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ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH - PHILOLOGISCHEN CLASSE
DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.
EINUNDZWANZIGSTER BAND.
IN DER REIHE DER DENKSCHRIFTEN DER LXX. BAND.
MÜNCHEN 1901.
VERLAG DER K. AKADEMIE
IN KOMMISSION DES G. FRANZ'SCHEN VERLAGS (J. ROTH).
As ,
AKADEMISCHE BUCHDRUCKEREI VON F. STRAUB IN MÜNCHEN.
Inhalt des XXI. Bandes."
I. Abtheilung (1897). Seite
Geschichte des Consonanzbegriffes. Erster Teil. Von Carl Stumpf 1
Die Körpertheile, ihre Bedeutung und Namen im Altägyptischen. Von Georg Ebers 79
II. Abtheilung (1898—1899).
Etymologie des Singhalesischen. Von Wilhelm Geiger 175
Griechische Originalstatuen in Venedig. Von Adolf Furtwängler. (Mit 7 Tafeln und
mehreren Textbildern) 275
Der Textus ornatior 'der Sukasaptati. Kritisch herausgegeben von Richard Schmidt 317
Die Lebensbeschreibung von Padma Sambhava, dem Begründer des Lamaismus
747 n. Chr. I. Teil: Die Vorgeschichte, enthaltend die Herkunft und Familie
des Buddha Cakyamuni. Aus dem Tibetischen übersetzt von Emil Schlagintweit.
(Mit einer Textbeilage) 417
III. Abtheilung (1899—1901).
Die rhetorischen Kunstausdrücke in Notkers Werken. Von Johann Kelle .... 445
Philologische Studien zu Clemens Alexandrinus. Von W. Christ 455
Ungedruckte und ungenügend veröffentlichte Texte der Notitiae episcopatuum, ein
Beitrag zur byzantinischen Kirchen- und Verwaltungsgeschichte. Von Heinrich
Geher 529
Die vorgeschichtlichen Denkmäler von Malta. Von Albert Mayr. (Mit 12 Tafeln
und 7 Plänen) 643
GESCHICHTE
DES
CONSONANZBEGRIFFES.
Erster Teil.
Von
Carl Stumpf.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abtli.
Die vorliegende Untersuchung wurde in erster Linie nicht aus historischem
sondern aus sachlichem Interesse unternommen, zu welchem das historische
sich freilich bald gesellte. Man ist heute, nachdem Helmholtz' Erklärung der
Consonanz mehr als zweifelhaft geworden, mit der alten Frage aufs Neue
beschäftigt. Ein Merkmal scheint Eingang zu finden, das der Verfasser, ohne
noch etwas von den altgriechischen Theorien zu wissen, bei langjähriger Ver-
tiefung in die Erscheinungen des Tongebietes als wesentlich zu erkennen glaubte,
nämlich die Unterschiede in den „Verschmelzungsstufen" oder in der Einheit-
lichkeit des Eindrucks beim Zusammenklang der Töne. Da ist es nun lehr-
reich zu sehen, wie die scharfe Beobachtungsgabe der Griechen dieses Merkmal
der sinnlichen Erscheinung bereits erfasst und wie die alten Schriftsteller es
mit immer grösserer Uebereinstimmung zur Definition verwendet haben. Erst
mit dem Beginn der christlichen Musikepoche traten mehr und mehr die Unter-
schiede in der Annehmlichkeit des Zusammenklangs in den Vordergrund,
die man dann auf allerlei Wegen, zuletzt durch den Hinweis auf die Schwe-
bungen und Obertöne, weiter zu erklären suchte. Welche Schwierigkeiten
hieraus erwachsen, hat eine sachliche Darstellung zu zeigen, ebenso wie sie
allein zuletzt den Beweis für die wahre Definition zu erbringen hat. Aber
die historische Untersuchung vermag die sachliche ganz wesentlich zu unter-
stützen und die Rückkehr zur Definition der Alten zu begünstigen.
Da sie uns einen solchen Dienst nur leisten kann, wenn sie mit vollster
Objectivität im Einzelnen geführt wird, so wird uns die sachliche Tendenz
eher abhalten als verleiten, das geschichtliche Material nach irgend einer Rich-
tung zu pressen. Gerade Solche, die als blosse Historiker an die Untersuchung
herantraten, haben sich in Hinsicht der antiken Musiklehre vielfach die will-
kürlichsten Deutungen erlaubt. Gewiss bringt der Historiker als solcher ausser
der technischen Fertigkeit in dergleichen Studien auch die grössere Schulung
im unbefangenen Erfassen geschichtlicher Dinge überhaupt mit. Aber er wird
sich leichter in einer Meinung, einer Auslegung festsetzen, wenn ihm die Details
der Erscheinungen, um die es sich handelt, und die vielen Seiten, von denen
sie sich betrachten lassen, nicht genug bekannt sind. Darum möchte ich die
Hoffnung aussprechen, dass sich die Allianz der sachlichen mit der historisch-
philologischen Forschung auch für die letztere nützlich erweisen werde.
Unter anderem denke ich hiebei auch an die mit so vieler Leidenschaft
in zahllosen Streitschriften bis in die neueste Zeit verhandelte Frage nach dem
Gebrauche der Harmonie und Polyphonie bei den Alten. Denn natürlich
kommen die vorfindlichen Definitionen der „Symphonie" sehr in Frage, wenn
man über den praktischen Gebrauch gleichzeitiger Tonverbindungen streitet.
Man wird aber die "Worte niemals genügend verstehen, wenn man nicht mit
der Sache allseitig vertraut ist, und ich muss behaupten, dass dies bei den
Meisten, die darüber verhandelten, nicht der Fall war. Die Geschichtschreiber
haben jene alten Definitionen bisher grösstenteils wie Curiosa und Antiquitäten
behandelt, haben die Stellung der Terzen unter den Dissonanzen, auch die der
Quarte unter den Consonanzen, die Lehre von den sog. Paraphonien und
Anderes wunderlich, unverständlich gefunden, während sich alles dieses auf
eine einfache Weise aus sachlichen Gesichtspunkten begreifen lässt.1)
Da es sich um Grundbegriffe handelt, sind wir nicht genötigt, die jeweiligen
oft sehr complizierten Musiktheorien in grösserem Umfang heranzuziehen. Dies
umsoweniger, als die Grundbegriffe von den Autoren keineswegs immer con-
sequent durchgeführt wurden. Ihre Entwickelung geht darum nicht genau
parallel mit der der Musiktheorie überhaupt, ebensowenig wie diese sich genau
der jeweiligen Entwickelungsstufe der praktischen Musik anschmiegt. Die
Haupttriebkraft für die Umformungen der Grundbegriffe war die fortschreitende
sinnliche Beobachtung und psychologische Reflexion. Doch spielen unverkenn-
bar die grossen Umwälzungen der musikalischen Auffassungs- und Gefühlsweise
im Laufe der Jahrhunderte eine Rolle, und es ist von hohem Interesse, den
Reflex dieser Umwälzungen in dem knappsten Rahmen der Definitionen zu
beobachten. Endlich sind allgemeine philosophische Anschauungen und Stand-
') Ich kann diesen Satz nicht aussprechen, ohne sogleich Gevaert's meisterhafte „Histoire et Theorie
de la Musique de l'Antiquite" (1875, 1881) und deren Fortsetzung „La Melopee antique dans le Chant de
l'Kglise latine" (1895) auszunehmen. Wenn ich auch im Einzelnen mich seinen Auffassungen nicht immer
niisi hliessen kann und seine Darstellung natürlicherweise nicht so in die Einzelnheiten der Grundbegriffe
eingeht, wie wir dies beabsichtigen, so bleibt doch die Vereinigung der Sach- mit der Quellenkenntnis
und des modern-musikalischen mit dem objektiv-historischen Urteil mustergültig für alle, die die gleichen
Bahnen wandeln. Die ärgsten Willkürlichkeiten dagegen hat sich in der Deutung des alten Consonanz-
begriffes Fetis erlaubt. Sie sind bereits von A. Wagener in seinem verdienstvollen „Memoire sur la Sym-
phonie des Anciens" (1861, gedruckt 1863 in den Memoires de l'Academie royale de Belgique Bd. 31)
hinreichend beleuchtet worden.
punkte bei den Erklärungsgründen nicht zu übersehen, wie denn bekanntlich
die musikalische „Harmonie" den Philosophen mehrfach als Ausgangspunkt oder
als beliebtes Anwendungsbeispiel ihrer Begriffe gedient hat.
Wir beginnen mit den Griechen, nicht blos weil hier für den Verfasser
die Möglichkeit selbständiger Untersuchung beginnt, sondern auch weil bei
älteren Völkern zwar eine ausgebildete Musiklehre sehr früh vorhanden zu
sein scheint, aber nirgends, soweit mir bekannt, irgend welche Ansichten über
das Wesen der Consonanz und Dissonanz ausgesprochen sind.
Der erste Teil beschäftigt sich ausschliesslich mit den Definitionen des
Altertums und zwar fast ausschliesslich des griechischen Altertums. Wir
verweilen hier so lange, weil es sich vielfach um schwierige Texte und Inter-
pretationsfragen handelt.
Der zweite Teil trägt ein anderes Gepräge: wir fassen da zunächst die
wesentlichsten Ergebnisse dieser kritischen Untersuchungen übersichtlich zu-
sammen und setzen ihre sachliche Bedeutung auseinander, um dann nur mehr
cursorisch der gesamten Entwickelung bis zur Neuzeit zu folgen.
Erster Teil.
Die Definition der Consonanz im Altertum.
I. Die Schriftsteller der klassischen Zeit.
1. Die alten Pythagoreer.
Die griechische Musiktheorie nimmt ihren Anfang nicht viel später als
die griechische Philosophie, sie wurde von Philosophen begründet und blieb
mit der Philosophie immer in enger Verbindung. Ihren Ausgangspunkt bildet
bekanntlich die pythagoreische Lehre von den einfachen Zahlenverhältnissen
bei der Octave, Quinte, Quarte. Dass die grundlegende Entdeckung dem Pytha-
goras selbst angehört, lässt sich freilich nicht streng beweisen; vielleicht hat
er die Lehre zuerst in Hellas vorgetragen, seinerseits aber aus Aegypten mit-
gebracht. Jedenfalls gehört sie den Anfängen der Schule an und wird in
den ältesten Quellen der Lehre schon vorausgesetzt. Auf ihr beruht die später
oft wiederkehrende Bestimmung des Consonanzverhältnisses überhaupt als eines
(einfachen) Zahlenverhältnisses zwischen Tönen.
Das mathematische Verhältnis der Saitenlängen zwischen einem Grundton,
seiner Octave und der dazwischen liegenden Quinte (bezw. Quarte von oben),
12:8:6, hat die Eigenschaft, dass die kleinste und die grösste der drei Zahlen
um den gleichen Teil ihrer eigenen Grösse ^/s) von der mittleren abstehen.
Man gab dieser Proportion, offenbar mit Rücksicht auf ihre musikalische Be-
deutung, den Namen der „harmonischen". Diese Lehre von der harmonischen
Proportion dürfte schon von den Pythagoreern vor Philolaus, vielleicht von
Hippasus, ausgebildet sein1). Philolaus erwähnt sie bei geometrischen Be-
trachtungen.
Die Pythagoreer hatten aber noch eine andere Definition der „Harmonie":
Harmonie ist die Einheit des Mannichfaltigen und Zusammenstim-
l) Vgl. C. v. Jan's kritische Studie „De Pythagoreorum veterum doctrina* in seiner Ausgabe der
„Musici Scriptores Graeci" 1895, p. 120 sq.
mung des Zwiespältigen. Diese Erklärung findet sich zwar ausdrücklich
erst bei dem Neupythagoreer Nicomachus im 2. Jahrhundert n. Chr.1) und auch
sonst öfters in den späteren Zeiten'2), wird aber mit grosser Wahrscheinlichkeit
von Böckh dem Altpythagoreer Philolaus (einem Zeitgenossen des Sokrates)
zugesprochen, und ist bei jenen späteren Schriftstellern als ein Erbstück aus
der alten Zeit zu betrachten. Philolaus sagt in Uebereinstimmung damit in
den erhaltenen Fragmenten (bei Stobaeus I, 460), dass das Aehnliche und Gleich-
geartete der Harmonie nicht bedürfe, nur das Ungleichartige müsse durch Har-
monie zusammengehalten werden. So bestimmen auch bei Aristoteles (und
ähnlich schon im platonischen Phaedon) die pythagoreischen oder pythagorei-
sierenden Vertreter der Lehre, dass die Seele eine Harmonie sei, die Harmonie
als Mischung und Zusammensetzung des Entgegengesetzten.3) Ob-
schon hier nicht speziell die musikalische Harmonie gemeint ist (auch die Zahl,
die Natur werden als Harmonie bezeichnet), haben die Pythagoreer doch sicher-
lich an sie als das hervorragendste sinnenfällige Beispiel gedacht. Das Mannich-
faltige oder Entgegengesetzte, das eine Mischung eingeht, sind eben hier die
Töne in Hinsicht ihrer Höhe und Tiefe.
Der Ausdruck „ Harmonie " , der von späteren griechischen Schriftstellern
vorwiegend für die Tonleiter oder für die Melodie gebraucht wird, bedeutet
bei den Pythagoreern in seinem musikalischen Sinne offenbar das, was später
auucpwvia genannt wurde4), unsere „Consonanz". Ausserdem wird er auch
speziell für die Octave als die stärkste unter den Consonanzen gebraucht5).
Auch die Thatsache der Gradunterschiede zwischen Octave, Quinte, Quarte
wurde ja bereits von den älteren Pythagoreern erkannt.
Aus dem Gebrauch der Ausdrücke er wo ig und y.yaoig lässt sich nicht etwa
ohne Weiteres schliessen, dass die alten Pythagoreer den Begriff der Consonanz
*) Niconi. Arithm. S 59: Maxi yäg ägfiovia nolvfiiyicov svcoatg xal di%ä cpgoveövtcov avficpgaaig.
2) So sagt Philoponus, indem er der Erklärung zustimmt, im Commentar zu Aristot. De an. (Com-
mentatorenausgabe der preussischen Akademie XV, p. 146, 4): Maxi yäg ägfiovia xaxä xov; IJvßayogeiovg noXv-
fiiyimv xal ötyä cpgoveövxotv Mvcoaig.
Theo v. Smyrna bezieht die Definition auf die Musik überhaupt (ed. Hiller p. 12, 10): ol ITv&a-
yogixol . . . xijv fiovaixi)v cpaaiv ivavxicov avvagfioytjv xal xwv noXl&v evoooiv xal xwv bl%a cpQovovvxcov
avfi.cpQÖvr)aiv.
3) Aristot. De anima 407, b, 30: ägfioviav ydg xiva avxrjv Xiyovai' xal yäg xr\v ägfiovtav xgäotv xal
avvöeatv ivavxicov eivai, xal xo acöfia avyxsiadai it; ivavxicov. Cf. Plato Phaedo 86 c : xgäaiv elvai xal ägfioviav
avxwv xovxojv (der körperlichen Elemente, des Warmen und Kalten, Feuchten und Trockenen) xrjv ywxrjv fj/itöv.
4) Wenn Aristoteles bei der Erwähnung der Sphärenharmonie beifügt: a>? ovficpojvwv yivofievcov
xöiv y>6<po)v (De coelo II, 9), so gebraucht er, wie so manchmal, seinen eigenen Ausdruck zur Erläuterung
der fremden Lehre.
5) Philolaus bei Stob. I, 462. Nicomachus Enchirid. Meib. I, 16 (Jan p. 252): ol nalaiöxaxoi . . .
ägfioviav fiev xaXovvxsg xrjv diä naotov.
8
primär auf gleichzeitige Töne bezogen. Denn von einer xqüois sprach man
im Altertum auch gelegentlich bei einer Zusammenordnung aufeinanderfolgender
Sinneseindrücke, z. B. der Vocale und Consonanten in der Sprache (s. Heraklit).
Immerhin sollte man meinen, dass sie wenigstens die Sphärenharmonie nicht
als ein abwechselndes, sondern nur als ein gleichzeitiges Erklingen der den
himmlischen Bewegungen entsprechenden Töne gefasst haben könnten. Die
Schwierigkeit, dass beim gleichzeitigen Erklingen aller sieben Töne der Octave
auch Dissonanzen zum Vorschein kommen1), mochte ihnen entweder nicht auf-
gefallen sein oder so gut und schlecht wie andere noch bedenklichere Con-
sequenzen ihrer Lehre lösbar scheinen.
Archytas von Tarent, einer der letzten und bedeutendsten der alten
Pythagoreer (Zeitgenosse Piatos), der sich nach dem Zeugnis des Ptolemaeus
am meisten unter ihnen mit Musik befasste und erhebliche Fortschritte in der
Lehre von den Zahlen Verhältnissen der Töne herbeiführte, scheint auf das
Merkmal der tviooig gleichfalls besonderes Gewicht gelegt zu haben. Wenig-
stens berichtet Porphyrius in seinem Commentar zu Ptolemaeus' Harmonik,
dass nach den Anhängern des Archytas die Consonanzen für das Gehör
den Eindruck Eines Klanges machen.2)
Man kann auch noch hieher ziehen, dass die Pythagoreer nach dem
Bericht des Aristoteles die drei Buchstaben '§, \p, t> als Symphonien bezeich-
neten und die Folgerung zogen, weil die Symphonien (der Töne) drei seien,
könne es auch nur drei solcher Buchstaben geben.3) Der Vergleichungspunkt
lag, wie Bonitz (Arist. Met. p. 594) evident richtig bemerkt, in dem Umstand,
dass diese drei Consonanten aus je zweien bestehen, obschon sie als einer
erscheinen. Darin liegt also ebenfalls die innige Verschmelzung der beiden
Töne eines consonanten Intervalls zu einem Gesamteindruck ausgesprochen.
2. Heraklit.
Ausgiebigen Gebrauch machte bekanntlich Heraklit vom Wort und Begriff
der „Harmonie". Er versteht das Wort im allgemeineren und im speziell-
musikalischen Sinne. Die musikalische Harmonie ist ihm eines der Lieblings-
!) Martin, ICtudes sur le Timee II, 37.
2) Wallis Opera math. (1699) III, p. 277: Usyov de oi tcsqI zov "ÄQXvxav evog <p&6yyov ylvea&ai xara
ras ovfxcpwriag xrjv ävTikrjyuv rfj äxofj.
Die von Porphyrius sonst (p. 270) angeführten pythagoreischen Lehren über Consonanz dürften aus
späteren Zeiten stammen. S. u. No. 11.
3) Aristot. Met. N, 6, p. 1093, a, 20: Inel xai rö EWZ ovnymvlag yaoiv elvai, xai ort ixeTvai tgeig,
xai ravxa rgia. In den Scholien zur Metaphysik (Berliner Aristotelesausgabe Bd. IV) wird p. 831 sogar
angegeben, welcher Buchstabe jeder Consonanz zugeordnet wurde.
beispiele, an denen er die Verbindung des Verschiedenen zu einem einheitlichen
Ganzen und das Zusammenwirken des Entgegengesetzten zu einem vollkom-
menen Werk erläutert. Freilich sagen uns die ausdrücklich unter seinem
Namen angeführten Aussprüche nur eben dieses, dass in der Harmonie sich
hohe und tiefe Töne verbinden1); womit wir nicht weiter kommen. In einem
Ausspruch lässt er auch Consonanzen und Dissonanzen sich untereinander ver-
binden (wenn dies die Bedeutung von ovväSov xal diädov ist), was sich wol
auf den Gebrauch beider Intervallgattungen in der Melodie bezieht; ebenfalls
also eine selbstverständliche Sache.2) Was er mit der „Harmonie des Bogens
und der Leier" gemeint hat, auf die so viele alte Schriftsteller hinweisen, ob
dabei von der Harmonie im musikalischen Sinne die Rede war (schliesslich
gibt ja auch der gespannte Bogen Töne und ist die Leier wol aus dem Bogen
entstanden) oder von der Form oder von den Spannungsverhältnissen, kann
hier unerörtert bleiben, da besondere Merkmale der „Harmonie" daraus in
keinem Falle zu entnehmen sind.
Interessanter ist uns eine längere Ausführung in der pseudo-hippokra-
tischen Schrift Tieyl diairrjg, worin wir der Hauptsache nach sicherlich hera-
klitische Gedanken suchen dürfen. Leider ist die Stelle schlecht erhalten. Patin
hat eine Wiederherstellung vorgeschlagen, die zunächst ziemlich kühn klingt,
aber durch den folgerichtigen Gedankengang, der so entsteht, sich empfiehlt.3)
Hier scheint mir Heraklit unter der „Harmonie" speziell die Octave zu ver-
stehen, wie dies auch bei den älteren Pythagoreern vorkam. Denn er sagt,
dass das Hohe und Tiefe, woraus sich die Harmonie zusammensetze, dem Namen
nach ähnlich (gleich), dem Klange nach unähnlich (ungleich) sei. Hiebei darf
man allerdings nicht an die Notenzeichen denken, da die Octaventöne bei den
alten Griechen nur teilweise (und zu der Zeit Heraklits wahrscheinlich noch
gar nicht) durch gleiche Buchstaben bezeichnet wurden, sondern an die tech-
nischen Namen vTiarrj, h'.%avog, /ueoi] u. s. w. Wenn Knaben- und Männerstimmen
einunddieselbe Melodie sangen und gleichzeitig z. B. den Klang der „Hypate"
1) Aristoteles Eth. Eud. VII, 1, p. 1235, a, 27. Plutarch De tranq. an. c. 15, p. 474.
2) Bei Pseudo-Aristoteles De mundo C. 5, p. 396, b, 20: xo naga xq} oxoxbivoj keyö/.ievov 'Hgaxkeijco
„ovväy>eiag ovXa xai ovyi oi>).a, ovfiyegö/xevov xai 8iaq>eg6fievov, ovväöov xai öiädov' xai ix nävxwv e'v, xal
i; evög .idvia" .
3) Die Stelle lautet in der Ueberlieferung (vgl. bei Bywater, Heracliti Ephesii reliquiae S. 66,
18. Abschn.): dgfiovitjg ovvxdg'ieg ex xü>v avxiöv ovy ai aiixai ix xov olgeog xal ix xov ßageog, ovöfiaxi fiev
dfioioiv, (pdöyyco 6e ovy_ öftoicov. xa nXeioxa diäqpoga /xäXiaxa gvfupegei xai xa. iMycaxa dtäcpoga rjxiaxa ^vfifpiga.
el di o/ioia xävxa jiott'joei xig ovx in xigipig. ai nXeTaxai fisxaßokai xai ai noXveiöiaxaxai /tiäXcoxa xeqjiovoiv.
Patin liest: aQfiovirjv avvxaxxovaiv ix xov 6!; sog xai zov ßagiog, ovöfiaxi ftev öfioiwv, (p&6yyq> de ov%
6/xoiwv. o~vvxäi;eig ix xwv avxwv ov% ai avtai. xa jiXetoxa dtä<poga u. s. w. Im vorletzten Satz statt exi evi.
Patin, Heraklitische Beispiele I. Gymnasialprogramm Neuburg a. Donau 1891, S. 62 — 70.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XXI. Bd. I. Abtb. 2
10
angaben, so waren dies zwei ungleichhohe aber gleichbenannte Töne. Man
darf hier auch nicht etwa sagen: es war Hypate und Nete; denn für jede der
Stimmen war es eben der tiefste unter den ihr verfügbaren Leitertönen, und
dieser wurde Hypate genannt.
Heraklit fährt fort: „Die Zusammenstellungen aus dem Nämlichen sind
nicht die nämlichen" ; womit er den auch sonst oft ventilierten Gedanken aus-
spricht, dass aus gleichen Elementen, hier speziell Tönen, viele und verschie-
dene Combinationen (Melodien) gebildet werden. Und nun hebt er weiter
hervor, dass (bei den Tönen) das Verschiedenste am besten zusammenpasse und
das einander Nächstliegende am schlechtesten. Dieser auffallende Satz findet
doch seine volle Bestätigung, wenn wir ihn so auslegen, dass die Grenztöne
der Octave (die zwar nicht die schlechthin verschiedensten Töne, aber doch
die verschiedensten im Tonbereich einer Melodie darstellten) die vollkommenste
Consonanz mit einander geben, die Secunden dagegen die stärkste Dissonanz.1)
Aber freilich kann man nur in Bezug auf das gleichzeitige Erklingen sagen,
dass die Secunden am wenigsten zusammenpassen. Denn in der Melodie stehen
sie nicht hinter anderen Schritten zurück, sind vielmehr das Gewöhnliche, und
dass dies auch für das griechische Ohr galt, darüber kann nach allen Berichten
und nach den Ueberresten griechischer Melodien nicht der mindeste Zweifel
bestehen. Wenn also dieser Satz sich überhaupt auf Töne bezieht — worauf
der Zusammenhang deutlich hinweist — und die gegebene Auslegung richtig
ist, so hat Heraklit (bezw. Pseudo-Hippokrates) hier die Consonanz und Dis-
sonanz gleichzeitiger Töne im Auge.
Aber so bestechend die Auffassung ist, für sicher möchte ich sie nicht
ausgeben. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass nur von der Wirkung
der Contraste in der Melodie die Rede wäre. Dieser Gedanke würde auch
ganz unmittelbar zu den folgenden Sätzen leiten: eine Melodie auf Einem Ton
wäre unerfreulich u. s. w.
Es folgt dann in der Schrift weiter eine Vergleichung mit der Kochkunst,
wobei in allen erwähnten Punkten genaue Analogien zwischen der Koch- und der
Tonkunst gefunden werden. Dieser Umstand Hesse sich nun wieder zur Stütze
der ersten Interpretation heranziehen, da wir es in der Kochkunst in erster
Linie mit der Mischung gleichzeitiger Geschmäcke zu thun haben und sich
auf solche die Ausführungen des Verfassers unzweideutig beziehen.2) Immerhin
x) So hat auch Patin und bereits Schuster den Satz verstanden.
2) In Bezug auf die Textverderbnis kann ich Patins Hauptbedenken, dass die Zunge diäqxova xai
ov/ntpcova unterscheiden soll, nicht so schwerwiegend finden, da die Ausdrücke hier natürlich übertragen
zu verstehen sind. Sprechen wir doch auch von einem wolzusainmenstimmenden Farbenaccord und hat
11
liegt ein logischer Zwang nicht vor: das Gleichnis kann eben auch „mutatis
mutandis" gemeint sein. So ist also dieser Punkt auch für Heraklit nicht
ganz sicherzustellen.
Eine Bemerkung aber drängt sich noch auf. Wenn Heraklit durch den
Hinweis auf die Consonanz das harmonische Zusammenwirken und die Ein-
heit der Gegensätze im Weltganzen illustrieren will, so entgeht ihm, dass
man die beiden Töne eines Intervalls doch nur sehr uneigentlich als entgegen-
gesetzt (ivavTlot) bezeichnen kann. Sie sind verschieden an Höhe, das ist
aber auch alles. Sie bilden nicht Endpunkte einer Empfindungsreihe, wie
etwa Weiss und Schwarz Extreme darstellen, innerhalb deren die sämtlichen
Grau-Nuancen liegen. Wenn man von einem Ton zwischen den beiden Inter-
valltönen ausgeht, liegen diese natürlich in entgegengesetzten Richtungen. Aber
der Ausgangspunkt selbst ist willkürlich und kann ebenso gut jenseits des einen
der beiden Töne genommen werden, in welchem Falle dann beide in gleicher
Richtung liegen. Aus diesem Grunde finden wir später in den Definitionen
des Intervall- und des Consonanzbegriffes statt von entgegengesetzten vielfach
correcter nur von ungleichen Tönen gesprochen. Heraklit selbst fällt gelegent-
lich in die richtigere Ausdrucksweise; so bei Aristoteles Eth. Nie. p. 1155, b, 5:
ix twv diaqiQovTuw y.akuoxi]v a^iioviav. Aber seine Intention ist, wie auch
an dieser Stelle aus dem Zusammenhang evident hervorgeht, auf Gegensätze
gerichtet. Nur in diesem Sinn kann er die Beispiele für seine metaphysischen
Ideen gebrauchen.1) Dass die Vereinigung von Consonanz und Dissonanz in der
Melodie nicht viel besser dazu zu verwenden ist, würde sich, glaube ich, eben-
falls zeigen lassen. Doch mag dies hier auf sich beruhen. Auch mit Vor-
man doch bis in die neueste Zeit Analogien der Consonanz und Dissonanz auch bei den niederen Sinnen
wiederfinden wollen. Gleiches gilt für den letzten Satz der Stelle, wonach der (Geschmacks-)Symphonie
Lustcharakter zukommt, wenn die Zunge in guter, Unlust, wenn sie in schlechter Verfassung ist.
x) Bezüglich der Octave ist ihm seltsamer Weise noch in neuerer Zeit Herbart gefolgt, der das
Verhältnis der Octaventöne als „ vollen Gegensatz" bezeichnet, ganz im Widerspruch mit dem musi-
kalischen Bewusstsein, welches hier eher eine hervorragende Aehnlichkeit behaupten würde.
Vielleicht ist Heraklit zu der Lehre vom Gegensatz bei den Octaventönen durch den Umstand ver-
leitet worden, dass dieses Intervall beim gemeinschaftlichen oder abwechselnden Gesang („Gegengesang")
derselben Melodie von Seiten der Männer und Weiber gebraucht wird. Obschon auf das Verhältnis der
Geschlechter die Analogie von Schwarz und Weiss auch nicht gerade Anwendung findet, so ist es doch
immerhin eher ein Gegensatz zu nennen als das Verhältnis zwischen einem höheren und tieferen Ton.
Zum Begriff des svavziov vgl. Aristoteles Met. A, 10. Zeller verteidigt (Phil. d. Griechen I, 25
S. 654 Anm.) die laxere Auffassung Heraklits, da man eben solche Bestimmungen entgegengesetzt nenne,
die mit einander nicht gleichzeitig und in der gleichen Beziehung in dem gleichen Subject Zusammen-
sein können. Diese Auffassung von „Conträr" liegt in der That der Formulierung des logischen Prinzips
der „eontriiren Opposition" zu Grunde. Doch muss man dann sogar zwei benachbarte Nuancen derselben
Farbe oder die Bestimmungen „2 Meter lang" und „4 Meter lang" als Gegensätze bezeichnen.
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stehendem wollte ich nicht kritisieren um der Kritik willen, sondern nur um
des historischen Verständnisses willen.
Denn gerade in diesem Punkt, in der metaphysischen oder kosmologischen
Verwertung der Consonanz, hat Heraklit grossen Einfluss auf die Folgezeit
geübt, wenn er sich auch mit Pythagoras darin nicht messen kann. Es wurde
ein echter und rechter Gemeinplatz, jede erspriessliche Verknüpfung heterogener
Elemente mit der musikalischen „Harmonie" zu vergleichen und jede Recht-
fertigung menschlichen und göttlichen Uebels durch die Einfügung der Dis-
sonanzen in die Musik zu stützen.
Ein Zeugnis dieses Fortwirkens bietet die pseudo - aristotelische Schrift
ttsql xoofiov, der wir oben einen Originalausspruch Heraklits entnahmen. Ihr
Verfasser, ein eklektischer Peripatetiker ungefähr im ersten christlichen Jahr-
hundert1), führt mit salbungsvoller Breite den Gedanken durch, dass alles in
der Natur durch Gegensätze bewirkt werde und dass daraus das Zusammen-
stimmende {avfjLipoJvov) entstehe. Die Kunst ahme dies nach: „die Malerei,
indem sie die Farben mischend die Bilder mit den Gegenständen in Ueberein-
stimmung bringt (djiersXsos ovfAxpwvovg)] die Musik, indem sie hohe und tiefe,
lange und kurze Töne in verschiedenen Stimmen mischend Eine Harmonie aus-
gestaltet (jiiiav ämieleoev aQ/,toriav); die Grammatik, indem sie eine Verschmel-
zung aus Vocalen und Consonanten bewirkt." (Aristot. op. p. 396, b, 7 f.) Ich
führe diese heraklitischen Nachklänge hier an, weil wir später keinen Anlass
finden, die Schrift zu berücksichtigen. Man sieht aber auch wieder an dieser
Stelle, dass man das Einswerden, die jui£ig und xyäotg in der heraklitischen
Bedeutung nicht ohne weiteres auf strenge Gleichzeitigkeit der bezüglichen
Eindrücke deuten kann.2)
*) Genauere positive Zeitbestimmung scheint kaum möglich, vgl. Zeller, Ueber den Ursprung der
Schrift von der Welt. Sitz.-Ber. d. preussischen Akad. 1885, S. 399 f.
2) Im weiteren Verlauf seiner Rede spricht der Verfasser allerdings auch einmal ausdrücklich von
der gleichzeitigen Mischung (p. 399, a, 14), indem er darauf hinweist, dass im Chor, nachdem der
Chorführer angefangen, der ganze Chor der Männer, zuweilen auch der Frauen, einfalle und aus höheren
und tieferen Tönen Eine melodische Harmonie mische (ev diayogoig cpwvatg ö'g~vzegaig xai ßagvzegaig /ta'av
(ig/noviav i/u/ueXfj xegawvvzwv). Aber man kann hieraus nicht schliessen, wie Heraklit die Krasis verstand,
und jedenfalls denkt der Verfasser hier nur an Octaven.
Bekannt ist Heraklits Einfluss auf die Kirchenväter durch Vermittlung der Stoiker. Jene haben
denn auch sein Musikgleichnis kosmologisch ausgebeutet. Eine hiehergehörige Aeusserung des Eusebius
von Emesa wird uns später aus einem besonderen Gesichtspunkt von Interesse werden (Schluss dieser
Abhandlung). Eine andere, bei dem christlichen Neuplatoniker Synesius, scheint speziell auf das Lyra-
Gleichnis Bezug zu nehmen: Ov ydg eaziv 6 xöofjog zo äjiX&g ev, aXla zö ex tzoXXwv ev' xai iaziv ev avt(p
fiegr) fxegeai ngoar/yoga xai fjLa%6(ieva, xai zfjg ozäoemg avzwv elg xrjv xov navxbg öfiövoiav av[iq>a>vovör)g'
waneq f\ Xvga avazr^fia (pdoyymv eazl ävziqiwvwv te xai ovjjicpwvwv ' xo de ef ävzixei/nevwv ev ag/uovc'a , xai
lugag, xai xoa/xov. (J. H. Vincent, Notices et Extraits des Manuscrits III, 282.)
13
3. Plato.
Ausführlicheres erfahren wir zuerst bei Plato. SvfMpwvia, ov/uxpcovelv
(Gegensatz: avriqxovelv oder diaipujveiv, auch gelegentlich dovjLicpwvov dvai)
sind für ihn Lieblingsausdrücke, und nichts ist gewöhnlicher in seinen Schriften
als die Vergleichung der richtigen Seelenverfassung, der Besonnenheit oder der
Gerechtigkeit, oder auch einer ästhetischen oder einer rein logischen Ueber-
einstimmung mit der musikalischen „Symphonie" oder „Harmonie"; sei es, dass
er die Vergleichung ausdrücklich anstellt oder sie nur durch die metaphorische
Anwendung dieser Ausdrücke andeutet1) Diese beiden Ausdrücke selbst ge-
braucht er in solchen Fällen synonym und verbindet sie gern zu gegenseitiger
Erläuterung; auch stellt er sie mit ovv&eoig, xyäoig, ovyra§ig u. dgl. zusammen.
In den letzten Schriften wird für das Consonanzverhältnis fast nurmehr der
Ausdruck ovtu(pa)via gebraucht (der auch später als technischer Ausdruck dafür
verblieben ist2)), während äynoria hier mehr die richtige Stimmung aller Töne
der Leier oder die Tonleiter bedeutet.
Sachlich kommt, um vom Allgemeinsten anzufangen, zunächst der Abschnitt
des Phaedo (92 a f.) in Betracht, worin die Ansicht des Simmias, dass die
Seele eine Harmonie (körperlicher Elemente) sei, widerlegt wird. Der Begriff
der Harmonie wird hier in einem allgemeineren Sinne gefasst, obschon Simmias
selbst die Harmonie der Saiten zur Erläuterung herangezogen hatte; offenbar
um dem Gegenbeweis die allgemeinste Anwendung zu sichern. Wesentlich ist
dem Begriffe das Zusammenpassen (äy^oTreir) von Teilen irgend welcher
Art. Die Harmonie ist ein ovv&ztov, dem Allgemeinbegriff der ovvdtöig unter-
geordnet. In gewissen Fällen sind auch Gradunterschiede des Zusammenpassens
möglich, kann also eine Harmonie mehr oder weniger Harmonie sein. Hiebei
mag Plato speziell an die Gradunterschiede der Consonanz (Octave, Quinte,
Quarte) gedacht haben.3)
1) Vgl. für die ethische Parallelisierung Laches 188 d, Phaedo 93 c, Rep. III 402 d, IV 430 e— 432 a,
442 c, IX 591 d, Tim. 47 d.
Für die logische Gorg. 482 b, c, Phaedo 101 d.
2) Vgl. aber auch schon Kratyl. 405 d : jieqI xtjv iv zfj (pdf/ ägfiovlav, >/' dtj ov/ucpcovia xaXelxai.
3) 93 b: rj ov%h f\ <5' og, uv /uev fi&XXov dgfioa&fj xal sninXeov, el'jreg ivde%eTai rovxo yiyveofiai, /.läXXöv
te äv äofiovia ei'tj y.ai nlslcov x. r. X. Plato meint: Wo Gradunterschiede des Zusammenpassens möglich
sind, da sind Grade der Harmonie möglich. Da die Seele (so führt Plato seinen hier nicht sehr durch-
sichtigen Beweis, von dem ich nirgends eine correcte Auslegung finde, fort) offenbar nicht mehr oder
minder Seele sein kann, so gehört sie jedenfalls nicht zu den Harmonien, die Gradunterschiede zulassen.
Als eine Harmonie ohne Gradunterschiede kann sie aber auch nicht an Gradunterschieden der Harmonie
(oder gar an der Disharmonie) teilhaben — 93e — . Folglich könnte sie auch nicht an den Unter-
schieden der Tugendhaftigkeit oder des Lasters teilhaben , die doch offenbar (wie bereits 93 b f. ein-
14
Dieselbe Unterordnung der Consonanz unter den allgemeineren Begriff
irgend eines Zusammenpassens liegt wol vor, wenn Rep. VII, 531 a, c etwas
wunderlich von „gehörten Symphonien" die Rede ist, oder wenn in den Ge-
setzen Weisheit als schönste und grösste der Symphonien bezeichnet wird1).
Bei der letzteren Wendung mögen Plato aber auch wieder zugleich die ver-
schiedenen Consonanzgrade vorgeschwebt haben.
Man könnte fragen, ob in allen diesen Fällen eine wirkliche Unterordnung
unter einen allgemeineren Begriff, unter ein genus proximum, in Piatos Sinne
lag, oder nicht vielmehr eine blosse Analogisierung, ein bj.uovvf.iov xar' avaloyiav,
mit Aristoteles zu reden; ähnlich wie im Phaedon Philosophie als die schönste
Musik gepriesen wird. Doch war in unserem Fall wol in der That eine logische
Subsumtion beabsichtigt.
Anderwärts finden wir statt des Zusammenpassens eine gewisse Einheit
oder eine Verschmelzung als das Wesentliche hingestellt. So im Sympo-
sion 187 b, wo Eryximachus gegen Heraklits Ausdrucksweise polemisiert, dass
die Harmonie aus Widerstreitendem bestehe: seine Meinung sei vielleicht
gewesen, dass sie aus vorher Widerstreitendem, Hohem und Tiefem, entstehe,
nachdem es durch die Tonkunst in Uebereinstimmung gebracht sei. Plato
scheint hier anzunehmen, dass der Gegensatz der Höhe und Tiefe beim Con-
sonieren irgendwie getilgt sei; und es scheint sich die Aeusserung auf das
gleichzeitige Erklingen der Töne zu beziehen.
Stärker tritt das Merkmal der Einheit Rep. IV, 443 d in den Vorder-
grund. Beim Guten und Gerechten wirken die drei Seelenkräfte zusammen
wie drei Saiten, die den Grundton, die Mese (Quarte) und die Octave geben,
„und was etwa noch dazwischen liegt". All dies ist verbunden und der Mensch
ist schlechtweg Einer geworden aus Vielen (443 e: ixavjänaaiv eva yevofxevov
hz tioUcüv). Auch hier denkt Plato allem Anschein nach an gleichzeitiges
Erklingen der drei Töne. Unwillkürlich drängt sich uns dabei die Analogie
geschaltet ist) als Harmonien und Disharmonien in der Seele gelten müssen. Somit führt die Voraus-
setzung des Simmias zu einem Widerspruch mit den Thatsachen.
Hätte Plato es als allgemeines Prinzip zu Grunde gelegt, dass jede Harmonie Gradunterschiede
besitze, so wäre die Folgerung weit einfacher gewesen: da die Seele natürlich nicht mehr oder minder
Seele sein kann, ist sie eben nicht eine Harmonie.
Innerhalb der Beweisführung werden aber Gradunterschiede einmal dem Anscheine nach geradezu
geleugnet (93 d: /.irjdev fiällov /xt]ö' im nlkov fir\be r\xxov firjd' sn'1 üXaxxov hegav hsgas äg/toviav ag/toviag
etvai). Der Widerspruch ist nur so zu lösen, dass man unter Harmonie hier speziell diejenige versteht,
als welche die Seele von Simmias definiert worden war, dass also der Satz nur eine Uebersetzung des
unmittelbar vorangehenden in diese Sprache sein soll (xovxo d' toxi xd 6/toköyij/xa).
') Leg. III 689 d: nü>g yag äv , w (plloi , ävsv g~v{i<pcovtag ykvoix äv qpQovrjoewg xal xo ofiixgoxaxov
eldog; ovx saxiv, äZX' fj xakMaxr) xal fisytaxt] xwv q~vn<p<oviä>v /xsytaxrj dixaiöxax' av Uyoixo oocpia.
15
unseres Dreiklangs auf, und sicherlich würde Plato, wenn die Griechen eine
solche Verwendung der Terz gekannt hätten, kein anderes Beispiel gewählt
haben. Der Zusatz „was etwa noch dazwischen liegt" bezieht sich vielleicht
auf die Paramese (Quinte), sofern sie statt der Mese eingesetzt ebenfalls einen
consonierenden Dreiklang ergiebt.
In dieselbe Reihe gehört Leges II, c. 9, p. 665, a. Der Sinn für Ord-
nung, sagt Plato hier, sei nur der menschlichen Natur eigen. Die Ordnung
der Bewegung nenne man Rhythmus, die der Stimme, wenn zugleich Hohes und
Tiefes zusammenschmelzen, Harmonie1), die Verknüpfung von beidem (von Rhyth-
mus und Harmonie) Chorreigen. Wir finden hier das Merkmal des geordneten
Zusammenpassens und das der einheitlichen Verschmelzung miteinander ver-
knüpft. Aber hier ist nun wieder nicht zu behaupten, dass Plato speziell
consonante Töne, und ebensowenig, dass er Zusammenklänge im Auge hatte.
Wahrscheinlicher vielmehr bedeutet Harmonie hier nur eben Melodie. Nur
sofern consonante Töne die Grundlage der Melodie bilden, können wir die
Definition mit heranziehen.
An anderen Stellen weist Plato in pythagoreisierender Weise auf die
Zahlenverhältnisse hin. Wenn im Kratylus gelegentlich „das Zusammen-
stimmen im Gesang, das man Symphonie nennt", mit den Gestirnbewegungen
zusammengestellt wird, so giebt sich Plato hier allerdings mehr als Referent2).
Im VII. Buche der Republik (530 d f.) wendet er sich spöttisch gegen die,
welche die Musiklehre auf das Ohr, speziell auf die Beobachtung feinster
Unterschiede gründen wollten, ist aber auch mit den Pythagoreern nicht ganz
zufrieden, da sie zwar in den gehörten Symphonien den Zahlen nachforschen,
sich aber nicht zu den Problemen erheben, welche Zahlen symphonisch seien
und welche nicht, und aus welchen Gründen. Plato nennt dies ein gross-
artiges, göttliches Unternehmen (daiuuvtov nyäyua, nafinolv sQyov), fruchtbar
für die Erforschung des Schönen und Guten. Denn die Untersuchung über
die Verbindung und gegenseitige Verwandtschaft der Zahlen, in die er auch
die gewöhnliche Mathematik hinüberspielen will, erscheint ihm als nächste Vor-
stufe der Untersuchung über die Verbindung und Verwandtschaft der Begriffe
(Dialektik), deren höchstes Ziel wieder die Erkenntnis der Idee des Guten
') Tij öi] xrjg xivt)oeo)g xüg~ei 6v&/xog övo/xa ei'rj, xfj <5' av xfjg q>o>vfjg, xov xe ötjeog afia xal ßaqeog ovy-
xegarvuiiercor, äg/iovia ovofxa xgoaayogevouo.
2) „co? rpaoiv ot xofiywl Tiegl fiovoixijv xal äaxgovofilavli (Krat. 405 d). In der sogleich zu besprechenden
Stelle der Republik wird die Zusammenstellung dieser „ Schwesterwissenschaften " ausdrücklich gutgeheissen:
xal avxai ä'/.h)ko)v aSeXcpat nvec ai fxtoxfjfiui tivai, mg ot xe IIv&ayÖQeiol cpaoi xal f}fiüg, a> rXavxcav, !-vy-
Xaigovfiev.
16
ist. Er tritt damit hart an die Grenze des Mystizismus, wie er in der neu-
platonischen Schule um sich greift.
Auf einer ganz anderen Bahn finden wir ihn in der sehr interessanten
Stelle des Timaeus c. 37 p. 80 a f. Plato zeigt sich hier vertraut mit der
in der pythagoreischen Schule wahrscheinlich schon vor Archytas aufgekom-
menen, aber durch diesen besonders ausgebildeten1) und an Plato mitgeteilten
Lehre von der Entstehung der Töne durch Bewegungen; und er verwendet
diese Lehre zur Erklärung der Consonanz. Im Zusammenhang mit der Phy-
siologie des Athmens kommt er hier auf die Wirkung der Schröpf köpfe u. dgl.
und in dem nämlichen Satz auf die der Töne zu sprechen, „welche schnell
und langsam, hoch und tief erscheinen, und bald dissonant infolge der Unähn-
lichkeit der in uns von ihnen erzeugten Bewegung, bald consonant infolge der
Aehnlichkeit.2) Denn die langsamen Bewegungen erreichen die schon nach-
lassenden und ihnen ähnlich gewordenen der vorangehenden und schnelleren,
denen sie nachfolgen und die sie fortbewegen; indem sie sie aber erreichen,
fügen sie nicht in störender Weise eine neue Bewegung noch dazu [wie die
dissonanten], sondern sie fügen den Anfang der langsameren Bewegung an den
(lies: an das Ende) der schnelleren; und indem sie die Aehnlichkeit mit der auf-
hörenden hineinbringen, mischen sie aus der hohen und tiefen Bewegung einen
einheitlichen Zustand, infolge dessen sie den Unverständigen (sinnliche) Lust,
den Verständigen aber durch Nachahmung der göttlichen Harmonie in ver-
gänglichen Bewegungen (ästhetisches) Wohlgefallen gewähren."3)
Plato denkt sich hienach den Vorgang so, dass die den höheren Tönen
entsprechenden schnelleren Bewegungen während der Verbreitung im Organis-
J) Vgl. Mus. scriptor. p. 43 und p. 130 f.
2) Tim 80 a: xal oaoi cp&öyyoi xa%etg xe xal ßgaSelg ö^elg xe xal ßageig cpaivovxai, roxi fiev ävägfj.ooxoi
<peg6f*evoi öi avofioiözrjxa xfjg ev fjfilv vji avxcöv xivfjoewg, xoxe 8e g~v[icpo)voi 8t1 ofioiöxrjxa.
Zum Verständnis dieses Satzes muss man die an einer früheren Stelle der nämlichen Schrift
(p. 67 b) gegebenen Definitionen berücksichtigen: „Ton nennen wir den von den Ohren durch die
Luft, das Gehirn und das Blut bis zur Seele dringenden Anstoss (jiXqyi'jr), Hören die daraus entspringende
Bewegung, die vom Kopfe beginnt und in der Lebergegend endigt. Die schnellere Bewegung nennen
wir hoch (6c~etav), die langsame tief {ßagvzegav); die gleichförmige eben und glatt (r/;v 8k ofiolav SfiaX/jv
xe xal Xeiav), die entgegengesetzte rauh; die ausgiebige (noXXfjv) gross, die entgegengesetzte klein. Von
der Symphonie später." Ich habe hier 6/uoiav durch „gleichförmig" übersetzt, weil diese Bedeutung, in
der das Wort auch sonst vorkommt, hier nach den zwei beigefügten Umschreibungen offenbar gemeint
ist, während „ähnlich" bei einem einzelnen Ton überhaupt keinen Sinn hätte.
3) xag yag xwv Tigoxigwv xal &axxövo)v ol ßgadvxegoi xcvt'jaeig änojiavofievag f/Si] xe elg Sfioiov eXtjXvftviag,
alg vaxegov avxol Jigoacpegöfievoi xivovaiv exelvag, xaxaXa/ußävovai, xaxaXa^ißävovzeg de ovx älh]v ijzefißäXXovzeg
a.vexägag~av xivrjoiv, aXV ägxrjv ßga8vregag cpogäg xaxä xfjv \xeXevxr]v\ xfjg däxxovog, djioXrjyovarjg 8e 6fioiöxr\xa
jrgooäymvxeg /iiav eg~ 6g~eiag xal ßagelag Igvvexegäoarzo Ttäftrjv, ö'&ev rj8ovrjv fiev xoig aq>goaiv, ev<pgoavt'7]v 8e
xotg e'[A.(pgooc 8ta xfjv xfjg delag agpoviag fitfir/atv ev 'dvrjxatg yevojxevrjg qpogaTg jzagioxov.
Zu der vermuteten Einschaltung xeXevxtfv s. u. S. 18, Anm. 2 das Referat des Theophrast.
17
mus nach und nach langsamer werden, dass dann die langsameren Bewegungen
der tieferen Töne ihnen nachkommen, und dass daraus ein einheitlicher und
doch den früheren Bewegungen ähnlicher Zustand entsteht, den wir als Con-
sonanz empfinden. Plato nennt diesen Zustand nicht wieder eine Bewegung;
denn er mochte wol bemerken, dass der Verwandlung beider Bewegungen
in eine einzige von einheitlicher Geschwindigkeit eben auch nur ein einfacher
Ton entsprechen würde, nicht aber das, was wir als einen consonanten Zu-
sammenklang bezeichnen. Dieser, die Symphonie, erscheint ihm zwar als etwas
Einheitliches, aber doch wol nicht als etwas Einfaches, worin die beiden Töne
gar nicht wieder zu erkennen wären.
Dies ist für uns das Wichtigste in der Ausführung. Die Lehre von der
Mischung oder Verschmelzung der hohen und tiefen Töne in der Consonanz,
die später eine immer grössere Rolle spielt, tritt uns deutlich entgegen1).
Dass Plato hier von dem Eindruck gleichzeitiger Töne redet, ist zweifellos,
die ganze Erklärung hätte ja sonst keinen Sinn.
Die Beschreibung des Prozesses, durch welchen die physiologische Unter-
lage der Consonanzempfindung, jene nicht näher definirte „tt </#??", aus den
beiden Bewegungen entsteht, kann als Ausführung der im Symposion (s. o.)
gegebenen unbestimmten Andeutung oder Forderung angesehen werden. Die
physikalischen und physiologischen Voraussetzungen, auf denen die Theorie
ruht, vertragen sich nicht mit unseren Begriffen: aber ganz kann man sich
doch nicht des Eindruckes erwehren, dass etwas von Helmholtz' Lehre über
die „Störungen des Zusammenklangs" durch die Schwebungen dissonanter
Klänge und von dem gleichförmigen Abfluss des Klanges bei consonanten
Klängen hier durchschimmert. Und da Plato im Timaeus auch einzelne Klänge
in „gleichförmige und glatte" und in „ungleichförmige und rauhe" scheidet,
warum soll nicht auch die eigentümliche Rauhigkeit, die bei dissonanten
Zusammenklängen sich (zwar nicht ausnahmslos, aber doch bei obertonreichen
Klängen sehr regelmässig) findet, und die relative Glätte der Consonanzen
schon bemerkt worden sein? Plato selbst mag sie nicht beobachtet haben, da er
sinnlicher Beobachtung abgeneigt und, wie mir nach allem scheint, auch nicht
speziell musikalisch veranlagt war (dass er mit Vorliebe von Harmonie und
Disharmonie in allen Dingen redet, steht dem nicht entgegen). Aber jenen „Be-
obachtern feinster Unterschiede", die er in der Republik verspottet, ist vielleicht
J) Auch Symp. 188 a verbindet Plato aQuovla xai xgäatg, gebraucht aber hier äg/iovla im übertragenen
oder allgemeineren Sinn, indem er von der richtigen Mischung der Wärme und Kälte, Feuchtigkeit und
Trockenheit spricht.
Abb.. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 3
18
auch dieser Unterschied nicht entgangen, Plato hat davon gehört und legt
sich ihn in seiner Weise zurecht.
Von Interesse sind die hinzugefügten Bemerkungen über die Gefühls-
wirkung der Consonanz. Plato erwähnt die heute noch nicht ausgetragene
Streitfrage über die sinnliche oder intellectuelle und ethische Natur des Har-
moniegefühls und findet beide Theorien psychologisch zutreffend je nach dem
Individuum, auf welches die Musik einwirkt; obschon er natürlich in der
letzteren Wirkung das eigentliche Ziel der Musik sieht1). Die Lustwirkung
der Consonanz und die Unlustwirkung der Dissonanz gilt ihm aber nicht (wie
vielen Späteren) als Merkmal zur Definition von Consonanz und Dissonanz in
sich selbst, sondern nur eben als eine daran geknüpfte Folge.
Auf die eben besprochene Lehre aus dem Timaeus bezieht sich offenbar
der Bericht des Theophrast in den Fragmenten seiner verlorenen qwaixai dogai.
„Der Ton — so lässt Theophrast hier Plato sagen — ist eine Erschütterung
durch die Luft, das Gehirn und Blut von den Ohren bis zur Seele. . . . Con-
sonant sind die Töne, wenn der Anfang der langsamen (Bewegung) gleich ist
dem Ende der schnellen."2)
Eine letzte und bedeutungsvolle Stelle ist die viel citierte und discutierte
im VII. Buch der Leges, c. 15, p. 812, d. Plato spricht vom Musikunterricht:
„Der Musiklehrer wie der Zögling müssen die Lyra zu Hilfe nehmen, wegen
der Deutlichkeit (der festen Abstimmung) der Saiten, indem sie die Töne mit
den Tönen in Uebereinstimmung bringen. Die Heterophonie aber und die
Buntheit der Lyra (Lyramusik), wobei andere Weisen von den gespannten
Saiten, andere von dem Componisten der Melodie herrühren, indem man die
Enge zur Weite (enge zu weiten Tonschritten), die Schnelligkeit zur Langsam-
keit (schnelle zu langsamen Tonbewegungen) und die Höhe zur Tiefe als Sym-
phones und Antiphones hinzubringt3), ferner indem man gleichermassen mannich-
faltige rhythmische Verzierungen mit den Tönen der Lyra anfügt: alles der-
) Vgl. Tim. 47 d : i) 6s ägfxovia, g~vyyevelg i'yovaa cpogag zaig iv fjfiiv zfjg yvyfjg rcegiödoig, zqi /nszä
vov jzgooxgoj/isvco Movoaig ovx £<py i)8ovtjv äXoyov, xaüdneg vvv, elvai öoxsT xQrjcif,iog, uXX' all zip' yeyovvtav
ev rjfiTv aväg/xoazov xpvyfjg jzegiodov elg xazaxöofiijoir xai ovficpwvtav iavzij ovfiiuc/o; v.io Movo&v dedozai.
2) Theophr. fcagm. de sensibus 85 (ed. Wimmer III, p. 32; bei Diels, Doxographi Graeci 1879,
p. 525, 18) : ov/Äcpcovetv 6', ozav % dg/Jj zfjg ßgaöeiag oiiola >) zi] zslevzij zrjg za%eiag. Wahrscheinlich ist
hienach auch in der Stelle Tim. 80, b (oben S. 16, Anm. 3) nach xaza zijv einzufügen: zshvzrjv.
Was Theophrast nachher (Diels 527,3 f.) kritisch über diese Lehren Piatos bemerkt, ist für unsere
Zwecke irrelevant. Ueber seine eigene Tonlehre s. u. No. 5.
3) . . . . z))v <5' ezsgocpwviav Hai noixdiav zfjg Ivgag, cilla fisv /libj zcöv xogömv letacöv, dXXa de zov
ztjv fizlioblav g~vvdivzog tzou]zov, tcal örj xal xvxvöztjza (A.av6zt]zi xai zäyog ßgaövzfjzi xai 6g~vzr)za ßagvztjzi
^Vficpcovov xai dvzicpwvov xageyofiivovg x.z.X.
19
artige dürfen wir denen nicht zumuten, die in drei Jahren sich das Brauchbare
an der Musik cursorisch aneignen sollen."
Ueber die Stelle hat sich schon Bürette ausführlich verbreitet. Stallbaum
schrieb eine besondere Abhandlung darüber1). Beide wollten zeigen, dass
daraus für die Mehrstimmigkeit in der griechischen Musik nichts folge. Neuer-
dings wurde sie von dem Neugriechen Demetrius Sakellarios Wort für Wort
commentiert2). Ich habe sie möglichst wörtlich übersetzt, in der Uebersetzung
aber zugleich meine Auffassung der verschiedenen Punkte angedeutet. Soviel
ist unleugbar, dass die Instrumentalbegleitung bei dieser Vortragsart sich in
einer freien und im allgemeinen nicht übereinstimmenden Weise zum Gesang
verhielt. Auch scheint im Text angedeutet, dass dem Spieler die Noten hie-
bei nicht vom Componisten der Melodie vorgeschrieben waren, sondern dass
er improvisierte. Er bediente sich dabei auch engerer Intervalle als die Stimme
(unter einem Halbton), rascherer Tonbewegungen und höherer Töne.
Insoweit stimme ich mit Sakellarios überein, der die drei genannten
Punkte noch näher erläutert. Wenn dann weiter von noixiXfiara tujv (wd-fiviv
gesprochen ist, so brauchen wir dies nicht als eine überflüssige Wiederholung
zu betrachten: denn raschere Tonbewegung ist nicht dasselbe wie mannich-
faltiger Rhythmus. Plato scheint mir bei den noixiXfiara speziell an Verzie-
rungen zu denken, wie solche auch für die alte Musik unter bestimmten
Formen bezeugt sind.
Die Hauptfrage bleibt aber die richtige Auslegung der Worte ^v/Licpcoror
zal avx ic/ ujvov. Sakellarios und Westphal beziehen sie mit Bürette auf alle
drei vorausgehenden Gegensatzpaare. Es ist mir wahrscheinlicher, dass sie
nur zu dem letzten (Höbe und Tiefe) gehören. Doch bleibt die Meinung in
beiden Fällen im Wesentlichen dieselbe: die Töne des Instruments sind zum
Gesänge symphon und antiphon.
Unter symphon verstehen nun Alle: consonant. Dagegen antiphon
soll nach Bürette, Forkel und sämtlichen Neueren nicht etwa dissonant
bedeuten, sondern das Octavenintervall; und zwar auf Grund einer Stelle
in den sog. aristotelischen Problemen (XIX, 39). Sakellarios, der ebenfalls
diese Auffassung zu Grunde legt, bemerkt jedoch sehr mit Recht, dass dem
Sinne nach von dissonanten Intervallen die Rede sein müsste. Ueberall
x) G. Stallbaum, Musica ex Piatone secundum locum legum VII, p. 812. Programm der Leipziger
Thomasschule 1846.
2) Bei Westphal, Griech. Harmonik u. Melopoeie (Rossbach und Westphal, Theorie der musischen
Künste der Hellenen II. Bd.), 3. Aufl.. 1886, S. 102 f. Ebenso in Westphal's Ausgabe des Aristoxenus
II. Bd. (1893) S. LXXVII f.
3*
20
sind ja an unserer Stelle Gegensätze zusammengestellt, die ganze Fügung der
Diction lässt nichts anderes hier erwarten. Auch wäre es mehr als wunder-
lich, es wäre ein Musterstück unlogischen Denkens, wenn Plato von Consonanzen
und Octaven spräche, da ihm doch die Octave in erster Linie selbst zu den Con-
sonanzen gehört. Deswegen vermutet Sakellarios und mit ihm Westphal hier
diacpwvov statt avrixpojvov.
Meiner Meinung nach ist diese Conjectur unnötig. Es ist eine völlig
haltlose Annahme, dass avi Lipwv ov hier etwas anderes bedeute
als eben dissonant. Ueberall sonst gebraucht Plato dieses Wort ab-
wechselnd und gleichbedeutend mit diacpwvov, als Gegensatz zu av^Kfiovov,
wenn er es auch in spezifisch-musikalischer Bedeutung nur an dieser Stelle
benützt1). J läcpvoi'ov als technischer Ausdruck für dissonant scheint zu Plato's
Zeit noch nicht festgestanden zu haben. Noch Aristoteles scheint keinen festen
Ausdruck für dissonant zu besitzen, wenigstens kommt in seinen Schriften keiner
vor. So ist es nicht im Geringsten zu verwundern, wenn Plato hier den seinem
sonstigen Sprachgebrauch naheliegenden Ausdruck dvT.icpojvov als Gegensatz zu
ovjLMpayvoy verwendet. Er hätte ebensogut dicapüjvov sagen können, es ist Zufall,
dass er das Synonymon gewählt hat.
Die einzige Autorität, auf Grund deren man von dieser im Grunde selbst-
verständlichen Auffassung abwich, sind die sog. aristotelischen Probleme. Aber
sie stammen allen Anzeichen nach nicht oder nur zum geringsten Teil von
Aristoteles. Gerade der eigentümliche Gebrauch von avTupuivla gehört mit zu
diesen Anzeichen, und zwar lässt sich, wie ich glaube, daraus schliessen, dass
die bezüglichen Probleme ganz bedeutend später, im 1. oder 2. Jahrhundert
nach Christus, entstanden sind. Auf den platonischen Sprachgebrauch ist aus
den Problemen in keinem Fall ein Schluss zu ziehen.
Und selbst in den Problemen ist avTlqxavov nicht ohne Weiteres synonym
mit Octave. Wie könnte sonst die Frage auch nur aufgeworfen werden
(Pr. XIX, 17): „Warum singt man nicht in der Quinte antiphon?" Das würde
ja ex definitione heissen: Warum singt man nicht in der Quinte eine Octave?
Allerdings wurde zum Antiphonieren , nämlich zum Gegengesang oder zur
Wiederholung einer Melodie auf anderer Tonhöhe (das ist die Bedeutung des
Worts in den Problemen) nur die Octave verwendet; und daraus erklärt sich,
dass bei einzelnen späteren Schriftstellern die Octave selbst als antiphones (zum
Gegengesang geeignetes) Intervall bezeichnet und ihr die Quinte und Quarte
J) In den Gesetzen selbst vgl. IV, p. 717b: rä Jisgitzä aal dvziqpcova rotg t'fixgoo&ev gtj&eToi. Und
ähnlich wird an vielen Stellen anderer Dialoge bald avTupwvsTv bald diacpaveiv im Sinne von „wider-
sprechen" gebraucht, gegenüber ovfupwvstv = übereinstimmen (s. o. S. 13).
21
als Symphonien gegenübergestellt wurden. So bei Thrasyll (nach Theo von
Snryrna) im 1. — 2. Jahrhundert n. Chr., bei Porphyrius (3. Jahrh.) und bei
Byzantinern wie dem Manuel Bryennius im 14. Jahrhundert. Aber wir haben
kein Recht, diese selbst in späterer Zeit nicht allzu häufige Anwendung ohne
Weiteres in Plato hineinzutragen. In Plato's Zeit umfasst der Begriff des
avucpoorov durchaus die Octave mit, und zwar an erster Stelle; sie wird an-
geführt, wo es gilt, das Wesen der Symphonie zu erläutern1).
Dass aber selbst in späterer Zeit, als diucpiovov längst technischer Aus-
druck für das Dissonante geworden, auch avrUpiovov noch gelegentlich als
Ersatz dafür gebraucht wurde, lehrt uns die oben (S. 12 Anm. 2) angeführte
Aeusserung des Synesius1).
So ist die platonische Stelle ohne Aenderung verständlich, und wenn sie
auch keine unterscheidenden Merkmale von Consonanz und Dissonanz an die
Hand giebt, so ist sie uns doch insofern wichtig, als sie die Verwunderung
darüber beseitigen hilft, dass die Alten, wie wir immer öfter und deutlicher
bemerken werden, die Definition der Consonanz wesentlich auf Eigentümlich-
keiten gleichzeitiger Tonverbindungen gründeten. Denn es war hienach bei
der instrumentalen Begleitung des Gesanges eine Art von Zweistimmigkeit im
Gebrauche, wobei Zusammenklänge von beiderlei Art zum Vorschein kamen;
womit freilich noch lange nicht eine harmonische Begleitung im modernen
Sinne behauptet ist.
Man könnte noch etwa versuchen, unter ov^upwvov xal ävr'upwvov zu ver-
stehen: „gleichzeitig und abwechselnd". Plato würde dann bei aviupwvov an
die Begleitung zum Gesänge, bei avxupoivov an das Vor-, Nach- oder Zwischen-
spiel der Lyra gedacht haben, während über die dabei benützten Intervalle
gar nichts gesagt wäre. In diesem Falle würde die Stelle für unseren Zweck
nicht in Betracht kommen. Doch scheint mir der logische Zusammenhang
dieser Auslegung entschieden ungünstig. Denn was Plato hier unter dem Namen
der „Heterophonie" der Lyra beschreibt, bildet den ausdrücklichen Gegensatz
zu dem vorher erwähnten 7iQoo%o{)da änodidovai ra (pfrey/uara rolg (p&ey/uaoi,
worunter zweifellos (der Ausdruck kommt auch anderwärts vor) die unisone
Begleitung zu verstehen ist. Also muss man unter Heterophonie doch wol
Begleitung (gleichzeitiges Spielen) in anderen, consonanten und dissonanten,
Tönen verstehen, wie denn auch die Ausdrücke na^tyoi.ievovg und TTpoooc^uor-
xovrug entschieden darauf hinweisen.
l) Näheres über die „Antiphonie" in den Problemen und sonst s. in meiner Arbeit: Die pseudo-
aristotelischen Probleme über Musik, in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1896, S. 25 f., 65 f.
Ferner vgl. unten No. 8 und 11.
22
Rückblickend finden wir bei Plato die Merkmale des Zusammenpassens,
der einheitlichen Verschmelzung, des mathematischen Zahlenverhält-
nisses und bestimmter Bewegungsverhältnisse. Natürlich lassen sich
alle diese Merkmale auch in Zusammenhang mit einander bringen. Aber
schwerlich kann man sagen, welches für Plato als das primäre galt und ob
zu allen Zeiten seines Schriftstellerns das nämliche.
4. Aristoteles.
Aristoteles gebraucht avtixpiovia bereits fast ausschliesslich als technischen
Ausdruck für die Consonanz der Töne. Nur hie und da findet sich die all-
gemeinere oder metaphorische Anwendung (so Pol. 1334, b, 9). In der Topik
(123, a, 33 und 139, b, 32) erklärt er, sicherlich mit Hinblick auf Plato's Vor-
liebe für den Ausdruck, man müsse Acht geben, ob nicht eine blosse Metapher als
Gattungsbegriff ausgegeben werde, wie wenn man die niocpQoavvi] eine ovu(piovla
nenne. Jede Gattung werde im eigentlichen Sinn von ihren Arten ausgesagt,
die Symphonie aber von der Besonnenheit nur metaphorisch, denn Symphonie
finde sich nur in Tönen. Auch avfjupmvos erscheint jetzt nur selten in über-
tragenem Sinne, häufig dagegen doch avinfoivüv und dioupuivtir1). Für die
musikalische Dissonanz findet sich bei Aristoteles überhaupt kein eigener Aus-
druck, er sagt nur einmal: Xverai i) GVfitpujvia (p. 424, a, 30 — 32). Dass er
bei gegebener Veranlassung dimpiovia dafür gebraucht hätte, ist nach der
sonstigen Gegenüberstellung (cf. Pol. VII, 13, p. 1331, b, 30) anzunehmen. 'Avil-
(pcovog findet sich nur in den unechten Problemen, und da, wie bereits erwähnt,
in ganz anderer Bedeutung.
Einmal setzt Aristoteles die Symphonie der Homophonie gegenüber und
zwar als das Vorzüglichere, ja einzig Richtige; wo er nämlich gegen die Güter-
gemeinschaft und überhaupt gegen die übertriebene Uniformierung des Staates
auftritt. Ein solcher Staat, sagt er, wäre kaum mehr ein Staat zu nennen,
„wie wenn einer die Symphonie in Homophonie oder den Rhythmus in Einen
(gleichförmigen) Schritt verwandelte"2). Wollte man hier oviKpwtna im Sinne
von Mehrklang fassen, so würde folgen, dass der damaligen Musik Mehrklänge
durchaus wesentlich gewesen seien. Aber richtiger werden wir annehmen, dass
Aristoteles hier nur den Gebrauch von verschiedenen Tönen überhaupt, auch
wenn sie aufeinanderfolgen, und auch wenn dissonante Intervalle dabei vor-
1) Pol. VII, 15, p. 1334, b, 9 heisst es in ganz platonischer Weise: zavza (nämlich q>vaig, s&og und
Xöyog) yag ösT jiqoq akhjla ovfMpwyeTv ov/j,q>cov£av zip' dgiazrjv.
2) Pol. II, 5, p. 1263, b, 34: wotisq xäv el' zig zrjv avfxcpoiviav noirjaeisv 6/.io(pcoviar i) zov Qv&fiov
ßaaiv fziav.
23
kommen, im Sinne hat, dass er also den communistischen Staat mit einer
Melodie auf Einem Ton vergleicht.
Längere Ausführungen über die Prinzipien der Musiktheorie finden wir
bei Aristoteles nicht. Er soll nach Diogenes Laertius eine eigene Schrift über
die Musik verfasst haben, und vielleicht ist das, was Plutarch De Mus. c. 23
unter seinem Namen anführt, dieser Schrift entnommen. Diese Stelle beginnt
mit einer Lobpreisung der Harmonie in gut pythagoreischem Stil1), um dann
sofort zur Besprechung der einzelnen Zahlenverhältnisse überzugehen. Wir
erfahren sonst nur noch, dass der „Körper der Harmonie" (wahrscheinlich sind
die Töne selbst damit gemeint, im Gegensatz zu den Zahlenverhältnissen) aus
ungleichen Teilen (hohen und tiefen Tönen) bestehe, die aber miteinander sym-
phonieren.
Wir sind daher auf die Definitionen der Symphonie und die sonstigen
Aeusserungen darüber angewiesen, die sich in den Zusammenhang der ari-
stotelischen Untersuchungen eingestreut finden.
In einer ersten Reihe von Stellen giebt Aristoteles eine pythagoreisierende
Erklärung. So bringt er in den zweiten Analytiken als Beispiel dafür, wie
die Frage nach dem Wesen mit der nach der Ursache zusammenfalle, die Definition
der Symphonie als eines Zahlenverhältnisses zwischen einem hohen und
einem tiefen Ton3). Wir vermissen hier freilich die spezifische Differenz, wo-
durch sich Consonanz von Dissonanz unterscheidet, denn auch diese ruht ja
auf einem Zahlenverhältnis. In einer weiter unten zu besprechenden Stelle
(De sensu p. 439, b, 32) wird das unterscheidende Merkmal erwähnt: das Ver-
hältnis muss ein leichtfassliches (evkoyiOTog) sein. Noch kürzer dagegen fasst
sich Aristoteles an einigen Stellen der Metaphysik4): Symphonie ist ein Zahlen-
verhältnis. Und in der Schrift über die Seele wird sie gelegentlich überhaupt
nur als ein Verhältnis, loyog, bezeichnet.
Zugleich erscheint aber hier, wo es auch auf sinnenfällige Merkmale
ankommt, der Begriff des aiy.rov und der (M§ig, einer Mischung der Töne,
und wird die Mischung, bei der ein gewisses Verhältnis sich findet, als Grund
einer besonderen Annehmlichkeit bei allen Sinnesempfindungen hingestellt5).
1) i) de aoßorta iailv ovoavia rrjv (pvaiv e%ovoa deiav xai xaXi/r xai öat/wviav.
2) oWBOtdvat <Y avriji xö awfia ileyev ex /xegwv dvo/uoicov ov/KporovvTcov jj.evxoi ngog alh]la.
") Analyt. post. 90, a, 19: h>yo? amdu&v ev 6~eX >) ßaoeT. So der Bekker'sche Text. Aber r) ist
vollkommen sinnlos und muss mit cod. D durch xai ersetzt werden.
*) Met. 991, b, 13 und 1092, b, 14: Myos doiOiiwv.
6) De anima III, 2, p. 42 i, a, 27 f.
Hier hatte Aristoteles auseinandergesetzt, dass der Ton und das Hören, Inhalt und Akt des
Empfindens, in gewissem Sinn Eins, in gewissem Sinn zweierlei sei, und will nun weiter zeigen, dass
24
Dieser Begriff der Mischung nun wird an anderen Stellen als wesentliches
Merkmal der Symphonie bezeichnet, So Metaph. 1043, a, 10: „die Symphonie
ist eine bestimmte Mischung (,ul§ig joiadi) eines Hohen und eines
Tiefen." Aristoteles will hier seinen metaphysischen Begriff der Form (hvtQytia)
jede Sinneswahrnehmung ein Verhältnis sei. „Wenn die Symphonie eine Art Klang, Klang und Hören
aber gewissermassen eins und die Symphonie ein Verhältnis ist, so ist notwendig auch das Hören eine
Art Verhältnis." Der überlieferte Text des ersten Satzes lautet bei Bekker: ei <5' ■>) ov/ucpcovi'a <p<ovfj zig
eaziv, fj de cpcovrj xal fj axofj eoziv d>g ev eozi xal eoziv &>g oi% k'v zo avzö, X.öyog <5' fj ovficpcovia, aväyy.rj y.ai
zijv axorjv Xöyov ziva sivai.
Die Worte xal eoziv .... avzö klammert Torstrik (Arist. De an. p. 80 mit 168) mit Recht ein; sie
«•ehören nicht in den Nexus des Beweises, führen nur irre und sind sicherlich von einem Abschreiber
hineingesetzt, um die Stelle mit der vorhergehenden in eine äusserliche TJebereinstimmung zu bringen.
Die Folgerung selbst hat den Auslegern allezeit Not gemacht, insofern sich doch eigentlich nur
für das Hören der Symphonie, nicht für jedes Hören, ergeben würde, dass es ein Verhältnis sei. Tren-
delenburg will (Arist. De an. p. 439) cpwvfj und ovfj.<pcovi'a umstellen und nun mit Simplicius und Philoponus
cpcovrj als Subject fassen. Aber es ist ja doch nicht die Stimme oder der Klang (wie man richtiger über-
setzt, da von dem Inhalt der Gehörsempfindungen die Rede ist) ein besonderer Fall der Symphonie
{ovncpwvla zig), sondern die Symphonie ist ein besonderer Fall des Klanges (cpmvfj zig).
Der Gedankengang ist vielmehr mit Torstrik (p. 167) durch die Erwägung zu ergänzen, dass sich
an dem ausgezeichneten Fall der Symphonie die Natur des Hörens überhaupt erkennen lasse (maxime
est xazä <pvoiv). Damit wird die Argumentation formell correct.
Aristoteles fährt nun fort: „Deswegen (weil die Sinnesempfindung ein Verhältnis ist) verdirbt auch
schon jeder Ton für sich allein, sowol der hohe wie der tiefe, bei allzugrosser Stärke {vxeoßäXXov) das
Gehör; ebenso beim Geschmack" u. s. w. Er geht hier offenbar von dem Xöyog, der in einem bestimmten
Mass- oder Zahlenverhältnis der einzelnen gleichzeitigen Empfindungen (bezw. physiologischen Erregungen)
zu einander besteht, zu dem Xöyog über, der in der Angemessenheit einer einzelnen Empfindung (Erregung)
zum Organ besteht, indem sie eine gewisse Stärke oder Dauer nicht überschreiten darf, ohne diesem
zu schaden. Man kann nicht leugnen, dass er sich mit dieser mehrdeutigen Fassung des Xöyog, wie über-
haupt in der ganzen Ausführung bedenklich der jüngstverflossenen „Relativitätslehre" nähert. Vgl. hiezu
auch De an. II, 12, p. 424, a, 30: sav yag fj toyvQOTega rov alodijztjQiov fj xlvqoig, Xvezai 6 köyog (zovzo cV >/>■
fj aioOrjaig — dies ist einzuklammern), wojisq xal fj ovpupmvia xal 6 zövog xgovofievcov cxpödoa z&v %oqbG>v.
Endlich fügt Aristoteles zur weiteren Bekräftigung bei: „Deswegen sind auch angenehm die
Empfindungen (Inhalte), wenn sie rein und unverrnischt auf das (dem Organ angemessene) Verhältnis
gebracht werden, wie der hohe Ton oder das Süsse oder das Salzige, (nur) dann nämlich sind sie angenehm.
Im Allgemeinen aber ist mehr das Gemischte angenehm als das Hohe oder Tiefe."
Nehmen wir den letzten Satz zunächst in der Form hin, wie ich ihn in der Uebersetzung gestaltet
habe, so ist alles leicht verständlich. Die Annehmlichkeit der Empfindungen wird als weiteres Zeugnis
für den behaupteten Xöyog angeführt. Einzelne Empfindungen für sich sind angenehm, wenn sie ohne
störende, das Organ angreifende Beimischung dargeboten werden (z. B. Töne ohne starke Geräusche, ohne
stossende Unterbrechungen, speziell hohe Töne ohne die gewöhnliche zu grosse Intensität und Schärfe).
Die Hauptannehmlichkeit aber resultiert aus der Verbindung mehrerer gleichzeitigen Empfindungen in
bestimmtem Verhältnis, wie bei der Symphonie, also aus dem Xöyog im ersten Sinne des Wortes. Dass
dieser Gedanke auch sonst von Aristoteles ausgesprochen wird, haben Trendelenburg und Torstrik bereits
betont; wie er denn auch mit seinen metaphysischen Begriffen stimmt (die iiT$~ig entspricht der ivzs-
Xsysia, die Elemente der vXr\, s. das im Text sogleich Folgende).
Aristoteles kommt mit dieser Wendung (SXtog de) wieder zu demjenigen X.öyog zurück, von dem er
ausgegangen, speziell zum Höhen Verhältnis zweier Töne, bei welchem ja jeder zugiebt, dass es den
Grund der Annehmlichkeit enthält. Ich kann nicht mit Trendelenburg finden, dass er von der Thesis des
Kapitels .selbst immer weiter abschweift. Alles wird schliesslich zum Beleg dafür verwendet, dass Ton
25
erläutern und kritisiert zuerst den Demokrit, der neben der gleichförmigen
Materie nur die drei Prinzipien der Gestalt, Lage und Ordnung zur Erklärung
aller Verschiedenheiten annahm, während es noch sehr viele gebe, wie avv-
d-töig, jLu^tg, xyäaig, deo^iog, y.ollct, yo/ucpog, Otoig, XQovog, ronog. In diesen Ver-
bindungsweisen liege das Wesen des Verbundenen als solchen, und wenn wir
dieses definieren wollen, geschehe es durch jene; z. B. das Eis werde als ein
in bestimmter Weise verdichtetes Wasser definiert, die Symphonie als eine
bestimmte Mischung eines hohen und eines tiefen Tones. Das Analogon dazu
nun, wenn es sich nicht um Verbindungen, sondern um Substanzen selbst
handelt, sei die substanzielle Form.
Es wird für das Verständnis dieser Definition dienlich sein, wenn wir den Begriff der
juT^ig, der hier primär auf äussere körperliche Vorgänge bezogen und nur nebenbei durcb
die Symphonie als Empfindungsmischung illustriert wird, auch in seiner Bedeutung für die
Körperwelt nach Aristoteles kurz in's Auge fassen. Aristoteles setzt [ü£ig und xquois gemein-
schaftlich der blossen ovvfteoig, der äusserlichen Juxtaposition der Teile zweier Körper, gegen-
über. Bei einer Mischung wird aus verschiedenen, ja entgegengesetzten Stoffen ein neuer
einheitlicher Stoff, der in sich selbst gleichartige Teile besitzt. Nur der Möglichkeit nach
sind die früheren Stoffe darin noch enthalten, sofern sie wieder daraus entstehen können.1)
und Hören in gewissem Sinne eins sind, indem gezeigt wird, dass die daraus folgenden Consequenzen in
der Erfahrung zutreffen.
Nun weicht aber unsere Uebersetzung der Stelle im letzten Satz vom überlieferten Text ab. Dieser
lautet (426, b, 5): „oAoyg de fiäXXov ro fiixiov ov/Acpcovla fj xo dg~v rj ßagv. äcpt] de zo fleg/iavTdv y tpvxröv'
fj 5' ato&rjoig 6 Xöyog' vjteoßä?J^ovza de Avnel r) (p$eigei.a
Hier ist vor allem av^icpcovla, als Prädicat gefasst, vollkommen sinnlos, da der einzelne Ton doch
nicht weniger Symphonie ist als die Verbindung, sondern gar nicht (v. Jan hat den Satz trotzdem so
stehen lassen, Mus. sc. p. 18). Man muss also mit Torstrik t'/dv als Prädicat ergänzen und dafür ov/i-
<po)via streichen.
Torstrik will alles von av/icpoivia bis xpvxröv streichen, als Randbemerkung und späteres Einschiebsel
von Abschreibern. Für den Satz ä<pt] de möchte ich ihm beistimmen. Soll dieser auch nur in sich selbst
verständlich werden, so muss (mit Philoponus und Simplicius) äcpfj gelesen und i'/dv ergänzt (eigentlich
auch genauer deg/ndv xal x/jvxqöv gesetzt) werden. Aber der Satz hat hier überhaupt nichts zu thun;
es ist ja jetzt von der Annehmlichkeit der Mischempfindungen, nicht des Warmen oder Kalten die
Rede. Wahrscheinlich hat Jemand, da Aristoteles vorher in den Beispielen für Einzelempfindungen
zufällig den Tastsinn nicht erwähnte, diesen am Rande dazugefügt, die Bemerkung gehört aber dann
eine Zeile höher, nach yXvxv 1} cdpvgov. (Trendelenburg übersetzt, um den überlieferten Text zu halten,
sehr kühn: „Mixta, quippe quae concentus, gratiores sunt quam mera, ut auditui acutum vel grave,
fcactui calidum vel frigidum." An der Uebersetzung kann man wenigstens sehen, welche Veränderungen
nötig wären.)
Ich glaube aber weiter, dass man auch noch die folgende Zeile streichen muss: >] <5' ala&rjaig 6
(dieses 6 ist auch wieder sinnlos) ).6yog cp&eigei. Das klingt wie ein Excerpt des Gedankenganges
der ganzen Ausführung, das sich Jemand an die Seite geschrieben hat. Wie es mit de hier anschliessen
kann, ist unerfindlich.
J) Ausführlich handelt Aristoteles von der /«;<; und den Bedingungen ihres Eintretens De gen. et
corr. I, c. 10. Die Untersuchung schliesst mit der Definition: t) de /uT|«? rü>v /uixtwv aXXoicoftev-
xoiv evcoatg.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XXI. Bd. I. Abth. 4
26
Es giebt allerdings auch eine blos scheinbare Mischung, fufig ngög t))v ai'a&ijoiv, wobei
durch Nebeneinanderlagerung sehr kleiner Teilchen für unsere Sinneswahrnehmung der Ein-
druck eines neuen einheitlichen Körpers entsteht. Aber von dieser ist die wirkliche Mischung
wol zu unterscheiden1). Aristoteles hält also das atomistische Erklärungsprinzip für die
chemischen Vorgänge nicht für ausreichend.
Um hier zunächst wieder einen Blick auf unsren Hauptbegriff zu werfen, so scheint
Aristoteles gerade bei der Definition der „ Harmonie" einmal den Gegensatz der /xX^ig und
der avv&eaig zu ignorieren, indem er die Harmonie ein Mischungsverhältnis oder eine Syn-
these nennt (De an. I, 4, p. 407, b, 32 Xöyog xig xcöv fju%&evta>v f} avv&eaig). Doch spricht
er hier in Wirklichkeit nicht von der Consonanz, sondern von Harmonie in dem etwas vagen
Sinne der Lehre, die er bekämpft, wonach auch die Seele eine Harmonie sein sollte (s. o. S. 7),
und gebraucht demgemäss auch avv&eaig in allgemeinerem Sinne als sonst.
Während er nun der avv&eaig die pl^ig und xgäoig gemeinschaftlich gegenüberstellt2),
werden gelegentlich auch die beiden letzteren Begriffe noch von einander unterschieden und
einander gegenübergestellt3); und zwar wird juT^ig als Gattungs-, xgäoig als Speciesbegriff
bezeichnet, sodass also nicht jede jui£ig eine xgäoig ist (wol aber, so muss man consequent
ergänzen, jede xgäoig eine /ui£ig). Das Trockene mische sich, verschmelze aber nicht*).
Welches nun aber die positiven Unterscheidungsmerkmale dieser beiden Vorgänge nach
Aristoteles eigentlich sind, dürfte schwer klarzustellen sein.
In einer Abhandlung seines Commentators Alexander Aphrodisiensis n. xgdoecog xal
avt-rjoecog wird ebenfalls xgäoig als eine besondere Form der [u£ig bezeichnet. Die eine Art
der Mischung erfolge xaxä jiagädeoiv xtbv ovoi&v xal äcpr]v. Dies sei die füfig xaxä avv-
&eaiv. Die andere Art, i) co? xgäoig iiiTtjig, erfolge dadurch, dass das Gemischte nicht erhalten
bleibe und nebeneinanderliege, sondern materiell eins werde5). Bei der ersten Art denkt
der Commentator wahrscheinlich an jene scheinbare Mischung, die Aristoteles als {ük~ig Tigög
%)]v ala&rjaiv bezeichnet. Die zweite Art, die xgäoig, fällt dem angegebenen Begriff zufolge
mit der eigentlichen und wirklichen [ügig des Aristoteles zusammen. Wir erfahren daher
nichts über den von Aristoteles intendierten Unterschied zwischen filzig und y.Qäoig. In der
That giebt der Commentator die Bedingungen der xgäoig sogleich darauf in derselben Weise
an wie Aristoteles die der f.u£ig, und spricht selbst dabei bald von xgäoig bald von juitjig6).
1) De gen. et corr. 1. c. p. 327, b, 31 f., p. 328, a, 10: <pa/.iiv <5', el'jieg Sei fisfiT/J}ai zi, zo fiix&iv
ofioiofiegsg stvai, xal oJojzeg zov vdazog zo /usgog vScoq, ovzo) xal zov xgadsvzog (hier wird, wo es sich um
den Gegensatz zur ovvßeaig handelt, xgäoig und (itg~ig zusammengeworfen), äv 6' fj xaza fiixgä ovvdeoig
■>) fiTg~tg, ovdsv ov/.ißr)Oezai zovzmv, u)J.a, /.lövov fisfiiy/Lteva jzgog zijv atodtjoiv' xal zö avxö zw fisv fteftiy/.isvov,
iäv jxr) ßlexrj 6g~v, zä> Avyxei (5' ovßiv fi£/^ty/.i£vov.
2) Vgl. De gen. et corr. 328, a, 8: ovvOsoig yag sozat xal ov xgäaig ovdk /.ttt-ig. Ferner s. d. vorige
Anmerkung.
3) Unterschieden in mehreren bereits erwähnten Stellen, gegenübergestellt Met. p. 1042, b, 29: zä
ftkv fteplx&at, cd de xexgäoßai.
*) Top. IV, p. 122, b, 25: s'zi si zo yevog elg zo elSog eöijxsv, oiov zijv äxpiv ojisq avvoyj]v fj xijv /xTg~iv
ö'tisq xgäoiv .... ovzs yag fj fit^tg uxaoa xgäaig (i) yag zä>v grjgwv [A.Tg~ig ovx i'axi xgäoig) x. z. )..
6) In dem von der Berliner Akademie herausgegebenen Supplementum Aristotelicum II, 2, p. 228,
25 f. (c. 13).
6) Auch in seiner Schrift Jisgi yv^g, wo Alexander ausführlich die Definition der Seele als Har-
monie bekämpft (Suppl. Arist. II, 1, p. 24 — 26), braucht er xgäoig und fü^tg unterschiedslos oder auch in
Verbindung mit einander (xgdaei zs xal fugst 24, 19. 26, 22). Die Harmonie wird hier als ).6yog xal ovv-
27
Nach Aristoteles nahmen besonders die Stoiker diese Untersuchungen auf, und es
entwickelte sich, wie Alexander sagt, eine arge „Polyphonie" in Hinsicht der Mischungs-
lehren1). Chrysipp, dessen Theorie Alexander ausführlich wiedergiebt (1. c. p. 216, 14 f.),
unterschied drei Arten der jui^ig; die erste ist die blosse Nebeneinanderlagerung (Tzagädeoig),
die zweite ist im Gegenteil Durchdringung mit gegenseitiger Vernichtung der Substanzen
wie der Eigenschaften und Entstehung eines neuen Körpers, die dritte endlich steht in der
Mitte: Durchdringung, aber mit Beibehaltung der Natur jeder der beiden Substanzen und
ihrer Eigenschaften, weswegen sie auch wieder aus der Mischung hervorgehen können. Die
letzte Form allein nennt Chrysipp eine xgäotg%). Hiemit würde also ein Unterschied, wie
wir ihn bei Aristoteles postuliert fanden, bezeichnet sein; ob wirklich auch im Sinne des
Aristoteles, mag dahingestellt bleiben. Andere wiederum gebrauchten /utjtg und xgäoig ein-
fach synonym, ohne feinei'e Unterschiede zu machen.
Während nun Aristoteles in der Metaphysik die Mischung der Empfin-
dungsinhalte nur als Analogie für die der Substanzen anführt, auf welch'
letztere es ihm dort ankommt, geht er in der Schrift De sensu etsensibili
c. 7, p. 447, a, 12 f. auf die Mischung der Empfindungen direct ein. Er
wirft hier die Frage auf, ob man zwei Empfindungen (oder Wahrnehmungen,
was für ihn zusammenfällt) zu gleicher Zeit haben könne. Er setzt zunächst
fest, dass die stärkere Bewegung (der stärkere psychophysische Prozess, würden
wir sagen) die schwächere verdrängt, ferner dass ein Sinnesinhalt leichter für
sich allein (unlov urros) als mit anderen zusammen wahrgenommen wird, wie
z. B. ungemischter gegenüber gemischtem Wein, „oder wie die Nete für sich
allein gegenüber dem Octavenintervall (Nete und Hypate), weil sie sich gegen-
seitig verdecken {diu rb äcfai/i'Qttv ö.lh}la); dies aber geschieht bei solchem, aus
dem eine gewisse Einheit resultiert («£ wv i'v ti yiyvsrai)". Aus der Verbin-
dung jener beiden Prinzipien schliesst nun Aristoteles: dass, wenn ungleichstarke
Eindrücke zusammentreffen, auch der stärkere weniger leicht wahrgenommen
wird, als wenn er allein auftritt ; und dass bei gleicher Stärke entweder keiner
von beiden wahrgenommen wird oder ein aus beiden entstehender dritter.
„Dies letztere entsteht denn auch aus dem Verschmolzenen im Mischproducte"
(p. 447, a, 28: unty y.al yivta&ai doxtl ix x&v y.t^avvvutviov iv (p av fiiy&ujoir).
■dsaig zwv /lefity/nevcov bezeichnet (24, 29), dabei aber aQ/xovla nicht blos (wie hier) im Sinne von Symphonie,
sondern auch im Sinne von Melodie gebraucht (26,5: iv yag jiotä ow&eoei (ie).ö)v ze xal gvOiuov i) ägiiovla).
1) Suppl. II. 2, p. 216, 6. Ebenso klagt Sextus Empiricus, Pyrrk. Hyp. III, 56 (Bekk. p. 133, 25):
rro/./.n /iev ••an /.iyezat xsgl xgaoEoig, xal o%sdov dvijvvxoi TtsQt zov xgoxei/nivov axi/Ä/iazog eiül naqa zoTg
doyixazixolg azäoEig.
2) Ib. p. 216, 28: ztjv yag ovo ?; xal 7t).eiöva>v zivöiv ocofidzwv SXcov 8i ökwv avziTiagExzaoiv a?J.//).oig
ovtcag, o>g ou>£eiv i'xaazov avzwv iv zfj fitzet zfj zoiavzjj zt)v ze olxsiav ovoiav xal zag iv avzf/ jroiözyzag, Xeyst
y.Qäotv Eirai iiövrjv zü>v (jigeo)r. efvai yag tdiOV t&v xexQafiJvav to bvvaoüai %<üQi£eo&at 7iä).iv arf äV.t'jfaov,
6 iinvco; -ivEzai zw ooY^Etv iv zf} /nig~st zä xexgafiiva zag abzöiv rpvoEig.
28
Eines wird aus beiden Eindrücken, wenn sie dem gleichen Sinne (der
gleichen Gattung von Inhalten) angehören; so wird aus Hohem und Tiefem
die Symphonie. Nicht aber wird Eines daraus, wenn sie verschiedenen Sinnen
angehören, wie Weiss und Süss. Diese kann man also nicht streng zugleich
empfinden.
Im Folgenden wiederholt Aristoteles noch mehrfach nachdrücklich, dass
nur das sich Mischende (ue/uiy/uei/a) zugleich empfunden werde, und begründet
den Satz durch seine Definition der Empfindung als einer Form oder Energie.
Ein Vermögen kann immer nur Eine Form auf einmal haben.
Im Verlauf seiner Deductionen findet sich aber noch folgende merkwür-
dige und zunächst dunkle Stelle: „Auch das Gemischte kann nicht zugleich
empfunden werden. Denn die Mischungen sind Verhältnisse des Entgegen-
gesetzten; wie die Octave und Quinte, wenn sie nicht als Eins empfunden
werden. Denn dann wird das Verhältnis der Glieder eines, ausserdem aber
nicht. Denn es besteht dann zugleich das Verhältnis des Grossen zum Kleinen
oder des Ungeraden zum Geraden, und das des Kleinen zum Grossen oder des
Geraden zum Ungeraden."1)
Dies ist nur zu verstehen und in Uebereinstimmung mit dem Früheren
zu bringen, wenn man sogleich zum ersten Satz die Bedingung hinzudenkt,
die dann erst bei Gelegenheit des concreten Beispiels ausgesprochen wird :
„wenn es nicht als Eins empfunden wird". Aristoteles meint (um sogleich
die positive Seite hervorzuheben): wir können auch zwei Mischempfindungen,
von denen also jede wieder aus zwei Eindrücken hervorgeht, zugleich mit-
einander haben, unter der Bedingung, dass sie untereinander als eine Einheit
aufgefasst werden. Dies ist der Fall, wenn eine Octave und eine Quinte gleich-
zeitig gegeben werden, beim Zusammenklang e — h — e' (Octave und Quinte also
von einem gemeinsamen Ausgangston e aus gerechnet). Durch die Saiten-
längen dieser drei Töne 6, 4, 3 entsteht eine harmonische Proportion: 1/s — */4
= x/4 — Ye.2) Unter dem Grossen gegenüber dem Kleinen, welches beidemale
sich zugleich wie Ungerades zu Geradem verhalten soll, versteht Aristoteles,
so kann ich es allein auffassen, einmal 1h gegenüber Y6; das anderemal */a
J) De sensu p. 448, a, 8: ovds xä /.tefity/neva ä/na' löyoi yüg eiacv ävxixsi/uivwr, olov xo öia xaowv xai
to öia Jiivxs, av firj wg ev alo&ävrjzai. ovxcog 6' eig ?.6yog 6 xmv äxgcov yivsxai, aW.wg fV ov' eaxai yao i'iua
6 fiev noXXov TtQog ö)Jyov ?} nsQixxov JTQog agxiov, 6 <5' öklyov Jigog noki) rj dgxiov xgog xegtzzöv.
a C 11
2) Vgl. oben S. 6. Wenn nach der dort gegebenen Definition b = a -I = c , so ist ~r
ö ° ° n n a b
= — . Rechnet man statt nach Saitenlängen nach den Geschwindigkeitsverhältnissen der Saiten-
schwingungen, so wird statt h (Paramese) a (Mese) das harmonische Mittelglied. Im späteren Altertum
kamen beide Berechnungsweisen vor.
29
gegenüber 1±. Und wir müssen nun den Gedanken aus dem Vorherigen er-
gänzen, dass diese drei Werte als Glieder eines einzigen Verhältnisses auf-
gefasst werden können, indem V3 — V4 = x/± — 1/g. Aristoteles statuiert also
auch bei einem Dreiklang von dieser Art Einheit der Empfindung; und es
ist ausser dieser Lehre selbst auch noch von hohem Interesse, dass er einen
solchen Zusammenklang als etwas Bekanntes voraussetzt, wie wir's auch S. 14
— 15 bei Plato gefunden haben1).
Bald darauf kommt Aristoteles noch einmal speziell auf die Symphonie
zu sprechen, um die Meinung Einiger zu untersuchen, dass die Gleichzeitigkeit
zweier Töne immer nur eine scheinbare sei, indem sie in sehr kurzen Zwischen-
zeiten miteinander abwechselten (vgl. unten Tityi axovoiwv); was Aristoteles
für unrichtig erklärt2).
In dieser Untersuchung über die Gleichzeitigkeit von Sinnesempfindungen
hat Aristoteles bei den Beispielen aus dem Tonsinn immer nur die consonanten
Intervalle berücksichtigt. Nur bei ihnen scheint er jene Vermischung zu finden,
die für gleichzeitige Eindrücke eines und desselben Sinnes notwendig ist und die
er hier als Entstehung eines neuen Eindruckes aus den beiden (äXlt] eg äfupoh'
447, a, 27) bestimmt. Dissonante Intervalle, deren Töne objectiv zugleich ange-
geben werden, würden hienach doch wol nur als eine Succession, ein „Wettstreit"
der beiden Töne empfunden werden. Doch ist dies nicht ausdrücklich erwähnt.
Und fragen wir uns nach alledem, ob der Begriff der Empfindungsmischung,
wie ihn Aristoteles hier vertritt, ein völlig durchsichtiger, d. h. ob er hin-
l) Der einzige mir bekannte Erklärer dieser Stelle, C. v. Jan, macht sich die Deutung doch wol
zu leicht. Er fasst das y.al zwischen xö diä jraawv und xo Sia tzsvxe im Sinne von rj. Jedes Intervall
enthalte an sich schon zwei Verhältnisse, z. B. die Octave 2 : 1 und 1 : 2. Wenn man diese beiden Ver-
hältnisse zusammen auffasst, empfinde man die Mischung der Töne. Das scheint mir doch, abgesehen
von der Deutung im Einzelnen, eine verzweifelte Trivialität. Auch gilt ja diese Doppelseitigkeit schlecht-
weg allgemein, bei 254 : 379 ebensogut wie bei 1 : 2, während die Verschmelzung sich nur bei Consonanzen
findet. Sollen wir so leichtsinnige Reden dem Aristoteles zutrauen? Nach meiner obigen Auslegung
bleibt zwar immer noch das pythagoreisierende Hereinziehen der Zahlenverhältnisse in psychologische Er-
klärungen bedenklich; aber diesen Zug kennen wir bereits aus Aristoteles' Consonanzlehre, und die Anwen-
dung auf den gegenwärtigen Fall kann man nur consequent finden.
Eine erhebliche Bestätigung liefern die oben erwähnten Ausführungen des Plutarch De mus. c. 23
über die Musiktheorie des Aristoteles, worin die harmonische Proportion ausführlich besprochen wird.
Hier werden allerdings statt der Saitenlängen die Geschwindigkeiten eingesetzt (vgl. vor. Anm.) und die
harmonische Proportion fälschlich dadurch definiert, dass die Hypate (6) um ebensoviel ihrer eigenen
Grösse von der Paramese (9) übertroffen werde, wie die Mese (8) von der Nete (12). Das Referat ist hier
wol ungenau (vorher heisst es: xavxa piv xa qtjxü).
s) 448, a, 19: o Sk Xeyovai rtveg xwv negl xag av[i(fcoviag x.x.X.
Diese „Wettstreitslehre" hat auch neuerdings wieder hie und da Vertretung gefunden. Sie wurde
im Altertum, wie aus dieser Stelle hervorgeht, dadurch begründet, dass die ungleich hohen Töne zu
ungleicher Zeit am Ohr anlangen, eine Begründung, die heute nicht mehr haltbar ist. Ueber das ganze
Problem des gleichzeitigen Hörens s. meine Tonpsychologie II. Bd. § 16.
30
reichend präcis definiert sei, um jedes Missverständnis auszuschliessen, so muss
man gestehen, dass dies nicht der Fall ist. Sind nach Aristoteles die zwei
Töne bei der Octave oder der Quinte für unsere Empfindung wirklich und
vollkommen Ein Ton, sodass wir also von zweien überhaupt nur mit Rück-
sicht auf äussere Vorgänge, auf die physikalische Entstehungsweise dieser
Empfindung reden könnten? Unterscheidet sich der Eindruck c — g in nichts
von dem Eindruck eines einfachen Tons? Und liegt dieser einfache Ton, da
er doch nicht mit demjenigen zusammenfällt, den wir hören, wenn c oder g
allein gegeben wird (ällrj e| ä/Lupolv), etwa in der Mitte zwischen c und g
oder wo liegt er sonst in der Tonreihe? — Es scheint mir, dass Aristoteles
diese Fragen sich nicht zur völligen Klarheit gebracht hat.
In Hinsicht der Mischung physischer Substanzen lässt er uns, wie wir oben
sahen, nicht im Zweifel, dass er darunter das Entstehen eines neuen einheit-
lichen, in sich vollkommen gleichartigen Stoffes versteht. Und so spricht schon
die Analogie, die er ja auch selbst anführt (s. die oben erwähnte Stelle der
Metaphysik), dafür, dass auch der sg. Zusammenklang bei der Consonanz ihm
als ein vollkommen einheitlicher neuer Klang gegenüber den Einzelklängen
gegolten habe. Zu derselben Auffassung drängen ihn hier seine Ueberlegungen
über die Empfindungsmischung selbst, in welche die metaphysischen Prinzipien
auch noch hereinspielen.
Aber andrerseits macht die directe sinnliche Wahrnehmung ihre "Rechte
beständig in der Ausdrucksweise geltend. Wenn Aristoteles sagt, dass man
die Nete einzeln leichter wahrnehme als mit der Hypate zusammen, dass
aus beiden eine Art von Einheit («V n) werde, dass das Mischproduct
„eins sein will" (rb yay filyua ev ßaulerai ttvai p. 447, b, 10): so blickt
hier überall das Zugeständnis durch, dass doch die Zweiheit in dem sinnlichen
Eindruck nicht gänzlich verschwunden sei.
Man darf hier nicht etwa in der Unterscheidung von Act und Inhalt der
sinnlichen Wahrnehmung die Lösung finden wollen, darin also, dass Aristoteles
die Einheit des empfindenden Actes, aber die Zweiheit des Empfindungsinhaltes
gelehrt habe. Denn er benützt als Beispiele für die Einheit und Zweiheit
beständig eben die Empfindungsinhalte, Süss und Bitter, Hohes und Tiefes. Ihre
Einheit also ist es, die er lehrt, und ohne welche ihm auch die Einheit der Em-
pfindung als einer psychischen evfyyeta nicht möglich erscheinen würde. Eben-
sowenig darf man die Unterscheidung von Empfindung und Wahrnehmung (im
Helmholtz'schen Sinne) hier verwenden wollen: aio&rjötg ist dem Aristoteles
beides, und er giebt uns in der ganzen Ausführung nicht den geringsten Anhalt
zu dieser Scheidung.
31
Es lässt sich daher in diesem Punct kaum eine zur vollen Klarheit durch-
gebildete Anschauung bei Aristoteles constatieren, wie interessant und verdienst-
voll auch die Ausführungen sind, in denen sich eine schwierige und weittragende
Frage zum erstenmal aufgeworfen und besprochen findet.
Nun können wir zur Erläuterung einer vorhergehenden Stelle derselben
Schrift übergehen, die uns in mehreren Richtungen wertvoll ist: De sensu
c. 3, p. 439, b, 19 f. Hier finden wir eine Vergleichung der Farben mit
den Tönen. Alle Farben gelten ihm als Producte von Weiss und Schwarz
(Hell und Dunkel), und zwar können sie daraus, meint er, in verschiedener
Weise entstehen. So z. B. durch Nebeneinanderlagerung. Wenn kleinste weisse
und schwarze Teilchen so nebeneinander liegen, dass jedes einzeln unwahrnehm-
bar ist, so wird das Ganze als Mischung und in einer dritten Farbe erscheinen
(a.yuyy.i] fiixrov ti tlvai zai sWog ti xyoas trtyov). Die Verhältnisse nun, in
denen sich Weiss und Schwarz beteiligen, können sehr verschieden sein, auch
sogar solche, die sich nicht in ganzen Zahlen ausdrücken lassen. „Es wird
sich dann dasselbe ergeben wie bei den Symphonien. Die Farben, die in leicht
fasslichen Verhältnissen (gemischt) sind, werden — wie die Symphonien —
als die angenehmsten erscheinen, z. B. der bläuliche (dunkle) und rötliche (helle)
Purpur und einige wenige derartige; weswegen auch der Symphonien nur
wenige sind. " l)
x) De sensu p. 439, b, 31: zu (i,ev yäg iv ugi&fioig svkoytazoig %gwfj,uza, xadäxeg ixeZ zug ov[tq?coviag,
za i'/diara zöjv xQOfiäzcov sivai doxovvza, olov xb alovgybv xul (poivixovv xul oXlf äzza zoiavza, <5' fjvjieg aiziav
y.ai ul ov(i<f(t)viai öllyai.
Auf diese Stelle bezieht sich Porphyrius in seinem Comnientar zur Ptolemäischen Harmonik (Wallis
op. math. III, 328), ohne jedoch eine Erläuterung darüber zu geben.
Ueber das a).ovgyov, (poivixovv und verwandte Farben bei Aristoteles vgl. die im Index Aristotelicus
(Bonitz) unter cpoivixoiig angeführten Stellen. Ueber die Farbenbezeichnungen der Alten überhaupt und
speziell über die roten und blauen Nuancen: A. Marty, Die Frage nach der geschichtl. Entwickelung des
Farbensinns, S. 95 — 107. Die Schrift n. ygmfiüzwv , die im Index Aristot. mitangeführt wird, stammt
allerdings nicht von Aristoteles selbst und weicht in einigen Puncten der Farbenlehre von ihm ab, doch
scheint mir die Bedeutung jener beiden Farbenbezeichnungen dort dieselbe zu sein. Prantl (Aristoteles
über die Farben, S. 116 f.) übersetzt (poivixovv einfach durch Rot, ulovgyöv durch Blau (S. 118) oder Violett
(S. 116 —7). Dies ist schwerlich correct, da für Rot und Blau igvdgöv und xvävsov angewandt werden.
<foivixovv nennt Aristoteles die Farbe der Sonne, wenn sie durch Nebel oder Rauch gesehen wird, und
findet es auch in der Morgen- und Abendröte. Wir fassen es wol am besten als ein helles rötliches
Purpur (natürlich ohne damit sagen zu wollen, dass diese Farbe dem Aristoteles als eine subjectiv zu-
sammengesetzte galt). Durch Zumischung von Schwarz entsteht daraus, nach den bezüglichen Stellen,
zuerst das noQ<pvnovv, ein mittleres (sozusagen reines oder echtes) Purpur, dann das äXovgyovv. Letzteres
erwähnt bereits Plato Tim. 68, b als entstehend durch Mischung des Iqv&qöv mit Weiss und Schwarz
(also mit Grau). Auch beim Abklingen von Nachbildern tritt nach Aristoteles De insomn. 459, b, 16
zuerst (potvixovv, dann xogyvgovv auf. Der Commentator Olympiodor beschreibt, wie ich Prantl entnehnn'.
Ad Meteor, das (foivixovv als die beim Abklingen der Abenddämmerung entstehende Farbe; ihr folgt
Grün, dann u/.ovoyöv, endlich Schwarz.
32
Die Art der Entstehung von Farben durch Mischung, von der Aristoteles
hier zunächst spricht, ist jene oben berührte füigig nyug ri)v aio&iptv. Er
denkt sich objectiv mosaikartig nebeneinandergelagerte minimale weisse und
schwarze Teilchen, und meint, dass durch deren Einwirkung auf das Auge in
entsprechender Ferne eine neue Farbe, z. B. Purpur, entstehe. Die Empfindung
selbst ist ihm also hier wiederum durchaus einheitlich und gleichartig, ver-
schieden von den Empfindungen, die jedes der Teilchen, wenn es für sich
wahrnehmbar wäre, geben würde. Die Zweiheit ist nur objectiv vorhanden1).
Nachher erwähnt Aristoteles eine zweite Entstehungsweise der Farben aus
Weiss und Schwarz: das „Durchscheinen", wie bei den Färbungen durch Luft-
perspective oder wie wenn die Sonne durch Nebel oder Rauch cpoiviy.ovg
erscheint; endlich eine dritte, durch filzig im eigentlichen Sinne, indem die far-
bigen Körper und damit natürlich auch die Farben selbst, sich durchdringend
einen dritten einheitlichen Körper von neuer Farbe erzeugen. Der letzte
(chemische) Prozess sei die Hauptursache für die Mannichfaltigkeit der Farben.
Auch hier ist ihm die Farbenempfindung, die er als Mischproduct bezeichnet,
in sich selbst durchaus einfach.
Aus der Analogisierung der Töne mit den Farben dürfen wir nun nicht etwa
weitere Consequenzen ziehen (in Hinsicht der Entstehung, Beschaffenheit der Ton-
empfindung u. dgl.), denn eine Analogie braucht sich nicht notwendig auf mehr
als einen Punct zu erstrecken. Aber eben dieser Punct selbst liefert uns eine
Ergänzung zu den oben erwähnten pythagoreisierenden Definitionen der Sym-
Den auf die obige Stelle folgenden Satz (bei Bekker nur durch ein Komma abgetrennt; dem Sinne
nacb muss ein Punct stehen) deute ich mir so: „Oder man kann auch annehmen (>/ y.ai sc. saxiv vxokaßeh\
aus 439, b, 25 zu ergänzen), dass alle Farben in Zahlen Verhältnissen (gemischt) sind, die einen aber
geordnet, die anderen ungeordnet [Aristoteles meint, es sei denkbar, dass jede Farbe — wenigstens jede
reine, wie aus dem Folgenden zu ergänzen — durch Mischung von Weiss und Schwarz in rationellem
Zahlenverhältnis entstehe, dass aber bei den angenehmen Farben die weissen und schwarzen Teilchen in
einer bestimmten Ordnung nebeneinanderliegen, bei den übrigen dagegen ungeordnet] und dass diese
letzteren Farben, wenn sie unrein sind, es dadurch werden, dass sie nicht in (rationellen) Zahlenverhält-
nissen (gemischt) sind."
l) Ueberträgt man diese aristotelische Darlegung auf die Empfindungen selbst, so erhält man das
Prinzip , durch welches F. Brentano neuestens eine grosse Reihe von Fragen der Sinnespsychologie,
darunter auch die über Tonverschmelzung (Consonanz), in ein neues Licht zu rücken gesucht hat. Die
sg. Mischfarben (wie Orange, Violett) und nicht minder die gleichzeitigen Töne eines Accords wären
hienach in Form kleinster Teilchen in einem subjectiven Empfindungsraum mosaikartig verteilt. Das
Mosaik wäre bald ein feineres, bald ein gröberes, immer aber fein genug, um unserer Wahrnehmung
zu entgehen, obgleich es im Empfindungsinhalt selbst vorhanden wäre. Bei dieser „Atomistik (oder
Corpusculartheorie) der Empfindungen", wie man die Lehre wol nennen könnte, spielt die dem Aristoteles
fremde Unterscheidung des Empfindens und des Wahrnehmens oder des Bemerkten und des Unbemerkten
in unseren Empfindungen eine Rolle. Ich wollte hier nur auf die instructive Parallele hinweisen, ohne
mich damit als Anhänger der geistreichen Idee Brentano's zu bekennen. (S. den Bericht über den
III. internationalen Congress für Psychologie, München 1897, S. 110.)
33
phonie: während dort die Symphonie nur als Zahlenverhältnis überhaupt
bezeichnet wird, ist hier die spezifische Differenz hinzugefügt: es muss ein
leicht fassliches (evloyiorog) Verhältnis sein; und eben daraus wird die
Annehmlichkeit hergeleitet. Aristoteles verbindet hier aber auch die erste
mit der zweiten Definition , das Merkmal des loyog mit dem der /u&g, wie
dies auch schon die Pytbagoreer selbst gethan haben.
Der Begriff des evloytorov bei den Zahlen, seine Beziehung zur fu&g und
zur Annehmlichkeit (Vollkommenheit) wird auch in einer kurzen Stelle der
Metaphysik, bei der Kritik des Pythagoreismus, berührt1). Aristoteles fragt,
wie man aus den blossen Zahlen irgendwelche Vollkommenheit ableiten wolle.
Man könne etwa darauf verweisen, dass die [ugig in einer Zahl bestehe, sei
es in einer leichtfasslichen , sei es in einer ungeraden (da das Ungerade den
Pythagoreern als das Vorzüglichere galt). Aber z. B. bei einer Honigmischung
komme es doch mehr darauf au, dass überhaupt Wasser zugesetzt sei, als auf
das arithmetisch genaue Verhältnis2). Ausserdem beständen die Verhältnisse
von Mischungen gar nicht in Zahlen, sondern in einer Zusammenfügung von
Zahlen; so sei 3:2 ein Verhältnis, nicht aber 3X2.
Dass unter evkoyiorog hier nicht (mit Alexander) die gerade Zahl zu ver-
stehen ist, hat Bonitz (Arist. Met. p. 593) richtig bemerkt. Aber auch seiner
Auffassung, wonach es bedeutet „die Zahlen, die durch Multiplication leicht
erhalten werden, also die Quadrat- und Cubikzahlen und ähnliche", kann ich
nicht beitreten; da keineswegs, wie Bonitz zur Begründung sagt, im Folgenden
von solchen die Rede ist. Wir können unter evloytorog auch hier nur eben
das relativ Einfache, Leichtfassliche verstehen. Wenn man, meint Aristoteles,
überhaupt irgendwie aus den Zahlen das Vollkommene herleiten will, wird man
im Sinne der Pythagoreer es entweder in ungeraden oder in leichtfasslichen
Zahlen suchen; beide Wege aber führen nicht zum Ziel.
Ausser bei den Tönen und Farben statuiert Aristoteles auch bei Geschmäcken
und Gerüchen Mischungen, und führt auch hier analoge Prinzipien hinsichtlich
der Annehmlichkeit durch3).
1) Met. N, 6, p. 1092. b, 26 f: 'Axogijoete d' äv xig y.ai xi xo sv ioxt xo änb xcöv äoid/,iä>v xw iv ö.Qii)it<~>
elvat t/v (i'hv, rj iv evX.oyioxco t) iv xegtxxo~>. vvvl yäg ovOhr vyieivozsgov xglg xgi'a äv rj xo ftsXixgaxov y.exga-
/xsvov, dX).ä fiäXXov oxpelrjOEiEv äv iv ovOsvl "l.öyoi ov vöagkg de rj iv ägid/Xip uxquxov ov. sti ol \6yoi iv
TioooOinn äoiOiiüiv tiaiv ol x&v ut';swv, ovx iv äoiduoTg, olov xota xgög ovo, äkX' ov xglg ovo.
2) Hier scheint mir allerdings Aristoteles in der Polemik ein wenig gegen seine eigenen Prinzipien
zu Verstössen; vgl. die folgende Anmerkung.
3) Vgl. De sensu p. 442, a, 12: Die Geschmäeke sind Mischungen aus Süss und Bitter, teils in Zahlen-
verhältnisseu, teils nicht (aooioxo>g). Die angenehmen Geschmäeke sind gemischte und zwar ausschliesslich
in Zahlenverhiiltnissen gemischte. —Von der y.oämg y.al /tTgig der Gerüche handelt Theophrast ausführlich
in seiner Schrift .t. »r,nG>r c. 9 f. (ed. Wimmer, Bd. I).
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 5
34
Zurückblickend finden wir bei Aristoteles das Merkmal des (leicbtf ass-
lichen) Zahlenverhältnisses und das der Mischung, letzteres sehr in
den Vordergrund tretend und eingehend besprochen, beide mit dem der An-
nehmlichkeit in Verbindung gesetzt. Ueberall ist gleichzeitiges Erklingen
der Töne vorausgesetzt.
Gradunterschiede der Consonanz bei den einzelnen Intervallen werden von
Aristoteles nicht erwähnt. Doch ist selbstverständlich anzunehmen, dass er die
bezüglichen Lehren der Pythagoreer kennt. Gegen ihre Lehre aber, dass es
drei Symphonien gebe, erhebt er gelegentlich Widerspruch und behauptet, dass
es mehr gebe (Met. N, 6, p. 1093, a, 20 — 25). Hiebei kann er nichts anderes
im Auge haben als die Intervalle, die durch Hinzufügung der Octave zu einer
der Grundconsonanzen entstehen (Doppeloctave u. s. f.); wovon wir im Uebrigen
erst durch Aristoxenus hören.
5. Theophrast und die Schrift ntyl axovoT.wv.
Theophrast, der unmittelbare Schüler des Aristoteles, hatte eine Schrift
nt(A tuovoixfjg verfasst, aus welcher gelegentlich kleinere Aeusserungen, eine
längere Ausführung aber in Porphyrius' Commentar zur ptolemäischen Har-
monik überliefert ist1). Da werden die beiden Richtungen, die sich in der
griechischen Musiklehre entwickelt hatten, die auf die Rechnung (Vernunft)
und die auf das Gehör gegründete, sich gegenübergestellt und der letzteren
der Vorzug gegeben. Es wird ziemlich breit dargelegt, dass und warum die
Natur des Tones nicht in einer Zahl oder etwas Quantitativem (jilrj&og, nooov')
bestehen könne. Die hohen Töne seien nicht schneller und nicht stärker und
pflanzten sich ihrer Natur nach nicht weiter fort als die tiefen. Als einer
der Gründe wird angeführt, dass es bei der Consonanz gerade auf die Gleich-
heit der Stärke und das gleichzeitige Hören der Töne ankomme. Ein
stärkerer oder vorher ankommender Ton würde dadurch deutlicher als der
andere in der Mischung hervortreten, was nicht sein soll. Er würde den Sinn
occupieren, während der andere (tiefere) immer zu kurz käme. Dies scheint
mir wenigstens der offenbare Sinn des Textes, wenn auch der Wortlaut hie
und da Schwierigkeiten bietet2).
J) Wallis Op. math. III, p. 240 unten bis 244. Theopkr. ed. Wimmer III, p. 185 f. (fragm. 89).
Porphyrius ist so überzeugt durch diese Ausführungen Theophrasts, dass er ihm sogar gegen Ptole-
milus Recht giebt.
2) Wall. p. 242 (Wimm. p. 188, fr. 89,7): nwg yag av ov/nqpcovoi iyiyvovxö rive? cpdöyyoi, et /ui) iaöxtjg
i)v; aovyxgixov yag xö nXeova^ov , tu yag vnigixexgov VJieg xtjv jiiT^iv dtdörjkov ycyvsxai woxs ocpezsglQsoßai
zi]v al'adrjoiv, et« (hier schaltet Wimmer mit Unrecht /<»; ein) fiEiovsxxovvxog xov ßagvxegov' ukV exsi iaxi
xi ovfJLcpcovov loöxrjxa 8>]kovv ä/.icpoTv xolv (pdöyyoiv, looxrj? toxi xwv övväiiecov , öiacpsgovoa xfi idioztjxi Exaxega.
35
Die unter den aristotelischen Werken überlieferte Schrift neyl dxovariov,
die nach deutlichen Anzeichen nicht von Aristoteles selbst herrühren kann, aber
ebenso gewiss nicht lange nach ihm, wol als das Werk eines Schülers oder
Anhängers entstanden ist1), untersucht hauptsächlich die Modificationen der
Gehörsempfindung, die wir als solche der Klangfarbe bezeichnen, kommt aber
auch auf das Phänomen der Consonanz zu sprechen (Arist. op. Bekk. 801, b, 15):
„ Wir verstehen besser, wenn wir Einen allein sprechen hören, als wenn Viele
zugleich dasselbe reden, und viel weniger (verstehen wir), wenn man zugleich
die Flöte und die Lyra dazu spielt, weil die Töne der Stimmen in die der
Instrumente untertauchen {ovyxüo&ai rag (pcovag vtio rwv eteqvov). Nicht am
wenigsten aber ist dies (das Verdecken eines Tons durch andere) deutlich bei
den Consonanzen: denn hier zeigt sich, dass beide Töne sich gegenseitig
verdecken" (auxfOTtQovg yo.y djroxfjvnTeo&ai rovg i\%ovg av^ißaivei vrC ällfawv).
Hiezu vgl. oben S. 27 bei Aristoteles: ayaviQziv akkr(ka.
Weiter findet sich hier eine psychophysische Theorie der Wahrnehmung
von Consonanzen, in welcher Gedanken aus dem platonischen Timäus weiter-
gebildet erscheinen (803, b, 26 f.). Es wird zuerst das Prinzip aufgestellt und
an Beispielen der Klangfarben- und der Höhenunterschiede erläutert, dass die
Bewegungen der Luft sich in jeder Beziehung nach der Beschaffenheit der
Stösse richten, die ihr vom schallgebenden Körper zu teil werden, und dass
dann wieder durch die Luftbewegungen die Beschaffenheit der Töne für das
Gehör bestimmt ist. Unter den Luftbewegungen sind hier aber, wie bei den
Alten überhaupt, nicht Schwingungen im Sinne der jetzigen Physik, sondern
Den letzten Satz verstehe ich so: Bei der Consonanz sind die beiden Töne gleich, d. h. es
besteht quantitative Gleichheit der Kräfte, während sich diese Kräfte in Hinsicht der Qualität (Tonhöhe)
unterscheiden. Es soll hiemit eine Voraussetzung für die Symphonie, nicht aber ihr Wesen angegeben
werden, welches nach Theophrast augenscheinlich in der /rfsig besteht. Diese gleichmässige Mischung
würde eben, meint er, verhindert durch ungleiche Stärke der Töne. In keinem Fall darf unter der «jo'tjjs,
welche Theophrast hier von den symphonen Tönen verlangt, Gleichheit der Tonhöhe verstanden werden
(wie dies z. B. Jan Mus. scr. p. 85 thut, indem er die Stelle als Parallele zu Probl. 14 anführt). Nicht
einmal die Lehre von der Aehnlichkeit der Octaventöne ist bei Theophrast zu finden.
Im Folgenden kommt Theophrast wieder auf die weitere Hörbarkeit der hohen Töne zu sprechen.
Sie erkläre sich nicht aus der grösseren Stärke oder Schnelligkeit, sondern aus der grösseren qualitativen
Deutlichkeit, ähnlich wie das Weiss unter den Farben deutlicher sei und sich von der Umgebung besser
abhebe (8ta tijv jrodg xä xegi$ avofioiÖTrjTa, wo Wimnier wieder verkehrt 6ixoi6xr\xa schreibt). Theophrast
hätte hier wol auch die Thatsache in Frage stellen können. Vgl. über die Unterschiede der Hördistanz
und der Stärke m. Tonpsychologie I, 206, 208 f., 365 f., 426.
Endlich folgert er, dass dem höheren Ton auch nicht grössere Schnelligkeit zukomme, weil er
sonst das Gehör vorher in Beuchlag nähme und keine Consonanz entstände (aiA' ovdi xä%ei äv öia<peQoi
6 o^vg' xgoxaxalctfißävexo yäo äv xrjv ay.otjv, öjoxe /xq yt'yvEö&ai ovficpowov).
x) Jan (Mus. scr. p. 50—55) weist mit beachtenswerten Gründen auf Heraclides Ponticus hin.
Diels (Sitz.-Ber. d. Berliner Akad. 1893, S. 114, Amn. 5) vermutet Strato oder seine Schule.
5*
36
fortschreitende Bewegungen der Luftteilchen zu verstehen. Dann wird eine
scheinbare Ausnahme von jener Parallelität erklärt: „Die Schläge der Luft, die
von den Saiten stammen, sind zwar viele und getrennt von einander, aber wegen
der Kleinheit der Pausen nimmt das Gehör die Unterbrechungen nicht wahr
und es scheint uns Ein continuierlicher Ton zu sein; wie auch bei den Farben,
wo häufig das Getrennte uns zusammenzufallen scheint, wenn es sich schnell
bewegt1). Das Nämliche zeigt sich bei den Consonanzen: indem nämlich die
einen der Töne (es sind die elementaren Tonempfindungen gemeint, die den
einzelnen Anstössen entsprechen) von den anderen rings mit umfasst werden
und ihre Pausen coincidieren, entgehen uns die zwischenliegenden Töne. Es
erfolgen nämlich bei allen Consonanzen die Luftstösse der höheren Töne öfter
(als die der tieferen) wegen der (grösseren) Schnelligkeit der (Saiten-) Bewegung.
Der letzte der (höheren) Töne aber fällt für das Gehör zusammen mit dem
von der langsameren Bewegung stammenden (tieferen); sodass wir, da wir die
zwischenliegenden Töne wie gesagt nicht wahrnehmen können, beide Töne
zugleich continuierlich zu hören glauben."2)
Was der Verfasser hier über die Consonanzen scharfsinnig ausführt, stützt
sich auf die (auch neuerdings von Spencer und Taine vertretene) Lehre, dass
unsere Tonempfindung aus ebensovielen discreten Elementarempfindungen be-
stehe, als Luftstösse unser Ohr treffen. Bei der Octave kann das Verhalten
der Luftstösse, also der Elementartöne, durch die Figur ' dargestellt
werden , aus der auch die ganze Stelle ohne Weiteres verständlich wird.
Zwischen je zwei Stösse des tieferen Tons fällt einer des höheren. Die Em-
pfindungselemente des höheren werden also von denen des tieferen „rings mit
umfasst". Aber die „zwischenliegenden Töne" (Empfindungselemente des höheren
Tons) nehmen wir wegen ihres schnellen Vorübergehens und weil jede Unter-
*) Wir Heutigen können dabei an den Farbenkreisel denken. Aristoteles selbst hatte übrigens
das Prinzip, dass kleinste Zeitunterschiede un wahrnehmbar bleiben, nicht anerkannt: p. 448, a, 24. (Auf
diese Stelle hätte Jan 1. c. 51 — 52 hinweisen können, um den Unterschied in der Tonlehre beider Autoren
aufzuzeigen, nicht aber auf De An. II, 8, p. 420, a, 3, wo nur der stetige Zusammenhang der Luft zwischen
dem tönenden Körper und dem Gehör als Erfordernis des Hörens behauptet ist.)
2) 803, b, 40: zo de avzo ovfißaivei zovzo .-rsgl zag av/Mpmvlag. 8iä ydg zo mgiovyxaza/M/itßdveo&ai
zovg ezegovg rj%ovg vjzo zcöv hegcov , xai yiyvsadai tag xazanavasig avzwv ä/Lia, kavddvovoiv fj/xäg ai /xezagv
ytyvöftevat qxovai. nksoraxtg jxsv ydg iv Jidoaig zaig ovficpoiviaig vno zcöv oigvzegwv cpdöyywv ai zov degog
yiyvovzai jiltjyal öid zo rd/og zfjg xivrjoewg' zov di zekevzatov zu»' )//»)■ titiu nvfißairei agoa.zi.-zztw fjfüv rrgög
zrjv äxor/v xal zov ano zfjg ßgadvzsgag yiyvofxevov. wäre zfjg dxofjg ov dvvaph'i]g aioddveo&cu, xaddxeg
si'grjtai, zag fj.ezag~v tpiovdg, äfia öoxov/iisv d/iq oxsgcov z&v (p&oyywv dxovstv ovvexöög.
Jan vermutet (Mus. scr. p. 56) im zweiten Satz vor yiyveaOai ein /«}. Aber wie sollte hier das
Nichtzusarnmenfallen etwas beweisen? Der Autor denkt, meine ich, an die Deckung der Pausen
zwischen 2 (oder 3, 4) coincidierenden Schlägen. Ebenso halte ich die vermutete Aenderung von qxovai
am Schluss dieses Satzes in oiwnai für unnötig und irrig.
37
brechung des tieferen mit einer des höheren coincidiert, nicht gesondert wahr;
ebenso wie schon bei einem einzelnen Ton die kurzen rasch aufeinanderfolgen-
den Unterbrechungen nicht wahrgenommen werden.
Bei den übrigen Consonanzen fällt nicht jeder Stoss des tieferen Tons
mit einem des höheren zusammen, sondern nur jeder zweite (bei der Quinte)
oder dritte (bei der Quarte): • • • Hier muss der Verfasser annehmen,
• • • •
dass uns alle zwischen den coincidierenden Stössen liegenden Stösse sowol
des tieferen als des höheren Tons entgehen. Unter dem „letzten" Stoss des
(höheren) Tons ist offenbar nicht der absolut letzte, sondern der jeweilig letzte
in jeder solchen Periode zu verstehen.
Freilich hat der Verfasser hiebei nicht an die Phasenverschiebungen ge-
dacht, infolge deren es geschehen kann, dass auch bei Consonanzen kein einziger
Stoss (Maximum) des einen und anderen Tons coincidiert.
Hält man die Lehre, dass wir beide Töne zugleich continuierlich wahr-
nehmen, zusammen mit der vorherigen Aeusserung, dass sie sich gegenseitig
verdecken, so lässt sich sagen, dass ihm die Thatsache der (it^is oder xyäoig
vorschwebt, wie wir sie bei Aristoteles kennen lernten, nur dass er, trotz der
„gegenseitigen Verdeckung", die Zweiheit der Töne festhält, während diese
von Aristoteles nach der Darstellung De sensu im Prinzip ganz geleugnet wird.
Eine andere unter den aristotelischen Werken überlieferte Musikschrift,
die 19. Section der „Probleme", werden wir weiter unten (No. 8) besprechen.
6. Aristoxenus.
Aristoxenus, zuerst Pythagoreer, dann Aristoteliker, unmittelbarer Schüler
und Zeitgenosse des Meisters, kommt in den uns erhaltenen Fragmenten seiner
Musiktheorie zum Begriffe der Consonanz von dem des Intervalls. Dieses
definiert er als „das von zwei ungleich hohen Tönen Begrenzte" oder als
„Differenz von Tonhöhen", als „einen Raum, der fähig ist, die unter dem
höheren und über dem tieferen Grenzton liegenden Töne aufzunehmen". Die
Tonhöhen selbst benennt und definiert er als „Spannungen", ihre Differenz
daher als ein „Mehr- oder Weniger-Gespanntsein"1).
Diese Definition des Intervalls als einer Differenz (Distanz) zweier Ton-
*i Marquard'a Ausgäbe p. 20,26: didonjfia d" ioxi xo vno ovo cp&öyyov (hoiofikvov (tt) n)v aixtjv xdoiv
l-iovxoiv. Der Begriff' der Tonhöhe als "ioi; wird schon vorher p. 14, 18 eingeführt.
38
höhen ist von der späteren Musiktheorie bis in die neuere Zeit beibehalten
worden, obschon sie nichts weniger als hinreichend ist, da doch nicht jede
beliebige Differenz zweier Tonhöhen schon als Intervall im musikalischen Sinn
betrachtet werden kann. Der Begriff des musikalischen Intervalls kann nur
auf Grund des Consonanzbegriffes entwickelt werden; der von Aristoxenus
gewählte Weg war darum von vornherein der verkehrte. Er selbst empfindet
die Schwierigkeit, indem er sogleich beifügt: „es ist schwer, für all' diese
prinzipiellen Dinge gleichmässig eine tadelfreie und ganz scharfe Erklärung
zu geben."
Die Intervalle lassen sich nun, fährt er fort, in fünf Rücksichten betrachten,
nach denen sie sich von einander unterscheiden (auch diese Unterscheidungen
sind, mit einigen Modifikationen, von allen alten Musikschriftstellern beibehalten
worden): nach der Grösse (Distanz der Töne), nach Symphonie und Diaphonie,
Einfachheit und Zusammengesetztheit, Geschlecht (diatonisch, chromatisch, en-
harmonisch), Rationalität und Irrationalität (p. 22, 15 f.). Aber gerade was
wir hier hauptsächlich suchen, eine Definition des zweiten Unterschiedes, giebt
er nicht. Vielleicht hatte er in den verlorenen Teilen eine solche aufgestellt,
und dann wird sie wol ähnlich gelautet haben, wie die, welche wir in den
Schriften aus seiner Schule finden werden. Aber wahrscheinlicher ist mir,
dass der überaus vorsichtige und allem Hypothetischen, Speculativen abgeneigte
Forscher, unbefriedigt von den bisherigen und besonders den pythagoreisieren-
den Erklärungen, es absichtlich vermieden hat, sich auf eine eigentliche De-
finition dieses Unterschieds einzulassen. Der rechnenden Betrachtungsweise der
Pythagoreer tritt er ja auch darin gegenüber, dass er eine auf das blosse
Gehör gegründete Stimmung der Intervalle zu Grunde legt. Um so mehr
müsste man freilich wünschen, dass er etwas über das Merkmal gesagt hätte,
wodurch das blosse Gehör Consonanz und Dissonanz, sowie Reinheit und Un-
reinheit eines Intervalls unterscheidet.
An den beiden Stellen, wo er die consonanten Intervalle näher untersucht
(p. 26, 20 f. und 64, 9 f.), umgeht er die Schwierigkeit in eigentümlicher Weise.
Der Begriff der Grösse des Intervalls umfasse den der Consonanz und Dis-
sonanz; denn jedes consonante Intervall unterscheide sich von jedem dissonanten
durch die Grösse. Nun gebe es zwar mehrere Unterscheidungsmerkmale der
Consonanzen unter sich; er wolle aber das bekannteste zu Grunde legen, die
Grösse. Das kleinste consonante Intervall sei die Quarte, dann folge die Quinte,
dann die Octave. Alle zwischenliegenden Intervalle nenne man dissonant.
Dass dieser Um- und Ausweg bedenklich war, leuchtet ein. Es ist frei-
lich wahr, dass, wenn wir einen bestimmten Ton als Ausgangspunct festhalten,
39
die verschiedenen dazu consonierenden oder dissonierenden Töne an ganz be-
stimmten Puncten der von da nach beiden Seiten sich erstreckenden Tonreihe
liegen. Aber definieren kann man Consonanz und Dissonanz durch den
blossen Abstand schon darum nicht, weil bei einer stetigen und in gleicher
Richtung erfolgenden Erweiterung des Abstandes nicht etwa die Consonanz
stetig geringer oder grösser wird, sondern abwechselnd bald Consonanz ver-
schiedenen Grades bald Dissonanz eintritt. Sodann haben wir auch keine
Gewähr, dass einunddieselbe Consonanz, z. B. eine Quinte, von beliebigem
Ausgangston aus immer den nämlichen Abstand (den nämlichen Grad von
Unähnlichkeit beider Töne) darstellt. Beide Begriffe hängen prinzipiell gar
nicht zusammen1). Ich schalte diese kritische Bemerkung aus historischen
Gründen ein, weil wir hier bei Aristoxenus den Anfang eines Misverständnisses
finden, das sich infolge seiner Autorität fortgepflanzt hat und heute noch nicht
ganz verschwunden ist.
Aristoxenus fährt fort (p. 64, 24): „Dieses (diese Aufzählung der Con-
sonanzen) haben wir von den Früheren überkommen; das Uebrige müssen
wir selbst bestimmen." Es entständen nämlich auch noch Consonanzen durch
Hinzufügung der Octave zu einer der vorher genannten Consonanzen; während
die Hinzufügung der Quarte oder Quinte zu einer von ihnen beiden keine
Consonanz ergebe. Durch Hinzufügung weiterer Octaven könne man an sich
— soweit nicht die Grenzen des Instruments oder der Stimme Halt gebieten
— in's Unendliche neue Consonanzen gewinnen.
Nach einer Bemerkung des Aristoteles zu schliessen (s. o. S. 34), dürfte
mindestens die Doppeloctave doch schon vor Aristoxenus unter die Consonanzen
gerechnet worden sein. Das Neue, wovon Aristoxenus hier spricht, wird daher
nur etwa in dem Hinweis auf die durch Addition der Octave zur Quarte
oder Quinte entstehenden Consonanzen und auf den unbegrenzten Fortgang
solcher Bildungen bestehen.
Von Interesse für unsere Frage sind noch seine Bemerkungen über die
Methode der Abstimmung der Intervalle. Die consonanten Intervalle seien
hinsichtlich ihrer Abstimmung viel schärfer begrenzt als die dissonanten. Ein
consonantes vertrage entweder überhaupt keine oder nur eine äusserst geringe
Abweichung, während ein dissonantes viel weniger empfindlich sei2). Deshalb
») Vgl. G. E. Müller, Zur Grundlegung der Psychophysik (1878) S. 276 f., und meine Tonpsychologie I,
249, 337 f., II, 403, 409.
2) p. 80, 1 : 'Exei de t&v diacxr^iaxiy.öjv fif/eOwv xa füv rä>v OVfupwvcov tjxoi U7i\ü>g ovx eyuv doxet
zo.-rov «/./.' // ei iif/fih.i iogiorat, >'/ na.VTei.wg äxagtaiöv xiva, xa de xmv diacpwviov Tiokldj fjxxov xovxo jiexov&e
y..x."/.. Vgl. zu der Stelle WestphaTs Aristoxenus I, 293.
40
sei das Gehör zuverlässiger bei der Abstimmung der Consonanzen als der Dis-
sonanzen und erhalte man die letzteren am genauesten durch Vermittelung
der ersteren. Um z. B. den Ditonus (die als dissonant geltende grosse Terz)
nach unten abzumessen, müsse man zweimal je eine Quarte in die Höhe und
eine Quinte in die Tiefe gehen.
Hier rührt Aristoxenus an den neuerdings betonten Begriff der indirecten
Verwandtschaft, obwol wir speziell die Töne der grossen Terz noch zu den
direct verwandten (consonierenden) rechnen und als Beispiel etwa den Ganzton
wählen würden, „eine andere von den Dissonanzen, die man durch Consonanz
finden kann" (p. 80, 9). Der Ganzton wurde denn auch von Aristoxenus und
ebenso von Späteren) als die Differenz der Quinte und der Quarte definiert1).
Es ist vollkommen richtig, dass wir für die Reinheit der Consonanzen weit
empfindlicher sind als für die der Dissonanzen und diese nur durch jene genau
abstimmen oder intonieren können.
Wiederum sieht man aber auch hieran, wie unmöglich es ist, die Inter-
valle durch den Abstand der Töne zu definieren. Denn bei kleinen Abständen,
wie dem Ganzton oder der Terz, müsste man doch Abweichungen leichter
bemerken als bei grösseren, wie Quinte, Octave, Doppeloctave. Also muss das,
was die musikalischen Intervalle als solche constituiert, noch etwas anderes
ausser dem blossen Abstand sein. Sicherlich hat denn auch Aristoxenus die
Grösse des Abstandes nur eben als einen bequemen Leitfaden für die Auf-
zählung der Intervalle benützen, nicht aber als ein constitutives Merkmal für
ihre Definition ansehen wollen. Ein solches fehlt, wie gesagt, in seinen Frag-
menten gänzlich.
7. Euklid.
Die unter dem Namen des Euklid überlieferte Schrift xaraTOjLi?] y.avovog,
die nach allen Anzeichen den berühmten alexandrinischen Geometer (um 300
v. Chr.) zum Verfasser hat, vertritt gegenüber Aristoxenus, ohne ihn zu nennen,
die pythagoreische Methode. Sie ist die erste uns überkommene musikalische
Arithmetik, der dann so viele folgten, macht uns auch zuerst mit einigen in
den allgemeinen Gebrauch übergegangenen technischen Ausdrücken bekannt, die
sich ohne Zweifel schon im Kreise der älteren Pythagoreer ausgebildet hatten.
In der Einleitung der Schrift2) werden, nachdem auf die Entstehung der Töne
') p. 6G, 5: Tövog d' larlv w rö diu itkvxe zov diä reoaügcov [xel^ov. Vgl. p. 30, 1.
2) Jan, Musici Scriptores Graeci p. 148 — 149.
41
durch langsamere und schnellere Bewegungen die Anwendung von Zahlen-
verhältnissen begründet ist, die drei Arten von Verhältnissen unterschieden:
n n-f-1 n-j-l+m
T' ~n~~ '
n
Euklid nennt sie: loyog nollanlaoiog, Ini/iio^iog, Ini-
fitQffis1) und fügt bei: „Die Zahlen, die in einem der beiden ersten Verhältnisse
stehen, werden auch mit einem einheitlichen Namen in Hinsicht ihrer gegen-
seitigen Beziehung benannt."2) Auf diesen Satz kommen wir sogleich zurück.
„Wir wissen aber — fährt er fort — , dass von den Klängen die einen sym-
phon, die andern diaphon sind, und dass die symphonen eine einheitliche Ver-
schmelzung aus beiden (Tönen) machen, die diaphonen aber nicht. Da sich
dies so verhält, so ist es plausibel, dass die symphonen Klänge, da sie eine
einheitliche Verschmelzung des Klanges aus beiden (Tönen) bewirken, zu den
Zahlen gehören, die mit einem einheitlichen Ausdruck gegen einander bezeich-
net werden, entweder zu den nollanläoioi oder den im/uoQioi."3)
Hier ist zunächst der obige Satz zu erläutern, der sich auf die Termino-
logie hinsichtlich der beiden ersten Verhältnisse bezieht. Er ist stark mis-
verstanden worden, v. Jan versteht unter der einheitlichen Bezeichnung eine
solche, durch welche die Begriffe noXlanlaaiog und iJiijuoQiog unter sich
zusammengefasst würden, also einen Gattungsnamen für diese beiden Classen
von Verhältnissen4), und wundert sich, dass Euklid diesen gemeinsamen Namen,
auf den er dann wieder zurückweist, hartnäckig verschweigt. Aber was sollte
die Verschmelzung der Töne, die der Octave für sich allein ebenso wie der
Quinte für sich allein zukommt, mit einem gemeinschaftlichen, beide Intervalle
zusammenfassenden Ausdruck zu thun haben? Die Intervalle verschmelzen
x) Diese Ausdrücke, die in die musikalische Arithmetik der ganzen Folgezeit übergingen — bei
den Lateinern ratio multiplex, superparticularis, superpartiens — fand Euklid wol bereits vor. In den
pseudo-aristotelischen Problemen kommen die beiden ersten ebenfalls vor (pr. 41 der 19. Sect.); wahrschein-
lich stand ixifiögio; auch in pr. 43, vgl. Jan's Conjectur dazu). Dagegen scheint emftegrjg den Verfassern
der Probleme nicht geläufig; denn im pr. 41 heisst es bezüglich der verdoppelten Quinte 4:9 und der
verdoppelten Quarte 9:16, die Töne dieser Intervalle seien „weder nolkanläoiog noch emf.i6giog und
hätten überhaupt keinen löyog*.
'-) xovxotv de [xwv agi&fioiv] ol /.ikv xoWaTiläoioi xai im/uögcoi evi ovöftaxi Xeyovxai ngbg äXlr)hovg.
3) rivo')öxofj.Ev de xai xwv q>-&6yya>v xovg fiev ovfupojvovg ovxag, xovg de diacpwvovg, xai xovg fiev avfi-
cfo'irovg fiiav y.oäaiv xijv ig" äfupolv Txoiovvxag, xovg de 8ia<po')vovg ov. xovrwv oitxcog h/övxoiv elxog xovg ov/t-
<pcövovg rp&öyyovg, eTieiörj /itiav xrjv ei; äfirpoTv xoiovvxai xgäotv xfjg cpcovfjg, elvac xcöv ev evl ovöfiaxi ngog
ä/./.i'i/.org Xeyofievcov dgid/nwv, ijxoi noWanXaalovg ovxag rjxot ejxifiogcovg.
4) Mus. scr. p. 117 — 118: Deinde multiplices rationes ait et superparticulares communi quodam
nomine comprehendi, etc. Dass der Interpret des Porpbyrius diese beiden Intervallgattungen xgeixxovg
nennt (weil sie die Consonanzen enthalten), kann hier nicht herangezogen werden; denn dies ist doch
kein Gattungsname, kein „nomen duarum rationum commune", und hat mit Euklid's Gedankengang
schlechterdings nichts zu thun.
Abh. d. I. GL d. k. Ak. d. Wiaa. XXI. Bd. I. Abth. G
42
doch nicht untereinander, sondern die Töne. x\uch ist aus dem Zusammen-
hang klar, dass jryug ählrfiovg nicht die beiden Intervall-(Verhältnis-)Gattungen,
sondern die beiden Töne meint, die in jedem Intervall enthalten sind. Es
kann sich also nur um die Thatsache handeln, dass jeder der beiden Brüche
— - und — — — , bezw. ieder einzelne unter diese Formeln fallende Bruch, einen
1 n ' J '
einheitlichen Namen führt. Und dies ist ja auch der Fall. Für 2/i, 3/i, V1
hat die griechische Sprache dmlaoiov u. s. w., für 3/2 tj/uiokiov, für V3 eni-
ryiTov, welche Ausdrücke denn auch Euklid in den folgenden Deductionen
fortwährend gebraucht. Auf die bezüglichen Intervalle finden wir diese Aus-
drücke auch in den Problemen (vgl. besonders Pr. 35 und 23) angewandt.
Für 8/7, 12/ii, die ebenfalls unter den Begriff des inifxo^tor fallen, gab es
allerdings keine einfachen Ausdrücke, aber die Grundzahlen, mit denen auch
die Grundintervalle vollständig bestritten wurden, gingen eben in der älteren
griechischen Zeit nur bis 4.1)
Da uns nun, meint Euklid, das Gehör (unabhängig von aller Zahlenkunde)
sagt, dass gewisse Zusammenklänge sich durch eine einheitliche Verschmelzung
der beiden Töne vor anderen auszeichnen, so ist es von vornherein plausibel,
dass dies solche sein werden, deren Zahlenverhältnisse in der Sprache mit
einem einheitlichen Ausdruck bezeichnet werden. Euklid vertraut also der
Sprache, dass sie einem solchen fundamentalen Zug unsrer Sinneswahrnehmungen
Rechnung getragen habe. Doch weiss er wol, dass damit kein Beweis gegeben
ist. Die exacte Begründung für die Zahlenverhältnisse, die den verschiedenen
Intervallen entsprechen, liefert die auf diese Einleitung folgende Beweisführung
nach echt Euklidischer Methode.
Für uns ist das Wichtigste, dass die Verschmelzung der consonanten Inter-
valltöne von Euklid als eine bekannte und zugegebene Thatsache hingestellt
wird (wie wir ja auch schon bei den älteren Pythagoreern davon hörten) und
dass sie ihm trotz seiner mathematischen Tendenzen als das primäre Kenn-
zeichen der Consonanz erscheint.
*) Andrerseits finden wir bei dem Mathematiker Nikoniachus (2. Jahrb.. n. Chr.) auch für die einzelnen
Klassen des tm/iegr/g einheitliche Ausdrücke, wie Ernäi/iEgr/s (5/3), ejingi/^eg^i (V4), aber diese sind eben
erst in viel späterer Zeit entstanden und vielleicht durch Nikomachus selbst erfunden. Vgl. Nesselmann,
Arithmetik der Griechen, S. 197.
43
IL Die Schriftsteller des späteren Altertums.
Vom zweiten Jahrhundert vor Christus bis zum ersten oder zweiten nach
Christus klafft eine ungeheure Lücke in der Ueberlieferung der alten Musik-
schriften, und es ist auch allem Anschein nach in diesem Zeitraum nicht viel
Bedeutendes produziert worden. Nachher fliessen die Quellen wieder um so
reichlicher. An Wert sind diese nachklassischen Arbeiten unter sich und in
ihren Teilen sehr ungleich. Teilweise bringen sie blosse Auszüge, Wieder-
holungen, Compilationen, Commentare alter Lehren ohne wissenschaftliche
Strenge, teilweise aber sehr bedeutsame, auch wol mit den Wandlungen und
Fortschritten der praktischen Musik, der musikalischen Auffassung und Gefühls-
weise zusammenhängende Neuerungen. Die Reihenfolge, in der wir sie hier
anführen, entspricht zwar im Allgemeinen dem, was sich über die (meist nur
schwer und ungenau zu bestimmende) Entstehungszeit sagen lässt. Aber im
Einzelnen benützen wir auch, wo keine grösseren und sicheren Zeitunterschiede
vorliegen, die Verwandtschaft der Lehren als Leitfaden der Anordnung.
8. Die pseudo-aristotelischen Musikprobleme.
Wir stellen voran die in musikpsychologischer Hinsicht bedeutendste Schrift
des ganzen Altertums, die 19. Section (J'Ooa neyl ayuoviav") der unter den
Werken des Aristoteles überlieferten Sammlung von Problemen. Diese musi-
kalischen Probleme sind von aristotelischem Geist erfüllt und können, wie
wir sogleich an einem Beispiel sehen werden, nur durch Heranziehung der
aristotelischen Schriften ganz verstanden werden. Aber das ist natürlich kein
Beweis der Echtheit. Sie können nach vielen Anzeichen überhaupt nicht einem
einzigen Autor zugeschrieben werden. Einzelne mögen recht wol aus der ersten
Zeit der aristotelischen Schule, ja von Aristoteles selbst herrühren. In ihrer
Hauptmasse jedoch sind sie nach meiner anderwärts1) begründeten Ueberzeugung
erst nach dem Beginn unserer Zeitrechnung, etwa im ersten oder zweiten Jahr-
hundert, im Kreise der aristotelischen Schule entstanden. Und gerade auch die
Lehren über Consonanz dienen mit zum Belege, da sie sich an die Ausführungen
nachchristlicher Schriftsteller eng anschliessen, hingegen von den Lehren oder
wenigstens der Ausdrucksweise der alten Autoren trotz ihres Füssens auf Ari-
stoteles in einigen Punkten wesentlich unterscheiden. Ich fasse aber hier nur
kurz zusammen, was ich a. a. 0. ausführlich dargestellt habe.
!) S. den Schluas der oben S. 5 erwähnten Abhandlung.
44
Eine ausdrückliche Definition der Consonanz enthält Probl. 38 (p. 921, a, 2)
in dem Satze: ov/LKpiovia de xaiyo/uev, oxt xQäolg eori Xoyov s/oyTcoy ivavnoiv
■nobg äXXrjXa. Hierin kommen die beiden Momente: Zahlenverhältnis und
Verschmelzung zur Geltung, die wir auch bei Aristoteles fanden, nur dass
dieser lieber von jLu&g als von xpäotg spricht. Zugleich sind sie als Grund
für die Annehmlichkeit der Consonanz bezeichnet.
Nur das erste der beiden Momente, aber genauer bestimmt, erwähnt
Probl. 41 (921, b, 8): avtxojwvia evXoyov hymnaiv (p&öyyov ngbg dXXrjXovg eoxi,
wo allerdings der Text einer Correktur bedarf. Wahrscheinlich muss es heissen:
XQäoig evXoywg ly ovtujv cp&oyywv, also: Symphonie ist die Verschmelzung von
Klängen, die in einem leichtverständlichen Verhältnis zu einander stehen (vgl.
oben S. 31 f. bei Aristoteles: ev dyid-uoTg evXoytoxoig). Auch Pr. 39 p. 921, a, 15
lässt sich hier anziehen: ovtoj xal oi ev t/} ov^cpatviq (pdoyyoi Xoyov h'yovoi
xivrjoewg nyog avrovg. Das Verhältnis der Tonbewegungen wird hier mit den
metrischen Verhältnissen verglichen.
Die Probleme kennen die drei Consonanzen: Octave, Quinte, Quarte1),
handeln aber öfters von den besonderen Eigenschaften der Octave, und hiebei
erfahren wir auch Näheres über das Merkmal der Verschmelzung, welche sich
bei diesem Intervall bis zu einer scheinbaren Einheit des Klanges steigere.
Dies ist nämlich der Sinn des bisher unverständlichen, weil falsch gelesenen
Problems 14: Jid xt XavO-dvei xb did naovSv xal doxü 6tu6cpu)yoy elvai olov
iv reo (foirixlip xal Iv tu dvd-Qujnw; — Wer hiezu die Erörterungen des Ari-
stoteles über die Analogie zwischen den Mischfarben und den Consonanzen
vergleicht (o. S. 31 f.), für den kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass
hier gelesen werden muss: ev tw (poivixcu xal ev zcp aXovyyco, und dass die
scheinbare Homophonie der Octave zusammenfällt mit dem, was Aristoteles
als ucpavl'Qeiv aXXrjXa und die Schrift n. äxovoTwv als dnoxQvmeo&ai vn' dXXifkuiv
bezeichnet.
Wiederum wird dieselbe Thatsache der Verschmelzung oder eine Folge-
rung daraus in Probl. 13 (wozu Pr. 8 und 12 zu vergleichen) so ausgedrückt:
„Am meisten ist (bei den Octaven) das Melos in beiden Tönen, wenn
aber nicht, untieferen, denn er ist grösser.«2) Es soll damit gesagt sein, dass
bei der Octave, weil und sofern sie beim gleichzeitigen Erklingen wie Ein
Ton erscheint, uns auch nur Eine Tonhöhe vorhanden scheint. Sofern man
1) Dass nur die Octave unter der ov^wvia verstanden wäre, wie Fetis fortwährend behauptete,
ist offenbar irrig; sie wird überall nur als eine, wenn auch als die wichtigste, der Symphonien bezeichnet.
2) Pr. 13 (in der Antwort): fiähora /.uv ev äjjupotv ion tö aficpoTv /xikog, ei de /o), ev zcö ßageV (ieT£ov
ydg. Aus der Fragestellung geht hervor, dass speziell von der Octave die Rede ist.
45
aber doch unterscheiden wolle, müsse man den tieferen der beiden Töne als
Repräsentanten der Tonhöhe des Ganzen auffassen.
Diese Beschreibung der xyäotg durch die scheinbare einheitliche Tonhöhe
des verschmolzenen Klanges ist uns hier besonders wichtig. Sie ist neu gegen-
über allen vorherigen Darstellungen, wird uns dagegen in den nun folgenden
noch öfters begegnen1).
Ganz neu ist sodann die Verwendung des Ausdrucks „Antiphone Töne".
Er bezeichnet nicht wie bei Plato dissonante Tone2), sondern gegenklingende,
nämlich solche, auf denen eine Melodie beim Gegengesang wiederholt wurde,
wozu nach den Problemen nur die Octaven sich eignen (Pr. 13, 17, vgl. 42 u. a.).
Infolge dieser Eigenschaft werden dann auch die Octaventöne selbst als
antiphone bezeichnet. Auch diese Ausdrucksweise findet alsbald Nachfolge.
Nur kurz erwähne ich noch die Lehre von der Aehnlichkeit der
Octaventöne, die von den Problemen auf die Analogie ihrer Leiterstellung
und den gleichen (scheinbaren) Abstand von der Mese zurückgeführt wird
(Probl. 14, 17, 19, 42); ferner die Lehre, dass die Octave allein unter den con-
sonanten Intervallen verdoppelt werden kann, ohne ihre Consonanz einzubüssen
(Pr. 34, 41), und dass sie allein in Parallelen gebraucht werden kann (Pr. 18, 39).
Endlich handeln die Probleme auch mehrfach über die Gefühlswirkung
der Consonanzen. Ihre Annehmlichkeit beruht, so hörten wir bereits, auf den
Eigenschaften des loyog und der y.Qaoig. Die Lust am Zusammenklang ist aber
keine „ethische", weil nur im Rhythmus und in der Melodie, nicht im Zu-
sammenklang, Nachahmung von Bewegungen stattfindet, die als Symbole des
Ethischen dienen (Pr. 27: .... ovz ev t// /uigef alV r\ oviKpcovla ovx s%ei
q&og). Der Autor fasst diese Lust also wol als rein sinnliche Annehmlichkeit.
Unter den Symphonien ist die angenehmste die Octave (Pr. 35 und 39 a). Näher
brauchen wir auf diese Lehren hier nicht einzugehen, da die Annehmlichkeit
offenbar, wie schon bei Aristoteles und überhaupt bei allen Früheren, nicht als
constitutives, sondern nur als consecutives Merkmal der Consonanz gilt.
J) Warum Melos hier und anderwärts durch Tonhöhe (melodische Qualität des Tons) übersetzt
werden muss, und wie es sich nach alten und neuen Vorstellungen erklärt, dass der tiefere Ton vorzugs-
weise als Träger der Tonhöhe aufgefasst wird, darüber muss wiederum auf die oben erwähnte Abhandlung
verwiesen werden. Ueber Gevaert's Auslegung der bezüglichen Lehren bei Bacchius, Gaudentius u. A.
siehe die zusammenfassenden Betrachtungen im II. Teil unserer Untersuchung.
2) Ein besonderer Ausdruck für Dissonanz kommt in den Problemen überhaupt nicht vor, ebenso
wie bei Aristoteles, und wie dort ist nur einmal von ov ovftqpwvetv die Rede. Ich möchte dies aber beide-
male als zufällig betrachten.
46
9. Plutarch.
Bei Plutarch v. Chaeronea (etwa 46 — 120 n. Chr.) finden wir zunächst in
seinen moralischen Schriften einige für uns wertvolle Bemerkungen gelegent-
lich eingefiochten. Eine davon stimmt überein mit dem, was wir soeben aus
den Problemen über das Melos bei symphonierenden Tönen hörten: „Wie bei
symphonen Tönen immer das Melos des tieferen entsteht, so wird jede Hand-
lung in einem weise eingerichteten Hause von Beiden in Uebereinstimmung
gethan, verrät aber doch des Mannes Führerschaft und Entscheidung."1) Ein
bei Plutarch anderwärts aufgeworfenes aber nicht beantwortetes Problem be-
spricht die nämliche Erscheinung2).
Noch in einem anderen Punkte berührt sich Plutarch mit den pseudo-
aristotelischen Problemen: er erwähnt die „Antiphonie" sowie die Aehnlichkeit
von symphonen Tönen. „Die Harmonie (Melodie) beim Spielen und den Saiten-
instrumenten (= beim Spielen auf Saiteninstr.) hat das Symphone durch Anti-
phones, indem auf irgend eine "Weise den Höhen und Tiefen eine Aehnlichkeit
zuwächst. Die Symphonie und Harmonie bei der Freundschaft dagegen ge-
stattet keinerlei Unähnlichkeit" u. s. f.3)
Es scheint mir (gegenüber A. Wagener), dass Plutarch hier speziell an die
Octave denkt, von der ja auch in den Problemen und späterhin allein die
Antiphonie behauptet wird. Denn in Bezug auf die Octaventöne wird der
Gegensatz des „Hohen und Tiefen" seit Heraklit, Plato, Aristoteles immer
hervorgehoben. Dieser Gegensatz, der auch hier noch in dem Worte avr.l-
(pmvov ausgedrückt sein soll, ist, meint Plutarch, im Zusammenklang getilgt
und in eine Art Aehnlichkeit verwandelt. Bei der Freundschaft darf er von
vornherein nicht vorhanden sein.
Eine neue Unterscheidung fällt uns in Plutarch's Schrift über den Timäus
auf.4) Da werden den symphonen Tönen einmal nicht die diaphonen, son-
dern die emmelischen gegenübergestellt, und es wird der Ganzton als ififisleg
*) Conjugalia praecepta c. 11, 139 c: "Qaneq, av cp&öyyoi dvo ov[i<pa)voi h)<p&öioi, xov ßaovxeqov yivexai
xo fiekos, ovto) Ttäoa jiq&s~is iv olxia oaxpQovovofl jigäxxexat (tev vji'1 ä[i<poxegwi> öfiovoovvxav, imq>aivei de xtjv
xov avdgös rjyefiovlav xai Jigoaigeoiv.
2) Quaestiones convivales 1. IX, qu. 8: Tis alxia ov/Mpcovrjoecos ; iv w xai, äia xi xwv ovfiipojvoiv 6[iov
xgovoßevwv xov ßagvxegov yivexai xo fiekog.
3) De amicorum multitudine c. 6 (96 e): ■>) fiev yag xegi yraX^iovs xai <p6g/niyyas ägfiovi'a di ävxupwvwv
e%ei xo av/zqjwvov, 6g~vxrjai xai ßaovxtjotv äfimayencos 6j.ioi6xr]xos iyyivo/iev>]g' xijg de (ptkixijs ovfiqpcovias x.x.)..
4) De animae procreat. in Tim. p. 1021b: 'Eav de a>s evvea jtqos oxxm yivtjzat ■>) dviooxv;,
jioitfoet biäoxr]jxa xoviaTov ov av/xqxovov ahV efi^ieXeg , d>s eineiv efißgaßv, xw xovg cp&öyyovs, är ävä firgoc
xgovodcöoi, xage%eiv ydv qxavovv xai Ttgosrjves, av de opiov, xgayy xai \vxr\g6v' er de zaTg ovuyioviai; xav
opov xgovcovxai xav ivalÄät;, rjdecos .igogtexai x't]v ovvi)x>]oiv »; ai'o&rjöis.
47
bezeichnet. Dies geschieht vom Standpunkt der Gefühlswirkung. Beide wirken
angenehm und gefällig, aber die symphonen sowol im Zusammenklang wie in
der Aufeinanderfolge, die emmelischen nur in der Aufeinanderfolge, während
sie zusammenklingend rauh und lästig sind. Wir haben hier zugleich die Ant-
wort auf eine in den Quaest. conv. (1. IX, p. 8) nur aufgeworfene Frage: Tlvi
dtouptQii ra hujiElfj diaorrjuara twv oviuptoviov ;
Ganz derselben Einteilung werden wir bei Ptolemäus wieder begegnen,
wenn er auch die beiden Begriffe nicht ebenso definiert. Dass die Kategorie
htuf'/Jg in diesem Sinne neu war, ist wol in der Wendung „um es kurz zu
sagen" im Text der Stelle De an. proer. angedeutet.
Plutarch's (Pseudo-Plutarch's?) Schrift nt^l fj,ovoixfjg ist in musikhistorischer
Hinsicht ebenso wichtig wie die pseudo-aristotelischen Probleme in musik-
psychologischer, zumal da sie, wenn auch unselbständig genug, aus verlorenen
Schriften des Aristoxenus, Heraklides Ponticus u. A. zusammengestellt ist. Aber
nur das 19. Kapitel kommt hier in Betracht. Auch es trägt direkt nichts bei,
ist uns aber indirekt um so wichtiger, da es uns über die Anwendung ver-
schiedener gleichzeitiger Intervalle in ziemlich frühen Zeiten Nachricht giebt.
Es heisst da unzweideutig, dass schon „die Alten", Terpander und seine Zeit-
genossen, Quinten und Quarten, aber auch grosse Secunden und Sexten in der
Begleitung zur gesungenen Melodie hinzugefügt haben.1)
10. Pseudo-Euklid.
Die Elaaywyr) aQ/uoriy.r'i, die sicher mit Unrecht dem berühmten Mathe-
matiker Euklid untergelegt wurde, vielmehr nach K. v. Jan höchst wahrschein-
lich ein Auszug aus einer verlorenen Harmonik des Aristoxenianers Kleonidas
ist und aus dem Anfang des 2. Jahrh. n. Chr. stammen mag2) — eine der
besten Darstellungen der alten Musiklehre vom Standpunkt des Aristoxenus — ,
zählt die nämlichen fünf Unterschiede der Intervalle auf wie Aristoxenus, giebt
x) Es ist besonders das Verdienst Westphal's, in Deutschland auf diese Stelle mit Nachdruck immer
wieder hingewiesen zu haben. Sie wurde aber auch von A. Wagener in der S. 4 erwähnten Abhandlung
S. 38 in gleichem Sinne ausgelegt und hervorgehoben; und Wagener citiert wieder Vincent. Auch dass
Böckh sie „völlig unbeachtet gelassen' (Westphal's Griech. Harm.3 S. 32), ist nicht ganz richtig, obschon
es Westphal so scheinen musste. Es findet sich nämlich in Böckh's Handexemplar der Pindar-Ausgabe
auf der Berliner Universitätsbibliothek zu I, 253 folgende schriftliche Eandbemerkung (aus welchem Jahre,
weiss ich freilich nicht): „Exiniius locus de harmonia ex symphonis et diaphonis est ap. Plut. de Mus.
c. 19, qui in prirnis considerandus."
2) K. v. Jan. Landsberger Gymnasial-Programm 1870. Mus. Scr. p. 169 f. Der Name des Pappus
wird neben dem des Kleonidas in den Handschriften erwähnt. Aber zu dem Mathematiker Pappus stimmt
die Haltung der Schrift ebensowenig wie zu dem Mathematiker Euklid. Vgl. auch Gevaert, Hist. de la
Musique de l'Antiquite I, 14.
48
aber auch, was wir dort verinissten, eine ausdrückliche Definition der Con-
sonanz: Consonanz ist die Verschmelzung zweier Töne, eines höheren
und eines tieferen. Dissonanz ist das Gegenteil, die Nichtvermischung
zweier Töne, so dass sie nicht verschmelzen, vielmehr das Gehör rauh be-
rührt wird3).
Helmholtz hat diese alte Definition zur Bestätigung seiner eigenen an-
geführt: „Consonanz ist eine continuierliche , Dissonanz eine intermittierende
Tonempfindung. Zwei consonierende Töne fliessen in ruhigem Flusse neben
einander hin, ohne sich gegenseitig zu stören, dissonierende zerschneiden sich
in eine Reihe einzelner Tonstösse. Es entspricht diese unsere Beschreibung
der Sache vollkommen der alten Definition des Euklides" u. s. f.2)
Nun scheint es in der That, dass die den Dissonanzen vielfach eigene
Rauhigkeit von dem Verfasser dieser Schrift (wie von Plutarch o. S. 47 und
wahrscheinlich schon von Früheren o. S. 17) bemerkt worden ist. Aber ich
glaube nicht, dass er die Verschmelzung mit dem Mangel der Rauhigkeit und
die Nichtverschmelzung mit dem Vorhandensein derselben identifizieren will.
Vielmehr dürfte er, wie alle bisherigen Autoren, in der xQäoig ein selbständiges
positives Merkmal gesehen haben; die Rauhigkeit erschien ihm dann als eine
Folge der Nichtverschmelzung, aber nicht als primäres Merkmal3).
11. Die von Theo Smyrnaeus und von Porphyr citierten Schrift-
steller (Thrasyll, Adrast, Aelian).
lieber Definitionen des pythagoreisierenden Platonikers Thrasyllos
(im 1. Jahrh. n. Chr.) berichtet der Neuplatoniker Theo von Smyrna (im
2. Jahrh. unter Hadrian).4) Zum ersten Male begegnet uns da die Einteilung
*) Jan, Mus. Scr. 187, 19: "Eaxi de ov/uq?covia per xgäoig ovo cpdöyyoov, o^vxeoov xal ßagvxEgov.
Siaqxovla M zovvavxiov, Svo cp&oyymv apugia, maxs fiij xgadijvai, aV.ä xQayvv&ijvai xi)v äxor\v.
Der Text ist hier nicht gut erhalten, doch wird der Sinn durch die Lesarten nicht wesentlich ver-
ändert. Die Worte diaycovla .... ä/u£la finden sich in Meibom's Ausgabe, der sie nach Jan's Vermutung
aus einer früheren Ausgabe herübergenommen, fehlen aber in den uns bekannten Handschriften. Aehn-
liches muss jedenfalls, nur etwa weniger pleonastisch ausgedrückt, im ursprünglichen Text gestanden
haben. Meibom liest dann weiter: /ii] oimv ze xga&Tjvai, was keinen Unterschied im Sinn macht. Die
Ersetzung von xga.'dijva.i durch xadaQÜfjvcu in mehreren Hdschr. hat dagegen überhaupt keinen Sinn.
Statt rgaxvvdfjvai endlich hat eine Hdschr. rgaxvvai, wobei also kein Wechsel des grammatischen Sub-
jects stattfindet.
2) Lehre von den Tonempfindungen i S. 370.
3) Freilich würde er sich in dieser Herleitung, wenn sie auch vielleicht anfangs plausibel erscheint,
getäuscht haben. Die Schwebungen haben mit den Unterschieden des Verschmelzungsgrades nichts zu
thun. Vgl. m. Tonpsychologie II, S. 206 f.
*) Theo Smyrnäus ed. Hiller, p. 48, 16: täv ds öiaoitjixäxwv rä /.isv ovfiqxova, xa di diäqxova. avfi-
q>wva fi'ev xä xe xaxy dvxirptovov, oiöv iaxi xo dia Tiaaütv xal xo dlg dia naawv, xal rä (xaxä) xagäycorov, oiov
49
der Consonanzen in zwei Klassen. Die erste nennt Thrasyll ouiupwva.
y.aj^ ävricpcovov und rechnet dazu Octave und Doppeloctave, die zweite nennt
er avuxpuiva '/.ara Tiaydcpcovoi' und rechnet dazu Quinte und Quarte. (Neben-
bei erwähnt er auch ov/u<pwva xaxa avv&%uav , wie Ganzton und Diesis —
unsere „indirekt consonierenden". besser „indirekt verwandten" Töne.1)) Die
erste Klasse sei symphon , indem die der Höhe entgegengesetzte Tiefe sym-
phoniere (schönes Idem per idem); die zweite Klasse, indem der eine Ton mit
dem anderen weder homophon noch auch diaphon, sondern bei einem merk-
lichen Abstand (doch) ähnlich klinge. Diaphon aber seien die, welche den
Abstand eines Ganztons oder einer Diesis besitzen (Diesis hat hier vielleicht
die altpythagoreische Bedeutung von Halbton). Denn Ganzton und Diesis seien
Prinzip der Symphonie, aber nicht selbst schon Symphonie.
Klar und aufklärend sind diese Auseinandersetzungen nicht und wahrschein-
lich auch nicht hinreichend genau von dem Compilator Theo wiedergegeben.
Aber sie sind merkwürdig durch das erste Auftauchen der Unterscheidung
xo diä xevze, zo 8tä xsoadgcov. [avfiqpcova de xaxa ovviystav olov xövog, ölsacg.] xd xs yäg xax* ävxüpojvov ov/.i-
qxovü. ioxiv, iaeidav xo dvxixsifxsvov xfj dlgvxrjxi ßdgog ov[j.<pwvfj, xä xs xaxa nagdcpcovov iaxi ovfKpcora, ijistdäv
[lijxe öfioxovov <p&syyrjxai cpüöyyog cp&öyyco pirjXE dtdqjcovov, äXXa Jiagd xi yvcögt/itov dtdarq/iia ojioiov. 6id<pa>roi
<5' etal xai ov ov/.iq>a>voi cp&öyyoi , wv iaxc xo didoxtjfia xövov >} dtsoscog ' 6 ydg xövog xai f\ dieoig ägyrj fiiv
ov/i<pa)viag, ovnas ds ovii<pa>via. Zum letzten Satz vgl. p. 75, 15 — 17.
x) So wenigstens Hesse sich, wenn der Text unverändert bleiben soll, der Ausdruck interpretieren.
Der Begriff der indirekten Verwandtschaft oder Consonanz ist allerdings sonst nirgends im Altertum
theoretisch fixiert, doch wissen wir aus Aristoxenus, dass der Ganzton durch Vermittelung von Quinte
und Quarte gewonnen wird.
Richtiger aber scheint es mir doch, nach Hiller's Vorschlag das Sätzchen überhaupt zu streichen.
Es ist fast augenscheinlich von einem Schreiber eingefügt, der zu dem ovpcpwva fisv des vorangehenden
Satzes durchaus sogleich ein avpicpoiva de erwartete; während der Gegensatz erst im letzten Satze mit
didcpoivoi 6s erscheint, genau entsprechend der vorausgeschickten kurzen Unterscheidung dieser beiden
Hauptklassen. Erst mit der Streichung wird die Einteilung und Aufzählung formell vollkommen durch-
sichtig, während dieses Sätzchen alles durcheinander bringt und mit dem Schluss der Stelle sowie mit
p. 75. 17 in direktem Widerspruch steht.
Wagener wollte lesen: öidrpwva «arä ovvsysiav, da nirgends sonst der Ganzton als symphon ange-
sehen wird (s. die oben S. 4 erwähnte Abhandl. S. 17). Aber die diaphonen Intervalle werden ja erst
nachher, im letzten Satz, aufgeführt. Wagener stützt sich allerdings gerade auch auf diesen Satz, in
welchem er nach der alten Ausgabe Bouillaud's oi ovncpoivoi liest; aber eben dieses ol steht offenbar falsch
für ov, das Hiller ohne Weiteres nach Handschriften gesetzt hat.
Soviel ist Wagener zuzugeben, dass nach der Anschauung mancher Schriftsteller jener Zeit die
kleinen Dissonanzen eine besondere Stelle unter den Dissonanzen einnahmen, da sie zur melodischen Ver-
bindung vorzugsweise geeignet sind, während sie im Zusammenklang erst recht dissonieren. Vgl. Plutarch
oben S. 46 — 47, ferner Nikomachus' von Wagener citierten Satz: xä>v fisv öiaoxrjpidxcov ovöelg cp&öyyog jtgog-
xov ovvexV ovfirpwvog, d)J.ä Ttdvtcog Sidtpowog. Ebenso werden wir bei Ptolemäus hören, dass er die Inter
valle unter der Quarte als besondere Klasse unter dem Namen der e/u/xsXstg auszeichnete. Es ist daher
wol möglich, dass der Schreiber, der das obige Sätzchen einfügte, aus diesen s^isXsTg eine Klasse der
ov/*rpo)va gemacht hat, wie er sie brauchte, sie aber durch den Zusatz xaxa avvsysiav von den übrigen
avfiqxova unterschied. Insofern ist die Corruption nicht ohne Interesse.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 7
50
vollkommener und unvollkommener Consonanzen, sowie der Aus-
drücke Antiphonie und Paraphonie zur technischen Bezeichnung solcher
Unterarten. „Antiphonie" fanden wir in verwandtem, wenn auch nicht gleichem
Sinn in den Problemen, und die dortige Bedeutung macht leicht begreiflich,
wie es zu der technischen Verwendung für Octave und Doppeloctave kommen
konnte, da eben nur in diesen Intervallen „Gegengesang" stattfand. Schwerer
scheint zunächst der Ursprung des Ausdruckes Paraphonie zu deuten. Thrasyll
selbst macht einen ziemlich gezwungenen Versuch dazu (naga ji yvwQif/,01/
diu.OTrjixa u/uoiov — was von der Octave doch noch mehr gelten würde). Es
scheint, dass er den Ausdruck wie den vorigen in der damaligen Praxis vor-
fand, doch muss ihre Bedeutung keine ganz feste gewesen sein, denn alsbald
finden wir sie in anderer Verwendung wieder. Wir werden später (II. Teil)
aus der Sache selbst heraus den Ursprung des Ausdruckes zu deuten versuchen.
An den Bericht über Thrasyll schliesst Theo einen über den pytha-
goreisierenden Peripatetiker Adrast (etwa Anfang des 2. Jahrh. n. Chr.),
der, wie Theo nicht unrichtig bemerkt, über Harmonie und Consonanz sich
deutlicher als jener ausgedrückt hat. Dieses Referat stimmt mit einem späteren
von Porphyrius in seinem Commentar zur Harmonik des Ptolemäus fast wört-
lich überein; dort erfahren wir auch, dass die Ausführungen Adrasts sich in
seinem Commentar zum platonischen Timäus fanden. Hier begegnet uns nun
wieder eine Neuerung, zu der nur Ansätze in früheren Zeiten constatiert
werden können. Die Definition Adrasts lautet: „Symphon sind Töne, wenn
beim Angeben des einen auf Saiteninstrumenten auch der andere zufolge
einer gewissen Verwandtschaft und Sympathie mitklingt. Dem-
gemäss hören wir auch beim gleichzeitigen Erklingen beider einen glatten
(angenehmen?) und milden Klang aus der Verschmelzung
heraus."1)
Also zunächst eine rein physikalische Definition, auf das Phänomen des
Mitschwingens gegründet. Aus dieser bei der Succession der Töne zu beobach-
tenden Erscheinung wird dann als Folgemerkmal erst die Verschmelzung und
die Glätte des Klanges beim gleichzeitigen Erklingen hergeleitet.
Das Mitschwingen consonanter Saiten wird in den späteren Zeiten des
') Theo Sm. p. 50, 22 : ovfiqxovovai 8s cp&öyyoi jtgög a)J.rjXovg , wv fiazigov xgovadevxog ini Tivog
ögyävov x&v ivratwv xai 6 Xoijtog xatä xiva oixsiOT^ia xai ovftJiädeiav ovv}]%ei' xaza rairo de äfiqpoTv ä/Lta
xgovo&ivTwv rjdüa xal ngogtjvrjg ix xfjg xgdoseog s^axovsrai cpwvtj. Porphyrius (Wall. p. 270) hat statt
r/8eTa im letzten Satz keia, worin ich mit Jan (Mus. scr. p. 133) die wahrscheinlichere Lesart erblicke.
Die Eigenschaft der Glätte bei Tönen fanden wir schon früher öfters hervorgehoben, auch Plato erwähnt
sie im Timaeus, den Adrast hier commentiert. Andrerseits finden wir allerdings die Verbindung tjdv xai
jigogrjvsg (bezüglich aufeinanderfolgender Töne) bei Plutarch De an. proer. (s. o.)
51
Altertums auch sonst erwähnt. So im Problem 24 der XIX. Section, ferner
bei dem Dichter Agathias1), bei Dionysius (Pseudo-Bacchius)2), bei Synesius3);
ferner in einer pseudo-galenischen , neuerdings dem Porphyrius vindizierten
Schrift4), wo sogar der in neuerer Zeit beliebte Versuch schon beschrieben
wird, Reiterchen von leichtem Stoffe auf die Saiten zu setzen, die dann von
den consonierenden Saiten infolge ihrer Mitschwingung abgeworfen werden,
während sie auf den nichtconsonierenden, wenn diese auch der primär erklin-
genden räumlich näher liegen, sitzen bleiben. Aristides Quintilianus erwähnt
das Mitschwingen und den Reiterchen-Versuch ebenfalls, aber nur für homo-
phone Saiten (De mus. II, c. 18, ed. A. Jahn, p. 65, 13). Als wesentliches
Charakteristikum der Consonanz wird das Mitschwingen auch wieder von dem
Lateiner Macrobius (4. — 5. Jahrh.) angegeben, der indirekt nach pythagoreischen
Quellen gearbeitet hat, s. u. No. 19. Wahrscheinlich findet sich die Erscheinung
auch sonst gelegentlich in der Litteratur jener Jahrhunderte erwähnt. Aber
vor der christlichen Zeit scheint sie noch nicht bekannt gewesen zu sein.
Auch die Definition der Consonanz durch ovfijia&tta, von der wir sogleich
(s. folgende Seite oben) nach Porphyrius hören werden, gehört daher wol
zweifellos dem neupythagoreischen Kreise an.
Nicht für richtig halte ich die Folgerung (bei Jan Mus. scr. p. 91), dass
die Alten bereits die Obertöne beobachtet hätten. Allerdings beruht das
Mitschwingen der Saite der höheren Octave darauf, dass diese in der tieferen
Saite als Oberton enthalten ist; ebenso wie das Mitschwingen einer tieferen
Saite (Probl. 24) nur dadurch erfolgt, dass sie in Abteilungen schwingt, deren
jede mit dem höheren Ton unison ist5). Aber die Beobachtung des Mit-
schwingens selbst und das Heraushören der Obertöne ist doch immer noch
zweierlei.
') Anthologia graeca I, 46 (Ae^ueg^v vxäirjv öjioxs nXrjy.xgoiai dovr'jao) 'H Xait] vrjxrj jiäXXexai avxo-
lü'lT(r); X. T. "/..).
2) S. unten No. 17 die Anmerkung über diesen Autor.
3) J. H. Vincent, Notices et Extraits des Manuscrits III, 282. Synesius stellt hier allerdings leicht-
sinnig die Behauptung auf, dass ausser der Octave (Nete) auch die Quarte (Epitrite) der erregenden Saite
mitklinge, was auch der byzantinische Commentator der Stelle, Nicephorus Gregoras, arglos mitcommen-
tiert, während es physikalisch ganz unmöglich ist. Auch die vorerwähnte Stelle der Probleme ist insofern
irrtümlich, als sie die tiefere Octave auf die höhere mitschwingen lässt; aber hier liegt doch eine That-
sache zu Grunde: die tiefere Saite schwingt in der That mit, nur eben in zwei Abteilungen, also im
Ton der höheren.
4) K. Kalbfleisch, die neuplatonische, fälschlich dem Galen zugeschriebene Schrift IJgog ravgov jregi
ror -reu? iftyjvjrovrai xä tpßgva, zum ersten Mal herausgegeben. Abhandl. d. Berliner Akademie 1895,
p. 49, 22 f.
5) Dass kein direktes Mitschwingen einer Klangquelle von multipler Schwingungszahl vorkommt,
habe ich kürzlich in Wiedemann's Annalen der Physik (Bd. 57, 1896, S. 660 f.) experimentell nachgewiesen.
7*
52
An derselben Stelle, wo Porphyr Adrast erwähnt (p. 270), berichtet er
noch von anderen Definitionen. Zuerst von solchen im Kreise der Pytha-
goreer, wobei die ältere und die neuere Schule nicht geschieden werden. „Die
Pythagoreer lehren, dass das Zahlenverhältnis Q^oyog) die Symphonie ausmacht.
Indem sie aber durch das Gehör den koyog bestätigen wollen, definieren sie
Symphonie als zyaoig eines hohen und tiefen Tones; andere als Sympathie,
andere als Einheit, wieder andere als Glätte (/.eioTtjTa)."
Auch der Platoniker Aelian wird dann erwähnt, der in seinem Timäus-
Commentar Symphonie als „das Zusammenfallen und die Verschmelzung zweier
hinsichtlich der Höhe verschiedenen Töne" bestimmte1). Anderwärts wo Por-
phyr die nämliche Definition erwähnt, fügt er noch eine nicht uninteressante
Erläuterung Aelians bei, der er, wie es scheint, auch selbst beipflichtet. Es
müssen, lehrt Aelian, bei der Symphonie die beiden zusammen angeschlagenen
Töne eine neue einheitliche Art von Ton neben jenen (statt jener) hervor-
bringen2). „Wie bei der Bereitung von Weinhonig ein Drittes als Misch-
produkt entsteht, wenn die Mischung so erfolgt, dass weder der Wein noch
der Honig vorherrscht, so spricht man von Symphonie, wenn ein tiefer und
ein hoher Ton angeschlagen dem Ohr ein einheitliches Gemisch (xyäfia) dar-
bieten, worin die Individualität (Idla dvra^ig) keines der beiden da-
neben wahrgenommen wird, sondern ein Drittes für das Gehör
erklingt. Wenn aber das Gehör mehr den Eindruck des tiefen Tons oder
des hohen empfängt, so nennt man ein solches Intervall asymphon."
Dass der Eindruck der Verschmelzung consonanter Töne bis zur Be-
hauptung eines neuen einheitlichen dritten Tons übertrieben werden konnte,
sahen wir schon an Aristoteles. Eine verkehrte Beschreibung ist es nicht
minder, wenn die Dissonanz in Verfolgung des Honiggleichnisses dahin definiert
wird, als ob der hohe oder der tiefe Ton vorwiege. Aber das Bestreben, den
Eindruck und Begriff der y.yuaig zu verdeutlichen, ist an sich bemerkenswert.
Kurz vor der ebenerwähnten Stelle heisst es ähnlich, „dass bei den gleich-
zeitigen Tönen in gewissen Fällen der eine den anderen überwiegt, so dass
) p. 270: oiifxcpwvia de iazi övoiv cp&oyycav 6g~vzi]xi y.al ßagvztju öiarpeQÖvzcav xaza zo avro mwoig
xai y.gäaig.
Diese Stelle citiert Westphal, Griech. Harmonik 3 1886, S. 38 und anderwärts mit Berufung auf
Isaac Vossius und Marpurg so, dass nach dvoTv eingeschaltet ist >} izXeiövcov, und benützt sie infu
dessen zum Nachweis der antiken „Polyphonie". Aber diese Worte fehlen in beiden Citaten des Por-
phyrie, und es ist nicht ersichtlich, worauf die Lesart sich stützen könnte. (S. Graf, De Graecorum
veterum re musica, Marburger Hab. Sehr. 1889, p. 12.) Vgl. übrigens unten S. 55 Jamblichus.
2) p. 218: öel yovv zovg (pdoyyovg ovyxQovoüivzag t'v zi ezsqov etdog y&öyyov anozelelv izuq' ixeivovg
ig~ MV (f&öyywv fj ovfupwvia yiyovev.
53
auch das Gehör die Verschmelzung des Asymphonen und (die) des Symphonen
erfasst".1) Hier fällt auf, dass auch den Dissonanzen eine gewisse (wenngleich
unvollkommene) Verschmelzung zuerkannt wird. Dies würde mit neueren An-
sichten übereinstimmen, die zwischen Consonanz und Dissonanz nur einen
graduellen Unterschied statuieren.
12. Sextus Empiricus.
Hieran mögen wir die Darstellung des Sextus Empiricus (gegen Ende des
2. Jahrh.) schliessen. „Dissonant sind die Töne, welche das Gehör auf eine
ungleichmässige und auseinandergerissene Weise bewegen, consonant
die, welche es in gleichmässiger und ungeteilter "Weise thun2). Deut-
licher wird das Eigentümliche jeder Gattung, wenn wir die Eigenschaften der
Geschmacksempfindungen zur Vergleichung heranziehen. Wie unter den Ge-
schmäcken die einen so verschmelzen, dass sie den Sinn in einfacher und
glatter Weise (uoroeidwg xal kelwg) bewegen, z. B. der Wein- und der Wasser-
honig, andere aber nicht in solcher Weise, z. B. der Essighonig — denn hier
prägt jeder der beiden Mischungsbestandteile seine Eigenheit dem Geschmacke
ein3) — : so sind die dissonanten Klänge die, welche u. s. f." (Wiederholung
der Definition).
Hier werden wir zunächst wieder an die Helmholtzische Definition erinnert;
und wiederum dürfte die den Dissonanzen vielfach (nicht notwendig und immer)
anhaftende Rauhigkeit zu der Beschreibung beigetragen haben. Dennoch zeigt
der beigefügte Vergleich mit dem Geschmacksinn, dass Sextus hauptsächlich
nicht ein Auseinanderreissen des Klanges in der Zeit meint, derart dass der
Klang stossweise zur Empfindung käme; vielmehr denkt er an den Umstand,
dass während des gleichzeitigen Hörens beider Töne die disso-
nanten ihre Eigenart (Tonhöhe) deutlicher ausprägen als die
consonanten. Diese nähern sich mehr dem Eindruck Eines Tons, jene
treten entschiedener als zwei auf.
Sextus benützt also die nämliche Analogie wie der ebenerwähnte Aelian,
aber ohne die schiefe Wendung, zu der sich jener verleiten Hess. Das Ge-
1) p. 217 unten: ov jzäg 6£vs (pßöyyog xal ßa(thg xazä zö aiizö xgovöfisvoi ovfi<pojvov aTiozslovoi, u).V
oi ftev arzwv iyovoi zov ezsqov ixixgazovrza, wäre xal zt/v dxoijv urzikafxßüveoßai zov zs aav/i(pwvov xga/iazog
xal zov ov/x(pwvov.
2) Adv. mus. 43 (Bekk. p. 757,4): diäqxovoi fiiv oi ävojiidl.cog xal ötEOJzao/.ievojg ztjv axoijv xivovvzeg,
ovfMpüivoi de oi öua/.djzeQov xal afUQiazojg.
