Capitalist,  Kaufherr  oder  Wechsler,  für  die 
Einhaltung  des  Vertrages  des  /MaSwrijg  haftet,  und  dafür  nach  dem 
Betrage  seiner  Haftung  vom  Unternehmer  entschädigt  wird.  Da  für 
den  Unternehmer  keine  besondere  Vergütung  aufgeführt  wird,  so  folgt, 
dass  die  von  ihm  gedungenen  Arbeiter  ihm  einem  Theil  ihres  Lohnes 
zu  entrichten  hatten ,  wie  Aehnliches  noch  jetzo  die  Gesellen  des 
Zimmer-  und  Maurerhandwerks  an  den  Meister  zu  leisten  haben, 
der  ihnen  die  Arbeit  verschafft  und  sie  auf  seine  Rechnung  führt. 
Die  Einkünfte  für  den  Bau  beschränken  sich  auf  zwei  Rubriken, 
auf  Gold  und  Blei.  Die  Berechnung  des  Lohnes  umfasst  alle  Zweige 
der  Bauthätigkeit.  —  Neben  dem  Aufwand  für  die  Arbeiter  (tti/df.wjua) 
und  dem  Lohn  (/uiG&ög)  für  Architekten  und  Unterschreiber  stehen 
Einkäufe  {ßp^fmzqc)  für,  dien  Bau,  welche  sich  jedoch  ausser  dem  er- 
wähnten Aufwand  für  Platten  und  Papyrus,  nur  auf  Gold  für  Aus- 
schmückung der  Mauerdecken  und  Säulenaugen  ,  und  auf  Blei  zur 
Aulötliuug  der  Reliefe  erstrecken. 

Ueber  den  Betrag  der  Löhne  gibt  die  Inschrift  sehr  erwünschten 
und  mannigfachen  Aufschi uss.  Sie  sind  durchweg  sehr  massig, 
selbst  für  den  Architekten,  der  allerdings  nur  noch  die  Aufsicht 
über  die  Bauführung  zu  besorgen  hat.  Die  Pläne  und  Risse,  Maasse 
uud  Berechnungen  der  einzelnen  Theile  sind  offenbar  aus  früheren 
Jahren  vorhanden,  und  wurden  nach  den  hier  hervortretenden  Ana- 
logien besonders  vergütet.    Gegenwärtig  empfängt  er  für  die  Dauer 


(26 

der  Prytanie  von  36  Tagen  nicht  mehr  als  36  Drachmen,  also  eine 
Drachme  den  Tag,  der  Unterschreiber  nur  6  Drachmen  weniger 
(n.  57  B.  Z.  8;  mg&o£  uq%iT&.rovi  'Aq/iXo/oj  'Joyvty&w  AäAUt 
vnoyQci/ujuarM  Xlvqylwvi  'Oxqvvu  AAA),  so  dass  auf  den  Tag  5 
Oboli  treffen.  Dauert  die  Prytanie  37  Tage,  so  wird  der  Taglohn 
nach  diesem  Betrage  ausgeschlagen  (n.  56  A.  Z.  35,  wo  Z.  28 
die  Summe  {r.apctlcnov  juig&ov)  für  ihn  mit  67  Dr.  5.  Ob.  gezogen 
wird).  Zur  weiteren  Erläuterung  dieser  scheinbar  geringfügigen  Be- 
zahlung des  Architeckten  dient,  dass  auch  der  Gesandte  der  Re- 
publik mit  nur  2  Dr.  Tagegeld  bei  Aristoph.  Acharn.  eingeführt 
wird,  und  die  10  Gesandten  an  Philippus  auf  3  Monate  1000 
Drachmen,  also  jeder  100  Dr.  auf  120  Tage,  d.  i.  täglich  5  Obolen 
—  so  viel  wie  hier  der  Unterschreibe!-  —empfingen;  (Demosth.  tisq} 
naqanqsoß.  S.  390  Z.  20  Reiske),  und  der  Redner  bemerkt,  von 
keinem  andern  Staate  würden  sie  so  viel  bekommen  haben. 

Für  die  Baugewerke  ist  der  Lohn  von  verschiedenem  Belang, 
der  offenbar  nach  Schwierigkeit  und  Feinheit  derselben  bemessen 
wird.  Eine  Drachme  scheint  der  durchschnittliche  Lohn  auch  für 
den  Handwerker  da,  wo  er  nach  Tagen  bezahlt  wird,  wie  für  die 
Säger  oder  Schreiner  (tioiötcu),  wo  dann  Phaidios  aus  Kollvtos  mit 
seinem  Gehülfen  (ovvsoyog),  der,  weil  er  nicht  genannt  wird,  wohl 
sein  Lehrling  oder  Knecht  ist,  erst  auf  sechzehn  Tage  mit  32  Drach- 
men, dann  auf  7  Tage  mit  14  Drachmen  aufgeführt  wird,  n.  56:  A. 
Z.  29:  noCGTcug.  Dagegen  nur  5  Obolen  dem  Zimmerer  für  den  Tag, 
(n.  56  B.  zu  Anfang)  und  wieder  vier  Drachmen  für  diejenigen 
welche  das  Dach  aufrichten,  die  Gerüste  abbrechen,  und  die  Last- 
träger beim  Bau  (n.  56  A.  Z.  20),  doch  ohne  Bestimmung  der  Ar- 
beitszeit, für  welche  die  Zahlung  geschieht.  Andere  Arbeiten  wer- 
den nach  demMaasse  bezahlt,  wie  den  Enkausteu  5  Obolen  für  den 
Schuh  (n.  56j !  B.  Z.  45),  oder  nach  Stücken:  dem,  der  das  y.vuäxiov 
anlöthet  (n.  56  B.  Z.  18)  für  jede  Oeffuung    {onulov)  2  Drachmen, 


127 

zwölf  Drachmen  für  sechs  Oeffnungen,  wovon  nachher.  So  die  Ca- 
nelirung  der  Säulen;  doch  ist  der  Befrag  för  die  einzelnen,  über 
welche  die  Rechnung  reicht,  ein  verschiedener  ond  wird  unter  die 
einzelnen  Arbeiter  vertheilt ,  von  denen  bei  der  zuerst  genannten 
der  erste  19,  die  vier  andern  je  einer  18  erhalten;  die  nächsten 
100  Dr.  wurden  unter  5  Arbeiter  je  zu  20  Dr.  vertheilt,  ähnliche 
Summen  für  die  daranstossenden  Theile  (twv  i%o[i£vwv  igijg):  von 
denen  nachher  die  Rede  seyn  wird.  Dessgleichen  für  die  Glättung 
von  zwei  Wandpfeilern  (doSooTUTai)  an  einen  Arbeiter  36  Drachmen 
(n.  57  A.  Z.  62]. 

Erheblich  sind  die  Befrage  für  die  Ausführung  der  in  dem 
Fries  zur  Anheftung  an  den  eleusinischen  Stein  bestimmten  Relief- 
figuren, welche  einzeln  verdungen  werden  (n.  57  A.  zu  Anfg.)  100 
Drachmen  für  den  Mann  mit  der  Lanze,  60  Drachmen  an  Phyromo- 
chos  von  Kephissia  für  den  Jüngling  neben  dem  Panzer  (tiuqu  tov 
frwoaxa),  120  Dr.  an  Praxias  aus  Melita  für  das  Pferd  und  das, 
was  von  hinten  gesehen  wird  und  ausschlägt.  (TONH  .  .  .  .  N. 
xcd  tov  omodoipavrj,  x  .  .  .  .  qovovtcc).  Die  Inschrift  fährt  fort: 
Antiphanes  (ix  Ksqcc^ojv)  den  Wagen,  den  Jüngling  und  die  ein- 
gespannten zwei  Pferde  240  Dr.,  Phyrouiachos  aus  Kephissia  den, 
der  das  Pferd  führt,  60  Dr.  Mannion  aus  Argyle  das  Pferd  und 
den  Mann,  der  es  treibt  (tov  imxQovovra),  und  die  Stela  hat  er 
später  beigefügt,  127  Dr.  Soklos  aus  Alopeke  den,  der  den  Zügel 
hält,  55  Dr.,  Phyromachos  aus  Kephissia  den  Mann,  der  sich  auf 
den  Stab  biegt  (tov  im  xijg  ßaxTijQtag  tOT^xöra),  den  neben  dem 
Altare  60  Dr.,  Jasos  (KoMvtivq}  die  Frau,  der  das  Mägdlein  sich 
anschmiegt,  (Ttjv  yvvcuxa ,  fi  fj  nalg  noogniriTioxs  n.  20)  80  Dr.,  so 
dass  hier  eine  ganze  Reihe  von  Sculpturen  auftritt.  Die  Reste  der 
Arbeit,  welche  sich  unter  den  Trümmern  vorgefunden  haben,  und 
die  Hr.  Rhisos  uuter  N.  61  bis  85  aufführt,  zeigen  grossartigen 
Styl  und   ausnehmende   Zartheit   der   Arbeit,     unter    ihnen    mehrere 


128 

Torsos  von  Männern  und  Jünglingen,  auch  andere  von  Frauen,  zum 
Theil  sitzend,  eine  (n.  72),  die  einen  nackten  Knaben  auf  dem 
Schoose  hält,  auch  die,  an  welche  das  Mägdlein  sich  schmiegt, 
das  Werk  des  "laoog  KoZZvrevg  {rr\v  yvvuTxa,  fi  ij  ncdg  TXQogntmwxs 
n.  57  A.  Z.  20),  n.  71,  beide  Figuren  bis  auf  Kopf  und  Hals  er- 
haben. Von  jenen  Meistern  ist  durch  andere  Meldungen  zunächst 
Phyromachus  mit  Ruhm  bekannt.  Er  bildete  Alcibiades  auf  einer 
Quadrige,  und  war  unter  den  Künstlern,  welche  für  Attalus  und  Eu- 
menes  die  Schlachten  gegen  die  Gallier  darstellten  Pliu.  h.  N. 
XXXIV.  c.  8,  S.  19.  Seine  Heimath  wird  durch  unsre  Inschrift 
bekannt,  und  sein  Zeitalter  durch  eben  dieselbe  bestätiget.  Auch 
Pruxias  wird  mit  Ruhm  genannt  als  Urheber  der  Marmorwerke  im 
Giebel  des  Apollo-Tempels  zu  Delphi,  und  als  Schüler  des  Kniamis, 
(Paus.  S.  X,  19.  3J,  dessen  Zeitalter  dadurch  eine  nähere  Bestim- 
mung erhält,  dass  sein  Schüler  gegen  das  Ende  des  peloponnesischeu 
Krieges  in  rühmlicher  Tbätigkeit  erscheint.  Des  Mammion,  Soklos 
und  Jasos  geschieht  nur  in  unserer  Inschrift  Erwähnung.  Modelle 
von  Wachsbildnern  (ytjQon^ckjrag)  werden  zwei  erwähnt,  eines  zu 
den  Muscheln  {xe/J.xc.i)  oder  dem  ionischen  Eierstabe  (n.  57  B  zu 
Anfg.  .  .  AEIFM  ...  A  d.  i.  nctQiidslyuctTci  nXctrxovöi  twv  yal.y.üjv 
eig  rci  y.uXvfjixertcc),  welche  mit  8  Dr.,  und  daselbst  eines  für  den 
Akanthusschmuck  (tTSQOv  ixaQccSsiyfia  nkinoaai  rijp  uxav&ov  sig  rcc 
xaZvjA'/uciToc),  ebenfalls  8  Dr.  zusammen  {y.ztfäXcaov  xrjQOTxXäoTaig 
AJiy).  Die  yaZvjUjuaTa  sind  die  Deckel  der  Casetten  in  der  Decke; 
die  Muschel  und  der  Akanthus  beziehen  sich  auf  die  Gliederung 
des  Gebälks ,  dessen  gevierte  Oeffhung  sie  zu  schliessen  be- 
stimmt sind. 

Nimmt  mau  dazu  die  Tbätigkeit  der  Vergolder  (xQva'Z<>01)- 
deren  Bezahlung  ausgefallen  ist,  aber  denen  die  Goldblätter  zum 
Vergolden  der  Muscheln  (168  Blätter,  das  Blatt  zu  1  Dr.)  bezahlt 
wurden  (u.  57  B.  37:  xqvgöv  lojvrj&ri  dg  rag  %dXxag  nixcila  77FL4F1P 


129 

tQaxurjs  hiaorov  rö  nstaXov),  und  Z.  41  zwei  Blätter  zu  2  Dr.  zum 
Vergolden  der  Säulenaugen  {ig  za>  otpfrahiuo  rov  yJovog),  endlich 
der  inneren  Ringe  der  ionischen  Convolnte,  und  den  Ankauf  von 
Blei  für  die  Befestigung  der  Figuren  am  Friese,  von  eleusinischeui 
Steine  {dg  nQogfrtoii/  Uodtwv'),  von  dem  2  Pfund  zu  5  Dr.  verrech- 
net werden  (n.  57  B.  Z.  38),  so  hat  man  einen  in  das  Einzelne 
gehenden  Einblick  in  die  ganze  Gewerbthätigkeit,  die  sich  bei  dem 
seiner  Vollendung  entgegeneilenden  Prachtgebäude  entfaltet  und  das 
Ganze  zu  einer  harmonischen  Einheit  bringt,  während  gleichwohl 
die  Theilung  der  Arbeit  nach  ihrer  architectonischen ,  plastischen 
und  ornamentalen  Richtung  bis   in  das  Einzelne  durchgeführt  war. 

Die  Werkstücke,  dieTrommelu  der  Säulen,  die  Basen,  die  Capi- 
telle  und  das  Gebälk  sind  vorhanden  und  nach  den  Maassen  des 
Risses  durch  die  Steinhauer  hergestellt,  auch  grossentheils  an  Ort 
und  Stelle.  Die  Arbeit  ist  an  die  Bedachung  vorgerückt,  die  Can- 
nelirung  {qüßdwoig)  der  Säulen,  die  Abglättung  der  Wandpfeiler 
{naQuoiärat),  die  Ausstattung  des  Frieses  mit  Reliefen,  die  Aus- 
schmückung der  architectonischen  Glieder  des  y.vfxdriop  und  der 
Muscheln  mit  enkaustischer  Malerei,  und  die  Vergoldung  einzelner 
Theile,  der  Muscheln,  der  Säulenaugen  werden  vorgenommen,  die 
Bangerüste  werdeu  von  den  äusseren  Theilen  abgebrochen,  aber  an- 
dere den  Malern    im  Inneren  erbaut  (n.  56  A  zu  Anfg). 

Vergleicht  man  aber  die  hier  auftretenden  Kunstarbeiter,  es 
ist  der  t£xt(jdv,  jiQiorqg,  fafrovQfög,  iyzavtrig,  %QvGox6og,  Kr\qonXaGXi]g 
sammt  denen,  welche  die  Canelirung  der  Säulen  {gaßdiootg  nov 
r.i6viov\  die  Verfertigung  der  Muscheln  {xäXyat) ,  und  bei  einzelnen 
Theilen  die  Löthung  oder  Kittung  {TisowöklrjGig)  besorgen,  mit  dem 
plutarchischen  Kataloge  der  Arbeiter  und  Künstler,  welche  Perikles 
durch    seine    grossen  Bauunternehmnngeu    in    Nahrung    setzte     ( vit. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.   d    k.  Ak.   d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Ablh.  17 


130 

Pericl.  c.  12:  zixxovhg,  n?.äorai ,  xctXxozvxoi ,  Ai&ovQyot,  ßctifttg, 
XQVGov  jua^axztJQtg,  sÄfyavzog  ZwyQccyoi,  txoixiXzcJ,  toqsvzcci),  so  leh- 
ren die  Inschriften,  dass  jene  Thätigkeit  auch  nach  ihm  noch  fort- 
ging. Zwar  fehlen  hier  die  xttto.oxvnöi ,  ßacpüg,  noixü.zaC,  zoQtvzai,  da 
es  sich  hier  nicht  von  getriebenem  Erze,  von  Färberei,  von  einge- 
legter Arbeit  der  -noixiXrcii ,  noch  der  Toreutik  handelte;  dagegen 
sind  erwiesen  z^xzovtg,  txXuotcu,  fa&ovQyoi,  und  selbst  yQVGoyöoi  und 
L,ioyQcc(poi  (wenn  die  iyxavzcn  als  Maler  gelten  sollen)  lassen  sich 
im  Plutarch  aus  den  offenbar  verdorbenen  und  falschverbnndenen 
Worten  xqvgov  /nctXccxzfjQsg,  IXtyctvzog  twyoc'ufoi  herstellen.  Was  näm- 
lich die  xqvgov  juaAaxzjJQtg,  die  iXtyuvzog  'Cojyäcfoi  sind,  hat  Niemand 
gelehrt  und  kann  Niemand  lehren.  Denn  das  Gold  wird  nicht  er- 
weicht {/LtaActoGSTcu),  sondern  getrieben  oder  geschmolzen;  das  El- 
fenbein wird  nicht  gemalt,  sondern  bleibt  in  seinen  Hanpttheilen  in 
der  natürlichen  Farbe.  Gleichwohl  hat  selbst  Schäfer  noch  die 
Unordnung  im  Text  gelassen,  Hase  wenigstens  ilkipavzog  noixiXzni 
umgesetzt,  wodurch  die  Maler,  C,wyQ('>.ipoi,  aus  der  angehörigen  Ver- 
knüpfung abgelöst  und  selbstständig  werden;  doch  auch  das  reicht 
nicht  hin  und  Facius  schrieb  mit  vollem  Recht:  xQVG0X00/j  uctM'.xzrjQhg 
tteipavzog,  'CojyQCi(foi.  Wir  bekommen  dadurch  die  xQVG0X00V^  unse- 
rer Inschrift  als  in  den  pericleischen  Bauten  beschäftigt,  und  was 
die  juaÄcxzrJQtg  £A,£<pctvzog  seyen,  ist,  da  die  Alten  das  Elfenbein 
zu  erweichen  und  dehnbar  zu  macheu  wussten,  ebenfalls  leicht  zu 
verstehen. 

Wie  hoch  die  ganze  Summe  sich  belief,  welche  während  des 
Jahres,  von  dem  die  Inschrift  handelt,  auf  die  Führung  des  Baues 
gewendet  wurde,  lässt  sich  ans  diesen  Bruchstücken  der  Baurech- 
nung zwar  nicht  mit  Bestimmtheit  angeben ;  die  Vorsteher  kauften 
4  Steinplatten  zur  Aufzeichnung  ihrer  Rechnungen.  Deren  sind  nur 
zwei,  und  auch  diese  in  fragmentarischem  Zustande,  zu  uns  gelangt. 
Doch  haben  sich  in    ihnen    die    Hauptsummen    von    zwei  Prytanieeu 


131 

erhalten;  von  der  Einen  (n.  57  A.  Z.  21),  deren  Name  fehlt,  ein 
Rechnungsschluss  in  der  Abgleiehung  des  Aqu/ua  und  dvaAco/ua  mit 
3302  Dr.,  von  der  andern,  welche  der  frühem,  (das.  Z.  25)  als  die 
achte,  die  Pandionis,  unmittelbar  folgt,  Z.  29  der  Vorschuss  mit 
1239  Dr.  1  Obo!.  Nach  Berechnungen  der  Zahlungen  für  Caneli- 
rungei),  Sculpturen,  und  der  Arbeit  auf  der  andern  Colonne  dersel- 
ben Platte  kommt  Z.  22  der  Schluss  der  Prytanie,  und  von  dem  Ein- 
tritt der  Aegeis  dieselbe  Summe,  als  Arj/uua  und  avaXoi^a,  abgegli- 
chen ;  aber  von  dem  Afj^ua  dieser  Aegeis  hat  sich  nur  ein  Bruch- 
theil  der  Zahl  //////  erhalten.  Nimmt  man  nun  von  beiden  Zahlen 
3302  und  1239  die  Summe  von  2200  als  die  durchschnittliche  an, 
so  beträgt  für  die  zehn  Prytauieen,  d.  i.  das  ganze  Jahr,  der  Auf- 
wand 22,000  Drachmen,  welche  durch  die  Massigkeit  der  Preise 
und  Löhne  und  durch  die  Sorgfalt  der  Verwaltung  für  einen  so 
viel  umfassenden  Zweck  als  hinreichend  erscheinen  und  zum  Be- 
weise dienen,  dass  die  Athenäer  auch  in  den  Bedrängnissen  eines 
unglücklichen  Krieges,  so  wie  sie  nur  einiger  Massen  frei  aufath- 
meren,  Mittel  fanden,  die  rühmlich  begonnenen  Werke  der  Akropolis, 
den  Glanz  und  Stolz  ihrer  Stadt,  der  Vollendung  entgegen  zu 
führen. 

Wie  viel  an  dem  Gebäude  nach  dieser  Arbeit  noch  zu  thun  übrig 
war,  lässt  sich  zum  Theil  aus  den  Inschriften  entnehmen.  AmKekro- 
pion  und  der  kekropischen  Mauer,  von  denen  die  ältere  Inschrift 
begann,  wurde  noch  gearbeitet  (n.  56  B.  Z.  21  .  .  .  sxQÖmov  .  .  .  . 
KsxQOTuxä),  wie  die  fragmentirte  Erwähnung  jener  Theile  zeigt; 
aber  man  sieht  nicht  was,  und  wie  viel.  Wahrscheinlich  wurden 
sie  vollendet,  wie  die  daranstossende  Querhalle  wohl  vollendet 
war  und  das  Pandrosion,  da  ihrer  keine  Erwähnung  geschieht.  Be- 
züglich der  nördlichen  Halle  wird  die  Glättung  der  Wandpfeiler 
neben  dem  Altare  des  d-vrjyög  erwähnt  (n.  57  B.  T02  OPQOZ  .  .  . 
A2  K.ATAX  .  .  .  NT!  d.  i.  tovg  ÖQ&oordrag  xara^ijvavri,  dann  rat 

17* 


132 

nctQa  rov  .  .  .  rj%ov  fiwjuov).  Ebenso  bezieht  sich  der  oben  erwähnte 
Abbruch  des  Gerüstes  hieher  (n.  56  A.  15:  ixQiwjuartc  y.icfrü.ovai 
tcc  ccjto  rwv  y.iövvov  xmv  iv  rjj  jiQooraoti) ,  zum  Zeichen,  dass  hier 
die  Canelirung,  und  was  damit  zusammenhing,  vollendet  war.  Im 
Innern  aber  war  die  Decke  gelegt,  und  wurden  den  enkaustischen 
Malern  für  die  Arbeit  an  ihr  die  Gerüste  gemacht  (das.  Z.  21: 
ixQUÖGKGi  nng  iyxetvrcug  ix  rov  ivrög  vno  ri]v  OQCHpijv'). 

Aul'  die  Cella  des  Haupttempeis  und  seiner  Vorhalle  scheint 
sicli  die  Hauptarbeit  zu  beziehen.  Der  Fries  aus  eleusinischem 
Steine  war  über  ihr  schon  unter  Archon  Diokles  aufgestellt.  Jetzo 
wird  die  Ausarbeitung  der  marmornen  Figuren  belichtet,  welche  zu 
seinem  Schmucke  bestimmt  waren ,  der  Kauf  des  Bleies  ( n.  67 
B.  Z.  38)  zu  ihrer  Anlöthung.  Ob  die  Enkausis  des  Kymation, 
welche  n.  57  B.  Z.  13  gemeldet  wird,  und  dem  Enkauten  für  113 
Fuss  Länge,  den  Fuss  zu  5  Oboleu,  bezahlt  wurde,  sich  auf  die 
Bemalung  dieses  Cellafrieses  erstreckt,  wie  Hr.  Rhisos  annimmt,  ist 
zweifelhaft,  obgleich  nach  seiner  Messung  die  innere  Länge  der 
südlichen  und  der  nördlichen  Cellamauer,  diese  bis  zur  westlichen 
Quermaner  gerechnet,  das  berechnete  Maass  gibt.  Denn  die  An- 
gabe, dass  die  Zahlung  für  das  Kymation  an  einem  Epistyliou 
(lyzriovTi  to  xv^ichiov  rö  im  n«  imorv/ucp  rw  ivrög)  geschah, 
könnte  nur  mit  grosser  Freiheit  auf  die  Wand  gedeutet  werden, 
die  kein  imoxvAiov  hat,  und  xo  xvßjf.ilov  xo  im  xw  imoxvÄün  ist 
wohl  die  steigende  Welle  über  dem  Architraven,  welche  diesen  vom 
Fries  trennt,  und  das  Kymation  über  dem  innern  Architraven,  rl.  i. 
über  der  nach  innen  gerichteten  Seite  desselben,  bezieht  sich  dann 
auf  die  von  diesem  Glied  um  die  nördliche  Vorhalle  und  im  innern 
Pronaos  eingenommene  Fläche,  zumal  der  Bau  der  Gerüste  für  den 
Enkauten  in  jener  für  das  Innere  besonders  erwähnt  wird.  Doch 
zeigt  der  sehr  fragmentirte  Schluss  der  Inschrift  n.  56  B,  wo  Be- 
zahlung von   5    Männern  je   mit   einer    Drachme    bemerkt   wird  und 


133 

Z.  30  weiter  folgt:  PIA  KAQEAOY  .  .  2IN  AUO  TO  T..  .  0  .  . 
A4*0NTAZ .  .  .  d.  i.  ixqik  y.cc&sXovOi  and  rov  tsi/ovs  rov  ccip  cov 
(viell.  *V  °v)  ™  üipdtä;  dass  von  der  äusseren  Mauer  des  Haupt- 
baues,  ebenso  wie  von  der  nördlichen  Halle  das  Gerüst  niederge- 
legt wurde,  hier  also  der  Bau  ebenfalls  fertig  war. 

Umfassend  sind  die  Arbeiten  au  der  östlichen  Halle  oder  dein 
Pronaos,  deren  Berechnung  einen  grossen  Theil  der  Inschrift  it.  57 
einnimmt,  die  aber  an  bedeutenden  Schwierigkeiten  leidet.  Sie  wer- 
den rubrizirt  für  Qclß8tob*is  der  Säulen  und  rct  i'/o^ieva  in  der  Weise, 
dass  nach  dem  Abschnitt  über  die  Canelirung  von  A  und  die  Arbeiten 
an  ihr  drei  Abschnitte  über  die  Bearbeitung  der  itf&fisvd  Sgfjg  fol- 
gen (n.  57  A.  Z.  34 — 60).  Ebenso  wird  nach  einem  über  die  Ab- 
glättung der  Wandpfeüer  in  der  nördlichen  Halle  eingeschobenen 
Artikel  bei  der  zweiten  Säule  B  verfahren  (das.  B.  Z.  63—85  wo 
der  Text  im  dritten  Abschnitt  der  Ifyojüstfä  abbricht),  und  nicht  anders 
bei  der  dritten  C  (das.  Z.  47),  welche  der  zweiten  [unmittelbar  folgt 
Dann  aber  findet  die  vierte  (D)  nur  einfache  Erwähnung    mit  ihren 

5  Arbeitern  (u.  64  —  69),  ohne  dass  der  l%öf.bzva  weiter  gedacht 
wird;  denn  es  wird  sogleich  in  langer  Reihe  die  Bearbeitung  der 
Muscheln  mit  zehn  Arbeitern  angeschlossen.  Dagegen  beginnt  das 
dritte  Fragment  n.  58  mit  Aufzählung  rwv  i.%o}.iHi>(.m>  t^tje,  dem 
also  der  Bericht  über  die  fünfte  Säule  (E)  um  so  mehr  vorange- 
gangen seyn  muss,  weil  sich  mit  einfacher  Meldung,  wie  bei  D,  der 
Bericht  über  eine  sechste  (F)  daran  schliesst.     Dass  wir   damit  die 

6  Säulen  des  i£&tSTvXog  gegen  Osten  oder  die  Vorhalle  haben,  ist 
an  sich  klar,  und  wird  durch  die  näheren  Angaben  bei  ABC 
{qaßdvDGig  xwv  y.iövwv  iwv  noog  fco)  noch  des  Weiteren  bestätigt; 
indess  die  Inschrift  bezeichnet  auch  die  Stellung  der  einzelnen 
Säulen,  und  in  diesem  ist  die  Schwierigkeit.  Als  Miffelpimet,  auf 
den  sie  bezogen  weiden,  dient  ein  Altar  der  Diane  (ßw/Liog  rfjg 
Aiü>v}]s\  der  nur  aus  dieser  Andeutung  bekannt  ist  und  zunächst 
Beachtung  fordert. 


134 

Ist  hier  die  Atlantide  oder  die  Okeanide  dieses  Namens  ge- 
meint? Diese  ist  allerdings  von  grösserem  mythologischen  Namen, 
Tochter  der  Tethys  und  des  Okeanos,  und  von  Hesiod.  Theog. 
v.  320  als  sQccTtj  tu  Anüvr\  unter  ihren  Schwestern  und  v.  16  neben 
Aphrodite  und  Hebe  als  von  den  Musen  gepriesene  Göttin  genannt: 
" H{i\]v  ts  zovGööT£(pavov  xafajv  ts  Akovyjv,  sogar  durch  Zeus  Mutter 
der  Aphrodite  (Jl  s.  370),  die,  von  Diomedes  verwundet,  an  ihrem 
Busen  Trost  und  Beruhigung  findet.  Vrgl.  Apoll.  Bibl.  Myth.  I.  c.  3. 
Zsvg  .  .  ysvva  tx  Aiwvrjg  dt  A<p$>o§iTr\v.  Aber  ein  Verhältniss  dieser 
Göttin  zu  den  Göttern  und  Heroen,  die  im  Erechtheum  verehrt  wur- 
den, ist  auf  keine  Weise  zu  ermitteln. 

Die  Atlantide  dieses  Namens  ist  als  solche  durch  Hyginus  be- 
zeichnet, Tab.  83:  Pelops ,  Tantali  et  Dionis,  Atlantis  filiae,  filius 
(Vrgl.  Tab.  82),  und  erscheint,  obwohl  mit  schwankender  Orthogra- 
phie, uuter  des  Atlas  Töchtern  als  Hyade,  wenigstens  in  Einer  Mel- 
dung. Die  Hyaden  nämlich  werden  in  sehr  verschiedener  Zahl  au- 
gegeben, je  nachdem  man  in  ihrer  Gruppe  am  Haupte  des  Stieres 
mehr  oder  weniger  einzelne  Sterne  unterschied  und  benannte.  OaXfjg 
fiiv  ovv,  sagt  der  gelehrte  Schol  zu  Arat.  Phaen.  v.  172,  dvo  avTug 
slnsv  slvc.i,  Ttjv  /utv  ßöosiov,  %i)v  dt  votiov.  EvQintdijg  dt  iv  tco  4>as9-ü}vi 
TQHg.  ^A/euög  dt  d.  lInniag  dt  (1.  dt  t)  xcd  4>tQsxvdt]g  ±.  Die  fünf, 
welche  nach  der  eben  angegebenen,  wohl  sichern  Veränderung  Hip- 
pias  meldete,  nennt  Hesiodus,  dessen  Namen  vielleicht  in  den  des 
Hippias  verdorben  ist,  bei  demselben  Schol.  'Hoiodog  Si  (frjoi  Ttspi 
ctvivöv. 

Ni>[.i(fai  XaQiTEOOiv  ouoiai, 
4>cciGvXrj  ijdt  KoQiovlg  t'vGTtyavog  ts  KXssta, 
<Paiu>  lixtgösGöa  xcd  EvdwQtj  Tavvn,sn?»og, 
"Ag  cYädag  xaXiovoiv  ini  %3-ovl  tpv)?  avd-Qwnoiv. 


135 

Die  sieben  des  Pherekydes  werden  aus  ihm  von  Hyginus  an- 
geführt, Astron.  II.,  c.  22:  Has  autem  Pherecydes  Atheniensis  Li- 
beri nutrices  esse  deinonstrat,  numero  septem,  eliam  antea  Nym- 
phas  Dodonidas  appelatas.  Hamm  nomina  sunt  haec:  Ambrosia,  Eu- 
dore,  Phesyle  (Phaesyle),  Coronis,  Polyxo,  P/iaeo,  Tliyene  al.  Tyene. 
Die  beiden  Formen  Quijur]  oder  Ti//V//  haben  weder  bestimmte  Ana- 
logie noch  irgend  eine  Gewähr;  es  liegt  demnach  ganz  nahe,  mit 
den  Herausgebern  Dione  {Jiwvrj  mit  der  Paragoge,  aus  ö7a,  die  helle, 
wie  *Atqvtiqvi]  aus  ^Arovxri)  zu  schreiben. 

Wie  aber  kommt  die  Atlantis  Dione  in  Verbindung  mit  dem 
Erechtheum?  Die  Analogie  der  kekropidischen  Jungfrauen  IIüvdooGog 
und  "Eogy  zu  anderen  Vertreterinnen  des  Regens  würde  schon  zur 
Genossenschaft  einladen.  Es  kommt  dazu  die  uralte  Sage  von  den 
Atlantiden  und  ihrem  Kampfe  mit  den  Athenäern,  welche  auf  den 
panathenäischen  Peplos  der  Pallas  gestickt  (Schol.  Plat.  Rnhnk. 
S.  243  )  und  nach  O.  Müllers  sehr  wahrscheinlicher  Annahme  auch 
im  vorderen  Relief  des  Frieses  am  Theseon  gebildet  war  (De  Min. 
Poliad.  p.  6  not.).  Noch  bezeichnender  aber  ist  die  Erscheinung  ei- 
ner andern  Atlantide,  Mcdoa,  in  Städten  mit  dem  altpelasgischen,  dem 
attischen  entsprechenden  Atheuecultus  der  Arcader:  Atlantis  filiarum 
unam  et  Tegeatae  et  Mautineenses  perhihebant  Mcuqccv,  Incem  mican- 
tem,  uomen  fabulosum  civitatis  prope  Mantineam  quoudam  sitae  cum 
vicino  foute  Halcomenio.  Vorwiegend  ist  dort  der  Cuhns  der  Pallas 
"  AX&a,  der  Hanptgöttin  von  Tegea.  Auch  sie  war  noXiäng  daselbst 
mit  dem  Gorgonenhaupte,  und  in  Mantinea  war  ausser  dem  Tempel 
derselben  Göttin  ein  Poseidoniou,  welches  gleich  dem  Erechtheum 
in  seinem  Innern  eine  d^ä'Aaaoa  bar».  0.  Müller  a.  a.  0. 


lO" 


Wie  also  in  Arkadien  eine  Atlantide  als  Fruchtbarkeit  vermit- 
telnd zur  Pflegerin  des  Ackerbaues  neben  Pallas  'AXia  erscheint, 
so  dämmert    uns    in   dem  Altar   der  Dione  vor  dem  Heiligthume  der 


130 

Göttin  eine  ähnliche  Beziehung  entgegen,  nach  welcher  auch  hier 
die  Atlantide  als  Vermittlerin  des  lieblichen  Glanzes  der  Saaten 
dort  Mctloa,  die  hellschinunernde,  hier  Jiwvtj,  die  lichthelle,  mit  der- 
selben Göttin,  nur  mit  der  analogen  Potenz  der  Pandrosos  in  Ver- 
bindung tritt. 

Indess  kommt  uns  noch  eine  andere  Meldung  entgegen,  welche 
die  Hyaden  mit  Erechtheus  in  unmittelbaren  Zusammenhang  bringt. 
Die  Hyaden  nehmen  die  Siirne  des  Stieres  ein  (ral  fijm  Qtni  navxl 
jubjüjncp  ravQov  ßsß/t'arai.  Arat.  Phaen.  173),  und  dieser  hat  wohl 
unbedingten  Bezug  auf  den  Ackerbau.  Ihm  aber  zur  Seite  (das.  175 
Xaiov  ds  y.eQaarog  ay.rov  zcd  noda  dt^irsQoy  naQaxtiuivog  'Hvi6%oio  Elg 
äorrjs  intyu)  ist  der  Heniochos  ebenfalls  auf  Feldbau  und  Viehzucht 
bezüglich,  cujus  in  humero  sinistro  Ca/jra,  in  manu  autem  duo  hoedi 
duabus  stellis  formati  dicantur  (Hygin.  Poet.  Astron.  L.  III.  c.  22.) 
Der  Widder  in  der  Nähe  wird  darum  von  dieser  auf  Akerbau  be- 
zügliche Genossenschaft  des  Heniochus  und  der  Hyaden,  des  Stiers, 
der  Böcklein,  der  Ziege  nicht  abzuweisen,  und  der  nahe  Bootes  so- 
gar, der  Treiber  des  Pflugochsen  (ßowxla  ist  Ackerland),  in  sie  auf- 
zunehmen seyn.  Der  Aufgang  dieser  Sterne,  d.  i.  ihr  Erscheinen  in 
der  Morgenröthe  fällt  in  die  herbstliche  Zeit,  wo  mau  für  die  im 
Sommer  ausgetrocknete  Flur  den  Regen  erwartet,  um  die  Feldar- 
beit beginnen  zu  können,  und  ihr  Untergang  in  der  Abendröthe  bezeich- 
net die  regsamste  Periode  der  Frühlingsarbeit  für  den  Ackerbau. 
Heniochos  aber  ist  Erichthonios  selbst,  nach  dem  Sehol.  Vindob.  zu 
genannter  Stelle  des  Aratus  (ed.  Buhle,  Tom.  II.  p.  411:  o  fjvioxog 
iön  6  'EQi%&6t>iog,  og  aQ/ua  teviai  riQVJTOg  Xiytrai),  dazu  Eratostheues 
Cat.  S.  5  über  den  Heniochos:  jovxov  Xiyovoiv,  ort  oZevg  dds  tiqw- 
rov  iv  ccv&Qüjjioig  aqfjca  ±sv$t{t>Ta  Xnnwv,  d-avjuÜGc.g  x.  r.  /.  Ja  nach 
dem  Schol.,  zu  des  Hesiodus  Stelle  ist  Erechtheus  selbst  Vater 
der  Hyaden  mit  Bezug  auf  die  achtbare  Autorität  des  Euripides: 
EvQMidrjg   utv  ovv  iv    Eoiy^H   rag  'EQS%d-£a)g  0-vyarioag  cYccdceg  cprjüi 


137 

ysvio&cti  TQsig  ovvoag  x.  X.  (f.  Hier  also  kommen  die  Hyaden  un- 
mittelbar in  Verkehr  mit  Erechtheus  als  seine  Töchter.  Sie  stehen 
zu  ihm  in  demselben  Verhältnisse,  wie  Pandrosos,  Erse  und  Aglau- 
ros  zu  Kekrops,  welche  als  die  Bringerinnen  des  Regens  die  Frucht- 
barkeit der  Aecker  vermitteln,  und  erscheinen  darum  als  nothwendige 
Potenzen  jenes  alten  Agrarcnltus,  der  im  Erechtheum  sein  rätsel- 
haftes Heiligthum  bewahrt  hatte,  und  ist  Dione  als  eine  der  Hyaden 
anzunehmen,  so  besteht  über  ihre  Berechtigung  zur  Theilnahme  an 
dem  Erechtheum  kein  Zweifel;  da  aber  neben  ihrem  Altare  noch  zwei 
audere  Erwähnung  finden,  so  waren  diese  wohl  ihren  Schwestern 
bestimmt.  Der  Dione  Altar  nämlich  dient  nicht  für  sich  allein  zur 
Bezeichnung  der  einzelnen  Säulen,  sondern  unter  Beiziehtmg  ei- 
nes zweiten  und  dritten  neben  ihm,  die  ohne  Namen  sind,  weil 
sie  vielleicht  noch  nicht  geweiht  waren;  ja  es  wäre  gar  nicht  un- 
möglich, es  ist  sogar  wahrscheinlich,  dass  in  den  sechs  Kanephoren 
welche  mit  Körbchen  auf  dem  Haupte  unter  dem  Dache  des  Pandro- 
sus  stehen,  die  drei  kekropidischen~uiid  die  drei  erechtheischen  Jung- 
frauen gebildet  sind,  welche  die  Gaben  der  von  ihnen  vermittelten 
Fruchtbarkeit  des  Feldes  auf  ihren  Häuptern  aus  dem  Heiligthume 
der  agrarischen  Götter,  ihrer  Erzeuger  hervortragen.  Wurde  doch  die 
Einführung  der  Kanephoren  durch  Ephorus  in  der  Atthis  {ßv  dtvxsQcp 
Ax&(dog)  auf  Erichthonius  bezogen:  'Eqi%&ovlov  ßaGiXtvopxog  noiöxop 
xax£Gxt]Gc(v  (1.  y.ctrtOTÜ&rjGctv)  al  iv  a^tvö  ixax i  nccoS-£voi  <p£qsiv  xct 
xctvä  xij  &£({),  i(p"  olg  s'risxsito  rä  noog  t)]i>  d-vokiv  roTg  xs  Tlava&r[Vctioig 
xal  Talg  ctÄXccis  nouneug.  Harpocr.  v.  xc.vrnföqoi,  Vergl.  Suid.  u.  Phot.  h. 
h.  v.  Der  Opfer  aber,  welche  den  Töchtern  des  Erechtheus  gebracht 
wurden,  und  welche  auf  die  ihnen  geweihten  Altäre  hindeuten,  ge- 
dachte derselbe  Philochorus  in  dem  genanten  zweiten  Buche  nach  Schol. 
zu  Sophocl.  Oed.  Col.  p.  99  (frvGiwf  .  .  .  dotoutveov  .  .  .  Aiovvgw 
rs  xal  ' ' EQ£%d-swg  9-vyuToaGi),  wo  die  äiegengöttin  und  Dionysos  in 
einer  sehr  natürlichen  Vereinbarung  erscheinen.  Die  Bezeichnung  der 
einzelnen  Säulen    aber   mit   Bezug   auf  die  Altäre  ist:  {A)  Tbv  xaxa 

Abhandlungen  der  I.   CI.  d.  k.  AU.  der  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abth.  18 


138 

top  ßcouöp  top  tqvzop  d n 6  tov  ßcojuov  ttjg  JuÜPtjg.  (Bj  Top  xaxü 
rov  ßtojuop  top  tiqos  xov  ßio/uov  Tijg  Jtioptjg.  (C)  Top  naqä  top  ßw- 
juöp  top  nötig  tov  ßojjuov  Ttjg  Juopqg.  Die  vierte  Säule  liegt  nun  von 
ihm  ab  (D)  'Top  tiqojtop  xCoph  an 6  tov  ßw/uov  tov  T(ijg  Jiwpqg). 
Dann  kam  (E) ,  deren  Erwähnung  folgt  als  dtvreoog  dno  tov  ßwuov, 
an  welche  der  Bericht  nach  Fragmente  n.  58  die  sechste  (F)  als 
top  toItop  xtopci  dno  tov  ßoj/uov  Ttjg  Aw')PY\g  auschliesst;  denn  Hr. 
Rhisos  hat  ganz  Recht  gethan,  die  fragmentirte  Schrift  Z.  36  ff. 
T  .  .  .  .  KIONA  AHO  TO  BOMO  T in  dieser  Art  zu  er- 
gänzen. 

Dagegen  durfte  der  Altar  der  Dione  von  ihm  nicht  an  eine  der 
Ecken  der  Halle  gestellt  werden,  da  mit  Rücksicht  auf  ihn  je  drei  Säu- 
len zu  und  abgezählt  werden;  er  stand  demnach  mitten  vor  dem  t^do- 
xvXog  vor  dem  Intercolumnium  der  dritten  und  vierten  Säule,  und 
so  war  auch  die  Annahme  ferne  zu  haltet],  dass  die  Zählung  von 
der  nördlichen  Ecke  nach  der  südlichen,  d.  i.  von  der  rechten  zur 
linken  gehen  könne,  da  bei  solchem  Fortschreiten  und  Umgehen 
die  Richtung  immer,  im  Fall  nicht  besondere  Umstände  vorwalten, 
omuinis  caussa  nach  der  Rechten  geht.  Die  beiden  anderen  Al- 
täre, von  denen  die  Zählung  zu  ihm  gelangt,  standen  demnach  eben- 
falls in  dieser  Richtung;  der  an  der  Südecke  stehende  hat  also  die 
Stellung  vor  dem  ersten,  der  andere  vor  dem  zweiten  Intercolumnium 
eingenommen.  Sofort  wird  n.  57  A.  Z.  35  nach  der  oben  erwähn- 
ten Beziehung  A  (6  xard  xö  ßwuov  top  tqitop  anp  tov  ßwuov  r/Jj 
Aiwprjg),  die  nach  {zetrd)  dem  Altare  hin  steht,  welcher  von  (dno) 
dem  der  Dione  aus  (diesen  mit  eingerechnet)  der  dritte  ist,  die  süd- 
liche Ecksäule  seyn ,  von  der  es  rechts  nach  dem  genannten  Al- 
tar geht.  Dann  B.  das.  Z.  64:  6  zard  top  ßw/uop  top  noog  rov 
ßwuov  Ttjg  Jiwpqg),  die  nach  dem  Altare  hin,  welcher  neben  (nooög) 
dem  Altare  der  Dione,  d.  i.  ihm  zunächst  steht,  die  zweite  in  der 
Richtung   von    Süd    nach  Nord.  Dann  C,    das.    B.    Z.    46:   6   na  od 


139 

xov  ßtouov  xov  rrQog  tov  ßaoiwv  rfjg  Juövrjg,  die  vorbei  au  dem  Al- 
tare {naget  tov  ß.~),  welcher  neben  (nyog)  dem  Altar  der  Dione  steht, 
die  dritte  dieser  Richtung.  Der  eine  Altar  wird  also  zweimal 
genannt,  und  die  zwei  mit  Bezug  auf  ihn  genannten  Säulen,  werden 
nach  der  Richtung  icnrd  und  nagd,  zu  ihm  hin  und  an  ihm  vorbei, 
unterschieden. 