3) ixdreQov yaQ tovvtov tcbv (ityfiaMOV zl/v l'dtov ivzvnol Ttoiözrjza zfj yeüozi. Der Ausdruck jxiyfxa steht
hier offenbar nachlässig für die Bestandteile der Mischung; es war ja hier nur Eine Mischung, der Essig
honig, als Beispiel angeführt.
54
schmacksgleichnis scheint in jener Zeit beliebt gewesen zu sein. Der Verfasser
des Probl. 43 (Sect. XIX) weist auch auf Geschmacksmischungen und zwar auf
den Wein- und auf den Essighonig hin, nicht zwar um die Symphonie, sondern
um die Thatsache zu erläutern, dass der Flötenton sich besser als der der
Leier mit der menschlichen Stimme vermische. Die Methode der Vergleichung
der Sinne und speziell das Aufsuchen von Analogien zur musikalischen Con-
sonanz kennen wir übrigens schon von Aristoteles her.
13. Nikomachus und Jamblichus.
In dem uns erhaltenen Handbuch der Harmonik (äyuovtzrjs iy/ji^tSioy)
des Neupythagoreers und bedeutenden Mathematikers Nikomachus von Ge-
rasa aus dem 2. Jahrh. heisst es: „Symphon sind die Intervalle, wenn die
ungleich hohen Grenztöne, zusammen angeschlagen oder sonstwie ertönend
(d. h. auf andere Weise als durch Saiteninstrumente erzeugt), so miteinander
verschmelzen, dass der aus ihnen entstehende Klang einartig und wie ein
einziger wird. Diaphon dagegen, wenn der aus beiden entstehende Klang als
ein gewissermassen zerschnittener und unverschmolzener gehört wird."1)
Man bemerke hier die vorsichtige Ausdrucksweise in Hinsicht der „Ein-
artigkeit" des Verschmolzenen; überhaupt die formelle Genauigkeit der De-
finition, die selbst den hergebrachten Ausdruck y.qovö&£v%(x>v wegen seiner
Beziehung auf die Saiteninstrumente sogleich mit einem erweiternden Zu-
satz versieht. Es ist eigentümlich, dass bei Schriftstellern, deren ganze
Theorie wie die des Nikomachus in pythagoreischer Zahlenlehre gipfelt, sich
in den Consonanzdefinitionen öfters die genauere Beschreibung des sinnlich
wahrnehmbaren Thatbestandes findet, und dass umgekehrt diejenigen, die sonst
1) Jan, Mus. scr. p. 261 : {diaözr)(io.za) ovfiqjwva fiev, eneidrj ol neQie%ovzeg tpüöyyoi, diäcpoQOi z<p fieye&ei
övzeg, lifia xgova&evzeg rj oncog jioze rjxrfoavzeg iyxga&woiv dXXrjXoig ovxcog, öJots evoeidfj ztjv i$ avzcöv qpcovrjv
yeveadai xal oiov filav' diäcpiovoi de, özav dieaxiofievrj jicog xal äovyxgaxog fj !£ äf/.q>ozegwv qxovrj dxovtjzai.
Jan verwandelt das einstimmig überlieferte ojiwg in o/ncog und damit Sinn in Unsinn. Es ist nicht
der mindeste Grund, von der alten Lesart abzugehen. Vgl. unten die Definition des Gaudentius.
Dagegen ist es für mich zweifellos, dass in dem unserer Stelle vorausgehenden Satze eine Ver-
wechslung zweier Worte platzgegriffen hat, die sich auch bei Meibom und vermutlich schon in den
Handschriften findet und durch welche das Subjekt unseres Satzes ein anderes würde als das von uns
ergänzte. Ein System, sagt Nikomachus, ist die Verbindung zweier oder mehrerer Intervalle (öiaozrjfiäzcov),
und fährt nun im überlieferten Text fort: aklä xü>v fiev Siaaztj/^dtwv (muss heissen ov ort] /xäzcov) ovdelg
y&oyyog Jigog zbv avvexv ovfA.(pu>vog, alXa nävzcog biäqxavog, z&v de avazrj/Aäzcov (muss heissen 6iaozrjfiäza>v)
sozt zLva av/j.(pa>va, ziva de xal diäqxova. av/xqxova fiev, x. z. X. Ein „System" ist, wie wir aus der ganzen
alten Theorie wissen und auch hier das Folgende lehrt (p. 263, 18 f.), beispielsweise die ganze Tonleiter
oder auch ihre Hälfte, ein Tetrachord. Kein Ton eines Systems ist mit dem benachbarten consonant.
Unter den Intervallen aber sind die einen consonant, die anderen dissonant; das ist wiederum die
ständige Einteilung der Intervalle, niemals die der Systeme.
55
im bewussten Gegensatz zu den Mathematikern die Sinneswahrnehmung voran-
stellen, in diesem Punkt auf das Zahlen Verhältnis recurrieren oder, wie Ari-
stoxenus, ganz von der Definition Umgang nehmen.
Nikomachus hat noch andere Werke über Musik geschrieben, aus welchen
uns Einiges bei Boethius De instit. musica erhalten ist. Er polemisiert da
gegen Plato's Erklärung, wie wir sie aus dem Timäus kennen, und gibt eine
Erklärung, die sich mit der in der Schrift n. dxovarivv berührt1). Ferner
stellt er eine Rangordnung der Consonanzen auf (Boeth. 1. 1, c. 18), aber nicht
auf Grund des Gehörs, sondern arithmetischer Spekulationen; nämlich: Octave,
Duodezime, Doppeloctave, Quinte, Quarte. Es leuchtet ein, dass man bei der
Anordnung nach Zahlenverhältnissen von verschiedenen Prinzipien ausgehen
kann, weshalb denn auch, wie Boethius weiter berichtet, andere Pythagoreer
(Eubulides, Hippasus) andere Rangordnungen aufstellten.
Die „Einleitung in die Arithmetik des Nikomachus", welche der bekannte
Neuplatoniker Jamblichus (gest. um 330) verfasste, spricht vielfach auch
von musikalischen Dingen. Es heisst hier in Anlehnung an die nikomachische
Definition, dass bei der Symphonie „zwei oder auch mehrere nichthomo-
phone Töne infolge eines einzigen Anschlages (d. h. gleichzeitig erregt) sich
vermischen und einartig in das Gehör fallen".2) Bei den „mehreren" denkt
Jamblichus natürlich nur wieder an Zusammensetzungen der Quarte bezw.
Quinte mit der Octave, wie e — a — e'. Denn von Terzenconsonanz ist nirgends
bei ihm die Rede, im Gegenteil wird hier wie an vielen anderen Stellen aus-
drücklich die Quarte als die kleinste Consonanz bezeichnet. Bemerkenswert
ist auch die Erwähnung von Consonanzen, welche durch Zusammensetzung der
einfachen Consonanzen mit der Doppeloctave entstehen (p. 121).
14. Ptolemäus.
Die grosse Harmonik des Ptolemäus (2. Jahrh. n. Chr.) ist neben den
musikalischen Problemen, die weniger der detaillierten Entwickelung des Musik-
systems als der psychologischen Vertiefung in Prinzipienfragen gewidmet waren,
') Boethius Inst. mus. Hb. I, c. 31: Non unus tantum pulsus est qui simplicem modum vocis ernittat,
sed semel percussus nervus saepius aerem pellens multas efficit voces. Sed quia ea velocitas est percus-
sionis ut sonus sonum quodammodo comprehendat, distantia non sentitur et quasi una vox auribus venit.
Si igitur percussiones gravium sonorum commensurabiles sint percussionibus acutorum sonorum, . . . non
est dubium, quin ipsa commensuratio sibimet misceatur unamque vocum efficiat consonantiam.
2) Jamblichus In Nicomachi arithmeticam introductio ed. Pistelli 1894. p. 119: ijcsi yag zä y.azä
fiovotxi/v iv äqiiovia ov(t<po)va ylvezat, cpüoyyoyv ÖveTv rj y.ai xketövwv ov% 6[io<pd>vo>v vno /xi'av nkfj^iv xaza-
xiovafievrj ( — <ov zu lesen) y.ai zij äxoj) ivoeiÖäig noooxiiizovzwv, iXdyjaiov de y.ai jiqöjzov zfj äxofj alodrjzov
ovfMpwvov diüazrifiü iazt zo 8tä zeooägov.
56
die wichtigste der späteren Schriften. Ptolemäus, „selten ein blosser Com-
pilator, aber noch weniger ein selbstschöpferischer Geist"1), will Rechnung und
Beobachtung, Vernunft und Erfahrung in gleicher Weise berücksichtigen und
beginnt mit hübschen Betrachtungen darüber. Freilich ist er doch noch zu
sehr Pythagoreer. So läuft namentlich bei dem Problem, die Intervalle inner-
halb der Quarte zu bestimmen, welches er sehr ausführlich behandelt, doch
alles auf blosse Rechenkünste hinaus.
Seltsamerweise finden wir bei ihm zwei verschiedene Definitionen
von Consonanz und zwei verschiedene Einteilungen des darauf bezüglichen
Begriffscomplexes, sodass man versucht ist, die erste als blos provisorische zu
betrachten.
Im 4. Kapitel des I. Buches unterscheidet er, nachdem von der Höhe und
Tiefe, von stetig veränderten gegenüber festbegrenzten (ruhenden) Tönen die
Rede war, die Töne von ungleicher Höhe (äinoorovoi) zunächst in emmelische
und ekmelische, jenachdem sie zu einander gefügt dem Gehör fasslich
klingen oder nicht2). Hiemit ist aber nicht die gleichzeitige Zusammenfügung
gemeint, sondern die in der Melodie. Es sollen die Tonstufen, die überhaupt
für die Musik brauchbar sind, von den unbrauchbaren unterschieden werden.
(Näheres unten.) Ptolemäus fährt fort: „Symphonisch aber nennen sie —
das Wort von dem schönsten der Klänge, der Stimme (cpcorrj), hernehmend
— die Töne, welche einen ähnlichen Eindruck (Auffassung) für
das Gehör bewirken, diaphonisch die, welche sich nicht so verhalten3).
Nach einigen gegen die Pythagoreer polemisierenden Kapiteln gibt er
dann unter der Ueberschrift „Wie die Verhältnisse der Symphonien richtig
definiert werden" (c. 7 p. 15) eine neue Erklärung, welche auch weiterhin im
ganzen Werke zu Grunde gelegt wird. Um nicht sogleich in Verwirrung zu
kommen, ist es am besten, diese zunächst ohne jede Beziehung zur vorigen
zu betrachten und zu verstehen. Es werden hienach unter den ungleich hohen
Tönen {aviooiovoi) drei Rangklassen unterschieden. Zuoberst stehen dem Range
nach (aQ€Tfjg svsxa, eine öfters wiederkehrende Wendung vgl. p. 16) die homo-
x) Fr. Boll in seinen verdienstlichen „ Studien zu Cl. Ptolemäus", Jahrb. f. klass. Philologie,
21. Suppl.-Bd. (1894) S. 109.
2) Ptolemaei Harmonica (Wallis op. math. III) 1. I, c. 4, p. 9 : Eloi äs ifi/tsÄsTg fiev, ö'ooi owanzdiiie-
voi itQog aXXrßovg, evcpwvoi (evtpoQOi) zvyxävovac ngog axorjv. exjjisXeTg dk, oaoi (xrj ovzcog k'xovoi. Herr
Dr. Boll in München macht mich brieflich in dankenswerterweise aufmerksam, dass hier statt svqxovoi
mit den besseren Handschriften (s. Wallis' Apparat) und mit Porphyrius p. 263 und 286 evyogot zu
lesen ist; was auch offenbar besser dem Sinne der Unterscheidung entspricht.
3) Ibid.: 2vß<pdivovg äs i'zi <paalv slvai — xctQa zbv xäXXiazov 7Jdrj ze&v \\>6(p(ov, xtjv qpcovtjv, ovo/iazo-
noiovvzsg — oaoi xyjv 6/tiotav dvzlXtjyuv s/j.7ioiovai zacg axoaTg ' xai öiaqcxövovg zovg fir) ovzmg e'xovzag.
57
p honen, nämlich Octave und Doppeloctave1), dann die symp honen, näm-
lich Quinte und Quarte und deren Zusammensetzungen mit den homophonen,
endlich die emmelischen, „wie der Ganzton und die übrigen dieser Art".
Ptolemäus gebraucht allerdings öfters, wie fast alle Früheren, den Ausdruck
Symphonien für die beiden ersten Klassen zusammengenommen (ausdrücklich
z. B. 1. II, c. 3 Anfang). Aber die Octave, meint er, unterscheidet sich doch
noch wesentlich von den „übrigen Symphonien" und wird am passendsten als
Homophonie bezeichnet; und nun gibt er die Definition:
„Es seien aber als homophon für uns diejenigen Töne definiert, welche
zusammen angegeben unserem Gehör den Eindruck (die Auffas-
sung) Eines Tones bewirken; als symphon die, welche ihnen (in dieser
Hinsicht) am nächsten kommen, als emmelisch die, welche wieder diesen am
nächsten kommen. Darum setzen sich auch die Homophonen aus symphonen
zusammen (Quinte -f- Quarte = Octave), und die symphonen aus emme-
lischen. " 2)
Ptolemäus empfindet also, wie schon Thrasyll, das Bedürfnis, zwei Klassen
von Consonanzen zu scheiden, wenn er auch in der Terminologie von jenem
abweicht und den Ausdruck Homophonie, der bis dahin ganz allgemein für
die gleiche Höhe zweier Töne gebraucht wurde3), in einer neuen und gewiss
unzweckmässigen Weise anwendet (darin folgten ihm später nur einige byzan-
tinische Autoren). Das unterscheidende Merkmal der beiden Klassen ergibt
sich ihm aus dem gemeinschaftlichen: es gibt eben Stufen der Verschmelzung,
der Annäherung an die Klangeinheit. Wirkliche Einheit statuiert Ptolemäus
auch bei der Octave nicht. Das Homophone ist ihm nicht soviel wie das
Isotone, es ist eine Klasse des Anisotonen.
Die Sonderstellung der Octave innerhalb der Consonanzen zeigt sich ihm
aber auch in dem Gesetz, „dass sie zu jedem beliebigen Intervall hinzugefügt,
*) Die griechische Musikpraxis ging bekanntlich der Regel nach nicht über den Umfang von zwei
und einer halben Octave hinaus ; doch mögen in der Begleitung in späterer Zeit auch Tripeloctaven vor-
gekommen sein. Dass Ptolemäus auch diese und die folgenden Octaven zu der ersten Klasse rechnet,
ergibt sich aus anderen Stellen. Sogleich nachher gebraucht er den Plural für die mehrfachen Octaven
(s. das folgende Citat). Ebenso heisst es p. 14 nach Erwähnung der Octave und Doppeloctave: „und
welche anderen etwa noch durch Octave und Doppeloctave gemessen werden."
2) p. 15: 'OgtCio&cooav di rtfiiv öfiöqxavoi (ikv oi y.axa xijv ovfiyavoiv svög ävxikr)ipiv ifiJiotoüvxeg xatg
axodig, oig oi diä Tiaoöjv y.al oi £• avx&v owxi&iusvoi. 2vficpcovoi de oi tyyvxäxco xwv 6uoqxöv<ov x. x. X.
Es ist bemerkenswert, dass Ptolemäus immer von Arten der Töne statt der Intervalle spricht,
wodurch manche harte Wendungen entstehen; z. B. kann man doch nicht eigentlich sagen, dass die
homophonen Töne sich aus den symphonen, ebensowenig dass die Töne der Doppeloctave sich aus
denen der Octave zusammensetzen.
3) Noch Sextus Empiricus definiert ausdrücklich (Adv. raus. 42): 'Ofiöffcoroi fiev oi nij 8iaqje.oovri;
(Yi.h'j'uov y.ax' ö^vxrjxa y.al ßaovxtjxa.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 8
58
dessen Art (eldog) nicht verändert, sozusagen ähnlich wie die Zehnzahl sich
zu den darunterliegenden Zahlen verhält." Diese Eigentümlichkeit ist eben
darin begründet, dass sie wie Ein Ton wirkt.1)
Ptolemäus versucht dann aus diesen der Sinneswahrnehmung entnommenen
Bestimmungen die Zahlenverhältnisse herzuleiten, die weiterhin (c. 8) aber auch
durch das Experiment am Monochord erwiesen werden. Diese recht gewagte
logische Deduction ist an sich für unsre Zwecke ohne Interesse, aber inner-
halb ihrer ist uns Verschiedenes von Wichtigkeit.
Zuerst die genauere Abgrenzung der euuelelg. Es gehören dazu nur die
Intervalle unter der Quarte und aus ihnen auch nur die durch superparticulare
Verhältnisse ( — — — ) gegebenen. Denn nicht blos führt Ptolemäus hier und
überall nur die Intervalle unter der Quarte als Beispiel an2) und stellt das
Prinzip auf, dass die e/ifteleZg die Quarte zusammensetzen3), sondern er fasst
auch das Ergebnis der Classification ausdrücklich so zusammen: „Homophon
ist 2:1 und dessen Multipla, symphon die zwei ersten superparticularen Ver-
hältnisse (3:2, 4:3), emmelisch die auf 4:3 folgenden superparticularen."
Hierin ist zugleich ausgesprochen, dass nicht beliebige kleinere Intervalle wie
z. B. 15:17 emmelisch sind. Darin stimmt Ptolemäus mit den Pythagoreern
überein, als deren Prinzip er p. 12 (Schluss des 5. Kap.) anführt: „Das Emme-
lische muss in superparticularen Verhältnissen stehen."
Weiter ist interessant, dass Ptolemäus auch innerhalb jeder Klasse noch
Gradunterschiede statuiert. Die Octave wird hier als „einheitlichstes und
schönstes" (hnxunaTov xal y.allioxov p. 15) unter den Homophonen bezeichnet,
also der Doppeloctave u. s. f. vorangestellt. Aber auch unter den symphonen,
ja unter den emmelischen Intervallen sind Unterschiede, auf Grund des Prin-
zips: Ein Intervall steht um so höher, je mehr sein Eindruck sich dem der
Einheit nähert, und dies ist um so mehr der Fall, aus je niedrigeren Zahlen
sich das superparticulare Verhältnis zusammensetzt (oder, wie Ptolemäus sich
selbst ausdrückt: je mehr der Ueberschuss über 1 sich der Einheit nähert).
Es folgen sich also 3:2, 4:3, dann unter den Emmelischen, obschon dies
1) C. 6. p. 12: xü>v ixoiovvxwv avxrjv [xt]v diä Tiaomv ov/iqccoviav] <fdoyya>v aöiacpogovvxwv, xaxa xi]v
dvva/Atv , ivog <pdöyyov.
Das obige Gesetz verwendet Ptolemäus zur Widerlegung der Pythagoreer, wenn sie die Quarte
-f- Octave nicht zu den Consonanzen rechnen wollen, weil 3 : 8 kein löyog L-it/xogiog ist.
2) p. 15: d>? ol xoviaToc xal xcov xoiovxcov oi lomot. p. 16: otov 6 xovog xal oaoi ovvxi&iaae xtjv
ilaxtoxrjv xöjv ov/irpcoviäv.
3) p. 16, Z. 13 f. L. II, c. 4, p. 36 definiert er sogar Symphonie als eine aus s/xfisXeTg zusammen-
gesetzte Grösse (auch die Quinte, da sie = Quarte + Ganzton, und die Quarte selbst aus iuuslsTg besteht).
59
Ptolemäus hier nicht näher ausführt, 5:4, 6:5, 7:6 u. s. f. Er gebraucht
hier auch den Comparativ, die einen seien tuaelt-OTeyoi als die anderen. Es
ergibt sich hieraus, dass Ptolemäus auch bei den emmelischen noch eine gewisse
Verschmelzung statuiert, wie er ja auch schon in der Definition sagt, dass sie
an Einheitlichkeit den symphonischen nahe ständen. Dies ist der erste Schritt
zur Aufnahme der Terzen unter die „unvollkommenen Consonanzen".1)
Aus der nun folgenden Polemik gegen die Aristoxener (c. 9) mag für uns
nur hervorgehoben werden, dass Ptolemäus die Bestimmung des Ganztons als
der Differenz zwischen Quinte und Quarte misbilligt (p. 21). Unser Gehör
brauche, wenn wir einen Ganzton stimmen, nicht die Quarte oder sonst ein
Intervall, sondern könne jeden derartigen Unterschied in sich selbst (*«#' avrrjv)
bestimmen. Ueber diesen Punkt sind die Meinungen noch heute nicht ganz
einstimmig. Ptolemäus selbst vertritt 1. II, c. 10, p. 70, wo er von der Modu-
lation spricht, die Bestimmung des Tonintervalls durch Quinte und Quarte.
Endlich hebe ich noch die gelegentliche Aeusserung aus dem dritten
Buch hervor, dass bei den Homophonen kleine Abweichungen am leichtesten
bemerkt werden, am schwersten dagegen bei den Emmelischen. Ein kleiner
Fehler verdirbt um so mehr, je höher das Intervall steht. Die Bemerkung
findet sich inmitten von Speculationen über die Verwandtschaft der Intervalle
mit Tugenden (1. III, c. 5, p. 135 unten). Es ist nicht zu erkennen, ob sie auf
Beobachtungen ruht oder nur etwa auf dem allgemeinen philosophischen
Prinzip „Corruptio optimi pessima", demselben, welches beispielsweise bei Plato
und Aristoteles die Lehre von den guten und schlechten Staatsverfassungen
beherrscht (s. Arist. Pol. IV, 3, p. 1289, a, 40).
') Zu dieser Lehre von den Gradunterschieden ist auch Porphyrs Commentar p. 290 f. mit Nutzen
zu vergleichen.
Gevaert sagt über das obige Prinzip (Hist. I. 100, Anm.): „Bien que cette phrase ait une portee trop
etendue, il n'en ressort pas inoins que les tierces sont considerees par Ptoleniee comme les plusdouces
parmi les diaphonies." Viele haben ihm dies nachgeschrieben, ja daraufhin dem Ptolemäus die direkte
Behauptung untergelegt, die Terz sei die angenehmste, süsseste der Diaphonien. Gevaert drückt sich
aber vorsichtiger aus und darf nicht so verstanden werden, als ob Ptolemäus die Terzen speziell unter
den Emmeleis hervorhöbe. Ptolemäus stellt nur ein Prinzip auf, aus dem ihre Bevorzugung allerdings
folgen würde. Aber für ihn haben sie doch nur Interesse als ein mögliches Beispiel derselben Gattung,
der auch das Verhältnis 7:8 oder 10: 11 angehört. Er nennt stets nur den Ganzton ausdrücklich und
fügt .alle übrigen dieser Art" summarisch bei; während für uns die Terzen und Sexten eine wolcharakte-
risierte Intervallgruppe für sich bilden. Auch spricht Ptolemäus nicht von Annehmlichkeit und Süssig-
keit, sondern von Gradunterschieden der Emmelie, d. h. der Brauchbarkeit für melodische Zwecke. End-
lich ist nicht zu vergessen, dass die ganze Rangordnung in diesem Kapitel nicht in erster Linie auf
Beobachtung, sondern auf arithmetische Speculation gegründet ist. Dass die musikalischen Zahlenver-
hältnisse, je einfacher sie sind, um so höher stehen und um so angenehmer wirken müssen, war schliess-
lich doch schon ein Prinzip der alten Pythagoreer und des Aristoteles.
8*
60
Unstreitig eine reichentwickelte Consonanzlehre, die uns hier in der letzten
umfassenden Leistung der alten Musiktheorie entgegentritt!
Nunmehr müssen wir aber noch das Verhältnis der ersten Definition
und Einteilung des Ptolemäus zur zweiten in's Auge fassen.
Zunächst ist ein wesentlicher Unterschied in dem zur Definition der
„Symphonie" benutzten Merkmal. In der ersten Definition wird von der Aehn-
lichkeit, in der zweiten von der Einheitlichkeit der consonierenden
Töne gesprochen. Aehnlichkeit zwischen Tönen findet auch bei blosser Auf-
einanderfolge Statt, während die Einheitlichkeit, wie Ptolemäus auch gleich
Früheren ausdrücklich beifügt, eine Eigentümlichkeit des Zusammenklanges
ist. Die erste Definition klingt an die Helmholtzens an, wenn ihm die Con-
sonanz zusammenfällt mit der durch die gemeinsamen Teiltöne bedingten Aehn-
lichkeit der Klänge. Vereinigen könnte man beide Definitionen des Ptolemäus
nur etwa dadurch, dass man die Verschmelzungsgrade selbst aus den Aehnlich-
keitsgraden herleitete, worauf wir hier natürlich nicht eingehen, da Ptolemäus
keinen Versuch dieser Art gemacht hat1).
Aber auch die ganze Einteilung ist verschieden. Es fällt auf, dass in
der ersten die Homophonen, in der zweiten die Diaphonen und die Ekmelischen
fehlen. Bezüglich der Homophonen könnte man nun annehmen, dass sie hier
unter den Symphonen mitbegriffen seien. Mehr Schwierigkeit machen die
anderen Differenzen. Ich fasse die beiden Einteilungen so auf:
(1) Anisotone (2) Anisotone
Ekmelische Emmelische
^^^— --~"~ — —~^^ Homophone Symphone Emmelische
Symphone Diaphone
Die Verschiebung wurzelt in der ganz verschiedenen Bedeutung des Aus-
drucks e/LLjuekeg. Die Unterscheidung der Emmelischen und Ekmelischen bei (1)
bedeutet allem Anschein nach: Töne (Ton Verbindungen) die in der Musik
benutzbar sind, und solche, die es nicht sind (die in irrationalen oder allzu-
complizierten Verhältnissen stehen). Unter dieser Voraussetzung ist die Ein-
teilung in Symphone und Diaphone natürlich eine Untereinteilung der Emme-
]) Porphyrius deutet in seinem Commentar (p. 337) darauf hin, indem er den Unterschied der Homo-
phonen und der Symphonen auch in dem Aehnlichkeitsgrad der bezüglichen Töne findet, wie er über-
haupt beide Definitionen und Einteilungen zu vereinigen sucht.
Ptolemäus selbst sagt c. 7 von den Verhältnissen der symphonen und emmelischen Intervalle,
dass sie sich der Gleichheit {laöxrjg) nähern. Dies ist nicht zu verwechseln mit der Behauptung einer
Aehnlichkeit der Töne, die ein Intervall zusammensetzen.
61
lischen (während an sich die Ausdrucksweise an der Stelle auch die Möglich-
keit offen Hesse, dass die beiden Einteilungen sich kreuzen). Diese Bedeutung
von tuiitkeg und ezueltg entspricht auch im Ganzen dem Gebrauch in der
späteren griechischen Musikwissenschaft1).
Dagegen ist iuue'Aslg in dem ganzen Werke des Ptolemäus ausser dieser
einzigen Stelle — und der Ausdruck wird äusserst häufig benutzt — ein zu-
sammenfassender Name für die Intervalle unterhalb der Quarte, soweit
sie in superparticularen Verhältnissen stehen (s. o.). Ptolemäus weicht hiemit
ebenso wie mit dem Gebrauche von „Homphon" von der Tradition ab. Aber
die genannten Intervalle waren ihm von besonderer Wichtigkeit, weil ihre
verschiedenen Abstimmungen und Combinationen den Unterschied der Ton-
geschlechter und der manichfachen feinen Nuancen bedingen, in denen sich die
damalige Theorie gefiel, während die Octave, Quinte und Quarte (die „cp&oyyot
') Die Ausdrücke finden sich in technisch-musikalischer Verwendung schon bei Theophrast (in
Porphyrius' Commentar zur ptoleinäischen Harmonik Wall. p. 243 — 4) und bei Aristoxenus. Wie Theo-
phrast den Gegensatz versteht, ist bei der Kürze und Dunkelheit der Stelle wol schwer zu sagen. Ari-
stoxenus nennt ex^ieXetg leiterfremde Töne, solche, die nicht in eine bestimmte Scala, d. h. in den für
eine Melodie verfügbaren Tonvorrat passen; ähnlich wie bei uns etwa der Ton As nicht in die C-dur-
Leiter passt, wenn er auch sonst als Intervall mit C sehr wol vorkommen kann. „Denn nicht durch
jede Zusammensetzung der nämlichen Buchstaben entsteht eine Silbe" (cf. Marquard's Ausg. S. 40, 52
und bes. 78).
Adrast definiert bei Theo Smyrn. im Namen der Pythagoreer die Ausdrücke bereits in dem Sinne,
wie wir sie bei Ptolemäus verstehen (p. 50): Tzä de zäxr] zwv xtr/joecov . . . 1} iv Xöyoig xialv anozeXovvzai
i, y.al uXöyayg xgög äXXrj?M. vxo fisv ovv ziöv ulöywv SXoyoi xal ix fieXeig yivovzai yjöcpoi, ovg ovde qc&öyyovg
■/qtj xaXeiv xvgicog, rj%ovg de fiörov (Schallempfindungen), vjzo de zwv iv Xöyoig xial szgog aXXt]Xovg TtoXXa-
xXaoioig ?/ inifxogloig fj äjiXwg ägißpov jrgög ägiflfiov ififieXeXg xal xvgicog xai idicog (p&öyyoi (Töne)- cor
öl fiev aXX.oi ftövov qgfioofievoi (wo nur ein Xöyog chzXcog agi&/nov .-igog dgiOfiöv stattfindet), oi de xaza
Tni'g Tzgcözovg xal yvcogiticozäzovg xal xvgicozdzovg Xöyovg xoXXaiiXaoiovg ze xal ejzifiogiovg tjdrj xal ovfx-
(pcovoi.* Es folgt dann Adrasts oben erwähnte Definition der Consonanz.
Auf das Nämliche läuft die Definition hinaus, die Poi-phyrius Wall. p. 2G2 nach den Aristoxenianern
von der cpoivt) iiiiieXr/g gibt, indem er sie = (pcovrj diaozrjuazixi'i = qicovrj xgog fieXog imzrjdeiog setzt
(Intervallton).
p. 215 erklärt Porphyrius, diesmal wie mir scheint im eigenen Namen, als emmelisch die angenehmen
und glatten Klänge {cpwval Ttgoor/vetg xal Xelai), als ekmelisch die rauhen und ungleichmässigen ; womit
er aber nicht etwa Consonanzen und Dissonanzen, sondern wol Töne und geräuschartige Schalleindrücke
unterscheiden will. Als physikalisches Merkmal des Enimeles wird das Vorhandensein eines Xöyog in der
Bewegung angegeben.
Bei Bacchius (§ 69) finden sich cp&öyyoc ififieXeig und ne'C,oi gegenübergestellt, wobei unter ififieXeig
musikalische Töne, unter net,oi die in der Rede gebrauchten Klänge mit nicht genau fixierbaren Stufen
verstanden werden. Diesen Gegensatz beschreibt bereits Aristoxenus lichtvoll aber mit anderen Aus-
drücken (Marq. p. 10 f.).
Wir müssen also, so scheint mir, hinsichtlich der Ausdrücke ififieXeg und ix/ieXeg eine gewisse
Veränderung des Sprachgebrauches von Aristoxenus bis zu den Späteren und überhaupt manche kleine
Schwankungen constatieren. Aber die Veränderung, welche Ptolemäus von c. 7 ab vornimmt, ist eine
noch viel bedeutendere. Die Emmeleis sind da weder blos „leitereigene" noch gar überhaupt nur „musi-
kalisch verwendbare", sondern ganz speziell: „melodisch vorzugsweise brauchbare" Töne bezw. Intervalle.
62
tOTwzeg") als geraeinsames Gerüst dienten1). So brauchte er dafür einen eigenen
Ausdruck und wählte Bfifxslslg. Die Umdeutung, die er hier vornahm, schien
ihm sicherlich dadurch gerechtfertigt, dass diese kleinen Stufen zu melo-
dischen Wendungen vorzüglich brauchbar sind2); während die sym-
phonischen Intervalle in der Melodie ebenso wie in der Leiter mehr das
Gerüst abgeben, sowie auch in der Begleitung an passenden Stellen zur Stützung
des Tonica-Bewusstseins dazu angegeben wurden.
Ganz allein stand Ptolemäus mit dieser Verwendung nicht: wir fanden
sie von Plutarch (S. 46) sozusagen probeweise eingeführt, und so mag sie auch
sonst in jener Zeit gelegentlich aufgetaucht sein, vielleicht im Zusammenhang
mit dem zunehmenden Sinn für instrumentale Begleitung der gesungenen
Melodie, wodurch der Unterschied in der Wirkung der kleinen Intervalle beim
Zusammenklang und bei der Aufeinanderfolge (s. Plutarch's Erklärung) stärker
zum Bewusstsein kam.
Diese Emmeleis sind also Emmeleis in einem durchaus an-
deren Sinn als die der ersten Einteilung. Sie sind eine Unterabtei-
lung der dortigen Diaphonoi und damit auch der dortigen Emmeleis. Ihnen
stehen darum hier auch keine Ekmeleis gegenüber. Nichts von solchen wird
in der zweiten Einteilung und in dem ganzen übrigen Werke erwähnt; und
es ist dieses Schweigen nun wolbegreiflich.
Aber auch die Nichterwähnung der Diaphonen hängt damit zusammen.
Nachdem die Diaphonen unterhalb der Quarte bereits als besondere Klasse
angeführt waren, konnten nicht noch die Diaphonen überhaupt erwähnt werden.
Ptolemäus hätte höchstens die Diaphonen über der Quarte (Tritonus, Sexten,
Septimen u. s. f.) wieder unter einem besonderen Namen anführen können, und
dann wäre die Einteilung allerdings erst vollständig geworden. Aber er
brauchte diese Intervalle für seine Entwickelungen nicht und so sah er auch
schon in der Einteilung von ihnen ab.
Die Discrepanz der beiden Einteilungen scheint, wie die der Definitionsmerkmale für
die Consonanz, allen bisherigen Auslegern von Porpbyrius an entgangen oder von ihnen nur
als eine scheinbare und leicht zu beseitigende empfunden worden zu sein. Porpbyrius lehrt
1) Vgl. 1. I, c. 12, p. 29, wo das Problem von der Teilung der Quarte in drei Emmeleis zuerst auf-
gestellt wird.
2) Aus demselben Grunde unterscheidet später Descartes (Musicae Compendium p. 10, 23) die „Gradus"
als besondere Intervallklasse. „Duabus maxime de causis requiruntur gradus in musica, nempe ut illorum
adjumento ab una consonantia ad aliam fiat transitus . . ., deinde ut in certa quaedam intervalla omne
spatium, quod sonus decurrit, ita dividant, ut per illa semper et commodius quam per consonantias
cantus incedat."
63
(p. 337, 264), die Homophonen seien zugleich symphon und emmelisch, die Symphonen zu-
gleich emmelisch, aber nicht umgekehrt die Emmelischen zugleich symphon, die Symphonen
zugleich homophon. Ich wüsste nicht, wie dies — abgesehen von dem engeren und weiteren
Gebrauch des Ausdrucks Symphon, der Ptolemäus zuweilen auch die Homophonen darunter
subsumieren lässt — sich mit den bestimmten Angaben über die zweite Einteilung ver-
einigen Hesse.
Boethius, der die Einteilungen und Definitionen des Ptolemäus mehr als frei wiedergibt
(die ersten Inst. mus. V, 6 — 7, die zweiten V, 11), fügt sowol die Diaphonoi wie die
Ekmeleis in die zweite Einteilung ein, die Ekmeleis mit der Definition: „quae non reci-
piuntur in consonantiarum coniunctione" (welche nicht zur Verknüpfung der consonanten
Töne in der Melodie gebraucht werden). Er verweist des Näheren auf die folgende, aber
nicht vorhandene Untersuchung über die Einteilung der Tetrachorde.
Wallis (Appendix zu Ptolemäus p. 155) rechnet zu den Emmeleis auch die Dissonanzen
jenseits der Quarte, den Triton us u. s. f., mit Berufung auf Pseudo-Euklid's Introductio.
Aber dort heisst es (Meib. 8, 13) nur, dass diese Intervalle nebst den unter der Quarte
liegenden zu den Diaphonen gehören; sie werden nicht mit dem Klassennamen Emmeleis
bezeichnet.
Gevaert stellt die homophonen, symphonen, emmelischen und ekmelischen Intervalle
nebeneinander, wobei er die emmelischen im Sinne der zweiten Einteilung als Intervalle
unter der Quarte, die ekmelischen aber als die dissonanten Intervalle über der Quarte fasst,
also diesen Ausdruck auf die vorhin vermisste vierte Abteilung bezieht (Hist. I, 101). Aber
Emmeleis und Ekmeleis nach (1) erschöpfen den Begriffsumfang des Anisotonen und geben
nicht noch zwei coordinierten Klassen Raum. Und die Emmeleis nach (1) umfassen die
Symphonen, während die nach (2) sie ausschliessen1).
Ich sehe also keine Möglichkeit der Vereinigung. Nimmt man nun dazu, dass die
Symphonie verschieden definiert, dass die erste Definition auch nur mit einem „(paoia ein-
geführt, dass in (1) nicht von der Homophonie, in (2) nicht von der Diaphonie die Rede ist,
so dürfte die oben ausgesprochene Ansicht, dass die erste Definition und Einteilung nur pro-
visorisch oder blos referierend gemeint sei, wol gerechtfertigt erscheinen. Ja man könnte
zu der Vermutung kommen, dass es sich um ein Einschiebsel (von „ev olg dt]" an) handle,
') Das Citat aus Ptolemäus, worin Gevaert Hist. I, p. 100 — 101 die zweite Einteilung wiedergibt,
enthält ein Versehen, welches den Leser irreführen inuss. Nach der Charakterisierung der Emmeleis lässt
Gevaert deu Ptolemäus selbst fortfahren: „Tous les intervalles fournis par d'autres combinaisons de nombres
sont rejetes parmi les non melodiques ou ecmeles." Dieser Satz ist aber nicht mehr Eigentum des Ptole-
mäus, sonst liesse sich ja nicht streiten. Er müsste, wie mir der verehrte Forscher, als ich ihn aufmerk-
sam machte, schrieb, seiner Auffassung nach durch folgenden (ohne Anführungszeichen) ersetzt werden:
Nous sommes donc autorises ä supposer que tous les intervalles fournis etc. sont rejetes par Ptolemee
la classe des non-melodiques ou ecmeles.
Gevaert fährt in seinem Briefe fort: „Toutefois il est k remarquer, que cette Classification n'est
pas confermee par la pratique des Anciens: en effet on rencontre des sauts de Sixte, de Septieme et
de Quinte mineure (je ne parle pas de l'Octave) dans les restes de la musique antique actuellement connus."
In der That ist dieser Hinweis auf die faktische Verwendung grösserer Intervalle in den erhaltenen
Melodien (besonders gerade denen aus dem 2. Jahrhundert) ein weiterer Einwand gegen seine und jede
Auffassung, die die Ekmeleis auf die dissonanten Intervalle jenseits der Quarte bezieht.
64
welches die Bestimmung hatte, einen Uebergang zum folgenden Kapitel zu schaffen; das
Einschiebsel müsste freilich bereits dem Porphyrius als ptolemäisch vorgelegen haben1).
Nur unter Einer Bedingung lässt sich eine Gesamtclassification aufbauen, welche beide
Einteilungen des Ptolemäus umfasst: wenn man die beiden Bedeutungen von ijUjLiehjg und
wenn man ebenso einen weiteren und engeren Gebrauch von ovfxcpcovog in der Uebersicht
auseinanderhält. Dann gestaltet sie sich so:
Anisotone (= Töne von verschiedener Höhe)
Emmelische im älteren und weiteren Sinne
= musikalisch brauchbare Intervalle
Ekmelische
mus. unbrauchbare
Symphone im älteren und weiteren Sinne
Diaphone
Homophone im neuen Sinne
(Octaven)
Symphone im neueren
(Quinten, Quarten)
u. engeren Sinne
Emmelische im neuer, u. eng. Sinne
= melodisch vorzugsweise brauchbare
(Intervalle unter der Quarte)
Weniger-Emnielische
= melodisch minder
brauchbare
(dissonante Intervalle
über der Quarte).
Aber dies wäre nicht mehr eine Interpretation, sondern eine Correctur des Ptolemäus
nach Art der Evangelienharmonien. Ihm schwebte diese Gesamtclassification und die darin
ausgedrückte Beziehung der beiden Teilclassificationen wahrscheinlich niemals als solche vor,
und die „ weniger emmelischen " sind überhaupt von uns dazugefügt, um die fehlenden disso-
nanten Intervalle über der Quarte unterzubringen. Diese als ekmelisch zu bezeichnen,
würde er sich aber meiner Meinung nach geweigert haben, ebenso wie wir uns weigern
würden, sie unmelodisch zu nennen. Dass er Gradunterschiede der Emmelie anerkannte,
zeigt uns der Comparativ i/j,fxeXsoT£Qoi (s. o.) Und so wäre wol fjtxov ijufiekeig hier am
meisten in seinem Sinne.
]) Unmöglich ist dies nicht, da zwischen der Abfassung der Harmonik und dem Commentar des
Porphyrius 100 — 120 Jahre liegen und da „man weiss, wie stark im 2. Jahrhundert an fremden Werken von
unberufenen Händen gefrevelt wurde, sogar schon bei Lebzeiten eines Autors" (Boll in der obenerwähnten
Schrift S. 125, wo auch nach Freudenthal eine Stelle Galens citiert wird, worin sich dieser über Ver-
stümmelung seiner Werke beklagt). Herr Dr. Boll äusserte mir das Bedenken, dass dann auch der Anfang
des 5. Kapitels eingeschoben oder verändert sein müsste, eine Sorgfalt die sonst nicht Iuterpolatorenart
sei. Ich möchte dies kaum für durchschlagend halten. Das 5. Kap., das über die pythagoreische Con-
sonanzlehre referiert, schliesst sich seinem Inhalte nach auch sonst ziemlich lose an das 4. an und setzt
eine selbständige Definition der Consonanz von Seiten des Ptolemäus nicht voraus. Uebrigens will ich
auch nicht zu stark auf obiger Hypothese bestehen. Denkbar ist es gewiss auch, dass Ptolemäus seihst
nicht ganz mit sich übereinstimmt, wie wir dies ja auch in einem anderen Punkte gefunden haben.
65
15. Porpliyrius.
Porphyrius (3. Jahrh.), dessen wertvolle Citate aus verlorenen Schriften
wir mehrfach benützten, trägt in seinem Commentar zur Ptolemäischen Har-
monik auch eigene, freilich in keiner Weise originelle, Lehren vor. So bedient
er sich z. B. zur Definition der Consonanz p. 265 (Wallis) des genauen Wort-
lauts der Aelianischen Definition (o. S. 52) und führt mit einer wahren Kunst
des Wortemachens aus, dass von den gleichzeitigen consonanten Tönen keiner
mehr als der andere herausgehört werden dürfe, weder der tiefere mehr als
der höhere, noch der höhere mehr als der tiefere, denn wenn man den einen
mehr heraushöre, höre man den anderen weniger heraus u. s. w. Dabei ver-
fällt er aber auch wieder in das Misverständnis, dass eine Dissonanz entstehe,
wenn man den einen mehr heraushört — was doch schon der Fall ist,
wenn z. B. g merklich stärker als c erklingt, wobei die Consonanz durchaus
ungeändert bleibt. Jene Definition kann ja nur so verstanden werden, dass
man bei gegebenem Stärkeverhältnis beide Töne deutlicher unterscheidet,
wenn es sich um Dissonanzen, als wenn es sich um Consonanzen handelt;
nicht aber dass man einen mehr als den anderen heraushört.
Im Uebrigen bringt sein Commentar zu den vorhin aus Ptolemäus an-
gezogenen Stellen nichts Neues, ausser in c. 6 p. 277, wo wir den Ausdruck
Antiphonie wiederfinden. Er erläutert die Ptolemäische Aeusserung, dass
die Octaventöne sich der Kraft (Wirkung) nach nicht von Einem Ton unter-
scheiden, wie folgt: „Denn da sie entgegengesetzt sind, ist ihre dvvctfug die
nämliche und so wirken sie beide wie Einer . . . Daher werden sie auch
antiphon genannt, wie man einen Gottgleichen auch Gegengott und die Ama-
zonen auch Gegenmänner (Gegenstücke zu den Männern) nennt, sofern sie der
Kraft nach den Männern gleichstehen."
Dies ist natürlich nur eine subjective Deutung und wenig überzeugend,
ja unklar. Aber wir entnehmen daraus wenigstens, dass der Ausdruck Anti-
phonie für die Octave damals vorkommen musste, und zwar auch bezüglich der
heidnischen Musik (Porphyr war bekanntlich ein eifriger Christengegner). Die
Stellen aus jener Zeit, wo man diese Terminologie findet, sind nicht zahlreich.
Was Porphyr hier zur Begründung der Verschmelzungsthatsache sagt, ist
offenbar die Anwendung eines aristotelischen Prinzips: rj avrrj dvvafiiq tiov
ivavriiav, r} ivaviia (Aristot. Rhet. II, 19, p. 1392, a, 11 ; vgl. auch Eth. Nie. V, 1,
p. 1129, a, 13). Freilich ist seine Erklärung wieder nur ein nutzloses Spiel
mit unverstandenen Worten, denn weder sind die Octaventöne kvarrla im
eigentlichen Sinn, noch lässt sich jenes Prinzip ohne Weiteres hier anwenden.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 9
66
16. Aristides.
Dem gleichen Misverständnis des von Früheren übernommenen Verschmel-
zungsbegriffes wie bei Porphyrius begegnen wir bei Aristides Quintilianus, dem
Verfasser eines uns erhaltenen umfangreichen Werkes über Musik, der übrigens
sich auch sonst in den eigentlich akustischen und technischen Dingen manche
Verkehrtheit zu Schulden kommen lässt1). Er sagt: „Symphon sind Töne,
wenn bei gleichzeitigem Anschlag das Melos nicht mehr für den
höheren als für den tieferen hervorscheint. Diaphon, wenn bei
gleichzeitigem Anschlag die Besonderheit des Melos bei dem einen von beiden
hervortritt. Homophon, wenn Töne zwar verschiedene Dynamis aber gleiche
Höhe darbieten."2)
Bemerkenswert ist nur noch, dass Aristides nicht wie Porphyrius vom
Hervortreten der Töne, sondern ihres Melos spricht. Hierunter kann aber wie
in den Problemen nichts anderes verstanden werden als eben ihre Höhe,
das was den hohen zum hohen, den tiefen zum tiefen macht. Die Definition
spricht ja nicht vom Vortrag einer Melodie durch zwei gleichzeitige Stimmen,
sondern vom Angeben zweier einzelnen gleichzeitigen Töne. Allerdings wird
dann beim Vortrag einer Melodie, die in Octavenparallelen (von Männern
und Frauen) gesungen wird, das Nämliche eintreten: die Melodie wird weder
vorwiegend als hohe noch als tiefe erscheinen. Insofern hängt die vor-
liegende Bedeutung von [iskog mit der gewöhnlicheren zusammen. Man über-
setzt vielleicht am besten: „das melodische Element des Tones" oder auch
„das tonale Element der Melodie". Der nämliche Begriff wird im letzten
Satz mit dem gewöhnlicheren Ausdruck rdotg bezeichnet, der die Tonhöhe
als Funktion der Saitenspannung benennt. Unter der dvvaaig des Tons aber
kann man hier, sachlich betrachtet, entweder die Stärke oder die Klangfarbe
!) Vgl. Westphal, Musik des Altertums S. 253. Die Zeitbestimmung für Aristides ist schwierig.
Früher von Einigen in's 3. Jahrh., von Fetis in's erste vei-setzt, wird er von Albert Jahn als Zeitgenosse des
Plutarch bezeichnet, also seine Schrift etwa an den Anfang des 2. Jahrh. gestellt. Jahn vermutet, dass
sein Beiname KoTvzihavov laute und dass er ein Freigelassener des bekannten Rhetors Quintilianus gewesen.
Ptolemäus und Aristides citieren sich gegenseitig nicht, ebensowenig Porphyrius und Aristides. Jul. Cäsar
glaubt jedoch (Marburger Index lect. 1882/3) Anschauungen des Plotin und desPorpbyrius bei Aristides wieder-
zufinden. Der daraus folgenden späten Datierung stimmt auch Guhrauer bei (Jahresber. f. Phil. No. 44).
2) Aristides Quint. De Musica ed. A. Jahn p. 8, 2: ovfxtpwvoi fiev (<pd6yyot), u>v äfia xqovouevwv ovdev
/m/.lov ztö oiguregq) ?j reo ßagviegq) xo fiskog ifiJiQejtei, ötdcpcovoi de, wv ci/na XQOVOf.iivcov f\ tov fielovg idiör/jg
-ftaregov yivezai, 6[A.6<pa)vot de, ol'riveg dvvafxiv fiev aXXoiav epcovijs, xdatv öe l'arjv iney^ovoiv.
Aristides gibt, wie Ptolemäus, die Einteilung als solche der Töne. Nachher allerdings (p. 8, 32)
teilt er auch die Intervalle in symphone und diaphone und verweist zur Definition zurück auf das über
die Töne Gesagte.
67
oder beides verstehen (wie denn beides auch nicht ganz unabhängig von
einander ist).
In welch' schiefe Bahn der Auffassung man dadurch kam, dass man Dis-
sonanz durch einseitiges Hervortreten eines der beiden Töne definierte, sehen
wir daran, dass in den Problemen (XIX, 12) und bei Plutarch (Conjug. praec. 11)
behauptet wird, bei symphonen Tönen sei der tiefere der Träger des Melos,
wonach also gerade das auf sie zuträfe, was wir hier als Charakteristicum
von Dissonanzen hörten. Und für diese Behauptung lässt sich auch eine gewisse
akustisch-psychologische Rechtfertigung geben1).
17. Bacchius und Pseudo-Bacchius.
Wiederum das Nämliche finden wir in des Bacchius' „Einleitung in die
Tonkunst", einer dürftigen und inconsequenten, wenn auch historisch durch
Einzelnheiten wertvollen, Compilation in Katechismusform, die zu den Zeiten
Constantins, also Ende des 3. oder Anfang des 4. Jahrhunderts verfasst zu sein
scheint. Nach der Definition des Tones, des Intervalls, der kleinsten Intervalle
heisst es: „Was ist Symphonie? Die Verschmelzung zweier ungleich hohen
Töne, worin in keiner Weise das Melos des tieferen mehr als das des höheren
und umgekehrt erscheint."2) In einer anderen Abteilung des Werkchens, die
allen Zeichen nach einen anderen Verfasser hat (es werden teilweise die näm-
lichen Dinge in abweichender Art behandelt, der erste Teil steht wesentlich
auf dem Standpunkt des Aristoxenus, der zweite — § 59 f. — lässt keinen
ausgesprochenen Standpunkt erkennen), finden wir eine Definition der Dia-
phonie. Sie wird in derselben Weise wie bei Aristides der Symphonie gegen-
übergestellt3), und der Verfasser ist wol durch Aristides dazu verleitet. Darauf
folgt die Definition der Homophonie (= wenn zwei Töne zusammen an-
geschlagen weder höher noch tiefer gegen einander sind) und endlich die der
Paraphonie, wovon wir hier seit Thrasyll zum erstenmal wieder hören.
Aber siehe da — die Definition stimmt genau mit der der Symphonie über-
ein4). Jans Vermutung, dass hier eine Frage und eine Antwort ausgefallen
•) S. hierüber sowie über die Bedeutung von pekog meine Tonpsychologie II, 390 f. und meine
Schrift über die Probleme, Abh. d. Berliner Akad. 1896, S. 19. Auch Westphal fasst gelegentlich in
seiner Aristoxenus-Ausgabe S. 188 fiü.og als „die tonale Seite der Musik".
2) Jan, Mus. scr. p. 293, 8 (§ 10): xgäoig ovo tp&öyymv dvouolcov ofvzrjzt xal ßagvzrjzi lapßavo/uevojv,
iv fj ovdev xi piäklov zo fiü.og (paivezat zov ßagvzegov tpftöyyov tjjieg zov olgvzegov, ovöe zov ol-vxigov ijneg
zov ßagvzegov.
3) p. 305, 7 (§ 59): ozav 8vo (pdöyyo)v dvo/xoio)v zvxzofievo>v zov ßagvzegov (p&öyyov zo (tü.og v.-räg/n
ij ZOV iVgrjfijoV.
*) ozav ovo (pdöyyow ävofioion' zv.-rzousvcof ovösv xi fiäD.ov zov ßagvzegov (püoyyov t] zov oivzigov zo
/xi/.og VJtägxfl.
9*
68
sei1) (nämlich die Frage: was ist Symphonie? und die Antwort auf die Frage:
was ist Paraphonie?) hat viel für sich. Der Ausfall ist freilich, da wir so
wenig Stellen über Paraphonie besitzen, für uns bedauerlich.
Von dem echten Bacchius und seiner Schrift ist zu unterscheiden eine
unter dem gleichen Titel und Autornamen von F. Bellermann herausgegebene
kleine Abhandlung, die in den Handschriften, durch einige Verse getrennt, auf
die des Bacchius folgt, aber von Bergh und Jan wol mit Recht dem Dio-
nysius zugeschrieben wird, von welchem in den erwähnten Versen als von
einem Musiklehrer unter Constantin d. Gr. die Rede ist2). Dieser Autor ver-
tritt energisch den pythagoreischen Standpunkt, dass nicht der Sinn, sondern
nur Rechnung und Messung uns Genaues sage, und definiert dann kurz die
symphonen Töne: man nenne sie mit Recht so, weil beim Anschlag des
einen der andere, ohne selbst angeschlagen zu sein, resoniere
(ovjußtßijxei/ av%r]yüv). Die schönsten Symphonien seien Quinte und Octave,
weil hier beim gleichzeitigen Anschlag {xQovoSevxug atua) auch die Ver-
schmelzung am deutlichsten hervortrete3).
18. Gaudentius.
Für die bei Bacchius klaffende Lücke entschädigt uns Gaudentius, der
der nämlichen Zeit angehören dürfte, in seiner zwar (wie alle Schriften jener
Zeit) vielfach eklektischen, doch der Originalität keineswegs entbehrenden äp-
fiovixi] äaaywyif). Er unterscheidet zunächst ähnlich wie Ptolemäus das
Emmeles und Ekmeles, je nachdem man sich genauer rationaler Intervalle
bediene {(>i]röig y(JU)uevov ^laorrjuaoi xul arjdtv aTioXinouevov rj vneQßdllov),
oder ein wenig nach oben oder unten davon abweiche. Die emmelischen Inter-
J) Beilage zum Programm des Strassburger Lyceums 1890/91, S. 18. (Die Abhandlung enthält
Erklärungen zu der ganzen Schrift.)
2) Jan, Mus. scr. p. 285, 454.
3) F. Bellermann, Anonymi scriptio de musica. Bacchii senioris introductio artis musicae. 1841.
p. 104—105.
4) Jan, Mus. scr. 317 f. Jan findet ausser dem Einfluss des Ai-istoxenus Anklänge an Aelian, Adrast,
Aristides, aber starke Verschiedenheiten von Ptolemäus.
Der vorgeschrittene Standpunkt des Gaudentius zeigt sich u. A. darin, dass er das chromatische
und enharmonische Geschlecht als Nebensache und die alte Nomenclatur und Notation als vergangene
Dinge behandelt.
Sehr interessant (und auch von Jan hervorgehoben) ist die Aufzählung der drei Momente, die jeder
Klang {cpdoyyog) haben müsse: xQot(*> lönog, xßövog, d. h. Klangfarbe, Höhe, Dauer. Wir finden hier zum
erstenmal die Klangfarbe, und zwar sogleich mit dem analogen technischen Ausdruck, ausdrücklich als
Eigenschaft neben der Höhe aufgezählt; wenn auch nebenbei früher schon gelegentlich von den Unter-
schieden der „hellen" und „dunklen" Stimme die Rede war (Aristot. Top. p. 106, a, 25). Die Klangfarbe
wird definiert als das, wodurch Klänge von gleicher Dauer und Höhe sich noch unterscheiden.
69
valle teilt er vorläufig in sympbone und asymphone (p. 330), wobei er betont,
dass dieser Unterschied ebenso wie der vorige in erster Linie im Klange selbst
liege, wenn man auch einiges Wenige rationell darüber sagen könne1). Also
im Prinzip Aristoxenianer. Später kommt dann (p. 337) die genauere Ein-
teilung, und zwar wie bei Ptolemäus zunächst als solche der Töne, nicht der
Intervalle. Die emmelischen Töne zerfallen in homophone, symphone, diaphone,
paraphone2). Homophon sind die von gleicher Höhe. „Symphon sind die,
bei welchen, wenn sie gleichzeitig angeschlagen oder auf der Flöte geblasen
werden, stets das Melos des tieferen gegen den höheren und umgekehrt das
nämliche ist, oder gleichsam eine Verschmelzung im Vortrag zweier Töne statt-
findet und eine Art von Einheit herauskommt. Diaphon die, bei denen,
wenn sie gleichzeitig angeschlagen oder geblasen werden, nichts von dem Melos
des tieferen gegen den höheren oder umgekehrt das nämliche zu sein scheint,
oder welche keinerlei Verschmelzung in Bezug auf einander aufweisen. Para-
phon die, welche zwischen Symphonem und Diaphonem in der Mitte
stehend, doch beim Anschlag symphon erscheinen; was der Fall zu sein
scheint beim Tritonus (f— h) und beim Ditonus (g — h)"3).
In der Definition der Symphonie finden wir nichts wesentlich Neues.
Gaudentius will vereinigen, was Frühere über die Krasis und was sie über
das Melos bei der Consonanz sagten; wie denn auch wirklich die Aeusserungen
über das Melos nur eine nähere Beschreibung der Krasis (bezw. ihrer Folgen)
1) Jan p. 330, 16: f] yag öiacpoga xwv xe ovfMpwvmv xal diacpd>va>v cpdöyyoiv, ifi/Liekwv xe xal ixjieXwv
iv xfj xov >Jzov uähoxa ajtoxeizac ov /.crjv äXXa xal xco X6yq> fxixga. jiegl avxov elgrjoexai. Jan vermutet statt
roxi r/xov, wobei das Subject zu z>] fehlen würde, sehr wahrscheinlich äy.of/. Der Sinn ist jedenfalls klar.
2) Den Ausdruck antiphon gebraucht Gaudentius gelegentlich, wie Porphyr u. A., zur Bezeichnung
der Octaventöne (p. 34726, 348 1, Meib. p. 21); aber er macht aus diesen keine besondere Klasse.
8) p. 337,8: aviitpcovoi de, dtv äfia xgovofievmv fj avkojxevwv ael zo (liXog tov ßagvzegov jzgög xb ög~v
xai xov ogvzegov Ttgog xo ßagv zu avxö, r) oxav otovsl xgäoi? iv xfj izgoyogä dvoiv <p&6yyoiv xal wonsg evöxrjg
rtageuqpaivtjxai .... xagäqxovoi de ol /xeaoc ftiv av/.i(pcövov xal 8iaq>ü>vov, iv de xfj xgovaei (paivöfievoi ovfi-
(fcovoi ' öjoxeg inl zgiwv xövcov cpalvexai oltzo jzagvjiäzrjg fiiawv im 7iaga/.ieat]v xal enl ovo zovwv ano fieamv
biazövov hzl xaga[ieo}]v.
Es ist ungerechtfertigt, wenn Vincent u. A. die Worte iv xfj xgovaei so deuten, als ob nach Gau-
dentius die Symphonie nur durch Hinzufügung einer begleitenden Instrumentalstimme entstände. Aller-
dings sind xgovetv und xgovoig zugleich die technischen Ausdrücke für Instrumentalbegleitung. Aber hier
liegt der Nachdruck nicht darauf, dass der eine von beiden symphonierenden Tönen nur in der Begleitung
hinzugefügt wird, sondern darauf, dass beide Töne überhaupt zusammen angegeben werden, sei es nun,
dass der eine gesungen, der andere gespielt, oder beide gesungen, oder beide gespielt werden. Ein Blick
auf den ersten Satz, sowie auf die früheren Definitionen (z. B. äj.ia xgovo&evxeg tf ö'jxwg noxe rj%r'ioavxeg bei
Nikomachus) zeigt die Richtigkeit dieser Auffassung.
Auf eine kühne, aber unhaltbare Auslegung, welche Gevaert (Hist. I, 97) dieser Stelle aus Gauden-
tius und damit zugleich analogen Stellen aus Bacchius, Aristides u. A. gibt, indem er sie auf die Ton-
bewegung in Octaven-, Quinten-, Terzen-Parallelen bezieht, kommen wir erst im II. Teil zu sprechen,
im Zusammenhang mit der Deutung des ganzen alten ConsonanzbegrifFes.
70
sein sollten. Dabei ist aber Gaudentius vorsichtiger im Ausdruck als andere
jener Zeit; er verfällt nicht in das unsinnige Mis Verständnis, als ob bei den
dissonanten Tönen das Melos nur in Einem von beiden sich fände ; der Unter-
schied liegt ihm darin, dass die consonanten ein gemeinschaftliches, die dis-
sonanten kein gemeinschaftliches Melos besitzen.
Was nun aber über die Paraphonie folgt, gehört zu den allermerk-
würdigsten Lehren der alten Musiktheorie. Man sieht an dem „(palveTai",
dass Gaudentius sich der Neuheit der Sache auch bewusst ist und sozusagen
tastend vorgeht. Dass die im weiteren Sinne symphonen Töne in Unterarten
oder Grad abstuf ungen geteilt wurden, haben wir schon bei Thrasyll und bei
Ptolemäus gefunden. Aber während diese die Octave und ihre Multipla in
die erste, die Quinte und Quarte in die zweite Klasse setzten (für welche Klasse
Thrasyll auch schon den Ausdruck Paraphonie gebraucht), finden wir hier die
genannten Intervalle wieder vereinigt, dagegen bisher als dissonant geltende
Intervalle als Consonanzen geringeren Grades, als Uebergang zu den Dissonanzen
aufgefasst.
Dass für die „Paraphonien" die grosse Terz als Beispiel genannt wird,
wird uns Moderne nicht verwundern, da wir uns vielmehr nur fragen können,
warum sie so spät zu dieser Stellung gekommen ist. Dagegen erregte die
Aufnahme des Tritonus von jeher allgemeines Erstaunen, ja Entsetzen, da
dieses Intervall bis heute als eine der ausgesprochensten Dissonanzen gilt
(„diabolus in musica" nannten es die Contrapunktiker). Auch mir erschien
die Stelle des Gaudentius, da am Texte sich nichts abdingen lässt, bis vor
Kurzem als ein unlösliches Rätsel. Ich glaube aber jetzt eine Vermutung
aussprechen zu dürfen, die sie uns vollkommen begreiflich macht.
Gaudentius kümmerte sich, wie wir hörten, weniger um die mathematischen
Verhältnisse als um den direkten sinnlichen Eindruck. Er hat sich darum
schon beim „Ditonus" nicht die Frage vorgelegt, ob das Intervall, welches er
durch das Ohr als consonant erkannte, genau zusammenfalle mit dem Ditonus
der antiken Theorie, nämlich (8A>)2 == 64:81, und er hätte bei dem damaligen
Zustand der akustischen Hilfsmittel die Frage auch nicht leicht entscheiden
können. Faktisch erlangt die grosse Terz ihre Reinheit im Zusammenklange
vielmehr bei 64:80 (4:5), fällt also nicht mit dem theoretischen Ditonus der
Alten zusammen. Wenn man also sagt, Gaudentius habe unsere „grosse Terz"
zu den Paraphonien gerechnet, so ist dies wörtlich genommen falsch, sachlich
genommen aber gewiss richtig. Er hörte die Terz 4:5, subsumierte aber den
Fall fälschlich unter seinen Begriff des Ditonus.
So ist nun auch das, was er unter dem Namen des „Tritonus" als halb-
71
consonantes Intervall im Auge hat, nicht der mathematische Tritonus der
Alten (9/s)3. sondern das diesem nahestehende einfache Tonverhält-
nis 5:7. Und dieses Intervall kann in der That, ebensogut wie 4:7, soweit
nur der Verschmelzungseindruck in Betracht kommt, noch als unvollkommene
Consonanz gelten.
Der Vorzug der sog. natürlichen Septime 4 : 7 vor den eigentlichen Dis-
sonanzen wurde bekanntlich schon im vorigen Jahrhundert behauptet (Kirn-
berger's Ton „i", von Fasch auch in die Praxis eingeführt); und viele fein-
hörige Beobachter sagen auch heute, dass der Vierklang cegb einen con-
sonanten Accord bilde, wenn b etwas tiefer, im Verhältnis 4:7 zu c intoniert
werde. Auch Helmholtz lehrt, dass die Septime der kleinen Sexte sehr häufig
an „Wolklang" überlegen sei (Tonempf. 4 S. 321). Ich habe gleichfalls, und
zwar wie die Alten von der Beobachtung der Verschmelzungsgrade ausgehend,
diesem Intervall noch, wenigstens vermutungsweise, eine Stelle vor den ganz
dissonanten Intervallen eingeräumt1) und bin inzwischen darin noch bestärkt
worden. Aber die Beobachtung hat mich noch weiter geführt. Vor vielen
Jahren ist mir bei Studien über Differenztöne aufgefallen und hat sich seitdem
immer bestätigt, dass ein schöner einheitlich verschmelzender Vierklang ent-
steht, wenn man das Verhältnis 5 : 7 angibt: es resultieren nämlich zwei
besonders deutliche Differenztöne, die den Verhältniszahlen 3 und 2 entsprechen,
also der Accord {fry— g— , wenn wir die Primärtöne mit ganzen Noten, die
T
Differenztöne mit Viertelnoten und die Vertiefung des f durch ein darüber-
gesetztes o andeuten. Man überzeugt sich davon am leichtesten, wenn man
zwei gedackte Pfeifen benützt, deren eine durch Verschiebung des Pfropfens
verstimmt werden kann, und diese nun zuerst in der kleinen Sexte zur anderen
stimmt, sodann stetig herabgeht bis zur Quarte. Dann zeichnet sich während
des Uebergangs das obige Verhältnis deutlich für die Empfindung aus ; die
Reinheit der Quinte zwischen den Differenztönen gibt den Moment an, wo es
eben erreicht ist. Und dabei lässt sich zugleich feststellen, dass es auch von
unserer unmittelbaren musikalischen Auffassung gewohnheitsmässig durchaus
unter unseren Begriff des Tritonus subsumiert wird, obschon es mathematisch
nicht damit zusammenfällt. Jeder Musikalische, der dieses Intervall hört und
um die Benennung gefragt wird, wird ohne Zögern antworten, es sei das Inter-
vall c — fis oder f — h.
l) Tonpsychologie II, 135, 177. (An letzterer Stelle ist Z. 7 statt 5 : 6 zu lesen 3 : 5.)
72
Ich erwähne diesen Versuch nur als ein Mittel, wodurch man besonders
gut das Auszeichnende des Verhältnisses 5 : 7 wahrnehmen kann, ohne natür-
lich zu behaupten, dass Gaudentius bei Differenztonstudien dazu gekommen
sei. Dass ihm aber als die richtige Erkenntnisquelle für Consonanz und Dis-
sonanz nicht die Rechnung und nicht das Hörensagen, sondern eigenes Hören
galt, wissen wir, und die Ausdrucksweise an unsrer Stelle zeigt gleichfalls den
vorsichtigen Beobachter der Erscheinungen, während er sich später bei der
Erwähnung der Zahlenverhältnisse (c. 10 f.) mit einem historischen Referat
über die Angaben und Methoden Früherer begnügt1). Er brauchte nur, ohne
auf Differenztöne zu achten, die Sexte stetig bis zur Quarte zu verstimmen
oder umgekehrt, um bei feinem Gehör und hinreichender Uebung sehr wol
auf die Wirkung des Zusammenklanges 5 : 7 aufmerksam zu werden.
Ich will meine Erklärung nicht als gewiss hinstellen, aber doch als höchst
wahrscheinlich; und soviel ist gewiss, dass sie die einzige ist, durch welche
die ausserdem ganz unfassliche Stelle verständlich wird. Auch thun wir dem
Schöpfer des Begriffs der Klangfarbe und dem Entdecker der Terzencon-
sonanz kaum zu viel Ehre, wenn wir seinem Gehör auch diese Beobachtung
noch zutrauen. Unbefangen und anspruchslos hat er sie wie die übrigen vor-
getragen. Der Fehler aber, den er in der theoretischen Formulierung des
Gefundenen beging, ist, ich wiederhole es, nicht grösser als beim Ditonus, wo
er unzweifelhaft vorliegt.
Möglich ist es natürlich auch, dass schon vor Gaudentius die beiden Inter-
valle und noch andere (etwa 5 : 6) als paraphon zwischen die symphonen
und diaphonen gestellt wurden und dass er die Beobachtungen Anderer nur
nachgeprüft und überliefert hat. Aber in Ermangelung aller Anhaltspunkte
darüber mögen wir immerhin Gaudentius als den Entdecker betrachten. Dafür,
dass die Lehre nicht bereits Tradition war, spricht auch, dass sie sogleich
wieder verloren geht; denn selbst von der Terz als Consonanz oder auch
nur Quasiconsonanz ist jahrhundertelang nicht wieder die Rede. Es dürfte
hienach kaum mehr als eine individuelle Aeusserung dieses Schriftstellers
vorliegen.
Man könnte endlich fragen, ob nicht neben der akustischen Beobachtung
oder statt ihrer die dem Gaudentius vorliegende praktische Musik Intervalle
wie die grosse Terz und den sog. Tritonus irgendwie auszeichnete und so zu
der obigen Charakteristik Anlass gab. Und es Hesse sich in der That darauf
l) Jan p. 339, 21 : Aöyoi öi elacv iv aQi&/A,otg r/vQtj/iieroi xä>v ov/xcpcoviwv y.ai doxc/naa&evrsi axQißwi
JT(XVT.a TQOTIOV x. x. k.
73
hinweisen, dass in dem uns erhaltenen Hymnus an die Nemesis aus dem
2. Jahrhundert die grosse Terz (neben der kleinen) eine Rolle spielt und
namentlich mehrmals als Schlusswendung vorkommt; dass ebenso in dem aus
der gleichen Zeit stammenden Hymnus auf Helios ein Tritonusgang fünfmal
(auf n%%V£aot &ia>xeigtt „nolvdey/Ja" „rizrovoir hnr}Qarovu „avay.Ta %o(j£V£iu
„äyeuovevfi") auffällig und für das Ganze charakteristisch hervortritt. Doch
können wir bei der Kärglichkeit des Materials zunächst über eine, wenn auch
wahrscheinliche, Vermutung nicht hinauskommen und müssen auf neue glück-
liche Ausgrabungen hoffen.
19. Lateinische Schriftsteller. Kirchenväter.
Als eine Art von Nachtrag zu der reichen Entwicklung der Consonanz-
lehre in der griechischen Litteratur bringen wir schliesslich die spärlichen
Notizen aus der lateinischen (wobei aber von Boethius und anderen, die den
Ausgangspunkt der mittelalterlichen Musiklitteratur bilden, noch abgesehen
wird) und die noch dürftigeren Aeusserungen bei den Kirchenvätern.
Dass Lucrez die Consonanzerscheinungen und ihre physikalischen Grund-
lagen gar nicht erwähnt, während sie ihm als eine der wenigen Entdeckungen
der alten Naturwissenschaft in sein Lehrgebäude hatten passen müssen, könnte
Wunder nehmen, wenn man nicht wüsste, wie wenig Wert die Epikureer auf
mathematische Betrachtungen gelegt haben.
Cicero weist einmal zur Erläuterung der notwendigen Harmonie im
Staate auf den musikalischen concentus hin, der sowol bei der Instrumental-
wie bei der Vocalmusik stattfinde und für gebildete Ohren keine Abweichung
zulasse (De Rep. II, 42) ; aber eine Definition wird nicht gegeben.
Denselben Ausdruck concentus, auch concordia, aber auch schon consonare
finden wir bei Seneca Ep. 84 und 88. Die letztere kurze Stelle lässt das
Motiv erkennen, warum die Stoiker sich wenig um Musiktheorie kümmerten.
Seneca handelt da ziemlich geringschätzig von den studia liberalia, Geometrie,
Musik, Astronomie. Man solle lieber dahin wirken, dass der Geist mit sich
consoniere.1)
Interessanter ist Ep. 84. Der Mensch soll eine gewisse Einheit werden
*) Der vorzügliche Kenner des Stoizismus Dr. Schrnekel hat auf meine Bitte nachgesucht, ob in
der stoischen und stoisierenden Litteratur noch etwas für unseren Zweck sich finde. Aber es ist nirgends
mehr gesagt, als die obigen Allgemeinheiten. Posidonius. aus dessen Timäus-Commentar Cicero, Varro,
Macrobius u. A. schöpften (vgl. die Zusammenstellung auch der musikalischen Lehren in Schmekel's Philo-
sophie der mittleren Stoa S. 415), scheint sich allein unter den Stoikern mit Musiktheorie näher befasst
zu haben.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiaa. XXI. Bd. I. Abth. 10
74
(unuui quiddara fiat ex multis). Dafür ist das Zusammenwirken vieler Stimmen
im Chore vorbildlich. „Non vides, quam multorum vocibus chorus constet?
unus tarnen ex omnibus sonus redditur; aliqua illic acuta est, aliqua gravis,
aliqua media; accedunt viris feminae, interponuntur tibiae; singulorum illic
latent voces, omnium adparent." In den gegenwärtigen Theatern seien mehr
Sänger, als in den früheren Zuschauer, und dazu noch die Instrumentalisten.
„Quum omnes vias ordo canentium implevit, et cavea aeneatoribus cincta est,
et ex pulpito omne tibiarum genus organorumque consonuit, fit concentus ex
dissonis."
Zunächst dieses „dissonis" ist gewiss nicht auf unsre dissonanten Töne,
sondern nur eben auf verschiedene Töne zu beziehen, ähnlich wie Heraklit u. A.
von „entgegengesetzten Tönen" sprachen. Diese verschiedenen Töne bilden
nun zusammenklingend nach Seneca gleichwol Einen Ton. Insofern kann man
sagen, dass hier die Verschmelzung als das charakteristische Merkmal ge-
lehrt wird.
Die Stelle ist aber auch öfters zum Erweis einer gewissen Mehrstimmig-
keit im Altertum benützt worden; und da die Definitionen der Consonanz, wie
wir sahen, gleichzeitiges Erklingen mehrerer Töne voraussetzen, kommen uns
solche Andeutungen aus der Praxis erwünscht. Böckh deutet die Sätze „Ac-
cedunt . . . tibiae" auf das gleichzeitige Erklingen der Intervalle e — a — e1,
und argumentiert scharfsinnig so (Pindari Opp. I, 2, S. 254): Wenn hier nur
von Octaven die Rede wäre, so müssten sich die Männer- und Frauenstimmen,
da die Flöte dazwischen liegen soll, im Intervall einer Doppeloctave bewegen.
Da aber die Melodie selbst den Spielraum einer Octave zur Verfügung haben
muss, so müsste der gesamte von den Stimmen in Anspruch genommene Ton-
umfang 3 Octaven betragen, während der von den Griechen benützte Ton-
umfang der Stimme 2V-2 Octaven nicht überschritt. Also müssen Männer- und
Frauenstimmen (wie dies auch von vornherein wahrscheinlich ist) nur eine
Octave von einander entfernt gewesen sein und die Flöte ein dazwischen
liegendes Intervall dazu angegeben haben, als welches man natürlich nur die
Quarte bezw. Quinte annehmen kann.
Diese Erwägung würde zwingend sein, wenn feststände, dass „inter-
ponuntur" hier das tonale Verhältnis der Flöten zu den übrigen Stimmen
bedeutet und nicht vielmehr die räumliche Zwischenstellung. Unmittelbar
vorher ist freilich von hohen, tiefen und mittleren Tönen die Rede. Aber in
diesem Satze selbst scheint mir Seneca in der That nur sagen zu wollen, dass
zuerst die Männer, dann die Frauen sich aufstellen, und dass die Flötenbläser
zwischen beide Chöre gestellt werden (wie auch bei uns Teile des Chors durch
75
solche des Orchesters getrennt werden). Obgleich, nieint er, sowol der Ton-
höhe nach als auch der räumlichen Stellung nach die Stimmen auseinander-
liegen, hört man nicht die Einzelnen, sondern nur das Ganze. Die weitere
anschauliche Beschreibung bestärkt uns in dieser Auffassung: „Wenn die Reihe
der Sänger alle Gänge anfüllt, der Zuschauerraum von der Blechmusik um-
geben ist, von der Bühne alle Arten von Pfeifen und Orgeln zusammenwirken,
entsteht doch aus dem Verschiedenen Einklang."
Soviel allerdings folgt aus dem Anfang der Stelle, dass eine Art von
Dreistimmigkeit vorkam, aus tiefen, mittleren und hohen Tönen. Aber die
beiden Singstimmen konnten in Octaven gehen und die Flöten entweder in
einer dritten höheren Octave mitgehen oder in einer freien Weise bald dar-
über, bald dazwischen spielen, in der Art, wie man es auch aus Pseudo-Plutarch
De musica c. 19 entnehmen kann. Bei solchem Massenaufgebot, dessen Be-
schreibung uns an Berlioz' Requiem (Dies irae) erinnert, war es damals sicher
nicht auf Accorde oder auf Polyphonie in unserem Sinn, sondern nur auf
Stärke und räumliche Allgegenwart manichfaltiger Klangquellen abgesehen.
Immerhin ist auch so die energische Betonung der Klangeinheit von Bedeutung.
Ausdrücklich behandeln die Consonanzlehre Vitruvius, Censorinus, Chalcidius,
Macrobius, Martianus Capeila.
Vitruv zählt in seinem Werke über die Architektur (V, 4) die „concentus,
welche griechisch avuipwvLai. genannt werden," in der üblichen Weise auf und
erklärt die griechischen Intervallnamen. Dann bemerkt er, dass zwischen zwei
Intervallen (er kann hier nur zwei benachbarte Töne meinen, also bei der
Secunde) weder auf den Saiten noch bei dem Gesang eine consonantia entstehe,
ebensowenig bei der Terz oder Sexte. „Dagegen die Quarten u. s. f. haben
passende und der Natur der Stimme entsprechende Endigungen (womit er
wahrscheinlich das periodische Zusammenfallen der Lufttöne meint, cf. oben
S. 36), und es werden so jene concentus aus der Verbindung der Klänge
erzeugt." Die Stelle leidet an einer ausserordentlichen Unbeholfenheit in der
Beschreibung und verrät nicht eben tiefere Kenntnis der Sache1).
Der Grammatiker Censorinus (3. Jahrh.), der in stupider Weise die
Intervallen- und Consonanzlehre mit der Theorie der — Geburt zusammenbringt,
gibt folgende Definition: „Symphonia est duarum vocum disparium inter
x) Nach einer neueren Untersuchung des dänischen Philologen Ussing (vgl. Wölfllin's Archiv f.
latein. Lexikographie X, 301) wäre Vitruv nicht in das augusteische Zeitalter, sondern viel später, in's
2. oder 3. Jahrhundert, zu setzen. Ich kann hierüber nicht urteilen. Doch würde die Ausführung über
die Musik nicht übel in's 2. Jahrhundert passen.
76
se junctarum dulcis concentus."1) Die Begriffsbestimmung ist darum
sehr bemerkenswert, weil hier zum erstenmal in den Quellen, wenn auch wol
nicht in der geschichtlichen Entwickelung selbst, die Annehmlichkeit als
ausschliessliches Unterscheidungsmerkmal der Consonanz erscheint.
Chalcidius (4. — 5. Jahrh.) bezeichnet in seinem Timäus-Commentar c. 44
als Symphonia „einen durch accentus und succentus (die Saitenschwingungen)
in verschiedenen Verhältnissen gebildeten Klang". Er führt dann die be-
kannten Consonanzen auf und bemerkt im besonderen von der Octave, „dass
ihre beiden Töne auf eine wunderbare Weise einen concentus und eine consonantia
bilden", wobei er wol an die auffallende Einheitlichkeit ihres Zusammen-
klanges denkt.
Die technischen Ausdrücke werden, wie wir sehen, selbst von diesem
späten Autor noch dem Griechischen entnommen (auch die Intervallnamen).
Hieronymus der Kirchenvater (4. Jahrh.) berichtet uns zwar bereits: „ovucpujvla
consonantia exprimitur in latino."2) Aber noch Martianus Capella spricht
nur von Symphoniae. Erst Boethius war es, der Consonantia definitiv als
technischen Ausdruck in die Musiktheorie einführte.
Macrobius (4. — 5. Jahrh.) betrachtet das Mitschwingen als Merkmal
der Consonanz: Die Saiten stehen in einem solchen Verhältnis, „ut una impulsa
plectro alia licet longe posita sed numeris conveniens simul sonaret". Er sagt
daher auch regelmässig „soni sibi consoni".3)
Martianus Capella (4. — 5. Jahrh.), der sonst wesentlich den Aristides
übersetzt, hilft sich hier durch sehr unbestimmte Formeln. „(Soni) alii sibi
invicem congruunt, alii discrepant et resultant. Sed illi bitotpiovoi (muss sicher
ovfMpiovoi heissen) quia sibi invicem conjunguntur; diäcpwvoi autem id est
dissentientes sunt qui cum percussi fuerint invicem discrepant; oucxpwvoi qui
vocis quidem aliam significationem gerunt eundem tarnen impetum servant."4)
Die Dreiteilung des Aristides ist beibehalten, aber seine Definition des Sym-
phonen und Diaphonen, die selbst schon Misverständnisse einschloss und dem
Martianus ganz unverständlich sein mochte, ist einfach durch das Merkmal der
l) De die natali X. Censorinus hat aus Varro geschöpft, der überhaupt (selbst wieder von Posi-
donius mitbedingt) den lateinischen Schriftstellern, Aulus Gellius, Macrobius, Martianus Capella, Cassiodor.
Isidor u. A. direkt oder indirekt als Hauptvermittler der griechischen Musiklehren gedient haben dürfte
(6. C. Holzer, Varro über Musik, Gymnas. -Programm Ulm 1890).
a) Epist. 21, 29 (Migne). Vgl. Epist. 96, 17 und Homil. (Origenis) in Ezech. 1, p. 697 (884). An den
beiden letzten ist consonantia nur im übertragenen Sinne gebraucht. Ueber die erste s. u. Auf diese
Stellen hat mich Prof. Wölfflin hingewiesen.
3) In Somn. Scipionis II, 9. Ed. Eyssenhardt p. 584. 4 f., 585, 5 f.
4) De Nuptiis Philologiae et Mercnrii IX. Ed. Eyssenhardt p. 356, 16.
77
Conjunction und Discrepanz der Töne ersetzt. Die Definition des Homophonen
erinnert äusserlich an die bei Aristides, ist aber eben so dunkel wie jene.
Auch scheint Martianus, sofern er überhaupt etwas Bestimmteres gedacht hat,
dabei nicht das streng Homophone, sondern das Homophone des Ptolemäus,
die Octaven, im Auge zu haben.
Bei den Kirchenvätern, lateinischen wie auch griechischen, hat auf
meine Bitte Herr Prof. Kleinert nachgeforscht, aber nirgends eine eigentliche
Definition gefunden. Wenn auch vielfach von Harmonie und Symphonie die
Rede ist, so doch meistens nur in der Weise, wie bei den Stoikern und schon
bei Heraklit. Am nächsten kommt Augustinus einer Definition in der Stelle
De civ. Dei XII, 14: „Diversorum enim sonorum rationabilis moderatusque
concentus concordi varietate compactam bene ordinatae civitatis insinuat uni-
tatem." Und doch ist es zuletzt nichts anderes, als was Cicero und so Viele
sagen. In seiner Schrift De Musica wird diese Frage nicht behandelt.
Die schon berührte Stelle bei Hieronymus Ep. 21 gibt ausser der
blossen Uebersetzung des Wortes ovjiiywvia auch eine Nominaldefinition, wonach
damals ein „Concors concentus", also offenbar ein Gesang in Mehrklängen
darunter verstanden wurde. Aber es wird uns weder gesagt, aus wieviel und
welcherlei Tönen diese Mehrklänge bestanden, noch auch, wodurch der Con-
cors concentus sich vom discors concentus unterscheide1).
Dass Chrysostomus (Hom. in Ps. 150) von einem Verschmelzen (ztyi/qv)
der Seelenkräfte zur Liebe und Symphonie spricht, kann auf das Merkmal
der y.QÜoig bezogen werden (vgl. den Ausdruck xt^räv oben bei Jamblichus
S. 55). Aber es ist schliesslich auch hier nur die alte „ wolgestimmte Leier"
[y.i&aya tuat/.rjg), die seit Plato immer fortklingt, ohne dass man etwas tech-
nisch Genaues erfährt.
Eine bemerkenswerte Aeusserung findet sich in der um 315 n. Chr. von
dem jugendlichen Athanasius verfassten Schrift Kolt.u 'Ellr/vwi/. Athanasius
sagt (Kap. 38), wiederum das Lyra-Gleichnis erläuternd: wenn man einer aus
vielen verschiedenen Saiten bestehenden Lyra von ferne zuhöre und die Har-
monie ihres Zusammenklanges bewundere, so mache nicht die tiefe Saite allein
noch die hohe noch auch die mittlere allein den Klang, sondern alle tönen
ihrem gleichen Abstand gemäss zusammen. Man müsse auf Einen Musiker
schliessen, der die Saiten zur Symphonie mische, wenn man ihn auch nicht sehe2).
') Hieronymus sagt zur Erläuterung der ovfupcovta, die der heimkehrende verlorene Sohn hört:
Male autem quidam de Latinis symphoniam putant esse genus organi, cum (während doch) Concors in
Dei laudibus concentus hoc vocabulo signiticetur. ovfi<pa>vla quippe consonantia exprimitur in Latino.
2) Ich entnehme die Stelle dem Aufsatz Dräseke's über „ Patristische Herakleitos-Spuren" im Archiv
78
Hier ist nun zweifellos von drei verschieden hohen Tönen die Rede, die
zugleich erklingen, von einem Dreiklang. Aber wiederum wird dies kein Drei-
klang im modernen Sinn sein, sondern derjenige, den wir schon öfters erwähnt
oder vorausgesetzt fanden: Grundton — Quarte (oder Quinte) — Octave. Die
gleiche avTio%aaig zwischen ihnen kann entweder im Sinne der harmonischen
Proportion wie oben S. 28 bei Aristoteles verstanden werden, oder (und wol
richtiger) wie in den Problemen XIX, 19, wo der technische Ausdruck fi.eorj
für den Ton a durch den gleichen Abstand von den Grenztönen der Octave
(e und e1) auf Grund der unmittelbaren sinnlichen Auffassung interpretiert
wird1). Die Beschreibung der Symphonie in der Art, dass wegen der Einheit-
lichkeit des Klanges keiner der Töne besonders hervortritt (die Klanghöhe
bestimmt), entspricht dem, was wir von den späteren Theoretikern des Alter-
tums bereits öfters über das fielog symphonierender Töne gehört haben. Aber
auch direkt ist die Verschmelzung hier erwähnt2).
f. Gesch. d. Philosophie VII (1894), wo S. 168 f. die Einwirkung der heraklitischen Musik-Gleichnisse auf
die Kirchenväter dargelegt wird, ohne dass jedoch die besondere Bedeutung obiger Stelle für die Musik-
geschichte hervorgehoben wäre. Sie lautet: Ka&äjxsg yäg sl' ng jxöggcoäev äxovsi Xvgag ix xoXXwv xal öia-
ipögcov vevgcör ovyxetfttvrjg, xal davud^ot xovxwv xxjv agfiovlar xfjg ov fiep wv tag, oxi /j,rj fzövq 1) ßagsTa xöv i\%w
o-tioteXeI [irjde [i6vr] ■>) ogsXa firjde fiövrj t) /isarj, olXXm näaai xaxä xr\v l'arjv avxiaxaoiv aXXtjXaig oi>v)]%ovoi ' xai
Tiävtcag Ix xovxoiv ivvosZ ov^ iavxlj xiveiv xi]v Xvgav, äXX' oiö'e vtio ixoXX&v avxrjv xt'Tzxsadai, i'va ök eivai fior-
otxöv xov exdocyg vevgäg i]%ov xgög xijv ivag/iöviov avfupcoviav xsgäoavxa xfj imax^jxij, xär fti] xoöxov ßXix>f
ovxai rravag/ioviov ovorjg zrjg xag~£wg iv xtö xöofia> jiavxt x. x. X.
Dräseke schreibt die Schrift Kaxu. 'EXX.ijvwr „mit hoher "Wahrscheinlichkeit" nicht dem Athanasius
sondern dem Eusebius von Emesa zu, und ich habe daraufhin in meiner Arbeit über die pseudo-
aristotelischen Musikprobleme (Abhandl. der Berliner Akad. 1896) S. 14 und 81 den Eusebius als Urheber
der obigen Aeusserung citiert. Dräsekes Hypothese ist jedoch, wie mir Prof. Harnack inzwischen mit-
teilte, fast einstimmig abgelehnt. Ich benutze daher die Gelegenheit zur Correktur jenes Citates.
(Nebenbei ist dort S. 81 Z. 4 des Textes v. u. statt „erst" zu lesen „vorzüglich", und zwar mit
Rücksicht auf S. 33 der gegenwärtigen Abhandlung. Zwar spricht Aristoteles nicht vom 61-vfieXi, sondern
vom fislixgaxov und benützt es nicht als Gleichnis zur Erläuterung der Klangmischungen, sondern als
Beispiel für Mischungen überhaupt, erläutert auch nicht die einheitliche Verschmelzung daran, sondern
die Einflusslosigkeit genauer Zahlenverhältnisse. Immerhin scheint mir die Einschränkung im Text nütz-
lich, um Einwänden vorzubeugen.)
1) S. die Erläuterung dieses Problems in meiner ebenerwähnten Arbeit S. 12 f.
ävxioxaatg ist soviel wie diäoxaatg {diäaxrjfia) , nur wird zugleich etwas Gegensätzliches damit an-
gedeutet. Bei Pseudo-Aristoteles De mundo c. 5, p. 397, a, 1 wird gesagt, dass das Entgegengesetzte immer
die gleiche avxiaxaatg zu einander habe (xijv yag ioi]v avxtaxaaiv e%si xa ßagta jigog rix rovq>a xal xa dzgiiü
ngog xa däxega [yvxgä?]). In unserem Fall ist der Abstand nach entgegengesetzten Richtungen, vom
mittleren Ton nach dem oberen und dem unteren Octaventon hin, gemeint.
2) Das Prädicat ivagfiöviog bei avfiqpmvta in dem bezüglichen Satz hat nichts mit dem enharmonischen
Geschlecht zu thun, sondern wird ebenso wie äg/növcog und navagpoviog von den Kirchenvätern gern als
schmückendes Beiwort gebraucht, wie ich den mir von Prof. Kleinert zur Verfügung gestellten Aeusse-
rungen über Symphonie (bei Chrysostomus, Isidorus Pelusiota u. A.) entnehme.
Berichtigung: S. 43 Anm. ist statt „S. 5" zu lesen „S. 21". Seite 67 Am». 1 ist vor „S. 18SL einzusetzen .1"
DIE KÖRPERTHEILE
IHRE BEDEUTUNG UND NAMEN
EVI ALTÄGYPTISCHEN
VON
GEOEG EBEES
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XXI. Bd. I. Abth. 11
VORBEMERKUNG.
Eine wie grosse Rolle die Körpertheile nicht nur in der Medizin, sondern auf den
meisten Gebieten des ägyptischen Lebens spielen, ist bisher noch nicht hervorgehoben worden,
und doch tritt es uns aus der gesamten ägyptischen Litteratur vielfach und auffallend entgegen.
Fassen wir diese Wahrnehmung nun hier näher ins Auge, so geschieht es keineswegs
allein, um zu den Merkwürdigkeiten, von denen das Reich der Pharaonen schon dem Herodot
mehr zu besitzen schien als jedes andere Land,1) eine neue zu fügen; wir denken vielmehr
durch diese Untersuchungen die Kenntniss der Anschauungsweise des ägyptischen Volkes
auf einer ganzen Reihe von Lebensgebieten zu fördern und zu vertiefen und daneben auch
der lexikalischen Forschung einen Dienst zu leisten.
Der erste Abschnitt dieser Arbeit wird der vielfältigen und grossen Bedeutung gewidmet
sein, die den Gliedmassen des menschlichen und zuweilen auch des thierischen Körpers von
den Aegyptern eingeräumt wurde. Der zweite soll sie ausschliesslich als sprachliches Object
behandeln. In ihm denken wir die Namen, die sie zu jeder Zeit der ägyptischen Schrift-
übung führten, zu eruieren und zum Zweck der Vergleichung neben einander zu stellen.
Quellen.
Als wichtigste Quellen lassen sich diejenigen Texte bezeichnen, in denen wir Auf-
zählungen oder tabellarisch geordnete Listen der Körpertheile finden. Sie kommen vor im
Todtenbuche und in den ihm verwandten Schriften, in magischen Manuscripten und auf
Stein geschriebenen Texten (wie die Metternichstele und ihr verwandte Denkmäler aus der
„Horus auf den Krokodilen"- Gruppe), in religiösen Stücken, die die Natur der zu feiernden
Götter dem Verständniss der Anbeter nahe bringen, indem sie die Beschaffenheit all ihrer
Theile und ihre Bestimmung schildern und oft durch Vergleiche verdeutlichen. Auch in
mythologischen Mittheilungen geschieht der Gliedmassen häufig Erwähnung. Ferner wird
ihrer in den medizinischen Papyri gedacht. Eine wahrscheinlich für den Schulgebrauch
hergestellte späte Handschrift gibt eine Aufzählung der gebräuchlichsten Hieroglyphenzeichen
mit einer Wiedergabe ihrer Namen in hieratischer Schrift und enthält auch den Theilen
des menschlichen und thierischen Körpers gewidmete Abschnitte.
Gelegentlich kommen die Gliedmassen auch in anderen Texten vor. Unter ihnen
nehmen etliche Handschriften didactischen und moralischen Inhalts, an deren Spitze der
») Herodot II, 25.
IT
82
Papyrus Prisse (12. Dyn.) steht, die erste Stelle ein; gestatten sie doch mehrfach zu erkennen,
welche geistigen Functionen man gewissen Organen des menschlichen Körpers Cib oder li ti
das Herz, h-t der Leib oder der Bauch etc.) zuschrieb.
In der zweiten Abtheilung werden wir auf diese einheimisch ägyptischen Quellen näher
einzugehen und sie sowie die griechischen, an deren Spitze die Hieroglyphica des Horapollon
stehen, die wir übrigens vorwegnehmend auch schon früher benutzen, zu würdigen haben.
Für den hier mitgetheilten ersten Abschnitt galt es den gesamten schriftlichen Nachlass
der Aegypter auf Stein und Holz, auf Leder und Papyrus zu durchsuchen. Die Titel der zu
benutzenden Texte und Schriften sollen zu den betreffenden Stellen in den Anmerkungen
mitgetheilt werden.
Die wichtigsten und häufigsten Abkürzungen, deren wir uns dabei bedienen, sind die
folgenden:
*&*
B. o. th. d. (R.) — Le Page Renouf. Book of the dead. 1893 fgd.
Brugsch. Dict. geogr. — H. Brugsch. Dictionnaire geographique de l'ancienne Egypte. Leipzig 1879.
Brugsch. Geogr. Inschr. — H. Brugsch. Geographische Inschriften altägyptischer Denkmäler.
Leipzig 1857 fgd.
Brugsch. Hierogl. d.-Wörterb. — H. Brugsch. Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Leipzig
1867 fgd.
Brugsch. Wörterb. Suppl. — H. Brugsch. Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Bd. V fgd.
1880 fgd. Supplemente.
Brugsch. Thes. — H. Brugsch. Thesaurus inscriptionum aegyptiacarum. Leipzig 1883 fgd.
Dümichen. Geogr. Inschr. — J. Dümichen. Geographische Inschriften altägyptischer Denkmäler.
Leipzig bis 1885. (H. Brugsch und J. Dümichen. Recueil de monuments egyptiens.)
Dyn. — Dynastie oder Herrscherreihe.
Eisenlohr Pp. Rhind. — A. Eisenlohr. Ein mathematisches Handbuch der alten Aegypter.
Leipzig 1877.
Er in an. Aeg. — A. Erman. Aegypten und Aegyptisches Leben im Alterthum. Tübingen 1885.
Lepsius. Denkm. — Lepsius. Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien. Berlin bis 1856.
Mariette. Notices. — Mariette. Notices des principaux monuments. Alexandrie 1864.
Maspero. Etudes. — Etudes de mythologie et d'archeologie egyptiennes. Paris 1893.
Mem. d. 1. mission ar eh. — Memoires de la mission archeologique francaise du Caire. Paris bis 1896.
Naville. Mythe d'Hor. — E. Naville. Textes relatifs au mythe d'Horus recueillis dans le temple
d'Edfou. Geneve et Bäle 1870.
Pap. Eb. — G. Ebers. Ein hieratisches Handbuch altägyptischer Arzneikunde. Leipzig 1875.
Piehl. Inscr. hier. — K. Piehl. Inscriptions hieroglyphiques recueillies en Europe et en Egypte.
Stockholm-Leipzig 1886.
Plut. Is. u. Os. — Plutarch. liegt "Ioiöog xai 'Oaigidog ed. Parthey. Berlin 1850.
Proc. bibl. arch. — Proceedings of the society of biblical archaeology. London.
Pyr. — Pyramiden.
Recueil. — Recueil de travaux relatifs ä la philologie et ä l'archeologie egyptiennes et
assyriennes. Paris.
Renouf. — Le Page Renouf.
Rossi u. Pleyte. Tur. Pap. — Papyrus de Turin. Facsimiles par E. Rossi et publies par W. Pleyte.
Leide 1869—76.
Todtenb. Leps. — Das Todtenbuch der Aegypter nach dem hieroglyphischen Papyrus in Turin.
Herausgegeben von R. Lepsius. Berlin 1842.
Todtenb. Nav. — Das ägyptische Todtenbuch der XVIII. bis XX. Dyn. Aus verschiedenen
Urkunden zusammengestellt und herausgegeben von E. Naville. Berlin 1886.
Transactions bibl. arch. — Transactions of the society of biblical archaeology. London.
Zeit sehr. — Zeitschrift für ägyptische Sprache und Alterthumskunde. Leipzig.
83
Bei der Transscription richten wir uns nach der in der Berliner Zeitschrift für
ägyptische Sprache und Alterthumskunde benutzten. Zwar halten wir auch sie in mancher
Hinsicht für verbesserungsfähig, wir bedienen uns ihrer aber dennoch, weil sie die hiero-
glyphischen Zeichen, für die sie eintritt, ihrem Lautwerthe einigermassen entsprechend
wiedergibt und weil sie in einem ansehnlichen Kreise von hervorragenden Fachgenossen,
denen die zu London 1874 combinierte schlichtere Transscription nicht genügte, Aufnahme
fand. Nur einen Zusatz gestatteten wir uns. Wie bei der Umschrift des Papyrus
Ebers, über die wir uns weiland mit Ludwig Stern einigten, setzten wir da, wo hinter
einem Substantivum im Plural oder Dual die Endung unausgeschrieben blieb, an ihre Stelle
ein ' oder ". Dies " steht für die fehlende Dualendung, da es beim Dual, wo wir das
Geschlecht des Wortes nicht bestimmen können, ohnehin schwer fällt, die rechte Enduncr
zu finden und die beiden Dualstriche oft nur ideographisch, nicht aber als Vertreter einer
grammatischen Endung aufzufassen sind. — Trotz F. Hommels Nachweis, dass in den ältesten
Texten I und — « — unterschieden wurden, geben wir beide mit s wieder, obgleich in jüngster
Zeit einige für I s gebrauchen. Wir lassen diese Unterscheidung unbeachtet, weil bei den
Aegyptern selbst der Lautwerth von I und — — verhältnissmässig früh mit einander ver-
schwamm und s leicht zu Verwechselungen mit s führt. Den Zeichen des hieroglyphischen
Alphabets geben wir also die folgende, von der Redaction der Zeitschrift combinierte und
benutzte Umschrift:
Das hieroglyphische Alphabet mit Umschrift.
v\ = 3, l = 'i, (, (, = tf, \\ (nie Anfangsbuchstabe) = i, v\ = w, o = c = j;
Jj = b , . G = p , *~ = f, ^\ = m , ""^
ra = /*, 8 = /*, O (und *>-=>) = h
n.
f1
und — *— = s, i vv i = s
^z^ = Ä-, A = Ä, ffl = g
Die körperliche Beschaffenheit der alten Aegypter.
X ~t~° i h' ' heisst das Wort, mit dem man auf ägyptisch den Leib oder Körper am
häufigsten bezeichnet. Es bedeutet „die Glieder", und dies Zusammenfassen der Theile zu
einem Ganzen oder dies Zerlegen des Ganzen in seine Theile ist, wie wir sehen werden,
dem ägyptischen Volksgeiste durchaus angemessen.
Bei der gerade uns gegenüber so häufig wiederholten, doch durch zahllose Wahr-
nehmungen widerlegbaren Behauptung, die alten Aegypter wären in jeder Hinsicht anders
beschaffen gewesen als wir Söhne und Töchter einer so viel späteren Zeit und eines von
dem Nilthale so verschiedenen Landes, scheint der kurze Nachweis geboten, dass wenigstens
die anatomische Beschaffenheit der Gliedmassen oder des Körpers der alten Aegypter im
84
Laufe der Jahrtausende keinerlei Veränderung erfuhr. Auch ihre Physiognomie blieb von
der Epoche der Pyramidenerbauer an bis in nachchristliche Zeit dieselbe. Das beweist eine
Vergleichung der Statuen und Darstellungen menschlicher Personen in Hautrelief mit den
von hellenistischen Künstlern in realistischer Vortragsweise gemalten Mumienportraits von
Hawara und Rubajjät. Schon in frühester Zeit wich diese Physiognomie kaum merklich
von der der anderen Mittelmeervölker ab und wurde zeitig in Form und Farbe in Gegensatz
zu der der afrikanischen Neger und der echten Semiten gestellt.
Mit unwiderleglicher Kraft treten für die im Ganzen unveränderte anatomische und
physiognomische Beschaffenheit der alten Aegypter ihre eigenen Körper ein. Jedermann
weiss, wie viele in Gestalt von Mumien erhalten blieben; — weniger bekannt möchte es
aber sein, dass, wie das Mikroskop erwies, auch nicht das feinste Gewebe an diesen balsa-
mierten Leichen, die Jahrtausende überdauerten, der Vernichtung anheimfiel.1)
Die körperliche Beschaffenheit der Aegypter deckt sich, wie diese Untersuchungen
beweisen, genau mit der unseren, und jedes einzelne Glied eines Unterthanen der Pharaonen,
ja jeder Nerv an ihm und jede Ader findet sich bei uns Kindern einer so viel späteren Zeit
wieder. Selbst die Schädelbildung des alten Aegypters weicht durchschnittlich nur wenig
von derjenigen der anderen Mittelmeervölker ab.
Auch das ist wissenschaftlich festgestellt worden, und zwar in jüngster Zeit durch
Messungen, denen R. Virchow2) viele Mumienschädel unterzog. Auch auf portraitähnliche
Statuen dehnte er seine Arbeit aus und kam zu dem Ergebniss, dass der altägyptische Typus
dem der sogenannten Mittelmeervölker weit näher steht als dem der Bäntuneger. Der
Prognathismus, der den dunklen Völkern Afrikas gemeinsam ist, deren Sprache keine
grammatischen Geschlechter kennt, ist dem alten Aegypter so wenig eigen wie der Plattfuss
und das Wollhaar.
„Wenn man", sagt Virchow,3) „den Rassencharakter auch nicht direct einen europäischen,
nicht einmal einen arischen nennen will, so kann man doch ungefähr so weit gehen, wie
etwa der alte Blumenbach mit seiner kaukasischen Rasse oder wie manche Neueren mit
der Aufstellung der mittelländischen Rasse. Zu dieser gehören auch Semiten und Hamiten,
also sicher auch die heutige einheimische Bevölkerung Aegyptens. * *)
J) Viele Mumien wurden einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen; zum erstenmale mit
allen Hilfsmitteln der Physiologie zwei Prager Mumien, die Johannes Czermak, der Hersteller des
Kehlkopfspiegels, mikroskopisch untersuchte. H. Czermak. Beschreibung und Untersuchung zweier ägyp-
tischer Mumien. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissenschaften. Math.-naturh. Klasse 1852, S. 427 fgd.
Gegenwärtig werden alle von berufener Seite ausgegrabenen oder entdeckten Mumien, wo es angeht, ohne
der Erhaltung Werthes zu schädigen, methodisch vermessen und untersucht. In Masperos Les mornies
royales de Deir el-Bahari, mein. d. 1. mission arch. Tome I von Fouquet. Von demselben Gelehrten
stammen auch die Messungen der von de Morgan ausgegrabenen Mumien von Dahchur. De Morgan,
Fouilles ä Dahchur, Vienne 1885, p. 147 fgd. sowie in de Morgans Recherches sur les Origines de
l'Egypte, Paris 1896, p. 241 fgd.
2) R. Virchow. Die Mumien der Könige im Museum von Bulaq. Sitzungsberichte der Berliner
Akad. d. Wissenschaften, 12. Juli 1888, XXXIV, S. 767 fgd.
3) 1. 1. S. 778.
4) Die besonders von R. Hartmann aufgestellte Hypothese, die Aegypter bildeten zusammen mit den
sogenannten „schönen" dunkelhäutigen Völkern Ostafrikas eine gemeinsame, in diesem Erdtheile heimische
Gruppe, ist längst aufgegeben worden. R. Hartmann. Die Völker Afrikas, Leipzig 1879 und Ueber ost-
afrikanische Völkerschaften und Völkerbewegungen. Verhandlungen d. Gesellsch. für Erdkunde, Berlin 1879.
85
Die Messungen, die Virchow nicht nur in Aegypten, sondern auch in Nubien an
Lebenden veranstaltete, führten zu dem Ergebniss, dass die Kopfindices bei den einheimischen
Bewohnern des Nilthals: Fellachen, Kopten und Berbern, ungefähr in derselben Weise
zwischen Dolicho- und Mesokephalie schwanken, wie bei den Königsköpfen der Diospoliten
aus dem neuen Reiche. »Alle diese Bevölkerungen sind in der Hauptmasse schlichthaarig
und orthognath; ihre relativ schmalen Nasen treten stark vor und ihr Kinn ist meist kräftig
entwickelt. Ich wüsste keine Eigenschaft der Köpfe anzuführen, wodurch sich der moderne
ägyptische Typus von dem altägyptischen constant unterschiede."
Die Brachykephalie, die Virchow für einige der besten Statuenköpfe aus dem alten
Reiche nachweist, ist merkwürdig. Sicher bestimmbare Schädel aus dieser frühen Zeit sind
nur in äusserst geringer Anzahl vorhanden; einer aus Sakkara aber, den Mariette als der
IV. Dyn. angehörig bezeichnete, erwies sich gleichfalls als brachykephal mit einem Index
von 81, 7. Die meisten Schädel aus dem neuen Reiche und darunter auch die von Königen
und grossen Herren aus der XVIII. und XIX. Dyn. sind dagegen fast alle dolichokephal.
Da auch sie alle Merkmale der mittelländischen Rasse zeigen, kann man bei ihnen nicht
von einem Einfluss der Neger reden; die Dolichokephalie ist indess eine Eigenschaft der
Bäntuneger, und man ist darum wohl zu der Behauptung berechtigt, dass die Angehörigen
des alten Reiches den Negern noch ferner stehen als die des neuen. Wir dürfen also
an der Ueberzeugung festhalteu, die wir vor achtundzwanzig Jahren gewannen und den
Ausspruch von damals1) wiederholen, dass die Aegypter weder ursprünglich zu den afrika-
nischen Negern gehörten, noch dass sich ihre Art durch nähere Berührung mit Asiaten
veredelte. Sie müssen vielmehr zu diesen gehören. Ihre körperliche Beschaffenheit blieb
von der ältesten Zeit an bis heute dieselbe, doch ist es wohl dem Connubium mit Negerinnen
oder dem stärkeren Sonnenbrande zuzuschreiben, dass ihre Hautfarbe die ursprünglich
grössere Helligkeit einbüsste.2) Die Brachykephalie, die sich im neuen Reiche in Dolicho-
kephalie verwandelte, ist wohl anderen Ursachen zuzuschreiben.
Auch der Gesamteindruck der menschlichen Gestalt blieb in Aegypten von der frühesten
Zeit an bis heute derselbe. Ihr gegenüber ist auch die Schönheitsempfindung keiner wahr-
nehmbaren Veränderung unterworfen gewesen. Dafür treten die bildlichen Darstellungen
in Malerei und Sculptur lebhaft ein. Was die ägyptische Poesie an schönen Frauen als
besonders reizvoll hervorhebt, gilt auch bei den muslimischen Bewohnern des Nilthals und
unter uns Europäern für die vornehmste Zier des weiblichen Körpers. Wie sich der
Aegypter den schönen Mann dachte, lässt sich nicht aus der Dichtung, wohl aber aus den
Werken der Sculptur eruieren. Sieghafte Kraft ist das Attribut, das man ihm in sehr
verschiedener Form zuschreibt.3)
J) Georg Ebers. Aegypten und die Bücher Moses, Leipzig 1868, S. 52. Die „new Eace" Flinders
Petries vor das alte Reich zu setzen, scheint uns gewagt.
2) Im alten Reiche werden die Frauen, deren Lebensweise sie mehr vor den bräunenden Strahlen
der Sonne schützte, mit gelber Haut dargestellt, während die der Männer braunroth gemalt wurde.
3) Auf der sogenannten Diadochenstele (Zeitschr. 1871, S. 1 fgd.) wird Ptolemäus I. Soter eingehend
geschildert. Was ihm der Verfasser des Decretes nachsagt, ist jugendliche Frische, Kraft an beiden
Armen, heller Geist, befehlshaberische Macht im Heere, Starkherzigkeit (fester Muth), standhafte Füsse etc.
Die Geliebte ruft freilich auch den Geliebtim (Papyr. Harris 500) an: -Du Schöner!" Ferner beziehen.
86
Die Darstellungen auf den Denkmälern unterscheiden aufs Schärfste den Aegypter vom
Neger. Das Bild der Negerin auf den Monumenten entspricht durchaus der Schilderung,
die sich in dem dem Vergil zugeschriebenen „Moretutn" von einer solchen findet. Die
Afrikanerin Cybele wird dort also beschrieben:
Torta comam, labroque tumens et fusca colorem,
Pectora lata, jacens mammis, compressior alvo,
Cruribus exilis, spatiosa prodiga planta
Continuis rimis calcanea scissa rigebant.
Die Aegypterin hatte dagegen schlichtes, bisweilen lang über den Rücken nieder-
wallendes, bisweilen künstlich gelocktes, niemals aber wolliges Haar. Sie ist orthognath
und darum frei von den vorstehenden Kauwerkzeugen der Negerrasse. Sind ihre Lippen
auch oft von besonderer Fülle, unterscheiden sie sich doch zu ihren Gunsten stark von den
wulstigen Mundrändern der Bäntuweiber. Die Brüste der jugendlichen Aegypterin sind
besonders schön geformt, fest und wohlgerundet. Die Bildhauer wissen sie höchst reizvoll
zu gestalten, und mit Vorliebe wird der schöne Busen von Göttinnen1) und sterblichen
Frauen gepriesen,2) — während die hängenden Brüste heute noch den Negerinnen zur
Unzier gereichen. Der Unterleib wie die Schenkel der Aegypterinnen entsprechen denen der
Frauen der anderen mittelländischen Rassen. Statt der hässlichen Plattfüsse der Negerinnen
mit den breiten zerrissenen Sohlen haben die Aegypterinnen besonders zierlich gebaute Füsse.
Es ist eine Freude, die Fellachenfrauen mit der gewölbten Sohle und dem hohen Spann
dahinschreiten zu sehen, wenn sie sich an das Ufer des Nils begeben, um Wasser zu schöpfen,
und dabei mit anmuthig gebogenem Arm den Krug stützen, den sie auf dem Kopfe tragen.
Ebenso sind auch ihre Ahnfrauen aus der Pharaonenzeit dahingeschritten ; denn auch ihre
Füsse waren wohlgebaut. Wir widmeten ihnen besondere Aufmerksamkeit, weil wir fest-
zustellen wünschten, ob sich bei ihnen die Eigenthümlichkeit wiederhole, die Czermak3) an
einer der Prager Mumien, die er mikroskopisch untersuchte, vorfand. Man hatte ihr die
Sohle vom Fusse gelöst und sie der ausgenommenen Leiche in die Brust gesteckt. Hunderte
von Mumienfüssen wurden darum von mir untersucht,4) und die meisten fand ich sehr
sich auch männliche Namen auf Schönheit. So gibt es verschiedene I <_> W* der Schöne schon im
alten Reich. Der Name „ Schön von Antlitz" I y kommt gewöhnlich Frauen zu.
*) In der Ptolemäerzeit hören wir von dem Busen des Bildes der Göttin reden, der vor dem
bewundernden Volke enthüllt wurde. "X^/" ^ ^ M 1 C . . Oeffnung (Enthüllung) der schönsten weiblichen
Brüste. H. Brugsch. Drei Festkalender, Leipzig 1877, Taf. II, 8b) unten.
2) Im Turiner Papyrus mit den Liebesliedern (bei Rossi und Pleyte Tur. Pap. Taf. LXXIX — LXXXII,
neu und besser publiciert bei Maspero, fitudes egyptiennes, Tome I, 3me f'ascicule) preisen drei Bäume die
Schönheit einer Dame, wohl der Besitzerin des Gartens, und einer dieser Bäume sagt: A Vv (, 1
0
1
(1
^ meine Gestalt (hohes Aufstreben ki 'i 'i) ist wie (das) ihrer Brüste. Damit soll die
strotzende Ungebeugtheit des Busens bezeichnet werden. Der nämliche Text erscheint in kurzer Zeit neu
revidiert von Max W. Müller.
3) Czermak 1. 1. (s. S. 84, Anm. 1) S. 444.
4) Der erste Versuch, die Ursache dieser merkwürdigen Sitte zu erklären, in unserem übrigens
mehrerer Emendationen bedürftigen Aufsatze: Erklärung eines Abschnittes des 125. Kap. des Todten-
buches. Zeitschr. 1871, S. 48 fod.
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wohlgebildet und an der Sohle oft stark gewölbt. Eigentliche Plattfüsse sind mir fast
garnicht begegnet. Was den Aegyptern an den Körpertheilen der Frauen gefiel, ist das
Nämliche, was auch uns zusagt. Des Busens, der so oft gepriesen wird, gedachten wir
schon. Auf der Stele C. 100 x) im Louvre wird einer königlichen Frau nachgesagt, ihr
Haar sei schwärzer als die Nacht und die Beere, sagen wir „des Schleedorns", ihre Wange
roth wie Blutjaspis etc. Das Weiss der Zähne der Geliebten wird in dem S. 86 erwähnten
Turiner Papyrus mit dem des Kernes oder der Körner der Frucht des Baumes verglichen,
der das Lob der Schönen singt. Höher als jeder andere Körpertheil wird das Auge gehalten.
Noch in der anderen Welt soll für seine Schminkung gesorgt werden, und sehr früh (von
der VI. Dyn. an) gab man vornehmen Damen Augenschminke mit ins Grab, um ihre Ränder
im Jenseits damit zu färben.2)
Eine Arbeit, die sich mit den Körpertheilen der alten Aegypter beschäftigt, hat es
darum genau mit dem gleichen Material zu thun, als bezöge sie sich auf die Gliedmassen
von Söhnen und Töchtern unserer Zeit und Heimat.
Ursache der frühen und starken Hervorhebung der Körpertheile.
Wenn wir den Gliedmassen schon sehr früh, ja in den allerältesten Texten besondere
Aufmerksamkeit zuwenden sehen, so ist dies zunächst die Folge der liebevollen Beobachtung,
die man am Nil schon in der allerältesten Zeit dem menschlichen Körper angedeihen Hess.
Sie ging von Aerzten aus, und diese spielten während des ganzen Verlaufes der ägyptischen
Geschichte eine hervorragend grosse Rolle. Dies konnte auch den Griechen nicht entgehen,
und wie die Odyssee3) die Aegypter ein Volk von wohl unterrichteten Aerzten nennt, sagt
Herodot,*) ganz Aegypten sei voll von Aerzten. Dazu lehren die Denkmäler, dass diese
Erscheinung so alt ist wie die ägyptische Cultur, die auch auf diesem Gebiete schon an
den Wurzeln, bis zu denen wir sie rückwärts verfolgen können, zu einem gewissen Abschluss
gelangte. Einem Werden und stetigen Fortschreiten ist auch in der ägyptischen Medizin
weder in der Methode noch in der Vermehrung des Wissensstoffes zu folgen gestattet. Das
erste Tasten, die Sammlung des Materials, der Lehrweg, die Grundsätze des Verfahrens
bis zu der Feststellung, von der dann nur im Einzelnen abgewichen werden durfte, das
alles fällt in frühere Zeit als die erste bis auf uns gekommene medizinische Schrift. Die
Vorbilder, denen die späteren ärztlichen Autoren folgten, sind verloren gegangen. Wahr-
scheinlich danken sie schon einer Zeit die Entstehung, deren schriftlicher Nachlass, mag
*) Veröffentlicht in Prisse d'Avennes Monuments egyptiens PI. IV, 1 und von Pierret, Recueil
d'inscriptions inedites, Theil 2, p. 105 und 10G.
-i Die von Virchcw veranlassten Untersuchungen über das Schminken der Augen und das dafür
benutzte Material s. Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie etc. 1888
und 1889. Ueber das Material der Schminke G. Ebers, Pap. Eb. Die Maasse und das Kapitel über die
Augenkrankheiten. S. 206 (74) fgd. Fischer, Ueber die chemische Zusammensetzung altägyptischer Augen-
schminken. Archiv für Pharmacie, 1892. A. Wiedemann, Aegyptologische Studien. Die Augenschminke
Mesdem. Bonn 1889. K. B. Hoffmann, Ueber Mesdem. Mittheilungen des Vereins der Aer/.te in Steier-
mark, 1894. Victor Loret und Dr. Florence, Le colyre noir et le colyre vert. In de Morgans, Fouilles
ä Dahchour. Vienne 1895, p. 153 fgd.
3) Odyssee IV, 231. irjTgog di i'y.uazog ixtazäuevog .-tsoi Ttävxcav ävdod>.-roir.
*) Herodot II, 84. Tiävza <5' tr/zocöv ioti nisa.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. W1Ss. XXI. Bd. 1. Abth. 12
88
er nun auf Thierfelle, wie andere alte Stücke der ägyptischen Litteratur oder auf Papyrus
verzeichnet gewesen sein, der Verwitterung anheimfiel.1) Die älteste medizinische Handschrift
unterscheidet sich darum in der Methode garnicht, im Einzelnen nur wenig von der jüngsten.
Dass viel ältere medizinische Texte als die erhaltenen einmal vorhanden waren, wird
niemand in Frage stellen, der sich den Entwickelungsgang einer Wissenschaft zu vergegen-
wärtigen weiss; es wird aber auch durch frühe Nachrichten und durch einige Ueberbleibsel
der verloren gegangenen ältesten medizinischen Litteratur bestätigt.
Die in griechischer Sprache geschriebenen manethonischen Listen gehen gewiss auf
einheimische Quellen zurück, und sie bemerken schon von dem zweiten historischen Könige,
der Aegypten beherrschte, von Atbothis, er habe die anatomischen Schriften verfasst und
sei ein Arzt gewesen.2) Die Notiz largög ya.Q tjv aber lehrt, dass schon im frühesten
Anfang des historischen Lebens der Aegypter die Medizin zu den vornehmen Wissenschaften
gehörte, denen obzuliegen auch gekrönten Häuptern Wohlstand. Tosorthros, der zweite
König der 3. Dyn., soll Asklepios genannt worden sein xaxä ttjv laroix)']v. Wir wissen
aber auch, dass männliche und weibliche Mitglieder sogar der Götterfamilie sich schon in der
ältesten Zeit der ärztlichen Behandlung unterwarfen; denn die Mythe erzählt, dass in
vorgeschichtlichen Tagen die feindlichen Brüder Set und Horus in den grossen Kliniken von
Heliopolis3) ärztliche Hilfe suchten und fanden, nachdem in dem berühmten Götterkampfe,
dessen die Denkmäler unzähligemale und auch die Griechen gedenken, Set dem Horus das
Auge und Horus jenem die Hoden ausgerissen hatte.4) Isis und Dhwti' (Thoth), die in diesen
klinischen Hallen ihre Kunst bewährten, standen auch später bis zum Untergang der heid-
nischen Religion der Heilkunst vor. Der Gott Imhotep, (J *|\ d. i. komm in Frieden,
den die Griechen dem Asklepios gleichstellten, ist erst später zum Heilungsgott erhoben
worden, obgleich dieser Name schon sehr früh vorkommt und es bereits in der VI. Dyn.
einen König Imhotep [ ^ ^^ j gab. Er gehört nach Memphis und wird stets als
Sohn des Ptah bezeichnet. Obgleich Sechmet gewöhnlich als Gattin dieses Gottes genannt
wird, soll die Mutter des Imhotep doch bald Nut, bald Hathor gewesen sein. Ob er
ursprünglich nur ein Dämon oder ein berühmter Weiser der Vorzeit5) war, lässt sich nicht
feststellen, jedenfalls scheint er erst unter den Ptolemäern zu jener hohen Verehrung gelangt
x) Die ältesten hieratischen Papyrushandschriften, die wir bis vor kurzem besassen, waren nicht
älter als das mittlere Reich. Nach Abschluss dieser Arbeit erschien indess in der uns gewidmeten
Festschrift „Aegyptiaca", Leipzig, W. Engelmann, 1897 eine Abhandlung L. Borchardts, die uns mit
einem hieratischen Rechnungsbuche bekannt macht, das schon aus dem Ende der 5. Dyn. stammt. Es
wurde unter dem Pharao (, (, 'Iss 'i hergestellt. Ein Stück der nämlichen Handschrift besitzt der
— M
Genfer Aegyptolog Mr. E. Naville.
2) "Aücodig . . ov qjf-Qovxai ßißkoi dvazofxixai ' larQog yag f/v. Manethos b. Africanus. Syncellus
p. 54 B — 56. R. Lepsius, Königsbuch, Abth. I, Quellentafeln, S. 5.
J o XZ~3 <~=> «wm » Q
3) \ <=> [1 qdt' ci—t nt 'inw, die grossen Hallen von Heliopolis. Pap. Eb. 2, 4.
^ I II I ■ w ' ^ 111 ©
4) Plutarch, Is. u. Os. Der Kampf c. 19. Ebend. heisst es, Horus habe den Typhon nicht ganz
vernichtet, sondern nur seine Kraft und Gewalt gelähmt. Daher soll in Koptos eine Bildsäule des Horus
sich befinden und ev zfj eregq xetol Tvcpcävog aldoia xars/jir.
5) Sprüche eines Imhotep werden jedenfalls schon unter der XI. Dyn. erwähnt.
89
zu sein, die den Griechen gestattete, ihn ihrem Asklepios gleichzustellen. Dhwt'i, der
alte und wahre Heilungsgott der Aegypter, hätte sich dafür nicht geeignet, da sein Herr-
schaftsgebiet ein sehr viel grösseres war als das des hellenischen Asklepios und römischen
Aesculap.
Da man sich schon in der frühesten Zeit Götter vorstellte, die der Heilkunst mächtio-
waren, werden denn auch manche Recepte als von Göttern stammend erklärt, und wir hören
darum natürlich auch die Leiden nennen, von denen die Unsterblichen befallen und die
Medicamente, mit deren Hilfe sie geheilt worden sein sollen.1) Da der Pharao die irdische
Erscheinungsform der Gottheit auf dem Weltenthrone war, durfte auch er sich mit der
Heilkunst beschäftigen, und diejenigen Verordnungen oder ärztlichen Schriften wurden
besonders hoch gehalten, von denen sich behaupten liess, sie wären in der Zeit eines Königs
aus alter Zeit entstanden oder hätten doch mit einem solchen oder mit einer Gottheit in
Zusammenhang gestanden. Das älteste Recept, das schon für eine der frühesten Königinnen
bestimmt gewesen sein soll, weicht in nichts von den späteren ab und beweist, wie zeitig man
sich die Pflege des menschlichen Körpers angelegen sein liess; denn es ist ein kosmetisches
Mittel und dem Wüchse der Haare einer Frau gewidmet. Es begegnet uns im Pap. Ebers2)
und wird mit folgenden Worten eingeleitet: °
III
III
hn stn Vit'i Tt\ niilxrw. „ Anderes Medicament für das Wachsenlassen des Haares, hergestellt
für3) die Dame Schesch, Mutter der Majestät des Königs von Ober- und Unterägypten
Tt'i des seligen."4) Dass wir in dieser königlichen Frau ss oder Schesch die Gattin
J) R', der Sonnengott, der höchste der Götter, war in der Vorstellung der Aegypter den meisten
Leiden unterworfen. — wie ja auch das Licht den grössten Fährlichkeiten durch Verdunkelung und
Trübung ausgesetzt ist. Die Mythe erzählt, wie Isis den R', dem ein Schlangenbiss die grausamsten
Schmerzen verursacht, seinen wahren Namen, durch den sie grosse Zaubermacht gewinnt, mit dem
Versprechen ablockt, ihn zu heilen. Im Pap. Ebers hören wir 1, 18 und 19, dass R' sich Beschwörungen
für die eigene Person bedient, 46, 10 werden Medicamente erwähnt, die R' für sich selbst herstellte.
46, 20 die Arznei, die die Göttin Tefnut § I G J) — -^} hr B' dsf für R' selbst herstellte. Tefnut und ihr
Bruder Schu sind Kinder des Rc. Die Tochter stellt das Medicament Pp. Eb. 46, 20 für den Vater her. Aber
auch der Erdgott Geb. der Gemahl der Himmelsgöttin Nut (wie Uranos und Gaia, Hesiod, Theogonie 125)
III
stellt selbst vier Medicamente für W her. Pp. Eb. 46, 22. 90, 18 flehen die Diener des R'
den Heilungsgott Dhwt'i an. Pp. Eb. 47, 5: Anderes sechstes Mittel [ v J] ® I O 3 ^"^ I
-?&
_ Q
£p ^^ „Medicament, das Isis eigenhändig hergestellt hat für den
Sonnengott R', um zu vertreiben das Leiden an seinem Kopfe (sein Kopfweh)". In welcher Weise man
sich die besten Heilmittel als von den Göttern herstammend dachte, darüber weiter unten.
2) Pp. Eb. 66, 15.
3i Nicht .von der", wie fälschlich übersetzt wurde, da — : — für jemanden etwas thun bedeutet.
A. Ennan, Aegyptieche Grammatik, Leipzig 1894, § 306, 1, S. 127.
*) im' hrte eigentlich .der rechten Rede theilhaftig". d. li. der magischen Worte, die auch auf die
Dämonen etc. zwingende Macht üben. Später gebraucht wie unser „selig" oder das französische ,feu".
12*
90
des Menes (Mn'i), des ersten historischen Königs, den die Listen nennen, zu sehen haben,
zeigten wir an einer anderen Stelle. x) Es kann diese Datierung auch sehr wohl auf
eine gute Tradition oder schriftliche Aufzeichnung zurückgehen; denn zu dem oben über
die geistige Uebung medizinischer Studien am Nil Gesagten kann hier noch bemerkt
werden, dass schon in den ältesten Texten, die sich im Inneren der Pyramiden fanden, eine
Reihe von Zeichen und Gruppen vorkommt, die auf die Uebung der Arzneikunst in jener
Zeit deuten, — auch werden wir sehen, dass in diesen Texten die Sonderung der Körpertheile,
die gewisse anatomische Kenntnisse voraussetzte, und die Benennung der Gliedmaassen im
Ganzen die nämliche ist wie in späterer Zeit. War noch vor einigen zwanzig Jahren der
grosse Berliner medizinische Papyrus, der unter der XIX. Dyn. hergestellt wurde,2) die
älteste bekannte ägyptische Schrift über die Arzneikunde, so trat mit dem Papyrus Ebers,
dessen wir in der zweiten Abtheilung eingehender zu gedenken haben, ein Handbuch der
ägyptischen Medizin zu Tage, das sicher im Anfang der XVIII. Dyn. niedergeschrieben
wurde.3) Jüngst aber entdeckte Flinders Petrie zu Kahün eine medizinische Handschrift,
die schon aus der XII. Dyn. stammt und deren Inhalt mit dem Kapitel über die Frauen-
krankheiten im Pap. Ebers verwandt ist.*)
Ebendaselbst fand der nämliche Gelehrte und glückliche Ausgräber das Fragment
eines veterinär-medizinischen Papyrus, und es ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich,
dass noch andere die Arzneikunde behandelnde Papyri zum Vorschein kommen werden.
Die frühesten Schriften medizinischen Inhalts, die wir besitzen, folgen der nämlichen
Methode wie die späteren ; ja sie blieb gültig bis in die griechische, römische und christliche
Epoche. Es ist viel zu wenig bekannt, wie starken Einfluss sie auch noch auf die Alexandriner
und auf manchen nachchristlichen ärztlichen Schriftsteller übte, dessen Namen und Werke
bis auf uns kamen. — Noch zur Zeit des Julianus Apostata war Aegypten die berühmteste
Lehrstätte für das ärztliche Studium, und Ammianus Marcellinus konnte damals behaupten:
„Sufficit medico ad commendandam autoritatem, si Alexandriae se dixerit eruditum".5)
Wie eng aber die Alexandriner und die von ihnen unterrichteten, auch nichtägyptischen
Aerzte sich an das der altägyptischen Arzneikunde Entnommene schlössen, suchten wir
bereits anderwärts zu zeigen.6) Schon die Hippokratischen Schriften, deren Entstehung in
die Zeit fällt, die die Wirksamkeit des Hippokrates von der des Aristoteles trennt, und deren
Redaction in den zwischen dem Stagiriten und Horophilus von Alexandrien liegenden Jahren
erfolgte, enthalten manches altägyptische Gut.7)
*) Pap. Eb. Einleitung S. 6.
2) Publiciert von H. Brugsch, Recueil de monuments egyptiens II, Pag. 101—120, Plancb.es LXXV
bis CVII. Separatabdruck bei Hinrichs, Leipzig 1863.
3) A. Erman, Die Märchen des Papyrus Westcar. Berlin 1890. Excurs über den Königsnamen
des Pap. Ebers, S. 56 fgd. Die Niederschrift erfolgte unter Amenophis I., einzelne Stücke des Sammel-
werkes wurden aber um vieles früher verfasst.
*) Zuerst behandelt von Griffith im British medical Journal 1896. Soll bald im Facsimile erscheinen
in Griffith, Kahün Papyri, PI. V— VI, die uns durch die Güte des Mr. Griffith zur Hand sind. Auf dem
Verso ist der Name Amenemhet's III zu lesen. Beim Abschluss dieses Manuscripta kam uns das erste
Heft der Publication zu: Lt. Griffith. The Petrie Papyri. Hieratic papyri from Kahun and Gurob.
London, Quaritsch 1897. Eine vortreffliche Arbeit.
5) Ammianus Marcellinus XXII, 16, 18.
6) G. Ebers, Wie Altägyptisches in die europäische Volksmedizin gelangte, Zeitschr. 1895, S. 1 fgd.
7) Die Uebereinstimmungen sind so gross und beziehen sich zum Theil auf so wunderliche Einzel-
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Hier genügt es, darauf hinzuweisen, dass die ärztliche Kunst während der ganzen
Dauer der ägyptischen Kultur und Geschichte von ihren frühesten Anfängen an geübt
wurde und dass deswegen gerade am Nil wie dem gesamten menschlichen Körper, so auch
seinen Theilen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Der Betrachtung und Erklärung dieser Thatsache soll der erste Theil unserer Abhandlung
gewidmet sein. Sie ist in der Schrift und Sprache, im Namen des Aegypterlandes, in der
Natur und mythologischen Auffassung sowie am Himmel Aegyptens nachweisbar. Auch die
Ausflüsse, die aus den Augen und aus dem Körper der Lichtgötter rinnen sollten, das gestirnte
Firmament, die Maasse, der Staat, der König und die Beamten werden, so weit man sie mit
Theilen des menschlichen Körpers in Beziehung setzte, hier zu berücksichtigen sein.
Die Schrift. Es ist bekannt, dass die Hieroglyphenschrift sich aus zwei Elementen,
dem phonetischen und dem ideographischen zusammensetzt. Jenes (das lautliche) zerfällt in
alphabetische, in Silben- und Wortzeichen. Näher auf ihre Natur einzugehen, ist uns hier
versagt, obgleich in allen dreien Bilder von Körpertheilen eine hervorragende Rolle spielen.
Unter den alphabetischen Zeichen kommen fünf vor, da A k = £\ wahrscheinlich das Knie
bedeutet, o jedenfalls den Arm (hebr. J7 = c), J das Bein (6), <nr> den Mund (r),
<z^z die Hand iß). Unter den weit zahlreicheren Silben und Wortzeichen werden sie
natürlich viel häufiger verwendet.
Das ideographische Element nimmt unsere Aufmerksamkeit stärker in Anspruch. Die
Meinung, in allerfrühester Zeit sei in Aegypten eine blosse Bilderschrift verwendet worden,
um den Gedanken Ausdruck zu geben, ist auch heute nicht von der Hand zu weisen,
obgleich sich kein einziger Text in reiner Bilderschrift erhielt. Dass diese der lautlichen
Schrift vorausging, lässt sich indes so sicher annehmen, wie die Erfahrung lehrt, dass das
Kind sich vor der Sprache der Geberde bedient. Dennoch werden gerade in den ältesten
Texten die Lautzeicheu freigiebiger und die ideographischen sparsamer verwandt als in
denen aus späterer Zeit. Benutzt finden wir diese allerdings auch in den allerfrühesten
Stücken, und es scheint darum die folgende Annahme gestattet: als den Aegyptern die
grosse Geistesthat gelungen war, die Sprache in ihre Laute zu zerlegen, und als ihnen
darum ein Alphabet mit 24 Buchstaben zur Verfügung stand, hatten sie sich bereits einer
anderen Schrift von begrifflicher Natur bedient, von deren völliger Preisgabe sie mancherlei
abhielt. Nur so lässt es sich erklären, warum die Aegypter sich nicht mit der reinen
Lautschrift begnügten, die sich doch besser als jede andere für schriftliche Mittheilungen
eignet. Ihr typischer Sinn, der mit seltener Zähigkeit am Alten und Bewährten festhält,
machte sich auch hier geltend und verhinderte sie, völlig von dem Gebrauche der ideo-
graphischen Schriftelemente zu lassen. Zwar finden wir diese in den frühesten Texten, die
wir kennen, energischer als später bei Seite gedrängt, sich ganz von ihnen loszusagen,
wurde aber auch durch die Anforderungen, die man schon früh an die Schrift stellte,
verhindert. Sie war nämlich auch für ornamentale Zwecke bestimmt und sollte es bleiben;
heiten, dass sie der jüngere Schriftsteller von dem älteren entlehnt haben muss. Einiges in der S. 90
Anm. 6 citierten Schrift. Näheres in einer den Verfasser beschäftigenden Studie.
92
die geringe Anzahl der Buchstabenzeichen des Alphabets hätte aber einen sehr einförmigen
Wandschmuck ergeben. Die Mischschrift der Pyramidenzeit blieb darum mit geringen
Veränderungen über 3000 Jahre in Uebung, und man glaubte weise zu handeln, indem
man auch an ihr festhielt, wo sie keinem ornamentalen Zwecke diente,1) weil man die
illustrierende und erklärende Bedeutung des ideographischen Elements erkannt hatte. Das
Aegyptische ist nämlich eine arme Sprache, die von Synonymen und Homonymen wimmelt.
Dieser Umstand konnte leicht gegenüber gleichklingenden Worten von verschiedener Bedeutung
zu einer falschen Auffassung des Sinnes führen, und man hielt darum nach Ueberwindung
der reinen Bilderschrift nicht nur an dem ideographischen Elemente fest, sondern vermehrte
sogar später die sinnbildlichen Zeichen, von denen man nur wenige aufgab oder durch
andere ersetzte.
Rein ideographischer Werth kommt zweifellos denjenigen Zeichen zu, die wir Deter-
minativa nennen. Sie waren bestimmt, die Erkenntniss der rechten Bedeutung des lautlich
ausgeschriebenen Wortes zu sichern, hinter das man sie stellte. In der frühesten Zeit
spärlich benutzt, eroberten sie sich eine reichlichere und regelmässige Verwerthung. Endlich
verwuchsen sie so fest mit dem hieroglyphischen Schriftsystem, dass man auch noch an
ihnen festhielt, nachdem man die reine Lautschrift der Phönizier und Griechen kennen
gelernt hatte. Sie wurden auch keineswegs aufgegeben, als man sich bemühte, im Demo-
tischen eine bequemer und schneller herstellbare Schrift zu gewinnen.2)
Für unseren Zweck sind die Determinativa von besonderer Wichtigkeit, weil sich
durch sie die Möglichkeit ergibt, die in der Schrift erwähnten Körpertheile schon auf den
ersten Blick als solche zu erkennen.
Auf ihre Eintheilung und Einführung an dieser Stelle näher einzugehen, würde zu
weit führen. Ihres selteneren Vorkommens in den ältesten Texten gedachten wir schon. Im
mittleren Reiche gewinnen sie volle und gesetzmässige Verwendung, und diese geht mit
ins neue Reich über, an dessen Anfang die Hierogrammaten sich ihrer ausgiebig und regel-
mässig bedienen. Später benutzt man hinter einem Worte auch gern mehrere Determinativa;
in der Ptolemäerzeit bis sieben. Sie stehen z. B. hinter dem Worte „Herden", um zu
bezeichnen, welche Thierarten zu ihnen gehören. 3) Diese Zeichen weisen das Nomen, auf
das es uns hier allein ankommt, der Begriffskategorie zu, der es angehört. Wir theilen
sie in specielle und generelle Determinativa. Erstere stellen das gemeinte Object bildlich
dar und lehren um so sicherer, welcher Begriff — in unserem Falle, welcher Körpertheil
— gemeint ist, je deutlicher sie gezeichnet wurden. Die generellen Determinativa sind
dagegen conventionell gewählte Zeichen, die hinter dem ausgeschriebenen Worte angeben,
welcher Begriffsklasse es angehört. Q, das Bild eines Fleischstückes oder Muskels wurde
gewählt, um jedes Wort zu determinieren, das einen Körpertheil bedeutet. Wo <^. uns am
J) Beim Schreiben auf Thierhäute oder Papyrus.
2) Die Einführung des Demotischen im 8. Jahrh. vor Chr. geht der Zeit natürlich voran, in der
die Aegypter die griechische Schrift kennen lernen konnten. Der phönizischen sind sie dagegen wol
schon vor der Benutzung des Demotischen begegnet. Mit der gleichfalls gemischten Keilschrift waren
sie bereits unter der 18. Dyn. bekannt geworden.
3) Dieser allerdings als Ausnahme zu bezeichnende Fall kommt vor auf der sogenannten Diadochen-
stele im Museum von Kairo, Z. 14. Publiciert von H. Brugsch, Zeitschr. 1871, S. 6.
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Ende einer Gruppe begegnet, wissen wir darum von vorn herein, dass es sich um einen
Theil des animalischen,1) gewöhnlich des menschlichen Leibes handelt.
Um das Gesagte zu verdeutlichen, wählen wir das folgende Beispiel:
<{P ist das Bild der menschlichen Nase. Dies wird benutzt, um die Konsonanten
darzustellen, die der Name der Nase fnd enthält. Für sich allein stehend, ist es das
Wortbild „fnd". Dies fnd wird auch ausgeschrieben ^^ c^> f-n-d, doch stellt man
gewöhnlich (in späterer Zeit regelmässig) ein Determinativum an das Ende der lautlichen
Gruppe. Wählt man das specielle Determinativum, das Bild der Nase /p 2), und schreibt
Iuan 5^7 f^ 1 so weiss der Leser, dass die Gruppe fnd zu lesen ist und die Nase bedeutet.
Wird das generelle Determinativ gewählt und ^^3; c=?;i geschrieben, so lehrt dies nur, dass
das Wort fnd einen Theil des menschlichen Körpers bezeichnet. Für sich, ohne Beigabe
des Lautwerthes gebrauchte specielle Determinativa sind Wortzeichen benannt worden. So
ist j), das Bild des menschlichen Ohres, ein specielles Determinativ, wenn es hinter ™y™ Lnh
das Ohr tritt, — für sich allein ist es das, wie die Varianten lehren, cnh (oder msdr) zu
lesende Wortzeichen „das Ohr".
Da auch dem Verbum Determinativa folgen, erleichtern sie natürlich auch die Fest-
stellung der Thätigkeit, die man den einzelnen Körpertheilen und besonders den Sinnes-
organen zuschrieb. Das Bild des Auges -ۤ3- determiniert nicht nur das Sehorgan, sondern
auch seine Thätigkeit, das Schauen und Spähen sowie wegen seines sich Schliessens und
Oeffnens auch das Wachen und Schlafen, fff^ das Auge mit Thränen determiniert das
Weinen etc., "ö die Faust den Begriff des Fassens und Greifens,3) - a der Arm, alles was
mit ihm gethan wird: das Reichen oder Geben, das Arbeiten, Pflügen, Graben etc. Ist er
bewaffnet ^—n zeigt er als Deutzeichen an, dass eine gewaltsame Handlung gemeint ist,
J\ ein Beinpaar weist schon in den alten Pyramidentexten auf jede Fortbewegung etc.
Auch Nuancen eines Grundbegriffes werden durch die Determinativa zum Verständniss gebracht.
Smim bedeutet tödten, determiniert mit dem Messer und bewaffneten Arme j^_2, mit der
Waffe ermorden, mit \h (Determinativ für das Feuer) verbrennen. Trotz der illustrierenden
Kraft der Determinativa ist es, wo uns z. B. nur das generelle Zeichen R. lehrt, dass ein
Wort zu den Körpertheilen gehört, oft sehr schwer zu bestimmen, welches Glied gemeint
ist. Geht dem ^ die lautliche Schreibung voran, so hilft bisweilen das Koptische. Den
inneren Organen gegenüber steigern sich die Schwierigkeiten. Oft wird bei ihnen die
')
ft
R. 'Inf (mit \) ist z. B. nicht nur das menschliche, sondern auch das thierische Fleisch.
2) Statt des Zeichens h~ trat häufig Q ein, das gleichfalls das Bild einer Nase sein soll, früher
aber irrthümlich für einen Kalbskopf angesehen wurde; A. Erman, Zeitschr. 1893, S. 63 — 64.
3) Wie fein dabei mehrfach differenziert wird, mag das Verbum x 0 \ I ] 3 Hb zeigen, das
das Spielen des Brettspiels bedeutet, h'b wird mit ! oder ' den zwei Fingern determiniert, um
auf das Erfassen der Figur mit 2 Fingern zu deuten. S. A. Wiedemann, Das Brettspiel bei den alten
Aegyptem, Actes des Genfer 10. internationalen Ürientalistencongresses, 1894, Leiden 1897, S. 51.
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Bestimmung nur möglich durch Untersuchungen, die weit über die Grenzen der Aegyptologie
hinaus führen und bei denen oft nur ein glücklicher Zufall das Dunkel lichtet. So muss
die Medizin helfen, wo die Lage eines Körpertheiles zum anderen, die Functionen eines
inneren Organs, die Gefässe, die von ihm ausgehen und die es mit anderen verbinden, seine
Behandlungsweise etc. angegeben werden. Wo der fragliche Körpertheil bei einem Thiere
vorkommt, werden seine Functionen, wird die Zubereitung und die Art und Weise seines
Genusses ins Auge zu fassen sein. Oft sehen wir uns bei diesen Untersuchungen gezwungen,
eigene Vorstellungen zu Gunsten der altägyptischen aufzugeben. Adern und Nerven lassen
C — jjj
sich z. B. nicht unterscheiden, weil das nämliche Wort ^^ mt beide bezeichnet. Auch
in den Hippokratischen Schriften werden sie noch nicht gesondert. Manchmal helfen auch
griechische Schriftsteller, bei denen sich ähnliche Anschauungen finden. Wurde endlich,
gleichviel auf welchem Wege, die Bedeutung eines Körpertheiles zur Wahrscheinlichkeit
erhoben, sind es oft Determinativa, die die Richtigkeit der Bestimmung bestätigen oder an
ihr festzuhalten verbieten. Ohne dies nützliche erläuternde Element der ägyptischen Schrift
wären wir mit der Bestimmung der Körpertheilnamen noch lange nicht so weit, wie wir es
gegenwärtig sind. Unter diesen Zeichen stellt mehr als ein halbes Hundert Körpertheile dar.
Freilich unterscheiden sich einige nur durch die Stellung (TS und ZV) oder durch die Gegen-
stände, mit denen sie verbunden sind (_ o, >; — n, A ü). Unter den Zahlzeichen kommt der
Kopf ® (auch primus) in späterer Zeit als sieben vor, und zwar wegen der 7 Oeffnungen im
Kopfe. Diese werden im Pap. Eb. 90, 18 beim Schnupfen als krankhaft angegriffen erwähnt.
Sie heissen i] ^ %, ^ 1\ © " ''V Ik I !k I Ik? hihiW SW m ** die
7 Höhlen (Oeffnungen) im Kopfe. Statt: „Wenn es sich trifft, dass die 7 Oeffnungen
im Kopfe krank sind", heisst es in Joachims gedankenloser Uebersetzung : „Gib dem
Kranken 7 Oeffnungen im Kopfe" ; — doch bringt er solche ja schon mit auf die Welt.
Die Sprache.
Auch in der Sprache kommt den Körpertheilen eine hervorragende Bedeutung zu.
Diese Erscheinung erklärt sich aus dem gegenständlichen Sinn der Aegypter, der sich auch
das Abstracte durch sinnlich Wahrnehmbares näher zu bringen liebt und was nur immer
aus dem Bereich des Uebersinnlichen dazu taugt, sich anthropomorph oder auch in Thier-
gestalt vergegenwärtigt. So wird beinahe jede Thätigkeit des Geistes und Gemüthes1) mit
dem Herzen in Beziehung gesetzt, das man für den Träger und Erzeuger des Empfindens
und Denkens ansieht. Für das Herz selbst sind zwei Bezeichnungen vorhanden -=^ 0" titi
und [ O \b oder ohne lautliche Schreibung Y^^"1-2) Beide werden promiscue, aber
auch gesondert neben einander gebraucht.3) Ursprünglich bedeuteten sie wohl nur das
J) Ueber die übertragene Bedeutung von (. ht £H, £n ventcr weiter unten.
2) W <C\ ^y hüi kommt nur vereinzelt vor. B. o. th. d. (R) S. 67. A. 1. H'ti ist wohl
ursprünglich der vorn befindliche Körpertheil, — die Brust mit dem Herzen.
3) Einen fest zu begrenzenden Unterschied in der Bedeutung von 'ib und h'ti ist uns trotz langer
und mühevoller Untersuchungen nicht zu eruieren gelungen. Dennoch werden beide differenziert und
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Organ, Herz, das die Medizin früh als Mittelpunkt und thätige Ursache des Blutlaufes
erkannt hatte; denn Ol Hb (mascul.) bedeutet (wie ( J X Hb mit dem tanzenden Manne
als Determinativum) ursprünglich „der Tänzer", ein Name, der natürlich der regelmässigen
Hin- und Herbewegung des Herzens den Ursprung verdankt, wie auch die Figur auf dem
Brettspiel (1 JA Hb die sich hin und her Bewegende heisst.
H'ti ist vielleicht eine Dualform, die sich doch wohl auf die zwei Kammern des Herzens
bezieht. Diese müssen um so früher bekannt gewesen sein, je deutlicher sie sich beim
einfachen Durchschnitt dieses Organs erkennen lassen. Erasistratus von Alexandria waren
die Klappen des Herzens wohl bekannt; doch empfiehlt es sich vielleicht auch, liü für die
Nisbeform von Ji-t „ Vorderseite" zu halten. „Das an der Vorderseite Befindliche." ~=^ ]i
„Fürst", „Vorderster" ist wohl nur Abkürzung von lit'i.1)
Wo l hö> Hb wie lit'i als Körpertheile erwähnt werden — auch in medi-
1-4 ^ \\ I '
zinischen Schriften — haben sie die nämliche Bedeutung; ja beide Worte werden auch
gebraucht, um den Magen zu bezeichnen, obwohl es sich nicht bezweifeln lässt, dass die
Aegypter Herz und Magen sehr wohl zu unterscheiden wussten. Im Koptischen bedeutet
£HT (mit Suffix gm; also mit dem der 3. Pers. masc. gTHq) das Herz und den Verstand,
daneben aber, wie das hieroglyphische ^| Jit, extremitas, summitas, während gHT zugleich
für Herz und Verstand, doch auch für Bauch und Magen gebraucht wird. Dies oht geht
indes auf ^ . h-t der Leib zurück, ein Wort, das im Altägyptischen gleichfalls Bauch,
Leib, daneben aber auch das innere Wesen, Sinn, Sinnlichkeit, Neigung, Begier, fleischliche
Triebe, Leidenschaft etc. bedeutet. So heisst es im Papyr. Prisse (12. Dyn.) "^^> Vw^
wird von seinem Bauche d. i. Fleisch und Begehrlichkeit oder ( \\ ^
**-* a) hs pn hnt n h-t f ein schlechter Mann ist, der fortgerissen
<WWV\
n
als etwas Verschiedenes neben einander genannt. So wird in dem von Turajeff herausgegebenen Hymnus
an Thoth (Schreibtafel im British Museum 5656, Zeitschr. 95, S. 121) der Gott angerufen, dass er Liebe,
Gunst, Anerkennung für die Person des Bittenden und den Willen ihn zu schützen erweise:
Vv t, ,,, «™ pY vi w h-t m 'ib' m h'ti 'n rmt' nbt „in den Leibern (Gemüth),
III _ö*^<=> \\ III <=> | .■ o
in Herz und Sinn aller Menschen". Hier steht 'ib und h'ti jedes mit besonderer Bedeutung neben einander.
Die Definition des Unterschiedes wäre freilich nicht weniger schwer, wie gegenüber unserm „von ganzer
Seele und mit ganzem Gemüth".
1) Vereinzelt kommt h'ti auch im Singularis und zwar als fi vor; doch ist es kaum als ursprüng-
liche Form des Wortes zu betrachten, da es in älteren Texten noch nicht gebraucht wird. In der
Schlussformel hieratischer Handschriften: n'iwf pw h'tf r pehw'i fi* „Es gelangte der Anfang bis zum
Endek steht ° . der Anfang, das Vorderste dem ^) phwi n^OT das Ende, Hinterste antithetisch
gegenüber.
2) Pap. Prisse I, 6—7.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXf. Bd. I. Abth. 13
96
l^o <= M *) Stm n lj-t-f ns su htf hmt. Wer auf seinen Leib (sein Fleisch, seine Begier)
hört, der ist abhängig angesichts des Weibes? (kaum „vom weiblichen Angesicht??"). In derselben
Y ™™ ) kb h-t
a www ^
d. i. wörtlich „ Kühlheit des Leibes oder Sinnes" wiedergegeben. «=. V\ |)\ ti h-t3) „Hitze
des Leibes oder Sinnes" entspricht in gleicher Weise unserem „Heissblütigkeit". Gewöhnlich
'^ c Q' q|?' o |' c 2M concret als Leib und Bauch zu fassen. Später verdrängt es auch
das " * Y <^ n ib, das früher gewöhnlich für Magen gebraucht wird. In den medizinischen
Handschriften soll für Entleerung des ^ . h-t gesorgt werden, bei der Diagnose wird es
befühlt etc. Von den Verehrern und Unterworfenen des Pharao heisst es unzählige Male,
dass sie sich ■ ^~T hr h-t, d. i. auf den Bauch geben oder werfen, und genau unserem
„leiblicher Sohn" entspricht die typisch unter den Titeln des Pharao wiederkehrende Formel
fgj. »w« o | Sohn der Sonne von seinem Leibe. Sehr früh (in den Pyramidentexten)
kommt auch ^^ dt als Körper, Leib, Cadaver vor und wird der Rede, das ist der Docu-
mentierung des Geistes antithetisch und als Wortspiel gegenübergestellt.4) Wie schon
bemerkt, war in ältester Zeit die Hieroglyphe <0 *ib5) das Bild des menschlichen Herzens;
doch schon sehr früh, und zwar in den ältesten Texten wurde es missdeutet und für die
Vase gehalten, in der das Herz balsamiert niedergelegt worden zu sein scheint, bevor noch,
wie die erhaltenen Leichen aus frühen Tagen beweisen, die Balsamierungskunst die Höhe
der Vervollkommnung gewann, die sie unter der XVIII. Dyn. erreichte. Ein Bild des
Herzens finden wir darum im neuen Reiche nicht mehr unter den Hieroglyphen, sondern
nur in einzelnen Vignetten zum Todtenbuche. Diese führten Le Page Renouf6) zu der
Vermuthung, lit'i bedeute nicht nur das Herz, sondern auch was es am nächsten umgibt
und besonders auch die Lungen. So käme es denn auch, dass — und dies trifft vollkommen
zu — nach der pneumatischen Lehre der Aegypter, wie sie uns besonders im Pap. Eb. 7)
entgegentritt, das Jit'i es ist, das die Luft in die Gefässe leitet. Daran knüpft sich die andere
Vermuthung, dass X 7 und (, x 7 ^ htt und 'iht'i, die Kehle, Luftröhre, das Respirations-
!) Ibid. VIII, 11. Die Schrift des Pap. verbietet mit Lauth C statt ® zu lesen, doch scheint der
Satz am Ende einer Emendation zu bedürfen.
2) Ibid. X, 8.
3) Ibid. XI, 5.
4) Pyr. d. Mm R' 21. Es wurde dir verliehen durch E' l (c^>) \\ ^=^> "^ ^=^ deine Rede
und dein Leib. -.
5) Schäfer, Zeitschr. 1893, S. 60, Anni. 1 sieht richtig, dass ( J O **& durch ^ O kopt. £HT
g)
(mit Suff. OHTCj) verdrängt wurde. Dies hält auch er für eine Adjectivbildung von ^ kopt. £H
das Vordertheil, der Anfang. Von „Brust" würde es sich zu der Bedeutung Herz verengt haben.
G) B. o. th. d. (R.) p. 67, Anm. 1. Er leitet den Namen Uti auch von dem „anterior part of the
body" her, in dem er sich befindet.
7) Pap. Eb. 9P, 12 fgd.
97
organ nah mit Jit'i verwandt sind.1) V& würde dagegen nur das Herz für sich allein und
in übertragenem Sinne Geist, Gemüth etc. bezeichnen. — Dass 3ib wie Jit'i auch Namen
des Magens sind, erklärt sich durch den Umstand, dass physiologisch Herz und Magen
allerdings in Beziehung stehen und gewisse Sensationen des Herzens sich auch am Magen
fühlbar machen. In der Geheimschrift2) ( I £j K^J ssti\ eines Arztes, der den Gang
des Herzens (Jit'i) kennt und Wissenschaft vom Herzen besitzt (<©*2[=T;0 rh litt), ist der
interessante Abschnitt enthalten, den H. Schäfer3) zuerst richtig auffasste und in dem der
Erklärung bedürftige Ausdrücke aus der medizinischen Litteratur der Aegypter mit Aus-
legungen versehen werden, die sie dem Verständniss näher bringen sollen. Obgleich nun
der Arzt den Magen hier wie anderwärts auch ""T* Y re Jit'i „Mund des Jit'i oder 'ife" os ven-
triculi nennt,4) geht doch aus diesem Tractate hervor, dass Ol oder ^^<0 in gleicher
Weise für Magen und Herz sowie für Herz in übertragenem Sinne, für Empfindung, Geist
und Gemüth gebraucht werden. Wenn es Pap. Eb. 99, 12 heisst ( <crr> XZ3 ^\ ~|>
¥\ "Ib** w«w»' t^ , ,was nun (die Redensart): ,es geht der Hauch hinein in
die Nase' angeht, so bedeutet das, dass er hineingeht in das Herz etc." — so kann hier
nur das Organ „Herz" gemeint sein, während 102,2 — 3, wo das fiüV gp des ersten
Satzes durch x J I 1 1 Jibs „verschleiert" erklärt wird, das Ol nur in übertragenem Sinne
u
i i ji i u © l ^j ■ u -üh^ Z±M
TK. JVWW\
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i i i i ra '
euu es neissL uuri : u *- — » l, v> ^«-» ;s= v L, Vuft | -
(Steht da) sein \b ist verschleiert, (so bedeutet das) ihm ist wie
einem Manne, der Sykomorenfeigen verzehrte". Das kann nur bedeuten: „So ist ihm ver-
schleiert (vulgär „schwummerig") ums Herz (zu Muthe), wie einem Manne, der Sykomoren-
feigen verzehrte". Nur als „Magen" können dagegen Ol und ^r^ O in dem Satze Pap. Eb.
100* 17 und 18 verstanden werden, wo es heisst: [ <z=>^ k^^. /wwvn v) ^d v>
~wwv t^i ' 8 i . „Was nun die Redensart ,sein Magen ist ssk (behindert ceujT)
angeht, so bedeutet das, dass die Gefässe des Magens5) Koth enthalten (mit Koth überfüllt
!) Wir bemerken, dass auch Horapollon (ed. Leemans II, 4) an den Zusammenhang des Herzens
mit dem Respirationsorgan gedacht haben muss, wenn er von der Hieroglyphe „dv&gmjtov xagdla cpÜQvyyos
r)oxt]nivTjIL redet.
2) Pap. Eb. 99—112 fgd.
3) H. Schäfer, Commentationes de Papyro medicinali Lipsiensi (Papyrus Ebers). Dissertatio inaugu-
ralis. Berolini 1892, p. 6 seq.
*) Folgende Aeusserung des Alexander von Tralles, der zur Zeit Justinians wohl der bedeutendste
Arzt und mit der ägyptisch-alexandrinischen Medizin wohl vertraut war: „tö ozöfia zfjg yaozgös l <~' y O,
o St) xai azöfiayov, ot ök xagdi'av züv xa?.aiwv äivofiaaav'1 , „der Magenmund, den man in früherer Zeit
auch Stomachus oder y.aodia nannte" verdient hier der Erwähnung. Alexander von Tralles ed. Pusch-
mann II, S. 245.
5) Wenn ~w™ für * stehet, zu übersetzen „für den Magen", „die zum Magen führen".
13*
98
sind)".1) In anderen Theilen der nämlichen Handschrift kommt Jit'i natürlich am häufigsten
als Körpertheil vor, und zwar so oft als Herz wie als Magen. .. "==f;,Öl »Fett des
Jit'i" Pap. Eb. 101, 16 wird eher Fett des Herzens als des Magens sein. Sicher als Magen
ist lCl an der schon erwähnten Stelle Pap. Eb. 100, 17 und 18 zu fassen. Wo Jit'i als
Körpertheil eines Thieres vorkommt, bedeutet es gewöhnlich das Herz. So wird 0=^0
^5^ Jit'i n ms\ „das Jit'i des msc Vogels", schwerlich, wo es Pap. Eb. 22, 14
als Medicament vorgeschlagen wird, als Magen zu fassen sein. Wir können Schäfer2)
überhaupt nur Recht geben, wenn er Jit'i regelmässig mit „Herz", nicht mit „ Magen" zu
übersetzen räth, obgleich die Thätigkeiten, die in ägyptischen Texten dem *ib und Jit'i
zugeschrieben werden, „nach unseren Anschauungen besser auf den von uns ,Magen'
genannten Körpertheil zu passen scheinen". Diesem Satze möchten wir beschränkend ein
„zum Theil" oder „mehrfach" hinzufügen, da manche Functionen, die dem <ö> | zugeschrieben
werden, sich auch in unseren Augen nur auf das Herz und gelegentlich sogar nur auf die
Lunge beziehen können. Wo des "O I in Zusammenhang mit dem Blutumlaufe gedacht
wird, kann es z. B. in keinem Fall anders als „Herz" übersetzt werden. Auch ' "^ h-t
der Leib, Bauch wird im übertragenen Sinne etwa wie das biblische „Fleisch" als Lust,
Verlangen, Leidenschaft gebraucht, während \b und Jit'i auch für unser „Geist" eintreten
und in Gegensatz zum Körper gesetzt werden. Dieser heisst gewöhnlich X i Ji 3 „die
Glieder", und im Pap. Prisse 8, 10 hören wir ihn dem Herzen >Q» | *ib gegensätzlich zur Seite
stellen. ^ v\ ^=^i \N ^ x ^ ^^ ttil 'ib-f ikw Ji'-fJjsi „sein Geist ist
bekümmert, sein Leib ist matt".
Wo die Sprache mit der Thätigkeit des Geistes und Gemüthes zusammenhängende
Begriffe darstellt, bedient sie sich gewöhnlich eines mit 'ib oder Jit'i zusammengesetzten
Redetheils. Fehlt bei <Q> I die lautliche Ausschreibung, wird man es in älterer Zeit *ib, in
jüngerer Jit'i zu lesen haben. Im Koptischen verschwindet *ib völlig, während gHT, £TH
den Körpertheil Herz und zugleich Verstand, Geist und Gemüth bezeichnet.3)
Schon in alten Texten begegnen wir der diesen Körpertheil darstellenden Hieroglyphe
in der Bedeutung von Herz, Sinn, Geist, Gedächtniss und Neigung. ^ hrj) 'ib
, .dir
oder Jit'i bedeutet z. B. „überlegenen Geistes sein" und ^ ^j\ (, ä
sehr (m'ikr) an Geist überlegen".*) T ^ Ja\b oder Jit'i „erhobenen Herzens oder Geistes"
entspricht eher unserem „hochherzig" als „hochmüthig".5) ™ wr 'ib oder Jit'i »grossen
Zß
fl
hr hs' wörtlich „Koth haltend".
2) Zeitschr. 1893, S. 61a.
3) Auch in Bildungen wie ^-oiH den Geist, Verstand geben oder hingeben, d. i. aufmerken,
aufpassen, Achtung oder Acht geben oder bei &.0-HT herzlos. «\T ist das nominelle Präformativ
los, an, wie das hieroglyphische , ««« . Es negiert das folgende CHT.
4) Papyrus Prisse 5, 11.
5) Ibid. 12, 1.
99
Herzens" ist gleich unserem grossh erzig oder von grosser Gesinnung. Wer dieser Eigenschaft
theilhaftig ist, steht über den A U^Ifl |l d\iv ntr von Gott beschenkten,1) — das
sind wohl die mit äusseren Gütern gesegneten, — die reich sind an Wohlsein, Macht und
Besitz.
In gleicher Weise werden die meisten Wörter gebildet, die eine Eigenschaft und
Thätigkeit oder einen Zustand der Seele, des Verstandes und Gemüths bezeichnen. Von
der frühesten bis in die späteste Zeit wird das Herz mit beinahe jeder Thätigkeit der Seele
oder mit inneren Eigenschaften lebender Wesen in Beziehung gesetzt.
So bedeutet ^\ \j\ „weif in Verbindung mit O (/^ y'O'1 uv'ib) „Herzensweite,
d. i. Freude, sich freuen" etc. Es heisst aber auch von dem Menschen, dem froh zu Muthe ist,
sein Herz sei 1 i nfr, d. i. gut oder schön, von demjenigen aber, der sich bekümmert
I ) Hb f ivir liwt' hrs „sein
fühlt, sein 'ib sei übel oder leidend, so: ^ i^3.<=z=>
(des Königs) Herz wurde übel (traurig) deswegen", jj ^\ ) nrfm3) ist „süss, angenehm",
| Kv t Y nÜM Hb „süssen Herzens, zufrieden". Ganz ähnlich bedeutet das alte
angenehm, anmuthig mit Ol (ü Y) » anmuthigen Herzens, mild, freundlich gesinnt
(imperativisch) rd'i? liti (parallel ^-^th S. 98 A. 3) den Geist gebend, acht habend, aufmerksam
I Y, ^ '^ (oder liti) bedeutet: „in der Mitte stehenden Herzens", mit dem Herzen
um
mi
sein.
A
gegen einen anderen geneigt (treu) sein.
ö
an der richtigen Stelle, auf dem rechten Fleck, billig denkend, zur rechten Handlungsweise
Q ] 1 ' I i ^ nw^ Si mnll '%* '^
- ™ Hm \b
J I
am Herzen liegend, liebevoll" kommt "> hr und (. (. hry 'ib vor, was mildherzig
,ich war eine treffliche, billig denkende (treue) Persönlichkeit".4) Parallel mit
(hr und hry milde, zufrieden) bedeutet.
ra
0"
U I
hr ib ist mit M?> ein milder zufriedener
Mann.5) J^ v (\j\ gnn ist „kraftlos, matt" und in Verbindung mit Hb oder liti ohnmächtig.
J) Ibid. 12, 10.
2) Papyr. Westcar. 9, 12.
3) Schon in den Pyramidentexten ^U-,^ fi ^ ndm 'ib in der nämlichen Bedeutung.
i\ Pan RVii'nrl Pfl Rrno-sfVl 14 2 '
*) Pap. Rhind ed. Brugsch 14, 2.
5) Nach Abschluss des Manuscripts kommt uns A. Ermans treffliche Abhandlung: „Gespräch eines
Lebensmüden mit seiner Seele" zu. Abhandl. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1896. Georg Reimer. XLII, 125—26
findet sich hier der Satz J ^ n# \\ nn lir-ib pfs „Es gibt hier keinen Zufriedenen".
a/vwv\ <o U I r* 1 ^ *-~ rr\S>
^v A tfS
Pfi ist nicht Demonstrativ, sondern Ortsadverb. In der gleichen Handschrift wird 'kW auch "fe^ y
geschrieben, doch soll dies kaum „hineintretenden* Herzens bedeuten, sondern ist wohl nur eine unbe-
richtigte Lautvariante für Mi ' ^e übrigens gleichfalls „treu" bedeutet. Hier wird auch
100
\x. «=^r<Q' w\ ux ffi (£\ Aft^^ ' iw hM f m l0i 9nn »es war sem Herz im
Zustand der Mattigkeit", d. i. Er war ohnmächtig. v\ tk ^sss^ idw das Krokodil,
\\ ^w id 'ib „krokodilherzig, gierig, grimmig, wüthend". Dies entspricht der Be-
merkung des Horapollon: Sie zeichnen ein Krokodil, wenn sie ägjiaya, nolvyovov oder
fiaiv6jU£vov darstellen wollen.3) °<=>\ X '■ , ~^ mh voll, voll sein, füllen mit =0" l 'ib, das
Herz füllen, lieh, befreundet sein. ~_^j y ( Jl l l TO ) mh 5«6 'ity „das Herz des Königs
füllend, ein Freund sein des Königs". lirp .dominieren, der erste sein",
Tirp 'ib an Geist überlegen, von ausgezeichneter Gemüthsart. y V\ (. i )
lirp *ib m 'ihr rk „(der Weise), der dir an Geist hoch überlegen ist".
Diese Beispiele genügen, um zu zeigen, wie der Körpertheil „Herz" benutzt wurde, um
die verschiedenen Eigenschaften oder Thätigkeiten des Verstandes und Gemüthes sprachlich
zum Ausdruck zu bringen.6) Für sich allein gebraucht man <£? I auch ähnlich wie in
unserem „nach dem Herzen Gottes", um das Verlangen, den Wunsch, den Willen und
Ratschluss zu bezeichnen. <rr> JE» " r dr *ib bedeutet gemäss seinem Herzen, d. i. seinem
Wunsche gemäss. y wn \b ist das Sein des Herzens, die Richtung, die dies nimmt,
AAAAAA 1
und entspricht unserem „Wunsch". Af\ ^ HO •=> ^ ' pi wn'ib 'i r stm „das Sein
meines Herzens befindet sich in der Richtung des Hörens" 7) d. i. Ich wünsche zu hören.
Auch andere Körpertheile werden benutzt, um Abstracta in verbildlichender Weise
sprachlich darzustellen. Bei der Betrachtung der einzelnen Gliedmassen werden wir auf
_fl Sa MJ y 'wn °ib' richtig die Herzen sind „frech" übersetzt, und gezeigt, wie im Berliner Bauern
_D
Ü.
Pap. (12. Dyn.) in dem Satze v. -* ^3! J\ x/ v a> 0^1 _ 0 'k pr, °ib k 'wn „Dein Arm ist
gewaltthätig, Dein Herz 'wn", dies 'wn kaum etwas anderes als „frech" bedeuten kann. Brugschs „sich
kränken" etc. muss modificiert werden. Wörterb. Suppl. S. 191.
1) Pap. d'Orbiney 14, 2.
2) Pap. Prisse 6, 1.
3) Horapollon ed. Leemans I, 67.
*) J. de Rouge, Inscriptions hieroglyphiques XXIV, 7.
5) Pap. Prisse 5, 11.
G) Für welche inneren Eigenschaften , Q. , . h-t „der Leib" eintritt, haben wir bei derBehand-
lung dieses Körpertheils eingehender zu prüfen. Auch andere werden in übertragener Bedeutung gebraucht.
Bald treten sie für die Thätigkeit ein, die von ihnen ausgeht, bald ist die Stellung, die sie am Körper
einnehmen, das Bestimmende. So ist der Kopf das Oberste, Höchste, Erste und wie bei uns „das Ober-
haupt". Schon in der Pyramidenzeit heisst es: „Es ist Wn'is gli ^ 1 Q 1 v\ O das Haupt, das Oberhaupt
der Diener des Rc", Wn'is Pyramide 495. Auf das Vorder- und Hintertheil des Löwen (Anfang und Ende)
wiesen wir schon und werden auf sie zurückzukommen haben.
7) Pap. Anastasi V, 21,2. Hier kaum die Conjunction pi wn „denn".
101
jede ihrer Bedeutungen und auch auf die übertragene einzugehen haben. Als Beispiel sei
hier angeführt ^^ ^^ *) wn dt offenhändig oder mit offener Hand, grossmüthig und frei-
gebig, ^3> — j — ° s a2) pr c mit herausgehendem Arm, tapfer etc. ^T ®s o nht stark
und ^ Q 7i(p friedlich mit j 7*r das Gesicht gibt «7tf 7tr mit starkem Gesicht d. i. trotzig
und htp hr mit friedlichem Gesicht, d. i. friedfertig.
Ueberall kommt es dem Aegypter darauf an, das Darzustellende sich möglichst nahe
zu bringen und jedem Theile des Ganzen, das er ins Auge fasst, volle Gerechtigkeit wider-
fahren zu lassen. Wie in der Kunst, verfuhr er auch in der Sprache. Der Ratb, sich
gegen den Vorgesetzten bescheiden zu verhalten, wird z. B. in folgender Weise ausgedrückt:
® 1 1^ ^ m~i ^L **~~ %& f1 ^ S^ §&■ 1k §i 2=^ S> ^ ljim c ,,Jc ljms sik m u
\bk rf „ senke deine Arme (Hände), beuge deinen Rücken, führe nicht fort dein Herz
(redend g7\) ", d. i. brause nicht auf „gegen ihn". Dadurch veranschaulicht sich freilich das
Gemeinte weit deutlicher als durch unser: Verhalte dich zurückhaltend, neige dich, brause
nicht auf gegen ihn.
Bei der Bildung des menschlichen Körpers in der Malerei wie in der Reliefdarstellung
verstösst der Künstler sogar gegen die treue Wiedergabe des Vorbildes, um jedem Theile
des Leibes volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das Gesicht @>, das für sich allein
en face dargestellt wird, zeichnet er bei der Wiedergabe der ganzen menschlichen Gestalt
stets en profil, um die Form der Nase unverkürzt darzustellen. Das Auge -^&- setzt er
en face ins Antlitz, obwohl er es anders gesehen haben muss, weil es nur so ganz zu über-
blicken ist. Die Brust muss en face gebildet werden pl , damit der bei der Profilzeichnung
verdeckte eine Arm so gut sichtbar bleibe wie der andere. Für die Beine wird der Wieder-
gabe en profil der Vorzug gegeben J\ , weil man en face der Form beider Füsse nicht
gerecht werden könnte.
Das nämliche Verlangen nach Deutlichkeit und nach Berücksichtigung des Theiles,
von dem die Handlung ausgeht oder dem sie widerfährt, zeigt sich überall. Wir lassen
die Thätigkeit, von der wir reden, gewöhnlich das ganze Individuum, das für uns, wie schon
sein Name anzeigt, untheilbar ist, verrichten oder betreffen, die ägyptische Sprache
theilt es dagegen und lässt nicht die ganze Person, sondern den Körpertheil, der die
Handlung zu verrichten oder hinzunehmen hat, sie ausführen oder auf sich nehmen.
Wie in den ältesten Texten, so steht es damit noch später. Für den Satz: Es gehört
sich, dass du dich beugst vor deinem Vorgesetzten, wird in der 12. Dyn. gesagt: (
*>-=> 1\ I « — ö(q] l 4) 'iri hms si k n hrl di di k „es gehört sich, dass gebeugt sei
dein Rücken vor deinem Vorgesetzten". In einem Berliner Pap. gleichfalls aus dem
J) wn öffnen, offen, dt die Hand.
2) ^3? pr herausgehen, treten o * der Arm. B* ^3! ^j\ dr pr f m h-t „seit
seinem Hervortreten aus dem Leibe, von Geburt an".
3) Pap. Prisse 5, 11.
*) Pap. Prisse 13. 9.
102
mittleren Reiche heisst es:
D X
li
) 'w tvpn ni 'ihw'i nf,
„es war öffnend zu mir meine Seele ihren Mund", d. h.: Es redete zu mir meine Seele. Im
Pap. Eb. wird fleissig frische Milch zu trinken oder eine Milchkur verordnet, und zwar
mit den Worten: rD
QQ
J\
IM
/WWW
*) hiy f m n f m hsi
„er möge sich neigen mit seinem Munde auf frische Milch". Wo wir sagen würden:
Ich sehe nur schlecht, ich höre un vollkommen und bin zu heiser, um zu sprechen,
. . -<2=~ ,£. n c— =^3 -fi-. A x
heisst es im sogenannten Neuägyptischen der 19. Dyn.: .1
ö
-€I3- o
cy I
/WVW\
i w J
^
JOvfr^Vft 1^>^^>^T^\ ^^} «Mein
Auge ist schlecht an Gesicht, mein Ohr ist nicht voll (ohne volles .Hörvermögen), meine
Stimme zu heiser, um zu reden". Bezeichnend ist das Beispiel aus der nämlichen Zeit:
t^j | awwn ) ßd *ib r n tn „es spreche das Herz zu eurem Munde", d. i. was ihr
sprecht, soll euch aus dem Herzen kommen, soll redlich gemeint sein. Nicht anders in der
Ptolemäerzeit und römischen Epoche. Um zum Ausdruck zu bringen, dass man sieht, riecht,
VV, J5) I 11 1 IH Ml n,WW\
w
...en sich die Ohren, i
thut sich auf die Nase; es athmet die Luftröhre (Kehle)". In einem anderen Texte aus der
Ptolemäerzeit6) tritt diese Anschauungsweise mehrfach besonders deutlich zu Tage. Hier
heisst es von Ptoleraäus Soter, der noch, um der Form zu genügen, ein Satrap Alexanders II
genannt wird, er sei gewesen:
A ö I
im
hört und athmet, heisst es zu Dendera:
^^ ~* *&P l 8 1 ) »es verrichten die Augen ihr Werk, es öffnen sich die Ohren,
^ — ^> 1 A \\ -B- <£
ß |cs> . *~ hnnw m gbd" f „stark an seinen beiden Armen'
ic==üi<0\ txmt *ib „standhaften Herzens (Muthes)".
Ol mn tbn „mit feststehenden Sohlen".
n jS im rd'i sif „nicht gebend (wendend) seinen Rücken (zur Flucht)".
^ ((' ^§V i *~ 'ifn lir n rgy f „ schlagend (?) das Antlitz seiner Gegner".
D pr „von herausgehender Hand (kühn, unerschrocken)".
^
x) Pap. 3024. Jetzt ediert von A. Erman, Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele. Abhandl.
d. Berl. Akad. d. Wiss. 1896, Z. 56 (S. 40, XIII, Z. 55).
2) Pap. Eb. 40, 2.
3) Pap. Anastasi IV, 13, 8.
4) Pap. judiciaire 1, 8.
5) Im Pronaos des Tempels von Dendera. H. Brugscb, Thesaurus I, 56. Auch im Deutschen wird
ja häufig Auge und Ohr für Gehör und Blick gebraucht. Walter von der Vogelweide singt: „Hütet eure
Ohren — oder ihr seid Thoren". Daneben aber auch freilich: „Hütet eure Blicke, dass sie nichts berücke".
6) Diadochenstele zu Kairo. Zuerst veröffentlicht von H. Brugsch, Zeitschr. 1871, S. 1 fgd.
103
4-
- a n hsflw c ° /" „ Seine Arme sind unabwehrbar".
ju."^w«w«!^cr _ « n m 2)r m ri f »nicht Umkehr dessen, was aus seinem
Munde hervorgeht, von unab wendlich zuverlässiger Rede".
"^ ü *ib f shm „Sein Herz (Muth) war gewaltig".1)
<§>% 8 t 4"r ^ f n-m m nn »Sein Herz war süss (froh) wegen dessen".
^"^'Hk ^ hr spt wid icr „an der Lippe (am Ufer) des grossen Grünen" d. h. des
Meeres, hier des mittelländischen.
In der Sprachbildung nehmen die Körpertheile bei den Präpositionen von früh an
eine für die gegenständliche Auffassungsweise der Aegypter besonders bezeichnende Stellung
ein. Es gibt einfache und zusammengesetzte. Jene sind einsilbige Redetheile mit präpo-
sitionellem Werth, die sich zum Theil noch als Substantiva nachweisen lassen und darum
auch die Possessivsuffixe annehmen. Unter ihnen sind ursprünglich Namen von Körpertheilen
<=> n „Mund", @ l hr „Gesicht" und ® tp, äi ßi „Kopf", der freilich als „auf" schon
früh nicht mehr vorkommt.2) Die gebräuchlichsten sind ^\ m in, aus (heraus), gemäss etc.,
-www n an, zu, für etc., <=> r in der Richtung hin, zu (nach einem Orte), versus und
contra, ^ I hr auf, mit, wegen, hr unter etc. Sie verbinden sich, da ihre Bedeutung
zu einer allgemeinen abgeschwächt worden war, mit den Namen der menschlichen Glied-
massen, die ihre Beziehung näher zu bestimmen dienen und die überall erstrebte Anschaulich-
keit fördern.
m bedeutet z. B. in3) und wird mit [qI l si „der Rücken"- zu (m si) „im Rücken"
oder hinter, nach, *|\ m „in" mit @ I hr oder Q hfl „das Angesicht" wird m hr oder
m hfl hr „im Angesicht d. i. angesichts oder gegenüber". Dasselbe ^j\ m „in, an" mit
J n^ K^, I ,C=a> ^ (kopt. q*£?? praeputium?) wird t\ 1 "fe^ <|\ ß ^ m bih oder
( — u) m bih „am Phallus?" vor,4) das als Präposition und, wie auch viele andere als
*) Dass z. B. der Gatte und das Weib mit dem Wortzeichen f==u) und C Phallus und Vulva
(t? und hmt) geschrieben werden, gehört zu der Verwendung der Körpertheile in der Schrift.
2) In der Pyramidenzeit finden wir @ für sich allein noch in der Bedeutung „auf". © ^"^ X
/WWV\ ([ /\
<v\ MsS? ^ tp dnh Dhwt'i „auf dem Flügel des Dhwt'i (des Ibisgottes)" — Wn'is Pyr. 491.
3) Mit Suffix , wie Renouf zuerst zeigte ü s*\ 'im und wohl tmo gesprochen. A. Erman,
Aegyi>tische Grammatik, Berlin 1804, § 307. Hier das Beste zusammenfassend über die Präpositionen.
*) Dies hierogl. m bih „vor" erhielt sich im Koptischen JÜM^O , doch nur noch in einer Verbindung
— ^ i®
MMÄkO-ITXOeiC „vor dem Herrn". (Steindorff, Koptische Grammatik, § 358), während z. B. ' . hr didj
„auf dem Kopfe" auch zu allgemeinem Gebrauch in der Form pi'Xtt, oi*2£M mit Suffix oi<2£U) ins
Koptische überging.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 14
104
mit dem Vordertheil des Löwen — £), ' /^ wird zu
m 7^ „am Anfang, an der Spitze" und als Adverb „vorn" und „früher". tit mit hr
statt in bedeutet gleichfalls „früher" und wird nur adverbiell gebraucht. d c der Arm
oder auch die Hand1) wird mit v\ zu der zusammengesetzten Präposition ¥^- a m d-t
oder in' „in der Hand, im Besitz von" und das blosse „von", fortnehmen von jemand, aus
der Hand jemandes, vor; retten vor jemand, aus der Hand jemandes; durch, bewerk-
stelligen durch jemanden, (mit der Hand in d-t, oder wie es auch zu lesen erlaubt ist, rri)
jemandes. ® I hr, der dem Beschauer mit dem Antlitz voll zugewandte menschliche Kopf
mit Hals und Ohren, den wir auch schon mit der Bedeutung „Gesicht" kennen lernten, ist
auch wegen der Stellung, die sein Vorbild am obersten Theile des Körpers einnimmt, für
sich allein als einfache Präposition „auf" zu übersetzen; daneben aber auch „zu (auf)"
*) Ob wir D hier mit Ernian ' oder d-t zu lesen haben, ist fraglich. Dass o auch als Wort-
zeichen ' zu umschreiben ist, unterliegt keinem Zweifel, da es in späterer Zeit mit XJ wechselt. .
ist mascul., da sich die Dualfonn . VT °wi " mehrfach erhielt; Pap. Westcar. 8, 1, 10, 10 a. a. 0. bis
in späte Zeit. Statt ( 4b^ [ 07) £=> „Reicht mir eure Arme", heisst es -|^ (, W ___J ~~™ . Aber
0 wechselt auch mit d-t. In Rechnungen heisst es vom Rest, der da ist, „verbleibt *™~* wnt
o I c
oder V\ *~ in seiner Hand". Beides ist m d-t-f zu lesen und bedeutet sicher nicht
Arm, sondern Hand. Eine Menge von Beispielen steht uns zu Gebote, doch scheint uns die Anführung
des Satzes im Pap. Prisse V, 13 zu genügen, wo Arme und Hände gesondert neben einander erwähnt
werden und die Hände ~~. — geschrieben werden. Wenn man, heisst es dort, einem Streitsüchtigen
begegnet, der sich eben austobt, soll man sich gleich demjenigen verhalten, «j\ ,,,,,,, ö"v\ t-~&
1 — °^ sb, „der sich in deinen Armen und in deinen Händen befindet", d. h. wie einer, der sich
nicht rühren kann oder sich ganz still verhält. Dass das häufige <=> ' . 0 rmn-t, rmn der Arm
ist, steht längst so fest, wie dass dies Wort „der Träger" bedeutet. Die Hand ist der Greifer, der Nehmer
und Geber. Es sei nur noch auf ^S^ „ausstrecken die Hand" und das parallele
o \\ Pap. Prisse 7, 2 verwiesen, wo und 3 für „Hand" gebraucht werden. Sollen wir das
i- — <T"V ^b^^sk"" — *^~ (hSl ^^^^'h'nncnvfstnsjHr-d'id'if'irifi
Pap. Westcar 8, 1 übersetzen: „der Königssohn Hr-d'i d'i f streckte ihm die Arme" oder „die Hände
entgegen"? Das spätere ^^V7 ° £ ^ ^. dem vielleicht auch WH I entspricht und
dK& W D - ö - 0 -3E^ § D I
das mit -**jl, wechselt, bedeutet gleichfalls die beiden Hände, und Piehl hat wohl Recht, wenn er dies
Wort von S^7 3 „geben" herleitet und ihm die Bedeutung „die gebende" zuerkennt; Acten des Genfer
internationalen Orientalistencongresses, 1894, Notes de lexicographie egyptienne, S. 129 fgd. Leyden,
Brill. 1896. Für die Pluralform ^^ e^3 in der Pyramide des Tt'i 386 ist gewiss der Singularis ^ {
anzunehmen.
105
(etwas legen), „mit" (zusammen mit), „für" (zuträglich für), „auf (in verth eilendem Sinn:
auf die Person) und „wegen". Es gewann also ®\ hier durch Ausdehnung seiner Bedeutung
starke Abschwächung. Wo es „auf" in localem Sinne auszudrücken bestimmt war, begnügte
man sich darum oft nicht mit dem ^ I hr allein und verband es mit ß\ di di oder tv der
Kopf, das Obere". So wird * y hr-didi oder tp zur zusammengesetzten Präposition mit
der Bedeutung „auf dem Kopf", die den localen Begriff „auf" entschiedener zur Darstellung
bringt als das vieldeutige @l. J\ y m 'ib (oder liti) „zum Herzen gehörig, im Herzen"
oder J^^ ni hr 'ib (Jiti) „im Angesicht des Herzens", ist gegenüber dem Herzen und
bedeutet „in der Mitte". Merkwürdig ist das alte ® t\ , das in der Bedeutung von „vor"
(vor jemand treten) gebraucht wird; Pap. Westcar 10, 1. Hier ist @ wohl als auf, das
locale J^ (( j^ mit Suffixen j als „Platz" zu fassen, und das Ganze „auf den Platz" zu
übersetzen. In unserem Beispiele ® t^ <=> ^ ; j * rS tp » Bdddt „auf den Platz,
vor die Rdddt" . Die Personalsuffixe W* '*', ^^ k fem. z=> f (^), k^_ f fem. 1 (— — ) etc.
treten hinter das Wort, das durch sie in das Possessivverhältniss gesetzt wird, und zwar
hinter das Determinativ des Substantivs oder des Verbums, an das man sie hangt. Es
bedeutet dann also ^=^> h-t h Dein Leib, ~ ° i w. Y f seine Glieder, *"^ C ^ fl fnd s
Cl I Q 1,1 www £) '
ihre Nase. Schon im Altägyptischen werden diese Suffixa häufiger hinter die Namen der
Körpertheile gesetzt, um das Possessivverhältniss auszudrücken, als hinter jedes andere
Substantivum. Im Koptischen sind es auch noch diese Namen, mit denen die besitz-
anzeigenden Suffixa verbunden werden. Hier bewahren freilich die Namen der Gliedmassen
ihre Bedeutung nur noch im Allgemeinen, da sie, wie Wilhelm von Humboldt treffend
bemerkte, eigentlich nur „Substrata der Persönlichkeit" sind. L. Stern1) nennt sie Hilfs-
wörter. Die häufigsten sind pco hierogl. "y* n der Mund, tot hierogl. ^^ d-t die Hand,
p&r hierogl. j rd der Fuss.2)
Die Bedeutung dieser mit den Namen von Körpertheilen zusammengesetzten Prä-
positionen lässt sich auch im Koptischen noch mehrfach nachweisen, im Altägyptischen
liegt sie, wie wir zeigten, klar auf der Hand.
Wie die zusammengesetzten Präpositionen mit den Suffixen gebraucht werden, mag
das Beispiel mit Jj^ tp m si am „Rücken, hinter, hinterher" zeigen: ( % *— C5P t^.
Y*-=- ) »er war im Wandeln an seinem Rücken, er schritt hinter ihm her". Nehmen
y^Ji^ l
2) Ludwig Stern, Koptische Grammatik, Leipzig 1880, § 531 ff. Den Ausdruck „Substrata der
Persönlichkeit" entnahm Stern den in der Berliner Bibliothek aufbewahrten koptischen Studien Wilhelm
v. Humboldts.
2) Ausser ihnen *SW hierogl. ® d* dt oder tp der Kopf, Qjp&. hierogl. Q I hr das Gesicht, £ht
hierogl. h-t der Leib, OüT hierogl. (I v\ v^ 'ut der Rücken, gTH hierogl. O I h'ti das Herz,
•eOTCO, TOTO) der Busen, das im Hieroglyphischen noch nicht nachgewiesen wurde. S. G. Steindorffs
koptische Grammatik, Berlin 18<J4, § 49 fgd., S. 34.