Es  ist  als  eine  Besonderheit  zu  bemerken,  dass  der  Altar  ne- 
ben dem  der  Dione  auf  solche  Art  zur  Bezeichnung  der  zweiten  und 
dritten  Säulenstelle  beigezogen  wird,  während  nahe  lag,  die  dritte 
als  xaxa  xov  ßio/uöv  ti]q  Aanviqg  zu  bezeichnen.  Dagegen  setzt  sich 
(das.  B.  Z.  63  ff.)  die  Bezeichnung  der  drei  übrigen,  D  E  F,  wie 
oben  bemerkt  wurde,  ganz  in  der  Ordnung  durch  6  7iQwrog_,  6  dsv- 
rsoog,  ö  TQirog  y.iwv  etno  rov  ßto/uov  xi]g  Auövijg  fort.  Auf  der  nörd- 
lichen oder  linken  Seite  standen  demnach  keine  Altäre  neben  dem 
der  Dione,  weil  nur  dieser  zur  Angabe  der  Entfernungen  dient,  und 
es  scheint,  da  man  die  drei,  welche  vorhanden  waren,  sämmtlich 
auf  die  südliche  Seite  gestellt  hatte,  dass  auch  ffir  die  nördliche  Halle 
Altäre  dafür  bestimmt,  diese  aber  noch  nicht  aufgestellt  waren. 

Was  aber  ist  in  tvHv  t^o^ivaiv  £$ijg  enthalten,  das  nach  Erwäh- 
nung der  Canelirung  in  drei  Abschnitten  mit  drei  Genossenschaften 
von  Arbeitern  angeführt  wird  ?  Hl*.  Rhisos  bezieht  es  ebenfalls  auf 
die  Canelirung,  so  dass,  nach  Berechnung  des  Aufwandes  für  die 
erste  Arbeitergenossenschaft,  noch  drei  andere  von  gleicher  Ausdeh- 
nung und  mit  ähnlichem  Lohne  folgen.  Indess  5  Arbeiter,  jeder  mit 
18  Tagen,  einer  mit  19  Tagen  Arbeit,  welche  der  Betrag  der  Löhne 
zeigt,  bedingen  eine  Arbeit  von  91  Tagen,  und  in  diesen  wird  die 
Canelirung  der  Säule  von  einem  geschickten  Arbeiter  wohl  unfehl- 
bar vollendet.  Die  drei  anderen  Innungen,  z.B.  bei  A  die  erste  mit 
6  Arbeitern  und  107  Dr.  Lohn,  die  zweite  mit  6  Arbeitern  und  100 

18* 


110 

Dr.  Lohn,  die  dritte  mit  6  Arbeitern  und  75  Dr.  Lohn,  was  283  Dr. 
Lohn  und  soviel  Tage  Arbeit  ist,  brächte  dann  offenbar  ein  Uebermaass 
des  Aufwandes  an  Zeit  und  Geld.  Es  bleibt  demnach  nichts  übrig,  als 
Tiov  lyouSvuiv  nicht  auf  QccfidtoGswg  zu  beziehen,  sondern  neben  Xi- 
d-ovQyixov  zu  stellen,  dem  dann  QcißdoDGig  und  xa  lyöuhvu  als  Theile 
untergeordnet  sind.  Die  Structur  ist  dann  z.  B.  n.  57  A.  Z.  30  ff.:  dva- 
ÄCüjuara  .   .   .   Xi&  ov  oytx  ov ,  Qttßd  wGswg  nov  xioviov  xwt>  zioog  Via 

tiov  xccrä  toi>  ß(Ofior nov  tyo^iivoiv   Ti%i\g,   so   dass  Xi&ovoyixoij 

Qccßdiookiog,  lyo^iiviav  in  gleicher  Weise  von  araAoj/uaza  abhängen. 
Die  allgemeine  Beziehung  der  i/o/Ltera  kgrjg  wird  dann  auf  das  Ue- 
brige,  was  ausser  und  nach  der  Rhabdosis  der  Säulen  noch  vorzu- 
nehmen war,  also  auf  die  Sänlenbasis  und  das  Vapitell  gehen,  mit 
deren  Ausyltittiing,  d.  i.  Ausführnnu  in  das  Feine,  die  Säule  in  ihren 
drei  Theilen  vollendet  war. 

Auffällend  ist  endlich  die  Erscheinung  des  Zimmerers  (n.  56 
B.  z.  Auf'g.  xsxx £oju,evq)  d.  i.  xixxovi  xccfr  rjjLiioav')  in  ei- 
nem Gebäude,  das  nach  der  gewöhnlichen  Annahme  ganz  von 
Stein  war,  und  da  die  daran  sich  schliessendeu  Lohnbezüge  S.  21 
unter  der  Benennung  xs<päXaiov  rzxxoinxov  summirt  werden,  so  sind 
sie  sämmtlich  als  für  Holzarbeit  empfangen  zu  betrachten.  Die  Wör- 
ter und  Bruchstücke  von  Wörtern  Z.  6 :  .  .  -  v/uuceoi  nk  ....  qbg, 
Z.  10  ff.  ...  iac'tiov  .ini)  .  .  .  poff  .  .  .  ixag  .  .  .  nulcc  1$,  Z.  17 
oixoXfaJGar  .  .  .  uÖGa/ASv  ö\<olv  .  .  .  .  gxov  top  ona  .  .  .  vtxov  IIHIII, 
zeigen  auf  xaAvuuara ,  xviiäxiov,  oncda,  deren  sechs  genannt  wer- 
den, und  auf  tisqixoXXciv  .  ^Onctui ,  die  in  grösserer  Zahl  vorkommen, 
sind  wohl  in  den  Decken  zu  suchen,  und  sind  die  an  den  sich  kreu- 
zenden Balken  gebildeten  offenen  Quadrate  der  <paxv(6juaxa ,  also 
Deekenöffnungen,  welche  durch  xaXvu/uaxa ,  Deckbretter,  verschlos- 
sen werden,  wie  die  steinernen  noch  jetzo  im  Theseiou  durch  dünne 
Marmorplatten,  oavlStg,  geschlossen  sind,  ebenso  die  in  dem  Pandro- 
sion.    Dass  diese  befestigt  wurden,   dass  sie  mit  dem  xv/uäxior,   mit 


141 

der  steigenden  Welle,  verziert  waren,  geht  ans  den  Bruchstücken 
derselben  hervor,  und  das  Holzwerk  wird  sich  durch  Feinheit  der 
Gliederung  oder  der  Färbung  von  den  Marmortheilen  nicht  unter- 
schieden haben.  Auf  denselben  Holzbau  wird  auch  der  Anfang  von 
n.  56  bezogen  werden,  welcher  die  Errichtung  der  Decke  oder  des 
Daches  (  rijv  o^o^f  xathoräot)  erwähnt,  und  die  yebogene  Planke, 
welche  sammt  den  andern  (nicht  gebogenen)  an  ihren  Platz  gebracht 
wird,  (ttjv  xaunvfaji'  (SsAidcc  u$  id^av  xcä  rag  vJJmq  inayayolöiv  sig 
afpcr/'  ticäorrjv.)  Ist  oQfxpij  die  Decke,  so  können  as/lideg  kaum  etwas 
Anderes  seyn,  als  die  in  Forin  von  dicken  Planken  geschnittenen 
Balken,  und  xupnvh]  wird  der  seyn,  wrelcher  unter  den  damals  zur 
Aufstellung  gekommenen  architektonisch  und  wohl  mit  dem  xvfxäriov 
geschmückt,  also  in  eine  Biegung  oder  Höhlung  gearbeitet  war  (die 
xatmvXi]  af-Xr'g).  Sie  stünde  dann  den  yoyyvÄog  Ar'd-og  der  schon  frü- 
her bekannten  Inschrift  §.   i  zur  Seite. 

Dahin  gehören  wohl  auch  die  nqinrca,  deren  n.  56  au  zwei 
Stellen  nach  einander  gedenkt,  je  Einer  mit  seinen  Arbeitern,  die 
einmal  zwei  Tage,  je  um  eine  Drachme,  arbeiten,  n.  30,  dann  die- 
selben, S.  35,  welche  in  der  dritten  Decade  des  Monats  die  Deck- 
platten liefern:  TQlxrig  dctHhxajutjviag  zaXvuiiara  sig  tyiv  dgoyijv.  Dass 
die  Decke  der  Cella  aus  Holz  bestand,  schliesst  Hr.  Rhisos  auch 
aus  dem  Umstände,  dass  unter  ihren  Trümmern  keine  Spur  einer 
marmornen  Decke,  und  namentlich  nicht  von  Deckenplatten  {xaXvu- 
fjbccrci)  gefunden  ward,  während  diese  Platten  unter  den  Trümmern 
der  Nordhalle  reichlich  zu  Tage  kommen,  und  aus  den  Einschnitten 
der  Cellamauern,  in  welche  als  in  ihre  bSq&i  die  oeMdtg  eingelegt 
wurden.  Auch  Hr.  Oberbaurath  Metzger  hat  diese  Oeffnungen  in 
der  Cellamauer  bemerkt,  in  denen  Balken  eingesetzt  waren.  Er 
berichtet:  „die  Zwischenweiten  von  Mittel  zu  Mittel  betrugen  0,630, 
die  Höhe  der  Balken  0,250,  die  Breite  0,225,  somit  die  Stärke  un- 
serer lOzölligen  Hölzer  zur  Ueberdeckung  massiger  Weiten.  Unter- 


142 

halb  dieser  Balken  sind  Spuren  von  Nägellöchern  in  geordneter 
Folge,  welche  zur  Deckenbefestignng  gedient  haben,  das  Aehnliche, 
was  wir  auch  heute  thun,  wenn  wir  ein  Metall  gegen  Stein 
befestigen." 

Ist  aber  dieBaurechnung  A.  auf  93,  2  zu  setzen,  so  reiht  sich  in 
der  Geschichte  des  Baues  an  sie  eine  Meldung  bei  Xenophon  (Hell. 
I.  VI,  2),  dass  im  folgenden  Jahre  (Ol.  93,  3)  der  alte  Tempel  der 
Athene  zu  Athen  in  Brand  gerathen.  Es  wäre  der  nnsrige,  der  alte 
ungeachtet  seines  Neubaues  genannt  mit  Bezug  auf  seinen  Ursprung. 
Er  galt  als  Erneuerung  des  alten ,  gegenüber  von  dem  Par- 
thenon, welcher  der  jüngere  war.  Ganz  abgesehen  von  andern  Zufäl- 
len, konnte  die  Anlöthung1  der  Reliefe  an  den  eleusinischen  Stein, 
die  Einbrennung  der  Farben  in  die  Deckbalken,  beides  auf  hölzernen 
Gerüsten,  das  Unglück  leicht  veranlassen.  Da  es  nun  heisst,  dass 
er  in  Brand  gerathen,  nicht,  dass  er  abgebrannt  sey,  so  wird  der 
Schaden  sich  nur  auf  das  Holzwerk,  oder  einen  Theil  desselben 
in  der  Cella,  erstreckt  haben.  Denn  der  Bau  selbst  hat  so  wie 
wir  ihn  aus  der  Inschrift  kennen,  die  Jahrhunderte  überdauert. 

VII. 

Pausanias  über  das  Haus  des  Erechtheus. 

Nach  dem  Brande,  dessen  Xenophon  gedenkt,  fehlen  weitere 
Meldungen  über  das  Erechtheum  bis  auf  Strabo,  der  jedoch  dessel- 
ben nur  kurz  erwähnt,  bemerkend,  dass  auf  der  Burgfeste  von  Athen 
das  Heiligthum  der  Athene  und  der  alte  Tempel  der  Polias  (o  re 
ccQxcaog  veiög  rijg  nofaüdog)  mit  der  ewigen  Lampe  (o  aaßsarog  Xv- 
%vos)  sei,  und  der  Erinnerung  an  das  Zeichen  des  Dreizack  (B.  IX, 
S.  396);  denn  die  hieher  bezogene  Stelle  des  Vitruvins  (IV.  8) 
vom  Tempel :  columnis   adjectis   dextra  et  siuistra  ad  humeros  pro- 


143 

nai  . . .  ut  est  Atlieuis  in  arce  Minervae,  passt  nicht  auf  den  unsri- 
gen,  der  die  angefügten  Säulen  nicht  ad  humeros  pronai  hat.  Dann 
ist  wieder  Schweigen  über  ihn  bis  Plutarch  und  Tansanias,  von 
denen  jener  des  Erechtheums  einige  Male  im  Vorübergehen  gedenkt, 
Pausanias  aber  vorzüglich  von  dem  Meldung  thut,  was  es  zu  sei- 
ner Zeit  noch  enthielt  mit  Hindeutung  auf  seine  Zusammensetzung. 
Er  kommt  zu  ihm  aus  dem  Parthenon  an  den  Denkmälern  vorüber, 
welche  an  der  östlichen  Seite  desselben  gegen  das  Erecht  heu  m  hin 
aufgestellt  waren,  und  nennt  es  die  Wohnung  des  Erecht heus  (Att. 
c.  26:  ton  <Jfc  xcil  ol'xij/uu  'E<j£y¥d-siov  y.ciXovpavov')  mit  der  Bemer- 
kung, dass  cor  dem  Eingänge  der  Altar  des  höchsten  Zeus  sei 
(7106  dt-  xrjs  elgödov  Awg  iori  ßcofiog  'Ytkxjov).  Schon  oben  wurde 
bemerkt,  dass  damit  wohl  der  ßwuog  d-vt]%ov  in  der  nördlichen  Halle 
gemeint  sei,  hinter  welchem  der  ursprüngliche  Eingang  in  das  In- 
nere durch  das  Pracht t hör  {&t'>Qo)/ua^  führt,  und  diese  Annahme  ge- 
winnt dadurch  Festigkeit,  dass  —  wie  wir  nun  durch  die  Inschrif- 
ten wissen  —  der  östliche  Eingang  durch  den  Pronaos  mit  andern 
Altären  besetzt  war.  Wenn  er  beifügt,  dass  die  Athenäer  auf 
demselben  nichts  Lebendiges  opferten  und  nur  Opferkuchen  nieder- 
legten, und  dabei  sich  weiter  nicht  des  Weines  bedienten:  k'v&a 
sjityv%OP  &vovün>  ovdiv ,  nififiara  öi  Sevng ,  ovdtv  tti  otvio  %Qijoa- 
o&cci  vojutZovot,  so  sind  hier  die  unblutigen  Opfer,  die  Opferkuchen, 
suffimenta  oder  nshe.vot'  gemein!,  welche  bei  Aeschylus  Klytämnestra 
aus  dem  Innern  des  königlichen  Hauses  bringt,  um  sie  den  Göttern 
für  die  Eroberung  von  Troja  anzuzünden,  so  dass  die  Flamme  sich 
hoch  erhebt:  (fKOjuaaoojuei'i]  yoiOfuccTog  ayvov  juixÄaxMg  adoAoioi  nao- 
rflooiciv  nsAävtp  /uv/ofri/'  ßaaiZeüo.  Vrgl.  Agam.  v.  99.  ff.  Dass 
der  dvrj/ög  in  den  Inschriften  zur  Bezeichnung  des  Altares  dient, 
deutet  auf  ein  festes  mit  dem  Tempel  verbundenes  Amt,  und  steht 
offenbar  in  Bezug  auf  das  Priesterthum  der Bufaden,  welches,  selbst 
agrarischer  Natur,  wie  schon  der  Name  zeigt,  in  dieser  Familie 
erblich  und  dem  Erechlheurn  verbunden  war.      Pausanias   geht  dann 


144 

in  das  Innere,  also  durch  die  östlicbe  Vorhalle,  da  die  nördliche 
nach  innen  geschlossen  war,  und  nennt  darinnen  drei  Altäre,  näm- 
lich des  Poseidott,  auf  dem  auch  dem  Erechtheus  nach  einem  Ora- 
kel geopfert  werde,  des  Heros  Butes  und  des  Hephästos  (igsZ&ovai 
d£  eiai  ßwjuoi,  IIoGsidvJvog,  &(p  ou  zai  'Eoayd-u  Ovovoiv  ix  rov  uuv- 
rsvjuatog  xai  fjocoog  Bovtov,  roirog  dt  lH(paiorov).  Diese  Altäre 
müssen  nothwendig  in  den  tieferen  Grund  der  Cella  gestellt  wer- 
den, da  auf  dem  schmalen  und  mit  dem  Pronaos  gleich  'hochgelege- 
nen Räume  der  Cella  für  sie  kein  Platz  war.  Der  Altar  des  Po- 
seidon findet  auch  bei  Plntarch  (Sympos.  X,  5)  Erwähnung,  und  da 
er  zugleich  dem  Erechtheus  diente,  gehört  er  vor  den  rechts  oder 
nördlich  gelegenen  Eingang,  in  den  hintern  Raum  zwischen  die  dort 
hinabführende  Stiege  und  die  Pforte,  vor  das  Grab  des  Erechtheus, 
welches  wir  dort  nachgewiesen  haben,  dem  der  des  Butes  füglich 
zur  Seite,  und  in  die  Mitte  des  unteren  Raumes  gestellt  wird  (p), 
so  dass  für  den  des  Hephästos  die  Stelle  (q)  vor  der  westlichen 
Quermauer,  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Pforten,  die  zu  dem 
uövtov  und  KtxQoniov  führen,  gewonnen  wird.  Ein  Sessel  des  Butes 
ist  in  neuerer  Zeit  mit  der  Inschrift  IEPEQZBOYTOY  in  der  Cella  ge- 
funden worden,  und  gehört  darum  wohl  ebenfalls  unter  die  hier  auf- 
gestellt gewesenen  Gerätschaften. 

Wir  haben  demnach  zu  der  Göttin,  die  im  udviov  thront,  an 
dem  Eingang  den  Altar  des  ihr  im  altattischen  Mythus  verbundenen 
Gemahles,  des  Hephästos,  und  des  Erechtheus  als  des  Sohnes,  der 
nach  ursprünglicher  Anschauung  als  die  Frucht  der  agrarischen  Ehe 
aus  ihr  hervorging,  und  als  der  aus  der  Fruchtau  geborene  nach 
homerischer  Meldung  von  der  Göttin  in  ihrem  Tempel  bewahrt 
wurde,  dazu  des  Priesterheros  beider  Götter,  dessen  Nachkommen 
ihr  Geschlecht  auf  Erechtheus  zurückführten  (Plut.  vitt.  Rhet.  S. 
843  E).  Dass  Poseidon  ein,  ursprünglich  ionischer  Gott,  jenem  alt- 
pelasgischen  Systeme  nach  Eroberung  der  Joner  verbunden  und  dem 


U5 

Erechtheus  unterstellt  oder  verknüpft  wurde,  gehört  zu  den  frucht- 
baren und  glücklichen  Wahrnehmungen,  die  0.  Müller  in  seiner  oft 
genannten  Schrift  S.  4  ff.  niedergelegt  hat.  Dieselbe  Eroberung  des 
kriegerischen  Stammes  brachte  zur  *A&r}vä  Bovdticij  üävÖQoaog  und 
'Egycevt]  die  \4d-tjva  TToö^axog,  die  Jungfrau,  auf  die  Burg,  sie  dort 
mit  einer  der  genannten  zu  jener  Persönlichkeit  zu  verbinden,  und  er 
baute  für  sie,  wenn  auch  später,  das  txarojuns^ov  oder  den  Tmo^mw^das 
Gemach  der  Jungfrau,  neben  dem  altpelasgischen  oder  erechtheischen 
Heiligthume  der  ursprünglichen  Landesmutter.  Pausanias,  nachdem  er 
die  drei  Altäre  im  Innern  der  Cella  genannt,  meldet  sofort,  dass  an  den 
Wänden  Gemälde  seyeu  des  Geschlechts  der  Butaden:  yqcupal 
dk  ini  twv  roixwv  rov  y£vovg  doi  rov  Bovrc.dwv.  Das  Priesterthum 
(die  Uoooivrj  rov  Iloozidiwog  -  Eqex&sojg)  war  in  dem  Geschlechte 
erblich  fortgegangen,  und  zur  Zeit  des  Demosthenes  war  damit 
der  Redner  Lykurgos,  der  mit  so  grossem  Ruhme  das  Vermögen 
des  Freistaates  geordnet  und  die  Stadt  mit  Gebäuden,  Anlagen  und 
Kunstwerken  geschmückt  hatte,  bekleidet.  Dieser  war  nach  Plutarch 
(vitt.  Rhet.  X.  p.  841  ß.  ff.)  drj/uov  St  Bovreidijg,  ytvovg  dz  rwv  'Ersoßo- 
vrctda>v.  —  Bovrcidai  heissen,  wie  man  sieht,  alle  Einwohner  des  dtjjuog, 
und  waren  darum  verwandtschaftlich  verbunden.  Die  ächten  d.  h. 
die  unmittelbaren  Nachkommen  des  Butes  werden  darum  in  seiner 
Genossenschaft  als  JEreoßovraöca  unterschieden.  Lykurgus  nun  hin- 
terliess  als  ächter  Butade  das  Priesterthum  seinem  Sohne  Abron,  der 
es  aber  seinem  Bruder  Lykophron  abtrat.  Davon  gab  ein  Gemälde 
im  Erechtheum  Zeugniss,  also  wohl  eines  der  von  Pausanias  erwähn- 
ten. Es  war  von  vollendeter  Kunst  (Plut.  das.  Iv  nivctr.i  rt^aVo.)  ein 
Werk  des  Jsmenias,  und  Abron  auf  ihm  dargestellt,  wie  er  dem 
Bruder  den  Dreizack,  das  Symbol  des  Poseidon,  also  die  priester- 
liche Macht,  übergibt  (zai  did  roviov  n^TXOifjrai  6  "Aßqwv,  ncioadtdovg 
aiT(p  tt[v  rqicdvav).  Der  Inhalt  der  übrigen  Gemälde  ist  nicht  bekannt; 
doch  zeigt  ihre  Aufstellung  in  der  Cella,  dass  die  Eteobutaden  das 
Heiligthum,  welches  den  Altar   ihres  Ahnherrn  enthielt,  als  ein  zur 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  li.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.   III.  Abth.  1  9 


146 

Familie  gehöriges  ausgeschmückt  hatten,  und  dadurch  begründet  sich 
die  Annahme,  dass  der  ganze  Cellaraum  selbst,  gelegen  vor  dem  advrov, 
vorwiegend,  als  dem  priesterlichen  Heros  gehörig  zn  betrachten  kommt. 

Pausanias  geht  von  der  Erwähnung  der  Gemälde  zu  der  Salz- 
quelle über  mit  Angaben,  die  bereits  früher  erläutert  wurden,  kommt 
also  in  das  Pandrosion,  das  er  durch  die  Worte :  xccl  Smkovv  yaQ 
ian  rö  oTxt]jua  aal  vdaw  iorlv  tvdov  S-aXäaoiov  iv  (foiaxi,  als  eine  an- 
dere Wohnung  von  der  zuerst  erwähnten  trennt.  Hierauf  folgt  eine 
Bemerkung  über  die  Gottesfurcht  der  Athenäer,  deren  übrige  Stadt 
und  ganzes  Land  geweiht  sei,  doch  so,  dass,  wo  in  den  Flecken 
auch  andere  Götter  verehrt  würden,  sie  nichts  destow euiger  die 
Athene  in  Ehren  hielten,  und  fährt  fort:  das  gemeinsam  (iv  aoii/tp) 
d.  i.  von  Allen  am  heiligsten  geachtete  Bild,  stammend  aus  einer 
ihrer  Vereinigung  zu  Einem  Staate  lange  vorhergehenden  Zeit,  sey 
das  Bild  der  Athene  in  der  Akropolis,  die  früher  Stadt  genannt 
wurde,  und  welches  nach 'gemeiner  Sage  von  Himmel  gefallen  sey. 
Er  ist  damit  in  den  hinteren  Raum  der  Querhalle  getreten,  in  der 
die  Inschrift  des  äyccA/ucc,  damit  aber  das  advrov  setzt ,  und  knüpft 
die  ausführliche  Meldung  von  der  ewigen  Lampe  und  dem  ehernen 
Palmbaum  daran,  einem  Werke  des  Kallimachos,  der  bis  an  die 
Decke  hinaufreicht  und  den  Dampf  dahin  emporzieht  (yolvt^  8i  vulo 
rov  2v%vov  /aZxovg,  dvqxcov  ig  röv  OQOfpov^  dvciona  rtjv  chjuidd).  Er 
war  also  in  so  weit  hohl,  dass  die  Lampe  in  ihm  hing,  und  ihr 
Dampf  durch  die  Höhlung  nach  oben  geleitet  wurde.  Ob  nuu  aber 
die  Lampe  in  dem  advrov  selbst  brannte,  oder  vor  ihm  in  derCella 
war,  ist  damit  nicht  entschieden.  Denn  unmittelbar  darauf  ist  er  im 
Tempel  der  Polias,  um  das  alte  löcvov  des  Hermes  zu  beschreiben, 
Ktltai  ök  iv  reo  vatä  rtjg  üoXidöog  'Eojuijg  ^vXov,  Ksxoojiog  elvai  Xs- 
yöjuevov  ävd&qiia,  vnö  r.läSoiv  /uLvooivqg  ov  ovvontov.  Es  war  also 
wohl  Hermes  Kopf  auf  einer  viereckigen  Säule,  dem  Urtypus 
der  Herme,  dem,  wie  auch  sonst  auf  den  Hermen,  oq&öv  tö  aiöolov 


147 

vorstand,  darum  mit  Zweigen  verdeckt  war,  ein  Symbol  der  Frucht- 
barkeit, und  als  solches  dem  Ort  der  hier  waltenden  Potenzen  ent- 
sprechend, und  nennt  dann  aus  den  älteren  Weihgeschenken  {rwv 
/ul&v  c.Qxafvov]  einen  Sessel  des  Dädalus,  dann  aus  medischer  Kriegs- 
beute den  Panzer  des  Masistios  und  das  vorgebliche  Schwert  des 
Mardonios,  mit  der  Erinnerung,  dass  er  nur  die  merkwürdigen  {a%ia 
Aöyov)  anführe.  Sie  waren  also  nicht  gering  an  Zahl,  und  sind  dann 
wohl  nicht  in  dem  beschränkten  aSvrov,  sondern  in  der  Cella  aus- 
gebreitet gewesen.  Nach  der  Meldung  über  sie  ist  er  wieder  ohne 
Angabe  einer  Ortsveränderung  im  Pandrosion;  denn  jenen  Geschenken 
wird  der  heilige  Oelbaum  angereiht,  der,  wie  wir  wissen,  dort  über 
dem  Altare  des  Zsvg  eQxnog  sich  erhub,  dessen  er  gar  uicht  er- 
wähnt. Erst  nach  dem  Bericht  über  den  Oelbaum  und  dessen  plötz- 
liche Erneuerung  nach  dem  Brande  der  Perser  tritt  das  Pandrosion, 
als  ob  er  nun  erst  darin  anlangte,  in  seine  Erzählung  ein  {xaraxav- 
&siaav  Ss  av&tjjusQov  boov  re  inl  dvo  ßXaorijGai  nij%sig.  Tay  vaco  dk 
rijg  ^A&rjpcig  llavdoÖGov  vaog  ovve%ijg  toxi).  Seine  Bezeichnungen  lie- 
gen also  ziemlich  bunt  durcheinander.  Erst  ist  das  Ganze  ein  ol'xtjjua 
EQsx&swg,  dann  folgt  die  Bemerkung,  dass  die  Wohnung  eine  dop- 
pelte sey,  hierauf:  o  vaog  rijg  Ilohadog  ohne  nähere  Bezeichnung, 
und  die  Meldung,  dass  ihm  der  vaog  rijg  Havdoooov  verbunden  sey. 
Doch  sieht  man,  dass  der  Doppelwohnung  des  Erechtheus  die  Tem- 
pel der  Polias  und  der  Pandrosos  zur  Seite  gehen,  und  in  jeuer  all- 
gemeinen Benennung  zugleich  erhalten  sind. 

IX. 

Näheres   über   den  westlichen  oder  hintern  Theil  des  Gebäudes. 

Was  ausserdem  bei  den  Alten  über  das  Erechtheum  vorkommt, 
ist  entweder  schon  in  den  frühern  Untersuchungen  erwähnt  worden, 

19* 


148 

oder    für   Inhalt  und  Bedeutung  des   Gebäudes  von  keinem  Belang, 
doch  müssen  wir  noch  mehrere  Punkte,  welche  die  Einrichtung  und 
den  Inhalt  des  hintern  oder  westlichen  Theiles  des  Erechtheums  be- 
treffen, in  nähere  Betrachtung  ziehen.  Wenn  wir  oben  das  Grab  des 
Kekrops    in    die  westliche  Halle  und  dem  Pandrosion  zunächst  ge- 
setzt haben,  so  lindet  diese  Annahme  in  einem  aus  dem  neunten  Buche 
der  Geschichten  des  Antiochus,    wohl  des   Alexandriners,    weitere 
Bestätigung,   die  von  Clemens  von  Alexaudria  und  Theodoretus  er- 
wähnt wird.   Jener  meldet  aus  ihm,    dasselbe  sey  auf  der  Akropolis 
gewesen.  Cohort.  ad  gentes  p:  29  et  B.  'Ev  reo  vscp  rrjg    A9-t]vccg  tv 
AagiGGt]  iv  rij  ccxqotioXsi  reetfog  iori  AxgiGlov.  ^AO-rjvrjGi  Jt  iv  zrj  u- 
xqottoZsi  Kixgonog,  Sg  (pr]Giv*Avr(oyog  iv  zw  iwarip  rwv  iGrognov    zC 
<$£  'Egiy&oviog;  ovx  iv  zw  vscp  rrjg  Hohddog  xexrjdevrai  x.  z.  X.  Theo- 
doretus (Therap.  c.  8.)  erzählt  das  Gleiche  mit  näherer  Bezeichnung 
der  Lage  des  Grabes :  xccl  yäg  'A&rjvrjotv,  wg  Avrioyog  tv  zrj  ivväzt] 
yiyga<psv  lozogia,   v.vw  ys  iv  rrj  axgonöAei  Ktxgonog  iart  zätfog  naga 
zrjv  JloXiov %ov  avitjv,    was    die    unmittelbare   Nachbarschaft   der 
Polias,  des  advrov  und  des  Kekropion  bestimmt  herausstellt. 

Die  Halle  selbst  zeigt  in  ihren  äussern  Mauern  einen  Bau  von 
zwei  Stocken.  Der  untere  ist  aus  symmetrisch  verbundenen  Quadern 
gefügt,  von  zehn  Fuss  Höhe,  als  ein  Sockel  ?  über  dem  sich  die 
obere  Halle  mit  ihren  Fenstern  und  Halbsäulen  erhebt,  oder  viel- 
mehr erhob.  Denn  seit  Stuart,  der  sie  noch  in  ihrer  Ganzheit  ver- 
zeichnet hat,  ist  das  Meiste  zusammengebrochen,  und  von  den  Fen- 
stern keine  Spur  mehr.  Durch  den  Sockelbau  führt  gegen  die  Mitte 
eine  Thür.  Sie  ist  zwar  ohne  Profilirung,  und  von  den  Qua- 
dern zu  beiden  Seiten  fehlt,  ihr  Maass  mit  dem  der  andern  vergli- 
chen, gerade  soviel,  als  für  die  Oeffnung  der  Thüre  uöthig  war;  doch 
scheint  sie  im  Bau  ursprünglich;  denn  die  Steine  sind  im  Innern 
der  Thür  so  gut  und  vollkommen  geglättet,  als  in  der  übrigen  Wand, 
und  keine  Spur  eines  gewaltsamen  späteren  Einbruches.  Sie  scheint 


149 

demnach  als  eine  zu  bsonderem  Gebrauche  vorbehaltene  Nebenpforte 
in  die  Halle  zu  betrachten,  in  der  das  ädvrop  und  Ksxqothop,  und 
wohl  durch  eine  Quennauer  geschieden,  neben  einander  lagen.  Sie 
hat  als  hinterer  Eingang,  wie  es  scheint,  in  das  aSvrov  geführt;  denn 
den  Kanephoreu  nahe  ist  wenigstens  nach  Forchhammer  eine  andere 
ähnliche  gewesen  als  westlicher  Zugang  zu  dem  Kekropion.  Warum 
aber  zunächst  das  cidvrov ,  in  welches,  wie  wir  sehen,  eine  Thür 
aus  der  Cella  des  t^äarvkog  von  Osten  führte,  noch  durch  eine  zweite 
von  aussen  und  von  Westen  her  zugänglich  war,  davon  scheint  Pausa- 
nias  den  Grund  in  dem  Folgenden  anzudeuten.  Er  meldet  nämlich  Attic. 
XXVII.  §.  4.  als  eine  Sache,  die  nicht  Allen  bekannt  sey,  und 
seine  Verwunderung  errege,  von  zwei  Jungfrauen,  welche  nicht 
weit  von  dem  Tempel  der  Polias  wohnten:  IIciq&£poi  ovo  tov  vaov 
rrjg  JlohaSog  olxovGiv  ov  tzoqqü),  xaZovGi  de  yAd-t]Vcdoi  Gyäg  ciQQrjcpoQOvg. 
Die  Lesart  schwankt:  aQQrjcpooovg ,  xavrjipÖQovg,  xavvrjipooovg.  Dass 
aber  nicht  d^QtjcpoQoi  oder  £QGt](p6ooi ,  sondern  xcwrjtpoQoi  gemeint 
seyen,  zeigt  die  Gruppe  der  sechs  Kanephoren,  welche  dem  Dache 
des  Pandrosion  untergestellt  sind,  und  offenbar  auf  jene  Jungfrauen 
Bezug  haben,  dann  ihre  Verrichtung.  Sie  hatten  nämlich  eine  Zeit 
lang  ihren  Unterhalt  bei  der  Göttin  {ccvrai  xqovov  jusv  xuva  diaixav 
t%ovGi  nctoä  rfi  5-fw),  und  am  Feste  nahmen  sie  bei  Nacht  auf  ihr 
Haupt,  was  die  Priesterin  der  Athene  ihnen  zu  tragen  gab ,  ohne 
dass  diese  oder  sie  selbst  wussten,  was  es  sey.  Das  wurde  von 
ihnen  in  den  ■moißoÄog  rrjg  xaAov/ut'vrjg  iv  Krjjroig  [AyQodMrjg,  und 
daselbst  in  eine  natürliche  Felsengrotte  getragen  und  abgelegt.  Dort 
empfingen  sie  etwas  anderes  Verhülltes  und  brachten  es  zurück. 
Dann  wurden  sie  entlassen,  und  statt  ihrer'  andere  Jungfrauen  in 
die  Akropolis  gebracht.  Sie  trugen  also  das  Verhüllte  auf  dem 
Haupte,  und  offenbar  in  xavtoig,  gleich  den  Jungfrauen,  die  das 
Dach  der  Südhalle  über  ihren  Körben  tragen,  und  den  Kanephoren  im 
Friese  des  Parthenon,  der  den  grossen  Zug  oder  die  Pompe  au  den 
Panathenäen  darstellt;  und  sind,  wie  wir  oben  als  Vermuthung  aus- 


150 

gesprochen  haben,  in  seinen  sechs  Kanephoren  die  Töchter  des  Kekrops 
und  Erechtheus  dargestellt,  so  bilden  diese  den  Urtypus,  der  sich 
in  den  spätem  Kanephoren  wiederholte,  deren  geheime  und  für  die 
Aphrodite  it>  y.iqnoig  bestimmte  Opfergaben  offenbar  in  Beziehung  mit 
den  Gaben  der  kekropidischen  Jungfrauen,  d.  i.  mit  den  durch  sie 
vermittelten  Früchten  der  Erde  stehen. 

Dazu  nehme  man  die  Dienerinnen,  welche  der  Pallas  Athene  in 
den  Eumeniden  des  Aeschylus  nach  rechtem  Gebrauche  ihr  Bild  be- 
wahren (v.  979:  '%vv  noognöhoioiv,  eure  (poovoovGi  ßQtrug  zovuoy  di- 
zca'cag),  und  die,  wenn  von  jenen  verschieden,  als  Bildhüterinnen 
ebenfalls  in  der  Nähe  der  Göttin  ihre  Wohnung  haben  mussten.  Nun 
belehrt  der  Augenschein,  dass  an  die  Westhalle  des  Tempels  ein 
freier  Platz,  von  Gebäuden  umgeben,  sich  anschloss.  Die  Area  ist 
noch  sichtbar,  und  von  Süden  her  gingen  Stufen  zu  ihr  hinab.  Auch 
zeigt  sich  die  Substruction  jener,  welche  an  das  Pandrosium  an- 
schliesst,  und  von  da  in  gerader  Richtung  nach  Westen  sich  er- 
streckt. Hier  also  lag  der  zum  Tempel  gehörige  Temenos  oder  ein 
Theil  desselben,  umgeben  von  den  zum  Dienst  der  Göttin  gehörigen 
Gebäuden,  in  denen,  wie  den  Priesterinnen,  so  den  Kanephoren  und 
andern  heiligen  Dienerinnen  oder  einem  Theile  des  dienenden  Per- 
sonals, ihre  Wohnungen  bereitet  waren.  So  zeigt  sich  Absicht  und 
Zweckmässigkeit  der  hinteren  Pforte,  da  durch  sie  den  Priesterinnen 
und  den  Jungfrauen,  die  das  Bild  zu  hüten  und  zu  schützen  hatten, 
und  den  Kanephoren  der  Eingang  in  das  Adyton  offen  stand,  wäh- 
rend diejenigen,  welche  kamen,  die  Göttin  anzubeten,  durch  die 
Cella  und  von  dem  öffentlichen  Eingang  aus  in  das  Adyton  gelang- 
ten. Zugleich  gewinnen  wir  in  jener  Area  an  der  Westseite  den 
Raum  für  die  reichlichen  Weihgeschenke,  welche  Pausanias  a.  a. 
0.  §.  5  mit  der  Erinnerung  anführt,  dass  sie  bei  dem  Tempel  der 
Athene  (kq6s  Js  rw  rrjg  \l9rivccg  ton  f.dv  */..  r.  ^.)  gewesen  seyen. 
Der  andere  Eingang  würde  dann  in  das  Kekropion  und  aus  ihm  in  das 


151 

Pandrosion    geführt  haben,    und    wäre  wohl    offenbar  in    ähnlicher 
Weise  für  die  Zwecke  des  Cultus  berechnet  gewesen. 

Zusammenstellung  der  Ergebnisse  vorstehender    Untersuchung. 

Wollte  nun  Jemand,  was  über  die  Einteilung  des  Erechtheums 
und  über  seinen  Inhalt  an  Altären,  Gräbern  und  Gegenständen  des 
Cultus  ermittelt  worden  ist,  in  einer  Periegese  kurz  zusammenstel- 
len, so  würde  diese  etwa  lauten,  wie  folgt: 

,bü 

Auf  der  Akropolis  oben  liegt  dem  Parthenon  gegen  Norden  und 

nahe  dem  Abhänge  der  Burg  das  Haus  des  Erechtheus,  welches 
aus  mehreren  Wohnungen  der  Götter  und  Heroen  zusammengesetzt 
ist,  ein  Werk  aus  pentelischem  Marmor,  von  ionischer  Bauart  und 
bewunderungswürdig  durch  Schönheit  und  Schmuck.  Den  Fries  bil- 
det ein  Band  eleusiuischen  schwarzen  Marmors,  auf  welchem  die  Re- 
liefbilder aus  weissem  Marmor  befestigt  sind,  und  die  architektonische 
Profilirung  des  Gebälkes  und  die  Köpfe  der  Säulen  sind  auf  das 
Schönste  mit  Farben  und  Vergoldung  geschmückt.  Gegen  Morgen 
gewendet  erscheint  der  Bau  als  ein  Tempel  mit  sechs  Säulen  vor  dem 
Eingang.  Vor  der  Mitte  dieser  Säuleu  steht  ein  Altar  der  Dione, 
und  ihm  zur  Linken  in  gleicher  Eutfernung  zwei  audere.  Der  durch 
die  Vorhalle  Eintretende  findet  im  Innern  nur  einen  schmalen  Streif 
des  Bodens  von  gleicher  Höhe  mit  der  andern  Halle,  und  gelangt 
von  ihr  zur  rechten  und  linken  Hand  über  zwei  Stiegen  zum  unteren 
Theile  der  Cella,  der  8  Fuss  tiefer  liegt  als  die  übrigen.  Die  nörd- 
liche Stiege  beginnt  gleich  am  Ende  des  genannten  Streifes,  die 
südliche  erst  gegeu  die  Mitte  der  Cella,  bis  wohin  sich  hier  die 
obere  Terrasse  fortsetzt.  Im  tiefern  Theile  der  Cella  steht  in  der 
Mitte  der  Altar  des  Butes,  und  diesem  zur  Rechten  neben  der  nörd- 


152 

liehen  Stiege  ein  Altar  des  Poseidon-Erechtheus;  eiu  dritter  ist  ge- 
gen die  Mitte  der  westlichen  Cellamauer  aufgestellt  und  dem  He- 
phästos  gewidmet.  Durch  diese  westliche  Cellamauer  führen  zwei 
Pforten  in  den  hinteren  Raum  des  Gebäudes.  Vor  der  nördlichen 
oder  rechts  gelegenen  ist  zwischen  ihr  und  dem  Altar  das  Grab 
des  Erechtheus.  Ueber  ihre  Schwelle  gehend  bist  du  in  dem  Ady- 
ton, in  welchem  der  Pforte  gegenüber  das  Bild  der  Göttin  aufge- 
stellt ist.  Die  südliche  Pforte,  bis  nach  welcher  die  Stiege  daselbst 
herabgeht,  öffnet  den  Eingang  zu  dem  Grabe  des  Kekrops,  welches 
neben  dem  Adyton  der  Göttin  gelegen,  und  gleich  ibm  auch  durch 
eine  westliche  Pforte  zugänglich  ist.  Ueber  dem  Adyton  und  dem 
Kekropion,  welche  nur  durch  eine  Zwischenmauer  getrennt  sind, 
erhebt  sich  als  über  einem  Unterbau  die  obere  Mauer  der  Querhalle, 
welche  von  drei  Fenstern  darüber  und  vier  Halbsäulen  unterbro- 
chen wird. 

Diesem  hinteren  Bau,  einer  Art  von  Opislhodomos  des  Hexa- 
stylos,  sind  an  der  nördlichen  und  an  der  südlichen  Seite  zwei 
Hallen  angefügt.  Die  nördliche,  an  das  Adyton  gebaut  und  über  das- 
selbe nach  Westen  hin  sich  hinauserstreckend,  ist  nach  allen  Seiten 
offen  und  mit  vier  Säulen  in  der  Fronte  und  Einer  hinter  jeder  Eck- 
säule, ist  über  3  Stufen  zugänglich,  und  hat  in  ihrer  Mitte  den  Al- 
tar des  Opferers,  auf  welchem  dem  höchsten  Zeus  unblutige  Gaben 
gebracht  wurden,  im  Hintergrunde  aber  ein  Prachtthor  in  der  Anlage; 
doch  ist  es  nur  durch  seine  kunstreiche  Einfassung  zu  erkennen 
und  geblendet.  Die  südliche  Halle,  der  Pandrosos  geweiht  und  da- 
rum das  Pandrosion  genannt,  zeigt  über  einem  hoben  Unterbau  eine 
Reihe  von  sechs  Kanephoren,  welche  das  Dach  tragen,  und  enthält  in 
ihrem  Innern  die  Salzquelle  des  Erechtheus  in  einem  Brunnen,  den 
Altar  des  Zsvg  tQx&iog ,  und  über  ihm  emporragend  den  heiligen 
Oelbaum.  Das  Pandrosion  ist  im  Innern  durch  eine  Thür  mit  dem 
Kekropion  verbunden. 


153 


XI. 

Die  Absicht  und  die  Gründe  der   Anordnung  des  Baues  und  seiner 

Theile. 

Geht  man  auf  die  Untsrsuchung  der  Ursachen  ein,  welche  der 
Anordnung  des  Erechtheums,  der  Verbindung  seiner  Theile  und  der 
Vereinigung  dieser  Heiligthümer  ohne  Röcksicht  auf  Symmetrie  der 
Haupttheile  und  auf  Gleichmässigkeit  des  Bodens  und  des  Unter- 
baues zu  Grunde  lagen,  so  ist  vor  Allem  nicht  zu  übersehen,  dass 
in  jener  Vielheit  der  verbundenen  Gebäude  und  ihres  Inhaltes  schon 
vor  Alters  die  Idee  ihrer  Einheit  abhanden  gekommen  war,  wie  die 
Mannigfaltigkeit  der  Benennungen  lehrt,  unter  welchen  der  Bau  an- 
geführt wird.  Denn  nicht  nur  die  Namen  'EqZx&siov  und  vsiog  rijg 
Ilohädog  dienen,  dasselbe  Gebäude  zu  bezeichnen,  sondern  Pausa- 
nias  im  Fortgange  spricht  in  jener  Buntheit  der  Benennungen  zuerst 
von  einem  Wohnhause,  ol'xrjua,  das  ein  doppeltes  sey,  dann  aber 
vom  Tempel  der  Polias  und  dem  der  Pandrosos,  während  er  doch 
die  Theile  des  Erechtheums  im  Sinne  hat. 

Zunächst  nun  ist  die  mythologische  Einheit  oder  Zusammen- 
gehörigkeit der  hier  verbundenen  Arten  und  Theile  des  attischen 
Cultus  in  das  Auge  zu  fassen.  Schon  Ottfried  Müller  hat  in  ihm 
einen  Inbegriff  dessen  erkannt,  was  in  der  Urzeit  von  Attika,  vor 
der  ionischen  Einwanderung  und  der  Eroberung  des  ionischen  Stam- 
mes, an  Göttern  und  Heroen  von  dem  altpelasgischen  Geschlechte 
verehrt  wurde:  Hephästos  und  Pallas  Athene,  Kekrops  uud  die  ke- 
kropidischen  Jungfrauen,  und  wieder  Pandrosos- Athene,  Erech- 
theus  endlich,  und  nun  auch  wohl  die  Hyaden  als  seine  Töchter. 
Selbst  Hermes  ISvipal.'kos,  das  Symbol  der  Fruchtbarkeit  der  Flu- 
ren und  der  Herden,  fehlt  nicht,  noch  der  Alles  waltende,  höchste 
Zeus.     Damit]  aber   der    Charakter    des    königlichen    Hauses   (ofo- 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.     III.    Abthl.  20 


154 

rjixcc)  noch  deutlicher  hervortrete,  ist  der  Heerd  des  gehöfbeschützen- 
den  Gottes  eingestellt,  und  wurde  die  Urkande  des  Streites  der 
Götter  über  die  Herrschaft  des  Landes,  die  ndyxvyog  and  die 
*EQ£x&r]'ig  oder  S-dXaaaa  gezeigt ,  und  so  ist  auch  der  Heerd  des 
Priesterheros  nicht  vergessen,  der  diesem  Cultus  vorstand.  Doch 
wird  dieser  Inbegriff  von  Heiligthümern  und  Cultusgegenständen 
nicht  mit  O.  Müller  als  ein  rein  pelasgischer  zu  betrachten  seyu. 
Er  deutet  im  Poseidon,  dem  Schutzgott  des  ionischen  Stammes, 
und  seiner  Ansiedelung  im  Erechtheum  auf  die  Beiziehung  der 
Joner,  und  auf  die  Gestaltung,  welche  das  Volk  und  der  Staat 
in  der  auf  Theseus  zurückgeführten  Verfassung  erhielt,  und  wodurch 
das  ganze  Land  in  eine  grosse  Gemeinde  verbunden  wurde,  die  in 
der  Altstadt  von  Athen,  oder  in  der  Akropolis,  ihren  Mittelpunkt, 
und  in  dem  Erechtheum  ihr  alt-pelasgisch-ionisches  Gesammtheilig- 
thum,  eine  Art  von  Pantheon  eines  Cultus  hatte,  dessen  Grundan- 
schauungen in  Poseidou-Erechtheus  und  Athene -Pandrosos  zu  Per- 
sönlichkeiten geworden  waren,  eine  Verbindung,  die  jeden  einzelnen 
Demos  in  dem  Mittelpunct  der  grossen  Gemeinde  wieder  finden  liess, 
was  er  daheim  Ehrwürdiges  besass,  und  die  noch  dazu  durch  das 
Himmel  gefallene  Bild  der  Göttin  und  die  Wunderzeichen  des  Götter- 
streites  ehrwürdig,  ein  wahres  Nationalheiligthum  bildete. 