3) Pap. dOrbiney G. 4.
14*
106
© ®
wir
von
hft hr „vor dem Angesicht", so finden wir es früh (mit Suffixen) in der Bedeutung
„ gegen über"
Im Pap. Westcar.1) ist zu lesen:
A/VWVV /WWVi
SMU
@l
1 cfcc;
rdm s'i 'Ist Ijß-hrs „es stellte sich Isis hin ihr gegenüber" (Angesichts der anderen) und
®M Nbt-ht fos „und Nephthys hinter sie".2)
DJ o
In den ältesten Texten kommt der Artikel A^< <£\ pi, o "\\ U noch nicht vor, —
nach der Hyksoszeit begegnen wir ihm schon, und zwar am Anfang des neuen Reichs
„bei Worten, die bestimmte einzelne Individuen bezeichnen".3) Im sogenannten von
A. Erman zuerst grammatisch bearbeiteten Neuägyptisch erweitert sein Gebrauch sich nur
wenig; — beiden Sprachstufen ist es aber gemein, dass die Namen der Körpertheile nie
mit dem Artikel auftreten. Ausnahmen gibt es verschwindend wenige und auch sie stehen
nicht fest. Diese Namen sind eben als determiniert zu fassen und nehmen jederzeit die
possessiven Suffixe an. Wenn einmal A^ j\ [[ ^<==> 15*) P*9* rd" »nieine Füsse"
vorkommt, so ist das erstaunlich, weil man eben bei den Namen der Körpertheile stets das
Suffixum und in diesem Falle also f f WT r^ '• »meine Füsse" zu erwarten hätte.
Unzähligemal kommt vor: [pJ^^^J msdrt-i „mein Ohr", ^ ^z^> "ib-k „dein Herz",
ß 1^ ß N^. didi-f „sein Kopf" etc.
Nach dem Gesagten wird man es nur natürlich und angemessen der Vorstellungsweise
der Aegypter finden, dass sie es bei der Conjugation des Verbs oft vorzogen an Stelle des
pronominalen Subjects einen Körpertheil zu setzen und statt ich schlage „meine Hand
schlägt", statt du liebst „dein Herz liebt" zu sagen. Auch beim Object gibt man sich
oft nicht mit dem Pronomen zufrieden und zieht dem „ich sehe dich", „ich sehe dein
Angesicht", dem „er schlägt ihn", „er schlägt seinen Rücken" vor.
Hier gilt es auch noch der von Präpositionen abgeleiteten Adjectiva5) zu gedenken,
die häufig ein ihnen folgendes Substantiv regieren. Dies nun ist sehr oft der Name eines
Körpertheils. Bleiben wir bei den beiden gebräuchlichsten präpositionellen Adjectiven
VNi ^ ~ ~ f^.' ^ 1^ ^W"' im un<i H w *\T
J
'ir'i, 'ir stehen
!) Pap. Westcar 10, 7 und 8.
2) ^? 1K (5) hi „hinter" bedeutet eigentlich den Hinterkopf im Gegensatz zu ® I hr „das Gesicht",
der Vordertheil des Hauptes.
3) A. Erman, Die Sprache des Papyrus Westcar, Göttingen 1889, § 106.
4) Papyrus Abbot 6, 18 bei A. Erman, Neuägyptische Grammatik, § 31, Leipzig 1880. Merk-
"^ pi 'ib „das Herz" mit dem Artikel; die Sprache
würdig und von Erman bemerkt ist das
des Pap. Westcar, § 107; Pap. Westcar 9, 13, 12, 21.
5) _f|_ 1\ u 'imi von Ibv m, ß <=> hJ} . HJft 'M von <=> r etc. Die Präpositionen
<=z=> werden stets zum Zweck ihrer Kräftigung verstärkt und zu (. ^j\ und (.
Suffixa annehmen, wie Renouf zuerst nachwies.
und
, sobald sie die
107
und begnügen uns mit einigen Beispielen, so wird doch schon zu erkennen sein, welche
interessanten Bildungen und ein wie bedeutungsvolles sprachliches Element sich aus der
Vereinigung dieser Adjectiva mit Namen von Körpertheilen ergibt.
£) ist, wie wir wissen, das Vordertheil des Löwen und das Vordere, der Anfang
überhaupt. Mit (I 'CX wird es (I Vv o 'imt Tit und bedeutet „das am vorderen Theil"
oft auch „das an der Stirn Befindliche, das Diadem". Schon in den Pyramidentexten kommt
es in dieser Bedeutung vor, z. B. als das Diadem des Horus. Mit dem Suffix wird es zum
blossen Substantivuni und empfängt auch sein eigenes Determinativ. — \t\ es ^^
U JS*^ <=> I
determiniert und kann nur
mit dem Substantivum -Diadem" übersetzt werden.
Da 5) auch zeitlich das Vordere bedeutet, hat -
imt h t, „das zum Anfang,
zum Früheren Gehörende" auch zeitliche Bedeutung und ist mit antea zu übersetzen. Mit
y ( mV) bedeutet
<K ^S .
i
imt tit „gleich dem zum Früheren Gehörenden", „wie es
früher war" und kann als Adverb gefasst werden.
G4
Sinne,
CS
n_
r
<&, „das was im Herzen ist", bedeutet „das Innerste" auch in übertragenem
es oder -
QQ:
'imt, 'imy h-t, „was sich im Leibe befindet"
I I I <=> I
oder „die Eingeweide". ^ „das Hintertheil des Löwen" bedeutet „das Hintere" und
'imt phw'i „was hinten ist, der Hintere" oder auch „was sich am Hinteren befindet" d.i. „die
Nachfolge". -U , ( — *|\ 'im 'irt'i (ei&.T) oder mit'i, „der zu den Augen, zum
Bereich der Gesichtsthätigkeit Gehörende", d. i. der Lootse, Pilot, Ausluger, den jeder Nilreisende
am Vordertheile des Schiffes mit der Stange in der Hand kennen lernt. [ <=>N^W, (1 ^ -£W,
N? 'ir, 'ir'i ist das Zugehörige. „Der zur Thür gehörige", d. i. der Thürhüter oder Thor-
Wächter heisst U vx NT ^, wie in dem Satze : ¥ V\ LL ! 3 « § §T <:::::> ^ \\ W
iiiiiiiii
i2) „0 dass ich doch eingesetzt würde zum Thorhüter!" An der Spitze des
Schiffes ist der vjY ir tit sein „Leiter", an der Stirn, wie 'imt tit „das Diadem". (
v"jy 'ir'i rd", „das zu den Füssen Gehörende", das ist „der Fussring", der besonders
gern von Frauen am Knöchel getragene Reifen, doch auch wie auf der Grabschrift des
Amen-eni-heb3) \\ sjf\ <=> j^j[ 'ir rd" „der Genoss seiner Füsse, der Adjutant", und ausserdem
') Pap. Eb. 41. 1. Pap. Eb. 104, 1 begegnet er uns in localer Bedeutung als das „vorn Befindliche".
befinden.
'tut? „Mandeln" (am Halse) die Rede, die sieb vorn — J^V\
Hier ist von den
CS CS
2) Papyrus Harns 500, 10, 12.
3) G. Ebers, Thaten und Zeit Tutmes m.; Zeitschr. 1873, S. 3, Z. 2. S. Zeitschr. d. deutschen
108
als Collectivbegriff: „das Gefolge". So heisst es in den von Spiegelberg neu gefundenen und
(1 <=> ^ i ^5 ^ ^ äjm*>3 «'«' fc?/s£ «7»s?/ nß wj 'in n?" st „0 dass ich doch wäre ihre
Negerin (Negersklavin), aus denen, die zu ihren Füssen gehören", d. i. aus ihrem Gefolge.
(0 dass ich doch nur eine schwarze Sklavin aus ihrem Gefolge wäre!) t, o y^ \\
'irt cw'i ist das zum Arm Gehörende oder das Armband,2) "mV Y 'tri hh oder "
'tVS hh- s „das zu ihrem Halse Gehörende" oder „ihr Halsband". Mit diesen Proben, denen
sich eine grosse Zahl von anderen beifügen Hesse, die von hr auf, 3) hr unter etc.
abgeleitet sind und zu \\ hr'i „befindlich auf", \\ hri „befindlich unter" erweitert werden,
mag es an dieser Stelle genug sein. Nur das hierhergehörende @Jt tfii sei noch erwähnt,
das „am Kopf befindlich" bedeutet und unter den Ordinalzahlen regelmässig statt . primus
steht. Mit adjectivischem Werth folgt es dem Nomen. ^\ <=> Jn \\ mr tp'i ist „der erste
oder Hauptvorsteher".
Um den Begriff „alle", „alle Menschen" auszudrücken, gebraucht man, wenn das
verbum finitum „etwas wahrnehmen", und zwar mit den Sinnen, bedeutet, gewöhnlich nicht
nur K37 nb omnes allein, sondern setzt es in Verbindung mit dem Organ, von dem die
Wahrnehmung ausgeht. Bringt das Verbum die Vorstellung des Sehens zum Ausdruck,
so wird mit "C7 nb omnes das Auge ^ , ir-t oder mi-t verbunden, bei der des Hörens
l
mit r *£) 'nli „das Ohr", bei der des Riechens mit fnd „die Nase".
1 AAT/W CJ
^ I
-<2>~
\rt nb'
oder
<2
'ir-t nbw „alle Augen" bedeutet alle (sehenden) Menschen, fndw nbw alle
(riechenden) Menschen (athmen den frischen Hauch) etc. Auf der Metternichstele heisst
es z. B. vp*
erblicken den Sonnengott (If)1
rj) 'ir-t nbw gmh sn Rc „alle (sehenden) Menschen
morgenländ. Gesellschaft 1876, Bd. XXX, S. 391 fgd. G. Ebers, Das Grab und die Biographie des
Feldhauptmanns Amen-em-heb. Dazu die genauere Reproduction der von dem Verfasser entdeckten
Inschrift.
') W. Spiegelberg, Aegyptiaca. (Festschrift für Georg Ebers. Leipzig 1897), zu S. 117, Z. 13.
2) Lepsius, Aelteste Texte d. Ts. T. 42, Colin. 2 und 3 über dem Bilde eines an Arm und Fuss
0 <=> ° und () "^
zu befestigenden Bandes
„das zu den Armen und Füssen gehörende", das
Arm- und Fussknöchelband. Jüngst publiciert in G. Steindorffs Mentu Hotep Sarkophag.
3) ^ I hr und hr auf, über „und" „unter, Adverb, unten", stehen einander oft gegensätzlich
gegenüber. Als Substantiva sind die
IL
\
®
I I I
I I I
I hr'hv und hr'iw „die Bewohner
der Unter- und Oberwelt". In poetischen Texten werden sie wohl um des Keimes willen gern gebraucht.
Der M£ hr U (hr'i ti) ist „der auf Erden Weilende, der Hinterbliebene".
•=> Hin'
109
Auf einer Leydener1) Stele heisst es: Die Welt ist in Finsterniss und in Nebel I X
^s>\^^ I I vai^37 „nicht schaut ein Auge sein zweites (ein Mensch den anderen),
www r i
das Gesicht jedermanns ist blind".
Ebenso wird auch & l hr „das Gesicht* gebraucht. In einem hieratischen Papyrus aus
dem mittleren Reiche (Berlin)2) heisst es: X ^jl v\ 'vgx. ^s^ hr htm „die Gesichter
(statt die Menschen) vergehen".
Auch auf anderen Gebieten als auf denen der Schrift und Sprache wendet der Geist
der Aegypter sich mit Vorliebe den Gliedtnassen des menschlichen Körpers zu.
Der Mensch ist für den Menschen überall das interessanteste Object der Betrachtung.
In Aegypten führte die frühe und aufmerksame Beobachtung seines äusseren und inneren
Wesens wie von selbst darauf hin, für die Beziehungen der Sterblichen untereinander und
zur Gottheit, für die Erklärung vieler Erscheinungen und Kräfte in der Natur und endlich
für die Verdeutlichung der übersinnlichen Ideen (Fortdauer der Seele nach dem Tode,
Unvergäuglichkeit des Stoffs im ewigen Kreislauf des Vergehens und Werdens etc.), denen
wir schon in den ältesten Schriften Ausdruck geben sehen, nach Bezeichnungen und Bildern
zu suchen.
Je bestimmter der Mensch als Urbild aller Beseelten erkannt worden war, desto natür-
licher erscheint es, dass bei dieser, wenn der Ausdruck erlaubt ist, vergegenständlichenden
und illustrierenden Thätigkeit das Meiste dem menschlichen Organismus und seinen Theilen
entlehnt wurde. Diese finden, wie wir sehen werden, reichliche Verwendung bei der
Verbildlichung, die die Aegypter der eigenen Umgebungswelt angedeihen lassen, und bei
der Benennung vieler Vorstellungen, die sich an sie knüpfen.
Die Namen Aegyptens.
Der Name, mit dem wir das Nilthal heute bezeichnen,3) ist griechisch. Alle Ver-
suche, ihn aus dem Aegyptischen zu erklären, auch unsere eigenen, sind als gescheitert zu
betrachten.4) Auf allgemeine Annahme scheint uns die Erklärung rechnen zu dürfen, die
l) Leydener Stele V, 70. Brugsch, H.-d. Wörterbuch S. 1220 s. v. i
SJJW.
2) Berlin, hierat. Pap. 3024. A. Erman, Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele. Abh. d.
Berl. Akad. d. Wiss. 1896, S. 63.
3) AXyvTTtog. Er eignete ursprünglich dem Strome. Homer's Od. IV, 355. XIV, 258.
*) Wir erklärten ihn aus ai gab-t das gebogene Küstenland, ein Name, der den Phöniziern, die
ihn dann den Griechen zukommen Hessen, am Deltaufer bekannt geworden sein könnte; Ebers, Aegypten
und die Bücher Moses, S. 132 fgd. H. Brugsch leitet ihn von dem heiligen Namen ab, der eigentlich
nur für das Gebiet von Memphis und für den kanobischen Nilarm vorkommt. Es ist ht h Pth (Hat ha
Ptah) zu lesen und Haus der Verehrung des Ptah zu übersetzen; Brugsch, Geographische Inschriften,
Bd. I, S. 83 und 236. Wegen der Inversion aus Ehrfurcht vor dem Gottesnamen ist I X
allerdings nicht Hat Ptah ka sondern Hat l;a Ptah zu lesen. Merkwürdig ist, dass genau derselbe Name
auch in den keilschriftlichen Tafeln von Teil el-Amarna für Memphis vorkommt; H. Win ekler, Keil-
schriftliche Bibliothek, 1896, 53, 37. Ed. Meyer, Aegyptiaca, S. 73. Wiedemann, 2. Buch des Herodot
führt den Namen Aegyptens (wie früher v. Gutschmid) auf das griechische yvy> „der Geier" zurück.
110
Wecklein gibt, die ihn aber auch aus dem Griechischen ableitet.1) Für den Namen des
Stromes NeiXog fand sich bisher weder im Altägyptischen, noch im Griechischen eine wahr-
scheinliche Erklärung. Auf den Denkmälern wird der Nil X %$%£ h'api geschrieben,
ALI \\ www
~w** *itwr oder l ™~^ *iwr,
*■* ^ /WWW <- ^ /WWW
d. i. wie das koptische eioop oder das hebräische ihO (der biblische Name für den Nil)
der Fluss oder Strom im Allgemeinen. Woher die Griechen ihr NeiXog nahmen, ist also nicht
mehr sicher zu erkennen.2) Wir haben hier nur zu bemerken, dass auch der Fluss anthropo-
morph gedacht wurde. Es gab Götter mit hängenden Brüsten , die den südlichen und
nördlichen Nil darstellen; man setzte den Strom Aegyptens aber auch dem Osiris gleich, —
stellte sich ihn in Gestalt eines Mannes vor, dessen Haupt im Süden (die vornehmste
Himmelsrichtung) ruhte, und dessen Beine sich an der Stelle auseinander begaben, an denen
der Nil sich spaltet. Der Ort, an dem dies vor sich ging, hiess nach Herodot (II, 15)
Ksoxacscogog und nach Strabo3) Keoxeoovoa. Das handschriftliche Keoxdocogog des Herodot
hielt man für KeoxooiQig und war also um so berechtigter, es mit „ Zerschneidung " des
Osiris (Nil) zu übersetzen, als Herodot zu Kerkasoros die Bemerkung fügt: „xaß' >jv aiü^exai
6 NsTlog e'g re TLi]Xovoiov qecdv xal ig Kdvcoßov11 . Der pelusinische und kanobische sind
aber die am meisten nach Osten und Westen gelegenen Nilarme. — Dennoch erhob
U. Wilcken4) gegen diese Deutung des Namens einen wohlberechtigten Einwand, indem er
auf zwei Ortschaften Ksqxeoovxcov öoog und Keoxevoioig wies, die er in den Fayyümer
Papyri als zum Verwaltungsbezirk Arsinoe gehörig fand. Er schlägt nun, von triftigen
Gründen gestützt, vor, diese beiden Namen fl % grg oder \ © grg „Wohnung des
Krokodilgottes Suchos (Sbk)" und (Keoxevoioig) „Wohnung des Osiris" zu übersetzen statt
„Zerschneidung" dieser beiden Götter. Bei Herodot wie bei Strabo will er Keoxevoioig
geschrieben sehen. Nun pflichten wir zwar seinen Gründen bei und deuten mit ihm den
Namen bei Herodot wie bei Strabo „Wohnung des Osiris" ; der Hermeneut des Halikarnassiers
muss ihn aber — vielleicht in Folge einer Volksetymologie und seiner Kenntniss der Mythe —
mit „Zerschneidung des Osiris" erklärt haben. Nach der mythologischen Vorstellung nämlich
befand sich das Haupt der Osiris-Nilgestalt im Süden und ihre Beine (der pelusinische und
kanobische Nilarm), die sie auseinanderspreizte, reichten bis an das Mittelmeer. Zwischen
ihnen muss man sich das Delta denken. Sie trennten sich natürlich bei dem Kegxdocooog
1) Wecklein, Zu den Hiketiden des Aeschylos. Sitzungsber. der k. b. Akad. d. Wiss., pbil.-hist. Cl.
1893, Bd. II, Heft 3, S. 393 fgd.
2) Dem Namen des Nil bei Cl. Ptolemäus 4, 5, 39, 47 Miyag noxa^ög entspricht der andere 'Aya&og
f\ <S t=t A § ^"^ fL. t 0 D 1fe=f
daificov und beide erhielten sich auf den Monumenten. [, , l, /www A ; 'iwr'i, X
7i.jp (h'p) ivr „der grosse Strom" und ~ I JH ivn nfr ,'Ayadvg öai/icov, das gute Wesen", ein Beiname
des Osiris, auch als anthropomorphe Erscheinungsform des Nilstroms. Muss der griechische Name NsV.og
erklärt sein, so geschieht es wohl am besten durch Zusammenstellung mit dem hebr. ^n;} „flumen". In
früher Zeit soll der Nil auch bei den Griechen MeXag geheissen haben. Trasyll. bei Plutarch fluv. 16, 1.
Jesaias 23, 3. Nach Steindorff vielleicht Verwechselung mit KHM€.
3) Strabo 17, 806.
4) Zeitschrift 1883. Aegyptische Eigennamen in griechischen Texten S. 162.
111
{KeQxevoiQig) des Herodot. Den Namen „Wohnung des Osiris" dankt der Ort Kerkeusiris
{grg ws'ir) sicher einem zu ihm gehörenden Heiligthume dieses Gottes.1) So weit der Strom
Aegyptens reichte, erstreckte sich das Herrschaftsgebiet des Osiris.2) Sein Haupt dachte
man sich, wie gesagt, im Süden, der auch sonst die bevorzugte Himmelsrichtung. —
Das \J yipt ti oder Hörn der Welt ist die äusserste Südgrenze Aegyptens. Auf
einer Inschrift aus der 18. Dyn. (Amenophis' III) stehen ihm als nördlichste Grenzen
| r=i slinnw pt die Stützen des Himmel entgegen. Aegyptens Grenzen des Südens,
Vq £_ ' ■■■ ' 3 Y Y Y Y
Q(\ ipt ti, die des Nordens bis zu den f=^i
shnniv pt oder Stützen des Himmels. Wir halten es indes kaum für wahrscheinlich, dass
man bei dem „Hörn der Welt" an den Hauptschmuck des Gottes dachte.
Auf den Denkmälern heisst Aegypten gewöhnlich f I ^j\ oder _ Jcm-t
(kopt. rhm«, ^hmi, khau), d. i. das schwarze. Diese Bezeichnung bezieht sich auf den
dunklen Boden des Fruchtlands; sie wird aber auch, wie wir sehen werden, mit einem
Körpertheile in Verbindung gesetzt. Das erfahren wir durch die folgende Mittheilung des
wohl unterrichteten Plutarch : 4) "Ezi ttjv AXyvnxov iv toi? judhara /ueXXdyyEiov ovoav, cooneg
tö /xeXav rov öcpßaX/uov , yr\niav xaXovot, xal xagölq nageixa^ovot. „Das meisten theils
schwarzerdige Aegypten" wäre also wie das Schwarze im Auge %y]^i(i genannt und mit dem
Herzen verglichen worden. Diese Notiz beruht auf guten Nachrichten ; denn kern oder kam
bedeutet auf ägyptisch von der frühesten Zeit an bis ins Koptische zugleich „Aegypten"
oder „schwarz" und „schwarz sein".
Der unterägyptische Dialekt, in dem Plutarch reden hörte, aspirierte zuweilen
(Steindorff, Kopt. Gr. § 23 u. 24) das k und machte aus dem km der alten Schriftsprache
und aus dem kemi des Demotischen, das im Norden des Landes vielleicht schon früh „cAem"
gesprochen wurde, ^qhau. Plutarch hat darum Recht, wenn er sagt, Aegypten würde wie
das Schwarze im Auge %rjfj.ia genannt. Wie so oft, bestätigen auch in diesem Falle die
Denkmäler die Mittheilung des Verfassers der Schrift über Isis und Osiris;5) denn wir hören
zu Edfu von Aegypten bemerken: f l ^ <=> A?\ ^ 7^ km-t dd r
yir-t Ws'ir dfd s pw „Aegypten (das Schwarze), das benannt ist nach dem Auge des Osiris;
/WWNA U
x) lieber die Nilgötter mit den hängenden Brüsten, über den nördlichen und südlichen Nil etc.
kann hier nicht eingehender gehandelt werden.
2) Osiris ist der Strom und das Wasser überhaupt. Plutarch, Isis und Osiris c. 33. Hippolytos V, 7,
p. 142. "Oatniv di Myovoiv vdwg. Schon in den Pyramidentexten (Ppy. I, 518) wird Osiris genannt
v\ mtc rnpw „das sich erneuernde Wasser". Bei der Aufzählung der grossen den vier Ele-
menten vorstehenden Götter: B', Sw, Gb, Ws'ir (Edfu) ist der letztere (Osiris) immer das Wasser. R' Feuer,
Sw Luft, Gb Erde, Ws'ir Wasser.
3) Lepsius, Denkm. III, 81, c.
*) Plut., Is. u. Os. c. 33.
5) Wir weisen hier auch schon auf Horapollon Hieroglyphica ed. Leemans, Amsterdam 1835, I, 21
hin, wo von Aegypten gesagt wird, es sei die Mitte der Welt wie die sogenannte Pupille die des Auges.
y.uttä.-reo iv zw >'"/ ilu'l.iuT, i) /.eyofdvt] y.öorj.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wim; XXI. Bd. I. Abth. 15
112
denn es ist seine Pupille". Wenn von dem Gotte Horus gesagt wird:1) J (I ^r^s vV"
- ! ' "" 7t; IL, o j>- — i f\ ^ b\k ntr hr 'ir-t 'iib km „der göttliche Sperber mit
dem linken schwarzen Auge", bezieht sich dies wohl auf die Mythe von dem Auge
(oder von den Augen), das Horus von seinem feindlichen Bruder Set ausgerissen wurde,
das Dhwt'f wiederfand und dem Horus zurückgab. Das geraubte, wiedergefundene und
wieder eingesetzte Auge der Gottheit ist, wie wir sehen werden, das tägliche Licht der Sonne.
Wenn diese der Erde das Licht entzieht, wendet der in Sperbergestalt gedachte Sonnengott
das geblendete linke Auge der Erde zu, und es erscheint, wie das Beispiel oben lehrt, schwarz.
In der Ptolemäerzeit (Edfu) wird von der Operation, „die Dhwti' an Horus vornimmt, bis er
zufriedengestellt ist mit seinem Auge", eingehender gesprochen.2) Dieses mythologischen Vor-
gangs, dessen die jüngeren Texte so oft und verschiedenartig, auch im Todtenbuche, erwähnen,
wird schon in den Pyramidentexten gedacht. Wir hören dort =a®= v\ ) ir-t'i
Hr hat Jcm t „die beiden Augen des Horus, das weisse und schwarze" erwähnen; dabei darf
indes weder an Sonne und Mond, noch an das Schwarze im Auge, das nach Plutarch
%r)[jda genannt wurde, gedacht werden, sondern eben nur an das tägliche Licht der Sonne,
das hell bei Tage, bei Nacht im Dunkel verschwindet. Schon in der Pyramidenzeit ward
Horus auch v\ © 1 J ^"^ ) Hr lisbd "ir-t'i „der blauäugige Horus" genannt, — ein
Umstand, der uns vielleicht für die Herkunft der Aegypter aus Asien angeführt werden
zu dürfen scheint.
Plutarch hörte also richtig, der Name Aegyptens %r]uia oder „das schwarze",5) stehe
mit dem Schwarzen im Auge oder mit der Pupille (wie die Denkmäler lehren des Osiris
oder später des Amon) in Verbindung. ^"^ ^T^ dfd wird übrigens auch als pars pro
!) Todtenb. Leps. 109, 8.
2) t=^==' v\ / <=> shtp Hr m 'ir-t f „und Hör zufriedengestellt ist mit seinem Auge". Dhwt'i
macht das Auge heil Y\ A >\ 3 wdi „heil, zu einem heilen, vollkommenen Auge", das das v\ A £\ q^
„Wd?-tauge" genannt wird und von dem es schon in den Pyramidentexten heisst, es sei "T" A j Ä
II
'tili wdi nn bgi s nb „lebend heil, gesund und nicht irgendwie schadhaft".
3j Pyr. des Wn'is (Unas) 37.
4) Pyr. des Wn'is Z. 370. Wenn Horus krank ist, wird er auch i^n\ ds(r) 'irt'i
„rothäugig" genannt. Masperos Uebersetzung von T v\ <3> v\ o ^^ ""' }f „krank vor Wuth"
ist wahrscheinlich zutreffend. Das fragliche letzte Zeichen scheint einen Pantherkopf darzustellen, nicht
den des Nilpferdes, der sonst mit O ? t den „kurzen Zeitabschnitt, die Minute", determiniert. Vielleicht
steht es für <ss=>. das Krokodil hinter ^\ czf^ü id.
EL ^
5) Der Name f I V\ km-t „das schwarze" für Aegypten hat nichts mit einem menschlichen
Körpertheile zu thun. Das erste Zeichen in dieser Gruppe f I stellt die Spitze des Krokodilschwanzes,
vielleicht auch einen Kohlenhaufen oder etwas Gewobenes dar, und repräsentiert nur den Lautwerth km.
113
toto für das ganze Auge gebraucht,1) und da zur Zeit unseres Gewährsmannes die Aegypter
beinahe ausnahmslos schwarzäugig waren, lag es nahe, das schwarzerdige Aegypten mit
dem Auge seiner Bewohner zu vergleichen. Die Pupille erweckt noch entschiedener die
Vorstellung des Schwarzen als der ganze Augenstern, und nach der des Osiris Hessen die
Aegypter selbst darum in Folge einer mythologischen Vorstellung, wie wir oben zeigten,
ihr Land ktn-t oder das schwarze nennen.
Weiter berichtet die angeführte Stelle des Plutarch von Aegypten: xal y.aQÖiq tiüqei-
ttdCovoi „und sie vergleichen es mit dem Herzen". Diese Notiz, die schon an sich wahr-
scheinlich ist,2) gewinnt an Halt durch die parallele Mittheilung Horapollons, 3) die Aegypter
hätten, um den Namen ihres Landes zu schreiben, ein brennendes Räuchergefäss und darüber
ein Herz gezeichnet. Dennoch ist uns weder ein Name Aegyptens begegnet, der mit dem
Zeichen des Herzens geschrieben wird, noch hörten wir Aegypten als Herz bezeichnen.
ü O O
Die Gruppe, deren Horapollon4) gedenkt, müsste v oder « oder C\ sein,5) doch kommt
weder sie noch eine ähnliche irgendwo auf den Monumenten vor.6) Dass Horapollon aber
>) So heisst es im Pap. magique Harris IV, 10 f\ ^^ M j\ ^^ $ VN ) %> t\ ^ ^ w.
/www i 1 I /wv\aa _/j i._.w i T —21 -ijr^ ^c^ V O y
*Imn 'imw'i sw m dfd f, „0 Anion, der sich verborgen hält in seinem Auge", d. h. Amon, dessen Wesen
in der Sonne, seinem Auge, verborgen ruht. Im Pap. Eb. wird dagegen die Pupille ^^
/www
O o I
yVSAAAA
<lfd n 'ir-t „vorn ganzen Auge" streng unterschieden; 57, 2 und a. a. 0. Der Gott des Ortes
c*=*^
sdnt im 11. unterägyptischen Nomos heisst
1 oder V\ 1 Lepsius, Denkm
IV, 58b,
„der zweiäugige Gott Horus" oder der „Gott Horus mit beiden Augen". In jenem Namen ist 'ir mit beiden
Augen _ , in diesem mit zwei Pupillen ° ° determiniert.
2) Horapollon 1. 1. I, 22. Al'yvjirov de ygäyorteg , ^v/^iartjgiov y.aiö/nerov ^coyQacpovai , xai ijidvo)
y.aoöiav.
3) Man denke nur an die sehr grosse Rolle, die das Herz
in der Vorstellung der Aegypter und besonders auch in der
Unsterblichkeitslehre spielt. Wir erinnern an die Kapitel vom
Herzen, die Wägung des Herzens, die Anbetung des Herzens
des Osiris durch die vier Lichtgeister, die die nebenstehende
Vignette zur Darstellung bringt etc. etc.
*) Horapollon 1. 1. I, 22.
5) Lauth (Horapollon, Sitzungsberichte der Münchener
Akademie der Wissenschaften. Philol. - philos. Classe 1896,
S. 88) sieht in der p,- Das ■Q ist aber kein Räuchergefäss. Wir würden es, wenn es nicht mehrfach
0
vorkäme, und wenn er ihm nicht die Lesung t) zuertheilte, für einen Druckfehler halten. Dies ti beweist
aber, dass er Q richtig für ein Gebäck halt. Wie er dazu kommt, es dennoch für ^s das Rauckgi
zu erklären, dem die Lesung bi zukommt, ist unerfindlich.
6) In Brugschs Dictionnaire geographi<iue de l'ancien Egypte. Leipzig 1880, II, S. 139, finden sich
sämmtliche Namen Aegyptens aufgeführt, doch auch hier kommt keiner vor, der mit dem bei Horapollon
zusammenzubringen wäre. fe.£ZZI<) wechselt nie mit ( fy J in den Ptolemäertexten, die wir aufmerksam
darnach durchsuchten.
15*
114
vielleicht dennoch an einen nicht ungebräuchlichen Namen Aegyptens denkt, werden wir
unten zeigen. Jedenfalls wäre es wunderbar, wenn die Aegypter nicht wie andere selbst-
bewusste Völker, ihr Land als „Herz der Welt" aufgefasst hätten. Plutarch erklärt die
Vergleichung Aegyptens mit dem Herzen damit, dass es stets warm und feucht und von
den südlichen Theilen der bewohnten Erde eingeschlossen und umgrenzt sei wie das Herz
von der linken Seite des Menschen, Horapollon lässt für Aegypten das brennende Räucher-
gefäss mit dem Herzen darüber eintreten, weil dies Land wie das Herz eines Eifersücbtigen
immer heiss sei. Beide führen also die Wahl des Herzens für Aegypten auf die Temperatur
dieses Landes zurück, und Lauth, der nie um Auskunft verlegen ist, meint, der Name
Aegyptens und der Begriff der Wärme hätten leicht zusammengebracht werden können,
weil das koptische khmc, ^hm€ das schwarze (seil. Land) an den Klang von £moai
febris und £mo calefieri erinnere. Sehen wir aber auch von den lautlichen Schwierigkeiten,
die diese Zusammenstellung bietet, ab, wo bliebe das Herz? Sein Versuch "O1 ) I aqtd
(ckw'i) die Mitte und £) ti zu lesen, dies h als Variante für =s5s= ti, to 00 mundus anzu-
sehen und beide zusammen „Mitte der Welt" zu übersetzen, krankt aber an so unüber-
windlichen Schwierigkeiten, ja ist trotz des verführerischen Sinnes, den Lauth dem ov des
Horapollon1) unterlegt, so ganz unmöglich, dass wir uns begnügen, seiner nur vorübergehend
zu gedenken.
Die auf der Standarte schwebende Figur aus der Vignette zum 28. Kapitel des
Todtenbuchs,2) die das Herz darzustellen scheint, das von den Lungenflügeln umfasst wird,
von deren Mitte der Larynx ausgeht, könnte Plutarch oder
seinen Gewährsmann eher zu dem Vergleiche mit dem Herzen
^y ) ( ( ) ) geführt haben, das von der linken Seite des Menschen um-
schlossen wird wie Aegypten von den südlichen Theilen der
bewohnten Erde. Jedenfalls war das von den Respirations-
organen umschlossene Herz den Aegyptern kein fremder
Begriff.
Horapollons brennendes Rauch ergefäss mit dem Herzen darüber wissen wir zwar nicht
zu erklären; eine Vermuthung aber, auf die wir gegenüber dieser Gruppe verfielen, wollen
wir nicht unterdrücken. Als Horapollon die „Hieroglyphica* frühestens zur Zeit des
Theodosius, wahrscheinlich zuerst in koptischer Sprache verfasste, war schon die volle
Kenntniss der Hieroglyphenschrift und des Altägyptischen verloren gegangen, doch gab es
noch in römischer Zeit für Schüler zusammengestellte Listen der Hieroglyphenzeichen, wie
der von Flinders Petrie entdeckte Zeichenpapyrus von Tanis3) beweist. Solche Handschrift
mit etwas ausführlicherer Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Zeichen scheint
U
W
1) Sobald wir sein Q zu ^ verändern, ist es schon nichts mehr mit der Lesung U und dem *-■■■ ' tt
mundus.
2) Renouf gibt sie in seinem b. 0. th. d. S. 68 und auf der dazu gehörenden Plate X wieder.
3) Two hieroglyphic papyri from Tanis. London 1889. 1. The sign papyrus (a Sillabary). By
F. Lt. Griffith.
115
Horapollon1) vorgelegen zu haben. In ihr fand er die Namen Aegyptens, deren er gedenkt,
und wenn uns unter ihnen auch keiner bekannt ist, der mit dem Herzen ^ geschrieben
wurde, so gibt es doch einen, in dem uns das brennende Räuchergefiiss häufig begegnet.
Er lautet J . ()_, ^~i «' ^5«Y« Hc~^ »^as Land der Moringa aptera oder
des Myrabolanum".*) Wir fanden ihn am häufigsten in später Zeit ^ u ^P^ und ähnlich
geschrieben, und hätte Horapollon ein sehr rund und undeutlich geschriebenes A oder ß
(k das Knie?) für <ö" das Herz gehalten, wäre er berechtigt gewesen, von einem Namen
Aegyptens zu reden, der mit dem Herzen über dem Räuchergefässe und also w geschrieben
wurde. Doch ist diese Vermuthung viel zu gewagt, um auf allgemeine Billigung Anspruch
zu erheben. Sehr möglich will es uns dagegen erscheinen, dass Horapollon bei seinen Namen
Aegyptens mit Herz und Räuchergefäss in der That an dies bk, d. i. an den einzigen
dachte, in dem das Bild eines Räuchergefässes verwandt wird. Einen Irrthum, wie die
Verwechselung von A und <0>, bei Horapollon zu finden, kann uns nicht überraschen;3)
denn sein Werk ist voll von Missverständnissen. So gestattet sein Abschnitt I, 21 die
Gleichung: das Wassergefäss = dem Herzen = Aegypten, und doch ist das Wassergefäss,
das er meint, ö, eine der drei Vasen in der Gruppe , die den Ocean bedeutet und die
er auch richtig erklärt und „Novv" benennt. Trotzdem soll dies Wassergefäss ö (ylwooav
e'yovoa) mit einer Zunge dargestellt werden. Unter dieser ykcöooa könnte er vielleicht den
Hals an der Spitze von <fy meinen,4) dann aber ist es nicht mehr das ö, von dem er
richtig sagt, dass drei davon — nicht mehr oder weniger — die Bedeutung „Ocean" hätten.
Will es nun aber auch nicht festzustellen gelingen, was Horapollon meint, wenn er
einen Namen Aegyptens mit dem Herzen und dem Räuchergefäss geschrieben sein lässt, der
Gedanke, dies Land sei das Herz, d. i. der Mittelpunkt der Welt, war seinen Bewohnern
1) Lauth hält Horapollon a. a. 0. S. 61 für den Apollonides-Horapios, dessen Theophilus (ad Auto-
lycuni II, 6, 92 ed. Wolff) als Verfasser der Schrift Esixevovdi erwähnt. In 'üg-ämog sieht er in 'Qg
Horus und in abiiog recht ansprechend den Beinamen des Horapollon Nsd&og (Hapios).
2) Das Land des Bktbaumes. Dieser Baum kommt schon in der Form |l^^ 0 in den Pyramiden-
texten (Wn is 566) vor. Früher hielt man ihn, da ihm ein Oel entnommen wird, für den Oliven- oder
Oelbaum ; jetzt aber wird Victor Lorets Bestimmung allgemein angenommen, die ihn für Moringa aptera,
ßu/.avog Aiyvnxla des Theophrast, ßälavog fivgiyjixi] des Dioscorides und Myrabolanum, glans aegyptia des
Plinius erklärt; vgl. Loret, Flore pharaonique. Deuxieme edition. Paris 1887, S. 86, N. 145. S. auch Lorets
Aufsatz Recueil de trav. VII, p. 106 und Schack von Schackenburg, Aegyptol. Studien III. Index zu
den Pyramidentexten S. 17. Er hat noch Moringa oleifera, während Loret in der zweiten Auflage seiner
Flore pharaonique der Moringa aptera, die Schweinfurth in einem Grabe von Drah abu 1 neggah fand,
den Vorzug ertheilt.
s) Die hieratischen Zeichen für A und <& sind kaum zu verwechseln, eher noch, doch auch nicht
leicht, die für ^ und () . Man müsste dann — was auch schwer angeht — eine hieratisch geschriebene
Gruppe Y für Aegypten annehmen.
©
4) Oder ^ das Determinativzeichen für Milch, das ja etwas wie eine Zunge oben zeigt, oder ^
den Krug hmn. der eine Zunge zum Ausguss hat; beide Hieroglyphen kommen aber auch nie bei vor.
116
gewiss nicht fremd. Auch nach Horapollon soll es in Mitten der bewohnten Welt gelegen
haben, wie im Auge die Pupille.1) Die Denkmäler geben uns noch keinen dies klar
bestätigenden Satz an die Hand, die Classiker aber stellen ausser Frage, dass diese Ansicht
in der That einmal herrschte. Entscheidend ist die Stelle des Stobaeus, die Carl Josias
Bunsen anführt,2) um einen Begriff von dem Inhalt der hermetischen Bücher in der Hand
des Hierogrammaten zu geben. Dies Bruchstück3) entspricht Vorstellungen, die in der
Hauptsache von den Denkmälern bestätigt werden. Die Erde (der Gegenhimmel sollte es
heissen) wird in ihm mit einem liegenden, die Arme gen Himmel ausstreckenden Weibe
verglichen, dessen Füsse nach dem Sternbilde des Bären gerichtet sind. Ihre Abtheilungen
werden nach den Theilen des menschlichen Körpers angegeben, und Aegypten bildet natürlich
das Herz.
Hier verdient denn auch noch die Stelle aus Horapollon4) mitgetheilt zu werden,
durch die wir erfahren, dass die Aegypter, um das Herz darzustellen, auch einen Ibis
gezeichnet hätten; denn dies Thier gehöre dem Hermes an, dem Gebieter über alle gemüth-
lichen und geistigen Eigenschaften (ndo^g xaqdlag xal hoyiojuov öeotiot^). Das ist richtig,
und die religiöse Literatur der Aegypter lehrt, dass der ibisköpfige Gott Dhwti' (Thoth) in
der That dem Herzen <ö> *ib gleichgesetzt wird und dass er als Wille, Vernunft und die das
All durchgeistigende Kraft aus dem unbeseelten Urstoff durch sein Wort, das dem christ-
lichen Xoyog entspricht, die von göttlichem Geist erfüllte Welt ordnete, indem er zunächst
die Einzelerscheinungen benannte. Bei dieser Thätigkeit wird 55^ Dhwti (Hermes, Thoth)
dem Herzen ty | (Geist, Vernunft, Willen) gleichgesetzt. Möglicherweise brachte man auch
den Ibisvogel äusserlich mit dem Herzen zusammen, weil die Ibismumien in der That einem
menschlichen oder thierischen Herzen ähnlich sehen.
Lässt sich nun auch auf den Denkmälern kein Name finden, der Aegypten als das
Herz bezeichnete, so wird doch, was sich an geistigem Leben in seinen Grenzen und weit
über sie hinaus regt, als vom Herzen abhängig gedacht. Dass dies auch benutzt wurde,
um dem Begriff der Mitte Ausdruck zu geben, ward schon beim Hinweis auf die zusammen-
gesetzten Präpositionen (S. 105) bemerkt. An Localitäten, deren Namen mit 3ib oder Tit'i
zusammengesetzt sind, fehlt es nicht in Aegypten. Am bekanntesten ist wohl die Herzstadt
ö j=<_ h~t t* \r tt> »die Stätte des Landes im Herzen ", d. h. in der Mitte5) 'A-d-gißtjg,
Athribis, Atharrabis, e^pH&i. Nicht das Organ „Herz", sondern ihre Lage §> O hr \b „in der
Mitte" gab dieser Stadt ursprünglich den Namen. Der 10. unterägyptische Nomos, zu dem sie
gehörte, war der von <r 1 5^i km la oder vom „schwarzen Stiere", obgleich man das
Adjectivum hm schwarz hinter In Stier erwarten sollte und dem Stiere noch dazu honoris
causa die erste Stelle gebührte. Wäre — was aber sonst nirgends nachzuweisen ist —
Horapollon im Rechte und stände fy I das Herz in der That für r i hm t „Aegypten",
J) Horapollon 1. 1. I, 21.
2) Bunsen, Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte. Hamburg 1845, Bd. I, S. 25 fgd. 38 und Anm.
3) Stobäus, Ecl. eth. p. 992 sqq. eth.
*) Horapollon 1. 1. I, 36.
5) Nach der von Brugsch, Geographische Inschriften Bd. III, S. 17 citierten Stelle des Etymologium
magnum wäre der ägyptische Name der im Delta gelegenen Stadt auf griechisch y.agdia oder Herz gewesen.
117
so könnte man die Gruppe km kl „das Herz des Stieres" übersetzen, und der griechische Name
„y.agdla" wäre erklärt; doch begegnete uns auch nicht eine Variante, die sonst f — i und <Q>
gleichzusetzen gestattete, und mancherlei befiehlt auch sonst, bei der alten Uebersetzung von
km h „schwarzer Stier" zu bleiben. Der Stier hinter km könnte vielleicht auch Determinativ
sein. Andere Orte mit der Bedeutung Herzensplatz, Herzberg und Mittelstadt weiter unten.
Ein anderer Körpertheil begegnet uns dagegen sicher als Name Aegyptens. Es ist
das Auge und zwar diejenige Form (^^) desselben, die wir ivdi umschreiben, die das
Auge der Gottheit darstellt und „Heilsauge" zu übersetzen ist. Für sich allein, nur
begleitet von dem suffixen femininen <=> t und dem Determinativ, das es als geographischen
Begriff kennzeichnet ©, ist es als ^^ einer der Namen Aegyptens. Es wechselt besonders
in späterer Zeit oft mit der Gruppe J Q ^Ü^, , ^ , Zi J Q ^^ , die bk zu lesen war.
Dies Bk lernten wir bereits oben als den Namen der Moringa aptera und des Myrabolanum
kennen, von dem Bkbaurae zeigten wir, dass er bereits in den Pyramidentexten vorkommt,
und das bk oder Brköl,1) das man aus seinen Früchten gewann, gehörte früh zu den neun
heiligen Oelen, die man der Gottheit darbrachte a) und deren man sich zum Salben der
menschlichen Haut wie der Altäre, der Götzenbilder und Mumien bediente. Wo bk, bik
mit dem Determinativ für flüssige Substanzen und Oele ö, öi ^f vorkommt, ist es das
Myrabolanum oder Moringa aptera-Oel, das auch bei der Parfümbereitung gebraucht und als
Salböl sehr hoch geschätzt wurde. Heute noch liefert die Moringa aptera-Frucht als Ben-
Nuss für die Herstellung von Parfüms ein kostbares Oel. Die Pflanze, von der es her-
stammt, kommt nach Schweinfurth häufig in der östlich von Theben gelegenen Wüste vor.
Ausser ihm fand auch Petrie Theile dieser Pflanze in den Grüften, und einige werden auch
im ägyptischen Museum von Florenz conserviert. 3) — Da die Causativform des verbal
gebrauchten bk auch „salben" bedeutet, scheint das Bköl das Salböl xax" e£o%r\v gewesen
zu sein.4)
Aegypten wird also das Myrabolanenland und zu gleicher Zeit das Wdjtaugenland
genannt. Die Gruppen, die darauf führen 1 \\ , ^()^5>i ^P? ^ e^C- wecnsem m^
einander, und dass sie so gut Aegypten als „Myrabolanum-" wie als „Horusaugenland"
bezeichnen, findet die vollste Erklärung durch eine Wahrnehmung, die wir schon hier vorweg-
nehmend mittheilen möchten.
Viele Gebilde der Natur, die man zu officinellen Zwecken gebrauchte, erhielten nämlich
neben den gewöhnlichen, im Munde des Volkes üblichen Bezeichnungen auch vornehmere
!) Im Pap. Eb. 25, 16, 64, 15 etc. Jl^ "^\ ^^ö^ ^ »B,kbamnö1"-
2) Mariette Abydos. p. 47 e.
3) Victor Loret, Flore pharaonique. Deuxieme edition. Paris 1892, p. 86 und 87.
*) Die Denkmäler erwähnen rothes und grünes Oel dieser Art und Loret weist darauf hin, dass
Plinius berichtet, das ägyptische Myrabolanumöl sei roth, das arabische grün.
5) ]\\ v — *> rJ Wvw, _H_ \rCa „Du stelltest gerade mich hoch unter Hunderttausend,
<ww~ LQ\ § i ^ , ^=^ <§; c ©
als du deinen Rücken wandtest dem Aegyptenlande" (^5^ ®). Stele von Neapel. Brugsch, Thesaurus
Bd. IV, S. 632, Z. 8.
118
Namen, die sie mit der Gottheit in Verbindung setzten, und die man ihnen wohl beigab,
um ihren Werth in den Augen der Laienwelt zu erhöhen, und um diese zu verhindern,
in den Recepten jedes verordnete Mittel sogleich zu erkennen.
Schon lange wussten wir durch Plutarch,1) dass das Eisen „doreov Tvcpcbvos11 und das
Magneteisen „Knochen des Horus" von den Aegyptern genannt wurde. Das altägyptische
j ( ^\ ^ oder j h <K\ \> ~w^ ' ' Vi* n pt „Gewächs oder harter Stoff, Metall des
Himmels", dem das koptische &enme „Eisen" entspricht, bestätigt diese Notiz, die uns
schon hätte zu der Erkenntniss führen können, die später ein magisch-medizinisch-bota-
nischer Papyrus2) zur Gewissheit in uns erhob. Hier wird unumwunden mitgetheilt, dass
die heiligen Schreiber wegen der Neugier (Ttegtegyia) vieler Leute die botanischen und
anderen Mittel, deren sie sich bedienten,3) mit Vorstellungen umschrieben, die mit der
Gottheit zusammenhingen.*) Diese Uebersetzung von eidoila in einer der römischen Kaiserzeit
angehörenden Handschrift im Sinne der Stoiker als „Vorstellung" 5) wird durch das Folgende
bestätigt. Die Beispiele, die unser Papyrus anführt, zeigen nämlich, dass die Geheimnamen,
mit denen Aerzte und Magier eine ganze Reihe von Gegenständen aus dem Thier-, dem
Pflanzen- und Mineralreiche versahen, um ihnen ein mystisches Ansehen zu verleihen etc.,
allerdings Vorstellungen zum Ausdruck brachten, die mit der Gottheit zusammenhängen;
denn es sind Theile von heiligen Thieren von Göttern oder auch von Menschen. Die
ersteren nennen wir zuerst. Statt der wahren Namen der Heilmittel, die wir links anführen,
werden also die Geheimnamen gebraucht, die wir ihnen rechts zur Seite stellen.
Heilmittel. Geheimnanie des Mittels.
ßöeXla der Saugblutigel. xerpalr] öcpecog „Kopf der (heiligen) Schlange".
aljuateiTrjg6) li&og lapis haematitis „rother aljua öcpecos „Blut der (heiligen) Schlange".
Glaskopf, Blutstein".
Qajuvog Rhamnus paliurus Linn. „die weisse, oorovv l'ßscog „Ibisknochen",
rhamnus lycioides, die schwarze Art".
Theophr. hist. plant. IV, 4.
J) Plutarch, Is. u. Os. c. 62. Ebendaselbst heisst es, die Hellenen weihten dem Dionysos den Epheu
(xiiTÖg), der bei den Aegyptern Xsvöoigig heissen solle, was, wie man sagt, <pvrov 'Oaigidog „Pflanze des
Osiris" bedeute. Ob nicht Plutarch „die Eiche" als Pflanze des Osiris nannte? G.Ebers, Sinnbildliches.
Die koptische Kunst und ihre Symbole. Leipzig 1892, S. 51.
2) C. Leemans, Papyri Graeci rnusei antiquarii publici Lugduni-Batavi. Lugduni-Batavorum
(Leyden), Brill 1885. Tomus II, p. 38, Pap. V, col. 12 und 13. S. auch A. Dieterich, Papyrus magica
musei Lugdunensis Bat. in Fleckeisens Jahrbücher f. klass. Philologie 1887 — 88, S. 747 fgd. Wir danken
Dr. Frhrn. von Oefele den Hinweis auf diese nützliche Arbeit.
3) rag ßoxävag xal xa aXXa, olg e%QÜ>vto.
*) slg tfscöv ei'Scola ijiEygaipav.
6) Leemans übersetzt in seiner Ausgabe des Pap}rrus „sirnulacra deorum".
G) Verschrieben für ai/iariz^g. S. Ebers, Pap. Ebers. Die Maasse und die Kapitel über die Augen-
krankheiten; IX. Bd. der Abhandlungen der phil.-hist. Classe der k. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften.
S. 271, bei Sam. Hirzel, Leipzig 1889, S. 139. Das Blut aus dem mystischen ägyptischen Namen
„ Schlangenblut " kehrt vielfach wieder.
119
Heilmittel. Geheimname des Mittels.
XvXög avrjdov1) „Anissaft". ddxQva'1) xvvoxecpdXov „Thränen des Hunds-
kopfaffen*.
AldiOTTiy.ij TifoJ^r3) „äthiopisches Kraut". 'Acpödev^ia xQOxodelXov*) „Krokodilkoth".
Das letzte Medicament veranlasste uns zu einem bedenklichen Achselzucken, da wir es in
Gestalt von -s^ hs msh „Krokodilkoth" als eines der Mittel zum „Eröffnen des
Gesichtes" in einem Recepte gegen Augenkrankheiten unter zum Theil auch jetzt noch
anerkannten Mitteln im Pap. Ebers5) fanden. Nach dieser neuen Wahrnehmung ziehen
wir indess jedes Zeichen der Missachtung zurück; denn wenn wir auch nicht zu bestimmen
vermögen, was mit dem Ai&tomy.i] Jioä gemeint ist, so darf man doch an ein den Augen wohl-
thätiges „äthiopisches Kraut" denken, während Gott jeden vor Krokodilkoth im Auge behüte.
Die bisher angeführten Geheininamen beziehen sich sämtlich auf Theile von heiligen
T liieren: Kopf der heil. Schlange, Blut der heil. Schlange, Knochen des heil. Ibisvogels,
Thränen des Hundskopfaffen, Koth des Krokodiles. Es kommt dazu Blut und Haar des
Hundskopfaffen, Haar des Löwen, Schwanz des Schweines, Blut der Fuchsgans oder Ente
(■/jjvalcüJii]};), Samen des Stieres etc. Aber es werden auch Theile von Menschen, wie
Menschengalle, Knochen des Arztes, Blut aus der Schulter und Fusssohle (doch wohl des
Menschen) genannt. Theile von Gottheiten sind z. B. Blut der Hestia, Samen des Sonnen-
gottes (fjliov), Samen des Herakles, des Hephaistos, Amon und Ares; alle aber treten für
die Namen von Medicamenten aus verschiedenen Reichen der Natur ein, die zum Theil
auch in unsere Pharmakopoe Aufnahme fanden. Sie verwendet noch manches aus dem
Alterthum und vom Nil stammende Gut, und wenn wir das Quecksilber „Mercur" nennen
hören, so dürfen wir vermuthen, dass dieser Göttername für ein Mineral aus den nämlichen
Kreisen kommt, die Schweinemilch „Blut des Kronos" (Saturn) und den Klee {tqi^vXXov)
„Samen des Ares (Mars)" nannten.
In unserer deutschen Officin erhielten sich noch ähnliche Namen wie Ochsenzunge,
Frauenschuh, Mauseohr, Hahnenfuss, Storchschnabel, Wolfsmilch, Teufelsbart, Gänsefuss,
Igelsamen, Teufelsdreck, Löwenzahn, Odinskopf etc.6)
So wurde der Baum j 1*^. <K\ An, JM Q fofo bk, die Moringa aptera, aus der
man das Moringaöl 1 (^^ <£\ bik gewann, mit dem Geheimnamen ^f? wdi-t, d. i. das
Heilsauge, geehrt, und es stand dem Kundigen frei, I An einfach, wie es die Schreibung
erforderte, bk, bik zu lesen oder sich durch diese Gruppe an den Geheimnamen erinnern zu
x) Verbessert aus dwrj&ov.
2) Verbessert aus Sgäxva.
3) „ZZ0J7", ionisch statt noä, Kraut; jiotjloyeo) ich sammle Kräuter, jäte.
*) Verbessert aus xogxoSeiXov.
5) Pap. Eb. 57, 1. Krokodilkoth wird dort verordnet zusammen mit hpr msäm-t „Stibiumoxyil?".
<hrt ,Zwiebel(?)", hnti „grüne Bleierde", siwr „Bleivitriol", hsmn clsr „rothes Natron" und Honig, die in
Eins zu verbinden und auf die Augen zu thun sind.
(i) Dieterich 1. 1. S. 781, Anm. 5. „Odinskopf" bei Wuttke, Deutscher Volksaberglaube, S. 92.
S. a. Berthelot, Collection des alchimistes grecs, Paris 1887, p. 11, Anm. 6.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 16
120
lassen, der \\ I \\ weh zu lesen war und „das Heilsauge" ^P; bedeutete. Der mit dem
Ause geschriebene Name Aegyptens ^^ wechselt mit f) und v7:^§>;^ und konnte
das Wdj-t-Augen- oder das Bk- (Moringa aptera) Land übersetzt werden, es kam nur darauf
an, ob man dem botauisehen Namen des Bkbaumes oder seinem Geheimnamen den Vorzug gab.
Wir werden sehen, dass alle kostbaren Erzeugnisse der Natur als Ausflüsse aus dem
Auge der Gottheit oder schlechtweg als „Gottes- (gewöhnlich „Horus-) Auge" bezeichnet
wurden, und der Bkbaum wie das edle Bköl, das man aus ihm gewann, gehören zu den
kostbaren, „Horusaugen" genannten Naturproducten. — ■ Aegypten selbst hatte ein noch
besser begründetes Recht auf diesen Namen und ist als das Geschenk der Geschenke der
Gottheit, als das Wrh-t-Auge y.ax' e£oyjp> zu betrachten. Die Denkmäler und besonders die
bilincuen, und zwar schon die Tafel von Rosette,1) setzten es ausser Zweifel, dass die
mit ©, dem Stadtplane, determinierten Gruppen f) und ^j^ , J A A ^^ , ^ ^p>^ etc.
Aegypten bedeuten. Es konnte mit demselben Rechte Moringaland und das Land WH?-t-Auge
genannt werden, wie man statt Klee „Samen des Ares" sagen durfte oder wie wir das
gleiche Mineral je nach Belieben Quecksilber oder Mercur nennen.
Unter den Städten trug die vornehmste Aegyptens einen ähnlichen Beinamen; denn
sie wurde unter anderen auch ^~@l Stadt des Sonnengottauges genannt.2) Hier bedeutet
aber das Auge nicht das WdM-Auge, sondern das Sehorgan des Rc, d. i. des Sonnengottes,
und dies ist die Göttin Hathor. Sie, „sein Auge", sendet bei der Zerstörung des Menschen-
geschlechtes ihr Vater Rc aus, um die Sterblichen zu vernichten. Theben ist ihre Stadt
und noch die Griechen hörten ihr Gebiet IIa-&vQiTr]g ,3) die Hathorlandschaft, nennen.
Tempeldistricte der Isis, auch einer in Alexandria, wurden nach der Isis Hathor |^^©
Augenstätte oder Stätte des Sonnengottauges genannt. Im Wadi Natrün, westlich vom
Delta, gab es ein Heiligthum J
, Stätte des Horusauges
« 4
)
Auf der Tafel von Rosette entspricht dem Ehrentitel des ptolemäischen Königs
hiero^l. Z. 6 er. Z. 39 ijiapvvavjos Äiyvnxov. Von den zahllosen Beispielen aus späterer Zeit nur noch
diese:
°°S
X
I
:^Q( "wOO*" „Sorgend für Aegypten wie der Gott M'hy", Mariette,
Dendera II, 58; v. Bergmann, Rec. de trav. VI, S. 136, Anm. 1. Variante, die die Lesung des Götter-
namens erklart. Dhwti = ^ \ \ \^ nfky = ^ (| [) | = ^ £ 1) J]| nCky. <=>^fa\
t s~\
/ *£P~ „während der grosse Fürst in Aegypten war" ; Diadochenstele, Zeitschr. f. ägypt. Spr. 1871,
Iq j : :ö j q £) o°a ^ TP © ^2, „Eine Mauer von Eisen, der Schutz Aegyptens".
S. 1, Z. 2.
www n
IIHIIMI (3
, Hüter der Thore des Landes Aegypten".
Zu Esne wird vom Herrscher gesagt:
Brugsch, Wörterb. Suppl. S. 104.
2) Stadt angesichts (gegenüber) dem Auge des R', d. i. der Hathor. Brugsch, Dict. geogr., I, S. 445.
3) Ebers, Aegypten und die Bücher Mose's, Leipzig 1868, S. 115 fgd.
4) Brugsch, Reise nach der grossen Oase el Khargeh, Leipzig 1878, Taf. XXIII, Z. 2.
121
Das Land Aegypten und die Osirisglieder.
Die Erde heisst •=^=, §^s=f ti. »Auf der Erde" oder „auf Erden" wird aber nicht
mit der einfachen Präposition (früh © I tp, dann ® I hr) wiedergegeben, sondern mit der
anschaulicheren zusammengesetzten. Es heisst darum nicht allein T §Fü=f hr ti »auf Erden",
sondern ig] I ^f? hr si h »auf dem Rücken der Erde". Alles, was auf der Erde wächst,
heisst: <~>ö ^^^ # I tg] I w^=i rd nb hr si ti »alles Erwachsende auf dem Rücken der Erde".
Ebenso wird »auf Erden" ausgedrückt, indem man sich das animalische und vegetabilische
Leben auf dem Kopfe (auf der oberen Seite oder auch auf dem Rücken) der verpersönlichten
Erde vorgehend denkt. I r i v\ • c± ) »du vollbrachtest 110 Jahre auf
dem Kopfe (dem oberen Theil) der Erde, d. h. auf Erden". Hierbei wird freilich später
nur an die allgemeine Bedeutung der zusammengesetzten Präposition . . hr di di »auf"
gedacht worden sein, ursprünglich hatte man aber allerdings den Erdgott <^\_ J Lj| ,
O jL/f gb%) im Sinne; denn sehr häufig steht an Stelle von f^si=f ti »die Erde" sein Name
gb, und eine gewöhnliche Variante für " Ö ^s^f hr Si ti ist t? ^g\. J Jn oder d j
hr si gb. So heisst es: © vs. © \\ ffr Yh <==== V^ itf q \\\) hi In nk sn ti hr si gb
9 jms _&^. ^ ^z*> ^ 1 1 i i i JJ I w w
„es grünen für dich die Kräuter auf dem Rücken des Gottes #&", d. i. es grünen für dich
die Kräuter auf der Erde. Wir wählten gerade dies Beispiel, weil das sn ti, das wir
»Kräuter" übersetzten, uns bezeichnend erscheint; denn es bedeutet »Haar der Erde", und
natürlich auch des Erdgottes gb.
Die äussersten Grenzen auch der Erde bezeichnet das Hintertheil eines lebenden Wesens,
und zwar des Löwen ^ phw'i, das hintere Ende und das Ende überhaupt, wie das Vorder-
theil desselben Thieres £) li »das Vorderste", den Anfang4) bedeutet. Beide werden
allgemein in dem ihnen zukommenden Sinne gebraucht. So heisst es in dem Londoner
Ö^py /www _^7 J\ K\ 'www ^\
y (J y> _JS) v^ 'iw rik li-t \w
nh phw »du bist der Anfang, und du bist das Ende".5) In dem schon erwähnten Schluss-
1) Papyrus Anastasi IV, 4, 4. 110 Jahre zu leben wird von den Aegyptern als besonders erstrebens-
werth gepriesen.
2) Früher Seb, jetzt richtiger nach Lepsius' Vorgang, Anm. zu Plutarchs Is. und Os. ed. Parthey
S. 190, wo der seltenen Schreibung A ' gedacht wird, hb und gb gelesen. Wohl am häufigsten fanden wir
in den Dariusinschriften auf der Oase Charge kb (mit £) geschrieben. Sicher kommt sein Name
auch in der Form gb und gbb vor, und zwar mit Beziehung auf die gb Gans, in deren Gestalt er neben
dem heiligen Baum seiner Gemahlin Nut das Ei legte, aus dem die Sonne hervortrat. Beim Legen eines
solchen Ei's kann es nicht an Gackern gefehlt haben, — weswegen gb denn auch »der grosse Gackerer"
genannt wird. Plutarch, Is. und Os. 12 nennt ihn Kronos und seine Gemahlin Nut Rhea; beide aber
sind die Eltern des Osiris, der Isis etc.
3) Dümichen, Tempelinschriften 78, IG.
4) ^ .A ph mit dem Determinativ der schreitenden Beine bedeutet »erreichen", d. h. zu dem
Hintertheile eines Voranschreitenden gelangen.
5) Uu bist das Vordertheil und das Hintertheil.
16*
122
satze litterarischer Werke wird gesagt, das betreffende sei vollendet lit-f r phwi-f'i „von
seinem Anfang bis zu seinem Ende".
_£)^
-SO
und _££
Oft wechselt ~^Wp mit ^ oder ^
\> gleichfalls die
das
Geographisch bedeutet ^i und häufig auch
hinterste Stelle, das äusserste Ende
Zeichen C aber ist ein menschlicher Körpertheil, und zwar ursprünglich das weibliche
Genital, das dann als Receptaculum überhaupt aufgefasst wird1) und als ein mit Wasser
angefülltes Becken ^ und W§ dargestellt wurde. Alle drei werden für die ägyptischen
Seen (besonders Tempelseen), Teiche etc. gebraucht, in denen nach Rücktritt der Ueber-
sehwemmung das Wasser zurückbleibt. Sie bilden den dritten der drei Theile oder Bezirke
(mr, wiv und phw'i), in die jeder Nomos oder Gau Aegyptens zerlegt wird.
Den Osten und Westen bezeichnen die beiden Seiten, die linke und rechte, des mensch-
lichen Körpers,2) doch haben die Hieroglyphen, die für sie gewählt wurden ¥ Ob und v
\mn oder wnm nichts mit Gliedmassen zu thun. Für den allgemeinen Begriff „Seite" tritt
dagegen der Unterarm /•= — ß ein, der auch das Wort J£=& (, v\ rwiit „die Seite"
determiniert. Die gebräuchlichen Hieroglyphen ¥ und ft sind auch die Zeichen für den
Osten und Westen. Für die südliche Himmelsrichtung und zugleich für den Süden Aegyptens
steht *L* km, sowie X,, I, ~s rs. All diese Zeichen stellen Pflanzen dar und haben mit
Körpertheilen so wenig zu schaffen wie die für den Norden ">:^\ rnh. Dennoch tritt für das
Südland auch das Zeichen ein, das wir nach dem Gesagten (S. 32 u. 33) dafür zu erwarten
tp rs „der südliche Theil, das Kopfstück Aegyptens".3) Von seinen
_S
m
r
r
ö® 1
I I
14)
haben, nämlich tp,
I * I
vornehmsten Bewohnern heisst es in der 18. Dyn.:
fce' liti liC nw tp rs „die Häuptlinge (Häupter) und die Fürsten der Wohnstätten der Süd-
landschaft (des Nilthals)". Dies tp rs bezieht sich wohl auch auf das im Süden gedachte
Haupt der das Land Aegypten vermenschlichenden mythologischen Person. Diese muss wohl
(wegen der Gleichungen rechts = der Westen, links = der Osten) als auf dem Bauch liegend
]) R. Lepsius, Zeitschr. f. ägypt. Spr. 1865, S. 61 fgd. Hierzu führt er Diodor 1, 80 auf: „T6v
Tiaziga fiovov al'ztov eivat zijg ysvsoewg, zfjv de (irjzeQa ZQOCprjv xai %d>Qav jtagixsadat zw ßgeyei" . Dass O
die "Vulva darstellt, ist sicher; als merkwürdig sei aber erwähnt, dass auf dem Bilde der buddhistischen
Schönheitsgöttin Lakshmi diese vor der Vulva einen Zierat genau in der Form des Zeichens ^ trägt.
(Paris, Museum Guimet.)
Seite des Königs"; Pap. Hood. 1, 14 und a. o. a. 0.
A/VW\A ©
2) z. B.
QU
ff «k. =! ' Nf "^er Wedelträger zur rechten (wnm)
n
3) Auch der District an der Südgrenze des Landes, zu dem Elephantine (die Insel) und I
_ I
I
Storno Syene gehörten, wird
gefasst werden.
4) Lepsius, Denkm. III, 55.
tp rs das Haupt des Südens genannt. kann auch als „Anfang"
123
gedacht werden. Dafür spricht auch die oben erwähnte Vorstellung von den auf dem
Rücken des Erdgottes wachsenden Pflanzen.1)
Dass man sich auch den Nil anthropomorph vorstellte, ward schon erwähnt. Seine
Ufer wurden CS? ~wv« spt'i mw „die beiden Lippen des Wassers" genannt.4) So sind
1
D \\ /wwv\
/www ) rmiv spt n mw „die Fische des Ufers", die am Ufer
I U d /WVW\ AA/W\A
schwimmenden Fische. Eine Seite des Stroms heisst ^^ ' ^w/vw^ ) rmn n mw „der
Arm des Wassers".
Den Phallus des Osiris hatte Isis nicht wie die anderen Glieder des gemordeten
Gemahls wiederfinden können. Er war in die Wogen des Stroms gefallen, die ihn mit
sich fort führten, bis Fische ihn verschlangen.5) Die anderen vierzehn Gliedmassen des
Osiris hatte Isis gesammelt. Wo sie einem begegnet war, wurde ein Osirisgrab errichtet.
Was den Phallus im Nil angeht, so wies er auf die befruchtende Kraft des Stromes.
Er ergoss in den Stoff seinen Samen und befähigte ihn zur Geburt. Der nämliche Vorgang
wird durch mythologische Stier- und Kuhgestalten versinnbildlicht. In jedem Götterkreise
begegnet uns die zeugende männliche Kraft, das weibliche empfangende Prinzip oder der
Schauplatz der Zeugung und ihr Product, das Kind, das, wenn es heranwächst, zum Gemahl
seiner Mutter und selbst zum Zeugenden wird. Mit Recht heisst Amon darum Gemahl
seiner Mutter, sein eigener Vater und eigener Sohn. So vergegenwärtigt sich der Aegypter
den Kreislauf des Werdens und Vergehens im kosmischen Leben und zunächst in der Natur
seines Landes.
Welche Rolle der Phallus bei diesen Vorgängen spielt, wird bei der Behandlung
dieses Gliedes, Abtheilung II, gezeigt werden.
Bei der Trias von Theben tritt es uns am deutlichsten entgegen. Der Amon dieser
Stadt, ursprünglich vielleicht sogar namenseins mit dem ithyphallen Min (oder Hern), ist
der Gatte der Mut (die Mutter), und diese ist die Natur, die Materie, die Erde und in
beschränkterer Auffassungsweise der Boden Aegyptens, Hnsw (Chunsu) das Prinzip der
Erneuerung in der Natur und im Menschenleben, das später zum Mann und Erzeuger
heranwachsende Kind. Die nämlichen Vorstellungen treten uns schon, nur weniger scharf
ausgeprägt oder mit grösserer Zurückhaltung behandelt, in der Osiris-Isis-Horus-Gruppe,
wie die Pyramidentexte sie uns in ihren jüngeren Theilen zeigen, entgegen. Sie sind so
alt wie die Einigung beider Theile des Landes unter einem König, doch gelangen sie erst
in späterer Zeit, besonders in den Ptolemäertempeln, mit rückhaltloser Offenheit zum Ausdruck.
Was Plutarch über die Isis- und Osirismythe erfuhr, wird im Einzelnen von den Denk-
*) Nach einer anderen Auffassung liegt der Erdgott gb allerdings auf dem Rücken. Die Himmels-
göttin breitet sich über ihn, und er befruchtet sie von unten. §u, der Licht- und Luftgott hebt sie
wieder in die Höhe und stützt den Himmel als ägyptischer Atlas. S. auch die Osirismumie in den Osiris-
zimmern, aus deren Leib (nicht Rücken) Pflanzen entwachsen.
2) D~ö ' C^i Spt *die LiPPe"-
3) Berlin, hierat. Pap. 3024. Bei Emian, Gespräch eines Lebensmüden etc., XV, Z. 6G — 67 (S. 42).
*) Pap. Westcar 619.
5) Plut., Is. und Os., c. 18. Die Fische Lepidotos, Phagros und o^vQvyyog waren es, die ihn
verzehrten.
124
malern bestätigt, so auch seine Mittheilung von den Grabmälern, die über den 14 Theilen
der Leiche des Osiris, die Isis bestattete, errichtet worden waren. Was die einzelnen Glieder
angeht, scheint allerdings neben der Volkstradition, an die Plutarch sich hielt, eine priester-
liche hergegangen zu sein, die sogar in verschiedenen Heiligthümern des Landes von ein-
ander abwichen.
Diese Mausoleen, deren Inhalt je ein Körpertheil des Osiris bildete, gaben den Nekro-
polen besondere Bedeutung und veranlassten viele Wallfahrer, sie zu besuchen. Nicht nur
Todtenstädte, sondern ganze Bezirke schmückten sich mit dem Namen des in ihrem Boden
ruhenden Theiles des göttlichen Leichnams.
So hören wir den 20. oberägyptischen Gau j ff den des linken Beines, den 10. ober-
ägyptischen Nomos y| y\ © oder yj y] © den der Fusssohle oder der Fusssohlen und die
Hauptstadt des 19. unterägyptischen Buto (Bovroo) [ / lj\ ^^ 'im mit dem heiligen
dd-t
©
j , das dort samt dem Phallus bewahrt wurde. Auf den Ruhm, gewissen Hauptkörper-
theilen des Osiris zur Ruhestätte zu dienen, erhoben sogar verschiedene Stätten Anspruch.
So war Athribis(S. 116)
EL
_ = -Mittelstadt" die Herzstadt; wir hören aber auch, dass
auf der reinen (heiligen) Insel <EE3 f 1 '« tob (das Abaton der Alten), bei dem Isis-
eilande Philae das Herz des Osiris aufbewahrt wurde. Dem Heiligthume von Abydos
gereichte es zur besonderen Ehre, das Grab des Hauptes jenes Gottes sowie das seines
Nackens auf seinem Gebiet zu besitzen, nach dem Wiener Papyrus 29, Z. 44 soll der heilige
Kopf vi di dl sps aber auch zu pr 'ir? (als Reliquie) angerufen worden sein,1) und auch
eine Stadt im oberägyptischen Gau Diospolites parva n'SW'S wurde (1 fl „Stätte des
I tia [Ja ©
Kopfes" genannt.
So geht denn aus dem Studium der Denkmäler hervor, dass mehr als 14 Nekropolen
oder Tempel behaupteten, ein Osirisgrab zu besitzen, und dass an mancher Stelle ein Glied
dieses Gottes als echte Reliquie verehrt wurde, die man auch an anderen für eine solche
ausgab. Welches nach der in der Ptolemäerzeit herrschenden Meinung die 14 Glieder des
Osiris waren und wo man die Gräber zu suchen hatte, geht aus einer zum Theil zerstörten
Liste zu Edfu und aus einer anderen hervor, die sich zu Dendera vollständig erhielt.
Letztere fand J. Dümichen auf dem Dache jenes der Hathor geweihten Heiligthums in der
Nähe der drei nördlichen Osiriszimmer.
Diese merkwürdige Darstellung, die der genannte Gelehrte zuerst veröffentlichte,2)
lehrt uns die Form der Kästen kennen, in denen sie lagen fr=Tf , und die uns von anderen
Denkmälern her schon bekannt war.3) Alle 14 stehen neben einander auf einem niedrigen
!) v. Bergmann, Zeitschr. 1880, S. 88.
2) J. Dümichen, Geographische Inschriften altägyptischer Denkmäler. Leipzig 1885, Abth. III, Taf. I.
3) An der Type, deren wir uns bedienen, bleibt die Hohlkehle am oberen Theile des Kastens
unberücksichtigt.
125
Tische oder Gestelle, das dem oberen Theile eines Pylon oder Tempelthores gleichsieht.
Die Zahl 14 des Plutarch findet durch diese Inschrift ihre Bestätigung. Die Hieroglyphen-
zeile über dem Texte, der den einzelnen Körpertheilen gewidmet ist, lehrt, dass der Pharao
(er spricht in erster Person) sich in alle vier Himmelsrichtungen begab ' || 7i w HS
hr hh h'1 nw 'itf wsir „indem er aufsuchte die Glieder des Vaters Osiris". Vor dem stehenden
und eine Libation ausgiessenden Könige theilen 14 gegenüber dem sitzenden Pharao
beginnende Verticalzeilen mit, dass er die betreffenden Reliquien aus dem und dem Gau im
Heiligthum der goldenen Hathor von Dendera, das mit vielen verschiedenen Namen genannt
wird,1) niedergelegt oder zu ihm hineingebracht habe.
Hierbei handelt es sich entweder nur um eine zeitweise Ueberführung der Osirisglieder
nach Dendera, wo sie der Isis-Hathor, zu der sich ja auch der Horus von Edfu bisweilen
begab, um sie zu besuchen, vorgeführt werden sollten, damit sie sich an der Nähe der
Glieder des verstorbenen Gatten und Bruders erfreue, oder wir haben es hier nur mit Nach-
bildungen der heiligen Körpertheile zu thun, die in einem der Osiriszimmer auf dem Dache
oder in dem Durchgange Aufstellung gefunden hatten, an dessen linker Innenwand die
Inschrift zu sehen ist. Es könnte sich auch um die Auffrischung der Tradition handeln,
die von der Einbalsamierung der Osirisglieder zu Dendera berichtete. Ihr Vorhandensein
wird durch den Namen des Tempels: „Stätte, an der die Götter den Osiris einbalsamierten",
bestätigt. Vielleicht wurden eben wegen dieser Tradition die alten Gliederreliquien gerade
nach Dendera gebracht, um sie dort, nachdem sie Schaden gelitten, neu zu balsamieren.
An Laboratorien, wo die dazu nöthigen Droguen hergestellt wurden, fehlte es gerade in
diesem Heiligthume mitnichten. Aus einer Inschrift auf dem Dache des Hathortempels geht
hervor, dass die Glieder des Osiris am Feste des Gottes Ww zu Wasser nach Dendera
gebracht wurden: A |n o \\\ ~wwv m n^r ¥ nt ws ir hr mw „gebracht wurden die
heiligen Glieder des Osiris zu Wasser", und zwar alle „ Q.<c=>()/()7 m di di r tb-t"
„vom Kopfe bis zu den Sohlen".
Der Körpertheil, der nach dieser Liste Dendera selbst — doch durch kein äusseres
Merkmal hervorgehoben — zukommt, ist das Zeugungsglied des Osiris, und dieser Umstand
ist zwar an sich leicht erklärlich, muss aber dennoch und zwar, wie wir sehen werden, in
doppelter Hinsicht überraschen. Zunächst will es uns wohl natürlich scheinen, dass der
Phallus gerade bei Isis-Hathor, der ägyptischen Aphrodite, der Göttin der Sinnenlust, der
Liebe und des Rausches bestattet war; hiess doch auch einer der vielen Namen Denderas:
„Die Stätte, an der Hathor nach ihm (dem Gatten) verlangt", ein anderer: „Stätte der
königlichen Gemahlin", ein dritter: „Stätte der Isis in ihrer Lust", ein vierter: „Haus der
Zeugung ihrer Majestät", ein fünfter: „Haus, wo Osiris von seiner Gemahlin getragen
wird"; — wie aber stimmt der Umstand, dass zu Dendera der Phallus des Osiris als Reliquie
■>' -'
fl O ] ' „Einbalsamierungsstätte des Osiris" ; | (**<*} „ Heiligthum der goldenen
■U I © Uooo CT^3
(seil. Göttin)'; v«-* ( ti rrt „Land des weiblichen Nilpferdes". Aus dem vollständigen Namen
< — > ©
■ ■ ■■ ■ ' ■ - ■ ' a
<==> tt n ti rr-t wurde „Tentyris* und das späte „Dendera".
126
bewahrt wurde oder doch dorthin gebracht worden war, mit der bestimmten Mittheilung
Plutarchs,1) das aldöiov des Osiris sei ins Wasser geworfen und von Fischen verschluckt
worden, und der anderen, die sich gleichfalls zu Dendera, und zwar in einer Liste der
Nomen gottheiten findet, überein, das Geschlechtsglied des Osiris gehöre nach Mendes?
Den Widerspruch, in dem die Nachricht Plutarchs mit diesen Angaben steht, suchte
schon der zu früh verstorbene v. Bergmann2) durch die Existenz von zwei verschiedenen
Versionen in Betreff des Osirisphallus zu erklären. Der Grieche wäre darnach der im
Volksmunde lebendigen älteren Mythe gefolgt, während die Dendera-Texte die in allen
Theilen sorgfältig ausgeführte spätere Redaction der nämlichen Mythe darstellen würden.
Doch wir zeigten schon, dass die Dendera-Texte selbst einander widersprechen, und werden
uns darum nach einer neuen Erklärung umzuschauen haben. Die Untersuchung wird sich
an das Glied von Dendera knüpfen, dem wir als der fünften Osirisreliquie in unserer Liste
begegnen. Folgen wir denn der Reihe nach den dem Inhalte der Kästen gewidmeten
Beischriften.
1. ^ tK rd ^ib „das linke Bein". Gehört in den ersten oberägyptischen Nomos.3)
2. t\^ lim-t „der heilige Leib". Gehört in den 2. o.-äg. N. Ä 1 "v\ © dbw,
d. i. Edfu, Apollinopolis magna.
n
d. i. el-Kab.
crt'i „die Kinnladen". Gehören in den 3. o.-äg. N. Eileithyiaspolis,
4. j[ ff rd wnm „das rechte Bein". Gehört in den supplementären o.-äg. N.
Nbyt, Ombos, d. i. Kom Ombo und in den libyschen Westgau ihm gegenüber.
5. _J_fl \ l ic==Si mrVi der Phallus (ohne Hoden?) gehört in den 6. o.-äg. N. Tenty-
rites, d. i. Dendera, und also in den Tempel, in dem die Liste sich findet.
Das nämliche Glied soll nach der oben erwähnten, gleichfalls in Dendera copierten4)
Liste der Nomengötter samt dem Rückgrat zu Mendes aufgefunden worden sein.5) Nach
der Edfu -Inschrift gehört der Phallus in die Stadt ~yC *^T Nnrdf, d. i. Herakleo-
polis magna im 20. o.-äg. N. Wo das Zeugungsglied nach Mendes verwiesen wird,
schreibt man es -|^ ^^ v\ /<==a, wo es zu Dendera gehört, _J_fl n (1 fe=Q , also mti
und mcCi. Wir haben es also sicher mit dem gleichen Worte zu thun. Beide bedeuten
„das Geschlechtsglied " ; vielleicht aber ist dieser Begriff zu beschränken und unter mti
= m&'i nur der penis ohne die Hoden zu verstehen. Das aidotov, das nach Plutarch ein
J) Plut., Is. und Os. c. 18 und 36 und zu Diodor I, 22.
2) Zeitschr. 1880, S. 92.
3) Weiterhin stets abgekürzt ob.-äg., wie u.-äg. für „unterägyptisch" ; N. für Nomos.
4) J. Dümichen 1. 1. III, 83; A. Mariette, Dendera IV 43.
f=ih
/j± / (1 m'/j kmtiv m 'ist tn, „der Phallus, aufgefunden
an diesem Orte (d. i. Mendes)". Ueber den ithyphallen Osiris, den stets begattungsfähigen Widder, das
dd von Mendes sowie über diesen Ort als Phallusstadt s. v. Bergmann, Zeitschr. 1880, S. 89 fgd.
127
Wasser von den Fischen verschluckt wurde, mnss die Testikeln jedenfalls mitverstehen;
denn auf sie wird in der Mythe der grösste Nachdruck gelegt, und nicht der ganze Scham-
theil, sondern sie allein wurden beim Kampfe der feindlichen Götterbrüder dem Set aus-
gerissen. Im Todtenbuch heisst es ^rr* « — ° ™w" \v^ V V ^ AA/VWN hü ^ »es nanm weS
Horus die Hoden (hrww) dem Set". Im Pap. Eb. wurde bei der Heilung der Verwundeten
eine Consultation abgehalten, und zwar nicht über den verletzten Phallus, sondern über die
po ^/f hriu'i St,2) d. h. „über die Hoden des Set". Diese wurden getrennt von
dem Phallus, das der Erection fähige Glied, gedacht, das auch als Hieroglyphe für sich
allein vorkommt.3) Dass das Wort tu di in der That dies Glied allein bedeutet, scheint
uns auch der Satz zu beweisen, den wir zu Edfu notierten: -^V> fi<* <=> ^ °° m Ut-f
hr lirw f „sein Penis und seine Hoden". Zu mdi gehörten diese also nicht als nothwendig
mit ihm verbundener Theil. Dazu illustriert in dem nämlichen Tempel ein Bild die Meinung
unseres tnd'i oder m ti-t. Es stellt den hockenden Sperber mit der Krone von Ober-
und Unterägypten auf dem Haupte dar. Von seinem Leibe geht ein langer, steifer Phallus
aus, und die Inschrift, die diese Figur begleitet, nennt sie: -|^ ß^Zj {==& hr m ti, „der
mit dem Schamglied oder der Schamgliedträger". Von den Hoden ist auf diesem Bilde
keine Spur wahrnehmbar. So möchte denn der Osiriskörpertheil von Dendera wie von
Mendes m <Vi oder m U nicht das ganze männliche Glied, sondern nur der Penis ohne
Hoden sein. Für jenes wäre ß vi (==& hnw, J ^^ ^\ jj ^=0 foh, 9 f=a bh,
mt4) oder auch euphemistisch I ^=0) nfr „der Gute", vielleicht auch „der Bildende, das
Instrument" sowie \\ f=U) st'i, sd'i, „der den Samen fort-, ausschiessende", der
„Besamer", eingetreten. Bedenklich macht uns nur der Umstand, dass im Pap. d'Orbiney5)
Q A/WW\ —
der jüngere Bruder, der ja vielfach das Schicksal des Osiris theilt, sich den X ^ <*, hnw
abschneidet. Das ist der ganze männliche Geschlechtstheil mit dem erectionsfähigen Phallus,
wie schon das Determinativum <L beweist. Aber die Selbstverstümmelung dieses jungen
1) Todtenb. Lepsius c. 17, 26.
2) Pap. Ebers 2, 4.
8) Am deutlichsten auf Philae, wo wir es wegen der Darstellung, die auf Beschneidung weist,
besonders scharf ins Auge fassten.
*) ^\> 7~\ mt frül1 "das Gefässä" (°der Nerv etc-)- Wegen des (=Qi bedeutete also ( ^
ursprünglich den Phallus. In der Pyr. des Ppy I, 198 = Merenr' 373 = Neferker 933 bedeutet
mt doch wohl eher „Phallus" als (Maspero) „semences". Es heisst dort: „0 Re, geschwängert
n
ist der Leib der Nut ffi $^ ^ o ^ ^ (j ^
1 mit dem Phallus (kaum mit den „semences"),
die der Glänzende in sie hineinthat". Nur, wo mt mit s°°c::=:tj& oder °°°° ' determiniert wird, wäre
„semences" vorzuziehen.
5) Pap. d'Orbiney 7, 9.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 17
128
Mannes ist doch nur verwandt mit dem Abhandenkommen des Schamgliedes der Osirisleiche.
Jedenfalls werden die Hoden nirgends unter den als Reliquien aufbewahrten Gliedern des
Gatten der Isis erwähnt. Diese können also von den Fischen verschluckt worden sein,
während mehrere Stätten sich rühmten, das Grab des Phallus ohne die Testikeln zu besitzen.
Wenden wir uns nun wieder den heiligen capsae zu.
6. tp oder di (h ntr „das göttliche Haupt", d. i. der Kopf des Osiris. Er gehört,
wie auch andere Denkmäler mittheilen, in den 8. o.-äg. N. Thinites, in dem dicht bei
dem alten Thinis (This) Abydos mit dem berühmten Heiligthum des Osiris lag. Dass der
Nacken (ÄSv X ^ whbt) zu dem Kopfe gehörte, geht, wie schon erwähnt ward, aus der
Inschrift auf dem Sarkophag des Pmhm'ist hervor. Der Pharao sagt über diesen Körpertheil:
A ü —
ö
*
.Ich lege es nieder in dem Balsamierungsge wölbe im Hause des
Gliedes". Dies (das Haus des Gliedes) ist doch wohl Dendera selbst, zu dem das Bal-
samierungslokal1) gehörte, das ihm den Namen: „Stätte, an der die Götter den Osiris
balsamierten", eintrug. Das hier gemeinte Glied muss der Phallus sein, der der Osiristheil
von Dendera war.
Die vier folgenden Kästen 7, 8, 9 und 10 enthielten die inneren Organe, die in den
sogenannten Kanopen aufbewahrt wurden, über die wir an einer anderen Stelle eingehender
handelten.2) Diese vier Krüge stellten die sogenannten Horussöhne, die grossen königlichen
Hauptgötter | J ° X \\ $ ! ÜZü oder nach der älteren Fassung | | % ] rj Jj die dem
Osiris zugehörenden Hauptgötter dar, die stets mit den gleichen nur durch Varianten unter-
schiedenen Namen bezeichnet werden. Ihr Leib hat (wenn sie als Kanopen auftreten) bei
allen vieren die nämliche einfache Krugform. Die Deckel stellen ihre Köpfe dar und sind
verschieden gestaltet: menschen-, äffen-, schakal- und sperberköpfig.
Der erste (wir geben die Schreibung unseres Textes wieder) [ ") ( 'imsfi (Amset)
ist menschenköpfig, der zweite AI hcp (Hapy) affenköpfig, der dritte q ^ dwi mt-f
(Duamutf) schakalköpfig, der vierte $ J1 ' (sonst ß J I i i J) ) ^ snwf sPerber"
köpfig. Sie sind uralt; denn sie begegnen uns schon vielfach in den Pyramidentexten, und
zwar als Begleiter des Verstorbenen in das Gefilde 'iilw, je zu zweien an der Seite des
Horus, als dessen Progenitur U) ( [ & v\ ] sie bezeichnet werden, als Steuerleute der Barke
dieses Gottes etc.3) In das Innere der sie darstellenden Krüge legte man die Eingeweide
>) ö
möchten wir ks, nicht ss lesen. Wegen des Determ.
übersetzten wir es „Gewölbe"
2) G. Ebers, Der geschnitzte Holzsarg des Hatbastru im ägyptologischen Apparat der Universität
zu Leipzig. Aus dem IX. Bande der Abhandl. der phil.-hist. Cl. der k. Gesellsch. d. Wissenschaften zu
Leipzig, S. 203 fgd. Auch bei S. Hirzel, Leipzig 1884.
3) Sie treten (z. B. Ppy I, 261—62) in der folgenden Form und Folge auf: h'p, dwt mtf, 'imst,
hbh snwf. Nach einer fleissigen Abhandlung E. Chassinats (Rec. XIX, p. 23 fgd.) wären sie die vsxveg
des Manethon und die 13. heliopolitanische Enneade.
129
des Verstorbenen, dessen Schutz die Göttinnen Isis, Nephthys, Neith und Selket übernahmen,
wohl weil ihnen die Ernährung des Dahingegangenen zukam. Ihre Functionen sind ver-
schiedenartig, doch kommen den einzelnen keineswegs überall dieselben zu. Bald hören
wir sie diese, bald jene Thätigkeit üben, und zwar bleibt sie sogar in der nämlichen Zeit
nicht immer die gleiche. In guten thebanischen Texten hat Kbh-snwf z. B. die Knochen
und Glieder zu vereinen, während dies anderwärts dem Dwi-mtf zukommt. Oft bedient
man sich der Namen der Horussöhne, um die Eingeweidetheile zu bezeichnen, die in die
nach ihnen benannten Kanopeu gelegt wurden. Auch in unseren Inschriften werden neben
den Kästen 7 — 10 keine Körpertheile des Osiris genannt, sondern immer nur der Name
des Horussohnes, dessen Fürsorge das gemeinte innere Organ anvertraut war. Eine genaue
Bestimmung dieser inneren Theile des Körpers wird bei der Verschiedenheit der Angaben
vielleicht nie gelingen. Mit den Theilen des menschlichen Wesens, die als unsterblich
gedacht wurden, und denen die Horussöhne gleichfalls Schutz zu leihen hatten, sind wir
besser bekannt.1) Halten wir uns an die früheren, leider theils stark schwankenden, theils
unverständlichen Annahmen, so ergiebt sich für den Inhalt der Reliquienkästen 7 — 10
das Folgende:
r\ aa — M —
7. enthielt den dem Horussöhne [ "Ji [ 'imst'i (Amset) angehörenden Magen samt
den „grossen Eingeweiden " „?" Sie kamen aus JtT»T V\ si s-htp, der Metropole
des 11. o.-äg. N. Hypselites.
8. enthielt die dem & 1 Jip — kaum Jip* — I A. (. ( Jj ] 1%py angehörenden kleinen
Eingeweide(?), die aus dem 12. o.-äg. N., dem nördlichen Antaeopolites kamen.
9. enthielt die dem *^^_ Dwi-mtf ( * <*\N % ) zugehörende Lunge samt dem
Herzen(??), die in den 13. o.-äg. N. Lykopolites gehörten. Wir zeigten schon (S. 114 (36)),
wie eng diese beiden Organe in der Vorstellung der Aegypter zusammengehörten und
gedachten der beiden Stätten des Osirisherzens Athribis und Abaton. Jenes lag, wie wir
sehen werden, in der elften capsa mystica, kann also hier keinenfalls gemeint sein. Vielleicht
haben wir unter dem von Dwi mtf beschützten Organe die Lunge zu verstehen.
10. enthielt die dem Horussöhne y II (1 ] I l libh sriiwf ( V 1 1 1 $ \cbh-snwf\
zukommende Leber und Galle (?), die in den 14. o.-äg. N. Aphroditopolis gehörten.2)
11. enthielt "Ö1! \b, das göttliche Herz,3) das in den 10. u.-äg. N. Athribitis gehörte
(s. S. 116 (38)). Die Stadt dieses Namens war nicht nur der Ort der Mitte (§■ 'O) des Delta
(Mittelstadt), sondern auch die Stadt des Herzens, wie auch dieser Kasten, sein Inhalt und
seine Herkunft beweisen. Die Inschrift über diesem Relkpuienschreine lautet: 71 Sa j^.
») G. Ebers, Holzsarg des Hatbastru 1. 1. S. 37 (237).
2) Auf die inneren Organe, auch auf die Körpertheile, die mit den Horussöhnen in Verbindung
standen, soll im zweiten Theile dieser Abhandlung näher eingegangen werden.
3) _rfr " Ar 'ib doch wol wegen der Inversion honoris causa 'ib hr oder ntr zu lesen und „Herz
des Gottes oder das heilige Herz" zu übersetzen. Schon früh steht >\ oft für | .
17 '
130
^^^ *-^r- s=7r3 <=> 5^5=f mi_/s w« Ar \"6 m km Ja t-s r ti rrt „Ich hebe auf
das göttliche Herz in km fa (d. i. im 10. u.-äg. N. Athribites) und erhebe es zum Tempel
von Ti rrt, d. h. Dendera". Man sieht, dass der Pharao sich in der That rühmt, die
Reliquie des Herzens aus dem u.-äg. Athribis in das o.-äg. Tentyris gebracht zu haben.
12. enthielt das Glied _J_n[jzin in hyk, d. i. „den Hals", der nach dem u.-äg. N.
Letopolites gehört, dessen Standarte ein Fleischstück *%, oder auch einen Rinderschenkel C7V
trägt. Für m hyk 4^V " mtik geschrieben, fanden wir längst die Bedeutung „Hals".
as
Es ist darum nicht nöthig, Dümichens Copie in __J_o []<=[] m (m(?)) hyt zu corrigieren und d
A in o zu verwandeln; ja es würde dies zu einer Unmöglichkeit führen; denn ^VUi^n
oder —1—0 steht für — v\ 9. 'im h-t1) und dies bedeutet das im Bauche Ent-
haltene, die Eingeweide, und diese lagen ja unter dem Namen der Kanopengötter in den
Kästen 7 — 10. Cf. koptisch mä».£t: mä».3t viscera.
13. enthält D „Q ^ a) pst „das Rückgrat, die Rücken Wirbelsäule" aus dem 11. u.-äg. N.
Busirites. Der Name der Stadt Bousiris (noTCipi) " H S ^37 ft p(r) ws'ir nb ddw,
auf dem Sarkophag des Pi nhm ist ) u c^a v\ ddw bedeutet „Haus des Osiris, des Herrn
LS. IA — u ©
der Ddwsäule" oder der Ddwsäulenstadt; diese Säule aber ' ' ist, wie v. Bergmann zeigte,
auch „die stilisierte Darstellung der spina dorsalis".3) Unsere Inschrift beweist nun, dass
nicht nur Mendes, wo, wie schon erwähnt ward, neben dem Phallus auch das Rückgrat
des Osiris „gefunden" worden sein soll, als Aufbewahrungsstelle des nämlichen göttlichen
Gliedes angesehen wurde, und beide Orte kommen unter dem Namen jj vor.4) Es will also
scheinen, als wäre in Mendes der Phallus samt dem Rückgrat des Osiris gefunden worden,
wie der Pi rthm 'ist- Sarkophag hervorhebt, während die Rückenwirbelsäule des Gottes zu
Busiris, der Osirisstadt Ddw, begraben und als Reliquie aufbewahrt wurde.
0
Hierzu muss bemerkt werden, dass trotz des ff in Busiris, das TT niemals als ana-
tomische Bezeichnung für den Rücken vorkommt, sondern nur als Symbol für ihn mit
J) Pap. Anastasi IV, 15. Brugsch übersetzt Wörterb. Suppl. S. 567 J_ü m' h-t mit „Bauch",,
doch das Beispiel, das er aus dem Osiriszimmer in Dendera anführt, spricht gegen seine Annahme.
Nicht „der Bauch" (m h-t) des grossen Gottes soll an seinen Platz I J *^=^_ | gethan werden,
sondern „die Eingeweide".
2) Sonst besser >&_ psd oder psrf geschrieben. Pap. Ebers 44, 16 \^ 1 psd.
3) Zeitschr. 1880, S. 91. Eine Osirisstatuette (Collection Allemant p. 26) trägt das Ddsymbol auf
dem Rücken.
[— — ^j g && g
*) Mendes in erweiterter Form W ife? v — ' \ \ ?»(»') ht nb ddt mit der assyrischen Umschrift
LA t^> LA
Bindidi. Cf. Steindorff, Keilschriftliche Wiedergabe ägyptischer Eigennamen; Beiträge zur Assyriologie
1890, S. 604.
131
der Bedeutung des Festen und dauernden Beständigen. Wohl ist das j[ wegen des Begriffes,
den es darstellt, später für die stilisierte Form des Rückens angesehen worden, es ist aber
ursprünglich die eigenartige ägyptische perspectivische Darstellung einer Säulenreihe gewesen1)
und erst später für einen altarartigen Pfeiler mit vier Repositorien an der Spitze gehalten
worden, obgleich man seinem Vorbilde nirgends begegnete. Dennoch hielt man an dem
ehrwürdigen Symbol fest, dessen Form und Bedeutung keiner Aenderung unterworfen
werden durfte. Was unsere 13 beweist, ist, dass Busiris in der That die Stadt des Osiris-
rückgrates war.
14. enthält i~^£^^^ »die Hände (oder Arme) samt dem Auge"(?)2) Diese
wunderlich zusammengestellten Reliquien stammen aus dem 4. u.-äg. N. Menela'ites am mittel-
ländischen Meere, zu dem nach H. Brugschs scharfsinniger Erklärung3) auch Kdvcoßog
(Kanopus) gehören möchte.
Aus diesen Untersuchungen, die uns auch zur Vergleichung der Nomenlisten von Edfu
und ähnlicher Documente führten, ging sicher für uns hervor, dass es viel mehr Osirisgräber
oder als Reliquien verehrte Körpertheile des Gottes in Aegypten gab als vierzehn oder als
irgend ein menschlicher Körper Glieder besitzt. Trotz emsiger Bemühungen wollte es uns
indes nicht festzustellen gelingen, welches die vierzehn echten Osirisgräber waren und
welches Glied einem jeden ursprünglich angehörte. Wir hätten weit mehr hierher gehörendes
Material heranziehen können, doch genügt die von uns bevorzugte Darstellung, um zu
zeigen, welche Stätten man in der Ptolemäerzeit und zu Dendera für die echten Gräber
ansah. Freilich lassen sich selbst in diesem Tempel, wie wir bei der Betrachtung der
fünften capsa zeigten, Divergenzen gegenüber der Tradition nachweisen. In meiner Hand
befindet sich eine Reihe von Sätzen, die einzelnen Körpertheilen andere als die hier erwähnten
Grab- oder Heimstätten anweisen, doch verbietet der Raum ein näheres Eingehen auf diese
Abweichungen von den Angaben, die wir mittheilten und denen doch auch der König folgte.
Uebrigens würden sich auch ähnliche Schwierigkeiten ergeben, wenn man heute versuchen
wollte, die Herkunft und Echtheit hochgehaltener Reliquien in anderen Glaubenskreisen
festzustellen.
Der Himmel und die Körpertheile.
1. Die Himmelsgöttin, die Augen und anderen Körpertheile der Gottheit.
Auch am Himmel wurden Körpertheile benutzt, um siderische Erscheinungen und
besonders die Entstehung, die Wirksamkeit etc. des Lichtes dem Verständniss näher zu
bringen. Die Mythenbildung war auf diesem Gebiet besonders thätig, der Körpertheil aber,
dem sie die grösste Aufmerksamkeit zuwandte, war das Auge, und zwar das ^^ icdi-t
d. i. das Heils-, das himmlische, heile, nicht ausgerissene Auge (Steindorff) des Horus.
x) Diese Erklärung Flinders Petries, Medum, London 1892, S. 31 scheint uns zutreffend. Für einen
Nilmesser, wie es früher geschah, oder für ein Repositorium mit Absätzen, auf die die Bildhauer ihre
Instrumente legten, dürfen wir das TT nicht mehr ansehen.
2) Dieser seltsamen Gruppe wird Abth. II eingehender gedacht werden. Es wäre auch eine andere
Uebersetzung möglich.
3) H. Brugsch, Dictionnaire geographique. Leipzig 1879, Bd. I, S. 1044 und 1002.
132
Mehr als ein Gott wird bei dem ägyptischen Henotheismus besonders der späteren
Zeit als der älteste der Götter genannt, der vor jedem anderen Gotte das war, der als
Demiurg die Götter schuf, die Menschen und alle Dinge, die er zuerst von einander unter-
schied, indem er sie mit Namen belegte. Nachdem er bei seiner kosmischen Thätigkeit
so weit gelangt war, um dem Himmel seine feste Stellung über der Erde zu geben, öffnet
er die Augen und damit schwindet das Dunkel, das „es werde Licht" ist vollendet, und
sein Werk wird mit Helligkeit umstrahlt und erkennbar.
Logischer Weise war es in der ältesten Zeit die Himmelsgöttin selbst, an der die die
Welt erleuchtenden Lichter als Augen gedacht wurden. Während es später die Sehorgane
verschieden benannter Lichtgottheiten sind, denen man die Kraft zuschreibt, die Welt zu
erleuchten, fiel diese Aufgabe nach dem Zeugnis der Pyramidentexte ursprünglich der
Himmelsgöttin Nwt zu, die sich nach einer alten Mythe der ganzen Welt und sogar
der Götter und ihrer Seelen bemächtigte. oc=^ ^ 1 ) V ^"^ «k. A ' .
p^ ) „du erfüllst alles (jeden Ort) mit deiner Schönheit, die Erde (liegt) unter dir,
so weit sie reicht".
An der nämlichen Stelle heisst es weiter, dass Nwt sich seitdem (in Gestalt des
Weibes jj) über die Erde breite (oder spanne) und sie mit ihren Armen umsch Hesse.
In ausserordentlich scharfsinniger Weise schälte A. Erman2) die alten an die Göttin Nwt
gerichteten Sprüche aus den Pyramidentexten heraus und sonderte die auf Osiris bezüglichen
späteren Sätze von diesem organisch zusammenhängenden Texte, der uns mit den Schicksalen
der Himmelsgöttin von ihrer Geburt an bis zu ihrem Triumph als Königin der Welt
bekannt macht. In den ältesten Texten ist es also die Himmelsgöttin Nwt, in deren
Antlitz man sich ursprünglich Sonne und Mond als Augen dachte; heisst es doch in den
Pyramidentexten: <i3^ ^\ ^\3) Nwt pr n irn m dl di t „0 (Göttin) Nut, es
traten die beiden Augen hervor aus deinem Haupte", oder fliessender: „0 Nut, aus deren
Haupte die beiden Augen hervortraten". Es sind darunter Sonne und Mond zu verstehen,
doch hat man diese Himmelskörper schon früh für die Augen des Sonnengottes angesehen;
denn man dachte sich seine Seele (nach dem Untergang) als Gestirn an den Himmel ver-
setzt wie die der verstorbenen Menschen, die dort in der Nacht als Sterne glänzten.
Die späteren Texte halten sich dann an diese Auffassung, und es ist stets der Sonnen-
gott — gleichviel, welchen Namen er trägt — , an dessen Haupt uns die Wd?-t-Augen begegnen.
Im neuen Reiche und besonders in Oberägypten ist es Amon Rc, der nicht nur
zu Theben als Weltenschöpfer und als höchster Gott verehrt wird, der das Wesen und
die Thätigkeit der anderen Unsterblichen in sich vereint. In dem jüngst publicierten
hieratischen Papyrus 3055 des Berliner Museums, der aus Theben und wohl aus der
i) Pyr. d. Ppy I, 63.
2) A. Erman, Die Sprüche von der Himmelsgöttin, in Aegyptiaca, Festschrift für Georg Ebers.
Leipzig 1897, S. IG fgd. Diese höchst werthvolle Untersuchung kam uns erst kurz vor dem Abschlüsse
des Mscr. zu. Ihr Ergebnis stimmt mit unserer eigenen Meinung, dass die Wdj-t-Augen zuerst der Himmels-
göttin zugeschrieben worden sein müssen, voll überein.
3) Pyr. des Ppy I, 100 = Mr n li' 88 = Kfr h B' 95.
133
_f£§^, HIHIHI ^E>- / 1J\ 1k fr Q p,
20. Dyn. stammt,1) heisst es: ^3^ ^r^s — > äj^wa« I st\ 1
/www ^ 0 -<S=~ -C2>- V « v Wyf\.
I I I W ^^
1*^1 fl\ "^ J ' ^>J) "a^S du auftnatest deine Augen, um mit ihnen zu sehen, da wurde
es hell für alle Welt". Ganz ähnlich heisst es auch zu Edfu später vom Sonnengotte:a)
_^J^, -<E>- "TT Q /WWV" . . . /WW\A
t™^ ^2=~ /) m „er öffnet seine Augen und hell macht er die Welt" \jf
f=£=l , „indem er sondert die Nacht vom Tage". Die Vorstellung von den Licht spendenden
Augen der Gottheit kommt auch sonst in der religiösen Litteratur der Aegypter oft zum
Ausdruck.3) Uebrigens drängt sie sich allerwärts der menschlichen Einbildungskraft so
mächtig auf, dass wir sie in der Mythologie vieler Völker wiederfinden. Auch griechische
Dichter bezeichnen Sonne und Mond als Augen des Himmels. Wenn Odin eins seiner Augen
darangibt, um aus dem Weisheitsbrunnen zu trinken und darum einäugig ist, so bedeutet
dies, dass immer nur das eine Auge der Gottheit, Sonne oder Mond am Himmel sichtbar ist.
Wohl begegnet uns diese Anschauung zuerst in Aegypten, sie liegt aber so nahe, dass
spätere Völker, bei denen sie sich wiederfindet, sie keineswegs von dorther entlehnt zu
haben brauchen.
S^ ^5 °^e beiden Wd?-t-Augen sind die der Gottheit und zwar später gewöhnlich
die des Horus. Die Sonne sollte das rechte, der Mond das linke sein. Die Inschriften
sprechen es mit aller Deutlichkeit aus. Auf der bekannten Stele von Neapel4) heisst es
von der Gottheit: ^F^*^=^G v\ (. O^p2^— 0 \M ö ^ f wnm piv '«7m, 'irt iib
pw 'iti „sein rechtes Auge ist die Sonne, sein linkes Auge ist der Mond".5) Zu Edfu wird
gesagt: I A *x) / spt hr-Jc m 'ir"-f „ausgestattet ist dein (des Horus) Antlitz mit
seinen beiden Augen*.
Dass Sonne und Mond gewöhnlich dem Horus als Augen zugeschrieben wurden, war
auch den Griechen bekannt; denn nach Plutarch6) hätten die Aegypter am letzten Tage
des Monats Epiphi, wenn Mond und Sonne in gerader Linie erschienen, die Geburt der
2) Hieratische Papyrus aus den k. Museen zu Berlin. Herausgegeben von der Generalverwaltung.
Leipzig, Hinrichs, 1896, Taf. XVI, 3—4.
2) Lepsius, Die Götter der 4 Elemente, in Abhandl. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1856, S. 192, Anm. 2.
3) K. Sethe, der sehr glücklich den Beinamen des Amon von Theben h mwt-f „Stier (Gemahl)
seiner Mutter" mit den Kutuq>ig, K^cp, Kviqcp der griechischen Schriftsteller zusammenbringt, verweist auf
die folgende Stelle in den praep. evang. des Eusebius I, 10, 49, wo von dem Demiurgen Kvrjtp gesagt
wird: og ei avaßlexpeie cpcotog to näv ejilriQov ev xfj ziQcozoyövcp %ü>Qq avzov ei de xafi/A.voete oxozog eyivezo;
Berliner philol. Wochenschr. 1896, Nr. 48, S. 1529. Diese Stelle schliesst sich allerdings ganz eng an
den oben citierten Satz aus dem Berliner hieratischen Pap. 3055. An beiden Stellen ist von Amon, dem
Stier seiner Mutter, die Rede und nach beiden wird es hell, wenn er die Augen aufthut. Nach der
griechischen wird es auch dunkel, wenn er sie schliesst.
*) Stele von Neapel, Z. 4. Brugsch, Thesaurus IV, S. 632. Der Gott, dessen Augen hier gemeint
sind, ist der widderköpfige XH Harsaphes.
5) Die Adjectiva „rechte" und „linke" sind nicht ausgeschrieben, weil die Seite, die gemeint ist,
aus der Stellung, in der sie geschrieben sind, hervorgeht.
ü) Plutarch, Is. und Os. ed. Parthey c. 52.
134
Horusaugen gefeiert; denn sie hätten nicht nur den Mond, sondern auch die Sonne für
das Auge und Licht des Horus gehalten. Sextus Empiricus ergänzt das Gesagte, indem er
berichtet, die Aegypter hätten den König und das rechte Auge mit der Sonne, die Königin
und das linke Auge mit dem Monde verglichen.1) Doch diese Nachrichten der Alten sind
nur entbehrliche Illustrationen für die mythologischen Vorstellungen über diese Dinge, von
denen die Denkmäler uns eingehend unterrichten.
Der Auffassung, die uns in den Pyramidentexten begegnet, wurde schon gedacht
(S. 132 (54)). Manche Ausführungen der Isis- und Osirismythe, von denen Lepsius2) noch ver-
muthete, sie dankten griechischem Einfluss die Entstehung, weil ihrer auf den Inschriften
der Tempel, die ptolemäische Könige und römische Kaiser erbauten, am ausführlichsten und
deutlichsten gedacht wird, sind schon in jener frühen Zeit anerkanntes Gut der Götter- und
Unsterblichkeitslehre gewesen. Sonne und Mond waren stets „die Augen der Gottheit".
Zwar erklärt Plutarch3) den Namen Osiris aus ög und igt und übersetzt ihn 7ioXv6q>&alfio<;
vieläugig, die Denkmäler zeigen aber keinen Gott mit mehr als zwei Augen. Wer der
Gott mit 77 Augen und Ohren ist, dessen der magische Pap. Harris gedenkt,4) wissen auch
wir nicht zu bestimmen. Das Horusauge wird oft und früh erwähnt, und zwar mit den
nämlichen Eigenschaften, die wir ihm später zuschreiben sehen. Das Auge des Rc I 'ir-t Rc
ist „die Sonne". Da die Seele des Königs Ppy durch die Apotheose eins wird mit dem
Sonnengotte, macht stark I I ^ swlß\ der Himmel ihren Lichtglanz, ( ü v\|[
( ntyj ] ^ , , A l. I *— - 'iswy rf Ppy, pn 3ir pt 'ir-t Rc *isfs) „Diesen Ppy erhebt
er zum Himmel; denn er ist ja das Auge des Rc". Als Sonne geht Ppy mit Rc auf,
wenn dieser sich erhebt.6) Die Mythe von dem Kampfe der feindlichen Brüder, deren
wir schon gedachten, und nach der Horus ein Auge und Set die Hoden einbüsste, wird
schon samt ihrer astronomischen Bedeutung als bekannt vorausgesetzt. So heisst es in der
*CS\ «£\ /WWW j- n A/WVW /www. .«\ v~^ _
Wn ispyramide ^ <; C\ -<s>- J r=u) ^^ ß V\ ^ ) „Verloren hat Horus sein
Auge, kastriert ist der Stier von seinen Hoden". Dass es Heliopolis ist, in dessen klinischen
Hallen Horus und so auch der verstorbene König sein Auge zurückempfängt, wird gleich-
*) Quam ob rem regi quidem et dextro oculo solem assimilant, reginae autem et sinistro oculo
lunam. Nach Jablonsky, Pantheon Aegyptiorum I, p. 124.
2) R. Lepsius, Ueber die Götter der vier Elemente bei den Aegyptern. Abhandl. der Berl. Akad.
d. Wiss., 1856. F. Diimmler 1857, S. 222. Was den Liebesgott Ahi, Sohn der Hathor, angeht, so ist
Lepsius im Rechte.
3) Plut., Is. und Os., cap. 10. Ebenso Diodor I, 11.
4) Pap. magique Harris ed. Chabas, VII, 6.
5) Pyr. d. Ppy I, 447 = Merenr 541 = Neferker' 1121. Schack von Schackenburg, Zur Grammatik
der Pyramidentexte, S. 29, Aegyptol. Studien I, möchte 1\ vor I einfügen; doch hat keine
Variante das m.
6)
s röwn Q 8 'wwv' rk ö
A^W\A
J)
/"#— • j. --vi r~j q /wvw\ ra <^>
( ösl ] 5 O \\ *-^ h' n Ppy pn hu' B' m K f „es erhebt sich
V- A www A. f\ rrvV — , 0
dieser Ppy mit dem Sonnengotte bei seinem Sicherheben". Ppy I, Pyr. 641.
7) Wn'is-Pyr. 532 = Tt'i 297. Hier hat die Variante „Set" statt „Stier'
135
falls schon in der Pyramidenzeit angenommen. In der des Meren R<x) heisst es: *|\ jl ^K
w
AA/WV\ £ü
n
o
u\
o
ö
„ und desgleichen , o Horus , man
reichte dir dein Auge, das du wiedererkanntest in der Halle des Fürsten, die sich in
A
Heliopolis (inw) befindet". Das ist der Osiris von Heliopolis, der
herrschende in Heliopolis (oder Esne)" und m T ffl
Eine der Bezeichnungen für das Auge heisst in diesen frühen Texten
1
ö
.der
der „Fürst in Heliopolis" genannt wird.
nichten, wenn anders wir den folgenden Satz richtig verstehen:
(l?kwA®
/WVW\ -OI>-
prt m dl di-f das aus seinem Kopfe Hervortretende, wie der Franzose von Augen „ä fleur
de tete" spricht.
Der verstorbene König, der die Sehkraft zurückgewinnen und als Auge der Gottheit
zur Erde niederschauen will, thut es dem Set nach, der damals noch nicht die dem Guten,
Geordneten, Lichten entgegengesetzte, böse, verwirrende, vernichtende und verdunkelnde
Macht der späteren Zeit ist, indem er dem Horus das Auge ausreisst und es sich selbst
einsetzt. Dadurch gewinnt er dann die Fähigkeit, mit den Horusaugen Sonne und Mond
niederzuschauen und seine Feinde (die Geister der Finsterniss oder des Dunkels) zu ver-
2(M ° ~
^ J \ /l AA/W\A L—i
~~^~ 5^ ^ TOw "es re*sst °^er schneidet aus (sd) dieser Ppy ihm das
Horusauge, und indem Ppy sein Auge (prt m di di-f) zu sich aufhebt, veranlasst dieser Ppy,
dass er (Ppy) mit seinen beiden vollständigen Augen sieht und dass er seine Feinde damit
vernichtet".3)
Diese schwierige That scheint indes nicht zur Ausführung gelangt zu sein; denn
Horus gibt, wie wir gleich darauf erfahren, dem Ppy freiwillig sein Auge. * J1 v\
a/ww\ Kr\$
AI ( DSM ] »es nahm weg Horus sein Auge und gab es diesem Ppy."
K^=a» — V A /www
(WWW
Nun sind die Augen des Ppy wie die des Horus die hellsten Himmelskörper Sonne und
Mond, die man sich auch als aus dem Kopfe der Himmelsgöttin Nwt herausglänzend denkt,
®
„die Flammenglut seines Auges" thätig. Pyr. des
x) Pyr. des MerenE' 124.
2) Pyr. des Ppy I, 456 u. 457. Durch die neuere Erkenntniss der Bedeutung von
prt m (h (h-f ergibt sich die Abweichung unserer Uebersetzung von der Maspero'schen, die als Ganzes
zu seinen bewunderungswürdigsten Leistungen gehört.
/WWA
3) Bei diesem Kampfe ist | <=
Wn is 436.
*) Pyr. des Ppy I, 457. Aus dem Todtenbuche erfahren wir mehrfach, dass es das Auge der Sonne
, ist, das die Feinde des Osiris verbrennt; Todtenb. Nav. 17, 44. Statt 'ir-t R' „das Auge der Sonne"
hat eine andere Relation nsr und nsrt mit \h und fL , d. i. „die göttliche Feuerzünglerin, die Flammen-
göttin".
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 18
136
wie der Ausruf aus jener Zeit beweist, auf den wir schon oben (S. 132 = 54) hinwiesen:
^ *) „o Nwt, es treten die beiden Augen hervor aus deinem Haupte".
Das Auge der vergöttlichten Seele des Königs ist in der Pyramidenzeit das des Sonnen-
gottes selbst; wir werden aber im folgenden Abschnitt auf eine andere Auffassung der Augen
des die Welt beleuchtenden Lichtgottes zu weisen haben, nach der sie nicht Sonne und
Mond, sondern das Licht sind, das das Tagesgestirn, und nur dies, auf seiner Bahn nach
rechts und links (Süd und Nord) ausstrahlt. In diesem Anschauungskreise werden, wie wir
sehen werden, die Augen des Osiris, oder wie der Licht spendende Gott sonst genannt wird,
anthropomorph zu den Zwillingsgöttinnen Isis und Nephthys, die auch auf der Bahn des
Gottes durch die Unterwelt ihre Pflicht als beleuchtende Augen erfüllen.
Der Verstorbene, dessen das Todtenbuch gedenkt, kommt der Sehkraft beraubt in die
andere Welt, und das Vermögen zu schauen, muss ihm daher (wie das Gehör, die Sprache,
der Gebrauch der Glieder) daselbst zurückgegeben werden. Im 26. Kapitel des Todtenbuches
soll der Verstorbene das Herz wieder bekommen. Hat er es empfangen und ist er in die
Barke, die er herbeiwünscht, gestiegen, will er den Mund zurückhaben, um zu sprechen,
die Füsse, um zu gehen, die Arme, um sich gegen seine Widersacher zu wehren etc. Dann
heisst es: afn n ^ Vi i i ä a ll^ft A h ' »möge er
(Gb, der Erdgott) öffnen meine Augen, die blind sind, und aufstellen (dwn = kopt. TtoOTH.)
meine Beine, die lahm gelegt sind".
Schon in der Grabkapelle wurden vor der Versenkung der Mumie in den Bir (Brunnen,
Schacht) der Gruft an ihr und an der Statue des Verstorbenen Ceremonien vorgenommen,
die ihm den Mund und die Augen zu öffnen bestimmt waren.3) Jeder Körpertheil des
Verstorbenen wird dann, wie wir bei der Betrachtung der Quellen in der zweiten Abtheilung
sehen werden, mit einem Gotte assimiliert oder unter den Schutz einer besonderen Gottheit
gestellt. Dies geschieht schon in den ältesten Texten, und die Liste der Gliedmassen, die
zu vergöttlichen sind, bevor die Apotheose eintreten kann, findet sich, wie bereits in den
Pyramiden, so noch — natürlich mit einigen Aenderungen — jeder Zeit, und auch noch
spät im Todtenbuche. Nachdem sämtliche Körpertheile denen eines Gottes gleichgestellt
oder einem solchen anvertraut sind, heisst es von dem Verstorbenen ' (, ^j\ ^^. I)
Y^ ^^fe^ V\ Jfl 4) „kein Glied ist an ihm, das ohne einen (frei von einem) Gotte wäre".
Dazu hören wir noch fügen <=> jjLJ ^S\ ^^_^ 1\ ^ Jfl Kä- ^^ > | || &) »von
*) Pyr. des Ppy I, 100. Merenr' 88 = Neferker* 95.
2) Todtenbuch 26. Nach dem Naville'schen thebanischen Texte mit Benutzung der Varianten. Auf
dem Holzsarg des Hatbastru zu Leipzig heisst es auf der Vorderseite C. rechts, Abth. 2, Z. 4 — 5: „Ich öffne
dir deine Augen, damit sie nicht blind seien*. Aehnlich in vielen anderen funerären Texten.
3) Einzelnes über diese Ceremonien, das Instrument P- — », womit die symbolische Oeffnung des
Mundes und der Augen vorzunehmen war, die bei dieser Handlung beschäftigten Menschen, die Reden,
die sie begleiteten, etc. bei Ernesto Schiaparelli, Jl libro dei funerali degli antichi Egiziani. Torino,
E. Löscher, 1882.
4) Turiner Todtenbuch ed. Lepsius 42, Z. 10.
5) Vatican. Pap. XXXVI ed. Marucchi, Monumenta papyracea Aegyptia bibliothecae vaticanae.
137
seinem Kopfe an bis zu seinen Füssen". Nach dieser Vergöttlichung ist der Verstorbene
dem Sonnengotte gleich und auch sein Lauf derselbe wie der des himmlischen Lichtspenders.
Erst hören wir also von jedem Gliede, welcher Unsterbliche ihm sein göttliches Wesen
leiht, dann aber wird uns auch von der in Menschengestalt gedachten Gottheit vorgeführt,
welche Aufgabe zu vollbringen jedem ihrer Theile oder Glieder im Leben des Alls zufällt.
In der Auffassung nun, die schon früh auf die pantheistische Weltanschauung weist
und die unter der 19. Dyn. am entschiedensten zum Ausdrucke kommt, sind die Augen
der Gottheit die Licht ausstrahlenden Körper Sonne und Mond, ist das rechte Auge der
Gottheit, die Sonne, auch die Ausgangsstätte der Wärme. Die Nase der Gottheit wird als
das Nest bezeichnet, aus dem die bewegte Luft, der Wind, hervorgeht und dem die Menschen
die Fähigkeit Athem zu holen verdanken.
Am deutlichsten und eingehendsten schildert eine Inschrift von Edfu die Gestalt des
Hauptgottes dieser heiligen Stätte, den man, wenn einen, mit dem Collectivnamen „ Gottheit"
bezeichnen darf. Es ist der C\ Ilr (Horus) Bhdt, den die Griechen ihrem
Apollon gleichstellten und der sie veranlasste den Hauptort seiner Verehrung Apollinopolis
zu nennen. In den Texten aus der Ptolemäerzeit, die sein wunderbar wohlerhaltenes Heilig'-
thum schmücken, tritt uns die henotheistische Auffassung besonders kenntlich entgegen;
denn der Horus von Edfu ist nicht nur der Localgott von Apollinopolis, sondern auch ein
Verehrungswesen, das die Kräfte und Befugnisse jeder anderen Gottheit in sich zusammen-
fasst, ohne doch diesen die Eigenschaften abzusprechen, die ihnen sonst zuerkannt werden.
Sorglos lassen seine Anbeter die übrigen Götter neben ihm bestehen, doch räumen sie ihnen
keinen Einfluss auf den Horus ein, der ihnen im Grunde doch alles verkörpert, was jenen
im Bewusstsein anderer und auch in ihrem eigenen zukommt, wenn sie sich wegen der
ihnen zugeschriebenen besonderen Kräfte an sie wenden. So gibt es denn kaum eine
Aeusserung göttlicher Macht, keine von dem Einflüsse der menschlichen Thätigkeit unab-
hängige Erscheinung im All, die ihm nicht von jenen Texten zugeschrieben würde, und
dieser Umstand gibt jener Auffassung vom Wesen der Gottheit ein Ansehen, das doch
auch nicht unzutreffend „pantheistisch" genannt werden dürfte.
Das heilige Thier, in dessen Gestalt man ihn anbetete, war der Sperber, und dieser
Vogel erschien in der That wohl geeignet, durch seine im Verhältniss zu seiner Grösse
bedeutende Kraft, durch den Flug, der ihn blitzschnell zum Himmel aufschwingt, durch
das tadellos glatte, bunte Gefieder und durch den feurigen Blick des Auges das Wesen
dieses Gottes zu versinnbildlichen.
Ihn selbst stellte man sich in menschlicher Gestalt und gewöhnlich (nicht immer)
sperberköpfig oder — gerade in Edfu, wo ein Theil des Kampfes der feindlichen Brüder
ausgefochten wurde — als geflügelte Sonnenscheibe vor. In Gestalt einer solchen se?
hatte er den Sieg über Set und seine Genossen erfochten. Der nämliche Text, der seine
Körpertheile aufzählt, stellt auch das Verehrungswürdige zusammen, was ausser dem Horus
von Edfu der Tempel sonst noch umschloss. Erst die Götter und Göttinnen, die hier neben
dem Horus angebetet wurden, dann die göttlichen Körpertheile seines Vaters in der capsa
mystica, d. i. die Glieder des Osiris, die zu Edfu, wie jene anderen, die wir oben als Reliquien
von Dendera kennen lernten, aufbewahrt wurden. Diese soll freilich der König in den
Tempel der Hathor gebracht haben, während es von den Osirisgliedern zu Edfu heisst:
18*
138
A^ .»»^ ^^ / — - *f ^ v »die du in deiner Stadt fandest". Damit wird bestätigt, dass das
Osirisglied von Edfu t\^ ^ c^m-£ »der heilige Leib des Gottes", schon von Alters her in
Apollinopolis magna aufbewahrt wurde. Es folgen in unserer Inschrift dann als weiter der
Verehrung werthes: \ t t ' 'vwwv *^e runenden (ltn Friedhof rastenden)
heiligen Mumien von Apollinopolis".2)
Die für uns interessanteste Stelle dieser Inschrift ist diejenige, die angibt, welche Auf-
gabe die einzelnen Körpertheile des Gottes zu erfüllen haben, der das gesammte Leben des
Weltalls personifizierte.
Da heisst es zuerst von den Augen3) T T ^^ ^*, V ^ () (J JE* A =§ ?() ©1
„deine beiden Augen,4) die Wärme verleihen, dein rechtes und linkes5) Wd?-t-
AA/W\A l I ' ] I I
Auge (Sonne und Mond), die mit Licht umfangen die Finsternisse".
Diese Sätze gedenken der wärmenden und erleuchtenden Kraft der Himmelslichter.
Es folgen die Augenbrauen 1k . smd, die als besonderer Körpertheil betrachtet
<0 A
werden, und ihnen die schon oben erwähnte Nase, die S»««»7^ XZH ss n tnv'i6)
ein Nest für den Wind genannt wird, durch den die Nasen Athem schöpfen. Die nächste
Zeile bezeichnet die Lippen ( n c^: '?) als ,__ , a Q die .Thürflügel des Himmels".7)
Die Zunge j! ^\ \ ' whm (eigentlich der Wiederholer), wiederholt, erneuert, führt
zu neuem Bestand das Lebende, und der Gaumen, der auf der nämlichen Zeile erwähnt
wird, hat abzuschätzen die Kichtigkeit (Wahrheit).
i ^^ Vs. — jf-^oASv X *= ist doch wohl besser zu übersetzen: „deine
Kiefer" als dein Schnabel mit den Zähnen.9) Sie werden mit dem Götterkreise des Horus
ff
2) Dümichen, Altägyptische Tempelinschriften, I. Weihinschriften aus dem Horustempel von Edfu,
Leipzig 1867, Taf. XXXIX, Z. 12. Dieselben Inschriften werden mit dem ganzen schriftlichen Schmuck
des Edfutempels nach der Copie des zu früh verstorbenen Marquis de Rochemonteix von Maspero und
Chassinat publiciert in den Memoires de la mission archeologique francaise au Caire.
2) 1. 1. T. XXXIX, Z. 13.
3) 1. 1. T. XL, Z. 1.
eigentlich Spiegel im Sinne von „ Spiegel der Erscheinungswelt" mit den Augen
determiniert, 'nh hier als Ohr zu fassen, geht nicht an.
5) Man bemerke, dass die beiden "^^ Augen in verschiedener Richtung geschrieben sind, um
das rechte und linke, Sonne und Mond, zu bezeichnen.
6) 1. 1. XL, Z. 3.
7) 1, 1. XL, Z. 4. Diese beiden Sätze beweisen, dass man sich den Horus von Edfu auch in
Menschengestalt ohne Sperberkopf vorstellte, weil sonst statt „Nase" und „Lippen" Schnabel und
Schnabelränder stehen müsste.
8) 1. 1. XL, Z. 5. Bei Dümichen ist für ^"^ — | zu corrigieren und in die Lacune ^ einzuführen.
9) 1. 1. XL, Z. 6. ^T^ w^rc^ gerade an dieser Stelle (Brugsch, hierogl.-d. Wörterb. S. 1601)
M I I
139
\\ v\ v\ psd-t ntr verglichen, der Lichtglanz %$£ p§ §p schenkt. Hierbei wird
doch wohl an den weissen Glanz der Zähne gedacht, die sich aneinander reihen wie die
Mitglieder des Cyklus der glänzenden Lichtgötter, denen der Gott von Edfu angehört.
Was der Schnabel mit jener himmlischen Neunzahl zu thun haben sollte, ist uns unerfindlich.
Auf die anderen hier erwähnten Körpertheile einzugehen, geht nicht an. Die Liste
von Edfu, zu der sie gehören, wird weiter unten noch einmal berücksichtigt werden. Hier
galt es nur, zu zeigen, dass auch die Gottheit es sich gefallen lassen musste, in ihre Theile
zerlegt zu werden. Das Bild, das diese „ Zergliederung* ergibt, ist darum aber kein kleines.
Im Gegentheil! Es zeigt eine Göttergestalt gross und dauerhaft wie das Weltall, deren
Augen mit den schön erhobenen Brauen, die von Blindheit nichts wissen1) — d. h. die
nie auf eine Trübung des Organes, das sie beschatten, niederschauen — , Licht sind und
Wärme spenden. Aus ihrer Nase braust der Sturm hervor, und es entweht ihr die Luft,
die den Erdenbewohnern zu athmen gestattet. Wenn ihre Lippen sich öffnen, ist es, als
würden die Thorflügel des Himmels aufgethan. Was ihnen entfliesst,2) das ernährt die Erde.
Die Zunge dieser Riesengestalt lässt das Leben neu erstehen; — denn das Wort der Gott-
heit {Xoyog) ist Befehl und besitzt schöpferische, belebende Kraft. Ihr Gaumen, der kostet
und abschmeckt, misst durch sein Urtheil ab,3) was wahr und richtig,4) d. h. was der
Harmonie entsprechend ist im Weltall. Zeigen sich, nachdem sie die Lippen geöffnet, die
Zähne an den Kiefern dieser Gestalt, so erinnern sie durch ihren Glanz und vielleicht auch
durch ihre Kraft an den Cyklus der neun Götter, der sich strahlend hell um den Gott reiht.
Die Inschrift, die uns beschäftigte, würde gestatten, dies gewiss nicht kleinliche Bild
weiter auszumalen. Wir besitzen auch viele andere ähnliche Schilderungen der Person
einer Gottheit. Sie machen uns mit der Vorstellung bekannt, die sich die Aegypter von
den Unsterblichen bildeten. Es fehlt dabei nicht an Edelgestein und Metall, sowie an
glänzenden Farben. Auf die höchst phantastische Beschreibung der Person des vergött-
lichten Nbsny werden wir zurückzukommen haben. Auch sie' enthält eine Aufzählung der
für den Schnabel des Vogels gehalten, und es kann auch diese Bedeutung haben, doch wechselt es mit
. ri der Mund, und welcher Schnabel wäre wohl mit Zähnen besetzt? Unsere Gruppe mit „ Schnabel"
wiederzugeben, würde sich nur empfehlen, wenn die Gestalt des Horus hier statt ganz menschlich sperber-
köpfig gedacht würde. Nach Abschluss dieses Mscr. kam uns K. Piehls Abhandlung „Texte provenant
du grand temple d'Edfu" aus den „Actes" des 10. internationalen Orientalisten-Congresses 1896 (Leiden,
Brill. 1896) zu Gesicht. Er übersetzt „Son bec avec les dents" und denkt dabei an den sperberköpfigen
Gott, während er ihm doch Augenbrauen, Nase und Lippen zuerkennt. Z. 12 hat der Gott freilich auch
Flügel ; diese aber doch wohl nur, weil er ohne das sich zum Himmel erheben nicht gedacht werden kann.
l) 1. 1. XL, Z. 2. © *$\ -^_. m ^fc-ä,' »^e nichts wissen von Blindheit".
lcfnc'i. Im kleineren Berl. medicin. Papyrus 5, 1, 7 VN, „°°° kfjw. Im
Pap. Eb. 50, 1 u. 2 *~ / kff. Die Milch der Amme *— f°°' 1 lff-t s, die sie von sich gibt,
die ihr entfliesst. Weiter unten findet sich Näheres über die Ausflüsse der Götter.
3)^^— *Sw-*-
mi'-t „die Wahrheit, Gerechtigkeit, das Richtige, Harmonische"
140
Körperfcheile und zeigt, in wie schöpferischer Weise die Einbildungskraft der Aegypter die
menschliche Gestalt bei dem Vergöttlichten zu verschönern, farbiger, kostbarer, fester zu
gestalten trachtete.1)
Hier wenden wir uns zu den Augen der Gottheit zurück, die eine vornehme Stelle
in den mythologischen Vorstellungen der Aegypter einnehmen.
Schon in den ältesten Texten spielten sie, wie wir schon zeigten, eine keineswegs
unbedeutende Rolle. Später werden die Ideen, die sich an sie knüpfen, weiter entwickelt,
in der Ptolemäerzeit aber beherrschen sie nicht nur die mythologischen Vorstellungen der
Aegypter, sondern dringen auch schon in Folge des Umstandes, dass zahllose Naturproducte
als Augen der Gottheit, gewöhnlich als „Horusauge" bezeichnet werden, in viele Gebiete
der priesterlichen Thätigkeit und sogar in das Privatleben ein.
2. Die "^p; wdi-t oder Heilsaugen.
Auf Rc als Sonnengott und Dhwti* als Mondgott einzugehen, ist hier nicht der Platz.
Das Wrh-t-Auge (ursprünglich das der Himmelsgöttin) wird früh zu dem des Rc, aber auch
zu dem des Osiris und Horus, was ja bei der Vermengung dieser Gottheiten und wegen
des Umstandes, dass das zum Manne heranwachsende Horuskind zu Osiris und zu Rc,
d. i. zur Sonne in der Mittagshöhe wird, leicht erklärlich. Hier zu differenzieren wäre
vergebene Mühe. Bei Horus ist das wdi-t- das von Set unverletzte Auge.
Die Mythen, die sich auf die Augen der Gottheit beziehen, knüpfen sich gewöhnlich
an die Person des Horus, und zwar schon in der Pyramidenzeit, — den Namen des Wd?-t-
Auges konnten wir aber in den Ȋltesten Texten" nicht finden, und mancherlei, was man
ihm später zuschreibt und von ihm aussagt, ist zweifellos das Product späterer Zeiten. In
ihnen wird das Licht spendende Auge der Gottheit das *^^ Wdj-t-Auge genannt, und es
kann Sonne und Mond, je nach seiner Stellung, bedeuten. Es wird ^\ J v\ £"cp: wdi-t
geschrieben; wdi aber bedeutet heil und gesund sein, Heil und Gesundheit. Mit Unrecht
wurde es indess für das heilspendende Auge gefasst; man muss es vielmehr als das heile,
gesunde im Gegensatz zu dem kranken und beschädigten ansehen, da es bedroht,*) verletzt,
AAAAAA U
ja ausgerissen worden war und immer noch in der Periode des Entsetzens csn *pvj nsn,
d. h. in der der Eklipse, von Verdunkelung befallen werden konnte. Diese dachte man
sich als x ^ d. h., wie Le Page Renouf3) zeigte, als „hairy nef, das sich eine Zeit
/www
lang über den Himmelskörper hinzieht und seine Verfinsterung bewirkt. Dhwti', der,
ursprünglich Mondgott, dem Mass und der Ordnung, der Wissenschaft, der Kunst — auch
J) Ed. Naville, Un chapiere inedit du livre des morts; Zeitschr. 1873, S. 81 fgd. Später in
photographischer Publication erschienen. Aehnliche Beschreibungen von einzelnen Gottheiten kommen
mehrfach auch unter den Tempelinschriften vor, z. B. auf denen des Heiligthums in der Oase el-Charge.
2) Set fiel das Auge des Horus als schwarzer Eber an und wurde von seiner Glut verbrannt;
Todtenbuch 112, 3—5. Uebersetzt und interpretiert von E. Lefebure, Le Mythe Osirien, Paris 1874, I,
S. 9 fgd.
3) Renouf, B. o. th. d. S. 46 u. 47. S. auch Maspero, Proceedings der Soc. of bibl. archeol. XIV, S. 314.
141
der ärztlichen — vorsteht, ist es, der es vom Schleier der Dunkelheit befreit. Erst, wenn
er dies vollbrachte, ist — hier der Mond — das V\ | <K\ &pi wdi-t oder „heile Auge",
von dem dann ausgesagt wird, es sei -r | I ~ Ja ^\ "^» cnh wdi snb nn bgj-s nb
»lebend, heil, gesund und gar kein Schaden daran". Dhwti ist stets derjenige, welcher das
von Set geschädigte Auge heilt, es vor seinen Feinden rettet1) oder in den rechten Zustand
zurückbringt. Nach einer beliebten Fassung der Mythe soll er das ausgerissene Auge des
Horus gefunden und es ihm wieder eingesetzt haben.2) In Edfu wird von Dhwti (hier
mit dem Beinamen 3istn) gesagt, er stelle her das Horusauge (*?^~) für seinen Herrn, er
^____^ //vww\ \
befreie das Auge "^^ von Web, er befestige das Gottesauge I <=> -<s>- ntr 3ir-t\ an seinen
Platz und stelle Horus zufrieden mit seinem Auge.
Hier bedeutet, wie Le Page Renouf3) richtig bemerkt, ^^ wdi-t das „daily light
of the sun". Das Licht spendende Sehorgan der Gottheit ist aber, wie gesagt, ebenso oft
das des Osiris und Horus wie des Rc. Horus ist es, dem am Morgen sein Auge wieder-
gegeben wird, um die Welt am Tage zu erhellen.4) Das Horusauge als Mond wird aber
in den späteren Texten gleichfalls ^^ genannt. Dazu gibt man ihm auch eine ziemliche
Anzahl von prunkenden Nebennamen, deren Bedeutung so durchsichtig ist, dass man sie
kaum mystisch nennen darf. Die meisten fanden sich in den Ptolemäertempeln von Edfu
und Dendera.5) Natürlich hiess man den Mond im Gegensatz zu dem rechten Auge der
Gottheit (die Sonne) " ¥ o Hr-t 3ibt oder 7k -cs>- 'ibt mit dem Determinativum -<2>-.
Er ist auch -<o>- v\ , 'ir-t Hr „das Horausauge" xax'' e^ox^v, doch bleibt darum die
Sonne gleichfalls ein Horusauge und wird mit diesem mythologischen Namen bezeichnet,
wenn sie auch, und zwar schon in den Pyramidentexten ebenfalls i ir-t IC „das Auge
des Rc" genannt wird. Dann heisst der Mond : cnh ^ -o>- 'ihw-t „das glänzende seil. Auge,
das Glanzauge". Auch dieser Name kommt der Sonne, dem rechten Auge der Gottheit
mit zu, da z. B. eine Edfuer Inschrift Sonne und Mond ^, © -<2>- ihw-t'i „die beiden
glänzenden" seil. Augen oder „die beiden Glanzaugen" nennt. -¥-Q „das lebende" seil.
rettet das Horusauge vor seinen Feinden"; Mariette, Abydos I, T. 37.
2) Noch eine andere Fassung der Mythe lässt Horus selbst das ausgerissene Auge suchen.
q Q. I |\ \\ ~~™ §0 0\\ <s>- ,
Sl 0 0 V5r »Ich bin Horus und gehe aus, indem ich meine Augen suche".
Mariette, Abydos p. 39.
3) Le Page Renouf 1. 1. p. 125.
4) (J v^ \^. ^ *~ T ^"^1 ' ■•• ' .Horus ist es, dem sein Auge wiedergegeben wird
l Ja _ffi^ a*n o I k © {
am Morgen".
5) H. Brugsch, Wörterb. Suppl. S. 114.
142
Auge, das Lebensauge, T\\ ntr-t „das göttliche seil. Auge", mr-t „ das geliebte",
H_1F -<2>- < > -<E>-
^^? wr-t „das grosse" seil. Auge.1)
Immer nur in später Zeit und besonders zu Dendera und Edfu wird der Mond aueb
das
I * I I \f ^ , I ^ .^gs- 1 Sbk-t-Auge genannt. Es wird damit besonders der
zunehmende Mond gemeint, und der Name sbk bedeutet doch wohl im Vergleich mit dem
in der Schwangerschaft sich rundenden Leibe der Frau „das geschwängerte" (Causativform
von \7 ch bk, J <<o^ äv bik „schwanger, schwanger sein, — das schwanger gemachte"), —
während Brugsch das Sbk-Auge das „gesalbte" übersetzt und sbk auf das uns schon bekannte
Moringaöl J Zlf)^, ] <<^^ ^^ 5ft, foft und das mit ihm zusammenhängende I Jzi^fWj sbk
(Causat.) „Moringaöl gebraueben" d. i. salben zurückführt. Wir ziehen unsere Deutung vor
wegen des vom Mond gebrauchten Satzes: \7m) ^__~ww* ^gr ^er jVIond) wurde
geschwängert am Neumondsfeste" und wegen ähnlicher Sätze. Als I J sbkt wird das
Mondauge während der ganzen Zeit der Zunahme bis zum Stadium des Vollmondes gebraucht,
da z. B. in Dendera von ihm ausgesagt wird : °<=>\ I J t o o| mh sbkt m dt-s
„voll ist die (geschwängerte) sbkt an ihrer Gestalt". Dass man sich das Sbkt-Auge weiblich
vorstellte, beweist das femin. Suffixum.
Hierzu muss kurz bemerkt werden, dass die Sonne keineswegs allein für das Auge
des Himmelsgottes Horus, des Sonnengottes Rc oder später des Amon Rc angesehen wurde;
sie wird vielmehr auch als Auge des Osiris und des Tum bezeichnet. Dieser (Tum) ist
allerdings wie Rc und Horus Sonnengott und schon nach den ältesten Texten älter als Rc.
Da das Licht nach der Anschauung der Aegypter aus dem Dunkel hervorging wie das
Leben aus dem Tode, ist Tum, der später die untergehende Sonne darstellt, der uranfängliche,
der vor allen anderen Göttern da war. Seine Verehrung als Sonnengott geht der des Rc
voraus. Nachdem er das Dunkel der Unterwelt durchlaufen, tritt er als Horus wieder
am östlichen Horizonte hervor. In der Ppy-Pyramide heisst es: (, ~jy* ( □'|i| ]
y l ^j\ V ¥\ <=> v\ l\|\ä= Q „es ergreift Ppy die Uräuskrone dort gleichwie
(mr = mi) Horus, der Sohn des Tum".2) Der dem Tum im Regiment nachfolgende
Horus wird also in jener frühen Zeit geradezu der Sohn des Tum (statt des Osiris) genannt.
Nach einer anderen Auffassung erhält Horus, wenn er sich als Frühsonne aus dem Wasser
oder aus der Lotosblume erhebt, von Tum das Wdj-t-Auge. Natürlich überlässt auch Osiris,
der in der Unterwelt herrscht, am Morgen das Auge seinem Sohne Horus. Von ihm geht
es bei seinem höheren Stande am Himmel auf Rc und am Abend auf Tum über. In der
Mittagszeit herrscht Sechmet (Shmt), die löwenköpfig dargestellte Glut der Sonne, die darum
x) An der oben angeführten Stelle werden im ganzen 14 dieser Namen mitgetheilt, die sämtlich
den hier gegebenen im Charakter entsprechen.
2) Pyram. d. Ppy I, 162.
143
auch am Haupte des Rc unter dem Namen der ^ J)n nbt wnwt oder Herrin der
£H A/WW\ £2± \(J \
Stunde als Diadem und an der Spitze der Sonnenbarke als Streiterin gegen die Feinde
fcfä I 11 qOS
des Rc gedacht wird.1) Es wird von ihr gesagt: „„ ^7y T^ >ir"^ ^r Shmt piv, „das
Horusauge, das die Göttin Shmt ist*.2)
Die Geschwister Schu und Tefnut, die beiden Löwen, die älter sind als sogar die
Himmelsgöttin, die schon vor der Geburt im Leibe ihrer Mutter Tefnut mächtig gewesen
sein soll3) und die eine Tochter des Schu genannt wird,*) werden dann auch als Kinder
des Rc oder Tum bezeichnet. Auf der Metternicbstele werden sie „Augen des R'" genannt;
& -<2>- ' h -<S>-
denn ihm wird gegen seine Vergiftung als Beschwörung zugerufen: ff VQ . ({ "%\ ffi ^ Q^
| | I 2J) 1 5CX ) „dein rechtes Auge ist Sw, dein linkes Auge ist Tfnwt. Es
sind die Kinder des Rc". Von Schu wird ausgesagt: Jj y | ^^ ° "^Z> wr /wvw l
/WWNA
J'jx^^oJf6) »der da bringt das Wch-t-Auge seinem Vater Rc". Schu (sw), der den
Himmel aufhebt und stützt, ist bis spät (Fenster zu Dendera und sonst) die Luft, und mit
der Uebergabe des Wd?-t-Auges an Rc durch Schu scheint in der That gemeint zu sein,
dass Schu, die Luft, die schon vor dem Sonnenaufgang ihr Licht (ihr Auge) hat, dies beim
Erscheinen des Rc ihm übergebe, nachdem er die Macht seiner Feinde (die Finsterniss und
die Dünste der Morgenfrühe) überwunden.7)
Auch Isis und Nephthys werden Augengöttinnen ^_^ [u\lü\ mrii oenannti
doch hat man sie sich nicht als Sonne und Mond, sondern in einer anderen Auffassungsweise
am Haupte ihres brüderlichen Geliebten und Gatten Osiris zu denken. Le Page Renouf
ist dem Vorkommen der göttlichen Zwillingsschwestern als Licht spendende Augen sorgfältig
nachgegangen.8) Scheinen uns auch einige der symmetrisch gegenüberstehenden Doppel-
symbole, in denen er Isis und Nephthys erkennt, diesen Göttinnen nicht eigentlich gleich-
gestellt werden zu dürfen, so gehören ihnen doch die meisten mit voller Sicherheit an.
Isis und Nephthys kommen unzählige Male an der Seite ihres brüderlichen Gatten
Osiris, am häufigsten zu Häupten und am Fussende seines Todtenlagers vor. Schon aus
x) Todtenb. Leps. cap. 15, 4 und 5.
2) Brugsch, Calendrier XI, 8, c. Die zuerst von Erman vorgeschlagene Lesung Shmt wurde jüngst
von Piehl bestätigt, der zu Edfu (Rochemonteix 45) den Namen der Göttin y Shmt geschrieben
fand; Schriften des 10. internationalen Orientalisten-Congresses. (Leyden, Brill.) 1896, S. 12G.
3) Pyr. d. Ppy I, 62. Mr n Rr 83.
*) Pyr. d. Ppy I, 64. Mr n Re 68.
5) Metternichstele ed. Golenischeff Z. 149. Auch sonst werden Schu und Tefnut mit den Wcb-t- Augen
identificiert. Mag. Pap. d. British Museums N. 825, 1, 2.
6) Pap. magique Harris ed. F. Chabas, Chalon sur Saöne 1860, I, 9.
7) V. von Strauss und Torney, Die altägyptischen Götter und Göttersagen, Heidelberg 1889, S. 52.
In dem aus dem Pap. magique Harris angeführten Satze halten wir das «««*« für das Zeichen der dativen,
nicht für das der genitiven Beziehung.
8) Le Page Renouf, zu Cap. 37 und 125 seines B. 0. th. d. S. 85 und 225 fgd.
Abh. d. I. CT. d. k. Ak. d. Wies. XXI. Bd. I. Abth. 19
144
dem 17. Kapitel des Todtenbuchs ist bekannt, dass sie die c& fe\ 6\ oder 6\ v^-
<=> _S^ JÖ^ Jö* _S^ \\
„Drti'- Vögel", docb wohl Falken sind, die im 37. Kapitel des Tur. Todtenbuchs Z. 1 als
§§^$$1I-0J]$ ^Pnl/n rWlii snii mrii »Zwillinge, Schwestern, göttliche Augen*
angerufen werden.
Aus dem 17. Kapitel Z. 12 erfahren wir als Erklärung des Umstandes, warum der Gott Min
die Doppelfeder auf dem Haupte trägt,1) Isis und Nephthys wären ausgegangen und hätten
sich in Gestalt jener beiden Drti'-Vögel (Falken) auf seinem Kopfe niedergelassen.2) Diese wären
(in Gestalt der Doppelfeder) auf seinem Haupte verblieben. Es könnten aber auch (v-^°)
statt ihrer sehr grosse Uräusschlangen von der Stirn ( — ^\ 'im lit\ seines Vaters
Tum für sie eintreten oder auch seine beiden Augen. Daraus ergibt sich die Gleichung:
Die Doppelfeder auf dem Kopfe des Min [] = n^ Ng^ Isis und Nephthys in Vogelgestalt
die beiden Uräusschlangen vom Haupte des Tum = die beiden Augen seil,
ttheit, und gewöhnlich des Osiris. Wird Osiris angerufen:3) *v^\g^
""" , was Renouf zutreffend übersetzt: „Thou of the pair of eyes", so wird er als
Gott mit dem göttlichen Augenpaare bezeichnet, weil Isis und Nephthys für seine Augen
angesehen werden. In dieser Auffassung (Augen des Osiris) begegnen uns Isis und Nephthys
in verschiedener Form unzählige Male auf Stelen, Särgen und anderen Denkmälern. Sehr
häufig werden sie als 5n5 einander gegenübergestellt. Oft steht zwischen beiden Q, der
Ring, der den Kreislauf von Sonne und Sternen und die regelmässige Wiederkehr der
Nilschwelle bezeichnet. Unter ihnen steht auch häufig %$%£ das Wasser oder SJ oder beide,
O 'WWW '
und zwar mit der Bedeutung des „Wassers der Erneuerung" d. i., wie wir schon sahen,
Osiris. ^5p 'ZCOSX ^fPT, ^ a'so von gleicher Bedeutung wie die Darstellung des Osiris, der
A/WW\
zwischen Isis und Nephthys steht, die ihn mit den ausgestreckten Händen umfangen.*) Das
Gleiche gilt von Ä ff g| und anderen von Renouf gleichfalls mitgetheilten Symbolen.5)
Der nämliche Gelehrte, der Isis und Nephthys zuerst für Dämmerungsgöttinnen erklärte,
zeigt nun, dass sie auch das Licht darstellten, das von der Sonne bei ihrer Fahrt über die
Ober- und Unterwelt nach rechts und links, bei der Tagesbahn von Ost nach West nach Süden
und Norden hingestrahlt wurde. Dabei wird es als <ron den Augen des Sonnengottes (hier
Osiris) ausgehend gedacht, und diese Augen sind Isis und Nephthys. So versteht sich auch
leicht der Satz:
n
|H <=> *^ shä nf ti m ntrt'i-f „er erleuchtet die Erde
[[ swti-f m (hdi-f „seine Doppelfeder auf seinem Haupte"
2) Es muss bei der Uebersetzung „Falken" bleiben, obgleich auch für „Krähen" einiges spricht.
3) Renouf, B. o. th. d. S. 225. Variante zu Todtenb. ed. Naville c. 125, 5, Taf. CXXXIII. J^ k^_ .
4) Pap. des British Mus. Nr. 9901 und Leyden Nr. 11. Renouf, B. o. th. d. Taf. XXXIII links unten.
5) Renouf 1. 1. S. 226.
145
mit seinen beiden Augengöttinnen", d. s. Isis und Nephthys. Beide wirken stets zusammen
und sind nicht einzeln wie die Augen der Himmelsgöttin Nut etc. als Sonne und Mond
anzusehen. Vergegenwärtigt man sich die Bahn der Sonne, für die Osiris hier eintritt,
von Ost nach West, so ist es natürlich, dass ihr rechtes Auge (Isis) nach Süden, ihr linkes
(Nephthys) nach Norden schaut, und man wird verstehen, warum Isis bis in späte Zeit
<=> ^ — fl^t0 »das Auge der Südseite", Nephthys <=> « — fluT „das Auge der Nordseite8
genannt wird. Nach der Auffassung, die das rechte Auge des Himmels oder später des Licht-
gottes die Sonne, das linke den Mond sein lässt, schliesst sich jenes, wenn dieses sich öffnet,
nach der anderen aber müssen beide sich zuthun, sobald der Sonnengott den Oberweltlichen
sein Licht entzieht, — wie es denn auch heisst:
0 ^w ^2>- <g
J|v
i w i
t <=>
Jg^> chni 'irw'i m msr „es schliessen sich beide Augen am Abend".1) Diese Auf-
0 | v O /
fassung von Göttinnen als Augen des Sonnengottes meinen wir auch in verwandter
Anschauungsweise in der phönizischen Religion wiedergefunden zu haben; denn die Tanith
wird in ihr zwar nicht als „Augen", aber doch als Angesicht des Ba'al bezeichnet.2) Von
ihr, die der sidonischen Astarte entspricht, heisst es auf Votivtafeln, die der karthagischen
Göttin und dem Ba'al zugleich gewidmet sind, „der Herrin Tanith, ^J)3?0 dem Angesichte
des Bacal". Dieser Beiname der phönizischen Göttin leitet sich doch wohl von der nämlichen
Grundanschauung her, die in gewissen ägyptischen Göttinnen das Auge (Gesicht) des
Sonnengottes erkannte.
Es sei hier zur Verdeutlichung des Gesagten noch der Edfuer Darstellung
des Harmachis ( V^?) gedacht, die den Gott sitzend und mit dem neben-
stehenden Januskopfe zeigt, über dem das Auge ^jp schwebt. Die Beischrift
lautet: Q Bs ° ^b>=^|^= m %r nw ^r^ »m^ ^era Antlitz der beiden Falken", d. s. die
Falken oder Augengöttinnen Isis und Nephthys. Das Ganze besagt: „Das Auge des Har-
machis, das mit dem Gesicht (auch dem Sehorgan) der Augengöttinnen Isis und Nephthys
nach rechts und links, Süden oder Norden schauend, die Erde erleuchtet". Es sei noch
bemerkt, dass auch die beiden Zwillingsgöttinnen Sonnenaugen ^o | >\ :gp= ivdi-t
genannt werden.
Ursprünglich wurden also Sonne und Mond anschaulich und zutreffend als Augen der
Himmelsgöttin Nwt betrachtet. Dann schreibt man die göttlichen Augen unter dem Namen
der Wdj-t-Augen den verschiedenen Formen der Lichtgötter, und zwar erstens als Sonne
und Mond und zweitens — vom ersten Beginne des neuen Reichs an, als der Süd- und
Nordseite der Erde Licht spendende Augen — dem Sonnengotte, und nur diesem, zu. Sie
erhellen seine Bahn durch die Ober- und Unterwelt. Bei der Fahrt durch diese gehören
sie unter dem Namen der Isis und Nephthys dem Osiris, dem Beherrscher des Jenseits, bei
der Fahrt durch jene der an den Himmel der Oberwelt versetzten Seele desselben Osiris,
d. i. dem Rc an, der „Seele des Osiris" genannt wird. Daher auch die Bezeichnung der
göttlichen Zwillingsschwestern als „Augen des Osiris".
l) Brugsch, Wörterb. Suppl. S. 280.
2J K. Schlottmann, Die Inschrift Eschmuna/ars, Halle 18G8, S. 142.
19'
146
3. Die Ausflüsse aus den Augen und aus dem Körper der Lichtgötter.
Aus den Augen nicht nur des Horus, sondern auch aus denen der anderen am Ende
des vorigen Abschnittes genannten Götter fliesst alles, was es hienieden an edlen, werth-
vollen, guten und an besonders nützlichen Dingen gibt. Ihnen sollen sogar die Elemente
entstammen und schon in den alten Pyramidentexten wird des Lebenssaftes gedacht, der von
Osiris ausfliesst. Die meisten kostbaren Naturproducte, die aus ihnen verfertigten Gegen-
stände, kurz alles, was man, um dem Geruchssinn oder Gaumen zu schmeicheln, oder
um es für Heilungszwecke zu verwenden, besass (unter den Mineralien besonders Edel-
steine und medizinisch Verwendbares), wird von dem Auge der Gottheit, gewöhnlich von
dem des Horus hergeleitet. Ihm dachte man sich Substanzen wie Honig, Weihrauch und
Myrrhen entflossen, aber auch die wirksamsten Medicaraente und Salben, das nützliche
und helle Feuer etc. Endlich aber nannte man diese vortrefflichen Dinge nicht mehr nur
noch correcter Weise „ Ergüsse aus den Götteraugen", sondern nach der Stätte ihrer Herkunft
schlechtweg „Horusaugen".
Diese Erklärung der Provenienz der köstlichsten Naturerzeugnisse und ihre Benennung
stammt schon aus uralter Zeit. So heisst es vielleicht von einer mannartigen Substanz
AA/WV' w^= n^6 ^T n) n* "es k*°pft ^as Horusauge auf die Zweige des
dnw-Baumes oder Strauches (kaum „Oelbaum")". In der Pyramide des Nfrkjrc wird das Oel
bezeichnet als ^"^ Yj <=z=> V\ V\ ) „Oel, das hervorgeht aus dem Auge des Horus".
Duftende Spezereien werden überhaupt in den nämlichen Inschriften „ Horusauge" genannt.
In derselben Pyramide heisst es : ^ ^ ^\^ <cz> v\ <s>- v\ c^. v\ (, I s=5 )
„Ich bringe dir das Horusauge (kostbare Spezereien), dass es sich ausbreite als Duft", oder:
I H ) „Ich bringe dir dar das Horusauge (die kostbare Spezerei)
O—-^-
AAMM
und führe es dir an dein Gesicht".
Wir werden auch sehen, dass schon in der Pyramidenzeit nicht nur Ausflüsse aus dem
Horusauge, sondern auch aus anderen Körpertheilen verschiedener Götter als köstliche Gaben
der Himmlischen angesehen werden. Auch das Feuer kommt schon in diesen ältesten Texten
O /WWVA
w ? « ° ©
MIN
als Horusauge vor. In der Tt'i- Pyramide wird z. B. gesagt:5) f) <=> \\ q-^5^^^ . „das
V o o I
Feuer seines Auges" solle kreisen zur Seite des St.
In den Schriften aus dem neuen Reiche und aus der Ptolemäerzeit finden sich Beispiele
für das Gesagte in grosser Fülle.
Sehr bezeichnend heisst es in einer Beschwörung des Papyr. Ebers : 6) 0 T <5
!) Pyr. d. Wn'is 201.
2) Pyr. d. Neferker' 483.
3) Oder 1. 1. 70. „Nimm den Duft des Horusauges zu dir" etc.
*) 1. 1. 369.
5) Pyr. d. Tt'i 249, Grundtext von Wn'is 436.
6) Pap. Ebers 60, 17—19.
147
w
V^ 19) v\ Ajj\ ,komm, o komm Grünspansalbe, komm grüne, komm
.AC^I I I I
Ausfluss aus dem Auge des Horus, kommt ihr Ergüsse aus dem Auge des Tum, kommt
ihr Stoffe, die ihr hervorgeht aus Osiris".
Lehrreich ist das Ritual des Amonscultus, das die Formeln enthält, deren sieh der Ober-
und Du jour-Priester bei den verschiedenen vorgeschriebenen Handlungen bediente. Einzelnes
aus diesen Formeln findet sich schon in den Pyramidentexten. Viel auf den Cult des Amon, der
in der Pyramidenzeit noch nicht bestand, und daneben auch auf den des Osiriskreises, des Rc und
Ptah Bezügliches wurde später im Heiligtume Sety's I zu Abydos 19. Dyn. benutzt und in die
Wände des Tempels gegraben. Es ist in der Mariette'schen Publication der Inschriften dieses
Bauwerks zu finden.1) Vollständiger blieb das Ritualbuch in dem hieratischen Berliner
Papyrus 3055 erhalten, der aus der zweiten Hälfte der 20. Dyn. zu stammen und bis in
die 22. benutzt worden zu sein scheint.2) Schon oben wurde seiner gedacht. Hier verdient
er besonderer Erwähnung, weil er zur vollen Erkenntnis der Bedeutung der Götteraugen
führte. 0. v. Lemm war der erste, der ihn benutzte. In seiner werth vollen Dissertation3)
behandelte er besonders die Ueberschriften der Kapitel und bewies schon im Anschluss an
das erste, dass auch das Feuer zu den Horusaugen gezählt wurde. Nach der Ueberschrift :
„ Anfang der Kapitel von den göttlichen Dingen (Ceremonien), die verrichtet werden für
den Tempel des Amon Rc, Königs der Götter, im Verlauf jeden Tages von Seiten des
f I /VW™ Vyft .. n -\\- ^^ rö „ , *~ d. i. des „du jour" habenden Oberpriesters", folgt das
O I
Kapitel, das uns mit der ersten Beschäftigung bekannt macht, die dem Diener der Gottheit zu
verrichten oblag. Die Ueberschrift lautet:
erzeugen",4) und Zeile 2 fährt dann fort:
5 @x =£=„ ü
"1^
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n§ 1 1
D
G
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<2>
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Kapitel vom Feuer
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,komm, komm in
Frieden, du glänzendes Auge des Horus.
Mögest du heil sein und wachsen in Frieden.
*)
P'
J) Mariette, Abydos, description des fouilles executees sur l'emplacement de cette ville. Paris 1869,
Tome I, p. 34 — 38, 58 — 62. Auch im Grabe Sety's I in Schiaparelli's Libro dei funerali, Turin 1881,
begegnen uns verschiedene Stellen.
2) Hieratische Papyrus aus dem k. Museum zu Berlin. Herausgegeben von der Generalverwaltung.
Erstes und zweites Heft, Pap. 3055. Ritual für den Cultus des Amon. Leipzig, Hinrichs 1896.
3) 0. v. Lemm, Das Ritualbuch des Ammondienstes. Ein Beitrag zur Geschichte der Cultusfonnen
im alten Aegypten. Leipzig, Hinrichs 1882.
*cs>" »•
q sh kann auch mit „schlagen" übersetzt werden; doch tritt dafür auch vr „machen,
bewerkstelligen, hervorbringen" ein, und es drückt keine derbe Handlung aus wie das Schlagen des
Funkens aus dem Stein oder das Prügeln, sondern steht gewöhnlich für das Spielen eines musikalischen
Instrumentes oder für den Gebrauch der Ruder. Wie im Deutschen scheint auch im Aegyptischen der
Begriff des Spielens auf die Hin- und Herbewegung zurückzugehen (Spiel der Wellen, des Wassers, der
Geige und des Claviers neben Lautenschlag und Trompetenblasen). Das sh des Feuers kann darum auch
sehr wohl auf Feuer bohren deuten; dies aber scheint, wie auch von Flinders Petrie entdeckte Instrumente
zeigen (Flinders Petrie, Illahun, Kahun und Gurob 1889—90, Taf. VII, 22—27), die gewöhnliche Art der
Feuererzeugung in Aegypten gewesen zu sein. Uebersetzen wir sh mit „schlagen", würden wir uns den
Priester mit Stein und Stahl in der Hand zu denken haben, während wir es vorziehen, ihn uns Feuer
bohrend vorzustellen.
148
Leuchten soll es wie der Gott Rc an beiden Horizonten (im Morgen- und Abendroth)'
Dies leuchtende Horusauge ist natürlich das Feuer
I <=> 1 1 sti, das der lustrierende Priester
du jour entzündete. Mit Sicherheit geht dies durch die Stelle des bilinguen Papyrus Rhind
hervor, in der es heisst: 1 ^K | 2^3 m | t\ | ■£• Jj <2>" $ x) „der Wind, das Wieder-
belebende (d. i. das Wasser) und das Horusauge". Dies muss hier unbedingt „das Feuer"
bedeuten, weil es neben den beiden anderen Elementen Luft und Wasser genannt wird
und der parallele demotische Text bat: der Wind, das Wasser und das Feuer. Es deckt
sich hier also whm cnh „das Wiederbelebende" mit Wasser und ^_^ JH „das Auge des Horus"
oder Horusauge mit Feuer. So wird denn das Element des Feuers sicher zu den Horus-
augen gezählt, und das Gleiche gilt von dem des Wassers.
Aber nicht sie allein, auch gewisse Krüge, in denen man beim Cultus gebrauchtes
Wasser aufbewahrte, wurden Horusaugen genannt. Die beiden vornehmsten der Gefässe,
die im Amonsritual erwähnt werden, sind der rothe Krug ö dsr und der schwarze
° nn I
/www
Krug ( 1k I a ^Q nmst. Der dsr (rothe) Krug wird nun gewiss zu den Horusaugen
j-N 1 /www n ra ^\ t ^Q^.
gezählt ; denn es heisst auf der Rückseite unseres Papyrus : *~wv> ™» J _ «\ \\ Vs\ ,
) „gespendet wird dir das Wasser, welches das Horusauge enthält". Das ist der
dsr-Krug, wie der folgende Satz aus dem Grabe Sety's I ausser Zweifel stellt: /www /WWVA
^ >« A/WW\
Öö ' „gespendet wird dir das Wasser, das die beiden
i
<2=^ _Ä^ £U <=L \\
Horusaugen enthalten, die dsr-Krüge". Von Lemm fasst dsrt'i richtig als Apposition.
Ein „pw" hinter ihm wäre noch feiner gewesen.
Zu den Horusaugen gehört natürlich auch der Inhalt fein gearbeiteter Krüge, flüssige
oder halbflüssige, dem Gaumen zusagende oder als Heilmittel verwendbare Naturproducte
und besonders auch der Honig. Von ihm heisst es: ~ww, w f\ C\ /H \] \ I
ff^ ö I * ^0(J|4) „dargereicht wird der Honig, das süsse Horusauge, der Aus-
/www \\ £^l J l
fluss aus dem Auge des Rc". Obgleich der Honig dem Auge des Rl entfliesst, wird er
Horusauge genannt, und so ergeht es vielen anderen Substanzen, die als Ausfluss der
Gottheit weder mit dem Auge noch mit der Person des Horus etwas zu thun haben.
Das Wort „Horusauge" war eben die stereotype Bezeichnung für jedes dem Menschen
angenehme und nützliche Geschenk der Natur. Recht gut würde es unserem „Gottesgabe"
entsprechen. Freilich wurden auch aus Naturproducten hergestellte feine Fabricate von
!) H. Brugsch, Henry Rhind's Zwei bilingue Papyri, hieratisch und demotisch. Leipzig, Hinrichs
1865, I, Taf. IX, 3—4.
2) Hierat. Papyrus aus dem k. Museum zu Berlin, Heft 2. Pap. 3055 (Rückseite), Taf. XXVII, Z. 5.
3) Schiaparelli, Libro dei funeruli. Tavole, Tav. LXVII. col. 13; Tav. LXVIII, col. 8. Bei v. Lemin
Taf. 57 und 58 statt 67 und 68.
4) Hierat. Pap. aus dem k. Museum zu Berlin. Pap. 3055, VII, 3 und 4.
149
Menschenhand „Horusaugen" genannt. Köstliche Salben, die so heissen, kommen nicht
selten vor. Dass der Flachs, der ja auch, nachdem man ihn zum Verspinnen zubereitete,
ein Naturproduct bleibt, zu den Horusaugen zählte, ist weniger auffallend, als dass man
auch feine aus ihm verfertigte Gewebe so benannte. In der Pyramide des Ppy heisst es
z.B. schon: j^^lj^^l—fl^^G^Xfl^l^^^p
^1 1^ T !&>. JL q ^ o jp — "1 D^1 1^ TX"' "mbge er (Ppy) schiffen
in ihr (der Barke) mit dieser Binde von grünem Zeug und von rothem Zeug, gewoben aus
dem Horusauge, um einzuwickeln jenen Finger dort des Osiris"2) (als er krank war).
Aus dem zubereiteten Naturproducte des Flachses verfertigte feine Gewebe heissen
v\ T g , -<s>- v\ T t^p etc. ir-t nt Hr hd-t „weisses Horusauge" (wechselnd mit
Jö 1 [ /TN nmh-t hd-t), was mit dem Determinativzeichen 5 und 1 1 „weisse feine Leinwand"
bedeutet.
Nicht nur aus den Sehorganen, sondern auch aus einzelnen Gliedmassen der Gottheit
sollen jene werthvollen Substanzen stammen. Wie am häufigsten der des Horus und Rc,
so gibt ihnen auch der Körper oder ein Körpertheil des Osiris, des Tum und anderer Götter
und Göttinnen den Ursprung. Sie treten mit dem gebenedeiten Nass zu Tage, das den
Unsterblichen als Thränen, Blut und Schweiss, ja auch als Schleim und Speichel entrinnt.
Plutarch muss dergleichen zu Ohren gekommen sein,3) da er mittheilt, nicht allein den Nil,
sondern alles Feuchte hätten die Aegypter schechthin „einen Ausfluss des Osiris" genannt.
Dass dem Auge der Isis das Ueberschwemmungswasser entrinnt, ist eine mythologische
Anschauung, die sich bis auf den heutigen Tag erhielt. Im Alterthum sollte eine Thräne
aus dem Auge der Isis den Nil zum Steigen bringen,4) und heute noch wird die Nacht
des elften Baüneh, in der der Nil zu steigen beginnt, „die Nacht des Tropfens" genannt.
Den Thränen, die den beiden göttlichen Schwestern Isis und Nephthys entrinnen, wird
überhaupt belebende Kraft zugeschrieben, und diese beiden Göttinnen weinen viel; denn sie
sind die Klageweiber an der Leiche ihres Bruders und Geliebten Osiris. Auf dem Wiener
Sarkophag des | I) v\ Jn VJr Nsswtfnwtb) zeigt eine Darstellung vier Schatten-
genien, hinter denen Isis und Nephthys stehen, die sich entweder, wie von Bergmann meint,
mit Ruthen die Stirn schlagen, oder sich das Haar an einer Strähne raufen. Durch die
Thränen dieser Göttinnen nun und die ihnen innewohnende belebende Kraft erhalten die
Verstorbenen den Lauf des Blutes, die Fähigkeit, Athem zu holen, und dadurch das Leben
zurück. So verleihen die Thränen der Isis (und ihrer Schwester Nephthys) nicht nur der
J) Pyr. des Ppy I, 412—13 = Pyr. des Merenr* 591.
2) Für o V\ ß bei Ppy I liest A. Erinan richtig %qQ. Zeitschr. f. äg. Spr. etc. 1893, S. 78.
3) Plutarch, Isis und Osiris ed. Parthey c. 36.
I o.
4) Im Pap. magique Harris ed. Chabas VII, 10 heisst es von der Isis: <^> ^^ ^ -^23-
^^^ „ihre Thräne fiel ins Wasser".
j\ /W\A/V\
6) v. Bergmann, Der Steinsarg des Nesschutafnut. Recueil VI, p. 146.
150
Natur Aegyptens in der Zeit des kleinen Nils und der Dürre neue Lebenskraft, sondern
auch den regungslosen Körpern der Verstorbenen. Dies geht aus dem Texte hervor, der
die erwähnte Sarkophaginschrift begleitet; denn es heisst dort Z. 7 fgd. des Textes: Die
beiden Göttinnen ziehen ihre Scheitellocken (oder schlagen ihre Schläfen)1) Fü
Ml^M—r^
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f\ /V^A/W\
/WVSAA o
*
§
1
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AAA/WX
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,es fällt (ergiesst sich) das Nass, das in den Augen dieser Göttinnen ist, in
die Körper2) als Blut und die Unterweltlichen athmen dadurch."3)
Das häufige l^f^1 -A *|\ 1 o ppp Pr m ¥' n^r »das, was aus den göttlichen Gliedern
hervorgeht", kann kaum anders als „der Schweiss der Gottheit" aufgefasst werden. Schon in
der Pyramidenzeit heisst es: fl 1/ Q ü ^ ^ *^j = t\ Jp [1 a> | ^\ 4) „komm, Theil
n i w '
des Rc, komm, Substanz, komm heraus aus dem Schenkel des Horus" oder: l
i s\ i
^iss pr m n Hrb) „Speichel, hervorgehend aus dem Munde des Horus",
dem parallel gegenübersteht: ( I <=^> /°°® !=^ lj\ I \sd pr m ri st6) „Auswurf,
Schleim, komm heraus aus dem Munde des St", der damals noch nicht der böse Set-Typhon
der späteren Zeit war. Hierbei möchten wir bemerken, wie weit die ägyptische Religion
von dem Dualismus der altpersischen entfernt war. Denn während in der Zend-Avesta die
Gebilde des bösen Princips so ausführlich aufgezählt werden wie die des guten, wird in
Aegypten nur vorübergehend und später Schädliches genannt, das der Gottheit entstammt.
Das scheinbar Uebele wurde ursprünglich nur als Disharmonie gedacht, die sich im har-
monischen Weltganzen in Harmonie aufzulösen bestimmt war. Spezereien, die „Horusaugen"
genannt werden, gehen wie aus den göttlichen Gliedern jtfppp ^> ntr auch aus „dem
Rücken dieses Horus"
G
%
D
ö
pst n Hr pn 7) und sogar auch aus seinem heiligen
Herzen hervor ^^Si j ^ pr m 'ib ntr.8) Die nämliche Inschrift des Tempels von Edfu
macht uns mit einer Anzahl von Weihraucharten bekannt, die im Tempellaboratorium zur
Bereitung von Räucherungssubstanzen für den Cultus verwandt werden sollen, die Horus-
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2\ /wwv\ I I
WW\ - _ _, - r.
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„Körper, Glieder", v. Bergmann 1. 1. S. 148, Anm. 3, nach Naville.
3) Eigentlich
"v™n 'im sn „durch sie" und von den Göttinnen gesagt. Das plurale "^ lässt
AAA/VSA
sich aber doch vielleicht auf den Collectivbegriff „Wasser" oder „Nass" 'wwvn beziehen.
/www
*) Pyr. des Wn is 486.
5) u. 6) Pyr. des Ppy I, 125.
7) J. Dümichen, Geographische Inschriften altägyptischer Denkmäler, Abtheil. IL (Recueil de
monuments egyptiens, H. Brugsch et J. Dümichen, partie IV, Taf. LXXXVI, Z. 10.)
8) 1. 1. Z. 10.
151
äugen genannt werden und von denen wir erfahren, welchem Theile des Gottes sie den
HS ) hpr m ir-t Wsir „entsteht aus dem Auo-e
des Osiris", eine andere rothe geht hervor aus dem ¥ 'ir-t yib%) „linken Auge", eine
dritte ^^ ^= ?CX pr m 'ir-t3) JRC „geht hervor aus dem Auge des Rc", eine vierte
*•=* T <L l ®\{prm fos niv li' ntr*) „tritt heraus aus den Knochen des göttlichen
YÖqO -<2>- ,.
Körpers", eine fünfte I q m Tid ir-t5) „aus dem Weissen des Auges", d. i. aus dem
Augapfel im Gegensatz zur schwarzen Pupille. Eine andere dunkle Art, die die ganz
schwarze genannt wird ffil^ZZl ^ rn-f km vht, „deren Name sehr schwarze ist",
*1^| ü (?/$ piv 'ir-t St6) ist „eine Pupillenausträufelung des Set".
SlD I aCD
Die Summe dieser Anschauungen wird in einem von S. Birch zuerst behandelten
Papyrus des British Museum7) am besten zusammengefasst.
S. 2 des Papyrus heisst es Z. 1 fgde.: „Wenn Horus weint, so entstehen aus dem
Nass, das seinen Augen entfliesst, Pflanzen, die angenehmen Duft spenden. Wenn Bj b?8)
Blut aus seiner Nase fallen lässt, so erwachsen daraus Pflanzen, die sich in Cedern(?) ver-
wandeln, die die Flüssigkeit 1 .. ö Sf'i3) hervorbringen. — Wenn Schu und Tefnut sehr
weinen und das Wasser aus ihren Augen fällt, so verwandelt es sich in Pflanzen, die das
Weihrauchharz spenden. Z. 5. Wenn die Sonne zum zweiten male weint und Flüssigkeit
i) 1. 1. Z. 2.
2) 1. 1. Z. 2.
3) 1. 1. Z. 3 und 7.
*) 1. 1. Z. 4 und 12.
5) 1. 1. Z. 5.
,;) 1. 1. 13. Seth, Typhon.
7) Pap. des British Museum N. 825. S. Birch, Revue archeologique 18G3, S. 119 fgd. Sur un
Papyrus magique.
8) Nach S. Birch 1. 1. S. 123 Typhon. Dies ist richtig. Plutarch nennt den Typhon an zwei Stellen
(Is. und Os. c. 49 u. 62) Beßcov und Hellanicus beim Athenaeus 15, 680a tov Baßvv, S iou Tv<p<ov. Pleyte
fand ihn zuerst im Todtenbuche als 1(1 ( /7| B'ib'i wieder; Turiner Todtenb. 93, 2. Er wird auch
1 (4^ 1 ("^^ A"^ ^J k} genannt. Im Todtenbuch 125, 36 will der Verstorbene von ihm befreit
werden. 63, 2 ist er der „ewige Verschlinger" mit dem Kopfe des Hundes und der Haut der Menschen.
Er wird auch als Erstgeborener des Osiris bezeichnet.
9) S. Birch 1. 1. S. 123 hält sf'i entweder für Terpentin oder für Cederöl, das xeöqiov, das für die
Balsamierung benutzt wurde. 5 ist eins der 9 heiligen Oele, die oft unter den Todtenopfern
O
genannt werden. Im Pap. Eb. wird es als Medicament vorgeschlagen. 11, 14, 22, 23, 26, 49 etc. Hier
kann sfi kaum etwas anderes als Cedernöl bedeuten. Brugsch, Wörterb. Suppl. S. 1047 erwähnt sft auch
als „heilige Salbe". Seine anderen Erklärungen Schmalz (arab. Zibde, zerlassene Butter) und hebr. ny£
kommen hier nicht in Betracht. Ueber den gemeinten Baum handelten wir in unserer Schrift: Pap. Ebers,
Die Maasse und das Kapitel über die Augenkrankheiten. Abhandlungen der Gesellsch. d. Wissensch. zu
Leipzig, Bd. XI, S. Hirzel 1889, S. 240 oder 108 fgd.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 20
152
aus ihrem Auge fallen lässt, so verwandelt sie sich in Bienen, die arbeiten. Sie arbeiten
Z. 6 in den Blumen jeder Gattung und bringen statt des Wassers Honig und Wachs hervor.
Z. 7. Wenn die Sonne schwach wird, lässt sie den Schweiss von ihrem Leibe fallen, und
er verwandelt sich in eine Flüssigkeit.
S. 3 Z. 1 . . . viel. Er blutet, und das Blut verwandelt sich in Salz, (die Aerzte aber)
wählen sie als Heilmittel, die der Sonne entstammen und die sie den göttlichen Gliedmassen
zuschreiben (geben). Wenn die Sonne schwach ist und schwitzt, so fällt Wasser (Thau) aus
ihrem Munde auf die Erde und verwandelt sich in Papyruspflanzen t)\ vi tivf'i «xooTq.
Wenn Nephthys sehr schwach ist, fliesst der Schweiss und verwandelt sich in die | y\ ' () t'isps
oder Aloepflanze.
Diese Producte kommen hervor aus Thränen und Angstsch weiss der anderen Götter
beim Tode des Osiris. Dies geht auch aus der ersten Seite des Papyrus hervor, die, so
weit sie lesbar ist, von Göttern spricht, die die Hand (trauernd) auf das Haupt legen, von
einer Vernichtung der Erde, die auch die Gewässer betrifft, von Klagen und Weinen der
gesamten Creatur: lebende Menschen und Seelen der Verstorbenen, (Götter) und Göttinnen,
ja sogar Thiere. Dieser lebhaften Klage gedenkt auch Plutarch,1) indem er die Nachricht
vom Tode des Osiris zuerst zu den Panen und Satyrn in der Gegend von Cbemmis kommen
lässt. Diese verbreiteten die herzerschütternde Kunde, und es sollte deswegen das Volk
plötzliche Schrecken und Verwirrungen {raQayag xal nxorioeig) „panische" nennen.
Das Schwachwerden des Sonnengottes Rc wiederholt sich jeden Tag. Wir wissen
schon, dass er als Kind seine Bahn beginnt. In der dritten Stunde wird er zum Jüngling,
am Mittag zum bärtigen Manne, am Abend geht er als müder Greis unter. Dann fällt
Schweiss von seiner Stirn. Das ist der in Aegypten so reichliche Nachtthau, der auch der
Horizontgöttin Nephthys zugeschrieben wird.
In den zwölf Kreisen, die Verwandlungen des Tagesgestirns von Stunde zu Stunde
darstellen, wird der Sonnengott bald als widderköpiiger Chnum (Hnm), bald als Tum
dargestellt, wie er gebeugt am Stabe einhergeht und ihm der Schweiss in vollen runden
Tropfen von der Stirn rinnt. Jeder Tag bringt eine neue, nach dem Tode zu frischem
Leben geborene Sonne. Amon Rc wird in die Nekropole von Theben getragen, um dort
seinen verstorbenen Eltern eine Libation darzubringen.*) Sein Vater ist Osiris und darum
seine Mutter Isis.
Osiris ist der Gott im Todtenreiche, die Seele des Rc, das Licht in der Nacht etc.
Aus ihm entsteht das Tageslicht wie das Sprossen und Grünen aus den im Dunkel ver-
borgenen Keimen. Wie der Gott, der an jedem Abend stirbt und zum Osiris wird, dann
als Kind erscheint und heranwächst, wissen wir. Als Amon waltet er auf dem Herrscher-
throne als Spender des vollen Tageslichtes, um am Abend Reich und Leben zu verlieren.
So hat denn der Amon eines gewissen Tages so viele Ahnen zu beklagen, als Sonnen vor
ihm untergingen und starben. Die Klage der Götter hört darum so wenig auf wie der
Begrüssungs- und Siegesjubel, der sich an jedem Morgen wiederholt.
*) Plutarch, Is. u. Os. ed. Parthey c. 14.
2) Maspero, Memoire sur quelques papyrus du Louvre, Paris 1875, p. 75. Boulaq Papyrus III, 3,
Z. 22 u. 23.
153
Auch dem alten, kranken, zahnlos gewordenen Sonnengotte fliesst Schleim aus dem
Munde, und aus ihm entstehen gleichfalls werthvolle Naturproducte. In der Mythe von
der klugen Göttin Isis,1) die dem Rc seinen wahren Namen ablistet, heisst es von diesem,2)
als er alt geworden sei, habe sein Mund getropft, der Speichel sei ihm auf die Erde geronnen
und was er ausgeiferte, sei zu Boden gefallen. In diesem Falle bildete Isis daraus eine
heilige Schlange, sonst konnten auch aus dem göttlichen Nass allerlei gute Dinge entstehen.
Ganz anders ist es zu fassen, wenn es heisst, die Götter kämen aus dem Munde des
Sonnengottes, die Menschen aus seinen Augen. Schon in der Pyramide des Ppy I heisst es:
i 0
,du trittst heraus an den Himmel als Horus auf der Vulva? des Himmels in dieser deiner
Gestalt, die herauskommt aus dem Munde des Rc"; zu Edfu aber, wo die Priester in der
Ptolemäerzeit die mythologischen Vorstellungen vielfach ungezwungen zur Aussprache bringen,
sehen wir den Horus dieser Stadt in Gestalt eines Kindes mit dem Sonnendiscus auf dem
Haupte über der Lotusblume, der es entstieg, und daneben eine Inschrift, welche lautet:
-mmnr ^s>- . ~ ~~w, W ■=£=> q f\||| <==. | | | | <~ -. ^|||4v .._
wwüS^^ J^^Y -% ^^k^ ^z=^*^ "er
seine Augen und macht hell die Welt, indem er die Nacht vom Tage sondert. Es kommen
die Götter aus seinem Munde hervor, und die Menschen aus seinen Augen." In der Zeit
zwischen diesen beiden Inschriften werden auf dem Sarkophag Sety's I (XIX. Dyn.) die
Menschen angeredet: i <=> ^j\ (, (, s=> '^ ^ M£; dies '^ .-, n£ aber wechselt
mit '^ ^^ TL und wir übersetzen darum: „ihr seid die Thränen des Glanzauges, d. h. ihr
kommt aus dem Auge der Gottheit".
Beim zweiten Weinen der Gottheit sahen wir aus der Flüssigkeit, die der Sonne, dem
rechten Auge der Gottheit, entfüesst, nützliche Thiere (Bienen) entstehen; die ersten Thränen
aber, die es vergoss, gaben dem Menschen das Leben. Sie werden also als Kinder des
Schmerzes der Gottheit angesehen. Wie Schopenhauer den Schmerz in das Leben unseres
Geschlechtes in Folge der Schuld kommen lässt, die er in der Zeugung sieht, so erklären
ihn die Aegypter, indem sie das eigene Geschlecht aus den Zeugen des Wehs, d. i. aus
den Thränen eines Höheren, der Gottheit, entstanden denken.
Was die Götter anbetrifft, so gehen sie, wie man schon in der Pyramidenzeit annahm,
aus dem Munde des Lichtgottes hervor. Dies ist leicht verständlich; denn während des
gesamten Lebens des ägyptischen Volkes wird dem Worte schöpferische Kraft zugeschrieben.
Indem den Dingen ihr Name zuertheilt wird, treten sie in die Erscheinung. Der christliche
16-/0? ging, wie bereits angedeutet wurde, aus altägyptischen Anschauungen hervor.
Dennoch liegt dem Ausspruche, es kämen die Götter aus dem Munde des Sonnengottes
hervor, auch eine einfachere, mehr materielle Auffassung zu Grunde. Das beweisen Sätze,
J) Rossi und Pleyte, Tur. Pap. Tat'. 131, Z. 12 fgd. Das Ganze gut übersetzt von E. Lefebure,
Zeitschr. f. äg. Spr. etc. 1883, S. 27 fgd.
2) 1. 1. Taf. 132, Z. 2—3.
3) Pyr. des Ppy I, 75.
*) Eigene Copie und R. Lepsius, Ueber die Götter der vier Elemente bei den Aegyptern; Abhandl.
d. Beil. Akad. d. Wissensch. 1856. S. 191, Anm. 1.
20*
154
wie der aus dem Tempel von Philae "%=s
0
7\
„er (der Sonnenball) geht hinein in ihren Mund und beim Morgenroth tritt er hervor aus
ihrer Vulva". Wir sehen aber auch den Scarabäus seinen mit Fruchtkeimen erfüllten Ball
(die mit Eiern erfüllte Mistkugel) in die Vulva der Himmelsgöttin wälzen, in deren Leib
sich dieser Same ausbildet und endlich aus dem Munde der Gottheit als Sonnenkind zu
Tage tritt. Diese Auffassung ist, wie wir schon zeigten, uralt, da sie bereits in der
Pyramide des Ppy I, 75 in dem oben (S. G7 = 154) mitgetheilten Satze zum Ausdrucke gelangt;
hier aber scheint es doch, als wäre das Hervorgehen des vergöttlichten Königs aus dem
Munde des Rc gewissermassen als eine Proclamation, als Bestätigung durch den Mund des
Rc zu betrachten. Dafür spricht auch der Satz aus dem berühmten Hymnus an Arnon2)
(19.Dyn.): ^ ^ o )ffi J) i ^v " W I ^ i ' l „es gingen die Menschen
hervor aus seinen Augen und es entstanden die Götter auf seinem Munde", (didi „auf*
ifi\ _ /www
für hr didi). Die Himmelsgöttin gebiert Horus neu, und als junger Gott, als v\ [j|f]
\\%
%^%^ „Horus an der Spitze der Lichtgeister " tritt er ins Leben. Jedenfalls scheint
schon in der Pyramidenzeit angenommen zu werden, dass der Mund oder das Wort des Rc
dem Verklärten die neue Gestalt und Stellung verlieh, nachdem sich seine Wiedergeburt durch
die Himmelsgöttin vollzogen hatte. Der Same, der den Verstorbenen zur Wiedergeburt
führt, geht natürlich von der männlichen Gottheit aus und konnte schon in frühester Zeit
in verschiedene Göttinnen geflösst werden. In ihnen bildet er sich zu der göttlichen Persön-
lichkeit oder zu dem Himmelskörper3) heran, als der er bis ans Ende der Tage als Gott
fortbestehen soll. Von dem verstorbenen König Wn is heisst es in seiner Pyramide, er gehe
aus den Schenkeln des Neungötterkreises hervor, (die) Shmt aber gehe mit ihm schwanger
und der Sothisstern gebäre ihn.4)
In der Pyramide Ppy's I wird gar dem Rc allein die Zeugung, das Empfangen und
Gebären des neuen Gottes zugeschrieben. Fasst man Rc in dem Sinne, der später von den
Neuplatonikern aufgenommen und ausgebildet wurde, so ist Ppy's Seele ein Ausfluss des
Weltgeistes, die nach dem Tode des Leibes zu ihm (hier Rc) zurückkehrt. Dieser nimmt
x) Benedite, Le teinple de Philae; Mernoires de la mission archeologique franeaise du Caire,
Bd. XIII, p. 137.