Dass  aber  hier  etwas  von  der  Gemeinschaft  anderer,  wenig- 
stens nicht-pelasgisch-ionischer,  Völker  und  Stämme  Abgesondertes 
und  in  seinem  Allerheiligsten  oder  Adyton  ihnen  Unzugängliches  ge- 
geben war,  zeigt  die  oben  erwähnte  herodoteische  Erzählung  von 
Kleomenes,  dem  Könige  von  Sparta,  und  der  Priesteriu  der  Göttin. 
Herod.  V.  c.  72.  Als  nämlich  jener  in  die  Akropolis  heraufgestie- 
gen war,  um  sie  in  Besitz  zu  nehmen,  ging  er  in  das  Allerheiligste 
der  Göttin,  um  dort  anzubeten  (ijls  dg  ro  advrov  rijg  &eov  (6g  TiQog- 
tQtcov).  Die  Priesterin  aber  erhob  sich  von  ihrem  Throne,  ehe  er 
über  die  Schwelle  geschritten  war  {tiqIp  tj  rag  &vQag  ctvxov  njueiifjcct), 


155 

und  sprach:  „0  Fremdling  aus  Lacedemon,  weiche  zurück  und  gehe 
Dicht  in  das  Heiligthum.  Denn  es  ist  nicht  gebührend  den  Doriern, 
hier  hineinzugehen,"  (ov  yao  ^sjuitov]  Aojqisvgi  naoiivui  ivravä-a). 
Er  aber  sprach:  O  Weib,  aber  ich  bin  kein  Dorier,  sondern  ein 
Achäer"  («5  yvvui,  atä  ov  Acooievg  siui,  cihK  'Axcuog).  Was  die 
Antwort  betrifft,  so  hatte  Kleoinenes  ganz  recht  mit  ihr,  aber  0.  Mül- 
ler (Dorier  17t  f.)  unrecht,  wenn  er  sie  zu  umgehen  oder  zu  entkräf- 
ten sucht.  Denn  hier  kam  es  darauf  an,  dem  Verbote,  unter  dem 
die  Dorier  standen,  seine  Abstammung  entgegenzustellen.  Die  Hera- 
kliden,  zu  denen  er  gehörte,  stammten,  wie  man  weiss,  aus  Argos, 
hatten,  von  dort  unter  Hyllos  vertrieben,  bei  den  Doriern  Aufnahme, 
und  bei  ihrem  Versuche,  in  die  Heimath  mit  Waffengewalt  zurück- 
zukehren, mächtige  Unterstützung  gefunden.  So  wenigstens  hat  sich 
die  althistorische  Ueberlieferung  gestaltet.  Die  dorischen  Gemeinden,, 
welche  ans  diesem  Zuge  hervorgingen,  waren  noch  später  ass^iJen 
Stämmen  cYXXCg,  Avpavlg  und  Tlciinpvlig  gebildet.  Von  diesen 
waren  nur  die  zur  Av^iavig  gehörigen  ächte  und  reine  Dorier;  die 
Hyllis ,  aus  den  Herakliden  und  den  Genossen  ihrer  Auswan- 
derung bestehend,  war  achäisch,  und  die  Pamphylis  enthielt  den  Zu- 
gang aus  anderen  Männern,  die  sich  dem  Abenteuer  der  dorischen 
Wanderung  nach  dem  Peloponnes  angeschlossen  hatten;  doch  über- 
wog Gebrauch  und  Name  der  Dorier,  in  den  nachher  alle  Vollbür- 
ger in  Sparta,  später  selbst  die  Lacedemonier,  aufgenommen  wurden. 
Es  war  also  eingetreten,  was  Herodot  von  der  ionischen  Be- 
völkerung der  Kynurier  in  der  Umgegend  von  Argos  berichtet  VIII. 
73:  ty.dsdwQisvprai  dh  vno  rs  Aqyzloiv  c<Q%6fji£vot  xcu  rov  %q6pöv. 
Aber  die  Ueberlieferung,  dass  die  Herakliden,  obwohl  aus  ihrem 
Stamme  die  Könige  der  dorischen  Gemeinde  von  Sparta  kamen, 
nicht  Dorier,  sondern  Achäer  seyen,  war,  wie  man  sieht,  nicht  er- 
loschen, und  tritt  in  jener  denkwürdigen  Erklärung  des  Kleomenes 
deutlich  hervor.  Für  uns  aber  liefert  der  Vorgang,  der  sie  veran- 
lasste,  das   Zeugniss,    dass   das    Erechtheum    ein   Stammheiligthum 

20* 


156 

der  pelasgisch-iouischen  Gottheiten  war,  in  dem  der  Eintritt,  wenig- 
stens in  das  advT.or,  selbst  dem  Könige  eines  fremden  Stammes  ver- 
sagt wurde.  Ist  aber,  wie  offenbar,  das' Verbot  der  Priesterin  nur  auf  das 
advtov  bezüglich,  und  sie  hatte  im  Falle  das  Hauptthor  der  Nordhalle 
schon  damals  geblendet  war,  dann  ihren  Sessel  neben  dem  nördlichen 
Eingang  aus  der  Cella  in  dasselbe,  so  wurde  die  Cella  selbst  als  eine 
Vorhalle  betrachtet,  welche  zu  betreten  auch  anderwärts  den  Fremden 
nicht  versagt  war,  wie  beim  jüdischen  Tempel  der  Vorhof  der  Völker. 

Aber  Eine  Frage  erhebt  sich  noch  auf  diesem  Standpunkt  der 
Untersuchung:  Wie  kam  es,  dass  zum  Verein  alter  Stamm-Gott- 
heiten auch  Königsgräber  in  dieses  Pantheon  aufgenommen  und 
mit  den  Altären  und  Tempeln  verbunden  wurde?  Es  kommt  hiebei 
nicht  darauf  an,  ob  Kekrops  oder  Erechtheus  historische  Persönlich- 
keiten oder  mythische  Personificationen  oder  aus  beiden  gemischte 
Potenzen  waren,  sondern  auf  Anschauung  und  Vorstellungsweise 
des  Alterthums,  wobei  sich  fragt,  wie  man  glauben  konnte,  eiu  Grab, 
welches  als  Heldengrab  galt,  und  als  solches  verehrt  wurde,  gehöre 
vor  ein  Heiligthum,  oder  finde  sich  dort  an  seinem  Platze.  Wir 
werden  dadurch  auf  Schutz  und  Wacht  der  Tempel  geführt.  So 
gross  auch  die  Macht  der  Götter  geachtet  wurde,  hielt  man  doch 
zur  Wrahrung  der  Heiligthümer  eine  nicht  nur  menschliche,  sondern 
auch  heroische  Schutzwache,  die  Hilfe  alter  Heroen  und  Könige,  für 
nöthig.  So  meldet  Pausanias  X.,  8  §  4,  dass  nahe  dem  Tempel  der 
^ Aktiva  llQovaia  bei  Delphi,  dessen  Unterbau  noch  unterhalb  des 
Weges  über  den  tiefen  Felsenbette  der  Kastalia  emporragt,  und 
nach  dem  delphischen  Heiligthum  hin  ein  heiliger  Bezirk  des  Hel- 
den Phy tokos  gewesen  sey  (jigogdk  rdöhow  rrjg  Ilgovaiag  4>vAäxov 
rt/usvog  laxiv  ijotoog),  und  dass  er  als  Wächter  des  Heiligthums  be- 
trachtet wurde',  beweist  der  Zusatz:  ovwg  vnö  dsfyäiv  t%£i 
<?>rifM]V  xctxa  rijv  IxGxqäruav  G<piOiv  d/xivai  xrjv  Hsqgwv,  und  jenseits 
der  Kastalia,  nahe  dem  Eingange    in  den  Temeuos  des  delphischen 


Gottes,  ist  in  dein  Felsen  eine  theils  natürliche,  tlieils  erweiterte 
Grotte,  die  jetzo  dem  heiligen  Johannes  gewidmet  ist,  und  wohl  als 
Sacellum  jenes  Tempelhortes  gedient  hat.  Näher  noch  liegt  uns  die 
Meldung  des  Pindarus  über  den  Tod  des  Pyrrhus  oder  Neoptolemus, 
Nein.  VII.,  43.  Der  Sohn  des  Achillens  nämlich  war  in  Delphi  um- 
gekommen in  einem  Streit  mit  den  Einwohnern  um  das  Opfermal. 
Pindarus  nun,  nachdem  er  des  Todtschlages  gedacht,  sagt  wei- 
ter v.  43: 

Bäqvv&sv  dt  nsQiood   <4s%(puyv  %svccy£rai , 

äXXct  rö  uÖqgi/aov  ccnidtoxsv  —  ^XQ1!*'  ^6  tiv    %.vSov  aXati  nakaiTCitoy 

Alaxidctv  xqsovtcov  roKomöv  bjUjLiEvai 

Ssov  nao    evrsiyja  §öf.iov,  tjQwii'aig  Ss  nojunaig 

&SJUIGX0710V    olxilP    lÖvTCi    JloXv&VTOlS 

svwvv/iiov  ig  dlxav  —    xqia  bnsa  dictQx£osi. 
ov  ysvSig  6  juaQTvg  %qyjuaGii>  iniGtarsi. 

Darob  erzürnte  der  Delphen  Gastpfleger  über  Maass; 
Doch  er  bezahlte    das  Geschick.    Es  musst'  einer  von  Arakos  viel- 
gewaltigem 
Stamm  in  des  Hains  uralten  Schoosse  künftig  seyn, 
Wo  schön  des  Gottes  Wohnungen  sich  erheben,  und  opferreiche 
Gelage  der  Heroen   pflegend  nach  dem  Geheiss 
Ruhmwürdiger  Sitte,  dort  wohnen.   Doch  es  genügen  drei 
Wort.'  Ohne  Betrug  verwaltet  er  die  Kämpf  und  zeugt. 

Hier  also  wird  ein  altes  Schicksal  erfüllt.  Ein  Aeakide  soll  in- 
nerhalb des  uralten  heiligen  Bezirkes  seine  Wohnung  haben  (olxsTv), 
und  die  Stelle  derselben  wird  näher  bezeichnet  als  neben  dem 
schöngemauerten  Hause,  oder  in  dem  Tempel  nach  dem  Scholiasten. 
Denn  dieser  bemerkt,  Neoptolemus  sey  in  dem  Tempel  beigesetzt 
worden :  Aoxu  §z  o  NsorrroP.suog  iv  /ietyoTg  ävtjQrjo&cu  xcä  rsd-siGS-at 
iv  tw  vctwt.    Hier   treffen  wir  das  Grab  eines  Heros  als  eines  Auf- 


153 

sehers  und  Hüters  im  Temenos  bei  dem  Tempelbause  selbst.  Er 
hat  dort  zugleich  das  Amt,  den  heroischen  Festzögen  vorzustehen, 
und  über  Unpartheilichkeit  der  Entscheidungen  bei  den  Siegen  in 
den  pythischen  Spielen  zu  wachen.  Wir  haben  darinnen  nicht  nnr 
die  Bedeutung  der  beiden  Königsgräber  und  ihrer  Heroen:  Sie  die- 
nen als  Horte  und  Hüter  der  Heiligthümer,  Erechtheus  des  Adyton 
der  Polias,  Kekrops  des  vscog  'A&rjvccg-IlardQOOov,  sondern  auch  die 
Ursache,  wesshalb  ihre  Gräber  gerade  an  den  Stellen  waren,  die 
ihnen  mit  Sicherheit  angewiesen  wurden:  Sie  liegen,  gleich  dem 
Neoptolenms  in  Delphi,  vor  oder  bei  den  Schwellen  der  Gemächer, 
als  deren  Beschirmer  die  Heldenkönige  gedacht  wurden. 

Nachdem  wir  die  mythisch-religiöse  Einheit  der  in  diesem  Ge- 
bäude verbundenen  Sacelle  und  Altäre  gezeigt,  bleibt  übrig,  die  archi- 
tectonische  Idee  nachzuweisen,  welche  bei  der  Anordnung  des  ur- 
sprünglichen Baues  und  seiner  Mannigfaltigkeit  maassgebend  gewe- 
sen ist.  Denn  dass  dieser  neue,  in  der  perikleischen  Zeit  begonnene, 
eine  Nachbildung  des  alten  Burgheiligthums  sey,  ist  schon  von  0. 
Müller  und  AI.  Hirt  bemerkt  worden,  indem  dieser  sagt  (Gesch.  d. 
Baukunst  II.  S.  22):  „Es  scheint,  dass  man  bei  der  Wiederherstel- 
lung als  Grundsatz  annahm,  an  der  alten  Anlage  und  Grösse  der 
Heiligthümer  Nichts  zu  ändern,  und  das  alte  Unregelmässige  der 
Form  beizubehalten.  Jedes  darin  von  altersher  Aufgestellte  sollte  ge- 
nau {den  ursprünglichen  Stand  behaupten — ."  Es  geschah  also; hier,  was 
in  Rom  noch  zur  Zeit  des  Vespasian  geschah,  als  es  sich  darum 
handelte,  den  im  Kampfe  mit  den  Vitellianern  zerstörten  Tempel  des 
Jupiter  Capitolinus  wieder  aufzurichten.  Tacit.  Hist.  IV.,  53 :  Curam 
restituendi  Capitolii  in  Lucium  Vestrinum  confert  (Vespasianus)  .  . 
Ab  eo  contracti  haruspices  monuere,  ut  reliquiae  prioris  delubri  in 
paludes  aveherentur,  templum  isdem  vestigiis  sisteretur ;  nolle  deos 
mutari  veterem  formam.  Daraus  ist  aber  offenbar,  dass  bei  solchen 
Restaurationen  nach  alten  Maassen  und   Planen    es  nicht,   wie  Hirt 


159 

zu  glauben  scheint,  auf  einen  Grundsatz  ankam,  dem  mau  angenom- 
men, damit  Jedes  in  dem  Neubau  seinem  alten  Stand  behaupten 
könne,  sondern  auf  religiöse  Satzungen,  die  von  den  Priestern,  als 
den  Vertretern  der  Götter,  gehütet  wurden.  Zugleich  aber  sieht  man, 
wie,  obwohl  im  neuen  Erechtheum  von  dem  alten  Bau  Nichts  übrig 
blieb,  und  offenbar  wie  in  Rom  alle  Trümmer  des  ursprünglichen  ab- 
geräumt wurden,  gleichwohl  das  neuentstandene  Heiligthum,  weil  es 
auf  den  Grund  des  früheren  gebaut  war,  und  die  Formen  und  Maasse 
desselben  wiedergab,  fortdauernd  das  alte  genannt  wird  bei  Hero- 
dot  und  Strabo,  im  Gegensatz  zu  dem  Parthenon,  dessen  Aufführung, 
wie  wir  in  der  zweiten  Abhandlung  zeigen  werden,  einer  spätem 
Cultusperiode  angehört. 

Indess  ist  damit  nicht  gesagt,  dass  neben  der  Wahrung  des 
Planes  und  der  äusseren  Form  auch  im  Einzelnen  Alles  hier  beim 
Alten  zu  bleiben  hatte.  Selbst  der  capitolinische  Tempel,  obwohl 
unter  dem  strengen  Gesetze  des  nolle  deos  mutari  veterem  formam 
aufgeführt,  wurde  nach  besonderer  Zulassung  der  haruspices  höher 
gebaut,  als  der  alte  gewesen  war. —  „Altitudo  aedibus  adjecta"  sagt 
der  römische  Geschichtsschreiber."  Id  solum  religio  adnnere  et  pri- 
ori« templi  magnificentiae  defuisse  creditum,  quo  tanta  vis  hominum 
retinenda  erat.  Mit  der  Höhe  aber  wurden,  wie  natürlich,  alle  Ver- 
hältnisse der  einzelnen  Theile,  der  Decke,  des  Gebälkes,  der  Pfor- 
ten, verändert,  um  das  Einzelne  mit  der  neuen  Grösse  in  Ueberein- 
stimmnng  zu  bringen.  Es  wahele  darum  das  doppelte  religiöse  Ge- 
setz: zu  bewahren  und  zu  verbessern,  hier  ebenso  vor,  wie  in  der 
Scolptur  bei  ihrem  Uebergang  aus  dem  hieratischen  in  den  vollen- 
deten Styl,  indem  auch  hier  volle  Wahrung  des  alten  Habitus  in 
Stellung,  Kleidung  und  Antlitz,  das  Uebrige  aber  der  Natur  ent- 
sprechend und  dem  Gesetze  der  neuen  Einsicht  gemäss  zu  bilden 
gestattet  wurde. 


160 

Es  wird  darum  nicht  mit  dem  oben  Dargestellten  in  Wieder- 
spruch erscheinen,  wenn  wir  darauf  geführt  werden,  dass  bei  Wah- 
rung des  Alten  in  allen  Theilen,  von  denen  der  Eindruck  des  Gan- 
zen und  die  Erinnerung  an  die  äussere  Form  bestimmt  war ,  doch 
im  Innern  und  im  Einzelnen  diejenigen  Aenderungen  vorgenommen 
worden  sind,  die  nicht  mehr  der  alten  Beschaffenheit,  wohl  aber  dem 
neuen  Bedürfnisse  entsprechend  waren. 

Gehen  wir  aber  an  das  Problem  dieser  seltsamen  Gestaltung 
und  Verbindung  seiner  einzelnen,  aus  dem  ältesten  Bau  überliefer- 
ten, Theile  des  Näheren  ein,  so  liegt  die  Lösung,  wie  wir  bemerk- 
ten, schon  in  der  homerischen  Meldung  angedeutet,  dass  Pallas 
Athene  in  das  festgefügte  oder  wohlverwahrte  Haus  des  Erechtheus 
(dvos  <T  ^Eosy&ijos  nvxivöv  db^ov)  eingegangen  sey,  und  in  den  die- 
ser Angabe  entsprechenden  Benennungen  unseres  Baues,  welche 
sich  bis  zu  des  Pausanias  otxij/ua  'Eqs% &si ov  heraberstrecken. 
Es  war  nicht  der  Tempel,  sondern  das  Wohnhaus  des  Erechtheus, 
was  dem  alten  Bau  zu  Grunde  gelegt  wurde,  und  die  Hallen  und 
Gänge  sind  demnach  ursprünglich  nicht  besondere  Heiligthümer, 
sondern  Theile  dieses  Wohnhauses  gewesen,  welche  bei  seiner  Um- 
gestaltung der  Anlage  nach  beibehalten,  aber  mit  einer  andern  Be- 
stimmung bekleidet  wurden.  Die  Untersuchung  wird  sofort  in  der 
Art  zu  führen  seyn,  dass  klar  werde,  welche  Theile  der  altattischen 
Königswohnung  sie  gewesen  sind,  und  welche  Bestimmung  sie  ge- 
habt haben. 

Wir  kennen  die  innere  Einrichtung  eines  solchen  avaxxoQov, 
ävv.xuov,  oder,  wie  es  jetzo  genannt  wird,  uo%ovTiy.6v ,  vorzüglich 
aus  den  Meldungen  über  das  Haus  des  Priamus  in  der  Iliade  und 
des  Odysseus  in  der  Odyssee.  Gegen  die  Strasse  durch  eine  Ein- 
fassungsmauer abgeschlossen ,  und  durch  ein  Thor  offen,  vor  wel- 
chem  Odysseus   den    treuen  Hund    Argos   auf    einem   Düngerhaufen 


161 

liegend  traf  (Od,  (>,  290  ff.)  ,  zeigt  es  im  Innern  einen  von  Hallen 
und  Gemächern  umgebenen  Raum  im  Geviert  {[ityct  xuxlov  ctvXijs 
Od.  n,  343,  und  die  Schilderung  in  Odysseus  Munde:  imjaxtjTcu  J"! 
ol  avXfj  Toi%q)  xal  S-qtyxoloi ,  &vqcci  <T  svsQxteg  dalv  JixMdsg,  Od. 
q.  266  ff.).  In  Mitte  der  sqxscc  stand  der  Altar  des  Zsvg  tQxewg. 
Das  ist  die  Stelle,  die  ihm  Virgilius  im  aväxaov  des  Priamus  an- 
weist, Aen.  II.,  512  ff.: 

Aedibus  in  mediis  nudoque  sub  aetheris  axe 
Ingens  ara  fuit,  juxtaque  veterrima  laurus, 
Incumbens  arae  atque  umbra  coinplexa  Penates, 

und  so  erscheint  er  in  der  tabula  iliaca  (Miliin,  gallerie  mytholog. 
Tab.  CL),  wo  Priamos  vor  ihm  erschlagen  wird. 

Auch  im  'Ep4%&8M>t>  avctxsiov  treffen  wir,  wiewohl  an  anderer 
Stelle,  diesen  Altar,  über  ihm  den  uralten  heiligen  Oelbaum,  und 
neben  ihm  zwar  nicht  die  Penaten,  aber  doch  das  alte  Denkmal 
des  Götterstreites,  den  Brunnen  des  Poseidon.  Offenbar  ist  hier  im 
ursprünglichen  Gebäude  ein  Zugang  in  das  Innere  gewesen,  und 
der  Platz  ein  freier,  wie  der  Oelbaum  und  der  Brunnen  neben  ihm 
zeigen.  Der  Heerd  des  hofbeschüfzenden  Gottes  war  also  hier  an 
seinem  Platze,  und  behielt  ihn,  als  der  Raum  in  den  Bau  einge- 
schlossen wurde. 

Dass  auch  in  Athen  wenigstens  die  Häuser  der  reichen  Enpa- 
triden  die  gleiche  Anlage  bewahrten,  zeigt  am  deutlichsten  die  Schil- 
derung der  Wohnung  des  Kallias  im  Protagoras  des  Plato'(p.  514  B.  ff.) 
Sokrates  hat  Mühe,  den  Thürsteher  zum  Einlass  durch  das  Thor 
zu  bewegen.  Innerhalb  findet  er  das  Haupt  der  Sophisten  mit  einer 
Schaar  bewundernder  Freunde  in  der  Halle  auf-  und  abgehen,   die 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  h.  Ak  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abth.  21 


162 

übrigen  Meister  in  den  Gemächern  hinter  der  Halle  einquartirt,  nnd 
zu  diesem  Behufe  sogar  eine  Vorrathskammer  geräumt. 

Im  Hintergrunde,  dem  Thor  gegenüber,  geht  nnter  der  Halle, 
cä&ovoa,  der  Weg  in  das  grosse  Gemach,  das  ^yaqov  oder  die 
fityaQa,  das  neben  dem  Hofe  den  Haupttheil  des  Gebäudes  bildet, 
wesssalb  beide,  iQxsa  rs  juiyaQov  rs  Od.  n  341.  verbunden  werden. 
Hier  waren  die  Versammlungen  der  Männer,  und  auch  ein  Heerd, 
der  auf  einen  Altar  deutet,  fehlt  nicht,  neben  dessen  Feuer  Arete 
ihren  Sessel  stellt  Od.  £.  305,  in  noch  grösserer  Tiefe  die  Lokalitäten 
des  vtyoQotpog  &ciAa/uog  mit  den  Vorräthen  an  Gold,  Erz,  Kleider, 
Oel  und  Wein,  der  sogar  tiefer  lag  als  die  Hausflur,  weil  Telemach 
da  hinabsteigt  Od.  ß.  337.  Ueber  diesem  Erdgeschosse  lagen  die 
oberen  Gemächer,  vm-Qwia,  wo  die  Frauen  wohnen,  Od.  n,  439  und 
die  Waffenkammer  ist,  beide  durch  Thüren  und  Stiegen  in  Verbin- 
dung mit  den  unteren.  Ueber  die  hintere  Stiege  tritt  Penelope  herab 
(Od:  a,  330),  um  zu  den  Freiern  im  ptyctQov  zu  sprechen,  über  die 
vordere  schickt  Ulysses  im  Kampfe  mit  den  Freiern  die  Diener,  um 
Waffen  zu  holen,  wohin  auch  Melauthios  auf  anderem  Wege,  ävä 
(jwyag  /ueyäQoio,  Od.  x->  143,  d.  i.  auf  einer  durch  die  Mauer  gebro- 
chenen und  geführten  Treppe,  gelangt  war.  Dazu  andere  Gemächer, 
die  dcujuata,  &äXafxoi,  jufyctQce  genannt  wurden.  Das  Schlafgemach  des 
Odysseus  lag  im  obern  Stocke,  da  er  die  Aeste  eines  Baues  benützte, 
nm  aus  ihnen  das  Ehebett  zu  gewinnen.  Dass  auch  das  utyceQov  be- 
sondere Gemächer  für  Wohnungen  zur  Seite  oder  im  Grunde  gehabt 
habe,  unter  diesen  deu  ävdQuiv,  die  Männerwohnung,  im  Gegensatz 
des  yvvcciy.üov  im  oberen  Geschoss,  geht  aus  dem  Ueberbau  für  die 
Frauen  selbst  hervor,  und  in  einem  derselben,  wenn  nicht  im  /us'yccQov 
selbst,  stand  wohl  der  Altar,  auf  welchem  die  häuslichen  Opfer  der 
Familie  gebracht  wurden,  von  welchem  Klytämnestra  im  Agamemnon 
des  Aeschylus  (v.  1334)  sagt:  sie  habe  keine  Furcht,  so  lange  Aegi- 
sthos  Feuer  auf  ihrem  Heerde  anzünde: 


163 

Ov  /uot  ipößov  (1.  (pofiov)  u€Xcc&qov  iXnig  Bftnattlv, 
"Ewg  äv  cu&ri  tivq  £(j>   tGxCcts  tjuijs 
AiyiG&og. 

Es  bedarf  kaum  der  Erinnerung,  dass  diese  im  Ganzen  durch- 
gehende Einrichtung,  mit  dem  Hofe  vor  dem  [xtyctQOP  und  den  obern 
Gemächern  vorzüglich  für  Frauen,  nach  Ort,  Umständen  und  Umfang 
des  Baues  grossem  Wechsel  unterworfen  war,  und  eine  nicht  ge- 
ringe Verschiedenheit  zeigt;  die  Haupttheile  aber,  dem  Bedürfnisse 
des  Hauses  entsprechend,  kehren,  wenn  auch  in  andern  Lagen  und 
Verbindungen,  überall  wieder. 

Geht  man  von  diesen  Bemerkungen  an  den  vorliegenden  Bau, 
so  treten,  wie  oben  bemerkt  worden,  als  Hanptheile  desselben  der 
grosse  Vorbau  gegen  Osten,  der  Bau  nach  Norden  und  Süden,  und 
die  Halle,  durch  welche  beide  getrenut  und  verbunden  wurden,  be- 
stimmt auseinander. 

Wenn  diese  Verbindungshalle  im  oberen  Geschosse  Halbsäulen 
und  Fenster  hatte,  so  kann  solches  nicht  ohne  besondern  Beweg- 
grund gewesen  seyn.  Denn  Halbsänlen  zum  blossen  Schmucke  sind 
der  noch  strengen  und  principiellen  hellenischen  Architectur  so  fremd, 
wie  sie  der  römischen  gewöhnlich  sind,  welche  das  architectonische 
und  constructive  Bedürfnisse  dem  Streben  nach  Prachtvollen  und 
Geschmückten  aufopferte.  Es  musste  demnach  durch  jene  doppelte 
Vorrichtung  auf  eine  besondere  ursprüngliche  Beschaffenheit  der 
Querhalle  hingewiesen  werden,  und  diese  kann  keine  andere  gewe- 
sen seyn,  als  dass  sie  gegen  Westen  offen,  und  allein  durch  Säu- 
len gestützt  war.  War  dies,  so  wiederholte  der  Neubau  diese  Be- 
schaffenheit, indem  er  zum  Behufe  des  Schutzes  zwar  den  Westen 
durch  eine  Mauer  schloss,  aus  dieser  aber  die  ursprünglichen  Stützen 
als  Halbsäulen  hervorragen  Hess,  und  die  Oeffnung  gegen  Westen  nur 
zum  Theil  aufhob,  indem  er  eine  von  Fenstern  unterbrochene  Mauer 

21- 


164 

bildete.  Sie  blieb  also  eine  offene  Säulenhalle,  nur  in  der  durch  die 
Rücksicht  auf  den  Neubau  gebotenen  Beschränktheit.  Es  erklärt 
sich  somit  eine  auf  keine  audere  Weise  deutbare  Erscheinung,  uud 
die  auch  in  dieser  Beschränkung  einem  Tempelbau  ganz  widerstre- 
bet, dagegen  als  Erinnerung  an  eine  Halle  des  Königsbaues  wohl 
geziemend  und  berechtiget  ist. 

Diese  Halle  steht  nun  mit  dem  südlichen  Vorbau,  dem  Kane- 
phorensaal,  in  Verbindung,  der  ebenfalls  ein  festgemauertes  Erdge- 
schoss  unter  sich  hat.  Zwei  Stufen  reichen  hin,  um  aus  der  Halle 
in  den  Saal  hinaufzugelangen ,  dessen  Boden  nur  um  einige  Fuss 
höher  liegt,  als  derjder  Halle.  Die  Erscheinung  der  sein  Dach  stütz- 
enden Jungfrauen  deutet  wohl  deutlich  genug  an,  dass  hier  das 
yvvcaxelov  die  yvvcuxwpiTts  im  oberen  Stocke  des  Königsbaues  ge- 
legen war,  vielleicht  mit  dem  Altar  der  Pandrosos  darunter.  Als 
diese  Bestimmung  aufgehoben,  und  das  Ganze  in  den  vscbg  'A&rjväs- 
üavdqooov,  und  das  Frauengemach  iu  einen  Oberbau  desselben  ver- 
wandelt wurde,  hielt  man  für  entsprechend,  hier,  ebenso  wie  bei  der 
Querhalle,  die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Locals  im  Neuban  aus- 
zudrücken. Dieses  geschah,  indem  man  die  Jungfrauen  selbst,  die 
es  ursprünglich  bewohnten,  als  Kanephoren  unter  das  Dach  stellte, 
so  wie  sie  ehedem  bei  den  Opferzügen  der  Göttin  aus  ihm  hervor- 
getreten waren,  und  noch  jetzo  in  der  Pompe  der  Panathenäen  im 
Parthenon  gebildet  sind,  wenn  nicht,  wie  wir  oben  bemerkten,  in  den 
sechs  Jungfrauen  die  ursprünglichen  Bewohnerinnen,  die  drei  Töch- 
ter des  Erechthens  und  die  drei  des  Kekrops  gedacht  uud  in  ihrer 
hieratischen  Beschäftigung  dargestellt  wurden.  Aus  dem  yvvtuy.Mov 
führte  sofort  die  westliche  Halle  nach  dem  nördlichen  Baue,  der  ge- 
gen sie  als  ein  Erdgeschoss  gegen  ein  oberes  sich  darstellt.  Es  ist 
bei  dieser  Anlage  uothwendig  anzunehmen,  dass  ursprünglich  eine 
Verbindungsstiege  aus  der  offenen  Halle  iu  dieses  niedrigliegende 
Gemach   herabführte,   und  wir  werden  darum  iu  ihm  das  eigentliche 


165 

ävdQcbv,  die  apdQwvlng  des  Hauses  mit  dem  lleerde  haben,  auf  dem, 
wie  oben  bemerkt,  die  häuslichen  Opfer  gebracht  wurden,  und  die 
königlichen  Frauen  oder  Jungfrauen  konnten  dann  aus  ihrem  Ge- 
mach durch  die  offene  Halle  nach  dem  Männergemach,  und  zu 
diesem,  gleich  der  Penelope,  über  eine  Stiege  herabgelaugen. 

Hatte  nun  der  nördliche  Bau  ursprünglich  die  Bestimmung,  das 
Männergemach,  das  eigentliche  /utyctQov  oder  oYxtjjua  'EQsx&scog  zu 
seyn,  so  erklärt  sich,  warum  der  Neubau  ihn  mit  solcher  Sorgfalt 
und  Pracht  behandelt}  auch  findet  der  ßcojuog  &vtj%ov  in  ihm  seine 
Erklärung,  und  während  die  offene  Querhalle  des  Altbaues  bei  dem 
neuen  nur  noch  durch  Halbsäulen  und  Fenster,  das  yvvcuxuov  durch 
die  Jungfrauen  angedeutet  blieb,  so  begnügte  man  sich  bei  der  Um- 
gestaltung hier,  die  Maasse  und  Ausdehnung  des  uvSqwv  und  den 
Altar  in  seiner  Mitte  beizubehalten,  die  Verbindungsmauer  aber  ward 
durch  die  Säulenstellung  ersetzt,  als  dessen  Bestimmung  in  dem  Neu- 
bau hervortrat,  dem  Altare  des  Zsvg  vnctog  nur  noch  als  Umgebung 
und  dem  Adyton  als  Haupteingang  zu  dienen.  Auch  wäre  dann  offenbar 
ebenfalls  als  Erinnerung  an  die  ursprüngliche  Bestimmung,  obwohl 
nach  Hin.  Forchhanuuer  geblendet,  das  Thor  beibehalten,  durch  wel- 
ches  er  im  Hintergründe  mit  dem  Adyton  in  Verbindung  stand. 

Findet  auf  diesem  Wege  die  ganze  Anordnung  des  westlichen 
Baues  die  wünschenswertheste  Erklärung,  so  wird  nach  der  Be- 
stimmung, die  wir  seinen  drei  Theilen  nachgewiesen  haben,  der  üb- 
rige Bau  welcher  in  den  östlichen  i^dorvXog  endiget,  als  der  grosse 
Saal,  als  das  iA£yci<jov,  sich  darstellen,  zu  welchem  aus  der  aT&ovoa 
der  Zugang  offen,  und  der  zu  den  grösseren  Versammlungen  und 
Schmausen  der  bei  dem  König  Einkehrenden  bestimmt  war. 

Als  Theile  des  altattischen  ävaxkiov  oder  Königshauses  betrachtet, 
erscheinen  darum  die  Glieder  und  Hallen  des  Baues  in  der  ihnen 
gebührenden    Lage   uud    Verbindung.     Das   eigentliche  Megaron  hat 


166 

das  innere  Gemach  des  Königs  mit  dem  Altare  gegen  Norden  ebenso 
natürlich  zur  Seite,  wie  im  oberem  Baoe  linker  Hand  das  yvvaixtiov, 
und  die  Verbindung  zwischeu  beiden  war  durch  den  Quergaug  der 
Sache  gemäss  hergestellt. 

Indess  zeigt  die  homerische  Stelle,  dass  dem  Hause  des  Erech- 
theus  ein  Sacellum  seiner  Pflegerin  und  Mutler,  der  Pallas,  verbun- 
den war,  deren  ältestes  Bild,  das  dunsrtg,  in  ihm  verehrt  wurde. 
Denn  wäre  nicht  dieses  gewesen,  so  war  kein  Grund,  warum  der 
Dichter  in  der  Iliade  sie  gerade  in  jenes  Haus  statt  in  ihren  Tem- 
pel einkehren  Hess,  welchen  die  Stelle  der  Odyssee  als  auf  der  Burg 
gelegen  bezeichnet,  da  hingegen  dieses  Einkehren  in  das  Haus  des 
Königs  ganz  in  der  Ordnung  ist,  da,  wenn  sie  dort  ihre  eigene 
Wohnung  diesem  verbunden  fand,  sie  durch  dasselbe  zu  ihm  gelangte. 

Für  diese  aber  ist  der  durch  den  Querbau  abgeschlossene,  un- 
tere, westliclie  Raum,  in  welchem  später  ihr  advtov  gelegen  war, 
wohl  geeignet,  und  nicht  umsonst  wurde  noch  später  im  Hintergründe 
das  Thor  so  prachtvoll  angelegt.  Es  galt  dadurch  auch  später,  die 
ursprüngliche  Bestimmung  desselben  zu  ehren,  welche  war:  das 
königliche  Gemach  mit  dem  advrov  seiner  Schutzgöttin  und  Pflegerin 
in  Verbindung  zu  bringen.  Dass  dabei  sowohl  die  westliche  als  die 
südliche  Halle  in  der  Gegend,  wo  später  der  OTt]Zoßc(Tt]g  des  obern 
Baues  zu  liegen  kam,  ursprünglich  mit  einer  Decke  durchzogen  war, 
unterliegt  wohl  keinem  Zweifel. 

Als  der  alte  Bau  aufhörte,  das  Wohnhaus  der  altattischeu  Kö- 
nige zu  seyn,  und  mit  Belassung  seiner  Anlage  und  Eintheilung  dem 
Cultus  der  alten  Stammgottheiten  allein  überlassen  blieb,  wurden  zu 
diesem  Zwecke  die  Räumlichkeiten  benützt,  wie  sie  sich  böte*:  die 
Cella  des  b^ÜGrvXog  für  die  Altäre  des  Hephästos,  des  Poseidon, 
des  Butes,  der  untere  Bau  des  yvvaixslov  zum  &äAajuog  der  Pandro- 


167 

sos;  die  beiden  Köuigsgräber  aber  empfingen  die  Stellen,  die  ihnen 
als    den   Beschützern  der  Heiligthümer   beider  Gottheiten  gebührten. 

Ob  noch  besondere  Vorkehrungen  bestanden,  die  im  unteren 
Geschosse  der  Westhalle  neben  einander  liegenden  Heiligthümer, 
das  Tlavdqöoiop ,  Ksxqotiiöv  und  advxov  rijg  HoXiädog,  zu  schützen, 
vom  ädvtov  namentlich  Staub  und  Regen  durch  Schluss  der  Fenster 
über  ihm  abzuhalten,  darüber  gibt  das,  was  vom  Baue  übrig  ist,  keine 
Belehrung.  Nur  dieses  lässt  sich  sagen,  dass  er  keiner  Vorkehrung 
entgegen  war,  die  zu  diesem  Zwecke  nöthig  konnte  erachtet  werden. 

So  viel,  um  die  Räthsel  dieses  verwickelten  Baues  zu  erklären, 
und  wir  brauchen  kaum  zu  erinnern,  dass  nach  unserer  Annahme 
sich  jeder  Haupttheil  als  ein  nothwendiges  Glied  des  alten  Königs- 
baues darstellt,  sofort  aber  der  Neubau  als  eine  zweckdienliche  Be- 
nutzung und  sorgfältige  Beachtung  der  Eintheilung  des  ursprünglichen 
äväxstov  erscheint,  während  er,  abgelöst  von  der  ursprünglichen  Be- 
stimmung des  Hauses  und  dem  Bedarf  seiner  Glieder,  als  planlos, 
verworren  oder  unberechtigt  betrachtet  werden  rnusste. 


*»* 


In  einer  zweiten  Abhandlung  über  das  Erechtheum  werden  wir 
das  Architektonische  des  Baues,  den  ionischen  Baustyl  im  Gegen- 
satz zum  dorischen  des  Parthenon,  und  in  beiden  die  Entwicklung 
der  griechischen  Architektur  nach  ihren  zwei  Hauptrichtungen,  als 
bis  in  das  Iuuerste  und  Einzelnste  von  inander  abweichend  und  dem 
Charakter  der  beiden  Stämme,  die  sie  darstellen,  vollkommen  ent- 
sprechend, darzulegen  bemüht  seyn. 


Erst  nach  Schlüsse  des  Druckes  kam  aus  Athen  vom  Hrn.  Rhisos 
Rhankaby  Antwort  auf  mehrere  Anfragen,  die  ich  bezüglich  auf  das 
Erechtheum  an  ihn  gestellt  hatte.  Diese  Antwort  wird  mit  der  zu 
ihr  gehörigen  Tafel  IV.  als  willkommene  Beilage  II.  dieser  Abhand- 
lung angeschlossen. 


168 


Beilage     I. 


Nr. 


A. 


10g  Xaßövzoi- 

v)  övolv  dvöqolv  2(oola  ]AXuiTi- 
exijoi  olxovv(zi):V.:  —ivöqovi:Y:zrjv 
oqocprjv  xaziozäoiv ,  zrjv  xa/.m- 
5     vXt]v  aeXlöa  elg  eöqav  xal  zd- 
g  aXXag  ivcayayovaiv  elg  eöqa- 
v  exdozrjv ,  Mdviöi  iv  KoXXvz- 
io  olxovvn  :b:  Kqoloq)  iv  2xct[.i- 
ßcoviöiov    oixovvzi   :V:  Avöqia 

10     ifx  MeXizrj  oixovvzi  :h:  TlqeTio- 
vzi.  IdyqvXrjqi  oixovvzi  :fr:    Mtjöq) 
i(x  MeXizrj  olxovvn  :h:  IdnoX- 
XodüJQO)  if.i  BleXizrj  olxovvr- 
i  :r:  'Ixqitürcaza  xa&eXovoiv  zct 

15     drcb  ztov  xiöviov  zwv  iv  zi]  rvq- 
oozdoei,  "§  dvöqdoiv,  Tevx- 
oog  ev  Kvöa&rjvalw  olxcöv  :\r 
Keqötov  lA§ionei&ovg  :  h  :  Kqola- 
og  sv  ~Ka/LißtJvidü)v  olxwv  :r:  II- 

20     qinoiv  uiyqvXrjai  olxwv  :  V  :  Kt](p- 
loööwqog  :r:  Zrcoöiag  :r:  'Ixqiai- 
oaoi  zolg  iyxavzaig  ix  zov 
iv)zog  vnb  zr)v  oqoq>fjv,  3Idvi- 
öi  iv  KoXXvztp  oixovvzi  :||||:  A- 

25     exdvag;)  ävacpogrjoaoiv ,  Jlqirco- 
vzi  A)yqvXrjoi  oixovvzi  :\r:  Mr]ö- 
oj)  i/x  MeXizrj  :  oixovvzi  V .  Kecp- 
ä)Xaiov  vTtovqyoig  :PAAAHH"t* 
IHIC:  IJqlozaig  xad-'  rji.iiqav  iq- 


56. 

B. 

P.  Texz(ovi  xa&  fj/niqav  iqya- 

Ko^ievip    f.i z- 

qizt](g  ö)  wd(exrjf.iiqov  Ttivze  6ßo-1 
Xovg  z(rjg)   r){fxiqag  Jxdozrjg   e- 

nzd  Tj(f.t)sqtü(v IdXian- 

sxrjoi  olx)ovvzi)  PI||||..ToZff  xaX- 
v/.if.iaoi  ne{qixaXvxpavzi  ifxn- 
qbg ,    i[xio&(iöoafiav  övolv  öqay- 
f.icuv  \.x{doz  ....  ze- 

zzdqcov iv  K- 

oXXvzaJ  (oixovvzi  Phrf-.  zb  Kv- 
(.idziov  7zeq(ixoXXrjoavzi  ifin- 
qbg  ifiig&Cü^oauav  övolv  öqax- 
/.talv  i'xaoz(ov  zb  onaiov  6 
Tiala  eif.  3ld(viöi  iv  KoXXvzio 
oixovvzi  :A(hl-:  zb  xvfxdziov  ne- 
qixoXXr]oa(vzi  oniaia  if.na&- 
oioafiav  övoi(v  öqaxi-icüv  exa- 
ozov  zb  ou^alov,  onaia  l'£:  K- 
qoioo)  :Arl-   (:  KecpdXaiov  xexzo- 
vixov  PH-  INI  :  (  .     .     .  xa&  iy- 
lieqav  iqya£ofiivoig(  .     .     .  zq- 

oyiX£iav( K- 

exqörtiov ÜC- 

exqonixd 

ivag  ovv9e 

oaai  iv  zfj    .     .     .  (nsvzs  dvd- 

qdoiv  Jqayf.1 

vovi   Y  :   IdnoXX^odwqq)   V  :  TlqeTiov- 


169 

30     yato^isvoig,    dvolv  ävdqolv  xi  :  h  :  Miqdip  :  Y  :  (  .     . 

exxaidexa  rj/neqiov,   öqax^rjg  (xa^ijxävip  :  Y  : '/x-  ? 

xrjg  rj^ieqag  Ixäaxrjg  exax-  qia  xa9eXov(ot 

i)gco ,   'Paidtcp  iv  KoXXvx(p  o-  01  arzb  xov  x(eixovg     .... 

l}xovvxixaiavvsqyo>  A  A  Ah  Y  .II-        o  acp1  wv  xd  £(wa 

35     qloxaig  xad^  rjfiiqav  eqyatn-  dvöqdat.  TliqliTOVTi.  Mrjdip  .     .  lA- 

/nevoig,  xqixtjg  öiodexrjiieqov,  x-  noXXodoj(q(p  .  iv  xecpaX- 

aXv/^/^iaxa  eg  xtjv  oqoyrjv  ,  s~  Xaitp  ,111 

Trra  f]f.isq(Sv,  öqax/HTjv  xrjg  -fjfi-  bx 

iqag  exdaxrjg  dvolv  dvöqol-  f.io 

40     v,   <PaiöUp  ev  KoXXvxtp  oixov-  v 

vxi  xai  avveoyü)  :  A  Y  Y  Y  Y .  Kegxx- 
;  Xaiov  nqlaxaig  AAAATK  iyx- 

avxaig,  xo  xvfidxiov  iyx£a(v- 

xi  xb  ini  x(p  iniaxvXup  (x- 
45     ip  ivxbg ,  nevxoßoXov  xo(v  no- 

öa  exaavov.  M.iai}ioxrjg  J{iovv- 

aoöuiqog  e/J.  MeXixrj  oi(xti)v  . 

i)yyvt]xr]g  'HqaxXeldrjg  ( 'Orj&s- 

v  A  A  A   :  KecpdXaiov  eyxav(xatg 
50     A  A  /\.Xovoox6oig.  XdXyvag(xqva- 

iäoavxi  Ttqoaaneöo^isv  xo  6q>- 

eiXöpevov  xrtg  nqoxsqag  (Ilqv- 

xaveiag  xrjg  Oivrfi'öog ,  2{vol-1 

qxp  s(.i  MeXixrj  olxovvx(i  . 
55     ■xKpaXa.iov  xqvaoxöoig  (   .     .  (.i- 

to&oi  ap/tTexrovt  ldq(xiX6x~ 

ip  IdqyvXrj&ev  A  A  A  P  Y  Y  .  v{itoyq- 
ad^fiaxelllvqyicjvi  A  A  A 1 1|(||.  Keq>- 
dXaiovnio&ov P  A T  Y  Y\ \ \ | |.  IvQiTta- 
60     vxog  dvaXtufiaxog  xeq>äXa(iov 

XlfHHPIAAAAUIG. 

'Eni  xrjg  yleovxiöog  kß(d6fii]g 

TiQVxavevovaqg  V.  ytrj(.t/.i(a  naqd  x- 

ctfAtwv  xrjg&eov,  n(a)qdlA(qrjoalxii- 
Abhandlungcn  der  I.  Cl.  d.  1.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  HI.  Abth.  22 


170 


ov)   IdygvX^ev  {xal  avvagxdvxw- 
v  XXXXHHH 


za  xe 


Nr.    57. 


A. 


B. 


zb  öo)gv  e%ovza  HA.  Ovgö(xa- 
Xog  K)t](pioisvg  xbv  veaviaxo- 
v  rbv)  nagd  xbv  &wgaxa\^A.  Ilgax- 
giag)  ift  MeXLxjj  oixwv  xbv 
5  'inno)v  xal  rbv  orcLofrocpavrj  x- 
bv  na)gaxgovovxa  H  A  A .  lAvxicpdv- 
qg  ix)  Kegafiicov  xb  dg/.ia  xal  x- 
bv  ve)avioxov  xal  xa>  %nnw  rw 
^evy)vv/.tivto  H  H  A  A  A  A .  Ovg6{.iax- 

10  og  Krj)*piaievg  xbv  ayovxa  xb- 
v  *l)nnov  PA.  Mvvviwv  L4yqvXfj- 
oi)  oixwv  xbv  cnnov  xal  xbv 
a)vöga  xbv  enixgovovxa}  xal 
zrj)v  ozrjXrjv  voiegov  ngoaed-- 

15  ijx)6HZ\APH',  2(J5xlog  AXconextj- 
gi)  oixwv  xbv  xbv  xaXivbv  s- 
%6)vxa  PA.   (DvQÖ/.iaxog  Kognate- 
vg)  xbv  avöga  xbv  enl  xfjg  ßa- 
xz)rjglag  eiotyxöza  xbv  naget 

20  zb)v  ßw/xbv  HA,  "laoog  KoXXvxe- 
vg)  xrjy  yvvalxa  fj  ij  naig  ngoa- 
ne)nxwxe  PAAA.  KecpdXaiov  a-   A 
vala>)LidTiovol'xoaXXXH  H H  AP(h).^_ 
[xii)a  XXXHHHtt.  AvdXwfia  xb  a- 

25  vx)bv.  'Eni  xrjg  Havöi- 

ovidog  oydotjg  ngvzavevova- 
rjg)  krj/u/iiaia  nagd  xafiiwv  xrjg 
$e)ou  'Agrjoar/fjov  AygvXfj&ev  (x- 


(ITaga-) 

dely(.i(ax)a  nXdxxovai  xwv  x&Xx- 
wv  xwv  (e)ig  xä  xaXvfjfxaxa.  NrjO- 
£L  i(.i  MeXizrj  oixovvzi  Phhh. 
Vtegov  nagdöeiy/j.a  nkdaav- 
xi  xrjv  axav&av  eig  xä  xaXvfx- 
[.taxa.  Idya&dvwg  yAXw n exrjoi  o- 
ixcüv  PhFK  KecpdXaiov  xrjgonX- 
doxaig  :  APh.  Miad-ol  dgxixixx- 
ovi  'Agx,iX6x<a  'AygvXJjd-ev  A  A 
Aph.    cYnoygafifj.azel  JJvgyiwv- 
i  'Ox(g)vvel  AAA.  KeqjdXaiov  /xc- 
(T^oü(P)Anh.  ^Evxavxeixb  xvfxdxi- 
ov  evxa'iavxi  zb  enl  zw  eni- 
azvXiw  zip  evzbg ,  nevzößo- 
Xov  zbv  nöda  exaazov ,  nööag 
exazbv  dexazgelg'  /.uo&wzei 
ngoaanedo/.iev  ngbg  w  ngo- 
zsgov  elxe,  Jiovvooöwgw  ifi 
MeXlxr]  oixovvxf  eyyvrjxt)- 
g  'HqaxXddtjg  "OtjSev ,   A  A  A  A  V  b 
H"|.  KecpdXaiov  ivxavzei   AA 
A  h  h  hV  \:Afjiifia  :XHHAAApH-hh 
|.    'AvdXw/.ia  zb  auzb  :     :    Eni  zlq- 
g  A{l)yi}ib'og  Xfafiaza  nagd  ra- 
fiiwv  zrjg  Osov ,  nagd  Aqrjoaix/xov 
yu4y(g)vXrjyi.v  xal  ovvagxövzwv 
X.)HHH  ....  eig  legd  {ie- 
zd  z(Zv  drj/x  .     .     .   k'vrj  xal  v- 


171 


al  av{yaq%6vT0))v  XHHAAAPFhK 
30  Hl.    3A)vaXoo/naza.  tovi^taza.  2a- 
vi)ösg  dvio  ?.g  ag  zbv  Xöyov  a- 
v)ayodq>o/Li£v,  ÖQax/ufjg  hxaze- 
g)av  bb.  KtqidXaiov  covrj^dzwv 
b)b  .  Ai&ovqyixov'  Qaßöajoewg  zoöv 

35    Xl~)OVCOV    Ztöv    7lQ0g    EW  ZOV  XCtZCL    (z- 

dv)  ßwfibv  zbv  zqizov  anb  z(pv)  ß- 
(ü(a)ov  zrjg  z/itövtjg.  A/.i£tviddrjg 
iv  K)olXy  oUwv  ATH-  h  h.  A{l)ox- 
ivt])g  A  P  b  Y  V .  Avoavlag  A  P  b  \  b  2- 
40  to[A.e)vrjg  A(.i£ividdov  APbf-f-:  77- 
-  [xox)odzr]g   API-f-K    Tö)v  fyofx&v- 

lav  £§rj)g.  2i/.iiag  'AXionexfjoi 
oixtöv  A)tbk  Keöqiov  AFMIIII.  2iv- 
dotov  2i(j.iiov:  Abb  ||||.  2cDxXrjg  *Ax~ 
45  aionei&)ovg  A  bb  Hill.  2avvico(v)2i- 
fxiov)  A  ( l )  b  1 1 1 1 1.  'ErtiEixrjg  (2)cfj.iov:  A 
bb\)\\\\:2oj(o)avdQog2^d(ov)Abb\\\\\ 
zwv)  sxo/Lievcov  ek'ffcg')  6vrjo(i- 
(.wg)  Nixoozqdzov;  APb  ||||.  Evdo- 
50  £o)g  AXojTzexrjo(i)  olxoo)v   AP|| 
||.  KX)iojv  APb  HU-  2lfi(tovAy)QvXrj- 

ai)  olxaJv:   APb  UM    C'Ev)öoiog 
rXav?)xov:  API«  IUI  £t/'(c?Oxos:  APt'll 
||.  tw)')  exo{itv(o)v  i%)orjg:   Qevy- 
55  e'vjyg)  üeigaisv  (g:AP:  Krf)(piooy£- 
vrjg  n*)siQat€v(g:  AP:  T)t(vxoog  e)v 
Kvöa)&rjvaiqj  (oix)o~Jv:  AP  :  Krjcpi- 
o6doo)oog  s)v  2xaftß)toviöiöv  oi~ 
xwv):  AP:Nix6(ozoa)xog:  AP:  Oevys- 
60  ittov  II)tiQai£vg:AP.   Tovg  oq&oo- 
zdz)ag  xazdx(oa)vzi.  zco  naqd  zäi 
Ov)rj%ov  ßtofiuZ,  (n)oXvxXfjg  ([A)axi- 
adj/g)  A  A  A  P.  <P(aß)6t6o£Ojg zojv  xiö- 


k)a  e<g  dvoiav  zrj  'Adrjvaiq 
Vbbb\\\.    'AvaXoö^taza-  covrj(.i)az- 
w  xägzcti  iiovy&rjoav  ovo)  ig 
a  zd  avxiyqacpa  £V£yod(poa[.i- 
sv  FF  IUI.  2aviöeg  zizxaoeg,   bF 
bb.  XqvgLov  itovy&rj  elg  zag 
xdXxag,  nizaXa  HPAP|,  dQaxi-iij- 
g  exaazov  zb  nezaXov  naq1  Aö- 
öviöog  e/.i  MeXizy  olxovvzo- 
g  HP  APb.    MöXvßöog  iiov^drj  (dv- 
o  zaXüvzo)  elg  tiq6o$£Oi)v  zoo- 
v  ^(pötcor,  naqd  2tüozqdz{[ov  Sfi  M- 
eXtz?]  olxovvzog  :  A  :  Xqvo(bg  n- 
ezdXio  ovo  liovTqd-rj  XQV0(*>  (  «ff 
zu)  ocpdaXi.10)  zov  xiovog  rcaq'   ]Aö- 
övidog  sfi  JMeXizrj  oixnv(vz)o- 
g  bb.  KecpäXaiov  wvrjixäxto^.    Hfl 
AAAPb  bb b\.  J i&ovqyixov.  gaßöco- 
oecog  zwv  klovcov  zcüv  Ttob(g)  eto.  x- 
bv  naqd  zbv  ßiof.ibv  zbv  {rcqb)g  zov 
ßcopov  zrjg  Jiojvijg.  Aäo(oaogyAX(io- 
ixe\   OiXoov  'EQXisvg,  {IIa^fi)iv((av 
Aaoooov,  Kaqiiov  Aao(ooov,  "/acr- 
og  HA.  Toov  £XOf.iiva)(v  i§rjg.  z- 
bv  dsvzeoov ,   OaXa(xQog  Tlaiav- 
ievg,   d)iX6azq{azog  Tlaiaviev- 
g.   QaqyrjXi^og,   i&lXoQng,  Fegcov  0- 
aXäxoov  H(A.  Toov  lxo{.ievoov  «£- 
rjg.    3A(.i£iv(i)ä6{jjg  h  KoiXrj  olxw- 
v,  Jvaav(ia)g,  2tof.iiv(rjg  Afisivid- 
dov,Alox(lv)r]g,  Ti{io(xQazr]g  HA.  T- 
tov  £(xo)[i£vtov  l%a%.  Ii/.ilag  'A- 
Xion(e.     o)ixc5v,  Ksqöoov  ^IvÖqcüv, 
2co(xXfj)g ,  2avvlio(v  ''Enieixrjg,  2- 
io(oa)vÖQogPA.  T(bv)  tcq&xov  xiov- 
22* 


172 


a{an)o  xov ß(o/.iovx(rjgJiwvrjg), Bevy- 
i(vt])g  IleiQai:  K)i](piooyevT]g  ITe- 
i(gaievg) ,  Tevxgog  (Kvdafrqvcuevg, 
Kr](piaoöojQog  {2xa/.iß(t)vidrjg.   0- 
evyelxwv  Ileig:  (HA.  Ki.(pdXaiov 
Ai)9ovgyixov  P.  XdXxaig  igyaaa/x- 
svoig.  Nijo(e)t  ifi  MeXix^jj)  oix.  y.- 
iav  A  b  H*  b .  ^oxiXrjg  Id.     ...     . 
(.tlav   AtH-t.  Ev[iT]Xi(dr]g  iv)  2x- 


vüjv  t)wy  ngbg  zw  xov  xaxd  xov  ß- 
65  10/u.ov)  iwv  nq(og)  xooßcopov  xrjgJicu- 
vj]g,A)dooao{g)l4aXto7vexrj(0-)evAA.(D- 

Xio)v  3EQ%i(€v)g  A  A :  JXapkpbivwv  A- 
aöa)aovAA.K(agi)o)vAaoaaov:(A)Ai"l- 

aaog  A)A.  Twv  ixofxsvwv  (*x)ffiy- 
70  g'  0dXaxgog  IIaiavievg(  AA).  (DiX- 
6axg)axogIIa(i^avie:AA-  0{a)gytjX- 
tog  0{aXdxgov{A)  A.  QlXog(f.w)g  <DaX- 
dxg)ov  :AA. yley(iov)cpaXdx(qov)AA.x(jSv  a/n.  otx.Abbfb   0lXi(og i)v  2xaf.i- 
ix)ofiiv(ov  (e%)ofjg.    lA/x(Ei)vtdör]-  ßo~  oix:   Ab  b  bb.  lAyöq(a)vdgog  iv 

75  gi)vKol(X)y(ol)xdJvAA.(A)ioxivr]-        KoXXv  oix:  Miav:  Abb  bb.  XdXxa- 
gA)A.Avaa(viagA)A.2(o(fi)evrjgAfi-     g  egyaoa^ev(o  tf,  31dviöi  iv 
ei)vidd(ovAA.T)iftox(g)dxr]gAA:Tc5-  KoXXviiö oix) oüv. P  A  A  Ab  b  bb  .XdXx- 
v)  ix,o(j.i£v)iov  e§TJ(g.)  ^ifxiag:  AX-  ag  igyaoa/ui)vo)  evöexa  ~x- 

(on)exr]Gi  oixwv  A(b)bbb  ||.  Kigö-  .     .     .     .  iv  KoX)Xv:  oixovvx- 

80  wv)A(b)bb  b\\.Zlvögto(v)Zi/xtov:  Ab'(b 
bb|)|.  HcoxXrjg  'A§(ion)eld-ovg  (Ab 
b  b  b)  \\.Zavvia>v2i(j.ttov) A  b  b  b(b||.  E 
nu)ixrjg  2i^i(ov  A  b  b  )  b  b  (|  |.  2a>oa- 
vögog)  :Abb\rb\:  T(wv  i)x(pix£Vü)v 
85  £§fjg-)    yOvtjoifi(og  Nixooxgdx- 
ov.  .  .|||C.  (Evdo^og  LdXconexrj- 
oi    oi(xiov 


t  HPbbVt.  XdXxag)  igyaoa(.iiv- 
q) ,  (.dav  ....  )xi(o  :   A  b  b  b 
b.  XdXxag  igyaoa^&vq  xgei- 

g AA)AAbb.  xb 

.  XdXxag  egyaaa/.i)svoj  x- 


Nr.    58. 


A. 


Twv  ixoft)svcov  e(^ijg.  2iff- 
iag  AXh)7iex)rjoi  oixwv(Pbb\.  K- 
igdiov  Pbbl).  2ivögiov  ^i/j.i(ov  Tb 
b|.  2coxXrjg  lA)^Lonei^ovg   bb(b| 
2avlcov  2i)(i{i)ov  :bbb|.  'Eniysvrj- 
g Siftlov  P b ) b I.  Zwoavögog  Pbb.  x- 
bv  xgixov)  xiova  dnb  xov  ßco/xov  x- 


B. 


173 


rjg  Jioviqg.)  Osvyivijg  üeiQaie- 

vg  Ptl-^DJ.    Krjqtiooyevtjg  neiget-  X 

10  levg  nr)rr||.  Teuxqog  iv  Kvda&-  av 

rjvaloj)  oLxwv  rrrr||.  Krjyioöö-  aXX (ß(x  Me-) 

togog  sv  —)xa/nßioviöwv  olxwv  Ihr]  (oixojv 

rhr  H|.  NiK)6öTQixTog  :  Phh  r \\.  Ge-  xbv  zov 
(vyslzcov  ITeiQaisvg  Pb  b  h  II.) 


Beilage     II, 

enthaltend  die  Antworten  des  Herrn  Rhisos  Rhankabis  auf  mehrere  das  Erech- 

theum  betreffende  Fragen  aus  einem  Briefe,   Athen  d.  ,s/ts  Decbr.   1848,   mit 

Bemerkungen  des  Verfassers  der  Abh.  —  Vergl.  Taf.  IV  u.  V. 


„Ich  würde  mich  glücklich  preisen,  wenn  meine  Mittheil ungen 
Ihnen  von  einigem  Nutzen  seyu  könnten.  Ich  fühle,  dass  denselben 
genaue  Vermessungen  zu  Grunde  liegen  sollten;  aber  ich  sehe,  dass 
ich  vor  Allem  mit  denselben  nicht  zögern  darf.  Sie  werden  also 
einstweilen  mit  unvollständigen  Angaben  vorlieb  nehmen,  die  ich 
später,  wenn  es  noch  Zeit  seyn  wird ,  zu  ergänzen  suchen  werde. 
Jetzt  werde  ich  versuchen,  Ihre  Fragen,  die  eine  nach  der  andern, 
bestmöglich  zu  beantworten." 

i.  Frage:  Ist  eine  Spur  vorhanden,  dass  der  hohe  Theil  der 
Cella  hinter  dem  östlichen  Eingange  aus  dem  nQÖvaog  durch  eine 
Vorkehrung  gegen  das  Hinabfallen  in  die  Tiefen  geschützt  war? 
Antwort:  „Nein.  Die  Plattform,  worauf  die  östlichen  Säulen 
stehen,  ist  in  der  Mitte,  westlich  von  diesen  Säulen,  mit  der  Mauer 


174 

der  Cella  selbst  zerstört.  (Taf.IV.  Fig.  1.)  Diese  Plattform  ist  a'  a  a' . 
der  zerstörte  Theil  davon  ist  b.  Sie  liegt  2,87m  höher  als  der 
Boden  des  Tempels.  Dass  sie  sich  noch  hinter  die  Mauer  cc, 
westlich  derselben,  erstreckte,  davon  habe  ich  einen  sicheren  Be- 
weis, der  nicht  zu  glauben  erlaubt,  dass  die  beiden  Theile  derselben 
a'  a',  die  man  jetzt  hinter  den  bestehenden  Ecken  der  Mauer  er- 
blickt, ein  neuer  Anbau  seyen.     Dieser  Beweis  ist  der  folgende: 

Das  marmorne  Pflaster  der  Plattform  liegt  auf  mehreren  Schichten 
des  porösen  peiräischen  Steines.  Wo  die  zweite  Schichte  (von  oben 
an  gerechnet)  an  die  nördliche  Wand  des  Tempels  stösst,  hat  einer 
der  Marmorblöcke  dieser  Wand  einen  monolithisch  gehauenen  Vor- 
sprung, der  in  das  Innere  der  Plattform  greift  (bei  e  Fig.  1).  Er 
ist  0,lm  tief.  Es  ist  also  gewiss,  dass  die  Plattform  innerhalb 
der  Mauer  gegen  den  Tempel  sich  erstreckte.  Die  Breite  oder 
Tiefe  dieser  Terrasse  kann,  glaube  ich,  nicht  zuverlässig  angegeben 
werden.  Nur  muss  ich  erinnern,  dass  das  Marmorstück,  das  den 
Vorsprung  hat,  noch  auf  0,1 8m  gegen  Westen  roh  gearbeitet  bleibt, 
das  nächste  unter  ihm  auf  noch  0,64"'  ,  und  unter  diesem  noch  die 
Wand  auf  6  Schritte  weiter,  wie  ungefähr  auf  Fig.  3,  wo  a  das 
Marmorpflaster  der  Plattform  ist,  und  der  schwarze  Fleck  den  vor- 
springenden Stein  vorstellt.  Ich  darf  aber  nicht  verhehlen,  dass  ein 
Theil  dieser  Steine  vielleicht  ungeglättet  blieb,  weil  der  Tempel  nie 
ganz  vollendet  war.  Die  südliche  Wand  beweist  Nichts  für  die  Breite 
der  Terrasse;  denn  der  peiräische  Stein  unter  dem  marmornen  Pfla- 
ster a  (Fig.  1)  erstreckt  sich  auf  dieser  Wand  sehr  weit  (  5,25"' ) 
gegen  das  Innere  des  Tempels,  also  viel  weiter  als  auf  der  nörd- 
lichen Wand  und  als  die  östliche  Terasse  tief  seyu  konnte.  End- 
lich vor  den  beiden  gegenwärtig  vorspringenden  Ecken  des  beste- 
henden Theiles  der  östlichen  Terasse,  ungefähr  4  Schritte  von  der 
östlichen  Wand  der  Cella  entfernt,  stehen  noch  (bei  ff.  Fig.  1 .)  zwei 


175 

Pfeiler  porösen  Steines  aufrecht.  Sie  mögen  die  Eckpfeiler  seyn 
und  an  den  Puncten  gestanden  haben,  wo  die  östliche  Terrasse  sich 
rechts  und  links  wendete,  und  also  die  Tiefe  derselben  bestimmen. 
Von  diesen  Pfeilern  an  laufen  zwei  Mauern,  3  Schritte  von  den 
resp.  Mauern  entfernt,  denselben  parallel.  Sie  sind  aus  peiräischem 
Steine.  Die  südliche,  fg.  (Fig.  1),  erhebt  sich  ein  paar  Fuss  über 
dem  Boden  und  reicht  bis  an  die  Scheidungswand  der  Querhalle. 
Es  ist  schwer  zu  sagen,  wie  weit  die  nördliche,  fh,  reichte.  Sie 
liegt  meistens  tiefer  als  die  Oberfläche  des  Pflasters,  und  ist  nicht 
überall  sichtbar.  Diese  Mauern  bezeichnen,  glaube  ich,  die  Spuren 
der  beiden  Flügel  der  Terrasse.  Noch  ist  zu  bemerken,  dass  am 
inneren  Fusse  der  nördlichen  Mauer  ein  schmaler  Vorsprung,  0,lm  hoch, 
0,1 2m  breit,  läuft,  und  auf  0,65m  weiter  als  der  unbehauene  Theil 
des  Marmors  reicht  (ei  Fig.  1.  —  bc  Fig.  3).  Bis  dahin  mag  die 
nördliche  Stiege  gereicht  haben.  Auf  diese  Details  stützt  sich  meine 
Vermuthung  über  die  Einrichtung  der  Cella,  die  ich  in  den  Ant. 
Hell.  p.  70  ausgesprochen  habe.  Demnach  wäre  eine  Vorkehrung 
gegen  das  Hinabfallen  durch  Gitter  u.  dgl.  sehr  wahrscheinlich,  aber 
keineswegs  sicher". 

2.  Frage:  Liegt  das  Grab  des  Erechtheus  so,  dasä  zwischen 
dem  Ende  der  zu  ihm  hinabführenden  Stiege  der  Raum  für  den  Al- 
tar des  Erechtheus  übrig  war,  und  mussfe  man  über  das  Grab  oder 
an  ihm  vorübergehen,  um  über  den  nebengelegenen  Eingang  in  die 
hintere  Querhalle  zu  gelangen?  Autwort:  „Das  Grab  liegt  bei  A 
(Fig.  1),  5  Schritte  entfernt  von  dem  vermuthlichen  Ende  der  Stiege. 
Das  Grab  selbst,  die  Vertiefung  nämlich,  die  man  dafür  halten  muss, 
ist  breiter  als  der  Eingang  k  (Fig.  1)  der  Querhalle.  Man  musste 
also  nothwendig  hinüber  und  nicht  vorüber  gehen". 

3.  Frage:  Ob  das  Prachtthor  der  nördlichen  Halle  geblendet,  unddie 
Einfassung  desselben  nur  als  Anzeige  des  Thores  zu  betrachten  sey,  und 


176 

ob  diese  Halle  ganz  aufgeräumt  sey?  —  Antwort:  „Die  Halle  ist 
ganz  aufgeräumt  worden  durch  die  archäologische  Gesellschaft.  Jene 
Behauptung  über  das  Thor  war  Herrn  Forchhammer  nur  desswegeu 
möglich,  weil  er  das  Thor  nicht  gesehen  hatte.  Darüber  sehen  Sie, 
was  ich  in  der  Revue  archeologiqne  von  Paris  im  Jahrgange  1845 
geschrieben  habe".  —  Die  Stelle,  welche  mir  entgangen  war,  be- 
findet sich  in  dem  erwähnten  Journal  2e  annee  sixieme  livraison. 
15.  Septembre  S.  322  ff.  in  einem  Briefe  des  Herrn  Rhisos  an 
Mr.  de  Soulcy,  und  liefert  einen  schätzbaren  Beitrag  zur  Literatur 
des  Erechtheums  und  zu  seiner  Beschreibung.  Zur  Erläuterung  ist 
eine  Zeichnung  des  Prachtthores  beigefügt,  welche  wir  zu  demselben 
Zwecke  der  Beschreibung  Tafel  V.  wieder  geben.  Herr  Rhisos  nennt 
sie  eine  „schwache  Skizze"  und  verweist  auf  die  schönen  Zeich- 
nungen, welche  Herr  Boulanger  Herrn  Soulcy  vorlegen  werde. 
Diese  würden  die  Thüre  in  der  ganzen  Pracht  ihres  Schmuckes 
ihm  besser  zeigen,  als  jede  Beschreibung.  Bezüglich  des  Ganzen 
wird  bemerkt,  dass  die  ngögraoig  ngog  rov  &vQcöjuaTog  durch  eiu 
modernes  Gewölbe  in  eine  Pulverkammer  war  verwandelt  worden,  die 
Herr  Rhisos  auf  die  Eroberung  der  Stadt  durch  die  Türken  zurückführt. 
Einige  Bruchstücke  des  Frieses ,  die  darin  eingemauert  gefunden 
wurden,  seyen  Beweis,  dass  dieser  türkische  Bau  sich  unmittelbar 
an  eine  theilweise  Zerstörung  des  Tempels  angeschlossen  habe. 
Diese  gehe  wohl  über  die  Beschiessung  durch  Morosini  zurück,  da 
der  dunkle  Bericht  von  G.  Wheler  (1689)  zu  zeigen  seheiue,  das  Ge- 
wölbe habe  schon  zu  seiner  Zeit  bestanden.  Zwischen  dem  Ge- 
wölbe und  dem  Dache  waren  noch  Gemächer  angebracht,  in  denen 
die  Familie  des  Generals  Guras  wohnte,  die,  wie  wir  anführten,  in 
ihr  den  Tod  fand.     (Vergl.  S.  85  unserer  Abb.) 

Ehe  man  das  Gewölbe  abbrechen  konnte,  war  nöthig,  die  zer- 
brochenen Architrave  herabzulassen,  welche  bei  der  letzten  Zerstö- 


177 

ning  sich  darauf  gelagert  hatten.  Nachdem  diese  eben  so  schwierige 
als  gefährliche  Arbeit  glücklich  zu  Stande  gekommen  war,  konnte 
man,  was  von  der  schönen  Halle  noch  aufrecht  stand,  und  darunter 
die  hintere  Wand  mit  dem  Prachtthore  freistellen.  Dieses  wird  in 
folgender  Art  beschrieben :  „Der  Sturz  (le  linteau)  des  Thores  ist 
aus  vier  übereinander  gelegten  Blöcken  gebildet  (AB,  BC,  inbc, 
bletri).  Die  beiden  ersten,  welche  reich  mit  Blumen,  Eiern,  Rosen- 
kelchen und  Astragalen  geschmückt  sind,  werden  durch  eine  vertikale 
Spalte  getrennt  und  ruhen  auf  den  untern  Blöcken,  welche  nur  mit 
einfachen  Gesimsverzierungen  geschmückt  sind.  Gleich  bei  der  ersten 
Besichtigung  dieser  Abtheilung  des  Gebäudes  gewinnt  man  die 
Ueberzeugung,  dass  der  Sturz  durch  irgend  einen  Zufall  beschädigt 
wurde  und  man  ihn  von  unten  bis  zum  letzten  Astragalus  abschnitt, 
von  dem  ein  Theil  zerstört  wurde.  Man  fügte  dann  den  Block  inbe 
ein,  der  als  Stütze  dienen  sollte.  Man  könnte  sogar  glauben,  dass 
die  Thürpfeiler  oder  Pfosten  alf.e,  hgmd  und  der  Block  blem  erst 
zur  Zeit  dieser  Ausbesserung  angesetzt  wurden,  um  die  Thüre  zu 
verengen,  wie  solches  bei  der  Thüre  im  Opisthodom  des  Parthenon 
stattgefunden  hat,  und  dass  der  alte  Sturz  an  der  Linie  bc  en- 
dete; jedoch  gestehe  ich,  dass  ich  diese  Vorstellung  nicht  theile, 
da  die  gegenwärtigen  Maase  der  Thüre  mir  vollkommen  uutadelhaft 
scheinen  und  die  Vergliederungen  der  Pfosten  mit  der  grössten  Sorg- 
falt gearbeitet  sind.  Es  ist  schwer  zu  sagen,  zu  welcher  Zeit  der 
Sturz  gebrochen  und  in  bezeichneter  Weise  hergestellt  wurde.  Man 
kann  behaupten,  dass  es  nicht  bei  der  Explosion  des  Parthenon  ge- 
schah. Denn  damals  war,  wie  wir  bemerkten,  das  Gewölbe  schon 
vorhanden,  und  die  beiden  untern  Blöcke  des  Sturzes  zeigen  in  kei- 
ner Weise  die  türkische  Industrie  der  letzten  Jahrhunderte.  Rück- 
wärts dieser  Zeit,  seit  dem  Brande  des  Tempels,  der  ein  Jahr  nach 
seiner  (theilweisen)  Vollendung  eintrat,  bis  zur  Explosion  der  Pro- 
pyläen, die  im  Jahre  1 636  geschah,  können  alle  traurigen  Ereignisse, 

Abhandlungen  der  T.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abth.  23 


178 

deren  Schauplatz  dieAkropolis  war,  zur  Vermuthiing  beigezogen  werden, 
und  bekannt  ist,  dass  gerade  die  den  Denkmälern  von  Athen  verderblich- 
sten Jahrhunderte  die  wenigsten  Spuren  ihrer  Geschichte  zurückgelassen 
haben.  Doch  biu  ich  geneigt,  die  Ausbesserung  vor  die  byzantini- 
schen Zeiten  zu  setzen".  —  (Da  auch  nach  des  Herrn  Rhisos  Aeus- 
serungen  rücksichtlich  der  Feinheit  der  Verzierungen  ein  Unterschied 
der  Arbeit  zwischen  diesen  und  den  unbestreitbar  alten  Theilen  der 
Thüre  nicht  stattfinden  wird,  so  steht  wohl  nichts  im  Wege,  die 
Beschädigung  auf  den  Brand  zurückzuführen,  den  das  Erechtheum 
unmittelbar  nach  dem  Jahre  der  spätem  Baurechnung  Ol.  93.  3  er- 
fuhr.    Fr.  Th.) 

„Die  Rosenkelche  (les  rosaces),  welche  Miese  Thüre  schmücken, 
zeigen  eine  beachtungswerthe  Eigentümlichkeit.  Das  Auge,  oder 
Centrum  der  in  der  ebenen  Fläche  des  Sturzes  angebrachten,  n,  sieben  an 
der  Zahl,  ist  aus  Marmor  und  in  Form  eines  erhobenen  Knopfes 
gearbeitet.  Die  Rosenkelche  der  Pfosten,  p,  sechs  auf  jeder  Seite, 
zeigen  im  Gegentheile  an  der  Stelle  dieses  Auges  ein  rundes  Loch  von 
drei  Zoll  Tiefe  und  einem  Zoll  Durchmesser.  In  einigen  dieser  Lö- 
cher fanden  sich  noch  hölzerne  Cylinder,  in  der  Mitte  durchbohrt, 
die  ohne  allen  Zweifel  dazu  dienten,  Knöpfe  von  vergoldeter  Bronze 
anzufügen ,  damit  sie  den  aus  Marmor  gebildeten  Augen  der 
Kelche  imThürsturz  entsprächen,  welche  demnach  ebenfalls  vergoldet 
seyn  mussten.  Dieses  Thor,  mit  seinem  reichen  architectonischen 
Schmucke  in  Marmor,  seinen  vergoldeten  Rosenkelchen,  zwei  sehr 
schöneu  Kranzsteinen  (consoles)  zu  beiden  Seiten  des  Sturzes  (einer 
nur  ist  übrig)  und  der  Peristyl  seiner  Umgebung  ist  des  Tempels 
ganz  würdig,  zu  dem  er  den  Eingang  bildete".  —  (Dass  dieses 
Thor  nicht  durch  eingesetzte  Steine  geblendet  war,  sagt  zwar  Herr 
Rhisos  hier  nicht  ausdrücklich,  aber  es  folgt  aus  seinen  Nachrichten  und 
liegt  ihnen  zum  Grunde.     Gleichwohl  ist   nicht  zu   zweifeln,   dass 


179 

Forchhammer  de»  Theil  des  Thores,  den  er  sehen  konnte,  nemlich 
den  über  dem  türkischen  Gewölbe,  vermauert  fand,  und  die  Ver- 
mauerung  des  Ganzen  zeigt  sicli  auch  noch  von  der  Rückseite  in 
unserer  Ansicht,  Taf.  III.  Nicht  unwahrscheinlich  ist,  dass  sie  we- 
nigstens grossentheils  aus  alten  Marmorquadern  bestand  und  dadurch 
Herrn  Forchhammer  getäuscht  hat.  Mit  seiner  Angabe  [vergI.S.96] 
fallen  nun  einige  in  der  Abhandlung  auf  sie  gegründete  Sätze  weg. 
Hat  die  Nordhalle  noch  dem  Neubau  als  Vorbau  und  Eingang  des 
Adyton  gedient,  so  war  dasselbe  der  Fall  bei  dem  alten  Baue,  an 
dessen  Stelle  sie  getreten  ist.  Das  alte  Palladion  muss  demnach  das  Ge- 
sicht dem  Hineintretenden  entgegengekehrt,  d.  i.  nach  Norden  gewendet 
haben,  und  die  Mauer,  au  der  es  stand  [vergl.  die  Abh.  S.  106  u.  S.  116] 
war  nicht  die  Westmauer  der  Fensterhalle,  sondern  die  Quermauer  in 
dieser,  welche  wir  zur  Trennung  des  Adyton  und  Kekropion  anzu- 
nehmen genöthigt  waren.  —  Ferner  wird  S.  114  des  txqooto^icuov 
ohne  Beziehung  auf  Blendung  und  ohne  Rücksicht  auf  die  Glosse 
avfxßoXrj  xiäv  %Eiha>v  einfach  von  der  innern  Profilirung  des  Haupt- 
thores  zu  verstehen  seyn.  —  Der  Eingang  aber  über  das  Grab  des 
Erecbtheus  hinweg  blieb  dann  als  Seitenthür,  die  aus  dem  Erech- 
theum  im  engein  Sinne,  d.  i.  aus  dem  J£yx6s  des  östlichen  Baues 
in  das  Adyton  hineinführte.  Endlich  wird  die  Priesterin,  welche 
den  König  Kleomenes  abhielt,  in  das  Heiligthum  zu  treten  [vergl. 
S.  154  f.  der  Abb.] ,  in  der  Nordhalle  gesessen  haben,  da  durch 
sie  fortwährend  der  Haupteingang  in  dasselbe  bestanden  hat,  unsere 
Annahme  aber,  dass  der  von  Pausanias  erwähnte  Altar  des  höch- 
sten Zeus  dorthin  zu  setzen  und  der  Altar  des  &vt]/6g  sey,  bekommt 
dadurch  eine  neue  Bestätigung.  —   Fr.  Th.) 

4.  Frage:  Ob  in  der  westlichen  Querhalle  eine  Spur  vorhan- 
den sey,  dass  diese  Halle  in  zwei  Theile  der  Breite  nach  eingetheilt 
gewesen  wäre?  —  Antwort :  „Der  alte  Boden  dieser  Halle  existirt 

23  * 


180 

wicht  mehr,  auch  die  östliche  Wand  nicht.  Die  westliche  ist  nicht 
so  gut  erhalten,  dass  eine  Spur  darauf  mit  Zuversicht  zu  erkennen 
sey.  Jedoch  bin  ich  mehr  für  das  Negative  geneigt.  Das  xvjuduov, 
das  die  Balken  unter  den  Fenstern  und  Halbsäulen  gegen  das  Innere 
des  Tempels  ziert,  obwohl  au  manchen  Orten  zerstört,  scheint  doch 
ununterbrochen  die  ganze  westliche  Seite  entlang  zu  laufen".  — 
(Die  hier  mit  innerer  Notwendigkeit  anzunehmende  Lage  des  Adys- 
ton macht  allerdings  eine  Quermauer  nöthig,  durch  welche  es  abge- 
schlossen ward,  und  an  der,  wie  wir  bemerkten,  die  alte  Bildsäule 
stand,  welche  nothwendig  das  Antlitz  gegen  das  Thor  dem  Eintre- 
tenden entgegenweiiden  musste.     Fr.  Th.) 

5.  Frage :  Ob  eine  Grube  vom  KexQÖmov  vorhanden  sey ,  und 
ob  sie  vor  dem  Eingange  in  das  Pandrosion  gelegen?  —  Antwort: 
„Keine  Grube  ist  zu  sehen.  Der  ganze  Boden  der  Querhalle  ist  aus- 
gegraben und  eiue  ungefähr  10'  tiefe  Cisterne  nimmt  den  ganzen 
Raum  ein  der  Länge  und  der  Breite  nach.  Die  Cisterne  ist  ge- 
wölbt; ihre  Wände  sind  neu  aus  Kalk  und  Mörtel,  und  decken  die 
alten  Wände  (Fig.  4,  A).  Die  Lage  des  Kekropions  erhellt  aus 
der  Inschrift  des  C.  J.  n.  160:  rtj  ngoaraGsi  rjj  noog  rov  Ksxqötiiov, 
wo  gewiss  die  Prostasis  der  Caryatiden  gemeint  ist.  Sie  scheinen 
ihr  den  Namen  der  Pandrosion  zu  geben.  Glauben  Sie  nicht,  dass 
das  Pandrosion  eben  die  Querhalle  war,  da  der  Hund  bei  Dion.  Ha- 
Jicarn.  aus  dem  Tempel  der  Polias  in  dasselbe  unmittelbar  hinunter- 
steigt, und  da  Pausanias  es  dem  Tempel  der  Polias  auch  unmittel- 
bar Gvvextfs  erklärt?"  (Jene  Meldung  [vergl.  tS.  108  der  Abb.] 
würde  zu  dieser  Annahme  nicht  hinreichen,  da  der  Hund,  durch  die 
südliche  Thür  in  die  Querhalle  gelangt,  auch  vor  dem  Eingange  in 
die  Kanephorenhalle  stand,  und  ohne  Hinderniss  in  sie  und  auf  den 
Altar  des  Zeig  tQxeiog  kommen  konnte,  was  der  griechische  Ausdruck 
dvew  tig  xo  Ilccvdqooiov  kurz  zusammenfasst.     Des  Pausanias  Local- 


181 

bezeichnungen  sind  sehr  verworren,  und  da  er  das  Kekropion  nicht 
unterscheidet,  sind  auch  bei  dem  IlavdQÖoiov  und  av  Eqs x&slov 
zusammenhängend  {avps%ri).     Fr.  Tb.) 

6. Frage:  Ob  in  der  westlichen  Wand  zwei  Thüren  angebracht 
sind?  —  Antwort:  „Eine  einzige  in  der  Mitte  (Fig.  1,  2),  und  sie 
ist  allem  Anscheine  nach  neu;  wenn  der  Tempel  zu  irgend  einer 
Zeit  als  Kirche  gedient  hat,  was  sehr  wahrscheinlich  ist,  musste 
eine  Thüre  westlich  angebracht  werden.  Sie  ist  in  der  Wand  nach- 
lässig geöffnet  und  hat  weder  naQaarcidsg,  noch  irgend  eine  bezeich- 
nende Verzierung.  Einen  Beweis,  dass  das  Erechtheum  zu  einer 
Kirche  verwandelt  worden  ist,  finde  ich  auch  darin,  dass  die  Wand 
der  östlichen  Terrasse  in  der  Mitte  mit  Fleiss  zerstört  zu  seyn  scheint 
und  eine  halbkreisförmige  Nische  ausmacht,  wie  es  für  die  griechi- 
schen Kirchen  erforderlich  ist.  Die  andern  zwei  Thüren  der  Quer- 
halle sind  die  in  die  zwei  nQoaräosig  (Fig.  l;mu.  n)  führenden".  — ■ 
(Ich  gebe  die  Skizze  der  Westhalle  Nr.  2,  wie  sie  mein  theurer 
Freuud  mit  der  Feder  entworfen  hat,  mit  der  Bemerkung,  dass  die 
genaueren  Verhältnisse  der  Steine  und  der  Grösse  in  der  architec- 
tonischen  Zeichnung  von  Mezger,  Taf.  2,  genau  angegeben  sind; 
besonders  die  vollständige  Glättuug  der  einwärts  liegenden  Steine 
und  die  Grösse  des  Gesimssteines,  welcher  offenbar  der  ursprüng- 
lichen Mauer  angehört,  und  die  andern  Steine  an  Ausdehnung  über- 
trifft, erregen  gerechtes  Bedenken  gegen  die  Annahme  eines  späteren 
Durchbruches  dieser  Mauer,  für  die  übrigens  der  Mangel  aller  Pro- 
filirung  zu  sprechen  scheint.     Fr.  Th.) 

7.  Frage :  Welches  der  Zustand  der  Querhalle  vor  der  Aus- 
grabung war?  Ob  darin  ein  byzantinisches  oder  türkisches  Gewölbe 
gewesen  seg?  — ■  Antwort:  „Die  Halle  war  vor  der  Ausgrabung  über- 
schüttet, aber  nicht  überbaut.  Das  Gewölbe  ist  das  noch  bestehende, 


182 

das  ihren  Boden  ausmacht,  ohne  allen  Zweifel  eine  Cisterne  (Fig.  5), 
und  wahrscheinlich  türkisch". 

8.  Frage :  Wie  der  Boden  beschaffen  und  ob  eine  Spur  des 
Marmor pflasters  vorhanden  sey?  —  Antwort:  „Das  Marmorpflaster 
ist  noch  ganz  erhalten  in  dem  mittleren  Theile  des  grösseren  Tem- 
pels (ff hg  Fig.  1),  fehlt  aber  ganz  auf  den  beiden  Seiten  (x,  y), 
die  tiefer  als  der  Boden  ausgegraben  sind,  und  ich  habe  schon  ge- 
sagt, dass  das  Gewölbe  der  Cisterne  den  Boden  der  Querhalle 
ausmacht.  Das  Pflaster  der  Prachthalle  besteht  zum  grössten  Theil".  — 

9.  Frage :  Ob  im  Pandrosion  noch  die  &ctAccooa  in  der  Form 
eines  Brunnens  oder  eines  Felsspalts ,  und  ob  auf  dem  Felsen  eine 
Spur  des  Bildes  des  Dreizacks  zu  sehen  sey?  —  Antwort:  „Von  der 
nordwestlichen  Ecke  des  Grabes  des  Erechtheus  (A.  Fig.  5)  führt 
ein  Loch  oder  Durchgang  B,  0,65m  breit  und  ungefähr  l;3m  hoch, 
unter  die  nördliche  Wand  (ab)  in  eine  unter  der  nördlichen  Pracht- 
halle liegende  unterirdische  Grube  (c),  die  aber  jetzt  zum  Theil 
offen  steht,  da  ein  Theil  des  Pflasters  dieser  Halle  fehlt.  Diese 
Grube  wird  gleich  anfänglich  (vielleicht  in  Folge  von  Zerstörung) 
breiter  als  der  Durchgang,  und. nach  ein  paar  Schritten  wird  sie  noch 
breiter,  so  dass  ihre  östliche  Seite  (c)  unter  den  Stufen  der  Halle 
einen  Ausgang  haben  musste  und  mit  einem  neueren,  bei  der  Aus- 
grabung zerstörten,  Gewölbe  (D)  communicirte.  An  ihrem  westlichen 
Ende  ist  ein  neuer,  aus  Kalk  und  Mörtel  gebauter,  Wasserbehälter 
E,  0,9"'  im  Diameter,  und  vielleicht  2m  tief.  Vielleicht  wird  eine 
weitere  Ausgrabung  zeigen,  dass  darunter  ein  Brunnen  liegt;  wo 
nicht,  so  kann  er  auch  unter  dem  Boden  der  tiefen  Cisterne  in  der 
Querhalle  zu  suchen  seyn.  —  Was  die  Spuren  des  Dreizacks  be- 
trifft, so  kann  man  dafür  drei  Löcher  (u,  v,  x  Fig.  5)  halten,  die 
man  in   dem  felsigen   horizontalen  Boden  in  der  Tiefe  der  Grube  e 


183 

sieht  (sie  ist  gegen  2m  tief)-  Sie  sind  alle  drei  0,33m  breit,  haben 
aber  verschiedene  Längen  und  Formen.  U  ist  0,65m  von  v,  v 
0,28™  von  x  entfernt.  Ihre  Tiefe  mag  von  0,3m  —  0,4m  seyn.  Es 
ist  schwer  zu  begreifen,  wie  Pausanias  diese  unterirdischen  Löcher 
gesehen  haben  mag,  ausgenommen  wenn  man  eine  Oeffnung  in  dem 
Boden  der  Prachthalle  annimmt,  deren  Einfassung  verloren  seyn 
müsste;  wenigstens  ist  neben  dem  Erechtheion  kein  anderer  Fels, 
worauf  sich  die  Worte  des  Pausanias  beziehen  können".  —  (Die  Lage 
der  Erechthe'is,  welche  wir  in  das  Pandrosion  gesetzt  hatten,  wo 
sie  auch  zur  Zeit  von  Spon  und  Wehler  angenommen  wurde,  wird 
durch  diese  Bemerkung  allerdings  wieder  unsicher,  und  selbst  der 
Name  Erechtheis  könnte  Veranlassung  geben,  sie  mit  dem  Grabe 
des  Heros  in  Verbindung  zu  setzen,  über  dessen  innere  Beschaffen- 
heit die  eben  mitgeteilten  Erläuterungen  sehr  erwünschten  Aufschluss 
geben.  Die  Entscheidung  ist,  wie  Herr  Rhisos  richtig  bemerkt,  wei- 
terer Ausgrabung,  besonders  der  brunnenähnlichen  Vertiefung  E  C 
[Fig.  5] ,  vorbehalten.     Fr.  Th.) 