2) Boulaq Papyri ed. Mariette II, Taf. 6, Z. 3.
3) Ueber die Sterne am Himmel, die als Sitz der Seelen von Göttern und darum auch von ver-
göttlichten Menschen angesehen werden, können wir hier nicht eingehender handeln.
Pyramide des Wn'is Z. 389
nN
!(±iw^jiiiiiiiiv-
Wn'is hervor aus den beiden Schenkeln der Götterneunheif.
fe,Ä>
V /w\
ffl
„im schwangeren Leibe getragen wird Wn'is von der Göttin Shmt"
(IKÜEIwa
o
„es gebiert den Wn'is der Stern spcl", d. i. der Sothisstern,
der als siderische Erscheinungsform der Isis bezeichnet wird. Vor sb fehlt freilich 'in.
155
sie auf in seine Reinheit und gebiert sie gleichsam neu, indem er wiederum einen Theil
seines Wesens von sich loslöst und ein neues Lebewesen mit ihm erfüllt. So wird die Stelle
Es wird ausgespritzt (ejaculiert) Ppy von Rc
Es wird ausgetragen (in Schwangerschaft) Ppy von Rc
Es wird geboren Ppy von Rc
aufzufassen sein. Hier muss freilich auch darauf hingewiesen werden, dass in dieser alten
Zeit neben den männlichen Gottheiten weibliche stehen, von denen spätere Tage nichts
mehr wissen. Dem Rc steht eine ^ Rc-t zur Seite, der zugerufen wird: w^^g=>D^>
0 J. i. f] -o>-2) ,o R'-t, es ist dieser dein Sohn, der regungslose Osiris".3) Dann wird auf
die Ceremonie vom Oeffnen des Mundes gewiesen, die uns später so oft und bis ins Einzelne
ausgebildet begegnet J^S;. 4 %^j,^3l[( k^_ „geöffnet wird ihm sein Mund von seinem
Sohne, der ihn liebt" und §"ö~J' " °<?^a ° H „getrennt wurden ihm seine Glieder
i w i O I ^ ^—- /www
(zu denen auch die Schenkel gehörten," wie die Determinativa zu 't zeigen) von den Göttern".
Wenn Rc-t mit der Auseinanderlegung der Glieder des regungslosen Osiris in Zusammenhang
gebracht wird, obgleich hier die Götter diese Handlung verrichten, steht sie an Stelle der
Isis (s. unten Anm. 3).
Die Auffassung von der Wiedergeburt des Verstorbenen und von seinem Erstehen als
Gott zu einem höheren göttlichen Leben wird von den frühesten Texten an bis zu den
spätesten gemäss der gleichen Grundanschauung behandelt; nur wird die Form dieser
Wiedergeburten in verschiedener Zeit, an verschiedenen Stätten und nach verschiedenen
Lehren in äusserst verschiedenartiger Weise verbildlicht. Wir lernten schon die Versetzung
der Seele als Stern an den Himmel aus der allerfrühsten Zeit kennen; doch es ist auch
zeitig, sobald sie zum Gebrauch des rechten (magischen) Wortes gelangte, ihr Schicksal,
zu einem grossen Gotte zu werden, und zwar nach dem Vorbilde des Osiris.
Von der Wiedergeburt heisst es schon in den Pyramidentexten : jij o V\ | #=
/^s»A fnDA*) BEm Gott des Todtenreiches wurde geboren, — es ist WnV oder:
!) Pyr. des Ppy I, 575—76.
2) Pyr. des Wn'is 253.
3) iL 2. ~ " ($\ nn ist ruhen und erschöpft, bewegungslos, starr sein. In Verbindung mit
Osiris bezeichnet es die regungslose Ruhe der Mumie mit den durch Binden zusammengehaltenen Beinen.
Wir deuteten schon oben auf die Mittheilung des Eudoxos in Plutarchs Is. und Os. c. 62, dass die
Aegypter von Zeus (Amon) die Mythe erzählten (pv&oXoyetv), die Schenkel wären ihm zusammengewachsen,
und er hätte nicht gehen können, bis Isis seine Glieder auseinander geschnitten und getrennt habe.
*) Pyr. des Wn'is 384.
156
^—(il^^-kZ^alkll^ *es kommt Wn^ und ihr seht
wie er ein grosser Gott geworden ist". Im ersten Satze ist er wie Osiris zum Beherrscher
des Todtenreiches gewoi'den, im zweiten wurde er nach der Apotheose zum Sonnengotte.
um wie oder als dieser in der Barke den Himmel zu hefahren. Es ist durchaus logisch,
wenn man die Seele des verstorbenen (untergegangenen) Rc zum Osiris, der auch „die Seele
des IT" genannt wird, werden und auch ans ihm den jungen Sonnengott Horus entstehen
lässt. Während der Fahrt im Sonnenschiffe gebietet Wnis den Matrosen; denn er selbst
ist nun ein grosser Gott. Mit Jubel empfangen ihn die anderen Himmlischen; denn er ist
einer von ihnen geworden, und er ist jedes Gottes voll.
Auch dieser Anschauung gegenüber bewährt sich die Neigung des ägyptischen Volks-
geistes, das Einzelne ins Auge zu fassen. Es genügt nicht, zu sagen, der Verstorbene sei
ein Gott mit allen Eigenschaften eines solchen geworden; es werden vielmehr, wie wir
schon bemerkten, sämtliche Theile seines Körpers aufgezählt und in Beziehung zu einem
Gotte gesetzt. Ueber die Listen der Körpertheile in funerären Texten und über die sich
an einzelne knüpfenden Mythen wie die vom Auge des Horus, das verpersönlicht an das
andere Ufer des Sees von H? gelangt und von Dhwfi auf seinem Flügel fortgetragen wird
(Pyr. d. Tt'i 185 fgd.), denken wir in Abth. II zu handeln.
4. Die Gestirne und die Körpertheile.
Der Himmel wird anthropomorph als ein Weib dargestellt, das sich in langem Gewände
mit Sternen reich geschmückt, über die Erde breitet und sich mit Händen und Füssen aut
sie stützt.
Auch die Unterwelt besass ihren Himmel, der sie im entgegengesetzten Sinne über-
wölbte wie Nwt die obere Welt. Er heisst ^ 3], _L _L ® nn-t und wurde der
„ Gegenhimmel " benannt. An ihm wie an dem oberweltlichen Himmelsgewölbe fahren die
Gestirne hin und her. Nwt Hess sich zu dem Erdgott Gb nieder, der ihr dabei ins Antlitz
V
schaute, und aus dieser Umarmung ging Osiris samt seinen Geschwistern hervor. Sw, ein
Lichtgott, der auch die Luft darstellt, hatte das dicht verbundene Paar getrennt und hielt
den Himmel mit hochgehobenen Armen über der Erde in der Schwebe Mp\ Die in Sterne
verwandelten Seelen schwingen sich durch das Reich des Sw (die Luft) zu Nwt in die
Höhe, und sie nimmt sie dort auf in ihre Arme und auch in die nach ihr benannte Barke,
auf der sie als leuchtender Gott an ihrem Leibe in der Richtung hinfahren, die sie ihnen
anweist.
Anderer Auffassungen als dieser anthropomorphen, die mit den Körpertheilen in Ver-
bindung stehen, können wir, so bemerkenswerth sie auch sind, hier nicht gedenken.
Derjenigen, die sich auf die Licht spendenden Augen verschiedener Gottheiten beziehen,
wurde schon gedacht.
Aber auch andere Körpertheile als das Sehorgan begegnen uns bei der Betrachtung
der bildlichen Wiedergabe des gestirnten Himmels. An den Decken der Gruft- und Tempel-
x) 1. 1. 404—5.
157
räume wurden mit Vorliebe astronomische Darstellungen angebracht. Die wichtigsten führte
Lepsius in der Einleitung zu seiner Chronologie1) zusammen und verglich sie mit den
Decanlisten bei Hephästion von Theben.1) Dadurch ergab sich die Möglichkeit, die Namen
der 36 Decane nachzuweisen. 1856 brachte dann Dr. Stobart ein Hyperides-Manuscript in
das British Museum, auf dessen Rückseite sich das Horoskop einer Person, deren Namen
leider verloren ging, befindet. Da es mehrerer Decane gedachte, trug es, nachdem Goodwin
es in die Wissenschaft eingeführt hatte,3) das Seine zur Ergänzung der Lepsius'schen
Arbeit bei. Für unseren Zweck geht sicher aus ihm hervor, dass in der That besonders
wichtige Sternbilder anthropomorph gefasst wurden und dass die einzelnen Sterne, die sie
bildeten, den Namen von Körpertheilen der Gesamtfigur trugen. So ist der Decan Pe/uevaags
des Stobart'schen Horoskops gleich dem PojLißo/uaQe des Hephästion, und Goodwin brachte
{\ (Q) ^rv ^*
beide Namen richtig mit dem hieroglyphischen ' v\ rnwhrw oder ' rmnhr
zusammen, was der Oberarm bedeutet. Dieser gehörte aber dem Sternbilde ^ ^\ * , j_d ,
' l6] IfcV ü n \ SJ^> d. i. dem Orion, an, den im Grabe Sety's I, ausser dem Orion
selbst, vier Sterne bilden, die als Körpertheile von ihm zu betrachten sind. Sie heissen:
rmn hrw „der Oberarm", ' rmn hr „der Unterarm", ' „der Vorder-
arm oder die Hand", wie wir oben zeigten, und M] I J=fo ^ msdr „das Ohr". Auf Aehn-
liches haben wir zurückzukommen.
Das Sternbild, von dessen Namen nur j£ir" im Stobart'schen Horoskop erhalten
blieb, ist der Decan -^ovrager oder x0VTaXQV ^e* Hephästion und entspricht dem Sternbilde
■m- 'www £) ^ 0
£ = rfl(Yp|C^= Jmtt, d. i. „die Nase". Es kommt im Zeichen des Widders
I IAA I yc /www /■(
und der Wage vor. Dies Sternbild hat einen oberen, mittleren und unteren Stern, ander-
wärts aber auch deren vier. Wenn wir bei den erwähnten Deckenbildern verweilen, nehmen
die aus den Grüften zweier Ramses aus der 20. Dyn.*) unsere Aufmerksamkeit am schärfsten
in Anspruch.
Sie scheinen einzelne Abschnitte oder Constellationen des gestirnten Firmaments zu
zeigen.5) Stark ins Auge fällt bei ihnen eine mit untergeschlagenen Beinen hockende
Männergestalt, die (in ungewöhnlicher Darstellungsweise) dem Beschauer das volle Gesicht
und den Oberkörper en face zukehrt. So sind denn beide Augen, beide Ohren und Arme
vollständig zu sehen, und über diese Figur spannt sich ein Netz von sieben Strichen, deren
x) Lepsius, Chronologie d. Aegypter, Berl. 1849, S. 63 u. 69. Gruft Sety's I, Grabtempel Ramses' II
(Kamesseum), Grab Ramses' IV, Sarkophag aus der Zeit Nectanebus' I, Rundbild in Dendera. Die Edfuer
Darstellung wurde nicht mit verglichen. Auf seinen Listen S. 68 u. 69 hätten je 3 und 3 den Monaten
zugewiesen werden sollen.
2) Salmasius, De annis climactericis, Leyden 1548, p. 610 sq.
3) Goodwin, Sur un horoscope grec, contenant les noms de plusieurs Decans; Chabas, Melange*
egyptologiques II, Paris 1862, p. 294 fgd.
*) Lepsius, Denkm. III, 137 (Sety I) sowie 227—228 (20. Dyn.).
5) Der berühmte Thierkreis von Dendera stammt aus später Zeit und beruht auf griechischen
Anschauungen, die in hellenistischer Zeit am Nil Aufnahme fanden. Unter den Hieroglyphen für die
einzelnen Zeichen des Thierkreises, die aus älterer Zeit stammen, finden sich keine Namen von Körpertheilen.
158
mittlerer ihr genau die Mitte des Scheitels kreuzt und, indem er durch die Länge des
Nasenbeins, durch Mund, Bart etc. nach unten hin fortläuft, die Figur (den „Himmelsmann")
senkrecht in zwei Theile zerlegt. Sterne, die von diesen Strichen senkrecht geschnitten
werden, stehen zu den Körpertheilen des Himmelsmannes in Beziehung. Ihr Verhältnis
zu ihm fand verschiedene Erklärungen,1) bis Schack von Schackenburg2) jüngst die wahre
Bedeutung dieser Figur, des erwähnten Netzes von Strichen und der Sternlisten, die sie
begleiten, neu und, wie wir glauben, richtig erfasste. Auf die früheren Erklärungen
einzugehen, ist hier nicht der Platz.
Nach dem genannten Gelehrten hat man in dem die Stundentafeln begleitenden Bilde
ein Instrument zu erkennen, mit dessen Hilfe man den Meridiandurchgang eines Sternes
bestimmen und in der Nacht die Stunden und Viertelstunden nicht viel ungenauer wie bei
der Sonnenuhr direct vom Himmel ablesen konnte. Die Zeichnung, die er von diesem
Instrumente gibt,3) wird jedem einleuchten, der die Methode der ägyptischen Perspective
kennt, die L. Borchardt klarlegte.4)
Die zu dem Instrumente gehörende Figur (der Himmelsmann) erleichterte und popu-
larisierte gleichsam die Beobachtung, die mit Hilfe eines Rahmens vorgenommen wurde,
der mit sieben straff angezogenen parallelen Fäden (die oben erwähnten Linien) bespannt
war. Die Mittellinie, die die Figur vom Scheitel aus senkrecht durchkreuzte, hiess <czr>
] ; ^ r %i 'ib „nach der Mitte des Herzens hin", d. i. die die Mitte genau bezeichnende
oder schlechtweg die mittlere.
„Schon in der Pyramidenzeit", sagt von Schack,5) „waren die Aegypter im Stande
die Mittagslinie zu finden. Es war also leicht, die lange Kante (des Instruments) dem
Mittelpunkte des Himmelsäquators zuzuwenden. Wenn der Beobachter dann aus seinen
Stundentafeln wusste, welcher Stern um die gewünschte Stunde culrainierte, dann brauchte
er nur den Moment abzuwarten, wo der betreffende Stern zugleich über der Mitte der Figur
<rr> ] ! ^ und hinter dem Mittelfaden stand. Verschob er dann die Figur
allein so, dass der in der nachfolgenden Stunde culminierende Stern ebenfalls von dem
Scheitel der Figur aus beobachtet zugleich am inneren Rande des Rahmens sichtbar wurde,
so entsprachen die Momente, wo die Sterne hinter die nachfolgenden Fäden traten, den
l) F. Champollion, Lettres ecr. d'Egypte, p. 239, nannte diese Stundentafeln tables des constel-
lations et de leurs influences. Er glaubte, der menschliche Körper sei in sieben Theile zerlegt
worden, auf die die Sterne Einfluss geübt hätten. Diese Ansicht wurde aber schon von Lepsius
widerlegt; Lepsius, Chronologie der Aegypter, S. 109. In den 12 Stunden der Nacht muss die sechste
J
* U nfr statt Träger des Guten oder der gute Träger „Träger der Laute" übersetzt werden.
^^^ h ^^\ n
In der elften Stunde muss es statt /wvwx |_ — ■ www i heissen. S. auch Lepsius, Königsbuch I, 1858 :
^ 1 <^ I
Gensler, Die theb. Tafeln stündlicher Sternenaufgänge, Leipzig 1872; H. Brugsch, Thesaurus I, S. 185 fgd.
2) Schack von Schackenburg, Aegyptologische Studien, Heft IL Die Sternabscissen und die
somatischen Eelationen, Leipzig 1894.
3) Schack von Schackenburg 1. 1. S. 63, Abb. 1.
4) L. Borchardt, Die Darstellung innen verzierter Schalen auf ägypt. Denkmälern. Zeitschr. f.
ägypt. Spr. 1893, S. 1 fgd.
5) Schack von Schackenburg 1. 1. S. 65.
159
vollen Viertelstunden. Da die Stunden und Viertelstunden einer Nacht gleich lang waren,
genügte die einmalige Einstellung der Figur jedenfalls für die ganze Nacht."
Im Text der Stundentafeln sind Beobachtungen des Durchganges verschiedener Sterne
durch einen „dem Meridian nahe liegenden grössten Kreis" am Himmel verzeichnet.
Die Beziehungen des gemeinten Sternes zu der Figur, die die Mittellinie <cr>~
] 3 ^ r cki \h in zwei Theile zerschneidet, wird in folgender Form angegeben. Zu ihrer
Rechten steht:
ö ff w hr tihi ivmrii „am rechten Arme",
@
.
[ | I B? i£) ff \\ hr msdr wnnii „am rechten Ohre",
ff w hr ir-t wnm'i „am rechten Auge",
und zu ihrer Linken ebenso „am linken" (7K j 'ib'ij 8 ' Tih'i „Arme
ffi I B* *$ msßr „Ohre", 'ir-t „Auge".
Eingehender mitzutheilen, wie die somatischen Relationen weiter benutzt wurden,
wenn man annahm, dass Arm, Ohr und Auge von der Mittellinie r cki iib ebenso weit
entfernt waren, wie der erste, zweite und dritte vom Mittelfaden, und wie H. v. Schack
die kleineren Dimensionen der Figur auf den Sterntafeln und das den Körpertheilen bei-
gefügte „rechts" und „links" erklärt, würde zu blossen Wiederholungen des Inhalts der
uns vorliegenden scharfsinnigen Abhandlung führen, auf die wir verweisen.
Uns muss es hier genügen, der Körpertheile zu gedenken, die auch auf dem
Gebiet astronomischer Beobachtung Verwendung fanden. Es kommen in den erhaltenen
Aufzeichnungen eine ganze Reihe vor. Einzelne sind auch bestimmbar, doch wäre es
vergebene Mühe, der Gestalt der Figuren nachzuforschen, denen man sie sich angehörig
dachte. Indem f ) I ^ ' f] K_ msty, d.i. „das Schenkelgestirn" wurde schon längst
der grosse Bär erkannt, der also „der Schenkel" hiess. Auf ihn richtet z. B. der König
(zu Edfu) bei der Gründungsceremome der „Ausspannung des Strickes" den Blick.1)
1 u i <vww ©er*
* * Vi hps n pt mht „der Schenkel des nördlichen Himmels" ist eine andere
Bezeichnung für den Schenkelstern. Er scheint den des Set oder besser des Setthieres £0
darzustellen, da von dem Msht-Gestirn gesagt wird, es sei der Schenkel des Setthieres und
befinde sich am nördlichen Firmament, und Plutarch2) bemerkt, die Seele des Typhon
gelange als ugy.Tog (grosser Bär) an den Himmel. Das Bein \\ j , \\ <=> *^, wrt,
das zu den ( © 1\ tk ' „Sterne des nördl. Himmels" gehörte, zählt auch Renouf
zu den circumpolaren Himmelskörpern. „Unzerstörbar" heissen sie, weil das Bein sich so
1) H. Brugsch, Zeitschr. 1870, S. 154—56.
2) Plutarch, Is. u. Os. c. 21. Brugsch, Thesaurus I, s. S. 123. Hier wird bemerkt, dass die beiden
Schenkel im Grabe Sety's I sich auf die Vorderbeine der dort dargestellten Himmelskuh beziehen.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wisa. XXI. Bd. I. Abth. 21
160
nah dem Pole befand wie der Stierschenkel und darum nie unter den Horizont trat. Es
scheint als Glied der Nwt angesehen worden zu sein. Am nördlichen Himmel muss es
gesucht werden, und Renouf hält es für die Kassiopeia. *) In dem grossen Strome (See)
, in dem es erscheint,2) erkennt er die Milchstrasse. Hier ist die Stelle,
\> I
wo der Verstorbene zur Reinigung gelangt. 3) Das Stobart'sche Horoskop nennt den Decan
Ovage, bei Hephästion 'Aqov. Er gehört zu den Zwillingen, und Goodwin verglich ihn
schon richtig mit dem o ivr, d. i. das Bein von Dendera.
.Der Riese"
rillt wurde ein anderes hieher gehörendes Sternbild genannt. Es
.sein
kommt von ihm vor ^ ^^ tp n nlit „das Haupt des Riesen", ^~ tp „die Spitze
TOTO W £* II
der Hand, Fingerspitze", A\ X \ nhbt-f „sein (des Riesen) Hals", T J § Inbwt-f „s
Nacken",
Schienbein" (des Riesen),
bgst-f „seine Kehle" (kaum der Halsschmuck), t^ Q ^ ' sdh-t „das
.mm i. c- . — »3 •<[ n Q *
i), mnd-t „die Brust",*) v\ ffl igb-f „sein Knie",
1
mnd-t „die Brust",*)
j[ pd-f „sein Fuss", I z sbh-f „seine Fusssohle".5) Das sind lauter Sterne,
die zu der Figur auf dem Instrument in Beziehung gebracht werden können. Von ihnen
findet sich ausgesagt, in welcher somatischen Relation (ein Ausdruck Genslers) sie in der
Nacht eines gewissen Monatstages zu der Mittellinie r lJf3 \b, zum linken oder rechten Auge,
zum linken oder rechten Ohre etc. der Figur stehen. Hier kommt es, wie gesagt, nur
darauf an, zu zeigen, wie vielfältig die Körpertheile auch auf dem Gebiet der Himmels-
kunde benutzt wurden, um zur leichteren Veranschaulichung schwierigerer Vorstellungen
zu führen.
Ausser denen des Menschen werden, wie schon der Thierschenkel lehrte, auch Glied-
massen von Thieren gewählt, um die Theile eines Sternbildes zu bezeichnen.
Bei dem Sternbilde
rr-t das weibliche Nilpferd oder (Edfu) J
m rrt oder 9 I q^j] VN hsi miot begegnen uns '11«««'
rd" n rrt „die Füsse
Em] s\ n if^ Ena C\ aaaam
der Hippopotama", s j I pd-s „ihr Bein", ^ s I hpd-s „ihr Schamtheil", * — \%
%4 ist
! 1
n
ns-s
J) Renouf, Th. b. o. th. d. p. 138 und 39.
\^>\m
„dies Bein am nördlichen Himmel
im grossen Strome", d. h. in der Milchstrasse. Statt „stream* wohl besser „See".
3) Pyr. d. Ppy I, 411 = Mr n R° 590: „wenn du deine Reinigung mit frischem Wasser auf jenem
Beine des Unzerstörbaren erhalten hast".
4) Wunderlicher Weise auch mit dem Suffix
1
s, einem Nomen fem. gen. im Possessivverhältniss
5) Wenn die beiden letzten Gruppen mit ^^-^-, dem Determinativum für Hölzernes, versehen
werden, so bezieht sich das vielleicht auf das Postament, worauf man sich die Figur des Riesen
stehend dachte.
161
J.I.I Ml 1, ^- r ^j n
„ihre Zunge", I mnä-t-s „ihre Brust" (Euter oder Zitze). Uebrigens stellt das
weibliche Nilpferd die Göttin t ^^, l ^ NT i ^ f^ jffl 'w* dar, und es ist möglich, dass
man in den Körpertheilen ihres Thieres auch die der anthropomorphen Erscheinung der
Göttin selbst, die übrigens gewöhnlich als ein in menschlicher Weise aufrecht stehendes
trächtiges Nilpferd dargestellt wird, erblickte. Beim Löwen kann man nur an die Glied-
massen des Thieres selbst denken; denn von ihm j^Nf (, \ mi \ wird auch sd-f d. i. „sein
Schwanz" erwähnt.
Die Namen der Decane bezogen sich zum Theil auf kenntliche oder doch von der
Phantasie zu umreissende Bilder auch von animalischen Wesen, deren Gliedmassen, wie
wir sahen, manchmal genannt werden.1)
Es begegnet uns da ~*^ l}t „das Vordertheil", . ^ phwl „das Hintertheil",
^O hr 'ib „der mittlere" und hr oder \\ hrw „der untere Theil", tp „die
Spitze der Hand" oder „die Fingerspitzen", ^i— ä hr (rmn) oder •■>-—& hr (min) „der
Ober- und Unterarm", j <=• wrt „das Bein", ^™ hr hpt „das Geschlechtstheil",2)
I Bs msdr „das Ohr". Bei dem Sternbilde <C\ ■ ^~>. jpfl d. i. „die Gans oder der
~° \ Ks^. %> ^ n^ ^^ "^as ^orn (die Haube oder
Krone) des Vogels", *^H tp „sein Kopf", q v\ ^ Q ^ kftw-t-f „sein Hintertheil".
»
Die Maasse und die Körpertheile.
Die ägyptischen Astronomen knüpften die Zeiteintheilung früh an die Beobachtung
der regelmässigen Bewegung von Sonne, Mond und Sternen. Schon in der Pyramidenzeit
verstand man die Mittagslinie zu finden, und bereits damals war die Bestimmung der Zeit-
eintheilung, die bis spät gültig blieb, in der Hauptsache festgestellt worden. Sie entspricht
der unseren ziemlich genau. Das Siriusjahr ist freilich etwas Aegypten allein Angehöriges
und auch nur dort verwendbar. Schon früh war es als dem wahren Sonnenjahre dort
1) H. Brugsch, Thesaurus inscriptionuni aegyptiacarum, Leipzig 1883, Abth. I. Astronomische und
astrologische Inschriften, S. 154 fgd.
2) H. Brugsch 1. 1. S. 154 übersetzt ^ *l „Nabelgegend des Bauches". Die ~ ^ hpdw
sind aber Pap. Ebers 100, 8 sicher Nieren, ULJIOTIUJ reu ist allerdings kaum der k. Nachfolger von hp'l.
Pap. Eb. 100, 7—8 heisst es aber auch: O % ^\ ll—I—^^^^ ^ I ' ^^^^^QQ '
q 'iw ml" sn 'n hpdw vf 'n hpd ky 'n hpd „es sind 2 Gefässe für die Nieren, eins für die eine.
eins für die andere Niere". Diesem Satze geht ein anderer voran, der von den Gefässen redet, die für
die Hoden bestimmt sind und den Samen geben oder leiten ( . _). Ihm folgt sachgemäss eins von den
'^•fassen, die für die Nieren da sind und den Urin geben. — Was unter den Nieren liegt, inuss unter
dem Nabel liegen und wird die Blase oder die Geschlechtstheile sein.
21*
162
entsprechend gefunden worden, das Sonnenjahr aber hatte 360 Tage -f 5 Schalt- oder
Epagomenentage. Der Fehler von 1I± Tag, den dieser Ansatz ergab, blieb durch jenes
controllierbar, und beide Jahresformen glichen sich nach 365 x 4, d. i. nach 1460 Sonnen-
jahren wieder aus. 1460 Sirius- oder feste Jahre waren gleich 1461 schwankenden Sonnen-
jahren, und die Zeit, deren es zu diesem Ausgleiche bedurfte, hiess eine Sothisperiode. Der
Sirius oder Sothis (Isis-Stern), dessen Bahn der rechten Jahresbahn der Sonne gleichkommt,
hiess
\ s \ spd-t oder „der Dreieckstern ". *) Mit den Körpertheilen hat er wenig zu
schaffen; Varianten bezeichnen ihn aber auch als ^ f\ tp n spd-t „den Kopf (die Spitze)
1
des Dreiecks" und in später Zeit — doch gewiss nur wegen des Gleichklangs —
indem sie spt „die Lippe" für spd „das gleichschenkelige Dreieck" einführten.
Der Monat wurde zu 30 Tagen, der Tag zu 24 Stunden (12 des Tages und 12 der
Nacht) gerechnet. Ausserdem begegnen uns auch Minuten oder kürzere Theile der Stunde.
Nur die Jahreszeiten entsprechen den unseren nicht, da man das Jahr nicht in
vier zu drei, sondern in drei (die sogenannten Tetramenien) zu vier Monaten theilte.
Unter den Namen, mit denen die verschiedenen Zeitabschnitte bezeichnet werden,
blieben die Körpertheile fast ganz unberücksichtigt.
Für die Stunde (sonst "^^ ^ * wnwt) kommt allerdings vereinzelt die Gruppe \ ^ dtf-t
vor. Wenn diese trotz des fem. t dem masc. dtf entspricht, so bezeichnet sie vielleicht die
kleinste Einheit der Elle, die die Fingerbreite ist und, wie unser „Spanne Zeit", die kleinste
Einheit überhaupt.
Das von Brugsch in den Supplementen zu seinem h.-dem. Wörterbuche angeführte
Beispiel: w Jn i <=> ^ u >/ i | rr> ■ ■ ^ zu übersetzen: „die grossen Gestalten seiner
Majestät des Sonnengottes an den 12 Tagesstunden"; doch ist 71 ^ dtf-t hier vielleicht nicht
als Zeitmaass „Stunde", sondern als „Unterabtheilung" in allgemeinerem, ursprünglich räum-
lichem Sinne zu fassen. Uebrigens bezeichnet der Finger jj auch die Zahl 10,000 kopt. t$h».
und nach Horapollon II, 6 den Magen: 'Avi^qcojiov ozojuaxov örjldi ddxxvlog. Lepsius dachte
dabei doch wohl irrthümlich an das koptische TH&e Sarg, tco&i receptaculum.
Die Gruppe ^^ q *t, die gewöhnlich in der Bedeutung von „Augenblick" vorkommt
und mit dem Kopfe des Nilpferdes geschrieben wird, — vielleicht, weil dies Thier den Kopf
immer nur auf kurze Zeit aus dem Wasser in die Luft streckt, — ist kein eigentliches
Zeitmaass, sondern nur wie unser „Stunde" in „zu glücklicher Stunde" und wie das lateinische
„hora" in dem Horazischen „numquam te crastina fallet hora", die allgemeine, keineswegs
scharf begrenzte Bezeichnung für einen kurzen Zeitraum. Altbekannte Sätze,2) von denen
einen der bezeichnendsten Lepsius schon in seiner Chronologie3) benutzte, scheinen aller-
O
J) Aus der späteren Form vx * st'i entstand das griechische Sothis.
2) Lepsius, Denkrn. IV, 11, c. Karnak, Nördliches Thor der Umwallung. Auf dem Dache tlcs
Tempels zu Dendera. Brugsch, Wörterb. Supplemente etc., S. 839.
3) Die Gruppe für die Stunde ist beschädigt. Wir ergänzten sie (nicht sicher) . . . „ und meinten
dann (mit Brugsch) ^jjj zu erkennen. Da aber zu Dendera und sonst tontet (cyitOY) die gewöhnliche
163
dings für das Gegentheil zu sprechen; denn sie zählen in herabsteigender Folge die Zeit-
raaasse auf, und zwar so, dass den grossen Perioden die Jahre j j ■ , die Monate ^=-n und
die Tage OOO folgen. Dann kommen in einigen die Stunden ^"Öi=j=i O wnwt* und
° -www O * I I I
diesen folgen H~^ Jtf, ^W *|\ ^ fe< und ~ 'ir-tf? (oder wr-£), die man also für Secunden,
Tertien und für einen noch kleineren Zeitabschnitt ansehen müsste. Dennoch scheinen alle
drei keine messbaren Zeitabschnitte zu bedeuten. Die in S. 162 = 84 Anm. 3 erwähnte
Vermuthung, wir hätten es hier mit Tagesminuten nach der Sexagesimaleintheilung zu thun,
nach der der Tag 60 Minuten, die Minute 60 Secunden, die Secunde 60 Tertien hätte, ist
um so weniger haltbar, je gewisser die Aegypter Tag und Nacht in je 12 Stunden eintheilten.
t-j it würde nach Lepsius eine Tagesminute von 24 unserer Minuten, und H1F *C\ „ hit die
60 x kleinere Tagessecunde sein, doch müssen wir von dieser Bestimmung absehen. Jederzeit
ist ~v\ O ^ vielmehr nur wie das ihm fremde kopt. £OTe hora, tempus opportunum
ein unbestimmter kurzer Zeitraum. So auch in \\ Q ~ it ktt des mittleren Reiches,1)
wo es „ein kurzer Augenblick", der so gut Minute wie Secunde übersetzt werden kann,
bedeutet. Wenn es viel später im Anfang der Ptolemäerzeit auf der Diadochenstele heisst:
.*=>_ t ^^ O ^ ) di f sn m it tv-t, „er ergriff sie (die Feinde im Westen
/www d
Aegyptens) in einer it", so bedeutet das nicht, dass er sich ihrer im sechzigsten Theile einer
Stunde oder Minute bemächtigt habe, sondern, dass dies in ganz kurzer Zeit, „im Nu",
„in einem Augenblick" geschehen sei. So steht es überall, wo it vorkommt;3) als fest
bestimmbares Zeitmaass ist es uns nirgends begegnet, und das Gleiche gilt von <uP <C\ ~
und oQ.
Das Zeitmaass ,-7—ä, das mit dem Vogelbeine oder auch mit dem menschlichen Unter-
arme mit gekrümmter Hand ^ fl geschrieben wird, das mit X ^--s> wechselt und darum
fjrh gelesen wird, hat gleichfalls keine genau messbare Bedeutung. Es ist „Pause" zu
übersetzen und als Imperativ des Verbs ' « w grh „ruhen, ausruhen, zu Ende bringen", zu
fassen. Es ruft dem Recitator zu, auf kurze Zeit den Vortrag abzuschli essen, Ruhe ein-
Bezeichnung für die Stunde steht, muss dem Tage die Stunde folgen und Lepsius' Vermuthung, mit dem
Tage habe eine Sexagesimaleintheilung begonnen und statt in Stunden sei der Tag in 60 Tagesminuten
eingetheilt worden, zurückgewiesen werden.
i) Papyrus Prisse 1, 4 j^ ^Ol^ ^L, <=f^> jj^ [ ^ ^ , s* piu IM ch'ir 'ib „es
erfordert nur einen kurzen Augenblick, um dem Verlangen Zwang anzuthun".
2) Zeitschr. 1871, S. 3, Z. 6.
3) V\ ^ it kommt auch in der Bedeutung von Wuth, Leidenschaft etc. vor. >\ q 1
it nt swtn übersetzt Renouf „A king? wreth*. Bei Göttern und Menschen, sagt er, ist \\ q „an impulse
which canot be stopped, but carries everything before it".
164
treten zu lassen. Die zeitliche Dauer des grh ist so wenig genau zu begrenzen wie die
unserer „ Pause", wenn sie keine nähere Bestimmung begleitet. ^~-s> oder „ fl begegnen
uns oft in poetischen oder zur Recitation bestimmten hieratischen Texten und werden viel-
fach auch, um sie augenfälliger zu machen, wie die die Stichen in Parallelismen sondernden
Punkte roth geschrieben. Diese Zeichen fordern, wie gesagt, den Vortragenden auf, die
Stimme zu senken oder inne zu halten, und sind deswegen eher zu den recitatorischen
Hilfsmitteln als zu den Zeitmaassen zu zählen.
Mit den Flächen maassen der alten Aegypter steht es anders, schon weil ihre ganze
Längenlehre auf der Elle beruht, und weil diese samt ihrer Eintheilung gewissen Glied-
maassen entspricht.
Der Körpertheil, der zu jeder Zeit für die Elle als Zeichen in Gebrauch war, ist der
Unterarm samt der Hand mit nach unten gekrümmten Fingern ^ — fl. Zuweilen wechselt
dies Zeichen mit dem Unterarm samt Ellenbogen in natürlicher Seitenansicht d oder
mit dem Vogelbeine ,-r-Ä, das gekrümmt ist und mit dem Oberbeine, so weit es zu sehen
ist, einen spitzen Winkel bildet.
r= fl gibt die Haltung des messenden Armes wieder, ist mhi {mlii) zu lesen und erhielt
sich im kopt. M&.£1 cubitum, brachium und M^ge cubitum. Das Messinstrument selbst
wurde <c=3 mi-t geschrieben und ist das Bild einer Flöte.1)
In einer vortrefflichen akademischen Abhandlung versuchte Richard Lepsius2) zuerst
die Grösse und Eintheilung der ägyptischen Elle festzustellen, indem er seinen Untersuchungen
vierzehn Exemplare von Ellen aus Holz oder feineren Steinarten zu Grunde legte, die ein
glückliches Ungefähr erhielt. Ihm dankt die Wissenschaft die Kenntniss dieser Materie
bis ins Einzelne, — und wenn auch wir nicht mehr an seinem Hauptresultate, das er
scharfsinnig zu begründen und, als er angegriffen worden war,3) mit dem beinahe heftigen
Eifer der festen Ueberzeugung zu vertheidigen wusste, voll festzuhalten vermögen, nöthigt
uns doch die Gerechtigkeit anzuerkennen, dass jeder, der sich mit der ägyptischen Elle
beschäftigt, seinen Vorarbeiten das Wichtigste verdankt.
Nach Lepsius hätten die Aegypter zwei Ellen neben einander besessen, eine kleinere
mh Jet (nds oder sr), die dem Vorderarme des Menschen entsprach, und eine
. ^ — ö stn mh, die um 1/G grösser war und die königliche hiess. Jene wurde
/www
im gewöhnlichen Leben gebraucht, diese (die königliche) bei den Bauten des Pharao. Beide
wären in 6 Palmen oder Handbreiten oder in 24 Fingerbreiten eingetheilt worden. Die
Eintheilung der grossen Elle hätte gestattet, auch die Maasse der kleinen von ihr abzulesen.
grossere
J) Nach Horapollon 1. 1. II, 117 stellt das Bild einer Flöte das Wahre, Rechte, Genaue dar. Er
gibt damit richtig die symbolische Bedeutung von / 1, d. i. die Querflöte (avQiyt), wieder. Sie eignete
sich für die Darstellung des Rechten und Regelmässigen fidhara rsiay/.i£vov ixtslovoa <pßöyyor. Aus der
Querflöte lilsst sich ja wirklich stets genau der nämliche Ton erwecken.
2) R. Lepsius, Die altägyptische Elle und ihre Eintheilung. (Abhandlungen der k. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin 1865.)
3) Wilh. Dörpfeld, Beiträge zur antiken Metrologie. Mittheilungen des deutschen archäologischen
Institutes in Athen, Athen 1882, S. 277 fgd. und 1883, S. 36 fgd. Die Entgegnungen von Lepsius (in
der nämlichen Zeitschrift S. 227 fgd.) „Die ägyptischen Längeninaasse" von Dörpfeld beleuchtet. Ferner
in Zeitschr. 1884, S. 6 fgd.: Ueber die 6 palmige grosse Elle von sieben Palmen Länge in dem „Mathe-
matischen Handbuche von Eisenlohr".
165
Erst unter den Ptolemäern wurde nur noch mit Preisgabe der kleinen die grosse Elle benutzt
und von den Behörden anerkannt. Auch der Fuss, der früher nicht mit auf den Ellen
verzeichnet worden war, wurde nun auf den Messinstrumenten vermerkt.
Auf die Polemik, die diese Bestimmungen hervorriefen, näher einzugehen, ist hier nicht
gestattet,1) doch heben wir hervor, dass Lepsius zwar die grosse Elle ursprünglich und
seiner Meinung nach naturgemäss in 24 Finger und 6 Handbreiten eintheilen lässt, aber
auch die Möglichkeit zugibt, sie sei schon früh auch in 7 Palmen und 28 Fingerbreiten
(die Palme zu 4 Finger) eingetheilt worden.
Auch nach den Dörpfeld'schen Darlegungen bleibt der Begriff einer grossen (königlichen)
und einer kürzeren (kleinen) Elle stehen; diese aber lässt sich kaum noch als selbständig
für sich betrachten, sondern muss für eine Unterabtheilung der grossen Elle angesehen
werden. Sie ist das wie im Leben des Volkes so auch bei königlichen Bauten benutzte
Messinstrument, das 0,524 (genauer 0,52444) Meter lang ist, während ihre Unterabtheilung
„die kleine Elle" 0,449 Meter misst. Statt in 6 Handbreiten zerfällt die allein gebräuchliche
grosse Elle in 7 Handbreiten und, da jede 4 Fingerbreiten enthält, in 28 Dactylen. Die
kleine Elle misst nur 6 Hand- und 24 Fingerbreiten und ihre Unterabtheilungen entsprechen
an Länge genau denen der grossen Elle, deren grösste Unterabtheilung sie selbst ist. Beide
verhalten sich zu einander wie 6:7.
Zum Beweis, dass die gebräuchliche Elle schon in der Hyksoszeit wirklich in 7 Palmen
zerfiel, muss hier die Mittheilung der Thatsache genügen, dass der in jener Epoche nieder-
geschriebene mathematische Papyrus Rhind (im British Museum) nur eine Elle kennt, die
in 7 Handbreiten (^^" H^y' sp) zerfällt; denn es heisst in diesem grossen von A. Eisenlohr
herausgegebenen Handbuche der Mathematik:3) (. \\ n , na^! 'im' »es üa* ^e ^'e
7 Handbreiten". Die Bemerkung des Herodot (II, 149) xov de nrjieog i^anaXaloxov , die uns
anfänglich fester an die Lepsius'sche Meinung schloss, wird durch Dörpfeld3) ihres Gewichtes
beraubt. Die ersten Bedenken, die auch in uns gegen die Lepsius'sche Eintheilung erwachten,
sind aus ihrer grossen Compliciertheit erwachsen. Auf Flinders Petrie's und F. Griffith's
(Proc. bibl. arch. 1892, p. 403) eingehende metrologische Arbeiten kann hier nur hin-
gewiesen werden.
Da die Elle aus 7 Hand- zu je 4 Fingerbreiten bestand, enthielt sie 28 Fingerbreiten.
Die kleinste Einheit ist der Finger jl = j| \ , ^"1 jl| ^ &b koVL S- TH&€->
u.-äg. eHfe, doch wird er in Halbe, Drittel, Viertel, Sechszehntel zerlegt. Diese Theile
erhielten indes keinen besonderen Namen.
■^3 die Hand ohne Daumen, ist 4 Finger, nalaioxy] (TzaMjuij) und entspricht dem
hieroglyphischen ^^~ g "^ sp ujon palmus. Dabei könnte es nach dem Pap. Rhind
J) Die Lepsius'schen Uebersetzungen der auf den Ellen verzeichneten Gruppen sind grösstentheils
zutreffend, und die unsinnigen Vorschläge des Herrn Bodenbacher (bei Dörpfeld) konnten von Lepsius
nur mit einem unwilligen Achselzucken zurückgewiesen werden.
2) A. Eisenlohr, Ein mathematisches Handbuch der alten Aegypter (Pap. Rhind des British Museum),
Leipzig 1877, Bd. I, S. 142.
3) "W. Dörpfeld 1. 1. 1883, S. 44.
166
bleiben; Brugscb,1) Wörterb. Suppl. S. 1274 scblägt aber sebr beredt vor, ■==r^, b l~p
zu umschreiben.
■^EZa (die Hand mit dem Daumen) ist 5 Finger und doch wohl ^^ d-t zu lesen.
& im, die Faust ist 6 Finger oder P/2 Handbreiten.
2 Handbreiten oder 8 Finger.
^"5^* si kt, nds oder sr die kleine ausgespannte Vogelkralle, die Lepsius „erto net's"
(epTüi) liest,2) 3 Handbreiten oder 12 Finger.
,-JL Sit c? (Lepsius, Erto äa). Die grosse Spanne, om&a/uij. 1\% grosse Elle. 3x/a Palmen
oder 14 Finger.
\=J? dsr 4 Hand- oder 16 Fingerbreiten. Entsprechend dem griechischen Fusse.3)
^ ~^ /WWW
^—ä rmn das Vogelbein. | i ^^ rmn der menschliche Arm (Oberarm) oder auch
der der Wage »sb^i T ( ( Ali why enthält 5 Palmen oder 20 Finger.
Das Instrument der Elle wurde besonders häufig von den Architekten benutzt. Schon
beim Bau der Pyramiden und bei anderen auf Befehl des Pharao errichteten Werken
bediente man sich der grossen, königlichen Elle (1 «■ — fl). Wir finden sie aber auch
\ I /www /
:) Eingehenderes über den Lautwerth von ^-j, , ^=^3, "^ESd, in Abth. II unter
<r^=^3 die Hand.
2) Lepsius 1. LS. 37 und 38, sowie Anm. 1 zu S. 38 denkt dabei an das kopt. epTü), epTlOIl, ~\,
das von Tattam und anderen nach der latein. Vulgata durch palmus, mensura quatuor digitoruni statt
durch spithama oder dodrans d. h. 3/i Fuss wiedergegeben wird. Dies wäre in der That das Richtigere
gewesen, und nach Hultsch Metrologie p. 60 wurde in der Vulgata allerdings palmus oder palma für
spithama gebraucht. Eine dem kopt. epTUi entsprechende Gruppe, die auf bezogen werden könnte.
vermochten wir indes nicht zu finden. Die Vogelklaue heisst T<nT >\ a .^JL, ***> unc^ , J1 ^ hiev
kaum das blosse Determinativum, sondern ist auch als Wortzeichen zu lesen. Es hat z. B. der Völker-
name )| V\ I Lepsius, Denkm. III, 7G und 77 doch wohl den Lautwerth hti. Da die Sit zu den
Bogenvölkern gehörten, waren sie vielleicht „die Spannenden", und ojitdafirj die Spanne, ist von ant£a>
= ixteivw abgeleitet. In dem Worte . I| ist II nur Determinativ mit der Bedeutung des
Spannens. Während des Drucks dieser Arbeit kommt uns noch in der Zeitschrift Sphinx, Stockholm 1897.
I, Fase. IV, S. 256 und 257 die Bestätigung unserer Lesung von zu. Karl Piehl gibt dort in der
Notiz „La lecture du signe /rj\_^ii Varianten, die diese Frage entscheiden. Piehl fand nämlich, dass ein
Theil der Nekropole von Edfu ===== dw sh an einer anderen Stelle (Piehl, Inscriptions hieroglyphiques.
Ser. II, XXXIV, 9) auch ,^JL, geschrieben wird. ^_ JL> steht hier also für . . sb, und damit ist
ED e=> \\ c \\ x I
die Gleichung, die wir auf anderen Wegen fanden — si t oder si t'i als richtig erwiesen.
3) Im Aegyptischen ist uns der Fuss \ Q rd (kopt. p^T") nie als Maass begegnet.
[ i=r, (. ), ( <=» \, V\ <z> ^ J\ 'itr, 'ir, v ist der oxoXvog. Der n der Isis (Griffith
Proc. bibl. arch. 1892, p. 409) ist der Schoenus von Philae.
167
mit symbolischer Bedeutung in der Hand des Vertreters der Priesterordnung der Stolisten,1)
denen nicht nur die Bekleidung der Götterbilder, sondern die ganze Jugenderziehung (ra
TiaidevTixa Tiavta) oblag. Die Elle wird hier 6 öixaioovvrjg 7ifj%vs, die Elle der Gerechtigkeit
genannt. Ihre Eintheilung wurde nicht nur vom Staate überwacht, sondern stand auch
im Schutze der Gottheit, wie die Götternamen2) beweisen, die sich auf den meisten Ellen
verzeichnet finden.
So sind also auch die Unterabtheilungen der Ellen bestimmbar.
Auf die Hohl- und Flächenmaasse hier einzugehen, würde zu weit führen, zumal
unter ihnen Körpertheile nur ganz vereinzelt vorkommen. Als sehr häufig angewandtes
Hohlmaass begegnet uns freilich der Mund <=T:> ri (kopt. po, mascul.), wie im Altägyptischen
(Mund, Thür, Theil) besonders in medicinischen Schriften. Wir hielten es3) für das /xiy.QoxeQov
jlwotqov der Kleopatra, das als Theilmaass der provincialen römischen Kotyle vorkam und
a/32 Hin, 0,141 Liter (Hultsch, Metr. S. 640) enthielt.*) Auch ^~ nn-t die horizontal aus-
gestreckten Arme, die gewöhnlich die Negation bezeichnen, treten für ein bestimmtes Maass
ein, und zwar für das Flächenmaass der Orgyie, die 4 ägyptische Ellen (2,1 Meter) ausmacht.
Im grossen Pap. Harris wird diese Gruppe als Flächenmaass, mit dem die Grösse der Felder
bestimmt wurde, häufig verwandt. 5) Die anderen Längenmaasse, bei deren Darstellung keine
Körpertheile benutzt werden, wie das etwa dem Schoenus entsprechende (, o v\ ^^ t=t 'itivr,
das mehrfach auch mit den Beinen J\ und \ determiniert wird (s. oben S. 166 = 88,
Anm. 3), gehören nicht hieher.
Die Hand <=^ 6) d-t und <=^:
der Ochsenfütterung. Der Unterarm
„das Stück". So:
SS V.V. A>VWV\
als „Zahl, Anzahl" kommt es vor.
7) bedeutet als Maass eine Hand voll, und zwar bei
al c bedeutet eher „das Paar" (hi) als (Eisenlohr)
,2000 Paar von Gespannen". Auch
\L\\^
oder d-t n ipdw ist „eine
1) Clemens Alexandrinus ed. Potter, S. 757 und 758 (VI, 4), wo der Aufzug der Priesterordnungen
vorgeführt wird.
2) So auf der Turiner Holzelle des 'Imn m 'ipt: R', Sw, Tfnwt (in ungewöhnlicher Schreibung,
— bestimmt nicht ka), Gb, Nwt, Osiris, Isis, Set, Nephthys, Horus, die vier Lichtgeister (Horussöhne)
mst ('imst), Hp'i, Dw? mwt-f, Kbhsnwf, sowie Dhwt'i etc.
3) G. Ebers, Pap. Eb. Die Maasse etc., Leipzig 1889, S. 168 (36) fgd. Griffith schöne metrologische
Arbeit Proc. bibl. arch. 1892, p. 426 zwingt uns zu neuen, noch unvollendeten Untersuchungen über das n.
Tannery's Annahme, Revue archeol. 1881, p. 163 fgd. (0,06 Liter) ist zu klein. Eisenlohr, Pp. Rhind.
bestimmt das n des mathem. Papyr. auch auf V32 Hin.
*) Es kommt auch in der Bedeutung von „Theil" vor, und Eisenlohr übersetzt es (1. 1. S. 260)
=*=^
I
t
(1 „ Betrag des Futters für
„ Anzahl, Menge, Betrag". S. 211, Nr. 82, 3 -
10 Gänse".
5) Eisenlohr 1. 1. S. 9 und 119.
fi) Grosser Pap. Harris 21a, 9, 11, 13.
7) Eisenlohr 1. 1. N. 84, 1, wo von der Fütterung eines Stalles von Ochsen "h
die Rede ist.
8) Pap. Sallier III, 3.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. I. Abth. 22
$3
168
Anzahl (kaum „Paar") Gänse". ~ "q übersetzt Eisenlohr: „Stück, Zahl, Menge, Gewicht".
Letztere Bedeutung kommt o allerdings wahrscheinlich in dem Satze zu: [ (? ( <=>
o f^rfflO ^ (g^ J n I I D <2 ) .es ist nun die Dosis an Gold betragend 12 dbn":
>l I /WWW I <^-^> I I I
wir möchten nämlich das hieratische Vorbild von " "^ gern T~n c± umschreiben (es wechselt
dies ohnehin oft mit ~ — °) und T~~j\ ° d'id'i-t als „das Gegebene, die Dosis" fassen.
Dass ® I <ii di, tp, tp(if „der Kopf" auch bei Messungen und Berechnungen den Anfang
und das Oberste bedeutet, versteht sich von selbst. Das Mittlere wird um des Lautwerthes
von f=iD willen mit dem Phallus f=ih mt geschrieben. t/ mt oder ]
mit oder
I mt'i ist .die Mitte, das Mittlere". ™ f j 3 2) psst mtt „der Durch
, | | — k— ä XI I Iq o II I
schnitt, mittlere" d. i. der mittlere Unterschied (am Antheil bei zu verteilendem Getreide).
An einer anderen Stelle des Pap. Rhind3) heisst es @i»wm '"o'^öe tp n \rt
c±
A^VW\
twmv mt „Anfang vom machen (festzustellen) den Unterschied mittleren". Sonst begegnete
uns für die Bezeichnung der Mitte schon das Herz ty 'ib und die zwei Finger 1 |, die
Determinativa für das in der Mitte Befindliche, Richtige und auch für das Gleichgewicht sind.
Als Deutzeichen stehen sie bei c 1c in der Gruppe <=> ] ) ; r ^? '^ (S. 99 = 21)
„nach der Mitte des Herzens hin" (bei, nahe dem Herzen, in der geraden Mitte). In Ver-
bindung mit O I „das Herz" begegnet uns j Vi <~>'0'T „angesichts des Herzens", des Mittel-
em ®
punktes des menschlichen Körpers mit der Bedeutung „die Mitte" und *j\ = „im Angesicht
des Herzens" als mitten, mitten in, in der Mitte.*) Die Fusssohle oder Sandale ul = t >
fbt stellt kein Maass dar, doch in besonderer Verbindung die Grundlinie oder
Diagonale der Pyramide.5)
M
') Eisenlohr 1. 1. S. 151, N. 62, Z. 4. Pap. Rhind Taf. XIX, 4.
2) Eisenlohr 1. 1. N. G4, 2, S. 1G0.
3) Pap. Rhind Taf. XIV. Eisenlohr 1. 1. Nr. 39, S. 89.
4) Eisenlohr 1. 1. S. 270 sucht (s. v. ^ I) für . auch die Bedeutung von „das Ganze" zu erweisen,
in seinen Beispielen aber lässt sich, wie er übrigens selbst zugibt, an der präpositioneilen Bedeutung
von @ I festhalten.
5) Eisenlohr 1. 1. S. 139, Nr. 5G, Z. 1 und 2 übersetzt ^T^, -A (j| * wh tbt Basis und wörtlich
.Suchen der Fusssohle". Der Vorschlag diese schwer verständliche Gruppe mit dem sehr alten
- -J = i— -i zusammenzubringen und etwa Fläche, hier die Basis, zu übersetzen ist kaum
haltbar, weil whi von whi „Säule" abzuleiten ist. Cf. Erman, Pap. Westcar I, S. 50. Ob bei ich, wie
Steindorff allerdings nur zaudernd vorschlägt, vielleicht an das kopt. cycoitj „Entfernung" zu denken ist?
tbt für sich allein kommt sonst in dieser Handschrift nicht vor.
169
König, Staat und Körpertheile.
Dass die Maasse (wie bei der Elle) vielfach mit Theilen des menschlichen Körpers in
Zusammenhang gebracht werden, ist natürlich. Es kann aber auch kaum in Erstaunen
setzen, dass uns solche bei der Benennung von mancherlei Erscheinungen im Leben des
Hofes und Staates wieder begegnen.
Der Pharao ist die irdische Erscheinungsform des Sonnengottes, der „Horus auf dem
Weltenthron" und wird s^ si r „Sohn des Rc" oder — mit einem Körpertheile — *^, = j£^
"\N iv , oder W »das Fleisch, Fleisch und Blut, der Erbe" des Sonnengottes genannt.
Von königlichen Prinzen wird oft gesagt: „der Sohn" «»«^iw. n lx-t f „aus seinem
Leibe", was so viel wie unser „leiblicher Sohn" bedeutet.
Die Königin erhält bisweilen (XXV. Dyn.) den Titel
ntr d-t „die göttliche
/W/W/W _--i ^-^
Hand".1) Die Prinzen werden auch «~w« <=> mw ntr'i „göttliches Nass", d. i. göttlicher
/WWW \\
Same, Same, hervorgegangen aus dem gewaltigen Stier (der siegreiche Horus nach den
o -ö l /ww/w ■»..■*- r\ r\
Bilinguen), genannt. So heisst es von dem Prinzen H m w?s-t 6\ **-=» x~,
«~ ~wwv | <=» <=> v\ ^^ * — o ) stn Si n h-t-f mry-f mw ntr'i pr m In riht „der Königs-
/www i W J\ __LJ*\^
söhn aus seinem Leibe, der von ihm geliebte, der göttliche Same, der hervorging aus dem
gewaltigen Stiere (siegreichen Horus)".
Bei dem Henotheismus der Aegypter, der an verschiedenen Cultusstätten bei dem
Lokalgotte die Eigenschaften und Kräfte der anderen Götter vereint zu denken gestattet,
kommen verschiedenen Unsterblichen die höchsten Titel zu, die auch Sterblichen beigelegt
werden und die zum Theil Namen von Körpertheilen tragen. Wie dem Pharao wird den
höchsten solaren Gottheiten der Titel 1 stn „der König" gegeben. Regelmässig ist z. B.
I /www
der Amon von Theben I 1 stn ntr, während der Pharao wiederum, wie schon bemerkt
wurde, als Fleisch oder Erbe des Rc bezeichnet wird. Auf Philae heisst Osiris -^^ in n üivi
Ulli 1
Haupt der fünf Mitglieder seines Kreises: Osiris, Isis, Horus, Set, Nephthys und der nach
ihnen benannten Epagomenen oder Zusatztage des Sonnenjahres von 360 Tagen. @ ® hr <7? ch
entspricht ziemlich genau unserem Oberhaupt, es kann aber auch in ähnlicher Auffassung
„von höherem Rang", „von einer höheren Classe oder Ordnung" bedeuten. Dann steht
ihm gegensätzlich Ä hr tp „von geringerem Rang, von einer unteren Classe" gegenüber.3)
So war Amenhotep, Sohn des Hapu, zuerst I Ipi^ k. Schreiber unterer Ordnung und dann
,.'4p|„ k. Schreiber oberer Ordnung der jugendlichen Krieger, die den jueMaxes voran-
gegangen zu sein scheinen, zu denen die ßaodixol ncfideg am ptolemäischen Hofe heranwuchsen.
*) G. Ebers, Die naophore Statue des Harual. Zeitschr. d. deutschen morgenl. Gesellsch. XXVII,
S. 143. Linke Seite, Z. 4.
2) Lepsius, Denkm. III, 176, G.
3) H. Brugsch, Zeitschr. 187G, S. 96.
22*
170
Wie es auf Erden einen hr di di oder tp in verschiedenen Rangclassen gab l^1©
qj.'Ii hr (h di mnfyt' Oberhaupt der Leibwache etc. ) gab, so findet sich auch unter den
Himmlischen ein
) hr di di ntr nbw ein „Oberhaupt sämtlicher Götter".2) —
Unter der Hierarchie wird der « M4 , fi ^S7 J ' Mji Inversion von ö j
ftl
Itrhb hr di di oder
^ § \\3
)
„der Vorlesepriester" mit " hr dl di gewöhnlich zu fi a\ |
/(r/iö /in rf? di, d. i. der Obervorleser, dessen Stellung der Umstand hob, dass die Schriften,
aus denen er vorlas, oft magischen Inhaltes waren und man ihn darum mit magischer Kraft
ausgestattet dachte.
Auch Göttern kommt die Bezeichnung hr di di in der Bedeutung von „Haupt" zu.
Ht hr-t di di wist „Hathor
So ist Hathor im Grabe des Amen m heb zu Theben
die Hauptperson, Hauptgöttin von Theben".
® I di di, tp „das menschliche Haupt" lernten wir schon als früh für sich allein stehende
Präposition „auf" kennen, die vielfach auch substantiviert wird. Die di diw sind dann die
auf etwas Befindlichen. Auf dem schönen von Naville ausgegrabenen Ebenholzschrein
(18. Dyn. Thutmosis II) heisst es, er sei gewesen v\ *\f/ v\
"^ Je in ä&m? n di di' st'
„aus Ebenholz der auf den Bergen Befindlichen" d. h. der Bergbewohner. Wo es Würden
bezeichnet, entspricht di di unserem Haupt, Oberhaupt, Hauptperson männlichen und weib-
lichen Geschlechtes.
^ stn si tp ist der „Haupt- (der erste) Königssohn",
stn
hmt tpt ist die „Haupt-, königliche Gemahlin, die Favoritin", u || hn ntr tp ist „das
Haupt der Propheten, der Oberste, Oberprophet", *r ( "TT* w^r ' ' ' ' ty ,*r* Y ^ »das Haupt,
\\
der erste seiner Genossen". Im Pap. Prisse heisst es ® I (
, bist du das Haupt deiner Stadt", oder
o I
tp *im n-t5)
\r tp ivd6) „wenn ein Oberhaupt,
J) Lepsius, Denkm. III, 81.
2) Hr di dj „auf bedeutet wohl eigentlich „auf dem Kopfe' und ging dem kopt. £i*2£ It voran.
Mit Suff. oi*2SU> „auf. Substantivisch: das über dem Haupte Befindliche, das Ding, das sich über, auf dem
Haupte befindet, ist die Krone, das Diadem. Dies wird als göttliches Wesen betrachtet „
hr-t di di-lc 'im'i di di-k (Dümichen, Histor. Inschr. I, XVII, G) bedeutet „deine auf dem
I
\\ ^:
Kopf Göttin (dein Diadem) ist zu deinem Haupte gehörend", d. i. dein göttliches Diadem ist an deinem
Haupte. Am Haupte des Sonnengottes wird das Diadem bestimmt als Göttin gefasst. Im Sonnenhymnus
(Todtenb. c. 15) wird diese nbt ivmvt, deren wir schon gedachten, „Herrin der Stunde" genannt und
stellt die Uräussehlange dar, die so wenig an der Doppel- (Süd- und Nordkrone) der Gottheit wie an
der des Pharao fehlt.
3) Erman, Pap. Westcar IV, 3 u. a. 0.
4) Pap. Anastasi I, 1, 3.
5) Pap. Prisse 13, 7.
6) 1. 1. 18, 3.
171
Vorgesetzter befiehlt", (, 0-=- <£\ I ^—D [g] I \>i' fes Si-knhrtp-k -es sei
gebengt dein Rücken vor deinem Vorgesetzten".1) Auch in der Bedeutung von Häuptling
kommt <@ tf? <?? vor, und zwar mit verschiedenen Determinativen, gewöhnlich mit fj§. Der-
selbe Mann mit dem Stabe ist als Wortzeichen mit der Bedeutung „Häuptling" neben
ivr, sr etc. auch tp zu lesen wie das Haupt. Dies geht, wie mir scheint, schon aus dem
Satze hervor: <^=- ^ ^V7 ^d-^ n$ i ,WW>A ) rfmj-yfc «/" £»5 tp sn, bei dem die Assonanz
für TO i die Lesung tp (tpw) fordert, und der sich auch mit einem Halbreime übersetzen
lässt: „Er schnitt ab die Häupter ihrer Häupter (Häuptlinge)". Aehnlich wird auch ' tp{if
„der Kopf, die Spitze" gebraucht, und zwar als3) „die Vorangegangenen, Vorfahren in
ehrwürdigem Sinne" ^^^i.4) So in ® rf ^L i W i "^ tp ' hpr hr fit-f „die ehr-
würdigen Häupter, die vor ihm waren". Die Lesung cp ist kaum berechtigt, aoie : Ä^t^e
geht wol auf tp zurück. In t sah man fälschlich den weiblichen Artikel.
Das Vordertheil des Löwen 9) bedeutet, wie wir schon wissen, das Vordere über-
haupt, den Anfang etc. Es wird gebraucht, um den an Rang Vordersten, den Fürsten
C\ o
zu bezeichnen, und dann mit Complement und Determinativum '=^7 Vfo ]% geschrieben.
' r _ o Sü. • °
Uebrigens bedeutet ~==^ W* K auch andere hochgestellte Vorsteher und entspricht oft
unserem „Präsident", so z. B. ist j5j ff ^ „der Präsident, vornehme Vorsteher
/wvw\
der Nekropole".
Die dem König nahe stehenden Beamten führen Titel, die sich in sehr bezeichnender
Weise auf Körpertheile beziehen. So wird ein hoch gestellter Hofbeamter des Pharao im
Pap. Hood,5) der die lebenden Wesen nach ihrer Rangordnung aufzählt, und sehr häufig
anderwärts unter den dem Pharao nahe stehenden Grossen der ß-Z-r \\ l l 11 ~ ff
k"*"™ 4 Wi t*y hw~t lir wnmi n stn „der Träger des Wedels zur Rechten (Seite)
des Königs" genannt. Es sei hier bemerkt, dass die rechte Seite und Hand (wie unsere
„rechte" und die lateinische „dextera") auch bei den Aegyptern die bevorzugte war. Sie
gehörte dem Horus, wie die linke dem Set. So heisst es in einem später oft zu erwähnenden
2J 1. 1. 13, 9. Hier das oben besprochene hr ch dt. Dazu auch (1 Q X\
@
.ein Beamter, als mein Vorgesetzter, als über mir Stehender" 1. 1. 13, 11.
2) Inschr. d. Amen m heb Z. 10. G. Ebers, Zeitschr. 1873. Zeitschr. d. Dn morgenl. Gesellsch. 1876.
3) H. Brugsch, Hierogl.-dem. Wörterb. S. 1539.
4i -Si| ist das (als Wortzeichen sps zu lesende) Determinativum für ehrwürdig.
5) Pap. Hood, den der jüngst verstorbene Wilbour in die Wissenschaft einführte, stammt wohl
aus der Zeit zwischen der 21. und 2G. Dyn. I, 12 beginnt die Aufzählung der lebenden Wesen. Götter
und Manen (vixvss) fangen an, dann kommt der König und seine Familie, dann die Reihe der Hof-
beamten, die mit dem (<~<U ^jün tit Gouverneur anhebt.
172
vaticanischen Papyrus:
k
8
\\
A^t-^S.
w
) „die
rechte (seil. Seite) dem Horus, die linke dem Set". Die Guten und Bösen werden auch
wie die biblischen Schafe und Bocke auf die rechte und linke Seite gestellt. Im Pap.
Hood (I, 14) kommt der Wedelträger zur Rechten des Königs zwar erst unter den Hof-
beamten an der neunten Stelle vor, er konnte aber auch andere Würden bekleiden, die der
des Wedelträgers im Pap. Hood vorangehen. Als Beispiel weisen wir auf den Würdenträger
^lll^ü mty3 (19- Dyn°-2)
Wie dieser Titel sich auf die rechte Seite des königlichen Körpers bezieht, so ein
anderer auf die Augen und Ohren des Pharao. Er wird gewöhnlich mit Bezug auf die
beiden Reichshälften verwandt und heisst
) *irt" n stn c«/;"
u Vit'i „die beiden Augen des Königs von Oberägypten, die beiden Ohren des Königs
von Unterägypten " , oder mehr ausgeführt
1
AA/W/W | £_
1 /WWW
a
oui
© ) 'ir-t" n stn m n-t' km c«7i" /' m spf U mh „die beiden Augen des Königs
in den Stätten des Südlandes, seine beiden Ohren in den Nomen des Nordlandes". Diese
Titel entsprechen dem ocp^al/uibg ßaotlecog etc. bei den Persern, wo sie den höchsten Polizei-
beamten und Spähern des Herrschers zuertheilt wurden und nach H. Brugsch (im persischen
Reiche) noch heute fortbestehen sollen. In Aegypten waren sie natürlich sehr viel älter.
Die beiden oben mitgetheilten Beispiele stammen aus der 18. Dyn. Der Feldhauptmann
Amen m heb führt den Titel der „beiden Augen und Ohren des Königs" neben anderen,
die ihn als einen dem Pharao nahe stehenden Würdenträger bezeichnen. Auch am Nil
wurden diese Beamten bis in spätere Zeiten beibehalten, und unter der 26. Dyn. finden wir
sogar Hofdamen und weibliche Sekretäre der Königin, die mit diesem Titel geehrt werden.
So hören wir im Grabe einer Dame
Sekretär der Königin
*
O
, die auch weiblicher Schreiber oder
war, die Verstorbene
:n\(z:
„Augen der Königin und Ohren der Königin" nennen. In ganz analoger Weise ist der
_ j. /www
Titel | 1 ' T'^1^7 ri n s^n C,?-' n Üü'i »der Mund des Königs von Oberägypten,
/www T /WWW 1 \Jn vOC)
die beiden Ohren des Königs von Unterägypten'' gebildet. Er ist vielleicht dem des Stn
tvhmiv d. i. des Wiederholers (seil, die Rede) des Königs, des Sprechers oder Herolds gleich-
zusetzen, der Amtsgenossen gehabt haben inuss, da im Pap. Hood5) ein erster oder Haupt-
(®a tp'i) whmw Sr. Majestät genannt wird.
J) Pap. Hood I, 14.
2) Lepsius, Denkm. III, 240 fgd.
3) Grab des Amen m heb: Zeitschr. 1873, 1 fgd.; sowie Zeitschr. d. Dn morgenl. Gesellsch. 187G:
G. Ebers, Grab des Amen m heb, S. 400 und 401, Anm. 1.
*) Lepsius, Denkm. III, 76, 6.
■') Pap. Hood I, 14.
173
Einen Titel „die Nase des Königs" fanden wir nicht, obgleich fnd, fnd, fnt'i und hnt,
hnt'i etc. als hervorragendster Theil des Gesichtes (@ I -www *"=^ ^? /« n A?d die Nasen-
* ^ >WW\A CJ \ \ *
spitze") benutzt wird, um das Vorderste zu bezeichnen. Im Hause ist rfTK hnt, fW]
^~^ ^ Äwtf „der vorderste Raum, das Vorgemach", die Mitglieder des Hofstaates aber,
die sich dort aufzuhalten haben, sind die -iL v\ rfTK V& i ' \W hnt „die zum Vor-
gemach Gehörenden" oder „Kammerherren des Königs und der Königin".
Auch des Herzens bedient man sich bei der Bildung von Beamtentiteln. Der
- - vt\ = | 'im fit'i ist der „zum Herzen oder in das Herz des Königs Gehörende, der
¥^.^ | ^imi liti ist „der seinem Herzen Angenehme oder Freund".
Der *|\ ,=, | mh h t'i ist der das Herz (des Pharao) Erfüllende und also gleichfalls Freund
oder Liebling. Der Feldhauptmann Amen m heb wird in seinem Grabe1) '^^"t *ih li Vi
d. i. „der Stolz (Glanz) des Herzens des Königs von Unterägypten" genannt und zuvor im
Parallelismus || T - ^^ "Ö1 pfy Äctö „die Hälfte des Herzens (Seele) des Königs von Ober-
ägypten". Ferner nennt sich dieser hervorragende Kriegsmann wie mancher seiner späteren
Collegen2) ( jj 'ir rd" „der zu den Füssen Gehörende, der Gefährte der Füsse
des Pharao", d. i. der Gefolgsmann und etwa unser Adjutant. Der Begriff der Unzer-
trennlichkeit wird durch diesen Titel zum Ausdruck gebracht, und er bezieht sich nicht
nur auf den Kriegsdienst, sondern auch auf den im Innern des Palastes. Ja ein zu den
Füssen Gehörender, ein Gefährte der Füsse steht wenigstens in späterer Zeit auch im
Dienste der Königin. So rühmt sich auf dem von uns veröffentlichten Naophorus des
<uP>cp>X] Hnvil3) dieser grosse Herr, dass er ( <=> _c± ^^ ) 'ir rd stn-t" „Gefährte
der Füsse der Königin" gewesen sei. Hier wird also unser Titel mit „Kammerherr",
„Haushofmeister" oder „Haremsvorsteher" zu übersetzen sein. Die Königin, der Hrw?l als
solcher diente, war die durch ihre schöne Statue im Museum von el-Gise berühmte l
AAAAAA
-co>- 'Imnirctis aus der 25. Dyn. Auch er wurde ein ( (j v\ ^ 'irni litib) genannt,
d. i. ein Liebling, doch nicht nur der Königin, sondern, wie er ausdrücklich hervorhebt,
AA/WNA r\
^^ n? ivr nds „für den Grossen und für den Geringen". Dass er auch
J) Inschrift des Amen m heb 1. 1. Z. 1.
2) Ebenso heisst es anderwärts, z. B. von einem Offizier aus der Zeit Thutmosi.s IV (Brugsch,
Zeitschr. f. ägypt. Spr. 1896, S. 100):
0
u
3) Zeitschr. d. Deutschen morgenl. Gesellsch. 1873, S. 139 fgd. Die Lesung dieses Namens steht
noch immer nicht fest und kann sich schon wegen des H kaum mit jp (Lieblein, Dictionnaire
des noms hierogl. N. 1235) decken.
4) 1. 1. S. 139. Vorderseite, Z. 1.
6) 1. 1. S. 143. Linke Seite, Z. 1.
174
für die Person der Königin und ihren Schmuck zu sorgen hatte, geht aus dem Titel
al} T =^ si nfr tit ntr dwi „der erste Hüter der Schönheit der Königin" hervor.
Als j^ ° ) ntr 'ip-t ntr Jimt „Vorsteher des Harems der göttlichen Frau" ist er mit
den Beamten in gleicher. Stellung an den muslimischen Höfen im heutigen Orient zu ver-
gleichen, doch kann er wegen seiner hohen priesterlichen Stellung2) kaum ein Eunuch
gewesen sein. Zu erwähnen ist hier noch einmal der Titel der Königin 1 ntr d-t3)
„die göttliche Hand". Der Mangelleidende ist es, den Hrw?l zu ihr gelangen lässt; als
Geberin wird ihr also recht sinnig der Name der „göttlichen Hand" beigelegt.
Auf diejenigen Beamten, die sich mit den Körpertheilen des Pharao zu beschäftigen
hatten, wie auf den jj^, WT mr \r hVy-t*) „Vorsteher der Nägelbesorger" (Manicure
CS
und Pedicure) und auf den II v, hrpb) *ir sn „Obersten Haarmacher" (Hoffriseur) mag
hier nur hingewiesen werden.
Zu dem Abschnitte „die Namen Aegyptens" möchten wir noch auf zwei Stellen hin-
weisen, die Aegypten deutlich als „Auge", und zwar als „Auge des R'" bezeichnen. Sie
finden sich auf dem Schrein von Saft el-Henneh.6) In der ersten (Taf. 4, Z. 3) steht statt
„Aegypten" "^?*~ \r-t R\ in der zweiten (Taf. 6, Z. 6) ^j2^ \r-t B' „das Auge des R'".
Hier steht es im Parallelismus dem a \ f) ^ Bk-Baum- oder Myrabolanumlande gegenüber.
Diesem Abschnitte sollte ein anderer folgen, der sich mit der Bedeutung der Körper-
theile auf dem Gebiet der Mythologie beschäftigt; wir sahen aber von ihm ab, weil uns,
wie auch schon mehrfach bei dem hier Mitgetheilten, die Behandlung der einzelnen Glied-
maassen, die der zweiten Abtheilung dieser Betrachtung überlassen bleibt, fortwährend zur
Berücksichtigung mythologischer Anschauungen nöthigt.
i) 1. 1. S. 139 und 40, Z. 1 und 2.
2) 1. 1. S. 145. Rechte Seite, Z. 1.
3) 1. 1. S. 143. Linke Seite, Z. 3 und 4.
4) Mariette, Les Mastaba de l'ancien empire. Publie par 6. Maspero, Paris 1881 — 1SS4, p. 284.
5) 1. 1. p. 446.
{') Naville, Goshen and the shrine of Saft el-Henneh, London 1887.
Ende der ersten Abtheilung.
Etymologie
des
SINGHALESISCHEN
von
Wilhelm Geiger.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d.Wias. XXI. Bd. II. Abth. 23
VORBEMERKUNGEN.
Die zahlreichen im Singhalesischen vorkommenden Doppelformen würden häufige Verweisungen
nötig machen. Ich habe dieselben, um Raum zu sparen, möglichst vermieden. Man beachte folgendes:
Ableitungen mit ä, i findet man unter den Stammwörtern mit a, u, also äkilenatä z. B. unter äkülanarä,
ipadenavä unter upadanavä. Wo Parallelformen, wie säkilla, häkilla, äkilla vorkommen, sind dieselben
unter die jüngere Form gestellt. Man findet also has „Getreide" unter as, isirenavä „verschütten" unter
ihirenavä u. s. w. Ebenfalls der Kürze wegen habe ich eine Reihe von Arbeiten, welche häufig erwähnt
werden mussten, unter bestimmten Sigeln citiert. Es sind dies die folgenden:
1. A. mit folgender römischer Ziffer (Seitenzahl der „Introduction") = J. d'ALwis, Sidath Sangarawa.
Grammar of the Singhalese Language, translated . . . 1852.
2. A. mit folgender Seitenzahl = J. cIAlwis, On the Origin of the Sinhalese Language II, JRAS. C. B.
(Journal of the Royal Asiat. Society, Ceylon Branch), vol. V, No. 14, 1867—70, S. 1 ff.
3. Ch. mit folgender Seitenzahl = R. C. Childers, Notes on the Sinhalese Language, No. 2: Proof of
the Sanskritic Origin of Sinhalese, JRAS. N. S. (Journal of the Royal Asiatic Society, New Series).
vol. V1I1, 1876—77, S. 131 ff.
4. P. G. mit folgender Seitenzahl = Paul Goldsciimidt, Note on Ancient Sinhalese Inscriptions.
JRAS. C. B., vol. VI, No. 20, 1879, S. 1 ff. Vgl. von demselben Report upon Inscriptions . . .
IA. (Indian Antiquary), vol. VI, 1876, S. 318 ff.
5. K. mit folgender Seitenzahl = Ernst Kuhn, Ueber den ältesten arischen Bestandteil des singhalesischen
Wortschatzes, Sitzungsber. d. k. Bayer. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Cl. 1879, IL, S. 199 ff.
6. M.1 mit folgender Seitenzahl = E. Müller, Text and Translation of the Inscription of Mahindo III.
at Mihintale, with Glossary. — JRAS. C. B., vol. VI, No. 21, 1880.
7. M.2 mit folgender Seitenzahl = E. Müller, Notes on Ancient Sinhalese Inscriptions, JRAS. C. B..
vol. VIII, No. 26, 1883, S. 18 ff.
8. M.3 mit folgender Seitenzahl = E. Müller, Ancient Inscriptions in Ceylon, London 1883. Ich habe,
wo es sich um Gleichungen handelt, die von E. M. herrühren, mit Vorliebe das seinem Inschriften-
werk beigegebene Glossar citiert. Die Inschriften selbst werden mit fortlaufender Nummer angeführt.
9. R. mit folgender Seitenzahl = W. Ranasinha, The Connection of the Sinhalese with the Modern
Aryan Vernaculars of India, JRAS. C. B°, vol. VII, No. 25, 1882, S. 234 ff
10. A. G. mit folgender Seitenzahl = A. Mendis Gunasekara, Comprehensive Grammar of the Sinhal
Language, Colombo 1891.
11. Cl. = B. Clouoh, Sinhalese-English Dictionary, 2nd ed., Colombo 1892.
12. Jay. — Hendrik Jayatilaka, A Glossary of Sinhalese Classical Words. Colombo 1895. Das Schriftchrn
ist eine Zusammenstellung des in den einheimischen Elu-Glossaren enthaltenen Materials, vor
allem in Nämävaliya (cit. bei mir Nv. nach der Colomboer Ausg. von 1888), sowie Ruvanmala
und Piyummala (Colombo 1892).
23*
178
Wo ich eine Etymologie von einem der genannten Autoren übernahm, folgt das Citat unmittelbar
hinter dem ersten verglichenen Worte.
Von weiteren Abkürzungen bezieht sich Gr. 49 bezw. 50 mit Seitenzahl auf die Aufsätze Griebson's,
On the Phonology of the Modern Indo-Aryan Vernaculars ZDMG (Zeitschr. der Deutschen Morgenland.
Gesellschaft) 49, S. 393 ff.; 50, S. 1 ff.). — H. auf Hoekni.e's, Comparative Grammar of the Gaudian
Languages. — B. auf Beames, Comparative Grammar of the Modern Aryan Languages of India. —
Hern. = Hernacandra (ed. Pischel). — SS. bed. Sälalihinisandesa (Ausg. von Macreadt); RR. = Bdjara-
tndkaraya ed. by Saddhananda, Colombo 1887; GK. = Guttila Kdvya ed. by Batuvantudave, Colombo 1886:
UJ. = Ummaga Jätaka ed. by S. de Silva, Colombo 1893; KJ. = Kusa Jätaka ed. by A. Gunasekara,
Colombo 1897.
Verarbeitet habe ich vor allem das in den Elu- Wörterbüchern niedergelegte und von Jayatilaka
eornpilierte Material, dasselbe wurde aber, wie man leicht sieht, erweitert und ergänzt durch den bei
Clough gebotenen Stoff, sowie hin und wieder aus der Lektüre. Absolute Vollständigkeit kann bei dem
Umfange° des Gegenstandes auf den ersten Wurf, den ich hiemit wage, unmöglich erreicht werden.
Die Vergleichungen erstrecken sich vor allem auf Sanskrit (skr.) und Pali (p.), weiterhin dann, aber
nicht mit gleicher Consequenz, auf Prakrit (pkr.), und gelegentlich auf die modernen indischen Sprachen
(M. I. Spr.) ° wobei ich meist je ein Beispiel aus den östlichen und westlichen Dialecten heranzog.
Immerhin glaube ich, dass auf diese Weise ein Ueberblick über die historische Entwickelung sich ergibt,
und dass ich dadurch auch in den Fällen, wo ich frühere Etymologien übernehme, über meine Vorgänger
hinausgegangen bin. Auch dürfte auf grund des von mir gebotenen Materials wohl klar werden, dass
das Singhalesische bei der Vergleichung der modernen Sprachen Indiens weit mehr Berücksichtigung
verdient, als es bisher gefunden hat.
A A
1. a-, an- Vorsatzsilbe = im-, in der Verkehrssprache durch no- verdrängt. — skr. p.
a- an-, pkr. a- an-. Vgl. sgh. aruva, am „hässlich" = skr. a-rüpa; anis „unbe-
ständig" = skr. a-nitya, p. anicca, pkr. anicca; anis „unentschlossen" = a + skr.
niscaya, p. pkr. nicchaya; anitu „Unglück-, Sünde" = an -+- skr. ista; anaga
„unschätzbar" = an -f- skr. argha, p. pkr. aggha; — abä, abiya N. des Nirväna
= skr. p. abhaya-; amä „Göttertrank, Ambrosia; Nirväna" = skr. amrta, p. amot«.
pkr. amaa.
_'. ah s. 1. Kennzeichen, Merkmal. — skr. p. pkr. anka K. 2. Auge. Vgl.
akdahara „Thränen" = Augenflut. skr. aksa, p. akhha (dag. äsa = skr. aksi),
pkr. aJchhi. 3. der als Gewicht verwendete Same eines Baumes (Terminalia
bellerica), dann kleine Quantität, Teil, alcak „ein wenig" — skr. aJcsa M.1 25
(BR. Bed. 12), p. äkJcha. 4. Würfel (beim Spiel). — Wie eben.
3. aleuna, -nu s. Blitz. — p. ahJchanä, was ein skr. *aksan.ä (seil, vidyuf) voraussetzt.
dkunu-handa „Donner" = Blitzgeräusch. Jay. gibt auch die Bed. aJcsana.
4. akura s. pl. -ru 1. Buchstabe. — skr. alisam A. 33, p. pkr. aJckhara. - —
2. Spross, Zweig, Schoss. — skr. p. aiikura.
5. akuva s. Schlüsselbein. — p. akkhdka.
6. alcidanavä, sah0, hak0 v. prfc. äkuluvä falten, wickeln, einrollen, äkümavä
prt. ähulunä „sich zusammenrollen, sich schliessen". — skr. ykut + sam samkutaü.
7. akussa s. pl. -su Treibstachel (für Elefanten). — skr. ankusa M.3 142, p. pkr. aithusa.
179
8. alosa s. Schmähung, Lästerung. — skr. öikrosa A. 33, p. alckbsa, pkr. vgl. aJckosai.
Vgl. äksun.
9. akman s. das Herzugehen, das Betreten. — skr. äkranunm M.3 142, p. pkr. aMa-
mowa. Man vgl. sgh. äkmenavä „getreten, betreten, in Besitz genommen werden".
10. aga 1. adj. der erste, höchste, beste, z. B. agas (neben agasas) „ Erstlingsfrucht " ;
s. Ende. Spitze, Gipfel (im Comp. ah), ahnul „Wipfel und Wurzel", d. h. das
ganze. — skr. agra A. 33, p. pkr. agga (aggasassa); hi. üge „vor" u. s. w.
Gr. 50. 25. 2. s. Haus (bei Jay.). — p. agga. 3. Feuer Nv. 22;
KJ. 97. — skr. agni, p. pkr. aggi; hi. m. u. s. w. äg. Sgh. glna -ni neben aga
wie p. gini K. 429 neben aggi.
11. agana (mit n RR. 52. 28, S. 18) adj. wertvoll. — Zu agaya; p. agghanahi.
12. agamas (fehlt CI.) Herz. — Aus aga 1. + mos „das beste Fleisch" = skr. agramämsa.
13. agaya, age s. Preis, Wert. — skr. argha A. 33, p. pkr. aggha. laß „wertvoll"
= skr. arghin.
14. agarä, ahgarä s. Salbe. — skr. anga -f- räga A. 33.
15. agula s. Bolzen, Riegel, agid-damanava oder -lanavä KJ. 487 „riegeln". —
skr. argala K. 431, p. aggala, -la, pkr. aggala.
10. <7»r/<7 s. 1. pl. ah Horu. — skr. sn«/a M.3 142, K. 406, p. pkr. sihga; Li. slnig,
m. sing u. s. w. Sgh. auch sign, sihgu, sungu (pl. sun in hil-nJu-sith Pflanzenname
= Krebshörner, Krebsscheren). 2. Glied, Körper. — skr. p. pkr. aiiga.
Sgh. ahgapasanga „die sämtlichen Glieder" = skr. ahgapratyanga Jay., p. anga-
paccahga.
17. ahgana, -unu s. Hof, Hofraum. — skr. p. angana, pkr. angana.
18. auguta s. Daumen. — skr. ahgustlia, p. pkr. anguUha-, MISpr. meist anußthä,
m. ämgtJia (Gr. 50. 27). Vgl. sgh. angutu „klein, kurz", ahgutu-mitiyä „Zwerg".
19. dnguru s. Kohle. — skr. p. aiigära, pkr. ihgüla.
20. angula, hahgulu s. Doppelboot. Ueber die Bauart dieser Boote s. mein „Ceylon,
Tagebuchblätter etc." S. 104. — Ich stelle d. W. zu skr. Yghat -\- sam, p. sahghäta in
näväs0 „Floss" Jät. 2. 20. 6. Lüders, Nachr. d. Göttinger Gesellsch. d. W. 1897, 1.
S. 32. Vgl. auch dünisahghäta „Floss" ebenda. Sgh. aucb sangala in der Bed.
„Paar", wie skr. samghätiM.
21. ata 1. s. Streit, Hader (Jay. = lolähala). — Wohl = p. atta in der spec. Bed.
„Rechtsfall, Rechtsstreit". — — 2. num. acht, dahaata, atarasa, atalosa 18;
asüra 80. — skr. asta, astädasa, aslti; p. attha, atthädasa und -rasa; pkr. attha,
atthürasa, asli. hi. üth, athäraha-, assi u. s. w. R. 239.
22. atuva s. Kornvorrat, atum'ässa „elevated wicker frame for keeping paddy". — Zu
skr. atta(l'a), p. atta. Die Singhalesen pflegen den Reis, den sie aufbewahren, zu turm-
förmigen Haufen aufzuschlichten. — Dem skr. attala entspr. sgh. atalu „Wachtturm".
'!'■'). atuväva s. Glossar, Commentar. — skr. arihakathä, p. atthdkathä.
24. ada adj. halb. — skr. ardha A. 34, p. addha und addha, pkr. addha; hi. äd/tü,
pj. addha u. s. w. Auch sgh. ada „fehlend, mangelnd, unvollständig" stelle ich
hieher. UJ. 22. 25 ist in der That ardhava in diesem Sinn gebraucht. Von
Compos. vgl. adateJasa bei Jay. „zwölf" (dreizehn mangelnd) == p. addhatelasn \2l\i.
180
25. ana s. Befehl, Auftrag, Verkündigung. — skr. ujhä, p. änä; pkr. ajjä und
änä Hern. 2. 83. Inschriftl. anasaJc 156 A, 22 = äjhäcakra M.3 142.
26. anava s. Ocean, Meer. — skr. arnava Jay., p. annava.
27. «ia s. 1. Geld, Reichtum; Sinn, Bedeutung. — skr. artha Jay., p. pkr. attha,
(attha Hem. 2. 33) Vgl. Nr. 21. 1. 2. Westen, Untergang. — skr. asta,
p. pkr. attha. 3. Hand; Rüssel (des Elefanten). — skr. liasta A. 21, 34, 44;
p. pkr. hattha; hi. häth, m. hat u. s. w. In Compos. atpä „Hand und Fuss",
atvatu „account" Inschriftl. 121 A, 56 = hasta -\- vastu M.1 25. atpasa ein best.
Mass (Raum zwischen den Armen, wenn diese horizontal ausgestreckt werden bei
angelegten Ellbogen) = p. hatthapüsa. Dav. atpasa-ge „Abort"! — Zu ata „Hand"
wird von K. 428, wohl mit Recht auch atta pl. atu „Zweig, Ast" gestellt: atta
(atu): ata — potta (potu): pota. — — 4. Ende. — skr. p. pkr. anta.
28. atauru, atavuru s. Königspalast; Harem. — skr. antahpura Jay., p. antepura,
pkr. anteura.
atara, -rehi, -re; atura etc. zwischen s. ätul.
29. atavüsi s. Schüler — skr. anteväsln M.3 142, p. anteväsl.
30. atuna s. pl. -nu Eingeweide. — skr. antra Jay., p. anta.
31. aturanavä v. prt. atulä (neb. äturuva) ausbreiten, ausstreuen, hinbreiten.
atarana „Tuch zum Bedecken des Stuhles". Intr. ütirenavä „sich verbreiten". —
skr. ystr-\-ä, vgl. M.3 143; p. attharati (pp. atthata), pkr. abs. atthariTtna. —
— atura Bez. des Strickes, den die Toddyzapfer von einem Palmwipfel zum anderen
ziehen, venu. = ästära „Anspannung", p. atthära, kaum = antara.
32. atä adv. nahe, in der Nähe. — skr. anta Bed. 16 bei BR.; skr. p. antiJca, pkr. antia.
33. ada 1. adj. feucht, nass (fehlt bei Cl.), z. B. pähän-ada „feucht, triefend von Farbe"
Ss. 24. — skr. ärdra, p. pkr. adda; hi. Zidü, g. ädum u. s. w. 2. adv. heute.
adata „bis heute", adln (Nbldg.) „von heute". — skr. adya K. 434, p. pkr. ajja;
hi. äj u. s. w. B. 1. 237.
34. adas, adahas s. Wunsch, Wille, Glaube, adahanava, prt. ädahuvä „glauben, ver-
trauen" ; dav. adahitta „Glaube". — p. ajjhüsaya (= skr. äsaya -f- adhi Jay.), ajjhäscti.
35. adäranavä, had° v. prt. (h)ädäruvTi vortragen, recitieren. — skr. ydhr -\- sam,
samdhärayati „behält im Gedächtnis", p. sandhäreti. Vgl. vadäranavä. Das ä erklärt
sich aus einer Grdf. adahar0 mit Spaltung der Aspirata.
36. adinavä v. prt. üddü schleppen, ziehen; Ss. 56: hervorholen. — skr. Yaj ajati,
p. ajati „er geht", pkr. ajia (Hem. 1. 24). Vgl. padinavä.
37. adissi adj. unsichtbar; unvorhergesehen, unerwartet, plötzlich, s. adissiy«
(mit unorg. h: had°) „unvorhergesehenes, plötzlich eintretendes Ereignis". — skr.
adrsya; p. dissalca -j- a, pkr. vgl. adittha. Das d erhält sich, weil die Bed. des a
priv. gefühlt wird. Compositionsfuge !
38. anda adj. blind, dunkel. — skr. p. pkr. andha Jay.
39. ahduna s. Collyrium, Augensalbe. — Auch in Compos. wie andun-dkiyü „gefleckter
Tiger". Das V. andinavä „salben" findet sich Ss. 72, sonst heisst es „anziehen,
(ein Kleid) anlegen" (wohl durch die vermittelnde Bed. „schmücken"). — skr. p.
anjana K. 417, pkr. anJana. Vgl. ändi.
181
40. andunanavä, hand° v. prt. äiidinnü bekannt sein mit . . ., kennen. Caus.
aiidunvanavä „bekannt machen mit". Intr. ändinenavä = Grundw. — skr. Yjhü
-\- sam; p. sahjänäti. Vgl. unter dannavä.
41. aadura s. Dunkel, Finsternis; ähdiri s. „Dunkel"; adj. „finster". Inschriftl. 143.4,
156 A. 15, 148 A. 13. — skr. andliakära M.3 143, K. 429, p. andhalcära, pkr.
andhaära; hi. andlttrU, ahdhiyärä u. s. w. B. 1. 299; mald. anditi.
42. an 1. s. Speise, Nahrung. — skr. p. anna. — — 2. pron. pl. anun ein anderer.
anik, aniJcaJc, -JceJc dass. Inschriftl. 137, 42. dav. aniddä, anikdä „übermorgen",
K. 434 (wtl. am anderen Tage). — skr. anya M.3 143, p. ahha, pkr. anna; alt-hi. ani.
43. anu 1. s. Kinnbacke. — skr. p. Jianu, pkr. hanu. — — 2. s. wohl bewässerter
Landstrich. — p. anupa Abh. 187. 3. Vorsatzsilbe = skr. p. anu, pkr. anu
z. B. anu-dananavä v. „erlauben, gewähren" = skr. yjnä -j- anu, p. anu-jänäü,
anuhhä „Erlaubnis", pkr. vgl. anunnäya „ermächtigt", anumeveni „Befriedigung,
Dank" = p. anumodanü Cl. u. a. m. Vgl. nu in nurä neben anurä, nuru neben
anuru. S. dort.
44. api, äp pron. pers. wir acc. apa, g. apa-cß, d. apa-ta. — Geht auf skr. ätman zurück
und entspr. der Pkr.-Form appä (neben attä, wie auch im P.); hi. äp u. s. w.
(Gr. 50. 31). Das Pr. d. 2. pers. pl. topi „ihr" ist Nbldg. aus dem Sg. tö nach
Analogie von api.
45. apis s. Zufriedenheit, Wunschlosigkeit. — skr. alpa „klein, gering" = p. pkr.
appa + skr. p. pkr. icchä Cl.
46. apullanavä v. prt. äpidluvä schlagen gegen etw.; waschen (geschieht in der Weise,
dass die feuchte Wäsche gegen Steine geschlagen wird), apullannä „Wäscher".
— skr. ysplial -\- ä, äsphälayati „anprallen lassen an, schlagen, patschen auf",
p. apphäleti, pkr. apphälei. Das 11 ist aus Iv entstanden.
47. aha s. Wolke. Vgl. halaba „Regengewölk" = schwarze Wolke. — skr. dbhra,
p. pkr. abbha; m. g. abh, si. abhu (B. 2. 21).
48. abatura, -ru postp. zwischen, innerhalb. — skr. abhyantara P. G. 16, M.3 144,
p. pkr. abbhantara; hi. bhttar, m. bhitar u. s. w.
49. abavas s. freier Raum, offene und ebene Fläche. — skr. abhyavakäsa, p. abbhoküsa.
50. abi Vorsatzsilbe = skr. p. abhi-, pkr. abhi-, ahi-, in abimuva „hingewendet" = skr.
p. abhimukha, pkr. abhimuva; abibävlm, -vum „das Unterwerfen, Unterjochen"
= skr. p. abldbhavana, pkr. s. abhibhavai u. a. m.
51. aihba s. Mango (Baum und Frucht). — skr. ämra, p. pkr. amba (pkr. auch ambira
nach Hem. 2. 56); hi. am, m. anibä u. s. w. (B. 1. 342, 2. 21).
52. amba, -bu s. 1. Mutter, Weib, Gattin. — skr. p. pkr. ambä. — — 2. Wasser.
— skr. p. pkr. ambu.
53. ambavanavä v. prt. ümbewä treiben, wegtreiben, jagen. — Caus. zu skr. yamb
ambati „gehen", p. ambati. Vgl. piya-ambanavä „fliegen" KJ. 552.
54. amburu s. Himmel. — skr. p. pkr. anibara.
55. amatanavä v. prt. ämatuvä auf etw. warten; auffordern, einladen. — skr.
ü-mantrayati, p. ämanteü; pkr. säur, mantida Hem. 4. 260.
182
56. amadinavä, harn0 v. prt. ämäddä abwischen, abfegen, kehren. — skr. Vmrj
+ sam, sammarjaü, p. sammajjati, pkr. -majjal.
hl. amu adj. roh, ungekocht, unreif. — skr. p. pkr. ama.
58. amu, hamu adj. vor jera., in jem.'s Gegenwart oder Nähe befindlich. — skr.
p. sammukha Jay., pkr. samnuüta.
59. amunu s. ein bestimmtes Mass zum Messen des Getreides. Vgl. CLOUGH u. d. W.
RR. 73. 11, S. 28. Inschrift!. 153. 14 ff. — p. ammana P. G. 11, M.3 144. Was aber
CfliLDERS (u. d. W.) über die Ableitung des Wortes von einem skr. *ambana sagt, ist
gewiss unrichtig. Vielmehr ist armana zu vergleichen, das im Sabdakalpadruma als
Ausdruck für ein bestimmtes Hohlmass (= drona) angeführt wird.
60. aya s. 1. Taxe, Einkommen, Gewinn, aya-laranavä »Taxen erheben, eine Schuld
eintreiben", aya-väya „Einnahmen und Ausgaben*. — skr. p. äya. 2. Person.
gj 300. — skr. ärya, p. ayya, pkr. ojja. Die Bedeutung ist im Sgh. abgeschwächt.
UJ. 17. 22 wird das Wort sogar von Tieren gebraucht.
61. ayati, ayiti adj. zugehörig, angehörig. Vgl. ayiti-Mrayä »Besitzer, Eigentümer".
— skr. p. äyatta M.3 144.
62. ayaäinavü v. prt. ayadduvä oder ayäddä beten, flehen, bitten, s. verb. ayaduma,
ayadhna. — skr. Vyäc + ä M.3 144, p. äyäcaü.
63. ayan s. Weg, Strasse. — skr. p. ayana.
64. ayama s. Länge. — skr. p. äyäma Jay. Vgl. p. mjumcna „in length" = sgh. ayamin.
65. ayal s. Aloe. — skr. aguru Jay., p. ayahi und agaru, pkr. agaru und aguru,
66. ayin s. nicht Zugehöriges. — p. adlnna „nicht gegeben"; z. B. admnädätm
= sgh. ayinädana Nbldg.
67. ayu adj. vergangen, verflossen. — skr. p. atlta Jay., pkr. ata.
68. ayuru s. Aehnlichkeit, Art und Weise. Comp, -yura, -yuru s. bes. — skr.
p. älcära M.3 144, pkr. äära.
69. ara pron. jener. A. G. 164. — Ich stelle d. W. zu St. ära, der in skr. ärät, an.
p. ärä „ferne" vorliegt.
70. arah s. Schutz, Hut. Inschriftl. 121 A, 32. ardkgannavä „beschützen; bewohnen".
— äraksä M.1 26, p. pkr. ärakkhä.
71. araha, üramba postp. beginnend mit. ., sich beziehend auf. . — skr. ärabhya
M.a 25, p. pkr. timbUia. Vgl. auch sgh. aramha „Anfang" = skr. p. äranibha.
72. arama s. Park, Kloster. — skr. p. pkr. äräma Jay.
73. anonuva s. Gedanke, Idee. — p. ärammima M.3 145 = skr. älambana.
74. ariqava, har° v. prt. ß)ärüvä (Nbldg.), pprs. (h)aran, pprt. (h)a!a wegnehmen,
bei Seite lassen; fortschicken, entlassen; erlauben; (ein Thor) öffnen.
nrrnavä prt. ürunti „bei Seite gelassen werden". Absol. (h)üra oder (h)ära-t bed.
„ausserdem, überdies". — skr. Yhr haraü, hrta Ch. 147, K.; p. haraü hat«:
pkr. harai, haa.
75. ariyana s. das Bitten, Anflehen. — skr. p. änal/aina Jay., pkr. ärähana. Sgh.
vgl. ärayum, äriyum, ärwum.
183
7G. ala s. Haus; Verlangen, Wunsch. — skr. p. älaya, pkr. älaa.
77. ^?o« s. Pfosten (zum Anbinden der Elefanten). — skr. p. cdäna, pkr. ülüit«.
78. alap s. Wort, Rede, Anrede. — skr. p. äläpa, pkr. äläva. Setzt eine Grundf.
*älappa voraus. Sgh. auch ülavum „Anrede, Aufforderung, Einladung".
79. alaya s. Yam-Wurzel. — skr. ähdca, pkr. alua; ö. hi. älU (H. 42).
80. alt s. Scorpion. — skr. p. äli.
81. diu, eliya s. Tagesanbruch, Helle, Licht. — skr. p. älolca Ch. 144, K. 429.
82. alut adj. neu, frisch. — Die Gleichstellung mit anukta M.3 145 halte ich für
unrichtig. Vielmehr ist als Grdbed. „unversehrt, integer" anzunehmen; daher alut-
karanavä „ausbessern, wieder herstellen", a priv. -\- lut = skr. lupta, p. lutta.
83. alcv s. das Einreiben, Färben. — skr. älepa Jay., pkr. äleva.
84. alla s. Handfläche. — Durch Assim. aus atla (= at-tala) entstanden, skr. hasta-
-f- to?a, mald. aitala, väddä alla.
85. allanavä v. prt. öZZwrä fassen, ergreifen, festhalten. — Ich erkläre d. V. durch
Assim. aus at-lanavä „Hand anlegen".
8b\ avata adv. rings, rund herum. — skr. ävarta M.3 145, p. ävatta.
87. avadan s. Gedanke, Ueberlegung. — p. ävajjana.
88. avan s. 1. Markt. Auch avunu, z. B. inschriftl. 148 A, 20, und üvini. — skr.
p. äpana M.a 28, pkr. ävana. 2. das Trinken, avansala „Trinkhaus, Kneipe".
— skr. p. äpäna. — — 3. Gefahr, Unglück. — skr. p. äpanna (zur Bed. vgl.
äj)ad), pkr. ävanna. Sgh. avansat „schwangere Frau" aus p. äpannasattä (s. Cl.)
wtl. „eine Frau in (besonderen) Umständen".
89. avanavä, hav° v. prt. (h)üvuvä fluchen, verfluchen. Nom. verb. (h)ävlma;
säv „Fluch" (bei Jay.) — skr. Vsap sapati R. 249, säpa; p. sapati, säpa;
pkr. sätv.
90. avara adj. hinten befindlich, westlich. — skr. p. apara Jay., pkr. avara.
91. avala, avul adj. voll, angefüllt; in Verwirrung. Dazu niramd „ungetrübt"
(nicht verwirrt). — skr. p. äkida Jay., pkr. äula.
92. avas, avä s. Haus, Wohnung. — skr. p. pkr. äväsa Jay.
93. avahas s. das Verlachen. — skr. apaliasa. Genau entspricht den Lautgesetzen vahas
„das Lachen; Verlachen, Verhöhnung", wo vielleicht apaliasa und vihäsa zusammen-
geflossen sind.
!'f. avä s. 1. Hölle. — skr. p. apäya M.3 145, pkr. avaa. 2. Hochzeit, Ver-
heiratung. — skr. p. äväha Jay.
95. avi, aviya s. Waffe. — skr. äyudha Jay., p. äyudha, äv°, pkr. äuha.
96. avuranavä v. prt. avumvä einschliessen, bedecken, äviriü „Mauer". — skr.
yvr -\- ä Jay., p. avunäti, ävarana.
97. avurudda, hav° s. pl. -du Jahr. — skr. samvatsara P. G. 35, K. 433, p. pkr.
samvacchara. Metathese.
98. avuva, avva s. Sonnenschein, Sonnenhitze. — skr. ätapa K. 429, p. ätäpa.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 24
184
99. as s. 1. Pferd, aslian N. einer Pflanze, wtl. „Pferdeohr'' ; assal „Pferdestall* (vgl.
2. lial). — skr. asva A. 22, Ch. 144 (sgh. VSpr. asvayä), p. assa, pkr. assa, äsa.
— — 2. Schulter, Seite, ekas „auf einer Seite, über eine Schulter". — skr.
p. pkr. amsa. — — 3. Seite, Ecke. — skr. asra, p. pkr. assa. — — 4. Teil,
Hälfte; Halbmond. — skr. ainsa Jay., p. pkr. amsa. — — 5. Bär. — skr.
rksa Ch. 144, K. (vgl. auch sgh. ralahä s. bes.), p. accha, pkr. riechet und r'ikhhu;
hi. rieh, m. vis.
100. as, sas, has s. Getreide, Ernte, asvan „bepflanzt, angebaut* (Ss. 37 Attr. zu
Jceta); haskara „Ackersmann". — skr. sasi/a M.3 211, p. pkr. sassa.
101. asan adj. nahe, asal „Nähe" (mit Wechsel von n und l). — skr. p. äsanna
M.3 145.
102. asara s. 1. Pfad, Weg. — skr. p. pkr. sameara. — — 2. ein göttliches Weib.
— skr. a2)saras, p. pkr. accharä; hi. acchar.
103. asal s. 1. Nähe, s. asan. — — 2. Berg; Baum. — skr. p. acala, pkr. aala.
104. äsi s. Strahl, Lichtglanz. — skr. arci, arcis, p. pkr. acci. Ueber asi „Schwert"
s. unter sipat.
105. asi, fl.se s. Freundin, Geliebte. — skr. areitü „die Verehrte", p. accitä.
106. asiri s. Erstaunen, Ueberrasch ung, Wunder. — skr. äscartja M.3 145,
p. acchariya und acchera, pkr. accheraa, accharijja.
107. asun, sasun, hasun s. Meldung, Botschaft, asun-häri „Bote". — skr. säsaun
M.3 206, p. säsana, pkr. säsana.
asura, ah° s. Handvoll s. unter ahuranavä.
108. asttru s. Reiter. — skr. asvavära, pkr. äsavära.
asuritvanavci v. zusammenbringen s. unter ahuranavä.
109. asna, asuna s. Sitz. — skr. p. äsana M.3 146, pkr. ü.srmfl.
110. ahanavä, as° v. prt. ähuvä, «s° hören, horchen auf.., fragen. — Zu skr.
Ysru -\- fl? Schwer zu erklären, p. vgl. äsunäti, -oft.
111. altara s. Speise. — skr. p. pkr. ähära Jay.
112. ahasa, äsa s. Himmel. — skr. üküsa M.3 146, K. 419, p. akäsa, pkr. ääsa.
113. ahivisa, as°, ästväs s. Schlange. — skr. üslvisa Jay., p. äslvisa.
114. ahuranavä v. prt. ähuruvä zusammenstellen, zusammenbringen; dav. a) an-
ordnen, b) schliessen, zuschliessen. asurtivanavä prt. äsirewä zusammen-
kommen lassen, vereinigen, verbinden, schliessen. — skr. Ycar + sam, p. sancarati.
Ich möchte aber ahuranavä wegen seiner trans. Bed. auf ein *sahcäreti, asttra-
vanetvä auf ein *setncaräpeti zurückführen. Vgl. dazu häsirenavü (s. bes.) in intrans.
Bed. „sich ergehen". — Etymol. verwandt ist asura, a/tura „Faust, Handvoll"
(eigtl. das Sichschliessen der Hand) = skr. sameara (dag. sameära = sgh. asara).
Im P. wird sancarati von der sich sehliessenden Vogelfalle gebraucht. Es scheint
jedoch, als ob mit dem Deriv. von sameara das von p. accharä „Augenblick"
(s. Childers u. d. W.) zusammengeflossen wäre; vgl. sgh. ahurusäne „Moment (Cl. so
short a time as the snap of the fingers)".
185
115. ä 1. s. Leben, Lebenszeit Ss. 102. digä Ss. 90 „langes Leben". — skr. äyus
(dJrghäyus), p. äyu (dighäyu-ka), pkr. äu (dJghäu). 2. gekommen, gegen-
wärtig s. unter enavä.
116. ära s. Mine, Edelsteingrube. — skr. p. äkara, pkr. ägara.
äsa s. Himmel s. unter ahasa.
J J
117. ik s. 1. Zuckerrohr s. unter uk. — 2. Blick, Anblick. — skr. lksä; p. v»l.
ikkhaü, ikkhana, pkr. vgl. padikkhai.
118. ililiya s. Topf, Gefäss, Kochgeschirr. — p. ukkhali „Topf zum Kochen von
Reis"; ?pkr. okkhala (Hern. 2. 90).
119. ilmana s. Schnelligkeit, Eile, ihnan-lcaranavä „eilen", ihnenavä prt. ihnunä
„vergehen, verschwinden". ?ÄV(£ „vergangen, dahingegangen, verstorben", inschriftl.
121 A., 19. — skr. ykram -j- ati M.1 27; p. atikkamati, aükkamana; pkr. a£7c-
Irtmmai. ikut = skr. aükrünta, p. aükkanta, pkr. aikkanta. Vgl. auch akman.
igantma s. das Lernen s. unter ugannavä.
120. n<//£ s- Zeichen, Gebärde, uuji-karanavä „Zeichen machen". — skr. ihgita;
p. vgl. me?a, pkr. i/^r/ia. Jay. hat auch hingi (unorgan. h).
121. ihguru s. Ingwer. — skr. srngavera M.3 146, p. sihgivera.
122. ingul s. Mennig, Zinnober. — skr. IdhguJa, p. hinguli, -gulaka.
123. itanavä v. fortbestehen; sich entschliessen, beschliessen. — skr. ]/W/m
-f- «f?/^', p. adlüttjiahati, adläüliäti, pkr. pgl. aJtitthia. Jay. hat ifcm = adhisthäna.
124. i/i s. Wachs, Wachskerze. — An skr. siliha, p. sittha kann wegen des £ nicht
gedacht werden. Vielmehr kommt d. W. von skr. sista in madhusista. Vgl. M.3 146,
BR. u. d. W.
125. itu adj. erwünscht, begehrt. — skr. ista Jay., p. pkr. ittha.
126. inimag a, hin0 s. pl. (h)iniman „Leiter". — Von ini = skr. sretß, p. pkr. sent
+ »<fl^< „Weg". Vgl. nisini.
itiri adj. übrig bleibend. Unrichtig M.3 146. S. vielmehr unter uturanavä.
127. idi s. Werk, Vollendung in idikaranavä „formen, bauen, herstellen". — skr. p.
pkr. siddhi.
128. idikatuvä, hi° s. Nadel. — Von idi, entweder = skr. ehidra Cl., p. pkr. chiddti,
oder = skr. p. süci R. 16, pkr. sul -\- katuva, also „Lochdorn" oder „Nadeldorn".
Vgl. aber liindu.
129. idimenavä v. prt. idimunä anschwellen. — skr. ydhmä -\- ud, Ch. 146,
p. uddhumäyati, pkr. uddhumäi (Hern. 4. 8).
130. idenavä v. reifen. — skr. Vrdh rdhyate „gedeiht" Ch. 146, p. vjjhati, oder viel-
leicht besser zu skr. Ysidh sidhyati, p. sijjhati, pkr. sijjhai; urspr. „fertig werden".
131. idolu s. Schaukel (bei Jay.). — skr. lündolu.
132. iitäniavä, hiud0 v. prt. unna sitzen. Imn, sun „sitzend". Caus. (hjihdfuvanavä,
prt. (h)indewä „setzen. — Bkr.Ysad s&äaü A. 27, p. sldati, pkr. slai; skr. p. pkr. sanna.
24*
186
133. in du, in du ru = skr. indra, p. pkr. inda , z. B. indugov N. eines Insekts =
skr. indragopaka; ihdurudäli „ Gaukler" = skr. indra jäliha, p. indaj0, pkr. indaäll.
Sgh. auch iduru = Indra (in der Bed. „Sinn" = skr. indriya).
134. induvara s. blaue Lotosblume. — skr. p. indivara Jay., Cl.
135. ijnllenavä v. prt. i/iillunä in die Höhe steigen (von kochendem Wasser); eitel,
stolz werden. — Intr. zu upulvanavä; skr. Vplu -\- ud M.3 147; p. vgl. pilara
= skr. plava, pihwati neben plavaü. Weiterhin leitet sich davon m. E. sgh. ilpenavä,
prt. ilpunä „fliessen, steigen, stolz werden" ab; Synkope des i und Metathese.
136. inibinavä, simb0 v. prt. (s)imbä riechen. — skr. \ cumb cumbati A. 6, K. 415,
M.3 147; p. cumbati, pkr. cumhai.
137. imbul s. Wollbaum (Bombax heptaphyllum Roxburghii). — skr. salmalt M.3 147,
p. simball, -la, pkr. simbali; hi. semar, -dl, m. semvri (Gr. 43. 403).
138. ima, hima, sim s. Rand, Grenze. — skr. p. pkr. slmä M.3 147.
139. iya, hiya, 1, Iya s. Pfeil, hiyavura, iyora „ Köcher" wtl. Pfeilhülse. Itana N.
einer best. Grasart wtl. Pfeilgras. — skr. sita , scharf, gespitzt" (sita im Skdr.
= „Pfeil") M.3 147.
140. ira, Jiira s. pl. (h)iri Linie, Reihe, Strich. — skr. clra „Streifen, Strich"
(BR. Bed. 4), p. clra „Fiber, Faser".
141. iru, Jiirit s. Sonne. — skr. sürya K. 428, M.2 30, p. suriya, pkr. sujja (Hem. 2. 64)
und süria (Hem. 2. 107).
142. ivata adv. ferne, abseits, ivat-haranavä „bei Seite setzen". — skr. Yvrt + r"t'.
vgl. ativrüa „weit entfernt", p. aüvattaü, *atwutta.
143. il adj. kalt in il-masa „November" = kalter Monat, hlla (sisila, sihüa) „ Kälte",
hol dass., cd „kalt". — skr. sisira P. Goldschmidt in Trübner's Record X. 22,
M.3 147, K. 411, p. pkr. sisira.
144. ivasanavä v. prt. ivasuvä ertragen, erdulden. — skr. Yras -\- adlii Ch. 146.
p. adJdväseti.
isä s. 1. Bär s. as 5. — 2. Kopf s. iha.
145. isi, isu, isä s. 1. Neid, Missgunst. — skr. trsyä Jay., p. issä, pkr. tsä. — —
2. Wunsch, Wille. — skr. p. pkr. icchä Jay.
146. isura s. Ruhm, Ehre, Reichtum, Macht, isuru „Gebieter, Herr" Ss. 103. —
skr. Istara, aisvarya A. LIII; p. issara, issariya und issera; pkr. tsara und iss*.
147. isba s. ein best. Längenmass = 140 Ellen. — p. usablia M.3 147.
148. issä s. pl. isi kl. Krabbe, Garnele. — skr. ihcälca.
149. iha, isa, Ms, sis s. Kopf, Haupt. — skr. slrsa A. 21, p. slsa, pkr. sissa und
sisa, väddä iya; hi. sls, m. slms, sis u. s. w. B. 1. 354. Dazu wohl ihata adv.
„oben befindlich, vorhergehend" aus iha -\- ata = anta „Ende". S. unter udu.
Vgl. auch sgh. ihala „oberhalb" (Ggs. pahala).
150. ihi postp. mit, in Begleitung von . . siyan-ihi Ss. 1. — skr. p. sahita, pkr. sahia.
151. ihinavä, is° v. prt. issä ausgiessen, ausschütten, pass. ihenavä, is°; dav. leite
ich dilisenavä (s. unter dida) „leuchten" ab, wtl. es ergiesst sich Licht. —
skr. Ysic sihcati Ch. 147, p. sincati, pkr. sihcai.
187
152. iJtircnavä, is° v. prt. ihirunä, is° (zufällig) verschüttet, ausgegossen werden.
Unrichtig M.3 147. Das V. geht zurück auf skr. Vsr -f- ud, caus. utsärayatt, p. vgl.
ussärana, pkr. ussärcL Hieraus zunächst >::ulmravavä (tr.), dav. Intr. iki/renavä.
153. Hill , lihil, lll adj. lose, locker, dünn. — skr. sltltila R. 250, p. sitktöa, pkr. sidhila
Hern. 1. 215; hi. ni. dhll u. s. w.
1, %ya s Pfeil u. s. w. s. unter iya.
154. lye adv. gestern. — skr. hyas Ch. 140, p. lüyo, hiyyo.
tri s. weibliches Schwein s. unter ürä.
U Ü
155. uk, iL-, ugu, ingu s. Zuckerrohr, uh-puni „Saft des Zuckerrohres". — skr. iksu
M.3 147, p. pkr. ucchu (Jaina-Pkr. auch ilcklm)-, hi. ükh, Uch, m. üs u. s. w.
156. ulcata s. 1. Missmut, Unzufriedenheit, Unwille, ukatall s. dass. (Bldg. wie
pkr. isäluya). — skr. utkanthä, utkantliati, p. ul-hivthaü, pkr. uJckanthä. — —
2. Erhöhung, Höhe. — skr. utkrsta, p. ukhxttha.
157. ukanavä v. 1. ausschaufeln, ausschöpfen; 2. aufheben, in die Höhe heben.
— Das V. bietet Schwierigkeiten. Von ylchan -\- ud kann es nicht unmittelbar
abgeleitet werden, da dies ;!:uJcaninavä ergäbe; eher von ylhä -\- ud. In der Bed. 2
scheint das V. für *uJcahanavä (bei Jay. das Absol. uJcahä) zu stehen. Dies wiese
auf skr. Vl'rs + ud hin und Hesse im P. eine Nebenf. *ukhamsati (zu belegen ist
wenigstens das Caus.) neben Jcaddhaü voraussetzen.
158. ukasa, -aha s. Pfand. Inschrift!. 121 A. 46, B. 57 uhis-tibanavä „verpfänden".
— Wird M.3 147 zu skr. utkarsa = p. ulikamsa gestellt; doch vermag ich die
Bedeutungen nicht zu vereinigen.
159. ukunä s. Laus, f. ikinl. — Die allgemein (Ch. 143, K. 426, M.3 147) aeeeptierte
Ableitung von skr. yuka, p. uka, üM ist unhaltbar. Sie vermag die Herkunft
des n nicht zu erklären. Vielmehr geht das Wort auf skr. utluna „Wanze" oder
„Haarlaus" zurück. S. BR. u. d. W. Es wird wieder die Existenz eines bisher
nur bei den Lexicographen belegten Wortes bestätigt! Maid, iikunu.
160. ulula s. Hüfte, pulul-ukulu . . . purangana Ss. 12. — skr. utJcata, s. GurupiijäkaumudT
S. 105, p. ulchifika (Childers: sitting on the hams) M.3 147.
161. uhussä s. eine Raubvogelart, Geier, Habicht. KJ. 550. — skr. utkrösa K. 425,
M.3 147, p. ükhtsa.
162. ugannarä v. prt. ugattü lernen, iganlma s. verb. „das Lernen"; pprt. ugat „einer,
der gelernt hat", ugatä „der Gelehrte". — skr. Ygfh + ud (Ch. 146), udgrahaya,
p. uggahana, ugganhäü.
163. ugura s. Kehle, ugunt-etaya „Adamsapfel", wtl. Kehlbein; uguru-danda „Luftröhre",
wtl. Kehlstock. — Nach K. 427 auf skr. Ygr mit am „verschlingen" zurück-
zuführen. Vgl. sgh. gvri u. d. W.
164. ugula s. Falle, Schlinge. — Verw. mit dem folg. Vgl. skr. ud-ghat „öffnen",
udghätahz „Schlüssel". Die Falle ist also das, was sich öffnet und schliesst.
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165. ugulanavä v. prfc. igillavä ruifc den Wurzeln ausreissen, ausrotten. — skr.
Yghat -f ud, udgMtayaü, p. ugghäteü, pkr. ugghädei. Die Bedeutungsvermittelung
gibt das Intr. igilenavä, prt. igulunä an die Hand, wo bei Clough nocli die Uebers.
„sich abschälen, sich ablösen (wie Rinde vom Baum)" mitgeteilt ist. Grdbed.
also „loslösen".
166. udanu adj. hochbeinig, langbeinig (bei Jay.). — Aus ud(u)danu, s. d. folg.
und dana = skr. Ttrdhvajänu.
167. udu adj. hoch, uda, udin adv. prp. „oben, oberhalb, über"; uclat s. „das obere
Ende", adv. „oben". — skr. ürdhva, -am A L1V, 22, Ch, p. uddha, nbbha, -am;
pkr. uddha neben uddha, ubbha (Hern. 2, 59); m. ubhä (Pischel, Hern. II, S. 66).
168. nnu adj. heiss. una s. „Fieber". — skr. usna K. 414, p. pkr. unha; in. ün,
g. unhum. Auch /mm« mit unorgan. Ä.
169. utuni adj. hervorragend, ausgezeichnet, uiumä s. „hervorragende Person". —
skr. p. pkr. uttuma M.3 147.
170. utura navä v. prt. ?«^Zä und itiruvä überfliessen, übersprudeln, ausströmen.
iürenavä prt. itirunä dass., dazu iföro „Ueberrest, übrig bleibend" eigtl. Ueberfluss,
Ueberschuss. — skr. \/tr -f- ud, idtarati, p. uttaraä, pkr. uttarai. Vgl. skr. uttarhi
= p. itttari, p. adv. idtarim.
171. utuni adj. nördlich. — skr. p. pkr. idtara M.3 148.
172. udalu, udälla s. eine Art Haue. — skr. p. Icuddtda R. 247; si. Jcödari u. s. w.
173. «f?M adj. gerade, aufrecht. — skr. rju A. 5, p. uju, ujju, pkr. ?y)'wa.
174. ii du na s. Ofen. — skr. uddhmäna, uddhäna; p. uddhana.
175. ud nranavä v. prt. idiruvä ausreissen, ausrotten. — skr. y dhr -f- ?(f?, uddltaraü,
p. uddharati.
176. ?td«Z adj. scheinend, glänzend, leuchtend; schön, gut, trefflich. — skr.
ujjvala, p. ujjala.
177. udesanavä v. aussprechen, sagen, erklären. — skr. ]/(7« -\- ud; p. uddisaü,
pkr. uddisai. Das V. geht entweder auf den Caus. St. zurück oder ist Denom. von
uddesa. Vgl. sgh. udesä „wegen, für, um . . . willen" mit p. pkr. uddissa Ch. 140.
178. uhduru s. Ratte. — skr. p. undura.
179. unu s. Mangel, unu-nova „ohne Fehl, ohne Mangel" Ss. 19; unambara s. „nackt
einhergehender Asket" (von una -\- ambara „Kleid"). — skr. p. Tina M.x 26, mald.
ona- in onaiihi 19 (= skr. ünavimkdi), onatiris 29 u. s. w.
180. upadinavä v. prt. upannä, ipadunä geboren werden, hervorgebracht werden,
entstehen. — Intr. ipadenavä dass.; Caus. upadavanavä, prt. ipädduvä „hervor-
bringen, verursachen". — upan adj. „geboren"; upata s. „Geburt, Ursprung". —
skr. ypad -\- ud, utpadyate A. 29, Ch. 146, tttpanna, utpattl; p. uppajjaü, uppanna,
uppatti; pkr. uppajjai, uppanna.
181. upuranavä v. ausreissen, ausrotten, mit den Wurzeln entfernen. — Zu dem
gleichen Verb, gehört als Causativbildung upulvanavä „emporheben, in die Höhe
heben". — skr. Vpat -\- ud-, utpidayaü M.3 148; p. uppühü , uppütan<di«. Die
Nebenf. uputanam KJ. 550 u. a. muss auf ein *uppatt° zurückgehen.
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182. upula, ipula s. blaue Lotosblume. — skr. utyala, p. pkr. uppida. E. Kuhn
stellt zu skr. utpala das sgh. iprikt „Schoss, Trieb".
183. uniba pron. 2. pers. pl. ihr. — Geht auf skr. yusma- zurück. Neben p. tumht
dürfte eine Form *yumhe bestanden haben und neben dieser (wie im pkr. tubbhe
neben tumhe) ein *yumbhe und ein *yubbhe entstanden sein. Auf erstere Form
geht umba zurück, während ich von der letzteren sgh. oba ableite. Der Bedeutuno-
nach werden die Doppelformen in der Weise differenziert, das umba mehr in
familiärem, oba in respektvollem Sinne gebraucht wird.
184. umanlcaninavä, umank.0 v. (in ein Haus vermittels eines in die Mauer o-emachten
Loches) einbrechen. — Steht für umag-kanmavä „graben"; umag = skr. unmärga,
p. pkr. ummagga.
185. umatu adj. rasend, toll. — skr. unmatta. p. pkr. ummatta.
186. umä s. Woge, Welle. — skr. mini, p. ümi.
187. umuva adj. den Blick richtend auf . . ., wartend, erwartend. — skr. unmukJia
Jay., p. uvnmukha. Fehlt bei Cl.
188. uyana s. pl. mjan Garten, Park. — skr. udyäna Jay., p. uyyüna, pkr. ujjana.
189. uyana vä v. prt. vom kochen (der Umgangssprache angehörig), uyana-ge s. „Küche".
— skr. sudatc, süda „Koch", süäana, p. suda, sudana, pkr. süa.
190. uradä s. leibhaftiger Sohn. — skr. aurasa -J- jäta, p. orasa.
191. urä s. Schlange. — skr. p. uraga.
192. urirn, hur0 s. Blut. — Durch Umstellung aus *ruläru zu erklären = skr. rudhira
(M.3 148), p. rudhira, pkr. ruhira. Jay. führt auch sgh. rihiri auf.
193. uru, ora s. Schenkel. — skr. p. pkr. üru. — Sgh. Um, ora „Brust" = skr. uras.
194. ula, Inda, sul s. pl. ul spitzer Stock, Pfahl, ida-tiyanavä v. „pfählen", ulhxtuvä
„Schreibgriffel, Stylus" (s. Jcatuvä). — skr. slda, p. sola, pkr. sülä. Vgl. M.3 209.
195. ulara, ol° adj. gross, hoch, erhaben. — skr. udära M.3 148, p. ulära.
196. ulela s. Woge, Welle. — skr. p. uUöla.
197. ulängi s. Hirsch, Gazelle (Jay. = muvä). — Ich stelle d. W. zu skr. Ylahyh -f- ud,
p. ullafigMü.
198. uva Praef. = skr. p. upa, pkr. uva. urasara „Hilfe, Beistand" = skr. p. upacära,
pkr. uvaära; uvatän „Erwartung" = skr. wpasthäna Jay., p. upatthäna; uvama
„Vergleichung, Gleichnis* = skr. p. upamä, pkr. uvamä M.3 148; uvatamba „Unter-
stützung" = skr. upastamMa, p. upcrfthambha; uvurana „Mittel, Vorräte, Proviant"
= skr. p. upakarana Jay.
199. uvasu s. Laienbruder, Laienpriester, f. uväsi „Laienschwester". — skr. p.
upäsaka M.3 148, upäsikä, pkr. uväsaa, uväsiä.
200. us, usa, nlia adj. hoch, erhaben, usasun s. „Hochsitz, Thron", usa s. „Höhe".
uhü-gahanavä v. „in die Höhe heben". — skr. ucca M.3 148, uccä, uceäis, p. ucca,
-am, pkr. uccä; hi. ümcä, m. umc u. s. w. (B. 2. 13; Gr. 49. 411).
201. usaba s. Ochse, Stier, läfa-usab inschr. als Titel 121 A. 1, 122. 2. — skr. rsablm
P. G. 37, p. pkr. usäbha.
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202. usä s. Anstrengung, Uebung. — skr. utsäha Jay., p. ussäha.
203. usun adj. ausgerottet, vernichtet. — skr. p. pkr. ucchinna Jay.
204. usulanavä v. prt. isuluvä tragen, unterhalten, ertragen. — skr. Ycal -\- ud\
caus. p. uccaleti.
205. usuvanavä, osav0 v. prt. esewä in die Höhe heben, emporheben. — Entspricht
dem p. ussäpeti Ch. 152 = skr. ucclirapayati, caus. zu ysri -J- ud.
206. ulu s. Stern. — skr. udu M.3 148, p. ulu, pkr. udu.
ii Pronominalst, s. unter ö.
207. ürä s. pl. uro Eber, Wildschwein. tri „die Bache". — skr. sukara Ch. 143,
p. sukara, pkr. siiara.
E E
e Pronominalst, s. unter e.
208. eh, eJca nnm. ein. ekölaha »elf. Verwendet als unbest. Art. miniheJc „ein Mann",
ösa& „ein Auge", A. G. 153 (in älterer Sprache -ek für männl., -ak für weibl.
lebende Wesen, -ck für unbelebtes). — In zahlreichen Znsammensetzungen: ekat,
ekas „auf einer Seite" {eka -j- ata, 4 -f- as2), dav. ekatu-karanavä (neben ek-luimnavä)
„vereinigen, versammeln", elcva „vereinigt, zusammen" (venava). eksat (sat = skr.
chaUra) „Alleinherrschaft, umfassende Herrschaft". — Grdf. *ekka wie im Pkr.
Vgl. B. 2. 130 ff.
209. eta- in etakal adv. bis dahin; etakota „dann, darauf". — Entspricht dem p. ettha
neben attha, pkr. ettha, -am. Vgl. sgh. etakin adv. „so viel" = p. ettakena,
pkr. ettia.
210. enavä v. prt. ävä kommen. — Der Praes. St. = skr. Y'i -\- ä, A. 27, p. eti,
pkr. ei; pp. ä = skr. p. ägata Ch. 151. Absol. ätit (älter rtw«(Z M.1 26) wohl
— ägatya.
211. ensäl s. Coriandersamen. Auch e^i/M. — Aus era = skr. p. elä -\- sal „Reis".
212. ebenavä v. prt. ebunä einen raschen, verstohlenen Blick auf etwas werfen.
— Ich stelle d. V. zu skr. ybhä -\- ä „aufleuchten", p. äbJiä. Vgl. sgh. ebikan
„raschen Blick" = skr. äbhä -\- iJcsaqa.
213. el, sei, liel adj. weiss. — skr. sveta, p. seta, pkr. sea -f- -la.
eliya s. Licht; freier Raum s. unter alu,
214. eluva s. N. der altsinghalesischen Sprache. Auch helu-basa. Heia alter N. der
' Insel Ceylon. — p. slhala A. XXXII, K. 407.
215. eluvä s. Ziege, Schaf. — skr. edaka Ch. 144, p. eläka, pkr. f. elaä.
216. e Pron. St. er, f. ü sie, n. eya es. Fortb. ckä, ekl, eka. Cas. obl. eym, äya,
eym u. s. w. A. G. 163, 166, 167. In Zusammensetzungen wie ekala „damals",
etcma „dort", ese „auf diese Weise" u. v. a. — skr. p. ay-am u. s. w., hi. 1, e,
g. e u. s. w. B. 2. 137. A. 44 wird ä auf skr. sä zurückgeführt. Ich halte es
jedoch vielmehr wie n. eya, für Nbldg. aus dem Mascul. e ifiy-) durch *ayi, *äyi.
ö s. Brücke in edanda s. unter heya.
191
0 Ö
217. olcahda s. grosses Wasser, Hochflut. — Aus o (ö) = skr. p. ogha, pkr. oha
-f- bandet „Menge".
218. ota s. Lippe. — skr. ostha Jay., p. ottha, pkr. ottha und uttha, hi. m. ömth u. s. w.
(B. 2. 7).
219. ohinna s. pl. okw« Krone, Turban. — skr. vestana, p. vethana, pkr. vedhana
M.3 202. Grdf. mit -#Ä-. S. velanavä.
220. otuvä s. pl. o^6 (wfrt) Kamel. — skr. ustra A. 22, p. o$Äa.
221. ot, hot adj. liegend, ruhend KJ. 331. — skr. supta, p. pkr. sutta; hi. stitü,
g. S2«£ö u. s. w. (Gr. 50. 29).
222. otap s. Scheu vor Sünde, Scham. — p. uttappa = skr. *auttüpya zu uttäpa
„Hitze". M.3 149 verweist auf ottäpi im Mahäparinibbänasutta 7.
223. oda s. 1. Nektar. — skr. ürj, ürjä, p. ojä (vgl. ojavant „süss, wohlschmeckend").
2. Stolz, Kraft, Stärke. oja-bindinavä v. „jem. schwächen" = seine Kraft
brechen. — — skr. ojas M.3 149, p. oja.
oba pron. 2. p. pl. ihr s. umba.
224. obina, Jiobina adj. passend, geeignet, würdig, obincwä, hob0, sob° v. „passen,
sich eignen". — skr. ysubh, sobhate, sobhana, p. sobhana, pkr. sohana.
225. oya, hoya, soya, so s. pl. oyaval Fluss, Bach. — skr. srotas M.3 150, K, p. sota,
pkr. soa. Die contrahierte Form finde ich in öhanda „Flussufer" (aus ö + Tcanda
— skr. sJcandha, Bd. 8 bei BR) und in öJcada „Wassertümpel nahe dem Meeres-
ufer" (s. Tcada).
ora s. Schenkel; Herz s. unter uni.
226. oruva s. pl. orn Boot, Canoe. — skr. udupa M.3 150, K. 432, p. ulumpa, mald.
o<# Chr.
227. olambu adj. hangend. — skr. avalambita Jay., pkr. o-lamb-; fehlt bei Ci. Auch
sgh. elambenavä „nahe herankommen" gehört wohl zu Vlamb -f- «m.
olaru adj. hoch s. unter tdara.
228. ovanavä v. eingiessen, füllen. — skr. ]/sm, sravati, p. savati. o Contr. aus sam-,
-v- Causativzeichen.
229. ovas-piyes s. Hofraum. — skr. avakäsa „freier Raum", p. okäsa, pkr. avagäsa
-\- pradesa.
230. ovä s. Rat. — skr. avaväda M.3 150, p. oväda.
231. o f ?* part. ja. — Bei Ch. 139 wird das Wort zu skr. evam gestellt, was mir nicht
glaublich erscheint. Vielleicht ist das Wort durch *halm, *havu, *hovu auf skr.
p. sädhu, pkr. sähu zurückzuführen.
osavanavä v. emporheben s. usuvanarn.
232. osit s. Medicin. — skr. ausadha A. 6, M.3 150, p. osadha, pkr. osah«.
233. ö dem Pron. St. (= lat. iste) ü er, ö sie, oya es; Cas. obl. oyä u. s. w. A. G. 163,
166, 168. Fortb. ölai, öJcl, öka. In Zusammensetzungen wie otana „dort". —
skr. St. ava in ved. avos; hi. u, ö u. s. w. B. 2. 318.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. IL Abth. 25
192
Ä 1
234. äka s. Busen, Schoss. — skr. p. pkr. anka M.3 150.
235. äkilla, Itäli0, seil:0 s. Kette (zum Fesseln von Elefanten). — skr. §rnkhdla, p. sah-
khäla, pkr. sinMala; hi. slJcar, in. sämkhal oder säkhal u. s. w. (Gr. 50. 35).
236. äksun s. das Fluchen, Verdammen, Schmähen. — skr. älrokma, p. akkosana,
pkr. vgl. akkosai.
237. ängilla s. pl. -ili Finger. — skr. p. angidi M.3 150, K. 427, pkr. angidi; hi. umgli,
m. anigidt u. s. w.
238. äta s. Knochen, Bein; Kern, Same (einer Frucht). — skr. asthi K. 428,
p. pkr. atthi; hi. haddl, liäd, m. häd. B. 1. 317. Sgh. ätamidalu „Mark"
= p. atthiminjä.
239. ätä s. pl. ättu Elefant, f. ätini. ät-pal „Elefantenwärter" u. a. m. — skr. Msün
Ch. 144, p. hatthin, pkr. Jtatthi: hi. häthl, m. haut u. s. w. B. 1. 313.
240. äti, äta v. es gibt, es ist. Das Wort, in dieser Form erstarrt, wird dann auch
adjeetivisch gebraucht für vorhanden, existierend, genügend; weiterhin
besitzend a. E. Comp. z. B. rasa-bas-äti „liebliche Stimme besitzend" Ss. 3.
Davon abgeleitet ättä s. pl. ättö, f. ättl „Eigentümer, Eigentümerin". Vgl. ätta
s. „das Sein, Thatsache, Wirklichkeit, Wahrheit", ädda fragend „ist? ist vor-
handen? ist genug?" aus üt -\- da; steht am Ende conditionaler Vordersätze: yamek
ädda „si quis est". — skr. asti. Die Ueberleitung zu dem im Sgh. beobachteten
Gebrauche in Ableitungen, wie ästika „gläubig", astitva „das Sein"; p. atthi,
atthika, atthitta (dies unmittelbar = sgh. ätta); pkr. atthi. Vgl. näti.
241. ätul adv. innen, drinnen, innerhalb, ätul-nuvara, ättil-pwa „Innenstadt,
Citadelle". Vgl. atara, -re, -rein „zwischen, unter"; sowie -tum „bis" (mama
enaturu „bis ich komme"). — skr. antar, -rä Ch. 140, p. pkr. antarä, -re, -rem.
242. äda adj. gebeugt, gekrümmt, gebogen. — skr. Vahc, aheati, aheita, p. aheati,
pkr. ancai.
243. ädili s. das Händefalten. KJ. 233. — skr. p. pkr. anjali M.3 150.
244. ädurä s. pl. -rö Lehrer. — skr. äcärya A. LIII, p. äcäriya, pkr. äaria.
245. ända s. Bett. — skr. sayyä, p. seyyä, pkr. sejjä; hi. sej, m. sej u. s. w. R. 247.
Nicht ohne Bedenken.
246. ändi adj. bestrichen, beschmiert, bemalt, angezogen. KJ. 203, 368. — skr.
p. anjita. Vgl. anduna.
ändiri s. adj. Finsternis, finster s. andura.
247. äna, -ne s. Nagel, Stift. — skr. p. äni. Sollte also genauer äna geschrieben
werden.
248. änavanavä v. rufen. — skr. Yn~i -f- ä caus., p. änäpeti „lässt holen, lässt bringen",
pkr. änävei.
249. äp adj. wenig, gering (fehlt bei Cl.). — skr. alpa, p. pkr. appa.
250. änihid 1. adj. sauer. — skr. amla, p. pkr. ambila. — — 2. s. Name eines Baumes,
Emblica officinalis, Myrobalanenbaum. — skr. p. ämalaka.
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251. äma s. pl. am Köder, Lockspeise, äminenavä v. „durch eine Lockspeise gefangen
werden". — skr. ämisa, p. ämisa.
252. äma, h°, s° adj. all, jeder, ämakala „immer, allezeit". — skr. p. pkr. sama.
253. ämatuma s. Einladung, Aufforderung. — nom. verb. zu skr. ämantrayati ,
p. ämanteti, pkr. ämantei. Vgl. skr. ämantrana, p. pkr. ämantana.
254. ämiyäva s. Krankheit (des Magens und Unterleibes), Indigestion. — skr. p. ämaya
„schlechte Verdauung". Vgl. auch skr. äma „Dysenterie".
255. ämbarälla s. N. eines Baumes, Spondias mangifera. — skr. ämrätaka, p. ambätaha
M.3 150.
ärayiim, äriyum, -vam s. das Bitten, Wünschen s. unter eiriyana.
256. äl, häl s. Reis (wie er auf hügeligem Terrain wächst), älvli dass.; älgoviyä
„Reisbauer". — skr. sali M.3 151, p. pkr. sali. Jünger sind säl, häl. Sogar
säl-äl-vtl
ül, heil adj. kalt s. unter il.
257. eila s. Flusslauf, Bach, Canal. — skr. p. äli „Linie, Damm". Vgl. M.3 151.
258. älalima s. das Durcheinandermengen, Mischen; Unruhe, Verwirrung. —
Zu skr. Ylucl oder lul -\- ä; p. äloleti und älulati.
älavum s. Anrede, Einladung s. unter alap.
259. äli, äli s. Maler. — skr. *äleMaka M.; vgl. p. älekha „Bild", pkr. äleha;
sgh. alik.
260. älenavä v. prt. älunä anhängen, haften; lieben, begehren. — skr. Yli -\- ä
ältyate, ältna (= sgh. äluna) Ch. 148; p. alliyati, allina, pkr. allwa.
261. ävitu adj. verwirrt, wirr, besessen. — skr. "J/tis + ä, ävista. Vgl. skr. äveia,
p. ävesana. S. Jay. u. d. W.
262. ävilenavä v. an Rheumatismus leiden, ävililla, -Itma „scharfer, stechender
Schmerz". — skr. Ypld -\- ä; p. vgl. pllß, fiileti.
263. ävät s. Schuld, Sünde. — skr. p. äpatti Jay.
264. ävama s. das Abtreten, das Fortgehen, das Sterben, die Nachfolge; spez.
äcamen oder -mehi „nach oder bei dem Abgange von, in Succession von, auf, nach"
z. B. RR. 66. 17, S. 24: Kudasirinägaya yana rajun ävamehi rajava . . . Vyava-
häratissa „der nach König K. zur Regierung gekommene Vy." — Ich stelle d. W.
zu skr. p. apagama.
265. äsa s. pl. äs 1. Auge, äsvaha „böser Blick" wtl. Augengift; äsbäma „Augenbraue".
— skr. aksi A. LIII, 21, 44; p. acchi (und aWä), pkr. acchi; hi. ämJch, ka.sm.
ach u. s. w. (B. 1. 309). — — 2. Thräne. — skr. asm GL, p. pkr. assn.
266. äsatu, ähätu s. N. einer best. Art Feigenbaum. — skr. asvattha, p. assattlm.
äsivüs s. Schlange s. ahivisa.
267. ähäla-masa, asala-ni° s. Monatsname Juni- Juli. — skr. äsädha A. 6, p. äsallm:
si. akhädu.
268. a = skr. p. ädi M.1 7, 27, pkr. äi und so weiter. KJ. 499, 595.
25*
194
K
269. k- interrog. Pron.-St. = skr. p. pkr. k- (hi. ko kaum, m. kom u. s. w. B. 2. 323).
Sgh. Jcavda, kökäda „wer?", kimda „was?", kis „alles, etwas", kisi , etliche, einige"
vgl. skr. kimca, kecit; p. kihci, Jceci; pkr. kimci u. s. w.
270. kakuluvä s. Krebs, Krabbe. kakulu-sun s. N. einer Pflanze s. unter ahga. —
skr. karkata M.3 151, K. 426, p. kakkataka.
271. kagaya s. Schwert. — skr. khadga, p. pkr. khagga; hi. khäg „Hörn des Rhinoceros".
Dagegen stellt sich sgh. kaduva „Schwert" zu m. khanda, khämdä u. a. m. der
MISpr., die (nach Gr. 50. 25, 36) auf skr. Ykhand zurückgehen (khandaka
„zerteilend").
272. kata s. 1. Schlund, Kehle, Hals. — skr. p. pkr. kantha. — — 2. Brennholz.
— skr. kästlia M.1 27, p. pkr. kattha, hi. u. s. w. käth. — — 3. Eiu best. Zeit-
raum = 18 Augenblicke (fehlt bei CL). — skr. kästhä Jay.
273. katinavä v. prt. kättä den Faden drehen, spinnen. — skr. Vkrt kniatti, kartana
„das Spinnen", p. kantati. Grdf. des sgh. V. ist *kaüaü.
274. katuva s. pl. katu Dorn, Stachel, katu-sämiüya „Geissei" wtl. Dornpeitsche. —
skr. p. kantaka M.1 27, pkr. kantaa; hi. in. kämtä u. s. w. (B. 1, 297).
275. kada s. Stück, Bruchstück; Stück Tuch, Lappen; Stengel, Pfeil. — In dem
Wort sind skr. kända und khanda (A. 27, Ch. 146) zusammengeflossen, p. pkr. kanda,
khanda; m. u. s. w. khämd „Teil", kadanavä „zerbrechen", prt. käduvä = skr.
khandayati, p. kliandeti, pkr. kJtandei. Ueber okada s. unter oya.
kaduva s. Schwert s. unter kagaya.
276. kana 1. s. Ohr. kanmid „Wange" = skr. karnamüla. — skr. karna A. 21, p.
pkr. kanna; hi. m. kän u. s. w. — — 2. adj. blind, einäugig, kanä s. „ein
Blinder"; kanakaranavä „blenden". — skr. p. käna „einäugig"; hi. känä, m. känä
u. s. w. (B. 2. 13). — — 3. s. Augenblick s. unter säna.
277. kata s. 1. Licht, Glanz, Anmut. — skr. känti, p. pkr. kanti. — — 2. Frau.
— skr. käntä, p. pkr. kantä; MISpr. kämt.
278. katara s. schlechter, wenig begangener Weg. — skr. käntära M.3 153, p.
pkr. kantära.
279. katura s. pl. -ru Scheere. — skr. kartarl.
280. katuruyati s. Spazierstock, Stab. — p. kattarayatthi.
281. kada s. pl. kat Last. katUya, katläUa „gebogenes Holzstück, welches über die
Schulter gelegt wird, und an dessen Enden die Lasten festgebunden sind, Pingo".
— skr. käca, käja (so Räm. 2. 55. 17 ed. Schlegel) „der an den beiden Enden
eines Joches herabhängende Strick mit einem Netz, in dem die Last liegt" (BR.),
p. käca, käja, pkr. käa.
282. kadam s. Schlamm, Schmutz. — skr. kardama Jay., p. pkr. kaddama; hi. kädö,
kädä, g. kädav u. s. w. (B. 1. 334, 2. 26).
283. kaduru s. wilde Dattelpalme, Phoenix silvestris. — skr. kJ/arjUra, -i Jay., p. khaj-
jür%\ mald. kaduru „Dattel" (Gray 17); m. kliajurl.
195
284. Jcadö s. (auch kadö-kimi, kadö-päni RR. 27. 3, S. 9) Glühwurm. — skr. Jchadyota,
khajyotis M.3 152.
285. kanda s. Schulter; Baumstamm, Baumstrunk; Menge, Masse (so Jay., fehlt
bei CL). — skr. skandha K. 427, p. pkr. Jchandha; hi. m. khämdä, si. g. khämdhö.
(B. 2. 9). ökaiida „Ufer" s. unter oya. — Kanda ist auch das Elu-Wort für
skr. Skanda N. des Kriegsgottes.
286. kandayura, -avura, -avuru s. Kriegslager; Befestigung ausserhalb der
Stadt, Fort, Vorwerk. — skr. skandhävära M.3 153; p. pkr. khandhävära.
287. kaüdulu s. Thränen; kanduläli s. „das Weinen, Jammern, Heulen". — Bei
K. 428 richtig zu skr. yicrand, krandati „schreien, jammern* gestellt; p. kandati,
pkr. kandai.
288. kanavä v. prt. kävä essen. — skr. Vkliäd, khädaü A. 27, Ch. 146, p. khädati,
pkr. khäi, 3. pl. khanti; hi. khänä, m. khänein, khävum u. s. w. B. 1. 202.
mald. ma kam „ich esse", ma kerne „ich ass".
289. kanita adj. klein, niedrig, gering; s. der kleine Finger. — skr. kanistha, -ä,
p. kanittha, -ä, pkr. kanittha, -ä. Jay. schreibt kanifu.
290. kaninavä v. prt. kännä graben. — skr. \khan, khanati, p. khanaii, pkr. khanai.
291. kanuva s. Pfeiler, Pfosten. — Nach K. 431 auf ein khänuka zurückzuführen.
292. kapanavä v. prt. käpuvä schneiden, hauen, abschneiden. Auch kap „Pfosten"
(= der zurecht gehauene) dürfte heranzuziehen sein. — skr. yklp kalpati A. 27,
p. kappett; m. ykäp. Die Bed. „ernten" hat das Verb, häufig in der sgh. Uebers.
des NT. z. B. un vapuranne-vat kapanne-vat näta Math. 6. 26 „sie säen nicht und
ernten" nicht; vgl. griech. xagjiog, ahd. herbist u. s. w. Brugmann, Grdr. P. 570.
293. kapaldara s. Bettler. — Das Wort bedeutet „Lumpen träger" von kapdla = skr.
Tcarpata, p. kappata, pkr. kappada; m. käpad, ö. hi. käparä „Lappen, Lumpen"
-f- dam (skr. Ydhr). Vgl. skr. karpatadliärin „Bettler" im Skdr. BR. unter karpata.
294. kapu s. Baumwollenbaum; Baumwolle. — skr. karpäsa (die Staude), kärpäsu
(die Wolle) M.3 152, K. 433, p. pkr. kappäsa; hi. kapäs, m. g. käpüs u. s. w.
(B. 1. 318).
295. kapuru s. Campher. Ss. 21. — skr. karpüra, p. pkr. kappura; hi. u. s. w. kapTtr,
m. käpür. (B. 1. 318).
296. kapuvä s. Barbier. ■ — skr. kalpaka. Die nur im Skdr. angegebene Bed. wird durch
p. kappaka und durch das Sgh. bestätigt. In der Bed. „Teufelspriester" ist kapuvä
zu skr. kalpa „Ritus, Ceremonie" zu stellen, also „der, welcher Ceremonien vollzieht".
Vgl. ftäpa.
297. kabara-goyä, kabarä s. grosse gesprenkelte Eidechse (Hydrosaurus salvator).
— kabara ist = skr. karbura R. 246 „bunt, gesprenkelt" {goyä „Iguana" s. bes.),
hi. kabarä, käbar, g. kübar, m. kabarä (B. 1. 319) oder = kambara „bunt" (im
Skdr.), (sgh. kanihuru). — Ich vergleiche auch sgh. kabara „scrophulöser Haut-
ausschlag, eine Art Krätze" und kabari „eine an dieser Krankheit leidende Frau"
mit skr. karbura bezw. kambara. Endlich gehört hieher kabarauya „Panter" wtl-
mit buntem Körper, oder = kabar-rohgä „scheckig".
196
298. kabala s. 1. Schale (einer Schildkröte oder eines anderen Schalentieres). — Gehört
zu skr. p. kambu? — — 2. Schädel. — skr. kapäla K. 426, Jay., p. kapäla,
-alla, pkr. kaväla; die vermittelnde Form ist Icambala. — — 3. Scherben, zer-
fallene Reste von Thon u. s. w. Vgl. kabalvenavä „alt werden, zerfallen" (spez.
von Töpfen). — skr. kapäla, kapälikä, vgl. d. vor.
299. Icambala s. wollenes Kleid. — skr. p. pkr. Icambala Jay.; hi. Jcambal und kammal,
in. käniblä u. s. w.
300. kamburä s. Schmied. — skr. Jcarmüra M.1 27, p. kammära.
301. kam s. Lust, Begierde, Verlangen. — skr. käma, p. pkr. ebenso. Vgl. kämati.
302. kama s. pl. Team Werk, That, Geschäft. Jcam-karuvä s. „Diener"; hxm-nüü,
kamak-näü adj. „nutzlos, zwecklos". kann s. „einer der macht, verrichtet, thut".
— skr. karman M.3 152, karmakärafkaj , karmin, p. kamma, kammakäraka, kammin,
pkr. kamma, kammagara; hi. m. u. s. w. kam, si. kama. B. 1. 345.
303. kamäva, samä s. Verzeihung, Vergebung, Nachsicht, kamävcnavä v. „verzeihen,
vergeben". — skr. ksamä R. 246, p. Mama, pkr. chamä; hi. chimä, g. Mama,
m. vgl. ykham. B. 1. 310. Der Wörterreihe mit anl. ch entspricht im Sgh. die
Nebf. samä „Verzeihung, Vergebung; Erde".
304. kamisa s. Farbe (spez. wohl bunte, gemischte Farbe). — skr. kalmäsa Cl., p. kaw-
mäsa; pkr. kammasa.
305. kara s. 1. Hand (vgl. karagänum „Heirat", wfcl. Handergreifung, wie skr. kara-
grahana; karasä „Finger", wtl. Zweig an der Hand = skr. JcarasäMä; karavat
„Säge" = skr. karapatra; karabu „Schmuck" = p. karabhüsa); Arm; Elefanten-
rüssel; Abgabe u. s. w. — Das skr. p. pkr. kara ist mit allen seinen Bedeutungeu,
den Lautverhältnissen entsprechend unverändert in das Sgh. übergegangen. — —
2. Gefängnis. — skr. p. kärä.
306. karanavä v. prt. kalä 1. machen, thun. kerenavä intr. prt. keninä „gethan werden,
geschehen". — skr. ykr karoü, krta, p. karoü, kata und kata, pkr. karei, kau;
hi. karnä, kiyä. — — 2. säen. Die Bed. fehlt bei Cl. Ich kann sie nachweisen
in dem sgh. Spriehw. amu-kala kenek amu-geniyat, vl-kala kenek vl-geniyat „wer
Amu sät, wird Amu ernten, wer Reis sät, wird Reis ernten" (Atheta Wakya
Deepanya, S. 4). — skr. yhr kirati. Das Praet. kalä kann nicht auffallen; es
steht dem skr. ktrna gegenüber, wie schon p. atthata dem skr. ästirna (sgh. atulä).
307. karaya s. Rasiermesser, Schermesser. — skr. ksura, p. khura, vgl. churikä,
pkr. churiyä; hi. si. vgl. churi, m. surl, or. b. churi. Es existiert wieder eine
Nebf. siriya M.3 207 in der spez. Bed. „Dolch, Messer", welche auf chimkä zurückgeht.
308. karuna s. pl. -nn Gegenstände, Dinge, Besitz, Vermögen; Ereignis, Umstand,
Ursache. — skr. kärana M.3 153, Jay., p. pkr. ebenso; westl. MISpr. kärav.
östl. käran Gr. 50. 7.
309. karuvä s. Künstler. — skr. p. käraka und käruka.
310. kal adj. schön, lieblich, kälaniya N. des bei Colombo mündenden Flusses. —
skr. ka/ya, vgl. kalyäna (= sgh. kalana Jay.); p. holla, kalya, kalläna, kalyäna,
pkr. k(i//äna.
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311. kala 1. s. Zeit. kalkaranavä, kalyavanavä „die Zeit verbringen", kdlgiya „alt* = wtl.
zu Zeit gekommen. kalakiriya und kaluriya „Tod". — skr. p. pkr. käla M.3 153;
m. käl u. s. w. Vgl. skr. kälakriyä, p. kälakiriyä. — — 2. Kleines Mass
Sechzehntel des Monddurchmessers. — skr. p. halä. 3. Dreschtenne.
— skr. p. Mala. — — 4. adj. schwarz s. unter kalu.
312. kalada s. Eichhörnchen. — p. kalanda = skr. kalandaka, -taka.
313. halap, -amba s. Menge, Bündel. — skr. p. kaläpa M.3 153, pkr. kaläva.
314. kalamba s. junger Elefant. — skr. kalablia, p. kalablia.
315. kavadiya s. kleine Muschel, Cowrie. — skr. kaparda R. 249, pkr. kavadda;
hi. kauft u. s. w.
316. kavana adj. elend, arm (fehlt bei Cl., Jay. = dilihdä). — skr. krpana, p. kapaya.
317. Tcavada, -sa s. Panzer, Rüstung. KJ. 51, 92. — skr. p. kavaca, pkr. Jcavaa.
318. kavuluva s. Fenster. — skr. kapäta, kaväta „Thürflügel" M.3 153, Jay., p. kaväta,
-taka „Thüre, Fenster"; pkr. kaväda; ö. hi. kevär (H. 44).
319. kas s. 1. Peitsche. — skr. kasä, kasä, p. kasä. 2. Krätze, Hautkrankheit.
— Zu skr. Vkas kasati = sgh. kasanavä, prt. käsuvä „kratzen, reiben"; oder zu
skr. p. pkr. kaccliü aber mit abweichendem Ausgange. — ■ — 3. Probierstein.
— skr. kasa. — — 4. Metallstück, Bronzescheibe (als Gong verwendet). —
skr. kämsya, p. kamsa, pkr. käsa und kamsa. Auch kastala — p. kamsatala.
320. kasa s. Bauer, Landmann (fehlt bei CL, Jay. = goviyä). — skr. karsaka, p. kassaka.
321. kasun s. Gold. — skr. käncana, p. kahcana, pkr. kahcana.
322. kaha, kasä s. Gelbwurz, Safran, kaliavan N. der Rattenschlange. — skr. kasäya
M.1 27, p. kasäya, -va, pkr. kasäa; p. käsäya das gelbe Gewand des Bhikkhu.
323. kahinavä v. prt. kässä husten; kässa s. „Husten". — skr. Vkäs, käsate, käsa K. 411,
p. käsa.
lala pprt. gemacht, gethan = krta s. unter karanavä.
324. Jcalu adj. schwarz, kalu-nayä „schwarze Cobra", kalM-muvä „Affe" u. s. w. —
skr. käla, p. käla, pkr. kälaa; hi. kälä, m. 7iä?ö, g. 7i:ä?ö u. s. w. B. 1. 243, 247.
Vgl. auch kalaba „schwarzes Gewölk, Regengewölk", kalahasa „Gans mit schwarzen
Füssen, Schwan" = skr. kälahamsa, kahdcahda „Ebenholzbaum" = skr. käla-
skandha, p. kälakkhandha (wtl. Schwarzstamm), kalakat N. des ind. Kuckuck wtl.
Schwarzhals.
325. kä s. 1. Körper. — skr. p. käya, pkr. käa. — — 2. Krähe. — skr. p. käka,
pkr. käa.
326. Tcikaru, kikura s. Diener. — skr. p. pkr. Umkam.
kikiU s. Henne s. kukulä.
327. klda s. Spiel, kidiya „Tänzerin". — Im P. steht khiddä neben kllä = skr. kridä,
im Pkr. khcddä neben kldä. Sgh. kll/ina, kllä, kiüta sind LW. a. d. P.; keli
„Spiel", kelinavä „spielen", prt. keliyä (bei Jay. Jceli u. s. w.) gehören zu skr. kc/i.
khilt, Mäyati, kh° (A. 27, Ch. 147).
198
328. kinu (kinu) s. schwarz. kinumas N. eines Fisches von dunkler Farbe (Ophiocephalus
striatus); kinumaga „ Feuer" wtl. dessen Wegspur schwarz ist, wie skr. krmavartman.
— skr. krsna Jay., p. kanka, pkr. Tcasma, kanna, kanha. Aequivalente in den
MISpr. s.°B. 1. 163.
329. kit s. Ruhm, Ruf, Ehre. — skr. kirti Jay., p. pkr. kitti.
kitul s. N. einer Palmenart s. Mtul.
330. kiüdurä s. Bez. best, mythischer Wesen, halb Mensch, halb Pferd. Ss. 75. —
pkr. Jcinnara K. 417.
331. kipenavä v. prt. kipunä zürnen, zornig sein. A. G. S. 339. — skr. yhwp kupyaü,
p. kuppati, pkr. kuppai.
kibidenavä v. erwachen s. unter kubudinavä.
332. kimbisinavä, kimbihinavä v. prt. kimbissä niesen. — Aus kimb(a, -i) -\- isinavä
„ausgiessen" s. Nr. 151. kimb- gehört zu p. khipati „er niest", pkr. khivai.
333. kimbul s. rotbraune Farbe. — skr. kapila (kabila) Jay., p. kapila, pkr. JcaviJa.
334. kimbulä s. Krokodil, Alligator. — skr. p. kumbhila K. 426.
335. kimi s. Würmer, Insekten. — skr. krmi, p. pkr. kimi.
336. kiyanavä v. prt. kivvä sagen; berichten, erzählen. Caus. kiyavcmavä „sagen
lassen, lesen, vorlesen"; kiyädenavä v. prt. kiyädunnä „mitteilen, benachrichtigen".
— kiyu s. „Sprache". — skr. kathä (= sgh. kiyu), katliayati Ch. 147, K.; p. kathä,
katheti, kathäpeti (schon in der Bed. „lernen"); pkr. JcaJiä, kahei, hi. Jcahnä u. s. w.
(B. 1. 267).
337. kiyä s. Buckel (des indischen Ochsen). — skr. kakuda, p. kakudha.
338. kira s. Papagei. — skr. p. klra Jay.
339. kira, kiri s. Milch; auch adj. kiri weiss, kiriibbä N. einer best. Art Süsswasser-
schildkröte (Emyda ceylonensis) ; kiripovanavä v. „säugen"; kirimav s. „Amme",
wtl. Milchmutter; kiriväl N. einer kriechenden Pflanze, formell (und sachlich?)
= skr. ksiravallt; kiranava der (mythische) Milchocean = skr. kstra + arnava u. a. m.
— skr. kstra M.3 154, K. 413, p. pkr. Mira; hi. pj. u. s. w. Jchir.
340. kiri s. Elefant. — skr. karin, p. karin, pkr. kari.
kirilla, -Uli s. Vogel (weibl.) s. kuruttä.
341. kirivul s. Körper. — skr. p. pkr. Jcälevara. Metathese!
342. kirula s. Krone, Diadem. — skr. kirlta A. LIV, 6, p. kirita.
343. kili (Jay. kili) s. 1. kleines Haus, Hütte. — skr. p. kuü K. 412. — —
2. Secretion, unreiner Ausfluss, Menses (auch killa). Vgl. kUipäla „kind
of small hut (päla) connected with the residence of families, in which females are
forced to reside during the flow of the menses" (Cl.) — skr. kitta.
344. kilil s. Wipfeltrieb der Cocosnusspalme, welcher als Gemüse gegessen wird. —
— skr. karlra „Rohrschössling", p. kallra mit der gleichen Bed. wie im Sgh.
M.3 154.
345. kilutu adj. schmutzig, abgenutzt, verbraucht. KJ. 613. — skr. Yklls, klisfa
Cl. Jay., p. pkr. kiUttha.
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346. kivi s. 1. Dichter, Sänger; Planet Venus. Tcividina „Freitag". — skr. p. hm.
— — 2. Affe (von der schwarzen Gattung). — skr. p. kapi.
kis 1. s. Leib, Bauch s. kus. — — 2. Pron. alles, irgend etwas s. Je-.
347. Tiisa s. Werk, That, Verrichtung. — skr. hiya M.1 9, p. pkr. Idcca.
348. kisim, kisum s. Blume. — skr. p. pkr. Jcusuma M.3 155. Jay. hat kusum.
349. kisilla, kihilla s. pl. -ili Achselgrube. — Deminutiv zu skr. kakset, p. kaccha.
Vgl. käsa.
350. kisunu adj. all, vollständig. — skr. krtsna, p. Jmsina.
351. kihiri s. N. eines Baumes (Acacia catechu). — skr. p. khacüra M.3 155, pkr. khaira.
352. H-praef. eine Zahl oder Meuge bezeichnend, Jet-pa „etliche, manche, einige"; ki-denek
„wie viele (Personen)"? — skr. p. kati, kath-paya; pkr. kai, kaivaa. Childers 138
vergleicht skr. kiyat, p. Jiiva.
353. klkaru adj. gehorsam, willfährig; kikaruvenavä v. „gehorchen", klkaruvä s. „eine
gehorsame Person". — ki (s. kiyanavä) = skr. p. kathlta -J- kam „einer der thut,
was ihm aufgetragen ist*.
354. kukuru (fehlt bei Cl.) s. Hund, junger Hund. — skr. kurkura, hikkura, p. pkr.
kukkum; hi. kukkä, kükar u. s. w. (Gr. 50. 24, H. 45).
355. kukus s. Verwirrung, Zweifel, Ungewissheit. — p. kukkucca, das Childers,
Pali Dict. zu skr. kaukrtya „Reue" stellt.
356. kulciclä s. Hahn; fem. klkllt „Henne". — skr. p. kukkuta, -tl A. 22, Ch. 143,
pkr. kukkuda.
357. kuda, -du s. Staub; kudä adj. „klein, winzig"; kudäkama s. „Erniedrigung, Schmach"
(wtl. das Kleinmachen), kudugänavä v. „zermahlen" (wtl. zu Staub reiben). —
skr. ksudra P. G. 26, p. khudda, pkr. khudda. Das sgh. hat auch kudu „klein"
(so Jay.), so dass also beide Formen mit d (wie p.) und d (wie pkr.) vertreten
sind. Hiezu gehört kudappä „Oheim", d. h. kleiner Vater A. 11.
358. kuda adj. buckelig, höckerig; kudä s. „der Höckerige". — skr. kubja Ch. 143,
p. pkr. khujja; hi. kvjä, b. kuja und kunja u. s. w. (B. 1. 286, Gr. 50. 26).
359. kuditu s. Heide, Ungläubiger. — Vorsatzs. ku -f- ditu — skr. kudrsti, p. kuditthi
„Ketzerei".
360. kubudinavä, kibidenavä v. prt. kibidunä erwachen. Caus. kubuddanavä (dd aus dv),
prt. kibidduvä „aufwecken". — Das gl. wie pubudinavä, s. dort, mit Dissimilation
wie in p. kipilla „Ameise" = skr. piplla (E. Kuhn, Beitr. S. 42).
361. kumba s. 1. Topf, kumbalä, kumbukaru s. „Töpfer". Inschriftl. kumbu und kumbal
121 B, 27, 28. — skr. kumbha, kumbhaküra M.3 155, K. 422, p. ebenso, pkr. kumbha,
leu/mbhagära und kttmhaüra, hi. pj. kumliär, m. kumhär, kumbhär, b. kumär u. s. w.
(B. 2. 126). — — 2. Mast. — skr. p. küpa K. 432, pkr. käva.
362. kumbura s. Reisfeld, Paddyfeld. Vgl. kumburu-ket RR. 60. 2 (S. 21). Inschrift].
121 A, 18, 46. — Nach P. G. 2 = skr. p. gabhlra, gambhtra „tief", pkr. gahira,
also „tief gelegenes Land" mit Verhärtung des Anlauts wie in kurullä (s. dort).
Im Sgh. ist auch die Form gämburu »tief", gämbura „Tiefe" erhalten, welche
lautlich genau dem alten gambhtra entspricht.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 26
200
363. Tcumaruvä s. Knabe, Kind. — skr. p. kumäraka Cl. Jay. , pkr. humäraa;
hi. Jcumar.
364. Tiumuhu s. Arecapalme. — skr. hramuka, hrmuha Jay., p. Tcamuka. Es stört jedoch
das bewahrte intervocalische 7.'.
365. .huraya, -re s. Huf. Jcuragänavä v. „gehen" spez. von Huftieren, wtl. Huf-schlagen
(gän° == gcüian0). — skr. p. Jchura.
366. Jcurä, huru s. Zwerg, überh. jedes im Wachstum zurückgebliebene Wesen. —
Offenbar zu skr. Jcharva.
367. l'uriru adj. hart, grausam, böse; schlimm, schädlich. — skr. forwra, p. Icurüra,
pkr. Jcüra. Das Sgh. knüpft also an die Päliform an.
368. Tcurundu s. Zimmet; eine Art Edelstein. — skr. p. lairuvinäu.
369. Icurullä s. Vogel. — Nach P. G. 3 und K. 419 = skr. garuda, p. garula, pkr. garuda
und garula. Mit Verhärtung des Anlautes wie bei Jmmburu.
370. Jeidüva s. Gefäss, Krug, Topf. — skr. p. Tcatäha.
371. hus, Tiis s. Bauch, Leib, Mutterleib. — skr. kuksi A. 21, P. G. 36, p. pkr. JmccM,
hi. kökh, pj. TcukUh, g. 7t;wM, m. Jeus (!). B. 1. 218, 310. Mit diesem hus, las zusammen-
gesetzt sind verschiedene Ausdrücke für „Bettler" oder „Schmarotzer": läslcam,
Idsdas, lüspitu, Jmsdara, Jcuslara.
372. hu st s. Lässigkeit, Trägheit. — skr. huslda, p. hisita.
373. Int hui s. Aufregung, Verwirrung. — skr. Mutuhdla, p. lutTihala, leot0,
pkr. Jcuuhala.
374. Jculu 1. s. Gipfel, Bergspitze. — skr. p. hüta, pkr. küda A. LIV. — Auch
„Masse" in Jciduge „Vorratshaus" = p. Jcütägärn. — — 2. s. Eisenhammer in
yakula und kulugediya. — skr. p. JcTda, pkr. Jcüda. — — 3. adj. beissend, scharf
(von Geschmack): luhibadit „scharfe Substanzen (Pfeffer u. s. w.)"; kulutuna „ein
aus drei (tuna) scharfen Gewürzen bestehendes Medicament" ; tihulu dass. (skr. trilnfu):
Jmluräna (= skr. Jcatwvhint Cl.) „schwarze Nieswurz", hula s. „scharfer, beissender
Geschmack". — skr. p. Jeatu A. 6, pkr. hulua. — — 4. adj. widerspenstig,
ungehorsam, unbändig. — skr. Jcuta „falsch, hinterlistig", p. Jcüta. Die Be-
deutungen werden vermittelt einerseits durch p. hläassa „böses, unbändiges Pferd",
andrerseits durch sgh. Jcuhides „falsches Zeugnis".
375. Jculuna s. Mitleid, Erbarmen. — skr. p. pkr. Jcarurß Jay.
376. leediya, kciidiya s. Topf, Krug, Trinkgefäss. — skr. p. fatndtää, pkr. l-undi.
377. Ixenera s. Elefantenweibchen. — skr. p. pkr. Jcarenu. Die Metathese findet sich
bereits in der Päliform lianeru, welche dem sgh. Wort zu gründe liegt.
IhCnehi adv. auf der Stelle, sofort s. unter säna.
378. leeta s. pl. ket Feld; Haus, Wohnung. Ttetpalu „Feldhüter, Landmann". — skr. hsetra
A. 22, P. G. 8, p. pkr. Idietta, hi. Met, kltcdä, m. set u. s. w. (B. 1. 310).
379. lein s. Frieden, Glück; Fest. — skr. Jcsema, p. pkr. hhema.
380. kema, Jcäma s. Reihe, Reihenfolge, hemen „der Reihe nach". — skr. hrama,
-mena Jay., p. lama, -mena, pkr. Jcama, -mena.
201
381. leeren, Jcerehi Casusaffixe, a) leeren in ablativischer, b) herein in dativischer und
locativischer Bedeutung. In der Habarane-Inschrift noch heriyahh (61. 1). Der
Stamm hängt zweifellos zusammen mit pkr. hera(ha), das Hörnle (JASB. 1. 124
1872; vgl. ders., Comp. Grammar of the Gaudian Languages S. 233 ff.) von
skr. hrta (*harita, hma), Pischel (IA. 2. 121, 210, 368) von häri/a ableitet.
So auch P. G. 6. Vgl. m. herä, herl, altg. herö, -1, -um (c. obl. kerä, -e) u. s. w.
(Genetivaffix) (B. 2. 281 ff.).
heia s. Speichel s. heh.
leeli s. Spiel (Jay. lieh) s. unter hida.
382. hei es s. Schmutz, Unreinigkeit, Sünde. — skr. Mesa M.3 156, p. pkr. Idlesa.
Jedes ist auch die Elu-Form für skr. leailäsa, p. pkr. Jceläsa.
Teevili s. Weibchen des indischen Kuckucks s. hovullä.
383. hevulä s. Fischer, fem. hevidi „Fischerin". — skr. haivarta, p. hevatta, MägadhT
kerntet (Corp. inscr. S. 42); hi. leevat. Vgl. E. Müller IA. 8, 1879, S. 223;
M.a 20, M.3 156.
384. hevenavä v. prt. hevimä schmerzen z. B. vom Auge, in das ein Sandkorn geflogen.
— Aus he = skr. p. hheda, pkr. khea -{- venavä.
385. hes s. Haar; hehe, he „einzelnes Haar", hesmadana „Kamm" (wtl. Haarglätter
s. p. majjand). — skr. hesa A. 21, p. pkr. hesa, hi. hes.
386. hesi s. Schlüssel, hestiidu „Schlüsselloch". — skr. p. huheihä, M.3 156.
387. hehel, hesel s. Banane (Musa sapientum), Tcehel-gediya N. der Frucht. — skr.
p. hada.ll M.3 156, pkr. haalt und heia; hi. hehl, m. hele. Die Bed. „Fahne,
Trophäe" hat das Wort, wie im Skr. und P., so auch im Sgh. Das s in hesel
ist durch falsche Analogie entstanden.
388. heia s. 1. Speichel, helar/ahanavä v. „ausspucken". Auch heia geschrieben. —
skr. hheta, p. hhela, pkr. hhela. — — 2. a) Aeusserstes, Ende, Saum; helavara
dass. Vgl. helapat Ss. 97, Co. = hoüpräptava. b) eine hohe Zahl = 100 Lakhs.
— skr. hoti M.3 156, p. hott, pkr. hodi; ö. hi. haror, -or.
hell, hell s. Spiel s. unter hida.
389. helilla, -li s. Knie (nach Jay. spez. das Beugen des Knies). — Ich vergleiche
skr. hautilya „Krümmung, Beugung", p. hotilla.
390. helembi s. reicher Mann. — skr. hautumbiha. Schon p. huhimba, -imba bedeutet
nicht nur „Familie", sondern auch „Reichtum"; pkr. hudumba, -amba.
391. he s. N. eines Baumes, Pandanus odoratissima. Abarten sind väta-he und dunu-he.
— skr. hetaha, -hl, p. hetahJ.
392. hohun, -hum s. Safran. — skr. p. pkr. hunhmna Jay.
393. hota s. 1. Schakal. — skr. hrostr, forostu, p. hottliu. — — 2. Vorratshaus,
Magazin. — skr. hostha, p. hottha. hotuva „Fort" ist skr. hosthaha.
394. hotanavä v. prt. hetuvä schlagen, hauen; dreschen, (mit dem Beil) zerkleinern.
— skr. ylcutt, hutfayaü, im Dhp. „spalten, zerteilen", -hutta EC. „zerschlagend,
zermalmend", p. hotteü „haut, bricht, zermalmt".
2G*
202
395. kondol s. Ring, Ohrring; Schlange. — skr. p. pkr. kandala, -li.
396. kot s. Lanze, Speer. — skr. p. pkr. Ininta M.3 156, Jay., Ss. 30, Co. Auch kota
„spire or other ornament, at the top of a house" (Cl.) ist natürlich nur = kunta,
kot P. G. 34.
397. honda s. weisse essbare Wasserlilie KJ. 124. — Mir scheint Jcohda das Aequivalent
zu skr. p. kumuda, pkr. kumua zu sein. Der Mond wird im Elu Jcohda-siya genannt,
wie im Skr. kumudahandiiu „Verwandter der Nymphäen".
398. konda s. Jasmin (auch väkonda). — skr. p. pkr. Jcunda.
399. komadu s. Wassermelone. — skr. kusmända, -daka eine Kürbisart. In der
Litteratur-Spr. findet sich auch die Form Jcomahdu.
400. komu s. (auch Jcomupili, komuvat) Stoff, Kleid (aus feinem Gewebe). — skr. ksauma,
p. . Idioma.
401. kora adj. lahm. korä „lahmer Mann", Jcera, -t „lahme Frau". — skr. khoda, JcJiora
Ch. 144, p. klionda.
402. Jcovullä s. indischer Kuckuck, fem. kevilli oder -ili. — skr. p. kokila K. 419,
pkr. koüa, hi. koil, g. koyil u. s. w. (ß. 1. 201).
403. kos s. 1. Scheide. — — 2. Brotfrucht: kos-gaha der Baum, kos-gediya die
Frucht. — skr. kosa, p. pkr. kosa. Skr. Icosa wird nach dem Skdr. vom Innern
der Brotfrucht und ähnlicher Früchte gebraucht (BR. u. d. W.), weiterhin bezeichnete
es dann die ganze Frucht.
404. kossa s. pl. kolm Büschel, Bündel (von Zweigen oder Halmen), Bürste. —
skr. l'urca, pkr. kucca.
405. kö s. Wut, Zorn. — skr. p. kopa, pkr. kova. Auch skr. krodha, p. kodha, pkr. koha
würde sgh. kö ergeben. Beide Wörter fallen also zusammen. S. auch Jay.
406. käk s. Besorgnis, Zweifel. — skr. kanksä, p. kaiikliä.
407. käkira s. pl. -ri Gurke. — skr. karkatl, -fikä M.3 157, p. kakkäri; hi. kakadi u. s. w.
(B. 1. 133). Vgl. auch skr. karkäru N. einer Kürbisart.
408. kükuhi adj. rauh, hart; s. Härte. — skr. karkara und kakkl/afa, p. kakkhala.
Vgi. M.3 157.
409. küt adj. von edler Abkunft, königlich, kät-kat, kät-kala, kät-liya „Königin". —
skr. ksatriya P. G. 34, M.2 26, p. khattiya, pkr. kattia; hi. pj. chatri, khatfi, khetrl,
si. khitrl u. s. w. (B. 2. 88, 156).
410. käti s. die Plejaden, N. einer Mondstation. — skr. krffikä, p. kattika, pkr. kattia.
411. kätta s. pl. käti gekrümmtes Messer, Hackmesser. — skr. karttrl, karttrikä.
412. kän s. Menge, Masse, Gruppe, Bündel (von Früchten oder Blüten). — skr. khani.
khäni „Mine", zunächst von den Stellen im Schwemmsand gebraucht, wo man die
Edelsteine in grösserer Zahl beisammen findet, dann übertragen auf alles, was
gruppenweise vereinigt ist.
413. käpa adj. passend, geeignet, spez. das, was zur Darbringung an einen Gott oder
Dämon sich eignet, dann solche Darbringung selbst. — skr. kalpya, p. Jcappiya-
414. käpavum s. das Zittern, Beben. — skr. yJeamp, kampate, kampa, p. pkr. Jcampa.
20ö
415. Jcämati adj. willig, einverstanden, wünschend, mama meJca Jcaranta Jcämati „ich
wünsche dies zu thun". Jcämativenavä .bereit sein, einverstanden, Willens sein";
JcämatiJcaranavä „überreden". Abgel. Jcämätta „Einverständnis, Wille". — Aus
Jcamäti (so noch KJ. 356) = Jcam -\- äti „den Wunsch hegend". Vgl. M.3 157.
416. Jcäl s. Licht, Morgen, Tagesanbruch. — skr. Ttalya, Jcälya, p. Jcalla „Tages-
anbruch", pkr. Jcalla „gestrig", -am „gestern"; hi. JcalJi, Jcal, g. m. Jcäl u. s. w.
(B. 1. 350, 351). Die modernen Worte bedeuten „morgen" und „gestern", urspr.
„bei Tagesanbruch".
417. Jcälaya, -le s. Dickicht, Jungel. Vgl. Jcäia „Menge". — skr. Jcalila „erfüllt von . .,
voll von . .", s. n. „dichter Haufe, Dickicht", p. Jcalila.
418. Jcäli s. unaufgeblühte Blume, Knospe. — skr. Jcali Cl., p. Jcalilcä.
419. Jcäsa s. 1. Achselgrube. Vgl. Jcisilla, Jcäsapata „aufgegürtetes Gewand". — skr.
JcaJcsa, -ä, p. Jcacclia, -ä, pkr. JcaccJia, JcaJcJcJia; hi. JcämJcJi, g. m. JcäJcJi u. s. w.
(B. 2. 7). — — 2. Dickicht, Gestrüpp. — skr. JcaJcsa „Gesträuch, Gestrüpp",
p. JcaccJia „Gras, Unkraut".
420. Jcäsba (auch Jcäsup, Jcäsubu, Jcäsumbu) s. Schildkröte. — skr. Jcasyapa, JcaccJiapa
K. 419, R. 247, p. JcaccJiapa, pkr. Jcäsava (Hern. 1. 43); hi. JcacJiuä, m. Jcäsav und
Mmsav (B. 1. 153, 273; Gr. 50. 15).
G
421. ganga s. pl. gah Fluss. In vielen Eigennamen wie Jcalugahga „schwarzer Fluss" u. s. w.
— skr. p. pkr. gahgä A. LIV.
422. gada s. 1. Kinnbacken, Wange; 2. Beule. — skr. p. pkr. ganda.
423. gadayä N. eines best. Fisches. — skr. p. gandaJca.
424. ganinavä s. prt. gännä zählen, rechnen, ganana „das Zählen, Rechnen", dav.
gananJcaranavä dass. wie ganinavä. — skr. ~\fgan, ganayati Ch. 147, p. ganeti,
pkr. ganei.
425. gata s. 1. Körper, Glied. — skr. gätra A. 46, p. pkr. gatta. Vgl. m. gät. — —
2. Litterarische Composition, Werk. — skr. grantJia Jay., p. gantJia.
426. gadamba s. Musikant. — skr. gandJiarva, p. gandJiabba, pkr. gandhavva. Daneben
sgh. gandav bei Jay.
427. gadabu s. Esel (fehlt bei CL). — skr. gardabJia Jay., p. gadddbJia, pkr. gaddalia.
gädumbu „Esel" ist dazu eine Parallelform mit Cerebralisierung wie pkr. gaddalia
(Hern. 2. 37).
428. ganda s. Geruch, Duft, Gestank. gandagaJianavä v. „stinken". — skr. p. pkr.
gandlia Jay., Cl.
429. gana 1. adj. dicht, dick, vgl. ganaba „dichtes Gewölk". 2. s. Wolke; ganaJcal „Regen-
zeit". — skr. p. ghana Jay., pkr. gJiana. Es findet sich auch die Schreibung gana.
430. gannavä v. prs. 3. s. gariiyi, prt. gattä, absol. gena nehmen, an sich nehmen,
erhalten, empfangen, kaufen. Caus. ganvanavä „empfangen lassen", iprt. gännewä.
— skr. VgrJi, grhnätt, p. gantiäü, pkr. genJiai. Vgl. auch B. 3. 42.
204
431. gaba, gäbet, s. Leib, Mutterleib, Inneres, gäbadunu „Empfängnis", dägaba (-goha,
-gäba) „ Reliquienschrein " (s. u. d. W. da). — skr. garbha R. 243, p. pkr. gabbha;
m. gäbh, si. gabhu u. s. w. (ß. 1. 319).
432. gama s. Dorf, gämi „Dorfbewohner", gamdetuvä „Dorfoberhaupt" (s. deta). —
skr. gräma, grämin K. 411, M.3 158, p. pkr. gäma. Vgl. hi. in. gämv u. s. w.
Sgh. gämldam „Geschlechtsgenuss" = skr. grämyadharma.
433. gara s. Haus. — S. auch ge. p. pkr. ghara; hi. u. s. w. s. B. 2. 14. Mit diesem
gara hängen die verschiedenen Namen für die Rattenschlange garandiyä, garavil u. s. w.
zusammen, weil dieselbe in den Häusern sich aufhält.
434. gala s. 1. Stein, Fels, Berg. — Die Zusammenstellung mit skr. p. pkr. gm ist
mir nicht sicher. — — 2. Hals. — skr. p. pkr. ebenso.
435. galanavä v. prt. gäluvä fliessen, überfliessen. Daraus muss sich weiterhin die
Bed. „loskommen, frei werden" entwickelt haben, zu welcher ich als Caus. das v.
galavanavä, prt. gälevvä „los machen, befreien" stelle. Vgl. auch gälavenavä „befreit
werden". — skr. ygal, galati, p. galati, pkr. galai. Hiezu gehört ferner gilt
= skr. galita „fallend, tröpfelnd" s. auch bes.
galinavä v. prt. gällä verschlingen s. unter güinavä.
436. galvanavä v. prt. gällevvä (an den Körper) reiben oder schmieren UJ. 7. 8; überh.
etw. wohin thun, legen. — skr. yghat, caus. gJ/atayati „zusammen thun, ver-
binden", p. ghateti, ghatäpeti, pkr. ghadcl.
437. gava, gä, go s. Ochse, Rind. — skr. go, p. gava, gäva „Ochse", gävl „Kuh",
pkr. gävl. „Kuh".
438. galio, gasa s. pl. gas Baum. — skr. p. gaccha K. 428.
gahana s. Nase s. gona.
439. gaJt.anavä, gas0, v. prt. gähavä, gas0 schlagen, hauen, peitschen. — skr. Vghrs,
gharsati (zur Bed. vgl. ghrsta „aufgerieben, wund", udgharsana „Prügel" u. a.),
p. ghamsati, pkr. ghasai; m. ~\fgbäs. Vgl. auch gidiya.
440. gä s. Gesang. — Wohl von skr. gäya, möglicherweise auch zu skr. p. gäthä, pkr. gahä.
441. gigiri s. Donner (auch vom Geräusch der Glöckchen an den Händen und Füssen
der Tänzer und Tänzerinnen u. a.), guguranavä v. prt. gigiruvä „donnern, tosen,
brüllen". — skr. ghurghura, mald. gugari Chr.
442. gidu s. gierig. — skr. grdhra, p. giddha „gierig", gijßia „Geier". MISpr. s.
B. 1. 160, 337.
gln, gina, gini s. Feuer s. unter aga.
443. gim adj. heiss; gima, guma s. „Hitze". — skr. gnsma K. 414, Jay., p. pkr. g'anha;
m. gim.
444. giya 1. adj. dahin gegangen, vergangen, verflossen. Jcalgiya „alt". — skr. gata
M.3 159, P. G. 32, p. gata, pkr. gaa. — — 2. Lied, Gesang; zerlassene
Butter s. unter gl.
girä, glravä s. Papagei s. unter lära.
445. giri s. Hals (Jay. = bella). — skr. p. pkr. gala. Vgl. ugura und 2. gala.
205
446. girini s. Weib, Frau, Gattin. — (skr. grhini), p. glmrani Jay., pkr. ghcuini.
447. (jllan adj. krank, schwach, matt. — skr. gläna M.3 159, p. giläna, pkr. gilüna.
448. gili adj. fallend, tröpfelnd. Dav. gilihenavä v. prt. gililmnä „ abfallen, nieder-
fallen", wörtl. fallend hingeschüttet werden (s. unter isinavä) Ss. 29. — skr. Ygal;
s. galanavä.
449. gilinavä, gal° v. prt. gillä, gallo, verschlingen, verschlucken. Caus. gillavanavä,
galvanavä, prt. gillevvä, gällevvä „ verschlingen lassen". Pass. gilenavä „ verschlungen
werden". — skr. Ygr, girati Ch. 147, p. gllati, pkr. Apabhr. pass. gilijjai (bei
Hem. 4. 370).
450. </i® s. Nacken, Hals. — skr. grtvä Jay., p. pkr. gtvä.
451. gl, giija s. 1. Lied, Gesang. gtkiyanavä „singen". — skr. p. gtta, pkr. gut.
2. Zerlassene Butter (überhaupt alles, was sich zur Darbringung eignet).
gitel (s. tel) dass. — skr. ghrta P. G. 31, p. ghata, pkr. ghaa; hi. <//ä u. s. w.
(B. 1. 160).
guguranavä v. donnern s. unter gigiri.
452. gutiya, gutu s. Hieb, Streich. — skr. ghrsti. Zur Bed. vgl. unter galianavä.
453. gumic, gomu s. lebende Hecke, Dickicht, Buschwerk. — skr. gulma, p. gumba.
Vgl. M.3 160.
454. guvan s. Himmel, Firmament. — skr. p. gagana M.3 159, pkr. gaana.
455. gulu adj. tief, versteckt. — skr. pkr. gudha Jay., p. gülha.
456. gü s. Kot, Mist, Excremente. — skr. p. gTitha.
457. gediya s. Frucht; Beule, Pustel. — M.3 159 wird das Wort zu skr. gatiJca gestellt,
was ich wegen d < t bezweifle. Ich leite es ab von skr. p. gendulca, pkr. gendua
(so nach Hem. 1. 57), in der allg. Bed. „Ball".