184 


Verzeichniss 

der  zu  yorstehender  Abhandlung  gehörigen  lithographischen  Tafeln. 


Tafel    1. 

Facsimile  von  drei  am  10.  October  1836  unter  den  Trümmern 
der  Propyläen  gefundenen  Bauinschriften  über  das  Erecbtheum.  — 
Vergl.  S.  88  der  Abh. 

Tafel    IL 

Grundriss  der  zum  Erecbtheum  gehörigen  Gebäude  nach  den 
vom  Herrn  Oberbaurath  Eduard  Metzger  angestellten  Messungen  mit 
Eintragung  der  Ergebnisse  der  neuesten  Ausgrabungen  nach  den 
Angaben  von  Herrn  Alexander  Rhisos.  —  Vergl.  S.  89  der  Abh. 

Tafel    111. 

Ansicht  der  Ruine  des  Erechtheums  im  Jahre  1832,  von  der 
Südwestecke  nach  genauen  Messungen  genommen  von  Herrn  Ober- 
baurath Eduard  Metzger.  —   Vergl.  S.  85  der  Abh. 

Tafel    IV. 

Skizzen  zu  den  neuesten  nachträglichen  Meldungen  des  Herrn 
Rhisos  über  das  Erecbtheum  in  der  zweiten  Beilage  zur  Abh.  S.  174. 

Fig.  1.     Grundriss  des  Ganzen  mit  Bezug  auf  die  nördliche 
und  südliche  Stiege  in  der  Cella. 


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PYHEXONTMH  A'pYPoA'SA 

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MP'^TE^OEOPAPAAPECA.X/Ao! 
'•■*/£      ^1  E  OE  NKAl<  Y  NAPXONTON; 
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Fr.TMersck  über  das  ErecMinitu . 


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Fig.  2. 
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Das  Orab  des  EvecliiJwns . 


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Fr.Thiersck  über  das  Ereckliem, 


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Fr . Tliirrr scIl f 0i er  das  Errrlirknon. 


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Fi£.  2.     Skizze    der    Westseite    zum   Behuf    der    mittleren 
Thür. 

Fig.  3.     Nördliche  Cellawand  mit  Andeutungen  der  auf  die 
ursprüngliche  Stiege  hindeutenden  Staffeln. 

Fig.  4.     Südliche  Wand  mit  gleichen  Andeutungen. 

Fig.  5.     Grundriss  vom  Grabe  des  Erechtheus. 

Tafel     V. 

Das  Hauptthor,  welches  aus  der  Nordhalle  in  das  Adyton  führte 
(ohne  die  Kranzgesimse).  —  Vergl.  S.  177. 


Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  der  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abtb.  24 


Epistola    Roscelini 


P.    Abaelardum, 

Editore 

J.  A.   Schmeller. 


24! 


Roscelini 

nominal istarum    in   philosophia    quo n dam   choragi 

ad 

P e t r u m    Abaelardum 

epistola ,  hactenus  inedita. 


Codices  manuscriptos  bibliothecae  regiae  Monacensis 
e  pristina  Benedictoburana  acquisitos  evolventibus  obtulit 
se  nobis  in  modico  quodam  secnli  XIIItH  volumine  jam 
no.  4643  signato  inter  alia  longe  diversi  argumenti  opu- 
scula  epistola  quaedani  sat  prolixa,  quae  quidem  inscri- 
ptione  et  subscriptione  carens  nee  ad  quem  nee  a  quo 
fuerit  data  indicat.  Eam  tarnen  ad  Petrum  Abaelardum 
fuisse  direetam  ipse  tenor  evincit;  at  a  quonam  viri  hujus 
celeberrimi  contemporaneo  et  quidem  adversario  provene- 
rit  diu  nos  habuit  suspenso»,  donec  ejus  opera  perlustran- 
tes    ineidimus    in    qnandam    ejusdem    epistolam    (editionis 


190 

Parisiensis  anni  1616.  vigesimam  primam),  quam,  cum  se- 
quentem  mirum  in  modum  illustret,  merito  hie  praemittimus. 

G.  dei  gratia  Parisiacae  sedis  Episcopo  unäque  venerabili  ejusdem  Ecclesiae 
clero  P.  debitae  reverentiae  subjeetionem  sempiternam. 

Relatum  est  nobis  a  quibusdam  diseipulorum  nostrorum  supervenienti- 
bus,  quod  elatus  ille  et  semper  inflatus  catholicae  fidei  hostis  antiquus,  cuius 
haeresis  detestabilis  tres  Deos  confiteri,  immo  et  praedicare  Suessoniensi  Con- 
cilio  a  Patribus  convieta  est,  atque  insuper  exilio  punita,  multas  in  me  contu- 
melias  et  minas  evomuerit,  viso  opusculo  quodara  nostro  de  fide  Sanctae  Tri- 
nitatis  maxime  adversus  haeresim  praefatam,    qua  ipse  infamis  est,    conscripto. 

Nuntiatum  insuper  nobis  est  a  quodam  diseipulo  nostro,  cui  inde  locu- 
tus  est,  quod  Vos  tunc  absentem  expeetaret,  ut  Vobis  in  illo  opusculo  quasdam 
haereses  me  inseruisse  monstraret:  et  Vos  quoque  contra  me,  sicut  et  omnes 
quos  nititur,  commoveret.  Quod  si  ita  est,  ut  in  hoc  quoque  nunc  ille  per- 
sistat,  precamur  Vos  athletas  Domini  et  fidei  sacrae  defensoi  es,  ut  slatuto  loco 
et  tempore  convenienti  me  et  illum  convocetis  et  coram  catholicis  et  discretis 
viris  quos  Vobiscum  provideatis,  quid  ille  adversum  me  absentem  mussitet, 
audiantur,  et  debitae  correctioni  subjaceant  vel  ille  de  tanti  criminis  imposi- 
tione,   vel  ego  de  tanta  scribendi  praesumptione. 

Interea  autem  Deo  gratias  refero,  quod  summum  Dei  inimicum  et  fidei 
labefactorem  in  fide  contrarium  si  perfero  et  pro  fide  qua  stamus  dimicare 
compellor,  et  quod  numero  bonorum  hominum  jam  esse  videor  ex  ejus  infe- 
statione  quem  solis  bonis  semper  constat  esse  infestum,  cuius  tarn  vita  quam 
diseiplina  omnibus  est  inanifesta.  Hie  contra  egregium  illum  praeconem 
Christi  Roberlum  de  Arbrosello  contumacem  ausus  est  epistolam  confingere,  et  con- 
tra illum  magnificum  Ecclesiae  doctorem  Anselmum  Cantuariensem  archiepis- 
copum  adeo  per  contumelias  exarsit,  ut  ad  Regis  Anglici  imperium  ab  Anglia 
turpiter  impudens  eius  contumacia  sit  ejeeta  et  vix  tum  cum  vita  evaserit. 
Vult  eum  infamiae  habere  partieipem,  ut  per  infamiam  bonorum  suam  conso- 
letur  infamiam:  nee  nisi  bonum  odit  qui  bonus  esse  non  sustinet :  qui  ob  in- 
temperantiam  arrogantiae  suae  ab  utroque  regno  in  quo  conversatus  est,  tarn 
Anglorum  scilicet  quam  Francorum ,   cum  summo  dedecore  expulsus  est,   et  in 


191 

ipsa,  cuius  pudore  Canonicus  dicitur,  beali  Martini  ecclesia  numquam,  ut 
aiunt,  a  canonicis  verberatus,  morem  solitum  servaverit.  Nomine  designare 
quis  iste  sit  supervacaneum  duxi,  quem  singularis  infamia  infidelitatis  et  vitae 
eius  singulariter  notabilem  facit.  Hie  sicut  pseudo-dialecticus  ita  et  pseudo- 
christianus,  cum  in  dialectica  sua  nullam  rem  partes  habere  aestimat,  ita  divi- 
nam  paginam  impudenter  pervertit,  ut  eo  loco  quo  dicitur  Dominus  partem 
piscis  assi  comedisse,  partem  buius  vocis,  quae  est  „piscis  assi,''-  non  partem 
rei  intelligere  cogatur.  Ne  quid  igitur  miieris,  si  is  qui  in  coelum  os  ponere 
consuevit,  in  terris  insaniat,  et  qui  Dominum  persequitur,  membris  eius  dero- 
get,  et  nemini  parcit  qui  nee  sibi  parcere  potest.     Valete. 

Antiquitatis  literatae  inprimis  gallicae  periti  epistolam 
istam  cum  sequente  conferentes  statuent,  nuni  haec  ipsa 
alii  cuiquam  possit  attribui  auetori  praeter  famigerato 
Uli  philosophicae  Nominalium  seetae  quondam  antesigna- 
no  Roscelino  Compendiensi. 

Quodsi  nostra  placeat  sententia,  forte  et  ipsi  unicum 
hoc  quod  hactenus  innotuit  viri  sua  aetate  famosissimi 
monumentuin  haud  contemnendum  esse  censebunt.  Nobis 
vero  quibus  nee  facultas  nee  otium  est,  ut  in  priscae  phi- 
losophiae  scolasticae  controversiis  heroibusque  inmoremur, 
id  jam  agendum  videbatur,  ut  ipsam  piiram  putain  episto- 
lam, qu  alein  e  membranis  lectu  partim  non  adeo  facilibus 
eruimus,  quamprimum  doctioribus  excutiendam  tradere- 
mus,  nee  ea  quidem  quae  circa  eandem  in  Actis  Acade- 
miae  nostrae  (Gelehrte  Anzeigen  1847.  No.  253)  memo- 
ravimus  hie  repetentes. 

Diligentiorem  de  Petro  Abaelardo  notitiam  praebebit 
novissimus    ejus    biographus    cl.     Carolus    de    Remusat, 


192 

paucae  vero  illae  quibus  solis  aliquantula  Hoscelini  hacte- 
nus  servabatur  memoria  notitiae  ex  Bulaei  historia  uni- 
versitatis  Parisiensis,  ex  Christoph ori  Meinem  de  Nomi- 
nalium  ac  Realium  initiis  atque  progressu  commentatione 
Göttingensi  anni  1793,  nee  non  ex  historiis  Philosophiae 
e.  gr.  illa  Tennemanni  p.   154  seqq.  haurientur. 


J.  A,  Seh  melier, 

Bibliothecae  regiae  Subpraefectus. 


JSi  christianae  religionis  dulcedinem  quam  habitu  ipso  praefe- 
rebas  vel  tenuiter  degustasses,  nequaquam  toi  ordinis  tuaeque  pro- 
fessiouis  inmemor  et  beneficiorum  quae  tibi  tot  et  tanta  a  pnero 
usque  ad  iuvenem  sub  magistfi  nomine  et  actu  exhibui  oblitus  in 
verba  malitiae  meam  adversus  innocentiam  adeo  prorupisses,  11t  fra- 
ternam  pacem  lingnae  gladio  vulnerares  iuxta  illud  „lingua  eorum 
gladius  acutus",  et  salvatoris  nostri  saluberrima  actuque  facillima 
praecepta  contempneres.  Cum  enim  verifas  dicat  „si  peccaverit  in 
te  frater  tuus,  corripe  eum  iuter  te  et  ipsum  solum ;  si  autem  te  non 
audierit  adhibe  testes;  quodsi  neque  sie  te  audierit,  die  ecclesiae," 
tu  duobus  primis  mandatis  subito  iraeundiae  furore  calcatis  ad  ter- 
tium  inordinate  transvolasti  et  ad  praeclaram  et  pruecellentem  beati 
Martini  Turonensis  ecclesiam  detractionis  meae  plenissimas  et  de 
vüsis  sui  inmnnditia  foetidissimas  Uteras  transmisisti ,  in  quibus 
mea  persona  multiplici  infamiae  macula  quasi  vario  leprae  colore  de- 
pieta  in  ipsius  ctiam  sanetissimae  ecclesiae  contumeliam,  lapso  honesta- 
tis  pede  eam  foveam  vocans,  deeidisti.  Fovea  quippe  in  sacro  elo- 
qnio  semper  in  malo  accipitui*  ,,ut  foderet  aute  faciem  meam  foveam", 
„foveam  animae  meae"  et  „si  caecus  caeco  ducatum  praebeat,  ambo 
in  foveam  cadunt"  et  „qui  parat  proximo  suo  foveam  prior  ineidit 
in  eam."  Non  itaqne  praefatam  sanetissimam  ecclesiam,  quae  ine 
indignum  et  peccatorem  et,  ut  verum  fatear,  obprobrium  hominum 
plebisque  abjeetionem  gratuita  miseratione  reeepit,  foveae  comparare 
debueras;  sed  ei  potius,  euius  imitatrix  haec  in  faclo  effeeta  est,  qui 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abth.  25 


194 

solem  äuum  oriri  facit  super  bonos  et  malos  et  pluit  super  iustos  et 
iniustos,  qui  ob  nimiam  caritatem  quam  erga  peccatores  habuit  de 
coelo  descendit  ad  terras,  qui  nobiscum  manens  peccatores  recepit 
et  cum  eis  manducavit,  qui  et  pro  peccatoribus  usque  ad  illa  inferni 
loca  ubi  peccatores  cruciabanlur,  ut  eos  a  tonnentis  solveret,  descen- 
dit. Sed  mirum  non  est,  si  contra  ecclesiam  turpiter  loquendo  de- 
baccharis,  qui  sanctae  ecclesiae  vitae  tuae  qualitate  tarn  fortiter  ad- 
versaris.  Verum  praesumptioni  tuae  ideo  decrevimus  ignoscendum, 
quia  non  ex  consideratione ,  sed  ex  doloris  inmensitate  id  agis ;  et 
sicut  damnum  corporis  tui  pro  quo  sie  doles  inrecuperabile  est,  ita 
dolor  quem  mihi  contraxisti  inconsolabilis  est.  Sed  valde  tibi  divina 
metuenda  est  iustitia,  ne,  sicut  cauda  qua  prius,  dum  poteras,  indif- 
ferenter pungebas,  merito  tuae  inmunditiae  tibi  ablata  est,  ita  et  lin- 
gua  qua  modo  pungis  auferatur;  prius  enim  apium  similitudinem  de 
cauda  pungendo  portabas,  nunc  vero  serpentis  imaginem  de  lingua 
pungendo  portas.  De  talibus  in  psalmo  dictum  est :  „acuerunt  linguas 
suas  sicut  serpentes,  venenum  aspidum  sub  labiis  eoruni."  Sed  ne 
de  contumelia  nobis  inlata  plus  aequo  dolere  et  obloquendo  nos  modo 
ulcisci  velle  videamur,  ad  literas  tuas  veniamus,  et  quae  in  eis  con- 
cedenda,  quae  sint  refutanda  demonstremus.  Iuitium  literariim  tuarum 
de  mea  inmunditia  et  de  ecclesiae  beati  Martini  contumelia  est.  De 
ecclesia  doleo,  de  me  autem  laetus  sum,  quia  in  veritate  talem  me 
esse  recognosco  qualem  me  scribendo  depingis.  Dixisti  enim  me 
omni  vitae  spurcitia  notabilem.  Quod  quum  ita  est,  banc  tuam  veri- 
tatis  assertionem  quasi  quibusdam  braebiis  caritatis  amplector,  et  in 
verbis  tuis  quasi  in  speculo  me  totum  aspicio.  Sed  potens  est  Dens 
de  lapidibus  istis  suscitare  filios  Abrahae.  Nolo  enim  me  iustificare, 
quia  si  gloriam  meam  quaeram,  gloria  mea  nihil  est.  Absit  enim,  ut 
declinet  cor  meum  in  verba  malitiae  ad  excusandas  excusationes  in 
peccatis,  quod  vero  super:  „quod  summa  haeresi  convictus  et  infa- 
mis  iam  toto  mundo  expulsus  sim,"  haec  tria  modis  omnibus  refello 


195 

et  testimonio  Suessionensis  et  Remensis  ecclesiae  falsa  esse  pro- 
nmitio.  Si  enim  aliquando  vel  in  verbo  lapsus  fui  vel  a  veritate  de- 
viavi,  nee  casum  verbi  nee  assertionem  falsi  pertinaciter  defendi,  sed 
seniper  paratior  discere  quam  docere  animum  ad  correptionem  prae- 
paravi,  neque  enim  haereticus  est  qui,  licet  erret,  errorem  tarnen  non 
defendit.  Unde  beatus  Augustinus  „Non  ob  aliud  sunt  haeretici, 
nisi  quia  scripturas  sacras  non  rede  intelligentes  opiniones  suas 
contra  earum  veritatem  pertinaciter  defendunt."  Et  ad  Vnicentiurn 
Victorem  „Absit  ui  arbitreris  te  a  fide  catholica  deviasse,  quia  ipse 
animus  correptionis  praeparatione  et  exspeetatione  catholicus  fuit." 
Qui  ergo  nunquam  meum  vel  alienum  errorem  defendi,  proeul  dubio 
constat,  quia  nunquam  haereticus  fui.  Quia  vero  spiritu  inmundo 
quasi  cum  quodam  vomitu  loqnutionis  nie  infamem  atque  in  concilio 
damnatum  eruetas,  utrumque  esse  falsissimum  praefatarum  ecclesiarum 
testimonio  apud  quas  et  sub  quibus  natus  et  educatus  et  edoctus 
sum  comprobabo,  cum  apud  ä.  Dionysium  cuius  monachus  esse  vi- 
deris,  licet  diffugias,  modo  tecum  acturus  venero.  Neque  vero  ti- 
meas,  quasi  te  noster  lateat  adventus,  quia  in  veritate  per  tuum  ab- 
batem  eum  tibi  nuntiabo,  et  quantum  volueris  ibi  te  expeetabo.  Quodsi 
abbati  tuo  inobediens,  quod  facere  non  dubitas,  extiteris^  ubicumque 
terrarum  latueris  te  quaesitum  inveuiam.  Quomodo  vero  stare  po- 
test  quod  dixisti  toto  nie  mundo  expulsum,  cum  et  Roma  quae  mundi 
caput  est  nie  libenter  excipiat,  et  audiendum  libeutius  amplectatur 
et  audito  libentissime  obsequatur?  Neque  vero  Turonensis  ecclesia 
vel  Locensis,  tibi  ad  pedes  meos  magistri  tui  diaeipulorum  minimns 
tarn  diu  resedisti,  mit  Biziintina  ecclesia  in  quibus  canonicus  sum, 
extra  mundum  sunt,  quae  me  omues  et  venerantur  et  foveut  et  quod 
dico  discendi  studio  libenter  aeeipiunt.  E  huius  igitur  dicti  mani- 
festissima  falsitate  cetera  litefarnm  tuarum  commenta  ex  aequitate 
falsa  esse  iudicanda  sunt.  Non  minimum  autem  doleo  quod  bonorum 
persecutorem  nie   dixisti.     Licet  enim   bonus   non  sim,    bonos  tarnen 

25* 


196 

singulos  quo  debeo  honore  semper  veneratus  suni.  Hos  autero  qaos 
io  exemplum  trahis,  dominum  videlicet  Amelmum  Cantuariensem  et 
Robert  um  bonae  vitae  bonique  testimonii  homiues  nunquain  persequu- 
tus  sum,  licet  quaedam  eorum  dicta  et  facta  reprebendenda  videan- 
tur.  Nee  mirum,  quia  videmus  nunc  per  speculum  in  aeuigniate.  Ne- 
que  enim  hi  duo  sapientes  et  religiosi  viri  raaioris  meriti  sea  sa- 
pientiae  sunt  Petro  apostolorum  principe  et  martyre  glorioso  et  beato 
Cypriano  Cartbaginensi  episcopo  doctore  suavissimo  et  martyre  glo- 
riosissimo,  in  cuius  laudibus  beatus  Ieronymus  exultans  ait:  „beatus 
Cyprianus  instar  fontis  purissinii  dulcis  incedit  et  placidus  est  et, 
cum  totus  sit  in  exhortatione  virtutuui,  in  persecutionis  angustiis, 
scripturas  non  deseruit  divinas."  Unde  Prudentius  de  martyribus: 
„Oinnis  amans  Christum  tua  leget  doctor  Cyprjane  scripta."  Iste 
tarnen  tanto  sanetorum  praeconio  in  sublime  deduetns  aliter  de  ba- 
ptismate  sensit  haereticorum  atque  ipsius  scriptis  reliquit  quam  po- 
stea  veritas  prodidit.  Unde  beatus  Augustinus  in  libio  de  baptismo 
sie  loqnitur:  „Visum  est  quibusdam  egregiis  viris  inter  quos  praeci- 
pue  beatus  Cyprianus  eminebat,  non  esse  apud  baereticos  vel  scis- 
maticos  baptismum  Christi.  Reddens  ergo  debitam  reverentiam  dig- 
numque  honorem,  quautum  valeo,  paeifico  episcopo  et  glorioso  mar- 
tyri  Cypriano  audeo  tarnen  dicere  aliter  eum  seusisse  de  scismaticis 
et  haereticis  baptizandis  quam  postea  prodidi  non  ex  mea  sed  uni- 
versae  ecclesiae  sentenfia  plenarii  coucilii  auetoritate  roborata.  Prin- 
ceps  vero  apostolorum  Petrus,  quia  geutes  ad  baptismum  veuientes 
circumeidi  compellebat,  a  Paulo  apostolo  prius,  postmodum  a  sanetis 
patribus  merito  reprehensus  est.  Ait  enim  apostolus:  „cum  esset 
Cephas  Antiochiae  et  uon  recte  incederet  in  veritate  evaugelii,  aperte 
restiti  ei  in  faciem  quia  repreheusibilis  erat."  Unde  beatus  Augusti- 
nus „Venerans  ergo  Petrum  pro  sui  merito  apostolorum  primum  et 
eminentissimum  martyrem,  audeo  tarnen  dicere  eum  non  recte  fecisse, 
ut  gentes  judaizare  cogereutur."     Unde   beatus    Augustinus:  „qui  se 


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oazareos  christianos  vocant  nati  haeretici  ex  illo  eorrore  in  quo  Pe- 
tras devius  revocatns  est  a  Paulo."  Idem:  „Cum  Petrus  in  mari  ti- 
tubasset,  cum  dominum  carnaliter  a  passione  revocasset,  cum  ter  do- 
minum in  passione  negasset,  cum  in  superstitiosam  simulationem  lapsus 
esset,  videmus  eum  veniam  consequutum  ad  martyrii  gloriain  per- 
venisse."  Quid  mirum  igitur,  si  isti,  quos  ine  asseris  injusle  perse- 
cutum,  in  aliquibus  vel  dictis  vel  factis  aliquando  minus  provide  egerunt, 
qui  superioribus  duobus  sanctis  doctoribus  et  martyribus  nequaquam 
superiores  extiterunt. 


Vidi  enim  dominum  Robertum  feminas  a  viris  suis  fugientes, 
viris  ipsis  reclamantibus,  recepisse  et,  episcopo  Anäeyaviensi  ut  eos 
redderet  praecipiente ,  inobedienter  usqne  ad  mortem  obstinanter  te- 
nuisse.  Quod  factum  quam  irrationabile  sit  considera.  Si  enim  uxor 
viro  debitum  negat,  et  ob  hoc  ille  moechari  compellitur,  maior  culpa 
est  compellentis  quam  agentis.  Rea  ergo  aldulterii  est  femina  virum 
dimittens  postea  ex  necessilate  peccantem.  Quomodo  ergo  eam  re- 
tinens  et  fovens  inmunis  et  non  particeps  eiusdem  criminis  erit?  lila 
enim  nequaquam  hoc  faceretj,  nisi  qui  eam  retineret  inveniret.  Audi 
beatum  Augustinum  durius  inloquentem.  Ait  enim:  „Dimissa  si  per 
incontiuentiam  cogitur  alicui  copulari,  hoc  est  moechari.  Quod  si  illa 
non  fecerit,  ille  tarnen,  quautum  in  eo  est,  facere  compulit,  et  ideo 
hoc  illi  peccatum  Deus,  et  si  illa  casta  permaneat,  imputabit.  Si  igi- 
tur  reus  est  criminis  vir  uxorem  postea  non  peccantem  dimittens, 
qnanto  magis  si  illa  peccaverit?"  Audi  etiam  beatum  Gregorium 
ad  quendam  abbatem  inloquentem  de  quodam  conjugato,  quem  ita 
suscipiendum  cognovit,  si  uxor  eius  similiter  converti  voluerit.  Nam 
cum  unum  utriusque  corpus  coniugii  copnlatione  sit  factum,  indecens 
est  partem  converti  et  partem  inde  in  seculo  mauere.  Aut  ergo  uter- 
que  discedat  aut  uterque  remaneat.  Sed  de  domino  Anselmo  archi- 
episcopo,   quem  et  vitae  sanctitas  honorat,    et   doctrinae  singularitas 


198 

ultra  communeni  hominum  mensuram  extollit,  quid  dicam?  Ait  enim 
in  libro  quem  „Cur  Dens  homo"  intitulat,  aliter  Deum  non  posse  ho- 
mines  salvare,  nisi  sicut  fecit,  id  est  nisi  homo  fieret,  et  omnia  illa 
quae  passus  est  pateretur.  Eius  sententiam  sanctorum  doctorum,  quo- 
rum  doctrina  fulget  ecclesia,  dicta  vehementer  impugnant.  Ait  enim 
sanctus  Leo:  „cum  ei  multa  alia  suppeterent  ad  redimendum  geuns 
humanuni,  haue  potissimum  elegit  viam,  ut  non  virtute  potentiae  sed 
ratione  uteretur  iustitiae."  Audi  beatum  Angnstimtm  De  Trinitate : 
cur  non,  postpositis  innumerabilibus  modis  quibus  ad  nos  redimendum 
uti  posset  omnipotens,  mors  eius  potissimum  eligeretur.  Item:  eos  qui 
dieunt:  „itane  defuit  Deo  modus  alter,  quo  liberaret  homines  a  mi- 
seria  mortalitatis  huius,  ut  unigenitum  filium  suum  hominem  fieri  mortem- 
que  perpeti  vellet?"  parum  est  ita  refellere,  ut  dicamus  modum  istum 
bonum  esse  quo  nos  per  mediatorem  liberale  dignatus  est,  verum 
etiam  ut  ostendamus  non  aliuni  modum  possibilem  Deo  defuisse  cuius 
potestati  euneta  subiaceut,  sed  sanandae  nostrae  nriseriae  convenien- 
tiorem  modum  alium  non  fuisse  aut  esse  oportuisse.  Item:  poterat 
utique  Dens  hominem  aliunde  suseipere,  qui  esset  mediator  Dei  et 
hominum,  non  ex  genere  illius  Adam,  sicut  ipsum  quem  primum  crea- 
vit  non  de  genere  creavit  alieuius ,  poterat  vel  sie ,  vel  quo  vellet, 
alio  modo,  creare  unum  aliuni,  quo  vinceretur  victor  prioris,  Sed 
melius  iudieavit  de  ipso  qui  victus  fuerat  hominem  assumere."  Idem 
de  agone  christiano:  „Stulti  sunt  qui  dieunt:  quare  non  poterat  ali- 
ter sapientia  Dei  homines  liberare,  nisi  hominem  suseiperet  et  nasce- 
retur  de  femina?  Quibus  respondemus:  poterat  omuino,  sed  si  aliter 
faceret,  similiter  vestrae  stultitiae  displiceret." 

Si  igitur  apud  istos  quos  impudenter  nie  perseqni  declamasti 
aliquid  sacrae  scripturae  contrarium  reperimus,  cur  miraris  in  dictis 
tuis  aliquid  reprehendi  potuisse,  cum  te  in  sacrae  scripturae  erudi- 
tione  manifestum  sit  nullatenus  laborasse.  Huic  enim  singularitati. 


199 

quam  divinae  substautiae  tribuisti,  sanctorum  patrum  Ambrosii,  Au- 
gustini,  Isidori  scripta  nequaquam  consentiunt.  Quae  collecta  ideo 
subjicere  curavi,  ut  non  ex  mea  sed  ex  auctoritate  divina  quod  mihi 
tenendum  est  roboretur.  Beatus  igitur  Ambrosius  in  libro  de  fide  ad 
Gratianum  imperatorem  sie  loquitur:  „Ego  et  pater  unum  somus. 
Hoc  dicit,  n e  intelligatur  discretio  potestatis.  Item:  unum  cum  patre 
et  unum  aeternitate,  unum  divinitate.  Non  enim  pater  ipse  est  qui 
filius,  nee  confusum  quod  unum,  nee  multiplex  quod  indifferens.  Et- 
enim  si  omnium  credeutium  erat  cor  unum  et  anima  una,  si  omnis 
qui  adbaeret  domino  unus  Spiritus  est,  sed  vir  et  uxor  in  una  carne 
sunt,  si  omnes  homines,  quantum  ad  naturam  pertinet,  unius  substan- 
tiae  sunt,  multo  magis  pater  et  filius  divinitate  unum  sunt,  ubi  nee 
substantiae  nee  voluntatis  ulla  est  diflerentia.  Item:  non  est  diversa 
nee  singularis  aequalitas,  quia  aequalis  nemo  ipse  sibi  solus  est. 
Item :  Dens  est  nomen  commune  patri  et  filio.  Item :  incarnatum  pa- 
trem  Sabelliana  impietate  astruere  nitnntur.  Item :  quod  unius  est 
substantiae  separari  non  potest,  etsi  non  sit  singularitatis  sed  uni- 
tatis.  Singularitas  est  sive  patri  sive  filio  sive  spiritui  saueto  dero- 
gare.  Item:  non  unus  sed  unum  sunt  pater  et  filius.  Item:  una 
dignitas,  una  gloria;  in  commune  derogatur  quiequid  in  aliquo  puta- 
veris  derogatum."  Augustinus  in  libro  de  Trinitnte:  „qui  putat  eius 
esse  Deum  potentiae,  ut  se  ipsum  ipse  genuerit,  eo  deterius  errat, 
quod  non  ipse  solus  talis  non  est,  sed  nee  ulla  creatura  spiri- 
tualis  neque  corporalis.  Nulla  enim  anima  res  est,  quae  se  ipsam 
gignat.  Item:  circa  creaturam  suseeptumque  habitum  oecupati  ae- 
qualitatem  quam  cum  patre  habeo  non  intelligitis.  Item:  convenien- 
ter  dieimus  illum  qui  in  carne  apparuit  missuin,  misisse  autem  illum 
qui  non  apparuit.  Item:  pater  non  iudicat  quemquam,  sed  omne  iu- 
dicium  dedit  filio,  aesi  diceret,  patrem  nemo  videbit  in  iudicio,  sed 
omnes  filium  videbunt,  ut  possit  et  ab  impiis  videri.  Item:  tres  visi 
sunt,   nee  quisquam  illorum  vel  forma  vel  aetate  vel  potestate  maior 


200 

ceteris  visus  est.  Item:  cum  quaeritur,  quid  tres?  magna  prorsus 
inopia  humanuni  laborat  ingeninm.  Dictum  est  aulein:  tres  personae, 
ne  oinniuo  taceretur.  Item:  triiiitas  filius  nullo  modo  dici  potest. 
Item:  potest  universaliter  dici,  quod  et  pater  Spiritus  et  filius  Spiri- 
tus, et  pater  sanctus  et  filius  sanctus.  Si  itaque  pater  et  filius  est 
spiritus  sanctus,  potest  appellari  trinitas  Spiritus  sanctus.  Sed  tarnen 
ille  Spiritus  sanctus,  qui  non  trinitas,  sed  in  trinitate  intelligitur,  in 
eo  quod  proprie  dicitur  spiritus  sanctus,  relative  dicitur,  et  ad  pa- 
trem  et  filium  refertur,  quia  spiritus  sanctus  et  patris  et  filii  est  spi- 
ritus; sed  talis  relatio  in  hoc  nomine  non  apparet.  Item:  dictum 
est  a  nostris  Graecis:  una  essentia,  tres  substantiae,  a  Latinis:  uua 
substantia  vel  essentia,  tres  personae.  Item:  licuit  loquendi  et  dis- 
putaudi  necessitate  tres  personas  dicere,  non  quia  scriptura  dicit, 
sed  quia  non  contradicit.  Item:  cum  conaretur  humana  inopia  Io- 
quendo  proferre  quod  tenet  de  domino  Deo,  timuit  dicere  tres  essen- 
tias,  ne  intelligeretur  in  illa  summa  aeqnalitate  ulla  diversitas.  Item: 
cur  haec  tria  simul  unam  personam  non  dicimus  sicut  unam  essen- 
tiam  et  unum  Deum,  sed  dicimus  tres  personas;  tres  autem  essentias 
et  tres  Deos  non  dicimus,  nisi  quando  volumus  vel  unum  vocabulum 
servire  huic  significationi  qua  intelligitur  trinitas,  ne  omnino  taceremus 
interroganti:  quid  tres?  Item:  ita  dicat  unam  essentiaiu,  ut  non  exi- 
stimet  aliud  alio  maius  vel  melius  vel  aliqua  ex  parte  diversum,  non 
tarnen  ut  pater  ipse  sit  filius  et  spiritus  sanctus.  Item:  nulla  est  di- 
stantia  dissimilitudinis,  ut  intelligatur  aliud  alio  maius  vel  paulo  mi- 
nus, nee  talis  distinetio,  in  qua  sit  aliquid  impar.  Item:  ideo  dicimus 
tres  personas  vel  tres  substantias,  non  ut  intelligatur  aliqua  diversi- 
tas essentiae,  sed  ut  vel  uno  vocabulo  responderi  possit,  cum  quae- 
ritur: quid  tres,  vel  quid  tria?  tantamque  esse  essentiae  aequalitatem 
in  ea  trinitate,  ut  non  solum  pater  non  sit  maior  quam  filius,  sed  nee 
pater  et  filius  simul  maior  quam  singulus  pater.  Item:  uuus  Deus, 
una  fides,  unum  baptisma.  Fides  quamvis  sit  una,  in  aliis  non  tarnen 


201 

ipsa  sed  similis;  non  est  tma  omnino,  sed  generej  propter  similitudi- 
nem  tarnen  et  nulluni  diversitatem  magis  dicitur  uua  quam  plures ; 
uam  et  duos  homines  simillimos  unam  faciem  habere  dicinius.  Item: 
verbum  ideo  filius  patri  per  omnia  similis  est  et  aequalis.  Item: 
Quia  spiritus  sanctus  communis  est  ambobus,  hie  dicitur  ipse  proprie 
quod  ambo  communiter,  id  est  spiritus  sanctus.  Augustinus  ad  Pa- 
scentium  comitern  Arriauum:  Cum  pro  diversis  sibi  cohaerentibus  di- 
catur  unus  spiritus  et  iinum  corpus,  cum  pro  anima  et  corpore  sibi 
cohaerentibus  dicatur  unus  homo,  cur  non  maxime  de  patre  et  filio 
dicatur  unus  Deus,  cum  sibi  inseparabiliter  cohaereant?  Item:  His 
appellationibus  significatur,  quod  ad  se  invicem  referantur.  Item 
Augustinus  in  homelia:  Non  turbetur  cor  vestrum,  his  qui  noverant 
filium  dictum  est  de  patre,  et  vidistis  eum.  Dictum  est  enim  propter 
omuimodam  similitudinem,  quae  illi'  cum  patre  est,  ut  dicerentur  nosse 
patrem,  quia  noverant  filium  sirailem.  Ad  hoc  valet  quod  Philippo 
dictum  est:  qui  videt  nie,  videt  et  patrem,  non  quod  ipse  sit  pater 
et  filius,  sed  quod  tarn  similes  sint  pater  et  filius,  ut  qui  unum  nove- 
rit,  ambos  noverit.  Solemus  enim  de  duobus  simillimis  dicere  his  qui 
unum  eorum  viderunt:  vidistis  istum,  ergo  et  illum  vidistis.  Sic  ergo 
dictum  est:  qui  videt  nie,  videt  et  patrem,  non  quod  ipse  sit  pater 
et  filius,  sed  ad  similitudinem  in  nullo  prorsus  discrepet  a  patre  fi- 
lius. Boet/tius  in  libro  de  trinitate:  huius  unitatis  causa  est  indif- 
ferentia.  Augustinus  de  trinitate:  sie  dictum  est:  Deus  est  Caritas, 
ut  incertum  sit  et  ideo  quaerenduni,  utrum  Deus  pater  sit  Caritas, 
vel  Deus  filius,  vel  Deus  spiritus  sanctus,  vel  Deus  tota  trinitas. 
Augustinus  igitur,  ut  non  solum  quod  beatus  Ambrosius  verum  et 
quod  sanctus  Hieronymus  dicam:  non  solum  divinitatem  patris  sed 
nee  filii  nee  spiritus  saueti  naturam  possunt  oculi  carnis  aspicere. 
Idem  in  doctrina  christiana :  res  quibus  fruimur,  pater  et  filius  et 
spiritus  sanctus,  et  haec  trinitas  una  quodammodo  res  est.  Item: 
In  omnibus  rebus  illae  solae  sunt  quibus  fruendum  est,  quas  aeternas 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.   der  Wiss.   V.  Bd.  III.  Abth.  26 


202 

atqne  inconmutabiles  diximus.  Idem  de  agone  christiano:  credamus 
in  patrem  et  filium  et  spiritum  sanctum,  haec  aeterna  sunt  atque  in— 
conmutabilia.  Unde  Iohannes :  Tres  sunt  in  coelo,  qui  testimouiom 
perhibent,  pater  et  filius  et  Spiritus  sanctus.  Sciendum  est  vero,  quod 
in  substantia  sanctae  trinitatis  quaelibet  nomiua  non  aliud  et  aliud 
significant,  sive  quantum  ad  partes  sive  qnautum  ad  qualitates,  sed 
ipsam  solam  non  in  partes  divisam  nee  per  qualitates  mntatam  signi- 
ficant substantiam.  Non  igitur  per  personam  aliud  aliquid  significa- 
mus  quam  per  substantiam,  licet  ex  quadam  loquendi  consuetudine 
triplicare  soleamus  personam,  non  substantiam,  sicut  Graeci  triplicare 
solent  substantiam.  Neque  vero  dicendum  est,  quod  in  fiele  triuitatis 
errent  triplicando  substantiam,  quia  licet  aliter  dicaut  quam  nos,  id 
tarnen  credunt  quod  nos,  quia,  sicut  diximus,  sive  persona  sive  sub- 
stantia sive  essentia  in  Deo  prorsus  idem  significant.  In  locutione 
enim  tan  tum  diversitas  est,  in  fide  unitas ;  alioquin  iam  non  esset  apud 
Graecos  ecclesia.  Si  autem  ipsi  sie  loquendo  unnm  dieunt,  quare 
nos  idem  dicendo  mentiamur  non  video.  De  diversitate  divinae  snb- 
stantiae  sive  per  qualitates  sive  per  partes  beatus  Ambrosiiis  de 
fide  et  beatus  Augustinus  de  trinitute  sie  locnntur.  Ambr.:  Deus 
nomen  est  substantiae  simplicis,  non  coniunetae  vel  compositae,  cui 
nihil  aeeidat,  sed  solum  quod  divinum  est  in  natura  habeatsna.  Aug.: 
Quicquid  seeundum  qualitates  dici  pater  videtur,  seeundum  substan- 
tiam et  essen tiam  est  intelligendum.  Item:  Nomina  quatuor  suut, 
res  autem  una  est.  Quando  ergo  haec  nomina  variamus  sive  siugu- 
lariter  sive  pluraliter  proferendo,  non,  quia  aliud  unum  quam  alterum 
significet,  hoc  faeimus,  sed  pro  sola  loquentium  voluufate,  quibus  talis 
loquendi  usus  complacuit.  Si  enim  diversae  partes  ibi  essent,  ut 
altera  persona,  altera  substantia  diceretur,  fortassis  ratio  aliqua  earum, 
cur  unum  singulariter  alterum  pluraliter  proferremus,  ut  hominis,  quia 
alia  pars  est  corpus,  alia  anima,  unam  animam  dieimus,  sed  plura 
corpora  propter  corporis  partes  diversas;  sed  neque  alia  qualitas  per 


203 

personani,  alia  per  substantiam  vel  essentiam  significaretur,  quia,  si- 
cnt  iam  diximus,  in  Deo  iiulla  prorsus  qualilas  est.  Ex  liac  igitur 
sanctarutn  scripta  rar  um  numerositate  diligens  lector  intelligit,  sanctos 
qui  eas  couscripsernnt  nequaquam  in  Deo  tantam  singularitatem  intel- 
lexisse,  ut  nua  sola  res,  una  singularis  substantia  tribus  illis  noraini- 
bus  appellaretur,  ne  lioc  de  Deo  sentientes  in  illam  Sabellianam 
haeresin  laberentnr.  Hlulta  eiiiui  inconvenientia  ex  liac  Sabelliana 
singularitate  videtur  consequi.  Neque  vero  ea  quae  dixi  ideo  dixi, 
ut  aliquem  doceani,  sed  potius,  si  sacras  scripturas  non  recte  intel- 
ligo,  discam,  quia  in  omnibus  paratior  sum  discere  quam  docere,  et 
nialo  audire  niagistrum  quam  audiri  magister,  cum  hoc  Augustiuo  ad 
beatum  Hieronynium  loquente  dicens:  quamvis  pulchrius  sit  senem  do- 
cere quam  discere,  mihi  tarnen  nulla  aetas  sera  est  ad  discendum. 
Ouod  autem  dicis^  nie  unam  singularem  sauctae  trinitalis  substantiam 
cognovisse,  verum  utique  est,  sed  non  illam  Sabellianam  singularita- 
teni, in  qua  una  sola  res,  non  plures  illis  tribus  nominibus  appellatur, 
sed  in  qua  substantia  trina  et  triplex  tantam  habet  unitatem,  ut  nulla 
tria  usquam  tantam  habeant ;  nulla  enim  tria  tarn  singularia  tamque  ae- 
qualia  sunt,  sicut  scriptum  est:  in  hac  trinitate  nihil  prius  aut  poste- 
rius, nihil  maius  aut  minus,  sed  totae  tres  personae  coaeternae  sibi 
sunt  et  coaequales.  Sed  licet  lex  dicat,  quod  in  ore  duorurn  vel 
trium  testium  stet  omne  verbum,  nos  tarnen  quarto  iam  tribus  appo- 
sito,  quintum  et  sextum  apponamus,  quorum  testimoniis  unitate  si- 
militudiuis  et  aequalitatis  roborata,  ne  videamur  niti  testium  numero 
et  occasione  virorum  illustrium  subterfugere  rationem  et  non  au- 
dere  manum  conserere  pro  iuiprobatione  singularis  unitatis ,  eandem 
compr . . .  emus.  Die  ergo ,  beate  Athanasi,  divinae  contra  Arrianos 
defensor  substantiae ,  die,  quid  de  ipsa  substantia  sentias,  et,  sicut 
Arrianos  qui  eam  per  gradus  variabant,  vicisti,  ita  et  Sabellianos, 
qui  personas  confundunt,  convincas,  die:  „Neque  confundentes  perso- 
nas,  neque  per  substantiam  separantes".   Personas  confundit  qui  patrem 

26* 


204 

filium,  et  filium  patrem  dich,  quod  necesse  est  eum  dicere  qui  illa 
tria  nomina  unam  solam  rem  singularem  significare  voluerit.  Omnia 
enim  unius  et  singularis  rei  nomina  de  se  invicem  praedicantar.  Ita 
igitur  pater  incarnatus  et  passus  est,  quia  ipse  est  filios  qoi  hoc 
totum  passus  est;  quod  quantum  sanae  fidei  repugnat  adtende.  Se- 
quitur:  neque  substantiam  separantes.  Diligenter  intendendam  est, 
utrum  substantiam  sanctae  trinitatis  omnimodis  an  certo  modo 
separari  prohibeat.  Quoinodo  enim,  si  sie  est  una,  ut  etiam  plures  sint, 
sicut  Graeca  clamat  ecclesia,  non  separatur?  Omnia  enim  plora  plu- 
ralitatis  lege  separantur,  quia  scriptum  est,  quod  omnis  differentia  in 
discrepantium  pluralitate  consistit.  Quae  ergo  differentia  in  hac 
pluralitate  personarum  seeundum  nos,  snbstantiarum  vero  seeundum 
Graecos  sit,  perquiramus.  Nihil  enim  aliud  est  substantia  patris 
quam  pater  et  substantia  filii  quam  filius,  sicut  urbs  Romae  Roma  est 
et  creatura  aquae  aqua  est.  Quia  ergo  pater  gennit  fib'um,  substan- 
tia patris  genuit  substantiam  filii.  Quia  igitur  altera  est  substantia 
generantis,  altera  generata,  alia  est  una  ab  alia ;  semper  enim  gene- 
ralis et  generatum  plura  sunt,  non  res  una,  seeundum  illam  beati 
Augustini  praefatam  sententiam,  qua  ait  quod  nulla'omnino  res  est, 
quae  se  ipsam  gignat;  quae  enim  generat  est  ingenita,  genita  vero 
est  unigenita.  .  Sed  ingenitum  et  unigenitum  sunt  plura,  sicut  Augu- 
stinus de  trinitate  ait :  filius  quidem  ipsam  substantiam  debet  patri,  i.  e. 
quod  est  substantia  a  patre  habet  et  ab  eius  substantia;  non  ergo 
omnino  possumus  vitare  Separationen!  facere  in  substantia  sanctae 
trinitatis.  Restat  ergo,  ut  certo  modo  separationem  prohibeat;  qui 
modus  quis  sit  ostendit,  cum  subdit :  in  hac  trinitate  n.  p.  a.  p.  n. 
m.  a.  m.  Contra  Arrium  quippe  agebat,  qui  diversitatem  inaequalita- 
tis  in  sanctae  trinitatis  substantia  ponebat,  patrem  filium  et  spirituru 
sanetum  gradibus  dignitatis  distinguens.  Ideo  ergo  dicit:  totae  tres 
personae  coaeternae  sibi  sunt  et  coaequales;  si  enim  coaeternae,  ni- 
hil prius  aut  posterius;  si  coaequales,  nihil  maius  aut  minus.     Hanc 


205 

igitur  Arrianani  Separationen),  contra  quam  agebat,  secnndum  videli- 
cet  gradimm  distinctionem,  Athanasius  prohibet,  nam  onuiiiio  Separa- 
tion em  non  aufert,  ubi  eas  coaeternas  et  coaequales  dicit.  Si  enim 
coaequales,  sunt  et  aequales;  aequalitas  autem  semper  inter  plura 
est,  nihil  enim  sibi  aeqnale  est,  beato  Ambrosio  dicente:  nemo  ipse 
sibi  solus  aequalis  est.  Dum  igitur  in  substantia  sanetae  trinitatis 
aequalitatem  et  coaeternitatem  ponit,  in  ea  utique  separationem  plu- 
ralitatis  relinquit.  Sed  prioritatis  et  posterioritalis  per  coaeternum, 
minoritatis  et  maioritatis  gradus  dicendo  coaequales  extiuguit.  Ouod 
autem  unauf  non  singulariter  substantiam  sed  per  similitudinem  et 
aequalitatem  dicat,  manifeste  demonstrat,  cum  dicit:  una  divinitas, 
aequalis  gloria,  coaeterna  majestas.  Nisi  enim  prinsquam  unam  dixit, 
subdidisset:  aequalis  gloria,  coaeterna  majestas,  unam  ex  consuetu- 
dine  i.e.  singularem  acciperemus ;  sed  hoc  prorsus  aufert,  cum  dicit: 
aequalis  gloria,  et  quod  unum  secundum  aequalitatem  acceperit,  decla- 
rat.  Sicut  autem  ostendimus,  quod  cum  de  separatione  substantiae 
ageret,  non  omnem  eum  separationem  accepisse,  sed  illam  solam 
Arrianani  per  graduum  scilicet  distinctionem,  ita  summopere  perqui- 
rendum  est,  cum  dicit:  non  tres  aeterni  sed  unus  aeternus,  utrum 
omnimodis  multiplicitatem  aeternitatis  removeat  an  certo  modo.  Si 
enim  omnino  aeternos  dici  posse  negat,  sibi  ipsi  contrarius  est,  qni 
tres  personas  aeternas  vocavit,  dicens  ^eas  coaeternas.  Si  enim  co- 
aeternae,  sunt  et  aeternae;  quomodo  ergo  non  tres  aeterni,  si  tres 
illae  personae  sunt  aeternae.  Beatus  etiam  Augustinus  de  doctrina 
cliristiana  et  de  agone  christiano  aeternas  pluraliter  appellat  dicens : 
in  omnibus  igitur  rebus  illae  solae  sunt,  quibus  fruendum  est,  quas 
aeternas  atque  inconmutabiles  diximus.  Praedixerat  enim:  res  quibus 
fruimur  pater  et  filius  et  spiritus  sanctus.  Idem  de  agone  christiano : 
credimus  in  patrem  et  filium  et  spiritum  sanctum.  Haec  aeterna  sunt 
et  inmutabilia.  Si  igitur  iste  aeternas  omnino  negat,  et  sibi  et  Au- 
gustino   veraciter   repugnat.      Dicendum    est    ergo    et   aeternas  esse 


206 

pluraliter,  et  quodammodo  non  esse.  Sic  enim,  cum  Iohannem  sal- 
vator  prophetam  diceret,  ille  se  prophetam  negavit.  Sed,  ut  neque 
praeco  veritatis  mentiatur,  alio  modo  negavit  ille,  alio  modo  affirma- 
vit  iste.  Negavit  enim  se  non  prophetam  esse  omnino,  sed  simplicem 
prophetam,  quia  plus  quam  propheta  fuit,  ubi  quae  praedixerat  osten- 
dit.  Ita  igitur  et  hie  dicendum  est  eum  non  omnino  tres  aeternos 
negasse,  sed  eo  tantummodo  quo  Arrius  affirmabat,  qui  mensuram 
aeternitatis  in  personis  variabat.  Aeterni  enim  erant  pluraliter,  sicut 
plures  res  aeternae,  et  aeterni  non  erant,  ut  aeternitas  in  eis  varia 
videretur.  Dicat' melius  qui  potest.  Ego  melius  non  valeo.  Sed 
neque  quod  dico  importune  defendo.  Die  et  tu,  sanete  Isidore,  ec- 
clesiarum  totius  Hispaniae  magister,  quid  de  substantia  sanetae  tri- 
nitatis  sentiendum  decreveris.  „Trinitas  appellata,  quod  fiat  totuin 
unum  ex  quibusdam  tribus.  Item:  Pater  et  filius  et  Spiritus  sanetus 
trinitas  et  unitas;  unitas  propter  maiestatis  communionem,  trinitas  propter 
personarum  proprietatem,  pariter  simplex  pariterque  inconmutabile  bo- 
num  etcoaeternum.  Pater  solus  non  est  de  alio,  ideo  solus  appellatur 
ingenitus,  filius  solus  de  patre  est  natus,  divinitas  non  triplicatur,  quia, 
si  triplicatur,  deorum  indueimus  pluralitatem.  Nomen  autem  deorum 
in  angelis  et  sanetis  hominibus  ideo  pluraliter  dicitur,  quod  non  sint 
merito  aequales.  De  patre  et  filio  et  spiritu  saneto  propter  unam 
et  aequalem  divinitatem  non  nomen  deorum  sed  Dei  esse  ostenditur. 
Fides  apud  Graecos  hoc  modo  est:  Una  usia,  ac  si  dicat  una  na- 
tura aut  una  essentia,  tres  hypostases,  quod  resonat  in  latinum  vel 
tres  personas  vel  tres  essentias."  Audisti  trinitatem  unam  esse  pro- 
pter maiestatis  communionem,  non  propter  maiestatis  singolaritatem; 
quod  enim  singulare,  nullo  modo  commune  est,  et  quod  commune  est, 
singulare  esse  non  potest.  Maiestas  igitur  triuitatis,  quia  communis 
est,  quomodo  singularis  esse  potest? 