458. genayonava v. prt. gemgiyä hintragen, hinbringen und genenavä v. prt. gennuvä
herbringen, holen. — Von gena, absol. zu gannavä, -\- yanavä, bezw. enavä,
also nehmen und fortgehen, bezw. kommen, gennuvä ist Neubildung für zu
erwartendes genävä.
459. geriyä s. Ochse, Rind. Inschr. 122. 25. gerimas „Rindfleisch". — Im Maid, gab
mir mein Gewährsmann gen für „Kuh", gon-geri für „Ochse". Das Wort gehört
wohl zusammen mit skr. gaura; durch ein *gaurika ergäbe dieses (Zwischenstufe
*gorika) sgh. geriyä. Vgl. K. 423; Pischel, BB. 3, 237; P. G. 33.
460. gevanavä v. prt. gevvä reiben, aufreiben, (durch Reiben) verderben; (eine Schuld)
tilgen; (Zeit) verbringen. — Das V. scheint aus *Jcevanavä erweicht zu sein
= p. Jchejpeü M.3 159 „er verbringt (Zeit)". Für die voranstehenden Bedeutungen
ist auf skr. Jcsäpayath zurückzugreifen, dessen Derivate mit denen der Ylcäp zusammen-
geflossen zu sein scheinen. Vgl. p. jhäpeti bei- Obilders.
461. ge, geya s. Haus. — skr. grha, p. pkr. geha K. 411. Vgl. gara.
462. ge part. Genetivaffix: rajuge pit „der Sohn des Königs" u. s. w. — Man möchte das
Affix von skr. gata ableiten. Der Ausgangspunkt müsste bei der Bed. „irgendwo
befindlich" gesucht werden. Vgl. z. B. ädityagatam tejafy = -der Glanz der Sonne
206
Bhagavadg 15. 12, janä sabbe Ojadlpagatä narä = alle Bewohner von Ojadlpa
Dlpav. 17. 36. Ueber das mit gt etymologisch, nicht zusammenhängenderen, Affix
des Abi., habe ich an anderer Stelle zu sprechen.
go s. Rind, Kuh, Ochse s. unter gava. In zahlreichen Zusammensetzungen: gorna
„Kuhmist" = skr. p. gomaya; gomu „Kuhurin" = skr. goniütra, p. gomutta; gomuva
„ Aussenraum, kleine Veranda" = skr. gomukha; govada „Hürde" = skr. govraja.
463. gona, gahana s. Nase. — skr. ghräna Jay., p. pkr. ghäna.
464. gonä s. Rind, Ochse. — p. gona K. 423, Pischel, BB. 3, 237.
465. got s. Familie, Geschlecht, Verwandtschaft; Name. — ■ skr. gotra Jay., p.
pkr. gotta; hi. göt u. s. w. (B. 1. 337).
466. gotanavä v. prt. getuvä knoten, binden, verknüpfen. — skr. vgranth, grathnäti,
granthayaü, granthita, p. ganthaü, -eti, pkr. ganthai, guttlia; m. giont u. s. w.
(B. 3. 59). Vgl. gätaya.
467. godura s. Beute, Speise, Nahrung. — skr. p. gocara M.3 159, Jay., CL,
pkr. goara.
468. goyama s. Korn, Getreide, Ernte. — skr. p. godhüma „Weizen" M.3 160
pkr. gohüma; moderne Formen s. B. 1. 267; Gr. 49. 408, 50. 3.
469. goyä s. Landeidechse, Iguana. — skr. p. godhä M.3 160, K., pkr. gohi; hi. u. s. w.
göh, B. 1. 267, 2. 48.
goyiyä s. Landmann s. goviyä.
470. gora adj. 1. schrecklich, Furcht erregend. — skr. p. pkr. ghora Jay. — —
2. weiss. — skr. gaura, p. pkr. gora; hi. u. s. w. gorä, B. 1. 157 — 158.
471. goviyä, goyiyä s. pl. govi, goiji Ackersmann, Bauer; f. gevi „Bauernfrau, Bäuerin".
— skr. p. gopdka, gopihä, p. vgl. gova. Dem skr. p. gopa entspricht sgh. goc,
govvä „Hirte".
472. gos s. Lärm, Getöse. — skr. ghosa, Jay., p. pkr. ghosa.
473. gönä s. pl. gönnu Elkhirsch. — skr. gokarna K. 424, p. gokanna.
414. gätaya s. pl. gäta Knoten. — skr. granthi M.3 160, p. pkr. gantlti. Vgl. gotanarä.
Man beachte den Wechsel von t und t im N. und V., und ebenso den von th
und th in p. gantld und ganthaü.
475. gätaya s. junger, noch nicht geschlechtsreifer Mann. — Ich möchte d. W.
an skr. grhastha, p. gahattha anschliessen. Mit Bedeutungswandel bezeichnet es
den noch unverheirateten, im Hause lebenden Sohn.
476. gada (in yädapanuva), gädalu -ulu ein best. Wurm von roter Farbe. — skr. ganda-
päda, p. gandiippäda.
477. gädumbu s. 1. N. eines Baumes. — p. gandamba. gädumbu „Esel" s. gadubu.
gäiiiburu adj. tief; schwierig s. unter Jaimbura.
478. gärahum s. das Verlachen, Verhöhnen. — skr. Ygarh, garhati; p. garahati,
garahä; pkr. garihai.
479. gäni s: Weib. — skr. gehinl M.a 31. S. auch girini.
207
T
480. tika adj. wenig, gering, ülcdk „ein wenig". — Die Vergleichung mit skr. stoka
steht schon M.3 161. Sie erklärt sich nnr, wenn wir — gegenüber p. thoJca, thokaka,
pkr. thokka — Apabhr. thokkadaa (s. Hern. 2. 125) = ö. hi. thokarä (H. 61) zum
Vergleich heranziehen und etwa eine Grdf. *thokka annehmen.
481 . tingini s. Augenlid. — Gehört zu skr. Ysthag, sthagayaü „bedecken", p. thaketi, thakana.
täna s. Ort, Platz s. unter tan.
482. tämba s. pl. tarn Pfeiler, Steinsäule. — skr. stambha M.3 161, Jay., p. thambha,
pkr. thambha und th° (Hern. 2. 9); bi. thambh u. s. w. B. 1. 313.
T
483. taku s. Zweifel, Erwägung, üeberlegung, Reflexion, takanavä v. schätzen,
achten. — skr. tarka Cl., p. pkr. takka.
484. takul s. N. einer Nuss, aus welcher ein Parfüm bereitet wird. — p. takkola = skr.
kakkola CHILDERS, Pali Dictionary u. d. W.
485. tana s. 1. Gras, tanagiravä (s. hier) „Grashupfer"; tanarada „Palmyrapalnie", wtl.
König der Gräser. — skr. trna, A. G. 345, p. pkr. tina; m. tan u. s. w. B. 1. 160.
2. Sehnsucht, Verlangen (auch tana). — skr. trsnü, p. pkr. tanhä Jay.
486. tata, tatu, täta s. Saite (einer Laute), tatmadinavä „die Saiten spielen (streichen)"
Ss. 44. — skr. tanti, tantu, tantri Cl. (letzteres = täta), p. tanü, tantu, pkr. tanti;
bi. m. tarnt u. s. w. B. 2. 174.
487. tada adj. fest, hart, tadakaranavä v : „festbinden, pressen". — skr. stabdha M.3 161,
p. thaddha, pkr. thaddha (Hern. 2. 39).
488. tan, täna s. Ort, Platz, Stelle. Inschriftl. täna JRAS. C. B. Nr. 25, 185. kotana
wo?", kotanin „woher?" u. s. w. tanväsi adj. „klug" (väsi = skr. väcin „der an der
rechten Stelle, bei der richtigen Gelegenheit spricht"), tänü tanü „hier und dort,
überall" Ss. 82. — tanatura „Rang, Stellung" (Jay. = sthänäntara). — skr. sthäna
M.3 161, p. thäna, pkr. thäna und thäna (Hern. 4. 16); si. thänu „Stall".
489. tana s. weibliche Brust; Cocosnuss (weil sie Milch enthält). — skr. stana,
p. thana, pkr. thana; m. thanä u. s. w. B. 1. 313. tananga „Brustwarze" ist, wie
ich glaube, durch secundäre Nasalierung aus tanaga = skr. stanägra entstanden.
tnbanavä v. stellen, setzen s. tiyanavä.
490. tafnba 1. adj. rot. 2. s. Kupfer. — skr. tämra, A. G. 345, p. pkr. tamba; hi. tämbä.
tambasüu „Hahn", wtl. Rotkamm = skr. tämracüda, p. tambacüla.
491. tamburu, -hara s. Lotosblume KJ. 358. bintambiiru eine Convolvulaceen-Art
= Landlotos (s. mein „Ceylon" S. 28). — skr. pkr. tämarasa Jay. Bei Hern. 2. 56
wird aber auch das „Des! "-Wort tambira = tämra angeführt.
492. tamalu N. eines Baumes, Xanthochymus pictorius Roxb. — skr. p. tamäla.
493. tamä pron. selbst, er selbst. Dav. tamunnänse höfliche Anrede. Auch die Affixe
tema und tumu (nom. si. und pl.) gehören hieher. — skr. iHmai). S. auch <tj>i.
Im P. vgl. ätiimü neben attä.
Abh. d. I. Cl. cl. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 27
208
494. tara, tira, tiru adj. stark, fest, unbeweglich. — skr. sthira Jay., p. pkr. thira;
hi. tJär „Frost".
495. tarasa s. Hyäne. — skr. taraksa, -Jesu Cl., p. taracchu.
496. tarahalä s. Goldschmied. — Metathese aus talaliarä. Dies = skr. p. tulädhäm.
Vgl. M.3 162.
497. tarn, turu s. Stern. — skr. tärä K. 419, p. pkr. tärä.
498. tal s. Palmyrapalme (Borassus flabelliformis). talpata „ein auf das Blatt einer P.
geschriebener Brief*. — skr. p. pkr. tala (tälapatra, -patta).
499. tala s. 1. Sesam. — skr. p. tila Jay. — — 2. Fläche, Basis etc. — skr. p.
pkr. tala. — — 3. Festland, Ufer, trockenes Land, Grund. — skr. stliala.
p. pkr. thala.
500. talan s. Balken. — skr. tiäana, vgl. tulä, p. tulä „Wage, Balken".
501. talä s. N. einer Pflanze, Basilienkraut. — skr. tulasi.
502. tali, taliya, täliya s. Gefäss, Schale, Kessel, Schüssel. — skr. sthäla, -ll,
p. thala, -li, pkr. thäla. Sollte hieher auch tala „Köcher" gehören?
503. talväta s. Fächer, nam. wie ihn die Priester zu tragen pflegen. — skr. tälavrnta,
p. talavanta, pkr. tälaventa, -onta (Hern. 1. 67).
504. tava s. Askese, Busse, tavanavä v. prt. tävuvä „erwärmen, wieder beleben", tävenavä
„heiss werden, (von Kummer etc.) gequält werden", pasutäv „Reue, Gewissens-
bisse", wtl. Nachpein. — skr. tapas R. 249, p. tapa, pkr. tava. pasutäv = skr.
paseättäpa, p. paccliätäpa, pkr. pacchääpa.
505. tavura, -ara adj. stark, fest, unbeweglich. — skr. sthävara, p. thävara.
506. talanavä v. prt. täluvä schlagen, peitschen, geisseln. — skr. ytad, tääayati
M.3 162, p. täleti, pkr. iäd-.
507. talä (Cl. -lä) s. Teich. — skr. tadäga A. LIV, M.3 162, p. taläJca, pkr. taläa;
ö. hi. taräv.
508. tili s. stechende Sonnenstrahlen, Sonnenglut. — skr. Ülcsna „scharf, stechend"
Jay., p. pkr. tiJcJcha; hi. m. u. s. w. tlkhä, B. 1. 300. Dem p. tikhina entspricht
sgh. ttyunu adj. „scharf, stechend". Pkr. auch tinha (Hein. 2. 82).
509. tit 1. adj. bitter (von Geschmack). — skr. tihta Jay., p. üttaka. — — 2. s. Sät-
tigung. — skr. trpti, p. Ütti. Pkr. vgl. tlppa = skr. trpta (Hem. 1. 128). — —
3. s. heilige Lehre, Glaube, Religion s. unter totu.
510. Uta s. Flecken. Vgl. tit-polanga „die gefleckte Viper, Daboia Russellii (auch tiJi-p.);
ät-muvä „der gefleckte Hirsch, axis maculatus"; üt-vafuvä „die gesprenkelte
Schnepfe". — ■ Vgl. skr. üttiri, -ra „das gesprenkelte Rebhuhn", tittinJca, p.
pkr. tlttlra „Rebhuhn".
511. timbiri s. 1. N. eines Baumes aus der Gattung der Ebenaceen, Diospyros embryopteris.
— p. thnharu M.3 162 (im Skr. tindu, -duka). — — 2. Dunkelheit in tinibiri-ye
Bez. der Hütte, wo die Frauen bei und nach der Entbindung untergebracht werden.
— skr. p. pkr. twära.
209
512. tiyanavä, Hb", tab° v. prfc. tibbä, tibuvä setzen, stellen. Intr. tiyenavä, tib° prt.
tibunä „sein". — skr. sthäpayati K. 434, 419, p. thapeü, pkr. thavei; hi. thäpnä u. s. w.
B. 1. 230 — 231. Das Absol. tabä, üya (Clough u. d. W.) wird in der Weise des
p. thapetvä verwendet. Vgl. A. Gunasekara, Grammar § 354, Nr. 37 Schi.
513. tiyu, tivu s. Preis, Lob. — skr. stuti M.3 162, p. thuti, pkr. thui.
tiyana adj. scharf, stechend s. unter ük.
tira, -ru adj. fest, stark s. unter tara.
514. tiraya s. Vorhang. Jcadatira „Schleier", welchen man auf das Gesicht der von
Dämonen Besessenen legt. — Das Wort darf natürlich nicht unmittelbar zu skr.
tiraskannl, p. tiroMrant gestellt werden. Daraus würde *tiruna geworden sein;
vgl. pokuna < puskarinl. Vielmehr ist aus dem adv. p. tiriyam ein adj. gebildet
worden *üriya „das was quer vorliegt", auf welches dann tiraya als Substantiv
zurückgeht.
515. tirisanä s. Tier (im allgem.). — skr. tiryanc, p. tiraccha, tiracchäna M.3 162, Cl.,
pkr. tiria, tiricchi (Hern. 2. 143).
516. tirelu, tiralu s. Widder. — Von tira s. oben -(- eluvä, also „das starke Schaf.
tis, tisa, tiha num. dreissig s. unter tuna.
517. tuta, -tu s. Freude, Zufriedenheit, Vergnügen. — skr. tusti M.3 162, p.
pkr. tuttlii.
518. tuda s. Schnabel, Schnauze, Maul. — skr. p. pkr. ticnda. Nach M.3 164 soll
diesem Wort sgh. tola „Lippe" entsprechen. Sollte aber nicht vielmehr ö. hi.
thuthurä, -nä „Maul" (H. 62) zu vergleichen sein? Grdf. Hulmla.
519. tuna, tuna, tun num. drei, telcsa 13; tis, tisa, tiJia 30. In Zusammensetzungen ti-,
z. B. tipal (formell = skr. tripliala) eine aus 3 Bestandteilen zusammengesetzte
Arznei. — skr. trayas, acc. trn, g. trayänäm, tri-, trayodasa, trimsat; p. tayö,
g. tinnam, ti-, terasa und telasa, timsa und timsati-, pkr. tinni, teraha, tisä; —
hi. tin, teraha, tisa u. s. w. (R. 239).
520. tuna 1. s. Körper, Gestalt. — skr. p. tanu, pkr. tanu. 2. adj. dünn, fein,
zart. — skr. tanu, p. tanu, tanidca, p. tanu.
521. tumba s. Blei. — skr. trapu M.3 163, K. 431, p. tipu, pkr. taua.
522. titru 1. s. Stern s. taru. — — 2. part. bis s. ätid. — — 3. s. Trommel. —
skr. türya Jay., p. turiya, pkr. türa. — — 4. s. Vogel. — Nach meiner Meinung
= skr. tura; vgl. p. turita, pkr. turia, also = der schnelle.
523. turulc-tel s. ein wohlriechendes Oel. — skr. turuslca „indischer Weihrauch" Cl.,
p. turuJcJcha.
524. turunu, -na adj. zart, neu, frisch; s. Jugend. — skr. p. pkr. taruna Jay.
525. tul adj. 1. ähnlich, gleich. — skr. p. tulya Cl. — — 2. gross, dick, stark. —
skr. sthüla, p. Uvula, thulla, pkr. thidla; m. thör.
526. tuvaralä s. eine Art Weihrauch, von einer Tabernaemontana-Art gewonnen. —
skr. p. tagara M.3 163; skr. auch sthayara, sthäyara.
27*
210
527. tusara s. Tau, Nebel, Reif. — skr. tusära CL, p. tusära.
528. tet adj. feucht, nass, teta s. „ Feuchtigkeit, Nässe". — Interessant. Das Wort geht
auf p. tinta zurück, welches zu temeti nach der Analogie khanta: khamati gebildet ist.
Vgl. tem.
529. teda s. Glanz, Licht, Herrlichkeit, Würde. — skr. tejas M.3 163, CL, p. teja,
pkr. tea.
530. tena, -e s. Sohn. — skr. p. tanaya, pkr. tanaa.
531. tenum (so Jay.) s. Diebstahl. — skr. stena, stenayati, p. thena, tlieneti, pkr. thena.
tepala s. Wort, Rede s. unter dapanavä.
532. tem s. das Befeuchten, Benetzen, temanavä v. prt. temuvä „feucht machen,
bewässern"; temenavä, prt. temunä „feucht werden". — skr. y stirn, stiinyati, stema,
tema, p. temeti, temana. Ch. 147. Vgl. tet.
533. temum s. Lob, Preis. — skr. Stoma: p. thoma, thometi, thomana. temiim setzt ein
dem p. thometi entsprechendes Verb, voraus.
534. tera s. 1. Priester, der die höheren Weihen empfangen hat. f. teri. — skr. sthavira
M.3 163, p. pkr. thera, -r%. — — 2. Ufer (eines Flusses). — skr. p. pkr. ttra
M.3 163.
535. tela s. Oel. — skr. taila, p. tela, pkr. tella.
536. tesu adj. die anderen, übrigen; s. der Rest. — Scheint durch Dissimilation aus
sesu (s. dort) entstanden zu sein.
537. to s. Wasser. — skr. p. pkr. toya. Sgh. totani „ Wasser bassin" wäre skr. toyasthäiia.
538. tota s. Furt, Fähre, Landungsplatz. In vielen Ortsnamen, wie Katugas-tota u. s. w.
totiyä „Fährmann". — skr. tirtha M.3 163, p. pkr. tittha.
539. totu s. Häretiker, Sectierer, Irrlehrer. — skr. tlrthaka; p. vgl. titthakara,
pkr. titthaara M.3 163. Vgl. sgh. tit „Glaube".
540. tora s. Zwischenraum, Abstand, toravenavä v. „getrennt sein". — skr. p. pkr.
antara, also Nomen zu 2. turu. Sgh. toratura s. pl. -ru „Begebenheit, Vorfall,
Nachrichten" ist mit p. antarantarä u. s. w. zu vergleichen.
tola s. Lippe s. unter tuda.
541. tosaya s. Freude, Vergnügen, Ergötzen, toskaranavä v. „erfreuen, ergötzen".—
skr. tosa, p. pkr. tosa.
542. tolio s. Hülse (des Korns), Spreu. — Dürfte zu skr. tum gehören.
543. tö~ pron. d. 2. pers. S. du (jetzt nur zur Anrede von Leuten der niedrigsten Kaste
gebraucht); acc. ag. tu (dav. ta-gen, ta-ta u. s. w.). PI. topi, tepi, tep; acc. ag. topa.
— tö geht auf skr. tava (vgl. mama „ich"), tä auf tvayä zurüclc. p. tvam und
tuvam, tava, tayä; pkr. tarn und tamam, taha und tuha, tae. hi. tu u. s. w. B. 2. 309.
Der PI. topi ist Analogiebildung zu api „wir".
544. täh s. Buttermilch. — skr. takra, p. pkr. takka.
545. täta s. 1. Saite s. tata. 2. Mühe, Anstrengung, nitätin „mühelos, leicht".
— Zu skr. Ytap, *tapü\ vgl. p. pkr. tatta.
211
546. tätl s. Furcht, Schrecken, Zittern, tütigannavä „erschrecken, sich fürchten". —
skr. ytras, pp. trasta Jay., p. tasati, pkr. tasai.
täna s. pl. tan Platz, Stelle s. unter tan.
547. tänpatkaranavä v. begraben, beerdigen. — tänpat = d. vor. -j- pat = skr.
präpta, p. patta euphemistisch „der an seinen Platz, an seine Stätte gekommen
oder dort niedergelegt (KZ. 33. 576) ist". Vgl. unser „bestatten".
1)
548. da conj. und -da -da „sowohl — als auch". — skr. u. s. w. ca A. LIV. Fraglich
ist der Ursprung der Interrogativpartikel da.
549. daJcinavä v. prt. dutuvä sehen, erblicken. Caus. dakvanavä „zeigen". Dav. Absol.
daJcvä, (ähnlich wie ära, tiyä als postpos. „bis, hin zu" verwendet). — p. dakkhaü
A. 28, Ch. 147, 151, pkr. deMhai; hi. dehhnä u. s. w. diitu ist skr. drsta, p.
pkr. dittha.
550. daJcuna, -ana, -unu adj. recht (dexter), südlich. — skr. daksina, p. pkr. daJckhina.
Moderne Formen s. B. 1. 310, 2. 13.
551. daktinu, däkuma s. Gabe, Schenkung. — skr. daksina, p. pkr. dalikhinä.
552. danga 1. s. Wade. — skr. p. pkr. jaiighä M.3 164; hi. jämgh u. s. w. (B. 1. 296,
Gr. 50. 35).
553. dada 1. s. Strafe, Busse, Geldbusse. — skr. p. pkr. danda. 2. adj. zahm,
gezähmt, dadamivä „zahmer Büffel". — Nach meiner Ansicht = skr. dagdha,
p. pkr. daddha „gebrannt". Also das durch ein Brandmal gekennzeichnete Herdetier.
Die Singhalesen pflegen ihre Rinder an der Flanke mit Buchstaben und Zeichen
zu brennen.
554. data s. pl. dat Zahn. — skr. dantan, p. pkr. danta A. 21, K.; hi. dämt u. s. w.
dätta „Zahn" einer Säge geht auf einen St. danü zurück.
555. dada s. 1. Flagge, Fahne; männliche Geschlechtsteile. — skr. dhvaja A. LIV,
M.3 164, p. dhaja, pkr. dhaa und jhaa (Hem. 2. 45). 2. Vogel; Brahmane;
Zahn. — skr. p. dvija M.3 164, pkr. dia. — — 3. Hautausschlag, Aussatz,
eine Art Skorbut. — skr. dadru, dardru, -ü, p. daddu M.3 164. 4. Thor,
Narr. — Interessant. Entspricht dem p. dandha, das zu skr. tandra gestellt wird.
556. dadara, dädurn s. Frosch. — skr. dardura M.3 169, p. pkr. daddura; hi. dädur u. s. w.
557. dan 1. s. Gabe, Geschenk. — skr. p. däna M.3 164, pkr. däna. — — 2. das
Nachdenken, Nachsinnen (fehlt bei CL), Jay. = skr. dhyäna, p. jhäna, pkr.
jhäna. Elu auch dahan, sowie dahän R. 244. — — 3. Kern, Korn; Reis. —
skr. dhänä, dhänya; p. dhänä, dhanha; pkr. dhanna. Elu auch dahan.
558. dana s. 1. Knie. — skr. jänu M.3 164, K. 411, p. jänu, jannu, pkr. jänu. — —
2. Reichtum, Besitz, Vermögen. — skr. p. dhana Jay., pkr. dhana. — —
3. Menschen, Leute. — skr. p. Jana A. LIV, pkr. Jana. Vgl. danana „Geburt"
= skr. janana u. d. folg.
559. danavanavä v. prt. dävä hervorbringen, gebären, erzeugen. — skr. yjan
janayati, p. janeti, pkr. janei.
212
560. danavuva s. Land, Distrikt, Bezirk. — skr. p. janapada R. 242, pkr. janavaa.
561. danu s. Laut, Ton, Schall (fehlt bei Cl.) Jay. = skr. dhvani, p. dhani.
562. dannavä v. prt. dänagattä, prs. 1. s. danimi erkennen, verstehen, wissen.
Caus. danvanavä, prt. dännuvä „ bekannt machen", dänagannavä »ausfindig machen,
wissen", däntma „das Wissen, die Wahrnehmung". — skr. Yjhä jänäti A. 28,
p. jänäti, caus. jänäpeü, pkr. jänai, jänävei; hi. jännä u. s. w.
563. dapa s. 1. Stolz, Uebermut. — skr. darpa, p. pkr. dappa. Auch die Bed.
„geschlechtliche Vereinigung, Beischlaf" ist hier vielleicht anzuschliessen. Vgl. skr.
darpaJca (= sgh. däpi) N. des Liebesgottes. Doch liesse sich auch p. jappä „Lust,
Begierde" vergleichen.
564. dapana, däpunu s. Spiegel. — skr. darpana M.3 165, p. pkr. dappana.
565. dapanavä v. prt. däpuvä den Dämonen opfern, Zaubersprüche hersagen. —
skr. Vjalp jalpaü, p. jappati, pkr. jampai; hi. japnä u. s. w. M.3 163 wird mit skr.
jalp sgh. tepula „Worte, Gespräch" verglichen. S. auch M.3 170 u. d. W. dapa.
566. damba s. N. eines fruchttragenden Baumes. — skr. p. jambu CK; hi. jämun,
m. jämb (Gr. 50. 37). Vgl. dambadlva = jambiidvlpa.
567. dambu s. Schakal. — skr. jambfika M.3 165, p. jambuka.
568. dam s. Religion, Lehre. — skr. dharma M.3 165, Jay., p. pkr. dhamma. Elu
auch daliam.
569. dama s. 1. Kette, Fessel. — skr. däman M.3 165, p. pkr. däma. — —
2. Bändigung, Züchtigung, damanavä, prt. dämiwä „bändigen". — skr. ydam
damati; skr. p. pkr. dama.
570. dara s. 1. Alter, Greisen alter. — skr. jarä Jay., CL, p. pkr. ebenso. — —
2. Schneide, Schärfe, Guss, Flut. — skr. p. pkr. dhärä Jay. Elu auch dahara.
— — 3. Brennholz. — skr. p. pkr. däru. Vgl. darasäya = *därucaitya
„ Scheiterhaufen " .
571. daranavä v. prt. däruvä halten, aushalten, ertragen. — skr. ydhr dharatt.
dhärayaü Ch. 147, p. dhäreti, pkr. dharai, dhärei.
572. daradi s. Schuld. — Ich vergleiche skr. däridrya „Armut, Not"; p. dalidda und
dalidda, pkr. daridda, -riddi, -riddiya „arm", däridda „Armut". Es läge nahe an
skr. dhära zu denken, doch liesse sich dann -di nicht erklären. S. auch unter dilihdu.
573. daru, daruvä s. Kind. — skr. p. däralca P. G. 35, M.3 165, K. 421, pkr. däraga, -a.
Dem skr. f. där'ikä entspr. sgh. dänya „Mädchen".
574. darunu adj. hart, rauh, schrecklich. — skr. p. pkr. däruna.
575. dala s. 1. Blatt; Teil, Hälfte; Menge, Haufe. — skr. p. pkr. dala. (In letzter
Bed. viell. = skr. p. jäla, s. unter däla). 2. Zahn, Elfenbein s. dala. — —
3. Wasser. — skr. p. pkr. jala; si. jaru. — — 4. Flamme, Feuer, Licht,
Glanz, dalvanavä, prt. däluvä „in Brand setzen, anzünden", dula, dulu „glänzend,
hell". — skr. jvälä, Yjval jvalati, jvälayati, A. G. 339, p. jälä, jalati, jäleti und
jaläpeü, pkr. jälä, jalai, jälei; pj. jalnä u. s. w. B. 1. 244. Vgl. diüsenavä.
576. dalabu, -ambu s. Mutterleib. — p. jalabu M.3 165.
213
577. dalu, -luva, doli s. Sprössling, Schoss, Kaospe. dalulanavä „keimen, sprossen,
knospen". — skr. p. jälaka.
578. dava 1. s. Wald, Wildnis. — skr. p. däva. 2. s. Brand, Waldbrand.
— skr. p. pkr. dava. 3. adv. schnell, eilends. — skr. p. pkr. java.
579. davanavä v. prt. dävvä brennen, verbrennen. — Gehört nicht zu skr. Ydali dahaü
(vgl. hiezu sgh. dahan „Feuer"), sondern zu p. jkäpeti.
580. davasa, -ha s. Tag. In Zusammensetzungen -da, z. B. anihdä „der übermorgige Tag",
irudä „Sonntag", sandudä „Montag". — skr. p. divasa A. 30, 44; pkr. divasa, diaha.
581. das 1. s. Sklave, düsi „Sklavin". — skr. p. pkr. däsa P. G. 39. — — 2. adj.
geschickt, klug, gewandt. — skr. daksa Jay., p. pkr. daWia. Die sgh. Form
setzt *daccha voraus.
582. dasa 1. num. zehn s. dahaya. — — 2. s. Gegend, Seite. — skr. disä Jay.,
p. pkr. disä.
583. dasan s. 1. das Sehen, Anblick. — skr. darsana, p. dassana, pkr. darisana.
2. Zahn. Vgl. dasanvarana „Lippe" = Zahnhülle. — skr. dasana, p. dasana,
pkr. dasana.
584. dasaruva s. Schulter. — Ich glaube, dass das Wort aus *dasamra umgestellt ist
und vergleiche dieses mit skr. dohsiJcJiara, das im Skdr. für „Schulter" sich findet.
585. dalia s. 1. Lotosteich, See. — skr. draha, p. pkr. daha; ö. hi. doli. Metathese
aus hrada. — — 2. Saum, Verbrämung (eines Kleides). — skr. dasä, p. dasä.
58G. dahaya, daha-, dasa num. zehn, daha-tuna 13 u. s. w. — skr. dasa, p. pkr. dasa;
hi. das u. s. w. B. 2. 133; R. 239.
587. dahasa, das, däha num. tausend. — skr. sahasra, p. pkr. sahassa. Das Wort
steht für *sahasa, *hahasa und hat sein anl. d ohne Zweifel von dahaya „zehn"
bezogen. Ch. 134.
588. dala 1. s. Hauer, Fangzahn, Stosszahn, Elfenbein, daladä „die (in Kandy
aufbewahrte) Zahnreliquie". — skr. damsträ, M.3 166, p. däthä, pkr. dädhä;
hi. dädh, m. dädh u. s. w. — — 2. Haarflechte (wie die Asketen sie zu tragen
pflegen). — ■ skr. p. jatä, pkr. jadä. Vgl. dalamadala „kreisförmig aufgesteckte
Haarflechte" = skr. jatämandala. Sgh. dnhäa „Asket" = skr. jatila Jay. — —
3. adj. grob, dick, derb. — skr. drdha A. LIV, 5, P. G. 26, p. dalha, pkr. dadha.
589. da 1. s. Reliquie. — skr. p. dhätu M.3 166, pkr. dhäu; hi. dhät n. s. w. B. 2. 174.
Vgl. dakusa „Aufbewahrungsschrein für Reliquien" = skr. dhätuhuJcsi , dägäba
(-gaba, -tjoba) = skr. dhätu garbha. — — 2. adj. geboren, Sohn. Inschriftlich
120 A, 15. — skr. p. jäta M.3 166, pkr. jäa.
590. dign adj. lang, dlga „Länge". — skr. dlrgha M.3 166, p. dlgha, pkr. dtha, dlggha.
Vgl. sgh. dikdana (fehlt bei Cl.) „Kranich", wtl. Langbein (s. dana), dlgä „lang-
lebig" = skr. dlrghäyus u. a. m.
591. ditu s. Anblick; Erkenntnis. — skr. drsfi Jay., p. pkr. ditthi.
592. dina s. 1. Sieg; Ueberwinder (N. d. Buddha), diya „Sieg", dinanavä v. prt.
dinuvä „besiegen, überwinden". — skr. Yjl jayati Cb. 147, p. jinäü (neben jayaü,
jeä), pkr. jwai. skr. p. jina, pkr. jina, skr. u. s. w. jaya. — ■ — 2. Tag ts.
214
593. dini adj. geboren, erzeugt, diniti s. „Gebärerin, Mutter". — skr. janita Jay.,
janitn, p. janita, pkr. jania.
594. dimbul s. 1. N. eines Baumes, von den Engländern „roseapple" genannt; Eugenia
Jambolana. — skr. jambula neben jarnbu (so auch p. pkr.), m. jämb; hi. jäm u. s. w.
— — 2. Auch eine Art Feigenbaum, Ficus gloraerata. — skr. p. udumbaro
R. 247, pkr. uumbara. Sgh. auch dumbul.
595. diya s. 1. Welt. — skr. jagat M.3 16G, p. jagatl, pkr. jaa. — — 2. Wasser.
diyakaranavä »in Wasser auflösen, schmelzen tr.", d.-venavä „zu Wasser werden".
— Beachtenswert, weil es auf die schon im P. aus skr. udaka verkürzte Form daka
zurückgeht. Vgl. P. G. 29, M.3 166, K. 430. — — 3. Bogensehne. Auch
dunudiya. — skr. jyä K. 415, p. jyä und jiyä.
596. diyunu adj. doppelt, d.-haranavä „vermehren, verbessern", wtl. verdoppeln.
vädi-d.-h- „verbessern", wtl. die Zunahme verdoppeln. — skr. dviguna, p. digitna,
pkr. biyuna.
597. diyul, duhul s. feines Gewebe, Seidenstoff. — skr. p. duküla, pkr. duula,
dualla (Hern. 1. 119).
598. diranavä v. prt. diruvä alt werden, schwach werden, zerfallen, zergehen.
dirini „alte Frau"; dünn „alt" s. bes. — skr. jarati, jtryati, p. jirati (jiyyaü, jty°),
pkr. jirai.
599. diri s. Mut, Stärke (fehlt bei CL). — skr. dhairya Jay.; p. pkr. vgl. dhlra.
600. dilisenavä, dilih0 v. prt. dilisunä, -h- leuchten, scheinen, hell sein. — Von
dili (s. data) + isenavä „ausgegossen werden, sich verbreiten", dili „glänzend,
scheinend" (= skr. jvalita) Ss. 30, 66; KJ. 182.
601. diva s. 1. Insel. LaJcdiva „Ceylon". — skr. dvvpa A. LV, M.3 167, p. dtpa,
pkr. diva. — — 2. Zunge. — skr. jihvä A. 23, M.3 167, p. jivhä, pkr. jihä;
hi. u. s. w. jibli. — — 3. diva- in Zusammensetzungen wie diväs „mit dem
himmlischen Auge ausgestattet" ist skr. divya, p. dibba, pkr. dlwa.
602. divayuru s. Sonne. — skr. p. divälcara.
603. divi s. 1. Leben. — skr. p. jtvita, pkr. jiva, jia; hi. ji u. s. w. B. 1. 252, 2. 156.
— — 2. Häher, blauer Holzhäher. — skr. (Tälcl)divi.
604. diviyä s. Leopard, Panter. — skr. dvlpin M.3 167, K. 424, p. dlpi.
605. divu s. Lampe. — skr. p. dipa, pkr. diva.
606. disi adj. sichtbar, hell, licht, strahlend, herrlich. — skr. drsya, p. dissaka. Ss. 77
ist disi (= -i) 3. s. prs. zu einem V. disenavä = skr. drsyate, p. dissati, pkr. dtsai.
607. diliudu adj. arm. -hdä s. „armer Mann". — Geht auf p. dalidda, dalidda
(M.3 167), pkr. dalidda zurück = skr. daridra. S. auch daradi. Es liegen also
im Sgh. Doppelformen mit l und r neben einander.
608. dl s. geronnene Milch, sauere Milch. — skr. dadJti M.3 167, Jay., p. dadhi,
pkr. dahi, dahia; hi. dalä u. s. w. B. 1. 267.
609. du- Praef. mit der Bed. übel, schlecht, miss- = skr. dus-, duh-, dar- u. s. w., z. B.
dugiya „arm, dürftig" = skr. durgata, p. duggata; ditdana „Bösewicht" = skr»
durjana, p. dujjana, pkr. dujjana u. a. m.
215
•610. duka s. pl. duk Elend, Leiden, Unglück. — skr. duhkha P. G. 44, p. duWia,
pkr. duha, didekha.
611. dutu 1. pp. gesehen, erblickt s. unter dakinavä. — — 2. Feind Geo-ner.
skr. dusta Jay., p. pkr. duttha.
612. dunu adj. alt, abgenutzt. OL: dunuvat „alte Kleider, Lumpen". skr. nrna
p. pkr. jinna. Also richtig dunuvat. Oder zu Nr. 616?
613. dut s. Schelm, Schurke. — skr. dlmrta , p. pkr. dhutta; hi. (?/m#ä u. s. w.
(B. 1. 334).
614. dtidu s. Milch. — skr. dugdha, p. pkr. duddha; hi. m. düdh u. s. w. (B. 1. 286,
Gr. 50. 31).
615. duduru, -lu s. schlechter, ungangbarer Weg, Wildnis. — skr. duscara,
p. *duccara.
616. dünn, dun 1. pp. gegeben s. unter denavä. — p. dinna.
617. dunna s. pl. dunu Bogen. — skr. dhanu, -us Jay., p. dhanu, pkr. dhanu. Vgl.
dedunna „Regenbogen" (< dev-d°), das sich dem skr. devadruna vergleicht.
E. Kuhn, KZ. 30. 354, Geiger, Etym. d. BalücT S. 16.
618. dumburu, -tu s. Purpur, schwarzrote Farbe. — skr. dhümra M.3 167. Zu dem
gleichen Wort gehört m. E. auch dumbul „Rauch, Russ".
619. dumbul s. alte Person, altersschwache Person. — Durch secundäre Nasalierung
aus *dubid entstanden und dieses = skr. durbala, p. dubbdla, pkr. duwala. — S. auch
dimbid und das vor.
620. dum s. 1. Rauch, Dampf, dumvan „Purpur", wtl. Rauchfarbe, dumyanavä „rauchen".
— skr. p. pkr. dhüma K. 411; hi. dJiüäm. Vgl. dumJceheU „Feuer, Komet" = der
Rauch als seine Fahne hat (s. Jcehel); vgl. skr. p. dhmnaJcetu. — — 2. Baum. —
skr. druma OL, p. pkr. duma.
621. dum 1. s. Kümmelsamen. — skr. jlra, jtraka M.3 167, Jay. — — 2. adj. fern,
weit. — skr. p. pkr. dura M.3 167.
622. dula, dulu adj. glänzend, leuchtend s. data und dilisenavä.
623. duva s. Polarstern. — skr. dhruva, p. dhuva.
624. duvan s. Hüfte KJ. 28. — skr. p. jaghana M.3 168, pkr. jaJiana.
625. duvanavä, div° v. prt. diwä rennen, eilen, laufen. — Lässt verschiedene
Ableitung zu. Am besten wohl mit Ch. 147 von Yjü javati, p. javaü, pkr. javai.
Vgl. dävi „Radspeiche" d. h. die hurtige = skr. javin.
duhid s. feines Gewebe s. diytd.
dululu s. Asket s. unter 2. dala.
626. du, duva 1. s. pl. dülä, düvaru Tochter. — skr. duhitr A. 22, 44, p. nom. diihitä,
dhltä, pkr. duhiä, dhlä, dhüä; hi. dht, dhlyä u. s. w. Am nächsten steht die
pkr. Form dhüä. Vgl. auch Bartholomae, ZDMG. 50, S. 693. — — 2. s. Spiel,
Würfelspiel. — skr. dyüta, p. jYda, pkr. jüa; hi. jüä u. s. w. — — 3. s. Bote
in radü „Königsbote" aus *rad-dü. — skr. p. düta, pkr. düa.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 28
216
627. de, deka, da num. zwei, beide, dolosa, dolaha, -sa „ zwölf. Häufig de vor einem
Nom., um paarweise Vorhandenes zu bezeichnen: depo, „die beiden Füsse", deata
oder data „die beiden Hände", dctana „die beiden Brüste", dedivu s. „Schlange",
wtl. zweizüngig. Vgl. sgh. auch ba („in classic?" A. Gr. 144 Anm.), bara 12,
batis 32. — skr. dvau, dve, p. dre, duve, pkr. do, duve; hi. dö u. s. w., g. be.
B. 2, 181; R. 239.
628. ^e£», -ta adj. der beste, trefflichste, gamdetu „Dorfoberhaupt". — skr. jyestha
M.3 168, CL, p. pkr. jetiha.
629. deduba s. Süsswasserschlange. — skr. dundubha „Eidechsenart ohne Füsse"r
p. deddubha.
630. dena s. Canoe, Boot (fehlt bei Cl.). — skr. drom Jay., p. doni. Urspr. „Trog, Zuber".
631. dena s. Kuh, weibliches Tier überh , z.B. dividena „Tigerin". — skr. dhenä, -nu
Ch. 144, K., p. dhenu, pkr. dhenu. — dena „Mann, Person" s. unter dana.
632. denavä v. prt. dunnä geben, schenken, gewähren. — skr. ydä dadäti, datta
A. 27, p. dadäti und deti (diese Form liegt zu gründe), dinna (= sgh. dun Ch. 151),
pkr. dei, dinna; hi. dena u. s. w.
deya, de, da s. Sache, Ding s. däv.
633. clerana s. Erde KJ. 56, 594. — skr. p. dhararii M.3 168, pkr. -ni.
634. desa s. Gegend, Land, Richtung, Seite. — skr. deka, p. pkr. desa.
635. desanavä v. lehren, predigen. — skr. V dis desayati, p. deseti, pkr. (Zesa.
636. domnasa s. Betrübnis, Melancholie. — skr. daurmanasya, p. domanassa.
637. dora s. Thor, Eingang. — skr. p. dvära M.3 169, K. 431, pkr. duvära. Aus
p. dvärattlia (skr. dvärastha) „Thürhüter" ist sgh. doratuva in der Bed. „Thorweg,
Portal" geworden UJ. 1. 9.
638. dovinavä, dön° v. prt. devvä melken. — skr. Yduh doghdi K. 418, M.3 169,
p. dohati.
639. dovundiya s. Wasser, in welchem Reis gewaschen wurde. — Von dovun
= skr. dhävana „das Waschen, Abspülen", p. dhävana und dhovana -\- 2. diya.
640. dosa s. pl. dos Fehler, Schuld; Missgeschick. — skr. dorn, p. pkr. dosa.
641. dola s. Gelüste, Begierde, Verlangen. — skr. dauliada, dohada, dohala „Gelüste
schwangerer Frauen" Childers, JRAS. N. S. VII, 36. p. dohala, pkr. dohala, dohala.
642. dö s. Stern. — skr. jyötis, p. jöti.
643. dähgum s. das Hin- und Hergehen, die Bewegung. — skr. ygam jahgamyate-r
p. jahgamati, jahgama.
644. dädi adj. hart, rauh. — Wird M.3 169 zu skr. canda gestellt. Vgl. aber sädal
645. däduru s. Riss, Spalt, diyadüduru s. „zerteilter Wasserstrahl, Brause". —
skr. jarjara, p. vgl. jajjarita = pkr. jajjaria M.3 169. Vgl. die Bed. „dumpfes
Geräusch" wie von fernem Donner = skr. jarjara 1 d bei BR. — Vgl. auch
dadara.
646. dan adv. jetzt, nunmehr. — Geht auf die verkürzte Form p. däni, pkr. däni,
dänim zurück = skr. idänvm, p. idäni. Ch. 140, P. G. 44.
217
€47. dämitu adj. barmherzig, gütig. — skr. dharmistha Ol.
648. däla s. 1. Netz; 2. Menge, Masse. — skr. p. jäla M.3 170, K. 432; hi. jäl u. s. w.
B. 2. 7.
649. däli s. 1. Spross, Knospe, Keim s. unter dalu. 2. Bart KJ. 629. —
skr. damstrikä, däthikä M.3 170 (R. 243 doli).
650. däv, da, deya, de s. Sache, Gegenstand. — skr. dravya Jay., p. dabba, pkr. davva.
651. dävt s. Löffel (fehlt bei Ol.). — skr. darvt, -vilv, p. dabbl.
652. cZa s. 1. Art, Klasse, Gattung. — skr. p. jäü OL, pkr. jäi. däpala „Muskatnuss"
= skr. jäüphala. — — 2. Jasmin. — skr. p. jäü M.3 169, OL däsaman wäre
skr. jati-sumanäs.
N
653. w- Negativpartikel vor Adj. un-. Der Vokal ist durch den der folgenden Silbe bedingt;
vor« lautet er meist o. nuduru „unweit", niqmlul „nicht breit, schmal"; nokala „nicht
gethan", nobä „furchtlos", nobö „wenige". Mit Contraction: riüjpan (na -f utpanna)
„ungeboren". Vgl. auch nüti = nästi. — skr. p. pkr. na.
654. nalcat, nälcata s. Stern, Sternbild. — skr. nahsatra M.3 170, p. pkr. nakhhatta.
655. nahu s. Krokodil. — skr. nalra, p. nalika.
656. nagal, naguta s. Schwanz, Schweif. — nagal entspricht dem skr. läiigula K. 427,
pkr. langüla; naguta dagegen dem p. nanguttha] Ungenau M.3 170.
657. naganavä v. prt. näguvä emporheben, in die Höhe heben; aufrichten, erbauen.
Intr. nägenavä, prt. nägunä „hinaufsteigen, sich erheben". — skr. yiahgh lahghati,
c. Janghayati „er besteigt", p. lahghati, lahgheti (z. B. chattam), pkr. lahghai.
658. nagä, nahgä s. jüngere Schwester, ein Kosewort. — Ich stelle das Wort zu skr.
nagnä, nagnikä, von Mädchen gebraucht, die noch nicht die Regeln haben (p. nagga
„nackt", pkr. nagga n°); hi. nangä, m. nahgä, naggä u. s. w. (B. 1. 300, Gr. 50, 25).
659. naguta, nagala s. Pflug. — skr. Jähgala A. 22, p. nahgala; pkr. nahgalu und 1°;
m. nämgar, b. nämgal, bih. lämgal.
660. nata adj. vernichtet, zerstört. — skr. nasta Ol., p. pkr. nattlia.
661. nada s. Schmutz, Unreinigkeit, Kot. — skr. p. landa.
662. nat adj. endlos, unzählig, unbegrenzt. — skr. p. ananta M.3 170, OL, pkr. ananta.
663. natu s. Erbe, Hinterlassenschaft, natuvä s. „der Erbe". — M.3 170 wird natuvä
(sie!) von skr. naptr abgeleitet (p. nattä „Enkel, Abkömmling"). Allein natuvä
ist erst seeundär von dem sächlichen natu abgeleitet, welches bei jener Etymologie
unerklärt bleibt, natu stammt von skr. nyasta (yas -j- ni) „das, was niedergelegt
ist", pkr. nattha.
664. nadan s. Freude, Fröhlichkeit. — skr. p. nandana, pkr. -na.
665. nun adv. mannigfaltig, verschieden. — skr. p. nänä- Jay., pkr. nänä-.
666. nama s. pl. nam Name. — nam „mit Namen" Ss. 71, namäti (s. äti) dass. Ss. 95.
— skr. näuian M.3 170, p. pkr. näma; MISpr. näm oder nämv. Auch die am Ende
von Conditionalsätzen stehende Part, nam ist = näma.
28*
218
667. nama, nava num. neun, ariüva 90. — skr. nava, navati, p. nava, navuti, pkr. nava,
naui; hi. nau und nav, navve, m. nav, navad u. s. w. (R. 239.)
668. nayä, nä s. Brillenschlange, Naja tripudians. — skr. p. pkr. näga K.
669. narü, narayä s. Mann. — skr. p. pkr. nara.
670. narada s. eisernes Instrument, Pflug, Pfeil. — skr. näräcä Jay., p. naräcär
pkr. naräa.
671. naraturu, nir° adj. adv. ununterbrochen; stets, immer. — skr. p. pkr. nirantara
M.3 170.
672. nala 1. Wind. — skr. p. anila. 2. Feuer. — skr. p. anala, pkr. anala.
3. Tänzerin (auch nali). natu, -uvä „Schauspieler, Tänzer", nilj „Tänzerin". —
skr. natu, -fi, nätaka, p. nata, nätaka, -ki, pkr. nada.
673. nava 1. adj. neu s. unter la; 2. num. neun s. unter nama.
674. navatanavä v. prt. nävättuvä hemmen, hindern, aufhören machen. Caus. navat-
vanavä, prt. nävättevvä dass. Intr. navaünavä. prt. nävatunä „zögern, aufhören". —
skr. Yvrt -j- wi Ch. 145, nivartate, -tayati; p. nivattaü, -eti; pkr. nivattai; hi. nibadnä
u. s. w.° (B. 3. 60.)
675. navanavä (neben namanava) v. prt. nüwä biegen, beugen, falten. — skr. ynam
namaü, p. namati, pkr. namai und Mfl^ai; hi. ]/wam- wev-, m. VZat;- u. s. w. B. 3. 57.
676. nahanavä, nas° v. prt. nähuvä, näs° zerstören, vernichten, zu Grund richten.
Intr. nasinavä, nüsenavä, prt. näsunä „zu Grund gehen, umkommen, sterben". —
skr. ~Ynas nasyati, p. nassaü, pkr. nassai.
677. nahaya, nas, nä s. Nase, nüya „Leitseil", ein durch die Nüstern (nä) der Ochsen
gezogener Strick, mittels dessen sie gelenkt werden. — skr. p. näsä, näsikä K. 427,
pkr. näsiyä; hi. näh u. s. w.
678. naharaya s. Sehne, Nerv, Arterie. — skr. vgl. snäyu M.3 171, K. 428, p. nahäray
pkr. nhäru.
679. nalala s. Stirn, nalalkela „die Schläfen", wtl. Stirnende. — skr. laläta K. 426r
M.3 171, p. naläta und laläta, pkr. nidäla, nad° (Hern. 1. 47); hi. lilär u. s. w.
680. nä s. 1. Ton, Schall, Laut. — skr. p. näda. — — 2. Fürst, Gebieter; Elefant;
Eisenholzbaum (nä-gaha). — skr. p. pkr. näya M.3 171. — — 3. Schlange
s. nayä.
681. nänavä v. prt. nävvä baden, sich waschen. Caus. nahavanavä, prt. nävvä
„waschen, baden". — p. nahäyaü, nahäpeti (skr. \/snä snäti, snäyati Ch. 146);
pkr. nhäi; hi. nhänä u. s. w. B. 1. 317.
682. näliya s. Betelranke KJ. 29 a. — p. näyalatä; skr. vgl. näyavalll.
683. ni- Praef. mit neg. Sinn = skr. nis-, nih-, nir-, p. ni-, pkr. ni-; z. B. nitätin
„mühelos, leicht" (s. 2. täta), niduk „leidlos" = skr. nirdukkha, p. nidduMha, u. oft.
684. nik s. kl. Gewicht für Goldschmiede. — skr. niska, p. pkr. n'ikkha.
685. niJcam adj. unbenutzt, ungebraucht; leer. — skr. nishzrman, p. nikkhamma.
686. nikutu s. Tadel, Vorwurf, Schmähung. — skr. Ykrs -f- nis, p. vgl. nikkaddhati
„ ausstossen , v erstossen " .
219
687. niJcut adj. fortgegangen, dahingegangen; tot. — skr. niskränta, p. pkr. nikkhanta.
Vgl. d. folg.
688. nikmenavä v. prt. nikmunä fortgehen, sich entfernen. Inschriftl. niJcmä 145, 21.
— skr. Yhram + nis niskramati Cl., p. nikkhamati, pkr. vgl. nikkhamana. S. d. vor.
689. nigä s. Missachtung, Verhöhnung, Verspottung. — skr. nigrälia M.3 171,
p. pkr. niggaha.
nitätin adv. ohne Mühe, leicht s. unter ni-.
690. nidan s. Bettler, Armer; Armut, Not. — skr. nirdhana, p. niddhana, pkr. niddhana.
691. nidara adj. nicht alternd, unvergänglich; s. Gott. — skr. nirjara, p. nijjara.
692. nidi, nidu s. Schlummer, Schlaf, nidägannavä v. „schlafen". — skr. nidrä A. 27
p. pkr. niddä; hi. riimd, m. »Tai u. s. w. (B. 1. 182, 337).
693. nidu s. Mann ohne Kaste, niedrig. — skr. p. ritca Jay. Vgl. pkr. nlcaam
(Hern. 1. 154) „unten".
694. nipan s. Geburt, Ursprung, nipadavanavä v. „hervorbringen", niput (fehlt bei Cl.)
„ Geburt". — skr. Ypad -\- nis nispadyate, nispanna, nispatti CL, Jay.; p. nippajjati,
nipphanna, nipphatti; pkr. nippajjai.
695. wim, nima s. Radkranz. Davon abgel. Umkreis, Grenze, Rand, Aeusserstes.
— skr. p. nemi K. 432; hi. nev u. s. w. (B. 1. 256).
696. nimi adj. beendet, vollendet. — skr. nirmita (Ymä + nis) M.3 172, p. nimmita,
pkr. nimmia.
697. nimit s. Grund, Ursache. — skr. p. pkr. nimitta Jay.
698. nimenavä, niv° v. prt. nimunä, -v- kalt werden; erlöschen; aufhören.
nimavanavä prt. nimevvä „auslöschen, beendigen"; nimanavä, niv° prt. nimuvä,
nivvä dass. — skr. Yvä -\- nis nirväti, nirväna; p. nibbäti und nibbäyati, nibbäna,
pkr. nivväi.
699. mmes s. Augenblinzeln, Zwinkern. Cl. mwis. — skr. nimesa.
700. wit/a, »t s. 1. Nagel (am Finger). — skr. p. naklia K. 427, M.3 172, pkr. naha.
niyakatuva „Stück Holz zum Reinigen der Fingernägel" = skr. naJchahantaha.
Childers, JRAS. N. S. VII, S. 44. 2. Verstand, Geist, Intellect. niyavatä
„ein weiser Mann". — Ich stelle das Wort zu skr. p. naya.
701. niyahga, -aga, -ah s. trockene, heisse Jahreszeit, Hitze, Dürre, Trockenheit.
niyankaranavä „ausdorren, austrocknen"; niyansäya „durch Trockenheit hervor-
gerufene Hungersnot". — skr. p. nidägha.
702. niyamuvä s. Steuermann, Schiffsmann. — skr. p. niyämdka M.3 172.
703. niyara s. Damm, wie er die einzelnen Reisfelder von einander trennt. — Steht für
*nivara von skr. Yvr + ni, nivära, p. nivära. Vgl. unser „Wehr". Eine contrahierte
Form ist nera „ein durch gefällte Bäume unzugänglich gemachter Weg, Verhau".
704. niyäva, -ya s. Art und Weise. In der älteren Litteratur oft a. E. von Aussage-
sätzen (wie sonst bava) gebraucht = „die Thatsache dass . ., dass . ., wie . .",
ÜJ. 7. 13, RR. 52. 26, S. 18. — skr. nyäya. Geht, entgegen dem p. näya,
pkr. näa, auf eine Form zurück, in der ny gespalten wurde.
220
705. niyut adj. bestimmt, beordert zu etw., beschäftigt mit etw. rtiyö s. „Bestimmung,
Anweisung". — skr. Vyaj -\- ni, niyukta, niyoga; p. niyutta, niyoga\ pkr. rimtta, nioa.
706. nirata adv. immer, stets, ununterbrochen. — skr. anta -f- nis.
707. niratu adj. leer. — skr. nirartlia, p. nirattha, -ka „nutzlos". Zur Bed. vgl. nikam.
niraturu adv. ständig s. naraturu.
niravul adj. klar, ungetrübt s. avala, avul.
708. nirä s. Hölle. — skr. p. (naraka oder) niraya M.3 172, pkr. naraa.
709. nirö adj. (fehlt bei Cl.) gesund, wohlbehalten. — skr. p. niröga.
710. nil adj. blau, grün, nißcäta „Sapphir" d. i. blauer Stein; nilme „Regenwolke";
niltana „Gras"; nilla „Grünes"; nili „Wolkendunkel". — skr. p. pkr. riila;
hi. riilä u. s. w. nilkata „Pfau" = skr. nilakantha u. a. m.
711. nivaüi, nuvata s. Asket, religiöser Bettler. — Geht unmittelbar auf die P.-Form
nigantha = skr. mrgrantlia (so übers, auch Jay.) zurück.
712. nivat 1. adj. arm, dürftig, nivatä „ein armer Mann". — nis -\- vat = skr. vastn
(oder = vastra). — — 2. Ursprung, Geburt. — skr. nirvrtti, p. nibbatti,
pkr. nivvatti.
713. nivi s. 1. Landmann, Bauer. — Ich halte das Wort für identisch mit skr. nirvrta,
p. nibbuta, pkr. nivvua „glücklieb, zufrieden, behaglich". Den Singhalesen gilt der
Landbau als die erwünschteste und beglückendste Thätigkeit. — — 2. Kleid mit
geziertem Saume (Jay. neripata). — skr. nivrta, nivlta „Mantel, Ueberwurf*.
nivenavä v. erlöschen s. unter nimenavä.
714. nisaJca adj. sicher, gewiss, zweifellos. — skr. nihsanka.
715. nisaga s. das Aufgeben; Natur, natürlicher Zustand. — skr. nisarga,
p. nisagga, nissagga.
716. nisadt, nisädi adv. immer, stets. — nisa = skr. nitya M.3 172, p. pkr. nicca -\- di,
häufig zur Bez. des Loc, z. B. davase-di „am Tage".
717. nisan, -al adj. nahe. — skr. nisanna, p. nisinna, pkr. nisanna. Also in einer Bed.,
wie sonst äsanna gebraucht wird, dessen Derivat asan ebenfalls vorkommt.
718. nisayuru s. Mond (Nachtmacher). — skr. nisakara A. LIII, p. nisäkara, pkr. nisäara.
719. nisara s. Schall, Ton, Laut. — skr. nisvana, p. nissana. Das r ist wohl durch
Anlehnung an sara = skr. svara entstanden. Vgl. auch BR. u. d. W. nisvara.
720. nisaru, -ra adj. leer, fruchtlos. — skr. nihsära, p. nissära.
721. nisal adj. fest, unbeweglich; Stein, Berg. — skr. niscala M.3 172, Jay., p.
pkr. niccalo.
722. nisä postpos. nahe bei . . .; für, wegen, um . . . willen, metek käranä nisä „aus
so vielen Gründen" UJ. 16, 24. — Geht unmittelbar auf p. nissäya Ch. 140 zurück.
723. nisl adj. passend, geeignet. — skr. nisrita P. G. 39, M.3 172, p. nissita.
724. nisini s. Leiter. — skr. nihsrein, p. nissenl. Vgl. hiimaga.
725. nisulu s. N. eines Baumes, Baringtonia acutangula. — skr. p. pkr. nicula M.3 172, Jay.
726. nises adj. alle, vollständig (fehlt bei Cl.). — skr. nihsesa, p. nissesa.-
221
727. nihunu-gä s. Wetzstein. — nihunu == skr. nisäna „das Schärfen"; p. vgl. nisiüt
„geschärft", sgh. niyu (bei Jay.) dass.
728. nl s. 1. Fluss. Dav. nlU „Wasserhuhn", wtl. Flusskrähe, nlpana „Fisch", wtl.
Flusstier. - skr. p. nadl M.3 172, pkr. not. 2. Mine, unterirdischer
Aufbewahrungsplatz für Kostbarkeiten. — skr. p. nidhi, pkr. nihi.
3. N. eines Baumes Ss. 34. Co. = mpavrksatja hevat bahmwfksaya. — skr. p. ntpa,
pkr. ntva, mma. — Vgl. auch unter niya.
729. nu- Vorsatzsilbe = skr. p. anu, pkr. anu. S. im folg. Vgl. auch nu = na unter n-.
730. nuJcam s. Ordnung, Anordnung. — skr. anukrama, p. anukJcama, pkr. anukk*.
731. nuga s. Indischer Feigenbaum, Baniane. — skr. nyagrodha M.3 173, p. nigrodha,
pkr. naggoha.
732. nupus adj. unschätzbar, wertvoll (bei Jay.). — Wtl. „das, was nicht berührt
werden darf" ; p. plmssa pfp. zu plmsati = skr. sparsaü.
733. nuba, numba s. Himmel, Atmosphäre KJ. 245. — skr. nablms M.3 173, p. nabha,
pkr. nahet (Hem. 1. 32).
734. numut Concessivpart. wenngleich, obschon, trotzdem dass, zugegeben, noyek
boru saksikaraijö ä numut, eh istavune näta „trotzdem viele falsche Zeugen auf-
traten ..." Math. 26. 60. — numu — skr. p. anumata, pkr. anumaya -f- -t (= -da),
wie in heva-t u. a. m.
735. nurä s. Liebe, Zuneigung. — skr. anuräga, pkr. annräa M.3 173.
736. nuru s. Parabel, Gleichniss. — skr. p. anurüpa, pkr. anurüva.
737. nuruva s. klingender Schmuck, Ringe, von Tänzern an Hand- und Fussgelenken
getragen. — skr. p. nupura M.3 173, pkr. nüura, neura (Pischel zu Hem. 1. 123);
hi. nepür. Durch Metathese zu erklären.
738. nuludu s. geraubtes, gestohlenes Gut (bei Jay.). — Ich führe das Wort auf
skr. anulabdha (s. BR. u. d. W. labh -f anu) zurück.
nuvata s. Asket s. nivatu.
739. nuvana s. Auge; Einsicht, Intelligenz. — skr. p. nayana, pkr. naana; hi. nain
u. s. w. B. 1. 140, 2. 17. Bei M.3 173 wird nuvana „Einsicht" auf jnäna
zurückgeführt. Gewiss mit Unrecht. Zum Bedeutungsübergang ist skr. naxja =
sgh. niya zu vergleichen.
740. nuvaru, niyari s. Stadt. — skr. p. nagara (dav. nuvaru) und nagafi (dav. niyari)
A. LIV, pkr. naara, r%\ MIDial. nair, ner.
741. nusara s. Erinnerung, Gedenken. — skr. Vsmr + anu, p. anussaraü, pkr. anusarai.
742. neta s. pl. net Auge, netsilil „Thräne", wtl. Augenwasser. — skr. netra A. 46,
p. pkr. netta.
nera s. Verhau s. unter nvyara.
743. neranavä v. prt. neruvä bei Seite setzen, aus dem Wege schaffen; beseitigen.
— Ich führe das Wort auf skr. ]/hr + nis zurück; p. ntharati, pkr. niharai.
744. neranavä, neriyanavä v. prt. neruvä fett werden, anschwellen. — Denom. zu nera,
neriya = skr. p. puara, pkr. plvala, plala. Im Dhp. wird Vriiv neben prv aufgeführt.
222
745. neraltc s. Cocosnusspalme. — skr. närikela, nalikera, p. nalikera M.3 173, Jay.;
hi. näriyal, m. näral. Durch Metathese aus *nakirela entstanden.
746. nelun, -um, -umbu s. Lotosblume. — skr. p. nalina M.3 173, pkr. nalirfi.
74:7. ne adj. 1. viele, Ss. 38. Vgl. nedigin „von vielen Seiten". — skr. aneka, naika
M.3 173, p. aneka, neka, pkr. anega, anea. — — 2. wissenswert, lernenswert.
— skr. jneya CL, p. neyya, pkr. nea.
no- Negativpraef. s. unter n-.
748. nügitinavä v. prt. nägittä aufstehen, sich erheben. — Aus nüga, Absol. von
naginavä -\- hitinavä.
749. näti, näta v. es ist nicht, es gibt nicht, -näti nicht besitzend. — skr. nästi,
p. natthi. Vgl. äti.
750. nädi, nändä (vgl. nähdammä) s. Tante (Vatersschwester); Schwiegermutter
(Mutter der Frau). = skr. nandinl, nänandr „Schwägerin" K. 422, p. nanandä.
751. näna s. Wissen, Kenntnis. — skr. jnäna M.3 173, Cl., p. näna, pkr. nana.
752. naba s. Nabe (am Rad); Nabel. — skr. p. nabhi K. 432.
753. näburu adj. geneigt, gebogen, gekrümmt KJ. 460. n.-venavä „sich biegen". —
Durch nämburu aus skr. namra. Vgl. duniburu.
754. nämi adj. gekrümmt, gebogen, geneigt. — skr. p. namita, pkr. navia. Vgl.
navanavä.
755. näva s. pl. näv Schiff, Fahrzeug, Boot, nävi „Schiffsmann". — skr. nau A. 6;
p. pkr. nävä. Das sgh. Wort geht wohl auf eine Form *nävi zurück.
756. nävata adv. wieder, von neuem, noch einmal. — Von nava „neu" in der auch
in iliata, pahata vorliegenden Zusammensetzung.
757. na s. 1. Nase s. unter naJiaya. — — 2. Verwandtschaft, Sippe. — skr. jhäti,
p. näti K. 417.
P
758. pa-, pä-, praep. praef. = skr. pra-, p. pkr. pa-. S. im folg.
759. pak s. 1. Vogel. — skr. paksin, p. pakkhin, pkr. pakkhi. — — 2. Teil, Anteil.
skr. paksa A. 30, p. pkr. pakkha. 3. Frucht, reife Frucht. — skr. pakva,
p. pkr. pakka; hi. m. pakkä u. s. w. (B. 1. 324, Gr. 49. 401).
760. pata s. Band Ss. 38, 78, Seide, Seidenstoff Ss. 8, RR. 52. 35, S. 18. — skr. p.
pkr. patta. Sgh. pati, -iya „Band, Gürtel" ist = skr. p. pattikä.
761. patan s. Anfang, Beginn; als postp. von . . an (Gegs. dakvä „bis" RR. 52. 35,
S. 18). patangannavä „beginnen". — skr. prasthäna Ch. 140, M.2 22, p. patthäna.
Zur Bed. „von . . an" ist p. patthäya zu vergleichen.
762. patuna s. Hafen, Seestadt, Hafenplatz. — skr. p. pkr. pattana.
763. pada s. Furz, padinavä, prt. päddä „farzen" , pada-arinavä dass. — skr. pardate Dhp.;
gr. jiEQÖoi TiEQÖojjiai; ahd. fersan. — si. paranu.
764. pandara, -uru, pahdu adj. weisslich, gelb. — skr. pändara, pändu, p. pandara,
pandu.
223
765. pahdura, -u, panara s. Gabe, Geschenk KJ. 189. — p. pannäkära M.8 28.
766. pana s. 1. Atem, Hauch, Leben, Dasein, p.-adinavä »atmen"; p.-yanavä »sterben,
verscheiden". — skr. präna M.3 174, p. pkr. pana. 2. Schild (auch penn)
(einer Schlange). — skr. p. pkr. phana. — — 3. Liebe, Zuneigung. — skr.
pranaya, p. panaya, pkr. panaa. 4. Hand (auch pena). — skr. p. pkr. ptml.
Ausserdem entspricht das Wort als ts. dem skr. pana.
767. panata s. Verordnung, Bestimmung, Gesetz. — skr. prajhapü Jay., p. pahnatä
und pann0. Oder genauer = p. pahhatta, *pann° (pp.). Vgl. püna.
panara s. Gabe, Geschenk s. pandura.
panavanavä v. festsetzen, bestimmen s. unter penenavä.
768. panaha, -sa num. fünfzig. — skr. pancäsat, p. pahhäsa, pannäsa, pkr. pannäsam,
pannä; hi. pacäs, m. pannäs u. s. w. R. 239. E. Kuhn (KZ. 33. 477) hat zuerst
auf die merkwürdige Uebereinstimmung zwischen Sgh., Pkr., P., Mar. in Bezug
auf den Ausfall des c gegenüber den anderen Dialekten hingewiesen.
769. pannvä s. Wurm, Made, Insekt (im allg.). — skr. prändka „lebendes Wesen",
p. pänaka Bed. wie im Sgh.
770. pat 1. s. Blatt, Laub; Feder, Flügel. — skr. pattra K. 428, p. pkr. patta;
hi. pätä und patta, m. pät u. s. w. — — 2. pp. angekommen, irgendwohin
gelangt, irgendwo befindlich. — skr. präpta M.3 174, p. pkr. patta.
771. pata s. ein best. Mass für Korn oder Flüssigkeiten. — skr. prastha M.3 174,
p. pattha. Anders Rhys Davids, Ancient coins and measures of Ceylon, S. 20.
772. patanavä v. prt. pätuvä erwarten, hoffen, ersehnen, piatun „das Bitten"; pätma
„Erwartung, Hoffnung". — skr. arthay -\- pra, prärthayati, prärthanä Jay.;
p. pattheti, patthanä; pkr. patthana.
773. patara s. alles sich ausbreitende: Flüssigkeit, Wasser, Staub; dann die Aus-
breitung selbst: Grösse, Menge; das Bekanntsein. — skr. prastara, p. pattha ra ,
pkr. patthara; hi. m. patthar „Streu" (B. 1. 148, 313).
774. paturuvanavä v. prt. pättrewä verbreiten, ausbreiten; bekannt machen.
Zum Grdv. *paturanavä gehört patala „bekannt". Intr. pütirenavä, prt. pätwrunä
„ ausgebreitet werden, sich verbreiten". — skr. ystir -(- pra prastarati. Vgl. atu-
ranavä, p. pattharati, * patthar äpeti.
IIb. patriya s. (fehlt bei Cl.) Vogel. — Aus 1. pat -\- riya = skr. pattraratha.
patla s. Fusssohle s. unter paMa.
776. padinavä v. prt. päddä ziehen, rudern. — skr. Yaj + Wa> P- P^jeti. Vgl.
adinavä.
777. padula adj. (fehlt bei Cl.) hell glänzend, strahlend. — skr. Vjval -{-pra, pra-
jvalana; p. pajjalati, pajjalita, pkr. Säur. vgl. pajjdlida (Hern. 4. 265).
778. pan s. 1. Blatt, Laub, pansala „Wohnung buddhistischer Mönche". — skr. parna
K. 428, p. panna; hi. panu u. s. w. pansala ist = skr. parnasälä, p. pannasälä.
2. Binse. — si. pani „kind of bulrush, Typha angustifolia".
779. pana, pena s. Schaum. — skr. pliena, p. phena.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 29
224
780. pana, puna adv. wieder, von neuem. — skr. punar, p. pana, puna, -o, pkr. puna, -o;
g. m. pan; hi. phun, plan, pun.
781. panvä s. Schlange. — skr. p. pannaya.
782. paba s. Licht, Schein, Helligkeit. — skr. prabhä Cl., p. pabhä, pkr. paliä.
Vgl. auch j)äM und pahan.
783. pamana s. Quantität, Mass; adv. viel, genug Ss. 2; pamanah „nur". — skr.
pramäna; p. pkr. pamäna. Vgl. M.2 30.
784. pamä s. 1. Liebe, Zärtlichkeit; Frau, Mädchen, Tänzerin. — skr. pramada,
-da, p. pamada, -da. — — 2. Nachlässigkeit, Versäumnis. — skr. pramäda
M.3 175, Cl., p. pamäda, pkr. pamäa.
785. paya, pä 1. s. Fuss. payin „zu Fuss". Auchj9M/a. — skr. p. pada A. 21, pkr. paa;
hi.pänw u. s. w. 2. Wasser, Milch, piya in piyayuru s. dort. — skr. payas,
p. ^a?/a, pkr. j>aa. Auch payas „Milch" = skr. päyasa Jay., p. päyasa, pkr. päasa.
— — 3. Gefäss, Schale. — skr. pätra, p. patta; vgl. p. pätt = skr. pätrl. —
paya als Mass s. Rhys Davids, Anc. coins and measures, S. 20.
786. parana 1. s. Streich, Schlag. — skr. praharana, p. paharana. — — 2. adj. alt
(auch pürani). — skr. p. pkr. puräna Jay. Vgl. auch pera. — — 3. s. Sklave,
Unterthan, Höriger (Jay. anun ayiti aya). — Aus para -\- ana „dem Befehl
eines anderen gehorchend".
787. paradinavä v. prt. päradunä besiegt werden, unterliegen, päradenavä, dass.
paradavanavä, prt. päradevvä „überwinden, besiegen". — skr. yji -f- parä paräjayati ,
paräjaya „Niederlage"; p. paräjeti, -ayati, paräjaya; pkr. paräia, -jia „besiegt".
788. paraputu s. N. des Kokila, des indischen Kuckucks. — skr. parapusta „von einem
anderen genährt", p. paraputtha, pkr. parauttha. Heisst im Sgh. auch „Bettler".
789. parapura s. Rasse, Linie, Geschlecht, parapuren „von dem und dem Geschlechte".
Inschriftl. 116 A, 5 — 6. — skr. p. parampara Jay.
790. paraviya, per0 s. Taube. — skr. päräpata, pärävata K. 425, p. päräpata, pärevata,
pkr. pärävaa, pärevaa Hem. 1. 80.
791. pal s. Bodensatz, Schmutz. — skr. palala Bed. 2 b, BR. Vgl. pala „Fleisch;
Stroh" (auch sgh.) neben skr. palala und pdläla.
792. pala 1. s. Frucht. — skr. p. pkr. phala. — — 2. Tuch, Gewand; Dach. —
skr. pata (Nbf. patala), p. pata (nur „Gewand, Tuch"), patala, pkr. pada, padala.
Sgh. auch pala, — — 3. imp. geh fort! pack dich!" Auch in der Wäddaspr.
in dem von mir (s. mein „Ceylon", S. 130) nach Marambe angeführten Zauberspruch.
palä-yanavä, prt. palä-giyä „entfliehen". — skr. p. paläyatt, pkr. paläyai.
793. palandanavä v. prt. päländuvä schmücken, zieren, ankleiden, etwas als
Schmuck irgendwo anbringen, palandinavä, prt. päländä „etw. als Schmuck
tragen, sich kleiden". — p. pilandhati (skr. y nah -\- pi) Jay.
794. palal, pulul adj. weit, breit, offen. — skr. prthula, p. puthida.
795. palä s. Grünes, Vegetabilien, Kräuter. — skr. paläsa, p. paläsa. Vgl. auch
palas N. eines Baumes, Butea frondosa = dass.
225
796. paliha, -sa s. Schild. — skr. phalalta „ Brett", p. plialalca „Brett, Schild". Das s
in palisa ist durch falsche Analogie eingedrungen.
797. palna s. das Beschützen, Behüten, Beschirmen. — skr. p. pälana, pkr. palana.
798. palla s. das unten Befindliche, Grund, Grundlage. — skr. p. pädatala „Fuss-
sohle" (in dieser Bed. sgh. patla). Vgl. das analoge sgh. atla, alla „Handfläche".
799. pava s. 1. Berg, Fels, Stein. — skr. parvata K. 430, M.3 176, Jay., p. pabbata,
pkr. pavvaa. — — 2. Sünde (auch pa). — skr. päpa A. LV, p. päpa, pkr. päva:
hi. päp u. s. w. Vgl. sgh. pavitu = skr. päpistha M.3 176, p. päpittha, pkr. päv°.
800. pavatinavä v. prt. pävatunä sein, bestehen, dauern, andauern, herrschen.
pävatenavä dass. — skr. yvrt + jpra pravartate, p. pavattaü, pkr. pavattai. Sgh.
^>am£ „Neuigkeit, Nachricht; Fortdauer" ist = skr. pravrtü, p. pavattl.
801. pavan s. Wind. — skr. p. pavana, pkr. pavana.
802. pavara adj. vorzüglich, der beste. — skr. pravara, p. pkr. pavara.
803. pavaranavä v. prt. pävaruvä einladen (spez. den Priester für die Regenzeit); über-
geben; anvertrauen. — skr. ]/ t>r -f- ^ra, caus. pravärayati, p. paväreti.
804. pavasa, puvasa s. Durst; Begierde. — skr. p. pipäsä R. 249, pkr. Ap. piäsa.
805. pavasanavä v. prt. pävasuvä sprechen, sagen, verkündigen, pävasu s. „Mit-
teilung". — skr. ykäs -\- pra, caus. pralcäsayati, p. pälcäseü, \>kv.pagäsei. V gl. piyasa.
806. paväla, -lu s. rote Koralle. — skr. praväda und prabäla K. 430, p. paväla,
pkr. paväla.
807. pavura, pavra s. Befestigung, Wall. — skr. präJcära M.3 176, p. pakära,
pkr. päära.
808. /;«s s. Staub, Erde. — skr. pämsu, p. pkr. pamsu.
809. ^>as, ^>asa s. 1. Schlinge, Netz (zum Fangen wilder Tiere). — skr. jpäsa, p.
pkr. ^äsa; hi. m. phäms u. s. w. (Gr. 50. 10). 2. Berührung. — skr. sparsa,
p. phassa, pkr. phäsa. 3. Seite, Nähe. — skr. pärsva, p. passa, pkr. ^äsa.
4. Glaube; Ursache, Motiv. — skr. pratyaya M.3 176, CL, p. pkr. paccaya.
810. ^>as, j9as«< adv. nach, nachher, passa s. „der hintere Teil, After"; passen „von
hinten". — skr. pascü, pascät A. 23, Ch. 140, p. pkr. pacchä; hi. päche u. s. w.
(Gr. 50. 25, B. 2. 297). Sgh. pasutüv „Reue" = skr. pascättäpa, p. pacchütäpa,
pkr. paechääva. pasubat „Nachmittag, Nachmittagsraahlzeit" = p. pacchabhatta.
pasa num. fünf s. palia Nr. 823.
811. pasah adj. wahrnehmbar; wahrgenommen; evident. Venu mcn pasak „wie der
leibhaftige Visnu" Ss. 19. — skr. pratyalcsa M.3 176, p. pkr. paccaklcha.
812. pasanga s. Schildkröte. — skr. pahcäriya.
813. pasangul s. Ricinuspflanze. — skr. pahcähgiila Cl.
814. pasal adj. nahe. — Ich vermute, dass das Wort für *pasasal steht = skr. praty-
äsanna, (p.) pkr. paccäsanna. Vgl. asal.
815. pasasa s. 1. Preis, Lob, Ruhm; 2. Freude, Glück. — skr. prasamsä, p.
pkr. pasamsä. In der 2. Bed. ist das Wort viel!. = skr. pratyäsä, p. pkr. paccäsü,
das lautgesetzlich mit jenem zusammenfallen muss.
29*
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816. pasidu adj. berühmt, bekannt. — skr. prasiddha, p. pkr. pasiddha.
817. pasiiidinavä v. abschneiden, abhauen; ausrotten; beurteilen, entscheiden.
p. p. pasun. — skr. Ychid -f- pra prachinatti, p. pass. pacchijjati, pacchinna, pkr.
pacchindai. Vgl. sindinavä.
818. pasili s. religiöser Eremit, Asket. — Das Wort steht m. E. für *pas-sili
= p. pancasllavat (genau = *pancas!lin) „ einer, der die fünf Gelübde abgelegt hat".
819. pasu adv. nachher s. pas. pasutäv „Reue" und pasubat „Nachmittag" s. ebenda.
820. pasuturu s. (fehlt bei Cl.) Antwort, Erwiderung. — skr. pratynttara Jay.,
p. paccuttara.
821. pasura, pah0 s. Boot, Schiff, Floss. — p. paccarl „Floss" M.3 177.
822. pasos s. Morgen, Tagesanbruch. Inschriftl. 121 A, 9. — skr. pratyüsa M.3 177,
p. pkr. paccüsa.
823. paha, pasa num. fünf, pahalaha, pahalosa, pas0 „fünfzehn", panaha, -sa „fünfzig"
s. bes. — skr. pahca, pancädasa; p. pahca, pahcadasa; pkr. pahca, pannarasa
(panarasa). hi. pamc, pamdrah u. s. w. (R. 239).
824. paha adv. beiseite, weg. pahaharanavä „wegtreiben, beiseite setzen, Verstössen".
— Geht auf skr. pärsvät zurück. Weiteres s. unter 3. pas, pasa.
825. pahatu adj. erfreut, ergötzt. — skr. prahrsta, p. pkr. pahattlm.
826. pahana s. Stein. — skr. päsäna M.2 19; p. päsäna, pkr. pähüva.
827. pahadinavä v. prt. pähädunä erfreut werden, geklärt werden. — Geht auf
skr. prasädyate, p. *pasajjate zurück. Aus pahadinavä ist dann pahadanavä „klar
machen, preisen" und pähüdenavä „klar werden; glauben an, vertrauen auf" (der
Bed. nach wie p. pasldati) secundär entwickelt.
828. pahan 1. adj. froh, fröhlich. — skr. prasanna M.3 177, p. pkr. pasanna. — —
2. s. Licht; Morgen, Tagesanbruch; Lampe. — Ich leite das Wort auf ein
skr. prabhäna zurück. Vgl. unter paha und pähä.
829. pahaya, paha, päya, pä s. Wohnung, Palast, Residenz. — skr. präsäda,
M.3 177 u. s. w., p. päsäda, pkr. päsäa.
830. pahara s. Schlag, Streich. — skr. prahära Jay., p. pkr. pahära.
831. paharas adj. rauh, hart. — skr. parusa, p. pkr. pharusa. Spaltung der Aspirata!
832. pahala, päla adj. klar, offenbar, bekannt. — skr. prakata, p. pükata, pkr. paada;
MIDial. pragat, paryat, praghat, parghat (Gr. 50. 3).
833. palanavä, pälenavä v. prt. pühuä, -nä brechen, aufbrechen, bersten. —
skr. Ysphut sphidati (auch sphatati Dhp. 9. 44), sphuta „offen, klar", p. phida,
pkr. phndai, phuda; auch skr. Yphal phalati (Ch. 147), p. phalati; hi. phutnä
„bersten", phatnä „zerrissen werden" u. s. w. 13. 1. 308.
834. palali, -aüga s. Stuhl, Sitz. — skr. paryahha Jay., p. pkr. pallaüha; ö. hi. pälakl.
835. palamu adj. der erste, frühere, vergangen. — skr. prathama M.3 177, p. pathama,
pkr. padhama. Vgl. hi. m. pahüä u. a. m., die ß. 2. 142 auf *prathara zurück-
geführt werden.
836. palaha, -lä s. Trommel, Pauke. — skr. p. pataha Jay., pkr. padaha.
227
837. palu s. Knoten, Gelenk. — skr. p. pkr. pallava M.3 176.
838. palol adj. braun, rötlich. — skr. p. pätali, pkr. pädala. Vgl. auch palol N. eines
Baumes = skr. pätali M.3 176.
839. pä s. 1. Fuss s. 1. paya. 2. Milch s. 2. paya. 3. Sünde s. 2. pava.
4. Palast s. pahaya. — — 5. Baum. — Contrahiert aus *payava (vgl. 4. pä)
= skr. p. pädapa, pkr. päava.
päya s. Haus, Palast s. pahaya.
päla adj. klar, offenbar s. pahala.
840. pita s. Rücken, pita-äta „Rückgrat", wtl. Rückenbein. Beachtenswert ist der
Bedeutungsübergang, wie er in pitat, -ta „draussen, ausserhalb", pitin „von draussen"
vorliegt. — skr. prdha A. 21, K. 427, p. pkr. pittlm, pittlit, pkr. auch pu°; hi.
g. pith, m. päth u. s. w. (B. 1. 162, 165, 315; Gr. 50. 27).
841. piti s. Mehl, Staub, überhaupt jede pulverisierte Substanz, pitikaranavä „mahlen".
skr. pista K. 433, p. pkr. pittlm.
842. pida s. pl. pidu kleine Quantität, Ball, Klümpchen KJ. 461. — skr. p.
pkr. pinda; ö. hi. per.
843. pina s. pl. pin Tugend, Mildthätigkeit, Barmherzigkeit, pinäti „tugendhaft".
— skr. punya P. G. 41, p. punna, pkr. punna.
844. pinanavä v. prt. pinunä froh sein, sich freuen. Caus. pinavanavä prt. pinewä
„ergötzen". — skr. ypri prxnlte, p. plneti (= skr. prinayaü).
845. pini adj. süss, angenehm. — skr. prarßta (zunächst „zubereitet" von Speise),
p. pantta, pkr. panla.
846. pinu, punu adj. voll, angefüllt. — skr. pürna A. 30, p. pkr. punna.
847. pit s. Galle. — skr. p. pitta. Vgl. A. G. 342.
848. pit, put s. Sohn. — skr. putra A. 22, 44, p. pkr. putta; hi. put u. s. w.
849. pidv.ru s. Stroh, dürres Gras. Vgl. den Namen des höchsten Berges auf Ceylon
Piduru-talä-gala. — Ich führe d. W. auf skr. p. pkr. pihjara „rötlichgelb, goldgelb"
zurück.
pipenavä v. aufblühen; pipi „aufgeblüht" s. unter pup.
850. piya 1. s. Fuss, Vers s. paya. — — 2. s. Vater. — skr. pitr A. 21, M.3 178,
K. 421, p. N. pitä, pkr. piä; si. piu u. s. w. — — 3. s. Gatte, Herr. — skr.
p. pati, pkr. pai, si. pai u. s. w. — — 4. adj. lieb, angenehm. — skr. priya
Jay., p. piya, pkr. pia.
851. piyan s. Deckel (eines Topfes) ; Augenlid, piyanavä, TprLpivvä „bedecken, schliessen".
— skr. ydhä -^ pl, pidhäna M.8 178, p. pidhäna und pidahana.
852. piyayuru, -vuru s. weibliche Brust; Wolke, Regenwolke. — skr. p. payodhara,
pkr. paohara.
853. piyavara s. Fusstapfe. — Ich führe d. W. auf skr. pada -f- älcära zurück, also
„Form, Gestalt des Fusses". Vgl. ayuru.
854. piyavi s. Natur, natürliche Gestalt oder Beschaffenheit. — skr. pralrti Jay.,
p. pakaü, pkr. paai.
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855. piyasa adj. nahe. — skr. prakäsa „deutlich, sichtbar" Jay., p. pakäsa, pkr. pagäsa.
856. piyu, pivu, pi adj. geschlossen, zugedeckt. — skr. p. piläta.
857. piyuma s. Lotosblume, piyumrä „Rubin" (von der Farbe der Lotosblume). —
skr. padma M.a 23; p. paduma, pkr. pauma.
858. piyes s. Platz, Ort, Distrikt. — skr. pradesa Jay., p. padesa, pkr. paesa.
859. piyö s. Uebung, Gebrauch, Kunstgriff, List, Täuschung. — skr. prayoga Jay.,
p. payoga, pkr. ^aoa.
860. ^r* 1- aaJ- voll, angefüllt. — skr. p. pTirita, pkr. puria. Vgl. puranavä. — —
2. praef. um, ringsherum (mitunter den Begriff verstärkend) = skr. p. pkr. pari-;
z. B. pirikara „Schmuck, Zierde" = skr. pariskära M.3 178, Jay., p. parikkhära;
pirikev „Umgebung" = skr. pariksepa, p. parikkhepa; piribun „vernichtet, zerstört"
= skr. p. paribhinna; piriyat „Ende, Ziel" = skr. paryanta, p. pariyanta; piriyam
„schönes, gut ausgeführtes Werk" = skr. parikarman, p. parikamma; piriyas „das
Suchen, Forschen" = skr. paryesana, pkr. pariesanä; pirivena „Wohnung (von
Priestern), Kloster, Klosterschule" = p. parivena; pinves „Kreis, Strahlenkranz"
= skr. parivesa Jay., p. parivesa; piriväti „Umwandlung, Umgestaltung" = skr. pari-
vartita, p. parivattita. — pirimadinavä „reiben, streichen" (s. madinava); pirinivanavä
„sterben" = skr. yvä -(- pari-nis, p. parinibbäti.
861. pirita s. Schutz, Beistand. — skr. vgl. pariträna; p. pkr. parittä. M.3 178.
862. piribada s. das Kehren, Reinigen. — p. paribhanda; -am karoti „said of the
ground. or of a house, means to make it smooth and neat by smearing it with a
Compound of loam and cowdung" (Cbilüers, Pali Dictionary u. d. W.).
863. pirimiyä s. Mann, männliches Individuum. — Nach K. 420 mit skr. purusa,
p. pkr. purisa in Zusammenhang stehend. Die Bildung ist aber schwer zu erklären.
M.8 178 wird auf mald. firimiha „Ehemann" verwiesen.
864. pirisa s. pl. piris Gefolge, Begleitung. — skr. parisad M.3 178, p. pkr. parisä.
865. pirihenavä v. aufhören, dahinschwinden, vernichtet werden, pirihun „ver-
nichtet, verloren". — skr. yTm + pari Ch. 140, pass. parikiyate, parihma, p. pari-
häyati, -hina, pkr. parihma.
866. piruvata (Jay. jÄrivata) Gewand, bes. geliehenes Gewand. — p. parivattaha „robe
lent to a priest" (Childers).
867. pil, pul s. aufgeblühte Blume. — skr. p. pkr. pliidla; si. phulu u. s. w. Die
Grundbed. „aufgeblüht, ausgebreitet" führt zur Bed. „Pfauenschweif". Vgl. 7«V«6-
„Pfau" (der Augen im Schweif hat).
868. pilavä s. das Junge (eines Tieres); Made. — p. pillahx.
869. pivitu s. Ankunft, das Eintreten. • — skr. pravista Jay., p. pkr. pamttha. Vgl.
pivisa dass. = skr. pravesa, p. pkr. pavesa.
870. pisana s. das Kochen, pisanavä v. prt. pissä, pisuvä „kochen" ; püsavanavä, prt. päsewä
„kochen, zur Reife bringen"; intr. päsenavä, prt. päsunä „reifen". — skr. ypacpacaü
A. LIV, 27, Ch. 149, M.3 179, K., p. pacaü.
871. pisas s. Dämon, böser Geist. — skr. pisäca, p. pisüca, pkr. pisäa. Als abgel. Adj.
dazu erkläre ich sgh. pissu „wahnsinnig, verrückt", eigtl. „von Dämonen besessen".
229
872. pisinavä, pih° v. prt. pissä abwischen, abreiben, reinigen. — skr. Yuhcli -\- pra
prohchati M.3 179, prohchana; p. punchaü, piihchana, pkr. punchai. (Vgl. Pischel
Hera. II, S. 142).
873. pihitanavä v. prt. piJiitunä feststehen, begründet sein; helfen, wirken (von
Arzneien). Caus. pihituvanavä, prt. pihitewä »feststellen, begründen". — skr. Ysthä
-f pra, p. paütthati; pkr. vgl. patthia und pattMa. Näheres s. Mtinavä.
874. pihinanavä, pin° v. prt. pihimwä schwimmen, fliessen. — Das V. scheint für
*pihilanavä zu stehen und dies = *pivilanavä, Metathese aus *püivanavä zu sein;
skr. Yplu plavati, p. piluvaü.
875. pila s. 1. Thron Ss. 49. — skr. p. pltha, pkr. pldha. — — 2. Pein, Not.
Jcalä-pilä-novä S=. 37, Co. = Jcalaha pldävak novl. pelenavä „gequält werden,
betrübt sein". — skr. Ypld pldayati, pldü, p. plleü, pllä, pkr. pldä und pilana;
hi. pednä, pelnä u. s. w. (B. 1. 240).
876. pili 1. Krystall (auch piUminu, palmgu). — skr. sphatiha, p. phalika, pkr. plialilia.
— — 2. Kleider, Stoff (auch pili). — skr. p. pati, patiM M.1 31, K. 433.
S. 2 pala.
877. pi\i- praef. gegen, für = skr. pratt- A. 67, p. pati-, pkr. padi-; hi. para-,
m. pada- u. s. w. Vgl. piliJcid „schmutzig" = skr. pratikTda, aber p. patikhüla;
p'dikev „das Bestreiten, Streiten gegen" = skr. praühsepa, p. patiklchepa; pilina
„Versprechen, Gelübde" = skr. pratijnä, p. patihnä; pilidagin s. „Hut, Wacht,
Aufsicht" = p. paüjagr/ana; piliUmba „Bild, Abbild" = skr. pratibimba Jay.,
p. patibimba; piümaya „Bild" = skr. pratimä, p. patimä, pkr. padimä; piüyama
„Heilung" = skr. pratikarman, p. patiJcamma, pkr. vgl. padiära; piärü „Aehnlichkeit,
Gleichnis, Bild" = skr. praürüpa, p. paürüpa; piliräv „Widerhall, Echo" =skr.^ra&-
rava, p. patirava; pilivak „Gegner, Widersacher" = skr. praüpdksa, p. patipaMJia;
pilivcta „Erlangung, Erkenntnis, Einsicht, religiöse Verrichtung" = skr. pratipatti
Jay., p. patipatti; pilivela „Ordnung, Reihenfolge" = p. patipäU A. 28, Ch. 145,
P. G. 37; pilisan „Unsichtbarkeit, das Verschwinden, der Verlust" = skr. prati-
cchanna Jay., p. paücclianna. — piligannavä „annehmen" = skr. Yfft'h + prath
Ch. 145, p. patiganhäü; pilivisinavä, prt. püivissä „forschen, fragen" = skr. ]/prch
-4- prati, p. patipuccliaü; pilivut „erforscht" = skr. praüprsta.
878. piliban s. das Wisseu. — skr. pratibhäna Jay., p. patibhäna. piliban, -van, piüuvan
adj. „möglich, fähig, im stände" = skr. *pratibhänin, p. patibhänin Ch.
879. pilu, pilä s. das Junge (eines Tieres) bei Jay. — skr. prathaka, prtliaka, p. puthaka.
880. pl adj. 1. getrunken bei Jay. — skr. p. plta, pkr. pla. — — 2. verhüllt
s. piyu.
881. pungul s. Mann, Person, Seele. — skr. pudgala M.3 179, p. puggala, pkr. poggala
Hem. 1. 116.
882. putu s. Ernährung, Unterhalt bei Jay. — skr. pusta, p. pidtlia.
883. putuva s. pl. putu Sitz, Stuhl, Bank. — skr. prostha.
punu adj. voll s, pinu.
put s. Sohn s. pit
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884. puda s. Verehrung, Darbringung, Spende, pudanavä v. „ darbringen, spenden".
— skr. püjä, püjayati A. 7, p. püjä, püjeti, pkr. püä, püei.
885. pup s. Blume, pipenavä v. prt. pipunä „sich öffnen, aufblühen", pipi „aufgeblüht*. —
skv.puspa (Jay.), puspita, p. puppha, pupphita, pkr. puppha, pupphia; hi. phup u. s. w.
886. pupura s. Funke. — Zu skr. y sphur sphurati „schnellen, zucken, funkeln". Vermutlich
zum Intensivstamm gehörig. Für ein Denom. davon halte ich pupuranavä, prt. pupu-
runä „bersten, platzen".
887. pubudinavä, pibidenavä v. prt. pibidunä erwachen, pubuduvanavä „aufwecken".
— skr. ybudh + Wa prdbudhyate Ch. 145, P. G. 41, p. pabujjhati. Sgh. pubudu
„wach" = skr. prabuddha. Vgl. hubudinavä.
888. pura prp. vor, in Gegenwart von, angesichts. — skr. purä, -ras, p. pure,
pkr. purä. Vgl. pera.
889. puranavä v. prt. piruvä füllen Ss. 59. piri adj. „voll, angefüllt". — skr. Ypr
pürayati, pürita, p. püreti, pürita, pkr. pTirei, püria.
pul s. aufgeblühte Blume s. pil.
890. pulingu s. Funke. — skr. spliulihga, p. pkr. pludihga.
891. puludu s. Begierde, Leidenschaft. — skr. pralubdha Jay.
pulul adj. breit, weit s. _p«?a?.
892. pulussanavä v. prt. pilissuvä brennen, an das Feuer setzeD, braten, rösten.
pulutu „gebraten, geröstet". ' Intr. pilissenavä „braten, geröstet werden". — skr. yplus
(vgl. M.3 180), plusta; pkr. piluttha.
893. puva adj. früher, vormalig, alt. — skr. pur va, p. pubba, pkr. puvva. Vgl. B. 2. 25.
894. puva, pü s. eine best. Art Kuchen. — skr. püpa, p. pupa, puva. MIDial. püp.
895. puvah s. Arekapalme. — skr. p. püga M.3 180. Woher aber -ak?
896. puvata s. Fortdauer, Existenz; Abstammung; Nachricht, Kunde. — skr.
pravrtti M.3 180, Jay.; p. pavatti. S. Nr. 800.
897. puvatara s. Verbreitung, Bekanntschaft. — Ich führe das Wort auf ein
skr. *pravistära zurück.
puvas, -sa s. Verlangen, Begierde s. pavasa.
898. puvalu adj. hart, fest, stark; keck, stolz. — Nach M.3 180, Jay., Cl. = skr.
praudha. So auch Ss. 50 Comm. Die Form erklärt sich aus einem p. pa-vahati,
*pavulha.
puveni s. Haarflechte s. peveni.
899. pus s. Meltau, Schimmel. — Ich stelle das Wort zu skr. pusya = p. phussa „Blüte,
Schaum, Feim".
900. pusriya s. eine best. Art Wagen. — skr. pusyaratha, p. phussaratha.
901. pulun s. Baumwolle. — Ich stelle das Wort zu skr. yspfad sphutati „platzen,
bersten"; sphutana „das Platzen". Vgl. palanavä.
puluvan, pilivan adj. fähig, im stände s. unter piliban.
902. pü 1. Kuchen s. puva Nr. 894. — — 2. das Worfeln, Dreschen, pülcaranavä
„worfeln, dreschen". — skr. YpTi punätl, pTdi, p. punäti, pida, p. puvai.
231
903. pekaniya s. Nabel KJ. S. 174, Z. 3. — skr. preksamya, pkr. pecchanijja. Das W. bez.
zunächst die „sichtbare", d. h. vom Gewand nicht bedeckte Partie des Oberkörpers,
spez. bei den Frauen, zwischen Brust und Bauch. Im Rodiyä-Dialekt (Sitzungsber.
d. k. bayer. Akad. d. W., phil.-hist. Gl. 1897, S. 13, Nr. 73) bed. pekinitta den
Rumpf oberhalb des Nabels. Die Schreibung mit n bei Cl. ist unrichtig.
904. penenavä, pän° v. prt. penunä, pän° sich zeigen, erscheinen, zum Vorschein
kommen. Caus. penvanavä, prt. pennuvä „zeigen". Ein altes Caus. ist panavanavä,
prt. pänevvä „bestimmen, festsetzen, (Sitze) errichten". — skr. Yjhä + pra
prajhäyati, prajhäpayaü (Ch. 139), p. pannayati, pahhäpeti.
905. pet s. Reihe, Linie. — skr. pahkü (M.3 180), p. panü.
906. penela s. Abzugsgraben, Rinne, Traufe. — skr. pranäli (-n-), p. panäli (-n-).
907. penheli, penella s. Feuerbrand, Fackel. — Zusammengesetzt aus pen (contr. von
pahari) -\- hella „Spiess", also „Leuchtstock".
908. pem s. Liebe, Zuneigung. — skr. preman (Jay., Cl.), p. pema, pkr. pemma.
909. pera adv. früher, eher, bevor; östlich; prp. vor, in Gegenwart. — Mit pürva,
wie M.3 180, K. 434 geschieht, vermag ich das Wort etymologisch nicht zu ver-
einigen. S. puva. Mir scheint vielmehr, dass pera auf p. pure (sgh. pura dagegen
auf pura) zurückzuführen ist.
910. peravi, -viyä s. Priester, Hauspriester. — skr. p. puroliita, pkr. purohia.
peraviya „Taube" s. par°.
911. perahara s. Festzug, Procession. — skr. p. parihära M.3 181.
912. perum s. Hoffnung, Wunsch; Absicht, Streben. — p. päramt, -mitä M.3 181, Cl.
913. pela s. Linie, Reihe; Geschlecht, Familie; Text (Ggs. zu Commentar). pelak EC.
„etliche, einige". — skr. p. pkr. päü. Im Sgh. auch pill.
914. peli s. Kasten, Kiste, Koffer. — skr. pedä (vgl. peta, pett), p. pelß, pkr. pedä.
915. peveni, puv° s. Haarflechte. — skr. pravenl (Jay.), p. paveni.
916. peherä s. Weber. — skr. *pesaskära; f. -hart BR. u. d. W., p. pesakära, (auch
LW. im Sgh., s. Cl. u. d. W.).
917. pelaliara s. Wunder, Wunderzeichen. — skr. prätihärya „Gaukelei" Jay.,
p. pätihäriya, pätihera, pätihtra, pkr. pädihera. Cl. gibt auch die Bed. „Procession",
s. perahara.
918. pe s. Geist, Gespenst; die Manen. — skr. preta, p. peta, pkr. pea. pH „Baum"
ist wohl Nbf. zu 5. pä.
919. poTiura s. Lotosblume; Spitze des Elefantenrüssels. — skr. puskara, p. pdkkhara,
pkr. pokkh0 und pukkh0; ö. hi. pölihar u. s. w. Vgl. sgh. pokuruni, pökuna „Teich"
= skr. puskarin! M.1 8, p. pokkharanl, pkr. pokkliarhm.
920. pota s. pl. pot Buch. — skr. pustaka M.1 8, p. pottlxaka, pkr. potthiä; MISpr. pöthä
oder pöihi.
921. pora s. Kampf, Streit, porakanavä .kämpfen, fechten, raufen", porakatuvä „Sporn
des Hahnes", wtl. Kampfdorn. — skr. prahära, p. pkr. pahära. Vgl. Nr. 830.
922. porava s. Beil, Axt. — skr. parasu M.3 181.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 30
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923. poravanavä v. prt. perevvä anlegen, anziehen (Kleider). — Geht auf skr. Yvr
-\- prä zurück mit Metathese von r und v. Vgl. p. pärupati Childees u. d. W.,
M.3 181.
924. pol s. Cocosnuss. polgaha „Cocospalme". — Ich möchte das Wort auf skr. puta
„trichterförmiger, hohler Raum", p. puta, -ti „Gefäss" zurückführen. Im skr. ist
putodalca die „ Cocosnuss", wtl. die Wasser in ihren hohlen (Früchten) hat.
925. polahga s. giftige Schlange, Viper. — K. 425 wird skr. p. patanga „Vogel",
p. patanga „fliegendes Insekt, Grashupfer" verglichen. Genau genommen geht
pol0 auf pat° zurück. Mit Recht sagt Kuhn, dass das Wort ursprünglich jedes hin
und her schiessende Tier bezeichne. Zu beachten ist, dass die in Ceylon kurzweg
polanga genannte Viper (üt-polanga) sich in Sprüngen vorwärts bewegt.
S. auch sgh. polangätiyä „Heuschrecke".
926. polambanavä v. verleiten, verführen; begehren, verlangen, pelambunia
„Anlockung, Liebe". — Formell würde die Ableitung von ylabh -\- pra, skr. pra-
lambhana „Hintergehung, Täuschung", p. palambheü „täuscht" am nächsten liegen.
Die Bed. wiese aber auf Ylubh -\- pra, p. palobheü (so M.3 181) hin. Es scheinen
beide Wurzeln zusammengeflossen zu sein.
povanavä v. einsaugen lassen, trinken lassen s. unter bonavä.
927. poson s. 1. Blume. — skr. prasüna M.3 181. 2. N. eines Monats (Juni — Juli).
— Contrahiert aus *puvasavan = skr. pürmsrävana, p. sävana.
928. poho- adj. viel, stark. — skr. prablm, -bhüta, p. pablm, -blüda, pkr. pahn. Mög-
licherweise auch = boho mit Verhärtung des Anlautes. In polwdu „Sonne", wtl.
mit vielem oder starkem Licht (p. -\- die = skr. dyuti, p. jiiti); pohosat „stark,
fähig, im stände, reich" (p. -f- sat = skr. sakti, p. satti); pohonä „fähig" (p. -j- nä,
skr. naya).
929. poho-dina s. Tag des Mondwechsels, buddhist. Fasttag. — skr. upavasatlia,
p. uposatha (M.3 181), pkr. posaha. Vgl. pohoya, pö „Mondwechsel, Mondsviertel".
930. pohoni s. Ernährung, Unterhalt. — skr. ypus, caus. posayati, p. posati, posana.
Sgh. vgl. auch pusna „das Ernähren, Unterhalten".
931. pola s. Geschwulst, Beule. — skr. sphota M.3 181, p. phota; hi. u. s. w. phodä.
B. 1. 307.
932. polanavä v. prt. peluvä fächeln, sieben; sondern, reinigen. — skr. ysphut,
spliotßyaü „bewegt rasch hin und her". Unrichtig M.3 181.
933. polava, polö s. Erde. — skr. prthivl P. G. 41, M.3 181, p. pathavt, puthavl,
pkr. xmdhavl und puhavt.
934. pö s. das Junge (eines Tieres). — skr. pota, potaka, p. potdka.
935. pähilenavä v. prt. päJälunä straucheln, fallen; behindert sein. — skr. yslchal
-f- pra, praslihalati M.3 181, p. pakkhalaü.
936. päti s. Beginn, Anfang. — Zu skr. Ysthä -\- pra, prasthiü. S. patcm. Zur Bed.
„das Verschwinden, Verborgensein" vgl. pra-sthä „fortgehen, sich entfernen*.
937. pätiyä s. Junges (vom Tier), auch Kind. — Ich führe das Wort auf skr. pastya
zurück; pätiyä ist das, was im Stall bezw. Haus gehalten wird (Cerebralisierung).
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938. päna s. 1. Weisheit, Wissen. — skr. prajnä (Cl.), p. pannä, pkr. pannä. — —
2. Frage. — skr. prasna (CL), p. pahha, pkr. panha.
pänenavä v. sich zeigen, erscheinen s. penenavä.
939. pädakunu s. eine Art ehrfurchtsvoller Begrüssung, wobei man den Begrüssten
umwandelt, indem man ihm die rechte Seite zuwendet, p. karanavä „jem. in dieser
Art begrüssen". — skr. pradaksina, p. padaTckhinöL.
940. pädum s. 1. Wolke, Regen. — skr. parjanya, p. pajjunna. — — 2. Osten,
Sonnenaufgang. — Ich stelle das Wort zu skr. präcina, p. päcina.
941. pün s. Wasser, Getränke. Vgl. päntota „Furt, Fähre", wtl. Wasserübergang;
pünpavasa „Durst". — skr. p. päntya K. 430, R. 247, pkr. pänia; hi. g. m. pärii;
sonst pänl. (B. 2. 156.)
942. püminenavä v. prt. päminunä ankommen, gelangen; eintreffen, sich ereignen.
pämini „angekommen, geschehen, geworden". Caus. pamunuvanavä, prt. päminevvä
„wohin bringen". — Geht ohne Zweifel auf skr. \äp -\- pra präpnoü, p. päpunäti,
pkr. pävai zurück (M.a 22, R. 250). Mittelglied ist *pävin°. In den MISpr. ent-
spricht die V päv, im G. aber päm\ (Gr. 50. 17).
943. pärakum, -un s. Stärke, Macht. — skr. parahrama CL, p. parakkama.
944. päla s. Hütte. — skr. palli „kleines Dorf, Hütte".
945. püvidi s. (erste) Priesterweihe. — skr. pravrajyä CL, p. pabbajjä, pkr. pavvajjä.
946. päsa, pähä s. Korb. — Ist ohne Zweifel von dem (etymologisch dunklen) p. paccld
abzuleiten .
päsavanavä v. zur Reife bringen, püsenavä „reifen" s. pisana.
947. päsasum s. Lob, Preis. — skr. prasamsana Jay., p. pasamsana, pkr. pasamsana.
Vgl. pasasa.
948. pähä s. Farbe, Licht, Glanz. — skr. prabhä (so z. B. Ss. 88 Comm. übersetzt).
Näheres unter paba und pahan.
pähädenavä, päd0 v. klar werden; glauben an, vertrauen aufs, unter pahadinavä.
B
949. banyahara s. berauschendes Getränke, Arak. — Aus banga = skr. bhangä,
p. bhahya -\- ahara — skr. ähära.
950. bata adj. versunken, untergegangen; batahira „untergehende Sonne". — skr.
bhrasta, P. G. 34 (vgl. bahinavä), p. pkr. bhattha.
951. batu s. N. einer Pflanzengattung, Nachtschatten. — Vgl. skr. bhantäkl, während
p. bhandälci auf die Nebf. mit d zurückgeht.
952. bada s. Unterleib, Bauch. Vgl. badayinna (Bauchfeuer) „Hunger", badadaru
„schwanger" u. a. m. — skr. bliända, p. pkr. bhunda; ö. hi. bhämd, hämd „Gefäss,
Topf, Kübel". Wir sprechen umgekehrt von dem „Bauch" eines Gefässes. Die
Bed. „Topf" auch noch in sgh. badahälayä „Töpfer*. Daneben setzt sgh. baduva
„Ware, Handelsartikel* das p. bhandikä, pkr. bhundia mit gleicher Bed. fort.
haduva s. Ware s. das vor.
30*
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953. bana s. Pfeil. — skr. p. pkr. bänar Sgh. banasun „Bogen" = skr. bänäsana.
954. baninavä v. prt. binuka (ältere Spr., z. B. UJ. 10. 24) sprechen, reden, predigen.
bana s. „das heilige Wort des Buddha", b.-hiyanavä „predigen" und weiterhin
„unverständlich sprechen (!)". binu, -numa, -nima „das Reden, Sprechen". —
skr. Yblian bhanati M.3 183, K.; p. bhanati, bhäna, pkr. bhanai.
955. bat s. gekochter Reis, Reisspeise. — skr. blidkta K. 433, p. pkr. bhatta;
hi. u. s. w. bhät.
956. badakala (Jay.) adj. glücklich, schön, gut. — Aus bada = skr. bhadra, p.
pkr. bhadda + Tcala = skr. Jcrta.
957. badinavä v. prt. büddä braten, rösten. — skr. ybhrajj bhrajjati M.3 183, p. bhajjati.
958. baduna s. Gefäss KJ. 593. — skr. p. bhäjana Jay., Cl.
959. baduru adj. gut, schön, trefflich. — Wird meist zu bhadra gestellt; doch ist
dieses eher = sgh. bada in badaJcala (s. hier). Ich leite das Wort von skr. bandhtira
(BR. Nachtr.) = ramya ab. Daher auch die Nbf. bahduru.
960. bandinavä v. prt. bündä binden, bada „gebunden". — skr. p. ybandh bandhati,
baddha A. 28, Ch. 147, pkr. bandhai, baddha.
961. bapa s. Thräne. — skr. bäspa, p. bappa, pkr. bappha; hi. u. s. w. bämph „Dampf"
(Gr. 50. 31).
962. bamba s. Brahmane; der beste, trefflichste. — skr. brahman, brähmana M.3 183,
p. brahma, brähmana, pkr. bambha, bambhana.
963. bambaya s. ein best. Mass, Klafter. — skr. vyäma M.3 183, p. byäma. Sgh. auch
väma, das auf p. vyäma (neben by°) zurückgeht.
964. bambarä s. Biene, Wespe. — skr. bhramara M.3 183, K. 426, p. pkr. bhamara;
ö. hi. bhaumrä.
965. bambarn, -buru s. Purpurfarbe, braune Farbe. — skr. babhru, p. bahbu
(„Ichneumon").
966. bamburu-kes s. Locke. — Wtl. das geringelte Haar. skr. bhramaraka „Locke,
Kreisel". Vgl. d. folg.
967. bamana s. Drehung, Windung, Kreis, bamanavä v. „sich im Kreis bewegen,
sich ringeln". — skr. ybhram bhramati, bhramana, p. bhamati, pkr. bhamai.
968. baya, -bä s. Furcht. — skr. p. pkr. bhaya.
969. bara s. 1. Last, Gewicht; adj. schwer, gewichtig. — skr. p. pkr. bhara.
Sgh. baramas (Jay. = mörä) „Haifisch" ist wohl = „der schwere, grosse Fisch".
2. num. zwölf. — p. pkr. bärasa (= skr. dvädasa); hi. bäraha, m. bärä u. s. w.
R. 239.
970. barana s. Schlange. — Zu skr. Yblmr bhurati „zucken, zappeln, schnellen"^
vgl. bhurana, bhuramju.
971. bal (bei Jay.) jung, Kind; dumm, einfältig, Thor. — skr. p. pkr. bäla.
972. bala s. 1. Kraft, Stärke, Macht, Heeresmacht. — skr. bala u. s. w. — —
2. Loch, Höhle, Grube. — skr. p. pkr. bila Jay.
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973. balanavä v. prt. bäluvä schauen, sehen, blicken. — Mit skr. avalökay-, wozu
das V. M.3 183 gestellt wird, vermag ich es nicht zu vereinigen. Es wird viel-
mehr auf die skr. Vbhal (vgl. ni-bhal „wahrnehmen") zurückgehen; pkr. blialai
»erinnert sich" (Pischel, Hern. II, S. 140).
974. balasa s. Angel (zum Fischen). — skr. balisa, badisa (BR. v°), p. balisa, pkr. bad°
und bal°. Sgh. auch biliya M.3 184.
975. bald s. Kranich. — skr. p. baläkä M.3 183.
976. ballä s. pl. ballö Hund. Die Zusammenstellung mit skr. Ybhas „bellen", bhasaka, -na
„Hund" (ein bhasala M.3 183 kenne ich nicht) ist mir zweifelhaft. Ich erkläre
ballä aus *baluvä, *balvä und leite dies ab von skr. bhalluka, das nicht nur „Bär",
sondern auch „Hund" bedeutet. Das Sgh. hat auch die Grdf. balu „Hund" erhalten.
Davon balumäkkä „Floh", wtl. Hundefliege (s. mäkkä). Sollte aber bussä „Hund"
des Rodiyä-Dial. von Ybhas herkommen?
977. bava s. das Sein; Zustand, Existenz, Thatsache. Oft zum Ausdruck von
Declarativsätzen : hulanga tada bava däka „wie er sah, dass der Wind heftig war"
Math. 14. 30. — skr. p. pkr. bhava.
978. basa s. Sprache. — skr. bhäsä M.3 183, p. pkr. bhäsä.
979. bahala adj. viel, reichlich, dick, massig. — skr. p. pkr. bahula.
980. bahinavä, bas° v. prt. bässä hinabsteigen, irgendwo landen (RR. 2. 6. 2); (von
der Sonne) untergehen. — skr. Ybhrams bhramsate P. 6. 34, M.a 26; p. bhassati,
pkr. bhamsai.
981. bala (so Jay.) Krieger, Soldat. — skr. p. bhata (Jay.), pkr. bhada.
982. balalä s. pl. balallu Katze. — skr. bidäla, -ra A. 22, p. biläla, -ra; hi. bilär u. s. w.
balu s. Hund; balumälckä „Floh" s. unter ballä.
983. bä s. 1. Furcht. — s. baya. — — 2. Arm. — skr. p. pkr. bähu R. 243, hi. u. s. w.
bämh; z. B. Pärakumbä n. pr. = Paräkramabähu. 3. Anteil, Loos, Glück.
— skr. p. pkr. bhäga M.3 184.
984. bik 1. Bettel; 2. buddhistischer Bettelmönch. — skr. bhiksä, bhiksu A. 30, p.
pkr. bhikkhä, bhikkhu; m. bhlk „Bettel" u. s. w.
985. binya, bihgu s. grosse schwarze Biene, Wespe. — skr. bhrnga, p. pkr. bhihga in
bhmgaräja Pflanzenname.
binu, -numa, -nima s. das Reden, Sprechen s. baninavä.
986. bita, bitu s. Mauer, Wand. — skr. bhikti, p. pkr. bhitti Jay.; hi. bhit, bhimt,
m. bhint, bhtmt u. s. w.
987. bihda s. Tropfen. — skr. p. pkr. bindu R. 247; hi. m. bund u. s. w.
988. bihdinavä v. prt. bindä, intr. brechen; bindenavä, prt. bindunä „zerbrechen, sich
spalten"; bihduvanavä trans. „brechen". — skr. Ybhid bhinatti, Ch. 147, p. bldndati,
pkr. bhindai.
989. bimbu s. Scheibe (der Sonne oder des Mondes). — skr. p. pkr. bimba Cl. Sgh. bim-
buru „Bild, Abbild" geht auf bimharüpa zurück.
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990. bima, bin-, bim- s. Grund, Boden, Erde. Mn-taihbum, bim-liya Pflanzen-
namen u. a. m. — skr. p. pkr. bhümi A. 44.
991. biri 1. s. Gattin, Weib (bäri bei A. 22). — skr. bhäryä Jay., p. bliariyä,
pkr. bhäriä. — — 2. adj. furchtbar, schrecklich (auch bim). — skr. p.
pkr. bliiru.
992. bilihdä s. pl. -dö Knabe KJ. 618. — Scheint dem skr. bälendu zu entsprechen
mit übertragener Bed.
biliya s. Angel s. unter balasa.
993. billa s. pl. Uli Tribut; Darbringüng, Spende (an Dämonen u. s. w.). — skr.
p. pkr. bau. Vgl. biliputu „Krähe" = skr. balipusta, p. baliputtha.
994. bisi, bihi s. Matte, Strohbund (zum Reinigen der Füsse); Sitz (eines Asketen).
— skr. brsl, p. bhisl.
995. bisev, -sov, -so s. Königin (die erste Gemahlin des Königs). — skr. abhiseka
P. G. 36, K. 422, p. abhiseka, pkr. abhisea.
996. bihi adv. draussen, ausserhalb, bihidora „Aussenthor, Vorthüre". — skr. bahis
Jay., p. bald, bahim, pkr. bahim, bähimmi. Vgl. bähära.
997. bihini (bei Jay.), buhun s. (ältere) Schwester. — skr. p. bhagini, pkr. bahint;
hi. bahnt, bahin, m. balün u. s. w.
998. bihiri adj. taub, bihirä „ein Tauber". — skr. p. badhira R. 247, K. 414, pkr.
bahira; hi. bahirä u. s. w.
999. but s. das Essen, das Speisen (Jay.). — skr. bhuMi Jay., p. bhutti.
1000. budinavä v. essen, speisen; dazu bidi „das Essen" (von Priestern gesagt). —
skr. ybhuj bhuhjate, pkr. bhunjai.
1001. budu s. N. des Buddha. — skr. p. pkr. buddha.
1002. bun 1. s. Wurzel (eines Baumes) bei Jay. — skr. budhna, p. bunda, pkr. bundha
Hem. 1. 26. Das sgh. W. geht auf eine Grdf. ohne Metathese zurück. — —
2. adj. a) gegessen. — Zu ybhuj) setzt ein pp. *bhugna voraus. b) geöffnet,
erschlossen (von Blüten). — skr. bhinna von Ybhid = sgh. biüdinavä. — —
c) gebrochen. — skr. bhagna von Ybhahj bhanaldi M.3 184; im p. pkr. wird
bhagna zu bhagga assimiliert, also abweichend vom Sgh. — — d) gekrümmt,
gebogen. — Zu skr. ybhuj bhiijaü, bhugna.
1003. bubula s. Pustel, Beule. — skr. budbuda, p. bubbula.
1004. burul adj. lose, locker, undicht; schwach, gebrechlich, alt. — Steht für
*vurul = skr. p. pkr. virala.
1005. bulat s. Betel pfeff er. — Metathese für *tafod (vgl. Rodiyä-Dial. tabala, Sitzungsber.
d. bayer. Akad. d. Wiss. 1897, S. 17, Nr. 126) = skr. tämblda, p. tambüla,
pkr. tambola. Die Zusammenstellung der Wörter schon M.3 184.
1006. buhu, boho, bö adj. viel, zahlreich. — skr. p. pkr. bahu M.3 185.
buhun s. ältere Schwester s. bihini.
1007. buhuman s. Liebe, Verehrung, Hochachtung. — skr. p. bahumäna CL,
pkr. bahumäna.
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1008. buhuru s. Loch, Höhlung, Grube. — Für *vuhuru = skr. p. pkr. vivara.
1009. bü s. Dämon, Gespenst. — skr. p. bliüta, pkr. bhüa.
1010. betta s. pl. beti Mist, Dung KJ. S. 178, Z. 17. — Vielleicht für *vetta = skr. visthä.
1011. bendivala, -duv- s. eine Art Speer (auch Rasiruiesser der buddhist. Priester). —
skr. bhindipäla (auch mit nd geschrieben), p. bhindiväla, pkr. bhindivala.
1012. beut s. Dämon, böser Geist. — skr. p. pkr. bhtma. Die Bed. „Dämon" findet
sich auch im Päli.
1013. beraya s. Trommel, Tom-Tom. — skr. p. bheri M.3 185.
1014. bela N. eines Baumes, Aegle Marmelos, dessen Frücbte in der Medicin verwendet
werden. — skr. bilva, p. Ulla.
1015. beheda s. Medicin, Heilmittel. — skr. bhaisajya M.3 185, p. bhesajja.
1016. be s. Teil, Scheidung, Spaltung. — skr. p. bheda M.3 185, pkr. bhea. Ich leite
darauf auch begab, „ Lügenhaftigkeit " zurück, wtl. „Spaltkehle. Spaltmund" (zur
vulg. Bed. „Mund" s. Sitzungsber. d. bayer. Akad. d. Wiss. 1897, S. 13, Nr. 68).
Vgl. „Doppelzüngigkeit".
1017. bodun s. Essen. — skr. p. bhojana M.3 185, Jay., pkr. bhoana.
1018. bonavä v. prt. blvä trinken. — Erweichung des Anlautes und Contraction.
skr. ypä pibaü, p. pivati, pkr. pivai, piai. Man vgl. auch sgh. povanavä,
prt. pevvä „trinken lassen, tränken, einsaugen lassen".
1019. boruva s. Falschheit, Lüge. — Nach P. Goldschmidt (IA. 6, 325 Note) = skr.
p. aparädha, pkr. avaraha. Also für *voruva. Sgh. varada „Fehler, Irrtum" (auch
värädda, pl. -di) kann keine historische Entwickelung aus aparädha sein, da inter-
vokalisches dh sich nicht erhält. Es ist wohl Neubildung, wobei das d durch
Anlehnung an das Verb, varadinavä (s. dort) sich erklärt. M.3 198 wird värädda
zu skr. viruddha gestellt.
boho, bö adj. viel s. buhu.
1020. bö s. Einsicht, Erkenntnis, Erleuchtung, bögaha, böduma „der heilige Feigen-
baum*. — skr. p. bodJu Jay., pkr. bolii.
1021. bägin part. gemäss, nach, entsprechend, je. — Schon von Childers, JRAS.
N. S. 8. 140, zu skr. p. bhägena gestellt. Es stört jedoch die Bewahrung des g.
Ich vermute daher eher eine Grdf. *bhagga (p. bhägiya).
1022. bätiya s. Liebe, Verehrung, Cultus. KJ. 328, 350; Cl. nur bätiyen (Ss. 105
bätin). — skr. bhakti M.3 185 (auch Ss. 7, Comm.), p. pkr. bhatä.
1023. bäma s. Augenbraue. — p. bhama, bhamaka K. 413. Mit blirü, wie R. 243
geschieht, darf das Wort natürlich nicht unmittelbar verglichen werden.
1024. bäri adj. unmöglich. — Ich leite das Wort von skr. apärya ab. Vgl. tadvaJctum na
päryate „es ist unmöglich, dies zu thun". Im P. wäre ein *apäriya voraus zu setzen.
1025. bürini s. schwangere Frau. — skr. bhärint „die Tragende".
1026. bäla s. Lohn, Mietslohn. Jay. bäla. — skr. bhäta, bhäti.
1027. bävin part. wegen, infolge von . . . Dient zum Ausdruck causaler Vordersätze.
KJ. 272 u. s. w. — skr. bhävena Childers, JRAS. N. S. 8, 140.
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1028. bäliä, bä adj. unmöglich, z. B. mata meJca haranta bä „ich kann dies nicht thun".
— Vielleicht = skr. p. bädhita, pkr. bähia etwa in der Bed. „beseitigt, auf-
gehoben, ausgeschlossen".
1029. bühära adv. draussen, ausserhalb, beiseite, weg. — p. bähiram, -re, pkr. bähira.
1030. ba s. Bruder. — skr. bhrätr A. 30, M.3 185, p. N. bhätä, bhätika, pkr. N. bhää;
ö. hi. bliai (H. 45) u. s. w.
1031. bänä s. Neffe, der Schwester Sohn; Schwiegersohn. — skr. bhägineya
Khts Davids, JRAS. N. S. 7. 366, p. bhäginejja. Auch sgh. bühänä.
M
1032. makanavä v. prt. mälcuvä austilgen, ausrotten, zerstören. — skr. ymraJcs
mräksati „reiben", doch schon Rv. 8. 50. 10 mraksaJcrtvan „zerstörend"; p. makkheti
(z. B. padam „eine Fussspur auslöschen"), pkr. makkhai. Sgh. mäht „Entstellung,
Verläumdung" = skr. mraksa, p. malikha „Heuchelei". Nach M.3 191 s. v. mäkuvä
ginge sgh. mirikanavä „pressen, drücken" (mit Spaltung von mr) auf die nämliche
ymraks zurück.
1033. malcul s. 1. Spinne; Affe. — skr. markata K. 426, p. makkata, pkr. makkada
(PlSCHEL, Hern. 2, 13). — — 2. Thon, Pfeifenthon. — skr. malikula.
1034. maga, man s. Weg, Pfad, magi „Wanderer". — skr. märga M.3 186, p. pkr.
magga; hi. mämg, m. mag u. s. w.
1035. magurä s. ein best. Flussfisch. — skr. madgura Jay., p. maggura.
1036. magula s. pl. magid glückliche Gelegenheit; Fest, Hochzeit. — skr. p.
pkr. mangala M.3 186.
1037. mata adj. geglättet, poliert, glänzend, blank. — skr. mrsta (Ymrj), Jay.,
p. mattha, matta, pkr. mattha (Hern. 1. 128). Vgl. madinavä.
1038. mada s. 1. Schleim, Schaum, Rahm; Schlamm. — skr. p. manda Cl. Hieher
gehört auch madabima „Sumpf", das nicht mit Childers, JRAS. N. S. 7. 44, zu
skr. mrttikä gestellt werden darf. — 2. Schmuck, Zier. — skr. manda Bed. 4
bei BR., p. mandana Cl.
1039. madinavä v. prt. mäddä pressen, reiben; ausdrücken, (Reis von seiner Hülse)
säubern, madavanavä v. „das Feld für die Aussaat vorbereiten, indem man Büffel
darauf treibt, die den Boden zerstampfen". — skr. ymrd mardati M.3 191
u. d. W. mädä, p. maddati, pkr. maddai Hern. 2. 36, 4. 126.
1040. madulla s. pl. madulu Ring, Kreis, kreisförmige Halle. — skr. p. pkr. mandala
M.3 186. Auch sgh. mädilla „Ring, Scheibe" und mädillä „Schlange" (= die
geringelte; vgl. skr. mandalin dass. BR. Bed. 2).
1041. maduva s. Hütte, Behausung. — skr. p. mandapa M.3 186, pkr. mandava.
1042. mat 1. adj. toll, trunken. — skr. p. pkr. matta. — — 2. s. Kopf, Haupt. —
skr. masta neben mastaJea, p. matthaka, pkr. matthaa; hi. m. mäthä u. s. w.
1043. matu adv. 1. künftig KJ. 103; früher, bisher; oben Ss. 56; matupita „Ober-
seite". — Geht auf masta, -ha (P. G. 44) zurück. Vgl. das vor. 2 und p. mattkake
bei Childers. — — 2. nur. — skr. -mätra, p. -matta. Unrichtig M.3 186.
239
1044. maturus. Zauberspruch. Dav. maturanavä, prt. mätunwä „ Zaubersprüche murmeln,
beschwören". — skr. mantra Cl., p. pkr. manta. Das sgh. W. führt auf eine
Grdf. zurück, wo tr zu tur gespalten wurde. Vgl. yaturu.
1045. mada 1. s. Kern (einer Frucht). — skr. majjan „Mark" A. 7, M.3 186. Vgl. midulu.
— — 2. s. spirituoses Getränke, Arak. — skr. madya, p. pkr. majja.
3. adj. klein, gering, schwach. — skr. p. pkr. manda. Sgh. madak „ein
wenig", madakalak Ss. 38, 44 „kurze Zeit".
1046. madata s. eine Art kleiner roter Beeren, mandaüya N. eines Baumes mit rotem
Holze, madata-van „rote Farbe". — skr. mahjistha „hellrot", -isthä „indischer
Krapp" Jay., p. pkr. manjitthä.
1047. madara s. 1. N. eines Baumes, Erythrina Indica. — skr. p. mandärava, pkr.
mandäla. — — 2. N. des Berges Meru (auch maduru). — skr. p. mandära.
1048. madinavä v. prt. mäddä reiben, wischen, wetzen, schärfen, amadinavä
(harn0), prt. ämäddä „abwischen, fegen, reinigen". — skr. Ymrj marjati Ch. 147,
p. majjati, pkr. majjai. amad0 = mrj -f- sam, p. sammajjaü.
1049. maduru s. 1. = 2. madara. — — 2. Muskito. — Ich leite das W. von skr.
mandra ab; es bedeutet das „summende" Insekt.
1050. mados s. Kasten, Koffer, Kiste Ss. 56. — skr. manjusä, p. manjüsä.
1051. man s. 1. Herz, Sinn, Gemüt. — skr. manas, p. mana, pkr. mana. 2. Stolz.
— skr. p. mana Cl., pkr. mana.
1052. manav, manvä s. Mensch. — skr. p. mänava.
1053. manä adj. schön, anmutig, lieblich. — skr. manaäpa, p. manäpa.
1054. maninavä v. prt. männä messen, ausmessen. — skr. Ymä, p. minäti.
1055. manumaraTca s. Enkel. Altsgh. Wort. Inschriftlich 5. 1, 10. 2, 61. 5. — Von
Goldschmidt IA. 6, 325 zu skr. manorama gestellt, also Metathese aus *manurama-ka.
Zur Bed. vgl. skr. nandim. Die moderne Form ist munuhirä (durch *munum-
bura), M.a 25.
1056. mayil s. Oheim, der Mutter Bruder; Schwiegervater. — skr. p. mätula Jay.,
pkr. mäidaga.
1057. maranavä v. prt. märuvä töten, märenavä, prt. märunä „sterben", mala „tot"
s. bes. — skr. ymr, caus. märayati, p. märeti „er tötet", pkr. märei A. 5, 27,
Ch. 147. Vgl. mlyanavä.
1058. marä s. Smaragd; adj. grün. — skr. marahata, pkr. Ap. maragaa.
1059. maru s. Wind. — skr. marut, märuta, p. maru, märuta, pkr. maru, märua.
1060. maruvä s. der Tod (personif.). — skr. p. märaka.
1061. mal s. 1. Becher, Trinkbecher. — skr. malla BR. Bed. Id. — — 2. Wilder.
Barbar. — Das Wort soll den bedeuten, der von Bogen oder Schlinge (mala)
lebt. Im Väddä-Dial. wurde mir maläliya für „Bogen* angegeben. Vgl. maladara
„Bogenschütze, Wilder". Das Wort ist schwer zu erklären. Vgl. die Volksnamen
Malla, Malaya in Skr. Sicher aber scheint mir, dass der Name der Maldiven mit
unserem mal zusammenhängt, also „Barbareninseln". Vgl. Clough u. d. W.
Abk d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 31
240
1062. mala s. 1. Ausscheidung, wie Urin, Menstrualblut u. s. w. — skr. p. pkr. mala
„ Schmutz" A. G. S. 342. 2. Blume. — skr. p. pkr. mala K. 428. Vgl.
malvaru „ Kranzbinder " = skr. mäläkära M.3 187.
1063. malakidü (fehlt bei Cl.) Väddä-Frau. — Merkwürdiges Wort; malak = p. milakkha
Jay. aus skr. mleccha -\- du „ Tochter".
1064. mali s. .1. Frau während der Regeln. — Gehört zu 1. mala. — — 2. eine
best. Art Gans. — skr. p. mallika.
1065. mav, mä s. Mutter. — skr. mätr K. 421, R. 248, Jay., p. N. mätä, pkr. mää;
si. mäu u. s. w.
1066. mavanavä v. prt. mävvä machen, bilden, schaffen. — skr. Ymä, caus. mäpayaü,
Ch. 150, p. mäpeti.
1067. mavul s. Krone, Diadem. — skr. p. makuta, pkr. mauda. In den mod. Dial.
maur Gr. 49, 419. Vgl. muhula.
1068. mas s. 1. Fisch. — skr. matsya M.2 19, p. pkr. maccha; hi. mäch, m. mäs,
assam. mäc (Gr. 50. 4, 26). — — 2. Fleisch. — skr. mämsa K. 417, p. pkr.
mamsa; vgl. Gr. 50. 39. 3. Monat. — skr. p. pkr. mäsa M.3 187.
4. Bart. — skr. smasru, p. massu; pkr. mam.su, massü; hi. niüch, b. mömch u. s. w.
1069. masu s. eine best, kleine Münze. Inschriftl. 145, 7. — skr. mäsaka, p. mäsaka.
Vgl. Rhys Davids, Anc. coins and measures of Ceylon S. 23, Anm.
1070. masuru, mes° s. Eifersucht, Neid. — skr. mätsarya M.3 187, p. macchariya,
macchera; pkr. macchara.
1071. maha 1. adj. gross (auch ma) = skr. p. pkr. malm-. In zahlreichen Zusammen-
setzungen, z. B. mahagu „ wertvoll" = skr. mahärgha, p. mahaggha M.3 187;
maharu dass. = skr. mahärha Jay., p. mahäraha; mahidi „reich" = skr. maharddhi
M.3 188. 2. s. Fisch; Monat = 1. und 3. mas. 3. Licht, Glanz.
— skr. mahas. — — 4. Opfer, Darbringung. — skr. maklia.
1072. mahana s. buddhistischer Priester, Mönch, Asket; fem. meheni „Nonne". —
skr. sramana, -nl, p. pkr. samana, -nl. Metathese aus *liamana M.3 187, K. 420.
1073. mahal s. Wohnung, Behausung, Palast. — Ich leite d. W. von skr. mahälaya
(maliä -\- ä.) ab. Im Zusammenhange damit steht auch sgh. mäligäva „Palast"
(mä° contr. aus maha0).
1074. mahalu adj. alt, bejahrt. — skr. p. mahalla, -aka. Sgh. meheli, mühüli „altes
Weib" = skr. p. mahalUkä. Wird bes. von der eigenen Frau gesagt. Vgl. „Alte",
balücT zäl.
1075. mala adj. tot. — skr. mrta R. 248, p. mala, pkr. maa: hi. muä, m. mele u. s. w.
Sgh. malasirura „Leichnam" (bei Jay.) wäre skr. mrtasanra.
1076. maluva s. Hof (am Hause) RR. 52. 53. S. 18. — p. malaka.
1077. mä 1. adj. gross, contr. aus 1. maha; z. B. mävata „Hauptstrasse" s. 4. vat.
2. Täuschung, Blendwerk, Betrug, Gaukelei (auch mä). — skr. p. mäyä,
pkr. mää.
1078. mägam s. Frau, Weib. — skr. matnjräma „der Complex der Mütter" = die Weiber
(vgl. unser „Frauenzimmer"), p. mätugäma.
241
1079. mävat s. Eule. — Richtig bei Cl. erklärt als die „grossgesichtige" aus mä + 3. vat
= skr. vaktra.
1080. mita s. Faust; Handvoll. — skr. musti K. 427, M.3 188; p. pkr. mutthi;
ö. hi. müth u. s. w.
1081. mitiya s. Hammer; Bündel (zusammen gebundene Dinge). — Zum vor. Vgl. zur
ersten Bed. skr. musti K. 438, p. mutthi „ Handgriff (eines Instruments)", zur
zweiten mita „ Handvoll".
1082. mitiyä s. Zwerg. — Ich leite das W. von mita ab. Es bed. urspr. „Fäustling",
vgl. unser „Däumling".
1083. midi, midiya s. Frau mit kahl geschorenem Kopfe, Sklavin. — skr. munditä, pp. von
munday- „kahlscheren", munda „kahlköpfig", p. munda, mundika, mundei, pkr. mundai.
1084. mina, mäna s. pl. mini Juwel, Edelstein, Kleinod. Die Bed. Knospe, Knospen-
hülle ist erhalten im Comp, minimutu „aufgeblüht", wtl. aus der Knospenhülle
befreit. — skr. p. pkr. mani K. 430.
1085. mit s. Freund. — skr. mitra Jay., p. pkr. mitta.
1086. midi s. Rebe. — skr. mrdhviJcä, p. muddiJcä.
1087. miduhi s. Mark (in den Knochen). — Gehört zu p. minja; si. mina. Vgl. dag. mada.
1088. min s. 1. Mass. — skr. p. mäna. — — 2. Fisch. — skr. mina Cl. — —
3. Wissen, Weisheit. — In dieser Bed. stelle ich d. W. zu dem Verb. p. munäti,
pkr. munai „er weiss, kennt".
1089. minis, minisä, -hä s. pl. -issu Mann, Mensch. Auch mint „Leichnam". —
skr. manusya A. 21, 44, p. manussa, pkr. manussa.
miya s. Erde s. mihi.
1090. miyanavä v. prt. mala sterben. — skr. ymr mriyatc, p. mlyati, miyyati.
miyu, mivu s. Büffel s. ml.
1091. miyuru 1. s. Pfau. — skr. p. mayüra, pkr. maüra. — — 2. adj. süss, ange-
nehm; s. Süssholz. — skr. p. madhura K. 419, pkr. mahnra.
1092. miringu s. Luftspiegelung, Fata Morgana. — skr. p. vgl. maficikä M.3 189.
Vgl. mära.
1093. miris s. Pfeffer. — skr. p. marica M.3 189, K. 428.
1094. mila s. Preis, Wert, Geld. — skr. p. miäya M.3 189, pkr. vgl. molla (aus
maulya). Dagegen ist mTda im sgb. vud.
1095. milina adj. schmutzig, schwarz. — skr. p. malina, pkr. malina.
1096. milis s. Barbar, Wilder. — skr. r.deccha, pkr. miliccha. Geht auf die Form mit
cch zurück, maldk auf die mit hhh; s. Nr. 1063.
1097. misa adj. falsch, irrig. — skr. mithyä, p. pkr. micchä Jay. Vgl. misaditu „Ketzer"
= skr. mithyädrsti M.3 189.
1098. mihi, ml, miya s. Erde. — skr. p. pkr. mahl M.3 189.
1099. mihihgu s. 1. eine best. Art Trommel, Pauke. — skr. mrdahga M.3 189, p.
vgl. muühga, pkr. muihgu Hern. 1. 46. Ss. 21, Comm. — — 2. Baumname,
Bassia longifolia. — skr. madhuka. Sgh. auch ml-gaha M.a 21.
31*
242
1100. m% s. 1. Erde s. mihi. — — 2. Honig (auch mihi). — skr. p. madhu M.3 189,
K. 419, pkr. malm. — — 3. Ratte. — skr. müsika M.3 189, K. 424, p. müsika,
pkr. musia und müsaa. — — 4. Büffel (auch miyu, mivu). — skr. mahisa
K. 423, M.3 189, p. pkr. mahisa; si. mihi, g. bhtms.
1101. muh 1. s. Dämon, Geist. — Ich leite das W. von p. pkr. mukha (Nbf. zu mutta
aus mukta) ab; es bezeichnet den aus den Schranken des Leibes befreiten. — —
2. adj. stumm. — Zweifellos = skr. müha. Das erhaltene Je weist auf eine
Grundform *muJcka hin. p. müga.
1102. muguru s. Keule, Hammer. — skr. mudgara K. 433, M.3 189, p. muggara,
pkr. moggara; b. mugur.
1103. muh, muhgu s. eine Art Erbse, Phaseolus mungo. — skr. mudga M.3 189, p.
pkr. mugga: hi. mTimg, m. müg, si. muhu u. s. w. Gr. 50. 25.
1104. mudu adj. kahl, kahlköpfig. — skr. p. pkr. inunda. Vgl. midi.
1105. mut 1. s. Befreiung, Erlösung (Jay.). — skr. muktt M.3 189, p. pkr. mutti. — —
2. adv. ausgenommen, abgesehen von ... — skr. muktvä.
1106. mutu s. Perle. — skr. muktä A. 46, p. pkr. muttä.
1107. mudanavä v. prt. miduvä lösen, erlösen, befreien, midenavä »erlöst, frei
werden". — skr. Ymuc muheati A. LIV, P. G. 16, p. muheati, pkr. mucai.
1108. muduna s. Kopf, Haupt; Spitze, Gipfel. — skr. mürdhem M.3 189, p. muddhan,
pkr. muddha. Inschrifth mimdan vgl. M.a 29.
1109. muduva, mudda s. pl. mudu Ring, muduvaru »Goldschmied", wtl. Ringmacher.
— skr. mudrä, -ikä, p. muddä, -ikä, pkr. muddä. muduvaru wäre skr. '''madräkära.
munuburuvä s. Enkel s. unter manumaraka.
1110. mul, mula s. Wurzel, Anfang, Ursprung, Grund, Ursache. — skr. p.
pkr. mTda K. 428. Vgl. mil. Mit dem W. hängt wohl auch midu, -lu »ganz,
vollständig", midulla »Gesamtheit" zusammen. S. M.3 190. Die Bedeutungsver-
mittelungen geben Ausdrücke wie mulusun »bis zur Wurzel, vollständig zerstört".
1111. muva s. 1. Hirsch. — skr. mrga M.3 190, p. miga, pkr. mia. Vgl. sgh. muvatana
»Fata morgana" = skr. mrgatrsnä Cl., p. migatanhikä. — — 2. Mund. — skr.
p. mukha A. LIV, pkr. nrnha.
1112. muvata s. Schärfe, Schneide (eines Schwertes u. s. w.). — Ich zerlege d. W.
in muva -j- ata = skr. mukha (»Schneide" z. B. Böhtlingk, Ind. Spr. 5258)
-f- anta.
1113. muvan s. Baum (im allg.). — Aus 1. muva -\- an = skr. mrga -\- anna, also
»Wildfutter".
1114. muvara s. Haifisch. — skr. p. mäkara Jay., pkr. maara.
1115. musa s. 1. Irrtum, Täuschung. — skr. misa, pkr. misa. — — 2. das Dahin-
schwinden, Bewusstlosigkeit, Ohnmacht. — skr. mürchä, p. pkr. mucchä.
1116. musä s. Schmelztiegel. — skr. mTisä, p. mäsä.
1117. musu, muhu s. gemischt, gemengt, m.-karanavä »mischen". — skr. misra, p.
pkr. missa.
243
1118. muhuda, müda s. Ocean. m.-van „dunkelblaue Farbe". — Metathese aus *humudu
= skr. samudra M.3 190, K. 413, p. pkr. samudda.
1119. muhuna s. Angesicht, Antlitz. — Dass m. zu skr. mukha gehört (vgl. K. 426,
M.3 190), ist allgemein angenommen. Die Erklärung gibt die Nbf. muhul (bei
Jay.), welche sich zu pkr. muhidla stellt. Vgl. Gr. 49. 398.
1120. muhula, -lu s. Haar, Locke, bes. das auf dem Scheitel aufgebundene Haar-
geflecht; Diadem. — skr. muJcuta, Nbf. zu makuta, das in mavul, s. dort,
vertreten ist.
1121. mulu 1. adj. thöricht, dumm (bei Jay.). — skr. mädha (Ymuh), p. mulha,
pkr. mädha.
1122. mü 1. pron. er, sie, es. — skr. Pron. St. amu, p. amuka, pkr. amu. — —
2. s. Urin. — skr. mütra, p. pkr. mutta. mü hat jedoch ein *müta zur Voraus-
setzung.
1123. met s. Freundschaft, Zuneigung. — skr. maitri M.3 190, p. pkr. mettl.
1124. men adv. wie, gleichsam, z. B. kadöpäniyan men „gleich Glühwürmern" RR. 27. 4,
S. 9. — Ich leite d. W. vom instr. skr. p. samena „auf gleiche Weise" ab.
1125. mera s. berauschendes Getränke, Arak, Wein. — skr. malreya, p. meraya.
112Ö. mela s. Zusammenkunft, Versammlung. — skr. p. melä.
1127. meli adj. reich. — Vgl. pkr. midi, mülilla.
meleJc adj. zart, fein s. unter molok.
1128. mevun s. Paar, Paarung, Begattung, mevundam „Begattung". — skr. maithuna
M.3 189, p. methuna (vgl. methuno dhammo), pkr. mehunaa.
1129. mevul s. Gürtel. — skr. mekhala, p. mekhalä, pkr. mehalä.
mesuru s. Eifersucht s. masuru.
1130. mehe, me s. 1. das Essen, mehe- (nie-) vadanavä v. „essen". — skr. medha „Kraft-
brühe", p. medha „Opfer". — — 2. Arbeit, Werk, Verrichtung, mehe-
(me-) Jcaranavä „arbeiten". m.-Jcaruvä „Diener, Arbeiter". — Vielleicht Metathese
aus *heme, *hama = skr. srama (sramam kr), p. sama. Zweifelhaft.
1131. me s. 1. = d. vor. — — 2. Wolke, mekala „Regenzeit". — skr. p. megha Gl.,
pkr. meha; ö. hi. meh, memli u. s. w.
1132. mok s. 1. Befreiung, Erlösung. — skr. moksa, p. pkr. mokkha. — — 2. her-
vorragend, der beste. — skr. maukhya, p. mokkha.
1133. mora s. Lärm, Geschrei. — Steht für *muvara wie dora für *duvara; skr.
p. mukJiara „geschwätzig", skr. mukharayaü „er schwatzt, lärmt", pkr. muhala
„erhallend".
1134. molok, melek adj. zart, fein, weich. — Metathese aus *komol = skr. p. pkr.
Jcomala M.3 191.
1135. mohol, mal s. Keule, Stössel. — skr. p. musala M.3 191, pkr. musala.
1136. mö s. Unwissenheit, Irrtum, Verblendung. — skr. p. pkr. moJm Jay.
möl s. Keule s. mohol.
mä s. Blendwerk, Gaukelei s. mä.
244
1137. mäkkä s. Fliege in balumäkkä „Floh" (s. unter ballä). — skr. maksikä, p. makkhikä;
pkr. makJchiä', hi. mäklii und mämkhl. Vgl. mässä.
1138. mägum s. verb. das Sehen, Betrachten, Wahrnehmen. — Hat ein V. *maganavä
zur Voraussetzung. Dieses vgl. ich mit skr. märgayati „ersucht", p. maggeti, -ati
„spürt auf", pkr. maggai; hi. Ymämg, m. Ymüg u. s. w. Gr. 50. 22. Analoger
Bedeutungswechsel zw. skr. vindati „findet" und Balücl gindag „sehen". Abhandl.
d. bayer. Akad. d. Wiss., I. OL, XIX., 1., S. 18.
1139. mäti s. Lehm, Thon. mätikaru „Töpfer". — skr. mrttikä M.3 191, p. mattikä,
pkr. mattiä; hi. mäti, m. mäti u. s. w.
1140. mäda s. Widder. — skr. medhra mendha Cl., p. menda.
1141. mädiyä s. Frosch. — skr. p. manduka M.3 191, K. 413, pkr. mandukka.
1142. mädilla s. Ring, Kreis; mädillä „Schiauge" s. madulla.
mäna s. Juwel s. mina.
1143. mäti s. Ratgeber, Minister. — Darf kaum (vgl. M.3 191, Jay.) auf skr. amätya
zurückgeführt werden. Dies ist p. pkr. amacca, würde also im Sgh. eher eine
Form mit s voraussetzen. Vielmehr ist mäti = skr. mantfm, p. mantin, pkr. manu.
1144. mäda s. Mitte, Centrum. Inschriftlich auch mända. müdi, mädum adj. „der
mittlere". — skr. madhya, -ama M.1 8, 3 191; p. pkr. majjha, -ima; hi. mämjh
und mäjh, m. mäj u. s. w. Gr. 50. 27. Vgl. den Monatsnamen mädindina
(M.2 18) = skr. madhyamdina „Mittag", mädumyama „Mitternacht" = skr.
madhyamo yämah.
1145. mädira s. 1. Haus, Tempel. — skr. p. pkr. mandira Jay. Cl. — — 2. Katze.
— skr. märjära, p. pkr. majjära; MISpr. östl. mamjärä, westl. -rä oder -rä.
1146. mänava, -vi adj. schön, gut. Häufig zum Ausdruck einer Bitte, z. B. duna-
mänavi „gib!" Ss. 102, kalamänavi „mache!" KJ. 650. — Wird P. G. 45, M.3 191
zu p. manäpa gestellt; vgl. sgh. manä.
1147. mära s. 1. Licht, Sonnenstrahl. — skr. p. marlci: dag. miringa (s. dort) =
skr. marlcika? — — 2. Grenze, Zaun. — skr. maryädä, p. mariyädä.
1148. mala s. Mattigkeit, Schwäche, mäli adj. „matt, schlaff", mälavenavä v. „welken".
— Gehört wohl zu skr. ymlä „welken, schlaff werden", mläta; p. miläyaü, miläta,
pkr. miläna „welk".
1149. mäsidä s. mineralische schwarze Substanz, als Medicin verwendet. — skr.
p. masi „Beinschwarz" -j- da = skr. dravya.
1150. mässa s. pl. mähi auf Pfosten ruhende kleine Plattform, Wächterhütte (in
Reisfeldern). — skr. rnahca „Gerüst, Plattform" (überh. alles, was auf Pfosten
ruht), mahcamandapa „Wachhaus", p. mahca „Bett".
1151. mässä s. pl. mässö Fliege. — skr. maksikä K. 426, pkr. macchiä; hi. mächt,
mämcht, m. mäsi Gr. 50. 26. In mässä und mäkkä (s. hier) liegen Doppel-
formen vor, wie im Prakrit.
mä s. Mutter s. mav.
245
Y
1152. ya s. Eisen. Gew. yakada, d. i. „Eisenstück". — skr. ayas Jay., p. aya.
1153. */«&, y«7.'ä s. Dämon, f. yakini. — skr. yaksa, yaksint A. 22, p. yakkha, yakkhinl,
pkr. jakkha.
1154. yakulu s. Eisenhammer, Schmiedehammer. — Aus ya -f- 7a<7« = skr. 7«tte.
1155. yata, -fi 1. adv. unten, unterhalb. Dav. yatat adj. „niedrig, demütig, servil".
— skr. adhastät; durch *ayatfjiä, also nicht unmittelbar von p. hetthä (Ch. 140,
A. 23) abzuleiten, sondern vielmehr eine parallele Entwickelung repräsentierend.
Vgl. auch p. aho-thita, pkr. ahe. — — 2. s. Stab, Stock; ein best. Mass
(= 7 Ellen). — skr. yasti Jay., p. yatthi, pkr. jattJii. Auch sgh. yätiya.
1156. yaturu s. 1. Maschine, Schloss. — skr. yantra Jay., p. yanta, pkr. janta.
Wegen -tur- aus -tr- s. maturu. — — 2. Weg, Pfad. — skr. p. yäträ,
pkr. jattü.
1157. yadinavä v. prt. yäddä bitten, anflehen, um Almosen angehen, yadi „Bettler*.
— skr. Vyäc yäcate, p. yücati, pkr. jäai.
1158. yanavä v. prt. giyä gehen, caus. yavanavä, prt. yävvä „senden, schicken". —
skr. Vyä yäti A. 27, p. yäti, pkr. jäi. Das prt. giyä = skr. p. gata, pkr. gwa.
1159. yaptma s. der Lebensunterhalt, das Leben, yapena dass. In älterer Spr. yäpenavä
„leben, existieren"; Rodiyä-Dial. noch ebenso, Sitzungsber. d. bayer. Akad. d. Wiss.,
I. Cl., 1897, S. 21. — Ich stelle das W. zu p. yäpana, yäpeti = skr. yäpana
yäpayaü. Die Grdf. muss jedoch *yappana gelautet haben. Sgh. yavanavä halte
ich für Neubildung. Vgl. das vor.
1160. yam 1. s. südliche Himmelsgegend. — skr. p. yama (der über die südl. H.
herrscht), p. jama. Sgh. vgl. yamayä N. des Totenrichters. — 2. Part, mit
relativischer Bed., z. B. yam-sH . . ., e-men . . . „auf welche Weise . . ., so . . .
RR. 64. 1. S. 22. — Zu Pron. St. skr. ya, und zwar wahrscheinlich auf Loc.
yasmin, p. yasmim, yamhi (pkr. jammi) zurückgehend. Vgl. yam-kisi „etliche,
einige", eine Bed., die auch yam allein annimmt.
1161. yala 1. s. Bez. einer der Ernten bei den Singhaleseu und zwar der geringeren
Nachernte im Monat September. 2. adv. wieder, noch, weiterhin. — Ist
auf skr. p. akäla zurückzuführen. Es bez. zunächst alles, was „ausser der Zeit"
anfällt, dann überh. alles Aussergewöhnliche, was zum Gewöhnlichen „noch weiter"
hinzu kommt. Das Adv. yala kommt von akälam. — — 3. Part, mal, sat-yalak
„hundertmal" GK. 22. — Identisch mit kaJa, das, zunächst nur hinter VokalenT
als -yala erscheinen musste.
1162. yav Part, bis, so lange als. yavdiv „lebenslang*. — skr. yävat, p. yäva, yävam,
pkr. ja (jäjivam).
1163. yaha, yasa 1. adj. schön, gut; 2. s. Rnhm, Ehre. — skr. yasas adj. und s.,
p. yasa, pkr. jasa. Sgh. yahapat „schön, gut" = y. -j- pat = skr. präpta.
1164. yahana s. Bett, Liegerstätte. — Metathese für hayana = skr. sayana M.3 192,
p. sayana, sena, pkr. sayana.
246
1165. yi Part, a) am E. einer direkten Rede, b) oft auch zum Abschluss eines Satzes
hinter dem Prädicatsnomen gebraucht. — Bei M.3 192 werden beide Partikeln
getrennt und a) zu skr. iti (p. iti, ti, pkr. ti, tti), b) zu skr. asti gestellt.
Letzteres ist lautlich unmöglich. In beiden Verwendungen ist yi = iti (Ch. 139),
und der sgh. Satz ü horayi „er ist ein Dieb" wäre im P. so coro iti.
1166. yu (fehlt bei Clough) s. Zeitraum von zwei Monaten. — skr. p. yuga „Paar8,
pkr. jua; ö. hi. jü (H. 42). Sgh. lies yu.
1167. yunu 1. s. schlimme Beschaffenheit, Schlechtigkeit. — skr. p. aguna.
2. adj. ähnlich, gleich. — skr. p. pkr. guna am Ende von Comp, „die Qualität
von dem und dem besitzend", zunächst hinter Vokalen.
1168. yuta s. Menge. — skr. p. yutlia, pkr. *jutthaa; ö. hi. jathä (H. 45).
1169. yutu adj. passend, geeignet, geschickt. — skr. yukta A. 31, p. yutta, pkr. Jutta.
1170. yuda s. Streit, Kampf. — skr. p. yuddha Cl., pkr. juddha.
1171. yuru a. E. von Comp, gleich, ähnlich. — skr. äkära, s. unter ayuru. Ich
möchte annehmen, dass yuru auf ein *akära mit Vokalkürzung vor der Tonstelle
zurückgeht. Vgl. Gr. 49. 397.
1172. yuvala s. Paar. — skr. p. yugala Jay., Cl., pkr. juala. Sgh. yuvalapat Bez. einer
Ebenholzart, Bauhinia variegata, wäre skr. *yugalapattra; vgl. yugapattra.
1173. yusa s. Suppe, Brühe. — skr. yüsa, p. yiisa.
1174. yela s. ein und ein halb, z. B. yelasiyayak — 150. — Wird schon M.3 193 zu
p. diyaddha gestellt. Schwierig.
1175. yehen adv. gut, schön KJ. 622. — Instr. zu yaha.
1176. yota s. Seil, Leine, Strick. — skr. yoktra, p. yotta.
1177. yodanavä v. prt. yeduvä verbinden, vereinigen, yedenavä, prt. yedunä „ver-
bunden sein; passen, sich ziemen". — skr. yyuj, caus. yojayaü Ch. 147, p. yojeti.
1178. yoduna s. pl. yodun ein Längenmass, Meile. — skr. p. yojana, pkr. joana.
1179. yon s. 1. Vulva. — skr. p. yoni M.3 193, pkr. joni. — — 2. Arabien. Vgl.
yonindi „Dattelpalme", yonä „Moorman, arabischer Händler auf Ceylon". —
skr. yavana, p. yavana, yona. Vgl. Childers, Pali Dictionary u. d. W.
1180. yona s. junges Weib. — Zu skr. yuvan, p. yuväna, pkr. juväna gehörig.
1181. yovun s. Jugend. — skr. yauvana, p. yobbana, pkr. jovvana.
1182. yö s. 1. Krieger, Soldat. — skr. p. yodha, pkr. joha. Sgh. yöbala dass. = y. -\- bala.
— — 2. Verbindung; Uebung, Meditation, Askese. — skr. p. yoga, pkr. joa.
yätiya s. Stock, Stab s. unter yata.
R
1183. rah s. Schutz, Hut. ralänavä „beschützen, behüten". — skr. yraks raJcsati, raksä
Ch. 147, p. ralckhati, rakkhä, pkr. ralJihai.
1184. ralciis, -ussä s. böser Geist, Dämon. — skr. raksasa A. 46, p. pkr. rakkhasa.
1185. ranga s. Aehnlichkeit, Gleichheit. — skr. p. ranga; die Bed. „ Aehnlichkeit"
hat sich aus der Bed. „Farbe", die im Sgh. noch vorliegt, entwickelt. Vgl. van.
247
1186. rata s. Gegend, Land, Distrikt. — skr. rästra P. G. 35, p. pkr. rattha.
1187. rana, ran s. 1. Gold. — skr. hiranya K. 431, p. hirahha, pkr. hiramna. — —
2. Wald. — skr. arawja, p. aranha, pkr. aranna. Hem. 1. 66 gestattet auch
ranna, das aber nach Pischel (Hem. II, S. 23) nur in Versen am Platze ist, wie
auch in Päliversen öfters ranna herzustellen sei. Sgh. ranis „ Jäger, Wäddä" (nur
bei Jay.) leite ich auf ein *aranyesa zurück.
1188. rat 1. adj. rot. ratäs, ratnuvan „Büffel", wtl. Rotauge; ratran „Gold", eigentlich
Rotgold. — — 2. s. Blut; Feuer. — skr. raUa R. 248, p. pkr. ratta;
MISpr. rata.
1189. rada s. 1. König, raddaru „Prinz"; radü a) „Bote" (rad + 3. du s. dort);
b) „Frau aus der Kriegerkaste" (rad -f- 1. du). — skr. räjan A. LIV, 6, p. N. räjä,
pkr. rää. 2. Linie. — skr. p. räji Jay. Sgh. auch roda. 3. Strick,
Seil. — skr. p. pkr. rajju. Sgh. auch rodu. — — 4. Staub. — skr. rajas,
p. raja.
1190. radavä s. Wäscher, radavl „Wäscherin". — skr. p. rajaka Ch. 143.
1191. randanavä v. prt. ränduvä färben. — skr. Yraj, caus. rahjayati, p. ranjeti,
pkr. ranjei.
ran s. 1. Gold; 2. Wald s. rana.
1192. ramba s. Banane. — skr. p. pkr. rambhä.
1193. ram adj. lieblich, erfreulich, angenehm. — skr. ramya, p. pkr. ramma.
ras s. Strahl, Lichtstrahl s. ras.
1194. rasan, rasan-dam s. Gürtel. — skr. rasanä, p. rasanä.
1195. raha, rä s. Süssigkeit, Geschmack; berauschendes Getränke. — Zur letzten
Bed. wird M.3 193 skr. surä verglichen. Ich halte diese Etymologie für unmöglich;
vielmehr ist raha in beiden Bedeutungen = skr. p. pkr. rasa.
1196. raliat 1. adj. ehrwürdig; 2. s. ein buddhistischer Heiliger. — skr. arhant,
p. N. arahä, -harn, pkr. arihä.
1197. rä s. 1. berauschendes Getränke s. raha. 2. Liebe, Zuneigung, Leiden-
schaft. — skr. p. räga, pkr. räa. — — 3. Geschrei, Lärm. — skr. p. pkr.
rava. Sgh. auch räv. — — 4. Geist, Dämon, Gespenst. — skr. p. pkr. rähu.
Vgl. Rodiyä-Dial. bakurä „Gott", Sitzungsber. d. bayer. Akad. d. Wiss., I. Ol.,
1897, S. 7, Nr. 1.
rik s. Baum s. nik.
1198. rita s. lange Stange, zum Rudern verwendet, Steuerruder. — skr. aritra, p. aritta.
Beachte die Cerebralisierung!
1199. riti s. N. eines Baumes; ritu Krähe. — skr. arista, p. arittha. Vgl. riügala s.
N. eines isolierten Felsens zwischen Anurädhapura und Polonnaruwa, der arittha-
pabbata des Mv. Vgl. Wickremasinghe, JRAS. C. Br. XI, Nr. 39, S. 10—16.
1200. rit s. Leere, adj. leer. — skr. rikta, p. ritta.
1201. ridi s. Silber. — skr. p. rajata A. 21.
ridenavä v. Schmerz empfinden s. rudä.
Abk d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 32
248
1202. riddanavä v. prt. ridduvä verletzen, zerstören. — skr. Yradh, caus. randhayaä,
p. randheti.
1203. riya s. 1. Wagen, riyaJcaru » Wagner": riyaduru » Wagenlenker " (s. ädura). —
skr. p. ratha K. 419, pkr. raha. riyahga »Rad; Anas casaca" ist skr. rathänga.
— — 2. Liebeslust, Liebesgenuss. — skr. p. rati, pkr. rai.
1204. riyana s. Elle. — skr. aratni M.3 194, p. ratana, pkr. aratti; m. remtä (Gr. 43. 415).
1205. rivi s. Sonne. — skr. p. pkr. ravi M.3 194.
1206. risi adj. wünschend; s. Wunsch, Verlangen, russanavä, prt. rissuvä »sich
freuen, Gefallen finden". — skr. Yruc A. 30, M.3 194, ruci, p. ruccati, ruci,
pkr. ruccai.
rihiri s. Blut (bei Jay.) s. uriru.
1207. ruh, rih s. Baum. — skr. vrhsa A. 5, p. pkr. ruhhha.
1208. ruh s. Qual, Sorge, Krankheit. — skr. Vruj, rühsa, p. ruhhha.
1209. ruti s. Wunsch, Gefallen. — Ist zu skr. Yruc zu stellen und hat ein Nom.
*ruJcti zur Voraussetzung.
1210. rudä(va) s. Krankheit, Schmerz, ridenavä, prt. ridimä »Schmerz empfinden". —
skr. Yruj rujati, rujä A. 7, Ch. 149; p. rujaü, rujä.
1211. rudu adj. gross, schrecklich, grausam GK. 6, KJ. 551. — skr. rudra, raudra,
p. pkr. rudda.
1212. ruva, rü s. Gestalt, Schönheit. — skr. p. rapa Jay., pkr. rüva.
1213. ruvana s. pl. ruvan Juwel, Edelstein. — skr. ratna M.3 194, K. 431, p. ratana,
pkr. raana. Sgh. ruvanära „Ocean" = skr. ratnäkara, wörtlich Fundgrube für
Juwelen.
1214. rusi s. ein Weiser. — skr. rsi M.3 194, p. isi, pkr. risi. Ist das W. nicht Ent-
lehnung, so stünde es dem Pkr. näher als dem P.; ich möchte aber glauben, dass
es lediglich das Skr.-Wort ist mit der bei den Singhalesen gebräuchlichen Aus-
sprache des r.
1215. rusiru adj. 'lieblich, schön, angenehm. — skr. p. rucira, pkr. ruira.
russanavä v. sich erfreuen s. risi.
1216. renavä v. prt. rivvä oder runnä cacare (vulgäres Wort). — skr. yri, riyati »laufen
lassen". Interessant, weil auch die entsprechenden iran. Wörter (aw. avl dim irita
vd. 5. 1, mp. rltan, np. rtdan u. s. w. Hörn, Neup. Etymologie S. 142) cacare
heissen, was offenbar von Haus aus die vulgäre Bed. war.
1217. redda s. pl. redi Gewand, Kleid. — Wohl zu skr. Yraj »färben", p. ranjeti.
Etwa aus ranjita.
1218. rehe-mas, rt-mas s. N. eines Fisches, Cyprinus denticulatus. — skr. p. rohita.
Vgl. auch sgh. rohisa »ein Fisch" = skr. rohisa.
roda s. Reihe s. 2. rada.
rodu s. Strick, Seil s. 3. rada.
1219. ron s. Staub, Blütenstaub. — skr. p. renn.
249
1220. ros, rosa s. Zorn, Wut KJ. 218. — skr. rosa Jay., p. pkr. rosa.
1221. rö s. Krankheit. — skr. p. pkr. roga Jay.
1222. räiigum s. das Tanzen. — Gehört zu skr. rahga in der Bed. „Schaubühne". Für
skr. rahgana wird auch bei BR. die Bed. „das Tanzen" angenommen.
1223. räli, rala s. Woge, Welle. — Wird M.3 194 mit skr. lahart verglichen, wäre
also durch Metathese zu erklären. Die Grundbedeutung scheint aber „gekrümmt"
(so noch sgh. räli) zu sein. Vgl. ralla „Falte", vielleicht auch rävula „Bart"
(= der wogende, wallende) aus *räluva. Vielleicht ist die ganze Wortgruppe zu
skr. arala, p. alära „gekrümmt" zu stellen.
räv s. Lärm, Geschrei s. 3. rä.
1224. ras s. 1. Menge, Schaar, Gesamtheit. — skr. räsi M.3 194, p. pkr. räsi.
2. Strahl, Lichtstrahl. — skr. rasmi K. 429, p. rasmi, ramsi, pkr. rassi;
hi. m. rassl u. s. w.
1225. ra, räya s. Nacht. — skr. rätrt K. 433, M.3 194, p. ratti. Grdf. ist *räti; vgl.
pkr. rät neben ratti.
L
1226. la 1. adj. neu, frisch, jung in zahlreichen Zusammensetzungen s. unter lä. — —
2. s. Herz, Gemüt, laäti „barmherzig" (der ein Herz hat), latavenavä „betrübt,
bekümmert sein, klagen" (vgl. unter tava). — skr. hrd, hrdaya, pkr. hiaa, p. hada,
neben dem eine cerebralisierte Form *hala (vgl. E. Kühn, Beitr. z. Pali-Gr. S. 38)
anzunehmen ist, auf welche (durch *ala) das sgh. la zurückgeht.
1227. Iah s. 1. Name von Ceylon. — skr. p. Lanka. LaJcdiva = Lanlcädvvpa. — —
2. Zeichen, Merkmal; Ziel. — skr. lahsa, p. pkr. lahhha.
1228. lalcara s. Schmuck, Verzierung, lahala adj. „geschmückt, geziert, prächtig". —
skr. alamhära, aJarnhrta Jay.; p. alahhära, alanhata, pkr. alamhära, alamhia.
1229. lahuna s. Zeichen, Merkmal. — skr. lahsana Jay., p. pkr. lahhhana.
1230. laginavä v. prt. läggä ruhen, bleiben, verweilen, wohnen. — skr. ~Vlag,
lagati Ch. 147; p. lagati, daneben aber laggaü Grdf. des sgh. V.; pkr. laggai.
1231. langa adj. nahe bei, verbunden mit ... — skr. lagna A. 23, Childers, JRAS. N.
S. 7. 44; p. pkr. lagga; MISpr. m. läglm, g. lagl, w. hi. lägt u. s. w. Hörnle,
Comp. Grammar of the Gaudian Languages S. 222.
1232. lata s. N. einer Schlingpflanze. — p. latthi, latthikä, vgl. auch madhulatthikä;
pkr. latthi = jatthi.
1233. ladu s. N. eines best. Gebäckes aus Jackfrucht, Cocosnuss und Syrup. — skr.
pkr. laddu; MISpr. laddü oder lädü Gr. 49. 413.
1234. latu s. Lack, latuvan „Lackfarbe, Hellrot". — Nicht = skr. lähsä (Jay.), sondern
= alahtaha, p. alattaha, lattaha, pkr. alattaya.
1235. lada 1. adj. erlangt; beendigt, geschehen. — skr. labdha Ch. 147, M.3 195,
p. pkr. laddha. 2. adj. jung, zart. — Wohl = la-da = skr. navaja s. lä.
— — 3. s. Scham, Scheu, Achtung. — skr. p. pkr. lajjä Jay. — —
4. geröstetes Korn in lada-pasmal. — skr. läja R. 245, p. läja.
32*
250
1236. lanavä v. prt. lavä setzen, stellen, legen. Urspr. bed. das V. wohl „ nehmen",
so z. B. noch allanavä = at-l. „in die Hand nehmen" s. skr. \lä, läti, p. läti
M.3 195, pkr. lei Hern. 4. 238; g. m. Vit.
1237. labanavä v. prt. läbuvä erlangen, bekommen, lada, lat pp. „erlangt u. s. w."
s. bes. — skr. Ylabh, labhate, labdha Ch. 147, P. G. 35, M.2 19; p. labhati,
pkr. lahai.
1238. labba s. pl. labu Kürbis, Flaschengurke. — skr. p. aläbu, labu, pkr. aläa, lau.
1239. lavana (Jay. lavan) s. Lippe. — skr. p. lapana „Mund", pkr. lavana.
1240. las adj. langsam, träge. — skr. p. alasa Cl.
1241. lasa s. Geschenk (Jay.). — skr. p. lahca.
1242. lä 1. adj., verkürzt la, neu, jung, frisch. — Ich stelle lä zu skr. p. natu, pkr.
nava; ava ist contrahiert wie in rä aus rava, hat aus *havat. In vielen Zusammen-
setzungen z. B. lä-dalu „junger Spross" neben navadala der Litt. Spr., lä-pala
„junge Frucht". Meist verkürzt: la-daru „Kind" = skr. *navadäraka, la-hiru
„aufgehende Sonne" (wtl. junge S.), la-vala „junge Betelpflanzung" u. ä. m.
Vgl. Festschr. f. A. Weber, S. 106. — — 2. Siegellack. — skr. läksä. Das
sgh. W. geht auf die P.-Form lakhä (M.3 195) zurück.
1243. UJcJcä s. junge Laus. — skr. Itksä. Weit verbreitet. Die iran. Aequivalente s. bei
Horn, Np. Etym. S. 137, Nr. 618 rish.
1244. liya s. 1. Liane, Schlingpflanze; poet. für Frau Ss. 2, 15 etc. — skr. p. lata,
pkr. laä. — — 2. Haus, Wohnhaus. — skr. laya „Rast, Ruhe"; bei layana
ist auch im Skr. die Bed. „Ruhestätte, Haus" belegt.
1245. liyanavä v. prt. livvä schreiben, liyannä „Schreiber". — skr. ylikh, likhati A. 28,
Ch. 147; p. likhati, pkr. lihai.
1246. lihiniyä s. Bez. einer Vogelart, indische Schwalbe. — Zu skr. Ylas, lasatt „sich
hin und her schwingen", läsana, läsin.
1247. lunu s. Salz. — skr. lavana K. 430, p. pkr. lona; hi. nön, nun; lön, lün.
1248. luhu adj. leicht; klein; s. Eile, Schnelligkeit. — skr. laghu K. 414, M.3 196;
p. pkr. lahu.
1249. lüna s. Zwiebel. — skr. lasuna K. 412, 428.
1250. lela adj. beweglich, unstät. lelavanavä, prt. lelevvä „hin und her bewegen,
schütteln". — skr. Ylul, caus. lolayati; skr. p. pkr. lola.
lev s. Welt s. lova.
1251. lern s. 1. Art und Weise. Bildet Adverbien. A. Gunasekara, Sinh. Gr. S. 300—1;
vgl. Ss. 102. Dient zum Ausdruck finaler Verhältnisse: balana-lesa „um zu sehen"
Ss. 11. lesin „wie, gleichwie" Ss. 89. — Vermutlich zu p. lesa „Kunstgriff" (die
Bed. „Kniff, Täuschung" gibt auch Jay. noch für sgh. lesa an); vgl. auch pkr. lesä
„Gedanke". 2. ein wenig, ein bischen (so Jay.). — skr. lesa, p. pkr. lesa.
1252. le s. 1. Linie. — skr. p. lehM Jay., pkr. lehä. 2. Blut KJ. 554. — skr.
p. lohita M.3 196, K. 428, pkr. lohia; bih. lehn; hi. löhTuu.
1253. lot s. N. eines Baumes, Symplocos racemosa. — skr. loähra M.3 196, p. lodda.
251
1254. loba s. Verlangen, Begierde. — skr. p. pkr. loblia Jay.
1255. lom s. Haar. — skr. loman Jay., p. loma.
1256. lova, lö s. Welt. — skr. p. loha M.3 196, pkr. loga, loa.
1257. lovinavä v. prt. lewä (mit der Zunge) lecken. — skr. Ylih, lihati M.3 196,
p. lehatt.
1258. loho, lö s. Erz, Metall, lövaru „Kupferschmied". — skr. p. pkr. loha K. 431
(nicht = lohita, das zu le wurde, s. dort).
V
1259. vah adj. krumm, gebogen. — skr. vahra R. 246, p. vahha, vanha, pkr. vahha;
hi. banhä u. s. w. Vgl. sgh. vahanga als Tiername (Loris-Affe) = skr. vahränga.
1260. vah s. Bast, Splint in vahniya N. einer Pflanze, aus deren Fasern Bogen-
sehnen gefertigt werden. — skr. valha, valhala (vgl. sgh. vahulu als Baumname),
p. vahhala.
1261. vahu-gaduva s. die Nieren. — skr. vrhha, p. vahha (vgl. Childers, Pali Dict.
u. d. W.) -\- gaduva „Blase".
1262. vag s. Tiger. — skr. vyäghra M.3 196, K. 424, p. vyaggha, pkr. vaggha, hi. bägh,
m. vä^/i u. s. w. Gr. 50. 25.
1263. vaga s. Art, Gattung, Klasse. — skr. varga Jay., p. pkr. vagga.
1264. vagaranavä v. prt. vagulä und (Nbldg.) väguruvä ausgiessen, ausstreuen.
vägirenavä, prt. vägurunä „abtropfen, (in Tropfen) ausfliessen". — skr. Yghr,
gharati -\- ava.
1265. vangi adj. verkrümmt, krumm, gebogen. — skr. vyangita „verkrüppelt".
1266. vata 1. s. Kreis, Umhegung; Gürtel; Anordnung; adj. rund, kreisförmig;
adv. rund herum, vatalanavä „einkreisen, umhegen", vataäs „Moschustier", wtl.
Rundauge. — skr. wtta, pp. v. ~\fvrt\ p. pkr. vatta. Vgl. sgh. vatinavä v.
würdig sein, wert sein, verdienen = skr. Yvrt, vartate A. 30, p. vattati
(s. Childers, u. d. W.), pkr. vattai. — — 2. s. Regen. — skr. vrsta, pp.
v. yvrs, p. vatta.
1267. vatuvä s. Schnepfe (auch von anderen Vögeln, z. B. dem Sandpfeifer, gebraucht).
— skr. vartihä, -ahä „Wachtel" M.3 197, p. vattahä.
1268. vada s. das Abschneiden, Abhauen; Rumpf (von dem der Kopf abgehauen ist).
— skr. Vvrdli, vardhayati „abschneiden".
1269. vadinavä v. prt. vädiyä wachsen, zunehmen; fortschreiten, gehen (respect-
voller Ausdr). — skr. Yvrdh, vardhate Ch. 149, P. G. 30, p. vaddhati, pkr.
vaddhai; ö. hi. Ybarh. Vgl. die hieher gehörige Part, vadä „mehr" bei einer
Comparation. A. G. S. 142. väda s. bes.
1270. vaduvä s. Zimmermann. — skr. vardhaha, -hi, p. vaddhahi K. 422, pkr. vaddhaia;
hi. barhal, m. vadhal u. s. w. (B. 1. 334).
1271. vana s. 1. Wunde, Schwäre. — skr. vrana, p. pkr. vana. — — 2. Farbe. —
skr. varna M.3 197, p. pkr. vanm.
252
1272. vananavä v. pr. vänuvä sagen, erzählen; preisen, verherrlichen. — skr.
vamayati, p. vanneti, pkr. vannijjai. Merkwürdig ist die Bed. „ ausbreiten", vgl.
Mbh. 12. 9817 varnitam Coram. = vistäritam, BR. u. d. W.
1273. vat 1. s. Kleid, Gewand. — skr. vastra A. 46, p. pkr. vattha. — — 2. s. Sache;
Geld, Reichtum; Geschichte, Erzählung. — skr. vastu M.3 179, p. vatthu.
3. s. Antlitz, Gesicht. — skr. vaktra A. 21, 46, p. vatta. 4. s. Weg,
Strasse. Auch mävala = grosser (mä- = skr. malm-) Weg, Hochstrasse. —
skr. vartman, p. vatuma, pkr. vattä. 5. Part, vat — vat entweder — oder
= skr. p. pkr. vä — vä mit dem a. E. von Part, häufigen -t.
1274. vatala adj. verbreitet, ausgebreitet; gross; erfüllt von etw. — skr. Ystr -\- vi
M.3 197, p. pp. vitthata.
1275. vatura s. Flut, Hochwasser (vgl. gahvatura „Ueberschwemmung"), dann Wasser
schlechthin. — In enger Bez. zum vor. stehend; skr. vistara („Ausbreitung"
seil, von Wasser), p. pkr. vitthara. Die Etymologie rührt von B. Gunasekara
her, der sie mir gelegentlich eines Gespräches mitteilte. Vgl. auch vitara und
vätirenavä.
1276. vatta s. pl. vatu Wohnung, Anwesen, Besitztum, Grundstück, Garten. —
— skr. västu, p. vatthu.
1277. vada s. 1. Sünde, Schuld, Vergehen. — skr. varjya „was zu vermeiden ist",
p. vajja. — — 2. Hürde, Stall, z. B. govada „Kuhstall". — skr. vraja,
p. vaja. — — 3. Bestrafung, Folter, vadakaranavä „foltern", vadakaruvä
„Henker". — skr. vadhyä, p. pkr. vajjhä. 4. Lederriemen. — skr. vardhra,
p. vgl. vaddha-maya.
1278. vadana s. Wort, Rede KJ. 37. — skr. p. vacana A. LIV, pkr. vaana.
1279. vadanavä v. prt. väduvä gebären, hervorbringen. — skr. V)'aw -)- vi,
p. vijäyati.
1280. vadäranavä v. prt. vadälä, vädäruvä sagen, sprechen, erklären. — skr. Vdhr
-j- ava, avadhärayati P. G. 27, p. avadhäreti. Vgl. auch adäranavä.
1281. vadinavä v. prt. vädunä hineingehen, eintreten, betreten. — skr. yvraj,
vrajati, p. vajath, pkr. vaai.
1282. vadura, -ru, viduru s. Diamant. — skr. vajra Cl., p. vajira (E. Kuhn, Beitr.
z. Pali-Gr. 50), pkr. vaira.
1283. vanda adj. steril, unfruchtbar, vandt pl. -iyö „eine unfruchtbare Frau". —
skr. vandhya, p. pkr. vahjha; hi. bänijh, m. vämjh u. s. w. (Gr. 50. 36).
1284. vahdinavä v. prt. vündä ehrfurchtsvoll begrüssen, verehren. — skr. Yvand,
vandate Ch. 147, p. vandati, pkr. vandai.
1285. vahdurä s. Affe. fem. vähduri. — skr. p. vänara A. 44, Ch. 143, K. 417.
1286. van adj. a. E. v. Comp, gleich, ähnlich GK. 56, Ss. 94, 99. — = skr. varna;
s. sgh. vana.
1287. vap s. das Säen, die Saat. Vgl. den Monatsnamen vap (September — October)
= Saatzeit A. 19, P. G. 38. — skr. vapra, p. vappa. vapuranavä „säen" trenne
ich in vap -\- puranavä.
253
1288. vam 1. adj. link. — skr. p. pkr. väma. Vgl. sgh. vami „Frau" zu skr. väma in
der Bed. „schön", f. vämä „Frau". 2. Rüstung, Panzer. — skr. varman,
p. pkr. vamma.
1289. vaman s. Schmach, Schande. — skr. avamäna Cl. und apamäna (beides müsste
zusammenfallen), p. avamäna, pkr. avamäna.
1290. vamt s. Ameisenhaufen. — s. valmika M.3 198, p. vammlka, pkr. vammia
(Hern. 1. 101).
1291. vaya s. 1. Leben, Lebenszeit, Alter (auch viya). — skr. vayas, p. vaya, pkr.
vaa. — — 2. Vernichtung, Untergang. — skr. p. vadha, pkr. vaha.
1292. vayanavä v. pr. väyuvä (ein Musikinstrument) spielen. — skr. Yvad, caus. väda-
yati, p. vädeti, pkr. mei.
1293. vayaba, -aniba s. Nord-Westen. — skr. vayavl.
1294. vayam s. Anstrengung, Uebung. — skr. vyäyäma Jay., p. väyäma.
1295. vara s. Zeit. mra& „einmal*. — skr. p. pkr. vära. In den übrigen Bed. ist vara Ts.
1296. varana, -run s. Elefant KJ. 589. — skr. p. värana.
1297. varada s. 1. Kronprinz, Mitregent. — M.3 198 zu skr. yuvaräjan gestellt.
Allein lautlich würde eher uparäjan (Jay.), p. N. uparäjä entsprechen. — —
2. Sünde, Schuld, Vergehen s. boruva.
1298. varadinavä v. prt. väradunä irren, fehlen, sich versündigen, väradenavä
dass. — skr. yrädh + apa Ch. 145, p. aparajjhaü, pkr. avarajjhai.
1299. varalu 1. adj. gebogen, gekrümmt; 2. Dieb, Räuber. — D. W. ist umgestellt
aus *valaru und dieses ist = skr. vathara, vatara, wofür sich bei Lexicographen
u. a. auch die Bed. vakra, bezw. caura angegeben finden. S. BR. u. d. W.
1300. varä s. Eber. — skr. p. pkr. varäha M.3 198.
1301. val 1. s. Wald, Dickicht; 2. Affix zur Bez. des Plural. — skr. p. vana, pkr.
cana; maled. vali. Dass auch das PI. -Zeichen val mit skr. vana zusammengehört,
wurde zuerst von d'ALWis 51 erkannt, dann von Childers, JRAS. N. S. 7, S. 41 ff.
eingehend begründet. Sehr häufig ist val „Wald" am Anf. von Compos. in der
Bed. „wild", wie in valürä „Wildschwein", valkehel „wilde Banane" u. s. w.;
valsara „Wilder, Wäddä" z. B. entspr. skr. vanacara.
1302. vala s. Haar; bes. Schwanzhaar, vgl. valaga „Schweifspitze". — skr. vära, väla
(väläyra), p. pkr. cäla.
1303. valahdanavä v. prt. valanduvä geniessen, essen (spez. von Priestern gesagt). —
Geht auf p. valahjeü zurück M.3 199 „gebrauchen" (vgl. die Stellen bei Childers).
Sgh. valanda „Zeichen, Merkmal" entspricht p. valanja mit gleicher Bed. in
pada-valahja „Fussspur*.
1304. valahä s. Bär. f. välahinni. — Aus val = skr. vana -j- aha (s. 3. as = skr. rksa)
Ch. 144.
1305. valä s. 1. Armband (auch valalla, pl. valalu). — skr. p. valaya M.a 23, pkr. valaa.
2. Wolke. — skr. p. valähaka. Sgh. valäkida „Wolke" ist = Wolkenberg,
s. 1. kidu, und valädala „Blitzstrahl" = Wolkenflamme, s. 4. data.
254
1306. valnä s. Schakal. — Bezeichnet den Seh. als den Gebieter (2. na) des Dschungels (val).
1307. vavanavä v. prt. vävavä pflanzen, roden, das Feld bestellen. — skr. yva/p,
vapati, p. vapati, pkr. vavai; hi. ybö (H. 55).
1308. vas s. 1. Wohnung, Haus. — skr. p. pkr. väsa. — — 2. Regen. Auch Regen-
zeit, z. B. vas-vasanavä „die R. (nach Sitte der Bhikkhus) irgendwo verbringen".
— skr. varsa Cl., p. vassa, pkr. varisa, väsa. — — 3. Jahr. — Entweder wie
eben, oder = skr. vatsa = Nbf. zu vatsara; s. vasara. — — 4. Rohr, Bambus;
Flöte (vaskaru „ Flötenbläser "). — skr. vamsa M.3 199, K. 417, p. pkr. vamsa;
hi. u. s. w. bäms.
1309. vasa s. 1. Wort, Rede. — skr. väc M.3 199, p. väcä, pkr. vää. 2. Geschlecht,
Rasse; Nachkommenschaft. — In dem W. sind skr. vamsa „Geschlecht"
und apatya = p. apacca, pkr. avacca, wie dies lautgesetzlich geschehen musste,
zusammengeflossen.
1310. vasat s. Frühling. — skr. p. pkr. vasanta.
1311. vasana s. 1. Kleid, Gewand, Hülle; Haus, Wohnung. — skr. p. vasana. — —
2. Ende, Schluss. — skr. avasäna Jay., p. avasäna, os°, pkr. avasäna. — —
3. Sünde, Fehltritt, Vergehen. — skr. p. vyasana Jay., pkr. vasana.
1312. vasanavä v. prt. väsuvä 1. wohnen, verweilen. — skr. yvas, vasati, p. vasati,
pkr. vasai. — — 2. kleiden, anziehen. — skr. Yvas, vaste.
1313. vasam (fehlt bei Cl.), visamba adj. uneben; schlimm, böse. — skr. visama Jay.,
p. pkr. visama.
1314. vasara s. Jahr. — skr. vatsara, p. pkr. vacelmra.
1315. vasal adj. gross. — skr. visäla, p. pkr. visäla.
1316. vasinavä, vah° v. prt. vässä regnen. — skr. yvrs, varsati, p. vassati, pkr. varisai.
1317. vasu, vassä s. Kalb. fem. vässi. — skr. vatsa(ha) K. 423, p. vacchaka, pkr. vaccha;
MISpr. meist bacchä, aber m. vas-, si. vaclii, g. vach (Gr. 50. 26).
1318. vasmara s. Krankheit, Epilepsie. — skr. p. apasmära. Sieht wie eine künst-
liche Bildung aus.
1319. vasuru s. Kot, Excremente. — Metathese aus varusu = skr. varcas; s. väsi.
1320. vaha, vasa, visa s. Gift. — skr. msa, p. pkr. visa; si. vihu.
1321. vahan s. Sandale, Schuh. — Auf p. upahanä M.3 199 zurückgehend; skr. vgl.
upänah.
1322. vahana s. Floss. — Wohl = skr. p. vähana Beförderungsmittel im allg., auch
„Schiff", pkr. vahana. Nbf. ist, wie ich glaube, vahala in gleicher Bed.
1323. vahara s. 1. Hilfe, Beistand (fehlt bei CL). — skr. p. upalcära Jay., pkr. ucagära.
Nbf. scheint valial in gl. Bed. zu sein. 2. Sitte, Brauch. — skr. vyavahära,
Jay. vavahära.
1324. vahalä. s. Sklave, vahalkama „Sklavenarbeit". — Ich vgl. skr. vrsala Mann
niedrigster Kaste (unter dem Südra), p. vasala. Ueber valial, -la s. auch die vor.,
sowie vahun.
vahas s. das Lachen, Gelächter s. avalias.
255
1325. vahun s. Decke, Hülle, Augenlid. — Lässt mehrfache Erklärung zu. Es kann
= p. vyavadhäna sein, oder wahrscheinlicher = apidhäna (durch *avahan) wie
piyan = pidhäna. vahala „Decke, Dach" ist wohl Nebenform.
1326. vala s. 1. Loch, Grube, valalanavä „begraben". — skr. äväta, avata, p. äväta
A. LIV, M.3 199. 2. Tiger (fehlt bei OL). — skr. vijäla, p. väla (välamiga).
Hieher gehört auch sgh. välaga (mit ungenauer Schreibung) „Tiger", d. h. erstes,
vornehmstes (aga) der Jagdtiere.
1327. vä s. Wind. — skr. p. väta, pkr. väa.
1328. vikunanavä v. prt. vikkä verkaufen. Pass. vikinenavä, prt. vikinunä „verkauft
werden". — skr. ykri -f- vi, vikrinite, p. vikkinäti, pkr. viMcei, vikinai (nach
Hern. 4. 52, doch s. Pischel, z. d. St.).
1329. viJcev (Jay.) s. Zerstreutheit, Gleichgiltigkeit. — skr. viksepa M.3 199,
p. vikkhepa, pkr. vikkheva.
1330. vikmaya, vikuma s. Tapferkeit, Stärke. — skr. vikrama Jay., p. pkr. vikkama.
1331. vigaha s. Streit, Kampf. — skr. vigraha, p. viggaha.
1332. vita s. Zeit, Gelegenheit. Am E. von tempor. Sätzen: guvana van-vita „zur Zeit,
wo (= wann) sie am Himmel erscheint" Ss. 6. — vitak = „-mal" Ss. 91. 1.
vitin-vita „von Zeit zu Zeit, allezeit" Ss. 52. — Ich stelle d. W. zu ai. (ved.)
vistä, visthä, visu. Vgl. trivisti „dreimal" Rv. 4. 6. 4. Allmählich hat dann vita
alle die Bed. von kala angenommen.
1333. viti s. Lohn, Sold (Jay.). — skr. visti „Frohnarbeit".
1334. vitara s. Ausdehnung, Breite, Weite. — skr. vistära (während vatura vielleicht
unmittelbar auf vistara zurückgeht) P. G. 11, M.3 200, p. pkr. vitthära.
1335. vidavanavä v. zerstören, vernichten. — Das V. steht RR. 49. 2, S. 16 und
entspricht dem pkr. vijjhävei (p. vijjhäyati, *vijjliäpeti), zu skr. yksi -f- vi.
1336. vidinavä v. prt. viddä schiessen, treffen, durchbohren. — skr. Vvyadh,
vidhyati A. 22, Ch. 147, p. vijjhati.
1337. vidini s. Fächer. — skr. vljana, p. vijani, pkr. vlana.
1338. vidu, viduliya s. 1. Blitz. — skr. vidynt, vidyullatä M.3 200, K. 429, p. vijju,
vijjullatä, pkr. vijju, vijjidiä; hi. bijlt, b. bijuli (Gr. 49. 406). — — 2. Wissen,
Wissenschaft. — skr. vidyä Jay., p. pkr. vijjä.
viduru s. Diamant s. vadura.
1339. vindinavä v. prt. vindä fühlen, empfinden. — skr. Yvid, vindati, p. vindati.
1340. vinä s. Führer, Leiter, N. des Buddha Nv. 4. — skr. p. v'mäyaka.
1341. vinisa s. Sicherheit, Gewissheit, Zweifellosigkeit. — skr. viniscaya M.3 200,
p. vinicchaya.
1342. vip s. Brahmane. — skr. vipra CL, p. pkr. vippa.
1343. vipilisara s. Reue KJ. S. 184, Z. 10. — skr. vipratisära, p. vippatisära.
1344. viman s. Palast. — skr. p. vimäna CL, pkr. vimäna.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. IL Abth. 33
256
1345. viya s. Krankheit, Leiden. — skr. p. vyädhi, pkr. vähi. In der Bed. „Joch"
wird M.3 200 skr. yuga verglichen; es wäre dann Umstellung aus *yuva (*vuya)
anzunehmen.
1346. viyat 1. adj. gelehrt, unterrichtet, viyatä s. „der Gelehrte". — skr. vyäkta
Jay., p. vyatta. — — 2. Spanne (als Mass). — skr. vitasti.
1347. viyan s. Ausbreitung; Schutzdach, Schirm. — skr. p. vitäna M.3 200,
pkr. viäna.
1348. viyanavä v. prt. vivvä weben, viyannä „Weber"; viyamana „Gewebe". — skr. yvä,
vayati, p. vlyati, viyyati „wird gewoben".
1349. viyaru s. Veränderung; Zorn, Wut; Verrücktheit. — skr. p. viMra Jay.,
pkr. viära.
1350. viyalu adj. alt, gebrechlich; ausgetrocknet, dürr, viyali „alter, gebrechlicher
Mann". Verb, denom. viyalanavä, prt. viyaluvä „austrocknen". — skr. vikala;
vgl. -U „eine Frau, die keine Regeln mehr hat", p. vikala, pkr. vigala.
1351. viyavul adj. verwirrt, bestürzt, v.-karanavä „in Verwirrung bringen". — skr.
p. vyäkula.
1352. viyu s. das Reden, Gerede. — skr. p. väda, pkr. väa.
1353. viyö s. Trennung, Scheidung. — skr. p. viyoga Jay., pkr. vioa. Sgh. viyutu
„getrennt" = skr. viyukta, p. viyutta.
1354. viridu adj. feindselig; s. Feindseligkeit. — skr. Yrudh -\- vi, viruddlm CL,
p. pkr. ebenso.
1355. virtyanavä v. schmelzen, zergehen, zerfliessen. — skr. \r%, li -\- vi, viliyate.
Vgl. sgh. vilin „flüssig" = skr. p. viltna, pkr. villna.
1356. virü adj. entstellt, hässlich (Jay.). — skr. p. virüpa. Cl. hat viruva „Verrückt-
heit, Wahnsinn", von der Grdbed. „verändert" ausgehend; s. den gleichen Bed.-
Wandel bei viyaru.
1357. vil s. Teich. — skr. bila, vila M.3 200 „Loch, Grube", p. pkr. vila.
1358. vilavun s. Salbe RR. 52. 33, S. 18. — skr. p. vilepana M.3 200, pkr. vilevana.
1359. vilas s. Ausgelassenheit, Spiel, Scherz. — skr. p. pkr. viläsa.
1360. vili s. 1. Falte, Runzel; Strich, Linie. — skr. p. pkr. valt Cl. Vgl. sgh. vili-
muva „(weissgesichtiger) Affe", wtl. Runzelgesicht = skr. valimukha Jay. — —
2. Scham, Bescheidenheit s. vili. — — 3. Bogen. — Auf skr. vatin „mit
einer Schnur oder Sehne versehen" zurückzuführen, skr. vata, vatt „Schnur".
1361. vivana adj. entfärbt, von schmutziger Farbe (fehlt bei Cl.). — skr. vivarna,
p. pkr. vivanna.
1362. vivas adj. klar, deutlich, offenbar. — skr. v'ikäsa „heller Schein" Cl., p. vgl.
vikäsin „erleuchtend".
1363. vivä s. Hochzeit KJ. 185. — skr. p. pkr. viväha.
visa s. Gift s. vaha.
1364. visakumi adj. gelehrt, einsichtig, weise. — skr. vicaJcsana Cl., p. vicalckhana,
pkr. viaMkhana.
257
1365. visahäanavä v. prt. visanduvä (eine Frage erläuternd) beantworten, erklären. —
p. vissajjati, -eti, z. B. Mv. 3. 32: dhammäsane nislditvä vissajjesi tameva so; vgl.
Dpv. 6. 29.
1366. visamba 1. s. Vertrauen. — skr. visrambha, p. pkr. vissambha. — — 2. adj.
schlecht, böse s. vasam.
1367. visara s. Untersuchung, Erwägung (die Bed. fehlt bei Cl.). — skr. p. vicära
Jay., pkr. viära.
1368. visä s. 1. Strasse, Weg. — skr. visikhä, p. visikhä. Cl. hat visi. — — 2. N.
eines Naksatra = skr. visakhä, p. visakhä, pkr. visähä.
1369. visi 1. num. zwanzig s. vissa. — — 2. s. Wort, Rede (auch -1) KJ. 621. — Auf
p. vacl zurückgehend, aber vas (s. dort) = väcä.
1370. visikis s. Zweifel. — skr. vicikitsä Jay., p. vicikicchä.
1371. visit, visituru adj. bunt, mannigfaltig. — skr. vicitra M.3 201, p. vicitta, vicitra,
pkr. vicitta.
1372. visin (älter in Inschr. vasin P. G. 36) postp. durch, mit Hilfe von . . . dena-visin
„ dadurch, dass er gibt" Ss. 89. — skr. vasena A. 52, Ch. 140, p. vasena.
1373. visirenavä v. prt. visirunä sich verbreiten, ausgebreitet werden. — skr. Ysr
-f- vi, visarati. Sgh. visiri »ausgebreitet" geht auf ein *visarita zurück, visula dass.
(besser -la) dagegen auf visrta, p. visata.
1374. visudu s. Reinheit, Lauterkeit. — skr. visuddhi Cl., p. pkr. visuddhi.
1375. vissa, visi num. zwanzig. — skr. vimsati, Tp.vtsati und vlsam, pkr. vlsam; hi. blsa,
m. vlsa u. s. w. R. 239. Ueber vissa: visi s. Childers JRAS. N. S. 8, S. 133.
1376. vihidi adj. ausgebreitet, geöffnet, erschlossen, vihidenavä, prt. vihidunä
„sich verbreiten etc." Caus. vihiduvanavä „(ein Pferd) rennen lassen, reiten". —
skr. Ysyand -f- vi, visyandita, p. vissandati.
1377. vili s. Scham, Bescheidenheit. — skr. vrtdä M.3 201. Vgl. auch vili.
1378. Vi, s. Reis (auf dem Felde). — skr. vrVii M.3 201, K. 428, p. vlhi.
1379. vurunu-tel s. Saft (des Fleisches). — p. villna-tela. Abhidh. 873 == vasä. Vgl.
viriyanavä.
1380. vuvan s. Antlitz, Angesicht (fehlt bei CL). — skr. p. vadana, pkr. vaana.
1381. vuhutu adj. fortgeschickt, weggesendet. — Mit visista (M.3 201) vermag ich,
der ganz abweichenden Bed. wegen, das W. nicht zu vereinigen. Es ist vielmehr
m. E. = skr. visrsta; p. vissattlia.
1382. vena s. Laute, venakaru „Lautenspieler". — skr. p. pkr. vinä.
1383. venahda s. Händler, Kaufmann. — skr. p. vänija; pkr. vänia. Gleichen
Ursprunges ist velahda M.3 202.
1384. veta 1. Postp. nahe, nahe bei. vetata „hin zu". — Ich stelle das W. zu skr.
upänta, -tika; p. upanta, -tiha, upanti. — — 2. eine Art Rohr, Rohrstock. —
skr. vetra Jay., p. vetta.
1385. veda s. Arzt Ss. 89. — skr. vaidya M.3 201, K. 422, p. pkr. vejja.
1386. ven, venu s. N. d. Vishnu. — skr. visnu, pkr. vinhu.
33*
258
1387. venavä v. prt. vunä, pp. vü werden, sein. — skr. ybliü, bhavaü, bhüta; p. bliavaü,
bhüta, hoti; pkr. bliavai, bhüa, hol.
1388. vera s. 1. Stärke, Kraft. — skr. vtrya Jay., p. vtriya, pkr. vlria. 2. Hass,
Feindschaft. — skr. vaira Jay., p. pkr. vera.
1389. veralu s. N. eines Edelsteines; Katzenauge. — skr. vaidürya M.3 202, p. veluriya.
Metathese wie in pkr. verulia (neben vedujja nach Hem. 2. 133).
1390. vel s. Küste, Gestade. — skr. p. velä.
1391. vevulanavä v. prt. vevuluvä zittern, beben. — Zu skr. Vvep-, skr. p. vgl. vepana,
vepatha, vepa; pkr. vevai, vevira.
1392. ves s. 1. Kaufmann. — skr. vaisya, p. vessa. 2. Hure in vesahgana, vesambu.
— skr. vesyä, p. vesi und vesiyä, pkr. vesä. — — 3. Gewand, Tracht; Ver-
kleidung, Maskerade, vesmüna „Maske, Larve". — skr. vesa, p. pkr. vesa.
1393. vesesin adv. besonders, ausserordentlich. — skr. visesena M.3 202, p. visesena,
pkr. vgl. visesao.
1394. vehe, ve s. Strasse, Weg. — skr. p. vithi M.3 202, Jay., pkr. vlhiä.
1395. vehera s. buddhistischer Tempel. — p. pkr. vihära.
1396. vehesa s. Ermüdung, Betrübnis, Sorge, Kummer, vehesanavä „ermüden,
betrüben". — skr. vihimsä, p. vihesa.
velanda s. Kaufmann s. venanda.
1397. velanavä v. prt. veluvä drehen, zusammendrehen, flechten, velu „gedrehter
Strick, Ball". — skr. Vvest, vestayati Ch. 147, p. vetheti, pkr. vedhei; g. yvlt,
si. Yverh, bg. yber u. s. w. Gr. 50. 6.
1398. velap s. Busch, Strauch, Baum (mit den Aesten). — skr. p. vitapa. Durch
*velamba, *velaba?
1399. velamba, -emba s. Stute. — skr. vadabä, -vä Ch. 144, M.3 202, p. vaJavä.
1400. ve s. 1. Strasse s. vehe. — — 2. Heilige Schrift, Veda. — skr. p. veda Jay.,
pkr. vea. — — 3. Schnelligkeit, Vogelflug. — skr. p. vega, pkr. vea. — —
4. Rohr, Rotang (ve-väla). — skr. p. vetasa, pkr. veasa.
votu s. Kamel s. otuvä.
votunu s. Diadem s. otunna.
1401. vorädi adj. glänzend, leuchtend KJ. 59, 202. — skr. Yräj -j- vi, viräjita,
p. ebenso, pkr. viräia. Vgl. Jay. u. d. W. Fehlt bei Cl.
1402. väta s. Umhegung jeder Art, Zaun, Hecke. — p. pkr. vattt (= skr. vartt) in
der Bed. „Saum, Rand" ; vgl. cakassa nemivatti = Radkranz.
1403. vätiya s. Docht. — skr. vartikä, p. vattikä.
1404. vätenavä v. prt. vätunä fallen, umfallen, herunterfallen. — Mit ypat (M.3 203)
hat d. V. nichts zu thun. Es ist Pass.-Bldg. zu yvrt, vartate Ch. 148; vgl.
vatinavä. Es bed. zunächst „aus seiner Lage kommen".
1405. väda s. Nutzen, Vorteil; Geschäft, Werk, Arbeit. vädaTcaruvä „Arbeiter,
Diener". S. auch vadinavä. — skr. vrddhi, p. vaddhi, pkr. vuddhi. Hieher gehört
259
ferner vädi »gross, mehr; Fülle, Menge" = skr. vardhita, p. vaddhita, pkr. vaddhia,
vädun »Wachstum" = vardhana u. s. w. väda vor Verben, z. B. vädahitinavä
»anwesend sein", von hochgestellten Personen gesagt, ist das Absol. zu vadinavä.
1406. vät s. Aehnlichkeit; Gleichnis, Redefigur. — skr. vrtti, p. vutti, pkr. vitti.
1407. vätirenavä v. prt. väturunä sich ausstrecken, sich ausbreiten; überfliessen,
überströmen (s. vatura »Wasser"). — Hat ein *vaturanavä zur Voraussetzung;
skr. Vstr -\- vi, caus. vistärayati, p. vitthäreti, pkr. vitthärei.
1408. väddä, vädi s. pl. väddö N. des bek. Volksstammes. — Die Ableitung von skr.
p. vyädha, pkr. vaha »Jäger" ist allgemein angenommen, bietet aber dieselben
lautlichen Schwierigkeiten, wie die Abi. von varada (s. unter varadinavä) aus
aparädha. Genau entsprechen würde skr. varjita, p. vajjita, pkr. vajjia „ausge-
schlossen, isoliert".
1409. vähdi s. Lobpreiser, Lobsänger. — skr. vandin, p. vandi.
väma s. ein best. Mass s. bambaya.
1410. väya s. Ausgabe; aya-väya » Einnahmen und Ausgaben". — skr. vyaya Jay.,
p. vyaya, vaya.
1411. väl s. 1. Liane, Schlingpflanze. — skr. p. valli M.3 203, K. 428, pkr. valll,
velli; hi. bei u. s. w. — — 2. Strich, Linie s. vili.
1412. väli s. Sand. Vgl. den Flussnamen Mahä-väli-gangä. — skr. p. välukä M.3 203,
K. 430, pkr. väluä; hi. m. bälu, s. väfi u. s. w.
1413. väva, vä s. (künstlicher) See, Teich, Tank. — skr. p. väjpi A. 22.
1414. väsan s. Sorge, Kummer, Leid. — skr. p. vyasana Jay., pkr. vasana.
1415. väsi, väh,i s. Kot, Excremente. — skr. varcas, p. vacca. Dem entgegen muss
vasuru (Metath. aus *varusu) auf eine Grdf. zurückgehen, in der rc gespalten
wurde, wie rs in pkr. varisa.
1416. vähäp s. Rind, Stier (fehlt bei Cl.). — skr. vrsabha, p. vasabha, pkr. vasaha.
1417. väya, vä s. Axt. — skr. väsi K. 419, p. väsi (vgl. die bei Childers, u. d. W.
citierte Stelle aus den Jät.).
S
1418. sah s. 1. Kreis, Scheibe, Rad. — skr. calcra A. 6, Cl., K., p. pkr. cakka; hi. cäJc,
m. coik u. s. w. B. 2. 23. Vgl. sgh. sahviti , Weltbeherrscher" = skr. calcravartin,
p. cakkavattin, pkr. cakkavatti; sowie sakvala »Welt" = skr. cakraväta, p. cakkaväla.
— — 2. Zahl, Menge, asak „unzählig". — skr. sankhyä, p. pkr. sankhä.
3. Auge. — skr. caksus R. 247, p. pkr. caMhu; sgh. asak „blind". — — 4. N. d.
Gottes Indra. — skr. sakra, p. pkr. sakka.
1419. sakap s. Gedanke, Absicht, Wille (so Jay.; bei Cl. adj. „sorrowful, beautiful
u. s. w."). — skr. samkalpa, p. pkr. sankappa.
1420. sakara s. Zurüstung, Zubereitung. — skr. samskära Jay., p. sankhära, pkr.
sakkära (Hern. 1. 28).
1421. sakavi s. Barde, Sänger. — skr. cäkrika „öffentlicher Ausrufer", p. cakkika „Barde".
260
1422. sakas adj. gut, trefflich, schön. — skr. satkrtya, p. sakkacca.
1423. sahu s. die Sanskritsprache. — skr. samskrta M.3 204, p. sakkata, -ta, pkr. sakkaa.
1424. sakulu adj. zahlreich, vielbesucht. — skr. p. pkr. sahkula.
1425. sakulu, sakulu adj. hart, fest, massiv. — Ich möchte das W. an skr. p. sakkata,
pkr. sankada »enge* anscbliessen. Die Bedeutungen Hessen sich etwa durch den
Begriff „ dicht, eng geschlossen" vermitteln.
1426. sakev s. Abkürzung, kurze Darstellung, säkevin „in Kürze". — skr. samksepa,
p. sankhepa.
1427. sakmana s. das Gehen, das Spazierengehen. — skr. cahkrama M.3 204, -mana;
p. cahkama, -mana; pkr. vgl. cakkamai.
1428. sakvä N. eines Vogels, „ruddy goose". — skr. cakraväka M.3 204, p. cakkaväka,
pkr. cakkaväa.
1429. saga s. 1. Abschnitt, Capitel. — skr. sarga Jay., p. pkr. sagga. 2. Himmel,
Paradies, sagaväsi „Gott" = Himmelsbewohner. — skr. svarga M.3 204, p.
pkr. sagga.
1430. sahga s. Menge, Versammlung. — skr. p. pkr. sahgha M.3 204.
1431. sangam s. Streit, Kampf, Schlacht. — skr. samgräma Jay., p. pkr. sahgäma.
1432. sangala, -gul s. Paar, sangdlasivura „doppelte Robe", wie sie die geweihten
Priester tragen. — skr. p. sanghäta M.3 204 (sanghäti eines der Mönchsgewänder).
Vgl. ahgula.
1433. satahan s. Zeichen, Form, Figur. — skr. samsthäna M.3 204, p. pkr. santhäna.
1434. sata s. 1. Sonnenschirm. — skr. cliattra M.3 204, p. pkr. chatta. Vgl. auch
satte. — — 2. Wesen, Tier, Geschöpf (auch sata). — skr. sattva M.3 204,
K. 420. p. pkr. satta. — — 3. Waffe, Instrument. — skr. sastra Cl., p.
pkr. sattha. — — 4. Lehrbuch, Wissenschaft. — skr. sästra Jay., p. pkr.
sattha. 3. und 4. sgh. auch sät.
1435. satan s. Ausbreitung, Ausdehnung (bei Jay.). — skr. p. santäna.
sati s. Ende, Vernichtung; s. unter set.
1436. satu 1. adj. besitzend. — skr. p. santaka Jay., pkr. santia. — — 2. s. Pilz,
Schwamm: s. hatta.
1437. satutu adj. erfreut, ergötzt, satos „Freude". — skr. samtusta, samtosa M.3 204,
Jay., p. santuttha, santosa, pkr. ebenso.
1438. satdala s. N. eines Baumes, Alstonia scholaris. — Wtl. „sieben Blätter (dala ts.)
tragend" seil, an einem Zweige. Im Skr. heisst der Baum saptacchadra; vgl. auch
p. sattapanna, sgh. satpat.
1439. satvä s. Kaufmann. — skr. särthaväha, p. pkr. satthaväha.
1440. sada s. Schall, Laut, Wort. — skr. sabda Cl., p. pkr. sadda; hi. m. säd u. s. w.
1441. sadana s. Wasser. — skr. syandana (Bed. „Wasser" bei Lexicographen), p. sandana,
pkr. sandana.
1442. sadam, sadaham s. die heilige Lehre, Religion. — skr. saddharma Jay.,
p. pkr. saddhamma.
261
1443. sadalla s. Terrasse (vor dem Hause), Piazza. — skr. candrasälä (vgl. Jay.
u. d. W. sahdala).
1444. sadas, sadäs s. das Auge in den Pfauensch weiffedern. — Wtl. Mondauge aus
sada = sanda, s. hahda -\- as, äs, s. äsa. Im Skr. hat candra, candrikä, im Sgh.
sahda die gl. Bed.
sadum s. Schmuck s. unter sädenavä.
1445. sadul, sädul s. Panter. — skr. särdüla, p. pkr. saddüla.
1446. sanda 1. s. Mond s. hahda. — — 2. s. Abend s. sähde. — — 3. s. Gelenk. —
skr. p. pkr. sandhi Jay. — — 4. s. Wunsch. — skr. p. pkr. chanda. — —
5. adv. postpos. während, zur Zeit wo . . ., z. B. un-sahda „während er sass"
Ss. 19. — Nbf. zu sana (vgl. M.3 205); inschriftl. sändä 121 A. 12.
1447. sahdahas s. Schwert, Säbel. — skr. candrahäsa.
1448. san s. 1. das Verbergen, Verstecken. — skr. p. channa, pkr. channa. Hieher
gehört auch sanpiyes „ Schamteile ", was ein channapradesa voraussetzt. — —
2. Zeichen, Signal. — skr. samjnä M.3 205, p. sannä, pkr. sannä; ö. hi. sän.
3. Ton, Laut, Gesang. — skr. svana.
sana s. Augenblick s. unter säna.
1449. sanada s. Rüstung, Ausrüstung. — skr. ynah -\- sam „ umgürten", p. sannayhaü;
skr. p. pkr. sannaddha.
1450. sanalia, sanahas, sanä s. Oel; Zuneigung, Liebe. — skr. sneha Jay., p. sineha,
pkr. sineha. Vgl. auch sgh. sinidu „ölig, fett; anhänglich" = skr. snigdha M.3 207,
p. siniddha, pkr. siniddha.
1451. sanituhan s. Gedanke, Erwägung, Schlussfolgerung. — p. sannitthäna.
1452. sanhun adj. ruhig, still. — skr. ysad -\- sam-ni, sainnisanna, p. sannisinna (mit
ders. Bed. wie im Sgh.).
1453. sapat, säpat s. Glück, Wohlergehen, Wohlstand. — skr. p. pkr. sampatti
M.3 210.
1454. sapayanavä s. verschaffen, erwerben. — skr. ypad -j- sam, caus. sampädayati
Ch. 145, p. sampädeti, pkr. sampäei.
1455. sapayö, sapiyö s. Vereinigung, Verbindung. — skr. samprayoga, p. sampayoga.
1456. sapä, -u s. Biene. — skr. satpada Jay., p. chappada, pkr. chappaa.
1457. sapu s. 1. Glück, Wohlergehen (auch säpa). — skr. sampad Jay., p. sampadä,
pkr. sampaä. — — 2. N. eines Baumes, Michelia champaka. — skr. p. campaka
M.3 205, pkr. campaga. — — 3. Schlange s. hapu.
1458. sambara s. Menge. — skr. p. pkr. sambhära.
1459. sam adj. schwarz in samvan „ schwarze Farbe*. — skr. syäma, p. pkr. säma.
1460. samagi adj. vereinigt, verbunden, s.-karanavä „verbinden, versöhnen", samaga,
-gin, postp. „zusammen mit ..." — skr. samagra (vgl. M.3 205 u. d. W. samanga,
unrichtig Ch. 145), p. pkr. samagga. Die Bed. vermittelt p. sämaggt, „Eintracht".
1461. samat adj. 1. fähig, im Stande, geschickt. — skr. samartha Cl., p. pkr. samattha.
— — 2. ganz, vollständig. — skr. samasta Cl., p. pkr. samattha.
262
1462. saman s. Jasmin. — skr. p. sumanä.
1463. samavat s. tiefste Versenkung, Meditation. — skr. p. samäpatti M.3 205.
1464. samas s. Abkürzung, Verkürzung. — skr. p. samäsa M.3 205.
1465. samä s. 1. Verzeihung, Vergebung s. unter Jcamä. — — 2. Zeit. — skr.
p. samaya, pkr. samaa.
1466. samäm s. Versammlung, Zusammenkunft, Zusammentreffen. — skr. p.
pkr. samägama M.3 205, Jay.
1467. samu s. Zustimmung, Erlaubnis KJ. 378, 398. — skr. Yman -J- sam, skr.
p. sammata, pkr. sammaa.
1468. samusu s. vermischt, vermengt. — skr. sammisra Jay., p. pkr. sammissa.
1469. saya, sä s. Austrocknung, Dürre, Hunger. — skr. ksaya, p. khaya, pkr. khaa.
D. W. setzt eine Grdf. mit ch° voraus. Die urspr. Bed. liegt noch in sayarogaya
„ Schwindsucht" zu Tage.
1470. sayuru s. Meer, Ocean. — skr. p. sägara M.3 206, pkr. säara,
1471. sara s. 1. Ton, Note (in der Musik). — skr. svara Jay., p. pkr. sara. — —
2. Teich, See. — skr. saras, p. pkr. sara. — — 3. Pfeil. — skr. sara,
p. pkr. sara. — — 4. Substanz u. s. w. — skr. p. pkr. sära.
1472. saraga s. Hirsch. — skr. p. pkr. särahga „ gefleckt". Gemeint ist die auf Ceylon
vorkommende Art Axis maculata. Vgl. harahga.
1473. sara s. Herbst, Jahr. — skr. sarad M.3 206, p. sarada, pkr. saraa.
1474. sari s. Aehnlichkeit, Gleichheit, s.-karanavä m vergleichen". — skr. sadrsa
M.3 206. Interessant, weil zu pkr. sarisa stimmend! Die Bed. „ zusammen mit ..."
(wie pkr. sarisa) findet sich in sari-lanavä „ zusammentreffen, begegnen". Vgl.
auch suruJcu.
1475. saru s. Griff, Gefäss (eines Schwertes). — skr. tsaru, p. *charn.
1476. sarup s. übereinstimmend, passend, geeignet. — p. säruppa.
1477. sal, sala, sei, sela, heia s. Berg, Felsen. — skr. silä, saila K. 430, R. 244,
p. pkr. silä, sela. Vgl. weiterhin hal.
sal, sala s. irdenes Gefäss s. unter häliya.
1478. sala s. Spiess, Stachel (des Stachelschweines). — skr. salya, p. pkr. salla.
1479. salakanavä v. prt. sälakuvä sehen, erblicken, betrachten, salakuna, -nu, hal°
„ Kennzeichen, Merkmal". — skr. Ylaks -j- sam, samlaksayati Ch. 146, p. sallak-
kheti, sallakkhana.
1480. salanpat s. Fächer. — Würde ein skr. *calanapattra (etwa = Schwenkblatt) zur
Voraussetzung haben. Weiteres s. unter halanavä.
1481. salaya s. Diener. Inschriftlich 121 B, 22, M.3 S. 206. — Ich leite d. W. ab von
skr. p. ceta, pkr. ceda.
1482. salala, -lu adj. frisch, zart, jung, salalu (Cl. -elu) „ junger Mann", saleli
„ junges Mädchen". — Vermutlich zu skr. cattda „artig, fein", wird durch sobhana
erklärt.
263
1483. sav 1. adj. all s. Jiav. — — 2. Schüler, Laie. — skr. srävaka Jay., p. sävaJca,
pkr. sävaga.
1484. sava, sä s. Leichnam. — skr. sava, p. chava.
1485. sasa s. Wahrheit, sasvadan „ Asket" = der die Wahrheit spricht. — skr. satya
M.3 206, p. pkr. sacca; hi. sac, m. säe u. s. w. (B. 1. 337).
1486. sasak s. Mond. — skr. kasänka, p. sasahka.
1487. sasaga s. Vereinigung, Verbindung. — skr. samsarga Jay., p. pkr. samsagga.
1488. sasara s. Welt, weltliche Existenz. — skr. p. pkr. samsära Cl.
1489. sasal s. das Schwanken, die Bewegung; Auge (als das bewegliche), sasala
„Donner" = das Schwanken, Rollen, sasaladala „Ficus religiosa" = mit zitternden
Blättern. — skr. p. pkr. cancala Jay.; hi. m. cameal u. s. w. (B. 2. 24).
1490. saha s. Freund. — skr. p. pkr. sahäya oder = skr. p. sakhi, pkr. sahi.
1491. sahayuru s. Mango. — skr. p. sahakära Cl., pkr. sahaära.
1492. sala s. Betrug, Täuschung, List. — skr. p. pkr. chala. Lies sala.
1493. salä s. Menge, Masse. — skr. chatä M.3 206, pkr. chadä.
1494. sä s. 1. Hunger s. saya. — — 2. Zweig, Ast. sämuvä »Affe", das auf den
Bäumen lebende Tier. — skr. säkhä M.3 206, säkhämrga CL, p. säkhä, pkr. säJiä.
— — 3. Abend. — skr. p. säya.
1495. sihal s. Lehm, Schmutz. — Interessant, weil zu p. pkr. ciTikhalla sich stellend,
gegen skr. cikhalla; ö. hi. ciliar, ktear.
1496. siku adj. trocken, dürr. — skr. suska M.3 207, p. sukkha, pkr. sukka.
singu s. Hörn s. anga.
1497. sitiyama s. Zeichnung, Gemälde, Bild, siüyam-karanavä »zeichnen, malen";
sitiyara „ Maler". — skr. citrakarman, citrakära M.3 207, p. cittakära, pkr. citta-
gära, -ära.
1498. situmini s. fabelhafter Edelstein, der die Erfüllung aller Wünsche gewährt Ss. 99.
— skr. pkr. cintämani Jay.
1499. sidat s. Lehrsatz, Doctrin. — skr. siddhänta Cl.
1500. sidu 1. s. Fluss, Ocean. — skr. p. pkr. sindhu. Sgh. auch sindu. — —
2. s. Reinheit, Heiligkeit s. hudu. — — 3. s. Loch, Höhlung. — skr. chidra,
p. pkr. chidda. — — 4. adj. vollendet, vollkommen. — skr. p. pkr. siddha Jay.
1501. siduhat s. weisser Senf; Name des Buddha. — skr. siddhürtha Cl., p. siddhattha.
1502. sihdinavä v. prt. sindä abhauen, abschneiden. Neu ist die Bed. „auspressen"
(z. B. Oel), in welcher d. V. auch lähdinavä lautet. — skr. \cliid, chinatti A. 27,
Ch. 147, p. chindati, pkr. chindai; si. chinanu u. s. w.
1503. sin adj. sitzend, ruhend; s. Ruhe, Schlaf. — Geht unmittelbar auf skr. p.
pkr. sanna zurück. Vgl indinavä.
sinidu adj. ölig, anhänglich u. s. w. s. unter sanaha.
1504. sipa s. Kunst, Handwerk KJ. 159. sipi „Künstler". — skr. silpa, silpin, silpika
Jay.; p. si/ppa, sippin, sippiha; pkr. sippa, sippia.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 34
264
1505. sipat s. Degenklinge. — skr. asi -\- patra Cl. Vgl. Ss. 30, wo d. W. durch
khadgapatra wiedergegeben ist. Maceeady, Glossar u. d. W.
1506. siya 1. adj. mein, dein, sein, eigen; s. pl. siyan „Angehöriger, Verwandter". —
skr. svaka, p. saka, pkr. saa. — — 2. s. Dach. — skr. p. chada. Jay. hat auch
siyana = chadana. Vgl. hivanavä.
1507. siya, siyaya num. hundert; eksiyaya 100, desiyaya 200, tunsiyaya 300 u. s. w. —
skr. sota, p. sata, pkr. saa; hi. sai, saic, m. sem u. s. w. B. 2. 137, R. 239.
1508. siyalu adj. all. siyalla s. „ Gesamtheit". — skr. p. sakala M.3 207, K., pkr. saala.
Apabhr. Pr. sagalu, dav. hi. sagrä, m. saglß u. s. w. Gr. 50. 2.
1509. siyaha, siyä adv. immer, fortwährend. — skr. p. satatam CL, pkr. saaam.
1510. siyum, siyun, siliin, sin adj. dünn, fein, zart; scharf, schneidend. —
skr. sTiksma M.3 207, p. sukhuma, pkr. suhuma.
1511. siyuru, sivru s. N. eines Vogels, Perdrix rufa. — skr. p. cahora K. 419.
1512. siri s. 1. Glück, Heil u. s. w. — skr. srl, p. pkr. sirl. — — 2. Heuschrecke
s. unter sira. — — 3. Pflug. — skr. p. slra. — — 4. Aehnlichkeit. —
skr. p. carita „ Verfahren, Art", pkr. caria.
1513. sirit s. Sitte, Brauch, Verhalten. — skr. caritra M.3 207, p. cäritta.
siriyä s. Dolch, Messer s. unter Jcaraya.
1514. siriru, siruru s. Körper, Leib. — skr. sarira M.3 208, p. pkr. safira.
1515. siru s. Heimchen, Grille; N. eines die Bäume schädigenden Insekts. — skr.
p. cirl, clrikä. Vgl. auch sgh. siri „Heuschrecke" bei Clough.
1516. sil s. moralisches Verhalten. — skr. slla M.3 208, p. pkr. sila.
1517. silimuva s. Biene. — skr. siltmukJm Cl.
1518. silil s. Wasser. — skr. p. pkr. salila.
1519. silutu adj. anhängend, anhaftend, glatt, poliert. Ss. 86: silitn. — skr. slista
Jay., p. silittha.
1520. silev, silö s. Vers, Lied. — skr. sloha Jay., p. siloka, pkr. siloa.
1521. siv, sivu num. vier. Aeltere Form für hatara (s. dort), spez. am An f. v. Comp.
gebraucht, z. B. sivbä „vierarmig", N. des Vishnu. Vor Voc. sivr-, sivur-,
z. B. sivräs , viereckig, vierseitig"; vgl. 4. as. Contr. sü- in süvisi 24 GK. 21,
RR. 54. 6, S. 19. — skr. catur- (caturasra), p. catu-, catur-; pkr. cau-, caur-.
1522. sivi s. Sänfte, Palankin in sivige Bez. des Tragsitzes auf dem [Elefanten. —
skr. sä, p. sivihä, pkr. siviä.
1523. siviya s. 1. N. einer best. Art Pfeffer, Piper cavya. — skr. cavt, cavya CI. —
2. Haut, Fell s. häva.
1524. sivumäli adj. zart, sanft, aumutig. — skr. suhumära M.3 208, so auch Ss. 27 Co.,
p. sukumära, sukhumüla, pkr. suumüra.
1525. sivur u, sivra s. das gelbe Gewand der buddhistischen Priester. — skr. p. pkr.
clvara M.3 208.
265
1526. sisi s. Mond, sisipiya „Lotosblume" = dem Monde befreundet. — skr. sasin M.3 208,
p. sasin.
sisila, sihila s. Kälte s. unter il-masa.
1527. sisi( s. Schüler. — skr. sisya Jay., p. sissa, pkr. slsa.
1528. siha, si s. Löwe. Sigiri der „Löwenberg", Blakesley, JRAS. N. S. 8, S. 53 ff.,
Rots Davids, ebenda 7, S. 191 ff., skr. simha, p. pkr. siha (vgl. Pischel,
Hern. 2. 13-14).
1529. sihiya s. Erinnerung, Gedenken, sihi-haranavä „sich erinnern" Ss. 14, 58, 95. —
skr. smrti M.3 208, p. saü (v. sarati und sumarati, pkr. sarai und sumarai).
1530. silu s. Spitze, Oberstes, Kopf; Krone, Diadem; Kamm (des Pfauen); Flamme.
— M.3 208, Cl. fälschlich zu skr. sikhä gestellt. Es' ist vielmehr = skr. cüdä,
p. culü. Vgl. sihimini »ein im Haar getragenes Juwel" = skr. cüdämani, p. cid0,
sowie tambasilu »Hahn" u. d. W. taniba.
1531. st s. 1. Löwe s. siha. — — 2. das Pflügen. — skr. p. vgl. sitä „Furche". — —
3. das Lachen. — skr. smita, p. Sita.
1532. suJcu s. Zoll, Taxe, Abgabe. — skr. sulka (M.3 208 u. d. W. sunka),
p. suiika. Sgh. suhgam „Zoll" ist wohl suk -f- 9am — gräma in der Bed.
„Menge, Sammlung".
1533. sutiga adj. klein, dünn, fein. — skr. slaksna M.3 208, p. pkr. sanha.
1534. suta s. Faden; Regel, Vorschrift. — skr. sTdra M.3 208, p. pkr. sutta.
1535. sutu s. Schaltier, Auster. — skr. sukti, p. pkr. sutti.
1536. sudat s. Frauengemach, Harem. — skr. suddhänta, p. suddhanta.
1537. sudana s. ein braver, tugendhafter Mensch. — skr. p. sujana, wohl eher als
skr. p. sajjana (Jay.), pkr. sajjana.
1538. sudasun adj. 1. schön (anzusehen). — — 2. einer guten Glaubenslehre folgend,
fromm GK. 32 b. — skr. sudarsana, p. sudassana, pkr. sudamsana.
1539. sudusu adj. geschickt,' passend. — skr. sudahsa M.3 208. Hat eine Grdf. mit
cch zur Voraussetzung.
1540. sun s. 1. adj. abgehauen. — skr. p. pkr. chinna M.3 208. Vgl. sgh. sunbun
„wertloses Zeug, Gerumpel* = chinna-bhinna. — — 2. s. Vernichtung, Unter-
gang. — Entweder = d. vor., oder auf skr. slrna zurückgehend.
1541. suba adj. glücklich: s. Glück, Wohlergehen. — skr. subha, p. subha, pkr. suha.
Vgl. sgh. sobana, hobana „angenehm, lieblich, schön" = skr. sobhana u. s. w.
S. unter obina.
1542. sumu 1. adj. schön, hübsch, elegant. — skr. sumuJcha Cl. — — 2. s. Menge,
Haufe. — skr. p. pkr. samuha Jay.
1543. sumuga s. Dose, Kästchen. — skr. samudga Cl., p. pkr. samugga.
1544. suru 1. s. Held, Krieger. — skr. süra M.3 209, p. pkr. süra. — — 2. adj.
geschickt s. huru. 3. adj. schön, anmutig. — skr. p. suräpa, pkr. suriiva;
si. suru „(a boy) that is tall for his age or has grown quickly" (Stack).
34*
266
1545. sul, sulu adj. klein, sidangilla „der kleine Finger". — skr. ksidla, p. culla, cula,
cüla. Hieher gehört auch pkr. culla in cullatäa, cullapiu kleiner Vater, d. i.
„ Schwiegervater" = skr. ksullatäta, p. cullapitar.
1546. suva s. 1. Freude, Glück, Wohlergehen, Gesundheit, s.-karanavä „ heilen". —
skr. p. sukha M.3 209, pkr. suha. — — 2. Papagei. — suka Cl., p. suka, suva,
pkr. sua; MIDial. suä.
1547. suvahda s. Duft, Wohlgeruch, N. einer auf Ceylon heimischen wohlriechenden
Pflanze. — skr. p. sugandha M.3 209, pkr. suandha; ö. hi. sömdhä (H. 54).
1548. suvan s. 1. Gold, suvankaru, suvaru „ Goldarbeiter". — skr. suvarna, p. pkr.
suvanna. — — 2. N. des Vogels Garuda. — skr. suparna, p. supanna.
1549. suvaru s. Koch. — skr. p. süpakära.
1550. suvasa s. Natron, Alkali. — skr. suvarcaka Cl.
1551. susuma, susma s. Atem, susumlanavä „seufzen, stöhnen". — skr. susma,
pkr. sumha.
1552. susüra, susiri s. Höhlung, Loch; ausgehöhltes Instrument, Flöte; Elefanten-
rüssel. — skr. susira CL, p. susira.
suhunu s. Eidechse s. luinä.
1553. suhuru, sohovurä, sohoyuru s. Bruder. — skr. sahodara, pkr. sahoara.
1554. suhul s. Schwiegermutter. — skr. svasrü K., p. scjssm; hi. .sös, m. säs« u. s. w.
B. 1. 358.
1555. sü s. Suppe, Brühe. — skr. p. süpa Jay.
1556. südeta s. Küchenmeister, Küchenchef. — sü = skr. p. süda, pkr. süa + ^eto,
also „Oberster der Köche".
1557. seta, setu adj. trefflich, edel, vornehm. — skr. srestha Jay., p. pkr. settha.
1558. set s. Ruhe, Seelenruhe, Gelassenheit. — skr. sänti M.3 209, p. pkr. santL
Sgh. sati „Ende, Vernichtung".
1559. sen s. 1. Heer. — skr. p. send Jay., pkr. send. — — 2. Adler, Falke. —
skr. syena, p. sena.
1560. senavä v. lachen. — skr. ysmi, smayate.
1561. sebalä s. Krieger, Soldat. — Aus *senbalä = se«ä -J- bhata.
1562. sem, sema s. Schleim. — skr. slesma M.3 209, p. sileswna und semha,
pkr. simbha.
1563. semara, semera s. Yak, Bos gruniens; Yakschweif (als Fliegenwedel verwendet).
— skr. p. pkr. cämara Jay.
se£, seZa s. Felsen, Berg s. sal.
1564. sevana s. 1. Schutz, Schatten s. unter hivanavä. — — 2. Wassereimer. —
skr. secana, pkr. seana.
1565. seveZ s. N. einer Wasserpflanze, Vallisneria (Blyxa) octandra. — — skr. saiväla
Jay., p. seväla.
1566. sesa, sesu adj. übrig, übrig bleibend. — skr. sesa M.3 210, p. pkr. sesa.
267
1567. se 1. s. Ursache; Brücke s. 1. und 2. heya. — — 2. s. weisse Farbe.
In Corapos. oft sc- z. B. sejxd, hepat „Gans, Schwan" = weissgefiedert, semwi
„Krystall" = weisser Edelstein; se- in sesata „weisser Schirm" als Zeichen könig-
licher Würde. — skr. sveta Jay. (vgl. svetapatra) , p. seta, pkr. sea. — —
3. s. Schatten; Abbild; Aehnlichkeit, Art und Weise. — se, -seyin bildet
Adverbien, z. B. suvase „glücklich" (unrichtig M.3 209), bohöseyin „vielfältig",
est „so, auf diese Weise". — skr. p. chäyä Ch. 138, pkr. chää; hi. chäm u. s. w.
4. adj. geschickt, gewandt. — skr. p. cheJca Cl., pkr. chea.
1568. souda s. Gift, Schlangengift. — skr. Jcsveda.
1569. sohduru adj. anmutig, angenehm; s. Weib. — skr. p. pkr. sundara oder
vielleicht genauer = skr. saundarya R. 244. Wie verhält sich dazu hohda, s°
„angenehm, schön, gut"?
1570. som s. Milde, Sanftmut. — skr. saumya Jay., p. somma, pkr. soma.
1571. somnasa s. Freude, Ergötzen. — skr. saumanasya CL, Jay., p. somanassa.
1572. sommäru s. Gerber. — Aus :!:somvaru = skr. carmaküra K. 422, p. cammakära;
hi. u. s. w. camär.
sohona, son s. Leichenstätte s. hon.
1573. so s. 1. Geschwulst, Schwellung, Beule. — skr. sopha Cl., p. sopha. — —
2. Schmerz, Kummer, Leid (sova bei Jay.). — skr. soka CL, p. soha, pkr. soa,
soga. — — 3. Ohr. — skr. srotas. Ueber soya, so „Strom" s. oya.
sälculu adj. hart, fest s. sahulu.
säta, häta num. sechzig s. unter haya.
1574. säda 1. adj. heftig, ungestüm, rauh, hart, grausam, sädapahara „Strom-
schnelle". — skr. p. pkr. canda M.3 210. — — 2. s. das Hinaufsteigen. —
hi. cadhnä „sich erheben, hinaufsteigen", cadhäv „das Hinaufsteigen" = m. cadäv,
si. cadhanu (B. 2. 43, 53, 64). Hern. 4. 162 (vgl. Pischel, z. d. St.) wird
pkr. paccaddai als Subst. für gacchati gegeben.
1575. sädol s. Angehöriger der verachtetsten Kaste. — skr. p. pkr. candäla Cl.
1576. säna, sana s. Augenblick; Fest, sänagos „Festjubel". — skr. Jcsana M.3 210,
p. pkr. hliana. Geht auf eine Nbf. mit ch zurück, wie p. chana in der Bed. „Fest",
während die Grdf. mit Jch in sgh. hana (bei Jay.), Icenehi „sofort, alsbald"
(p. tasntim Tchane) vorliegt. Doppelformen auch in hi. Tchan und chan, m. Mian
u. s. w. B. 2. 7. Vgl. auch 5. sahda.
sät, säta s. 1. Waffe, 2. Kenntnis, Wissenschaft s. sata.
1577. sätapenavä v. prt. sätapunä rauhen, schlafen. — ■ skr. \trp -\- sam, samtarpayaä
P. G., K. 417, p. santappeti.
1578. südenavä v. prt. sädunä ausstatten, schmücken. — skr. sajjayaü „setzt in
Bereitschaft", p. sajjeti „rüstet, schmückt (z. B. nagaram)" , pkr. sajjel. Vgl.
sgh. sackm „Schmuck" = skr. p. sajjana.
1579. sädäha s. Glaube, sädä-len „mit gläubigem Herzen" Ss. 49; Co. = sraddhäcittayen.
— skr. sraddhä OL, p. pkr. saddhä.
268
1580. sähde, sakda s. Abend. — skr. sandhyä, p. pkr. sahjhä; hi. m. sämjh, pj. samjh u. s. w.
B. 1. 328.
säpa, säpata s. Glück u. s. w. s. sapa und sapat.
1581. säpat s. Annäherung, das Herankommen. — skr. sampräptt, das formell schon
auf der Pälistufe mit sampatti zusammenfällt.
sämi s. Herr, Gebieter s. liimi.
1582. sämitiya s. Peitsche, Geissei. — Ich erkläre das W. aus sam (ham) „Leder,
Riemen" -+- mitiya „Bündel, Handgriff".
1583. sära adj. gehend, sich bewegend; schnell, flink, säraya „Schnelligkeit, Flink-
heit", särayatiya „Spazierstock", särisara „das Gehen, Bewegung". — skr. cärin,
caräcara, p. cärin, caräcara, pkr. carai, cära u. s. w.
1584. säv s. Bogen. — skr. p. cäpa, pkr. cäva. Sgh. liyasäv N. des Liebesgottes Nv. 12
wäre = skr. Hatäcäpa.
1585. sävulä s. Hahn. — skr. p. capala „flink". Gemeint ist zunächst der sehr scheue
und flüchtige Waldhahn (Gallus Lafayetti).
1586. sähälln adj. leicht (levis und facilis). — Metathese aus *säläha == p. sallaghuka.
säla-lihiniyä N. eines Vogels s. häla-l°.
1587. sa s. 1. N. der Familie, aus welcher der Buddha hervorging. — skr. säkya, p. säkiya
neben sakya und sakka. — — 2. Scheiterhaufen, Holzstoss (zum Verbrennen
der Leichen); buddhistisches Heiligtum, Reliquienschrein. Davon Sügiri
N. des Mihintale-Berges. — skr. citi, citä, cittkä, caitya M.3 211, p. citä, citakä,
ceüya (Cetiyagiri), pkr. ciä, ceia.
H
1588. hak, salc s. Muschel. — skr. saiikha, p. pkr. sanJcha K. 430.
1589. hakuru, sak° s. Zucker, hakurä ein Mann von der „Jaggery" -Kaste. — skr.
sarkarä Jay., p. sakkharä, pkr. sakkarä; MISpr. sakkar, m. säkhar.
1590. hagisvanavä v. prt. hagisvuvä die beiden streitenden Parteien vor Gericht sich
gegenüber stellen, confrontieren; dann überführen. — Ich leite das V. vom
Caus. der skr. Ygam -j- sam, samgacchati ab. Im P. hiesse dasselbe *sahgacchäpeti.
1591. hana-gala, san° s. Mahlstein. — skr. säna, p. säna.
1592. hata, sata num. sieben, dahahata, hatalosa 17, hättava, sättäva 70. — skr. sapta,
saptadasa, saptati; p. satta, sattadasa und sattarasa, sattati und -ri; pkr. satta,
sattarasa, sattati. hi. sät, sattarah, sattar; m. sät, saträ, sattar u. s. w. R. 239,
B. 1. 278, 2. 133 ff.
1593. hatara, satara, här num. vier, dahahatara, sudusa 14, hataliha, sa° 40.
Vgl. siv, sivu. — skr. catväras, caturdasa, catvärimsat; p. cattäro (caturo, worauf
sgh. hära zurückgeht), catuddasa (coddasa und cuddasa), cattärlsam und catta-
llsam (tältsam); pkr. cattari und cauro, cauddasa und caudasa (coddasa), cattä-
Itsam und cäältsani (cattä). hi. cär, caudaha, cälis; m. cär, caudä, cälxs u. s. w.
R. 239, B. 2. 132 ff.
269
1594. Jiatta s. pl. hatu (satu) Pilz, Schwamm. — skr. cliattra, chattrikä, so benannt
wegen seiner Schirmgestalt. Vgl. Megh. 11: Jcartum yacca prabhavati mahlm
ucchillndhrätapaträm . . .
1595. hadanavä, sa d° v. prt. häduvä, s° machen, vollenden; erbauen, errichten. —
Kann nicht mit Ch. 152, M.3 211 zu skr. Y sädh, sädhayati, p. sädheti, pkr. sähei
gestellt werden, da intervoc. dh nicht erhalten bleibt. Vielmehr gehört das V.
zu skr. Ysrj, srjati; Grdbed. „hervorbringen". Im P. wäre wohl ein *sajjati
vorauszusetzen. Vgl. übrigens Ss. 5, wo susädu im Co. mit susarjitakalävü wieder-
gegeben wird. S. auch Nr. 1578.
1596. hahda, sanda s. Mond. — skr. candra A. 22, p. pkr. canda; hi. cämd u. s. w.
(B. 1. 297, 337, Gr. 50. 37).
1597. handun, sa° s. Sandelholz. — skr. p. candana Cl., pkr. candatia; hi. u. s. w.
candan, b. sandal.
1598. handiya s. pl. handi Gelenk, Knoten, Verbindung, h.-haranavä , verbinden". —
skr. p. pkr. sandhi M.s 211.
1599. hapan, sapan adj. überlegen, erfolgreich; reich, vermöglich; klug,
geschickt, weise, hapanä „der Weise". — skr. p. pkr. sampanna. Es ist
jedoch sehr möglich, dass damit zugleich p. sappahna (= skr. sa -\- prajnä)
zusammengeflossen ist.
1600. liapanavä, sap° v. zerkauen, zermalmen, hapa alles zerkleinerte, zermalmte
„Abfälle, Ueberreste". — P. G. 3 zu skr. carv, mar. St. cäv- gestellt. Lautlich
nicht ohne Bedenken.
1601. hapu, sapu, sapä, sap s. Schlange. — skr. sarpa Cl. Jay. , p. pkr. sappa;
hi. sämp, m. säp u. s. w. (B. 1. 319, Gr. 50. 31). Sgh. häpinna „weibliche Cobra"
= p. sappint K. 425.
1602. hapus s. Jay. gibt das W. durch lom heiin sittma wieder; das wäre = skr. puldka
lomaharsa. Daher leite ich hapus auf skr. samsparsa, p. samphassa, pkr. sam-
phäsa zurück.
1603. hama, sama s. pl. ham, s° Haut, Leder. — skr. carman K. 427, M.3 211, p.
pkr. camma; hi. u. s. w. cäm B. 1. 345. Vgl. sommäru.
1604. hamananavä v. prt. hämanuvä gleichstellen, vergleichen. — Denom. von
hamana = skr. p. samäna, pkr. samäna.
1605. hami s. Palast (fehlt bei Cl.). — skr. harmya, p. hammiya.
1606. hamuva adv. vor, in Gegenwart, angesichts. Auch hamu, amu. — skr. sam-
muJcham M.3 211, p. sammukham, pkr. sammuham.
1607. hambavenavä v. prt. hambavunä zusammentreffen, begegnen; sich vorfinden,
vorkommen. — skr. Ybhü -\- sam, sambhavati, p. sambhavati, pkr. sambhavai.
1608. haya, saya uum. sechs, daliasaya, solosa 16, häta, säta 60. — skr. sas, sodasa,
sasti; p. cha, solasa, satthi und -im; pkr. cha (chal-), solasa und sola, sattln und -im.
hi. cha, solah, säth; m. sahä, sola, säth u. s. w. R. 239, B. 2. 133 ff.
1609. harahä, Sarah s. Ochse, Bulle. — Metathese aus *sakar = skr. sakvara, sakkara
M.» 29.
270
1610. harahga s. Name eines Vogels (eine Kuckucksart). — skr. p. särahga. Vgl. saraga.
1611. haramba s. das Fechten. — skr. samrambha (alles ungestüme Gebahren),
p. särambha „zornige Rede, Streif.
1612. harahanavä, saras0 v. prt. härahuvä, säras0 schmücken, zieren. — Dürfte zu
skr. Yrac -+- sam, -racati gehören, obwohl dieses Compos. im Skr. und P. nicht
belegt ist.
1613. hal, sal s. 1. N. eines Baumes, Vateria acuminata. — skr. säla Jay., p. pkr. sola.
2. Halle, bes. Verkaufshalle, dah. dann Markt. — skr. sola Jay., p. pkr. sälä.
1614. haladu s. Gelbwurz. — skr. haridrä, p. pkr. haliddä; hi. haldt, m. haladdä u. s. w.
Gr. 49. 401.
1615. halanavä, sal0 v. prt. häluvä, s° bewegen, schütteln, schwingen; ins Wanken
bringen, umwerfen. Intr. hälenavä, säl°, prt. hälunä, s° „wanken, zittern,
umfallen". — skr. Vccd, cdlati, cälayati Ch. 146; p. cdlati, cäleti; pkr. calai, cälei.
hi. calänä u. s. w. B. 3. 34, 78. Vgl. sgh. salapat (synon. saladala) N. der Ficus
religiosa (mit beweglichen Blättern) = skr. calapattra.
1616. hav, sav adj. all, ganz. — skr. sarva M.3 206, p. sabba, pkr. savva; hi. sab,
m. sabu u. s. w.
1617. havuru s. Damm, Erdwall (als Befestigung). — skr. samvara („Damm" bei
Hern. 965), p. pkr. ebenso, Bed. „Einschliessung, Zügelung".
1618. has s. 1. Gans, Flamingo, Schwan. — skr. p. pkr. hanisa K., Jay.; hi. u. s. w.
hans, häms (Gr. 50. 39). — — 2. Gelächter, Freude, Vergnügen. — skr.
p. pkr. häsa M.3 211. — — 3. Korn, Getreide s. as.
1619. haluva, sal0 s. Tuch, Shawl. — skr. sota, sätaka, pkr. sätaka.
1620. hä part. cop. und, auch, mit. häkaranavä .verbinden, vereinigen". — skr. p.
pkr. saha A. 31.
1621. hat adv. rings, ringsumher. Auch hätpasa und Ss. 20 hätpasin. — Das W. ist
m. E. im Sgh. contrahiert aus Viavat = skr. sarvatra, p. sabbattJia, pkr. savvattha
„auf allen Seiten", hätpasa, -sin ist dann verstärkende Zusammensetzung mit
3. pasa „Seite".
1622. hävä, hä, sävä, sä s. pl. hävö Hase, häkan N. einer Pflanze (wtl. Hasenohr) u. a.
— skr. sasa K. 424, p. pkr. sasa.
1623. hih s. Unterricht, Studium. — skr. sihsä, p. sikkhä.
1624. hih-mtyä s. pl. -yö Moschusratte. — hik (= skr. cikha) + ml(yä).
1625. higu, s°, hihgu adj. schnell, flink; s. Eile, Schnelligkeit. — skr. sighra Ch,
p. slgha, pkr. siggha.
1626. hitänö, s° ein sehr reicher Mann, hüu- in hituduva „Tochter eines solchen
Mannes". — skr. sresthin Ch, p. setthin, pkr. setthi. -änö ist „honorific" A. G. S. 175.
1627. hitinavä, sit° v. prt. hitiyä, s° stehen, stehen bleiben, hitavanavä, hitiw0, s°
„stellen, zum Stehen bringen, feststellen, einpflanzen". — skr. ysthä, üsthati,
p. titthati, pkr. citthai. Mit letztgenannter Form stimmt die sgh. überein, zuerst
richtig erklärt P. G. 25, K. 434 Anm.
271
1628. lata, s° s. Geist, Sinn, hitanavä, s° prt. hituvä, s° „denken". — skr. citta Ch. 147,
cintayati, p. citta, cinteti, pkr. citta, cintei.
1629. hitul, hitul s. N. einer Paluienart, Sumpfdattelpalme. — skr. p. hintäla.
1630. hihdu s. (fehlt bei Cl.) Stachel (des Stachelschweines). — skr. p. snci, pkr. süi.
Vgl. unter idiJcatuva.
1631. himi, himiyä, s° s. Herr KJ. 671; Eigentümer; Gemahl KJ. 151. — skr. svämin
A. 30, P. G. 34, p. sämin, pkr. sämi; hi. säim u. s. w. B. 1. 257.
1632. hiriyal, s° s. Auripigment. — skr. p. haritäla, pkr. hariäla und haliära Hern. 2. 121.
Cl. u. d. W. s°.
1633. hivanavä v. prt. hiviwä bedecken, beschirmen, beschatten, hevana, s° „Schutz,
Schirm, Schatten", vgl. 2. siya. — skr. V cJiad, chadayati, chadana; p. chädeti,
chadana, pkr. chäana.
1634. hivalü, s° s. pl. hivallu Schakal. — skr. srgala A. 5, p. sigäla, pkr. .siäfa;
b. siä? u. s. w.
1635. Ins, sis adj. leer. — skr. p. tuccha; im Pkr. findet sich auch cuccha und chuccha
(Hern. 1. 204), womit die sgb. Form übereinstimmt, M.3 208.
1636. htnaya, s° Traum. — skr. svapna R. 248; p. soppa, soppana „Schlaf", supina
„Traum", pkr. sivina. Die Entwickelung des sgh. Wortes ist *suvina, *sivina, sina.
1637. hunu, s° s. Kalk, Cement. — skr. carna Jay., p. pkr. cunna.
1638. hudn, s° adj. rein, heilig; weiss. — skr. suddha Cl., p. pkr. saddha.
1639. hun, s° adj. leer, sunata „arm", wtl. leerhändig; s. Leere. — skr. simya, p. suhna,
pkr. sunna, sunna; hi. sün, m. sunä u. s. w. Gr. 50. 28.
1640. huya, hü s. Faden. — Der Herkunft nach identisch mit suta, aber auf eine Grdf.
*süta (neben p. sutta aus sütra) zurückgehend.
1641. huru, s° adj. geschickt, gewandt, surata (huru-ata) „die rechte (d. h. die
geschickte) Hand". — Durch *haura aus skr. p. catura, pkr. caura.
1642. hünä, s°, suhunä s. Eidechse. — skr. sisunäga, p. susu -\- näga „Schlänglein".
1643. hürä s. Schwager (das W. wurde mir von Mudaliyar S. de Silva als in den
Dörfern des Innern gebräuchlich mitgeteilt). — skr. svasurya, p. *sasuriya.
1644. heta, s° adv. morgen. — Aus he = skr. svas, p. se, suve, pkr. suve (Hem. 2. 114)
+ adv. Suff, ta Ch. 140, K. 434.
1645. heda, seda adv. schnell, plötzlich, hat-se dass. — skr. sadyas, p. sajju, sajjukam.
Vgl. sgh. hadissiya „plötzlich eintretendes Ereignis" (oder = skr. sädhvasa, pkr.
sajjhasa „Panik").
1646. henavä, s° v. fallen, herabträufeln, herabstürzen. — skr. \ cyu, cyavaü,
p. cavati, pkr. cavai, absol. caiTina. Dav. hena „Blitzstrahl", d. i. der herabstürzende.
1647. heba, hep, hop s. mit Wasser gefüllte Höhlung, kleiner Teich. — skr. svabhra,
p. sobbJia.
1648. hem ?. Gold. — skr. p. pkr. hema M.3 213.
1649. hemin, s° adv. sanft, leise, ruhig. — skr. Jcsema (-ena), p. pkr. Miema. Grdf. ch°.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 35
272
1650. heya, he s. 1. Grund, Ursache, heyin „ wegen, um . . . willen". — skr. p. Jntti
M.3 212, pkr. heu. — — 2. Brücke; Damm (in einem Reisfeld, wo die Dämme
zugleich zum Uebergang dienen). Auch se und e in e-danda „a log of wood
placed across a stream as bridge" Cl. u. d. W., J. Ferguson „ Ceylon in 1893"
S. 472. — skr. p. setu Cl.
1651. heia s. Decke, Teppich. — skr. p. cela.
1652. hevat part. oder. — skr. p. athavä, pkr. ahavä -\- (dem oft a. E. von Adv. und
Part, erscheinenden) -t. heva finde ich RR. 64. 7, S. 22.
1653. helanavä v. prt. helunä werfen, wegwerfen, fallen lassen, ausschütten. —
skr. Ychard, chardati, p. chaddati, pkr. chaddai und chamdai; hi. chänidnü »aus-
speien" (B. 3. 52).
1654. hofa, s° s. Schnabel (eines Vogels). — ■ skr. cahcu, pkr. cancü; hi. m. cömc, aber
b. or. in merkwürdiger Uebereinstimmung mit dem Sgh. cöint. Gr. 49. 404.
1655. hohdaya, sonda s. Rüssel (eines Elefanten). — skr. hin da, p. pkr. sondä:
ö. hi. sTimr.
1656. horä, s" s. pl. horu, s° Dieb, Räuber, hera „Diebin", horakama „Diebstahl". —
skr. caura A. 6, Ch. 144, K. 422, p. pkr. cora; hi. cor u. s. w.
1657. hovinavä, hön° schlafen, ruhen, caus. hovanavä „zur Ruhe bringen, einschläfern"
(wozu wohl hovilla „Palankin, Schaukel", eigentl. Wiege, gehört), ot, hat „ruhend,
schlafend" s. bes. — skr. ysvap, svapiti, p. supati, pkr. suvai, sovai und suyal;
hi. sönä u. s. w. (B. 1. 199, 3. 36).
1658. hö N. eines Baumes, Jonesia asoca. Auch hö-palu. — skr. asoJca Jay., p. asolca,
pkr. asoa.
1659. hon, sohona, söna s. Leichenstätte, Grab. — skr. smasäna Cl. , p. susäna
M.3 211, pkr. masäna und suscwa (Hern. 2. 86).
1660. häha, s° s. Zweifel, Sorge. — skr. sanhä M.3 210, p. pkr. sahhä.
1661. hälci, s° adj. möglich, fähig, geschickt. — skr. .iakya, p. pkr. saMa.
häta, s° nura. sechzig s. unter haya.
1662. hätiya, s° s. Art und Weise, Charakter, Natur. — skr. srsü (Bed. 1 b bei BR.),
pkr. sitthi.
1663. häbava, s° Wahrheit, Wirklichkeit, säbavin, häbavata, hähäta „in Wahrheit,
wirklich". — skr. sadhhäva, p. pkr. sabbhäva.
1664. häliya, s°, sal s. irdenes Gefäss, Wassertopf. — p. cäti M.3 213.
1665. häva, süvaya s. Haut, abgestreifte Schlangenhaut. — skr. chavl Cl., p.
pkr. chavi.
1666. häsirenavä v. prt. häsurunä sich bewegen, gehen, wandeln; handeln, sich
verhalten. — skr. ycar -\- sam, skr. p. sahcarati, sahcära.
1667. häla, s° in hälalihiniyä, s° s. N. eines Vogels, Gracula religiosa (Maina). —
skr. särikä, p. sälikä.
273
Nachtrag-.
Ich habe der vorstehenden Wörterliste nur wenig beizufügen. Um Raum zu sparen,
habe ich mich so kurz wie möglich gefasst. Die Nachweise im einzelnen wird der Abschnitt
über die Lautverhältnisse des Singhalesischen in meiner Bearbeitung dieser Sprache für
BüHLER's Indischen Grundriss bringen.
Zu ya-kada ist Donald Ferguson's engl. Uebersetzung von E. Kuhn's bekannter
Abhandlung im IA. zu nennen, wo in den Bemerkungen das Wort richtig erklärt wird.
Ebenda finden sich, wie ich als Nachtrag zu meinem Aufsatze (Sitzungsber. d. b. Akad.
d. Wiss., I. Cl., 1897, S. 3 ff.) beifüge, einige Bemerkungen über den Rodiyä-Dialekt.
Uebereinstimmend mit mir sind von D. Ferguson erklärt die Rodiyä- Wörter Nr. 73, 97, 1 12,
197, 209, 221. Richtig ist auch bei kalu-väli die Zusammenstellung mit sgh. villi „creeper".
Ich selbst möchte nachtragen, dass das Rod.-Wort keradiya „Kopf" (Nr. 64) = sgh. karatiya
„Nacken" ist. Die Bed. „Kopf findet sich bei A. Gunasekära, Kusa-Jätaka, glossary.
Die Schreibung des Rod.-Wortes ist nach dem Sgh. zu ändern.
Von sgh. Gleichungen trage ich nach 1668 kotasa s. „Stück" = p. kotthäsa;
1669 muvarada s. „ Blütensaft" KJ. 201 = skr. p. makaranda; 1670 sumbula s. „Krone,
Kranz, Diadem" = p. cumbata(ka). Vgl. mal-sumbula KJ. S. 182. 32 = (mala) cumbataka
Jät. 5. 292, 13.
Griechische Originalstatuen
in Venedig.
Von
Adolf Furtwängler.
(Mit 7 Tafeln und mehreren Textbildern.)
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XXI. Bd. II. Abth. 36
Die in diesen Denkschriften von mir begonnenen Studien über die
Statuenkopieen im Altertum (Abhandl. I. Cl., 20. Bd., 3. Abth., S. 527 ff.),
deren Fortsetzung demnächst folgen soll, haben zur Vorbedingung, dass inner-
halb der uns erhaltenen Statuenmenge diejenigen ausgesondert werden, welche
vor die mit dem Anfang des ersten Jahrhunderts vor Chr. beginnende grosse
Kopistenthätigkeit gehören und der schöpferischen Periode griechischer Kunst
zuzuweisen, mithin als griechische Originalstatuen zu bezeichnen sind.
In den Sammlungen auf griechischem Boden entgehen diese Werke nicht
leicht der Beachtung, ja das hier im Allgemeinen herrschende günstige Vor-
urteil führt leicht dazu, dass Statuen, die nur Kopieen der eigentlichen
römischen Kopistenzeit sind, wie z. B. die Aphrodite von Epidauros in Athen,
für Originalwerke gehalten werden. Anders in den italischen Sammlungen,
wo man gewohnt ist, nur spätere Kopieen zu finden; hier können griechische
Originale sich leichter der Beachtung entziehen. In Venedig freilich, sollte
man meinen, müsste der Betrachter auf das Vorkommen griechischer Figuren
eher vorbereitet sein; gleichwohl befindet sich eben hier im Museo archeologico
des Dogenpalastes eine bisher als solche nicht beachtete Serie unterlebens-
grosser weiblicher Marmorstatuen, die aus den Zeiten höchster Blüte originaler
griechischer Kunst, aus dem fünften und vierten Jahrhundert v. Chr. stammen.
I.
Wir betrachten zuerst eine Statue der A t h e n a (Taf. VII, 2) !), die in mehr-
facher Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt gegenüber der eng geschlossenen
Serie der übrigen. Ueber ihre Herkunft ist nur bekannt, dass sie bis zum
Jahre 1811 im Hofe des Dogenpalastes stand und dann in das Museum ver-
setzt ward. Sie besteht aus pentalischem Marmor. In diesen beiden Punkten,
Herkunft und Material, unterscheidet sie sich von der folgenden Serie. Sie
ist gut 3/4 lebensgross (jetzige Höhe 1,48). Die Statue ist ein sehr lebendig
') Dütschke, ant. Bildw. in Oberitalien, Bd. V, Nr. 73. Valentinelli, manni scolpiti del Museo
della Marciana no. 9, tav. 1. Clarac, mus. de sculpt. 460, 854.
36*
278
und frisch gearbeitetes attisches Original aus dem späteren fünften Jahrhundert.
Leider ist nur der Torso erhalten. Der Kopf war besonders angesetzt und
mit dem Halse in den Torso eingelassen; der moderne Ergänzer hat auf einen
neuen Hals einen schlechten antiken Athenakopf römischer Arbeit aufgesetzt.
Von den Armen ist nur das oberste Stück des rechten Oberarms antik;
modern ist auch die runde profilierte Basis mitsamt den Füssen.1)
In den Zacken der Aegis sind noch Eisenstifte erhalten, welche die aus
Metall einst besonders angesetzten Schlangen zu halten bestimmt waren. Von
weiteren metallischen Zugaben zeugen zwei Löcher mit Eisenstiften in der
Gegend des von den Steilfalten des Peplos bedeckten linken Knies; ferner ein
Bohrloch weiter oben in den Falten unter der linken
Hüfte. Vermutlich waren der Schild oder die Schlange
der Göttin an ihrer linken Seite aus Metall ange-
bracht. Diese Technik ist den römischen Kopieen
fremd; ein Kopist würde die Aegisschlangen im
Marmor gebildet haben. Dagegen ist dies Ansetzen
metallischer Zuthaten an den Marmorarbeiten der
classischen Zeit das regelmässige Verfahren.2)
Die Statue trägt die Gewandung der Athena
Parthenos, mit dem Unterschiede, dass der lange
Ueberschlag des Peplos im Rücken heraufgenommen
und mit den Enden auf die Schultern über die Aegis
gelegt ist,3) eine Tracht, die bei jungen Mädchen
in der phidiasischen Epoche (man denke an den
Parthenonfries, die Koren des Erechtheions, die Köre
des eleusinischen Reliefs) gar häufig, bei Athena
aber ungewöhnlich ist, indem sie zu der Aegis nicht
recht passt.
Die nächsten Verwandten der Statue sind zwei
schon lange bekannte ebenfalls unterlebensgrosse
Athenafiguren von der Akropolis zu Athen4) (die eine beistehend). Sie stehen
der unserigen so nahe, dass man vermuten darf, auch sie werde von der
Akropolis zu Athen.
*) Die Angabe der Ergänzungen ist bei Dütschke wie immer ungenau; die moderne Basis bildet
er sogar ab als antik!
2) Vgl. das Intermezzi S. 18 f. über die Technik des Torso Medici Bemerkte.
3) An beiden Seiten sind grosse Stücke des Randes dieses hinteren Ueberschlags ergänzt.
*) Friederichs-Wolters, Gipsabgüsse Nr. 473. 475. Th. Schreiber, Athena Parthenos (Abhandl. d.
sächs. Ges. d. Wiss., Bd. VIII) S. 35, A; 37, B. — Schon Conze, Arch. Ztg. 1873, S. 83, 9 bemerkte von
der Venezianer Statue, „ gleicht attischen Arbeiten" und dachte dabei wohl an jene Torse der Akropolis.
279
Akropolis stammen. Alle sind freie Abwandlungen der Athena Parthenos
des Phidias (gehören also in die Ueber Statuenkopieen I, S. 529, Nr. 2 bezeichnete
Rubrik von abhängigen „Originalen") und stammen aus den letzten Dezennien
des fünften Jahrhunderts. Die Venezianerin hat das Standbein vertauscht,
womit zusammenhängt, dass der Peplos an der linken, nicht wie bei der
Parthenos an der rechten Seite offen ist. Das Spielbein ist hier wie an
jenen Torsen schon im Schritt zurückgezogen, nicht wie bei der Parthenos
nur zur Seite gestellt. Die Aegis ist ganz schmal, das Gewand schon ziem-
lich dünn und feinfaltig; es legt sich wie feucht um den Unterschenkel des
Spielbeins und bildet von dessen Knie herab keine schwere Steilfalte mehr.
Zu den Falten um Brust und Leib bietet
die — freilich nur flüchtig ausgeführte —
Iris im Parthenonfries, die den gleichen
gegürteten Peplos trägt, einen passenden
Vergleich. Stilistisch ist die Statue dem
Friese sehr nahe, näher als jenen beiden
Torsen, welche die effektvolle tiefe Bohrung
der Falten zeigen, die unserer Athena ebenso
wie dem Friese noch fremd ist. Der Iris
und der Venezianer Athena sehr ähnlich ist
aber ein anderer Torso der Akropolis, der
Oberkörper einer wieder unterlebensgrossen
weiblichen Figur, die den Mantel zu dem
gegürteten Peplos trug (s. beistehend). Wir
dürfen sonach vermuten, dass die Athena
der Periode des Parthenonfrieses angehört
und etwas älter ist als jene Athenatorsen
der Akropolis, die der Zeit des peloponne-
sischen Krieges zuzuweisen sein werden.
Das bedeutendste erhaltene Werk von der Art wie jene kleinen Statuen
ist aber der prachtvolle grosse Demetertorso von parischem Marmor im
Museum zu Eleusis, der in Bewegung und Gewandbehandlung mit den ge-
nannten Athenafiguren übereinstimmt; nur die gewundene Faltenlinie zwischen
den Brüsten deutet auf etwas ältere Tradition; das Werk wird in die Zeit
der Parthenongiebel gehören (s. umstehend).1)
Akropolis zu Athen.
*) Vgl. Ueber Statuenkopien I, S. 541, Anm. 1.
280
Mit den Kopien der Parthenos verglichen, überraschen alle diese Statue
durch den viel reicheren und reizvolleren Fall des Gewandes, besonders an
dem Ueberschlag. Die herbe Einfalt des gewaltigen Vorbildes wich sofort
dem Drange nach gefälligerer Form.
Der rein attische Charakter der Venezianer Statue erhellt aus jedem Ver-
gleiche; interessant ist es, die ebenfalls unterlebensgrosse Athena aus Leptis im
Museum zu Konstantinopel (Joubin, catal. des sculpt. 1893, Nr. 20; s. umstehend)
zu vergleichen, die ungefähr derselben Zeit angehören muss. Auch diese hat das
Parthenosgewand und linkes
Standbein, undihr Kopf gleicht
ganz attischen Typen; aber
welcher Unterschied in der
Gewandbehandlung! Um den
Unterkörper hat der Peplos
hier eine an attischen Werken
ganz unerhörte unruhige Be-
wegung nach der Hüfte des
Standbeins zu bekommen, und
der Oberkörper mit den leeren
breiten Faltengängen findet
nicht an attischen, wohl aber
an kleinasiatischen Werken
wie den Nereiden von Xanthos
die nächste Parallele. Die
Statue von Leptis wird wie
diese von einem ionischen
Künstler herrühren (vgl. Arch.
Ztg. 1882, S. 360 ff., Meister-
werke S. 221). Da wir aus
dem Künstlerkreise, der das
Nereiden -Denkmal und das
Heroon von Trysa schuf, sonst
keine ruhig stehenden Rundfiguren besitzen, so ist die Statue von Leptis
mit ihrem Kontraste gegen die attischen Werke und gegen deren massvolle
schlichte Anmut besonders wertvoll.
Eine diesen attischen Statuen sehr verwandte Schöpfung, die aber von
einem namhaften Künstler herrühren muss, ist uns noch in mehreren Kopieen
Museum in Eleusis.
281
der römischen Zeit erhalten.1) Sie schliesst sich in der Gewandung näher an
die einfache monumentale Strenge der Parthenos an, obwohl sie stilistisch auf
derselben fortgeschrittenen Stufe steht wie jene attischen Torse;2) allein der
Kopf zeigt, dass wir einen selbständigen und bedeutenderen Meister vor uns
haben, der sich mehr an den Schöpfer der Pallas Velletri als an den der
Parthenos anschloss. Die verlorenen Köpfe der attischen Torse werden dagegen
wohl den runden attischen Helm gehabt und der Athena von Leptis ähnlich
gewesen sein.
IL
Die übrigen griechischen Original -Statuen des
Museums des Dogenpalastes haben das gemeinsam,
dass sie alle aus der 1586 der Republik vermachten
Sammlung Grimani stammen, ferner, dass sie alle aus
parischem Marmor bestehen, unterlebensgross sind und
vollbekleidete weibliche Gestalten darstellen. Auch
die Art der Erhaltung und Verwitterung ist bei allen
sehr ähnlich. Eine der Statuen ist durch Kalathos
und Schleier sicher als Demeter gekennzeichnet; auf
einer anderen sitzt ein zwar nicht zugehöriger, aber
offenbar von derselben Stelle stammender Kopf mit
Schleier, der ebenfalls sicher als Demeter bezeichnet
werden kann wegen seiner Aehnlichkeit mit der
knidischen Statue; bei den anderen Statuen ist die
Deutung auf Köre oder Demeter teils direkt ange-
zeigt, teils wenigstens nahe liegend. Alle stammen
dem Stile nach aus der zweiten Hälfte des fünften
oder der ersten des vierten Jahrhunderts. Aus diesen
Umständen glaube ich schliessen zu dürfen, dass diese
Statuen an einem und demselben Orte gefunden wurden,
der ein Heiligtum der Demeter und der Köre war.
in Attika gewesen sein, da hier in der Periode, welcher die Statuen angehören,
für dergleichen Arbeiten nur der heimische pentelische Marmor verwendet
worden ist; auch der Peloponnes ist ziemlich ausgeschlossen, da dessen Heilig-
tümer nach allem, was wir wissen, in jener Zeit Votivstatuen von Marmor in
Aus Leptis, in Konstantinopel.
Dieser Ort kann nicht
') Vgl. Ueber Statuenkopieen I, Taf. 4 und S. 555 ff.
2) Vgl. a, a. 0. 556 f.
282
grösserer Zahl nicht besessen haben. Dagegen spricht die grösste Wahrschein-
lichkeit dafür, dass es ein Ort auf den griechischen Inseln, oder vielleicht auch
an der kleinasiatischen Küste war. Vermutlich lagen die Statuen in dem Heilig-
tum, wie dies heutzutage noch auf Cypern an vielen Stellen der Fall ist,
sichtbar und kaum etwas verschüttet auf dem Trümmerfelde, so dass sie die
leichte Beute eines venezianischen Seglers werden konnten, der sie dem kunst-
liebenden und sammeleifrigen Patriarchen von Aquileja brachte. Dieser Hess
die Statuen nach der Weise der Zeit ergänzen; wo die Füsse und Plinthen
beschädigt waren, wurden sie mit zierlich profilierten runden Basen ergänzt;
wo die Köpfe fehlten, wurden, wenn nicht irgend ein antiker Kopf passender
Grösse vorhanden war, neue Köpfe erfunden. Glücklicherweise war aber die
Erhaltung der Statuen im Ganzen eine sehr gute, und so haben einige selbst
ihre Köpfe bewahrt. Bei den meisten ist antike Verwitterung von oben her
deutlich, die zeigt, dass die Statuen einst im Freien standen.
Sie gehören in eine Klasse unterlebensgrosser Votivstatuen griechischer
Heiligtümer, von der wir noch mancherlei Proben besitzen, wenn auch nirgends
eine so gut erhaltene und stilistisch interessante Serie wie die venezianische.
Schon bei der Besprechung der Athena haben wir auf mehrere solche ver-
wandte Votivstatuen Bezug genommen und werden noch weiter Gelegenheit
dazu haben. Die ganze Klasse sollte indess einmal als solche behandelt
werden.
Wir beginnen die genauere Betrachtung mit einem besonders sorgfältig
gearbeiteten und wohl erhaltenen Stück (Dütschke V, Nr. 210), von dem wir
auf Taf. I, II eine Vorder- sowie eine Seitenansicht der ganzen Figur wie des
Kopfes allein wiedergeben. Die Statue ist etwas mehr als halblebensgross
(H. 1,07). Ergänzt sind nur die beiden aus dem Gewände herauskommenden
Unterarme, der linke mitsamt dem Füllhorne. Beide Unterarme waren
ursprünglich besonders angesetzt gewesen. Modern ergänzt ist sonst nur
noch die Nasenspitze und ein Stück der rechten Schulter. Der Kopf ist zwar
gebrochen, aber zugehörig, wie die Bruchkanten beweisen. Am Oberkopfe
ist ein Stück antik besonders angesetzt, nicht, wie man gemeint hat, ergänzt.
Dergleichen Stückungen kommen an griechischen Originalen bekanntlich häufig
vor. Die Statue ist auch am Rücken ausgeführt, wenn auch weniger sorg-
fältig als vorne. Die Plinthe mit den Füssen, die dicke Sandalen tragen, ist
antik und war zum Einlassen in ein Postament bestimmt. Die technische
Ausführung ist von ausserordentlicher Sorgfalt und Sauberkeit; die tiefen
Faltenkanäle sind eminent scharf und fein mit Hilfe des Bohrers ausgearbeitet.
Metallne Ohrringe und ein metallnes Diadem schmückten einst den Kopf, wie
283
die Bohrlöcher in den Ohrläppchen und im Haare an den Enden der für das
Diadem bestimmten Rille beweisen.
Schon Thiersch (Reisen in Italien I, 230) nannte diese Statue ein „vor-
treffliches Werk" und fühlte sich an die Frauenbilder des Parthenon erinnert.
Doch hielt er, wie später noch Valentinelli (Nr. 146), den Kopf für fremd; auch
Valentinelli erinnerte aber an den Parthenonfries und nannte die Statue ein
„antichissimo greco lavoro". Conze (Arch. Zeitg. 1873, S. 86, 146) verglich
ebenfalls den Parthenonfries, und zwar die Figur der Priesterin, sowie das
eleusinische Relief und die sog. Sappho Albani; er nannte die Statue eine
„etwas handwerksmässige Wiederholung einer altattischen, d. h. der Zeit des
Phidias etwa entstammenden Gewandfigur" ; der Kopf erinnere aber an den
Doryphoros. Er wie auch Heydemann (Mitteil, aus Oberital. S. 14, 146)
erkannten die Zugehörigkeit des Kopfes.
Die Statue muss geradezu als die best erhaltene und best ausgeführte
originale Einzelstatue der phidiasischen Epoche bezeichnet werden, die uns
überhaupt erhalten ist. Dies ergiebt sich aus der genaueren Betrachtung und
dem Vergleiche mit den uns sonst erhaltenen Denkmälern.
Die Grundzüge der Gestalt sind uns wohlbekannte typische, d. h. solche,
die längere Zeit hindurch von verschiedenen Künstlern benutzt worden sind.
Besonders beliebt waren sie aber in der phidiasischen Periode. Diese typischen
Züge bestehen darin, dass die Gestalt auf dem linken Beine ruhend steht und
den rechten Fuss zur Seite setzt und etwas nachzieht; dass die beiden Ober-
arme, am Körper anliegend, gesenkt sind; dass der Kopf etwas nach der Seite
des Standbeines gewendet ist; dass die Frau den ionischen Linnen-Chiton mit
geknöpften Oberärmeln trägt und dass sie den schweren Wollenmantel so
darüber geworfen hat, dass er auf der linken Schulter aufliegt und mit dem
anderen Ende um die rechte Hüfte herumgeht, einen dreieckigen Ueberfall
bildet und von dem linken Arm angedrückt wird; sowie endlich, dass der
Gegensatz des Linnen- und Wollenstoffes sehr deutlich ausgeprägt erscheint.
Die geschilderten typischen Züge finden wir zunächst an einem datierbaren
Werke, einem nach der Beobachtung von Sauer (Festschrift für Overbeck
S. 73) von den Metopen des Parthenon stammenden Torso des Akropolis-
Museums. Ein Unterschied gegen unsere Statue besteht nur darin, dass der
Chiton am Torso ohne Ueberschlag gebildet ist. Vergleicht man beide Werke
nach ihrer künstlerischen Ausführung, so ist die Venetianer Statue dem
Metopentorso bedeutend vorzuziehen; denn letzterer ist eine ziemlich flüchtige
dekorative Arbeit; die Mantelfalten sind ganz oberflächlich und gleichförmig
gegenüber den ebenso fein beobachteten wie fein ausgeführten entsprechenden
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiaa. XXI. Bd. II. Abth. 37
284
Teilen der Statue. Den Linnenchiton an beiden Stücken kann man nicht ohne
Weiteres vergleichen; denn es sind hier zwei verschiedene Methoden der Dar-
stellung zur Anwendung gekommen, die, soviel ich sehe, im fünften Jahr-
hundert beide neben einander und zwar innerhalb derselben Kunstrichtung
auftreten.1) Die eine Art sucht den Linnenston0 durch knittrige, kantige,
rauhe, unregelmässig gewellte Faltenrücken zu bezeichnen; sie hat eine male-
rische Tendenz und ist speziell für Ausführung in Marmor bestimmt. Wir
finden diese Art an den Parthenonmetopen ; ausser an jenem Torso besonders
an der einen mit dem Frauenraube (Brunn-Bruckmann, Denkm. 193). Ihre
höchste Ausbildung und Verfeinerung findet sie an den Figuren der Parthenon-
giebel. Die andere Art geht vom älteren Stile aus; sie liebt regelmässigere
glatte Faltenrücken, die bald bandartig breit, bald schmal und rund sind.
Als charakteristische Beispiele des eben erst aus den Fesseln des strengen
sich befreienden Stiles nenne ich die Grabstele in Rom, Heibig, Führer 586;
Brunn-Bruckmann, Denkm. 417, und die Köre eines Votivreliefs von Eleusis,
Athen. Mitt. 1895, Taf. 5. Eine Fortsetzung dieser Weise bietet der Parthenon-
fries in der Figur der sog. Peitho (Artemis), deren Chiton von der Manier
der Metopen wie der Giebel sehr absticht. In diese Reihe gehört auch die
Venezianer Statue. Indem der Stoff hier etwas schwer erscheint und die
äusserst zierlich und fein gearbeiteten Faltenenden des Ueberschlags sowie
namentlich auch das herabhängende Aermelende des rechten Armes fast noch
etwas Strenges haben, wird man die Statue lieber vor als nach dem Friese
datieren. Jedenfalls ist sie älter als jene am Parthenongiebel zuerst begegnende
Entwicklungsstufe, welche den Chiton ganz dünn und durchsichtig bildet, eine
Weise, die in der attischen Kunst der Zeit des peloponnesischen Krieges
durchaus herrscht, wobei dann der vom Chiton bedeckte Oberkörper zuweilen
fast wie nackt wirkt.2) In dieser nachparthenonischen Periode verschwindet
auch die besondere Charakterisierung des Linnenstoffes durch die parallelen
gewellten Linien, die ihn als Plisse bezeichnen, gänzlich, indem der Stoff eben
nur ganz dünn erscheint. Schon an den Thauschwestern kündet sich dies
1) Zur Geschichte des Linnenchitons im fünften Jahrhundert vgl. Amelung in Jährt», d. Ver. d.
Altertumsfr. im Rheinl., Heft 101, S. 160 ff.; die Sache ist indess komplizierter als Amelung annimmt;
neben viel Richtigem ist in seinen Ausführungen auch manches Unzutreffende; der Gegenstand verdient
eingehende gesonderte Behandlung.
2) Eine solche Figur — die Peitho links — befindet sich auch auf dem Friese des Athena-Nike-
tempels: sie allein ist ein vollgiltiger Beweis für die Datierung des Tempels in die Zeit des pelopon-
nesischen Krieges, die man neuerdings wieder meint in Zweifel ziehen zu können; doch darüber vgl.
Sitzungsberichte 1898, Zu den Tempeln der Akropolis, III. Die gesetzmässige Entwickelung der Chiton-
bildung liegt in den Denkmälern überaus klar vor, vgl. zuletzt Amelung in den Jahrb. d. Ver. d. Alter-
tumsfr. im Rheinl., Heft 101, S. 160 ff.
285
an, während an anderen Giebelfiguren, wie an der Kekropstochter, Westgiebel C
und dem im Chiton so überaus ähnlichen Torso Medici (vgl. Intermezzi S. 19)
jene Plissefältchen immer noch recht deutlich sind, die Erechtheion, Nikefries
und Nemesisbasis nicht mehr kennen.
Eine Statuette aus Pompeji, leider ohne Kopf erhalten, ist eine römische
Kopie nach einer der Venezianer sehr ähnlichen Statue (Arndt- Amelung,
Einzelverkauf Nr. 497). Indem der Chiton keinen Ueberfall hat, ist die Figur
indess jenem Metopentorso noch ähnlicher; die Behandlung des Chitons steht
aber unserer Statue näher als jenem Torso.
Die oben genannten typischen Grundzüge finden wir aber vor allem in
einer in mehreren Kopieen erhaltenen Statue wieder, deren vollständigstes
Exemplar die sog. Sappho Albani ist.1) Und hier hat der Chiton auch den
Ueberschlag, wodurch die Aehnlichkeit mit der Venezianerin noch grösser
wird. Abweichend ist nur, dass der rechte Arm gesenkt ist und dass der
Kopf eine Haube trägt. Der Ueberschlag des ionischen Chitons, der in der
Gegend der Taille endet,2) ist eine Trachteigentümlichkeit der älteren Zeit, die
im strengen Stile des fünften Jahrhunderts sehr gewöhnlich, im freien schon
seltener ist und sich später allmälig verliert. Die strengrotfigurigen Vasenbilder
liefern zahlreiche Beispiele. In der älteren Zeit ist mit diesem Ueberschlag
gewöhnlich eine tiefe Gürtung verbunden mit einem weit über die Hüften
herab auf die Oberschenkel fallenden Kolpos; vgl. für Ueberfall und tiefe
Gürtung z. B. die Vasen, Wiener Vorlegeblätter, Serie 8, 3. 6 (Brygos). A, 2. 4
(Hieron). Die tiefe Gürtung zeigt auch die schon angeführte Köre des Reliefs,
Athen. Mitteil. 1895, Taf. 5 und das Mädchen der Stele, Heibig, Führer 586.
Diese tiefe Gürtung ist nun auch an unserer Venezianer Statue in der Profil-
ansicht deutlich; sie ist ein neues Anzeichen für ihr relatives Alter; die
Albanische Statue scheint sie nicht mehr zu haben, ebensowenig wie die noch
zu besprechende Statuette aus dem Piräus (Athen, Kabbadias Nr. 176), die
auch noch den Ueberfall hat. Vergleichen wir die Stilisierung der Falten der
Albanischen Statue und besonders der vortrefflichen Replik von Cherchel mit
unserer Venezianerin, so macht auch da die letztere einen etwas älteren Ein-
druck; jedenfalls ist die Behandlung eine recht verschiedene; die Albani'sche
1) Heibig, Führer 835. Brunn - Bruckruarm , Denkm. 255. Vgl. Meisterwerke S. 100, 5. Arndt-
Amelung, Einzelverk., Text zu Nr. 497. Amelung in Jahrb. d. Ver. d. Altertumsfr., 101, S. 162. Sichere
Repliken sind: der Torso von Cherchel, Gauckler, Musee de Ch. pl. 16, 1; p. 144, und der zu Athena
ergänzte Torso des Capitols, Arndt-Amelung, Einzelverk. 449.
2) Er darf nicht mit Gürtung verwechselt werden. Die Statue Albani und der Tors Cherchel geben
den Ueberschlag deutlich, der Kopist des Capitolinischen Torso hat die Tracht schon misverstanden und
hat an eine Gürtung gedacht.
37*
286
Statue zeigt einen sehr dünnen Linnenstoff, der in eine Unzahl welliger, feiner,
schmaler Falten mit rundlichem Rücken bricht, die auch da durchgeführt
sind, wo das Gewand am Körper anliegt. Ebenso wie die oben charakterisierte,
an Parthenonmetopen und -Giebeln hervortretende Art der Ausführung des
Linnenchitons für Marmor gedacht ist, ebenso scheint die hier vorliegende
mehr für Bronze geeignet. Die nächste Analogie, die ich kenne, bietet die
Amazone des Mattei'schen Typus, die Springerin; die Aehnlichkeit der Stoff-
behandlung hier und an der Albanischen „Sappho" tritt bei genauerer
Betrachtung und Vergleichung immer deutlich hervor; sie beweist einen
näheren Zusammenhang beider Werke; bei der Springerin führen viele Gründe
auf Phidias (vgl. Meisterwerke S. 297),1) und bei der „Sappho" ist das Gleiche
der Fall, namentlich durch den Kopftypus;2) beide Werke waren gewiss
ursprünglich Bronzestatuen.
Zur Venezianerin zurückkehrend, vergleichen wir noch ihren Mantel, der
am Rande die sog. Salkante zeigt, die an Originalen des fünften Jahrhunderts
nicht zu fehlen pflegt. Dem prachtvollen, tiefen, lebendigen und wahren
Faltenwurfe dieses Mantels gegenüber erscheint der der „Sappho" zunächst
leblos und flach, was zwar im wesentlichen an den Kopisten liegen wird; das
Original scheint aber doch den Mantel von dünnerem Stoffe und mit flacheren
gleichmässigeren Falten gebildet zu haben, als die Venezianische Marmorfigur.
Ein Streben nach schlichter Ruhe zeigt sich auch in dem über die linke
Schulter fallenden Mantelende der „Sappho", das ganz gerade herabhängt;
an der Venezianerin ist es rund geschwungen und weicht der linken
Brust aus.
Trotz der nahen typischen Verwandtschaft der beiden verglichenen Statuen
ist doch klar, dass keine von der anderen direkt abhängt. Beide müssen aus
gemeinsamer älterer Quelle schöpfen, und zwar hat die Venezianerin, wie wir
bemerkten, etwas altertümlichere Züge als die „Sappho". Wie die Vorstufe
des Typus im strengen Stile der Zeit um 460 ausgesehen hat, lehrt die schöne
Bronzestatuette in Wien, die v. Schneider im Jahrb. d. österr. Kunstsamml. XII,
Taf. 3, S. 72 ff. veröffentlicht hat. Die Bronze stimmt allerdings nicht ganz
mit unserem Typus, indem sie rechtes Standbein und entsprechende Kopf-
wendung zeigt.
1) Das Spiel, das Botho Graf im Jahrbuch d. Inst. 1897, S. 81 ff. mit den Amazonenstatuen treibt,
mag ihm den Beifall gewisser Dilettanten in Berlin eintragen; allein es bleibt ein Spiel.
2) Vgl. Meisterw. S. 100, Anm. 5, wo ich Richtung des Phidias, aber nicht den Meister selbst
vermutete. Der Kopf scheint mir doch für letzteres zu sprechen. Ueber die Benutzung eines pelopon-
nesischen Vorbildes vgl. unten.
287
Indess giebt es noch andere Kopieen, welche beweisen, dass unser Typus
in phidiasischer Zeit mannigfache Verwendung zu Einzelstatuen fand. So ein
Torso aus Herculaneum in Neapel,1) welcher der Venezianerin namentlich in
der Behandlung der Chitonfalten und des Ueberschlages viel ähnlicher zu sein
scheint als die sog. Sappho. Ferner ein ähnlicher, aber wieder etwas ver-
schiedener Torso des Louvre, catal. sorara. Nr. 2290, an welchem der rechte
Oberarm etwas gehoben war.
Etwas mehr verschieden, bei Beibehaltung all der typischen Grundzüge,
ist eine andere Statue in Neapel, die als „Giunone" ergänzt ist (Clarac 420 A,
727 B; Photogr. Sommer 1522); 2) bei ihr ist unmittelbar unter dem Ueber-
schlag die Gürtung des Chitons angegeben; auch hier ist der rechte Oberarm
ein wenig gehoben.
Die Originale der letztgenannten Statuen sind keineswegs als abhängig
von dem der „Sappho" Albani zu denken, ja, es ist recht wahrscheinlich, dass
sie älter waren als letztere.
Ferner ist es durchaus nicht nötig, dass diese künstlerisch zu einem
Typus gehörigen Statuen auch gegenständlich dasselbe bedeuteten. Das be-
rühmte grosse Relief aus Eleusis lehrt zwar, dass unser Typus in phidiasischer
Zeit für Demeter oder Köre verwendet wurde,3) aber nicht, dass er diesen
Göttinnen allein charakteristisch war. Es ist voreilig, die Figuren, wie es
jetzt zu geschehen pflegt, alle Köre zu nennen; besser wäre wenigstens Demeter,
da die entsprechende Figur des eleusinischen Reliefs viel wahrscheinlicher
diese als jene darstellt (vgl. Text zur Schulausgabe der Brunn-Bruckmann'schen
Denkmäler Nr. 23). In der That ist Demeter wohl der passendste Name für
die Albani'sche Statue. Der Venezianerin aber wird man in die beiden vor-
gestreckten Hände weitaus am wahrscheinlichsten je eine Fackel ergänzen.
Auch die von Schneider publizierte Wiener Bronze hat dieselbe Armhaltung,
die, worauf derselbe Gelehrte aufmerksam macht, mit den erhaltenen Fackeln
an der unserem Typus angehörigen Gestalt eines Votivreliefs aus dem Piräus4)
wiederkehrt. Hier ist die Göttin, die allein dargestellt war, indem vor ihr
nur die Adoranten standen, gewiss Demeter. So wird die venezianische Figur
also wahrscheinlich Demeter mit den Fackeln dargestellt haben.
J) Clarac 506 A, 1026 A. Amelung hat (Text zu Einzelverk. Nr. 497) richtig bemerkt, dass die
Figur nicht Replik der Albani'schen ist; mit Unrecht aber nennt er sie eine „ungeschickte Abwandlung".
2) Auch angeführt bei Amelung a. a. 0.
3) Die entsprechende Gestalt des Reliefs hat allerdings rechtes Standbein und der Chiton ist ohne
Ueberschlag; doch liegt augenscheinlich derselbe Grundtypus vor.
*) Le Bas, mon. fig. 45. Schneider a. a. O. S. 75, Fig. 5.
288
Es sei hier noch auf ein, wie es scheint, unpubliziertes Relief in Eleusis
aufmerksam gemacht (von dem mir eine Photographie Sam Wide's vorliegt),
das wohl auch Demeter darstellt; sie hält, wie es scheint, eine Schale über
einen klein gebildeten Jüngling; die Haltung und Gewandung sind ähnlich
wie an unserem Typus. Interessant ist das Motiv des Herabrutschens des
Chitons, indem das Relief älter zu sein scheint als die sonstigen Beispiele;
gewiss ist es nicht jünger als der Parthenonfries, wo jenes Motiv an der
Artemis versucht ist.
Dass unser Typus indess auch für Athena verwendet worden ist, hat
v. Schneider (a. a. 0. S. 74 f.) mit Recht aus zwei attischen Urkundenreliefs
geschlossen. Noch genauer als diese stimmt aber mit unserem Typus eine
flüchtig gearbeitete Athenastatuette des Akropolis-Museums (Nr. 2803) überein,
die ausser Chiton und Mantelwurf auch das linke Standbein hat wie jener.
Die Linke hält ein Füllhorn, unten ringelt sich die Schlange empor. Es
scheint offenbar eine grosse Statue nachgebildet. Vor allem ist aber hier
natürlich der Athena Giustiniani und ihrer Repliken zu gedenken; denn sie
wiederholt alle die uns wohl bekannten Grundzüge des Typus; nur hat der
Mantel nicht den dreieckigen herabhängenden, sondern einen schmäleren Ueber-
fall; der Linnenchiton zeigt den Ueberfall, nur hängt derselbe auffallend tief
herab. Auch die stilistische Behandlung des Linnenstoffes schliesst sich an
die Weise der Stilstufe der Venezianerin an; nur sind die Falten gar nüchtern
und einförmig geraten.
Für das Problem, das diese Statue uns aufgiebt, weiss ich keine andere
Lösung, als die von mir in den Meister w. S. 593 f. versuchte, die sich mir
seitdem nur immer mehr bestätigt hat.1) Die Grundzüge dieser Figur sind,
wie uns die soeben angestellte Untersuchung von neuem gelehrt hat, etwa
um die Mitte des fünften Jahrhunderts geschaffen und dann viel benützt worden.
Dem Ansätze in diese Epoche widerspricht der Kopf, und bestätigend treten
äussere Details hinzu. Der Kopf findet seine allernächste Parallele in dem
Apollo des Typus des sog. Vatikanischen Adonis, was ganz in die Augen
fallend ist, wenn man Abgüsse des Gesichtes beider Typen neben einander
stellt; und auch die ganze Figur ist jenem Apollo zunächst verwandt; denn
auch bei diesem folgen Stellung und Körperbau einem vielbenützten Typus
*) Begründeten Widerspruch haben erhoben: Arndt, Einzelverk. Nr. 226, der die Statue in das
dritte Viertel des fünften Jahrhunderts datiert und damit gewiss richtig die Zeit bezeichnet, in welcher
Stellung und Gewandung der Statue ihre typische Gestaltung empfangen haben; Amelung, ebenda zu
Nr. 497, will statt jenes Datums „die Wende des fünften zum vierten Jahrhundert" setzen, ohne zu ver-
suchen, sie in eine der um diese Zeit bestehenden Kunstrichtungen einzugliedern.
289
des fünften Jahrhunderts, der mit unserem weiblichen im Wesentlichen überein-
stimmt; aber auch hier ist der lockige, weiche Kopf ein sicherer Beweis der
Zugehörigkeit in's vierte Jahrhundert, in die praxitelische Epoche. Der
Künstler praxitelischer Epoche, der in dieser Weise auf der Basis alter Typen
arbeitet, kann aber kaum ein anderer sein als Euphranor, der die festen
Traditionen der alten sikyonischen Schule fortsetzte (vgl. meine Ausführungen
in Samml. Somzee, S. 53 f.).
Es wird nun in diesem Zusammenhange wahrscheinlich, dass der weib-
liche Typus, mit dem wir uns hier beschäftigt haben, obwohl er im Kreise des
Phidias viel benutzt wurde, doch nicht hier, sondern im Peloponnes entstanden ist.
Die Uebereinstimmung seiner Grundzüge mit dem älteren argivischen Kanon
muss sogar geradezu zu dieser Annahme führen. Dass Phidias selbst an
Hagelaidas Typen anknüpfte, lässt sich ja auch sonst noch erkennen (vgl.
Meister w. S. 78 ff.).
Wir haben den Kopf der Venezianischen Statue bisher genauer zu be-
trachten unterlassen. Und doch zieht er schon durch die ausserordentliche
Sorgfalt der Ausführung die Aufmerksamkeit auf sich. In allen Formen die
grösste Schärfe und Genauigkeit der Zeichnung und Modellierung, besonders
deutlich an dem feinen Ohr und den Wellenlinien des Haares. Es scheint
sich ein Künstler zu verrathen, der mehr in Bronze als in Marmor zu arbeiten
gewohnt war. Um den Unterschied auch gegen die besten attischen Marmor-
arbeiten phidiasischer Zeit zu erkennen, vergleiche man die Köpfe vom Par-
thenonfries oder das Fragment der Nemesis von Rhamnus und die Reste ihrer
Basis, oder die oben S. 279 abgebildete Figur der Akropolis oder den Kopf
der trefflichen kleinen Aphrodite in Berlin *) oder endlich den Kopf der gleich
näher zu besprechenden Statuette vom Piräus (S. 291): überall eine viel weniger
subtile, flotte, freie Marmorarbeit. Aber auch sonst ist der Vergleich interes-
sant: der Kopf ist von den attischen Werken auch in Formen und Ausdruck
recht verschieden. Und um das, wodurch er abweicht, nähert er sich den
peloponnesischen Typen. Dies feste, starre Gefüge des Ganzen, die ruhigen
Flächen der Wangen und die Art, wie Nase und Mund über dieselben heraus-
springen, dieser Nasenflügelansatz und die Winkel des breiten geschlossenen
Mundes und der ganze trocken ernste Ausdruck scheinen acht peloponnesischer
Art; man vergleiche etwa den vermutlichen Hagelaidastypus , Meisterwerke
S. 405, Fig. 62 und dann den Doryphoros.
Wenn wir uns nun erinnern, was wir über den Ursprung des ganzen
') Ueber Statuenkopien I, S. 6 (530). Jahrb. d. Ver. d. Altertumsfr. im Rheinl., Heft 101, Taf. 6, 2.
290
Typus unserer Figur gefunden haben, so werden wir zu der Vermutung
gedrängt, dass sie das Werk eines Künstlers peloponnesischer und zwar wohl
sikyonischer Schule der Zeit um 440 ist, welcher, sonst mehr in Bronze als
in Marmor zu arbeiten gewöhnt, diese Statue, wie wir vermuteten, auf einer
der Inseln oder an der asiatischen Küste gefertigt hat. So wäre die Figur
geeignet, eine empfindliche Lücke in unserer Kenntnis der Kunst des fünften
Jahrhunderts auszufüllen, indem sie uns eine Probe der weiblichen, ruhig
stehenden Gewandfigur peloponnesischer Schule
gäbe, die um oder bald nach der Mitte des Jahr-
hunderts zu datieren ist. Die sog. Sappho, die
vermutliche Demeter Albani aber stellt die attische
phidiasische Gestaltung desselben Grundmotivs dar.
III.
Wegen der im Wesentlichen gleichen Tracht
lasse ich zunächst eine Figur folgen, welche etwas
jüngeren Stiles ist. Die beistehend abgebildete,
0,81 hohe Statuette 1) von parischem Marmor, aus
der Sammlung Grimani, wie die vorige, hatte einen
besonders eingelassenen Kopf, der verloren und
durch eine moderne Arbeit, nach welcher die
Statue „Marciana" getauft ward, ersetzt ist. Er-
gänzt sind ferner noch der rechte Vorderarm,
die linke Hand , die i Füsse und die profilierte
runde Plinthe.2) Die Verwitterung zeigt, dass die
Figur lange aufrecht im Freien gestanden hat,
ein Umstand, der auch an anderen Figuren der
Serie, wenn auch nicht immer so deutlich zu
bemerken ist. Die Grundzüge sind dieselben wie
bei der eben besprochenen Statue; nur ist der linke
Unterarm gesenkt, ist der rechte Fuss energischer
im Schritt zurückgezogen und zeigt der Mantel einen länger herabhängenden
Ueberfall. Ferner ist die Differenz des Chiton- und Mantelstoffes hier schon
Venedig.
J) Dütschke V, Nr. 234. Clarac pl. 943, 2423. Valentinelli, inarini scolp. Nr. 170. Ein Urteil über
sie fällt nur Dütschke; bei seiner bekannten Weise ist es freilieb ein verkehrtes: er nennt die Figur
T Kopistenarbeit ".
2) Dütschke, der nicht einmal erkennt, dass der Kopf modern ist, hat auch hier den modernen
Ursprung der Basis nicht bemerkt.
291
eine sehr viel geringere. Die parallelen Plissefalten des Leinenstoffes fehlen
schon; das Linnen ist sehr dünn und schmiegt sich dem Körper wie feucht
an, so dass sogar die Vertiefung des Nabels deutlich sichtbar wird und der
Leib fast wie unbekleidet wirkt. Es ist dies, wie schon oben erinnert ward,
die in der nachparthenonischen Zeit der phidiasischen Schule, in der Epoche
des peloponnesischen Krieges übliche Manier. Der Chiton hat indes noch den
kurzen Ueberschlag über der Brust wie an jener älteren Figur. Dass auch
diese Statue noch in's fünfte Jahrhundert
gehört, ist unzweifelhaft; sie steht auf der
Stilstufe, welcher das Original der Hera
Barberini angehörte, mit welcher sie auch
Gewandung und Stellung gemein hat. Nur
klebt der Künstler unserer Venezianerin
noch mehr an dem alten Schema, das die
vorige Figur repräsentierte, während der
Künstler der Hera in genialer "Weise, unter
Beibehaltung der Grundzüge der Gewandung
und Stellung, durch feine Veränderungen im
Einzelnen — vor Allem Hess er den kleinlich
wirkenden Ueberschlag weg — ein völlig
Neues geschaffen hat. "Wir haben hier ein
höchst interessantes Beispiel davon, wie
sich ein im Original erhaltenes "Werk eines
Künstlers zweiten zu einer durch Kopieen
bekannten Schöpfung eines gleichzeitigen
Künstlers ersten Ranges verhält. Indem
wir die Folie näher kennen lernen, auf der
sich das verlorene Meisterwerk einst erhob,
lernen wir dessen Verdienste besser begreifen.
Wir besitzen noch ein zweites Original, auch eine unterlebensgrosse
Marmorstatuette, von einem Künstler zweiten Ranges derselben Zeit, eine
Figur, die unserer Venezianischen ausserordentlich verwandt ist (s. beistehend).1)
Ein wesentlicher Unterschied dieser Figur aus dem Piräus besteht nur darin,
dass sie nicht die Schrittstellung mit linkem Standbein wie die Venezianerin
und jene Hera, sondern den ruhigen entlasteten Stand zeigt, der im phidia-
Vom Piräus, Museum in Athen.
]) Aus dem Piräus, jetzt in Athen, efh. fiova., Kabbadias Nr. 176. Vgl. Athen. Mitt. 1889, Taf. 4
(Conze). Friederichs-Wolters, Gipsabg. Nr. 1209. Arndt, Einzelverkauf Nr. 613— 0 16.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. (1. Wiss. XXI. Bd. IL Abth. 38
292
sischen Kreise immer beliebt blieb. Ueberaus ähnlich ist der Chiton behandelt,
der auch hier den Ueberfall hat; auch hier liegt er am Leibe wie feucht an,
auch hier bildet der untere Rand des Ueberschlags eine ganz gerade harte
Linie, ja, die Formen sind hier fast noch nüchterner und trockener als dort.
Der wohl erhaltene Kopf kann uns den Verlust an der Venezianer Figur
etwas . ersetzen. Doch ist anzunehmen , dass letztere auch im Kopfe mehr
Schärfe, Sorgfalt und Genauigkeit der Arbeit als jene zeigte, wie dies bei
ihrem Gewände thatsächlich der Fall ist.
Als unzweifelhaftes attisches Werk ist die Statuette vom Piräus auch für
Beurteilung unserer Venezianerin wichtig, die hiernach ebenfalls von einem
attischen oder in Attika gebildeten Künstler herrühren kann. Beide Figuren
gehören der Zeit des peloponnesischen Krieges an, wie wir an der Art der
Behandlung des Chitons erkannt haben. Mit Unrecht haben früher Einige
die Piräusfigur teils in ältere, teils in jüngere Zeit gesetzt. Sehr richtig hat
dagegen Kabbadias die stilistische Verwandtschaft mit der Votivstatuette eines
Jünglings aus Rhamnus, 'Ecprjju. ayyy. 1891, Taf. 6, hervorgehoben; diese aber,
die nur viel besser als die Piräusfigur gearbeitet ist, gleicht ihrerseits den
Reliefs der Nemesisbasis des Agorakritos so überaus (vgl. besonders Jahrb.
d. Inst. 1894, Taf. 2), dass man vor den Originalen überzeugt wird, dass sie
von derselben Hand wie jene Reliefs stammt.
Was die Bedeutung der Piräusfigur betrifft, so ist die Vermutung von
Schneider (Jahrb. d. österr. Kunstsamml. XII, S. 75, Anm. 6), sie habe in jeder
Hand eine Fackel getragen, gewiss recht möglich; danach wäre sie Köre,
Demeter oder, mit Milchhöfer (Karten von Attika I, 62), Artemis zu nennen.
Der Venezianerin möchten wir in die Rechte eine Fackel, in die gesenkte
Linke Aehren geben und sie Demeter nennen.
IV.
Wir betrachten nun vier weitere Statuen der venezianischen Serie, die
ein und dasselbe Motiv variieren. Sie tragen alle den dorischen Peplos mit
tiefem Kolpos und Ueberfall. Das Standbein ist das rechte. Den zugehörigen
antiken Kopf hat leider nur eine derselben bewahrt.
Wir beginnen mit dem im Stile ältesten Exemplare Taf. IV, l,1) dessen Kopf
abscheulich ergänzt ist. Der fehlende Kopf war auch hier besonders gearbeitet
und mit dem Halse in den Torso eingelassen gewesen. Modern sind ferner
') Dütschke V, Nr. 80. Valentinelli 16. Höhe ohne Kopf 0,96, mit Kopf 1,12. Parischer Marmor,
Samml. Grimani.
293
der rechte Arm von der Mitte des Unterarmes, der linke Unterarm nebst
dem Füllhorn, die Füsse zusammen mit der wieder profilierten runden Basis,
sowie die Gewandenden über den Füssen. Modern überarbeitet sind die Falten
um den linken Unterschenkel. Die Figur trägt ausser dem Peplos einen auf
der rechten Schulter aufliegenden schmalen Mantel.
Schon Conze (Arch. Ztg. Bd. 30, S. 83, 16) erkannte die Arbeit der Statue
als „griechisch", meinte aber, sie sei „in Griechenland in späterer Zeit nach
älteren Vorbildern gearbeitet" und dachte an spätgriechische Grabmäler mit
Rundfiguren.1) Heute ist eine solche Ansicht nicht mehr möglich; wir kennen
spätgriechische Grabstatuen genug und mehr noch Reliefs mit statuarisch
gedachten Figuren; aber diese Werke haben eben einen total verschiedenen Stil.
Die Figur ist ein Original der Zeit zwischen 450 und 440 v. Chr.
Ihr Standmotiv ist zum Unterschiede von den folgenden analogen Gestalten
noch das ältere, wo der entlastete Fuss noch mit voller Sohle neben das
Standbein gesetzt ist. Die hässlichen weichlichen Falten um das linke Unter-
bein werden, wie bemerkt, nur der modernen Ueberarbeitung verdankt — man
sieht daneben am Rande noch Reste der verwitterten antiken Oberfläche, —
ursprünglich muss diese Parthie ähnlich wie an der Athena Lemnia ausge-
sehen haben. Der Wollestoff des dorischen Peplos ist hier noch wie an der
Lemnia und Parthenos und allen älteren Werken als ein dicker und schwerer
charakterisiert. Ueber dem Standbein fallen die Falten in der üblichen Weise
ganz gerade herab; die Kanäle sind tief gebohrt, stehen jedoch noch nicht
eng neben einander, sondern sind durch breite wulstige Faltenrücken getrennt,
auf denen nur ganz wenige und flache Eintiefungen zu bemerken sind.
Die ebenfalls noch etwas wulstigen und schweren Falten des Ueberfalls
und des Bauschs darunter sind mittelst tiefer Bohrgänge in eigentümlicher
Weise gewunden und geben dem Oberkörper einen reichen malerischen Reiz.
Diese stark gewundenen wulstigen Faltenzüge sind eine historisch bestimmt
zu umgrenzende Erscheinung. Ihre Entstehung fällt in die Zeit um 465 — 460,
und zwar gehört sie, allem Anscheine nach, dem ionischen Kunstkreise an.
Wir begegnen jenen Falten an dem Mantel der Penelopestatue (vgl. besonders
das vortreffliche Exemplar Chiaramonti), an der Chlamys des Ludovisischen
Hermes (vgl. Meisterwerke S. 86), an dem Mantel der Philis von Thasos, an
l) Die aus Samml. Grimani stammende weibliche Grabstatuette mit Inschrift in Venedig, Dütschke
Nr. 105, die Conze vorschwebte, benutzt das Motiv des Herculanischen Mädchens, das in römischer Zeit
>o beliebt war, und gehört in das 2. — 3. Jahrhundert nach Chr.; mit unseren Statuen hat sie nicht das
Geringste gemein.
38*
294
dem einer sitzenden Göttin eines vortrefflichen kleinen, in die Zeit um 460
bis 450 zu datierenden Reliefs von Ikaria (American Journal of archaeol. V,
pl. 13), dann vor allem mehrfach an den Skulpturen des Zeustempels von
Olympia (vgl. Olympia Bd. III, Taf. 9, 1; 14, 1. 3; 15, 1; 30; 32), wo diese
Faltengebung wesentlich mit zu den ionischen Formelementen jener Skulpturen
zu rechnen ist (vgl. in Archäol. Studien, Festschr. für Brunn 1893, S. 83).
In all den genannten Fällen sind die Faltenwindungen noch etwas schwer
und wulstig. Die weitere Entwicklung, die durch tiefere Bohrgänge und hier-
durch leichteres Aussehen sich charakterisiert, zeigen dann die Parthenon-
metopen (vgl. Michaelis Süd 2. 8. 28), der Theseionfries und dann der Par-
thenonfries (vgl. besonders die Mäntel der sitzenden Gottheiten, Poseidon,
Apoll, Artemis); an letzterem ist das Schwere und Wulstige schon ganz
geschwunden, doch die eigentümlichen Windungen sind beibehalten. Es ist
nun sehr interessant, zu sehen, dass in der weiteren Entwicklung des attischen
Stiles diese Art der Faltengebung ganz verschwindet. Schon an den Parthenon-
giebeln findet man nur noch Reste derselben, wie an der Rückseite des sog.
Ilissos oder etwa an dem Torso der Iris. Die Korai und die Friesfiguren des
Erechtheions, der Fries des Niketempels, die Eurydike des Orpheus-Reliefs,
die Hegeso, von Kopieen die sog. Demeter der Uffizien (Arndt, Einzelverk.
Nr. 91), die „Hera" in Berlin Nr. 178, die Statue Cepparelli (Meisterwerke
S. 102) u. a. zeigen keine Spur mehr von jenem „gewundenen" Faltenstil.
Für unsere Venezianerin erhellt aus diesen Thatsachen, dass sie der Epoche
vor den Parthenongiebeln angehört; am nächsten kommt sie in jener Falten-
behandlung den Metopen des Parthenon, deren Zeit, also den 40er Jahren
des fünften Jahrhunderts sie demnach zuzuschreiben ist. Indes ist zu bemerken,
dass an allen den oben angeführten Beispielen die gewundenen Falten nicht
an dem gerade herabhängenden Peplosüberschlag, sondern nur da erscheinen,
wo das Wollegewand zusammengeschoben ist. An den olympischen Skulpturen
besteht sogar ein scharfer Gegensatz zwischen dem streng und gerade herab-
fallenden Peplosüberschlag (vgl. Olympia III, Taf. 10, 2; 40; 43) und den
gewundenen Falten der zusammengeschobenen Mäntel. Aber auch im ganz
freien Stile an Theseion- und Parthenonfries erscheinen letztere nicht am
Peplosüberschlag. Gleichwohl steht unsere Venezianerin nicht ganz vereinzelt;
verwandt ist der Peplosüberschlag an der sog. Prokne der Akropolis, einer
wohl nur wenig jüngeren, aber sehr geringen handwerklichen Arbeit, die
moderne Kritiklosigkeit hat zu einem Originale des Alkamenes stempeln wollen
(vgl. Statuenkopieen I, S. 15 f.); die Falten sind freilich hier sehr viel weniger
reich, ja ärmlich und grob gegenüber unserer Statue, allein man erkennt,
295
dass dem Verfertigef ein analoges Werk vorschwebte.1) Auch die sog. Demeter
des capitolinischen Museums (Heibig, Führer 503), eine römische Kopie, zeigt,
obwohl der Kopist das Charakteristische der Falten abgeschwächt zu haben
scheint, doch deutlich, dass ihr Original unserer Venezianerin nahe verwandt,
wenn auch etwas jünger war. Die Originale der sonst so analogen oben
genannten Berliner und Florentiner „Hera"- oder „Demeter "-Statuen waren
dagegen noch jünger; sie zeigen keine Spur mehr von jenem gewundenen
Faltenstil, für dessen Verwendung am Peplosüberfall die Venezianerin das
früheste und schönste erhaltene Beispiel ist.
An ihr begegnen wir zuerst einem Schema der ruhig stehenden Peplos-
figur, das dann späterhin, wie zahlreiche erhaltene Werke, die genannten
Hera-Demeter-Statuen, die Korai vom Erechtheion, die Göttinnen des Nike-
tempelfrieses u. a. zeigen, ausserordentlich beliebt ward und das durch die
bogenförmige runde Linie des Bausches unter dem Ueberfall, sowie durch die
auf der Hüfte des Standbeins aufruhenden Falten des Ueberfalles charakterisiert
wird. Dieses Schema verdrängte völlig den bekannten älteren Typus, dessen
peloponnesische Herkunft mir ausser Zweifel zu sein scheint, der aber in der
ganzen ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts überall zur Herrschaft gelangt
war. Es ist jener Typus, der an den olympischen Skulpturen in so scharfem
unversöhntem Gegensatze steht zu den weichen, malerischen, gewundenen
Falten, deren wir oben erwähnten (vgl. Arch. Studien, Festschr. für Brunn,
S. 83 f.). Es ist der Typus, der, wenn auch ursprünglich peloponnesisch,
doch in den ionischen und attischen Kunstkreis tief eingedrungen ist, dem
auch die sog. Hestia Giustiniani, wenn auch in origineller Weise folgt und
der auch noch in der früher phidiasischen Zeit, der Epoche der Lemnia,
lebendig war. Dafür ist die vermutliche Demeter beweisend, die früher nur
in einer umgearbeiteten Berliner, jetzt in einer ungleich treueren Kopie von
Cherchel bekannt geworden ist (vgl. 57. Berliner Winckelmannsprogr. 1897).
Sie zeigt in den einfachen, grossen Faltenzügen des Ueberfalls und dem hori-
zontalen unteren Abschluss von Ueberfall und Bausch, woran sich in stumpfem
Winkel die symmetrischen Seitenfalten schliessen, noch volle Abhängigkeit von
jenem alten peloponnesischen Typus, obwohl die Figur, wie im Uebrigen deutlich
ist, der Athena Lemnia ungefähr gleichzeitig oder nur wenig älter sein muss.
Was ich früher schon vermutete (Meisterwerke S. 116), dass sie kalamideischem
Kreise angehöre, darf jetzt nach Bekanntwerden der so viel treueren Kopie
') Den stilistischen Charakter der Figur im Gegensatze zu den Werken vom Ende des fünften Jahr
hunderts hat Pallat im Jahrb. d. Inst. 1894, S. 21 richtig bestimmt.
296
von Cherchel mit mehr Zuversicht wiederholt werden. Sie ist eine Fort-
setzung des Stiles der „Hestia" Giustiniani aus der früher phidiasischen Periode.1)
Vermutlich war indes Phidias selbst in dieser seiner früheren Zeit, wie in der
männlichen Gestalt, so auch in der weiblichen noch nicht frei von dem Einfluss
der älteren peloponnesischen Typen. Wo das neue Schema herkam, dem wir
in der venezianischen Figur zuerst begegnen, ist ungewiss. Da die letztere,
wie wir sahen, wahrscheinlich von den Inseln oder Kleinasien stammt, darf
darin wohl ein Wink für Beantwortung jener Frage gesehen werden.
Der neue Typus ward von der phidiasischen Kunst und ihrer Nachfolge lange
festgehalten. Doch die gewundenen Falten, die wir an unserer Figur mit ihm
verknüpft sehen, haben sich in Athen nicht ganz eingebürgert, wenigstens an
jener Stelle, dem Peplosüberfalle, nicht. Auch sonst aber drang die weitere
Entwicklung der attischen Kunst auf Beseitigung jener eigentümlichen rund-
lichen Faltengänge, die ihr zu wenig präzis, zu weich und kraus erscheinen
mussten; denn Schärfe und Klarheit waren allezeit acht attische Ziele, und
mehr als einmal beobachten wir es in der Culturgeschichte, wie die über-
quellende saftige Weichheit ionischer Elemente in Attika zwar aufgenommen,
aber umgemodelt, gespitzt und geschärft wird.
Die drei anderen hier zu betrachtenden Statuen Venedigs sind gleich
recht charakteristische Vertreter jener späteren, in die Jahrzehnte nach dem
Parthenon, die Zeit des peloponnesischen Krieges gehörigen Entwicklung
des Typus.
Taf. III2) hat den Vorzug, dass der zugehörige Kopf mit der Statue
erhalten ist, ja, der Kopf ist sogar ungebrochen und war nie vom Körper getrennt;
es war ungenaue Beobachtung, wenn Valentinelli angab, der Kopf sei „ristauro"
und wenn Conze und Dütschke sagen, er sei aufgesetzt. Es sind nur das
Haar über der Stirnmitte sowie die Mitte des Diademes und ein Stück des
Oberkopfes, ferner Kinn und Nasenspitze ergänzt. Am Körper sind der rechte
Arm und der linke Unterarm mit dem Füllhorn sowie der vorstehende Teil
des linken Fusses und die runde profilierte Basis modern.
Von angesetztem einstigem Metallschmuck zeugen mehrere Bohrlöcher;
an der linken Seite des Diadems befindet sich eines, an der rechten zwei, in
1) Auf Grund der im Gewände umgearbeiteten und modernisierten Berliner Kopie glaubte ich die
Statue früher (a. a. 0.) fälschlich jünger als die Parthenos" setzen zu müssen.
2) Höhe 1,02. Parischer Marmor. Aus Samml. Grimani. Dütschke V, Nr. 219. Valentinelli 155.
Conze, Archäol. Ztg., Bd. 30, S. 87, 155. Valentinelli erkannte ein „antico greco originale di buon lavoro".
297
denen eine metallne Verkleidung des Diadems befestigt war. Die Ohren waren
mit Gehängen geschmückt.
Die Enden des langen Peplosüberschlags im Rücken sind auf die beiden
Schultern gelegt wie bei der Athena Taf. VII, 2. Die Haare sind hinten aufge-
nommen ähnlich wie an der Demeter des grossen eleusinischen Reliefs und
wie an Demeterköpfen von Münzen, doch lösen sich im Nacken zwei kurze
gedrehte Locken los, die bis zum Gewände herabfallen. Die Ausführung der
Statue ist etwas flüchtig; diese steht daher an künstlerischem Werte weit unter
den bisher betrachteten. An dem Saum des Ueberschlags fallen die sichtbar
gelassenen Bohrlöcher nicht angenehm auf. Der Kopf ist verglichen mit
Taf. I. II viel flüchtiger; er zeigt eben die gewöhnliche flotte Art der Marmor-
arbeiten, während jener die Schärfe alter Bronze werke erstrebt.
Im Typus ist der Kopf indes jenem unverkennbar ähnlich; selbst die
Art, wie der Kopf getragen wird, seine Haltung ist wie an jener Statue.
Offenbar ist dieselbe Göttin, Demeter, dargestellt, wozu der schwere volle
Körperbau unserer Statue auch sehr gut passt. Vermutlich war ihr Künstler
von dem in dem Heiligtume schon vorher aufgestellten Typus der Göttin, wie
ihn Taf. I. II zeigt, abhängig.
Dem Kopfe fehlt indes ganz das Präcise und die scharfe Begrenzung der
Flächen, wie sie jene ältere Statue Taf. I. II zeigt, die wir mit peloponnesischer
Kunstrichtung zusammenbrachten. Der Kopf erinnert eher etwa an die der
Reliefs von Phigalia oder der Nemesisbasis des Agorakritos. Jedenfalls findet
er an anderen Werken der Zeit des peloponnesischen Krieges die nächsten
Parallelen.
Unter verwandten Köpfen möchte ich hier einen hervorheben, der wenig
bekannt ist, aber durch künstlerischen Wert alle anderen weit übertrifft.
Es ist ein herrlicher, etwas unterlebensgrosser Kopf von parischem Marmor
aus Tarent im Museum des Ortes,1) eine der feinsten griechischen Original-
skulpturen, die wir besitzen. Die Gesamtanlage des Kopfes, das eher breite
als längliche Gesicht, die niedere Stirn, das hohe Kinn, das einfach zurück-
gestrichene, hinten aufgenommene Haar, die zur Anfügung des Schmuckes
durchbohrten Ohren, selbst die aufrechte stolze Haltung des Kopfes, der mit
gross offenen Augen ein klein wenig nach seiner Linken blickt, all dies ent-
spricht durchaus unserem Venezianer Typus. Konnten wir letzteren schon
J) Von mir erwähnt in Berl. Philol. Wochenschr. 1888, Sp. 1452. Durch freundliche Vermittlung
von Winnefeld habe ich vor Jahren Photographieen desselben erhalten, die ich umstehend wiedergeben
lasse. — Die Nase ist fast intakt erhalten. An der linken, in der Abbildung nicht sichtbaren Kopf-
seite zwei grössere Bohrlöcher für Metallschmuck. Am Hinterkopf war ein Stück angesetzt.
298
•
Demeter nennen, so können wir dies bei dem Tarentiner Kopfe mit noch
grösserer Zuversicht, da eben dieser Typus, nur in etwas jüngerer Stilisierung
und mit Hinzufügung eines kleinen durchsichtigen Schleiers am Hinterkopfe
auf schönen Goldmünzen des vierten Jahrhunderts in Tarent vorkommt
(A. J. Evans, the horsemen of Tarentum p. 66; pl. 5, 1. 2; Dressel in Beschr.
d. ant. Münzen in Berlin III, S. 224; Taf. 10, 147 ff.) und in Metapont durch
Beischrift und Aehrenkranz als Demeter bezeichnet wird (vgl. Evans a. a. 0. p. 68).
Die Grundzüge des Tarentiner Marmorkopfes, die mit dem Venezianer
übereinstimmen, gehören durchaus noch der Formgebung des fünften Jahr-
Tarent.
hunderts an; allein die ausserordentlich zarte Ausführung der Parthie unter
den Augen sowie die entzückend feine und unübertreffliche Modellierung um
die Mundwinkel lassen vermuten, dass der Künstler, der den ihm überlieferten
Typus zu Grunde legte, doch schon mit einer gewissen erst im vierten Jahr-
hundert sich ausbildenden Zartheit der Marmorarbeit vertraut war.
Ueber den Körper der Venezianer Statue ist wenig zu bemerken. Er
zeigt bereits, im Gegensatze zu der vorigen Figur, das entwickelte Schreit-
motiv; der Peplosstoff ist sehr viel dünner gebildet als dort; von dem linken
Knie fällt keine Steilfalte herab, das Gewand schmiegt sich eng wie feucht
299.
an das Bein. Die Faltenkanäle über dem Standbein sind sehr tief, die Falten-
rücken ganz schmal. Diese Anordnung und insbesondere die grosse gespannte
Fläche zwischen den Steilfalten und dem linken Fusse ist ganz wie an anderen
"Werken der Zeit des peloponnesischen Krieges (vgl. die Athena Taf. VII, 2 und
von Kopieen die sog. Ceres der vatikanischen Rotunde, die vermutliche Nemesis
des Agorakritos und den Apoll Barberini sowie die „Hera" in Berlin Nr. 178).
Von dem „gewundenen" Faltenstil ist natürlich keine Spur mehr zu bemerken.
Auch am Leibe liegt der dünne Stoff wie feucht an und lässt selbst die Stelle
des Nabels etwas erkennen. Die wenigen Falten, die der Ueberschlag hier
auf dem Leibe bildet, stimmen im Wesentlichen überein mit den Hauptzügen
der entsprechenden Falten der capitolinischen „Demeter"; allein, während der
Stoff dort noch in eine grosse Fülle von Zwischenfalten bricht, liegt er hier
zwischen den Hauptzügen nur feucht am Leibe an.
Die dritte der zu besprechenden Statuen, Taf. VI, 2 ist als Hygieia ergänzt.
Die beiden Arme sind mitsamt dem anstossenden Teil des Peplosüberfalls am
Rücken modern; die abscheulichen dicken zu kurzen Arme mit den Arm-
bändern und der Schlange beeinträchtigen die Wirkung des schönen Torso's
sehr. Der Kopf ist zwar antik, aber fremd. Der einstige Kopf war besonders
gearbeitet und in den Torso eingelassen wie bei den meisten anderen Figuren
dieser Serie. Der aufgesetzte Kopf ist indes auch griechische Arbeit; er ist
von pentelischem Marmor, während der Torso wie an den anderen zugehörigen
Statuen parisch ist, und zeigt alle Kennzeichen attischer Werke des vierten
Jahrhunderts; er wird von einem Grabdenkmale stammen. Ergänzt ist end-
lich auch die profilierte Basis; die Füsse mit den Sandalen sind antik, aber
modern überarbeitet.1)
Diese Statue ist besser und sorgfältiger gearbeitet als die vorige; nur
Neben- und Rückseite sind hier vernachlässigt; sie gehört in dieselbe Zeit wie
jene und ihr einstiger Kopf ist ähnlich zu denken wie der dort erhaltene.
Auch sie ist wahrscheinlich Demeter zu nennen.
Motiv und Gewandung stimmen mit der vorigen Figur durchaus überein,
mit dem Unterschiede, dass die Ueberschlagsenden hier nicht von hinten auf
die Schultern heraufgenommen sind, sowie ferner, dass Kolpos und Ueber-
:) Die Beschreibung bei Dütschke V, Nr. 310 ist wie gewöhnlich voll von Fehlern; so erkannte er
nicht, dass die ganzen Arme modern sind und hielt auch hier die moderne Plinthe für antik. Abg. Chirac
pl. 554, 1179. Vgl. Valentinelli Nr. 246. Conze, Arch. Ztg. Bd. 30, S. 88, 246, der hier „ vortreffliche
attische Routine" erkennt. Die Höhe der Figur beträgt 1,27. Der Tors parisch, der fremde Kopf
pentelisch. Aus Samml. Grimani.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 3!)
300
schlag hier weniger tief herabfallen als dort. Die Faltenkanäle über dem
Standbein sind auch hier sehr tief und die Faltenrücken ganz schmal. Die
grosse gespannte Fläche zwischen den Steilfalten und dem zurückgesetzten
linken Beine erscheint auch hier. Die Falten über der Brust haben schmale
kantige Rücken und sind äusserst scharf gearbeitet, etwas härter und schärfer
als wir dies von den gleichzeitigen attischen Arbeiten gewohnt sind. An den
Brüsten und darunter liegt das Gewand auch hier wie feucht an. Auch diese
Statue gehört in die Epoche des peloponnesischen Krieges.
Ungleich interessanter ist die vierte dieser gleichartigen Statuen, Taf. IV, 2,
obwohl sie den antiken, einst besonders in den Torso eingelassenen Kopf ver-
loren hat, der jetzt durch einen modernen ersetzt ist. Es ist auch der grössere
Teil beider Arme ergänzt, sowie der Rand des Mantels unter dem linken
Arme und der vorstehende nackte Teil des rechten Fusses; der linke Fuss
sowie die einfache zum Einlassen in eine Basis bestimmte Plinthe sind antik.
Auf den Schultern sieht man da, wo die beiden Peplosenden zusammentreffen,
kleine Bohrlöcher für Metallknöpfe. Die Rückseite ist an dieser Figur ganz
sorgfältig und scharf ausgearbeitet.1)
Die Arbeit derselben ist aber überhaupt eine vortreffliche, weshalb die
Statue auch schon von Früheren beachtet worden ist. Der feine künstlerische
Sinn von Thiersch bewährt sich auch hier, wenn er (Reisen in Italien I, 230)
von der Figur sagt, „von ganz vorzüglicher Arbeit, den besten der älteren
griechischen Kunst gleich", und ferner: „auch hier ist griechisches Original,
grossartig gedacht und ausgeführt, nicht zu verkennen". In diesen Worten
lebt ein warmes achtes Empfinden, das im Grunde auch immer das Rechte
trifft. Trocken klingt hiegegen, wenn Conze von der Figur bemerkt (Arch. Ztg.
Bd. 30, S. 86, 139): „als Beispiel manierirter griechischer Gewandbehandlung
verdient sie geformt zu werden; Thiersch überschätzte sie". Aber einen Tief-
stand unserer Wissenschaft markiert auch hier wieder Dütschke, der in der
Figur zwar einen „Originaltypus guter Zeit" erkennt, der aber von einem
„Kopisten entstellt" sei. Das von seinem 3. bis 5., erst 1882 erschienenen
Bande „mit Unterstützung der Centraldirektion des K. D. archäologischen
Institutes" herausgegebene Werk Dütschke's ist ja leider überhaupt von
Ungereimtheit, Geschmack- und Urteilslosigkeit und vor allem von gröbsten
Seh fehlem ganz angefüllt.
J) Höhe 1,10. Parischer Marmor. Samml. Grimani. Dütschke V, Nr. 207. Valentinelli Nr. 143.
Clarac pl. 640, 1450.
301
Die Figur teilt alle die Eigenschaften, welche die vorher betrachteten
zwei Statuen in die Epoche des peloponnesischen Krieges verweisen. Sie
bringt aber etwas Neues hinzu; ein feuriges Leben, ein neuer Schwung ist
hier in das Gewand gefahren, so dass jene anderen beiden Statuen schlicht
und einförmig daneben erscheinen. Es ist wie ein neues Aufleben jener
bewegten malerischen Weise der älteren Zeit, die wir in der ersten Figur
Taf. IV, 1 kennen gelernt haben. Freilich von jener derben wulstigen Manier
gewundener Falten, die noch auf unmittelbare Naturbeobachtung zurückgehen,
finden wir hier nichts mehr; dagegen kühn geschwungene Flattermotive, die
mehr erregter künstlerischer Phantasie als der Wirklichkeit entstammen.
Wir meinen damit natürlich insbesondere die krausen Falten am Kolpos
und unteren Ende des Ueberschlags. Man vergleiche, wie viel einfacher und
ruhiger selbst ein stilistisch unserer Figur ganz besonders nahe stehendes
Werk, das Orpheusrelief, die entsprechenden Falten an der Eurydike bildet.
Charakteristisch ist ferner die Art, wie die Brüste behandelt sind; sie wirken
fast wie nackt; insbesondere ist zu bemerken, dass von der rechten Brust gar
keine Falte herabhängt, indem das Gewand sich ganz dem runden Umriss der
Basis der Brust anschliesst; das Gewand ist hier über der Hüfte des Stand-
beins nicht fallend, sondern sich stauend gedacht, so dass es sich vollständig
an die Brust anschmiegt. An der Statue ist ferner auch das kleine Stück
Unterleib, das unter dem Kolpos sichtbar wird, sowie die Stelle der Bein-
trennung nicht wie an den letzt betrachteten Figuren und nicht wie an der
Eurydike oder den in Kopieen erhaltenen „Demeter-" oder „Hera- "Statuen
dieses Typus von den geraden Steilfalten verdeckt, sondern das dünne Gewand
schmiegt sich an jenen Stellen an und fällt erst weiter unten in Steilfalten
herab. Endlich ist das Gewand um das Spielbein völlig anders behandelt als
an den bisher betrachteten Statuen und allen mit ihnen verglichenen. An
diesen zeigt das an den Schenkel wie feucht sich anschmiegende Gewand
immer einige wenige gerade Falten. Es ist dies die ganz feststehende Manier
der attischen Peplosstatuen von der Parthenos an. Auch die Korai am
Erechtheion und die Göttinnen des Niketempelfrieses behalten dies Schema bei.
Im Gegensatze dazu sehen wir hier runde geschwungene Faltenzüge sich um
den Schenkel schmiegen. Die nächste Parallele hiezu bietet jene Aphrodite-
statue, die ich vermutungsweise auf Alkamenes zurückgeführt habe. An dieser
ist freilich das ganze herkömmliche Schema der Peplosfigur aufgegeben; sie
hat keine Steilfalten über dem Standbein mehr, an das sich runde Falten
schmiegen — nur zwischen den Beinen fallen noch wenige senkrechte Falten
herab, — sie hat keinen Kolpos und keinen Ueberschlag, das ganze Gewand
39*
302
prägt den Körper der Göttin aus. Dass die krausen bewegten Falten wohl
nur deshalb hier fehlen, weil keine Gelegenheit zu ihrer Anbringung da war,
lassen die im Stile jener Aphrodite nahe verwandten, uns in Kopieen neu-
attischer Künstler erhaltenen Relieffiguren von Tänzerinnen vermuten,1) an
welchen dieselben bewegten Faltensäume in Menge erscheinen, die wir am
Ueberschlag unserer Statue bemerkten.
Von diesem eigenartigen Stile haben auch die Reliefs der Balustrade des
Athena Niketempels etwas; man vergleiche namentlich die lebhaft vor der
sich bäumenden Kuh vorschreitende Nike; doch tritt jene Manier hier viel
gemässigter und gleichsam gereinigter auf.
Ungleich näher, und am nächsten von allen mir bekannten Denkmälern
stehen unserer Figur aber die Friesreliefs von Phigalia. Hier findet sich
namentlich ein überaus charakteristischer Zug unserer Statue wieder, den wir
überall anderwärts vergeblich suchen, wir meinen jene Bildung der Brust,
von der keine Falte herabfällt, sondern die völlig rund wie nackt gebildet
ist, indem das Gewand unten dem runden Umrisse folgt. Die Amazonen des
Frieses von Phigalia bieten mehrfache Beispiele (vgl. Brunn-Bruckmann, Denkm.
Nr. 87), die unserer Figur überraschend gleich sind,2) während die anderen
stilverwandten Denkmäler der gleichen Epoche, die Nikebalustrade, der Nike-
tempelfries, das Erechtheion, die rhamnusische Nemesisbasis, Orpheus- und
Medea-Relief, die vermutliche Aphrodite des Alkamenes, jene Tänzerinnen-
Reliefs, die Skulpturen des Nereiden-Denkmals und die von Gjölbaschi, die
Nike des Paionios u. s. f. jene Bildung niemals zeigen. Es kommt dazu,
dass die Phigaliareliefs auch in den krausen Faltensäumen ganz den gleichen
Geschmack bekunden wie unsere Statue, und dass die Art der Arbeit mit den
sehr scharfen Faltenrücken hier und dort völlig gleichartig ist. Bei diesem
Stande der Thatsachen werden wir zu der Vermutung gedrängt, dass die
venezianische Statue auf denselben Meister oder dasselbe Atelier zurückgehe
wie die Reliefs von Phigalia. Der Künstler jener Aphrodite (in dem wir
Alkamenes vermuten) muss jenem mindestens sehr nahe gestanden haben.
Wir haben schliesslich noch darauf hinzuweisen, dass das zierlich anmutige
i) Winter im 50. Berliner Winckehnannsprogr. , Taf. I — III; vgl. Meisterwerke S. 31, Anm. 5.
Die Meinung der Berliner Gelehrten Winter und Kekule von Stradonitz, wonach diese Reliefs sowie die
Aphrodite um oder gar vor die Mitte des fünften Jahrhunderts (in die Zeit der Olympiaskulpturen!) zu
datieren seien, hat keinen Anspruch, im Ernste diskutiert zu werden; sie wird immer nur bemerkenswert
bleiben als Zeugnis für eine^seltsame Unbekanntschaft mit den sichersten Thatsachen der alten Kunst-
geschichte.
2) Auch ein Torso von Epidauros, Kabbadias 155, steht recht nahe. Timotheos scheint überhaupt
zunächst den Stil des Alkamenes fortgesetzt zu haben.
303
Motiv unserer Statue, indem ein leichter Mantel am Rücken mit derjenigen
Hand emporgezogen wird, die sich auf der Seite des Spielbeines befindet,
während die andere gesenkt ist, vollkommen dem Motive jener Aphrodite
entspricht.
Und dies entzückend anmutige Motiv der Venezianerin und jener Aphrodite
sowie ihr Gewandstil haben Sensation gemacht in Athen zur Zeit des pelo-
ponnesischen Krieges. Einen begeisterten Verehrer desselben lernen wir in
Meidias, dem Maler der Londoner Leukippiden- und der Karlsruher Paris-
urteils-Hydria *) kennen, und manche seiner Genossen folgten ihm darin. Hier
sehen wir jenes durchsichtige Gewand ähnlich wie bei der Aphrodite, hier die
runden Faltenlinien um das Spielbein, hier das zierliche Emporziehen des
kleinen Mantels und die anmutige Neigung des Kopfes, hier auch — in der
Hera des Parisurteils — das stattliche Auftreten der Göttin im Peplos ganz
wie an der Venezianer Figur. Das zu Grunde liegende Motiv ist so durchaus
plastischer Natur, dass ich vermute, in diesem Falle hat nicht die Malerei,
sondern wirklich die Plastik, und gewiss vor allen eben der Künstler jener
Aphrodite die Vorbilder geliefert.
V.
Mit dem Glänze des attischen Reiches war auch jene glänzende rauschende
Formenschönheit dahin, welche die Gewandfiguren zu Ende des fünften Jahr-
hunderts kennzeichnet. Es folgt auf die kühne, über die Natur hinausgehende
und schon zur Manier ausartende Weise eine Ernüchterung, ein Rückkehren
zu einfacherer schlichterer "Weise und zu neuer Beobachtung der Natur.
Die folgenden Figuren führen uns in diese Uebergangszeit. — Zunächst
Taf. VII, 3,2) eine kleine schlichte Figur, deren Kopf zwar antik, aber leider nicht
zugehörig ist. Der Kopf ist indes sehr interessant; denn er gehört offenbar,
indem auch er originalgriechische Arbeit und von parischem Marmor ist, zu
demselben Funde wie die übrigen Statuen, nur stammt er von einer anderen
Figur als die, auf die man ihn gesetzt. Er kann aber kaum anders als auf
Demeter gedeutet werden und bietet damit eine Bestätigung für die Deutung
der ganzen Serie. Der Kopf zeigt einen Schleier und einfach gescheiteltes,
leicht gewelltes Haar, also ganz wie die Demeter von Knidos; nur fällt das
Haar hier aufgelöst an den Seiten herab. Die milden weichen Züge weisen
x) Dass beide Vasen von demselben Künstler herrühren, bemerkt mit Recht Milchhöfer, Jahrb. d.
Inst. 1894, S. 64.
2) Dütschke V, Nr. 181. Valentinelli Nr. 117. — Höhe 0,74. Parischer Marmor. Aus Samml. Grimani.
304
den Kopf ins vierte Jahrhundert. Leider sind die Nase und das Kinn ergänzt
und der Mund ist etwas überarbeitet.1)
Am Körper ist der rechte Unterarm mit dem Gewandzipfel neu, doch
muss die Rechte den Mantel gehalten haben; der Mantel liegt auf beiden
Schultern auf und muss über den Kopf gezogen gewesen sein. Der linke
Unterarm war erhoben und stützte entweder die lange Fackel oder wahr-
scheinlicher das Scepter auf. Die beiden Füsse mit dem Gewände darüber
und die profilierte Basis sind modern.
Die Tracht ist noch dieselbe wie bei der vorigen Serie der Peplosfiguren,
allein die Stilisierung des Gewandes ist schon anders; sie zeigt weder jene
gewundenen wulstigen Falten von Taf. IV, 1, noch jene effektvolle Schärfe von
Taf. VI, 2, noch endlich die krausen Säume und runden Linien von Taf. IV, 2.
Auch ist das Gewand durchaus nicht feucht und durchsichtig gebildet. Weder
an der Brust noch am Spielbein kleben die Falten an; es fehlt auch die
grosse gespannte Fläche zwischen den Steilfalten und dem Spielbein, und vom
linken Knie fällt wieder eine schwere Falte gerade herab. Die Steilfalten
über dem Standbein endlich fallen nicht wie bei allen vorangegangenen Figuren
in ungebrochenen vertikalen Linien herab, sondern die Faltenkanäle zeigen
Unterbrechungen. Alle diese Unterschiede aber zeugen von erneutem Studium
der Natur und von energischer Abkehr von den Wegen, welche die Kunst
am Ende des fünften Jahrhunderts verfolgt. Man strebt von neuem nach
einfacher Schlichtheit und Wahrheit — die notwendige Ernüchterung auf den
Schönheitsrausch, aus dem der Stil von Taf. IV, 2 entsprungen war.
Diese Umkehr brachte es mit sich, dass nun einzelne ältere Formen, die
lange aufgegeben waren, wieder erscheinen — wie die Steilfalte vom Knie
des Spielbeins — , weil sie der Natur entsprachen. Allein das Ganze ist doch
von den älteren Werken sehr verschieden; insbesondere folgenreich und für
die ganze Wirkung wichtig war es, dass man begann, die parallelen Vertikalen
der Standbeinfalten in natürlicherer Weise zu unterbrechen.
Wahrscheinlich gab es in Eleusis eine Demeterstatue dieses Typus; denn das
eleusinische Votivrelief des Louvre (Overbeck, Atlas d. Kunstmyth., Taf. 14, 2),
das aus dem vierten Jahrhundert stammt, zeigt neben der in einem bekannten
Motive praxitelischer Kunst dargestellten Köre die Demeter im Typus unserer
Figur. — Eine grobe römische Nachbildung des Typus scheint in einer unter-
lebensgrossen Statue im Museo Torlonia zu Rom (Taf. 89, Nr. 362) erhalten;
die Schleierenden auf der Schulter stimmen ganz überein; der Kopf ist modern.
x) Nach Dütschke ist es ein „angesetzter Porträtkopf !
305
Ein bedeutenderes Werk und zugleich das schönste der ganzen hier
besprochenen Serie ist Taf. V.1) Die Statuette ist vorzüglich erhalten; denn
nur die beiden Unterarme und ein Stück des rechten Knies mit dem grösseren
oberen Teil der Steilfalte sind ergänzt. Etwas überarbeitet scheinen die flachen
Falten des Ueberschlages über dem Unterleib. Alles andere ist antik; nament-
lich ist der Kopf ungebrochen und selbst die Nase unverletzt.
Dass hier Demeter dargestellt ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Der
Kalathos auf dem Kopfe und der darüber gezogene Schleier charakterisieren
in der Epoche, welcher die Statue angehört, die Göttin hinlänglich. Es kommt
hinzu, dass ein Votivrelief des vierten Jahrhunderts aus Eleusis (Athen. Mit-
teil. 1895, Taf. 6) Demeter in demselben Typus darstellt, nur mit vertauschten
Seiten, weil dies in die Relief komposition besser passte. Leider sind auch an
dem Relief die Unterarme abge-
schlagen; da dort Köre die langen
Fackeln trägt, so wird Demeter das
Scepter aufgestützt haben, das wir
auch in die Rechte unserer Statuette
zu ergänzen haben, während die
Linke wohl Aehren trug.
Wie auf dem zu der vorigen
Statue herangezogenen eleusinischen
Votivrelief des Louvre, so ist auch
auf dem eben genannten Köre in
dem bekannten praxitelischen Motiv
gebildet. Man hat vermutet, dass
das letztere Relief eine Kultgruppe,
Demeter Köre Triptolemos, genau
wiedergebe (Rubensohn in Arch.
Anz. 1896, S. 100 f.); wahrschein-
licher ist, dass nur im vierten Jahr-
hundert beliebte Typen zusammengestellt sind. Dass auch dieser Demeter-
typus zu den bekannteren gehörte, bezeugt eine genaue Replik unserer
Statuette, ein Torso, der früher im Turm der Winde war und jetzt im Central-
museum zu Athen aufbewahrt wird (beistehend nach der Photographie des
Athen. Inst., Nat. Mus. 13); leider ist die Fundstelle nicht genauer bekannt;
Athen.
1) Höhe 0,77. Parischer Marmor. Aus Samml. Grimani. Dütschke V, Nr. 203. Valentinelli Nr. 139.
Abg. Clarac pl. 774, 1930. Conze, Arch. Ztg. Bd. 30, S. 86, 139 bezieht sich nicht auf diese Figur, die
er gar nicht erwähnt, sondern auf Dütschke Nr. 207, Valentinelli Nr. 143.
306
vielleicht entstammt er dem städtischen Eleusinion. Der Torso weicht nur
in Nebendingen von unserer Statuette ab; er ist von gewandter, aber viel
weniger frischer und originaler Arbeit, als die Venezianer Figur. Ein weiteres
Zeugnis dafür, dass der Typus in Athen heimisch war, bietet sein zweimaliges
Vorkommen an den römischer Zeit angehörigen Reliefs im Theater zu Athen
(Mon. d. Inst. IX, 16), wo ein Füllhorn in den gesenkten Arm gegeben ist;
Matz (Annali 1870, 103) dachte an Eirene, für welche ein Demetertypus ja
sehr passen würde; die Venezianer Statue und der Athener Torso können
kaum ein Füllhorn gehalten haben.
Auch hier haben wir nun wieder den alten Peplostypus; allein, wie bei
der vorigen Figur, nur noch entschiedener bekundet sich auch hier die Umkehr,
die Wendung zu einem neuen Stile des Gewandes, zu einem Stile, der Wahrheit
und einfache Natur auf seine Fahne schrieb. Wie schlicht sind der Kolpos und
der Ueberfall behandelt, und besonders merkwürdig sind die Steilfalten an der
Standbeinseite mit den breiten, runden, wulstigen Faltenrücken und ihren
flachen Vertiefungen, die eben so sehr sich der Natur nähern, wie sie von
jener nur auf den Effekt bedachten Weise, die gegen Ende des fünften Jahr-
hunderts herrschte, verschieden sind. Auch die Steilfalte vom Knie des Spiel-
beins finden wir wieder, eben weil sie natürlich ist.
Wie diese Stilisierung der Peplosfigur sich weiter gestaltete, wie sie im
Kreise der grossen Meister Praxiteles und Skopas aussah, das kann uns ein
vorzüglicher Torso lehren, der aus Halikarnass in den Louvre kam und
gewiss der Zeit und dem Kunstkreise des Mausoleums entstammt (Bulletin de
corr. hell. 1893, pl. 16; catal. sommaire du Louvre Nr. 2838 mit Abbild.;
er ist von parischem Marmor). Hier sind die Standbeinfalten schon viel mehr
unterbrochen, ähnlich wie an unserer Taf. VII, 1 ; die Falten des Ueberschlags
erinnern in den Linien an unsere Taf. III, allein die Stilisierung ist eine
völlig andere. Auch eine Kleinigkeit sei nicht übersehen: unsere Demeter
hat weiche Schuhe mit dicken Sohlen, und dieselben trägt auch der hali-
karnassische Tors.
Allein, was die Demeter von den gewöhnlichen Peplosfiguren trennt und
ihr den besonderen Reiz verleiht, das ist der Schleier, den sie so malerisch
um Kopf und Schultern und über die Brust geschlungen hat. In ihm zeigt
sich eine zweite Eigenschaft der neuen Richtung, der sie angehört; indem
man Natur und Wahrheit an Stelle der Convention zu setzen sucht, öffnen
sich die Augen für eine Fülle reizvoller Züge, die das Leben bietet, die man
aber bisher nicht beachtet hatte: die Götter werden natürlicher, menschlicher,
und mannigfaltiger, gefälliger in ihren Motiven.
307
Der Schleier unserer Demeter, der vom Kopfe herab quer über die Brust
geschlungen ist und vom linken Arme gehalten wird, hat auch seine Weiter-
entwicklung gefunden. Es sind römische Kopieen, die uns dies lehren; aber
hinter ihnen steht eine gross-
artige Schöpfung eines der
grossen Meister, eine Demeter
von so rein praxitelischem Stile,
dass wir sie nur Praxiteles
selbst zuschreiben dürfen. Mit
dem ungebrochenen Kopfe er-
halten ist die Statue des Louvre,
catal. somm. Nr. 2283, die leider
sehr ungünstig aufgestellt ist,
weshalb ich hier nur eine
alte ungenügende Aufnahme
wiedergeben kann (siehe bei-
stehend); sie befand sich vor-
dem im Palazzo Altemps (Clarac
pl. 978 B, 2524 F), von wo sie
zu Campana kam (d'Escamps
pl. 60; Reinach, repert. II,
240, 9, wo aber die Identität
mit der Statue Altemps und der
des Louvre nicht erkannt ist).
Der alte Typus der Peplosfigur
ist hier ganz aufgegeben, und
aus dem schmalen Schleier ist
ein breiter geworden, der den
ganzen Körper quer durch-
schneidet, und eine Fülle der
dem entwickelten praxiteli-
schen Stile eigenen vielge-
brochenen Falten umspielt das
Ganze. Der Kopf wendet sich
nach der Seite des Spielbeins leise bewegt hinaus und gleicht in den Formen
des Gesichtes *) wie in der Bildung ' des Haares so auffallend der knidischen
Louvre in Paris.
*) An dem Nase und Lippen leider ergänzt sind.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth.
40
308
Aphrodite, dass ein Zweifel an der Urheberschaft der Erfindung kaum möglich
ist. Die Statue ist eine trockene Arbeit des zweiten Jahrhunderts nach Chr.
mit profilierter Basis, aber trotz der harten steifen Wiedergabe der Falten eine
treue Kopie. Das Diadem ist eine in jener Zeit beliebte Kopistenzuthat. Eine
Statue der Villa Pamfili (Clarac pl. 438 D, 774 E; Matz-Duhn 1417) scheint
eine Replik zu sein, aber mit falsch ergänztem rechtem Arm und ohne Kopf.
Ferner hat eine der Vestalinnen, deren Statue in ihrem Hause am Forum
gefunden wurde, diesen herrlichen Demetertypus kopieren und ihm nur ihren
Porträtkopf aufsetzen lassen.1) Das schöne Motiv ist aber auch sonst wohl
schon seit praxitelischer Zeit weiter benutzt und variiert worden.2)
Doch kehren wir zu unserer köstlichen Venezianer Figur zurück, die,
wie wir sahen, eine etwas ältere Vorstufe zu jener aus den römischen Kopieen
erschlossenen praxitelischen Schöpfung ist. Wir haben ihren Kopf noch nicht
näher betrachtet, obwohl er das Schönste an der Figur ist und eben jene
relative Ansetzung vollauf bestätigt; auch dieser Kopftypus ist älter als die
praxitelischen Typen und wir empfinden in ihm noch einen deutlichen Nach-
klang jener grossen Züge der Kunst des fünften Jahrhunderts. Der Kopf ist
verwandt dem des Barberinischen Apollo in München, eine Statue, die durch
ihren ganzen Typus und insbesondere ihre Gewandbehandlung der Schule des
Phidias gegen Ende des fünften Jahrhunderts zugewiesen wird (vgl. Meisterw.
S. 119), eine Ansetzung, welche die im Voranstehenden gegebenen Gewand-
studien nur noch mehr zu bestätigen geeignet sind.3) Dass indes etwas von
jenen grossen Zügen weit in das vierte Jahrhundert hinein reicht, beweist
der Kopf der Pamphile des bekannten grossen Grabmals am Dipylon. — Trotz
der Verwandtschaft mit älteren Typen zeigt unser Demeterkopf aber doch auch
schon genug von der neuen Weise des vierten Jahrhunderts, so in dem äusserst
flott und leicht, mit wenigen effektvollen Meisselhieben, ähnlich wie an der
Pamphile, gearbeiteten lockeren Haare, und in der zarten Behandlung der
Parthien um das untere Augenlid und um die Mundwinkel herum.
Die beiden Statuen Taf. VII, 3 und V können wir nicht verlassen, ohne
noch einen wesentlichen Gewinn zu verzeichnen, den uns ihr Studium ver-
schafft hat. Indem wir die Entwicklung der Peplosfigur im Anfang des
vierten Jahrhunderts kennen gelernt haben, steht nun mit einem male eine
berühmte, uns in Kopieen erhaltene Statue eben dieser Epoche, die Eirene
1) Photographieen dieser Statue sind im Handel. '
2) Vgl. Clarac, ed. Reinach p. 140, 5. 170, 1. 201, 7. 20G, 7. 292, 5. 293, 7. 450, 1.
3) Die Ansieht von Flasch in Arndt-Amelung, Einzelverk. zu Nr. 836. 837, die Statue gehe auf
Skopas zurück, muss ich für unmöglich halten.
309
des Kephisodotos nicht mehr vereinzelt, sondern durchaus verständlich inner-
halb eines Kreises verwandter Erscheinungen da. Wir brauchen nicht mehr,
wie ich früher that (Meister w. S. 514), ein vereinzeltes Zurückgreifen auf ältere
Formen zu einem bestimmten Zwecke anzunehmen, wir erkennen, dass die
Abkehr von der Weise der Epoche des peloponnesischen Krieges, die Rück-
kehr zu denjenigen älteren Elementen, die der Natur entsprachen, das erneute
treue Beobachten schlichter Wirklichkeit unter Beibehaltung der Grundzüge
der älteren Typen, kurz, die ganze Eigenheit der Eirene eben die Epoche
charakterisiert, welcher sie angehört, die Zeit um 370 v. Chr. Ausser den
von uns besprochenen giebt es noch eine Reihe ihr nahestehender und der
gleichen Zeit zuzuschreibender Werke; besonders sei auf den der Eirene nächst
verwandten Torso von Keos (Arndt-Amelung, Einzelverk. Nr. 893) hingewiesen.1)
Diejenigen aber, die vermeinten, von dem so deutlich sprechenden Kopfe
absehend, auf Grund des Gewandes die Eirene in das fünfte Jahrhundert
rücken zu müssen, haben von der wirklichen Entwicklung der Peplosfigur in jener
Epoche, wie wir sie zu verfolgen versucht haben, keine zutreffende Vorstellung.
VI.
Kurz können wir uns fassen über die zwei letzten Figuren dieser Serie,
Taf. VI, 1. 3. Die eine, Taf.VI, l,2) zeigt ein in der Kunst des vierten Jahrhunderts
bekanntes und besonders für Köre verwendetes Motiv. Der dünne Mantel,
der fast die ganze Figur umhüllt, schmiegt sich an die Formen des Körpers
an; er wird von dem linken Arme angedrückt, wo nun ein kleiner Bausch
entsteht. Der Mantelrand ist ganz einfach in gerader Linie vom rechten
Ellenbogen nach der linken Schulter hinübergezogen. Unter dem Mantel
erkennt man auf der Brust den ionischen Chiton, der unten über den Füssen
kaum ein wenig sichtbar wird. Die beiden Unterarme sind ergänzt, ebenso
wie der rechte Fuss und die profilierte Basis. Der Kopf war besonders
gearbeitet und eingesetzt; er ist verloren; der Hals ist neu und man hat
einen fremden Kopf aufgesetzt,3) der indes auch von griechischer Arbeit ist;
nur ist er sehr verdorben, Nase und Kinn sind neu und die Augensterne
J) Vgl. auch die Gruppe in Athen ebenda Nr. 707; ferner die Peloponnesos des Urkundenreliefs
von 362 v. Chr., Friederiehs- Wolters Gipsabg. 1162.
2) Höhe 1,11. Parischer Marmor. Aus Samml. Grimani. Auch an dieser wie an den anderen Figuren
der Serie ist durch die Verwitterung von oben her deutlich, dass sie einst im Freien stand. Dütschke V, 108.
Valentinelli Nr. 44.
3) Valentinelli erkannte, dass der Kopf fremd sei; Conze, Arch. Ztg. Bd. 30, S. 84, 44 wollte eine
stilistische Verschiedenheit des Kopfes nicht zugeben.
40*
310
scheinen auch erst nachträglich eingearbeitet. Hinter den Ohren fallen Draht-
locken herab; es ist ein Kopf hellenistischer Zeit von einer an die praxi-
telische sich anschliessenden Richtung, verwandt den von Amelung im Bull,
comun. 1897, p. 117 behandelten Typen.
In die Rechte der Figur haben wir nach den erhaltenen Analogieen eine
grosse Fackel zu ergänzen. Das Motiv der Statue gehörte zu den im vierten
Jahrhundert besonders beliebten, und wir kennen zahlreiche Varianten desselben.
Die ungebrochene gerade Linie des oberen Mantelabschlusses, wie wir sie hier
sehen, ist die einfachste Erscheinungsform des Motivs, die dem Anfange des
vierten Jahrhunderts angehört;1) dem fünften Jahrhundert ist es noch gänzlich
fremd.2) Entsprungen ist das Motiv eben der oben charakterisierten neuen
Richtung, welche einfache Wahrheit erstrebt und das Gewand zum klaren
Ausdrucke des Körpers machen will. Nachher kam die Neigung, den zufälligen
Reizen der Wirklichkeit eifrig nachgehend, eine Fülle vielgebrochener kleiner
Falten anzubringen. Da konnte jener obere Abschluss nicht mehr befriedigen
und ward nun in der mannigfaltigsten Weise umgestaltet. An diesen effekt-
vollen Bildungen war, wie die Musenbasis von Mantinea beweist, Praxiteles,
und zwar gewiss in erster Linie, beteiligt.3) Auch in diesen reicheren Formen
ward das Motiv besonders gern für Köre verwendet.
Die Venezianer Statue dürfen wir der ersten Hälfte des vierten Jahr-
hunderts zuschreiben und sie mit grösster Wahrscheinlichkeit Köre nennen.
Die Statue Taf. VI, 3,4) von deren Zugehörigkeit zu dieser Serie ich mich
erst nach wiederholter Untersuchung überzeugte, weicht von den anderen im
Motive sehr ab und zeigt eine mir sonst durch keine Wiederholungen bekannte
Gewandanordnung. Leider ist auch ihr Kopf verloren; er war besonders
*) Vgl. die Statue aus Karystos in Athen, Amdt-Amelung, Einzelverk. Nr. 716 (Le Bas, rnon. fig. 26;
Lepsius, Marmorstudien Nr. 140, B; Heydemann Nr. 206); sie stimmt mit der Venezianerin ziemlich genau
überein; die Arme waren ebenso bewegt. Vgl. ferner die Köre des eleusinischen Reliefs bei 0 verbeck,
Atlas d. Kunstmythol., Taf. 14, 4. Der linke Arm ist gesenkt bei der Statuette, ebenda, Taf. 14, 24, die
wegen der in der R. erhaltenen Fackel wichtig ist. Des Fundortes wegen hervorzuheben ist auch die
Statuette aus dem Demeterheiligtum von Knidos, ebenda, Taf. 15, 28. Andere ähnliche Figuren führt
Klein, Praxiteles S. 364, Anm. 2 auf.
2) Amelung, Basis des Praxiteles S. 54 irrt, wenn er es in das fünfte Jahrhundert zurückführen
will; die dort genannte Vase hat mit dein Motiv gar nichts zu thun, die Figur der Gruppe Barberini,
Meisterwerke S. 397, ist römische Zuthat und der Torso von Klaudos gehört in spätere, wohl römische
Zeit (vgl. Berl. Philol. Wochenschr. 1896, S. 243).
3) Vgl. die Ausführungen von Schneider, Jahrb. d. österr. Kunstsamml. 1894, S. 135 ff. und Amelung,
Basis des Praxiteles S. 51 ff. Klein, Praxiteles S. 362 ff. führt allerlei Material an, doch ist es, wie immer
in diesem Buche, ungenügend gesichtet, weshalb keine Förderung erzielt wird (vgl. Berl. Philol. Wochen-
schrift 1898, S. 303 ff'.).
4) Höhe 1,01. Parischer Marmor. Aus Samml. Grimani. Dütschke V, 215. Valentinelli Nr. 151.
311
'gearbeitet und eingelassen; der ihr jetzt aufgesetzte römische Porträtkopf ist
antik, aber fremd, nur der Hals ist modern. Ferner sind der rechte Arm,
die linke Hand mit dem Gewandzipfel, sowie die profilirte Basis neu. Im
Nacken hinten sieht man lange herabfallendes loses Haar, das nach oben hin
schmäler wird, wo es wahrscheinlich zusammengehalten war; jetzt ist das
Ende oben überarbeitet. Das Haar ist auffallend streng mit parallelen Linien
gebildet. Die linke Hand wird ursprünglich etwas anderes als das Gewand
gehalten haben; unterhalb des jetzt Ergänzten befindet sich die Bruchstelle
einer kleinen Marmorstütze am Gewände.
Die tiefe Gürtung des Gewandes und die Falten auf der Brust, die Art,
wie das Spielbein heraustritt, und die gespannte Fläche zwischen diesem und
den Steilfalten des Standbeins lassen noch die Tradition vom Ende des fünften
Jahrhunderts erkennen; allein die Behandlung der Steilfalten und namentlich
der schmale Mantel lassen keinen Zweifel, dass die Figur jünger ist. Auch
sie wird in die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts zu setzen sein, und von
einem Künstler herrühren, der, von neuer und alter Richtung beeinflusst, die
verschiedenen Elemente beider deutlich erkennen lässt. Eine interessante
Parallele zur Stilisierung der Mantelfalten bietet ein Fragment der Tempel-
sculpturen von Epidauros (Kabbadias Nr. 146). Der Künstler unserer Statue
hat sehr sorgfältig, aber etwas trocken und hart gearbeitet. Besonders auf-
fällig sind die fast altertümlich behandelten Haare hinten. Der Künstler war
vermutlich ein alter Mann, der noch spät sich etwas von den Modernen
aneignete. In Athen ist das trocken und ledern, aber nach der Weise der
phidiasischen Schule, nach 394 gearbeitete Denkmal des Dexileos ein gutes
Beispiel der Sculptur eines Alten.
Dies ist die Serie der den äusseren Kennzeichen nach zu einem Funde
gehörigen griechischen Statuen des Dogenpalastes, die, wie wir schon zu
Anfang bemerkten, aus einem Demeter- und Kore-Heiligtum stammen müssen,
wo sie als Votive einst im Freien aufgestellt waren. Wir haben sie Original-
statuen genannt, weil sie der Periode der produktiven griechischen Kunst
angehören und weil sie nicht ältere berühmte Werke als solche kopieren.
Allein, sie sind als Werke von Künstlern zweiten Ranges, denen die uns
erhaltenen „Originale" ja meist anzugehören pflegen, nur Originale in bedingtem
Sinne; sie sind mehr oder weniger abhängig von den grossen Hauptschöpfungen
ihrer Epoche, die sie mehr oder weniger frei variieren. Die Demeter Taf. V
schliesst sich offenbar ziemlich genau an ein bedeutendes Werk ihrer Zeit an.
Die Statuen gehören also in die in meiner Abhandlung über Statuenkopieen I,
312
S. 5 (529) ff. unter 1 — 3 angeführten Rubriken, welche dem eigentlichen
Kopieren verwandte Erscheinungen aus der älteren Zeit enthalten.
Wir haben gesehen, dass der Fundort nicht in Attika, sondern nur auf
den Inseln oder an der Küste Kleinasiens gesucht werden darf. Da ist es
denn sehr interessant, aber zu unserem bisherigen Wissen durchaus passend,
dass die Kunst an diesem Orte während der zweiten Hälfte des fünften und
der ersten des vierten Jahrhunderts mit der attischen aufs engste zusammen-
hing, ohne doch mit ihr identisch zu sein; ja, bei den älteren Stücken glaubten
wir sichere Spuren peloponnesischen (sikyonischen) Einflusses zu erkennen.
VII.
Ich schliesse mit der Besprechung einer nicht zu jener Serie gehörigen,
aber ebenfalls in Venedig befindlichen, ebenfalls unterlebensgrossen griechischen
Gewandstatue. Sie scheint eine Atelier- oder Schul -Replik einer Artemis-
figur zu sein, die auch in römischer Zeit geschätzt und kopiert worden ist.
Es ist die Taf. VII, 1 abgebildete, aus der Sammlung Morosini stammende,
etwa 1/s lebensgrosse Statue von parischem Marmor im Museo civico Correr
zu Venedig. Ohne Zweifel kam sie aus dem griechischen Osten. Die prächtige
Frische der Arbeit lässt keinen Zweifel daran zu, dass sie ein „Original" des
vierten Jahrhunderts ist. Sie ist glücklicherweise ganz unberührt erhalten;
selbst der Kalksinter sitzt noch auf dem Marmor. Die Unterarme sind abge-
brochen; der linke hing herab und war mit einer Stütze mit dem Torso
verbunden; er hielt gewiss den Bogen, der rechte war erhoben und langte
zum Köcher, um einen Pfeil zu holen. Der Kopf war mittelst eines Bronze-
dübels aufgesetzt, und zwar befindet sich die erhaltene Schnittfuge mitten
im Halse. Diese Ansetzung, die von der gewöhnlichen Sitte, den Kopf mit
dem Halse einzulassen, abweicht, gehört allem Anschein nach nicht etwa
späterer Restauration an, sondern ist ursprünglich. Ebenso war der Deckel
des Köchers, der jetzt fehlt, aufgesetzt. Der freie Hals zeigt, dass das Haar
hinten aufgenommen war.
Die Figur eignet sich vortrefflich als Abschluss dieser Studie über Gewand-
figuren; denn sie giebt ein schönes Beispiel der entwickelten praxitelischen
Gewandbildung, und ein besonders lehrreiches, da die Grundlage ein alter
phidiasischer Typus, der der Parthenos ist.
Es ist Artemis dargestellt, begleitet von einem Jagdhunde, der neben
ihrem rechten Fusse sitzt (nur Hinterkörper und Vordertatzen sind erhalten);
313
sie trägt den ionischen Linnenchiton, der nur an den Aermeln zu Tage tritt,
und den dorischen Peplos, der über dem langen Ueberschlag gegürtet ist.
Das Köcherband schneidet quer über die Brust, bringt jedoch nicht viele
Falten hervor, indem der Gürtel unmittelbar unter den Brüsten sitzt und die
Faltung des Gewandes bestimmt. Der Gegensatz des wollenen Peplos und
des Linnenchitons ist da wo beide aneinander stossen sehr deutlich hervor-
gehoben, indem der Peplos gerade hier in einige schwere massige Falten
bricht. Der Kopf war ein wenig nach ihrer Rechten gewendet, nach der Seite
des Standbeines; der linke Fuss ist wie bei der Parthenos nicht im Schritt
zurückgezogen, sondern nur zur Seite gesetzt.
In der That ist die Gesamtanlage vollständig von der Parthenos ent-
lehnt; allein die Ausbildung des Gewandes ist eine durchaus andere, und
zwar, wie die Musenbasis von Mantinea beweist, eine rein praxitelische. Die
hohe Gürtung, den ionischen Chiton unter dem dorischen Peplos und die
Falten, die letzterer auf der Brust bildet, finden wir ganz ebenso an jener
Basis (vgl. besonders die Muse, die den Arm einstützt, dann auch die mit der
Mandoline). Auch der untere Teil des Gewands von den Knieen abwärts ist
an jener den Arm einstützenden Muse sehr ähnlich, nur ist an unserer Figur
das Stauen und Bauschen, das die grossen geraden Faltenzüge unterbricht und
den neuen Stil so recht charakterisiert, noch entschiedener durchgeführt als dort.
Natürlich fällt auch hier vom linken Knie die Steilfalte herab, die wir schon
in dem Uebergangsstil zu Anfang des vierten Jahrhunderts wieder aufge-
nommen sahen. Für die besonders reich, in einer Fülle lebendiger kleiner
Falten durchgeführte mittlere Parthie unserer Figur bieten die mit Mänteln
bekleideten Musen jener Basis keine Analogie. Dafür sind uns in Kopieen
analoge Werke erhalten; vor Allem zu nennen ist die Athena von Woburn
Abbey, die ich Ueber Statuenkopieen I, Taf. VII, S. 46 (570) veröffentlicht habe;
der Gewandüberfall unterhalb der hohen Gürtung ist hier besonders ähnlich.
Weniger ähnlich, wie es scheint in hellenistischem Sinne übertrieben, ist der
Athenatorso aus Ephesos, den Amelung, Basis d. Praxiteles, S. 23 behandelt
hat; zu vergleichen ist auch ein unterlebensgrosser Apollotorso im hoch-
gegürteten Gewände in Athen, der eine massige Originalarbeit des vierten
Jahrhunderts ist (Arndt -Amelung, Einzelverk. Nr. 708). Zwar ungegürtet,
aber doch ausserordentlich verwandt ist indes vor allen jene in vielen Kopieen,
am vollständigsten in einer Dresdener erhaltene Artemis, die durch ihren
Kopftypus und dessen unmittelbare Aehnlichkeit mit der Knidierin als sicher
praxitelisch erwiesen wird (Meisterwerke S. 554; Samml. Somzee, zu Nr. 32).
Der Gewandstil ist, soweit die meist groben Kopieen ihn erkennen lassen,
314
derselbe wie an unserer Figur, und die Anordnung des Ueberfalls, Stellung
und Haltung sind überaus ähnlich, und doch ist durch leicht^ Wanderungen
eine ganz neue und ungleich originellere bedeutendere 8 Jpfung daraus
geworden. Der alte Parthenostypus, der dort noch
als Grundlage genommen ward, ist hier ganz auf-
gegeben; die Gürtung fällt weg und das frei fallende
Gewand entwickelt seinen vollen Reiz; auch kommt
nun das Köcherband erst recht als künstlerisches
Motiv zur Geltung; das Standbein ist vertauscht und
der Kopf wendet sich entsprechend nach links; die
Bewegung der Arme, die beibehalten ist, wird nun
lebhafter und giebt anmutigere flüssigere Linien.
Es ist nicht zu bezweifeln, der Dresdener Artemis-
typus, den wir Praxiteles selbst zuschreiben dürfen,
ist ein Fortschritt, eine selbständige neue That, die
jenen anderen Typus als einen älteren zur Voraus-
setzung hat. Allein dieser zeigt in der Gestalt der
Venezianer Figur eine mindestens ebenso weit im
neuen Sinne praxitelischer Kunst entwickelte Gewand-
behandlung.
Hier wird eine Thatsache wichtig, die wir bis-
her noch nicht erwähnt haben: mehrere römische
Kopieen (s. beistehend) *) lehren, dass es eine nicht
unberühmte, etwas unterlebensgrosse (aber doch
unserer Venezianerin an Grösse wesentlich über-
legene) Statue gegeben haben muss, die ganz der unsrigen glich, nur im Stile
ein wenig älter war, so wie wir es für ein jener praxitelischen Schöpfung
vorausgehendes, dem Anfang des vierten Jahrhunderts angehöriges Werk
Vatican.
J) Die obenstehend abgebildete Figur ist die Artemis des Braccio Nuovo irn Vatican, Heibig,
Führer Nr. 20; Meisterwerke S. 88, 5, wo das Original in den Anfang des vierten Jahrhunderts gesetzt
ist; auffallenderweise will Amelung, Basis des Praxiteles S. 22 die Beziehung zum Parthenostypus leugnen.
Unmöglich scheint mir die Annahme von Studniczka, Berl. Philol. Wochenschr. 1895, Sp. 724, dev Kopf
sei zugehörig und das Ganze die Kopie einer phidiasischen Artemis. Allerdings bestätigt nii* sen
auf meine Anfrage freundlichst, dass „die Zugehörigkeit des Kopfes nicht bestimmt in B cstellt
werden könne"; noch weniger aber kann sie etwa bestimmt behauptet werden; zwischen Kopf und Rumpf
ist eine grössere Zone modern in Gips ergänzt. Die stilistische Differenz entscheidet gegen die Zuge-
hörigkeit. — Die Isis aus Beirut in Berlin stimmt im Gewand genau mit der vatikanischen Statue, nicht
mit unserer Venezianer; an ihr ist der r. Oberarm erhalten (der am vatikanischen Exemplar modern ist);
er ist gesenkt. — Eine dritte Wiederholung habe ich in Turin notiert; der Kopf fehlt auch hier; er war
zum Einsetzen (Dütschke IV, Nr. 69).
315
voraussetzen müssen.1) Hier ist das Vorbild der Parthenos noch etwas deut-
licher bewa *•■• noch sitzt die Gürtung tiefer; der ionische Chiton fehlt; der
Gegensatz d 3wands über dem Stand- und Spielbein zeigt noch deutlich
den Nachklang der Schule des Phidias, wenn auch die neuen nach der Natur
studierten kleinen Faltenbrechungen hier wie am Ueberschlag schon ihren
Einzug gehalten haben.
Wir stehen vor einem sehr interessanten Falle: die römischen Kopieen
bewahren uns ein namhaftes Original; das erhaltene „Original werk" aber
— die Venezianer Figur — giebt eine etliche Dezennien später als jenes
erschlossene wirkliche Original von einem in dem mittlerweile voll ausge-
bildeten praxitelischen Gewandstil geübten Künstler zweiten Ranges gemachte
freie Nachbildung desselben.
Die Venezianer Statuen, deren Betrachtung wir hiermit beschliessen, sind
alle keine Meisterwerke; sie sind alle keine neuen grossen Schöpfungen, sondern
stehen innerhalb fester Traditionen, die von leitenden Meistern ausgingen.
Allein, sie haben den unschätzbaren Vorzug, wenn nicht „Originale" im vollsten
Sinne zu sein, doch noch so heissen zu dürfen, weil sie mitten inne stehen im
frischen klar dahinrollenden Strome der grossen schöpferischen Periode der
griechischen Kunst, weitab von den stehenden faulen Gewässern der, uns Armen
freilich, nicht minder unschätzbaren römischen Kopieen.
-A.nhang\
Ueber ein griechisches Votivrelief in Venedig.
Aus derselben Sammlung Grimani, der die Mehrzahl der oben behandelten Statuen
entstammt, kam auch das köstliche Votivrelief in den Dogen palast, das ich im Artikel
Herakles in Roscher's Lexikon d. Myth. I, Sp. 2156, Z. 40 ff. besprochen habe (die Haupt-
figur ebenda, Sp. 2157, in Abbildung; in Abgüssen verbreitet; gute Photographieen im Handel).
Die Untersuchung des Originals ergab mir einige interessante Resultate.
Das Relief war mir immer besonders merkwürdig, ja unerklärlich gewesen durch die
r "1'^-'<-ch behandelten Baumstämme und die detaillierte Ausführung der Architektur, die
zu nen Stile phidiasischer Epoche, den die Figuren tragen, so gar nicht stimmen
wollte. Bei genauer Betrachtung zeigte sich mir nun, dass das Relief einer starken Ueber-
x) Studniczka a. a. 0. vergleicht die Artemis der Reliefs Coli. Barracco Taf. 50 und Arch. Anz. 1894,
S. 26; diese zeigen den Typus in noch etwas älterer, der Parthenos noch mehr ähnlicher Fassung; sie
sind nicht auf das in den Kopieen erhaltene Werk zurückzuführen.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 41
316
arbeituug in der Renaissancezeit zum Opfer gefallen ist, die nur glücklicherweise vor den
menschlichen Figuren ehrfürchtig Halt machte und ihre herrlichen Köpfe unberührt liess.
Die ursprüngliche Oberfläche ist ganz verwittert. Von den Bäumen ist das Unterteil unter
und neben dem Stier mit der alten Oberfläche erhalten, die oberen Teile aber sind völlig
umgearbeitet; es ist der Reliefgrund hier tiefer ausgehauen worden und die Bäume wurden
mit Riefelung versehen; die Stämme waren ursprünglich glatt und gewiss bemalt. Ebenso
wurde der ganze Tempel überarbeitet: die sämtlichen Quaderfugen sind modern und an den
Säulen ist es die ganze Kannelierung. Rekonstruiert man den alten Zustand, so verliert
das Relief alles Seltsame und reiht sich an bekannte Erscheinungen an. — Der Marmor
ist pentelisch und das Relief, wie ich schon a. a. 0. bemerkte, gewiss attischen Ursprungs.
Ich erwähne schliesslich, dass meine a. a. 0. begründete Deutung der Hauptfigur als Herakles
mit dem Löwenfell am Originale ganz zweifellos ist; es ist schwer zu verstehen, wie Conze,
Arch. Ztg. Bd. 30, S. 88, 200 das Löwenfell für Chlamys und Petasos, Dütschke V, 264
für Chlamys und Hut mit emporstehenden Spitzen und Wolters, Gipsabg. 1134 für Gewand
und Mütze (äXcojiemg) ansehen konnten, nachdem schon der treffliche Valentinelli (Nr. 200)
das Löwenfell erkannt hatte; derselbe hat auch schon wenigstens am Tempel die Ueber-
arbeitung bemerkt, die den Späteren entging.
Zum Schlüsse sei noch auf ein anderes Beispiel einer modernen Ueberar beitun g hin-
gewiesen, welche bisher der Erklärung fruchtlose Mühe gemacht: auf dem zuletzt von
Heydeinann, Mitteil, aus d. Antikens. in Oberital., S. 7 behandelten Relief des Giardino
Giusti zu Verona (O. Jahn, Bilderchroniken Taf. 2, 6) ist nicht nur der Kopf der sitzenden
Frau ganz überarbeitet, sondern auch die seltsame, teils als Maske, teils als Gorgoneion
erklärte Fratze in der Mitte verdankt nur moderner Ueberarbeitung ihr Dasein; ursprünglich
war hier nur ein Schild dargestellt, der sich auf den Heros bezieht; das Relief ist hellenistisch
und gehört ins zweite Jahrhundert vor, nicht wie Heydemann angiebt, nach Chr.
Verzeichnis der Tafeln.
Tafel I.
„ IL
■ HI.
, IV,
. V.
. vi,
VII,
Statue im Museo archeologico des Dogenpala;
Seitenansicht und Kopf derselben Statue
Statue ebenda; Seitenansicht ihres Kopfes
1. Statue ebenda
2. Statue ebenda
Statue ebenda; Seitenansicht ihres Kopfes
1. Statue ebenda
2. Statue ebenda
3. Statue ebenda
1. Torso des Museo Civico zu Venedig
2. Athenastatue des Dogenpalastes
3. Statue des Dogenpalastes
tes zu Venedig-
Seite
282
282
296
292
300
305
309
299
310
312
277
303
D. I. CL. D. K. BAYR. AK. D. WISS. XXI, 2.
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Kritisch herausgegeben
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Verzeichniss der handschriftlichen Lesarten.*)
Seite 319 (3), Z 1 B ^pW^ffHITt**: statt ^ft°. K om ^ft°, H add ^fftjsTjft WqfH.
Z 4 HRB tT^T^rfr. Z 5 B T^; H om TT. Z. 7 H «*mnzrT: . Z 13 RB ^firffcT ^.
R f«KrKV. H f^TWt Z 14 RB TSnüT. B H^H^PH^T0. Z 15 R f%^. Z 17 H om cPT.
Z 18 H TjZftTftPT^Wt Z 19 HRB *n*PüT°. Z 25 K ^T.
Seite 320 (4), Z 1 HKRB *nfw*fi°. Z 2 KRB ^*nfvo ^TT ^rftfcf j K XB^T^Tf^I^0
„an other reading«; RB ^W°. Z 3 H f^JTTf^ ; B *T^5T$*rfafrT ; °Wrf%P*. Z 4 H ^TPW.
Z 5 B °*RT^T*r?PTT0. Z 6 KRB <HI^<T>^R;^irft 5 KR °tTT^lT, B 0^T^W- Z 7 B 3TCT W.
Z 8 K °^npft Z 9 HB «TZtfTTCITftpft Z 10 B om «T. Z 14 B ^T^fH". Z 17 RB ^TTW.
Z 19 RB fa^Ri. Z 21 B °T1T%$. Z 22 H 0tf^<£, KRB «»fff^W; K «WUcT, RB °*5?m.
Z 24 KRB TrfTnTWt0; B ^R#; KRB f%ffrT ^. Z 25 K ^Tfrr^rT frtT. Z 26 H °3w:.
z 27 krb owTf7rcr*r; k ^sroireT *rm ^tp4t; h ^n*f wt^?t>. z 29 r ^RrN^Ttrfa;
B tT^T^rt. Z 30 RB ^TITT- Z 31 B Wfrf *^T0. Z 35 B »JT'TcTfTTT'UTf. Z 36 K f*r?mo.