Audisti  etiam  quia  nomen  Dei  ideo  de  trinitate  singulariter  dicitur 


107 

propter  aequaleni  divinitatem,  ne,  si  pluraliter  dicerentur,  inaeqalitas 
divinitatis  intelligeretur.  Sed  divinitas  triuitatis  extra  se  aequalem 
non  iuvenit.  In  ipsa  igitur  trinitate  diviuitas  aequalis  divinitatem 
invenit  aequaleni;  plura  vero  aequalia  res  singula  et  unica  quo  modo 
esse  possit,  non  video.  Ut  igitur  fidei  christianae  navis  inter  utrum- 
que  scopulum  currens  iilaesa  pertranseat,  sunnnopere  cavendum,  ne 
ad  Sabelliauae  singularitatis  lapidem,  in  qua  patrem  incarnatum  et 
passum  fateri  necesse  est,  offendat,  neque  Arrianae  pluralitatis  peri- 
culum,  per  prius  et  posterius,  per  maius  et  minus  substantiam  varian- 
do,  incurrat,  atque  deorum  pluralitatem  enormitate  varietatis  inducat. 
Soli  enim  Trinitati  ideo  Dei  singularis  numerus  relictus  est,  ut  in  ea 
et  intra  eam  omnimodam  aequalitatem  significet.  Hominibus  vero  ideo 
pluraliter  datur,  ut  non  ideni  meritum  nee  eiusdem  dignitatis  esse 
monstretur,  ut:  ego  dixi,  dii  estis,  et:  audi  Israel,  dominus  Deus  tuus 
Deus  unus  est.  Itaque  cum  de  divinae  substantiae  unitate  discrepare 
videamur ,  tu  quidem  de  ingenioli  tui  tenui  conatn  praesumendo  soli- 
tudinem  ei  singularitatis  adscribens,  ego  autem  divinarum  scripturarum 
sententiis  armatus  similitudinis  et  aequalitatis  unitatem  defeudens. 

In  hoc  tarnen  couvenire  nos  convenit  ut  Deum  qui  unus  trinus 
est,  quoquo  modo  illud  intelligendum  sit,  unanimiter  deprecemur,  qua- 
tenus  in  uobis  ignorantiae  tenebras  illuminet,  seu  infidelitatis  maculam 
lavet  nostrisque  mentibus  cognitionem  suae  veritatis  infuudat,  et  nos 
sopito  contentioni*  desiderio  idipsum  invicem  seutire  concedat  Jesus 
Christus  dominus  noster.    Amen. 

Sed  quia  ad  fabulas  nostrae  detractionis ,  quas  ipse  impudenter 
finxisti,  quasi  ad  epularum  delicias  tamquam  potens  crapulatus  a  vino 
diutius  resedisti,  in  inerdae  nostrae  detractionis  inmunditia  suino  more 
saturatus  es,  nos  quoque  versa  vice,  non  odii  dente  mordendo  nee 
ultiouis    baculo   ferieodo,   sed   literarum   tuarum  latratibus   arridentes 


108 

de  vitae  tuae  inaudha  novitate  disputemus,  et  ad  quantam  ignominiam 
merito  tuae  inmunditiae  dilapsus  sis,  demonstreinus.  Neque  vero  opus 
est,  ut  ad  tuam  eontumeliam  more  tuo  aliquid  confingamus,  sed  tarnen 
quod  a  Dan  usque  Bersabee  not  um  est  replicemus.  Miseria  siquidem 
tua  iam  manifesta  est,  et  quamvis  eam  lingua  taceat,  tarnen  eam  res 
ipsa  clamat.  Vidi  siquidem  Parisms  quod  quidam  clericus  nomine 
Fulbertus  te  ut  hospitem  in  domo  sua  recepit,  te  in  mensa  sna  ut 
amicum  familiärem  et  domesticum  honorifice  pavit,  neptim  etiam  suam 
puellam  prudentissimam  et  indolis  egregiae  ad  doceudum  conmisit. 
Tu  vero  viri  illius  nobilis  et  clerici,  Parisiensis  etiam  ecclesiae  ca- 
nonici, hospitis  insuper  tui  ac  domiui,  et  gratis  et  honorifice  te  pro- 
curantis  non  inmemor,  sed  contemtor,  commissae  tibi  virgini  nou  par- 
cens,  quam  conservare  ut  commissam,  docere  ut  discipulam  debueras, 
effreno  luxuriae  spiritu  agitatus  non  argumentari,  sed  eam  fornicari 
docuisti,  in  uno  facto  multorum  criminum,  proditionis  scilicet  et  for- 
nicationis  reus,  et  virginei  pudoris  violator  spurcissimus.  Sed  Deus 
ultionum,  dominus  Deus  ullionum  libere  egit,  qui  ea  qua  tantum  parte 
peccaveras  te  privavit.  Ea  enim  de  parte  dives  in  iuferno  sepultus 
qua  plus  peccaverat  plus  ardebat,  cum  linguam  suam  gutta  aquae 
refrigerari  poscebat. 

Dolore  igitur  tarn  pudentis  vulneris  anxiatus  metuque  mortis  im- 
minentis  pro  vitae  prioris  foeditate  compulsus  babitum  mutasti,  et 
quasi  monachus  effectus  es.  Sed  audi  beatum  Gregorium  de  his 
qui  timore  ad  religionem  coufugiunt  loquentem:  Qui  timore  boua  agit, 
a  malo  penitus  non  recessit,  quia  eo  ipso  peccat,  quod  peccare  vel- 
let,  si  peccare  impune  potuisset.  Audi  etiam  beatum  Augustinum: 
Inaniter  se  putat  victorem  esse  peccati  qui  timore  mortis  non  peccat, 
quia  etsi  exterius  non  agitur  negotium  cupiditatis,  intus  tarnen  ipsa 
est  hostis;  et  quomodo  coram  Deo  iiiuocens  apparebit  qui  faceret 
quod  vetatur,    si  subtrabas  quod  timetur;    et  ideo  iam  ipsa  voluutate 


209 

•reus  est  qui  faceret  quod  non  licet,  sed  ideo  non  facit,  quia  impulie 
non  potest;  quantum  enim  in  ipso  est,  mallet  non  esse  iustitiain. 
(Juodsi  mallet  non  esse  iustitiain,  faceret,  si  posset,  ut  non  esset  iu- 
stitia.  Onomodo  ergo  iustus  est  talis  iustitiae  inimicus?  Auücus  au- 
tem  iustitiae  esset,  si  amore  iustitiae  non  peccaret.  Qui  geliennam 
metuit  non  metuit  peccare  sed  ardere.  Ille  autein  peccare  metuit  qui 
peccatum  sicut  gehennani  odit.  Audi  eundem:  Non  frustra  apnd  pec- 
catores  instituta  sunt  potestas  regis,  ius  gladii,  ungulae  carnificis,  ar- 
nia  militis.  Haec  etenim  timentur,  et  quietins  inter  nialos  vivunt  boni ; 
quatnquain  boni  dicendi  non  sint  qui  talia  ntetuendo  non  peccant,  quia 
non  est  bonus  quisquam  timore  poenae,  sed  amore  iustitiae.  Sed 
esto.  Valeat  timore  coirversio,  sed  tarnen  si  bona  sequatur  conver- 
satio.*' 

Videamus  autem  ex  quo  conversus  es,  quomodo  conversatus  es. 
In  immasterio  siquidem  beati  Dionysii,  ubi  non  tarn  ex  regulae  se- 
verirtate,  quam  ex  sapientissimi  abbatis  misericordia,  dispensatione 
pro  facnltate  singulorum  omnia  temperantur,  morari  non  sustinens,  ec- 
clesiam  a  fratribus  sub  nomine  öbedientiae,  ubi  volnntati  voluptatique 
tuae  deservire«,  accepisti,  quam  cum  tuis  superfluitatibus  tuisque  de- 
sideriis  sufficere  non  posse  conspiceres,  aliam  ad  omnem  voluntateiu 
tuam  idoneam  eligens  a  domino  abbate  ex  generali  fratrum  consensu 
accepisti,  tibi,  ut  cetera  taceamus,  undique  congregata  'barbarorum 
multitudine,  veritatem  artis  partim  ex  ignorantia  partim  ex  superbia 
in  uu gas  conmutans,  non  docenda  docere  non  desinis,  cum  et  docenda 
docere  non  debueras,  ^itque  collecto  falsitafis  quam  doces  pretio, 
scorto  tuo  in  stupri  premium  nequaquam  transmittis,  sed  ipse  depor- 
tas  et  quid,  dum  poteras,  in  pretium  expectatae  voluptatis  dabas, 
modo  das  in  premium,  pjus  utique  remunerando  stuprnm  praeteritum 
peccans,  quam  emendo  futurum,  et  qua  prius  cum  voluptate  abuteba- 
ris,  adhuc  ex  voluntate  abuteris;    sed  Dei  gratia  ex  necessitate  non 

Abhandlungen  dcr.L  Cl.  d.  k.  Ak    d.  Wiss    V.  Bd.   III.  Abth.  27 


210 

praevales.  Audi  ergo  b.  Augustini  sententiam :  voluisli  aliquid,  sed 
non  potuisti,  sie  annotat  Deus,  quasi  feceris  quod  voluisti.  Teste 
Deo  et  electis  angelis  loquor,  quia  conmonachos  tuos  perhibentes 
audivi,  quia,  cum  sero  ad  monasterium  redis,  undeeunque  congrega- 
tam  peeuniam  de  pretio  falsitatis  quam  doces,  calcato  pudore  ad 
meretricem  transvolans  deportas,  stuprurnque  praeteritum  impudenter 
remuneras.  Quia  igitur,  suseepto  habitu,  doctoris  officium  mendacia 
docendo  usurpasti,  utique  monachus  esse  cessasti,  quia  beatus  Hie- 
ronymus  mouachum,  monachus  ipse,  diffiniens:  monachus,  iuquit,  11011 
doctoris  sed  plangentis  habet  officium,  qui  scilicet  muiidum  lugeat 
et  (lomiiii  pavidus  praestolet  adventum.  Sed  neque  clericum  te  esse 
habitus  clerici  convincit  abiectio,  sed  multo  minus  laicus  es,  quod 
coronae  tuae  satis  probat  osteusio.  Si  igitur  neque  clericus  neque 
laicus  neque  monachus  es,  quo  nomine  te  censeam,  reperire  non  va- 
leo.  Sed  forte  Petrum  te  appellari  posse  ex  consuetudine  mentieris. 
Certns  sum  autem,  quod  masculini  generis  nomen,  si  a  suo  geuere 
deeiderit,  rem  solitam  significare  recusabit.  Solent  eniin  nomina  pro- 
pria  significationem  amittere,  cum  eorum  significata  contigerit  a  soa 
perfectione  recedere.  Neque  enim  ablato  tecto  vel  pariete  domus, 
sed  imperfecta  domus  vocabitur.  Sublata  igitur  parte,  quae  hominem 
facit,  non  Petrus,  sed  imperfectus  Petrus  appellandus  es.  Ad  huius 
imperfecti  hominis  ignominiae  cumulum  vero  pertinet,  quod  in  sigillo, 
quo  foetidas  illas  litteras  sigillasti,  imaginem  duo  capita  habentem, 
unum  viri  alterum  mulieris,  ipse  formasti.  Unde  quis  dubitet,  quauto 
adhuc  in  eam  ardeat  amore  qui  tali  eam  capitum  couiunetione  non 
erubuit  honorare.  Plnra  quidein  in  tuam  contumeliam  vera  ac  maui- 
festa  diclare  decreveram;  sed  quia  contra  hominem  imperfectum  ago, 
opus  quod  ceperam  imperfectum  relinquo. 


Ueber  die  Endung  -ez  [-es] 

spanischer    mid    portugiesischer   Familiennamen. 


Von 


J.   A.   Schm eil  er. 


27 


Ueber  die  Endung  -e%  [-  es] 
spanischer    und    portugiesischer  Familiennamen. 

Gelesen    in    der    Sitzung    der    philolog.  -  philosophischen   Klasse 
am  13.  Januar  1849. 


Man  braucht  kaum  mehr  als  ein  gewöhnlicher  Zeitungsleser  zu 
seyn ,  um  in  spanischen  Familiennamen  das  häufige  Vorkommen  der 
Endung  -ez  bemerkt,  vielleicht  wohl  gar  auffallend  gefunden  zu 
haben.  Ist  man  mehr,  und  etwa  auch  Freund  und  Kenner  spanischer 
Geschichte  und  Literatur,  so  wird  mau  spanischen  Namen  wie  Diez, 
Enriquez,  Fernandez,  Narvaez,  Paez,  Perez,  Rodriguez,  Velasquez, 
Ximenez  leicht  Dutzende  ganz  ähnlicher  beizufügen  finden.  Ist  man 
nicht  zufrieden,  die  Sprache  als  einen  leblosen  Vorrath  von  nun 
einmal  gegebenen  au  sich  gleichgültigen  Zeichen  zu  nehmen,  so  wird 
man  nicht  umhin  können,  zu  der  Gleichförmigkeit  der  mehrfachen 
Erscheinungen  einen  gemeinsamen  Grund  zu  vermutheu.  Diesen  zu 
finden,  wird  man  Sprachlehre  und  Wörterbuch  zu  Hülfe  rufen. 
Beide  aber,  so  wie  sie  zur  Zeit  noch  gerüstet  sind,  werden  in  dem 
gegebenen  Falle  so  gut  als  taub  seyn  gegen  den  Ruf.  Dies  ist 
wenigstens  meine  Erfahrung. 


214 

Ich  konnte  mich  freilich  gar  wohl  bescheiden,  über  ein  Vor- 
kommniss,  das  spanischen  und  portugiesischen  Meistern  der  Sprache 
selbst  keiner  sonderlichen  Beachtung  werth  geschienen,  auch  nicht 
mehr  wissen  zu  wollen  als  sie;  nemlich  mehr  als  dass  die  also  en- 
denden Wörter  eben  Patronymica  seyen,  d.  h.  ursprünglich  das 
Verhältniss  als  Sohn  oder  Tochter  zum  Vater  ausgedrückt  haben.*) 
Allein  während  mir  selbst  dies,  dem  heutigen  Gebrauche  gegenüber, 
noch  einiges  thatsächlichen  Beweises  bedürftig  schien,  reizte  mich 
eine  andere  Frage,  nemlich  die,  welcher  von  den  altern  Sprachen, 
aus  denen  die  spanische  und  die  portugiesische  erwachsen  sind, 
diese  bedeutungsvolle  Bildungssylbe  wohl  zu  verdanken  seyn  möchte. 
Es  war  eine  gewisse,  ich  gestehe  es,  bereits  von  vorne  herein  ge- 
fasste  Meinung,  die  mir  die  in  andrer  Rücksicht  ferne  liegende  und 
darum  sehr  müssige  Aufgabe  anziehend  genug  erscheinen  Hess,  um 
sie,  so  weit  die  örtlichen  Hülfsmittel  reichen,  wenigstens  etwas  be=- 
stimmter  ins  Auge  zu  fassen. 

Es  kommt  bei  allen  Wörtern  und  also  auch  bei  solchen  Namen, 
wie  wir  aus  ähnlichen  Untersuchungen  innerhalb  des  germanischen 
Sprachgebietes  wissen,  vor  Allem  darauf  an,  sie  so  weit  als  mög- 
lich rückwärts  bis  dahin,  wo  sie  sich  zuerst  zeigen,  zu  verfolgen, 
um  sie  so  noch  unentstellt  und  frei  von  jenen  Veränderungen,  die 
im  Laufe  der  Zeit  mit  ihnen  vorgegangen  seyn  mögen,  vor  Augen 
zu  haben.  Dies  kann  nur  geschehen,  indem  das,  was  über  Begeben- 
heiten, Zustände  und  Verhandlungen  früherer  Jahrhunderte  gleich- 
zeitig niedergeschrieben   vorliegt,   insonderheit   Alles,    wTas  Urkuude 


*)  Als  „Patronyrnicos,  que  na  origem  significavao  filiacäo ,  como  Alvares, 
Menezes,  Antunes,  que  queriäo  dizer  filho  ou  filha  de  Alvaro,  de  Mem, 
de  Antäo  etc."  fertigt  sie  kurz  ab  einer  der  neuesten  portugiesischen 
Grammatiker  und  Lexicographen. 


215 

heisst,  zu  Rafhe  gezogen  wird;  ein  Verfahren,  das  freilich  nur  im 
Lande  selbst,  und  da  nur,  wenn  erst  alle  Archive  zu  Gebote  stehen, 
möglieb  ist.  Ich  meines  Orts  musste,  und  zu  meinem  Zwecke  durfte 
ich  mich  bescheiden,  schon  blos  einige  der  bekanntesten  spanischen 
und  portugiesischen  Werke  und  Sammlungen  solches  Inhalts  als 
Grundlage  gelten  zu  lassen. 

Erst  vom  12.  und  13.  Jahrhundert  aii  kommen  unter  solchen 
Aufzeichnungen  auch  einige  vor,  die  zum  Theil  oder  ganz  in  der 
zur  castilischen  oder  portugiesischen  Sprache  gewordenen  Romana 
rustica  verfasst  sind.  Früher  ist  hier,  wie  im  ganzen  römisch- 
christlichen  Europa  Latein,  freilich  ein  nach  Zeit  und  Ort  sehr  ent- 
stelltes, die  Schriftsprache,  wenn  auch,  wie  es  scheint,  die  Gothen, 
so  lange  sie  Arianer  geblieben,  aucli  hier  ihre  eigene  gebraucht  ha- 
ben sollten.  Wie  sich  schon  in  die  früheste  über  die  Halbinsel  ver- 
breitete Römersprache  manche  Zothat  aus  dem  mehr  und  mehr  ver- 
drängten Iberischen  [Baskischen]  Idiom  gemengt  haben  mag,  so  ha- 
ben nachher  die  germanischen  Wandervölker,  Sueven,  Vandaleu 
und  insonderheit  die  Westgothen,  und  endlich  in  noch  reichenn 
Maasse  die  Araber  ihren  Einschlag  gegeben  in  das  Gewebe  des 
peninsularen  Lateins  und  der  daraus  entstandenen  vulgaren  Dialekte. 

Solch  ein  Einßuss  musste,  nach  allgemeiner,  auch  anderwärtiger 
Erfahrung,  in  Hinsicht  auf  Formen  ein  auflösender,  zerstörender 
seyn;  aber  den  Vorrath  an  Wörtern,  den  Sprachschatz,  hat  er  au- 
genscheinlich vermehrt.  Was  er  von  dieser  Art  geliefert,  besteht 
grösstentheils  in  Ausdrücken  für  Besonderheiten,  deren  Beziehung 
auf  die  Beitragenden  noch  jetzo  mitunter  durchschimmert,  am  unver- 
kennbarsten aber  in  Bezeichnungen  von  Personen  und  Orten,  oder  in 
dem,  worauf  es  hier  zunächst  ankommt,  im  Namen. 


216 

Wie  gross  nun  die  Zahl  der  Zuthaten  dieser  Art  sey,  und  wie 
leicht  sie  sich  in  der  Regel  als  solche  erkennen  und  ausscheiden 
lassen,  so  selten  und  schwer  erkennbar  ist,  was  sich  etwa  an  frem- 
den, irgend  einem  der  einfliessenden  Idiome  eigenen,  lebenskräftigen 
Formen  unter  die  blos  verstümmelten  der  einer  neuen  Bildung  un- 
terliegenden  Sprache  gemengt  und  in  ihr  Wurzel  gefasst  haben 
mag.  Dennoch  ist  es  gerade  eine  solche,  dem  Latein  gänzlich 
fremde,  lebendige  Form,  die  ich  hier  im  Auge  habe,  und  als  eine 
nach  der  Hand  freilich  wieder  völlig  erstarrte  in  den  patronymischen 
Endungen,  von  denen  die  Rede  ist,  bis  auf  unsre  Tage  bewahrt  zu 
glauben  geneigt  bin. 

Festzustellen  ist  vor  Allem,  dass  die  Endung  -es  \resl  ,,|V 
sprünglich  und  lange  Zeit  herab  wirklich  eine  Bedeutung  gehabt 
habe,  deren  sich  der  heutzutagige  Sprachgebrauch  nicht  mehr  be- 
wusst  ist,  dass  nemlich  durch  sie  recht  eigentlich  ein  Genitivver- 
hältniss,  das  des  Erzeugten  zum  Erzeuger  ausgedrückt  sey.  Dies 
festzustellen  wird  hier  vorerst  ein  einziges  Beispiel  genügen ,  da 
gleich  weiter  unten  noch  mehrere  folgen  und  unzählige  andere  in 
jedem  spanischen,  ältere  spanische  Geschichte  behandelnden  Buche 
von  selbst  sich  darbieten.  Der  auch  unter  uns  wohl  bekannte  Cid 
hiess  Ruy  Diez,  d.  h.  Rodrigo  Diego's  Sohn.  Dieser  sein  Vater 
aber  wurde  Diego  Lainez ,  d.  h.  Diego  des  Lain  Sohii  genannt. 

Kam  es  darauf  an ,  dieses  Verbältniss  in  lateinischer  Sprache 
Tai  bezeichnen,  so  bedienten  sich  regelrechter  geschulte  Schreiber 
gewöhnlich  des  förmlichen  Genitivs.  Lupus  Didaci,  Alvarus  Pelagii, 
Petrus  Fernandi,  Ermigius  Petri,  Rodericns  Egeae,  Arias  Nunonis. 
Sanctio  Garseanjs  etc.  Neuere  haben  zu  den  patronymischen  En- 
dungen der  Römer  und  Griechen,  bald  zu  -ins,  bald  zu  -ides  ge- 
griffen;    Lupus     Suarius     [Lope    Suarez] ,     Fernandus     Bermudius 


217 

[Fernan   Bermudes],  Munio  Gelmirides,  Guterrus  Fredenandides,  Pe- 
trus Gundisalvides. 

Rückwärts  aber  vom  13.  Jahrhundert  an,  besonders  in  dem  sich 
geben  lassenden  Latein  der  Urkunden,  findet  man  statt  des  blossen 
mittels  Ellipse  zu  verstehenden  Genitivs  dieses  Verhältniss  noch  oft 
durch  ein  ihm  ausdrücklich  vorgesetztes  filius,  filia,  prolix  (proles) 
bezeichnet.  Transtina  prolix  Piuioliz.  Tructesindo  prolix  Didagu. 
Desterigu  filio  de  Flaginu.  Vorherrschender  Gebrauch  aber  ist  die 
Auslassung  dieses  filius,  filia,  proles,  und  die  Andeutung  des  Ver- 
hältnisses lediglich  mittels  der  fraglichen  Endsylbe  am  Namen  des 
Vaters. 

Statt  -ez  zeigt  sich  indessen  in  jener  frühern  Zeit  -iz,  das 
zuweilen  als  -izi,  auch  -ici  erscheint. 

Doch  hier  kommt  es  darauf  an,  thatsächliche  Belege  zu  geben. 
Ich  entnehme  solche,  da  in  jener  Zeit,  was  von  Portugal,  im  All- 
gemeinen auch  von  Spanien  gilt,  den  Urkunden,  die  einen  wesent- 
lichen Bestandteil  ausmachen  von  I.  P.  Ribeiro's  „Dissertacöes  chro- 
nologicas  e  criticas  sobre  a  historia  e  jurisprudencia  ecclesiastica  e 
civil  de  Portugal  publicadas  por  ordern  da  Academia  Real  das  scien- 
cias  de  Lisboa"  1810  —1829,  indem  ich  eine  Auswahl  der  Namen, 
die  zugleich  in  patronyrnischer  Form  vorkommen,  mit  Angabe  des 
Jahres,  in  welchem  dies  der  Fall  ist,  in  alphabetischer  Ordnung 
vorführe.  Die  hier  gegebene  Jahrzahl  (aera  hispanica)  läuft  bekannt- 
lich der  gewöhnlichen  um  zwei  Cyclen  von  19  Jahren,  nemlich  um 
38  Jahre  vor. 


Adefonsus        :     Adefonsiz  1069. 
Alvitus  :     Alvitizi  1029, 

:     Alvitiz  1049. 


Arvaldus  1 1 06    :    Arvaldizi  1029. 
Ascarica  909      :    Ascarizi  1023. 
Astrulfu  976      :    Astrulfizi    1029. 


Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  28 


218 


Atanagildus  . . 

:  Atauagildizl090. 

Fagildo 

:  Fagildiz  1147. 

Atan  1102 

:  Atauiz   1104. 

Fragulfo 

:  Frajulfici  1031. 

Fredetiandus 

:  Fredenandiz  1090, 

Barvaldus 

:  Barvaldiz  1234. 

:  Fredenandizi  1031. 

Braolius 

:  Braoliz  1098. 

Froila 

:  Froilaz  1069, 
:  Froilanez  1131, 

Cartemirus 

:  Cartemiriz  1047. 

:  Froilaci   1117. 

Cidi 

:  Cidiz  1129. 

Fromarigii 

:  Fromariquiz  1161. 

Cotino 

:  Cotiniz  1098. 

Cresconio 

:  Cresconiz  1049. 

Galindo 

Galindiz  1147. 

Garcea           : 

Garceazi  1063, 

Davi 

:  Daviz   1047. 

Garces,  Garseanis. 

Didagu  998 

:  Didazi  1029, 

Godinu 

Godiniz  1091. 

:  Didaz  1019, 

Gontado         : 

Goiitatiz  1104. 

. 

Diaz  1147. 

Gondulfo 

Gondulfizi  1029. 

Gontigio 

:  Guntigici  1031. 

Ean                   \ 

Eanes,Anesl303. 

Gontemiro 

:  Gunteiniriz   1023. 

Ecta 

:  Ectaz  1099. 

Gundisalbo 

:  Gundisalbiz  1098, 

Ederonio 

•  Ederonzi  1023. 

:  Guutsalviz  1090. 

Egaredo            : 

Egarediz  1090. 

Gundesindus 

Gundesindiz  1023, 

Erigo                : 

Erigici   1117. 

Gundesindizi  1029. 

Ermiario           : 

Enniariz  1049, 

Guandila        : 

.  Guaudilizi  1029, 

Enniarizi  1031. 

Guandilaz  1023, 

Ermigio             : 

Eimigizi   1117, 

Guandilazi  1091. 

Ermigiz   1123, 

Gaeda             : 

Guedaz  1344. 

Ermiz  1131. 

Guimiro          : 

Guimiriz  1047. 

Ero                    : 

Eiiz  1129. 

Exemeno           : 

Exemeniz  1104. 

Jamu              : 

Jamiz  1129. 

Janardo 

Janaradizi  1063. 

Fafila                : 

Fafllaz  1123, 

Jurgo              : 

Jurgiz   1129. 

i 

Fatilanes  1123. 

219 


Lain 

:  Lainez. 

Roderigo 

:  Roderiquiz   1047, 

Loderigu 

:  Loderiguz  1023- 

:  Ruderiz  1049. 

Lupo 

:  Lupiz   1305, 
Lopez. 

Sancho 

:  Ruiz. 

:  Sanchiz   1250. 

Mendo 

:  Mendiz  1147. 

Sando 

:  Sandizi  1031. 

Menendo 

:  Menendiz  1084. 

Sarracino 

:  Sarraziniz   1091. 

Mito 
Monio 

•  Mitiz  1047. 
Moniz  1090, 

Savarigu 
Sendamiru 

:  Savariquiz  1145. 
:  Sendamiriz  1090 

Moneonis  1085- 

Sisvaldo 

:  Sisvaldiz  1102. 

Suario 

:  Suariz  1084. 

Nausti 

:  Naustiz  1085- 

Nano 

:  Nuuiz  1019. 

Tegio 

:  Tegiz   1023. 

Ordonio         : 

Ordoniz  1049. 

Tegino 
Trastemiro 

:  Teginiz  1023. 
:  Trasteinirici   103  J 

Osoredo         : 

Osorediz  1049. 

Tructemiro 

:  Tructemirizi  998. 

Truclesindo 

:  Tructesindiz  104^ 

Pelagio         : 

Pelagiz  1094, 
Pelaiz   1147, 

Velasco 

:  Velasquez, 

: 

Pelaz  1104. 

:  Vaasquiz  1341. 

Petro            : 

Petriz  1099. 

Vermudo 

:  Vermudizi  1147, 

Piniolo 

Piuioliz  1084. 

:  Vermudiz  1084. 
:  Vermuiz  1177. 

Ramiro         : 

Ramirici  1117, 

Vizoi 

:  Vizoizi  1029. 

'. 

Ramiriz  1147. 

Vimara 

:  Vimaraz   1104. 

Randulfo      : 

Randulfiz  1023. 

Raupario      : 

Raupariz  1090. 

Zalama 

:  Zalamizi  1021. 

Rechner        : 

Recenürici  1117. 

Zamario 

:  Zamariz  1085* 

Betrachtet  man  diese  Namen,  die  unter  andern,  wie  gesagt,  nur 
in  so  ferne  ausgewählt  sind,  als   sie  in  jenen  Urkunden   nicht  Mos 

28* 


220 

einfach,  sondern  eben  auch  in  der  fraglichen  patronymischen  Form 
vorkommen  ,  so  wird  man  sie  in  entschiedener  Mehrzahl  als  solche 
erkennen,  die  einer  andern  als  der  lateinischen  oder  einer  von  die- 
ser abgeleiteten  Sprache  angehören  müssen. 

Einigen  derselben:  wie  Fafila,  Froia,  Froila,  Guandila;  Fredi- 
nandus,  Didagus;  Atanagildus,  Fagildus;  Astrulfus,  Gondalfus,  Ran- 
dulfus;  Arvaldus,  Barvaldus,  Sisvaldus;  Cartemirus,  Gontemirus,  Ra- 
mirus,  Recimerus,  Sendamirus,  Trastenürus,  Tructemirus;  Gundesin- 
dus ,  Tructesindus ;  Fromarigus,  Loderigns,  Roderigus,  Savarigus; 
Bermudas,  Gundisalvus  wird  man  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  Na- 
men, die  in  altern  Zeiten  bei  den  verschiedenen  germanischen 
Stämmen  vorkommen,  nicht  bestreiten.  Wenn  man  sich  erinuert, 
dass  es  unter  diesen  germanischen  Stämmen  namentlich  die  West- 
gothen  waren,  die  vom  5ten  bis  zum  Anfang  des  8ten  Jahrhunderts 
die  Halbinsel  beherrscht  hielten,  so  wird  man  kaum  Anstand  neh- 
men, diese  Namen  eben  für  ursprünglich  gothische  gelten  zu  lassen. 
Nicht  minder  unschwer  wird  man  zugeben,  dass  dieselben  im 
Munde  einer  wohl  von  jeher  wenigstens  zu  drei  Viertheilen  ungo- 
thischen  Bevölkerung  schon  gleich  anfänglich  und  so  fort  und  fort 
bis  zur  längst  völlig  ungothischen  Zeit,  in  der  wir  sie  jniederge- 
schrieben  finden,  eine  mehr  oder  minder  wesentliche  Entstellung 
müssen  erfahren  haben.  Einräumen  wird  man  unter  dieser  Erwä- 
gung ferner,  dass  auch  viele  andere  solche  Nainen.,  in  welchen  gar 
nichts  gerade  Germanisches  mehr  durchschimmert,  dennoch  gleiches 
Ursprungs  seyn  mögen.  Es  genügt,  an  ein  paar  der  geläufigem  un- 
ter diesen  Namen  zu  zeigen,  wie  sie  sogar  erst  von  der  Zeit  un- 
serer Aufzeichnungen  herabvvärts  entstellt  worden  sind,  um  auf  das 
schliessen  zu  lassen,  was  sie  bis  zu  jener  Zeit  bereits  mögen  erlit- 
ten haben. 


221 

Adifonsus,  Adefonsus  noch  im  X.  und  XI.  Jahrhundert  —  wird 
später  zu  Adfonsus,  Alefonsus,  Alfonsus,  Alonsus,  Aifon- 
sus,  Affonsus,  Anfus.  Während  -fons  noch  recht  gut  dem 
alten  fum  (promptus)  entspricht,  gewährt  der  erste  Be- 
standtheil  einen  weit  minder  sichern  Halt,  weil,  wie  das 
spätere  al ,  auch  das  frühere  adi  selber  schon  Entstel- 
lung seyn  kann. 

Didagus,  Didagu  noch  im  XI.  und  XII.  Jahrh.  —  wird  nach  der 
Hand  Diago,  Diego;  und  so  verdunkelt  sich  gänzlich  der 
zweite  Bestandteil,  der  mit  dem  dag,  tag,  tac,  dag,  dag-r 
in  Namen  aller  germanischen  Dialekte  [Hröddag,  Hraod- 
tac,  Wiltag,  Bäldäg,  Swäfdäg,  Vägdäg,  Svipdag-r]  iden- 
tisch scheint.  Ueber  dt,  ob  es  etwa  vor  dem  ohnehin 
folgenden  d  aus  thiod,  thiud  verkürzt,  sind  eben  auch  nur 
Vermuthungen  statthaft. 

Obschon  es  einen,  ausdrücklich  Didacus  genannten 
Heiligen,  einen  Minoriten  von  Alcalä,  freilich  erst  von  1390, 
gibt,  wird  heutzutage  Diego  allgemein,  selbst  vom  Diccio- 
nario  de  la  Academia,  wahrscheinlich  wegen  Aehnlichkeit 
des  Klanges,  für  gleichbedeutend  mit  Santiago  (Sanctus 
Jacobus),  somit  für  Jacob  genommen,  (was  andrerseits  zu 
Jacme,  Jayme,  James  nicht  minder  entstellt  ist). 

Aehnliches  widerfährt  auch  andern  derlei  eingebornen 
alten  Namen.  *)    Ihigo,  wovon  das  Patronymicum  Imguez, 


*)  Gleichsam  vermöge  Gegenrechtes  sind  später  manche  hebräische,  grie- 
chische, lateinische  Namen  in  eine  Form  gegossen  worden,  die  ihnen 
das  Aussehen  gibt,    als    seyen    sie    aus    einer   der  neuern  Sprachen  zu 


222 


wird  für  den  griechischen  Ignatius*);  Ximeno  [alt  Eximeno, 
Eximino],  wovon  patronymisch  Ximenez  [alt  Eximiniz], 
für  den  hebräischen  Simon  aasgegeben.  Obgleich  bereits 
Johannes  Chrysostomus  in  seiner  13ten  Homilie  über  die 
Epistel  an  die  Corinther,  und  Gregor  der  Grosse  im  Sa- 
cramentarius  empfiehlt,  den  Täuflingen  Namen  von  Heili- 
gen beizulegen,  so  ist  dieser  Hath  von  Völkern  germani- 
scher Herkunft  noch  geraume  Zeit  fort  wenig  befolgt  wor- 
den. Und  selbst  romanische  Eltern  und  Patben  scheinen 
oft  genug  germanische  Namen  als  die  der  herrschenden 
Rasse,  und  somit  als  vornehmere  gewählt  zu  haben.  Am 
schlagendsten  beweisen  dies  die  vielen  germanischen  Na- 
men von  Heiligen  auch  des  vorgerücktem  Mittelalters  selbst. 

Fredinandus,  Fredenandus,  Prenandus  noch  im  XII.  Jahrh.  geht 
später  durch  eine  nicht  ungewöhnliche  Versetzung  des  r 
über  in  Ferdinandus,  Fernandus,  Fernan,  Heruan.  Das  in 
mehreren  Namen  bald  als  erster,  bald  als  zweiter  Bestand- 
theil  vorkommende  fred,  fridu,  frithas  wird  unkennbar,  wie 
gut  sich  auch  das  aus  dem  alten  nandjan  (audere)  zu  deu- 
tende nand  erhalten  hat. 

Gundisalvus,  Gundesalvus  ist  so  schwer  zu  erkennen  in  Gon- 
salvo,  Gonzalo,  als 

Gundesindus  in  Gosendo.  Das  gund  dieser  Zusammensetzungen 
ist  ein  bekanntes  germanisches  Wort. 


Hause.     So   unser   Waldhauser    für    Balthasar.     Einer    der  Herren  zu 
Rapoltstein   heisst    in    Urkunden    des    XV.    Jahrh.    bald    Maximin    bald 
Schmasmann,    wo  nicht  aller  Zweifel  fern  ist,    welches  Wort  das  aus 
dem  andern  entstandene  sey. 
*)   Als  Beispiel  reicht  hin:    Don  Inigo  de  Loyola. 


223 

Rodericus,  der  auch  ausserhalb  der  Halbinsel  nicht  ungewöhnliche 
Name,  erscheint  bereits  in  dem  des  Cid  zu  Ruy  verkürzt. 

Uebrigens  ist  keine  der  romanischen  Sprachen  mit  diesem  un- 
verwüstlichen Erbtheil  aus  germanischer  Wehherrschaft,  den  eige- 
nen Namen,  glimpflicher  umgegangen. 

Sehen  Louis,  St.  Cloud,  Frou,  Raoul,  Geoffroi  u.  dergl.  den 
alten  Chlodowic,  Hludowic,  Chlodoald,  Frodulfus,  Radulfus,  Godafrid 
ähnlicher,  als  Ruy  einem  Hrödreik-s? 

Wenn  also  vollkommenes  Verständniss  dessen,  was  solche  Na- 
men in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  eigentlich  besagt  haben,  haupt- 
sächlich weil  wir  von  den  germanischeu  Sprachen  über  das  fünfte 
Jahrhundert  hinauf  nur  eine,  und  diese  nur  zum  Theil  kennen,  dann 
weil  wir  die  wenigsten  dieser  Namen  bis  zu  jener  noch  durch 
keinen  griechischen  oder  lateinischen  Model  bereits  der  ersten  Auf- 
zeichner gegangenen  Gestalt  verfolgen  können,  vielleicht  für  immer 
ein  frommer  Wunsch  bleiben  wird,  so  wäre  es  sehr  unnütz,.,  diese 
paar  Beispiele  mit  den  über  sie  gewagten  Vermuthungen  noch  durch 
andere  dergleichen  zu  vermehren.  Doch  aber  scheint  schon  aus 
ihnen  so  viel  hervorzugehen,  dass,  selbst  wenn  nicht  die  ganze 
Geschichte  darauf  hinwiese,  diese  und  ihnen  ähnliche  Namen,  ihrem 
Wortgehalte  nach,  aus  dem  germanischen,  hier  zunächst  gothischen 
Sprachschatze  genommen  sind. 

Und  weiter  habe  ich  mich  hier  auf  das,  was  Material  der 
Sprache  heissen  kann,  auch  nicht  einzulassen. 

Es  ist  mir  um  etwas  im  Grunde  Wichtigeres  und  linguistisch 
Merkwürdigeres,    um  eine  Form  zu  thun,   um   das  Herkommen  der 


224 

unscheinbarer]  Sylbe  ez  [e$\  mit  ihrer  Genitivbedentung  an  Person- 
namen  in  einer  Sprache,  in  welcher  alle  Beugungs formen  von  son- 
stigen Nennwörtern  längst  zu  Grunde  gegangen  sind. 

Was  fürs  erste  den  Laut  betrifft,  in  welchem  der  Consonant, 
d.  h.  das  Wesentliche  dieser  Sylbe,  heutzutage  ins  Leben  tritt,  so 
ist  er  in  jenen  castilisch  sprechenden  Proviuzen,  deren  Aussprache 
ein  z  vom  s,  auf  die  bekannte  an  das  griechische  &  und  das  eng- 
lische Schluss-^A  erinnernde  Weise,  unterscheidet,  der  dieses  z;  in 
den  übrigen,  so  wie  auch  bei  den  Portugiesen,  der  des  gewöhnli- 
che!) s.  Wann  jener  s-Laut,  und  ob  etwa  erst  durch  die  Araber, 
in  die  spanische  Aussprache  gerathen  sey,  vermag  ich  nicht  zu  be- 
stimmen. Dass  er  etymologisch  etwa  dem  bei  den  Gothen  voraus- 
zusetzenden ip  (fh)  entspreche,  wird  eben  durch  die  z.  B.  von  Pro- 
copius  in  griechischer  Form  überlieferten  Namen  verneint,  deren  th 
als  reines  t  geblieben  ist.  Eben  so  wenig  möchte  er  auf  ein  t  in 
-Uns,  tia,  tium  zurückzubringen  seyn,  das  nur  in  einer  der  romani- 
schen Sprachen,  der  des  mittlem  Italiens,  einen  vom  s  verschiedenen 
Laut  angenommen  hat.  Dieses  castiüsche  z  wird  demnach  wohl  als 
eine  örtliche  blosse  Entstellung  eines  ursprünglichen  s  genommen 
werden  dürfen,  um  so  mehr,  als  man  gerade  im  südlichem  durch 
das  „Ceceo"  berufenen  Spanien  die  Laute  z  und  s  regellos  mit 
einander  verwechseln  hört. 