Seite 321 (5), Z 1 RB f^Hnn^0; B °WRWt0. Z 2 ^RT^IiW bis T?f?;f^rT (Z 9)
steht in allen Mss hinter rfr W* ^f^WT (Z 20). H ^f^TTTTT^T ; KRB »W^TTPfirTT0.
Z 3 K f?f%^W:; HKRB 0*TP^. Z 4 RB cTp3>$<4|f*r°; HKRB faf%*mt statt fT^rft;
HRB f^TTfrW0, K f*n7T*J°- Z 7 K <T Ufrf ^Rfa; RB «<-ft; *T^Trftjp<jp^. Z 8 RB
^iN, H ^V^; B IWcfYftr; RB cft<ft|dT; B °*TT3RT. Z 11 B »WPf. Z 13 R ^TcTrf;
KRB <M<P?. Z 14 KRB ^fr^ST^R. Z 16 RB f^T^mT^rt f rSTTUTT Z 17 KRB cTTflT-
Z 19 H °^rTT. Z 20 B ^Rf^fT^fl"; H rfr trfguff ^?W^. Z 22 R "'^f^rrfT^f^fr: - Z 23 B
^TtTWT. Z 24 B TrfTTfe^. Z 25 RB W, B om W*T, K °^PRTT^- Z 26 H om ^T^:°;
krb wm:; rb ir^f^t; krb f^w^fi. z 29 rb ^%t z 30 krb Tpr°; »t^tt. z 31
HKRB om rT^T ^; B °*Nf3rT°; *TT^rTrf^. Z 33 RB cT^nrftf. Z 34 H ^fP37. Z 35
b xrftrrerfcr; rb fwrvr:.
Seite 322 (6), Z 3 H «HW^tTsnjrm, K »^T^ft^fW^^rm. Z 4 R 0*f?TSreo Z 5
RB °4|lH«ldWf; R HIlfK«*0. Z 6 B °^Bf°. Z 8 KRB »^l^0. Z 11 KRB om 3kT:.
*) Wegen der Bezeichnung der Handschriften ist das Nachwort zu vergleichen.
386
Z 12 KRB *R<fNNr: *T^T°; B fTT*^^1"*^ ; °*ffa«T0. R *nTOW, B *fjifaT; K auch
noch *T<TOci\ Z 13 KR °(&ti^:. HRB f^TTVTt. Z 14 RB TOJTRSr; 0*nTfWT*T; B
^Tn^TT^I. Z 15 HRB f^psrrvpc- Z 16 RB WTcTT0; B °«lräT^Sr. Z 20 HRB fwraTTO;
H °ffrftrS, RB ^TTWlftf^S. Z 22 KRB mf^ct Z 23 RB 0rtn^Tra. Z 24 B ^ lf. Z 25
B ^T^nft; RB ^f%. Z 26 R *fmift, B ^ftWÄlfr; fTTT^lW^0. Z 27 RB lTTf%0; B ITOfrTO.
Z 20 KR ^5. Z 30 B °f%^TT%; KRB om ?T; B *RT. Z 31 B 3iTTt: RB cf*nwrc^
Z 32 RB ^HRTTTtTT. Z 33 R ^WTrT0.
Seite 323 (7), Z 2 H irft; HKR °Tjrf?TCr*ät<>; H wf^TtVSTrt, KRB <3*HlfV*ra: ; *p|-
^nT^HTfö. z 3 R »^ftTT^T; B °xrPSTT. Z 7 RB °TT^I1 "^r^0- Z 8 B qv^. Z 11 B
cT^T^RW^; ^cT^. Z 12 K om TTf^T ; KRB om ^; RB ft^Tipfr0. Z 14 B «T^IT:; HRB
o^^mwr^rfa. z 15 b sHifwrf*T; RB »^^nfm^». z ig b ad«i ^rfat f%r^T^ hinter
?[W; om re"p5T «f0; R J^TW; K SZ^t. Z 17 B om ^pf. Z 18 H tff^^^WTTTTTt0 ; RB °Wt.
z 19 b xfT^nn^. z 20 b ^tt. z 21 h cttW%. z 22 r ^t^n^fwsNre^T0; b
^■fr^n^^^^^^^^0- Z 23 RB °SWTT°. Z 25 H »HTf^rT:. Z 26 B ^. Z 28
B »W^f^T; K f^VT*n^f^^f^rTT neben obiger Lesart; R WIWl0. Z 30 H *TTWf^T°; B
JTWf^TT^W0. Z 3t RB om ^TRiT bis TOTOT^; HRB om ^TRcTT; RBK Trftwfa. Z 33
RB hinter *TfRm TOftfT bis dNdl ^WT^iT; RBK °^rfTf^»TTe, lI W^Nr Z 35 RB trffsfm:.
Seite 324 (8), Z 3 HRB "tnSTTJT0. Z 4 B *T*Tn*T "^f°. Z 7 RB ^THT^; Tf^. Z 8
RB fTT^TrTT. Z 9 RB WT°; B WR^T; "^IPTTWT0. Z 10 RB ^RTT^T^. Z 11 B
rl^T. Z 14 II ■JT^ff^. Z 17 B XTf^cr^fT0. Z 19 HK flT^rW; RB ^R WNff ff- Z 21
k ^af^fi; hrb ^rt z 23 h ftrerw; b TRjn*rrsnr. z 24 k o^iwto°, r 0^^ptt*t°; b
o^fUTffT^0; h om rrerr; rb TT^^m^rr. Z 25 B sfitfj. Z 26 RB °*T^P. Z 28 H ^WT-
ftw; b °^2*rr:; rb tt^jt0. °cftf^cf. z 29 rb Tr^fr^iW0 ; wr^*rftr. z 30 k vwm-
^TM^f, b ti^xrr^T^; rb ^tt^fiif?j, k ^frwvrf^; rb ^rrw^reff- z 31 rb ^TTWsff.
Z 34 B tiffT^cTT; RB TT^T
Seite 325 (9), ZI KRB Uf*W. Z 2 B ^fr=?T^T. Z 3 B °*m%1hmo- Z 4 H *T^T°.
z 13 b ^sNfaxrr^0; HR ^rrf^°, b w^°. z 14 hkrb fsrsprr; H ^tvj^^^tt^t, b ^tt^^.
z 15 rb om 3kt:; rb f«i*Nim, h ö^rm. z ig krb fsrcfTranr. z 17 b <jmfR; b ^rreft.
H *fräl Z 18 H om «HJ STTf^rf; RB W<Tfmij. K W rTnrf^RT ; H °*J^TfTT«J0. Z 19
B m^T^^; HRB °WI. Z 20 H *Tf^fta*T°; RB °^T^; B rf55HJrT*fr° ; u ^T^, RB
*<msr; r *ntws. z 21 b fwtsna; hk °*T^fr%, r °^>fri, b °wri; krb rrnfj?;
°^farft Z 22 RB TpTRTarä. Z 24 B TTftsR. Z 25 R ^f^f^^, B ^M^TcL Z 26
RB om rtfrTf^0 bis ^TrT^UL Z 27 H ^<JtZFL Z 30 B fW3[^T. Z 31 RB J*TT^; KRB
fa'RJrö ^TffTT (K hat auch die Lesart des Textes!). Z 34 K immer ^rNfr0. Z 35 R
vw[*{, b *pm.-
Seite 326 (10), ZlBi^ VVSW.; RB *T: ^TTf0. Z 2 RB *RT: st. ^UTT:. Z 3 B
frf^ranft. Z 4 B "^*ft ^T ^W[°. Z 6 RB °T^W:. Z 7 HRB f^psfT T. Z 8 R W^,
387
B üTTit Z 9 H *PräT; B 3cK<dl. Z 10 KRB °^TTft^, H °*rrWT; B fipTP^. Z 12 B
*nj%ur. z 13 k*t^t; b ^fffrr; k Troft. ziöb wrefTT. z 17 °*?«r§pfto°; 11 *rt*t
*arra*n*rarf%; rb °iT^fTf^r. z is rb ^wf^r°. z 19 rb f^^uwr. z 20 k rrnfr??0;
H o^VTOT; B °^ft^. Z 21 RB °*rq^?faslPRT!fto; K tn^T^f%. z 22 hkrb tjw.
Z 23 B »^fxTTjft. Z 24 RB T^Tf^°. Z 25 H fal^Tjj TJW TJWf; °-?fr^; Rß f%TOt
Z 26 KRB ^üNt Z 27 B T?^c3 <*nfirTOT ; R °Wc^^f<T^T. Z 30 KRB 5fiTf*T*fr; H trf%cf: .
Z 31 HKRB TTT**; B °^TfT!T>, H %(TflT, K *m ^ Wl^li, II om TTT*T. Z 33 KR cT^f-
f*n*f irr, b ^fire^n.
Seite 327 (11), Z 2 B f^TS^0; KR f*Tt Z 3 B om jfr. Z 5 B ^F^^T0; H f%-
W**; k ^Ttt^Tcrf; b cr^rafai. z 7 k *rt^; H °^ttt:. rb ^ttc; *re%i; ^fa.
z s b f?rgf7T; °rrwäTrreft; ot%TtfT°. z 10 k ^fwTftr°, R^f%^^frji°. b Trfxiiwxifiir0;
jj^rnrfa; rb fw^tf0. z 11 b °^^nrr fassrerr; r *t^w, BJn^ra^rrrr; om*T;
K TT^t^R0. Z 12 HRB 03TVT°. Z 13 H ^H, RB ^t*TT; HRB 05J\TT°; RB °3i^Nhfr;
KRB rTWT Z 14 H o^TTO^! B °TO^T; HK faW^TjNf0, R fö^^TFPZJilffäi0, B f^-
fhtä^Nrcpta0. z iö alle mss. °7F*0; B^; ^rr^frfaf TOTf^fö: ; H #<j^. z ig
KRB fwf%; RB rTf^T. Z 17 B f^wifTT^T: ; RB H^fT^T^TT^0. Z 18 RB "TT^rTOf-
%rT^fr. Z 19 H wR^<l^ffT:, K ^Tf^TT^I^T, RB ^f%TTfa; Bf%T^lf<T; RB »sfmTO.
Z 22 RB TtfpflT. Z 23 KRB ^^°. Z 25 KRB e^T°; °f^7IlT; B »(STTfa^iT0. Z 26 KRB
»^wTfwcrr; r o^ft^nifr^0, b °^fr^rr^fNfio ; krb °^f^T; f%*?nTwr- z 27 krb f^fir:.
Z 28 KRB f^PSTTO; RB ^fft. Z 29 B rffi; °^§. Z 30 RB TWTCfft; B f^T; K ^TCnPT-
f^fftir; RB ^^fTTf^rft^o. Z 31 B fMfcft; RB om T. Z 32 B om ^; ^ft^fö; t^WT-
^PfTf^T- Z 33 B f^ftfspTTfa: . Z 34 B °V5T^T%; KRB om «T; K °ÜT^^T. Z 35 B tr^ft^-
«n^T°, RB ^WTOTTTSfiT0; f*Wff.
Seite 328 (12), Z 2 RB luT:. Z 3 RB °f^Tff^rro; B ^^^T. Z 4 RB *TTfTiir.
Z 5 RB 7T*T:. Z 6 B add ^far$rrt»T hinter W ^. Z 7 RB °XT^f%ff. Z 9 B ^WrfTfW0.
Z 10 K °*Tf^T f^TWTlT0. Z 11 KRB °TJW. Z 13 K ^TTvNwf^tTT, RB TT^Ni0; HRB
°*frf%rT°; RB frj; HK f^R?:; B add ^P* ^W. Z 14 B JT^^T ; II ^ITfH0; R ^T*ff,
B ^T^TT. Z 15 RB °T^T^WrT; H ^Tfa°. Z 16 RB om rT^; °^TfT^. Z 17 RB HTWTOct.
Z 18 K °*J^tfW, R °*if% B **lf$. Z 19 H ^T^cTT st. xrfwt; RB ^TT^T ^^T^. Z 21
rb *T*jfpn°; b °xi*rnr^. z 22 rb °^ttt<t ^^7T. z 25 rb wIt^; k ^rifrfairäi0.
Z 26 II ^TH. Z 27 II ^fTT *^r: fwHi: , KRB Wflt fWT^:; HKRB om >^TT^.
Z 28 KRB TT*m. Z 30 RB »TT*. Z 31 RB ^^tT^T^TT0. Z 32 HRB c*f>*rT0; B °*T^3i:;
II »•gm^T^TTt, RB °?»?T5nTrTr; fTTTt^i:0. Z 33 KR »tlftjWTf^VIT, B »xrft^^f^^T.
z 34 b «iTnrt; hkrb f^nw. z 30 hrb *rf^ mf^pzn*; rb förrfT^fö; b ^wt; °w\m.
Z 36 K °»n^r^fT. Z 37 HRB 0Sfirpfi0, K 0^i^0; KRB t^H^ft^.
Seite 329 (13), Z 1 K °^V^ und °^V^; RB 6^f; RB **WT Z 2 HKRB ^^ff.
Z 3 K auch <\H\4 \f% fT^ r^ff0; H fT^TrT^r^TfT ; RB JÜTT0. Z 4 HRB ^TrT^I*l, K corri-
388
girt; RB add ^TTtT^Tf^fff hinter rTfft; JW. Z 5 H t^Tt^nf^ ^f?T f%f^3J ^TT°, RB f^^if
W[°; b ^"rä; h 35 <j ^TT^f^r. z 6 b *nsnfVf%r*ft; °^TWT^tf7T. z 7 k 0*mrf TT^T0, B
°*mprf t ^t0; rb °^-?rt. z 8 h om *wi. z 9 r »irsm, b o3Jcrif. z 10 rb °f^j-
^sfröw; h »wYförsm; °iw<\snsr. zu h ift^0; rb om t. z 12 b °*nrere:. z 16
H ^föf^rf; B TOT^WHI. Z 17 K ^^5 RB «TWttWTORft [ß °f?T]. Z 18 RB
WSTTf^RTT. Z 19 B WRWt Z 20 H »^T^iTfT, RB f3fi*jTTC?nft. Z 21 H °f?T^<ffT, RB
"•RRcfrr. Z 22 H ^f^CT; RB ^TCT°. Z 23 B ^rft; H cTW WW, RB WT^ *nTT. Z 24
K wrwt; rb *rewf^;t; om ^t tt; h <t^t *ffffr. z 25 krb *\-q\m; rb ^ttt^^t;
K ^ff^TT, RB ^fT^lf. Z 26 KRB °fWT^°. Z 27 RB H^TT. Z 28 B WR^T; fa^V;
H add STt Sf*T hinter £fa?r$; om ^RTf<?; RB Wt WXfo. Z 29 KRB °^5^^TT^rf. Z 30
H ^T^TTT. Z 31 KRB «i<«1l*IT. Z 32 RB ^fw^°. Z 33 H °*T<H:, KRB °nfKT°; K
°§W.; RB rT^WTrö. Z 34 H °<TR<ri°, KRB °^R^R7|T0. Z 35 H ^cTCT; B W^fKft;
b, oq^TT^^r:, b owp*t:; b irwspfta; »v^T^^T^^fr.
Seite 330 (14), Z 1 RB TT^^^f^, K °^^R; KRB r| **| |*J. Z 2 RB *T^*repft°;
HK SffiTVT, RB 7JTW. Z 3 B cT^nf*l^t Wt^T; °ipft. Z 4 B TT tTfilVT^ ; KRB <WR*T0.
Z 5 RB IWRfft; B 'ff. Z 6 H °Vt- Z 7 B ^T^STO- Z 8 B »^fW^T; RB •»rnr^^.
z 9 krb i#tTrä°; b °*rHrrt; h *rrf. z io b innt z n h jrpNnrensrrof , k °*ni-
^RrarRRrensiWI, RB JTP? ^^WUT^0 [B *na?T0]. Z 12 H om ^T?. Z 13 K fWRf; B
*rf?rvrr^fT ipff; h tojtj^rjci;. z 15 b *rnrr; wr; k °fNn;, rb <rro£ter<t. z 16
RB cT3°. Z 17 B W:^; K S4lMlr(T. Z 18 B <TOTf*jff?r; IffTf, H 7Tr5T?rreTOi. Z 19
b OfTTT^sreT0; rb cRsnu^:^; h ftf^iü^r0; b °*TRrft. z 20 b om *nft; rb »^pr.
Z 21 HRB xu^^f^T^T^0; B SliTSTW. Z 22 B T^f^^T; jrörfffiTO; K *ft^rö. Z 23
k «rfarw:, b Tftjrw; h fiwr: st. f^uR; rb ira^r. z 24 h wiw.; r »irfafcT, b °^t-
fafif. Z 25 B ^Tfa. Z 26 R °^T^^fxT0, B •*TTOfa°; HRB »JT^taTO. Z 27 RB 3TT-
jrraft; ^rt. z 28 rb f*ra*r; b TR; rb 7T7*rnrs[T?RVr; °^fann. z 29 b °wmrw;
HKRB om ^rf^. Z 30 RB %rf; B TW *W*RT:; HK 5«M; H Wn^TCTTt Z 31 H
TO^i:. Z 32 B °f^f%^°. Z 34 RB *rf7Tf%rf7TT° ; H WfTf^. Z 37 R tiefte, B UffTRT.
Seite 331 (15), Z 1 B ^Pt; RB T^tW -HlfiT »Rrft [ß *RT1t]. Z 2 H *ÜT*rf%;
KRB add *rf^ hinter TJTTTfa; RB °^TW. Z 3 RB °^TrRrWW; B °?JTT^. Z 4 B
T?ftrra*r. z 5 krb ^f^nift; H om ^T; ^3Rr; RB TR; «imTf%Rh". Z 6 B °T?ftfft°;
°^°; rb °uft^r:#; h ^trst0; rb om 3*tr; ttr>t°. z 7 krb om wir; <RTrrch°;
B ofqfTTrri. Z 8 R TRP5!T<>; H 01>^T; B »f^ITftrT; H ^W mf^ffT ; R "f*rf^t, B 0f^ffrT;
R f^JT^T^T'ra^TfVsfi0? B f%^:t^TTfV5fi0. Z 9 KRB °*fp^T1J^T*rro. Z 10 H TT^TF^T0,
KRB <T^JTlf^T; RB °^*T3T. Z 11 B ^cT°; KRB trcto^t; B H^^T^; RB rT^T'ft^f BWTO.
Z 12 R f^?^!T0, B ■fVWT0. Z 13 B ^KT^fiT^. Z 14 B 0Tnrfa°; ^ftTPlT0. Z 15 KRB
f^rftfrn'fr; B °#^If; cTrI|lWt0; K om ^*n; ^T^Tt ^TT^i^ ^^Tft „another reading";
RB ^^fi^TT ^^?ZT^. Z 16 HKR Wt^fiT, B 3TCft^<ft; HB ^pft^^; H ^RTPWnBT0,
RB °*RPn!ro?t. Z 17 K t^T^; RB f^TT0; ^Tf%t. Z 18 B «anf«Rt; H f^TTT°. Z 19
389
B TRR$T?°; °TOaft°; RB om TR. Z 20 B UR^; KRB 33? H^; RB om <TO; H S*T-
*r$; kr *TR*fc«r *ff, b weifet ^rf(. z 21 h ^wr», krb srnshR^ri;; h ^t^t
£T2RT^R., K 3T^ff, B ^RTt. Z 22 RB *nsrfasfi*T°. Z 23 HKRB cTRifr. Z 24 H om *R-
wtr; krb »sjiTTiN. z 26 b rnft; k *ftR?*; b ^rr^rr. z 27 rb ^ft ttwt. z 28
B WfflT^«. Z 29 R <T^3, B <T^T; H oR$$?T ^RTTR, K °R$$*nfrT%, RB ^1R-
RVf^WrfW. Z 33 RB cWT^tetT. Z 34 H °T$. Z 35 HRB ^toTC; Z 36 KRB
f*mwr°; rb mrÄ; JWR<ft; b *r<?itr.
Seite 332 (16), Z 1 H om ^5^^, KRB Ri*RZStfrfCTrZ^0 [RB °^tz^°]; °WRTWT°.
Z 2 B »TrfwfTRTT'TTf^RT; KRB TTt Ttf* THTt ^HT. Z 3 H OTRTOT°, B%RR>.
Z 4 RB f%TPf ; KRB °WÖ1 *R<*;; H SRTR 3iTR. Z 5 H «WPflTWt. Z 6 B *TR^T;
H om Hf^T. Z 7 RB ITORcft; H °4M4fcl3; KRB °mW[W>. Z 8 B ^f*Rptö. Z 9 RB
■^ffhST- ZU H fwfTfJ0- Z 12 H wiederholt 3R hinter ^rnf; RB om "^(1% und ^f*Tfcft.
Z 14 RB °*RWR°; B °rSr°. Z 15 H °^TR. Z 16 RB **hrä; H om f Z 17 RB
?TT*n^hföi:; H <R°, B RrTT W^W, ^R^. Z 19 RB °^ffcTT; H ff*Tp!R*r^?TT t^mT-
wrt; rb ^jwrsRT ff^n; k ff*n. z 20 b trafa0; k °%r; b jtrtwr. z 21 krb
■firewr. z 22 rb ^rt. z 25 rb ^rr^rr:. z 26 b wtot°; °*jirw *rtR°. z 28 rb
^fröY, H ^<*^7Wl; K neben ^tfl auch ^ft^tlfiRR ; KRB RcTT*0; R o^TTqcTT, ß RTr^RT
Z 32 RB üdtfY. Z 33 B ^IR:; ^fiwl-; H om ^fal% bis ^flftRfRR. Z 34 B <*TS.
z 35 b wcfr^r; irap^; xrt°; RB *rwra°.
Seite 333 (17), ZI H om ^TTTR; K f^T^jT^:, R I^T^rT:. B f^TT; RB JTT-
wfife; h rT^rfwtfw; rb om *rrct z 2 b °*rrfrf ; k °^3T. b frapNfa«jsr. z 3 h
^rsHn*nHiflr, b *M*HHiiflr; h ?nv; b t^rtwtr. z 4 krb xrfg«frf*T; b ^wt;
K xrfT°; HKRB T$. Z 5 H 3R>; KRB °*t^nt; B «RR^. Z 6 H 3TRW 3*fTTR.
z 7 h trm^^r; rb xTfT*rf^T. z s krb ^rtr0; tr 5rao; rb *RfT0; b ^f*Rt°; H
•mrR[ wr. z 9 hkrb * Rrr^t, b * Rf^RT^; rb wRift. z 10 r o^ra\ b
<R3R; K Rf^RT", B om fo«fl|c|cft; KRB ^; on ^. Z 11 HK M<<*dlfsr, R #5RTT°,
b <M<di°; krb rTiNrnw. z 12 rb om ^. z 13 krb °**Rvrct; b WRrft TRTtf°.
Z 14 B **Rf%. Z 16 B «Wftu; K HTWR0, B WR°. Z 17 B fw£. Z 18 B JTT*RR;
k «*grn;^ftfT0 ; R*RJ; h °I^R. z 19 b ^^r^^i; hrb «ttr^r. z 20 r *rrtt-
rnwmf^0, b «*<i*idi9hmTf^0; h om *r. z 22 k r*j°; R °^j*R^RTRT^r°, b *hj-
»RTRTR^rR^rRrT0; rb *?!t*RRr^; k «R^nrft0. z 23 h om ^t?»; hkrb srtr0.
Z 24 KRB °TR; RB ^^IR^fttfirtTr^f^T. Z 25 B ?rR*nff ; K ^TWT°. Z 26 B °*R-
?q^T; ^RRfTr. Z 27 HKRB add ^7 hinter <R:; RB *Tff*Pf; H TT^T *nR^ETRf«T:.
Z 28 KRB *T R:^TR. Z 29 HKR «»l»T*Rl, B »TT^m; f^fTT; R TTHf^TT0, B H^pk0;
^dlPdH^m0. Z 31 B Tjft^fH Z 32 K °Wf, K «T^T ^^f^S, R 4M^f*K, B ^If#ri:.
Z 33 KRB om rTrft; KR °»RiT^, K auch ^ffarpffa;; B TTT^T ^»T*ffa. Z 34 RB in^:.
Z 35 H xrrt^fiR: ^f^xir^ tr; K ^tffiR: (auch ^^rrffiR:), RB ^T^tlpT: gf^^T^TJT;
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XXI. Bd. 11. Abth. 51
390
H 0f^TT°; RB »IT^R; HKRB Tfr^. Z 36 H 0,«reRrr:; RB o^nfTTCHT Z 37 H *
TTö^°, RB rTRIHfT^RiTfT^ 5 RB ITT^ta;.
Seite 334 (18), Z 1 HK »TR^f^T. H om T^TT^rT:; V{Z°; KRB om *T£ ; R tff%rno.
Z 2 H om 3TCTR; K °^ffH; RB TrfT3fh«recT\ Z 3 H om *T*»TT*fi, RB ^fr^TT^0. Z 4 RB
^ff?f. Z 6 KRB om#, B <TrnM*T?T. Z 8 R 0^TrTT°? B ^ffcT0. Z 9 RB ^snfTTWfä.
Z 11 K °*TPffi, RB »HTf^fT. Z 13 RB WW. Z 15 RB S^flf. Z 16 H W^TS; K W-
5RIV; H om TTWTöI. Z 17 H TP?r*Wcft ^lfa<*l°; KR rTcfr *TWT*m, B «TcTt JTTrrTOrt.
Z 18 K WS^. Z 19 H ^p**tfrtr; K stellt W und ^ftüTT bis HTO um. Z 21 B
•VWtft. Z 22 KRB ^jf^^fxT. Z 25 B TRT; KRB TTMrtJI^^0. Z 26 H Wrf%. Z 28
HKRB TTWT; Bfl^; JTfWfa. Z 29 HKRB ^(T^n^rTt; fTfarTT fW] H *PJ. Z 32
RB °*T"R^fi;. Z 33 RB °TTT^T^^; B ^3^zrfa; HKRB ^^fiT° so (fast) immer! R Wl-
fw^fr, b Trfwr.
Seite 335 (19), Z 2 RB °^TRT; *TOcfh B fawK Z 3 KRB °^1%0; °*jf^rr, H
°?^'5Eno- z 4 HKRB om f^f. Z 5 B om f^f; »f^Tffrf. Z 6 KRB °*T?fT°; KR °^i^,
B °^i^T 5 H 3n^T°, K JTT^Z0. Z 7 H «rfTSRnt, K fr<<£H«l<{ (auch f*TfT*RT<t) RB f*T-
Tfr^nrcT:; B °£f?f *1t£N^. Z 8 h *nnzri;, RB Srpzrci;; h ^rä*r; RB °^rarro; °|Tfif0;
KRB ^mTtTRTfW W%°. Z 11 RB °^rT^; H ^T°, B ^t^°; ira^TSTTfiT; K ^?W».
Z 12 RB °^T¥^I*<^^; HKRB add %iqTf*T bis Ip|p3rfwrf*T hinter TTR:. Z 13 K
TTTJT^fi0, RB »TT!fli0; H °^W^I. Z 14 RB ^TT°; B f^T Wft^fTT; RB ifN^0; H "W-
fWTfpffa, KRB f%^ f*TT°. Z 16 RB *T st. ff. Z 17 K om Sfa. Z 18 H °tn^W^¥0,
RB 0trft^!Tf^f^W^TWT*T,öRT,^; KRB *TW^m ^PTRlfHTfa- Z 19 KRB «TP^ct;
^I^^tVT^rTT. Z 20 KR »fl^t^5^0, B 0^^^Z^5^R^0; K °*H;¥pfiT;f?r, R *T<VfaftfrT,
B 0^ftf%ftf?T; ^ffUpf0; KRB »xiTf^TniKT^T^. Z 21 KRB Tf^TPT0; R ^j^fiT. Z 22
r ^urr^r:. z 23 k nnfas°, rb inifw^f^0; °f%fhr:JTM'ftrpT, k «»f*rfiNrPT. z 24
KRB °*njW; HB ^WT, K ^g^Pt- Z 25 KRB Trf?pf1f; B rT^tfl; °*T^TR0. Z 28 B
»TTTTRS0; K fTrJT0- Z 29 KRB »TZf^T^fT. Z 30 K *Pren:; B °rHt*rff cT°. Z 32 B <T^j:;
^TSWt Z 34 HK »WTfafTO'nTf, RB TTfW^TftnT; R ^TclnTT, B ^luTT. Z 35 RB om rPH;
h om Tpncni; krb o-^nf^. z 37 krb t^naT^rrft; b **^7nt; k trf^rfrTT^, r tto-
f^TT^, b Tf^nft^r; k rnsT.
Seite 336 (20), Z 1 B Wtf^H; KRB »JUTT^T0. Z 2 RB 0^^C, B ^rTWC^nfö0.
z 3 rb tr<ft*rf *nipftwro; h »f^wrT'fa- z 4 rb *tri. z 5 hk *T^rcrn°, rb tt^t-
^fT^f^ft0; b °wt z 6 b f^^rr^^0; k ^Trt ^rö; rb ^i%^°. z 7 b f^rcp^^ir.
Z 8 HKRB <TrfPff°. Z 9 KRB °*PT^?T°; H TnNNpnirnt; RB ^P5Tf%?T°. Z 10 H Pf^TT-
in^:, RB fwsrrcpr; krb äirfTPr^rpftci;. z n rb °*TPi<Tf*rRT. z 12 h "Tf^rrarri;;
KRB om TTff bis «R^Tt^r*. Z 17. Z 13 H Tt^ft Z 17 KRB °f5NNrflT^; B fWPPTT0. Z 18
RB fT^fwfSTfW^. Z 19 B f^Pqsnj0; *Tf T3PT:. Z 20 H o^frP^TfafaTT0 ; KRB «»rrfTO.
Z 21 H om f^TT; KRB «PWNifsiraf0. Z 22 HR *vrt\ HRB °^PJP=RrR0; RB om *J^f;
391
KRB °trf^TrT°. Z 23 B °^TW' K "TP'™0-- H **^> KRB ?R^; B 5^. Z 25 B
Tfi^TZrfTT; ^fr^%. Z 26 K »JRRT; B f%RY5R5 KR °^ff°; H om ^; KRB om R5JTT-
*R<ft. z 27 b «Rift; h ^jt ^; rb fwr. z 28 krb f%R?rR:. z 29 b *t| jyc,
RB MMHHfi^0. Z 30 K SR^Rt, R <SR^Rt, B äR^ift st. 3RfTt ^TRt. Z 31 H
rT#cTR°, K cT#rTWR°, RB <T%<T#<TR0; B °^T; ^7RR*TTrftR; HK TO^:. Z 32 K
^R*i. RB ^Rd<Ti; H %MUI«°; RB «^iTTW:; HKRB om ^T. Z 33 B °*RrPTRT°; H TT-
ifTf^i^wf0; KRB 0*t4*^RjfRT0. Z 34 B J^cRrfR0; H °HfT*T, RB °trfT*R. Z 35
HKRB 3RT [om HJ JiT^Tfa^R^TT [B R^] fW^ftTTCr [B 0*TTT] 3mWRTTT°. Z 36
RB ^f^ft; «R^RR.. Z 37 HRB rrf^R0; KRB om ^rff^ft
Seite 337 (21), Z 1 RB ^rfwf^Rj H TR^fiR0, K Wn|f*R0, RB JTRf^TTxnrfTR0.
Z 2 HKRB om *Tffpft Z 3 HKRB Ripff; H JTRR^. Z 4 H *TfR*TT R<JT»J0, K
TtHTT "RT^0, RB JRR ft^°; RB TT^rT Z 5 KRB ^R^° ^°; HR ^f^t^; K
o^m^f *PCRJ, RB °*R«tJrMTRJ- Z 6 K M *! I ^1 M RTRfar*R"RJ, RB M^l^iRR [R °f^T]
trr^rrj; h om *zyft; krb w*n; »r^rtR. z 7 krb o^f^x; k o^^-TWT; h om
7RTR. Z 8 KRB RTTJTS. Z 9 K TRT; H ^ftarfT; KRB ffoR; RB TRR°. Z 10 K ^&#<«T-
<S*HI^. RB -gt^3i"Pfo*R£^. H ^t^^T^R^Rf^; HKRB om T**0- Z 12 K °xrft^TT°;
KRB RITTT0; H "R^H, KRB °^^; RB «M*KM<ft Z 13 KRB TRR*R>°; H^TR^STR,
K(RB?) *rr*R£3r^. z 14 b iRRr; h ^frjR: ^arffuft, k ^rftr^iwr, RB TfrjRfwr; b
^^trwrtsr; ^^°; krb tnrR5R°. z 15 RB oW^^o; H ^*rR*mwK z 17 b
TfTR. Z 18 RB ^ RTW. Z 19 H °^TRTfi!T. Z 20 HKRB «RR*R^°; RT?fi^RW. Z 21
h °in^rn;, k »ttr-r;, R o*f*nrnrRiTt, b »f^rfwRRfR;; »rt^ttr. z 22 rb ^pirn:;
H 3RR$, RB JRf<R; K *T^R*T°, HRB *T^R*R°. Z 23 B ^TTt. Z 24 KRB RVT-
*RRT; om *T. Z 25 KRB «RRT^R.. Z 26 KRB rRR. Z 27 RB *RRRR^; °*^Rft.
Z 28 K auch 7RR; RB rRT^R0. Z 29 RB R^f . Z 31 K WTT^TTO f^R^T, RB
^Tin^n^ R^n#t [b w*n*r°]; rb °«rRrr°. z 32 b rir°; b tt^w^M. z 33 h
R*RT, RB TRRtT0; R^T^RT. Z 34 KRB f*RRR°. Z 35 KRB TTP«rR^RWSR0 ;
H 0fJRiKwT0, K "TpifiRWT0, RB R^3.
Seite 338 (22), Z 1 H °**TS*T°, KRB •»JS+H")*^. Z 2 K RRT^Rf*? cR*f f\ d *M °,
RB °Jpff^T°. Z 3 B fTCR>. Z 4 HK «RJTR, RB °*RRrT^°; RB Rif^R0; B RrgfsfcRfr0;
KRB 0TT^R^iW0. Z 5 K auch ^*RRRR. Z 6 B WR^RRT; HRB °V^RTfl!T: , K tR-
TTTfan. Z 7 B WTFJWT0; H om TR, K liest auch °3PCRTra°. Z 8 K °lrf%R> rö;
B 5jf«HM4i0; KB °U1R, R °JTff^. Z 9 K R^ T^RTP^tefRJR, RB ^rRT«TR>^>-
7R?R. Z 10 HK ^R, R ^TR, B WR; RB °^fWt. Z 11 K corrigirt W^; RB TRT-
RfTPrT0; d^d<<«*f ; B ^Rf7T°. Z 12 KRB 4<MH<=|; RB om ^Sff^Wt^. Z 13 B J(#;
KRB °VIWi. Z 14 HKRB TT^^; R ^TORr*0, B ^T^^n^rT0; fTr^", om S*ft; HRB ff^T-
f^°; ^%R, K t^R. Z 15 B °(*R^°; K 0sR°; RB °^RRT. Z 16 H om TT; B
°FrRRT°. H °*d*1iyi0. Z 17 HKRB »fRtk0. Z 18 K ^^R^, RB TR?T^. Z 19 RB
51*
392
•TORRfiW; B °fW^*RT; RB <KKi*lT:- Z 20 HK ^Trf^RT, RB °"ft?m. Z 21 HKRB
^Wrrrj; B f^TTT. Z 23 RB «^nft^R f*RäTRrrf*rf*H{f«M0. Z 24 RB ^TFT°; HRB
fiRrf^TRc. z 25 k °?n^Ti:; hrb w.; b tptr;*^. z 26 b Tr^wsrT^r; ^ftnm. z 27
HRB UfTTFR0; B d*JM«*$fa. Z 28 HB ^TfZ°. Z 29 B irraRRT; HRB ^41*11; RB
irrt; h tr:. z 30 k «snpsrRr:, b o^rf^T^:; h sn-RRftwr, kb 3RRnfta; kr f%wt°,
B RjRft0. Z 31 B *R^T Z 32 H *RRn:, RB *TRRr:; *RJRT. Z 33 B *T*fPr^. Z 34
B °^iTt; K ^^T^T^rf^IRm0, R WTRI, B ^J^TTO f%RR. Z 36 HKRB WVRRTT;
°trtrr. z 37 kr rjttrrtt, b f^RTRTRR.
Seite 339 (23), Z 3 B RTfä; ^TRTS. Z 4 RB °*TTfTt *rf^nT^Ttrfwr-R* [B °^TOT0];
B 0^cRfK Z 5 B m^Wffi; RB WTT°- Z 6 RB *RWffi. Z 7 RB °tffWT°; HK tJR^nft.
Z 8 RB [auch K] TPJpST0. Z 9 HKRB ^T^STRCTf^fiTO0 ; RB ^T^^f TfMT; K VWi, am
Rande «1|T. Z 10 KRB ^"RRÜ0; RB °^imf0; H TTTt^f^T; KRB °VJRR7R( IR^RJ.
Z 12 HRB Tfiv, K ilf*'.. Z 13 R °TOTfiireMfc, B °*h*TfW*Ri:; ^RRiTFirtT;0, H
oTjf^pjo. zj4k cörrigirt ^fT, f^iWT, RB fW^.. Z 15 K °x|H«f1V%^ RB °^^ftw%g;
KRB omtf^; B ^PJRJTO. Z 17 KRB ^n^TP*.- Z 18 KRB fUfU. Z 19 H *fpTcRR*TJr.
Z 20 B 7TrR?T#0. Z 21 H °^^TRf; B ^ddUMl0; RB °^T^. Z 24 H °*RCt"R{. Z 26
rb ^TM*K^fft; b *R^raR?iRfrro. z 27 k »trrt0, RB *RRTRnrö; b »^Tr^fVfa; R
o^TJTT0, B ^RWR. Z 28 B RJ*r*P^zm. Z 29 H °*T^lfw*rRT, B »RRpfa; H ^RTOT-
^fran ^"rrnRRr^:, krb <ri wr<RT*rr^cj;. z 30 b ^w; krb ^trrjtrj0. z 31 kr
^f%Tift *TT ; B ^TJTR^T; KR cP^Tm<fö, B <T^RrfRT; HKRB xitt^nf^^t. Z 32 RB •WT-
*RTOf°. Z 33 B f%fft°; HKRB °Wmi ^TTRf^; B *RR?t; KRB ^T f*T ^fTfa. Z 34 RB
jTR*R{tjT; *P£RT°. Z 35 HKRB ^RT ^T; KRB WRC; RB JT^rf.
Seite 340 (24), Z 2 H ^ITTORRRJ; KRB ^RfRITfa0; KR 0f*rfW°; B °WW°; R
^fr^if^, b trn;ift^<ft. z 3 h o^TTfr^RT0, krb ^rRWTrfmTRftf'R0; hkrb »irrem,
z 4 b srrefartft ; R °^rrf%, b °^rrcft; h °*r^rrfawR;0, krb frfchK«n<3; b «"ä^trfa.
Z5H1 *TT*TOR{. Z 6 R T3TR, B rRfK Z 7 RB °*RiRT; H PI rTTT. Z 10 KRB »^TTO;
RB °ÜT3T^ci;; ^Rf. Z 11 HKRB ^Rm^Rff [B °^7R] ; KRB om SRC. Z 12 RB °W$TQ
*Rf; R ^TRnFRT, B TRJfi; f^^^T. Z 13 HKRB »^R^m^sirRpf ^TR4^; RB VT*0; KRB
fffW. Z 14 H JVf^T, RB JRf, K fT^ftTRC f^RP^RTSfttRJrRf, RB ^Trftfö; TlWRf0,
K TRWRR. Z 15 B °44I4|UH, H 0*Rf*2n: ; HRB TR^R3R?T, K XR?3n«nf*T; ^IR-RT
t^^T ^Rrffi, RB ilJrmi f^T^RTm. Z 16 KRB ^rW?tR4lt. Z 18 HRB ^^T, K cörri-
girt; B TRj;£Rfot; ^RRT ^TTt^rR°. Z 19 B ^^f. Z 21 RB 3RTT:; B ^Rlf. Z 24 H
fwrft0; KRB otRRRT0. Z 25 K *RR?t. Z 26 B ^RTW. Z 27 KRB °JH^RRT°. Z 28
H om T^RT; RB °TRfm°. Z 29 KRB °^flfi; B TT^T^Rf. Z 30 KRB «RJ^RGT; B
rRR*Rrf°. Z 32 B f^TTC^1^^- Z 33 K HTW; B 0WRT>f^i; RB °^°: ^#^TR#R°.
Z 34 B °RfÜWRIR; RB JRffrR; KRB °*jft3f<T°. Z 35 RB XWK>; TKK- Z 36 KRB
393
Seite 341 (25), Z 1 HEB °*J%. Z2EB *NNTT0; fW*^T Z 4 H fa^%, RB f^^TT;
H ^§f%^rTOT°. Z 5 B *rtH*Rrffa; KRB *ThTR\ Z 7 K fwtat, RB WfTYvft. Z 8 B
Y<ri0. z 9 b °TT**rr°; h ^rf*r^?rr; *rr. z 10 h om uitt; hkrb °^vt°; rb °f*rf%rT:°;
H °<Nrr; krb n^°; om *rn;; hr »m^>, rb «Tr^^nr^Ew^^fipi^iZT^0. z 12
HKRB °*TO%. Z 14 RB VW[f%; KRB WT*i:. Z 15 RB i||V|4lft; KR TT^rf; K om T.
Z 16 H ^rf^förf, K ^Rf^firT; Wr^WV^TT. Z 17 B °»farrä^o. Z 18 RB ^Nü°. Z 21
RB TT^TfTT; KRB XTT*T. Z 22 KRB IR^tft; 0^f*P*rHn°. Z 23 KRB 0f%fVfTj?T0. Z 24
hkrb °sran; krb °*jt^to; rb tttt; b °THTf%njro. z 25 krb °^ft^i; k f^ni^Tf^tir.;
rb fä1^ t^TT^rfww:; kb f^nf^rffr; krb *TRTf^cnj°. z 26 krb TfTfw^rcifT ;
^t^fn^T^TWfT^rt^t^TJTüfr^if ^?rfa [b °irn!ft^%]. z 27 h °ipfr ot^; k ^t. z 28
KR *T*nHl*U«W*°. B *mv>M|fcHiw°; RB »rTT^fW^- Z 29 H om ^ft^T, RB °^*T-
f^. z 30 b ^^T<^°; h *rr *mr°, krb *rr ^mrftTTvftnj0 [b °vt^0]; 0*m™°- Z 31
k «wnrenro0; *rrernnrarr, h «tiMriii; rb o*nrsfiTTft^fT *n*rwr*rre*TOT *re°; k
^t^inpR. Z 32 KRB °^T^T:. Z 33 RB 0*T^[f ; K jrfTT UffT. Z 34 H ITfTir^'^fT^T0,
K ■RftfTxrfTTcT^rr0. Z 35 KRB f^üTTT; fö*Rrf%; RB WW^Sfa. Z 36 KRB ^H*J°; RB
°wr*rf%; ^T^. Z 37 H ^T WfTT.
Seite 342 (26), Z 1 KRB ^NTRITTOTO; H fW^jft^TT0, K f^TWt^Ri0, RB f«1^V<*dT-
-£HV>. Z 2 RB ^T; KRB add T hinter rTO; K ^T. Z 3 KRB *TRKTfl!T; HKRB ^i'ft-
f«t<*i(*nf^°; b °wr°; rb ^r. z 4 b ifterfa; rb »^f^rf*. z 5 b oift*r^rf7T; krb
HHÜÜRb! VTV^rft [B VT^fff], H °f^T ^C<Ü. Z 7 B ^Tt*TSTcT:; TPjfTJraWrt0. Z 8
rb o*rr?rrcft^; ^t^vptt. z 9 rb ^rfw^r^T0; hk o^wt^r^Tf^0; krb wrfwm; *rr-
^t T. Z 10 KRB xrftf'ra; HR rf f^TiPT; RB Ufm. ZU H om ifä; RB fW^C, KRB
irfTfa^- z 12 rb w^<r, h om fwrerV» bis f*n?TTfa; RB f%^Tfar. Z 13 HRB
0^<i«H. Z 14 HRB °*T<K Z 15 B ^RPSTTf ; KR fWrf*, B f WTf*T rTTSTT; H WT°,
RB ^ThiTT0. Z 17 RB WSTUf, t^p-<*+<f*T; *R*rrf^nN; H °iP|f7T. Z 18 RB *fj-- Z 20
H fWPTOf?T, RB f«I?RrRf?T; 3Tfa. Z 21 K f*rfäi<SP*0, RB fqf%fi*rfäifT0; uffWTR*0;
KRB T7TTVT; HKRB apft^lt^. Z 22 KRB ^TV^T; R cTf^TCT'Hrr0- Z 23 H 0TT*rPnF3T0,
K «^RtlT^0, RB »SRTW0. Z 24 RB *Tl^. Z 25 RB *rmTf%%. Z 26 RB WITOT; W*PT-
fiHMHfit [b °*nft] ftrcft Tf **Rt; k f^^f?mt; hrb *^faftimRT. z 27 krb
^*fS; RB cTOTf- Z 28 RB ^TJPBW. Z 29 RB ^F5°; *J%^*T. Z 30 H ^ftxrfTT-rr,
KRB »TTfr^TT TTcffTH^d; H f^Tfafg^, KRB f*rf%f% ^fTcHJ0; B °TI«*K*|7Tnnct: Z 31
b Tfir?*ro; k »mHurr0. z 32 h i«n^; krb °»t^t^. z 33 rb °^rrrfar;; b ^ff-
f^-rwfo; rb °fö»Ni; 0fM*nrf^rre°. z 34 R'{0f^*jt°, b °f<^^°; rb °*<ferf;
R 0^ZTW^^°, B »^tlT0; RB °föiftnfprei0. Z 35 B ^HTT^T^- Z 36 KRB *TR^T^°. Z 37
HRB etHüfarefTT. Z 38 KR TmTf^T, B TT^T^t.
Seite 343 (27), Z 1 K ^itfrt. Z 2 K ^fm°. Z 3 K °^^T: ^; KRB WJHHT;
b trRr#^; TTH^n^0. z 6 hk 'snrfat^T [k °f*r] «ii*im*<ifMo, b ^wfwrwt; hrb
394
°f^T't; RB ^reT^H Z 7 B TPJTf^fTäW ; rT^Nfrt; HRB d«3l*lfaffrf. Z 10 B #ft-
fwm^rr; rb *n^<fsfitaTJro^0. zu b *n«NiiN? krb irer^0; hrb f*rcrra*rftwr.
z u k ^jT^rf%. z 15 b Tft^ifaT; °wfftf^. z 16 h fwvwt; B <TrTWT; rb *j*i-
f^T5r°. Z 17 RB rT^t^°; B T[*TOPT, K XrwWR. Z 18 HKRB «ftufrofö ; RB TTf^nT^T;
H qpftCTP, RB ^nwTsnj0; KRB om f%VT*T Z 20 B ^TT^fTT0; ^fa; RB °TTcSTO. Z 21
KR 0f*TTft^n*re?rP2fYrl\ B °%4l«4JM|i>föt. Z 22 RB UfTTT^. Z 23 K TPRffTT, RB
^rrerft; h o'hitK z 24 b -^j^nTT0; rb fwr^rr0. z 26 b sfl*^i°. z 27 b <Trfr
f^nrra0; ^f^rf?WT°. z 29 b %wrai?; rb wti<ro; b ^nrr^rrrr^T°; wpti. z 30
b rm^r^wr tr^^Tw°. z 31 b °*rfteff frft; rb °^(f^ *. z 32 rb wt°; b
5Wr^°; r wrfwrrfr, b 3ifwr; k om <ft. z 33 b ^ncwr; h ufa^. z 34 rb
f^nrerr. z 35 rb jrrwtTjp; ir*^nf%- z 36 rb ^RR^urefir «rnfr. z 37 r «uH*ftT*r-
Seite 344 (28), Z 1 B °f%^T^^^i^. Z 2 B °TT^t?^ W[; ^WK] f^Wf% ^fif. Z 4
HRB ^ st. ^; K om ^. Z 5 K tp^fa. Z 6 RB ?N *; K °*ffaiHfäf°, RB 0^ft^R»»jfW0.
Z 7 H °^iRi; RB °*TWT?T0. Z 8 RB om ^TT; KRB WlttK'^fT. Z9H JW^, RB *T*T$wf;
s» Cs ©*
o^ft^Tft. Z 10 RB fc^TR; B^^Ti; R fTfWWTT^T, B rTf^TTT^T- Z 11 B rT^Tf^0.
z 12 r ^rrfTTfa; hk <t^; r crfwfr«mTo, b rrf^ft^^rR^nifffiT. zis b tptt; h
^nm^rwr, rb =y^<*«iwt; h ^rrarrait, krb «rrarrarT* f?T3frHJT*r wh&r°. z 16 hkrb
^nrn^r; krb °*rr*mwf%. z 17 rb T^pfiT; h om f^r. z 19 krb om *nsr; b *tt ^.
z 20 rb fTwrfa; ^*rr?m. z 21 rb T^raf^rcrr; ftf*rcp*r; b ^frrra ; r w^°, b *r?r-
WtfT. Z 22 B °^rY*raW. Z 23 B rTXftft^fWT; RB Sfif^Tf^ ^T*; HRB ^TfTT^0. Z 24
rb Onrrcrfa; <m z 25 k T[^wwtrf?t; b *mt°. z 26 krb xnhrfcrT0. z 27 k f^nfi-
föwrfr, rb f^Pif^rrfa; crihiwm:; *tprt^. z 28 krb xrf^rf^. z 29 rb °*<fmjrr-
*nf^7io. z 30 h °^twr:, b °^fmT*rm:; krb rnr jrps°. z 31 k ^f%n^f%, rb ^ftwt
Z 33 K om jfr{. Z 34 K fTm^tifta;. Z 35 H ^TT^Tct; K °fWT°, RB 0f^rrfrT°. Z 36
RB ^TfT^Pcr,
Seite 345 (29), Z 2 KRB ^ft Z 3 KRB VT*nT°. Z 4 B °WT^t; K V[fW. Z 5 B
tt^tt^; R °wrofTTTr°, b °^rnrf7nrT°. z 6 rb trarnir; kr fövr^ranrrer, b o^tbito;
HKB *Tf^; B *NY<pft; H f*TW ^3T HTITW, R W3m°, B ^H^nT0. Z 8 RB f%5
f^; KRB om ^T^. Z 9 RB ^^TW^f^; °cfi^Tjn^wOrg ; B °WRfW°. Z 10 H
fTTO^^; KRB 4THri4H'fol!r<t; H om ^f, KRB om *TT ^; B <T<T; HK ^TT*T. ZUR
TT^T^:, Bü^ra:; RB f^tjurm. Z 12 B °lTTOf*ro; HK ^'IH«°; "^T^t; B fT^^rrf^0.
z 13 rb °?**m*rrernsr; krb «fi^Rn*; a*ra°. z 14 B TJÖra^rrwRPj; rb 3if^tafNi:;
K °^TrrrfW°. Z 15 B WTTf^- Z 16 RB WtV°. Z 17 RB °*nh^f; THrf^: KRB ^f^T;
b ^n%. z 18 h o^ttr, rb o,snt^- z 19 krb °5rr^TT. z 20 k °?rRn^^ »rm^,
RB °fTRTT^^. Z 21 B ^P^gfTT ^f?T ^^Z^irn:0. Z 22 RB ffä; R °XTttTt, B <TcTr^-
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395
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Seite 348 (32), Z 1 K TfcGtfaTT0; RB WTc*T<*^ Tdü *i I «[WRR^R? WT. Wgft »R<ft
396
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f^Fwtf^r; hk rTfrensr^nftcT!;:0, rb °^ft<T°; h »^rrf^fta0, krb ssTfinffa0; b oi^%°;
k rr st. ?mt^r. z 5 k tn^rr^n ; rb twpfr ^^rff <tt wroflrwrTran' [b owrrro]
f^^rTÜI [B f^iTT!T]^Tr *RTT°; R TO^, B WT*T*T Z 6 RB VR*rr*T f^PTOf^nrerffT ;
k "N^w v^t:, rb f^;§ >^rit:; hk *Tö[^rflf \ptjt:°, rb *r^Nnft vsw.°; k *wt-
T[rn ^TTrT? ...Lücke... fttf0. Z 7 K ^T^tt^cST0. Z 8 RK lesen nach ^TTfT^ffl Folgendes:
er t^r^mcf [k cffw°] ^f^nfT^^^rrrfTw^ — ^?^ £^: ^t^^^% cr^xrfcrf^f^rt
^SIT (?) ^^ ^"RTfTT "■ l B liest: ^TTf "RTri; I TT^f^T WTTf I ^^T <ft XTfTr^^^f^T-
^f% %W ^^Tf<T ^W^ fTrRHT^cl't fTrft IpföfafftfTTOT ^* ^^^ rT^TR I Z 13 H <T^«J
bis 'RfW0 hinter 1(41^^^. Z 16 H om n4^"Wff|-fTT^TJi:. Z 17 H ^fTTTTf^fTT; RB <T^T
^T; B ^TT^rft. Z 18 B 3fon«njW°; H ^^^■PR^TI', RB o^ch^iyy^r. Z 19 H om rT^i;
KRB "fl^Wf^fTTrT: ; K »trfTt. RB °VfH. Z 20 RB TUT* T(f^. Z 21 B ^f^cTP^'^rr0 ; K
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^ft^^ ^rr^^T0. Z 23 KRB *M<lrt*Jlfw>; RB f+*^ä«l. Z 24 R ^Trnf%, B ^TfTf%.
Z 25 H ^f^^T^0, RB ^ifterR0. Z 26 H om T&', B TT^T ^^T^t Z 27 H ?RfW§,
KRB #^t^^ ^W5rf»rft(?T0. Z 28 KRB °f^TrJ; ^"Wt; R "favfa0, B f%Vf^%%. Z 29
397
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398
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Seite 354 (38), Z 1 K *R"R; H <>t*rRWTO, B °f?RWR. Z 2 HRB TT^Tf ; B fTrRT-
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RB °^dl*Jl. Z 11 BB ^RTfa^. Z 12 HKRB *TWTg; B <M*d«*JT. Z 13 B rTff°;
H *prr*TT*R, KRB «r:4|c|||«|M^; K ^ft^Rt Z 14 K irfTT0 ; RB cTrJRflpft ; H ^3HTOfacT,
KRB ^rrafiTfT. Z 16 B »T^^^T^^rT, R °3VrT. Z 17 H *FR SITOT^R, K *reRT^R,
R *m W[^frl. B *rö5!T!rfiT. Z 18 RB o^t^^T. Z 19 KRB ^TfTCl; K %^, RB om *rf^;
k ^^r^ftfirr. z 21 rb ^t. z 2.2 b TT^n^fn. z 24 hkrb »^rf^f; R ;5rmrrn:t^,
B 511*1 MT^R; KRB °^i fl^RIfT.. Z 26 KRB om ^T. Z 27 B °^^f ; KRB °»T^!TTC0.
52*
400
z 28 krb JT^rfife; rb »^T^t^T [r °^fn%?]; B °Wrrt. Z 29 R xTtT^T, b trwr;
RB TJW. Z 30 KB °^l^r^n. Z31 B TnfTWTC0. Z 32 RB THlfrST0. Z 34 B fa-
^1^°; HKRB WTTf*P2rfW° [R TT^TTtT0, B TRrTCT0]- Z 35 RB ä^r^JTO'Sr0 [B °¥0];
KRB »TfPTOc*;. Z 36 B JT^ITTTWT0 ; HKRB f^TTJ^n ^T^^r.
Seite 357 (41), Z 1 KRB ^^T^. Z 2 R TORroW0, B ^^HRftf WPTRrr. Z 3 H
om ^ftff; RB *TTftT. Z 4 RB »Wf^; *frifa0; KRB "JWT^farj, H °^Tft^H; KRB
TTTR^TTT; B TTWTWT^. Z 5 RB rf; °fireT^T. Z 6 K om TOT; H om fTff; KRB °fa-
*TR. Z 7 H °*TW°; KRB OTRcTT; f^fT^W^n:T. Z 8 KRB if *T*rä; RB ^HTTT^T: ;
R f^rTT°, B fwf°; K °^fz°. Z 10 RB T^pt^T. Z 12 K ^RTC^T; H om TJWTfT;
Z 13 RB JOTPffW.. Z 14 K fö^JT, RB fä^T; R Tprf^J, B TJrf^T^; RB *^RT^;
KRB °f^f^fT; am rPt; RB "PTOWT. Z 15 RB 0*mZTrT°; K WT. Z 16 RB «RHiftW0;
KRB ^T^t^fT^T. Z 17 B TTWT WrV^; HRB °3R^fST. Z 20 RB °^Tft; KRB *TT-
T<ft*TfT*T^. Z 21 HKRB °^Tpirre«Rt.; om f^TT^- Z 22 KRB f^^^^H- Z 23 K
XTr^^f^rwfwfw^rrii, r T^T^farffi^fii0, b T^HJfirrTcntfw0; krb "fawr. z 25 h
fSH^^T, RB flTT^^t. Z 26 RB **TOT^3"; R °#^fT, B °^^1. Z 27 HRB rRtT°
st. fTmT0; krb tjüt^t *rf*r°; k o*r*niramt; imT^RK^- z 29 b ätTHJ^; K ^fare^.
Z 30 KRB °*OTfaff7i. Z 32 H om ^Trl, KRB TJrlW. Z 33 K i^^t^, B ^f^T; RB
of^vT^f^T0. Z 34 RB W*!^^; B W^TT0; H TTft^TT^fltfirä, KRB °^t^. Z 35
HKRB om ^nf^. Z 36 B %^cTf°; H Wif<l 3fifTWt"<*I0, B SRfTWfir T^°.
Seite 358 (42), Z 1 B TOTfrl^. Z 2 K °*T^T^Tcl\ Z 3 R ff%°, B ff%°; R ^^Tr^T.
B ^PTO^T; KRB TTWT^. Z 4 HKR *TP>. B H st. *pT3\ Z 5 RB Tf^TT^rft; B TcH?Z0.
H ^Sn^T^RTTO. Z 8 B IWrefa; RB ^PJRT. Z 9 RB tTTcm^; <T?ITWaT. Z 10 K TT55nir
TRT, RB TJ^TSRW. Z 11 RB? ^q. Z 12 H om rffi:. Z 13 RB TUT ^T; föqfwrä-
f^*f, k förrflsnrö0. z 14 b %wn. z 15 b ^rfwf; rb f^ri; b «inreT**.; hr rrfw-
f^S, B rffwf^E. Z 16 B WR^fT^T:; ^fTIT^rTir0. Z 18 RB °5rf^T^T; H f^RfTJPmTf,
RB om W*TT^\ Z 19 RB *nTR*Tf^T5f°; R TJ^Tct. z 20 B ^WT°; RB JpfniT0- Z 21
Hf^fi, 0f*rP*RJT*rP^°; K '^^^5°; B 0^?\*TZ*lf(T; RB W^T^iTftrrf^t; H om
trfr. z 22 rb TTirfwnj; kb om *rar<tfi; bis rr^n; z 23. z 24 r ^n°. b ^^fr°;
KRB ftTHTfw; om H^fffT- Z 25 B *pT*HT; RB ^f^TOlT. Z 26 K ^e&^Hl; »f^TJiTUT;
RB x?3fpHT*n; KRB om <T. Z 27 RB ifH0; *PT^fPTT°; H om ^TJJ. Z 28 KRB °f%T^°.
Z 29 KRB *nf^\ Z 30 B 3WT^Tfr. Z 32 H ^T iURT^. RB ^^7^. Z 33 B TT*^.
Z 34 KRB WTOTf <T; B fw^^. Z 35 RB °f*TTcT ^^tTTT^ÜT0 [B ^^tT°J.
Seite 359 (43), Z 1 KRB fT^^TT. Z 2 RB °3TTTW; KRB ^TPCPnff^IT. Z 3 KRB
°W[TQT, H om ^TT. Z 4 RB *fWfa; RB rT^>H; HKRB om T; f^W ^c^fK Z 5 B
cff^«r??f7T; k °TftfW^°; KRB »TfTO^;; K 0«ftfl0. Z 7 RB »^TTSTT^n^r; K »fWTTn.
Z 8 R setzt Jpt° bis r^wN hinter °<tTOct Z 10. Z 9 H °JPr^\ Z 10 KRB °T<tT^?i:.
ZU RB ^T^rfr^T^. Z 12 RB TTOT^nfT; H om cTf^^T^; HKRB TWrTX;; K IWT^rft ^TT;
401
B °^TTT^; RB ^»TT- Z 13 H ^TTW*!^cl\ KRB °W^; H ^ *TT. Z 14 KRB Wftn
^^^mT^rg^. z ir, b ^^fr. zigb f^^rerr0; rb *rnnf ; «^niTw. z 17 b 5?frfrT-
f^fTT^; H f%nramJ, RB f^^T^T. Z 18 KRB °VT7{ TT^TPi ; H TT^t^^H0, RB rTf :^nff-
*^f«M0. K 0Wf^Trrr:^°; H °3TTOfT. Z 19 K ^WT°, RB *T^T<T° : %rTrri: KRB ^TW- Z 20
alle MSS om ^T; H °^WT; «^fflcT0. Z 21 B WT^T^fTT^RHfJT ; HKRß oni *rf^. Z 24
B *TCITf%. Z 25 KRB ¥*TRft°; RB TO^PTSPCÜf, H rTcnjR:°; om Tr^ftr. Z 26 B f%-
^T?0- Z 27 HKRB Trf^rT*rät Z 28 RB mfaft. Z 29 HKRB T*:; H Sf*T st. S^r; KRB
ftrfwrT^n. z so b wrRrrarf fff^f; k ?rrf*raro, b «TTfirawrr^ct. z 31 b w?^ra:;
*fanc?rer:; vm. z 32 h ipt st. w&c, rb ^<?t; b inrrrT^r^; h f^ff^. z 35 b
f^VRT. Z 3G RB TOR°; H TUffti^. Z 37 B f%WT.
Seite 360 (44), Z 1 B *R5VT; HKRB TOT0. Z 3 HKRB Tflff; B *TfJTT>; ^ »*T-
-^X^', HRB TTOTTtlT. Z 4 KRB f^f^TTTT^; B *T*TT ^«TcT; RB ^T^t; JT^fifZ0. Z 5
B »ferneren; R *TWrTT. Z 6 B rrff0; RB «^T^Tf. Z 7 K ctWff*TCrwr, RB 7rawf*TCP?r ;
KRB om ^^rf^n:^; RB TlfT^-^rftfHffcr0. Z 8 HKRB ^fft IRTV:; ^f^Uft Ü; om tt.
z 9 krb utlnrnN; ttt #. z 10 krb tht ^ftarr; rb t^ttto. z n krb »^T^iTf^.
z 13 k ^t^t^rtt*. z u krb «Tgiff^^piRT^psr [k of^f^^]f^^^f^?r*TT^T^T; b rTf^r-m;
rb °wm^. z 15 krb *Rrr^n°; rb ^nn%. z ig krb tt^t»; h «irf^rtlT0; b *tt-
^TT«nT<fcrTT. Z 17 HRB fT^T«T, K cT«[Trj; H f^^ftäTTrf, KRB fWTTOTff; rTTRT*fFET;
HKRB VTfa T'Wt. Z 19 B VTH^T^Ff. z 20 KRB om WTOT**. cT^-T ¥; rmf^T. Z 2 t
K TTfaf^fJ, RB ITf7Tf%^; KRB om 7mt TW3".; B rTcT^T^0 ; rT^RW^T^fT0. Z 22 RB
°^cRT^T?f0. Z 24 HRB fWT°. Z 25 KRB T VHT° T; H T?rT^fT. Z 26 KR ^TcTraR-
f*7PT°, b «RTraprfr^j0 ; h nttf*r°- z 28 b wnnratä; ^wrr^fcT; rb irwfcT; ^fm^o
z 29 rb *rr%*rerrfwt z 31 b ^rn^^rr- z 32 h tpctth0; hkrb *trtt. z 33 b
f^ft; RB TT^ft- Z 34 KB om ^; H TST^T; if^ft^T, RB cTfWt^7\ Z 35 B rffi
fff . Z 36 RB *TffWT0.
Seite 361 (45), Z 1 B rTrTWrCTTf'r, KRB ^U TW %f?T; H $^f7T ^; T?P. Z 3
KRB °3iffrT W, B *(^T. Z 4 KRB *RT^. Z 5 B ^WTfV; RB W*; K lTTf?Tf?tf^.
B TTfM^tf^ B ITfTTf^TTcT, Z 8 H TJ^W: T^TT°; B TrTTTt^tTTt ^3; RB *T^rf*WTT.
Z 9 H T^TT0- Z 10 B "TPR; H T^TT0; RB Wt°; B facT^T. Z 12 HKRB ^TTT0;
rb f%f^f?TTm; w^ifm. hk *Ntct; h vrsw.; smrztn, rb Tnre m. z 13 b <t:. zu
K -WW^T XPTjfT ifxT. RB ^TT T^ffa; KR »ff^fft^TrT: , B o^f^RfWTrT: ; H ^f^TT°;
rb ttüW ^t. z 15 k sffirff^TTT^rTin^rfTTr0, rb srfaff^TTfTOtHJT^t0 [r °f^wr°?];
KRB Tt«g-5ftrn; RB TTTflfT; B fT^T W^TT0. Z 16 HRB add cpripT hinter ^T^f?T. Z 17
K ft W, R «f "^. Z 18 RH °?n^T^ffi:. Z 19 RB ^T^^rTT; H^fTT. Z 21 B ^WTffcnrei.
7. 22 KRB »imaTr; K Hf^^ffT; RB »(irf^VT^r; B fTT^T; IIB '«if^airtlT. Z 23 HK °TT-
imt. Z 24 HK "*7pn° verbessert, RB T^TT^0 5 KRB *n*RTO; RB 1Tf%f^fTtT^°.
Z 25 H T^T^T°; KRB •trf^räcf. Z 26 K ^^rft; RB XJ-^J W^7* T^° iB V^^}' K
402
°f*T*nrfa°; h ttsto^0. z 27 hrb <.<«ii<«ft: r *jwr, b *pffT; h TT^npr0. z 28 rb
TT^fffT; H TTW^; RB ^Rtfa. Z 2!J RB °T^"^; B fT^^T^: 5 RB ^TP*Wr°. Z 30 H
o^iT5Tt^fffHwr i?t, krb ^rf???Pf [rb ^fiHV] £wr j%j. z 31 h °f^^°. z 32 r
^If^W; Brfff^T:; RB om ^TJ. Z 33 R WTW; B jrf7n?T; ^Tf?TWf7T'f; RB TpRIT-
^I*Tf7lirT; rT^^^T ^T°. Z 34 KRB 7TP«ff; RB f^TT^T^tfl. Z 35 H »TJäP^fr T^H°;
B Tj: st. Tpn; K ^ff^T corrigirt in °^IW; R ^fff^T3TT, B ^fff%afwr. Z 36 H T^TT0:
RB TTfT^T0; B *RRT^7f, HR ^«rRT°; HRB »^ift^fa.
Seite 362 (46), ZI RB *TCT; H »f^fiN, RB °^N; B rfff TWT^f^T^^ST0 ; RB
•TOffcmrrt- z 4 rb Tmr^tTT; ^rsraro0; h °*rf?iw, rb *r^Tcrfirf?ra. z 5 krb °^-
7TTH:; K rT^TTT^TTTT^. Z 6 H om T<T- Z 8 B f^räTOTUfiT. Z 9 KR ^jft^ft0, B ^nfrfa0.
z io b °*rr§ra; krb irf?wf^T*rer*p?^^n ^ftarr0. zu k °TT^ftci\ rb °^r€ta;;
h °*njfr<r, hkrb arffä. z 12 rb °3Tf^.. z 13 b *mr*rerr; *r*fta st. mf^c, rb ^it-
Wre. Z 15 RB °*T?W, B ^ff^(ft. Z 16 HK om WW, RB ^gTOTm^; B WR^cJ\
Z 18 RB ^ftrmWPff, HK 0^iT*fifa^TOT0; R ^t:f^^J. B ^TTf0. Z 19 HKRB TO-
■siffT. z 21 b jwrefa; %T^;; ^rnrjfr- z 22 rb TsreT^; b ^wtfx?°; rb ^; ^t. z 23
KRB »t^rnf^rT:. Z 24 H OTTjTTnT0. Z 25 B °T{T*m. Z 26 K WTTT^T; B om t;
HKR ^T^T°, B *rf*JV- Z 27 B ^TORT0. Z 28 B TmT ^Rrft; HKRB *frffi. Z 29 RB
°fwf%rr°; b o3i*rreraTin?^. z 30 rb rTrn^^PST0; h ofäire^wr:°; °*ht^tot°.
Z 31 RB JWntfft Z 33 KB TüfTO^; RB ^TRHI^. Z 35 K om tf ; RB *R ^T°;
b wirffr; hk j^wrr.
Seite 363 (47), Z 1 B *Tf^f°; WfV*TrftaT^TtW ^fKpFfrft; RB om ^fa. Z 2 HK
RB TTWTTWf^T^T; om f*Pf^fwrf*T. Z 3 RB Wt°; HKR ^ITfT; KRB °^TJT^°. Z6
k *jw*r°; h trf^f?r. krb xrfwsrffT. z 7 b ^ft; k *frfa *rf^, rb WRfa; n *rr-
^TrT. Z 8 K om cT^, RB frrf<T; K THI0; RB 0*TT*T. Z 9 KRB ^TKdOI. Z 10 K W-
^T^^«mfH°, RB sJTTT^TTT^Tf^vn^. Z 1 1 RB »^iNiT^'jrfwr. Z 14 R ^HT^W; B TTTT^W;
RB 0cftf%re. Z 15 B TT(5°; KRB °3m*T; H WT, K *?t- Z 16 K °^iTT; KRB °VfÜ. Z 17
HK °^I^, RB 0%3Hn^\ Z 18 B ftp^J0- Z 19 B TWT^Wt; R «TOT^T bis IWTCrft hinter
jfHM (Z 21); RB °*nwrft- Z 20 B f^T 3T^; KRB om «T. Z 21 B WP*<ft; om cT^T:
K ^mTft- Z 22 B W^T^T^T. Z 23 KRB ^VT. Z 24 RB ST^tfr; HKRB rt ^. Z 25
krb °*fr f^frc; b °*rnrr*re. z 26 krb irftwi; rb «r^firaiihrRtf^w0; k föf^<T*n°.
Z 27 K add ^Tf^* hinter TTTTfa. Z 29 HKRB *T*TqTf?m; RB IT^TWT0. Z 30 H ^Tt^-
farj; R <T^T«TfrTST, B fT^T^fTf^T. Z 32 B *TT^IT, K °XTT^n; RB ^TTWT0; »TTflJPTT0;
HRB °^taT*T. Z 34 HKRB ^^fa [K corrigirt!].
Seite 364 (48), Z 2 RB *T^W, JTW- Z 3 K om ^7; B %rTRT ^R^apr:;
KRB *TW8Tf. Z 4 KRB °TTfa*rrf% OTTOTO7T, H üfi|4<l WT0. Z 5 B Tnfr^ff^; HRB
f^TT%^tfi:. Z 6 H ftqfJ^TWfTT; B ^^TPffK Z 7 K rT^iT: rl^W^iT: ^TT°; KRB f%T^T°.
Z 8 H ^T^Tf^^:; B IWRfft ZU K om ifä; HRB TTWT^TT0. Z 12 Hom^, RB ^t:
403
k tfr%, rb ffTuft; h intfwr:; keb rr^T^ft tttt:. z 13 k ttot, rb ttr; b
WpTTfT; RB Wj; B °TO!TT. Z 14 H •TOT; KRB om ^ffTT; RB *TOT TTTOrifWffT;
b t^tttttt:. z 15 b tt; tttt°; rb °*two; h ^trt, k <a*Hd<a. z ig rb
^^•. Z 17 RB TT; TTTT; B T<TTfTT°. Z 18 HRB TTT: TTT°; K TTTT f. Z 20
KRB Tf\T; om T£T. Z 21 RB TTTTTT; TTTT0. Z 22 B TTTTTt; RB T«^T; B^fTfTT^-
TT^. Z 23 H TTTT^Tff ; B TTTTTT; *TraTTT. Z 24 K om TTSTTT; HKRB »i^;
B TTTTTT; RB »TTTTTT- Z 25 B ^f TOTTcft; K TTOT<\ Z 2G KRB ^T; K wieder-
holt ¥T<T hinter TtTTT- Z 27 KRB WUT; H °fTJTT. Z 28 B TWTOT; K T^TIT. Z 29
H •fWT^T»; WTtW, KRB ^TftfaWTrf^0 ; RB »fSTfwt TTfT°; H TT^T; RB TTTTT.
Z 30 B »Ttt^T,0; 0TTT^fT°; ^TT. Z 31 RB Ti^TfT^wr0; TTTTTTTSfiTTTT0 ; B fTTTT:.
Z 32 RB THTTT0, HK ^^T°; RB TT TTTTTTTTiTT, K TT TT3TTTT0; HKRB TTTTTT. Z 33
KRB °TiT; B TT^TTTT. Z 34 B T*!^; RB TTTtTcTT^0- Z 35 B TTfiTT^STTT; RB
fr; h om tttt; mhi^it0: b srnroT^Tf. z 37 b th.
Seite 365 (49), Z 1 HK °TTTT; H °ITfs5TT0, RB "Tp^T0. Z 2 R TTWTT0, B T^TOT0;
RB FTTWT ; K TTWT:, RB TTcTT:. Z 3 KRB TTOJ TtTT:. Z 6 B TTRrTT. Z 8 R °*j^f?;0
Z 9 K TTtf ; HKRB om TTTT; B TTTTT- Z 11 HKRB TTTT; HRB TT T^TT, K TT
TTTTT. Z 12 B T(TTTW; RB T<ftTTT. Z 14 B TT%T. Z 15 RB »TW TTTT^TT. Z 16
B TTTTTT. Z 17 B ^«iqST. Z 18 R om TT bis Ende der Erzählung: B TTTTTT TW:
KB ^TTTTT^T^TTTTTT0; TTifTTTt st. TTT7\ Z 19 B TTWTTJ?!0; H °TTT, KB °TTT;
KRB 3fZT%TTT<3T. Z 20 KB °TTTT°; H TTTT TT TTTiT°. Z 21 B TTTTTT; H T^ftT-
tttttt; kb oTTrrfTo; b °fTTWT°. z 22 hkb *tttttc*t; b 0fXft; k ttt^°; h om
TTT. Z 28 KB TTTTT° ; °T«^l*l«^ TTTTT0. Z 24 KB om f?T. Z 25 B TTf^TTT:; H
Tt>TT0; B °SRTTTfT; H om T?TJ om TT- Z 2G HKB ^TT^TTTTTT ; H TTTTT T;
B TTT: HK °TöTt°. Z 27 KB TT AT ^TtStTTT; B TTf^ft Z 28 H om «TT; HKB
T<*<<^. Z 29 HK TT TT, B TT TT; KB °TTT. Z 30 HKB T^Tjf:. Z 31 B TOJTTOtö
TTT; HB »frf^TTciTT ^tT, K °WT: ^TT. Z 32 H <Trft T^°; KB T^Ti0; H T TTTJTTT;
K om T; H om TTT; B TTT. Z 33 H TFTTT ^?°. Z 34 B ^TTTT;0; fTTörä0; H °xrf-
TTTTT TTtTTT0, KB "TITTT TTfin^rfllTT TTcJT°. Z 35 B TTTTT, H TITTT; B TTTT.
Seite 366 (50), Z 1 H om TT: bis TTTTTT; KB om Tfif bis TTrTT. Z 4 RB t*T-
Tfrr:; b TTi; rb °ttttt. Zok? T^rrf^, br fT^RTT^T; r »tttTNit0, b °?T^Txrf-
TTT ; RB T^T TTTlt Z G RB om TT:; "TTTTTT0; K T^TTTTTT0 TT«ftT, auch (mit R)
TTTTTOffa;; B TTtTTT^TT^ Z 7 H T^WT; B TTTTTT TlfTTTTTTT; TfT^i^rT0; K ^TT%%
ITT^RTT0. RB ^TT^^ UI'sHHl0. Z 8 HRB ^fTT st. ^fiTTT: H TT^iTTT. Z 9 H TW ^ft:.
Z 10 B WTfTTT; RB T^TTT TT; B om TT- Z 1 1 RB om *IT!T; B T f^TTTTtT. Z 12
H TS^THT. Z 13 KRB om fTTT^t; If TT^T°. Z 14 H »TTTTt^ ^Tt:. Z 15 H ^^TTT.
Z 16 RB om T^<*<TtW; B TTIRT0; RB °3nUTTTrTT^rfi ^| fW^T0; auch K hat diese
Lesart neben der des Textes. Z 17 B ?^T. Z 18 RB %T K T^; °t"Tt; T>^^TTT, RB
404
f^rWTfö. Z 19 KRB °^^TÜ°; B 0farf% TrRRTCRhrenTT ; KRB »^TT'srfJTtrT ^T:°; RB oin
rTff WT^tcT. Z 20 B "'Wt "Ht HTf*T¥; R om ff^T^ bis ^Wt SW$\<i nächste Erzählung.
Z 21 B <T^T*T; KB WWt0; B l^TTRT. Z 22 H i: st. t^Hr, B W^n. Z 23 H om
W^TtTt WfaWT0. Z 24 KB om *lfT. Z 26 HK VW, WRTrft *Ni ^^fft ^Wt TSWTfa^
^fa°. Z 27 KRB ^rRf. Z 28 H ^RT3W, B ^fr#: ^W. Z 29 KR ^W, B ^TTfa.
z 30 b irf?rgcjf^°; H Ihm. z 31 h ^rtfhRf:; b fwf^rn:; om tfeu bis ^wrft; H
omT*t:. Z 33 K om TT; RB °1fR°; H °WW. Z 34 B RrfWRf^T; KRB fWR°. Z 35
H om *m; RB iftft f^^V.
Seite 367 (51), Z 1 RB ^W^T- Z 2 KRB 3>g*TT7>; RB TTRTBT^rT. Z 3 HKRB
FRrRf°. Z 4 H f^rRnmTTCfl^f ^l". K f^cIHrT^qf^i^T, RB ^fcffrorTf^ ^TT. Z 5 RB
[rWcft] W^; ^faTT^T^. ZGB "fftlT^; H *ft«RT°, RB ^jf^f^T, K °^R<T^fK
z 7 b 4H^:; h TTT^fi^T^Tci: ; RB fwirrf^tfr. z 8 k f%*n*Rft, b »Trefft; RB ^fpsTT-
rTfWT. Z 9 H °*T^m, K °*l*f?j, RB °V$ti. Z 1 1 K trftflre cft°, RB tTf^RRT^Tcft0 j K
^^WtcT^T, RB ^fTCnRJT ; B XfTWt^t^T0. Z 12 B 0f^7T c^WRffrf; KRB ^Tf^ftfrt.
H *rtf**; KRB °ft&fRTT. Z 13 K ^5ä*ftfrT <R^fcT, R »wftfff, B *T*n^fcl; H ^frf
st. ^Slrftfrf; HK om ^frT; B ^TTJTt. Z 14 KRB *rf^t^ftf^f?T; RB ^f^fT^ft; K W^R
TT^Tf^T; RB ^f°- Z 15 HK Sfifzf^rf ^T°, RB TpTWfire^. Z 16 B TOTRCfft; JRTRffrT;
RB ftf^TT0. Z 17 B Wf^JRJ^T. Z 18 H om VKW; ^r^T »RTcft "ST^RRf:0. Z 19 K 7?
c[ ^ fTOTO^TRTTf, RB H^rTt ^fh^TT^^0. Z 20 R fö^Nr, B f^^^T- Z 21 B ihffH^H.
Z 22 B ^:^T?V. Z 23 B TT^T^RTT. Z 24 R ^rtf^Tc^T. Z 25 RB RRRrö^TT0; B °fT-
*RJ¥f%7n^JT. Z 26 B m^RT; RB WP2T; B *RRT*TWraRft, II c3RH; RB ^ ^.
Z 27 KRB fTWT. Z 28 RB ^TfT^frSWT^rFt ^; HRB 7T7RIWRT0; B IWRffft. Z 29 KRB
oJTTT^ci;. Z 30 RB ^ftwWRT *PT. Z 31 K °*mfa, H %^wf; RB «wff. Z 33 B ^R3i-
V^IT; K IT IT- Z 34 H °^rTT°; RRNt; B STfaviT.
Seite 368 (52), Z 1 HRB Wre*RTT; B 7t*^. Z 2 H ^cfTfhRf0; KRB °tT7ft°; R
OfT^UTrR0; B "tieft rRWP=5T°; alle MSS °^t- Z 3 RB °^RTf5nnf^R;*RT0, H °JTf^RT°.
Z 4 KRB »W^tY». Z 5 HK 0RRrRTT; KB •^mfaVTT ; alle MSS °t>WT; HKRB °*R^ft°.
z 6 rb o^t^utt: ; hk ^fr ^^ritt, rb ^ %wffr ; r ^^n^f%fwr5T, b sn-rrf^Rrnjan.
Z 7 KRB °^TfT^t IT^^Tfjft^TTirr; °tlftT!TrTT H^ffT *RRTTRT. Z 8 H om ^TTrlT; K
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Z 15 B «WsTTcT; WTWTTT. Z 16 KRB °*TWP^; °^Rrffft rTT^^rg. Z 17 RB fT^«T
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405
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Seite 369 (53), Z 1 RB *R>°; ^<5R*R<5rf. Z 2 B °f*Rfre<>; KEB o^^f^j.
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^r^t^tr. z 21 b T*n*JT0; R T^rarf^. b ^mf; rb tjt st. t- z 22 b ^rhrj rb
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RRR>R<Tt.
Seite 370 (54), Z 1 B °*R; KRB W[**\ B WR^T0; K °«rprrf?T, RB °*TsrflT. Z 3
krb mm mim0; rb *Rwrf^3J; kr R^frfwr, b R*frf*RiT. z 4 b utor^sjtr ;
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RB *RT*RfT°. Z 11 RB f^STRT0; H om R*T bis *R* SR (Z 13). Z 12 KRB TTTR^JR!;
K R^ftRfiR. Z 13 RB ^JTürRrT:. Z 16 H f^RT^0, B f*R*T°. Z 18 RB »ftTöT0; K
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iwr^m; b [tht:] twt^r. z 27 b -^i^Md^t^r; k »vpmt^r; rb ^Ttff. z 28 rb
*R^n°. Z 29 RB <ir<s(^, B ^Tf^nt^T. Z 30 RB ^T^^RT; HKRB ^WT0; B
«Wf^r; RB T^t° st- ~mT*9°; H om 5f. Z 81 HKRB fT^T *. Z 33 B *im«d0. Z 36
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406
h *Ri?rrf%, k wnw°, eb ^i^b^t"; h *r«nzrr ^^wr^, k *r«nzrr ^«tstt^. r
\* \» ' \» st
Seite 371 (55), Z 1 HK °ftr^TV°, B 0f*Pnvrf;0. Z 5 KRB WT*N*lf%: H tfä^T,
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K °*TTT^c{. Z 10 H «TtfTsff; RB »VTTFf:. Z 11 HRB T JH^T^cT,, K T durchgestrichen.
z 12 b ^trwT*HPT; h °^^t, k °^c|^cjo; om xnrrct;. z 13 k iftm0; hrb °wrt:
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rb °*nspr*re*pf; hk °^t; krb ^^^wre; hkrb Trerra. z 16 rb *tw. h °*rfrr:
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B "fl-Rrri; H °^Tf^?r. Z 20 RB 0*rraT^m ; °*PlfT*fTs. Z 22 RB ^ffwfw^^- Z 23 RB
3*n?sr; hrb ^rtnrnf. z 24 k f^crere:, rb f%fT*rcr; h om w^; rb T*rr^rcrret°.
Z 25 H om $fq fr. Z 26 KRB f^WrTfW OTTO* ^TOTOi; •OTTfT«*- Z 27 KRB OTl OT^°.
Z 28 RB «frOTJf^^. Z 29 HK «T^TO, RB l^fl^; R lt#T:, B IT#*- Z 30 B
*pT^PFT^Tf^f%RT: ; H om cT^«T bis ^RfVf^T. Z 32 RB ad.l r^TO rT# ^"PTOTOT*
hinter ^"PT°. Z 35 RB OT|OTT^TWW°. Z 3G B *R$.
Seite 372 (56), Z 1 H *TT**RTf*ir. Z 2 RB fiTOT^aiT. Z 3 R ^TVR, B ^IV%
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Z 6 RB ^TJWT"Hl imftfH ■RT^tfTT. Z 7 HRB TTO. Z 9 RB ^r^rfWf; HKRB om WT
K fSrjYfTO0, RB f^hfhzj0. Z 12 RB »OTTOOTmrTf^ff«*; KRB WRtf^T Z 13 B TnftW
KRB ■ffT^fr^TT'RT; H ^TTTf^rT:. Z 14 K f^OTJ; RB f^rTT ^^Tf?«R^t; «TTO^. Z lü RB
*tottt. z 17 hkrb °*rrc3m; rb $*rnfar°; uf^ro. z 18 k wt; b väft. z 22 k
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wfr; rb oOTrrf^cf; b ttt^^t0. z 25 k OT^rr*raf*rfiT. z 20 r tto^ ^t. z 28 b
°*r*rrenhTsnjn° ; rb fOT^GT0. z 29 hrb ci ttot; rb »^uottt0; otttcto. z 31 B
^C%^rf*rer°. z 32 k TTO*refir otjH, b *TT*nft twrvr^ *Tfff Tr?rrrlTTOo; 11 fwr-
VTO^:; K ^TOWWT0. Z 33 H om TT^T^. Z 34 KRB sTTT^ffT; rT^T; H *RT^; WT^t
Z 35 B Hft^röfaift. Z 36 HK OT «TöJTOTft; RB OTTO st. OTIffft Z 37 H WTW>;
B »rFfHf^T'T.
Seite 373 (57), Z 2 B ITRiTT:. Z 3 RB W. Z 4 B ^ftf T[^rf?T. Z 5 H ^TO
^f^vr^fTr. z 7 b ^h^fa; ^tstzttot0. z 8 hkrb ^roOTs. z 12 b fwrfa; rb
*rftTN*TOT:. z 14 r ^ffr; b TOfror. z 15 h otto°; rb oWTO*Tf^*Tf^Tf?TTTOnr.
auch HK »fTffWR. Z 16 HKRB »TOrTT; K OTTtaft rTTflft Z 17 KRB »iäfTOTTO. Z 18
hrb otv. z 19 b »tt^Nt. z 20 h nf^f%; hkrb om t. z 21 rb ü^tbtto [r
Wfa? 'WTO?]; OTJBnrö; H om OTS^i. Z 24 RB ^t- Z 25 RB 0OTTTf^<ST0. Z 26 HK
tl[rfta. Z 27 KRB TJTfWT^0 ; RB TTf?TTOW ^N<*. Z 28 H om W- Z 29 HKRB rffN;
k ot^tttj b sfifrfö ^r. z 30 b ir^:ftnft; rb om *rf^. z 33 b qf%; krb ^^^flrTfH:
407
TTsrfrr:; k xn^H^r^T^nfT^0, eb Trf^^nvT^m1^0. z 34 h om vwtft, krb om vwft
*Tt\. z 35 RB *raf^:. z 36 B irenrnöt:.
Seite 374 (58), Z 1 R ^T*T. Z 2 B *r§. Z 3 RB SRfgjH»; H rüffa, KRB rTsfrTT;
H rT^qRcr^TTWrä^^T, KRB <T^üTR<nwreo [ß cTf^T^^T0]. Z 4 R »^TT^ftT^0, B
°f^TT^frr:^0- Z 5 KRB 0^tfqrT3|frT0; RB «^TWförf. Z 6 B rT#^; TJTrTTT^TT'rr Z 7
rb om f^firTnrama'T, K ^f?nrr«irarro; r ^Tn^rmwrcr:, b wTrm^rrTr: st, ^T^RT^nr:.
Z 8 HRB °^T; K fWT *IT f^V^TC. Z 9 B fWTCfiTSfft0 ; o^fi"^^^. Z 12 HKRB
^rr^r^; rb <nr. z 13 rb vi; xrfttm^ tt^t:; k wr$. z u krb wr^rrnff,
H T&*nTT^0. Z 15 B «TTT^R. Z 16 RB »TT^T^'m^^IT, HK °*^lf; RB JTTWT. Z 17
KRB WITZ TITT^TT; KR TT^Tnfwt, B tf^ rnfWTO ; KRB om ^; K TTTf?f^^, rp,
Ufa0, Z 18 RB srfaftRfi;- Z 19 H f^T^rffT, R f^ffH, B t>Rf&T, K f^T^fffT. Z 20
KRB »5?^fT; B *^«T; K »^fTJT». Z 21 K TT^T0, RB T%^T°; HK T^fi st. T&, B TT«[T-
*ftö; r »irrarm:, b »ur^T^ri; hk wm w[, rb *tt *tt. z 22 B *rf^nfhrr*r; H <t^it-
^TWh^ufr^T^r, r fT^"rern«iHwto, b r^TswtefcTjft0. z 23 krb *rewhrc^; om *;f*T
WT. Z 24 B °*rrfwt Z 25 RB ^tWpfteri. Z 27 B ^^W- Z 30 B ^ft Z 31
R Tnn^^«ftFT°; B iPTPHTtlmT0. Z 32 B ^^TT°- Z 34 RB rTf^ET*: 3frt>^°. Z 36
RB ^T*T*T Z 37 RB °^WT.
Seite 375 (59), Z 1 RB TTfWTOrfaäf^T: **T ^ W^l] 11 °^f^: *W. Z 2 RB ^P?TT-
*lfHO«l<*- Z 3 RB TT f*TT*n*ftc1\ Z 4 B fTT^n WITT, et T^Trf. Z 5 B °3T<t<srr
Z 8 H TTTTCT, RB tf^^T. Z 9 HRB °xftf^«T ; KRB «xq^^c^. z 10 RB H^ W^TTTO:
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rb *nj^nwn°; H of?if%fmrT*Tf%. z 21 h °f^nirwTf*mo, k oxn^frwrt*T. z 22 b
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^T^TtlT. Z 25 K <TOT. Z 26 RB °WSf ; KRB om fT^: K rT^PrTtT*rt *T%; H om ^WTt.
Z 27 K 'JJITW: KR fM«1^«(^l<{^:. B fxr^^l^;. Z 28 KRB ^IWfTT; KR ^nWTHTT;
KRB cTTT: WT^Sn: [H WWWT] TWTff TrfiT HT^TTO^UtIw^ [K 0T?f7WTt>rT] f^TOTC; II
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Seite 376 (60), Z 1 RB ^T: imT9Rff [ß 0<TT] ^fit SsR^. Z 2 RB <T^T^fa*J»;
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Z 9 II ft st. rT^T; RB ^RTZ^°. Z 10 K *WP<T; H fT^n^T^HTf^t^rT^ro^ RB o^^,T.
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HK om rT^. Z 13 B H^^rf^T; H ^^t?T0, R JT^farfWnif, B 7T^^9nii. Z 15 HK om
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408
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h °^*rg; hkrb om f; h ^w^fta^0, k ^rm^fta^0; b tt^t. z 23 b ^n°; krb
o^fViffVrcT; rb o^TTf^^nf%^fr° ; k °jnnr*nrarR7&0, rb »innTsrraptijp. z 26 krb
TTf^nnffr w; irftwif*. z 27 rb °*[CK; h Tf^Jrcft*nft*rnär. z 28 rb TTf^fwrer:;
rT^T^T^T. Z 29 KB TTf^fWT ; H rT^T°; RB T^T^; H ^7T^; B HcH^it Z 30 B
ofxr*rcR f^R°; K fa^iN0; rb °^^. z 31 h wr; krb *jfterfa. z 33 k tt^-
fTT^T. Z 35 B ^TT^K- Z 36 B IWRcft. Z 37 KB om fö.
Seite 377 (61), Z 1 K 3RTT^; B 3HJT IWRrft .; RB »t^TOT*!. Z 2 B iffanff; RB
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Z 14 HB W^TcT9; B f^If^W. Z 15 H IT^T^0, RB Tp3T*fte^ Wfa [ß UH^l] f^Z-
fxrwfi0, k ^«^1^ *TTwraVfazf*R°; b rrfwrc;. z 16 b ^fff^T:0; frrrcr ^m^frr.
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Z 27 K om rT^T^ffrrfa. Z 2S KR °*rf?NT, B °^ftf; K •^Prf'pflf0; RB *tefa°. Z 29 RB
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Seite 378 (62), Z 2 B *^WTf%. Z 3 B <Tf% WR<ft Z 4 K Trftwtf^T. Z 6 K
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Z 8 K ^ftlJT fwf<<T, R fwffä; B fwftrf; RB TJTTOfa. Z 9 B JWRrft. Z 10
KRB °^TftWrT^T; B TTW^T^. Z 11 B ^THrft. Z 12 H °*TRiTTfa<j; RB ^T0; B
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Z 20 B ^TfW<T^f^<T Z 21 K ifWTfa TT^° *lfwr*fta0 ; B TT^ÜTrH:0; KRB **-
fWrTTPT, K corrigiert *rarWTR. Z 22 R o^T^^TPRT^. Z 23 RB °f#?|; KRB fwft"fa.
Z 27 B ^3Trj:. Z 28 HRB ^T°; KRB TW rf^T rT^Tf^VTf cf^T ITfaft. Z 29 H ^^WT-
*hra°, R*n^^TO^Tprrofhrr°, B^«r^rre«Tc^^"<^To; K^^rr». z 30 rb ^w tt ^n^<r ;
b f^rr*rp?T5R°. z 31 rb tt^t ^ ^t t xf*- z 32 b ^-rt^i0; k fa^fNr; hkrb
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TrTTTT^n%(3rrcT^;wr5rf%fT »Tf^^T^0. z 35 B wn^.
Seite 379 (63), Z 1 RB f%t^. Z 2 KRB IT*R^; om W- Z 3 RB ^MTZ'RT0; KRB
^^TUi^rT^T^; rb ^rrrre*?™. z 4 rb rT^T^; hr whjt, b tt^tiit; hkeb ^nnnjw;
409
B ^farTTTOT. Z 5 KRB 3R^ clTT; cRH st. rT^TT; RB ^'RTT. Z 6 H °^^T^m K °^^|i;
KRB «»^-R: fT^T *fW. Z 7 H (f^. Z 10 H °^f?7nnrr^fta;. Z 11 B 0^ftnfr Z 12
b »»rr^T^T0- zi3 h ^ Oniro: st. ^f *r?rre:; rb vi; b f^ifa: st. ^ren*:-: k om
^ bis *rcrw. z u b «wrhffä; r °*rf^rf^. z 17 b irrtet; twt. z 20 b
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°*TWRrTl%T; B JWRfft Z 28 RB THrrofa; HRB •*&T?rT<l- Z 29 R ^fTfT^; B °*rfa<ft
Z 30 B Vpft0; ^TP?; RB ^rfsrflRit. Z 32 K om *PW; H WS st. rTfi;. Z 33 H ^TcftfcT,
b f^nrcrrft; *rr«nrr:. z 34 rb ^t^t^t»; b °wf%*TT^n*rPET z 35 h °T"Nrwr^T-
Seite 380 (64), Z 1 RB f^*ft^. Z 2 B 5R^ft°. Z 4 RB «TOTn; fwft3[7*TrTT: .
z 5 h ^wttrt; rb *rare: st. *raT:; t^^s^t- z 6 krb om ^; b rrewrfatfa,
H »frTftr; KRB fWTf^T; TTTT^T rnf^T *T°; °W[^ [B 0U^7T]. Z 8 KRB 0^ft^; R
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410
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*I^r. z u h *R<rf ^Tft; krb fsR<f°; b R^R^rrfw. z 12 h t*r <rt rb
fl^'f; HKRB haben hinter f*mW. noch Folgendes: TR?R*T [H °*ft] R*T^4w^f*rT
[k °^rrl *rfwrfr [b *f^<fr] ^mwf%wrf^^^^f^^fwwr^Twf%^rqTTg»fr5T'T«rf%fi-
f^f^T^T^ [H WT] ZT*nf*R(f5R5TT55re JT^R5TRf*«R.T [H °*tfT>Rfr] Tf*°- Z 1 3 H VTRt
iif, K W^ft ^. Z 14 H ^RpfR *WR*!T0; K ^RRT rRcfT0; B rfp^nrRTri:; H *R<TT-
jnrqr'ct z 15 rb ^rrefarrePf; krb *rrar*8r°; 37^%- z 16 b ttr. z 17 b f^m;
rb rR st. cR3T; h °*tor3rti sr. z 19 krb hr^tt:; b tr; hrb °tft srj; 11
om «T. Z 22 K lTH#f°. Z 23 R ffrq^ft, B cRRt; HRB f*RRT; KRB om TTR. Z 24
rb srwnwrwf: htw*:; krb irr:; R ^Rff'ft. Z 26 B ^rrwft^- Z 28 krb *n>
ün^T. Z 29 B TTRRf. Z 30 RB rT^^T; H ^TTWT0; RB rRRT^K Z 31 K rT#R^,
RB «RET. Z 32 K om rfSRt0 bis W*tfH- Z 33 B Rpfl^TR. Z 34 RB *l^: B 1RT-
^rifw0. z 35 b *PR«rf?reR; gw^0. z 3G krb httüt^t; kr jrIrK b snRt°:
K R7R(^0, RB R7RR?T0. Z 37 RB ^rTff^TR.
Seite 384 (68), Z 1 B ^TRfTTrfWRf<0 5 KRB R^3rpft#t0; KRB JRR&rTTfTr
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RB °T?ttTr^T; K °cTT^T- Z 14 KRB WR^IT; H TT^RTt0; B ^rT°; H °^nfTTf^5fi W,
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411
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*rä°; rb *n*rnrero. z 20 h om w[° vfK°] b °«TrT°; krb °^^}°; 11 om ircpn;. z 21
KRB °*P3RT. Z 22 RB WT. Z 23 H WT^T0. Z 24 B *j^<T*ft° ; ^5Tlft0; ^f^^TTT0;
H •OTJWffTO. Z 25 B *J st. *T. Z 2G H om ^HT bis °^; RB "-Md^ä; B HZ; R ^finT*",
B TnftlT*. Z 27 H ^WT ^f^rTT: ^T^T H fW" *Tf%<t. Z 28 HK iftW; B TrWtfTT.
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B °*ffa 5fa: K f^T^T?:, Rß fW*nj^4:. Z 37 B *RTT?TP. Z 38 B om ^ft^-
Verzeichniss der Verse.
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320 1
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327 1
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324 1
;8)is
320
[4)lJ
324 (
[8)»
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,19)32
320 (
.4)33
321
,5)28
334 (
;i8)i9
329 1
;i3)ia
321 1
5)ia
330
; 14)20
368
(52)i2
348
[32)2,
^FFt^" TfrtlT^T't ^ 326
^tRI: ^vt: MTrn 332
TrffaTfa f<JW 326
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"fäi f*Tfö »TT^TW 341
sStfWRT ^t ^ 324
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«fftsTr tw<fr 323
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328
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413
Nachwort.
Die vorliegende erste Ausgabe des textus ornatior der Sukasaptati ist leider keine ab-
schliessende. Als ich im Winter 1887 die damals einzig zu Gebote stehende Handschrift B
für meine Doctorarbeit abschrieb und sehr bald bemerken musste, dass sie niemals die Grund-
lage einer soliden Ausgabe abgeben könnte, indem sie von Fehlern und Auslassungen wim-
melt, da ahnte ich nicht, dass fast zehn Jahre vergehen sollten, ehe ich in den Besitz
besseren Materiales kommen würde. Ich verdanke dasselbe der Liebenswürdigkeit von
E. Hultzsch, dessen Bemühungen es gegen das Ende von 1896 gelang, durch einheimische
Gelehrte Copien resp. Kompilationen erträglich guter Handschriften zu erhalten. Vorher
schon besorgte mir der unvergessliche Rein hold Rost ein Manuscript aus Tanjore, welches
ich mit R bezeichnet habe; dies konnte mir aber leider auch nichts Neues bieten. Ja, und
alle vier Handschriften zusammen, auf denen ich das Gebäude des Textes aufgebaut habe,
sind noch weit davon entfernt, die Bezeichnung „gut" zu verdienen: da sie alle auf ein
und dieselbe, mir unbekannte, Quelle zurückgehen, die nicht sonderlich lauter geflossen sein
kann, so zeigen sie vor allem sämmtlich dieselbe grosse Lücke, indem Erzählung 65 bis 68
(Anfang) ganz fehlt; dann aber giebt es noch ungezählte Stellen, die bei dem dermaligen
Stande der Materialfrage als hoffnungslos aufgegeben worden sind, da ich mich nicht ent-
schliessen konnte, mit fragwürdigen Conjecturen aufzuwarten.
Also ich kann dem Leser keinen abschliessenden Text bieten — nun, vielleicht giebt
gerade dieser Umstand den Anstoss zu um so eifrigerem, neuem Suchen nach tadellosen
Handschriften, die ja zweifellos vorhanden sind. Einstweilen mag der Text, so gut oder
so schlecht ich ihn zu liefern vermag, den Fachgenossen und besonders den Märchenkundigen
recht sein. Er enthält ja so viel Neues und Wichtiges, ist auch in allen Hauptsachen so
deutlich, dass man immerhin leicht darüber hinweg kommen wird, wenn hier und da ein
Stück undurchdringlichen Urwaldes in Gestalt eines endlosen, nicht zu entwirrenden Bahuvrihi-
Corapositums auftaucht oder der andhaküpa einer kleinen Lücke aufklafft. Wirklich bedauer-
lich ist ja nur das Fehlen der genannten drei Erzählungen; und so hoffe ich denn, dass die
Mühe, die mir vorliegende Arbeit in überreichem Masse verursacht hat, nicht ganz um-
sonst gewesen ist!
Abh. d. I. CL d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 54
414
Die vier Handschriften, die ich zur Herstellung meines Textes benutzt habe, sind, nach
ihrem Werthe geordnet, folgende:
H, eine sehr sorgfältig angefertigte und deutlich in Devanägari geschriebene Copie eines
Manuscriptes „which is in Narur near Kurur1) and which is written in Madhvas
letter. The book is contained 2500 grandhas. As I do not know the letter of
Madhvas, I paid 2 Rs to the reader per mensem and myself copied. Within three
months the copy has been finished. . . The original contains 100 Palmyra leaves
and it seems also written 100 years ago". (Aus einem Briefe des Abschreibers,
Pandit V. Sriniväsa Sästri2) in Namakal, an E. Hultzsch.) Diese Copie umfasst
238 Quartseiten mit ungefähr 13 Zeilen. Am Schlüsse heisst es: This copy has
been taken from the original, which is written in the Nägari of the Mädhva Brah-
mins, and which is in the possession of Räghavändhächärya of Narür in Coimbatore
district, by Pandit V. Sriniväsa Sastri, Namakal, Salem district, in December 1896.
Diese in meinem Besitze befindliche Handschrift hat mir bei der Aufhellung
vieler dunkler Stellen treffliche Dienste geleistet; und wenn sie nicht überall aus-
gereicht hat, so ist das gewiss nicht die Schuld des Abschreibers, der vielmehr er-
sichtlich keine Mühe gescheut hat, um eine sorgfältige Arbeit liefern zu können:
hat er doch eingestandenermassen die weiter unten beschriebene Handschrift in Tan-
jore benutzt, um gelegentlich eine Lücke auszufüllen. Auf alle Fälle aber ist er
für seine — übrigens ganz uneigennützige — Arbeit herzlichen Dankes werth, den
ich ihm hiermit öffentlich abstatte.
K, eine ebenso sorgfältig und mit fast noch grösserem Fleisse verfertigte, in Grrantha-
Charakteren geschriebene Compilation dreier Handschriften, darunter auch der in
Tanjore befindlichen (Burnell'schen?). Der Compilator, T. S. Kuppusvami Sastri,
Tanjore, schreibt darüber an Hultzsch: „The present one is the result of three
manuscripts, all of which are written in Nagiri. These manuscripts I got bit by
bit and I copied them then and there. Hence the stories in my transcript in one
or two places, are not in one continuation. But they could easily be seen by a
reference to the contents at the beginning of the book. As there is an Omission
of two3) of the stories, wich none of three manuscripts supply and wich I hoped
to introduce, but in vain, from a fourth copy which I thought I would get, there
was a long delay in sending it. This fourth copy, I hear, is in Dharasatnam near
Kumbhakonum and I could not get it with all my efforts for a long time. Still I
have not entirely given off my hopes of getting it by some possible means. I bave
strictly followed the Originals in my transcript." — Diese Handschrift, die sich eben-
falls in meinem Besitze befindet, enthält schon weniger gute Lesarten als H, wenn
ich sie auch mit Vortheil habe benutzen können, namentlich so lange ich H noch
1) Coimbatore district.
2) Hultzsch, Reports on Sanskrit Manuscripts in Southern India, No. II, p. 3.
3) Es sind deren drei.
415
nicht besass. Sie nähert sich eben schon sehr den beiden am wenigsten brauch-
baren Manuscripten R und B, deren Lesarten oft als Glosse mit „another readin» is*
oder „ another book reads" von Kuppusvami am Rande aufgeführt werden. Schade,
dass dieser Gelehrte nicht bessere Quellen hat benutzen können: dann wäre Gewiss
die halbe Arbeit schon gethan gewesen! Immerhin bin ich genanntem Herrn für
seine mühevolle Compilation zum grössten Danke verpflichtet.
R, ein ziemlich altes DevanSgari-Manuscript von 165 Blättern, die Seite zu 10 Zeilen,
welches mir R. Rost aus Tanjore verschafft hat.
B, eine oft etwas gedankenlos angefertigte Abschrift von R, dessen Fehler sie getreu-
lich wiedergiebt. Dazu kommen dann noch gewisse Absonderlichkeiten, die ich in
meiner Doctorarbeit (Vier Erzählungen aus der Cukasaptati, Kiel 1890) auf Seite 4
gekennzeichnet habe. Beiden Handschriften gemeinsam ist es, dass sie an allen
Stellen, wo man Hilfe gebrauchen könnte, versagen. Ich glaube unter diesen Um-
ständen recht gethan zu haben, wenn ich in meinen Text, den ich nach R und B
„fertig" gestellt hatte, sämmtliche gute Lesarten von H eingetragen habe. So bin
ich auch zu der üeberzeugung gekommen, dass das Fehlen des Augmentes, welches
in R und B so häufig sich findet, am Ende kein peccatum ab origine, sondern nur
Abschreibersünde ist: die beiden besseren Handschriften machen sich wenigstens dieses
Versehens gar nicht oder doch nur ganz selten schuldig. Auch die vielen fehler-
haften Formen, die in RB zahlreich erscheinen, sind in HK verbessert: ob von den
gelehrten Abschreibern nachträglich?
So möge denn der textus ornatior der Sukasaptati, sozusagen das Schmerzenskind
meiner Müsse, den rauhen Weg gehen auf der Suche nach verständnissvollen Herzen, die
zugleich liebevoll Mängel und Gebrechen schonend zu verdecken wissen : in der nahezu
druckfertigen deutschen Uebersetzung, die ich . bald veröffentlichen zu können hoffe, soll
versucht werden, noch manchen Schaden zu heilen, den ich jetzt, trotz erneuter Anstreng-
ungen, habe aufgeben müssen. Herrn Dr. E. Hultzsch aber, der mir durch seine liebens-
würdigen Bemühungen neues Material verschafft, und der K. Bayerischen Akademie
der Wissenschaften in München, die mein Buch zu veröffentlichen sich bereit ge-
funden hat, sei auch an dieser Stelle mein ergebenster Dank ausgesprochen.
Eisleben, November 1898.
R. Schmidt.
416
Verbesserungen.
Seite 325 (9)24 lies ^ft^T st. Wf<0-
„ 338 (22)35 B °^^: st. »^t^T".-
„ 381 (6o)19 „ °WT st. °^T.
Ausserdem ist ^f undf nicht immer deutlich zu erkennuen.
Die
Lebensbeschreibung von Padma Sambhava
dem Begründer des Lamaismus 747 n. Ohr.
I. Teil:
Die Vorgeschichte,
enthaltend die Herkunft und Familie des Buddha Qäkyamuni.
Aus dem Tibetischen übersetzt
von
Emil Schlagintweit.
Mit einer Textbeilage.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. IL Abth. 55
Von Gauhati am Brahmaputra in Assam hatte mein Bruder Hermann zwischen dem
5. und 23- Januar 1856 einen Vorstoss nordwärts in den von Bhutan wie Lhassa unab-
hängigen Lama-Staat Tawang ausgeführt; er durfte über den grossen Marktplatz Udalguri
bis Narigun vordringen und von den dortigen Lamas in den kleinen, unansehnlichen Kloster-
Gebäulichkeiten erwarb er die Handschrift, die der vorliegenden Abhandlung zugrunde liegt.1)
Dieselbe führt den Titel:
„Ausführlich begründete Erzählung der Wiedergeburten des Lehrers aus Udyäna,
Padma Sambhava." Tibetisch: Urgyan Guru Padma 0byung gnas kyis skyes rabs
rnam thar zhes bya ba.
Die Uebergabe erfolgte in sauber gestrichenen Brettern; auch war das Exemplar von
den Klosterberren mit Sorgfalt behandelt worden, wie Blatt 171 beweist, das mit grobem
Faden zusammengenäht wurde, als es durch den Gebrauch in drei Teile auseinandergefallen
war. Die Handschrift bricht jedoch im 51. Kapitel ab; der Schluss fehlt. Gross sind die
Beschädigungen der inneren Blätter. Die Sammlungen aus Ober-Assam waren nach Calcutta
während der Regenzeit zu Schiff hinabgeführt und nass geworden; das Wasser hatte die
Reisstärke des Papieres aufgeweicht, so dass die Blätter zusammenklebten. Geöffnet konnten
die Kisten erst in Europa werden. Trotz Anwendung der äussersten Vorsicht beim Trocknen
und Wenden gingen viele Blätter in Stücke und konnten nur theilweise copirt werden.*)
Die Handschrift bestand aus 182 Blättern 48 cm lang, 9 cm hoch mit 5 Zeilen auf jeder
Seite; die Schrift ist gross und sorgfältig.
Durch Stichproben, die Herr Professor Ivanovsky in Petersburg gütigst am Holzdruck
No. 434 a der Bibliothek des Asiatischen Museums der kaiserlich russischen Akademie dort-
selbst vorgenommen hatte, wurde festgestellt, dass dieser Holzdruck mit der Handschrift,
die meinem Bruder übergeben wurde, im Allgemeinen sich deckt, jedoch auch wichtige
Aenderungen zeigt. Seine Excellenz der wirkliche Staatsrat Herr Karl Saleman übernahm
es gütigst, die Verabfolgung dieses Holzdruckes herbeizuführen und durch die bereitwillige
Vermittlung der königlich bayerischen Gesandtschaft zu St. Petersburg erhielt ich
*) Reisen in Indien und Hochasien, Bd. 2 S. 122. Ueber Udalguri, wo der Dolmetscher mitge-
nommen wurde, siehe A Statistical Account of Assam, 1879 Vol. 1, p. 143. Diesen wie alle sonstigen
im Folgenden angezogenen Gazetteers, indische Drucke und Karten verdanke ich dem Government of
India und den verschiedenen Provinzialverwaltungen. Für die fortlaufende Versorgung mit diesen wich-
tigen Nachschlagewerken spreche ich hier wiederholt meinen ergebensten Dank aus.
2) Das Original bildet No. 102 der an die Bcdleiana in Oxford übergegangenen Sammlung tibe-
tischer "Werke.
55*
420
den Holzdruck zur Benützung hieher gesandt. Für das allseits gefundene Entgegenkommen
wiederhole ich hier meinen verbindlichsten Dank.
Das Petersburger Exemplar ist ein Pekinger Holzdruck mit sehr grosser Schrift von
463 Blättern, 59 zu 16,5 cm mit 6 Zeilen auf der Seite.
Der Text ist in beiden Ausgaben in neunsilbigen Versen geschrieben; sieben Vers-
zeilen bilden eine Strophe. Sprachlich kennzeichnet die Handschrift ein Hinneigen zu Aus-
drücken und Formen der Volkssprache; der Holzdruck gebraucht dafür durchgängig die
Formen der Büchersprache. In der Handschrift ist der Gebrauch der Genetiv-Endung, wo
der Instrumental gemeint ist und im Holzdruck auch verwendet wird, fast die Regel; es
entspricht diess der Volksaussprache. Jäschke3) bemerkt hiezu: „Der Instrumental ist in
der Aussprache vom Genetiv kaum zu unterscheiden und es gibt wenige oder wohl kaum
einen Lama, der nicht zu dem Fehler neigt, beim Abschreiben beide Casus zu verwechseln."
Sodann nähert sich in der Handschrift die Schreibweise der Volkssprache im Gebrauch der
Präfixe der überschriebenen und der Schlussbuchstaben. Schluss-s fehlt häufig, ander-
seits ist es wieder zugesetzt, wo es sonst fehlt und endlich wird es überschrieben durch r
ersetzt. Der Gebrauch der Präfixe ist sehr stark abweichend von der Schriftsprache; man
findet sie vorgeschlagen, wo sie sonst fehlen, oder weggelassen wo sonst gebraucht. Ein-
zelne Besonderheiten sind an der treffenden Stelle vermerkt. — Das Schlusszeichen am
Verse besteht in beiden Exemplaren nicht aus einem senkrechten Strich, sondern aus 2
Nullen mit einem Strich dazwischen, eine Eigenheit der Padma Sambhava Werke und der
Anrufungs-Formeln dieses Heiligen.*)
Inaltlich zeigt der Holzdruck dieselbe Neigung zur Gleichmässigkeit wie in der Sprache:
in Orts- wie Personennamen ist weniger Zuverlässigkeit, kennzeichnende Zusätze sind ge-
ändert. Sodann bringt der Holzdruck mythologische Kapitel, die in der Handschrift fehlen.
Eine andere Ausgabe unseres Werkes unter demselben Titel befindet sich im Besitze
des Herrn Prof. Dr. Albert Grünwedel, Directorial-Assistent am k. Museum für Völker-
kunde in Berlin; sie ist vom genannten Herrn als eine schöne Copie von einem aus Calcutta
stammenden Holzdrucke hergestellt. Prof. Grünwedel hat daraus 7 Kapitel veröffentlicht,
darunter 6 in Text und Uebersetzung5): Für die vorliegende Arbeit konnte ich auch den
Text des 9. Kapitels mit der in liebenswürdigster Weise übersandten Copie vergleichen.
Hienach stellt sich der Calcutta-Holzdruck als eine Umarbeitung des grossen Hauptwerkes dar;
dar; der Text ist in Prosa in fliessender Sprache geschrieben und hat den Zweck der Unter-
3) H. A. Jäschke, Tibetan Grammar § 15.
4) Csoma Grammar, Tafeln. — Die tibetischen Schriftsteller nehmen es mit diesem Zeichen peinlich
genau. So findet es sich in dem von Dr. Berthold Laufer in den Memoires de la Societe Fimio-Ougrienne
Vol. XI kürzlich herausgegebenem Auszuge aus den Hunderttausend Nägas nur einmal, weil darin nur
einmal die Formel hüm vorkommt, die symbolische Anrufungsformel von Padma Sambhava. (L. A. Waddell,
The Site of Buddhas Death, JASB. 1892 I 42 fine.) Dieser Heilige gilt als Meister in der Zauberkunst
und durch seine Anrufung soll Hilfe zur wirksamen Beschwörung gesichert werden. — Bei der Wieder-
gabe des Textes habe ich das Padma-Komma durch einen einfachen Strich ersetzt.
5) 1. Siehe: Bastian Festschrift (Berlin 1896) S. 459. 2. Veröffentlichungen aus dem k. Museum
für Völkerkunde Bd. V (Berlin 1897) S. 105. 3. T'oung Pao, (1896) S. 526. Die mitgeteilten Kapitel
sind No. 12. 13. 18. 19, 41. 43. 44 seiner Ausgabe und es entsprechen ihre Titel den Kapiteln 13. 16. 22. 23
der grossen Ausgabe bezw. 42. 44. 45 der Handschrift, 45. 47. 48 des Holzdruckes, der in No. 39 — 41 drei Mandä-
rava Kapitel mehr hat, neuerdings besprochen von Prof. Grünwedel in ZDMG. Bd. 52 (1898) S. 447.
421
Weisung in der Buddha-Lehre in der Form, welche ihm die tibetischen Lamas gaben.6)
Vieles ist ausgelassen, dogmatische Ausführungen dagegen sind hinzugesetzt. Eigennamen
sind geändert, ebenso Ortsnamen. Der geschichtliche Inhalt des Hauptwerkes kommt in
der Prosa-Umarbeitung nicht zur Geltung, für die Lehrzwecke hielt man ihn ersichtlich
entbehrlich; die Angaben sind gekürzt, so dass der Sinn kaum erkennbar ist.7) — In der
vorliegenden Arbeit sind die Abweichungen im 9. Kapitel hervorgehoben, soweit sie sich
belangreich zeigten; eine Beihilfe zur Erklärung des Hauptwerkes ist in der späteren Prosa-
Ueberarbeitung nicht gegeben.
Nach Waddell8) besitzt in Sikkim jedes Kloster eine und selbst mehrere Biographien
von Padma Sambhava. Jäschke traf sie auch bei den Lamas im westlichen Tibet und
bringt viele Beweisstellen aus einem solchen Thang yig; sie sind nach einem Briefe des
verdienten Herausgebers des Dictionnaire Tibetain-Latin-Francais, des apostolischen Missio-
närs Herrn A. Desgodins, auch in den chinesischen Bibliotheken anzutreffen, aber er
setzt in diese Ausgaben geringes Vertrauen und schreibt mir, dass man „zu ihrem Studium
Exemplare aus Lhasa oder Tasilhunpo zu Rat ziehen müsse".9)
Ueber die Büchergattung, welcher diese Heiligen-Legenden angehören, ist Folgendes
zu bemerken: Nam thar, genauer rNam-par thar-pa = vimoksa, ist im Tibetischen in
der Bedeutung von Lebensbeschreibung gebraucht; das Wort skyes-rabs im Titel ist gleich
jätaka und wird im Sinne von Reihenfolge der Geburten verwendet. Neben Nam thar giebt
es noch andere Arten von Legenden -Sammlungen, als Thang yig, klares Schriftstück;
bKa thang, klare Rede; 0Khrungs rabs = jäti, Reihenfolge der Daseinsformen, gSung
thor bu, einzelne Aussprüche. Derartige Lebensbeschreibungen incarnirter geistlicher Würden-
träger haben im ganzen Gebiete des Lamaismus einen grossen Leserkreis und mehren sich
fortgesetzt; jeder solcher Lama hält sich einen Tagebuchschreiber und nach seinem Tode
wird daraus seine Biographie hergestellt, in Holz geschnitten und ausgeboten, wesshalb man
Biographien der verstorbenen Lamas der grossen Klöster in Holzdruck auf jedem Markte
erstehen kann.10) Ich besitze Ausgaben aller Arten dieser Legendenbücher, Avadänas,
darunter einen Sung thor11) im stattlichen Umfange von 375 Blättern. Der Inhalt ent-
6) Von der Ausgabe in der Leptscha-Sprache, die nach dem tibetischen Original gearbeitet ist,
bringt Grünwedel die Bemerkung von Mainwairing hei, „sie enthalte den alten Leptscha-Glauben an
einen einzigen unsichtbaren Gott in der von den Lamas umgearbeiteten Form".
7) So ist in dem von Grünwedel im T'oung Pao mitgeteilten 41. Kapitel der Sinn der wichtigen
Jahreszahl ,200 und darüber waren vergangen41 nicht zu finden gewesen — so dass die Uebersetzung
dafür 28 setzt — , weil die Zwischenglieder unterdrückt wurden.
8) Lamaism in Sikkim hy Dr. L. A. Waddell M. B. p. 241— 392 in H. H. Risley: The Gazetteer
of Sikkim. Edited by the Bengal Secretariat (Calcutta 1894) S. 293. Der Verfasser — Arzt und Dozent
am Medical College in Calcutta — lebte in Darjiling Jahre lang im Verkehr mit Lamas der verschie-
denen Schulen, unterwarf ihre Angaben der notwendigen sorgfaltigen Prüfung und eignete sich eine
genaue Kenntniss der tibetischen Sprache und Litteratur an. Seine umfangreichen Arbeiten wurden zu-
erst in diesem Gazetteer niedergelegt und erschienen später wesentlich erweitert als besonderes Werk
unter dem Titel: »The Buddhism of Tibet or Lamaism1' (London 1895).
9) Schreiben aus Hongkong vom 26. April 1898.
10) S. C. Das, Buddhist Text Society, Vol. 1, wiederabgedruckt in „The Academy" No. 1114 (1893).
n) Erworben durch meinen Bruder Robert im Sommerdorfe Milam an der Grenze von Kumaon
gegen Gnari-khorsum. Gedruckt in Tasilhunpo, Die Blätter haben 80 cm Länge bei 10 cm Höhe.
422
spricht nicht dem Umfang; die Biographien der Würdenträger, die in den letzten Jahr-
hunderten wirkten, mehren unsere Kenntniss von den Anschauungen der einzelnen Schulen,
die geschichtliche Ausbeute ist aber sehr gering.
Anders verhält es sich mit der Biographie unseres Heiligen. Padma Sambhava kam
nach Tibet 747 n. Chr.1*) auf Einladung von König Khri srong Ide btsan und wurde der
Begründer des heutigen Lamaismus; er wird in Tibet verehrt als „zweiter Lehrer", als
„Löwe des Qäkya-Lebrers, der von Cäkyamuni nach Tibet abgeordnet worden sei, weil
dieser selbst nicht habe dorthin kommen können. Er gilt wie Buddha als selbsterstanden;
in die Welt tritt er in Erscheinung sitzend auf dem Blüthenstengel der Wasserrose, als diese
sich öffnet. Wie die Lebensbeschreibungen Cäkyamunis in der Vorgeschichte sein Geschlecht
hinaufrücken bis zur Erschaffung der Welt, so setzt die Biographie unseres Heiligen der
Erzählung seiner Verwandlungen auf Erden Geschichten vor, die ihn als einen Insassen der
Götterwelt und als einen Abkömmling von dort her beglaubigen sollen. In seinen Ver-
wandlungen (sprul pai skye ba) verrichtet der Heilige auf Erden seine Thaten, in denen er
als grosser Bhiksu Fürsten und Völkern Ratgeber wird und sie zu den „zwei Lehren" seiner
Schule, den Mantras und Tantras bekehrt. Es werden die Fürsten und ihre Gattinnen ge-
nannt, mit denen er in diesen Verwandlungen verkehrt, die Begebenheiten aufgezählt, deren
Zeuge er wurde. Das Werk gestaltet sich hiedurch zu einer Geschichte des Buddhismus
am Ausgange seines Bekenntnisses im nördlichen Indien, wie wir sie bis jetzt nur in
Täranätha besitzen; die Angaben decken sich teilweise damit, sind aber vielfach ganz neu.
In einigen Kapiteln sind die Ereignisse ordentlich aneinander gereiht, es finden sich dort
auch wertvolle Zeitangaben, die sich bei Prüfung als richtig ergeben; aber sonst ist die
Darstellung sprungweise und wird unterbrochen durch lange Abschnitte mit mystisch-
dogmatischen Auseinandersetzungen; diese bedürfen eine um so genauere Sichtung, als darin
auch Hauptfiguren der vorbuddhistischen Bonlehre genannt werden, deren Anhängern der Ein-
tritt in die neue Religion durch die „zwei Lehren" unseres Heiligen erleichtert werden sollte.
Im Folgenden ist aus dem umfangreichen Werke die Vorgeschichte mitgeteilt, die
neun Kapitel umfasst und mit der Geburt des Gründers der Buddha-Lehre abschliesst. Der
hervorragendste Kenner der Biographien des Buddha Cäkyamuni, Woodville Rockhill,
der hiezu selbst höchst wertvolle Beiträge aus dem Tibetischen giebt, spricht sich dahin
aus13), dass die Lebensbeschreibungen des Buddha für die Zeit herab bis zum Besuch in
Kapilavastu in allen Sprachen übereinstimmen. Eine merkwürdige Abweichung hievon
bringt diese Heiligenlegende. Die Herabsteigung von Cvetaketu aus dem Tusita-Himmel
auf Erden erfolgt als „Sohn des Königs Cüda aus glücklichem Geschlecht".
Cäkyamuni trägt den Namen C, vetaketu als Bodhisattva im Himmel Tusita und demgetnäss
handelt es sich in unserem Texte in dieser Herabsteigung auf Erden um den Gründer der
Lehre, den Buddha Cäkyamuni.
Für die Uebersetzung der Kapitel 8 und 9, die sich auf die Lebensgeschichte des
Buddha beziehen, konnten Handschrift und Holzdruck benützt werden; für die ersten sieben
Kapitel bin ich auf den Holzdruck angewiesen, die Handschrift ist hier unleserlich und
12) Nach tibetischer Zeitrechnung; die chinesichen Annalen ergeben 762- — Zum Folgenden ver-
gleiche Waddel Lamaism p. 380; Gazetteer p. 263 und Kap. 11 unseres Textes.
13) Woodville Rockhill, the Life of the Buddha (London 1889) Einleitung S. VII.
423
und lückenhaft geworden. Ich gebe zunächst eine Uebersicht über den Inhalt dieser
Kapitel, in denen die buddhistische Kosmogonie und Mythologie solche Aenderungen er-
fahren, wie sie den Anforderungen an die Legende des Hauptheiligen der nördlichen
Buddhisten entsprechend erschienen.
Das erste Kapitel handelt von der Lehre im Glückseligkeitslande des Westens; das
zweite vom Buddha Amitabha, 0Od dpag med, dem Regenten über dieses Pai*adies und seinen
Verwandlungen. Der Hauptsitz des Kultus dieses Gottes ist China, er ist aber auch in
Tibet als Stellvertreter Cäkyamunis hoch verehrt.14) Das dritte Kapitel nennt sich „die
unzähligen Wohlthaten an die Menschen im Reiche der Welt", bringt aber auf acht Blät-
tern nichts als Namen von Buddhas, mit denen im Verein unser Heiliger die zwei Lehren der
Sütras und Mantras in den verschiedenen Welten lehrt. Die Namen sind sämmtlich mytho-
logisch, der Inhalt eine stete Wiederholung der Welt des Buddha und unseres Guru, in
denen diese die zwei Lehren als Leuchte lehren. Das vierte Kapitel führt den Titel „Die
Darbringung der Verehrung an die Geburtsreihen der fünf Geschlechter und die völlig
erleuchtenden Söhne aus dem im Lama Vajradhära (rDorje 0chang) aufgerichteten
Körper." Das Kapitel umfasst zwei Blätter und erzählt, dass Vajradhära nach dem Er-
scheinen von 33000 Buddhas in der Welt Abhirati (mngon par dga ba) fünfmal Vor-
geburt angenommen habe. Diese Geburten erfolgten je in einer königlichen (rgyal rigs)
Familie, einer solchen aus dem Volke (dmangs rigs), einer Brahmanen-Familie (bramzei rigs),
der Gupata-Familie (rigs te gu pa ta15) und einmal in einer adeligen Familie (rjeu rigs).
Die Geschlechter der fünf Mütter werden ebenfalls genannt, ebenso die Namen der fünf
Kinder (khyeu). Drei Namen lauten Beschützer der Tugend (dge skyob), der Thaten
von sich ausgehen Lassende (las 0byin), der Herrlichkeit von sich ausstrahlen Lassende
(dpal 0byin); zwei Namen sind in verdorbenem Sanskrit gegeben und lauten Tramitra,
Tambura. — Die Erzählung verfolgt keinen anderen Zweck, als dieser Vajra-Gottheit des
späteren Mysticismus gleiches Vorleben anzudichten, wie es die kanonischen Schriften und
in diesem Buche das Kapitel der Prophezeiungen dem Buddha zuschreiben.
Das folgende fünfte Kapitel hat den Titel: „Die Darlegung der Enstehungsreihe von
Rütra im Bekehrungslande." Aus dem Text ergiebt sich, dass es sich um die Darreichung
des kräftigen rütra mantra ma-rütra (mantra) handelt, dessen Aussprache die Herrschaft
über alle Haufen von Räksasas (srin po) giebt. Ebenfalls von Rütra handelt das folgende
sechste Kapitel. Der Titel lautet: „Die Rütra -Bezwingung durch Pferd und Schwein"
Nach dem Text ist zu den beiden Tiernamen gdon Gesicht zu ergänzen und der Sinn ist,
dass Heilige unter dieser Erscheinung durch die Sprache dieser Tiere wunderbare Wirkung
im Lande der Asuras (Lha ma yin) erzielen. — Diese beiden Kapitel füllen 16 Blatt und
ermüden durch die Wiederholungen wie ihren Mangel an anziehendem Inhalt.
Das siebente Kapitel hat den Titel: Das Kapitel der Weihe und Prophezeiung an
1002 Buddhas durch den Heiligen „dem die Vajra- Eigenschaft zukommt". Der Titel
„Heilige" ist durch mal „byor pa ausgedrückt, wofür die doppelsprachigen Wörterbücher
yogin haben; sein Name lautet Nus ldan rdorje: nus ldan = Fähigkeit besitzen, Cakra
w) Siehe die Auszüge über die wunderbare Welt dieses Gottes aus dem Mani Kambum in meinem
Buddhism in Tibet p. 84.
15) Das Versmass gestattet nicbt gupta zu lesen.
424
rdo rje-Vajra. Sprecher im Text ist dieser Heilige; der Angesprochene wird Yul Okhor
srung genannt, womit Dristarästra wiedergegeben wird. Diesem Könige werden im Text
die Beinamen gegeben Okhor los sgyur bai rgyal po, der das Rad drehende Monarch =
Cakravartin räja, dann rgyal po chen po, Gross-König = Mahäräja und chos kyi rgyal po,
Gesetzes-König = Dharma-räja. In der Mahävyutpatti ist der Name zweimal aufgeführt
und zwar im Kapitel der Götter auf der Welt der Menschen und dann wieder unter den
Yaksa-Fürsten. — Die erste Prophezeibung wird Dristarästra vom Himmel herab. In seinem
Lusthaine hatte er sich mit seinen zwei Gattinnen im Bade vergnügt. Als sie sich wieder
angezogen hatten, zeigte sich ihnen auf wunderbare Weise unser Autor Padma Sambhava
auf einem Lotusstengel sitzend und vom Himmel herab ertönte es von den Söhnen, herr-
lich am Körper, von einer Hautfarbe wie man sie nicht schöner denken kann, werde sein
der eine Held der Lehre" (chos kyi sems dpa) und der Sohn der Anupamä (dpe medma)
„der Verstand der Lehre." Es folgen nun Schilderungen der Freude hierüber unter
Göttern und Menschen, Dristarästra aber begibt sich zu Nus ldan — der im Text auch
ohne den Zusatz Vajra (rdo rje) genannt wird — in die Einsamkeit und erhält hier
die Ansage der auf Erden erscheinenden Buddhas. Von dem Jüngling, der den Namen
„ganz reiner Verstand" führt, ist prophezeit, dass er als Buddha den Kreislauf vernichten
werde. Nach ihm erscheint als Jüngling der „Völlig gereinigte Siegreiche" (rNam dag
rgyal ba) und dieser ist prophezeit als Buddha Kanakamuni (gser thub); nach ihm erscheint
als Jüngling der mächtige Cänti (dbang po zhiba) und ist prophezeit als Buddha Käcyapa
(0Od srung); nach ihm erscheint der Jüngling Siddhärtha (Don ni grub pa) und ist prophe-
zeit als Buddha Qäkyamuni (Cäkya Thubpa); nach ihm erscheint als Jüngling „Gürtel-
träger" (sKa rags can, Kacchabandha) und ist prophezeit als Buddha Maitreya (Byamspa);
nach ihm erscheint als Jüngling „der vorzüglichste Verstand" (mChog gi blo gros) und
ist prophezeit als Buddha Simha (Seng ge). Als Letzter (thachung) ist prophezeit als
Buddha „Wohlgefallen" (Mos pa, Abhimukta).16) Sodann wird gesagt, dass diese Buddhas
1000 ältere Brüder (phu bo) hatten. Soweit stimmt der Vortrag mit der Annahme in den
Schriften der nördlichen Buddhisten, dass ausser den genannten Buddhas während des
Bhadra Kaipas noch 1000 Buddhas gewirkt haben17). Nun folgt aber eine Zulage von
zwei Buddhas; zu solcher werden die beiden Söhne Dristarastras gemacht und diese nennen
als ihren Lehrer (stonpa) den Vajrapäni (lag na rdorje)18).
Irgend welcher Wert kommt dieser Erzählung nicht zu; die mystische Schule gefällt
sich in den Zuthaten von Phantastereien.
Auf dieses Kapitel der Prophezeihungen folgt nun im achten Kapitel die Erzählung
von Gautama und im neunten Kapitel die Herabsteigung des Budhisattva Cvetaketu aus dem
Tusita-Himmel auf Erden. Diese beiden Kapitel sind in Uebersetzung wie im Text19) ge-
geben; vom achten Kapitel ist die belanglose Einleitung weggelassen.
16) Es ist dies die herkömmliche Reihe; siehe Koppen, die Religion des Buddha Vol. I S. 815 ff.
17) Siehe Koppen a. a. O.; Waddell p. 123 mit Amitabhas Himmel, S. 83 mit Dristarästra.
18) Siehe über diesen Schutzherrn gegen die bösen Geister meinen Buddhism in Tibet p. 114.
19) Für die Umschrift des Tibetischen ist dasselbe Alphabet aufgestellt geblieben wie früher; es lautet:
k
kh
g ()')
ng
ts
ths
dz
V
c
ch
j
ny
zh
z
0
y
t
th
d
n
r
1.
s
s
P
ph
b
m
h
A
425
Achtes Kapitel. Fol. 39 b.
In der Stadt, genannt Samantäbhäsa20), hatte der König Brahmadatta (Thsangs sbyin)
790 148 Kinder, Enkel und Enkelskinder. Den Menschen wurde durch den Gesetzeslehrer
Käcyapa („Od srung) die richtige Lebensart, Beschauung und Kenntnisse gelehrt. Die mit
Körpern ausgestatteten Wesen wurden bekehrt. Der Lehrer,21) erfahren in den Mitteln,
kam zu bewirken, dass man handle nach dem Elemente (des Seins22), und lehrte, um
auch König Karnika (rNa ba can) zu unterweisen, das unvergleichliche Fahrzeug von den
Geheirn-Tantras.
Sodann am Ende des Dväpara (rtsod ldan) Zeitalters gebrauchte er in der Zeit für
das Handeln nach dem Elemente die Kenntniss der Mittel und nahm auf der Erde als Sohn
des Königs Karnika unter dem Namen Gautama Geburt an. Der Vater hatte ihn zum
König ausersehen, er aber wurde Geistlicher unter dem Namen Risi „Schmutzfarbe'',
mdog nag (Malina).23)
Die Dirne Bhadrä aus der Gegend Potala24) und der Buhle Mrinala (Padma rtsa lag)
wurden im Bekehrnngslande gesehen,25) wie sie sich dem Empfindungsvermögen des Lebens
hingaben. In der Umgegend von Potala befand sich eine Laube, darin wohnte Gautama.
In der Zeit, dass Bhadrä und Mrinala der Wollust fröhnten, hatten sie darin ihre Kleider
und ihren Schmuck abgelegt. Ein anderer Mann Karmapäni legte einen Schmuck von Fol. 40a.
500 an und sagte zu Bhadrä, sie solle zu ihm herkommen und ihm sich hingeben und
dachte dabei, man werde den Mrinala lügenhafterweise zugelassen sich denken, während
ich mich mit ihr vergnüge. Die weibliche Dienerschaft der Bhadrä hinterbrachte es aber
dem Mrinala. Bhadrä bat um Verzeihung, er aber zog das Schwert und tödtete sie.
20) Kun .tu snang, Glanz ringsum; diese Uebertragung bringt, die Mahävyutpatti im Kapitel
„Allerlei Worte'.
21) Bei Schiefner, Eine tibetische Lebensbeschreibung yäkyamunis, Memoires de l'Academie des
sciences de St. Petersbourg Vol. VI S. 233 und Separatabdruck S. 2 lehrt Käcyapa nicht die Menschen,
sondern giebt dem künftigen Buddha Cäkyaniuni Unterweisung als „unserem Lehrer". Unser Text hat
nur Lehrer (guvu) wohl des Versmasses wegen; denn das Folgende passt nicht auf Padma Sambhava,
der sonst in dieser Legende wie im Volke als Guru, Lehrer, angesprochen wird, sondern nur auf die
Vorgeschichte des Buddha.
2'2) Durch die Kürze des Ausdrucks eine schwierig zu deutende Stelle.
23) Die Bezeichnung drang srong = riri im Holzdruck ist auffallend, die Handschrift ist hier defect
und hat weiter unten treffender mkhan po, Lehrer.
-*) Potala heisst hier yul, bewohnte Gegend, Land, im Gegensatz zu menschenleerer Einöde.
Sonst ist Potala als ein Seehafen an der Indusmündung gemeint; Mahävyutpatti, die im S. christ-
lichen Jahrhundert erstellt wurde, führt gru 0dzin = Potala jedoch unter den Gebirgen auf und nichts
nötigt, ein Land von anderem Charakter unserer Erzählung zu unterlegen, im Gegenteil, dieser Cha-
rakter stimmt zur Bezeichnung der Landschaft als dem Bekehrungslande (gdul bai zhing). Auch bei
Schiefner 1. c. ist Potala ein Land.
25) gdul byai zhing du g/.igs nas. Diese Redensart ist den Padma Sambhava -Legenden eigen-
tümlich (s. Jäschke sv. zhing) und kehrt in unserem Texte mehrfach dann wieder, wenn Jemand „in der
zur Bekehrung geeigneten Entwicklungsstufe" gesehen wird. Diese übertragene Bedeutung hier anzu-
wenden, ist nicht möglich und war demgemäss im gewöhnlichen Sinn der Worte zu übersetzen. — Die
Geschichte von Gautama in unserem Text ist auch im Auszug behandelt bei W. Rockhill, Life of
the Buddha p. 9, im Gyalrab, meine Könige von Tibet (München 1866 S. 30) und bei Schiefner,
Lebensbeschreibung 1. c.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 56
426
Darauf schrieen die Mädchen: „er hat unsere Herrin getödtet. " Sie erhoben ein lautes
Geschrei,26) dass Alle es hörten, und eilten davon.
Der Buhle Mrinala wurde darüber erschrocken und in seiner Angst27) warf er das
blutige Schwert dem Risi Gautama hin.
Der Wortführer rief viele Leute herbei und nahm vor der Versammlung Platz.28)
Die Versammlung der Männer fand in ihrem Gewissen ein Unrecht; sie betrachtete das
bluttriefende Schwert und sagte: Dieser Geistliche in der Lehre des Buddha hat mit der
Dirne Bhadrä Unzucht getrieben; steht es einem Bhiksu zu, dass er tödte? So riefen sie.
Der Risi (Schmutzfarbe) sagte: Gautama hat keine Schuld; aber obwohl er zur Ruhe riet
Fol. 41 a. und die Wahrheit sagte, nützte es nichts; man band (Gautama) fest und führte ihn vor den
König; dieser Hess ihn fesseln und verordnete, dass er zur Strafe gepfählt werde. Der
Lehrer29) Schmutzfarbe kam des Weges und sah dies; und näher gekommen sprach er:
0 weh, was hat dieser Sohn verbrochen. Gautama antwortete: „0 Lehrer, höre die Wahr-
heit! wenn Gautama die Bhadrä nicht getödtet hat, so möge am Lehrer die schwarze
Farbe zur goldenen werden." Weil der Unschuldige die Wahrheit gesprochen, so ver-
wandelt sich am Lehrer die schwarze Farbe in eine goldene und er wird berühmt als Risi
Goldfarbe = Kanakavarna. Die Obersten unter den Göttern und Menschen geraten darüber
in grosse Verwunderung.
Hierauf erging sich der Lehrer in grossartigen Verwandlungen; stiess man an seinen
Körper, so hatte man das Gefühl von Feuer- Fluss.30) Weil im Jammerthale die Sinne
stehen wie früher, so kam ihm auch die Lust am Beischlaf. Dieser Erinnerung nachgebend
Fol. 41 b. handelte er gleich den Heiligen,31) mischte zwei Tropfen Samen mit Blut und als diese
zur Erde fielen, wurden sie zu zwei Eiern. Die Strahlen der Sonne brachten sie zur Reife
und als sie aufgegangen waren, entstanden zwei Knäblein, die sich im Zuckerrohr-Haine
niederliesseu.32)
Hierauf rief der Wortführer Viele herbei (und sagte): Gautama hat (Bhadrä) doch
getödtet und vom Giebel herabgeworfen. Der König frug, wie es sich damit verhalte und
ob sie durch Gautama getödtet worden sei. Darauf antwortet Risi Karnakavarna : Es bleibt
2G) Man kann auch übersetzen „sie erhoben das Geschrei kuco", wobei diesen Silben eine be-
stimmte technische Bedeutung unterliegen würde im Sinne des Erhebens des Gerüchtes (s. u.). Die
Sanskrit-Aequivalente für kuco giebt C. Das mit kolähala, hrasvana (sie).
27l ma bzod, wörtlich Ungeduld.
28) Die Bezeichnung Wortführer (smra ba can) kehrt auch fol. 41 b wieder. Die ganze Erzählung
ist ein lehrreicher Beitrag für die Rechtszustände im alten Indien ; das Volk wirkt bei der Rechtfindung
mit. Die Dienerschaft hat die öffentliche Anklage (das Geschrei, Gerüfte, kuco, erhoben; das Volk sitzt
unter einem Sprecher (Obmann) zu Gericht und findet die Schuld ; der König spricht die Strafe aus und
lässt sie vollstrecken.
29) mkhan po = upädhyäya und nicht drang song, risi.
30) rlung Wind, dann einer der Flüsse im menschlichen Körper, die sich u. a. bei rheumatischen
Schmerzen, bei Nervenleiden u. s. w. bemerkbar machen.
31) jo bo = ärya, eine Bezeichnung besonders heiliger Personen. Der Vers hat 11 Silben; im Holz-
drucke ist er auf 9 gebracht, indem statt jo bo zhin steht bzhin „so."
32) In der Darstellung bei .Schiefner stirbt Gautama an der Hitze der Sonnenstrahlen, während
die zwei Knaben davor durch das Rohrdickicht geschützt wurden. Schiefner 1. c. S. 233 (3), wo die Le-
gende über die Iksvaku-Kinder fortgesetzt wird.
427
die Wahrheit, nicht hat Gautama die Bhadrä getödtet, wohl aber wird es der arglistige
Mrinäla gewesen sein. Nachdem er solches gesprochen, erhob er sich zum Zeichen der
Wahrhaftigkeit seiner Rede in den Himmel zur Götterschaar, zum König und seinem Volke
aber sprach (dieser) Gott: Wenn Ihr diesen Unschuldigen getödtet hättet, was wäre dann?
Man würde nicht nach der Hoffnung handeln können, ganz vollkommen zu werden; der
König würde nicht den Geistlichen und der Religion sich zuwenden, den Wesen würde
kein Glück erstehen. Die Stadt „Kuca-Markt" (Kucanisadhyä) würde zerstört werden; im
Heere würde Empörung auftreten, dazu Seuchen und Hungersnot. Sodann würde vielfach
Raub und Betrug sein; es würde in dieser Zeit Aufruhr und Missethat sein. Wo solche Fol. 42 a.
Lebensweise zur Gewohnheit wird, da ist der Würgengel,33) die Frommen wie die bösen
Laien werden Verächter des Gesetzes; Unschuldige erleiden Todesstrafe; das Gesetz stürzt
zusammen, das Elend macht verwirrt über die Arten der Ursachen und Wirkungen.3*)
Desshalb: wer Sünde that oder sich mit einem Verbrechen behaftet, legt den Samen zu
eigenen schlechten Thaten.35) Welche Früchte der Werke36) gethan sind, solche entstehen
auf dieser Erde. Was vom Ohr aufgenommen und verstanden ist, prägt sich der Vor-
stellung ein. Hat Jemand mit seiner Stärke Unrecht verübt, so wird er dafür vom Stärkeren
besiegt und die Kraft seines Körpers gebrochen. Der Mächtige sticht aus den Glanz der
zwei Augen, lähmt Glieder, Fuss und Kopf, um zu zeigen die verschiedenen Arten von
Ursache und Wirkung. Es giebt viele Wege der Furcht vor Drohung und Schrecken, der
richtige aber ist das Erfassen des Gesetzes vom Sinne der guten Thaten statt der schlechten
Thaten des Körpers. Wo nicht ist aus menschlicher Rücksicht auf die Dinge die Seite
der Lüge, da ist die Führung entsprechend dem Gesetz durch den König, den Geister- Fol. 42b.
Fürsten.37) Verschiedene (Ursachen) bewirken Glauben und Glauben wieder macht gläubig.
Um die Boshaften, die bösen Betrüger zu besiegen, legt der umsichtige Held scharfe hieb-
und stichfeste Rüstung an; wenn er die That des Erschütterns am Opferplatze verrichtet,
sitzen im Umkreise38) auch andere Trachten. Wenn Regen fällt, ist das Jahr für das
Reich ein glückliches, für Jedermann ist Wohlsein, Menschen-, Vieh- Krankheit und An-
deres hört auf. Wie viel mehr aber, sage, ist notwendig, auf dass die Lehre der Religion
erscheine?
Nachdem er so gesprochen, vereinigte sich der Sprecher mit allen Göttern vor dem
Antlitze des grossen Königs39) und sprach: „Gautarna, Du Held, Du, dem die goldene
Farbe eigen ist und das Zeichen von 100 Tugendverdiensten; der Du schön bist unter den
Laien und dem Auge Dich überaus lieblich darstellst, der Du 10 000 Millionen Götter
überaus froh stimmst; der Du die Menschen, die Dich schauen, den Körper der Freude
finden läset; der Du in 10 Millionen 100 139 Kaipas Cakravartin wirst, zeige den Menschen Fol. 43».
S3) chos rgyal, Gesetzeskönig im S'r.ne von Yama, als Ordner der Wiedergeburten; siehe mein
Buddhism in Tibet p. 93. Waddel 1. c- p. 530.
34) Der Text bat hier nur rgyu; aber sogleich weiter unten vollständiger rgyu 0bras rnam pa.
M) mi dge ba. Mahävyutp. zählt deren in Kapitel 84 zehn, und zwar verrichtet man 3 mit dem
Körper, 4 mit Reden, 3 mit dem Gemüt (Vorstellungsvermögen).
36) rnam smin = vipäka.
87) ojig rten skyong = lokapäla.
38) sa gzhi = bhümi; cha lug für cha lugs = nepathya; nye okhor = parisamanta.
39) rgyal po chen po; weiter unten heisst er König der vier Dinge.
56*
428
auf der Erde, wohin das Schwert gekommen ist? Auf diese Ansprache hin warf der grosse
König der vier Dinge40) das bluttriefende Schwert in den Himmelsraum. Weil er die Bhadrä
nicht getödtet hatte;, so komme es nach oben; dem Wunschgebet entsprechend wird das
hinaufgeworfene Schwert oben bleiben, oben in Mrinäla fahren und wird ihn tödten. Oben
traf diesen und seine Buhle beim Beischlaf ein Strahl und (der grosse König) sprach :
Während 33 Gautamas wird die Lehre vom Dreikorb aufrecht erhalten werden; von den
Menschen erfasst wird die Lehre nach der Buddhalosigkeit gross und eben dieser König
wird im Gesetze erfahren werden.
Aus der vom Guru von Udyäna Padma Sambhava ausführlich dargestellten Geschichte
ist dies das achte Kapitel, das darlegt die Geschichte der zwei Lehren.
So weit der Text. Hervorzuheben sind hieraus der Personenname: Schmutzfarbe und
der Städtename Kuca-Markt.
Schmutzfarbe ist im Text mit mdog nag gegeben; dieselbe Form hat Rockhill.
Schiefner bringt die Textworte nicht, gibt aber den Namen indisch als Krisnavariia mit
einem Fragezeichen. Rockhill setzt mdog nag auch gleich Krisnavarna; der tibetische
Amarakosa übersetzt aber mit mdog nag Sanskrit malina. Malina hat die Bedeutung
schmutzig und wird als Farbname Sachen von unbestimmt dunkler Farbe beigelegt (Pet.
Wort.). Der Name deutet demnach auf einen Nicktarier, einen dunkelfarbigen dienenden
Dusyu, und als solcher stand er ausserhalb der indischen Gesellschaftsklassen. Der Träger
des Namens wird Lehrer, mkhan po = upädhyäya betitelt, im weiteren Verlauf der Er-
zählung dann zum Seher, drang srong = risi gestempelt und sein Name in Goldfarbe =
Kanakavarna umgewandelt. Unter diesem Namen wird ihm die Kraft magischer Verkörpe-
rung eigen und er erhält sein besonderes Avadäna oder Legendenbuch. — Es ist zu be-
achten, dass auch Cäkyamuni „helle Farbe" annimmt, als er Buddha wird und in Nirväna
eingeht, und dass noch bei den heutigen Indiern den Kasten von „weizenfarbener Haut-
farbe" die höchste sociale Stellung zuerkannt wird.41)
Als Land, in welchem der Vorgang mit Malina stattfindet, nennt unser Text Potala,
das die tibetischen Quellen als eine Gebirgslandschaft bezeichnen (siehe oben Anm.); die
Stadt, die dem Untergange geweiht sein würde, nennt unser Text die Stadt (grong khyer)
Kuca-Markt = kucanisadyä, tibetisch kuca thongs 0dus. Für thongs 0dus haben die Wörter-
bücher ausser nisadyä noch hatti Markt, pottana Stadt; ich entschied mich für nisadyä
und war hiefür auch der Anklang an den Volksnamen Nisäda bestimmend.42) Durch die
40) sde bzhi = caturvarga; diese vier Dinge sind: das Gute, Angenehme, Nützliche und die Er-
lösung. P. W. s. voce.
41) Schiefner I.e. S. 61, Rockhill I.e. 135; des Sehers Körper wurde „resplendent". H. H.
Risley: The Tribes and Castes of Bengal (Calc. 1891) Vol. I, p. XXXII. cf. H. Oldenberg, Buddha S. 116.
42) Den Namen Nisäda führt Visnu Puräna auf den Räja Vena (Ben im Munde der heutigen Indier)
zurück, der den Bewohnern der Ebene zurief: Setz Dich nieder (nisida). S. Dowson. Classical Dictio-
nary s. v. Vena. Dasyus waren die ersten Bekenner der Buddha-Religion ; siehe die Erläuterung zu den
Bildern in Ajanta: Khandes District, Bombay Gazetteer Vol. 12, p. 486 (nach Fergusson).
429
Zusammensetzung mit kuca passt der Name zu den sonstigen Namen mit ku9a: kucinagara,
kucinära43), dann zu Kucathu, das in unserem Text, 42. Kapitel, als Hauptstadt von Kotala
genannt wird, zu koca can ldan, einem dvipa, das Fol. 181 b aufgeführt ist und an kuca-
dvipa44) anklingt. — Der Name mag davon genommen sein, dass das echte Kuca-Gras,
Poa cynosuroides Hetz, im Norden von Hindustan nicht mehr vorkommt; im Bhabar wie in
den äusseren Thälern des Himälaya wird es ersetzt durch Saccharum spontaneum Lin., dessen
sich hier die Brahmanen bedienen.*5)
In den Biographien Cäkyamunis werden die Orte mit Kuca als im Lande der Mallas
liegend bezeichnet. Die Malla sind ein Himälaya- Volk; ihr Name bedeutet im Sanskrit
wie in der tibetischen Uebersetzung gyad einen Ringer, und der Name soll ihnen davon
gegeben sein, dass ihr Urahn einem Ringkampf zusah, als ihm die Nachricht von der Ge-
burt eines Sohnes zukam. Nach den Annalen in den Archiven von Nepal und Kumaon
gaben Mallas in altgeschichtlicher Zeit Nepal die Könige.*6) Nach den Schenkungsurkunden
waren die Mallas Buddhisten und hatten in Magadha Cäka-Kolonien zu Nachbaren; ihre
heutigen Nachfolger in der Herrschaft von Kumaon und Garhwal sind Anhänger des
Sivaismus, dem der spätere Buddhismus in Indien durch seine Mischung mit der Tantra-
Lehre den Weg ebnete. — Schon Hiuen Thsang schildert die Gestalten der Nepalesen als
hässlich und unedel; die Gesichtsmasken meiner Brüder bestätigen dieses Urteil vollständig
und nach den neuesten ethnologischen Forschungen über die Kasten und Völker Indiens
„ bilden die Völker längs der Nordgrenze von Bengalen eine Gruppe für sich, die kaum
als indisch anzusprechen ist und sich durch einen mongoloiden Gesichtsausdruck kenn-
zeichnet."*7)
43) So giebt Rockhill 1. c. p. 133 ff. gron khyer rta can (kuca) wieder; es wird ein armseliges
Dorf im Lande der Mallas genannt, ib. 136. 137.
44) Vgl. Arch. Survey Vol. 12.J 129, wo aus den Puränas ausgezogen ist, dass Cäkadvipa einen
Teil von Kueadvipa bildete.
45) Gazetteer NW. Pr. Vol. X: Himalayan Districts, Allahabad 1884 Vol. I: Economic Plants, by
Winterboom p. 807. Cäkyamuni sass auf einem Kissen aus Kucagras, als er unter dem Bodhi-Baume
zur höchsten Erkenntniss gelangte, und nach den Heiligenlegenden legt man solche Grasmatten als Ruhe-
lager für hohe Priester. In Basti betten sich noch heute Volksklassen auf Matten aus Kucagras; das-
selbe findet auch noch im heutigen lamaischen Gottesdienste Verwendung. Siehe Rockhill 1. c. p. 162.
JASB. 1892, p.34; NW. Prov. Gazetteer Vol. VI. 645.
*6) Vgl.Rockhill sv. Malla; Himalayan Gazetteer Vol. II by E. T. Atkinson , Index sv. Malla und
Saka. Ihr Sturz kann zusammenhängen mit der Erzählung bei Täranätha, ed. Schiefner S. 26, dass
unter Acoka der Sohn des Königs Nemita für seine Siege „über Nepal und andere Bergvölker" be-
lohnt wird.
47) Siehe die ausgezeichnete Arbeit von H. H. Risley, Ind. Civ. Serv. : The Tribes and Castes of
Bengal (Calcutta 1891) 2 Volumes, Bd. 1 S. XXXI ff. und über die Gesichtsmasken meiner Brüder aus
Nepal, Globus Bd. 54 S. 273 ff. Ueber die Sprache der Himälaya- Völker siehe E. Kuhn, Herkunft und
Sprache der transgangetischen Völker (München 1883).
430
Neuntes Kapitel.
Sodann verkündete der Allwissende, Allsehende, Alles in Erinnerung Behaltende48) das
allervollkommenste Vajra-Vehikel der Tantras und Mantras.49) Der Brahmane „ Lehrer der
Knaben"50) war gestorben. Für den ehrwürdigen Lehrer Cvetaketu51) kamen die vier grossen
mächtigen Ströme herab. In seiner Macht als geistlicher Berater52) gab er für den Nir-
mänakäya die acht' äusseren Dinge; mächtig der sPoti-Bände53), die sich richten nach
den Religionsvorschriften, gab er die acht inneren Dinge zum Sambhogakäya; mächtig der
Fertigkeit in den Wissenschaften, als Herr der Schutzgötter gab er zum Dharmakäya die acht
geheimen Dinge. Völlig mächtig der vorzüglichsten grossen Symbole54) gab er zum Vajra
die zehn eng verbundenen Dinge der Macht. Vajradhära, der Obere, der in sich vereinigt
die fünf Körper, gab zu den völlig Gesammelten die früher gewesene beruhigende all-
gemeine Schule.55) Nachdem diese (Kräfte), die zur Vollkommenheit in der Macht nötig
sind, gegeben waren, reichte er dar die zehn allgemeinen Mächte; um den Amrita zu er-
halten, gewährte er zur Vollkommenheit die Macht des Lebens; um den Sinn zu erkennen,
Fol. 44 a. gewährte er die Macht für den Verstand; um des Vorratshauses des Himmelsjuwels willen
gewährte er Gewinn.56) Um den Weg abzuschneiden, der zu den Thaten der Begierde
führt, gab er die Macht der Beschauung, welche abschneidet den Weg der Thaten. Um
zu gewinnen die Beschauung, gab er auch die Macht des Lebens; um zu erlangen das
Herabsteigen in Selbstentstehung gewährte er die Verwandlung. Damit sich finde das Ent-
stehen vom Erschöpftsein, gewährte er Leidenschaft; damit sich finde der richtige Sinn des
Gedankens, gewährte er das Gebet; um zu finden das Thuen des Körpers, der Rede und
des Gemütes, gewährte er Weisheit; um des Elementes des Gesetzes, dieser fleckenlosen,
ununterschiedenen reinen Wahrheit willen gab er die zehn Kräfte, welche über das Gesetz
*8) Diese Eigenschaften werden in den heiligen Büchern dem Buddha beigelegt.
49) Der Vajra-Lehre wird in der Legende oft gedacht; der Vajra-Körper wird als unsterblich be-
zeichnet, Fol. 152 a.
50) Khyeu blama (uttaradäraka?); Brahmane bram ze. Ein Brahmane tritt im Texte oft han-
delnd auf.
51) Tog dkar; Name von Gäkyamuni als Bodhisattva im Himmel dGa ldan = Tusita vor seiner
Geburt auf Erden.
52) dge bai bses snyen = Kalyänamitra = Tugendfreund ; geistlicher Berater ist nach Wassiljew
„der Lehrer, der immer höher sitzt als der Schüler". Tär. p. 322. Einem zur Wiedergeburt als Weib
Bestimmten verspricht Avaloticvara. dass er bis zur Erreichung der Bodhi sein „ Tugendfreund " bleiben
werde. Ibid. p. 107.
53) Für Nirmäna-, sambhoga-, dharma-käya stehen die eingeführten tibetischen Bezeichnungen.
Welche acht Dinge hier und welche zehn unten gemeint sind, dafür steht keine Erklärung zur Ver-
fügung. sPoti ist sonst ebenfalls nirgends genannt ; der Holzdruck hat poti = Buch in losen Blättern.
54) Die allgemeine Bedeutung von phyag rgya ist Symbol: in der Zusammensetzung mit chen po
ist es als mahämüdrä für eine siddhi gebraucht; s. Täranätha ed. Schiefner s. v. und Jäschke s. v.
dBu ma wird zur Bezeichnung der Madhyamika-Lehre gebraucht.
55) ojam-pa, mild, spyi = allgemein; mit dem Zusatz ti als spyi ti Bezeichnung der Schule des
Padma Sambhava, unseres Autors, was hier wie im Folgenden passen würde.
56) ratna namkha; etwa für dyumani, Sonne, das sonst übersetzt ist namkhai norbu. Mit rnyed pa
Gewinn ist in den Wörterbüchern ratna wiedergegeben, also in der vorliegenden Fassung ein Wortspiel.
431
gebieten, und insbesondere noch die folgenden fünfundzwanzig Kräfte57): fünf Kräfte des
Körpers verlieh er dem Kopf, fünf der Stimme überwies er als Sitz dem Hals, fünf des
Gemütes als Sitz dem Herz, die fünf Fertigkeiten als Sitz dem Nabel, die fünf Kräfte der
Arbeit überwies er allen Gliedern. Mit Lobliedern pries er die Abzeichen58) der Götter, mit
Cymbeln und Lobgesängen brachte er Werke des Lautes dar.
Sodann erschien Cvetaketu im Lande der Menschen59); den Göttern und ihrem Ge- Fol. 44 b.
folge wird Maitreya das Gesetz lehren. Demgemäss nahm Cvetaketu von seinem Haupte
die Kopfkrone ab, reichte sie dar, setzte sie Maitreya auf's Haupt und sprach: „Du wirst
nach mir Buddha werden." Nach dieser Prophezeihung wurde sein Haupt gesalbt60) und
Lobpreisung dargebracht, er aber ging hin als Sohn von
Cuddhodana, König der Kapila. Darauf sah der vorzüglichste, Alles in Erinnerung
behaltende Lehrer,61) dass das Land der Menschen noch zu den drei Yogas zu
bekehren sei. Dieses Fahrzeug der Früchte, der Geheimsprüche und des Yajra
heisst das Wissen der Göttersöhne, das Siegeszeichen der Spitze. Als die vier
grossen Ströme der Macht herabgekommen waren, pries ihn die Schaar der Götter
als den Vorzüglichsten des Landes der Mitte62) und er ging hin als Sohn von
König Cüda aus glücklichem Geschlechte63).
Auf der Westseite von dem Lande, in dem er erschienen war, lag das Land Udyäna.
Einundzwanzig Länder und Provinzen gehören dazu. In der Mitte war der Todtenacker,64)
auf ihm sammelten sich die schwarzen Wolken von Urgyan. Im Norden von Urgyan war
das Kloster Kämarüpa65) aus Materialien von verschiedenen Kostbarkeiten hergestellt. In
57) Die zehn vacitä oder übernatürlichen Kräfte eines Bodhisattva sind aufgezählt Vyutp. No. 23
und daraus übergegangen in P. W. sub voce ; seine fünfundzwanzig Kräfte habe ich sonst nirgends ver-
zeichnet gefunden.
5S) rgya = mudrä.
59) miyi yul. Unser Text bringt an Zusammenstellungen mit Mensch: Land der Menschen; Herr
der Menschen; Menschenleib, Menschengeschlecht, Menschenjahr.
60) Ueber Salbung (dbang skur ba) siehe die trefflichen Ausführungen von Jäschke zu seiner
Uebersetzung der Briefe des Johannes, Magdeburg (sine anno) S. 17.
61) Diese Stelle stand in ausführlicher Fassung bereits am Eingang dieses Kapitels.
62) dbus, Mitte, im Sinne von Land der Mitte, von Madhyadeca als Buddhaland.
c:!l Die Stelle in kleinerer Schrift ist eine Einschiebung, um den herkömmlichen Namen des Vaters
von Cvetaketu (= Cäkyamuni) als Cuddodhana bringen zu können. Prof. Grünwedel's überarbeitete
Textbehandlung hat auch rigs, nennt Cuda König von Urgyan und Cvetaketu seinen Sohn. (Näheres
siehe unten). Der Holzdruck hat stets ris bzang (schöne Gestalt); die Handschrift hat stets rigs bzang,
was schönes, wie günstiges, glückliches Geschlecht bedeutet.
6i) Zeitweise galt der Besuch von Todtenäckern durch Bhiksus für unpassend (s. Rockhill 1. c.
p. 29 Note 2); aber Cäkyamuni gab sich auf dem Citavana Todtenfeld von Räjagriha den Büssungen
hin, und in der Legenden-Litteratur sind die Todtenacker die Wohnplätze der Heiligen. So ist es auch
in unserem Text gehalten und hiebei wirkte noch die Absicht mit, den Bon-Anhängern die Furcht vor
den Leichenäckern zu benehmen.
65) Sonst gebraucht für den Namen des Ostlandes von Bengalen; hier wird es ausdrücklich gtsug
lag khang = vihära, Kloster, genannt. Der Name ist hier in Sanskrit gegeben, anderwärts wird er ins
Tibetische in der Form übersetzt rtsa mchog grong. In dieser Form gilt er den Sikkim Lamas als der
Ort, wo Buddha (( akyamuni starb, und sie verlegen ihn gegenüber Gauhati an das Nordufer des Brahma-
putraflusses. Waddell besuchte den Ort unter Führung eines kundigen Lamas und gibt Bericht über
432
der Form rund, war die Farbe von Indigo; im Maasse hatte dieses Gotteshaus (Iha khang)
die ausgebreiteten Arme von Brahma. Auf den vier Seiten waren sechzehn Thore; man
konnte sie alle zu gleicher Zeit öffnen. Dieses von Däkinis regierte, selbstentstandene Kloster
nennt man auch das Kloster Ucala, auch Kloster der Weissagung, auch das Kloster Ghan-
dhola. 66) Der König, der dieses Kloster nach den Wünschen seiner Gebieter — der Dä-
kinis — hergestellt hatte, hiess Cüda aus glücklichem Geschlecht, seine Gattin hiess Arkä.67)
Diesen wurde zu gleicher Zeit als Söhne ein Zwillingspaar geboren. Der König gab diesen
Beiden zu gleicher Zeit Gattinnen und verordnete dabei: Auf den Thron erhebe ich den-
jenigen ihrer Söhne, der zuerst geboren sein wird. Die beiden Gattinnen hatten aber an
ein und demselben Tage empfangen und König Cüda aus glücklichem Geschlecht sprach
Fol. 45>>. nunmehr: „Weil die beiden Prinzen zu gleicher Zeit geboren sind, wie halte ich es nun
mit meiner Rede, dass den Thron begründe, wer als der Erste gekommen ist? Ich selbst
werde den beiden Frauen beischlafen, erst zur Rechten, dann zur Linken." Der Haar-
schopfträger68) war bei Frau Gunamä (gewesen); bei ihrer Schwägerin hatte er einen seine
Ruhe störenden Traum: aus ihrem Körper sei ein grosser weisser Mann herausgekommen;
der ganze Wald wuchs war abgeschnitten, der leere Boden aber weiss gestrichen, so dass alles
weiss war. Er träumte dann, bei der ersten Frau sei aus dem Körper ein schwarzer Mann
herausgekommen; auf dem Kopfe trug er die heiligen Zwischenräume der Stüpa- Verzie-
rungen.69) Er träumte (weiter): Als dieser zur Königswürde gekommen war, zeigten sich
als Lichtstrahl fünf Farben, die in den Zwischenräumen der Verzierungen erlöschten. Am
Morgen nach dem Traum sagte er: „Mein Zeichen ist ein sehr günstiges" und Hess einen
Traumdeuter kommen. Auf Befragen gab dieser folgende Antwort: Die weisse Farbe am
Manne ist ein Zeichen, dass er nach seiner Geburt in magischer Erscheinung als Königs-
sohn zum Heile der Menschen wirken werde; das Fällen der Bäume ist ein Zeichen seiner
Bezwingung der bösen Geister; die weisse Erde ein Zeichen, dass seine Lehre sich weit ver-
Fol. 46a. breiten werde. Von dem schwarzen Mann, der aus dem Leibe der ersten Frau heraus-
gekommen, ist dagegen zu prophezeihen, dass er der Sohn sein werde, welcher den Thron
besteigt.
den Kreis von Legenden, mit welchen die Gläubigen Ort und Umgebung ausgestattet haben. Steinchen
und Staub von dort werden im ganzen Geltungsgebiet des Lamaismus in Amulette eingeschlossen. Siehe
Waddell, The Tsam chho düng of the Lamas and their erroneous Identification of the site of Buddha' s
Death (JASB 1892 P. I p. 33 ff.). Sollte die ganze Legende auf das von der Erde verschwundene Kloster
Kämarüpa zurückzuführen sein? Holzdruck wie Grünwedel's Text haben nicht Kämarüpa, die Com-
pilatoren der Texte für die Holzdrucke wussten ersichtlich Kämarüpa nicht zu deuten, sondern ersetzten
es durch Heruka und machten daraus „ Kloster der Heruka". Die Herukas sind Schreckgottheiten, aber im
Besitz übernatürlicher Fähigkeiten, die sie nach der hömmlichen Legende zu C/äkyamunis Vorteil bezeigen.
Siehe ein Beispiel bei Schiefner, l. c. S. 45 S. 23.
66) Ich schreibe die Namen wie im Text; eine nähere Erklärung ist nicht zu geben. Der Holz-!
druck schreibt Utala (? uttäla), Grünwedel's Text Tala; nach P. W. wechseln die Formen uca'
und uta.
67) mchod Oos ma „würdiges Opfer", im AK mit arka, die Sonne, wiedergegeben.
68) Thor gtsug can, weiter unten Thor cog can, Haarschopfträger = Cikhandin, von Cüda gebraucht.
Nur Gunamä ist als Schwiegertochter mit Namen genannt.
69) gseb = samdhi nach Vyutp., wo es wie vivara zur Bezeichnung von Scheitel (ucni.sa) und Kopf
(murdhan) verwandt ist. Die Verzierungen sind Sonne und Mond.
433
Als in der Jahreszeit, der Frühlingsmonat gekommen war, da am Morgen von Pusya70)
wurde jeder Knabe geboren und zeigte sich übereinstimmend mit dem Gesagten. Weil das
günstige Zeichen sich zeigte, sprach der Haarschopfträger: Das günstige Zeichen ist das
Zeichen meines Sohnes, sein mutiges Auftreten ist das Zeichen meines Sohnes; mein
Sohn erhält vom König den Thron. Hierauf versammelte der König seine Minister, gab
für die beiden Prinzen ein grosses Geburtsfest und liess den Kindern durch einen zeichen-
kundigen Brahmanen die Zeichen stellen. „Der Sohn mit dem mutigen Auftreten hat
das Zeichen des Haarschopfträgers: dem Sohne mit dem Haarschopf ist das Zeichen eines
Cäntaruksi"71).
Die Minister frugen hierauf, wer König werde und der König sagte: Meine Lieben,
zum König macht man den Vorzüglichsten und zeigte den mit dem Schopf Versehenen
auf dem Throne. Dieser ergriff als Cäntaraksi Besitz vom Reich bis an die Grenzen. So-
dann (sprach der König): Der Regierung des Cänta mache ich mich nicht theilhaftig; wenn Fol. 46 b.
ich auch in Jeglichem Dir gleich bin, so werde ich, was Du als König anordnest, gehorsam
ausführen. Würdigeres als Solches ist nicht zu denken. Wer der Regierung schaden will,
soll gehen; sonst strafe ihn und verbanne ihn ausser Landes.
Sodann (begab er sich) nach Vajräsana in Indien auf den grossen Leichenacker Cosa
dvipa. 72) Derselbe hatte den Umfang einer Meile. In seiner Mitte befand sich ein selbst-
entstandener Caitya, weit und hoch mit Radkreis-Sonnendach aus Stoff mit kostbaren Edel-
steinen und Silber ausgestattet; seine Glocken und Schellen hatten gitterartige Verzierungen,
geschmückt war er mit dem Sonne- und Mondzierat. Unten am Stüpa standen acht selbst-
entstandene Figuren. Im Noi-dosten davon lag der Teich „ Finsternissfläche t ; darin wurden
den Seeungeheuern menschliche Wesen vorgesetzt; die einzelnen Ecken waren mit einer
Menge von Steinfiguren eingesäumt. Im Südwesten stand der Göttertempel der Welt. Im
Hain Xetota73) waren oben lauter schwarze Enten, in der Mitte schwarze Giftschlangen.
Der Gott der Welt genannt „der Freude bereitende Jüngling* (? Nandikumära) hatte das
Gesicht eines Löwen; in den vier Händen hielt er ein Schwert, ein Menschenhaupt, eine
70) Surecaniatibhadra (s. meine Berechnung der Lehre S. 12) giebt ebenfalls den Frühling als
Geburtszeit des Buddha an. — rab rtsal = vikränta, Mut habend.
71) Der Text hat stets canta und bringt die Formen Cantarnksi, Cäntaraksi, (,'anta und Fol. 47 b
am Schiusa Cantaraksita. Der Hol/druck schreibt stets cäntaraksi. Ich gebe die Schreibart wie sie sich
darbietet. Cantarnksi hätte die Bedeutung „rauh in der Ruhe," was zum muthvollen Auftreten passt.
Cäntaraksi geht auf einen, den die Ruhe nicht verlässt. Die Prosabearbeitung giebt den Namen in
der Forin Raksana Tara, welche den neuen Schülern im Sinne verständlicher und Ehrfurcht ge-
bietender ist.
72) Alle Ausgaben schreiben gleichmässig so sa gling = cosa dvipa, Insel des Schlangendämon.-.
Cosa (V). Die Beschreibung des Leichenackers fehlt in der Prosabearbeitung unseres Textes im Besitze
von Prof. Grünwedel; an den Eingang schliesst sich sofort der Schluss des Kapitels an, und ist der
Hergang so dargestellt, als wenn Cäntaraksi (-ta) sich niedergelassen hätte. An sich bietet die Beschrei-
trang des Todtenacker> kein Interesse; aber die Todtenäcker nehmen im Text eine hervorragende Stelle
Hin. die Beschreibung der Vorgänge darauf ist sehr eingehend und gehört wenigstens einmal vollständig
mitgeteilt.
73) Der Holzdruck hat hier wohl richtig! jodha, welcher Hain in der Lebensge3chiehte
(,'äkyamunis ein bedeutender Lehrsitz ist. Siehe Rockhill, Index s. v. Das folgende ngur bya. wört-
lich Entenvogel, ist eine neue Verbindung, thang yod pa vollständig vorhanden sein, hier im Sinn
von laut
Abb. d. [.Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 57
434
Keule, und an einem Baumwipfel einen Leichnam; eine Kette von Todtenschädeln hatte
er um den ganzen Leib als Schmuck angelegt und über den Leib den Priestermantel aus
schwarzer, grüner und bunter Seide angezogen. Seine Gefolge bildeten 100 000 Mätrikä-
Tödter, 74) sein Reittier war ein Elephant, kräftig an Fleisch und Blut. Eine ungezählte
Menge von Däkinis umgab den Gott. Einige auf einem Löwen als Reittier trugen das
Haar aufgelöst; einige hielten in der Hand eine Siegesstandarte, auf welche Todtenschädel
aufgesetzt waren; einige zwitscherten wie eine Schaar junger Vögel, etliche erhoben die
Löwen-Siegesstandarte75) zum Himmel; einige hatten zehn Gesichter an einem Körper und
assen Gedärme und Herzen; etliche zerrieben die mit dem Schwert zerfleischten schwarzen
Frauen zu Pulver und Hessen aus dem Mundinnern einen Schackal76) hervorgehen; einige
spalteten ihren menschliehen Leib, machten ihn himmelgleich an Grösse und Hessen von
Fol. 47 b. oben als Regen Hagel herabfallen; etliche hielten in den Händen die Tigerstandarte. Einige
konnten das Obere und Untere ihres Körpers verbinden, einige konnten die eigenen Glieder
abhauen und über die acht Himmelsgegenden zerstreuen.
Solcher Art verrichteten sie allerhand Gauckelwerk; es gab davon unzähliges und un-
aussprechliches. Dort gab es Viele, ähnlich einem Menschen, aber mindern Gesicht77) eines
Entenvogels, eines Grunzschweins, einer Giftschlange, eines Schackals, eines schwarzfleckigen
Wolfes und Anderer. Es gab unzählige frische und verweste menschliche Leichname, Fleisch,
Knochen und Blut einem See gleich, frische und alte Menschenschädel. Von den Raub-
tieren sättigten sich einige an den Leichnamen, andere am Fleisch; etliche stürzen darauf
zu, andere heulen; einige hacken die Augen aus, andere beissen in die Füsse, nagen die
Knochen ab, essen das Fleisch und werfen mit den Eingeweiden. Gross wurde der Schrecken.
Die Waldbienen dort auf dem Todtenacker kamen zu Cäntaraksita ; dieser spannte den Bogen
Pol. 48 a. roit der Gurgelsehne78) und der Pfeil blieb im Baume stecken. Als die Männchen sich
verkrochen und die Weibchen (dem Frass) entsagt hatten, sammelten sich die Däkinis in
Haufen und Hessen sich nieder bei den hundertundneunzig Plätzen, welche schützen in der
Beschauung79).
Sodann nahm sich (der Allwissende) vor das in Wolken gehüllte Reich80) zu bekehren.
Aus den angesammelten (Teilen) verschwand sein Körper81) dem Regenbogen gleich.
74J ma mo, eine Sorte sehr befürchteter weiblicher Dämonen. Reittier bzhon; die Handschrift
hat hier und im Folgenden stets gzhon, der Holzdruck bzhon.
75) Simhadhvaja; Name eines Buddha, wie nach Vyutp. fol. 88a Name eines Gandharva-Fürsten.
76) Khyi spyang „ Hundswolf " ; weiter unten lce spyang „ Zungen wolf." Mit dem Schackal ist manche
abergläubische Vorstellung verbunden. Unsere Erzählung bezieht sich auf das Land westlich von Vajrä-
sana (in Gya, Bihar.) und zur Erklärung dient die Vorstellung dortselbst im heutigen Distrikt Basti,
wornach eine Schackalspecies unterschieden wird, murdakhor = inurdärkhor genannt, die sich nur von
den Leichen von Mohamedanern nährt! NW. Pr. Gazetteer, Vol. VI: Gaz. of Basti by H. C. Conybeare.
B. C. S. (Allahabad 1881) p. 576.
77) Kha dog, Farbe; es wird damit aber auch mukha, Gesicht wiedergegeben.
78) Der Text hat odinai gzhu; odma könnte stehen für ogs ma und og ma ist gleichbedeutend
mit lkog ma Luftröhre, Gurgel.
79) Die beiden Texte stimmen überein; aber auch das grosse Lexikon von Das, von welchem jetzt
die ersten drei Buchstaben gedruckt sind, giebt s. v. skyong keine passende Erklärung.
80) spring ldan = meghavant.
81) thsogs nas phung po, eine sonst nicht vorkommende Verbindung.
435
Aus der von Padma Sambhava, dem Lehrer von Udyäna ausführlich begründeten Ge-
schichte ist dies das neunte Kapitel, das handelt von der Geburt als Sohn des Königs Cüda
aus glücklichem Geschlecht82).
Im mitgeteilten Kapitel wird wie sonst Cuddhodana, König der Kapila, als derjenige
genannt, als dessen Sohn Cvetaketu auf der Erde erscheint; aber sofort, schon in der näch-
sten Strophe heisst es, er sei hingegangen als Sohn des Königs Cüda aus glücklichem Ge-
schlecht. Das ganze, ziemlich lange Kapitel beschäftigt sich in Uebereinstimmung mit der
Inhaltsangabe ausschliesslich mit Cüda, den Umständen der Geburt wie den Anlagen und
Thaten seiner beiden Söhne; Cuddhodana wird in keiner Zeile mehr erwähnt. Die sechste
Strophe erscheint eingeschoben, um der kanonischen Form der Erzählung gerecht zu
werden; Cvetaketu müsste sonst zweimal auf die Welt der Menschen herabgestiegen sein.
Es ging nicht an, die vier Silben gtsud phud rigs bzang, d. i. Cüda aus glücklichem Ge-
schlecht, einfach durch die vier Silben zas gtsang ser skya, d. i. Cuddhodana, der Kapila
zu ersetzen und Cüda verschwinden zu lassen; die Erzählung hätte nicht dazu gepasst. Die
Schlusssilben der ersten Strophe sind in die eingeschobene Strophe aufgenommen ; der Inhalt
der Einschaltung ist eine Wiederholung des Einganges des Kapitels und unterbricht die Er-
zählung. — Die Kürze, mit welcher hier unser Text die an Wundern reiche Geburt des
Gründers der Religion behandelt, wie sie sonst vorgetragen wird, findet sein Gegenstück in
dem anderwärts ebenfalls breit behandelten Nachweis der Abstammung der Cäkyas von lksvaku
(siehe Anm. 32).
Cüda ist im Text tibetisch gegeben und lautet gTsug phud. Der Name kommt
viermal vor und stets mit dem Zusatz rigs bzang: aus glücklichem Geschlecht. Der Amara-
kosa behandelt im zweiten Buch, fünftes Kapitel83) die Haartrachten und die tibetische
Version des Wörterbuches giebt Cüda wieder mit gtsug phud. In den tibetischen Wörter-
büchern fehlt diese Verbindung; sie ist sohin keine Form der Umgangssprache und auch
in Büchern selten. Rock hi 11 bringt gtsug pud ras geig, Cülekasataka (?) als Name einer
Tirthika-Gruppe in Räjagriha während der lezten Zeit der Wirksamkeit des Buddha dort84);
mir ist die Form gtsug phud can bekannt aus dem Amarakosa, wo damit eikhävala, der
Pfau, wiedergegeben wird und aus einem tibetischen Holzdruck,85) wo gtsug phud can als
Name eines Nägadämons steht.
In der Sanskrit-Litteratur kennen wir Cüda als männlichen Eigennamen nur aus einer
einzigen Stelle im Catapatha-Brährnana, und es verdient hervorgehoben zu werden, dass ihm
82) Im Holzdruck fehlt rgyalpo, König; die Prosabearbeitung (Text Grünwedel) ändert hier sras,
Sohn, in thsa bo. Enkel von Cüda! — Das nächste kurze zehnte Kapitel nennt sich die Bekehrung des
Wolken-Königreiches zu den zwei Lehren und bietet nichts zur Sache Dienliches.
8S) In der Ausgabe von Loiseleur-Deslongchamps T. I, p. 123, Z. 4.
84) Rockhill 1. c. p. 109, Note 2. Mein Exemplar des tibetischen Amarakosa ist eine Abschrift
der Petersburger Handschrift.
85) gNam sa sngan brgyad bzhugs so: Enthaltend die acht Vorstellungen von Himmel und Erde,
fol. 5a. Dieser Holzdruck von 19 Blättern wurde — wie unser Text — in Tawang erworben; er ist an
der Längsseite geheftet und hat einen zierlichen Einband aus geblümten englischen Calico. Inhaltlich
ist das Werk ein Buch der Bon-Littt-rutur.
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dort der Geschlechtsname Bhägavitti zukommt, oder eines Mannes, der in den Besitz eines
glücklichen Looses gelangt ist, welcher Zuname sich enge an den in unserem Texte
anschliesst. Diese Stelle lautet86): Nachdem Madhuka Paingya eben diesen (Rührtrank)
dem Cüda Bhägavitti, seinem Schüler, mitgetheilt hatte, sprach er: „Wenn man diesen auch
auf einen dürren Sumpf gösse, würden Zweige sich bilden und Blätter sprossen." Nachdem
Cüda Bhägavitti eben diesen dem Jänaki Ayahsthüna, seinem Schüler, mitgetheilt hatte,
sprach er: „Wenn man diesen" u. s. w.
Cüda bedeutet im Sanskrit den Büschel von Haaren auf dem Scheitel des Kopfes, der
bei der Tonsur eines Kindes stehen bleibt; er trägt noch heute diesen Namen in der Form
coti. Die Bezeichnung als cotikat, d. i. also einer, der die coti sich abschneiden Hess, ist im
Panjab ein Schimpfwort, das gegen diejenigen Hindus gebraucht wird, die zum Islam über-
getreten sind.87) Die Tonsur ist bei den Südras, was die Umgürtung des heiligen Strickes
bei den zweimal Geborenen ist88). Die Bhiksus begaben sich der coti; auch der Stifter des
Buddhismus erlitt den Haarschnitt nach seiner Flucht aus dem Hause und an der Stelle
errichtete man den Cüdamani-stüpa.89) In unserem Texte ist König Cüda auch mit dem
Namen Haarschopfträger (thor gtsug can, thor cog can = Cikhandin) bezeichnet; hierin
drückt sich aus, dass das Tragen des Haarschopfes als eine auszeichnende Tracht der nicht
geistlichen höheren Stände galt im Gegensatze zu den Bhiksus.
Ueber das Land in welchem Cvetaketu als Sohn von Cüda auf Erden erschien, heisst
es in unserem Texte: auf seiner Westseite lag das Land Udyäna, im Norden sammelten
sich die schwarzen Wolken von Udyäna. Der Name Udyäna ist im Text stets mit Urgyan
wiedergegeben. Urgyan wird überall gleich Udyäna, der Garten oder Ausgang, gesetzt,
aber seine Lage wird noch verschieden bestimmt. Csoma erhielt von seinen Pandits die
Angabe, Urgyan sei ein Land im nordwestlichen Indien und glaubte es in Ujjain im heu-
tigen Staate Gwalior gefunden zu haben. Jäschke's Lamas verlegen es in das nordwest-
liche Indien. L. A. Waddell nimmt dieses westlich gelegene Land für Ghazni, Chr. Lassen
wie E. T. Atkinson erklären es für Swat, dessen Hauptstadt damals Dariel war im heute
unbedeutenden Hochthale nördlich vom jetzigen Swat, das zum rechten Indusufer einmündet
und von Yasin nach Süden herabzieht90); aus diesem Theil von Udyäna soll unser Ver-
fasser stammen.
Unser Text sagt im folgenden elften Kapitel: Es sind neun grosse Länder in Indien
gewesen: In der Mitte lag Vajräsana, wo Thubpa (= Qäkyamuni) sich niedergelassen hatte.
Vajräsana (rdo rje gdan) wird in der Lebensbeschreibung Cäkyamunis nirgends genannt,
ist aber Name eines Klosters bei Buddha Gaya (Gya), das bei den nördlichen Buddhisten
hoch geehrt wird; in der Zeit der Uebertragung ihrer Lehre nach Tibet war das Kloster
0(i) Ich citire nach Brihadäranyakopanishad, herausgegeben von Böhtlingk (Petersburg 1889) S. 94.
S7) D. Ch. J. Ibbetson, The Census of the Panjab (Calcutta) 1883 p. 240.
8S) Bull or am Mullick BA, The Hindu Family in Bengal (Calc. 1882) p. 71. Dieser Haarbüschel
hat bei Erwachsenen eine Länge bis zu 7—8 cm: Bombay Gazetteer Vol. 21. S. 185.
891 A.rch. Survey Vol. 12. 226 u. 18. 27; zu dem Funde von Führer in Nihliva an der Banganp;i
in Nepal stimmt die Bestimmung der Lage dieses stüpa, die ihm dort A. C. L. Carlleyle giebt,
kaum mehr.
90) Waddell, Sikkim Gazetteer p. 244; Lassen, Incl. Alterthumskunde Vol. I. 424. III. 886 (504);
Atkinson. Himalaja Gazetteer Vol. II p. 431; Drew: Jammu & Kashmir, London 1875. (5. 458.
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der grösste Wallfahrtsort.91) Um Vajräsana werden folgende gling = dvipa, Insel, Reiche
gruppirt: im Osten Bhangala (Bengalen), im Süden Bheta, im Westen Udyäna (Urgyan),
im Norden Kache (Kasmir), im Südosten Zahor, im Südwesten Khang bu (Häuschen), im
West-Nord Zangs gling (Kupferland, Guge), im Nord-Ost Kämarüpa (Assam). Den wich-
tigeren unter diesen Reichen widmet unser Text eigene Kapitel und zwar:
Kapitel 38. 39 und 40 n) vom Königreiche Zahor;
Kapitel 42. Die Bekehrung des Königs Acoka;
Kapitel 43. Die Begründung der Lehre in den Ländern Bheta und Singala;
Kapitel 44. Der Thronraub in Bhangala;
Kapitel 45. Die Bekehrung des Reiches Udyäna.
Sodann ist im zwölften Kapitel „Reihenfolge der Länder von Urgyan" gesagt: Urgyan
(Udyäna) umfasst zwei Drittel von Jambudvipa; es hat einundzwanzig dvipas (siehe auch
Text nach Note 63), achtzig Millionen Orte, sechsundneunzig grosse Städte, seine Hauptstadt
ist mDzes ldan = Cärumati (?), die Schönheit Besitzende. In seinem Osten befindet sich
das Land Jambumäla, im Süden das Land Parvata, im Norden Nägasiddhi; im Westen
Kaka (d. i. Käka, Krähe) — Sambhala, im Südosten das Land des Risi, Feuergott, im
Südwesten das Land der Räksasas, im Nordwesten das des Windgottes, im Nordosten das
Hindernissland. Die Aufstellung ist zwar schablonenhaft, wenn man damit die Vertei-
lungen vergleicht, wie sie in den tibetischen heiligen Büchern nach Weltgegenden sich
eingebürgert haben93); allein wichtig ist, dass Udyäna als indisches Land behandelt wh'd.