Nun  aber,  aus  welcher  von  den  Sprachen,  aus  deneu  die  je- 
tzige herrschende  der  Halbinsel  entstanden  ist,  mag  dieses  bezeich- 
nende es  genommen  oder  vielmehr  behalten  seyn? 

Aus  der  baskischen? 

Auf  diese  in  uralter,  über  die  der  Römer  hinaufreichen- 
der Zeit  wahrscheinlich  in  ganz  Iberien  herrschende,  nun  in 


22£ 

einen  Theil  der  Pyrenäen  Zurückgewichene  Spra'che  ist  zu- 
rückgegangen der  einzige  spanische  Forscher,  der  sich  mei- 
nes Wissens  auch  auf  die  vorliegende  kleine  Frage  einge- 
lassen hat,  der  Pater  Stephan  von  Terreros  in  seiner  Paleo- 
grafia  espanola.     1758. 

Er  hält  unsere  Sylbe  für  die  baskische  Postpo.sition  a'z'y 
abgekürzt  'z  [von,  aus,  mit],  z.  B.  in  hitza-z  (von  hitza 
Wort),  ortze-z  (von  ortza  Zahn),  ogui-z  (von  oguia  Brod), 
argui-z  (von  arguia  Licht),  lo-z  (von  loa  Schlaf),  gogo-z  (von 
gogoa  Begierde),  escu-z  (von  escua  Hand),  buruz  (von  burua 
Kopf).  Wie  diese  mit  dem  z  ausgeslatteten  Wörter  bedeu- 
ten: von  dem  Worte,  von  den  Zähnen,  von  dem  Brode  u.s.f., 
so  werde  Didaz,  Albarez,  Jemeniz,  Munioz,  Ferruz  einem 
spanischen  de  Diego,  de  Albaro,  de  Jemeno,  de  Munio,  de 
Ferrando  entsprechen  müssen.  *), 

Der  Sehluss  ist  allerdings  richtig.  Allein  die  Zeit,  in 
welcher  etwa  bis  Cadix  und  Lissabon  baskisch  oder  canta- 
brisch  gesprochen  wurde,  liegt  unendlich  weit  ab,  sie  reicht 
über  die  lateinische  Hispaniens  hinaus;    und   schon  in  dieser 


*)  Seine  Worte  sind  S.  15:  El  poner  el  nombre  de  padre  por  appellido 
en  az,  ez,  iz,  oz  uz,  es  ä  mi  parecer  evidente  que  se  tomo  de  la  len- 
gua  vascongada,  en  que  ademas  de  ser  comunes  estas  terminaciones 
y  voees  las  protege  la  significäcion  para  este  asunto  por  equivaler  a 
las  preposiciones  latinas  a,  ab,  de,  ex,  cum,  corao  se  ve  en  hiiaz,  hil- 
zaz  de  ti,  hitzez,  ortzez  de  palabra,  de  dientes,  oguiz,  arguiz  de  pan, 
de  luz ,  loz  de  sueiTo,  gogoz  de  gana,  escuZ,  buruz  de  mano,  de  ca- 
be«a.  De  aqui  es  claro  siguiendo  este  significado  y  posposicion  que 
Didaz  en  el  Bascuence  es  lo  mismo  que  de  Diego,  Albarez  de  Alltnr. 
Jemeniz  de  Jimeno,  Munioz  de  Munio,  Ferruz  de  Fernando  etc. 
Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k    Ali.  d.  Wis».  V.  Bd.  III.  Abth.  29 


226 

hätte  sich  wohl  irgend  eine  Spur  der  so  fremdartigen  und 
bezeichnenden  Zutliat  abdrückeu  müssen.  Irre  ich  nicht, 
so  ist  das  patronymische  iz,  ez,  es  nicht  einmal  bei  den  näch- 
sten Nachbarn  der  Basken,  den  altern  Catalaneu,  üblich  ge- 
wesen. Wenigstens  wird  bei  Muntaner  capp.  48.  75.  En 
Peres  (Peters  III)  natürlicher  Sohn  En  Jacme  immer  En 
Jacme  Pere,  nicht  Perez  oder  Peres  genannt. 

Mögen  immerhin  genug  Namen  von  Städten,  Ländern 
und  Flüssen  der  Halbinsel  aus  dem  Baskischen  zu  erklären 
seyn,  es  greift  dies  in  jene  unvordenkliche  Zeit  zurück.  Auch 
im  Wortschatze  der  heutigen  castilischen  Sprache  werden 
sich,  ausser  zahlreichen  baskischen  Familiennamen,  die  sich 
meist  schon  durch  ihre  Gestalt  als  solche  ankündigen,  wie 
Goicoechea,  Larramendi,  Lardizabal,  Mendizabal ,  Zumala 
Carregui  n.  dergl.  nicht  eben  viele  bestimmt  baskische  Ele- 
mente nachweisen  lassen.  Es  liegt  zwischen  dem  spanischen 
ez  und  jenem  baskischen  az  der  Zeit  nach  eine  Kluft,  wohl 
nicht  minder  ungeheuer,  als  man  sie  etwa  zwischen  jenem 
iz  und  dem  patronymischen  wie  der  Slaven  dem  Räume  nach 
finden  müsste.  Aus  solchen  Gründen  kann  ich  Tererro's  üb- 
rigens scharfsinniger  Annahme  keine  sonderliche  Wahrschein- 
lichkeit zugestehen. 

Aus  dem  Lateinischen? 

Hätte  sich  ein  dem  griechischen  nachgebildetes  -ides 
in  is  zusammengezogen ,  oder  wäre  dasselbe  einem  erstarrten 
-ius  widerfahren?     Kaum  denkbar. 

Besser  würde  ein  -itiits  sich  anlassen.  Aber  wie  käme 
dieses  zur  patronymischen  Bedeutung? 


22t 

Hätte  es  blos  die  eines  Diminutivs  gehabt,  so  inüsste 
ein  daraus  entstandenes  iz  jedenfalls  den  Ton  behalten,  was 
bei  unserm  iz,  ez,  es  nicht  stattfindet,  so  dass  eben  die  Nicht- 
betonung  dieser  auf  einen  Consonanten  ausgehenden  Schluss- 
sylbe  eine  Anomalie  der  castilischen  Aussprache  bildet 

Wäre  das  is  von  einzelnen,  sich  also  beugenden  Namen, 
wie  Danielis,  Salomonis,  auf  alle  übrigen  übertragen  worden? 
Eben  so  unwahrscheinlich,  da  die  Namen  dieser  Declinations- 
art  gerade  und  entschieden  die  Minderzahl  ausmachen  gegen 
jene,  welche,  sogar  wenn  sie  germanischen  Ursprungs  sind, 
unter  der  Form  -ns,  Genitiv  i,  auftreten. 

Aus  dem  Arabischen  ? 

Ansehnlich  ist  der  Beitrag,  den  die  Mauren,  vom  sieben- 
ten bis  ins  sechszehnte  Jahrhundert  rührige  und  grossentheils 
herrschende  Mitbewohner  der  Halbinsel ,  in  den  bleibenden 
Sprachschatz  derselben  geworfen  haben.  Aber  dass  sie  ihm 
auch  von  ihren  semitischen,  als  solche  dem  Gefüge  der  latei- 
nischen Idiome  so  sehr  widerstrebenden  Formen  diese  oder 
jene  dauernd  aufzuprägen  vermocht  hätten,  ist  wenigstens 
mir  nicht  bekannt. 

Gerade  bei  den  Arabern  liegt  herkömmlich  die  ausschliess- 
liche Beziehung  eines  Namens  auf  eine  bestimmte  Person  auch 
ausserhalb  des  häuslichen  Kreises,  in  der  Verbindung  dieses 
Namens  mit  dem  ihres  Vaters  und  nach  Umständen  sogar 
mit  dein  eines  Kindes  derselben.  Sie  nennt  sich  N.  Sohn 
des  N.,  oder  auch  wohl  N.  Vater  des  N.  Aber  konnte  je- 
nes erstere  Verhältniss  auch  anders  als  durch  ausdrückliche 
Setzung  des  Wortes  Ibn,    Ben  (Sohn)   vor    den  Namen    des 


228 


Vaters  ausgedrückt  werden?  Oder  gab  es  überhaupt  Fälle, 
dass  dieser  Name  eine  fernere  Zuthat,  namentlich  eine  solche 
erhielt,  die  mit  unserm  iz,  es  oder  s  irgend  etwas  gemein  hätte? 

Unter  Ribeira's  Urkunden,  die  mitunter  auch  Mauren  be- 
treffen, finde  ich  allerdings  auch  Benennungen  wie  Iben  Egas, 
Ben  Egas  abwechselnd  mit  Filius  Egas,  so  auch  „Abon  Ari- 
gutinizi"  (1063),  wo  man  glauben  darf,  Abon  sey  eben  das 
arabische  Wort  für  Vater;  auch  „Abdella  eoguomento  Patre 
Abdellaz"  (1023),  wo  durch  „Patre"  wieder  nur  das  Abon 
übersetzt  erscheint,  und  wo  man  in  den  Endungen  i%i  und  z 
eben  uusre  patronymische  nicht  verkennen  kann.  Allein  dar- 
aus schliesse  ich  mehr  nicht,  als  dass  die  nichtmaurischeu 
Aussteller  der  Urkunden  die  bei  ihnen  einmal  herkömmliche 
patronymische  Bezeichnungsweise  festhaltend  für  arabische 
Namen  so  wenig  als  für  lateinische,  griechische  oder  hebräi- 
sche eine  Ausnahme  gemacht,  und,  wie  Petriz,  Pelagiz,  Do- 
minguiz,  Martiniz,  gleich  getrost  auch  Abdalliz  u.  dgl.  wer- 
den gesagt  und  geschrieben  haben.  Was  Egas  betrifft,  so 
steht  es  mehrmals  auch  als  freier  Nominativ  und  liegt  aus- 
serhalb der  Frage. 

Aus  dem  Gothischen? 

Ich  glaube,  ja,  und  wundere  mich  nicht,  zu  finden,  dass 
auch  Andere  kurzerhand  dasselbe  als  ausgemacht  angenommen 
haben.  Legt  es  doch  sowohl  der  Laut  als  die  Bedeutung 
dieses  es  vom  Tajo  und  Manzanares  dem  Deutscheu  und  je- 
dem seiner  Sprachverwandten  so  nahe,  in  demselben  das 
leibhafte  es  seines  mascnlinen  Genitivs  zu  sehen  und  zu  hö- 
ren, dasselbe  trotz  des  Auslandes  an  Zeit  und  Ort  als  Fleisch 
von  seinem  Fleische  zu  erkennen. 


229 

Wenn  nun  dabei  jedenfalls  auf  die  gothische  Mundart 
moss  zurückgegangen  werden,  so  ist  zunächst  freilich  der 
Unistand  misslich,  dass  zwischen  der  Sprache  der  Westgo- 
ihen  an  der  Donau  zur  Zeit  des  Ulfila  und  der  desselben 
Volkes  nach  so  mancherlei  Zügen  und  Berührungen  in  Spa- 
nien eine  merkbare  Veränderung  mag  Platz  gegriffen  haben. 
Und  so  wird,  wenn  eben  nur  das,  was  wir  von  jener  wis- 
sen, als  Maasstab  zur  Hand  ist,  dieser  nicht  in  aller  Schärfe 
anzulegen  seyn. 

Wie  finden  wir  in  der  Ulfilaischen  Bibelübersetzung  die 
Namen  —  freilich  lauler  ungothische  und  ungermanische**)  — 
im  Singular -Genitiv  behandelt? 

Es  zeigen  sich  auf  volles  is  die  Genitive  : 

Abrahamis,  Adamis,  Daveidis,  Jakobis,  Jesuis,  Josefis, 
Isakis,  Israhelis,  Kaisaris,  Mosezis,  Saulaumonis  und 
so  manche  andere  im  dritten  Capitel  des  Evangeliums 
Ijucae. 

Dazu  kommen  einige  auf  aus,  wie  Alaiksandraus,  Filip- 
paus,  Jaurdanaus,  Paitraus,  Peilataus,  Rufaus,  Xristaus, 
endlich 

andere  auf  ins,  wie  Audraiins,  Esaeiins,  Judins,  Heleiins 
(von  Andreas,  Esaias,  Judas,  Helias);  Abijins,  Iodins. 
Resius,  Tharius  (von  Abija,  Juda,  Resa,  Thara). 


*■•)  Dass  solche  auch  schon  bei  den  Gothen,  wie  bei  den  Angeisachsen 
und  andern  Stämmen  durch  die  Endung  ing ,  ung  zu  Patronymiken 
geworden,  ist  nicht  sicher,  obschon  man  es  vermulhen  sollte.  Evang. 
Luc.   cap.  3  war  Gelegenheit,  es  zu  zeigen. 


230 

Ueberall  also  das  -.?,  vor  welchem  das  i  iu  der  entschiedenen 
Mehrzahl  der  Fälle  rein  dasteht,  in  den  wenigen  der  u-Declinatiou 
heiinfall enden  Namen  auf  griechisch  og,  lat.  us  aber  sich  dem  son- 
stigen gothischen  Sprachgebrauche  fügt.  Die  griechischen  Namen 
auf  «  und  c<g  zeigen  das  .?,  wie  die  gothischen  männlichen  Apella- 
tive  auf  a,  in  der  sogenaunten  schwachen  Form  ins,  wo  es  spätere 
Dialekte  gänzlich  haben  verkommen  lassen.  Dieser  Form  -ins  ge- 
mäss wäre  freilich  unter  unsern  obigen  Beispielen  ein  FaGlins,  Froi- 
lins,  Guedins  u.  dergl.  viel  eher  als  ein  Fafilaz,  Froilaz  etc.  zu  er- 
warten gewesen.  Allein,  wenn  auch  diese  Namen  allmählich  nach 
der  Weise  der  überwiegenden  Mehrzahl  behandelt  worden  sind,  so 
sind  doch  selbst  noch  in  den  besagten  Urkunden  Formen,  wie  Fa- 
filanes,  Froilanez  u.  dergl.  nicht  unerhört.  Und  dazu  stimmt  die  Be- 
merkung Aguirre's  (Collectio  concil.  Hisp.  I,  17J:  „De  nominibu* 
horum  regum,  ne  quis  miretur,  illud  iu  conciliis  et  historiis  est  ob- 
servandum  quae  in  a  desinunt  ut  Wamba,  Egica,  Tulga  facere  in 
obliquis  casibus  Wambunis  et  Wambanem  et  eodem  modo  in  caete- 
ris.  Eligebantur  autem  reges  ex  gothica  nobilitate."*)  Es  darf  die- 
ses  anis  statt   ins   keineswegs    auffallen,    da   es  sogar,    wie    auch 


*)  Der  bekannte  gothische  Historiker  sagt  in  seinem  Werke:  De  origine 
Getarura  cap.  50  (S.  125  der  freilich  nicht  sehr  alten  Münchener 
Handschrift) :  „Ego  item  quamvis  agrammatos  Iordanis  ante  convei'sio- 
nem  notarius  fui."  Wie?  wenn  dies  der  blosse  Genitiv  irgend  eines 
Namens  Jorda,  Jaurda,  und  so  ein  schon  frühes  Beispiel  davon  wäre,  was 
später  dem  spanischen  Gomez  widerfahren  zu  seyn  scheint,  das,  wohl 
ursprünglich  ein  Patronymicum  und  schwerlich  blos  eine  Verkürzung 
aus  Gumesindus,  allmählich  zum  förmlichen  Personnamen  geworden 
ist  und-  als  solcher  das  Don  vor  sich  nehmen  kann.  So  fragte  ich 
mich,  ehe  ich  J.  Grimms  gewichtiges  Wort  für  Jornandes  vernommen 
hatte.  Nur  will  lor  als  Zusammenziehung  aus  Ibor,  Ibui  mir  noch 
immer  nicht  recht  gothisch  vorkommen. 


231 

J.  Grimm  Gr.  I,  818,  Gesch.  d.  d.  Spr.  II,  945-  vermuthet,  die  frü- 
here Form  seyn  kann.  Dass  aber  die  meisten  Namen  der  Art  als 
Patronymica  blos  auföz,  's  ausgehend  gefunden  werden,  erklärt  sich, 
falls  dabei  nicht  eine  blosse  Zusammenziehung  aus  anis  Statt  gehabt, 
wohl  auch  daraus,  dass  selbst  sehr  frohe  spanisch-gothische  Schrift- 
steller, wie  z.  B.  Isidor,  in  ihrem  Latein  neben  Agilanis,  Bambanis, 
Linvanis  und  der  übrigen  entsprechenden  obliquen  Casus  eben  so  oft 
Agilae,  Agilam,  Liuvae,  Liuvam,  Totilae,  Wambae  n.  s.  f.  zu  lesen 
geben.  Sie  hielten  sich  dabei  an  den  lateinischen  Sprachgebrauch, 
wie  seinerseits  Procopius,  dein  griechischen  gemäss,  gothische  Namen 
wie  AXßiXcig,  MovvdfXag,  TwrCXctg  in  den  verschiedenen  obliquen  Ca- 
sus einfach  auf  a,  er,  ctv  ausgehen  lässt. 

Zu  berücksichtigen  ist  schliesslich  noch  das  seltsame  i,  das 
sich  in  den  ausgehobenen  Beispielen  einige  Male  den  patronymischen 
Endungen  iz,  az  angehängt  findet,  z.  B.  in  Alvitizi,  Erigici,  Didazi, 
Froilaei,  Garseazi.  Ich  halte  es  für  das  *  der  für  solche  Namen 
häufigsten  lateinischen  Genitivform,  das  man,  die  eigene  Bedeutung 
der  gothisehen  Endung  nicht  mehr  fühlend,  derselben  nachhelfend 
beigefügt  haben  mag;  obschon  auch  denkbar  wäre,  dass  z.  B.  Didazi 
den  Sohn  des  Didaz,  d.  h.  erst  des  Sohnes  des  Didago  zu  bedeu- 
ten gehabt  hätte.  Da  aber  in  obigen  Beispielen  beide  Formen,  so- 
wohl iz  als  izi,  auf  eine  und  dieselbe  Person  angewendet  vorkom- 
men, so  wüsste  ich  jenes  i  in  der  That  auf  keine  andere  Weise  zu 
erklären. 

Vielleicht  nimmt  sich  einmal  ein  mit  bessern  Mitteln  ausgestat- 
teter Forscher  der  Halbinsel  selbst  der  hier  aufgestellten  kleinen  Frage 
an.  Und  könnte  die  gegenwärtige  Betrachtung  dazu  Veranlassung  geben, 
so  wäre  mir  der  Trost  gesichert,  der  verehrten  Mitglieder  und  meine 
Zeit  nicht  zu  völlig  Nutzlosem  missbraucht  zu  haben. 


Q.  Valerii  Catulli  Veron.  über. 

(Ex  rec.  C.  Lachmanni.  Berol.  typis  et  impensis  Ge.  Reimeri. 

A.  1829.) 


Vorschläge    zur    Berichtigung     des    Textes 


von 


Joh.  v.  G.  Fröhlich. 


Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  1«.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  HI.  Abthl.  30 


Q.  Valerii  Catulli  Veron.  liber. 

(Ex    rec.    C.    Lachmauiii.     Berol.    typis    et   itnpensis    Ge.  Reimeri. 

A.  1829.) 

"Vorschläge     zur     Berichtigung     des     Textes 

von 

Joh.  v.  G.  Fröhlich. 


Carm. 

1,  v.  8,        Quare  habe  tibi  quicqnid  hoc  libelli  (est); 

Quod  fac,  quaeso  ec/intlem,  patrona  virgo, 
Plus  uno  maneat  perenne  saeclo. 

*)    Patrona  virgo   =  die  jungfräuliche  Muse.    Doctae   virgines 
=  Musae.     65,  2. 

2,  5  ff.         Cum  desiderio  meo  (i.  e.  mei)  uitenti 

Carum  nesßfo  quid  übet  iocari 
Ut  solatioluiu  sui  doloris. 

2,  8,  Credo,  cum  gravis  aggravescit  ardor; 

Tecum  ludere  etc levare  curas. 

*)  Die  3  Verse  „Tarn  gratum  est  mihi''  etc.  gehören  nicht  zu 
Carm.  2,  sondern  als  Schluss  an  das  Ende  von  Carm.   38. 

3,  6  f.  Nam  mellitus  erat  suamque  norat 

lpsam  tarn  bene,  quam  puella  matrem. 

30* 


230 


Carm. 

3, 

16 

4, 

23. 

6, 

2 

Carm.  60. 


Proh  factum  male!  proh  miselle  passer, 
Tna  nunc  opera  etc. 

— ,  cum  veniret  a  muri  (marei) 
Novissimo  hunc  ad  usque  limpidum  lacum. 

Ni  essent  illepidae  atqne  in  elegantes, 
Velles  dicere,  nee  etc. 

— ,     9.     Pulvinusque  peraeque  et  hie  et  Wie  (illoc) 
Aüritus  tremuliqne  etc. 

— r  12.     Quamquam  frustra  etiam  haec  volent  tacere. 
Cur?  Non  tarn  latera  etc. 

8.  *    Hieher   vielleicht   als   Anfang   des    Gedichtes 

zu  versetzen  Carm.  60.     So: 
1.     Num  te  leaena  montibus  Libvstinis 

Aut  Scylla  latrans  infima  iuguiuum  parte 
Tarn  m ente  dura  proereavit  ac  tetra, 
Ut  supplicis  vocem  in  novissimo  casu 

— ,     5.     Contemptam  haberes  ah  uimis  f'ero  corde?  — 
carm.  8,  Miser  Catulle,  desiuas  ineptire, 

Et  quod  vides  perisse  perditum  ducas. 
Fulsere  quondam  etc. 

— ,     9.     Nunc  iam  illa  non  vult:  tu  quoque  impetra  hoc  a  te 
Nee  quae  fugit  seetare,  nee  miser  vive  etc. 

— ,  15.     Scelesta,  quae  te,  vae  tibi*},  manet  vita? 
Quis  nunc  te  adibit?  cui  videb.  etc. 

9.  Damit     ist     wohl     am     Ende     zu    verbinden 

Carm.  27. 

*)   64,   196. 


237 

Carm. 

9,     1.     Veranni,   omnibus  e  meis  amicis 
Antistans  mihi  milibus  trecentis, 
Venistine  domuui  ad  tuos  Penates 
Fratresque  unanimos  senemque  nialrem? 
Venisti.     0  mihi  puntii  beati! 

Vissam  te  iiicolumeni 

Quid  ine  laetius  est  beatiusve  ? 

Minister  vetuli  puer  Falerni  earm.  27. 

Inger  mi  calices  amariores,  \ergi.  mm- 

üt  lex  Postumiae  iubet  magistrae  tiaL  XI'  36' 

Ebriosae  acino  ebriosioris. 

At  vos  quo  lubet  hinc  abite,  lymphae, 

Vini  pernicies,  et  ad  severos 

Migrate:  liic  merus  est  Thyoniainis. 

10,  9  ff.  llespondi  id  quod  erat,  nihil  uec  (ueque)  ipsis 
Hinc  praetoribus  esse  nee  coliorti, 
Cur  quisquain  caput  unetius  referret, 

Praeter  si  quibus  esset  irrumator  Vgl  28,  9  s<j. 

Praetor  nee  faveret  pili  cohortem. 
„At  certe  tarnen",  inqiiif,  „id  quod  illic 
Natum  dicitur  esse  comparasti, 
Ad  lecticam  homines"?     Ego,  ut  etc. 

— ?  24.     Hie  iiia,  ut  deeuit  cinaediorem, 

„Ouaero",  inquit,  „mihi,  im  CatuIJe,  pauJum 
Istos  commoda ;  ertim  volo  ad  Serapim 
Deferri".     „Minime",  inquii;  „puellos 
Istos ,  quos  modo  dixeram  me  habere  — 
Fugit  nie  ratio :  meus  sodalis 
Cinna  est  Gaius;  is  sibi  paravit. 


238 


Varm. 

10,  31.     Verum  u(rum  illius  etc. 

Utor  tarn  bene  quam  mihi  paratis."  (quam  [bene 

eos]  mihi  pararim.) 
(?)  Sed  tu  etc. 

H-  Das  Ganze  ironisch.      Vgl.  Carm.   15.   16. 

21.  23.  24.  26  etc.  Auch  der  Auftrag,  wel- 
chen der  Dichter  (v.  15  ff.)  gibt,  spricht 
dafür  ;  nicht  minder  die  Art,  wie  von  Caesar 
und  dessen  Thaten  in  Gallien  und  Britan- 
nien gesprochen  wird   (v.  10  ff.). 

— ,     3. 1  Longe  nbi  Utas  resonante  Eoa 
Tunditur  unda. 

— ,   11.     Gallicum  Rhenum  horribilesque  Celtas 
Atque  Britannos. 
*)  Celtas.  Caes.  de  bello  Gall.  I,   1. 

■ — ,  1  3.     Haec  fere  et  quaecunque  feret  voluntas 
Caelitum,  tentare  simul  etc. 

13,  9.     Sed  contra  accipies  meros  odores, 

Queis  i;::)  quid  suavius  elegantiusve  est? 
Nam  unguentum  dabo,  quod  etc. 

14,  2.    Calvas  (auch  Poet.  Ovid.  Amor.  III,  9,  62). 

—    Vatinius.  Odium  Vatin.    =   odio,   quali  Va- 
tinius    te  odit.  Vid.  Carm.  53. 

— ,  14.      Saturnalibus,  die  omnium  dierum  optimo. 

Damals   war   den   Saturnalien    nur   ein  Tag 
gewidmet;  Julius  Caesar  fügte  zwei  andere  dazu. 


*)  Queis  uil  suavius  etc. 


239 

Carm. 

14     am  Ende  „Saecli  iticommoda,  pes.simi  /joetae." 

Die  darnach  (in  den  gewöhnlichen  Ausgaben) 
folgenden  3  Verse  „Si  qui  forte  mearum  etc." 
sind  mit  den  meisten  Versen  des  Carm.  16 
in  ein  Gedicht  zu  vereinigen,  auf  folgende 
Art : 
Si  qui  forte  mearum  ineptiarum  Gemischt  aus 

r       Ä  . ..  14  und  16. 

Lectores  entis  manusque  vestras 
Non  horrebitis  ad  movere  nobis, 
Paedicabo  ego  vos  et  irrumabo. 
Qui  ine  ex  versiculis  meis  putatis 

Si  sunt  molliculi  ac  parum  pudici, 
Üt  quod  pruriat  incitare  possint, 
Non  dico  pueris,  sed  his  pilosis, 
Qui  duros  nequeunt  movere  lumbos. 

16.  Als  Carm.  16  bleiben  auf  diese  Weise  noch 
die  4  Verse: 

Aureli  pathice  et  cinaede  Furi, 

Vos,  quod  milia  multa  basiorum  '_'   arm-5- 

Legistis,  male  Die  inarem  putatis? 

Paedicabo  ego  vos  et  irrumabo. 

17.  Colonia.     Welche  Stadt?  —  Venetia?   .  .  . 
— ,  22.     Ipse  quid  sit ,  utrum  sit  etc. 

— ,  23-     Hunc  ineuin  volo  de  tuo  ponte  etc.  voio  et™ 

*)    Hunc  meum.   Vgl.  v.  22.   Talis  iste  meus  Stupor  etc. 
v.  8.    Quendara  municipem  meum. 

21,     1.     Aureli,  pater  esuritionum, 

Nou  horum  modo,  sed  quot  aut  fuerunt  vgl.  24,  2  f. 


240 

Carm. 
Vgl.  49,  2  f.    21,     3.     Ante  aut  post  aliis  erunt  in  annis, 
Paedicare  cupis  etc. 

*)    Esuritiones  ■=.  esuriones,    esuritores  =  Hunger- 
leider. 

— ,  10.     Nunc  ipsum  id  doleo,  quod  esurire 
A  temet  puer  et  sitire  discet. 

22,     1.     Suffenus  iste  etc.     Vgl.  14,'  19. 
— ,     5.     —  nee  sie,  ut  fit,  in  palimpsesto 
Notata:  ehartae  regiae  etc. 

*)    Vid.   Sueton.  Galb.  5:  „notata,   non  perscripta." 

22,  9.     Haec  cum  legis,  tum  bellus  ille  et  urbanus 

Suffenus  unus  caprimulgus  etc. 

— ,12. ,  qui  modo  scurra, 

Aut  si  quid  hoc  retritius,  videbatur, 
Idem  infaceto  est  iufacetior  rure. 

*)    Retrilus  ■=.  (TialivrQißrjg)  =r  politus,  callidus). 

23,  8. —  nihil  tiinetis, 

Non  incendia,  non  graves  ruinas, 
(vemae?)  Non  facta  iinpia  non  dolosa  servi, 

Non  casus  alios  etc. 

*)  Facta  impia  etc.  Vgl.  30,  4.  Dann  64,  192  u.  203. 
„Ihr  fürchtet  nichts  ;  nicht  incendia  —  denn  „non 
est  vobis  ignis"  (v.  2  extr.);  nicht  graves  ruinös,  — 
denn  „nee  eimex  vobis  est  neque  araneus"  (v.  2 
init.) ;  nicht  facta  impia  vel  dolosa  servi  —  denn 
„non  est  vobis  servus"  (v.    1).*' 

23,  22  f.     Quo'd  tu  si  manibus  teras  fricesque, 
Non  unquam  digitum  inquinare  poasis. 


241 

Carm. 

24,  4.     Mallem  divitias  Midae  dedisses 

Isti,  quoi  ueque  servus  etc. 

*)   mide,   dedisses  —  mirferfedisses  —  mi  dedisses. 

25,  5»     Cum  devia  mulier  viros  off'endio  oscitantes. 

*)    Devia   mulier.     Vid.    Horat.   Od.    II,    11,    21. 
Calull.  37,    16  semitarii  moechi. 

— ,  10.     Ne  laneum  latusculum  manusque  molL 
Inusta  turpiter  tibi  flagella  consecillent. 

27.  Sieh  oben  zu  Carm.  9. 

29.  Dieses  Gedicht  soll  nach  Meinung  der  neuem 
Editoren  durchaus  in  reinen  Jamben  (wie 
Carm.  4)  geschrieben  seyn. 

Wir    lassen    die    überlieferten   Spondeen   be- 

■    I  j  .    .  /»  ,    ,  (S.    Gelehrte 

stehen  und  corrigiren  wie  lolgt:  . 

o  o  Anzeigen 

30.  Lachmann    versetzt    (um    vierzeilige    Strophen    1846,  Nr • 131 
zu  bekommen)    2  Verse  von  der  4ten  und  5ten 

Stelle  auf  die  Ute  und  12te,  ans  Ende  des 
Gedichtes^  mit  effenbarem  Unrecht.  —  Man 
schreibe : 

t«  3  ff.  Jam  nie  prodere,  iam  uon  dubitas  fallere,  perfide? 
Nee    facta    impia    fallacum    hominum    caelicolis 

placent, 
Quos  tu   negligis,    ac    me  miserum    deseris    in 

maus; 

E%,  heu!  quid  faciant,  die,  homines,  quoive  ha- 

beaut  fidem '? 
Certe  tute  iubebas  etc. 

— ,  11.  Si  tu  oblitus  es,  at  di  metninere,  at  meminit  Fides, 
Quae  te  ut  poeniteat  postmodo  facti  faciet  tui. 

Abhandlungen  der  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III  Abthl.  31 


212 


Carm. 

31,     2.     — ,  quasciinque  in  liquentibus  st  agnig 

Marique  vasto  ferit  utrinque  Neptnnus , 

Quam  te  libenter  etc. 

— ,    1 1 .     Hoc  munus  unnin  est  pro  laboribus  etc. 
Oder: 
Munus  quod  ununi  est  pro  lab.  etc. 

— ,    13.     Gaudete  vosque,  Li/dii  lacus  undae; 
Ridete  quicquid  est  domi  cachinuorum. 

*)   Lyd.  lac.  undae  =    lacus  Benaci  undae.     Forcelt. 
s.    v.   Lydias, 

36,  9.     Et  hoc  pessima  se  pnella  vidit 

Joco  sed  lepide  vovere  divis. 

37,  9.     —  namqoe  totius  vobis 

(?)  Frontem  tabernae  scorpionibus  figam. 

Puella  namqtte,  quae  e  meo  sinu  fugit, 
Amata  tanturn,  etc. 

— ,  17.     Tu  praeter  omnes,  one  de  capülatis 
Cuuiculosae  Celtiberiae  gnatis, 
Egnati,  opaca  quem 

38,  Als  Schluss  dieses  Gedichtes  sind  liieher  ua. 
versetzen  die  3  Verse  hinter  Carm.  2:  „Tarn 
grafum  est  mihi  etc.  etc." 

— ,     1.         Cornificius   —   poeta.     Vid.  Ovid.    Tristt.  II, 

436. 
— ,     2.     Male'st  mehercule,  et  est  laboriose, 
Et  magis  magis  etc. 

— ,     7.     Paullum  quid  lubet  allocutionis, 
Maestins  lacriuiis  Simouideis, 


213 


Carm. 

38,     9. 


39,  9. 

—  17. 

40,  t. 

41,  l. 

* 

—  7. 


42,     4. 
45,     3. 


46,  10. 
48,  4. 
51,     7. 


Corradin.    de 
Allio. 


Tarn  gratum  est  mihi,  quam  fernnt  puellae 
Pernici  aureolum  fuisse  malum, 
Quod  zonam  sohiit  diu  iigatam. 

Quare  monend*/.?  es  mihi ,  bone  Egnati. 

Nunc  Celtiber  es:  Cehiberia  in  etc. 

Ravide  L.  Invide  D.  Vielleicht  Avite,  oder. . . .? 

Tota  nocte  puella  defututa  cfr.Car'm.43. 

Mane  milia  me  decem  poposcit, 
Ista  turpiculo  etc. 

Non  est  sana  puella,  nee  rogare, 
Qualis  sit,  solet  aes  imaginosum. 

*)  Palladius  (Ed.  Venet.  1500)  führt  als  von  Ber- 
oald.  empfangene  Erklärung  an:  ,,nec  rogare  qua- 
lis sit  solet  haec  imaginosum  i.  e.  speculum."  Der 
Gedanke  getroffen,   das  Wort  nicht. 


—  negat  mihi  vestra  reddituram 
Pugillaria,  si  etc. 

Ni  te  perdite  amo  atque  amore  porro 
Omnes  sum  assidue  paratus  annos 
Quantum  qui  pote  plurimum  perire, 
ISolus  in  Libya  etc. 

Longe  qnos  simul  a  domo  profectos 
Diver sos  variae  viae  reportant. 

Nee  unquam  inde,  reor,  satur  futurus, 
Non  si  densior  etc. 

,  nihil  est  super  mi 


{Magno   amo- 
re alitjiicm  pe- 
rire.   Cfr.   35, 
11   sq. 


31 


244 


Carm. 

51,     8.  Vocis  in  ore, 

So  auch  Doering  zuerst. 
Lingua  sed  torpet,  lenuis  sub  artus 
Klarnina  demanat,  sonitH  suopte 
Tinnitant  aures,  geinina  etc. 

53.  lieber  Calvus  Hede  gegen  Valiums  s.  Aquila 
Roman.  §.  40  mit  der  Note  dazo  von  Rnhnken. 

54.  Die  von  L.  in  3  Absätzchen  gegebeneu  7  Verse 
lassen  sich  füglich  in  ein  Gedicht  verbinden,  etvvaso : 

Othonis  caput  oppido  pusillum, 
Caesar,  et  tua  semilauta  crura 
Stierem  et  leve  peditum  Libonis,. 
Si  nou  omnia  displicere  vellem 
Tibi  et  (Sulpicio?)  seni  recocto. 
Irascere  iterum  meis  iambis 
Imnierentibus,  unice  imperator. 

*)  Sulpicins.  Sueton.  Jul.  29.  50.  Doch  ist  der 
Name,  welcher  in  sufficio  (was  die  Codd.  gewähren) 
liegen  soll,  ganz  ungewiss. 

55.  2.     Demonstres,  ubi  sint  tuae  latebrae. 
— ,     3.     Te  in  campo  quaesivimus  minore,. 

Te  in  circo,  te  in  omnibus  sacellis, 
Te  in  templo  summi  Jovis  sacrato. 

— ,     9.     Has  nt  te  sie  ipse  flagitabam: 

„Camerium  mihi  pessimae  puellae!" 
Quaedam  iuquit,  tunicae  siuurn  reducens: 
„En  hie  in  roseis  latet  papillis." 
Sed  te  (jiiaerere  et  Herculi  labos,  si 
Tanto  te  in  fastu  negas ,  amice. 


245 


Carm. 
55,  15. 


56, 


57, 

60*. 


Non,  Ladas  si  ego  pinnipesve  Persens, 
Non,  si  her us  niveae  citaeque  bigae, 
Non,  custos  si  fingar  ille  Cretnm, 
Non ,  si  Pegaseo  ferar  volatu ; 
Adde  hoc  plomipedes  volatilesque, 
Ventoromqoe  simul  require  corsom: 
Quos  iunctos,  Canieri,  mihi  dicares, 
Defessos  tarnen  omnibos  medollis 
Et  moltis  langoribus  peresos 
Essern  te  mihi  quaeritando,  amice. 
Die  nobis,  tibi  sis  futoros, 
Aodacter  vocemque  crede  luci  etc. 

*)  Von  Ende  v.  14  „ —  negas ,  amice1'  irrte  der 
Abschreiber  auf  amice  am  Ende  des  Verses  24,  und 
Hess  somit  die  10  Verse  (15  —  24)  an  ihrer  Stelle 
weg  und  trug  sie  an  fremdem  Platze  nach. 

5.     Deprendi  modo  pupolom  poellae 

Instantem.     Hüne  ego ,  si  placet  Dionae, 
Protelo  rigida  mea  cecidi. 

7.     Uno  in  lectulo  et  erudituli  ambo. 


,,2Vow,  Ladas 
etc."  bis  „Es- 
sern te  etc." 
aus  58  Ende 
hieher  ge- 
bracht. 


*)  Ward  oben  untergebracht  als  Anfang  des  Carm.  &. 

61,  38.     — ,  agile,  in  modum 

Dicite  „o  Hymenaee  Hymen  etc.'- 

— ,  46-     Quis  deus  magis  a  dns 
Est  petendus  amantibus? 
Quem  colent  homines  magis 
Caelittim?  etc. 

— ,  66.     Nulla  qnit  sine  te  domns 
Liberos  dare,  uec  parens 


246 


Cartn. 

61,  68.     Stirpem  enifier;  at  potest 

Te  volente  etc. 
61,  76.     Claustra  pandite  ianuae; 

Virgo,  ades;  vide  ne  pedes 

Tardet  ingenuus  pudor. 

Quem  tarnen  magis  audiens 
Flet,  quod  ire  necesse  est. 

— ,   101.  Non  tuns  levis  in  mala 

Deditus  vir  adultera 

Porcae  turpia  *)  persequens 

A  tuis  teneris  volet 
Seenbare  papillis, 

Lenta  quin  velut  adsitas 

Vitis  implicat  arbores, 

Implicabitur  in  tunm 

Complexum  etc. 
— ,  111.  0  cubile,  quod  omnibus 

[Rite  deliciis  nites, 

Auro  et  aere  Corinthio  et, 

Qui  placet  magis  omnibus,] 
Candido  pede  lecti : 

Quae  tuo  veuiunt  bero 

Quanta  gaudia,  etc. 
— ,  146.  Seimus  liaec  tibi,  quae  licent 

Soli,  cognita:  sed  marito 

Ista  non  eadem  licent. 

*)   Soli  —  homini,    qui  solus  est,  caelebs  vivit;    Ge- 
gensatz zu  marito. 


")    =  porcam  turpem. 


247 


Carm. 

61,   153.     Ne  petitmn  aliunde  eat. 

— ,  1 56.     En  tibi  donuis  ut  potens 
Et  beata  viri  tui  (est) ; 
Quae  tibi,  sine,  serviat 
(0  Hymen  Hymenaee  io, 
0  Hymen  Hymenaee!) 
Usque  dum  tremulum  movens 
Cana  tempus  anilitas 
Omnia  omnibus  annuit. 
0  Hymen  etc. 

— ,  183.     Jam  cnbile  adeat  viri  (sc.  pnella,  sponsa.    Vid. 
v.  praeced.). 

— ,   186.     Vos,  bonae  senibus  botris 
Cognitae  bene  feminae, 
Collocate  puellnlam. 
0  Hymen  etc. 

— ,  206.     Ule  pulveris  aridi 
Siderurnque  etc. 

*)  Oder:  pulveris  Elici  =  Eiii'i    Horat.  Carrain.   I, 
1,   3:  pulverem   Olympicum. 

— ,  216.     Torquatus,  volo,  parvulus 


Dulce  rideat  ad  pätrera 
Semihiante  labello, 

221.     Sic  suo  similis  patri 

Maulio,  ut  facile  omnibus 
Noscitetur  et  insciis, 
Et  pudicitiam  suae 
Matris  indicet  ore. 


248 


Carm. 

61,  232.     — .   At,  boni 

Coniuges,  Veneria  bonae 
Munere  assidue  valentem 
Exercete  iuventam. 


62.  Hoc  h  z  e  it  g  e  sang. 

I 

I.  Einleitung. 

Jünglinge      —  5  Verse. 
Jungfrauen   —  5       „ 
Jünglinge       —  8        „ 

IL   Wechselgesang. 

1.  Jungfrauen  —     6  Verse. 
Jünglinge  —     6  „ 

2.  Jungfrauen  —     8  „ 
Jünglinge  —     8  „ 

3.  Jungfrauen  —  11  „ 
Jünglinge  —  11  „ 

///.  Schluss. 
Jünglinge       —     8  Verse. 
(Gelehrte  An-  — ^     7,     Nimirum  optatos  ostendit  Noctifer  ignes 
His  certe:  viden'  ut  perniciter  exiluere? 
Nou  lemere  exiluere;  caneut  meuiorabile  quod  sit. 
Hymen  o  Hymenaee  etc.  etc. 

,  12.     Aspicite  innuptas,  quae*)  tota  mente  laborant: 


»eigen       1840. 
Nr.  136—137.) 


")   ut  tota  mente  etc. 


249 

Carm. 

62,  12.     Non     frustra ;     meditantor    entm    quo     vincere 

possint. 
Nos  alio  mentes  etc. 

— ,  20.     Qui  natam  possis  complexu  avellere  malris, 
Complexu  nafae  retineutem  avellere  mafrem, 
Et  iuveni  ardenti  etc. 

— ,  31  ff.     Hesperus  e  nobis,  aequales,  abstulit  unam. 
[Lücke  von  6  Versen  und  des  Schlussverses: 
Hymen  o  Hymenaee,  Hymen  ades  o  Hymenaee]. 

*)    Die    6    ausgefallenen    Verse    müssen    des   Sinnes 
|     gewesen   seyn,   dass  Hesperus  ein  Dieb  sey  u.   dgl. 

Dem  widersprechen  die  Jünglinge  in  der  folgen- 
den Strophe,  deren  erste  2  Verse  fehlen.  Die 
Strophe  könnte  gelautet  haben: 

[Hesperus  immerito  culpatur  crimine  furti, 

Qui  nee  si  cuperet  posset  furarier  unquam;] 

Namque  suo  adventu  vigilat  custodia  semper. 

Nocte  latent  fures,  quos  idein  saepe  revertens,        (maue) 

Hespere,  mutato  comprendis  nomine  Eous. 

At  libet  innuptis  etc.  etc. 

— ,  39  (47  sqq.). 

Ut  flos,  qui  in  septis  secretus  nascitur  hortis, 
Quem  muleent  aurae,  firmat  sol,  educat  imber, 
Ignotus  pecori,  nullo  contusus  aratro, 
{Laetus  se  extoüit,  laetos  exspirat  odores]   — 
Multi  illum  pueri,  multae  optavere  puellae; 
Idein  cum  tenui  carptus  defloruit  ungui, 
Nnlli  illum  pueri,  nullae  optavere  puellae: 

Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  [II.  Abthl.  32 


250 


Carm. 

62,  46.     Sic  virgo  dum  intaota  manet,  dum  cara  suis  est; 
Cum  castum  amisit  polluto  corpore  florem, 
Nee  pueris  iueuuda  manet  nee  cara  puellis. 
Hymen  o  Hymenaee  etc.  etc. 

—    50  (58). 

Ut  vidua  in  nudo  vitis  quae  nascitur  arvo, 
Nunquam    se    extollit ,     nunquam    mitem    edueat 

uv  am, 
Sed  tenerum  prono  deflectens  pondere  corpus 
lam  iam  contingit  summum  radice  flagellum  — 
Hunc  ii u  1  li  agricolae,  nnlli  coluere  iuvenci; 
At  si  forte  eadem  est  ulmo  couiuneta  marito, 
Multi  illam  agricolae,  ntulti  coluere  iuvenci: 
Sic  virgo,   dum  intaeta  manet,    dum  inculta  se- 

nescit; 
Cum  par  connubium  maturo  tempore  adepta  est, 
Cara  viro  magis,  et  minus  est  invisa  parenti. 
Hymen  o  Hymenaee,    Hymen   ades    o   Hy- 
menaee. 


— ,  63  (73). 

Tertia  pars  patri,  pars  est  data  tertia  matri, 
Tertia  sola  tua  est.     Noli  etc. 


63,     1.     Super  alta  vectus  Attis 

Phrygium  nemus tetigit 

*Deveiiitec-  Adiitque .  loca  deae. 

ce  acuio  sibi  Stimulatus  ibi  f.  rabie,  vagus  aiiimi . 

pondrra     si-  r.-.    rr,      ,  ,-J  •••  j  ■••    • 

v     iice.  Lw  Testes  resecatj  aento  sibi  pondere  silicis. 


251 

Co  VW. 

63,     7.     Für  etiam  fast  noth wendig  midier  etc.  (?) 

-  — ,     8.     Niveio  citata  cepit  inanibu'  leve  tympanum, 

Treiniileim  tubam  Cybebes,  tua,  mater,  initia,      Tamquam  tu- 

0.  .  bam  Cybe- 

uatieiKsque  terga  taun  etc.  bes  ctc 

*)    Die   Codd.    haben    durchaus   tympanum    hier    und 
überall,    wo    das  Wort   vorkommt.     S.   Vers.  21,  29, 
32-   in  welchen  tympanum  beibehalten  werden  muss. 
So  auch  Carm.  64,   v.  261  tympana. 

— ,   13.     Simul  ite  Dindymenae  ad  dorninae  vaga  pecora. 

*)     Vgl.    Vers  71.   ,,ubi  cerva  .  .  .    ubi   aper   nemo- 
rivagus." 

— ,  18.     Hilarate  e  toleratis-  erroribus  animum. 

— ,  31.     Furibunda    simul    anhelam    vaga    vadit    animam 

agens. 
— ,  40.     (ubi  So!)  lustravit  aethera  all  um,  etc. 

— ,   4'2.     Ibi  Somims    .  .  .    abiit, 

Trepidante  quem  recepit  dea  Pasithea  sinu. 

—  ,  51.     Ego  quam  misera  relinquens  etc. 

*)    Wie    nachher    v.    54  furibunda    auf    dasselbe    ego 
bezogen.      Und  doch  zu  bedenken,  ob? 

— ,  62.      Quid  enim  ?   genusne  curae  est,   ego   uon   quod 

habuerim, 
Ego  puer  et  ego   adolescens,   ego  ephebus,    et 

ego  vir? 
Ego  gymnasi  et  fori  flos,  ego  eram  decus  olei: 
Mihi  Januae  frequentes  etc. 

— ,  68.     Ego    nunc    deüm    ministra    et    Cybeles    famula 

ferar? 
— ,  74.     Roseis  ut  hie  labellis  sonus  editas  adiit 

32* 


252 


Carm. 

63,  75-     Geminas  f'ores  deornm,  nova  nuntia  referens, 

Ibi  iuncta  jnga  resolvens  etc. 
— ,  78.     Agedum,  inquit,   age  fere,   exi,  face  ot  kat  *) 

hunc  furor, 
Face  ufi  **)  fnroris  ictu  reditum  in  n.  ferat. 

— ,  85.  Ferus  ipse  sese  adhortans  rapidum  incitat  anintum, 
Vadit,  fremit,  refringit  virgulta  etc.  etc. 

— ,  88.  Tenermwqne  vidit  etc.  V.  89.  — -  \\\e  demens  etc. 
Nein!  Die  Göttin  nannte  ihn  als  einen  Mann; 
der  Dichter  behandelt  ihn  als  ein  Weib. 

64,  14.     Verb.:  Emersere  cand.  e  gurgite  Aequor.     Ne- 

reides  monstrum  feri  vultus  (naveni 
primarn  etc.)  admirantes. 
— ,  16.     JUa,  antiquq  illa  viderunt  luce  marinas 
Mortales  oculi  nudato  corpore  nymphas, 
Ventriculum  tenus  extantes  etc. 


— ,  22.     0  nimis  optato  saeclornm  tempore  nati 

Heroes,  salvete,  Deüni  genus,  o  bona  matruni 
[Progenies,  salvete  iteruin,  salvete  heroes]: 
Vos  ego  saepe  nieo  etc. 

— ,  29.     Tene  Thetis  tenuit,  pulcherrima  Nereine? 
Tene  suam  etc. 

*)    So  M.  Haupt  (p.  71   sqq.)- 

— ,  35.     Deseritur  Scyros,  linqunnt  Phthiotica  tecta, 
Cranonisque  doinos  ac  moenia  Lari(s)saea. 
*)    Tecta-,  doinos,  moenia. 


*)   Fac  kat  hunc  f. 
**)   Fac  ut  für.  etc. 


253 


€?ärm. 

64,  55-    Necdnnr  etiam  sese  quae  cernit  cernere  credit, 
Utpote  fallaci  etc. 

— ,  73.     lila  fempestate,  ferox  qua  robore  Theseus 
Egressus  curvis  etc.  etc. 

— ,  99.     Quantos  illa  tulit  lang,  corde  timores, 

Quanto  saepe  inagis  fulgore  expalluit  auri, 
Cum  saevum  cupiens  contra  contendere  monstram 
Aut  mortem  oppeteret  Theseus  aut  praemia  lau~ 

dis! 
Non  ingrata  tarnen  frustra  munuscula  divis 
Promittens  tacito  suceeudit  turn  labello^  {snspen- 

dit  vota  labello): 
Nam  velut  in  summo  etc. 

— ,   105.  Nam  velut  ....   quercum  aut   .  .  .  pinum 

Inäomitum  furben*),  contorquens  flamiue  roburr 
Eruit,  —  illa  procul   radicibu*  exturbata 
Prona  cad\trrameis  leite (jnaeque  obviafrangens  — 
Sic  domito  saevum  prostravit  etc. 

— ,  119.  Quae  misere  ingemuit gnatae  deperdita  liictu,  etc. 

— ,  1 21.  Aut  ut  vecta  rufe**)  (-ti>  spumosa  ad  litora  Diae. 
[Fugerit];  aut  ut  eam,  devinetam  lumiua  somno, 
Liquerit  immemori  discedens  pectore  coniunx? 
Saepe  illam  etc  etc. 

*)  Fugerit  könnte  wegen  der  Aehnlichkeit  mit  LU 
querit  im  Anfange  des  folgenden  Verses  leicht  aus- 
gefallen seyn. 


*)   Indomito  turben  cont.  flamine  robur  Eruit  etc. 
**)    rate.  63,    1. 


251 

Carm. 

64,    124  ff.     Saepe    illam   perliibent   .  .  .   clarisonas   .  . 
fudisse    .  .  .    voces, 
Ae  tum  praeruptos  ausam  conscendere  montes, 
Unde  aciein  in  pelagi  vastos  proteuderet  aestus, 
Tum  tremuli  salis  adversas  proeurrere  in  undas 
Mollia  uudatae  tollentem  tegmina  surae, 
Atqiue  liaec    extremis  maestam  dixisse  querelis 
Frigidulos  udo  singnltus  etc.  etc. 

*)    Saepe    illam  perhibent   .   .   .    fudisse  ,    .   .   .    ausam 
(esse),    .   .   .    dixisse. 

— ,  1  36.     Nullane  res  potuit  crudelis  flectere  mentis 
Cousilium  tibi?     Nulla  fuit  clem.  etc. 

*)    So  beginnen   beide  Fragesätze  mit  nulla  und  be- 
kömmt tibi  nicht  übermässiges  Gewicht. 

— ,   139.     At  non  liaec  quondam   blanda  promissa   dedisti 

XT         rmihi,  nee  ine  hoc  iniseram~| 

Voce  I    expeetare 

|^  non  haec  miserajn 

jubebas, 
Sed  connubia  laeta,  etc.  etc. 

Hem!  iam  etc.  — ,   143.     Hinc  iam  nulla  viro  iuranti  etc. 

— ,  162.     Candida  permuleens  liquidis  vestigia  lymphis 
p  soius       *  Purpurea</w£  tnuiu  consternens  veste  cubile. 

in  creta.  d. — >  174.     Perfidus  in  Creta  religasset  navita  funem! 

— j   178.     Idomeneosne  petam  montes?     Ah    gurgite   lato 
Quin  me  diseemens  truculentum  dividit  aequor! 

— ,  184.     Praeterea  nullo  litus,  nullo  insula  tecto, 
Nee  patet  egressus  etc. 


255 


Varm, 

64,    196.     Quas  ego,   vae  miserae,   ex  imin  proferre  me- 

dullis 
Cogor  inops  etc. 

Cfr.  v.   198. 

— ,  215.     Gnate,  mihi  lange  iocuudior  unice  vita, 
Gnate,  ego  quem  etc. 

— ,  227.     Carbasus  ohscurä  indigetet  ferrugine  Hiberä. 

— ,  237.  — ,      cum      te     reducem     freta     prospera 

sistent. 

— ,  272.  Quae  tarde  primnm  clementi  flamine  pulsae 
Proceduut  lenique  sonant  plangore  cachinni, 
Post  vento  etc. 

— ,  280.     Nam  quoscunque  ferunt  campi,    quos   Thessala 


mag  ms 


Moutibus  ora  creat,  quos  propter  fluminis    tindas 
Aura  parit  flores  tepidi  fecunda  Favoni, 
Hos  indistiuctis  etc.  etc. 

i 

— ,  285.     Confestim  Peneos  adest,  viridautia  Tempe  

Mnemonisin  *)  linquens  doctis  cefebranda  cho- 
reis. 


*)   Ovid    Metam.  V,  268.  280.     Electa  critica.   Scr.  Hob.    Un- 
ger.     Friedland  etc.    1842.    VI  u.   52  S.   gr.  8. 

Unger    schlägt    zu    Catidl.    de    nuptiis    Pelci    et    Thet. 
v.   286   vor: 

Aemonisin  linquens  hilaris  celehranda  choreis 
Non  parcus  etc.  Oder  auch : 

Mnemonisin  linquens  doctis  celebranda  choreis  etc. 
Letzteres   ganz   so,     wie  ich  schon  längst  für  mich  die 
Stelle  corrigirt  habe. 


256 


Carm. 

64,  300.     Unigenamque  simul  cultricem  montium  Abydi. 

— ,  303.     Qui  postquam  niveos  flexeruut  sedibus  artus  etc. 
Cfr.  v.  364. 

— ,  309.     Ambrosio  niveae  residebaut  etc. 

*}    Vülpius. 

— ,  311   ff.     Laeva  coluni  molli  lana  retinebat  amictum, 
Dextera  dum  leviter  deducens  fila  supinis 
Kormabat  digitis,  tum  prono  in  pollice  torquens 
Libratum  tereti  versabat  turbiue  fusum; 
Atque  ita  decerpens  aequabat  semper  opus  deus, 
vt  tanae  Lanea  ut  ariduüs  haererent  morsa  labellis, 

Quae  prius  in  leni  fuerant  extantia  filo: 
Ante  pedes  autein  etc. 

— ,  324.     Emathiae  tutameu  opis,  clarissime  Peleu, 
Accipe,  quod  etc. 

*)  Der  Name  Peleus  scheint  unentbehrlich  ;  von 
dem  künftigen  Sohne  kann  hier  noch  nicht  die 
Rede  seyn      Von  ihm  wird  geweissagt  v.   338  ff. 

— ,  344.     Cum     Phrygiae     Teucro     manabuut     sanguine 

Thebae,  etc. 
Oder: 

Cum  Phrygii  Teucro  maculabunt  sanguine  The- 
ben. (?) 

*)   Das  erste  wohl  das   Richtige. 

Phrygie  .  .  .  Thebe  —  gab  Anlass  zu   schrei- 
ben: Phry^V  —  Theben  (Teuen). 


(S.   Neue  Jahrbb.  für  Philologie  etc.  46.   R.  3.  J.  1846. 
S.  326  g-  E.  u.  S.  327  ob.).     Späterer    Zusatz  Fröhlichs. 


257 


Varm. 

64,  344.  Vid.    Homer.    Iliad.    I,    366    ff.    II,   691. 

VI,  414  ff. 

Ovid.   Metam.   XII,  HO.  XIII,  173.    Plin. 

h.  *i.  V,  32  (Ed.  Bip.). 

64,  353.     Ist  wohl  zwischen  354  nnd  355  ein  Vers  aus- 
gefallen.    Man  könnte  schreiben: 
Nauique  velut  densas  prosternens  cultor  aristas 
Sole  sub  ardenti  flaventia  demetit  arva , 
[Sic  Marte  indomito  Phrygiae  populabitur  arva,] 
Troiugeiiniii  iufesto  prosternens  Corpora  ferro. 

— ;,  361.     Auch  hier   scheint  der  erste  Vers  der  Strophe 
ausgefallen  zu  seyn.     Man  könnte  ungefähr  so 
ergänzen : 
£Testis    erit  data  Priamidae  pro  corpore  mer- 

ces ;] 
Denique   testis  erit  morti   qnoque  reddita  prae- 

da  etc. 

— ,  368.     Atra  Polyx.  mit.  caede  sepulcra. 

— ,  382.     Talia  de  fatis  quondain  felicis  Achillei 

Carraina  divino  cecinerunt  pectore  Parcae. 

— ,  387.     Saepe   pater  divüm  tenipla  illa  in  gente  *)  re- 

visens, 
An uua  cum  festis  venissent  sacra  diebus, 
Couspexit  terra  centuui  procumbere  tauros. 
Saepe  vagus  Liber  etc.  etc. 

— ,  404.     Impia  non   verita  est  divos  scelerare  penates: 


*)   (in  illa  heroum  gente). 
Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak    d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  33 


258 


Carm. 

tU,  405.     Omnia  fanda  nefanda 

Iusstificaui  nobis  meutern  avertere  deoront. 


65.  Die  Lücke  hinter  v.  8  hat  Lachm.   sehr  pas- 

send aus  Vartn.  68  v.  21 — 24  und  92  —  96 
ausgerollt.  Der  siebente  dieser  Verse  „Allo- 
quar  audiero  efc.li  findet  sich  selbst  in  Codd. 
(als:  D.  Paris.,  Riccard.,  Victor,  g,  a,  i  etc.) 
an  seiner  Stelle  in  unserm  Gedichte.  —  Wir 
schlagen  vor  zu  schreiben  : 

Tu  mea  tu  moriens  fregisti  commoda,  frater, 

Tecum  una  tota  est  nostra  sepulta  domus, 
Omnia  tecum  una  perieruut  gaudia  nostra, 

Qnae  tuas  in  vita  dulcis  alebat  amor. 
Hei  inisero  fratri  iocundum  Junten  ademptum. 

Ergo  ego  te  nunquam,    frater   adempte  mihi, 
te  suave  lo-  Alloquar?  audiero  (audibo  ?)  nunquam  tuaverba 

qucn,em  loqnentis? 

Nunquam  ego  te,  vita  frater  amabilior, 
Aspiciam  posthac?  At  certe  semper  etc.  etc. 

*  Wohl  auch  ohne  Frage:     Ergo  ego  te  etc.   allo- 
quar;   audiero  etc. 

Kailima chus'  Elegie  auf  Berenike's  Haar.  Uebersetzt 
von  Hertzberg  etc.  in  Zeitschrift  für  die  Atterth.- 
Wiss.  1847.  Nr.  17.  —  Coma  Berenicae,  das  Gestirn, 
steht  am  Sternenhimmel  so,  dass  an  ihr  Gebiet  süd- 
östlich das  der  Jungfrau  anstösst,  westlich  das  der 
Löwen  (des  grossen  und  des  kleinen).  Im  Osten  vor 
ihr  steht  Bootes  ;  daher,  wenn  sie  untergeht,  sie  dem 
Bootes  vorangeht  (dux  anteßootum),  er  ihr  nachlolgt. 


259 


Carm. 

66.  Mit  dem  vorhergehenden  Gedichte   (65),   als 

Begleitungsschreiben,  schickte  Catullus  das  Ge- 
dicht des  Callimachus  (Battiadae  65,  22)  „Be- 
renikes  Haupthaar",  von  ihm  in  latein.  Versen 
bearbeitet,  seinem  Freunde  Ortalus  (Hortalus 
=:  Q.  Hortensius  Hortalus)  zu. 

— ,  6.  Gyro  devocet  aerio.  Italu  In  D  spat i um  va- 
cuum ;  L.guioclero.  Iu  gnioclero  (guiociero  ?)  liegen 
wahrscheinlich  zw««' Wörter:  guio  (  —  gyro)  und 
circo  (circulo),  welches  als  Erklärung  des  er- 
stem Wortes  beigeschriebeu  seyn  mochte. 

— ,     7  ff.     Idem  me  ille  Conon  coelesti  in  limine  vidit 
E  Bereniceo  vertice  caesariem 
Fulgentem  clare,  quam  cuivi.s  illa  Deorum  etc. 

*  Vergl.  v.  33.  cnnctis    .  .  .    divis. 

— ,  1  i.     Qua  rex  tempestate  novo  abdttctus  hymenaeo 
Vastatom  fiuis  iverat  etc. 


Coningium,  quo  non 


— ,  27.     Anne  bonum  oblita  es   facinus,   quo   regis   ade- 

pia  es 

fortior  est  alius? 

f'ortior  auf  similis? 
— ,  30.     — ,  ut  tersti  lumina  etc.  (tersisti). 

— ,  35.     Si  reditum  tetulisset    Is  haut  ita  tempore  longo 
Captam  Asiam  etc.  etc. 

— ,  42  ff.     Sed  qiiis  se  ferro  postulet  esse  parem? 

Ille  quoque  eversus  mons    est,    quem  maximum 

in  oris 

33* 


260 

Carm. 
piin.  h.  n.  x,  ßß    44^  Emathiae  Proqne  rara  supervehitur, 

34:  nbeunt  et  lii-  '  *'  ~ 

run<iine»   hibe™.  Cum   Medi  reperere   novum    mare,    caniqae    iu— 

meiisibns     .... 

teil       i.i       vicinn  VPlltllS 

nbeunt  ete.    The-  # 

b«r  teota  nubire  Per  iitccliiint  classi  barbara  navit  Athon. 

negantur     .... 

.»ec    Bi/.j«e    ,„  __-•  4g,     Jnppiterr  ut  Zelitüm  omne  geuns  etc. 

Th/acia         propter 

*"*"'  T""-      — ,  50.     —  ac  ferri  e/fringere  duritiem. 

— r  55.     Isque  per  aetherias  me  tollens  abnehif  umbras 
Et  Veaeris  casto  etc. 

— y  59.     Hie  efenim,  vario  ne  sola  in  limine  coeli 
Ex  Ariadneis  aurea  temporibus 

Fixa  Corona  foret,  sed  nos  qnoque  fulgeremus, 
Devotae  flavi  verticis  exuviae, 

Uvidulum  a  fluetu  ascendens  ad  templa  deüm  me 
Sidus  in  antiquis  Diva  novum  posuit. 

— ,  65  ff.  Heren.   Haupthaar    steht   zwischen    Löwen 

(westl.)  und  Jungfrau  (östl.  von  ihr);  et- 
was östlicher  als  sie  Bootes.  Der  grosse 
Bär  (Callistö)  in  fast  gerader  Linie  gegen 
den  Nordpol  über  ihr. 

— ,  66.     — ,  Callistö  iuneta  Lycaoniöe.     ltali. 

— ,  76.  Nach  discrucior  bloss  ein  Comma! 

— ,  77.     Quicum  ego,   dum    virgo  quondam  fuit,   omuibus 

explefa 
Unguenfis,  una  milia  multa  bibi. 
Nunc  vos,  optato  quas  iunxit  lumine  taeda. 

Non  prius  unauimis  corpora  coniugibus 
Tiadite  nudantes  reieeta  veste  papillas, 
Quam  iueuuda  mihi  munera  übet  onyx, 


26  t 


Carm. 

66,  83.     Vester  onyx,  citstoditis  quae  iura  cubili; 

Sed  quae  se  impuro  dedit  adulterio, 
Illius  ah  mala  dona  etc. 

— r  89.     Tu  vero,  regina,  tuens  cum  sidera  divam 
Placabis  festis  luminibus  Veneren», 
Sanguinis  expertem,  nou  astris  assiduam  nie, 

Sed  potius  largis  effice  muneribus, 
(Sidera  cur  rident?)  *)  herum  ut  coma  regia  fiam,. 

Proxinms  Heniocho  **)  fulguret  Oarion! 

*  Heniocho  =  Fuhrmann  u.  Capeila  etc.,  südlich 
oberhalb   Orion,  zwischen   Taurus  und  Gemini. 

Hydrochoos  (A'quarius)  und  Orion  stehen  weit 
auseinander;  denn  Aqttarius  ist  das  vorletzte  von 
den  W'm/erzeichen  in  der  Ekliptik.  Der  Orion 
aber  steht  nahe  dem  Zeichen  der  Gemini,  dem 
3ten  Frühlingszeichen  in  der  Ekliptik.  Diese  2 
Gestirne  {Aquarius  und  Orion)  kann  somit  Catullus 
nicht  als  benachbarte  bezeichnet  haben! 

Dagegen  wohl  hat  Orion  nördlich  über  sich  den 
Fuhrmann,  Auriga,  Heniochos ■  (fjvioxog,  rjVioX£i>S)> 
so  dass  Catullus  geschrieben  haben  konnte:  „Pro- 
ximus  Heniocho  (Heniochei)  fulgeret  Oarion!' ' 

67.  Handelt  von  Caecilius  Baibus,  Vater  und  Sohn. 
Jenen  nennt  Catullus  mit  dem  cognomeu  Bal- 
oüs\  diesen  mit  dem  nom.  gentilic.  Caecilius. 

— ,     5.     Quainqne  ferunt  rursns  nato  servisse  maligne,. 
Postquaut  est  porrecto  fäctu   maritti    sene. 


* 


)  —  iter.  ut  coma  regia  fiam,  Proximus  Hydrochoi  fulgor  et 
Orionis  (-onum)  i.   e.  fulgor,  proximus-    H<    et  Or.  fulgori. 
>  'YÖQnxosl  ■=.  Hydrochao, 


262 


Cartn. 

67,     7.     Die,  age,  die  nobis,  quare  etc. 

— ,  12.     Verum  istvc  populi  insania,  Quinte,  facit, 
Qui,  quaeunque  aliquid  reperitur  etc. 

— ,  23.     Sed  pater  illius  generi  violasse  cubile 
Dicitur  et  mis.  etc. 

— ,  25.     Sive  quod  impia  mens  caeco  flagrabat  amore, 
Seu  quod  vir,  sterili  semine  natus,  iners 
Et  quaerenf/wm  erat,  unde  foret  etc.  etc. 

cat.    — ,  29.     „Egregium  narras,  mira  pietate  parentem, 

Qui  ipse  suae  gnatae  minxerit  iu  gremium! 

Atqui   hoc  non  solum  est,    quod  dicit   cogoitnm 

habere 

Brixia 

Brixia,  Veronae  mater  amata  meae ; 

Sed  de  Postnmio  et  Corneli  narrat  amore"  — 
Jan  .  .  .  „Cum  quibus  illa  mal  um  fecit  adulterium." 

— ,  43.     — ,   utpote    quae   mi  Speraret  nee  linguam  esse 

nee  auriculam. 

68-  Dieses   Gedicht    ist  unsers    Dafürhaltens   aus 

zwei    verschiedenen    Gedichten    zusammenge- 
setzt: 

1 .  Das  erste  (v.  1  —  40)  Antwortschreiben 
des  Dichters  an  einen  Freund  Manlius 
(vielleicht  denselben,  welchem  Catullus 
ein  Hochzeit- Gedicht  verfasst  hatte 
[Carm.  61]). 

2.  Das  andere  (v.  41 — 160),  gerichtet 
an  Manius  Allius,  ein  poetisches  Denk- 


263 

Carm. 

68.  mal    zum    Danke    für    viele     and    grosse 

Freundschaftsdienste,  welche  Freund  Al- 
lius  dem  Dichter  und  seiner  Geliebten  Les- 
bia  erwiesen  hatte. 

68,  19.     Sed  tot  um  hoc  Studium  luctu  fraterna  mihi  mors  •• 

Abstulit.     0  misero  frater  adempte  mihi. 

— ,  — .     Cuius  ego  iuteritu  tota  de  mente  fugavi 
Haec  stndia  atque  omnis  delicias  animi. 

*  Die  4  Verse  (21  —  24  vulg.):  „IV*  mea  tu  mo- 
riens  etc."  gehören  nicht  hieher  ,  wie  der  Zu- 
sammenhang zeigt,  sondern  in  Carm.  65  an  Orta- 
lus,   wohin  wir  sie  mit  Lachmann   versetzt  haben. 

— ,  27.     Quare  quod  scribis:  „Verouae  turpe  Catullo  est 
Esse,  (ftioad  quisquis  de  meJiore  nota 
Frigida  deserto  tepef'axit  membra  cubili", 

Id,  Manli,  non  est  turpe,  magis  miserum  est. 

— ,  34  ff.  Catullus,  welcher  sonst  gewöhnlich  zu  Rom 
lebte,  hielt  sich  jetzt  in  Verona  auf,  wo  er 
seine  Bücher  und  Schriften  nicht  bei  sich 
hatte. 

— ,  39.     Quod   tibi   non   utriusque   peteuti    copia  praesto 

est; 
Ultro  ego  deferrem,  copia  si  qua  foret. 


-,  41   ff.     (Versetzung  einiger  Verse):  «. 


Ad   HI  an  nun 
Atliurn. 


Non  possum  reticere,  deae,  qua  me  Allius  in  re 

Juverit  aut  quantis  iuverit  officiis; 
Sed  dicam  vobis,  vos  porro  dicite  multis  (vulg. 45 et 46.) 

Millibus  et  facite  haec  Charta  loquatur  anus, 


264 

Vorm. 

(vulg.  43  et  44.)  68,    45. 
(vulg.49et50.) 

(Vulg  v.  151.) 

(vulg.   48 


ljachm) 


52. 


— ,  55. 


Ne  fugiens  saeclis  obliviscenfibus  aetas 
Illins  hoc  caeca  nocte  tegat  Studium, 

Nee  tenuem  texens  sublimis  aranea  telam 
In  deserto  Alli  limine  opus  faciat, 

Sed  scabra  iniactum  servet  rubigine  «omen, 
Notescatque  magis  mortnus  atque  magis. 

Nam  mihi  quam  dederit  etc. 

— ,  et  in  quo  nie  torrnerit*')  genere, 
Cum  tantum  arderem  etc.  etc. 

Nach  „imbre  madere  genae"  ist  ein  Schlusspunkt 
zu  setzen! 


-,  57  ff.  Qualis  in  aerii  perlucens  vertice  montis 

Rivus  muscoso  prosilit  e  lapide,  — 
Qui  cum  de  prona  praeeeps  est  valle  volutus, 

Per  medium  densi  transit  iter  scopuli, 
Dulce  viatori  lasso  in  sudore  levamen, 

Cum  gravis  exustos  aestus  hiulcat  agros^  — 
Vel  qualis  nigro  iaefatis  turbine  nantis 

Lenius  aspirans  aura  seeunda  venit 
Jam  face  Pollucis  iam  Castorfs  implorata$ 

Tale  fuit  nobis  Mauius  auxilium. 
Is  clausuni  lato  patefecit  limite  campum, 

Isque  domum  nobis  atque  dedit  -dominae^ 
Ad  quam  commune«  exerceremus  amores. 

*  Is  mihi  et  dominae  (pueliae)  raeae  domum  de- 
dit, ad  quam  (in  qua  domo)  communes  amores 
(ego  et  domina  mea)  exerceremus. 


*)   100,  7. 


265 


Carm. 

68,  75.     Incepfo  frustra,  nondum  cum  etc. 

*  Amore  frustra  incepto  etc.     Ciris  327. 

— ,  85.     Quod   seibaut   Parcae  haut   lortgnm  fore,   Pro- 
test laus 
Si  miles  in  uro»  isset  ad  Iliacos. 

— ,  90.         Troia  viruui  et  virtutum  omnium  acerba  cinis, 
Queis  veluti  nostro  letum  miserabile  fratri 

Attnlit.     Hei  misero  frater  adempte  mihi! 
Quem  nunc  tarn  longe  non  inter  etc. 

*  Die  4  Verse  93  —  96,  nicht  hieher  gehörig,  ha- 
ben wir  ausgeworfen ,  als  nachte  Wiederholung 
aus  Carm.   65.      S.   zu  Carm.   68,   19. 

— ,   101.     Ad  quam   tum  properaus  fertur  caneta  uudique 

pubes 
Graeca  penetralis  deseruisse  focos, 
Ne  Paris  etc.  etc. 

— ,  117.     Sed  tuus  *)  ardor  amore  adeo  fuit  qc'rivr  illo, 
Qui    divum    indomitum  **)    ferre   iugum   do- 

cuit. 

— ,   128.     Quam  quae  praeeipue  multivola  est  mulier.  vossfus. 

— ,  131.     Aut  nihil  aut  paulo  cui  tum  concedere  digna 

Lux  mea  se  nostrum  contulit  in  gremium  etc. 

*  Damit  kehrt  der  Dichter  von  der  Digression 
zu  seinem  Thema  zurück,  d.  h.  zur  Fortsetzung 
dessen,  was  er  oben  v.  70  ff.  begonnen  hatte. 


*)    Laodain, 
**)    Hercidem. 
Abhandlungen  d.  I.  Cl.  d.  k.  Ak.  d  Wiss.  V.  Bd.  III.  Abthl.  34 


2ÜÖ 


Carm. 

68,  135  ff.     Sind,  wenn  man  einiges  umstellt,  alle  Verse 
zu  erhalten,  etwa  so: 

Quae  tamenetsi  uno  non  est  contenta  Catollo, 

Rara  verecundae  furta  feremus  herae,  — 
Ut,    siquidem   divis   homines    componier   aequnm 

est, 

Saepe  etiain  Juno,  maxima  coelicolum, 
Coniugis  in  culpa  flagrantem  concoquit  iram, 

Noscens  omnivoli  plurima  furta  Jovis  — 
Ne  nimium  simus  stultorum  more  molesti: 

,,Ingratum  tremuli  tolle  parentis  onus!" 

— ,   143.     Non  etenim  illa  mihi  dextra  dedncta  paterna 
Flagrantem  Assyrio  veuit  odore  domum, 
Sed  furtiva  dedit  mi  Iro  munuscula,  nocte 
Ipsius  ex  ipso  dempta  viri  gremio. 

— ,  149.     Hoc  tibi  quo  potui  confectnm  carmine  munus 
Pro  multis,  Alli,  redditur  officiis.  *) 
Huc  addent  divi  quam  plurima,  etc. 

— ,   156.         Et  domus,  ipse  in  qua  lusimus  et  domina, 
Et  qui  principio  vobis  me  tradidit,  auclore 

A  quo  sunt  primo  mi  omuia  nata  bona, 
Et    longe    ante    omnes    mihi    quae    me    carior 

ipso  est, 
Lux  mea,  qua  viva  vivere  dulce  mihi  est. 


*)    V.  151,    152  hier  weggelassen,  der  erste   versetzt,  der  an- 


dere ganz   verworfen. 


267 

Carm . 

ßg,  *   (Vielleicht  Manlius  Torquatos ,    an    welchen   die 

vorhergehende  Epistola  gerichtet  ist?  So  wäre  diese 
Elegie  über  Allius  etc.  mit  jener  Epistola  geschickt 
worden  an  Manlius.)  Etwa  wie  das  Carmen  Bere- 
nic.    com.    mit    einem   Schreiben  an  Hortalus. 

69,  9  f.    Quare  aut  crudelem  nasorum  interfice  pestem, 
Aut  admirari  desine,  cum  fugiunt. 

71,  1   ff.     Si    quoi   (cui)    iure   Bonae    sacratorum    officit   Vgl.  102,  3. 

hircus, 
Aul  si  quem  merito  tarda  podagra  secat, 

Aemulus  iste  tuus, 

Miriftco  V£  fato  *)  »actus  utrumque  malum. 

*  Jure  Bonae  ( ■=.  bonae  deae ,  Veneris)  sacrati 
sind  wohl  Ehebrecher,  Menschen,  welche  in  das 
Heiligthum  der  bona  dea  sich  eindrängen  oder 
einschleichen  ,  wie  z.  B.  Clodius  dergl.     ? 

73,  3  f.    Omnia  suut  ingrata;  nihil  fecisse  benigne 

Prodesf,  immo  etiam  laedit  obestque  magis, 
Ut  mihi ,  quem  nemo  etc.  etc. 

74,  3.     —  — ,    patrui   perdepsuit   ipsani 

Uxorem,  ut  patruum  redderet  Harpocratem. 

75,  — •     Muss   (gegen  Lachmaim  und  ScaligerJ    an   sei- 

ner   Stelle    und    ein     eigenes    kleines     Gedicht 
bleiben. 

Huc  est  mens  dedncta  tua  mea,  Lesbia,  culpa, 

Atque  ita  se  officio  perdidit  ipsa  suo, 
Ut  iam  nee  bene  velle  queat  tibi,  etc.  etc. 

Vgl.   Carm.   72   u.    Carm.  85. 

*)    So  auch  G.  Hermann. 

34* 


208 


Vulg    87. 
v.   1. 


Carm. 

76.  Dieses  Gedicht,  vom  Anfang  herein  mangelhaft, 

kann  und  muss  durch  Voranstellung  der  4  Verse, 
welche  vulg.  als  Gedicht  87  (von  Scaliger  mit 
den  vorhergehenden  4  Versen  [Carm.  75]  ver- 
bunden) erscheinen,  vervollständigt  werden,  so: 

Nulla  potest  mulier   tantum  se  dicere  amatam 

2.  Vere,  quantum  a  me  Lesbia  amata  mea  est. 

3.  Nulla  fides  ullo  fnit  unquam  in  foedere  tanta. 

4.  Quanta    in    amore    meo    ex    parte    reperta 

mea  est. 

— ,     1.     Siqua  recordanti  benefacta  priora  voluptas 
Est  homini  etc. 

— ,     5.     Multa,  Catulle,  manent  te  in  longa  aetate,  parata 
Ex  hoc  ingrato  gaudia  amore  tibi. 
Nam  quaecunque  homines  etc.  etc. 

— ,   11.     Quin    te  animo  offirmas  tuaque  istinc  teque  re- 

dacis? 

— ,  19  ff.     Me  miserum  aspicite  et,   si  vi  tarn  puriter  egi, 
Eripite  haue  pestem  perniciemque  mihi, 
Quae  mihi,  surrepens  imos  ut  torpor  in  artus, 
Expuiit  ex  omni  pectore  laetitias. 

*  Da  vorher  gieng  „peiniciem^Me  mihi",  hielt  ein 
Abschreiber  das  folgende  ,,que  (quae)  mihi"  für 
blosse  Wiederholung  etc.  etc.     ? 

77.  Mit  den  3  Distichen  „Rufe,   mihi  frustra  etc." 

sind,  wie  (nach  Scaliger)  Lachmaun  richtig  ge- 
than  hat,  die  2  audern  Disticha  „Sed  nunc  id 
dolen  etc."  (Carm.  78,  7 — 10)  in  ein  Gedicht 
zu  verbinden. 


269 


Vorm. 

78.  Die  3  Disticha  „Gallns  habet  fratres  etc.",  ein 
für  sich  ganz  gut  abgeschlossenes  Gedichtlein, 
verschmähen  das  Anhängsel  der  3  Disticha 
„Sed  nunc  id  doleo  etc." ,  welche  darum  hievon 
getrennt  und  dahin,  wohin  sie  passen,  gestellt 
worden  sind,  an  das  Ende  des  Carm.  77. 

79,  3.     Sed   tarnen   hunc   pnlchrum    vendet    cum    gente 

Catullus, 
Si  tria  Fatorum  snavia  reppererit. 

83,  1  f.  Lesbia  mi  praesente  viro  mala  plurima  dicit: 

Haec  illi  fatuo  maxima  laetitia  est. 

— ,     6.     Irata  est,  hoc  est,  uritur  et  coquitnr. 

84,  1  ff. 

Chommoda  dicebat,  si  qnando  commoda  vellet 

Dicere,  hinsidias  Arriu\  si  insidias, 
Et  tum  mirifice  etc. 

— t     5.     Creao,  sie  mater,  matertera,  avunculus  eiusy 
Sic  materuus  avus  dixerat  atque  avia. 

*     Die  ganze  mütterliche  Sippschaft: 
Mater 
matertera     —     avunculus 
(mat.)  avia     —     matern.  avus. 

87-  Die  2  Disticha  „Nulla  potest  mulier  etc.",  vnlg. 

als    Carm.    87    aufgeführt,    haben    wir   an   den 
Anfang  des  Carm.  76  versetzt. 

91,     3«     Quod  te  cognossem  bene  comtanterque  putare 
Aut  posse  a  turpi  meutern  inhibere  probror 
Sed  quod  nee  mattem  uec  german.  etc. 


270 


Varrn. 

91,  5-  *     »>Sed   qnod   nee   m.",    wie    ich   sehe,    schon    Ed. 

Bipont. 

92,  3-     Quo   signo  ?     Quia   sentio  idetn :   nam  depreoor 

illam 
Assidue;  verum  dispeream  nisi  amo. 
95,     3.     Millia  cum  interea  ter  quinque   Tanusius  uno 
[Versiculorum  anno  quolibet  ediderit;j 
Smyrna   tarnen  *")   Satrachi    penitus    mittetur   ad 

undas, 
Smyrnam  cana  diu  saecula  pervoluent. 
At  Volusi  annale*  Padoam  morientur  ad  ipsam 
Et  laxas  scombris  etc.  etc. 

*  Der  von  Catullus  hier  (und  Carm.  36)  verhöhnte 
Annalendichter  hiess  wohl  mit  vollem  Namen 
Tanusius  Volusius.  M.  s.Senec.  epist  93.  Hortensius 
auf  jeden  Fall  hier  durchaus  nicht  an  seinem  Orte! 
Satrachus  und  Padoa  (Padua)  —  Flussnamen. 
S.  Haupt,  pag    98. 

— ,     9  f.  Parva    mei    mihi    sint    (sunt)     cordi   monumenta 

[sodalis]  : 
At  populus  tumido  gaudeat  Antimacho. 
So  mögen  diese  2  Verse  (mit  Avant.  Aid.  1502) 
geschrieben  werden,   wenn   sie    mit  den  8  vor- 
hergehenden Versen  „Smyrna  mei  etc."  ein  Ge- 
dicht ausmachen. 

Sie    könnten    indess    auch   für   sich  allein  ein 
Gedichtchen     seyn,    z.  B.    von    einem   Freunde 


*)  Vgl.  v»  6-  cana,  welches  wohl  zu  caua   (s)  Anlass  gab. 
Oder:   (?) 
Smyrna  peregrinas  Satrachi   mittetur  etc. 


271 


Carm. 

95.  (Cinna  oder  einem  ändert))  auf  die  kleinen  aber 

werthvollen  Gedichtlein    unsers  Dichters   Catul- 

lus.     Z.  B.  so: 

Parva  niei  mihi  sint  cordi  monumenta  Vatiilli: 
At  populus  tumido  gaud.  Antim. 


97,     1.     Non,   ita   me  Dii   ament,   quicquam   referre  pu- 

tavi, 
Utrunme  os  an  culum  olfacerem  Aemilio. 
Nil   immnndius   hoc    (culo),    nihiloque   est  mun- 

dius  illnd  (os); 
Verum  etiam  culus  mundior  et  melior; 
Nam  sine  deutibus  est.    Os  dentis  sesquip.  etc. 

An  Vers  8  dieses  Gedichtes  „Meientis  mu- 
lae  etc."  schliesst  man  wohl  mit  Recht  zu 
einem  Gedichte  die  folgenden  4  Verse  an: 

— ,     9  —  12. 

Hie    (Aemilius)    futuit  multas    et   se   facit    esse 

veuustdm, 
Et  non  pistriuo  traditur  etc.? 
etc. 

99,  7.     Nam  simul  id  factum  est,  multis  diluta  labella 

Gnttis  abstersisti  omnibns  articulis, 
Ne  quicquam  etc. 

100.  Caelius  hatte  zum  Lieblinge  den  Anfilenus, 
Qiiintius  'luv  Geliebten  die  Aitfiletia;  Aufdenus 
aber  und  Aufilena  waren  Geschwister  (frater 
et  soror  v.  3). 


272 

Carm. 

100,  5-     — ?     Caeli,  tibi:    nam  tua  nobis 

Perspecta  est  signis  nnica  amicitia, 
Cum  vesana  meas  torreret  flamma  etc. 

101,  \.     Multas  per  gentes  et  multa  per  aequora  vectas 

Adverti,  ah!   miseras,  frater,  ad  inferias, 
Ut  te  postremo  etc. 

— ,     6.     Heu,  misero  indigne  frater  adernpte  mihi. 

*   Vgl.  68,  20  und  68,  92. 

102,  1   ff.     Durch    Versumstellung  etc.  zu  berichtigen: 

Si  quicquam  taciti  commissum  est  fido  ab  amico, 
Corueli,    factum  me  esse  pula  Harpocratem; 

Meque  esse  invenies  illorum  iure  sacratum, 
Quorum  sit  penitus  nota  fides  aninü. 

104,     3  f.  Non  potui,  nee,  si  possem,  tarn  perdite   amarem 
(cuncta potens)  Sed  tu  cunclipotens  omnJa  monstra  facis. 

D.  c.  potes. 

106.  Vielleicht?: 

Cum  puero  bello  praeconem  qui  videt,  ipsum  *) 
Quid  credat  nisi  se  vendere  discupere? 

107.  Si ,    quicquid    qnoiquam    cupide    optanti   obtigit 

uuquam 
Insperanti,  hoc  est  gratum  animo  proprie, 

Vere  hoc  est  gratum  nobis,  hoc  carius  auro, 
Quod  te  restituis,  Iyesbia,  mi  cupido. 

Restituis   cupido  insperanti   atque  ipsa  refers  te 
Nobis.     O  lucem  candidiore  nota! 


*)   DL.  ipse.   Margo  L  esse. 


273 


Carnt. 

107,  7.     Quis  me  uno  vivet  ~I  „  ,.  . 

I  lelicior,  aut  magis  annos 
Quis  vivet  nie  uno  _| 

Opiandos  vitae  dicere  quis  poterit'? 

108,  *)   Si  populi    arbitrio,    Comini,    tua    caua    se- 

nectus, 
Spurcata  impuris  moribus,  intereat, 
Non  equidem  dubito  etc. 

*  L  popula/Y  ß/bitrio  —  geworden   aus  populi  ar- 
bitrio. 
Comini  —    Vocat.  von  Cominius. 
tua  (vor  cana)  nach  DL  beizubehalten! 

109,  1.     Jucunduin,  mea  vita,  mihi  proponis,  amorem 

Nunc  nostrum  aeternum  perpetuurnque  fore. 
Di  magui,  etc.  etc. 

110,  1   ff.     Aufilena,  bonae  seinper  laudantur  amicae, 

Quae  facere  instituunt,  cum  accipiunt  pretiuni. 
Tu  quod  promisti  mihi  sed  mentita  inimica  esr 
Quod  non  das  sed  fers,  turpe  facis  facinus. 
Aut  facere  ingenuae  est,    aut  non  promisse  pu- 

dicae, 
Aufilena,  fuit:  sed  data  corripere 
Fiaudando  dantem  plus  quam  meretricis  avarae 

(est) , 
Quae  sese  toto  corpore  prostituit. 

111,  1.     Aufilena,  viro  contentam  vivere  solo, 

Laus  est  nuptarum  e  laudibus  eximiis. 


*)    Si.   Comini,  populi  arbitrio  etc. 
Abhandlungen  der  I   Cl.  d.  h.  Ak.  d.  Wiss.  V.  Bd.  III.  AbtW.  35 


27  1 


Carm. 

111,  4.     Quam  matrem  fratres  ex  patruo  parere.*) 

112,  1   f.     Mullos  homo,  Naso,  tecum  est',  e/inultus  homo 

a  te 
Descendit:  Naso,  muldis  es  et  pathicos. 

113,  Console    Pooipeio   primum   —    doo,    Cinna  **), 

fuerunt 
Moechi;  illo  facto  console  nunc  iteruni  — 
Manserunt  duo,  sed  creverunt  oiillia  numüm, 
Singula  fecunduin  seinen  adulterio. 

114,  i.     Firmanus  saltus  non  falso,  Mentula,  dives 

Fertur,  qni  tot  res  etc. 

— r,     5.     Quare  concedo,    sis  dives,   dum  omuia  desint; 
Saltuni  laudemus,  dummodo  tu  ipse  egeas. 

1 1  5.  Ein  Gespräch  zwischen  zwei  Menschen,  deren 

einer  den  Mentula  als  einen  in  der  That  ar- 
men Mann  darstellen  und  verspotten  will,  in- 
des« der  andere  ihn  (scheinbar)  als  reichen 
Mann  über  den  Crösus  stellt  etc. 

A.  — •  Mentula  habet  sterilis  triginfa  iugera  prati, 

Quadraginta  aivi:  cetera  sunt  paria. 

B.  — .  Cur  non  divitiis  Croesum  superare  potis  sit, 

Uno  qui  in  saltu  totmoda  possideat, 
Prata,  arva,  ingentes  silvas  altasque  paludes 
Usque  ad  Hvperboreos  et  mare  ad  Oceauuin? 


*)    So  Doeriny. 
**)    Solebant  Moec/mri ;  illo  nunc  cons.   facto  iterum  Doering. 


275 

Carm. 

115,  7.     A. — .     Oinnia  magna  liaec  sunt;  tarnen  ipse  est 

maximus  inter 
[Oinnia] ,    non    homo,    sed    mentula    magna 

minax. 

115-  Würde   am  besten   in  Ordnung  gebracht    wer-    (Nachtrag). 

den,  wenn  man  für  instar  (inster)  ein  Zahl- 
wort, wie  decies,  vieles,  ...  centies  etc.  setzen 
könnte,  welches  dem  Sinne,  welcher  eine  hohe 
Zahl  fordert ,  und  dem  Metrum  gleich  gut  ge- 
nügte.    Decies  ist  zu  wenig. 

— .  Wahrscheinlich    das    Rechte    treffend    schreibt 

man: 

Mentula  iugerum  habet  triginta  millia  prati, 
Quadraginta  arvi;  caetera  sunt  paria. 


116,     1  ff. 

Saepe  tibi  studioso  animo  venata  requirens 

Carmina  nti  possem  niittere   Battiadae, 
Ouis  te  lenirem,  ne  conarere  maligna 

Telis  infestis  mi  teere  musca  caput, 
Hunc  mihi    nunc  video    frustra    sumptum   esse 

laborem, 

Gelli,  nee  nostras  huc  valuisse  preees. 
Esto:  nos  tela  ista  tua  evitamus  amictu; 

Sed  fixus  nostris  tu  dabi'  supplicium. 


35 


n 


tinwima  ötCT,  JUN  8     196/ 


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182  Munich.     Philosophisch-Histo- 

M3175       rische  Abteilungen 
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