Ebenso ist von grossem Belang, dass Urgyan nicht als Grenzland im Westen gegen die
Tazig (die Tajik jenseits der Suleiman-Kette) gilt, sondern dass man als solche Sambhala
und andere Länder nennt, wie in unserem Werke die Aufzählungen der Länder im zweiund-
fünfzigsten und siebenundneunzigsten Kapitel ergeben.94)
Wir haben demnach Urgyan in Indien und westlich von Vajräsana in Magadha, öst-
lich von Sambhala zu suchen. Swat kann es nicht sein, weil der Buddhaglaube dort schon
bekannt war, dasselbe also nicht mehr bekehrt zu werden brauchte; anderseits muss sich
aber Udyäna daran angliedern lassen, denn die Reiseberichte der chinesischen Pilger lauten
zu bestimmt,95) und es darf die Lage mit der sonstigen Topographie Indiens nicht in Wider-
spruch stehen, denn sonst müssten zwei Udyänas angenommen werden, wozu jedoch jede
Berechtigung fehlt.
91) Siehe L. A. Waddell, Site of Buddhas Death JA SB. 1892. Part I, p. 33.
92) Im Holzdruck ist jedes Kapitel um drei Ziffern höher, fcrägi also die Namen 41 h\. weil dort
drei Kapitel über Mandärava eingeschaltet sind.
93) Statt besonderer Ausführungen verweise ich auf den Abschnitt Godlings and Angels bei Wad-
dell, Lamaism p. 3fi6 ff.
94) Ueber diese Länder wird im zweiten Teile der Abhandlung ttber unseren Heiligen gesprochen
werden.
95) Zur Zeit von Hiuen Thsang bestand im westlichen Himalaja, wo heute nur ganz winzige
Reiche noch bestehen, ein bedeutender Staat. Lyall in Kulu Gazetteer (Lahor 1884) p. 12. Die alten
Kinnäras werden in den heutigen Kanets vermutet (Hiin. Gaz. Vol. 2. p. 286) und diese sitzen nur im
Panjab-Himälaya. Siehe Ebbetson. Censua Report s. v.
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Für die Bestimmung der Lage von Udyäna werden jetzt ausreichende Grundlagen ge-
geben sein. Wassiljew liefert aus der Geschichte der vierundachtzig Zauberer96) fol-
genden Beitrag. Udyäna zählte an 500000 Städte und zerfiel in die zwei Theile Sambhala
und Lankäpuri. Von Sambhala spricht unser Text (12. und 21. Kapitel) als West- oder
Nordland und Gaur Das Bysack97) bringt aus tibetischen Quellen bei, es sei eine weite
Ebene gewesen, umgeben von einem Walle von Schneebergen, gut bewässert durch viele
grosse Ströme. Unser Text legt (fol. 385) Lankäpuri in's Räksasa-Land östlich, nahe von
Urgyan. Wassiljew bringt aus der genannten Quelle die Angabe: Udyäna im Land
Malapuri, darin der Bezirk Karavira mit der Wüste Savara und der Tala-Höhle. Die
Sanskrit- Wörterbücher geben nur Auskunft über Karavira und erklären es als eine Stadt
an der Drisadvati, die sich in die Saraswati ergiesst. Diesen beiden Flussnamen entsprechen
heute Ghaggar und Chittang Nadi; sie vereinigen sich unterhalb Sirsa. Westlich schliesst
sich das Fünfstromland an und auf dieses passt die Beschreibung von Sambhala als einem
Lande bewässert von vielen grossen Strömen. Savara ist in der Litteratur unbekannt als
Name der Rajputana-Wüste, ist dagegen der Name eines in Indien einst weit verbreiteten
Volksstammes, der nach den Volkszählungen von 1871 und 1881 nur mehr in Central-
Indien und von da hinüber bis zur Küste von Bengalen nachgewiesen wird, aber einst eine
westliche Abteilung enthielt, die westlich hinüber bis zum Chambalflusse wohnte und in
verwandten Stämmen dort noch heute anzutreffen ist.98) Westlich der Chambal erheben
sich die Aravalliberge und daran stösst die Rajputana-Sandwüste. Die geographischen Ver-
hältnisse des Fünfstromlandes decken sich sohin mit Sambhala; aber da das Fünfstromland
im Altertum mit anderen Namen belegt ist, so können wir für Udyäna nur einen Theil
in Anspruch nehmen und diess ist der nördliche Theil, der die äussersten Himälaya-
Thäler und das Vorland einschliesst. Die Himälayaberge sind bei klarem Wetter in der
Ebene schon aus weiter Ferne zu sehen,99) der Wall von Schneebergen muss desswegen
nicht in unmittelbarer Nähe von Udyäna gesucht werden. Sodann ist zu beachten die
Sprache der Savara, welche sich anlehnt an jene der Cakas, und die Angaben über die
Cakas als ein Grenvolk der Arier im Norden. Es ergiebt sich hienach für Udyäna das
Land im oberen Panjab unterm Himälaya mit den Grenzländern Kasmir und den
tibetischen Provinzen, besonders Zhang zhung = Guge im Norden, Kumaon und Nepal
im Osten, Panjab im Süden und dem Indus mit seinen rechtsseitigen Gebirgsthälern im
Westen. — Mit dieser Bestimmung der Lage von Udyäna steht auch der Ausdruck in
unserem Texte in Einklang: im Norden des Todtenackers sammeln sich die schwarzen
Wolken von Udyäna; es ist hierin der meteorologische Vorgang angedeutet, dass in den
nördlichen Teilen des westlichen Indiens schon in der kühlen Jahreszeit trübe schwere
9G) Mitgetheilt an A. Schief ner und abgedruckt zu dessen Uebersetzung von Täranätha Vol. 2,
p. 324—5.
97) Journal As. Soc. Bengal 1800, Vol. 59, Part I, p. 70. Zu diesen hohen Zahlen vergl. oben
S. 437 die Beschreibung von Urgyan.
98) Vgl. A. Cunningham, Arch. Surv. Vol. IX. XIII und bes. XVII p. 113. dann Risley, Tribes
of Bengal s. v. , wo alle Nachrichten über diesen einst bedeutenden Volksstamm verarbeitet sind. Der-
selbe zählte 1881 siebenundachtzigtausend Köpfe und ist vereinzelt noch in vielen Distrikten angetroffen
worden. Guge ist die Landschaft nordwestlich von Kumaon.
") Gazetteer of the Ambala District 1883—4, (Lahor) p. 2.
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Wolken bisweilen eine Woche lang andauern und in den Himälaya- Alpen starke Sommer-
regen niedergehen.100)
Für das Südland oder König Cüdas Reich ist kein Name angegeben.101) Buddha
selbst hat bei seinem Auftreten als Lehrer in Räjagriha (heute Rajgir südlich von Patna)
ausgesagt, er stamme her „nahe dem Himälaya aus einer reich gesegneten fruchtbaren
Landschaft Kocala genannt.102) Unser Text erwähnt nirgends Kocala; da aber im Norden
des Reiches sich die schwarzen Wolken Udyänas sammeln und dieses im oberen Panjab
unterm Himälaya zu suchen ist, so wird hienach wie nach dem Selbstzeugniss des Buddha
Cäkyamuni auch das Königreich Cüdas in das Vorland des Gebirges einschliesslich des süd-
lichen Nepals zu legen sein. Hieher als der Geburtsstätte des Stifters des Buddha führen
auch die neuen Entdeckungen von Dr. Führer. Nach seinen Ausgrabungen stand die
Wiege des Buddha im Quellgebiete der Bangangä, und der Fluss, in den diese sich ergiesst,
führt noch heute den bezeichnenden Namen Budhi (sie) Rapti. 103)
In Nepal regierten die Mallas, die Buddha nach den Lebensbeschreibungen über ihn
mit Vorliebe aufsuchte; zeitweise gaben dort die Herrscher auch Nägas, die sich dem
Buddha ebenfalls jederzeit gefällig zeigten. Nägas waren in alter Zeit auch in Gorakhpur
herrschend und traten den Ariern feindlich gegenüber. Es ist jedenfalls als ein späterer
Text anzusehen, wenu in der Biographie Cäkyamunis gesagt wird, die Nägas hätten die
schwer verständlichen Verse nicht begriffen, die er noch als Cvetaketu aus dem Himmel
Tusita herab verkündete. 104)
In der Zeit als der Buddha sich in Varanäsi (Benares) aufhielt, müssen die Arier
dort herrschend gewesen sein; ihre Civilisation breitete sich in Indien vom Triumph des
Buddha als Lehrer bis zum Niedergang seiner Lehre in Indien aus und in dieser Zeit werden
die Namen indisirt (Cüda zu Cuddha geworden), die Legenden geändert und mit Wundern
ausgestattet worden sein.
100) ygi Hermann von Schlagintweit: Klimatologische Bilder aus Indien und Hochasien, Aus-
land 1865, No. 32 u. 43.
ioi) "\yjr naben ohne Zweifel noch weitere Aufschlüsse aus den Bücherschätzen zu erwarten, welche
S. C. Das in tibetischen Klöstern 1879—82 zu sehen bekam; mitgebracht wurden 207 Holzdrucke und
Handschriften, verzeichnet in: Catalogue by Lama Phun thsog Wang dan. (Calc. 1886).
IW) W. Rockhill, Life of the Buddha p. 27. Vgl. H. Oldenberg, Buddha 3. Aufl. S. 114 ff.
103) TJeber die Entdeckungen von Führer folge ich einer Besprechung seines Fundes vom leider
zu früh verstorbenen Hofrat Prof. Dr. G. Bühler in der Sitzung der Wiener Akademie vom 7. Januar
1897 und der Arbeit von Waddell: A. Tibetan Guidebook to the lost Sites of the Buddha's Birth and
Death, JASB. Vol. 65 (1896), Part I, p. 275. Hofrat Bühler schliesst die Anzeige mit den Worten:
„Für die Geschichte der (,'äkya ist es von Bedeutung, dass sie, wie Dr. Führers Entdeckung zeigt,
wirklich zu den Wald-Räjputen im Himälaya gehörten. Diess stimmt mit ihrer Legende." — An Karten
konnte ich benutzen: Map of Nepal, October 1892, 16 miles to 1 inch. nur zum Dienstgebrauch be-
stimmt, mir jedochl gütigst überlassen; District of Basti, 8 Miles = 1 inch; District of Gorakhpur, gleicher
Massstab. Nihliva, deren Nähe Dr. Führer später Lumbini aufdeckte, ist auf der Nepalkarte nicht ein-
getragen, wohl aber die Nachbarstadt Bhagwänpur.
lu*) W. Rockhill, Life of the Buddha p. 46.
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Orts- und Namens-Verzeichniss.
(Die Zahlen in Klammern sind die Seiten des Separatabzuges.)
Amitabha, Gott 423 (7).
Anupamä (dPe med), Prinzessin 424 (8).
Arkä, Gattin von König Curla 432 (16).
Brahmadatta (Thsangs sbyin), König 425 (9).
Cakra vajra ('?), ein Heiliger 423 (7).
Cantaraksi, Königssohn 433 (17).
Cärumati (?) mdzes ldan, Hauptstadt von Udyäna
437 (21).
Cosa dvipa gling (?) so, ein Leichenacker 433 (17).
Coti, Haarschopf 436 (20).
Cüda aus glücklichem Geschlecht, König 422 (6),
431 (15), 435 (19 ff.).
Cüda Bhägavitti, Schüler von Madhuka Paingya
435 (19).
Cuddhodana, König des Kapila 431 (15), 435 (19).
Qvetaketu, Buddha, (Togdkar) 430 (14 ff.), 435 (19).
Dristarästra (yul Okhor srung), König 424 (8).
Gautama, ein buddhistischer Bhiksu 425 (9 ff.).
Guge, Landschaft in Tibet 436 (20), 438 (27),
Anm. 98.
Gunama (mchod oosma)> Schwiegertochter von
König Cüda 432 (16).
Heruka, Schreckgottheiten 432 (16), Anm. 65.
Iksvaku-Kinder 426 (10), Anm. 32.
Kämarüpa, Kloster 431 (15).
Kanakavarna, ein Lehrer (ri.si) 436 (10).
Karavira, Bezirk 438 (221.
Karnika (rna ba can), König 425 (9).
bka thang, Lebensbeschreibungen 421 (5).
okhrungs rabs, Lebensbeschreibung 421 (5).
Kocala, Land 439 (23).
Kuca-Markt, Stadt 428 (12).
Kuco, Geschrei 426 (10), Anm. 26.
Kupferland = Guge 436 (20).
Lebensbeschreibungen incarnirter Lamas 421 (5).
Lehren, die zwei des Padma Sambhava 422 (6).
428 (12).
Lehrer der Knaben, ein Brahmane 430 (14).
Leichenäcker 431 (15), 433 (17).
Mahävyutpatti, Lexikon 425 (9). Anm. 24.
Maitreya, Gott 431 (15).
Malina (mdog nag), Risi 425 (9), 428 (12).
Malla, Volk 429 (13),' 439 (23).
Mrinala (Padmai rtsa lag) 425 (9).
Näga, Volk 439 (23).
rNam thar, Lebensbeschreibung 421 (5),
Nepal, Land 439 (23).
Nihliva, Geburtsstätte des Buddha 439 (23).
Nus ldan rdo rje, ein Heiliger 423 (7).
Padma Sambhava, Heiliger 422 (6).
Potala, Land 425 (9), 428 (12).
(s)Poti, ein Religionsbuch 430 (14).
Räksasa, Land, 437 (21 ff.).
Rütra, zwei Mantra-Kapitel 423 (7).
Sambhala, Land 437 (21 ff.).
Samantäbhäsa (kun tu snang), Stadt 425 (9).
Savara, Volk 428 (22).
Schackal 434 (18).
Schmutzfarbe, Lehrer, s. Malina.
gSung thor, Lebensbeschreibung 421 (5).
Swat, Land 436 (20 ff.).
Tawang, Lama-Staat 419 (3), 435 (19),
Tazig = Tajig, die Länder jenseits der Suleiman-
Kette 43 (21).
Thang yig, Lebensbeschreibung 421 (5).
gTsug phud = Cüda, König 435 (19).
Tugendfreund 430 (14), Anm. 52.
Udyäna (Urgyan) Land 436 (20).
Vajradhära (rdo rje ochang), eine Gottheit 423 (7).
430 (14).
Vajra-Lehre 430 (14).
Vajrapäni, eine Gottheit 424 (8).
Vajräsana, Kloster in Bihar 434 (18), Anm. 76,
436 (20).
Wortführer (smra ba can) 426 (10).
Yul Okhor srung s. Dristarästra.
441
Text -Beilage.
Urgyan guru Fadma 0byung gnas kyis | skyes rabs rnam thar rgyas par bkodpa.
De nas grong khyer kun tu snang zhes par | rgyal po Thsangs byin thsa yang f0i. 39b.
thsa ni | bdun 0bum dgu khri brgya dang bzhi bcu brgyad | mi rnams la ni chos bston
Ood srung gis | thsul khrims slab pa ting 0dzin slab pa dang | ses rab bslab pa gsum
gyis lus can btul | guru thabs ses byings sbyar bya ba byon | rgyal po rna ba can ni
yan cbad du | gsang sngags bla med rdo rje thegs pa gsungs | de nas rtsod ldan dus
kyi tba ma la | thabs ses dbyings sbyor thse yi dus byas nas | nyi Oog rgyal po rna
ba can gyi bu | gautama zhes byar skye bar blangs | yab ni rgyal por zhu ba byas
nas su | drang srong indog nag ces byar rab tu byung | yul gru 0dzin gyi smad
0thsong bzang mo dang | skyes bu gyon can padmai rtsa lag gnyis | gdul byai zhing
du gzigs nas srog blos btan | gru 0dzin nye Okhor lo mai spyil pho byas | nang du
gautama gnas pa la | de thse gru 0dzin smad Othsong bzang mo dang | skyes bu
gyon can padmai rtsa lag gnyis | dga mgur spyodphyir gos dang rgyan thogs chad | Fol. 40 a.
mi gzhan zhig gis Karmapani | Inga brgya thogs nas smad Othsong bzang mo la [
dga mgur spyad kyi thsur sog smras pa dang | bsam te padmai rtsa lag brdzun btan
nas | nga dang lhan cig rtse bar gyur pa la | de nas bzang moi bu mo mngag gzhug
mas | skyes bu padmai rtsa lag la bzlas te | bzang mos bzod par gsol kyang gri
phyun bsad | de nas bu mo jo mo bsad do zhes | kucoi sgra bton kun gyis thos nas
brgyugs j gyon can padmai rtsa lag skrag nas su | de thser ma bzod ral gri khrag Fol. 40 b.
can ni | drang srong gautamai mdun du bor | smra ba can skye bos thsogs mdun
zhugs | de nas skye boi thsogs kyis yid ma Oos | ral gri khrag can mthong nas smras
pa-ni | sangs rgyas bstan la rab tu byung ba 0dis | bzang mo dang lhan cig dga0
mgyur spyad j dge 0dun bstan pa ci 0dra bsad do bsgrags | drang srong gautamas ma
nyes pai | bden thsig zhi bar smras kyang ma phan te | dam du bcings nas rgyal poi
phyag tu phul | chad pa spyad cings bsad sing la skyon | mkhan po mdog nag gnas su Fol. 41 a.
Ogro ba yis | lam nas mthong ste mdun phyin nas su | smras pa kyi hu bu 0dis ci zbig
byas | goui mras pa mkhan po bden pa gson | goutamai bzang mo ma bsad na | mkhan
pos sku mdog nag po gser du 0gyur | ces pa ma nyes bden pa brjod pa yis | mkhan
pos lpags pa nag po gser du 0gyur | drang srong gser mdog can zhes yongs su grags |
lha mii khyu mchog ngo mthsar can du 0gyur | de nas mkhan pos rdzu 0phrul rgya eher
sprul | Ins la phog nas nie rlung drag poi reg | bsdug bsngal gnas sngon yul spyod pa
yis | „khrig pai Odod chags rjes su dran pa tsam | jo bo zhin de ltar rjes su „dran byas
pas | khu bas thig pa gnyis dang khrag „dres pa | sa la lhung bas sgo nga gnyis su gyur |
nyi mai zer gyi smiu cing brdol ba las | khyeu gnyis byung bu ram sing thsal bzhugs | Fol. 41 b.
de nas smra ba can ni mang po bos | goutama bsad sing rtse nas phab | rgyal po ji
ltar yin zhes dris pa la | gautama de nyi.l m bar gyur | drang srong gser mdog bden
Abh. d. I. CI. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. II. Abth. 58
442
pa brjod pa ni | gautamai bzang mo ma bsad na | las min yyo can padmai rtsa lag
0gyur | ces pai bden brjod 1ha thsogs mkha la byon | rgyal po dmangs kyi thsogs la
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Fol. 42 a. ge byung bar 0gyur | de nas 0iag Ochom yyo byed mang por 0gyur | thse 0dir logs par
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Fol. 42 b. bai khrirns kyi 0dzin | dngos po ngo bsrungs phra moi phyogs min pas | 0jig rten
skyong ba rgyal pos khrirns bzhin drangs | tha dad pa rnams dad par bgyi ba dang |
dad pa rnams ni slar gyis dad par bgyi | mi bsrun yjo can ngan pa odul bai phyir j
dpa brtag go cha sra zhing mthsan rno ba | sa gzhi rab tu yyo bai las byed na | cha
lug gzhan kyang nye Okhor Okhod par 0gyur | char chu dus babs rgyal khams lo legs
cing | mi rnams kun la bde legs byung ba dang | mi nad phyug nad la sogs chad pa
dang ] chos kyi bstan pa byung bar smos ci dgos | de skad 1ha rnams kun gyi smras
pa dang | rgyal po chen po bzhin mdun lhag nas | gautama dpa bo khyod la ni
gser gyi mdog dang bsod nams brgya yi mthsan | lta pa sdug cing mig tu mngon mdzes
pa | 1ha stong bye ba rab tu dga bar byed | skye bos mthong na dga bai lus thub
Fol. 43 a. cing | bskal pa dag ni bye ba brgya stong phrag | rgyai so rtsa dgur Okhor los bsgyur
rgyal 0gyur | fsa steng mi rnams ral gri gar song ltos | ces pai thsig smras rgyal chen
sde bzhi yis | ral gri khrag can nam kha dbyings la bor | bzang mo bsod mi su yi
steng du sog | smon pa bor bai ral gri thog du 0gyur | padmai rtsa lag steng 0bab
shi bar 0gyur | thog zer bu mo Ogrogs spyod gnyis la phog | gautama sum cu sum du |
sku gsum ston pa kuntu 0chang zhes par | skye bo blangs te chos stongs chen por 0gyur |
rgyal po de nyid khrirns la mkhas par 0gyur | Urgyan guru Padma „byung gnas kyis j
skyes rabs rnam thar rgyas par bkod pa las | bstan pa gnyis ldan byung thsul bstan pai
leu ste brgyad pao ||
Fol. 43 b. De nas kun mkhyen kun gzigs kun tu 0chang | gsang sngags bla med rdo rje theg
pa bstan | bram ze khyeu bla ma thse Ophos pa | dam pa tog dkar zhes bya ba ston
pa la | dbang gi chu bo chen po bzhi phab ste | yongs su 0dzin pa dge bai bses snyen
dbang | phyi chas brgyad sprul pai sku ru bskur pa | chos bka gtad pa spo ti gleg
bam dbang | nang gi chas brgyad longs spyod rdzogs skur bskur | rig pai rtal dbang
yid dam lhai dbang | gsang bai chas brgyad chos kyi sku ru bskur | yongs rdzogs
phyag rgya chen po mchog gi dbang | dbang gi chas bcu mi 0gyur rdo rjer bskur |
sku lngai bdag nyid bla ma rdo rje 0chang | yongs 0gril lta ba spyi 0jam sngon byung
bskur | de dag dgos dbang rdzogs par bskur byas nas | de nas spyi dbang bcu bskur
ba ni | bdnd rtsi thob phyir thse dbang rdzogs par bskur | sems ses phyir na sems la
dbang bar bskur | ratna nam kha mdzod phyir brnyed par bskur | bag chags dang bcas
443
las kyi lam gcad phyir | las lam chad pa tiug „dzin dbang bskur ro | bsam gtan brnyed p0i. 44 a.
phyir skye bai dbang yang bskur | lhun 0grub 0jug pa thob phyir rdzu 0phrul bskur |
zad pa skyed mched thob phyir mos par bskur | bsam pai don thob bya phyir smon lam
bskur | lus ngag yid kyi las thob ye ses bskur | chos dbyings yang dag mtha mnyam
dri med phyir | chos la dbang bai dbang dang bcu bskur ro | khyad par dbang ni nyi
su rtsa Inga bskur | skui dbang Inga spyi bos gtsug tu bskur | gsung gi dbang Inga
mgrin pai gnas su bskur | thugs kyi dbang Inga snying khai gnas su bskur | yon tan
dbang Inga lte bai gnas su bskur | 0phrin las dbang Inga yan lag kun la bskur | 1ha
rgya stod gis bstod cing bskur ste sngags | sil bsnyan sgra dang glu dbyangs sgra las
bskur | de nas tog dkar mi yi yul du byon | 1ha Okhor rnams la byams pas chos Fol. 44 b.
ston gyur | de phyir tog dkar rang gis dbu nas su | thod dang cod pari byams pas
dbul bzhag | khyod ni nga yi Oog tu sangs rgyas 0gyur | ces pai lung bstan dbang
bskur zengs bstod nas |
ser skyai rgyal po zas gtsang sras su gsegs | de nas bla med ston pa kun tu
0chang | mi yul yoga gsum gyi 0dul bar gzigs j 0bras bu gsang sngags rdo rje theg pa
0di | 1ha bu ye ses tog gi rgyal mthsan zhes | dbang gi chu bo chen po bzhi phab
nas | 1ha mangs dbus kyi khyu mchog mnga gsol te |
rgyal po gtsug phud rigs bzang sras su gsegs | de yi gsegs yul nub phyogs
urgyan yul | yul gling nyi su rtsa geig yod pai dbus | urgyan sprin nag 0dus pai dur
khrod byang j kämarüpai gtsug lag kliang zhes pa | rgyu ni rin chen sna thsogs las Fol. 45 a.
grub pa | dbyibs ni zlum po mdog ni mthing ste | Ihu khang thsad ni thsangs pai
Odom gang pa | phyogs bzhi dag la sgo ni bcu drug pa | 0byed gcod thams cad dus
geig byed pa yod j mkha Ogroi bdag byed rang 0byung gstug lag khang | ucalayi
gtsug lag khang kyang zer | lung du bstan pai gtsug lag khang kyang zer | ghandhola
yi gtsug lag khang kyang zer | de yi bdag po Odod pa 0di bzhin byed | rgyal po gtsug
phud rigs bzang zhes bya te | btsun mo mchod Oos ma zhes bya ba la | rgyal bu
mthse mo gnyis ni dus geig skyes | rgyal po gnyis la dus geig khab bzhes nas | sras
gang snga bar rgyal sar Odon no gsungs | chung ma gnyis ni nyi ma geig la blangs |
rgyal po gtsug phud rigs bzang zhal na re | rgyal bu gnyis ni dus geig skyes pas na j Fol. 45>.
skad ni gang snga geig la rgyal sa bkod | nga yis yyas ^yon dag la nyol cig gsungs |
thor gtsug can gyis btsun mo gunamä | snyid du log pai za zii rmi lam na | lus
nas mi chen dkar po geig thon nas | rtsi sing nags tsal thams cad gcad pai sul | sa
dkar byug te rnam par dkar bas rmis | geig la mo yi lus nas mi nag thon | mgo bo
nyi zlai gseb thsangs pa rmis | rgyal po nyid la thug nas Ood zer na | kha dog Inga
byung nyi zlai gseb sod rmis | nang par rmi ltas nga bzang nga bzang zer | rmi ltas
mkhan po bos nas dris pa yis | mi dkar de ni Ogro bai don byed pai | rgyal bu sprul
pai sku geig „khrungs pai brtags | rtsi sing bcad pa gdug pa 0dul bai brtags | sa dkar
bstan pa rgyas pai rtags yin zer | geig gis lus nas mi nag thon pa ni | rgyal sa 0dzin pai Fol. 46a.
sras Oongs lung bstan no | lo dus dpyid zlar bai rgyal gyi ny di nyin | bu re skyes te skad
kyang snyam po ston | ltas bzang byung pas thor cog can na re | ltas bzang nga yi
bu yi ltas yin zer | rab rtsal nga yi bu yi ltas yin zer | rgyal pos rgyal sa nga yi bus
thob zer | de nas rgyal pos rgyal srid mi rnams bsdus | rgyal bu gnyis la btsas ston
chen po byas | bram ze mthsan mkhan bu yi mthsan rtags pas | rab btsal bu la thor
cog can du rtags | thor gstug bu la cäntarüksi rtags | blon po rnams kyi rgyal po
444
sus byed dris | bzhin bzang che ba geig gi rgyal po bgyis | zer bas thor cog can de
Fol. 46b. rgyal sar ston | cäntaraksi thar mthams 0dzin du beug | de nas 9äntai rgyal srid ma
thob pas | gang kyang kho dang nga nyid ninyatn pa la | rgyal po khos byed nga yi
0bangs byed pa | 0di lta bu ni Oos pa ma yin snyarn | rgyal srid nyid la gnod pa ci
0gro byas | chad pa gcad nas mtha la spyags par 0gyur | de nas rgv gar rdo rje
gdan gyi nub | dur khrod chen po so so gling bya bar | mtha bs'- . du ni dpag thsad
geig yod pa | de nyid dbus na rang 0byung mchod rten na | rgya che dpang mtho Okhor
lo gdug dang bcas | rgya ni rin chen dngul las byas pa yis | dril bu yjer khai dra ba
dra phyed spras | nyi ma dang ni zla bai brgyan pa la | de Oog ri mo brgyad ni rang
byon pa | de yi byang sar raun thang zhes byai mthso | nang na chu srin la sogs
srog chags gzugs ] mtha ma sna thsogs 0dus pai brag ris bskor | de yi lho nub 0jig
Fol. 47a. rten 1ha rten ni | sing nags netota zhes bya ba la | steng na ngur bya nag pos thangs
yod pa | rked la dug sbrul nag pos thsangs yod pa | 0jig rten 1ha ni dga byed gzhon
nu zhes | gdong pa seng ge lag bzhi ral gri dang | mi mgo gtun sing rtse la mi ro
bkal | thod pai phreng bai lus kun rgyan byas nas | lus la dar nag sngo khrai ber
chen gsol | gsod byed ma mo 0bul gyi bskor nas ni | glang po che gzhon sa dang
khrag la dbang | de la mkha Ogro ma thsogs dpag med bskor | la la seng ger gzhon
nas skra grol ma | lag na thod pa dgu rtsegs rgyal mthsan 0phyar | la la bya thsogs
gzhon nas ca co Odon | la la seng gei rgyal mthsan mkha la „phyar | la la lus geig
dong beu rgyu snying zla | la la bu med nag mo ral nyil ma | kha yi nang nas khyi
spang 0bung bar byed | la la mi lus bsog pa nam kha mnyams | gnam leags thog gi
Fol. 47 b. char pa babs par byed | lag pa dag na stag gi rgyal mthsan thogs | la la rang gi lus
kyi stod smad 0brel | la la rang lus yan lag bcad sas su | phyogs bzhi mthsams brgyad
dag la gtor bar yod | de ltar rdzu 0phrul sna thsogs ston byed cing | dpag tu med pa
brjod kyi mi lang pa | de na ngur bya ngur phag dug sbrul dang | lee spang kha dog
mi „dra mang po dang | spang ki kälaka la sogs pa dang | mi ro gsar rnying dpag tu
med pa dang | sa dang rus pa khrag gi rgya inthogs dang | mi mgo skam po rlon pa
rnyin pa dang | gcan zan la la ro 0grang la la za | la la rgyug cing la la ngu ba
dang | la la mig 0byin la la rkang pa 0cha | rus pa mur dang sa za rgyu ma 0phen
Fol. 48a. rab tu „jigs sing kyi bung dur khrod der | cäntaraksita yi phrin nas su | Od mai gzhu
byas sing la mda thogs nas | pho rnams bsad cing mo rnams spyang pa las | mkha
Ogro ma yi thsogs kyi yongs su bskor | ting „dzin skyongs zhing brgya dang dgu beu
bzhugs | de nas sprin ldan rgyal khams „dul bar dgongs | thsogs nas phung po lhag
med „ja ltar yal | Urgyan guru Padma „byung gnas kyis | skyes rabs rnam thar rgyas
par bkod pa las | rgyal po gtsug phud rigs bzang gi sras su „khruogs pai leu ste
dgu pao |!
Die
rhetorischen Kunstausdrüeke
m
Notkers Werken.
Von
Johann Kelle.
(Fortsetzung der Abhandlung Die philosophischen Kunstausdrücke in Notkers Werken
in Band XVIII Abth. I v. J. 1886.)
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d.Wiaa. XXI. Bd. III. Abth.
59
mcht bloss die grossen, sondern auch die kleinen Denkmäler der
ahd. Periode sind bereits, zum Theil mehrfach, kritisch und exegetisch be-
handelt worden. Der Wortvorrath der grösseren Denkmäler wurde in mehr
oder minder ausführlichen Glossaren selbständig verzeichnet. Nur bei den
zahlreichen Werken Notkers des Deutschen sind wir noch immer auf
Abdrücke meist ungenauer Ueberlieferungen angewiesen. Der Wortvorrath
derselben hat abgesehen von dem des Wiener Psalmen- Codex J) noch keine
Bearbeitung gefunden, denn als solche kann nicht gelten, was Graff in seinem
ahd. Sprachschatze aus den einzelnen Werken Notkers angeführt hat.2) Und
doch erfordert gerade der Notkersche Wortvorrath eine eingehende Behand-
lung. So schöpferisch wie er hat gleichzeitig kein anderer Schriftsteller in
die Entwickelung der deutschen Sprache eingegriffen. Nicht bloss erstaunlich
gross ist der Wortreichthum, über den er verfügte, sondern auch eigenartiger
als der irgend eines Schriftstellers der ahd. Periode. Er hat die deutsche
Sprache zu wissenschaftlichen Erörterungen verwendet, zu denen bis dahin
nur die lateinische gebraucht worden war. Was Notkers Sprache hiebei noch
besonders charakterisirt, sind die deutschen Kunstausdrücke. Die philo-
sophischen habe ich 1886 in Band XVIII, Abth. I dieser Abhandlungen dar-
gestellt, im Nachfolgenden will ich die ebenso wichtigen rhetorischen erörtern.
1) R. Heinzel, Wortschatz und Sprachformen der Wiener Notker- Handschrift. I.. IL, III.
Sitzungsberichte der phil. -historischen Classe der kaia. Akad. der Wissensch. in Wien. 1880, 1881, 1882.
2) Graff hat überdies die Schriften Notkers in einer Weise citirt, als wenn er den Versuch,
eine citirte Stelle aufzuschlagen, nach Möglichkeit hatte erschweren wollen. Alle Stellen aus Marcianus
Capella, ein Buch von 136 enggedruckten Seiten, sind mit Mcp, alle aus Boethius (in der Grafischen
Ausgabe 289 Seiten) mit Bo 5 citirt. Auf die Abhandlungen xaztp/oolai und xegi egfiTjvsiag, die in der
Grafischen Ausgabe 132 Quart-Seiten füllen, ist mit Org. verwiesen.
5!>'
448
Schon bei der Erklärung der Schrift ,De consolatione philosophiae' des
Boethius, mit der Notker seinen, wie er sagt, beinahe unbekannten Versuch
begann, lateinisch Geschriebenes ins Deutsche zu übersetzen,1) hat er in Buch II,
Cap. 3 aus den "Worten: ,Ista sunt quidem speciosa oblitaque melle rheto-
ricae et musicae dulcedinis' Veranlassung genommen, Wesen und Stoff der
Rhetorik, sowie die ,status legales et rationales' zu erläutern. Der Inhalt des
eingeschobenen Excurses findet sich weder in dem Kommentare, noch in den
Scholien, die Notker bei seiner Erklärung des Boethius benutzt hat (s. J. Kelle,
Die Grundlage, auf der Notkers Erklärung von Boethius ,De consolatione philo-
sophiae' beruht, Sitzungsberichte der philos.-philol. und histor. Classe der k. bayer.
Akademie der Wissenschaften, 1896, S. 350). Er ist von Notker selbständig
verfasst, und zwar mit Benutzung von ,Ciceronis Rhetoricae libri duo', auf die
Notker De consol. 59b 19' 20 2) auch verweist. Solch gelegentliche Erörterung ein-
zelner Aufstellungen der Rhetorik erschien aber dem gewissenhaften Lehrer
zur Ausbildung seiner Schüler nicht hinreichend. Er entschloss sich deshalb ein
vollständiges Lehrbuch der Rhetorik zu verfassen. Die Sprache desselben ist
lateinisch.3) Die Kunstausdrücke aber sind zum Zwecke des Unterrichtes mit
wenigen Ausnahmen auch deutsch angeführt.
In dem Kataloge der St. Galler Bibliothek vom Jahre 1461 4) ist die
Rhetorica Notkers nicht verzeichnet. Es war also, wie angenommen werden
darf, damals kein Exemplar derselben in der Klosterbibliothek, wo früher
sicher Original und Abschriften der Rhetorik bewahrt wurden. Sie sind gleich
anderen Werken Notkers, vielleicht zunächst leihweise, in andere mit St. Gallen
im Fraternitätsverhältnisse stehende Klöster gekommen, wo sie dann wieder
abgeschrieben und excerpirt wurden. Und von solchen neuerlichen Abschriften
sind drei auf unsere Tage gekommen. Keine derselben enthält aber den
Text des Notkerschen Lehrbuches in seiner ursprünglichen Anordnung und
Fassung. Während ferner in dem aus Benediktbeuern stammenden Codex
lat. 4621 der königl. Bibliothek zu München der Notkerschen Rhetorik ein
J) Ausus sum facere rem pene inusdtatam, ut Mine scripta in nostram conatus sim uertere.
Notkers Brief an Bischof Hugo IL von Sitten. J. Grimm, Kleinere Schriften. Band 5, S. 191.
2) Die Citate aus den Werken Notkers beziehen sich immer auf den Text bei H. Hattemer,
Denkmahle des Mittelalters. St. Gallen 1844—1849. Band 3.
s) Non solum haec, sed et novam rhetoricam et computum novum et alia quaedam öpus-
cula latine conscripsi. Notkers Brief an Bischof Hugo von Sitten. J. Grimm, Kleinere Schriften.
Band 5, S. 191.
4) Im St. Galler Codex 1399; s. Weidmann, Geschichte der Bibliothek von St. Gallen.
184Ü. S. 421.
449
Dialogus de dialectica et rhetorica vorausgeht, der meist wörtlich aus Alcuin,
De rhetorica et de virtutibus und De dialectica1) ausgezogen ist, wurde in
dem aus St. Gallen stammenden Codex C 121/462 der Züricher Wasserkirch-
bibliothek der eigentliche Anfang derselben, sowie einzelnes im Contexte weg-
gelassen. Am nächsten, scheint es, steht dem Original, was Umfang und
Fassung anbelangt, der Text in dem aus Cues stammenden Codex 10662 der
königl. Bibliothek zu Brüssel. Doch erhebt er selbst nicht den Anspruch auf
Vollständigkeit, denn an der Spitze steht: Excerptum rhetoricae Notkeri
magistri. Namentlich fehlt in demselben die Darstellung der Schlüsse. Es
heist darüber wie in der Münchener Handschrift — in der Züricher fehlt
die Stelle — S. 563 a:u nur ratiocinatio i. eines dinges irräteni föne andermo;
quod non sit scriptum de eo quod scriptum est.2)
Alles aber, was die drei Handschriften von Notkers Rhetorik aus-
weisen, ist mit Ausnahme des Schlusses, der S. 576 — 585 zum Theil wörtlich
aus des Marcianus Capeila Satirae Lib. V, § 508, 509, 512, 513, 514, 519,
520. 526, 528, 540, 543 entnommen ist, auf Grundlage der Rhetoricae
libri duo Ciceronis bearbeitet. S. oben S. 448. Auch Q. Fabii Laurentii
Victorini Explanationum M. T. Ciceronis libri duo sind an einigen Stellen
zu Rathe gezogen worden.
Ciceronis rhetorica kommen im Breviarium librorum de coenobio
St. Galli, welches die zum allgemeinen Gebrauch der Brüder bestimmten
Bücher verzeichnet,3) nicht vor. Auch des Victorinus Kommentar zur Rhe-
torik des Cicero war bis ins zehnte Jahrhundert hinein — so weit reicht das
Verzeichnis — in der allgemeinen Bibliothek des Klosters nicht vorhanden.
In den privaten der Aebte Grimald und Hartmot fehlten sie gleichfalls.4)
Notker hatte die beiden Bücher von dem Abte von Reichenau zum
Pfände erhalten, als er diesem auf seine Bitte die dem Bischof Hugo von
Sitten gehörigen Philippica Ciceronis und des Boethius Kommentar zu den
Topiken des Cicero lieh.5) Ob die Bücher des Bischofes Hugo in St. Gallen
') Albini Opera. Cura et studio Frobenii 1777. tom. II, vol. 1, pars IV, pag. 313, 334.
2I s. Joh. Kelle, Die St. Galler deutschen Schriften und Notker Labeo. Abhandlungen der
k. bayer. Akademie der Wissenschaften I. (1. XVIII. Bd. I. Abth. 1888.
3) Im St. Galler Codex 728 und 267; vergl. Weidmann, Geschichte der Bibliothek von
.St. Gallen, 1846. S. 366 ff.
*) Im St. Galler Codex 267; vergl. Ratperti Casus s. Galli, cap. 9; Pertz, Script, tom. II,
pag. 70, 72; vergl. Weidmann, a.a.O. 8.396.
5) Libros vestros i. Philippica et Commentum in Topica Ciceronis petiit a me abbas de Augia
pignore dato, quod maioris praetii est. Plnris namque est rhetorii a Ciceronis et Victorini nobile com-
mentum, quae pro eis retineo, schrieb Notker an Bi-ohof Hugo von Sitten; s. .1. Grimm, Kleinere
Schriften, Band 5, s. 191.
450
copirt wurden, lässt sich nicht feststellen. Wahrscheinlich aber ist, dass sie
Notker nach Sitten zurückgeschickt hat. Im Katalog vom Jahre 1461 kommt
nämlich keine Eintragung vor, die auf Ciceros Rhetorik und den Kommentar
des Victorinus gedeutet werden könnte.
Die Brüsseler und Münchener Ueberlieferung der Notkerschen Rhe-
torik beginnt S. 560 mit einer kurzen Einleitung, die im Anschluss an
Victorinus von der natürlichen und künstlichen Beredtsamkeit handelt und
56 la26 — 562 a36 aus dem ersten Buche von Ciceros Rhetorik die Capitel 24
und 25 wörtlich anreiht, Sie erklärt dann in dem ersten Capitel De materia
artis rhetoricae nach Cicero, Rhet. Lib. I, cap. 5 materia als taz man haben
scal ze werche, ut causa est quam exigit rhetorica sine qua ipsa nihil operis
habet.1) Res et negotia de quibus fiunt controversiae causae dicuntur (Cicero,
Rhet. I, 6). — Causa (Streitpunkt) wird übersetzt mit machunga des strites
562 b,!, strit 562 bI?. Die Veranlassung zum Process ist aber dreifach: 1. iu-
dicialis (gerichtlich; Cicero, Rhet. 1,5) — tiu dinchlicha 562 b2", quae con-
siderat, quid aequum, quid iniquum, quid iustum, quid iniustum ; stritet man
umbe reht unde uinbe unreht. De consol. 55 b '. 2. deliberativa (berathend ;
Cicero, Rhet. I, 5) — tiu sprächlicha 562 a27, De consol. 55 b23, quae deliberat
— pimeinit vel gechiusit vel ahtöt, tüot deliberationem — einunga, bemeineda.
De consol. 55 b21 — , quid faciendum vel non faciendum sit, 3. demonstrativa
(beweisend; Cicero, Rhet, I, 5) — thiu zeigönta, chiesenta 563 a2; De consol.
55 b15, quis dignus sit imperio, vel episcopatu et versatur tota in laudando
vel vituperando. Jede von diesen drei Arten theilt sich wieder in status
legales und status rationales 563 a8. Legalis (das Gesetz betreffend) heisst der
Streitpunkt, welcher aus dem Wortlaut des Gesetzes entsteht, wenn diesen
Verschiedene verschieden erklären; vergl. 569 a29. Wenn man darüber streitet,
wio redolih taz si, daz man tüot aide ratet, föne dero ratione — föne dero
redo — heisst der Streitpunkt rationalis 563 a13; De consol. 55 b32.
Der status legalis (cf. 567 b26; 568 a31; 569 a29; De consol. 56 a5; Cicero,
Rhet. I, 12; II, 51) ist fünffach: 1. Scriptum et sententia [voluntas] — scrift
unde willo 563 a17. 2. ambiguae leges (cf. 568bn; De consol. 56 a 2I). 3. con-
trariae leges (cf. 568 b'24; De consol. 56 a17. 4. definitio — rehtsaga waz
ez si 563 a2j; notmarchunga, gnötmezunga De consol. 56 a27. 5. ratio-
l) Waz ist iro (rhetoricae) materia äne der strit; so der strit errinnet, so habet si werh. De
consol. 55'' ?.
451
cinatio — eines tinges irräteni föne andermo 563* 8*; cf. 568 a3'; festenunga
De consol. 56 b 7.
Der status vel constitutiones rationales gibt es vier ; Cicero, Rhet. I, 8. 9 ;
Victorinus pag. 180 seq.: 1. Coniectura — rätisca 563 b5; De consol. 56 b 1T.
2. definitio vel finis — des namin forderunga vel scafunga vel endunga 563 b l0;
gnotmezunga 572 b22. 3. qualitas. 4. translatio — wehsei 563b19; misse-
sezzeda De consol. 56 b33. Qualitas (Cicero, Rhet. I, 11) theilt sich in iuri-
diciale — strit umbe diz tietreht 563 b26; cf. 569 a24 und negociale — strit
umbe daz kewoneheite 563 b27; cf. 566 aH; De consol. 57 a31.
Theile des iuridiciale (Cicero, Rhet. I, 11) sind a) assumptuosum (un-
vollständig) — daz antseidiga, quod assumit defensionem — antsegida 563 b32;
b) absolutum (vollständig) — par 563 b2y; De consol. 57 b7, quod non assumit
defensionem — antseida 566b16; De consol. 57 bS.
Theile des assumptivum (Cicero, Rhet. I, 11) sind: 1. concessio (Zuge-
ständnis) — kejiht 564 al; De consol. 57 a73. 2. remotio (Zurückschiebung)
— abenemunga 564" 2; cf. 566b19; De consol. 57b27. 3. relatio (Abwälzung)
— widerwerfunga 564 a5; widerechereda De consol. 57 b23. 4. comparatio
(Vergleichung).
De concessione fit (Cicero, Rhet. I, 11): 1. purgatio (Reinigung) —
unsculdigunga 564aI0, 567 bl; antseida De consol. 58 a6. 2. deprecatio (Ab-
bitte) — gnädönfleha 564a"; cf. 567a22; vleha De consol. 58a6.
Purgatio (Cicero, Rhet. I, 11) umfasst: 1. imprudentia (unbewusster
Fehler) — unwizzentheit 564a'3; cf. 567 b3; De consol. 58 a23. 2. casus (Zu-
fall) — ungewändiu geseiht 564 aH, 567 bu; keskiht De consol. 58 a13.
3. necessitas (Notwendigkeit) — not 564a u, 567 b23; De consol. 58aIs.
Sodann erörtert das Lehrbuch, wie sich status et constitutiones (Streit-
punkte und Feststellungen; Cicero, Rhet. I, 8. 10; Victorinus, pag. 179, 185)
— stata unde gestellida 564al516, strit 564 h2i zu einander verhalten, deren
jeder sich theilt in: 1. intentio (Ansinnen) — anavang tes strites De consol.
58 b7. 2. depulsio (Abwehr) — weri des unrehtes 564 a22; mälizze 564 a21;
De consol. 58 b!*. 3. ratio (Folgerung) — antseida 564 a26. 4. infirmatio
(Entkräftung) — luzeda 564 a3°; De consol. 581'20. 5. firmamentum (Bekräf-
tigung) — festinunga 564 a38.
Status et constellatio, heisst es De consol. 58 b2, die gleichbedeutend
sind, haben ihren Namen davon, taz tie stritenten sih stellent gagen ein
anderen. Intentio unde depulsio, diu machont ten statum. Causae omnesque
partes earum, constitutiones et status et earum partes (s. oben) quaestiones
452
(Untersuchung) — strit 564 b 2i) dicuntui\ Et hae sunt quae civiles dicuntur,
quia inter cives agitantur; sunt enim cives purchliute; civiles — purcliche
strite 569" n.
Den Schluss der erhaltenen Ueberlieferungen der Notkerschen Rhetorik
bildet die Erörterung der Theile der Rhetorik (Cicero, Rhet. I, 7 ; Victorinus
pag. 177 seq.):
1. Inventio (excogitatio rerum uerarum aut verisiniilium quae causam
probabilem reddunt; probabilis heisst lobesam, cloublich 573 b32.
2. dispositio (rerum inventarum et sententiarum in ordinem distributa)
ist übersetzt mit scafunga unde ordenunga des kechöses 575 a6.
3. memoria (firma animi rerum et verborum ad inventionem perceptio)
ist verdeutscht mit kehugida des tu gedähtost ze sprechenne 575 a26.
4. elocutio (idoneorum verborum ad inventionem accommodatio) heisst
rehtkespräche , rehtgechose, dero sculdigon worto legida ze dinen kedän
chin 57 5 b18.
Was dann 576 a4 über die duplex ratio elocutionis gesagt wird, ist aus
des Marcianus Capella Satirae Lib. V, § 508, 509, 512, 526, 528, entnommen.
Als vitia elocutionis 579 a17 quae cavenda sunt in singulis et compositis
dictionibus et quae non sunt idonea ad inventionem werden aufgezählt:
barbara — endirskiu aide fremediu 579 a27; corrupta — sämerartiu 5791'4:
inpropria — tiu unsculdigen 579 b :2; antiquata — firniu vel firworfeniu 579,)22;
turpia — unchiusciu 580 an; differentia — ungehaftiu 580a13; longe repetita
— ze verro genomeniu 580a ,9; insolenter prolata — wider gewoneheite 580a23.
5. Das Capitel de vitiis coniunctorum verborum 5801' 3, das aus Capella
§ 513, 514 compilirt ist, enthält keine Verdeutschungen.1) Die Capitel de
bonis et vitiosis clausulis 581, 582, die gleichfalls keine deutschen Kunst-
ausdrücke enthalten, sind aus Capella, Satirae Lib. V, § 519 — 522 entnommen.
6. Pronuntiatio (ex rerum et verborum dignitate vocis et corporis
moderatio) ist verdeutscht: tiu gerertida, kebärda, kehaba, kewurftigi, kezämi,
sitisämi, zuhtigi dero stimma ioh tis lichamin näh tero geriste dero worto
unde dero dingo 583 b27; pronuntiare heisst ferrenän sagen 584 a6; gestus:
antpära, tätwurchunga, anterunga, werbida 584ili0; moderatio: scafunga,
mezunga, metenscaft 584 a u. Was über pronuntiatio gesagt ist, beruht auf
Capella, Satirae Lib. V, § 540, 543. 2)
x) Es ist aber 581 :1 -<■ 2S litterae in odiuin repetitae mit unlustsanio geaberter püehstab glossirt.
2) In diesem Abschnitt finden sich auch die deutschen Ausdrücke : anterärin (ystrionibüs), prieken
machöndo (ora torquendo), spileliche gebärda (ridiculos motus) mezhaftigi (moderatio), aiiaseurago (in-
Index.
453
abenemunga Seite 451.
anavang des strites 451.
anterunga 452.
antpara 452.
antsegida 451.
antseida 451.
antseidig 451.
bemeineda 450.
chiesenta 450.
dinchlicha 450.
einunga 450.
endirskiu 452.
endunga 451.
ferworf'eniu 452.
festinunga 451.
firniu 452.
vleha 451.
forderunga 451.
fremediu 452.
gebärda 452.
gechöse 452.
gehaba 452.
gehugeda 452.
gejiht 451.
gerertida 452.
geseiht 451.
gespräche 452.
gestelleda 451.
gewurftigi 452.
gezämi 452.
gloublich 452.
gnädönvleha 451.
gnötmezunga 450.
irräteni 450.
lobesam 452.
luzeda 451.
machunga des strites 450.
mälizze 451.
metenscaft 452.
mezunga 452.
missesezzeda 451.
not 451.
nötmachunga 450.
ordenunga des kechoses 452.
par 451.
purcliche strite 452.
rätisca 450.
rebtkechöse 452.
rehtsaga 450.
rehtsprächa 452.
sämerartiu 452.
scrift 450.
scafunga 452.
sitisämi 452.
sprachlich 450.
stata 451.
strit 451.
tätwurchunga 452.
tietreht 451.
unchiusciu 452.
ungehaftiu 452.
ungewändiu geseiht 451.
unsculdigen 452.
unsculdigunga 451.
unwizzentheit 451.
wehsei 451.
werbida 452.
weri 451.
widerechereda 451.
widerwerfunga 451.
willo 450.
zeigönta 450.
zuhtigi 452.
tentione), nf unde niderganden din bräwön nist ze vinstrine, noh ze witsehönne (nee nimiuni gravioribus
superciliis premendi aut petentibus frontem nudandi sunt oculi), hantego sciltit (amare vituperat), noh
ze ltso ne rüore sih (nee molliter agitanti sunt gestus) noh wiblicho ne wanchöe mitten sitön (nee
iimliebriter deducenda sunt latera), noh ne halswerföe ze ungezemero wis (nee iaetanda deformiter cervix)
unzuhte (illecebras) die er teta ziero ni doch komelicho (quibus etsi venuste tarnen non uidebatur uti
viriliter), ze uerro hina gerachter ann stritendo (rnanus in contentionibus fusa gorrectius), unde aber
widei-e gezuhter sagendo (in sermocinatione vel narratione contraeta).
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wia8. XXI. Bd. III. Abth. 60
454
II.
absolutum Seite 451.
ambiguae leges 450.
antiquata 452.
assumptivum 451.
barbara 452.
casus 451.
causa 450.
comparatio 451.
concessio 451.
coniectura 451.
constitutio 451.
contrariae leges 450.
corrupta 452.
definitio 450.
deliberatio 450.
deliberativa 450.
demonstrativa 450.
deprecatio 451.
depulsio 451.
differentia 452.
dispositio 452.
elocutio 452.
finis 451.
firmamentum 451.
imprudentia 451.
infirmatio 451.
inpropria 452.
intentio 451.
inventio 452.
iudicialis 450.
iuridiciale 451.
legalis 450.
materia 450.
memoria 452.
necessitas 451.
negociale 451.
probabilis 452.
pronuntiatio 452.
purgatio 45 1 .
quaestio 451.
qualitas 451.
ratio 451.
ratiocinatio 450.
rationalis 450.
relatio 451.
remotio 451.
scriptum 450.
sententia 450.
status 451.
translatio 451.
turpia 452.
voluntas 450.
Philologische Studien
zu
CLEMENS ALEXANDRINUS.
Von
W. Christ.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. IN. Abth. 61
Wie jeder Philologe, so hatte auch ich schon hundert Male Stellen des Clemens
Alexandrinus nachgeschlagen, auch einzelne Kapitel bei Gelegenheit litterarischer und
historischer Untersuchungen durchgelesen; aber zu einer zusammenhängenden Lektüre war
ich bis zum vorvorigen Sommer noch nicht gekommen.1) Dazu wurde ich erst durch die
ausgezeichneten Untersuchungen von Ant. Elter über die Geschichte und den Ursprung der
griechischen Gnomologien2) angeregt, da ich bei dem Studium derselben bald erkannte, dass ein
sicheres Urteil über die schwierigen, dort angeregten Fragen nur auf Grund einer genauen
Kenntnis des ganzen Clemens und seiner eigentümlichen Arbeitsweise möglich sei. Ich habe
daher die grössere Müsse, die mir nach Vollendung der dritten Auflage meiner Griechischen
Litteraturgeschichte geboten war, und insbesondere die Ruhe des Landaufenthaltes in dem
schönen Traunthal dazu benützt, die Werke des Clemens Alexandrinus im Zusammenhang
zu lesen und dabei auch anderen als gerade den von Elter angeregten Fragen nachzugehen.
Eine Frucht dieser Müsse biete ich in den nachstehenden Untersuchungen über Dichter-
\-v
citate und chronologische Angaben bei Clemens Alexandrinus. Zur allgemeinen Orientierung
schicke ich denselben einen einleitenden Abriss über die Stellung des Clemens zu Wissen
und Bildung voraus. Ich hatte denselben niedergeschrieben, ehe das Buch von Eug. de
Faye, Clement d'Alexandrie, etude sur les rapports du Christianisme et de la philosophie
grecque au IIe siecle, in Bibliotheque de l'ecole des hautes etudes, vol. XII, Paris 1898 in
meine Hände kam. Manches namentlich über die Stellung der ersten christlichen Theologen
zur griechischen Philosophie ist in dem trefflichen Buche ausführlicher und von einem
höheren Standpunkte aus beleuchtet; ich glaubte aber doch meinen Abriss nicht unter-
drücken zu sollen. Der billig urteilende Leser wird finden, dass meine Darstellung aller-
dings mehr von dem engeren Gesichtspunkte des Philologen ausgeht, dass sie aber doch
auch manche, für die kritische Beurteilung des Clemens wichtige Seiten berührt, die dort
ausser Betracht geblieben sind.
!) Diese Zeilen sind geschrieben und der philosophisch-philologischen Classe der k. b. Akademie
vorgelegt im Februar 1899; gemeint ist also oben die Müsse der Sommerferien des Jahres 1898.
2) Ant. Elter, De gnomologiorum graeeorum historia atque origine, de Justini monarchia, de
Aristobulo Judaeo, 9 Programme der Universität Bonn 1893 — 1894/5 in fortlaufender Paginierung;
Corollarium Eusebianum, ebenda 1894/5; De gnom. graec. historia atque origine commentationis ab
Eltero conscriptae ramenta, ebenda 1897.
61*
458
I.
Die Stellung des Clemens zu Wissen und Bildung.
Die dicken Bände des Clemens durchzulesen und Einzelnes dann nochmals wieder
und wieder zu lesen, kostete mich (was soll ich es leugnen?) Ueberwindung. Ich bekenne
mich zwar auch im Allgemeinen zu dem Grundsatz philologischer Wissenschaft, dass es
Sache des Forschers sei, alles, was in einer Sprache geschrieben ist, der Untersuchung
wert zu halten. Aber ich fühle mich daneben doch zu sehr als Mensch, als dass ich mich
durch einen solchen abstrakten Satz leiten Hesse und in einseitiger Verfolgung wissen-
schaftlicher Grundsätze das Schöne und das Oede in der Litteratur mit gleicher Liebe
in die Arme schlösse. Ich erwärme mich nun einmal nur an der Lektüre derjenigen
Schriftsteller, die entweder durch die Tiefe ihrer Gedanken mich geistig zu erheben oder
durch die Schönheit ihrer Darstellung mich ästhetisch zu erfreuen vermögen. Dahin gehören
für mich die Kirchenväter nicht, und auch nicht Clemens von Alexandrien.
Clemens hat zwar viele achtbare Seiten und manche, die ihn von dem grossen Chor der
patristischen Schriftsteller auszeichnen. Als Schriftsteller hat er das grosse Verdienst, zuerst
unter den Christen seine Feder in den Dienst einer grossen litterarischen Aufgabe gestellt und
seine Sätze mit umfassender Gelehrsamkeit durchgeführt zu haben. Als Mensch gewinnt er
unsere Sympathie durch den Ernst der sittlichen Ueberzeugung und die Duldsamkeit gegen
Andersdenkende. Er ist tiefinnerlich von der Hoheit der christlichen Lehre durchdrungen und
stellt in schwunghafter, von warmer Ueberzeugung getragener Sprache die Sittsamkeit und
Menschenliebe der Anhänger Christi den Entartungen des heidnischen Kultes, dem Egoismus der
herrschenden Klassen und den sinnlichen Verirrungen des absterbenden Griechentums entgegen.
Die unerschütterliche Standhaftigkeit der christlichen Bekenner hebt er gegenüber der matt-
herzigen und wankelmütigen Haltung der griechischen Philosophen an der schönen Stelle
Strom. VI, p. 827 ed. Pott.1) mit beredten Worten hervor: rijv juev cpilooocpiav ri]v cEXXi]-
vixrjv eäv 6 zv%cbv äQ%ow x(x>Xvor\, o'ixerai Tiaga^gi^jua, ri-jv de fj/ueregav didaoxaXiav exxoxe
ovv xal rfj tzqojti] /XErayyeXua xojXvovoiv 6/jlov ßaodeig xai tvqcivvoi xal ol xazä juegog
äg%ovreg xal rjyefxövEg jusiä rcöv juio&ocpÖQOJv änavxuiv, ngog de xal rcöv ane'iQtov av&Qdj7ia>v,%)
xaraoTQaTevojLiEvoi re tjjucöv xal oorj övva/uig exxonxew 7ieiQd)/,ievoi, i) de xal juäXXov äv&el.
Und schöner können kaum die Wurzeln echter Sittlichkeit dargethan werden als an der
Stelle Strom. IV 22, p. 625, wonach der Gnostiker oder der zur wahren Erkenntnis
gekommene Christ in seinem Handeln nicht durch die egoistischen Motive der Furcht vor
Höllenstrafen oder der Hoffnung auf Belohnung im Jenseits, sondern einzig durch die Liebe
sich leiten lässt, wenn wir auch statt des mystischen Ausdrucks <V äyäjii]v lieber den
gemeinverständlichen Kantischen Imperativ des Pflichtgebotes lesen würden.
Dabei ist Clemens trotz aller Hingabe an die Sache der Christen kein Zelot und ins-
besondere kein Verächter der griechisch-heidnischen Bildung. Es fehlte schon damals nicht
an Leuten, welche sich mit der schlichten Einfachheit der evangelischen Lehre begnügen
x) Ich werde durchweg nach den Seiten der Ausgabe Potters citieren, da die Seiten Sylburgs zu
gross sind, als dass sich ihre Angabe zum Nachschlagen eignete.
2) Ich habe nach äv&gcöjicov ein Komma gesetzt, um anzudeuten, dass äxsigwv av&Q<äna>v mit fiexä
rcöv /Mo&orpÖQcov zu verbinden ist und nicht etwa als Gen. part. zum Folgenden gezogen werden darf.
459
wollten und gestützt auf Stellen der Bibel und insbesondere des Apostels Paulus in den
Briefen an die Korinther und Kolosser,1) die heidnische Philosophie und Bildung als unnütz
und als Teufelswerk verwarfen.2) Clemens aber war in den gelehrten Schulen Alexandrias
zu tief in die verschiedenen Gebiete des allgemeinen Wissens (zä iyxvxXia /ua^juara) ein-
geführt worden, und hatte insbesondere den Philosophen Plato zu sehr lieb gewonnen, als
dass er in den Chorus jener Bildungsfeinde eingestimmt hätte. Er deutet, und dieses mit
gutem Recht, die angezogenen Stellen des Apostels Paulus so, dass neben der Lehre der
Evangelien auch noch für allgemeine Bildung und wahre Philosophie Platz bleibt.3)
Namentlich tritt er gleich im Eingang seiner Stromateis I 2, p. 327 als ein begeisterter
und geschickter Anwalt der Philosophie auf, indem er sie als ein Werk göttlicher Vor-
sehung (ßeiag egyov ngovoiag) und als eine den Griechen verliehene Gabe Gottes (&eiav
öcogeäv "EXXyjoi dedopevqv) bezeichnet. Seine alte Verehrung für Plato aber bezeugt er
ungescheut in dem Protreptikos c. 6 p. 59, wo er die Untersuchung über das Wesen Gottes
mit den Worten beginnt: ziva dt] Xdßco ovvegyöv zfjg £i]Z}']oecog; ov ydg navzdjiaoiv äjizyvcb-
va/xev oe, ei ßovXst, zov UXdzcova' jzfj dt] ovv e^iyvevzeov zov dsov, cb ÜXdzcov; unter allen
Umständen aber verlangt er, dass man sich nicht auf das Ruhebett des blossen Glaubens
lege, sondern mit Anstrengung seiner ganzen geistigen Kraft nach der Wahrheit und den
Gründen der Wahrheit suche. So sagt er nachdrucksvoll Strom. V 1, p. 650 ztjv nioziv
zoiwv ovx ägyfjv xal /iiövrjv, äXXä ovv t,r]zt]oei deiv ngocpaivEiv cpajUEV.
Selbst auf den Inhalt seiner Sittenlehre hatte seine Hinneigung zur griechischen
Philosophie Einfluss; von Weltflucht, Klosterleben und Cölibat ist bei ihm noch keine Rede;
umgekehrt verteidigt er gegenüber der gesellschaftsfeindlichen Lehre der Gnostiker in langen
Ausführungen (Paed. II, Strom. II und III) das eheliche Zusammenleben und die Pflicht des
Einzelnen, durch Kindererzeugung für die Erhaltung des Geschlechtes zu sorgen. Ja, in
Sätzen wie Paed. II 10, p. 227 zfjv cpvoiv ygt) didäoxaXov ijiiygacpojUEVovg zag oocpäg zov
xaigov ETiizt-joelv naibaymyiag und xazd cpvoiv & äv ywgoU] 6 ßiog äjzag xgazovoi zcov em-
övutoiv ävwdev, jui] xzeivovoi ze Ix Jigovoiag dxixrjg cpvöf.ievov zcov ävdgcoTicov yevog xaxo-
ztyvoig f.it]yavaTg möchte man geradezu das Grunddogma der Stoiker ,naturae convenienter
vivere' wieder erkennen, für welches im übrigen die christliche, das Fleisch bekämpfende,
*) Paul, ad Cor. I 1, 20: ujioXcö zrjv oocplav z&v aoq>S>v xal ztjv ovvsoiv zcöv avvercöv äßsz>]oa>. jiov
zoiwv ygaftfiazevg, nov ov^rjzrjg zov aicövog zovxoi'; ovyl i/j,wgavev 6 &sdg zijv oocpiav zov xöofxov zovzov;
ad Col. 2, 8: ßXijtexz, fi7] zig vuä; sozai 6 avX.aywywv Sid zrjg cpüoaocpiag xal xevtjq djidztjg xazä zr/v nagä-
Sootv zöiv dvdqöiTioiv, xazd zd ozocyeTa zov x6oy.ov zovzov, xal ov xazd Xgiozov. Diese Stellen sind von
Clemens selbst Strom. V 1, p. 647 und V 8, j>. 771 angeführt.
2) Wie die angezogenen Stellen von Zeloten benützt wurden, um die Beschäftigung mit griechischer
Philosophie zu bekämpfen, zeigt unter andern die Stelle Strom. I 1, p. 326: ov XeAtjfts öe (xs xal zd
&QvJLov(ieva xgög zivojv rpocpobe&v, yqrjvai Xsyovzwv jzsgl zd dvayxaiozaza xal avveyovza zr\v nioziv xaza-
yivtoßat, zd de l£<»#«v xal ztegizza vTiegßuiveiv, fidztjv jjfiäg zgißovza xal xazeyovza jzsgl zolg ovöev ovfißaXlo-
fievoig TTgdg zd ztXog' oi <% xal ngdg xaxov dv zr/v (ptXoooqpiav siodedvxevai zov ßtov vo/j.i'Qovoiv ejil kvfirj z&v
uri) oo').-io>v .too? zivog evgezov xovijgov. Aus Strom. I 5, p. 352 ersehen wir, dass jene Eiferer auch in der
Stelle des Buches der Weisheit 1, 7 fiij jigoosye tpavXj] yvvaixi' fielt ydg djioozd'Qsi, and xsiXewv yvvaixdg
rtogvqg die verführerische Hure auf die griechische Bildung (z>)v 'EXXtjvixijv jiacösc'av) deuteten. Vergl.
Norden, Die antike Kunstprosa, S. 674.
3) Gut ist fliese Stellung des Clemens neuerlich gezeichnet von Eug. de Faye, Les Stromates de
Clement d'Alexandrie, in Revue de l'histoire des religions, t. XVIII (a. 1897), p. 307 — 20, und in seinem
oben genannten Werk, Clement d'Alexandrie, Paris 1898.
460
nicht lenkende Lehre so wenig Verständnis zeigte. Manche dieser Anklänge an die Lehren
der alten Philosophen werden freilich darauf zurückzuführen sein, dass Clemens in den
betreffenden Partien starke Anleihen aus Büchern griechischer Philosophen, namentlich in
dem 2. und 3. Buch des Paidagogos aus den löyoi des Stoikers Musonius gemacht hat.1)
Aber mögen auch die Gedanken in jenen Abschnitten des Clemens nicht originell und nicht
in dem Garten seines Geistes gewachsen sein, zur Ehre gereicht es ihm immerhin, dass er
für die Sitten griechischen Anstandes und die schönen Aussprüche griechischer Philosophen
einen offenen Blick und einen empfänglichen Sinn hatte.
Diese Unbefangenheit des Urteils und diese Hochschätzung der griechischen Bildung
nehmen uns für Clemens ein, aber (und damit kommen wir zur Kehrseite des Bildes) ihr
volles Recht lässt Clemens doch der Philosophie und der Forschung nicht zu teil werden;
er fordert wohl auf zum Suchen nach Wahrheit, indem er p. 650 mit dem Evangelisten
Matthäus 7, 7 ausruft: fjjzet xal evgijoeig und von sich aus noch hinzufügt p. 327: ein
süsser Gewinn ist wie dem Jäger das erjagte Wild, so dem Forscher das Wahre, was er
gesucht und mit Mühe errungen hat. Aber er erlaubt nicht, dem mit ehrlichem Streben
Gefundenen nun auch unbedingt zu folgen; er knüpft das Folgen an die Voraussetzung,
dass das Gefundene mit den geltenden Glaubenssätzen in Einklang stehe. Er merkt nicht,
dass er damit der Forschung und der gepriesenen Freude an dem Finden der Wahrheit die
Wurzel abgräbt. Er hat aus der alten Philosophie einen schönen Satz herübergenomrnen,
aber zugleich als neuen Wissensquell den Glauben an eine offenbarte Wahrheit eingeführt,
der mit jenem alten Satz nur zu leicht in Widerstreit kommen konnte. Er ergeht sich
wohl in weitläufiger Rede über die Unterschiede von Glauben und Erkennen, mang und
yvcöoig, und verschweigt auch nicht, dass die Griechen von dem Glauben als einer neuen
Quelle des Wissens nichts wissen wollten, "*) aber mit dem beliebten Umsichwerfen von Bibel-
stellen war in dieser Sache nichts gethan; ernstlich ist Clemens der Frage, ob denn über-
haupt zwei Wege der Erkenntnis nebeneinander hergehen können, nirgends nähergetreten;
er hat nicht einmal den Versuch gemacht, das Gebiet des Wissens und Glaubens von ein-
ander abzugrenzen und so vielleicht für beide Raum zu schaffen. Indes das sind Klippen,
an denen schärfere Denker Schiffbruch gelitten haben, über die von der verschwommenen
Unklarheit unseres Clemens keine Aufhellung zu erwarten war.
Damit hängt nun aber auch die Anschauung zusammen, welche sich Clemens über
das Verhältnis der heidnischen Weisheit zur christlichen Lehre gebildet hatte. Dieselbe
durchzieht wie ein roter Faden alle seine Schriften, so dass besondere Citate überflüssig sind.
In der Darlegung jener Anschauung aber müssen wir etwas weiter ausgreifen.
Schon Eupolemus, der alte jüdische Historiker des zweiten Jahrhunderts v. Chr.3)
hatte hervorgehoben, dass in dem Gebrauch der Schrift die Juden Lehrmeister der Griechen
*) Dieses ist überzeugend nachgewiesen von C. Merk, Clemens Alexandrinus in seiner Abhängigkeit
von der griechischen Philosophie, Leipzig 1879, und besonders von P. Wendland, Quaestiones Musonianae,
Diss., Berlin 1886. Vergl. auch Eug. de Faye, Clement d'Alexandrie, p. 77, der aber nur allzusehr sich
bemüht, die Dürftigkeit der christlichen Tugendlehre und die unpassende Ausdehnung der Anstandslehre
in den zwei Büchern des Paidagogos zu entschuldigen, statt sie aus der Abhängigkeit des Clemens von
seinen griechischen, andere Richtpunkte verfolgenden Quellen zu erklären.
2) Strom. II 2 , p. 432: jtiorig Sk fjv diaßcVJ.ovoi xevijr xai ßdgßaQot' vo/u£ovTes "EXltjvsg, JiQÖhjrptg
fxovoids iau, Osoa^ßslag ovyxaT.d&eoi;.
3) Dieses Datum hat festgestellt Gutschmid kl. Sehr. II 194.
461
gewesen seien, da von den Juden die Phönizier und von diesen die Griechen die Schrift
erhalten hätten.1) Sodann hatten aufmerksame Leser schon frühzeitig, lange vor Clemens,
beobachtet, dass viele Aussprüche griechischer Dichter und Philosophen über Gott und
göttliche Dinge an Stellen der Bibel anklingen, nur dass, was in der Bibel klar ausge-
sprochen vorliege, dort mehr in dämmernder Umhüllung angedeutet sei. Anfangs begnügte
man sich, solche Uebereinstimmungen einfach anzumerken, und hob höchstens nur noch die
zeitliche Priorität des biblischen Ausspruchs vor dem griechischen hervor. So findet Philo
Quis rerum divinarum heres sit I 43, in den Worten der Genesis 15, 10 xd xfirjfiaxa e&i]xev
dvxingöocojia äXXrjXoig bereits den heraklitischen Satz von der Spaltung des Eins in Gegen-
sätze ausgesprochen, und bemerkt dazu, dass also dasjenige, was von den Griechen als eine
neue Erfindung des Heraklit gepriesen werde, bereits früher von Moses gesagt worden sei.2)
In ähnlicher Weise macht Philo, De incorruptilitate mundi c. 4 p. 490 M, zu den Versen
des Hesiod theog. 116
ijtoi juev jzgcoxioza Xdog yevex\ avxäg eneixa
TaV evgvoxegvog, ndvxcov ebog äocpalkg del
die Bemerkung: /xangoTg de xgovoig ngoxegov 6 xcbv 'Iovbaicov vojuodexqg Mcovofjg yevi]xbv
y.al ucp&agxov ecprj xbv xoojuov ev iegaig ßißXoig, und sucht in der Schrift Quod omnis probus
über c. 8, p. 454 M die Quelle des Ausspruchs des Stoikers Zeno ovx oijucbfexai 6 cpavXog
edv ävxiXeyr] xcp ojiovbaicp; in der Bibel Genes. 28, 2 eoixe de 6 Zijvcov ägvoaotiai xbv X6yovy
cooTieg and xfjg mjyrjg, xi]g 'Iovbalcov vofxodeoiag.
Bei diesem Nachweis der Uebereinstimmung und der zeitlichen Priorität bleibt Philo
im Wesentlichen stehen. Ebenso äussern sich die christlichen Apologeten Tatian und Justin
nur in ganz unbestimmter Weise über derartige Uebereinstimmungen. So sagt Tatian ad
Graecos c. 40: TtoXJfj yäg oi y.ax'1 avxovg (sc. "EXJrjvag) oocpioxal nexg^juevoi negiegyia xä
ooa TiaQä xcbv xaxä Mcooea xal xcbv öjuoiojg avxijj cpdooocpovvxcov eyvcooav, nagaxagdxxeiv
eneigdftijoav , .-rgcöxov fiev Iva xi Xeyeiv i'btov vo/xio&cboiv , bevxegov de oncog xä ooa jui]
ovvieoav, bid xivog emjiXdoxov grjxogoXoyiag nagaxaXvnxovxeg, cbg /A,vdo).oyiav xr\v äXrj&etav
ziagaßgaßevocooiv , und ähnlich Justin apol. c. 44: woxe xal ÜXdxcov elncbv (de rep. Xr
p. 617 E) 'ahia eXoixevov , ftebg b" ävaixiog' Tiagd Mcooecog xov 7igocpr]xov ?Mßcov eine'
Tigeoßvxegog ydg Mojorjg xal Jidvxmv xcbv ev "EXXi]oiv ovyygacpecov, y.al ndvxa, ooa negl
äduvaoiag xpv%rjs i) xtjucogicbv xcbv juexd -&dvaxov y decogiag ovgavlcov r) xcbv öfxoicov boy-
J) Clemens ström. I 23, p. 413: EvxöXepog 6k iv zu negl x&v iv zfj 'Iovdaia ßaoiXecov zov Mcovaij <pr)ol
^o,7,zov oorpov ysveoßat xal yga/iuazcxfjv ngwzov zoig 'Iovöaioig nagadovvat , xal nagä 'Iovöaiwv Qoivixag
nagaXaßstv, "EXXip'ag de jzaga. <Poivi'xojv.
2J Philo II, p. 503 M: ov zovz' i'oziv 8 (paoiv'EXXijveg zov (liyav xal dot'dtfiov nag' avzoig "HgäxXuzov,
xf'/ i'u.atoy r/jg avzov jigoazrjoä/isvov (ptXoooyiag, ai'xetv ä>g icp' evgeoei xaivi] ; naXaiov yäg evgepa Mcovoewg
toxi zö ix zov avzov zä ivavzia z/A.t]fiäzwv Xöyov änozeXeioüai. In ähnlicher Weise sind Stellen des Plato
mit Bibelstellen von Philo zusammengestellt, De profugis c. 12 p. 555 und c. 15 p. 558. In dem Leben
Moses II 4 hebt Philo wohl hervor, dass die Gesetze Moses, darin von denen anderer Gesetzgeber ver-
schieden, auch bei anderen Völkern Aufnahme und Nachahmung gefunden haben, führt aber dann zum
Beweise dafür nur die siebentägige Woche in Verbindung mit dem sonntägigen Ruhetag und die strengen
Fasten- und Abstinenzgebote an, noch nicht die Uebereinstimmung von Sätzen des Moses mit solchen
griechischer Philosophen. — Ganz ohne Nebengedanken stellt mit Bezug auf den Stil Stellen des Homer
mit solchen des Gesetzgebers der .luden zusammen der Verfasser des Buches nsgi Syjovs c. (J, den man
wohl mit dem meisten Recht in die Zeit des Philo setzt.
462
judrcov xal cpiX6oo<poi xal Tioirjxal ecpaoav, Tiagä xwv ngocprjx&v rag ätpogfxäg Xaßovxeg xal
vorjoai dedvviyvxai xal efrjyiqoavxo' ö&ev Tiagä Tiäot OTzegjuaxa ähf&Eiag doxel elvai, e^sXsy-
yovxai de jui] äxgißcog vorjoavxeg, oxav ivavxia avxol eavxoig Xeyaioiv.1)
Dabei blieben aber im weiteren Verlauf die jüdischen und christlichen Gelehrten nicht
stehen; sie warfen auch die Frage auf, woher denn diese Uebereinstirnrnung komme. Die
verschiedenen Antworten auf diese Frage finden sich fast alle bei Clemens in den ver-
schiedenen Teilen seiner Werke zerstreut, etwas, was mit dem Bildungsgang und der Geistes-
richtung unseres Kirchenlehrers zusammenhängt. Denn als wissbegieriger und mehr
empfangender als selbstscbaffender Gelehrter hatte er, wie er uns selbst Strom. I 1, p. 312
erzählt, verschiedene Lehrer an den verschiedensten Orten, im ionischen Kleinasien, in Unter-
italien, Assyrien, Palästina, Aegypten gehört,2) und gab nun als Eklektiker in seinen ver-
schiedenen Büchern bald diesen, bald jenen Erklärungsgrund an, wie ihn gerade seine
Lehrer zu den einzelnen Sätzen vorgebracht hatten. Hier aber wird es zweckmässiger sein,
in das bunte Vielerlei Ordnung zu bringen und die verschiedenen Erklärungsgründe so nach
einander aufzuzählen, wie sie allmählich entstanden und nach dem Wesen der Sache auf
einander gefolgt sein müssen.
Die einfachste Erklärung war die, auf die Gleichheit der menschlichen Natur und des
menschlichen Geistes zurückzugehen und daraus zu folgern, dass mehrere Weisen an ver-
schiedenen Orten dieselbe allgemeine Weisheit finden und verkünden konnten, ohne dass
deshalb der eine von dem andern dieselbe gelernt zu haben brauchte. Clemens spricht
diesen Gedanken Strom. II 19, p. 482 aus, indem er über einen zu den Gesetzen Moses
passenden Ausspruch Piatos bemerkt: UXäxoiv (Theaet. p. 176 A) de 6 (pdooo<pog evdai-
juovtag xelog xi&ejuevog 6/uola)oiv $etp <pi]oiv avxrjv elvai xaxa xö dvvaxov, ehe xal ovvdga/u,ü)v
jicog xiu doyjuaxi xov vö/uov 3) — al yäg [xeyälai cpvaeig xal yvfxval nadcbv evoxo%ovoi Jia)g Tiegl
xi]v äXrjdeiav, &g cprjoiv 6 IIv&ayoQeiog (frilayv xä Mcovoea)g eiqyov/Lievog*) — ehe xal naga'
xivmv xöxe Xoyioov ävadida%deig, äxe fxad-rjoeayg äel öixpcbv. Aber, wie man sieht, erwähnt
Clemens diese Erklärungsweise nur so ganz nebenbei. Sie war eben für den Geschmack
1) Herrn Dr. W. Bannier, Hilfsarbeiter an dem Thesaurus linguae latinae, verdanke ich die
freundliche Mitteilung, dass auch später noch unter den lateinischen Kirchenvätern Ambrosius, De Abraham
p. 453 C ed. Migne = Schenkl CSEL XXXII 1,2, p. 561 die Verse des Euripides
vvjxcpEVjxäxwv (j.ev xwv i/ncöv naxrjQ i/uoi
likqifivav etjei, xovx ifiov xgiveiv tdds
und De bono mortis p. 549 D ed. Migne = Schenkl ibid. p. 720 die Stelle des Plato im Symposion p. 203 B
vom Garten des Zeus {y.fjnog Aiög) aus der Bibel geflossen (translatum) sein lässt. — Wie auch die Griechen
später noch in heidnischen Aussprüchen Samenkörner christlicher Lehre zu finden sich bestrebten, ersieht
man aus der im 5. Jahrhundert entstandenen Schrift Xgtjopoi rwv illr)vixwv -deäJv, worüber meine
Gr. Lit.3 § 700.
2) Vgl. Reinkens, De demente presbytero Alexandrino p. 8 f.
3) Dieser Gedanke liegt auch in den Worten des Clemens protrept. p. 21: f/v 6f. ng Zfiqwzos ägzala
ngog ovgavov äv&gcbnois xoivwvia, die an die Lehi-en der Stoa von dem consensus communis hominum
anklingen.
4) Die Stelle steht bei Philo vit. Mos. I 5, p. 605 ed. Paris. : jtoV.ä yag al fieyäkai cpvoeis xcuvoxo-
fiovoi x&v sig e7iiotrijA.i)v, hat aber, wie derartige Missverständnisse oft bei Clemens vorkommen, mit der
hier behandelten Sache nichts zu thun. Es ist nämlich dort von dem Unterricht des Moses die Rede,
zu dem Philo auch Griechen um hohes Honorar herangezogen werden lässt, und es ist dann noch hin-
zugefügt, dass Moses als geniale Natur auch noch viel neues aus sich hervorgebracht habe.
463
jener Zeit zu einfach. Ueberdies waren die Juden und Christen zu sehr von dem Gedanken
einer bevorzugten Stellung in dem Reiche Gottes eingenommen, als dass sie sich gerne in
irgend einer Sache auf gleichen Fuss mit den andern Nichtausgewählten gestellt hätten.
Bei dieser Voreingenommenheit mussten sie von selbst auf den Gedanken kommen,
dass die griechischen Weisen nicht aus sich zu solchen übereinstimmenden Lehren gekommen
seien, sondern dieselben auf irgendwelche Weise aus dem wahren Quell der Weisheit, der
biblischen Offenbarung, geschöpft hätten. Noch ganz unbestimmt äussert sich in diesem
Sinne Clemens Strom. V 14, p. 510: UXdxaiv ovx ot<5' onoog ex xdv 'Eßoai'xwv ygacpwv
eucpaivoiv. Auch noch nicht recht greifbar sind die Andeutungen von einer göttlichen
Beeinflussung {Ininvoia) der griechischen Weisen, wie wir sie wiederholt im Protreptikos
lesen, so p. 61: UXdxoiva, noXXovg de xal aXXovg Jiagaoxfjoai ajiovöaoov, xov eva ovzojg
juovov fieöv ävacp&eyyofievovg fieöv xax"1 in'uivoiav avxov, ei' nov xvjg äXij&eiag ejitögä^aivro,
p. 59: /udXioxa de xoTg negl Xoyovg evdiaxgißovoiv eveoxaxxai xig änoggoia deixrj' ov dij '/(doiv
y.al äxovxeg jukv 6/.ioloyovoiv eva xe elvat deov, ävcole&Qov xal äyevvrjxov xovxov, äva) nov
Tieol xä väna xov ovgavov iv xfj Idlq xal olxeiq Tiegiomf] bvxwg övxa äei, p. 62 : än6%grj
xal xdde eis imyvojoiv fieov imnvoiq fieov Jigög avxwv juev ävayeyga/ujueva. Aber eine
Inspiration nahmen die Juden und Christen auch bei ihren Weisen, den Propheten und
Aposteln, an, so dass bei dieser Theorie das Abhängigkeitsverhältnis der Griechen von der
offenbarten biblischen Weisheit nicht in erwünschter Weise zur Geltung kam. Schon mehr
trat dieses in der Lehre derjenigen hervor, die da annahmen, dass von dem göttlichen
Urquell der Wahrheit ein reicher und reiner Strom durch die getreuen Boten Gottes zu
den Juden und Christen, ein kleiner und trüber durch die abgefallenen Engel und die mit
denselben verkehrenden Weiber zu den Griechen und Heiden geleitet worden sei.1) Aber
diese Annahme war doch zu phantastisch, als dass sie vielen Anklang hätte finden können;
auch erklärte sie nur unvollkommen die Aehnlichkeit des Wortlauts, nicht bloss des Sinnes,
welche man zwischen Aussprüchen griechischer Weisen und Stellen der Bibel des alten und
neuen Testamentes, wie z. B. zwischen vagfirjxocpogoi fiev noXXol ßdx%oi de xe navgoi (Plat.
Phaed. p. 69 C) und noXXoi etat xXrjxol öXiyot de ixXexxoi (Matth. XX 16), gefunden hatte.2)
Diejenigen also, die einerseits eine selbständige Auffindung der Wahrheit durch
griechische Weisen abwiesen, anderseits aber doch mit den angeführten Vermittlungs-
versuchen sich nicht befreunden konnten, wagten die Annahme einer direkten Beeinflussung
der Griechen durch die heiligen Schriften der Juden, zunächst in Bezug auf die Gesetz-
gebung Moses. Denn die Uebereinstimmungen griechischer Satzungen mit Gesetzen des
alten Bundes erregten zuerst und zumeist die Aufmerksamkeit der griechisch -jüdischen
Gelehrten, wie man dieses aus Philo sieht, der in seinem Leben Moses diesen Punkt allein
hervorhebt,3) und wie dieses auch in den Nachrichten über den brieflichen Verkehr des
1) Strom. V 1, p. 650: xageozrjoaftev S' iv zqj 7igä>za> ozgojfiaxei xXenzag Xeyea&ai roiig zü>v 'EXXtjvwv
<ptXoo6<povg Tiaga Mmvaecog xal z&v jrgorprjxwv xd xvgtmzaza xwv öoy/xdzwv ovx evyagioxcog elXrjcpözag ' olg
örj xdxeXva Tigoo&qooftev, öS? ol äyyeXoi ixsTvoi ol xov ävo> xXfjgov elX>t]%6xeg, xaxoXioOr)oavxeg elg fjdovag HgeTnov
xd aTidggtjza xaig yvvait-lv öaa xe elg yvwotv avzwv äcptxzo , xgvnzövxmv xwv dXX.wv dyyeX.wv , fiäXXov äe
xrjgovvxwv elg xtjv xov xvgiov jtagovoiav.
2) Strom. I 19, p. 372.
3) Philo vit. Mos. 114, p. 137 M: exetvo üavfiaoiwxegov, w? eoixe, xo fit] jaövov 'lovbaiovg dX.Xd xal
xovg aXXovg oyeddv änavxag xal fidhoxa olg dgexfjg TiXelwv X.öyog, ngog zrjv djtodo/i]v avzwv (seil. zwv vöpwv)
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 62
464
ägyptischen Königs Ptolemäus Philometor mit dem jüdischen Peripatetiker Aristobulos aus-
gesprochen ist.1) Denn wenn ich auch gerne zugebe, dass dem Aristobulos später falsche
Schriften untergeschoben wurden und dass derselbe namentlich nicht mehr als Verfasser
der falschen Verse des Aeschylus und der anderen Dramatiker gelten kann,2) so wird doch
der Ueberlieferung von Zwiegesprächen des jüdischen Peripatetikers mit dem ägyptischen
König über die Gesetze Moses etwas Wahres zugrunde gelegen sein. Die Uebereinstimmung
aber der Gesetze Moses mit Lehren griechischer Philosophen erklärten sich nun einige so,
dass sie den Moses und die ältesten Weisen Griechenlands zu einander in das Verhältnis
von Lehrern und Schülern setzten. Philo Hess noch ganz harmlos den Moses in seiner
Jugend von griechischen Lehrern unterrichtet werden (vit. Mos. I 5). Dagegen nahm der
jüdische Historiker Artapanos bei Eusebius praep. ev. IX 27 umgekehrt an, dass Moses, von
den Griechen Movoalog genannt, der Lehrer (statt der Schüler) des Orpheus gewesen sei.3)
An die Stelle dieser windigen, mit den Worten (Mojvorjg = Movoalog) spielenden Hypothese
trat zur Zeit der christlichen Apologeten die ernstere, von Ps. Justin oder dem Verfasser
der Mahnrede an die Hellenen vertretene Annahme, dass die ältesten Dichter und Philosophen
Griechenlands nach Aegypten gekommen und dort, wo sich die Erinnerung an die Lehren
und Schriften des Moses erhalten habe, gewissermassen Schüler der Juden geworden seien.4)
Deshalb hebt Ps. Justin mit Nachdruck hervor, dass alle jene Männer, Homer (s. c. 28),
Pythagoras (c. 19), Plato (c. 20, 22, 24) in Aegypten gewesen seien. Clemens erwähnt
zwar Strom. 115, p. 355 die Reise Piatos nach Aegypten, im übrigen aber macht er von
diesem Erklärungsgrund keinen Gebrauch.
y.al iißijv wotojodac ' yegag ydg xovxo eXa^ov igaigexov, o /i,i]8evl ngdoeoxiv exegw x. x. X. Vorschriften der
Gesetze Moses suchte auch besonders der jüdische Verfasser der Phokylidea in sein gefälschtes Lehr-
gedicht einzuschmuggeln.
*) Clemens ström. V 14, p. 706: 'AgioxoßovXw 8k xw y.axa Tlxols^aXov yeyovdxt xov 4>tXd8eX(pov (<PiXo-
/urjxoga corr. Dind.), ov fie/uvi]xai 6 ovvxag~df.ievog x>]v xwv Maxxaßaixwv imxo/iqv, ßißXia jiejzdvrjxai ixavd,
8t1 wv djio8etxvvoi xijv jzeguiaxijxixijv q>iXoooq>[av ex xs xov y.axa Mwvoea vöfiov y.al xwv äXXwv ygxijodcu
jigocprjxwv. Strom. I 22, p. 410: AgtoxdßovXog 8k iv xw ngwxw xwv ngog xov <PiXofO)ioga xaxa Xeg~iv ygdqpei'
xaxrjxoXov&rjxe 8k y.al 6 ÜXdtwv xfj xa&' rjfxäg vo/nodeoia xal cpavegdg ioxt negiegyaodfievog exaoxa xwv iv
avxfj Xsyo/xsvwv. Dieses wiederholt dann wörtlich Eusebius praep. ev. XITI 12.
2) Ich hebe dieses ausdrücklich hervor, weil leider durch meine Unachtsamkeit in die neueste oder
dritte Auflage meiner griechischen Literaturgeschichte S. 497 aus den früheren Auflagen ein falscher
Satz über Aristobulos als Autor untergeschobener Verse gekommen ist. Ich möchte nicht bei dem
scharfsinnigen Verfasser der Abhandlung De Aristobulo Judaeo in den Ruf kommen, zu den Leuten zu
gehören, qui iudicium quam superstitionem abicere malunt, und die er p. 197 mit den beissenden Worten
abweist: Aristobulum illum esse sive Eusebianum sive veterem Peripateticum credant qui vulgaria
dediscere nesciunt.
3) Auch von Clemens ström. I 21, p. 397 wird Orpheus ein Schüler des Musaios genannt, aber wohl,
wie Potter urteilt, nur in Folge eines Fehlers der handschriftlichen Ueberlieferung.
4) Justin coh. ad Graec. 20: JJXäxwv 8k djxo8eg~djuevog fiev d>? e'oixe xljv Jiegl evog xal (xdvov deov
Mwoewg xal xwv äXXwv ngocpqxwv 8c8aoxaXiav, >}v iv AiyvTtiw ysvdfievog eyvw. Derselbe c. 22 mit einer
infamen Insinuation: xavxa xolvvv iv Alyvnxw /j.adwv 6 IJXdxwv xal oqd8ga dgeo&elg xoXg jiegl svos fisov
eigrjftivoig, xov fiev övd/uaxog Mwoiwg 8id xö i'va xal /idvov 8i8doxetv deov fivij/wvevoat Trag' 'Adi]vaioig ovx
doqpaXkg fjyelxo, 8e8twg xov 'Ageiov jidyov, xo de «aA<3? elgrjtievov vji' avxov ob% d>g nag1 exeivov fiaOwv, äXX'
<ws eavxov ixxtfte/A.evog 8ög~av ev xw iojiov8aofievw avxov Xöyw Tifiaiw. Vgl. c. 25. Die gleiche Insinuation
macht Clemens protr. 6, p. 61 dem Xenophon: Sevoqpwv 8k 6 Ad-yvaTog diaggrjdijv av xal avxog negl xfjg
dlrjQelag iyeygdqiei xi /xagxvgwv wg Swxgdxrjg, ei fx.}) xö 2wxgdxovg i8e8iei qmgiiaxov.
465
Man war inzwischen in der Kühnheit der Fiktion weiter gegangen und hatte auf
diesem Weg einen scheinbar einfacheren Erklärungsgrund aufgefunden. Man knüpfte an
die alte Ueberlieferung von der Uebersetzung der Bibel durch die Siebzig unter Ptolemäus
Philadelphus an;1) da aber diese höchstens nur dem Arat und Kleanthes zuo-äno-lich o-ewesen
sein konnte, so nahm man frischweg noch eine ältere Uebersetzung aus der Zeit vor Plato
an und hatte obendrein die Unverschämtheit, den Aristobul als Zeugen jener älteren Bibel-
übersetzung anzuführen.2) Dass von einer solchen älteren Uebersetzung der Bibel die
Geschichte nichts wusste, kümmerte diese Leute nicht; ebenso wenig wie sie sich scheuten,
Aussprüche der Alten aus Stellen des neuen Testamentes herzuleiten, wiewohl doch dieses
zur Zeit jener noch gar nicht geboren war.3) In dem mit dem Mäntelchen der Wissen-
schaft umkleideten religiösen Wahn setzte man sich eben leichthin über Geschichte und
Logik hinweg. Clemens nun zwar hat gewiss nicht jenen Unsinn erfunden und auch nicht
den falschen Brief des Aristobul an den König Ptolemäus Philometor ausgedacht. Aber
damit, dass er einer so plumpen Fälschung Glauben schenkte und sich den Konsecpuenzen
derselben bedingungslos ergab,*) hat er sich selber das Urteil totaler Kritiklosigkeit gesprochen.
Das muss einmal klipp und klar ausgesprochen werden.
Aber wo möglich noch mehr bringt sich Clemens in Misskredit durch die verworrene
Lehre von den Symbolen, deren mystischer Begründung er den grösseren Teil des 5. Buches
J) Die älteste Nachricht hierüber steht bei Philo vit. MosisIIG: 6 <5>) xoiovxog (sc. nroXe/xaZog 6
<I>t/.üöe/.</og) £fjXöv xal no&ov Xaßtbv xfjg vo/.wöeoiag fjftwv, eig'EXXüda yXwxzuv xrjv XaXdal'yJ'jv fxe&agiiö^eadaL
dtevoeixo x. r. '/.. Ausführlicher berichtet Josephus ant. XII 2 und nach ihm Eusebius praep. ev. VIII 2
und chron. ad Ol. 124.
2) Cleni. ström. I 22, p. 411: 'AgioxößovXog de ev xai ngwxqy twv Jigög xov <Pt?.ofA,r/xoga xaxä Xeg~iv
ygäcpeC . . . 6i)]oiii'/yeuxac de tiqo Ar]fit]xgiov v<p' exegwv jiqo xfjg 'AXe^ävdgov xal Ilegomv emxgazfjoecog xä xe
xaxä zfjv £g~ Alyvjixov etgaywyyv zwv 'Eßgaimv zwv rj/nszegcov noXizwv xal f) zwv yeyovözwv ajzävzwv avxoXg
emq>üveia xal xgäxtjoig xfjg x<>>Qa? *<« rfs öXt]g vofxo&eaiag i.-i£g~>jyr]oig, wäre evdrjXov elvai xov Jigoeigij/xevov
<j döaocpov eiXtjrpevai noXXd — yeyove yäg (pdofta&rjg — xadwg xal üv&ayögag noXXä xwv Tiag' rj/xtv /.lezeveyxag
dg x)]v eavzov doyfiaxojioitav xaze/wgioev. Daraus Eusebius praep. ev. XII 2. Dazu vergleiche Clem.
ström. I 15, p. 358 nach Josephus c. Ap. I 22 : KXeagzog <5' 6 neginaxrjzixog eldevai cprjoi xiva 'IovdaXov, og
'AgtazozeX.ei ovveyevezo. In die Klasse der untergeschobenen Schriften jenes Zeitalters der Fälschungen
gehören ausser Ps. Aristobul und Ps. Hekatäus auch die Phokylidea und Sibyllina, und aus einem
anderen Gebiet die Anacreontea.
3) Clem. ström. V 14, p. 702: äXXä xäv zw dexäxo) xwv Nöfxwv ävzixgvg xo äxooxoXixäv deixvvaiv
ixeTvo 'ovx l'axiv rjpXv r) TiäXrj Tigog ai/xa xal oägy.a' (Ephes. VI 12), p. 705: 6 yäg owxfjg äyanäv jiagayyeiXag
xov deov xal xov xXrjoiov, iv xavxaig, <pr]ol, xaTg dvolv evzoXaXg oXov xov vöfiov xal zovg ngo(pf]zag xgifiaa&ac
i Matth. XXII 37, 39). zavza ßgvX.ovoiv oi Szw'ixol xä döyfiaza.
*) Wie leichtfertig man bei der Fälschung verfuhr und mit der Autorität des Aristobul um sich
warf, dafür bietet ein hübsches Beispiel die Vergleichung von Clemens ström. V 14, p. 713: xal fifjv xal
K'i././.i'/.iaxog 6 7ioit]xrjg ygdi/ei
eßdo/iäxr) <5' t}oX xai oi xexvxovxo anavxa
und Aristobul bei Euseb. praep. ev. XIII 12, 16: Aivov de cpt)oiv oLhcog
ißdofidxij d' i/oX xexeXeofieva nävxa zezvxzai.
Alle an beiden Stellen für das ehrwürdige Alter der Siebenzahl angeführten Dichterstellen sind gefälscht,
wie wir dieses für Homer aus dem erhaltenen Homer nachweisen können. Der Fälscher des Eusebius
hat seine Erfindungen dem Aristobul untergeschoben, Clemens noch nicht; dafür aber hat dieser aus
dem Aivog seiner Vorlage, der den Kennern und Aristarcheern Verdacht erregt hätte, den bekannten
Dichter KaXXifia/og gemacht: eine Lüge täppischer wie die andere!
62*
466
der Stroinateis widmet, und die damit zusammenhängende, geradezu kindische Ausdeutung
einzelner Stellen der Alten. Dafür nur einige Belege.
Ephorus und andere Historiker, so lesen wir bei Clemens ström. I 21, p. 404, hatten
75 Völker und Sprachen des Erdkreises angenommen. Schon diese Nachricht ist verdächtig,
insofern sie durch kein anderes Zeugnis bestätigt wird; aber ganz absurd ist es, dass dieses
die griechischen Historiker aus der Ueberlieferung des Moses, Gen. 46, 27, dass im Ganzen
75 Seelen von Jakob nach Aegypten gekommen seien, herausgelesen haben sollen: ejiüxov-
oavxsg xfjg cpoivfjg Maivoecog Xeyovorjg' fjoav de Tiüoai ai yjv%al e£ 'Iaxtbß tievxe xai ißöo-
jurjxovxa al sig Al'yvjixov xaxel&ovoai. Geradezu abenteuerlich aber ist es, wenn nach
Clemens ström. V 14, p. 708 Homer bei der Erzählung von der langen Trennung der
Tethys und des Okeanos und nun gerade bei den Versen II. XIV 206
ijdi] yäg drjQÖv %qövov äXXtjXoov aJiEyovxai
evvfjg xal (piloxijxog
die Absicht gehabt haben soll, eine Paraphrase der biblischen Erzählung von der Trennung
des Wassers von der Erde und von dem Auftauchen des Trocknen zu liefern.1) Die Kirchen-
väter haben in der allegorischen Deutung Grosses geleistet; aber solch einen Blödsinn wird
man doch nicht leicht wo anders finden.
Nun muss ich aber auch noch auf eine Seite der Schriftstellern des Clemens zurück-
kommen, die ich oben in einem vielleicht zu günstigen Lichte erscheinen Hess. Es ist
wahr, dass Clemens über die kurzen Verteidigungsreden der Apologeten hinausgegangen ist
und sich höhere Ziele in seinen Schriften gesteckt hat. Auch mache ich es ihm nicht zum
Vorwurf, dass er von den Tüfteleien und dem inhaltsleeren Phrasengedrechsel der Sophisten
und Attikisten nichts wissen will, diese vielmehr gelegentlich einmal derb als xaxodaijuovag
oo<pioxdg abweist.2) Und wenn er mit Energie betont, dass die Redezierereien nur zu leicht
die Menschen von der Wahrheit abziehen, und dass die wahre Philosophie sich nicht an
das Ohr, sondern den Geist der Hörenden zu wenden habe, so ist dieses ganz in Ordnung.
Nur sollte er nicht so weit gehen, damit auch die Fehler gegen die Sprach rieh tigkeit
entschuldigen zu wollen.3) Thatsächlich freilich hatte er allen Grund, sich wegen seiner
!) Ich führe für die unglaubliche Verkehrtheit die Worte des Clemens selbst an: ov^l xdl "Ofirjgog
jragaq>gä£mv zov %wgiajxov zov vdatos dnb zfjg yfjg xal zr)v anoxäXvxpiv ztjv efMpavfj zfjg $T)gäg ijii ze zfjg
Trj&vog xal zov 'Qxeavov Xeyei;
2) Die Stelle ström. I 3, p. 328, wichtig für die Stilrichtung des Clemens und die Opposition gegen
die Attikisten, zu der sich bekanntlich auch Lukian in seinem 'Pijzogwv didäoxaXog bekennt, verdient
ganz hergestellt zu werden: ol de zivsg aq>äg avzovg ejiaigovzeg öiaßoZag zolg Xöyoig eg~evgcoxeiv ßiä£ovrat,
Qijzrjoeig igtozixäg exjtogl^ovzeg, Xeigidiwv ftrjgäxogeg, Qr\Xoizal zeyvvdgimv , egidavzeeg xai IfiavzeXixzeeg . . .
zavzrj yovv enaigöfxevoi zfj zeyyy oi xaxodaißoveg ooquazal zfj ocpwv avzwv azw/iwXXöfievoc zeg&gela, äfi(jl zr)v
öiäxgioiv zwv övo/närwv xal ztjv Jioiav zwv XJ^ewv ovvfisoiv zs xal jteguiXoxijv zov xävza xovovfievoi ßlov,
zgvyovwv ajiotpaivovzai X.aXtozegot ' xvrjdovzeg xal yagyaXtQovzeg ovx dvägixwg, efiol doxetv, zag dxoag zwv
xvioao&ai yXiyofxevwv, noza/xog dzeyywv grj/näzwv, vov de ozaXay/nög, dfieXei xal xaddjieg zwv naXaiwv vno-
dtjfidzcov zä fiev aXXa avzoig da&evec xal diaggeT, fiövrj de fj yXwaaa vjioXeljiezai. Der Ausdruck oi xaxo-
äai/xoveg ooquoxai ist eine noch nicht bemerkte Reminiscenz an Dio or. XI, p. 153 M: ol de ziveg em%eigi)-
oovoiv e^eley^eiv, jidXiaza de olfiai zovg xaxodal/xovag aoyiozäg, wo der neueste Herausgeber v. Arnim die
letzten Worte /udXioza . . . ooyiozag ohne Weiteres als interpoliert einschliesst.
3) Strom. II 1, p. 429: ecpafiev de noXXdxig tjärj fxr/ze fteiieXezTjxevai {.irjze fti)v emzTjdevetv e).Xr)vi£eiv '
ixavbv yag zovzo dnodrjfxaywyetv zfjg älrj&elag zovg TioXXovg' zö de zw ö'vzc (ptXooocprjfxa ovx elg ztjv yXwooav ,
uXX' elg ztjv yvwfirjv 6vr\aei zovg ejzatovzag.
467
Verstösse gegen den Hellenismus oder die sprachliche Korrektheit zu entschuldigen. Denn
in diesem Punkt steht er den ersten Apologeten, wie Justin und Athenagoras, entschieden
nach; seine Sprache wimmelt von grammatischen Fehlern, namentlich entbehrt er der
feineren Unterscheidungsgabe im Gebrauch der Negationen ov und //>;, wie der Pronomina
dg und öoxig und der verschiedenen Formen der hypothetischen Sätze. Eine Doktor-
dissertation fände hier einen Stoff fruchtbarer Ausbeute.
Aber grösser sind die Mängel des Clemens im Stil und in der Disposition der Rede.
Der Paidagogos geht noch an, da hier sich Clemens enger an seine Vorbilder unter den
griechischen Philosophen anschliesst; aber in seinem grössten Werk, den Stromateis oder
rvoioxiKwv vjto/uvr)/uuTcov axQCOfxaTEig, hat er von der Nachlässigkeit, welche die Litteratur-
gattung der vjiojuvrjjuara erlaubte,1) einen geradezu unerhörten Gebrauch gemacht. In ein-
förmigster Weise schliessen die einzelnen Bücher damit ab, dass es heisst, nun ist das Buch
voll, jetzt wird geschlossen;2) zum Verdrusse des denkenden Lesers reisst jeden Augenblick
der Faden der Diskussion ab und wird ein mit dem Gegenstand nur ganz locker zusammen-
hängender Excurs aus irgend einem Kompendium in aller Breite eingeschoben. Diese
Mängel bleiben auch, wenn man mit Eug. de Faye annimmt, der Autor sei, vom Tode
ereilt, nicht mehr zum Abschluss und zur Ausfeilung des Werkes gekommen; nicht bloss
die Feile und die Abrundung fehlen, die ganze Anlage ist planlos und verworren.
So vermag Clemens weder durch die Klarheit und Schärfe der Beweisführung, noch
durch die Schönheit der Form eine besondere Anziehungskraft auszuüben. Aber gleichwohl
hat er für den Historiker und Philologen eine ganz ausserordentliche Bedeutung durch die
Fülle von Nachrichten und Citaten. Er stand eben den gelehrten Studien der alexan-
drinischen Grammatiker noch nahe und überlieferte uns vieles aus erster Hand, was dann
erst durch ihn zu Euseb, Theodoret und anderen gekommen ist. Indem er die gute
Gewohnheit hatte, den theoretischen Erörterungen einen Ueberblick der früheren Auf-
fassungen (lazoQia) vorauszuschicken,3) hat er zur Geschichte der alten Philosophie, zur
Chronologie, Archäologie, selbst zur Grammatik eine Menge wertvoller Notizen beigesteuert.
Auch eine grosse Anzahl von Versen altgriechischer Dichter sind uns durch ihn erhalten,
so dass wir von nicht wenigen Autoren und Schriften nur durch ihn Kenntnis haben.
Clemens reicht in diesen Beziehungen an seinen Zeitgenossen Athenäus heran, mit dem er
die Stärke des Gedächtnisses, den Umfang der Belesenheit, die Mannigfaltigkeit des Interesses
teilt; aber noch mehr wie bei jenem gilt es bei ihm, nach seinen Quellen und Gewährs-
') Wir haben für diese Litteraturgattung kein adäquates Wort, da auch der Name Memoiren nicht
ganz zutrifft. Ueber die nachlässige Freiheit der Gattung spricht sich Clemens selbst im Eingang der
Stromateis p. 322 aus: rjör] de ov ygaq >) e?g erziSet^tv xezexvaafievrj yde f/ zzgay/taxeta, akkä /xot vjzo/ivr'jfiaxa
dg yfjgag &t]oavg('Qezai, ktj&rjg (päofiaxov, ei'dcoXov dxexvwg xal oxiaygac/ ta xiov evagywv xal ifiyjv%(Ov execvmv,
wv xaxr\'£,iwdr)v ijzaxovoai Xöycov x. z. X. Reinkens, De demente presbytero Alexandrino, Vratisl. 1851
entschuldigt viel zu sehr die Fehler seines Lieblingsschriftstellers; die Dunkelheiten stammen hier nicht
von dem Unvermögen der Erklärer, sondern von der Unklarheit des Autors her. Richtiger erfasst den
Charakter der Hypomnemata unseres Clemens Eug. de Faye, Clement d'Alexandrie p. 89: l'une des regles
de ce genre etait de ne s'astreindre ä aucun plan; on laissait sa plume courir au gre de sa fantaisie;
on melait tous ses sujets; on revenait sur les rnemes points souvent qu'on le voulait.
2) So am Ende des zweiten Buches: 7iegiyeygäq>&0) xal 6 Sevzegog r\fiiv iv&dde argcofiazevg dia zo
Hrjxög ze xal 7z)S]$og zö>v xEcpaXaiwv.
3) Siehe Strom. II 3, p. 502; III 3, p. 516; IV 20, p. 621.
468
männern zu fragen, da er ungleich kritikloser wie jener ist und als Christ innerlich den
alten Autoren und Dicktern fremder gegenübersteht.
Tritt man aber an die Quellenfrage des Clemens heran, so erkennt man bald, dass
dieselbe nach den verschiedenen Gebieten getrennt zu behandeln ist. Die Einquellentheorie
hat ohnehin bei den alten Autoreu Banquerott gemacht, weil man die geistige Potenz der
späteren Schriftsteller des Altertums zu gering anschlug. Clemens vollends ist bei viel zu
vielen Leuten in die Schule gegangen,1) und hatte in seinem Hang zur Vielwisserei viel
zu viele Bücher gelesen, als dass bei ihm von einer Quelle oder auch nur von einer
Richtung von Quellen die Rede sein könnte. Man wird also gesonderte Untersuchungen
über seine Quellen in der Philosophie, der Chronistik, der Archäologie, der jüdischen Alter-
tumskunde, der griechischen Literaturgeschichte anstellen müssen. Ich habe mir hier in
diesem ersten Teile meiner Untersuchung vorgenommen, seinen Dichtercitaten nachzugehen
und im Einzelnen zu prüfen, woher er dieselben genommen hat. Dabei werden wir aber,
um für die Detailfragen den richtigen Boden zu gewinnen, von einer allgemeinen Betrachtung
der Stellung des Clemens zur Poesie ausgehen müssen.
II.
Dichtercitate bei Clemens Alexandrinus.
Clemens liebte es, ähnlich wie Plutarch, seine Rede mit Citaten auszuschmücken, teils
mit solchen aus den Psalmen und Propheten, teils mit solchen aus den griechischen Dichtern.
Er hatte offenbar Sinn für Poesie, wenn auch die zwei Gedichte, die in den Handschriften
und Ausgaben seinem Paidagogos angehängt sind, nicht von ihm selbst herrühren ; er suchte
hohe Gedanken und weise Aussprüche nicht minder bei den Dichtern als bei den Philosophen.
Schon Ps. Justin hatte für einen ähnlichen Zweck die Dichter wie Philosophen benützt und
sogar die Dichter den Philosophen vorangestellt.2) Und gleich in seiner ersten Schrift,
Protrept. c. 7, p. 62, lässt Clemens die Dichter neben den Philosophen und vor ihnen auf-
marschieren: aco de fjjulv, ov yag avragy.el juövov ij qnXoao<pia a)JA xal avxrj i) noirjxixrj.
So fehlen denn nirgends bei Clemens die Dichterverse teils als Schmuck der Rede, teils als
Zeugnisse der von Gott in die Brust der Menschen gesenkten Wahrheit. Aber bei näherem
Zusehen stellt sich doch ein auffälliger Unterschied der einzelnen Teile in Bezug auf die Zahl
der Dichterstellen heraus. Während in einzelnen Kapiteln, wie Protrept. 7, Strom. V 14
und VI 2, ein Dichtercitat das andere schlägt, spinnt sich in andern die nackte Prosa ohne
poetischen Schmuck ganze Seiten hindurch fort. Nur zum kleinsten Teil erklärt sich dieses
*) Er zählt dieselben, aber leider ohne Namen zu nennen, an der oben schon citierten Stelle
Strom. I 1, p. 322 auf. Besonders viel, bekennt er, einem geborenen Hebräer zu verdanken, den er in
Aegypten kennen gelernt habe. Auf ihn gehen wohl die ausführlichen Abschnitte über die Auslegung
der zehn Gebote (ström. VI 16) und die Beschreibung des Tempels zu Jerusalem und des hohenpriester-
lichen Gewandes (ström. V 6) zurück. In der ganzen Frage muss man sich gegenwärtig halten, dass wir
mit Clemens schon im Zeitalter des Nachschreibens und der Kollegienhefte stehen.
2) Justin, coh. ad Graecos 1 : oi jiüq' v/,iTv vofiiaßevteg sivai aoqcoi, ov nou]tal fiövov aX).a xal ol qpiköooqpoi.
Die Voranstellung der Dichter ist wohl daraus zu erklären, dass Justin von den Florilegien ausging, in
denen die Dichter voranstunden, zum Teil allein ausgezogen waren.
46 9
aus der Verschiedenheit des Inhaltes und des Tones; zum grösseren Teil ist der Grund in
der Verschiedenheit der Vorlage zu suchen. Wo die Dichtercitate so massenhaft neben-
einander stehen, da hat sie nicht erst Clemens mühsam zusammengesucht, sondern bereits
in seiner Vorlage zusammengestellt vorgefunden, mag diese nun, wie Elter annimmt, in
einem allgemeinen Florilegium,1) oder, wohin ich mich mehr neige, in den einschlägigen,
bereits mit Dichtercitaten versehenen Specialabhandlungen zu suchen sein.
Aber wenn es nun auch grosse Wahrscheinlichkeit hat, dass Clemens viele Dichter-
citate aus seinen Quellen einfach herübergenommen hat, so hüte man sich doch in dieser
Annahme zu weit zu gehen und den Clemens allzu unselbständig sich vorzustellen. Für
viele Citate brauchte Clemens nicht erst in einem Florilegium nachzuschlagen, stand ihm
vielmehr bei seinem glücklichen Gedächtnis aus seiner eigenen Lektüre und aus der Unter-
haltungssprache der Gebildeten ein reicher Schatz von Versen zur Verfügung. Homer und
Hesiod hatte er auf den Schulbänken gelesen, und Verse aus diesen Dichtern waren ihm
jederzeit zur Hand. Später, als er zu den philosophischen Studien Neigung gefasst hatte,
wandte er, dem Geschmack seiner Zeit folgend, den philosophischen Dichtern Parmenides,
Empedokles, Kleanthes seine besondere Aufmerksamkeit zu, so dass ihm auch aus diesen
Dichtem schöne und charakteristische Verse im Gedächtnis hafteten.2) Die sibyllinischen
Verse gehörten ohnehin zu seinem speciellen Rüstzeug, so dass er bei diesen sicher nicht
auf das Zwischenglied einer anthologischen Auswahl angewiesen war. Auch aus den grossen
Tragikern und Lyrikern führt er gelegentlich Verse an, wie p. 646 rd jui]dh> dxpeXovvxa
/ilj ^övei /uaTt]v aus Aeschyl. Prom. 44, p. 154 ägerä yag inaivso/ueva devögov tag äeferai
aus Pind. Nem. VIII 40, p. 427 und 438 vö/uog 6 ttüvtcov ßaoikevg, d-varibv je xal ä&avärcov
aus Pind. fr. 169, p. 733 t6 jliev JidgeQyov egyov ä)g fjyov^iEvoi, xb <5' egyov cbg Tidgegyov
ty..-Tovov/itevoi aus Agathon fr. 11, nicht gewiss nachdem er zuvor in einem Florilegium
herumgeblättert hatte, aber auch schwerlich weil ihm Pindar und gar Agathon aus eigener
Lektüre bekannt waren, sondern weil jene Verse in aller Mund circulierten, halbwegs sprich-
wörtlich geworden waren3) und deshalb allerdings auch frühzeitig in die Florilegien Auf-
nahme fanden. In den Werken der Prosa war Clemens, von Plato abgesehen, weniger zu
Haus, so dass in dieser Beziehung Dindorf in seiner Ausgabe praf. p. XXIII viel zu günstig
!) Wichtig für diese Annahme ist die Stelle Strom. I 1, p. 325, wo der Ausdruck %gr^axop.a&ia selbst,
wenn auch in einem etwas abweichenden Sinne gebraucht ist: äg/xö^ei öe xal äUcog xfj xwv vnofxvr\(x6.xmv
v.TOzvjzcboei xo ykayvgov xfjg öecogiag' avxtxa xal 7) xfjg xQ1at0/la^la^ negiovola olov ijdvafid xi iaxcv naga-
xn.xÄsy/tivov ädlr^iov ßgtoiiaxi, ov xnv/ ijxuovtog, ögek~iv de dya&rjv (pdoxifitav lafißdvovTog . Vergleiche auch
den Gebrauch der hieher gehörigen Wörter änocpdeyyeo&ai und ijzup&eyyeo&ai bei Clem. ström. III 3, p. 520:
if/äaxoftev dk xtjv dvayorjoiiav vcpogwfievovg "EMrjvag JtoXXa dg xrjv yevsaiv xiöv naiSwv äjrocpdeyg~ao&ai,
ström. VI 14, p. 797: xal fioi doxw . . . emcpdeyyeo&ai xoig xaxd ntglaxaoiv av^ißaivovaiv, worauf Verse des
Euripides folgen.
2) Von der Beliebtheit jener philosophischen Dichter zeugt Philo de Providentia II 48: Age interim
ponamus inter nos Universum ingenitum ac sempiternum iuxta illud quod suggerit sermo celeberrimorum
philosophantium, sicut conscribunt Parmenides Empedocles Zeno Cleanthes aliique divi homines ac velut
verus quidam proprieque sacer coetus. Von der Beliebtheit des Empedokles ist der Hauptzeuge
Lucretius I 716 ff., wozu F. Marx, Der Dichter Lucretius, Neue Jahrb. II 542.
3) Dafür spricht, dass die genannten Verse sich fast alle auch sonst citiert finden, so häufig Pindar
fr. 124 und 169, Agathon fr. 11 auch bei Athenäus V, p. 185 A, Aeschyl. Prom. 44 auch bei Stobäus
flor. VIII 6. Nur die Verse aus Pind. Nem. VIII 40 finden sich, vielleicht zufällig, sonst nicht citiert,
sehen aber ganz wie eine gut anbringbare Sentena aus.
470
über ihn urteilt. Von den Rednern und selbst von Detnosthenes kannte er kaum mehr als
einige geflügelte Worte, und selbst da, wo er den Geschichtsschreiber Herodot anführt, um
die Herkunft der griechischen Buchstaben aus Phönizien zu erweisen (p. 362), oder um den
Thaies für einen Phönizier auszugeben (p. 352), oder um die Auflösung der Herrschaft der
Magier durch Darius (p. 395) zu bezeugen, stehen die Citate in einem Zusammenhang, der
den Gedanken, Clemens habe diese Angaben direkt aus dem Vater der Geschichte geschöpft,
als äusserst unwahrscheinlich erscheinen lässt. Es steht diese geringe Kenntnis von Werken
der griechischen Prosa in Zusammenhang mit der Studienrichtung der alexandrinischen
Grammatiker, die seit Alters die Prosaiker hintansetzten und vorzüglich den Dichtern ihre
Aufmerksamkeit zuwandten. Aber auch in den Dichtern war Clemens gewiss nicht so
belesen, dass er so alte und seltene Autoren, wie Kratinos, Pherekrates, Eubulos, Iophon,1)
Bakchylides im Kopf oder auch nur in seiner Bibliothek hatte, und wenn ihm von den
alexandrinischen Dichtern auch der Schuldichter Arat aus eigener Lektüre bekannt war, so
hatten sich doch schwerlich seine Studien auch auf Euphorion und Phanokles, oder auch
nur auf Kallimachos erstreckt. Das also sind die allgemeinen Grenzen, von denen wir in
den nachfolgenden Kapiteln ausgehen werden.
Strom. VI 2 über Plagiate.
Kein Kapitel des Clemens enthält so viele und auserlesene Schätze der alten Litteratur
als das zweite Kapitel des sechsten Buches der Stromateis.2) Clemens bezeichnet es selbst
im Eingang als einen Nachtrag zu dem fünften Buch, in welchem er den Beweis zu führen
unternommen hatte, dass die Griechen ihre beste Weisheit aus den Büchern des alten
Testamentes gestohlen hätten. Dieser Beweis soll nämlich nachträglich noch unterstützt
werden durch den Nachweis, dass die griechischen Autoren sich selbst gegenseitig zu
bestehlen keinen Anstand nahmen. Der Nachweis ist mit auserlesener Gelehrsamkeit und
in guter Ordnung geliefert. Zuerst wird dargethan, wie von den Dichtern einer den andern
ausgeschrieben oder kopiert hat (§§ 5 — 15); 3) dann wird nach einer neuen Einleitung
gezeigt, wie auch die Philosophen, Historiker und Redner von dieser Neigung zum Dieb-
stahl oder Plagiat nicht frei zu sprechen sind (§§ 16 — 24). Bis zu § 24 waren nur einzelne
Verse oder Sätze zum Beweis herangezogen worden; am Schluss §§ 25 — 27 wird zur Krönung
des Gebäudes noch nachgewiesen, dass auch ganze Abschnitte und Bücher die griechischen
Schriftsteller sich einander abgestohlen haben. Auch im Einzelnen folgt Clemens in diesem
Kapitel einer guten Disposition; er geht von den ältesten Dichtern aus, als welche ihm
1) Der p. 329 citierte Iophon ist gewiss der bekannte Sohn des Sophokles; wenn er hier als
Komödiendichter aufgeführt ist, so kam dieses nur daher, dass sich Clemens oder sein Vorgänger durch
den Titel des Stückes avl<adoi o&ivqoi irre führen liess. Die Sache ist schon richtig erkannt von Nauck
in seinen Trag, graec. fragm.
2) Ueber die in diesem Kapitel angeführten Verse gibt nähere Nachweise Elter, De gnom. graec. hist.
commentationis ramenta, Bonnae 1897, p. 17 — 36, indem er von seinem Urflorilegium auch hier, wo es
sehr wenig am Platze war, Spuren sucht.
3) Ich citiere der Genauigkeit halber, da nicht bloss die Sylburgischen, sondern auch die Potterschen
Seiten zu umfangreich sind, nach Paragraphen, muss aber dabei bemerken, dass die Einteilung in Paragraphe
und Kapitel die möglichst ungeschickte ist, da sie an Hunderten von Stellen Zusammengehöriges zerreisst
oder Ungleichartiges zusammenführt.
471
Orpheus und Musaios galten, und hält sich auch im weiteren Verlauf wesentlich an die
chronologische Folge. Freilich ganz streng ist die geplante Ordnung nicht durchgeführt.
Der erste Teil sollte den Dichtern gewidmet sein, aber schon § 8 sind zu den parallelen
Versen des Solon und Theognis
x'ihxei yäg y.ogog vßgiv, oxav tioXvq öXßog Uix^xai,
XlKXEl TOI XOQOg ÜßoiV, OXO.V KÜKCÖ ÖXßog EJXrjXCU
ähnliche Stellen aus den Prosaikern Thukydides und Philistos herangezogen. Und mit
ähnlicher Inkonsequenz verspricht der Verfasser § 10 zu den Parallelversen gleichzeitiger
Dichter, wie Sophokles und Euripides, überzugehen, aber schon § 8 waren aus denselben
Dichtern Sophokles und Euripides die zwei Verse
xaxov yäg dvdgög dwg' övrjoiv ovx k'/ji (Eur. Med. 618),
iy&gcov <5' äöcoga dwga y.ovx övijoijua (Soph. Ai. 665)
zusammengestellt. Aber von solch kleinen Unebenheiten abgesehen, ist die Ordnung gut,
jedenfalls weit besser, als man sie sonst bei Clemens anzutreffen pflegt.
Geradezu erstaunlich aber ist die in den angeführten Beispielen zutage tretende
Gelehrsamkeit und Feinheit des Urteils. Das sind keine auf der Strasse aufgelesene Stellen;
da werden Verse citiert, die in keiner Anthologie stehen, und Autoren herangezogen, die
ganz ausserhalb des Bereiches der gewöhnlichen Schullektüre liegen, wie die Epiker Stasinos,
Eumelos, Eugammon, die Dramatiker Kratinos, Poseidippos, Moschion, Theodektes, die
Elegiker Solon und Phanokles, die Redner Antiphon, Andokides, Hyperides, die Sophisten
Hippias und Thrasymachos, ferner Pherekydes von Syrus, Kritias von Athen, der Arzt
Hippokrates, der Philosoph Epikur. Da kann also gar keine Rede davon sein, dass Clemens
aus seiner eigenen armseligen Lektüre die Beispiele gesammelt habe, und kann man sich
nur über die Stirne wundern, mit der ein Schriftsteller in einem Kapitel zxsgl xXojifjg sich
so mit fremden Federn zu schmücken wagen konnte.1)
Auch in Bezug auf Genauigkeit im Citieren unterscheidet sich unser Kapitel auf das
vorteilhafteste von der Nachlässigkeit in den übrigen Kapiteln der Stromata. Fast überall
wird genau das Buch angegeben, in dem die Stelle steht, also nicht SocpoxXijg sondern
2ocpox).fjg ev reo Ui]XeI, nicht Evguiidqg sondern Evguiidrjg iv reo Oivojuäcp, und an den
wenigen Stellen, wo die nähere Angabe fehlt, ist dieselbe wohl nur durch die Schuld der
Abschreiber ausgefallen. An einer Stelle haben wir dafür einen urkundlichen Beweis;
p. 746 nämlich heisst es in unserem Text kurzweg 2ip,eovlbr\g eIjiev, aber bei Eusebius
praep. ev. X 3, 18 an einer Stelle, die aus der gleichen Quelle geflossen ist, lesen wir
Ziixeoviörjg iv reo Ev8Excireo.%) Irrtümer sind allerdings nicht ganz vermieden, aber bei der
x) Zutreffend und witzig sagte hiervon Ruhnken, Hist. crit. oratorum p. LH: vetustissimus grammaticus
libro de scriptorum furtis, quem Clemens Alexandrinus, nihil similem furti actionem veritus, compilavit.
2) Gleich im Eingang des Kapitels p. 737 Ttaguozijoavzeg de xrjv efi<paatv xfjg 'EkXr)vixrjg diaroiag ix
xfjg dia rüv ygacfwv sie rj/uäg dedo^ievrjg äkr/ßeiag ziegiavyao&eToav, xa#' o ai]fxaivöjxevov dir/xeiv sig avxovg
xi)V x/.oxrjv xfjg älrjdeiag sy.de/_6/ugvoi, et /x!] exa/dkg eLieiv, ä^edel^a/xev. epege fiägxvgag xfjg xXonfjg avxovg
y.aty eavtwv 7taqaaxr\au>u.ev xoitg "EM.r\vag haben wir in Folge der falschen Interpunktion nach äjisdei^a/uev
einen vollständig unverständlichen Satz; bei Eusebius praep. ev. X 2, wo ein blosses Komma nach änedei-
gaftev steht, ist alles in bester Ordnung. — Gleich danach oliyoig de xwv xa&<afiih)f.ievmv xai nagä xotg
"E/ltjaiv evdoxtfiojv ävdgmv yotjoä/uevog fiagzvgtoig steht bei beiden xa&6)/tdt)/tet>cov, wird aber trotzdem
zu bessern sein xa&(0tuoXoyt)[ievcov.
Abb.. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 63
472
Masse von Citaten ist es verzeihlich, wenn einmal p. 747 Sevcxpcöv Key er öjuoioog ydo juot
cpaivojuai 7is7iou]y.Evai, cog ei xig jzaxsQa djioxxEivag xä>v jraldcov avxov (pEioaixo Xenophon
statt Herodot I 155 als Autor angegeben wird.
Aber nicht bloss reiche Belesenheit und grammatische Exaktheit haben wir an dem
Urheber unserer Zusammenstellung zu rühmen; auch Geschmack und feines Urteil ist ihm
eigen. Ich hebe ein Beispiel heraus, das auf einen Autor unserer Schullektüre Bezug hat.
In der Kranzrede des Demosthenes lesen wir § 208: jud robg MagaScövi JiQoxivövvEvoavxag
xai xovg ev nXa.Taio.Tg TxaQaxafajUEVovg xal xovg ev 2aXafxXvi vavjuayjjoavrag xwv TiQoyövojv.
Was hat hier das Präverbium tiqo in JiQoxivdvvEvoavxag zu bedeuten? Eine Beachtung
der zeitlichen Folge der Schlachten bei Marathon, Salamis, Platää kann schon auf das
Richtige führen; aber die Sache wird erst vollständig klar durch Vergleichung der Original-
stelle Thukyd. I 73: cpa/uev yäg Maoadxovi xe /uövoi jiQoxivdvvsvoai xco ßaoßdga> xal oxe
xb voxeqov 7]X§ev, oi>x Ixavol övxsg xaxä yfjv dfivvEoßai, Eoßdvxsg ig xäg vavg Tiavörj/xEi ev
ZaXafüvi £vvvav[Aa%r}oai, wo durch das nachfolgende voxeqov die zeitliche Bedeutung des
tiqo in jiQoxLvövvEvoai gesichert wird. Unser Autor p. 748 hat das Verdienst, die Stelle
des Demosthenes als eine Nachahmung des Thukydides bezeichnet und den Demosthenes
aus Thukydides erklärt zu haben; bei keinem unserer neueren Herausgeber finde ich in
gleicher Weise die Stelle des Thukydides zur Erklärung des Demosthenes verwertet; umge-
kehrt kann bei diesen die Vergleichung des Epigramms des Simonides
cE)<.Xrjva)v TigojuayovvxEg 'A&ijvaToi Mapaficövi
%QvoocpoQOJv Mijdcov ioxoQEoav dvvajuiv
leicht die Vorstellung erwecken, als stünde auch bei Demosthenes das Präverbium tiqo
für V71EQ.
Das also ist evident: unser Kapitel stammt nicht aus dem Studierzimmer des Clemens,
sondern geht auf einen belesenen und feinsinnigen Grammatiker der alten Schule zurück,
aber einen solchen, der seine Studien nicht mehr wie die Gelehrten der alten alexandrinischen
Schule auf die Dichter beschränkt, sondern auch schon nach Art der pergamenischen und
römischen Gelehrten auf die Prosaiker, Historiker und Redner ausgedehnt hatte. Dass wir
nicht bei einem unbestimmten 'einen' stehen bleiben müssen, sondern auch einen bestimmten
Namen angeben können, das verdanken wir dem Kirchenvater Eusebius praep. ev. X 2 — 3.
Derselbe gibt dort zuerst eine kurze Inhaltsgabe unseres Kapitels; dann geht er zur
Bekräftigung des von Clemens gefällten Urteils auf einen Abschnitt aus des Neuplatonikers
Prophyrios Buch (PiX6?.oyog äxQÖaotg über (X 3, 1 — 23). Derselbe handelt von einem
Gastmahl, das zur Feier des Geburtstages Piatos der bekannte Grammatiker Longinus, der
angebliche Verfasser des Buches tieqi vxpovg,1) gegeben hatte. Im Tischgespräch kommen
!) Das Buch jieqI vxpovg, das sich hauptsächlich durch seine auserwählten Citate aus seltenen
Autoren der klassischen Zeit und seine feinen Bemerkungen in Sachen der ästhetischen Kritik auszeichnet,
wird bekanntlich dem Longin zugeschrieben und berührt sich in beiden Punkten mit unserem Abschnitt
der fpdöloyog dy.göaacg des Porphyrios, eines Schülers des Longin, wobei noch besonders zu beachten ist,
dass auch das Hauptwerk des Longin den Titel <t>iX6\oyot. 6/ni?uai führte, Porphyrios also in jenem Abschnitt
vornehmlich aus dem Werke seines Lehrers geschöpft zu haben scheint. Diese Verwandtschaft der beiden
Traktate und die Erwähnung des Rhetors Cäcilius in dem Buch tisqI vipovg und in dem Abschnitt des
Porphyrios bei Euseb. pr. ev. X 3, 13 machen es begreiflich, dass schon früh ein Grammatiker oder Rhetor
473
die Festgenossen auf die Plagiate zu sprechen, zuerst des Ephoros und Theopompos, dann
des Menander, Hypereides und anderer. Unter den Belegen finden wir einige, die wir auch
bei Clemens lesen, wie Eus. X 3, 18 = Clera. VI 2, 13. Zum Schluss X 3, 23 gibt Porphyrien
die Quellen an, aus denen er und seine Tischgenossen ihre Weisheit geschöpft hatten, indem
er einleitend, wie es scheint mit einem Seitenhieb auf Clemens, bemerkt: äXV Iva jutj xal
avxög y.lo7ir\q älXovg ahußfievog xlinx^g äXä>, xovg TiQay/naxevoajuEvovg xd Tiegl xovxoiv jurjvvoco.
Unter den Vorgängern nennt er zuerst mehrere, welche speciell von den Plagiaten einzelner
Schriftsteller gehandelt hatten, wie Lysimachos1) und Alkaios2) von Plagiaten des Ephoros,
Pollio von Plagiaten des Ktesias, Herodot und Theopomp. Dann erwähnt er die Haupt-
rüstkammer, aus der man sich über derartige Dinge unterrichten könne, das Buch des
Aretades tieqI ovveju7xxa)oe(og. Da nun Clemens in dem besagten Kapitel von Ephoros und
Ktesias gar nicht, von Theopomp und Herodot nur ganz wenig spricht, so muss er seine
meisten Beispiele dem Buche des Aretades entnommen haben.
So weit liegt die Sache klar; aber, fragen wir weiter, hat Clemens das Buch des
Aretades bloss benützt, oder es geradezu kopiert? Das Letztere jedenfalls nicht, dagegen
spricht schon ein äusserer Umstand. Bei Eusebius finden sich mehrere Dichterstellen und
zwar aus alten und seltenen Dichtern, wie Antimachos, Kratinos, Theodektes, die bei Clemens
nicht stehen. Da diese Eusebius zweifellos aus seiner Dichterquelle, d. i. eben aus jenem
Aretades entnommen hat, so hat Clemens seine Vorlage jedenfalls nicht vollständig abge-
schrieben, sondern nur ausgezogen und dabei je nach Bedünken einzelne Stellen ausgelassen.
Ein anderer Beweisgrund hängt von der Frage ab, wann jener Aretades gelebt habe.
Leider lässt sich dieselbe nach den wenigen uns erhaltenen Fragmenten3) nicht mit voller
Bestimmtheit beantworten. Aber da in dem Scholion des cod. A zu Homer II. 24, 110, das
aller Wahrscheinlichkeit nach auf Didymos zurückgeht und von Ludwich, Aristarchs Homer-
kritik 151 und 497 ohne Bedenken unter die Fragmente des Didymos aufgenommen worden
ist, Aretades neben Apollodor, Neoteles und Dionysios Thrax als Gewährsmann für die
Lesart TiQoxiunxoi angeführt wird, so muss derselbe vor dem Grammatiker Didymos oder
vor dem Kaiser Augustus gelebt haben.4) Nun kommen aber in unserem Clemens ström. VI 2
den Longin als Verfasser des Buches Jiegl vipovs, das vordem anonym gelaufen zu sein scheint, vermutete.
So weit kann ich gehen, aber nicht weiter, wie neuerdings Fr. Marx gegangen ist, der in der gelehrten,
an feinen Beobachtungen reichen, aber doch in der Hauptsache nicht überzeugenden Abhandlung, Die Zeit
der Schrift vom Erhabenen, Wiener Studien XX (1898) 1G9 — 204, die gegen die Autorschaft des Longin
vorgebrachten Gründe zu entkräftigen sucht. Tch bleibe auch diesem Versuche gegenüber bei meinem
Urteil in der Gesch. d. griech. Lit.3 758, dass der triviale Charakter der echten Schriften des Longin und
die seichten Titel seiner verlorenen Schriften, wie ei q>iX6ooq>og "O/xqgog, keine Zusammenstellung mit dem
vorzüglichen Buch vom Erhabenen zulassen, und dass von einem Rhetor des dritten Jahrhundex-ts keine
Polemik gegen den mehr als zwei Jahrhunderte ältei-en Cäcilius erwartet wird.
*) Dieser Lysimachos ist wohl identisch mit dem Grammatiker Lysimachos, der unter Augustus
einen Mythencyclus verfasste; vgl. C. Müller FHG III 334.
2) Dieser Alkaios, der in Spottversen über die Plagiate des Ephoros schrieb, ist offenbar identisch
mit dem Epigrammatiker Alkaios unter dem König Philippus III.
3) Gesammelt von Müller FHG IV 316, hinzuzufügen ist noch Alciphron III 56.
4) Dieser Ansicht sind auch Susemihl, Griech. Lit. der Alexandrinerzeit I 168, und Schwartz bei
Wissowa unter Aretades. Wenn ihn Susemihl zu den unmittelbaren Schülern des Aristarch rechnen
möchte, so vermisse ich dafür die Beweise; eher spricht der Umstand, dass Ai-etades in seinen Parallelen
stark auch die Historiker und Redner berücksichtigte, für die nächste Zeit vor Didymus, wo wieder das
63*
474
Dinge vor, die jedenfalls auf spätere Zeit, die erste oder zweite Hälfte des zweiten Jahr-
hunderts n. Chr. hinweisen. Vier Mal werden p. 738 und 751 Verse des Orpheus und
Musaios als Vorbilder für Verse des Homer angeführt.1) Das kann unmöglich ein alter
Grammatiker, den der Aristarcheer Didymos des Citierens wert hielt, gesagt haben, ganz
zu geschweigen, dass es sehr zweifelhaft ist, ob überhaupt damals schon die citierten Verse
der alten thrakischen Dichter existierten.2) Anstoss erregt es auch, dass Clemens p. 745
die anakreontischen Verse
"Egcoxa ydg xbv äßgöv
jue2.ojuai ßgvovra jukgaig
jioXvav&eßoig dsiöeiv'
öde y.al ßecöv dvvdoxrjg,
ode xal ßgoxovg öafxd^et
das Vorbild für Verse des Euripides sein lässt. Denn jene Verslein haben doch ganz das
Ansehen, als rührten sie nicht von dem echten Anakreon her, sondern gehörten zu den
nach dem Muster desselben gedichteten Tändeleien, die man der römischen Kaiserzeit zuzu-
weisen pflegt. Indes wage ich hier nicht mit voller Zuversicht zu urteilen, da jene Verslein
auch nicht in der auf uns gekommenen Sammlung von Anakreontea vorkommen, also
immerhin einer älteren Zeit angehören können.3) Uebrigens mag man über diese Ana-
kreontea urteilen wie man will, schon die gefälschten Verse des Orpheus und Musaios
genügen zum Beweis, dass nicht das ganze Kapitel Strom. VI 2 einfach aus dem Buche des
Aretades ausgeschrieben ist. Da nun auch die Annahme von zwei Grammatikern Aretades,
einem älteren vor Didymos lebenden und einem jüngeren aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr.,
in der Luft schweben würde, zumal Eusebius an der angegebenen Stelle durch keinen
Zusatz seinen Aretades von einem andern unterscheidet, so bleibt nur übrig, anzunehmen,
dass Clemens, entweder er selbst oder sein unmittelbarer Vorgänger, die Materialien des
Aretades nicht einfach abgeschrieben, sondern in der Art verarbeitet hat, dass er einiges
wegliess, anderes zusetzte. Zu den Zusätzen gehörten dann die beanstandeten Stellen p. 738
'Ogcpecog xoivvv noirjoavxog . . . fj (5' ä7zoA.rjy£i, p. 751 4) evgoig (51 dv ... Jiaqd Movoaiov
Studium der attischen Redner aufgelebt war. Nichts beweist für das Alter des Aretades die Ueberein-
stimmung des Scholion zu Aristoph. Nub. 1419 mit Clem. p. 141, 6 — 142, 23 Dind. = 748 Pott., da jenes
Scholion nicht in den alten Codd. RV steht, sondern erst von Musurus eingeschmuggelt wurde.
J) Ausserdem wird Orpheus p. 751 als Vorbild für Hesiod und p. 752 für Heraklit angenommen.
Wenn es aber p. 751 heisst: Evyä/ii/tcov 6 Kvq^volo? ix Movoaiov to meqi Qeottqcotwv ßißXiov oXoxXrjgov
s^rjveyxev, so ist dabei schwerlich an den alten thrakischen Sänger Musäus zu denken.
2) Dagegen lässt auch Justin coh. ad Graec. c. 17 den Eingang der Ilias nach dem Muster des
untergeschobenen Verses des Orpheus
Mrjviv äeide ■dea. Arj/utjzsQO? äykaoxagjiov
gedichtet sein.
3) Bergk PLG3 Anacr. fr. 62 rechnet unsere Verse zu den Nachdichtungen und fügt denselben noch
andere an, welche auch nicht in der Sammlung der Anacreontea des cod. Palatinus vorkommen, aber
doch gleichfalls verdächtig sind. Die Verse des Euripides zu kennen, die nach denselben gedichtet sein
sollen, setzt keine grosse Belesenheit voraus; dieselben stunden auch in den Anthologien und so auch
in Stobäus flor. 63, 25, freilich dort als Verse des Sophokles.
4) Die Stelle p. 751 § 26 erregt auch sonst Anstoss, weil mit ihr der Verfasser aus der oben
skizzierten Disposition herausfällt. Denn nachdem er bereits mit § 25 zu den Fällen, in denen Schrift-
475
Xaßmv xov noii]xov xaxa Xi^iv und vielleicht auch p. 745 'Avaxgeovxog de . . . eg^erai.
Die Frage, ob Clemens selbst oder sein nächster Vorgänger die Umformung vorgenommen
hat, habe ich offen gelassen; der andere war aber sicher nicht Aristobul, an den Cobet,
Observationes in Piatonis comici relliquias p. 72 zur Zeit, als die Fälschungen jenes Peri-
patetikers noch nicht geklärt waren, dachte, an den aber heutzutage niemand, der Elter
gelesen hat, denken wird.1)
Ich bespreche noch in einem Exkurs die Stellen Clem. ström. VI 2, p. 740 und 747
über das Verhältnis des Sophokles zu Euripides und Herodot. Bei gleichzeitigen Dichtern
war schwer zu ermitteln, wer der gebende und wer der empfangende Teil sei. Clemens
hat daher mit lobenswerter Vorsicht Strom. VI 2, 10 sich darauf beschränkt, die parallelen
Verse von Euripides und Sophokles einfach neben einander zu stellen, ohne einen Entscheid
zu wagen, wer von beiden den andern nachgeahmt habe. Ganz in diesem Sinne mahnt
auch Eusebius praep. ev. X 3, 14 in solchen Fällen zur Vorsicht, wenn man nicht zuvor
auf anderem Wege das chronologische Verhältnis der verglichenen Stücke zu einander fest-
gestellt habe. Ganz im Gegensatz zu dieser behutsamen Zurückhaltung hat aber Clemens
nicht bloss p. 747 schlankweg behauptet, Sophokles habe mit den Versen der Antigone 911 f.
^ii]TQÖg t' iv Al'dov xal naxgog xexevxoxcov,
ovx £öt' äösl(pög boxig äv ßläoxoi jzoxe
den Anstoss zu der bekannten Erzählung des Herodot III 119 gegeben, sondern auch p. 740
geradezu ausgesprochen, Sophokles habe mit dem Vers des Aias 665
i%&QÖ)v <5' ädcoga dcöga xovx ovtjoijua
den Vers der euripideischen Medea 618
xaxov yäg ävdgög öwq'' övqoiv ovx e%ei
nachgeahmt. Hat nun hier der Autor wirklich die nötige chronologische Voruntersuchung
angestellt und etwa aus den Didaskalien die Gewissheit sich verschafft, dass der Aias des
Sophokles erst nach der im Jahre 431 aufgeführten Medea gedichtet worden sei? Wenn
man bloss den Clemens in Betracht zieht, so sollte man es glauben ; aber Zweifel erregen
die vielen anderweitigen Momente, welche die landläufige Meinung stützen, dass der Aias
als älteste der uns erhaltenen Tragödien des Sophokles nicht bloss vor der Medea, sondern
auch vor der im samischen Krieg um 442 aufgeführten Antigone gedichtet sei.4) Ihnen
darf man um so grösseres Gewicht beilegen, als sich der Verfasser unseres Kapitels doch
steller sich ganze Bücher abstahlen, übergegangen war, kehrt er in §26 wieder zu den Fällen des
Plagiates einzelner Versstellen zurück.
x) Schon Scheck, De fontibus Clementis p. 37 hat dieses richtig erkannt. Indes gebührt dem
grossen Niederländer das Verdienst, auf die Uebereinstimmung von Clemens p. 141,6 — 142,2 Dind. Jigog
xovxoig Qeoxöjatiov x. r. X. mit dem jüngeren Schol. Aristoph. Nub. 1409 aufmerksam gemacht zu haben.
Ob derselbe auch mit Recht an jener Stelle eine Verwechselung des Philosophen Plato mit dem Komiker
Plato angenommen habe, ist zweifelhaft, da auch der Philosoph Plato, wie Cobet aus dem Commentar
von Potter hätte ersehen können, in den Gesetzen I, p. 646 einen ähnlichen Ausspruch gethan hat.
2) Zusammengestellt sind die Gründe in meiner Griech. Litteraturgeschichte, 3. Auflage, S. 239.
Besonders schwer wiegt der Umstand, dass der Chor des Aias noch aus 12, noch nicht aus 15 Choreuten
bestand. Aber ich tadle mich selbst, dass ich die für die umgekehrte Meinung sprechende Stelle unsere
Clemens gar nicht angeführt habe.
476
auch noch in anderen chronologischen Annahmen starke Blossen gegeben hat. So setzt
er p. 747 den Panegyricus des Isokrates vor die Rede des Andokides über den Frieden,
was sicher falsch ist, p. 748 den Aegineticus des Isokrates vor eine der Mündelreden (ev xöig
'Ogcpaviaolg) des Lysias, was mindestens zweifelhaft ist, und lässt p. 751 dem Euripides
durch die Lehre des Plato von der Weibergemeinschaft die Anregung zu dem Vers y.oivbv
yäg shai %Qfjv yvvaixelov Mxog gegeben sein, was gegen alle Geschichte verstösst.
Strom. V 14 und Protr. 6 f. über Götter und Göttliches.
Nächst dem Kapitel Strom. VI 2 enthalten die meisten Dichtercitate die Abschnitte
Strom. V 14 und Protr. 6 f. Dieselben stehen indes nur in Bezug auf die Häufigkeit der
Dichtercitate dem Kapitel Strom. VI 2 näher, im übrigen unterscheiden sie sich von ihm
stark in Anlage und Gehalt. Das wird eine kurze Analyse derselben zeigen.
Das Ziel des Kapitels Strom. V 14 ist gleich im Eingang desselben ausgesprochen:
es soll darin bewiesen werden, dass die Hellenen ihre Weisheit aus den jüdischen Schriften,
aus der von ihnen als barbarisch verschrieenen Philosophie der Hebräer gestohlen haben.1)
Das wird in zwei sehr ungleichartigen und mangelhaft zusammengefügten Teilen durch-
geführt. In dem ersten (§§ 89 — 108) werden Sätze der alten Philosophen, insbesondere des
Plato, auf Stellen des alten Testamentes zurückgeführt, indem dabei den Griechen der Vor-
wurf gemacht wird, wohl von Bibelstellen ausgegangen zu sein, dieselben aber nicht richtig
aufgefasst zu haben. Dichterstellen sind in diesem ersten Teil nur zweimal, und da nur
nebenbei, § 100 für die Schöpfung des Menschen aus Thon, und § 107 für die Heiligkeit
der Siebenzahl angeführt. Im zweiten Teil (§§ 109 — 140), der indessen nicht durch eine
besondere Einleitung von dem ersten geschieden ist, kommen fast nur Dichter zu Wort.
Aber der Nachweis des Diebstahls (xloii))), den sich der Autor im Eingang des Kapitels
als Aufgabe gestellt hatte, wird in diesem zweiten Teil fast nirgends erbracht;2) es werden
wohl Verse griechischer Dichter angeführt, die zeigen, dass auch diese, abweichend von der
Meinung der Menge, über religiöse Dinge, dass es nur einen Gott gebe, dass dieser nicht
geboren, sondern von Ewigkeit sei, dass Gott die Bösen, wenn auch nicht gleich, so doch
sicher mit der Zeit bestrafe, erhabene und wahre Gedanken ausgesprochen haben, aber
Stellen der Bibel, welche diese kopiert oder missverstanden haben sollen, sind nur ganz
selten angemerkt. Man gewinnt dadurch den Eindruck, dass der ganze zweite Teil unseres
Kapitels ursprünglich einem anderen Zwecke diente und nur Verse der Dichter über religiöse
Dinge (rd tieqI dscov 7ioi?]iaig £iQi]jueva) enthalten wollte.3) Zum Verwundern lesen wir
denn auch am Schlüsse § 140: dedEtyjuevov toivvv oacpcog, cbg oljuai, ojzcog xXejixag siQrjo&ai
TiQÖg xov xvoiov xovg "EXXip>ag efaxovoxEov, ixcov jzaoalsijicü xä xcüv cpiXooöcpiüv doy/uaxa,
als ob der erste Teil gar nicht vorausgegangen und von den Lehrsätzen der Philosophen
noch gar nichts gesagt sei.
') Strom. V 14, 1: ro 5' !£?;? ouiodorsov xai xijv ex xij; ßagßägov (/iXooocpiag'EXXijvixJ/i' xXotiijv oacpsoxegov
rjdrj Jiagaaxaxeov.
~) Nur ausnahmsweise ist § 120, 125, 126, 131 auf parallele Stellen der Bibel hingewiesen.
3) Am Schlüsse des Kapitels § 141 ist auch geradezu die These des Anfangs ignoriert und heisst
es ganz allgemein: rjdrj fikv ovv öfjlov fj/xiv ix iwv 7igoEigrn.dv<ov, we ai'diog »} xov deov svxotta xvyydvei
xal eis jidvzag «f «£/'?£ ävüg%ov l'ai] dxgyvöjs fj <pvoix>] dixaiooövi] x. x. X.
477
Das alles führe ich an, nicht etwa, um den ersten Teil als unecht oder als späteren
Zusatz zu erweisen, sondern teils um an einem konkreten Beispiel das Ungeschick des
Clemens in der Anordnung der Gedanken darzuthun,1) teils um aus dem Nachweis des
mangelnden Zusammenhangs der beiden Teile die Vermutung zu begründen, dass die Ver-
schiedenheit der im zweiten Teil des Kapitels benutzten Quelle es war, welche den Autor
aus der Bahn warf und seiner Beweisführung eine andere Richtung gab. Ehe ich aber
auf den letzteren Punkt näher eingehe, rauss ich zuvor noch einen verwandten Abschnitt
der clementinischen Werke in die Besprechung ziehen.
Die vielen Dichtercitate über göttliche Dinge teilt der zweite Teil des Kapitels
Strom. V 14 mit dem Abschnitt des Protrepticus c. 6 f. Es wird dort in guter Disposition
und in sorgfältiger Ausführung, wodurch sich überhaupt der Protrepticus von den leicht
hingeworfenen Stromateis vorteilhaft unterscheidet, das wahre Wesen Gottes als allmächtigen
und allweisen Vaters, im Gegensatz zu den verkehrten Vorstellungen der Götzenanbeter
dargethan, und dabei von dem Satze ausgegangen, dass durch göttliche Eingabe den Weisen
und Gebildeten aller Orten eine Ahnung des wahren Gottes eingepflanzt sei. Zuerst also
werden hierfür die Philosophen, die Sokratiker Plato, Antisthenes, Xenophon und der Stoiker
Kleanthes als Zeugen aufgerufen. Dann wird im 7. Kapitel zu den Dichtern übergegangen,
und zwar so, dass zuerst die positiven Aussprüche des Arat, Hesiod, Sophokles, Euripides,
Orpheus angeführt werden, dann die Spottverse, mit denen Menander, Euripides und andere
die falschen Meinungen der Menschen bekämpften und lächerlich machten. Das alles liest
sich ohne Anstoss, da der Verfasser wohl auch einmal p. 60 Plato und Moses vergleicht,
aber im übrigen den Gedanken ferne hält, als hätten die griechischen Dichter Stellen der
Bibel ausgeplündert.2)
') Auch sonst vermisst man in unserem Kapitel häufig Zusammenhang und folgerichtige Ent-
wicklung. Ich will nicht reden von dem salto mortale, womit der Verfasser von dem Einsang der
o ' Do
Phänomena des Arat und den Versen
avzog ydg zäde orjfj.az'1 iv oigavcS iozr'/gtg~ev
äozga dtaxgtvag
zu der Hoplopoiie des Homer II. XVIII 483 übergeht
iv fikv yatav e'zevg", iv <5' ovgavöv, iv de ddlaooav,
iv de za zeigtet nävza, zd z' ovgavog iozeyävwzai,
um in der Schilderung Homers ein Abbild der mosaischen Schöpfungsgeschichte zu erblicken. Anstoss
erregt es besonders, dass die Verse des Kleanthes, Euripides und Sophokles über eldwlolazgla in § 1 1 1
losgerissen sind von denen des Philemon über den gleichen Gegenstand § 128, und ebenso, dass die
pantheistischen Verse des Euripides und Aeschylus § 114, des Arat § 101, des Pindar § 129 nicht zusammen-
stehen. An einer Stelle § 127 kann mit leichter Aenderung geholfen werden. Wenn man nämlich dort
für das xoiavza in zotavza xal 6 Ilägiog 'Ag/JXo/og JJyei
w Zev {ttuzfq Zev) obv /j,'ev ovgavov xgäzog,
ov <5' e'gy' i.-r' äv&gojjzwv ogäg
"/.scogyu xndifiioza
eine Rückbeziehung vermisst, so kann man diese einfach dadurch herstellen, dass man den Vers des Orpheus
avzog <V e; äyndoXo xaxöv t)vrjzotot q)vzevei
von dem vorausgehenden Absatz losreisst und als Anfang eines neuen Absatzes vor xoiavza x. z. X. setzt.
2) So lesen wir Protr. p. 61 bloss: 'Avzio&evqg ftev yag ov Kvvixbv dr) zovzo ivevörjoFv, Zmxgäzovg de
äze yvwgiftog öeov ovdevi ioixevai (prjoiv, dagegen Strom. V 14, p. 714: 6 l'mxgazixög 'Avzio{Hvrjg 7iaga<pgdCwr
478
Die Zahl der Dichterstellen in dem zergliederten Abschnitt des Protrepticus ist viel
kleiner als in dem entsprechenden der Stromateis, aber auf die gleiche Quelle weist die
Uebereinstimmung in zahlreichen Fällen hin. So kehren wieder Aussprüche und Verse: des
Hesiod avxög yäg x. x. X. Protr. p. 62 und Strom, p. 716, des Euripides ögäg x. x. X.
Protr. p. 63 (in Prosa aufgelöst) und Strom, p. 717, des Ps. Sophokles elg xalg äX)]&eiaioiv x. x. X.
Protr. p. 63 und Strom, p. 717, des Arat ocpg' ^uneda x. x. X. Protr. p. 61 und Strom, p. 709
(vollständiger), des Kleanthes xäya&bv x. x. X. Protr. p. 61 f. und Strom, p. 715 f. (mit einer
kleinen Lücke), des Orpheus (p§£yg~ojucu x. x. X. Protr. p. 43 (mit einem Ueberschuss von
4 einleitenden Versen) und Strom, p. 73 (ohne die 4 einleitenden Verse, sonst vollständiger),
der Sibylle xig yäg oägk~ x. x, X. und ovxog löov x. x. X. Protr. p. 61 und 66 und Strom, p. 714
und 718, ferner des Demokrit Protr. p. 69 und Strom, p. 709, des Plato Protr. p. 59 und
Strom, p. 710, des Antisthenes Protr. p. 61 und Strom, p. 716, des Xenophon Protr. p. 61
und Strom, p. 714. Dazu kommen noch die Fälle, wo bald der Protrepticus, bald die
Stromateis dieselben Verse bieten wie die mit beiden nahe verwandte, aus derselben Quelle
schöpfende Schrift des Ps. Justin de monarchia,1) wie wenn die Verse
■&eov de Jioiov ems juoi vor\xkov\
xbv Ttävft'' ögwvxa xavxöv ovyy ögojjuevov
sich bei Clemens Protr. p. 59 und Justin de mon. p. 104 D finden, nur dass Clemens sie
als Verse des Euripides, Justin als solche des Philemon citiert, oder wenn die Verse des
Menander ovdeig fi' ägeoxei x. x. X. und ei yäg k'Xxei x. x. X. bei Clemens Protr. p. 65 und
Justin de mon. p. 106 f. (vollständiger) stehen, ferner die Verse Eur. Ion jzcög ovv dixaiov x. x. X.
bei Clemens Protr. p. 65 und Justin de mon. p. 103 (vollständiger), Eur. Orest. og
fxeooixcpäXovg x. x. X. bei Clemens Protr. p. 65 und Justin de mon. p. 107 D (vollständiger),
die Verse des Menander el xig ös ftvoiav bei Clemens Strom, p. 720 und Justin de mon.
p. 106 (als Verse des Philemon, vollständiger), des Diphilos olei ob xovg flavovxag x. x. X. bei
Clemens p. 721 und Justin de mon. p. 105 (als Verse teils des Philemon teils des Euripides,2)
mit starken Varianten), des Sophokles eoxai yäg x. x. X. bei Clemens p. 722 (als Verse der
Tragödie ohne Dichternamen) und Justin de mon. p. 105 E (mit falschem Zusatz), des
Aischylos %d)git,E ■&vr\x(bv x. x, X. bei Clemens p. 727 und Justin de mon. p. 104 (mit
kleinen Varianten).
xrjv nQOcprjxixrjv ixstvrjv cpwvrjv 'xivi fxe w/ioicöoaxs; Xiysi xvgtog' , dsov ovdsvl ioixe.vai (prjoi. Desgleichen
wird Strom, p. 714 der Ausspruch des Xenophon aus Versen der Sibylle hergeleitet, einfach hingestellt
ohne Parallele in Protr. p. 61 und ebenso bei Stobäus ecl. II 1, 10. Auch aus der Vergleichung von
Protr. p. 61 nollovg 8s xal alkovg x. x. X. und Strom, p. 730 ersieht man, wie erst in den Stromateis der
Nebengedanke ex xfjg ßagßägov Sgum^isvot <pi\ooo<piag eingelegt ist. Zu beachten ist dabei, dass auch bei
Justin de mon. p. 106 die Verse des Menander si'xig de ftvolav x. x. ?.., welchen bei Clemens p. 720 Stellen
der Bibel zur Seite gestellt werden, einfach ohne Hinweis auf Bibelstellen angeführt sind.
x) Bezeichnend für das Wechselverhältnis der drei Schriften ist es, dass die untergeschobenen Verse
des Sophokles scg xaig ah]deiaiaiv x. x. 1. sich in allen drei Schriften Justin de mon. p. 104 C, Clemens
Protr. p. 63 und Strom, p. 717 finden, und dass bei Justin de mon. p. 107 und Clemens Protr. p. 65 die
Verse Eur. Ion und Eur. Orest. in gleicher Ordnung auf einander folgen.
2) Im Clemens ist nach Vers 11 ou xovvofia cpoßsgov ovS' äv örofiäoaifi' iyd> ausgefallen xal EvgiTildrjg,
geblieben aber die dazu gehörende Bemerkung, die bei Justin lautet äcp&ovov ßiov öiöodoi xgog pijxog t
von Clemens aber, wie Elter p. 189 richtig erkannte, in einen schlechten Vers gebracht ist: og xolg
äftaoxävovot jtgog /ufjxog ßiov dldcooi.
479
Wie hat man sich nun das Vorkommen der gleichen Citate, zum Teil in der gleichen
Abfolge1) an den drei Stellen, oder wenn wir vorläufig Justin de mon. ausser Betracht
lassen, an den zwei Stellen des Clemens zu erklären? Sollte der Autor sich selbst aus^e-
schrieben haben, so könnte er, da der Protrepticus vor den Stromateis geschrieben ist, nur
in dem letzteren Werk das erstere benützt haben. Aber das erstere bot dazu zu wenig
Stoff, da in dem Kapitel der Stromateis viel mehr Stellen von Dichtern und Prosaikern
citiert sind2) als in dem Protrepticus, so dass Clemens jedenfalls inzwischen eine bedeutende
Nachlese gehalten haben müsste. Aber dass überhaupt Clemens Stellen selbst aus eigener
Lektüre gesammelt habe, entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit. Ich gebrauche hier dasselbe
Argument wie im vorausgehenden Kapitel: Die Citate setzen eine viel zu grosse Belesenheit
und Gelehrsamkeit voraus. Geben wir auch zu, dass Clemens aus eigener Lektüre die Verse
nicht blos des Homer, Hesiod und Arat, sondern auch des Euripides, Menander und selbst
des Pindar gesammelt habe, so geht doch jedenfalls die Lektüre des Bakchylides, Epicharmos,
Melanippides, Xenophanes über den Gesichtskreis des Clemens hinaus. Da müssen wir also
schon fremde Sammlungen zu Hilfe nehmen.
Wir können aber auch noch an einer Stelle bestimmt nachweisen, dass Clemens nicht
die Originale selbst einsah, sondern die besprochene Stelle nur in der Form kannte, wie er
sie bei seinem Gewährsmann citiert vorfand. Wir lesen nämlich Strom. V 14, p. 714 und
fast gleichlautend Protr. p. 61: xd <5' ojuoia xal Zevocpcöv 6 'A&ijvatog xaxä Xe£iv kiyec
6 yovv ndvta oelcov xal äxgelu(£a)v cbg juev jueyag xig xal dvvaxög, (paveoog, öjioiog cV ioxlv
/Liogqpijv, ä(pav)']g, ovöe jui)v 6 7iaf.icpay]g doxäjv elvai fjfaog ovo'1 ovxog k'oixev öqüv avxov
inageneiv, uXV fjv xig ävaidcög avxov &£ao)]xai, x))v öipiv äcpaigelxai. Im Original aber,
Xen. Meiuor. IV 3, 14 heisst es: ivvosi tV oxi 6 Jiäoi cpaveqog öoxcöv ehai, JjXiog ovx ejilxqejiel
xo?g uvOodOTioig iavxbv äxgißcog ogäv, äXl"1 idv xig avxov dvaidäjg ey%eiQfj fieäo&ai, xrjv Siptv
äcpaiozixai. Es steht also nur der zweite Satz oude — äcpaiotixai bei Xenophon, von dem
ersten 6 yovv — äqpavTqg keine Spur, obwohl Clemens versichert, dass er denselben gleichfalls
wörtlich aus Xenophon citiere. Ein solcher Irrtum wäre einfach auch bei einem Clemens
undenkbar, wenn er die Stelle des Xenophon selbst eingesehen hätte.
Also das steht fest, auch in unseren zwei Kapiteln, Strom. V 14 und Protrept. 6 f.,
hat Clemens nicht selbst die Mühe des Sammeins auf sich genommen, sondern aus einer
Vorlage das Material geschöpft. Diese Vorlage darf man nun aber nicht etwa in der Schrift
des Justin de monarchia suchen. Denn abgesehen von den starken Varianten, in denen
man durchaus nicht immer dem Justin den Vorzug geben darf,3) fehlen bei Justin alle
li In gleicher Ordnung folgen aufeinander in Protr. p. 61 und Strom, p. 714 Plato, Antisthenes,
Xenophon, Sibylle. Euripides und Sophokles folgen aufeinander Protr. p. 03 und Strom, p. 717, nur in
umgekehrter Folge. Ausserdem folgen sich, wie Elter De gnom. graec. hist. p. 129 gut bemerkt, die
Beispiele im Clem. protr. 7, §§ 75 f. in der gleichen Ordnung wie bei Justin de mon. c. 5.
2) Dasselbe Argument würde entgegenstehen, wenn man unter Missachtung der Abfassungszeit den
Clemens im Protrepticus die Materialien von Strom. V 14 benützen Hesse. Denn wenn auch im Protrep-
ticus weniger Verse citiert sind, so finden sich doch darunter solche, wie des Menander fjXie y.. r. ?.. p. 59
und des Euripides Ale. 760 yj.woa p. 05, die nicht in Strom. V 14 und auch nicht bei Justin de mon.
vorkommen.
3) Insbesondere scheint es mir bedenklich da, wo Clemens den Menander oder Diphilos oder Euripides
als Autor angibt, Justin regt I ^einen Philemon, überall dem Justin zu folgen. Wahrscheinlicher
scheint es mir, dass in dem Exemplar des Justin der Autorname ausgefallen war, und Justin alsdann
Abb. d. I.C1. d. k. Ak. d.Wi-s. XXI. Bd. III. Abtb. 04
480
Prosastellen und von Dichterstellen gerade die seltensten. Es mag wohl Justin de inon.
der Vorlage näher stehen ; denn er begeht noch nicht die Thorheit, Bibelstellen als Vorbilder
der Verse griechischer Dichter anzunehmen, welche Thorheit wir in Clemens Protrepticus
erst in den Anfängen, in den Stromateis V 14 in voller Blüte sehen; aber die Vorlage selbst
war Justin nicht, ebensowenig wie Theophilos, der in der Schrift gegen Autolykos gleich-
falls viele der Verse citiert, aus dem schon oben angedeuteten Grund, dass viele Stellen bei
Clemens vollständiger und reiner überliefert sind. Wir werden also zu einer gemeinsamen,
uns nicht mehr erhaltenen Vorlage unsere Zuflucht nehmen müssen.
Wie aber war diese Vorlage beschaffen und welches war ihre ursprüngliche Anlagt?
In Beantwortung dieser Frage geht Elter, der uns hier erst die Wege gewiesen hat, auf
ein Florilegium des Stoikers Chrysippus von berühmten Aussprüchen griechischer Dichter
über göttliche Dinge zurück. Dass das zugrunde liegende Florilegium ursprünglich nur
Dichterverse umfasste, erkennt man noch daran, dass die Schrift des Ps. Justin de monarchia
nur Verse enthält, und dass auch der Apologet Theophilus aus seinem Florilegium nur
Verse anführt.1) Aber dem Clemens lag bereits an den zwei Stellen im Protrepticus und
in den Stromateis eine durch Stellen aus Philosophen erweiterte Form vor. Dass ferner
der Verfasser des ursprünglichen Florilegiums ein heidnischer Grammatiker war, macht
schon der grosse Umfang der ausgezogenen Schriften und Dichter wahrscheinlich. Denn
kaum gab es einen Juden oder Christen, der ausser seinen heiligen Schriften auch noch
Dichter wie Melanippides oder Epicharmus zu lesen die Müsse hatte. Auch eine Stelle des
Clemens lässt sich noch für diese Annahme geltend machen. Wenn wir nämlich im Protr.
p. 59 lesen ödsv ovx äjietxöxcog 6 ArjjuoxQtxog xcov koyioiv ävOgconcov öÄlyovg (pt]oiv ävaxei-
lavxag xäg x£?QaS ivxavßa, ov vvv tjega xaÄeojuev oi "EXlr\ve.g, nävxa Aia /nv&elo&ai, so
müssen uns die Worte oi 'EÄfajveg als überflüssig auffallen; es genügte vollständig der ein-
fache Satz ov vvv yeoa xaleofxev. Ich vermute daher, dass wirklich ursprünglich nur ov
vvv r)eoa xalsofiEv im Texte stund, und dass ol "Ekbjveg von dem christlichen Ueberarbeiter
zugesetzt wurde, da dieser sonst unter der ersten Person seine christlichen Glaubensgenossen
verstand. Von jenem jüdischen oder christlichen Interpolator nun rühren auch die gefälschten
Verse her, die aus der gemeinsamen Vorlage in die drei Ableger gekommen sind, und über
die wir in dem nächsten Kapitel noch näher handeln werden.
Unsicherer steht es mit dem stoischen Ursprung und der Autorschaft des Chrysippus.
Wir haben allerdings ein Zeugnis für das frühe Vorkommen poetischer Florilegien in der
Stoa an der Stelle des Sextus Empiricus adv. mathern. I 271, p. 660, 18 ed. Bekk: xb <V oxi
ov%väg diöwoiv i) noirjrmrj äcpog^äg jzgög evöaifxoviav, dfjkov ix xov xr\v övxcog xqaxiox^v
xal r/donoiov cpdooocpiav äjiö xrjg Jiagä xoTg 7ioii]xaig yva)juoXoyiag xqv aQX^lv eQQi£(öo&ai
xal diä xovxo xovg <pt%oo6(povg, ei' jioxe jiagaivextxcög xi liyoiev, xalg noiijxtxaTg cpcovaTg
(üOJzeQsl oq)Qayi£eoßcu xö vti avxwv keyöjiievov, und p. 661,22: xai jlu)v ov xavxa fiövov xoig
TiowjxaTg defiöbg eiQfjoßai (paivsxcu älXa xai xa Jisoi ßeööv x. x. 1. Danach gab es allerdings
aufs Gerathewohl den als Verfasser der Monosticha in den Schulen zumeist genannten Philemon einsetzte.
Dass auch in Justin de mon. 3 eher EvQinibr\q, was Clemens p. 59 wirklich hat, erwartet wird, bezeichnet
selbst Elter p. 152 als proclivis suspicio.
') Diels, der im Rh. M. 30 (1871) 172 ff. die von Theophilus aus seinem Florilegium citierten Verse
zusammenstellt, bemerkt S. 181 vorsichtig: ob dieses Urflorilegium ausser den poetischen Stellen noch
prosaische Excei-pte enthalte, lässt sich nicht nachweisen.
481
schon in alter Zeit Zusammenstellungen von Dichterstellen jzegl ftecöv, und waren es vor-
züglich die Stoiker, die ihre Vortrüge und Diatriben mit derartigen Versen zu schmücken
liebten. Dass unter den Stoikern namentlich Chrysippus häufig Dichterverse in seine Dar-
stellung einflocht, hat Elter diss. I, p. 16 ff. mit umfassender Gelehrsamkeit nachgewiesen;
ob aber gerade ihn Sextus Empiricus im Auge hatte, machen doch dessen eigene Worte
zweifelhaft p. 664, 6 jzotyuxoig xe /uagxvgioig %gwvxai. ov% oi yvt]oiojg (pdooocpovvxeg (tovtcov
ydg 6 Xoyog avxdgxyg eoxl ngdg Jiei&do) dXX' oi xbv ttoXvv xal äyogaiov cpevaxlt,ovxeg oyrkov.
Denn damit scheint er anzudeuten, dass nicht so sehr das litterarische Haupt der Stoiker,
Chrysippus, als die untergeordneten Popularschriftsteller unter den Stoikern mit Dichter-
versen ihrer Darstellung Reiz und Anziehungskraft zu verleihen pflegten.
Aber wenn selbst auch Chrysippus den Ton für jene Richtung angab, so war er sicher
nicht der einzige Stoiker, der dieses that, und dürfte es gerade in der Frage nach den Quellen
des Clemens angemessen sein, auf einen Gelehrten hinzuweisen, den in gleicher Weise die
Grammatiker und stoischen Philosophen zu den Ihrigen zählten, und der ein berühmtes,
24 Bücher umfassendes Buch negl fteöiv geschrieben hatte, ich meine den Athener Apollodor.1)
Dass derselbe auch Dichterstellen heranzuziehen nicht verschmähte, ersieht man aus dem
grössten der erhaltenen Fragmente Nr. 10. Dass sodann unser Clemens ihn benützte, und
nicht bloss in chronologischen Fragen, wovon später mehr, sondern auch in Dingen, welche
mit dem Kultus und dem Götterglauben zusammenhängen, davon zeugen ausdrückliche Citate.
So lesen wir Protr. 2, p. 12 bezüglich der Etymologie des Wortes fxvoxi)gia: ei de xal and
Mvovvxog xivog 'Axxtxov, ov ev xvvrjyiq diacp&agfjvai AjioXXodojgog Xeyei, ov cp&dvog vjucöv
dedog~do&ai xd /uvoxtjgia ejxixv/ußico xi/xf], und Protr. 2, p. 25 bezüglich der Eselsopfer bei
den Skythen: 2xv9ai de xovg övovg legevovxeg /xrj jiaveo&cov , (bg AjioX?i6dcog6g cpr\oi
xal Ka/Mfiayog,
<Po7ßog 'Yjieoßooeoioiv övoov ejiixekXexai (corr. emxegjzexai) igolg,
6 auxög de äXXa%ov
xeo.-xovoiv Xtixagal <froZßov dvoocpayiai.
Es ist aber das letztere Citat offenbar so zu deuten, dass Clemens nicht den Apollodor
und Kallimachus einsah, sondern aus Apollodor auch die Verse des Kallimachus, die dort
als Belege angeführt waren, kennen lernte. Vielleicht ging auch an einer dritten Stelle,
Strom. V 8, p. 674 'AjzoXXodojoog d' 6 KegxvgaTog xovg oxiyovg xovode (es gehen vier Verse
des Empedokles voraus) vnb Bgäy%ov ävacpon'r]di]vai zov judvxeojg Xeyei MiXrjoiovg xa&ai-
govxog djxo Xoiuov x. x. X. das Citat ursprünglich auf Apollodors Bücher Tiegl &ecöv zurück
und ist der Beiname 6 KegxvgaTog aus 6 Adijvaiog verderbt,2) für welche Vermutung ich
überdies anführe, dass besonders auch hier im weiteren Verlauf Verse des Kallimachus zum
Belege angeführt werden. Ueberdies schmecken die Etymologien 'Ioiv de rr/v xal 'Ioj cpaoiv
diä xd Uvai avxrjv did Tidoijg x>~jg yfjg 7iXava>fievrjv Strom. 121, p. 382, und xä>v doxegmv
zag xir/joeig en.it) eojjuevoi e&avfiaodv xe xal efe&eiaoav fteohg ex xov &elv övo/udoavxeg
J) Die Fragmente des Buches bei Müller FHG I, p. 428 ff., n. 1—44; dazu Münzel, De Apollodori
aegl Of.wv libris, und Ed. Schwartz bei WisBOwa I 2873.
2) Diese meine Vermutung stützt sich wesentlich auf den Inhalt des Citates. Es gab nämlich auch
einen Grammatiker Apollodor aus Kyrene, den Athenäus XI, p. 487b citiert.
64*
482
Protr. 2, p. 22 ganz nach apollodorischem Aberwitz. Dem Inhalt nach dürfte auch der
ganze Abschnitt Protr. c. 2 — -4 mit seinem gelehrten mythologischen und archäologischen
Detail,1) sowie das Kapitel über die Opfer Strom. VII 6 mit den Citaten aus Pherekrates,
dem Komiker Plato und anderen abseits von der Heerstrasse liegenden Dichtern und Philo-
sophen, und der Schluss von Strom. I 14, p. 163 f. mit den gelehrten Erörterungen über
die alten Götterstelen auf das gelehrte und inhaltreiche Werk des Apollodor über die Götter
zurückgehen. An der ersten Stelle deutet Clemens selbst an, dass er aus einer heidnischen,
von den Heiden aber selbst nicht mehr gekannten Quelle seine Weisheit geschöpft habe:
jzö&ev naQayeygajixat xavxa \_ooi xo^iL,£odai\ xä v<p' rjfxwv TzagandEjueva: ovöe xovg oovg
yvoiQit,eiv k'oixag ovyygacpelg, ovg iycb juaQxvgag im xi]v ämoxiav xakco (Protr. p. 33).
Diese Quelle aber wird wohl das gelehrte Werk des Apollodor tisqI fiecöv gewesen sein,
wenn auch in jüngerer, mit andern Zusätzen bereicherten Ueberarbeitung.2) Indes konnte
dieses Werk, um zu dem Ausgangspunkt unserer Untersuchung zurückzukehren, gerade für
die Kapitel Protr. 7 und Strom. V 14 nur geringe Ausbeute liefern; hierfür musste ein eigent-
liches, nicht vom gelehrten, sondern poetischen Standpunkte ausgehendes Florilegium von
Dichterstellen über göttliche Dinge ungleich reicheres Material bieten. Lassen wir also ganz
die Frage nach dem Autor, so war ein Florilegium über göttliche Dinge in einer von Juden-
Christen stark interpolierten Gestalt, für Clemens in den bezeichneten Kapiteln Strom. V 14
und Protr. 6 die hauptsächlichste Quelle. Dass er dasselbe sonst nirgends benutzt habe,
wird man von vornherein nicht für wahrscheinlich halten; aber schwer ist es im Einzeln
zu bestimmen, wo er jenes Florilegium ausgeschrieben, wo er eine andere griechische Quelle
benützt, wo er zu einer Bibelstelle aus griechischen Dichtern eine Parallele angemerkt habe.
Wie ich das Letztere meine, will ich schliesslich noch an ein paar Beispielen erläutern.
Paedag. III 12, p. 303 citiert Clemens bei Empfehlung des den Frauen gegenüber zu
wahrenden Anstandes Verse des alexandrinischen Tragikers Apollonides. Er selbst nennt
den Namen des Dichters nicht, gewiss weil er ihm gänzlich unbekannt war; er sagt nur
unbestimmt: ndvv yovv vxav/aaoia)g fj xgaycodia
cpev tpev yvvaixeg {cprjoiv) ws ev äv&Qamoig äga
ov yqvoog, ov xvqavvig, ov nlovxov %hidiq
xooovxov el%E diacpogovg xäg i)doväg,
d>g ävöoög softlov xal yvvaiy.bg svoeßovg
yvcojui] dixaia xal cpoovovoa xävdixa.
Der Name des Dichters und dieselben fünf Verse stehen im Florilegium des Stobäus 67, 3.
Aber gewiss hat sie nicht erst Stobäus gesammelt, sondern dieselben nur aus einer älteren
Anthologie herüber genommen; aber aus einer solchen Anthologie wird sie auch Clemens
') Insbesondere konnte das, was Clemens protr. 2, p. 25 über die Geldliebe des Asklepios mit Citaten
aus Pindar und Euripides anführt, recht wohl in dem Abschnitt des Apollodor stehen, auf den sich der
Scholiast zu Eur. Ale. 1 bezieht: 'ÄTiolködwQog de qirjai xEQavvco&fjvai tov 'Aoxkrjmov htl t<3 tov 'IxjtöIvtov
dvantfjaat, 'A/t£h]aayögas de ort D-avxov, üavvaoig ort Tvvdäoecov x. z. I. Auch die frostigen, auf mytho-
logische Dinge bezüglichen Citate bei Clemens protr. 2, p. 30 f. gehen wohl alle auf das gelehrte Werk
des Apollodor zurück. Denn dass Clemens den damals halb vergessenen Panyasis noch selbst durch-
gearbeitet habe, hat gar keine Wahrscheinlichkeit.
2) Darauf weist die Bezugnahme auf den Kyklographen Dionysius p. 42 und den Römer Varro p. 41.
483
zum Schmuck seiner Abhandlung genommen haben, wenn er sie nicht, was gleich möglich
ist, bereits in der philosophischen Diatribe vorfand, die er in dem Buche über Erziehuno-
als Grundlage benützte.1)
Strom. V 6, p. 667: tieqI rovxcov ol/uai xal fj Tgayojdia (pvaioloyovad (prjoiv
äxdtuas te xQOvog Jiegl y1 äsvdco
QevjiiaTi TiXtjQi-jt; <poaa tihtcov
avtös eavjov, didvjuoi r' ägxzoi
roig (bxvnlavois nxEQvyaiv QiJiaTg
TOV 'ArkävTElOV XtjQOVOl JiöXov.
Die Verse sind, wie wir aus dem Scholion zu Aristophanes Vögel 179 erfahren, aus
dem Peirithoos des Euripides genommen, und folgten, wie Sinn und Metrum wahrscheinlich
machen, wenn auch nicht unmittelbar, so doch in kleinem Zwischenraum auf die Strom. V 14
aus derselben Tragödie angeführten Anapäste
ok röv avTcxpvr], zov ev aidegico
QVjLlßq) JldvTCOV cpvaiv Ef,i7iXe^av&\
bv tieqI fikv (pcög, tieqi <5' ogcpvaia
vvt; aloX6%Q(oq, äxQnog t' äorgcov
0%Xog £VÖeXe%Ö)S äjU(piXOQ£V£l.
Sie sollten zur Erläuterung der im Tempel zu Jerusalem zur Rechten und Linken der
heiligen Lade aufgestellten sechsflügeligen Cherubim dienen, da nach einigen mit diesen
Cherubim symbolisch die beiden Bären, der grosse und kleine Bär, zur Seite des Himmels-
poles bezeichnet waren. In einem Florilegium finden sich die Verse nicht; man wüsste auch
nicht zu sagen, unter welchem Rubrum sie dort hätten Platz haben sollen; sie sind in dieser
Beziehung doch sehr verschieden von den aus demselben Drama Strom. V 14 angeführten
Versen, die direkt zur Verherrlichung Gottes dienten; sie werden daher wohl direkt aus
Euripides entweder von Clemens oder seinem jüdischen Lehrmeister4) zur Deutung der beiden
Cherubim des heiligen Tempels herangezogen worden sein. Ist dem aber so, so wird man
auch sonst nicht so rasch zu dem Florilegium greifen, sondern etwas mehr der Belesenheit
des Clemens und seiner Lehrer zutrauen. Das wird man aber namentlich da thun müssen,
wo Verse zur Erläuterung von wesentlich christlichen Begriffen herangezogen sind, wie der
maus Strom. V 1, p. 650 f. und der äydni] Strom. V 2, p. 652. 3)
J) Der Ursprung der Citate aus einem Florilegium ist ferner nachgewiesen von Elter De gnom.
gr. hist. p. 85 f. für Clem. ström. II 15, p. 4G2; p. 92 f. für Clem. ström. IV 7, p. 585; p. 95 f. für Clem.
ström. IV 1—5; p. 106 für Clem. ström. II 15, p. 465; p. 107 f. für Clem. ström. I 8, p. 339; p. 123 ff. für
Clem. protr. 5 und 7.
2) Dass es eher der hebräische Lehrer war, schliesse ich daraus, dass Clemens selbst die Deutung
der Cherubim auf die beiden Bären weniger billigt als [Sjisq /kV.Iov) die auf die beiden Halbkugeln.
Ueber die Lehrer des Clemens im Allgemeinen habe ich bereits oben S. 14 gesprochen.
3) Auf christliche Sammlungen weist speciell die letzte Stelle Strom. V 2, p. 652 hin: negl fiev ovv
nlnxscog txava iiaoxvoia tü>v xao' "E'/././jat ygatp&v nagaTe&eifte&a, (os de firj sni /o'/xiniov irage^ioi/ucv, y.ai xegl
xijs s)^tiöoq xai tijg äydxrjg TiXeToxa cfd.oTifxov/uevoi ovrayuyetv, ujiÖ/qi] /tiöva xavia eijtetv x. x. I.
484
Die gefälschten Verse.
»
Die gefälschten Verse des Aeschylus, Sophokles, Orpheus, von denen die Mehrzahl in
den besprochenen Kapiteln des Clemens ström. V 14 und protr. 7 steht, gelten, seitdem zu
Anfang dieses Jahrhunderts der grosse niederländische Philologe Valckenaer die Sonde
angelegt hat, als entlarvt;1) nur bei einigen wenigen schwankt noch das Urteil über ihre
Unechtheit. Aber auf der anderen Seite kann auch die Hypothese Valckenaers, dass der
jüdische Peripatetiker Aristobul, der um 170 v. Chr. mit dem König Ptolemäus Philometor
in Verkehr stund, Vater jener Verse sei, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Namentlich
hat Elter in der fünften seiner Dissertationen De gnomologiorum graecorum historia atcpie
origine, De Iustini monarchia et Aristobulo Iudaeo, Bonn 1894, dadurch, dass er auf dem
Wege, den schon Lobeck, Aglaophanus I 497 beschritten hatte, die verschiedenen Formen,
in denen das grosse orphische Gedicht von der Bekehrung, durch Justin de mon. 2 und coh.
ad Graecos 15, Clemens protr. p. 63 und ström. V, p. 692, 723, 725, Aristobul bei Eusebius
praep. ev. XIII 12, 5 uns überliefert ist, neben einander stellte, siegreich erwiesen, dass die
Recension des Aristobul die jüngste von allen ist, dass also jener Aristobul nicht vor,
sondern nach Justin und Clemens gelebt haben muss,a) oder mit anderen Worten, dass man
dem alten Peripatetiker Aristobul erst in der Zeit nach Justin und Clemens Schriften unter-
schob, in denen jene gefälschten Verse vorkamen, offenbar in der Absicht, denselben auf
solche Weise den Schein höheren Alters zu geben. Also der Peripatetiker Aristobul als
Urheber jener gefälschten Verse muss aufgegeben werden.
Aber wenn nun Elter die Behauptung aufstellt, dass Justin de monarchia der wahre
Verfasser jener gefälschten Verse sei,3) so kann ich dieser neuen Meinung ebenso wenig
beistimmen. Dagegen spricht schon der Umstand, dass die zwei einleitenden Verse des
orphischen Gedichtes
(pfisy^o/Liai olg d'Efxig toxi, ■&VQag (5' em&eo&e ßißrjloi
Tidvieg öfiwg, ob d' äxovs, cpneo(poQov exyovs Mrjvrjg
bei Justin de mon. fehlen. Elter p. 157 hilft sich über diesen Einwand durch die Annahme
hinweg, dass bloss durch die Schuld der Abschreiber jene Verse bei Justin de mon. ausge-
fallen seien. Aber das ist eine ganz willkürliche Ausflucht, die durch kein inneres oder
äusseres Anzeichen unterstützt wird. Gegen Elters ganze Hypothese spricht aber, abgesehen
von den anderen falschen Versen, die nur im Clemens, nicht auch in Justin de mon. vor-
1) Nach Valckenaer, De Aristobulo Iudaeo 1806 (abgedruckt im Anhang von Dindorfs Ausgabe des
Eusebius, Oxonii 1843) hat besonders Böckh, De graecae tragoediae principibus 1808, cap. XII, p. 146 ff.
die Unechtheit und das hellenistische Gepräge der Verse im Einzeln erwiesen. Die neuere Litteratur
ist zusammengestellt von Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes III3 456 f.
2) Schon Lobeck, Aglaoph. I 448: Aristobul um illum, quem Eusebius introduxit, hominem sive
Iudaeum sive Christianum, Clementis certe temporibus posteriorem.
3) Elter, De gnom. graec. hist. diss. VI, p. 197: id enim iamiam demonstratum esse opinor ipsum
monarchiae auctorem . . . priora haec exempla non ita ut nunc leguntur falsa aut addidamentis
mutationibusque deformata Clementis more modoque ex diversis turbidisque fontibus conquisivisse et
desci'ipsisse, sed ipsum illud rptlavO-güuiov rj /uäM.op (pilo&sov eoyov peregisse et impia sane magis quam
pia fraude aequaliter omnia ad singula apologiarum capita confecisse et accommodavisse, ipsum esse non
falsum sed falsarimn falsariorumque principem antiquissimum. Aebnlich p. 203: nam Orphicos versus
idem composuit qui cetera confecit, scilicet ipse monarchiae auctor.
485
kommen, entscheidend schon der stilistische Charakter der Schrift über die Alleinherrschaft
Gottes. Der Verfasser derselben führt zwar meist nur Stellen anderer an, aber da, wo er
selbst zu Wort kommt, im Anfang und am Schluss zeigt er sich als einen so ungelenken,
linkischen Schreiber, dass man ihm ganz unmöglich die Dichtung jener falschen Verse
zumuten kann. Denn wenn diese auch nicht einen besonderen dichterischen Genius ver-
raten, so stehen sie doch an Fülle und Rundung des Ausdrucks haushoch über der stümjoer-
haften Ungeschicklichkeit jener Eingangs- und Schlusssätze.1)
Es hat also vielmehr der Pseudonyme Verfasser der unter Justins Namen umlaufenden
Schrift tzeqI juovaQ/tag, die Elter p. 203 vor Theophilus um 180 n. Chr. verfasst sein lässt,
die falschen Verse bereits vorgefunden und sie zur Bekehrung der hartnäckigen Anhänger
der griechischen Philosophie und der heidnischen Weltanschauung angewendet.2) Können
wir nun vielleicht das Vorkommen derselben über die Zeit jenes Ps. Justin hinaus verfolgen?
Darauf hat bereits Böckh, De graecae tragoediae principibus p. 147 eine meines Erachtens
vollständig richtige Antwort gegeben, indem er die Stelle des Clemens ström. V 14, p. 707
heranzog: 6 juev ^oqioxXrjg, &g cprjoiv ExaxaTog 6 xdg loxogiag ovvxa^djutvog ev xco xax'1
"Aßgafxov xal xovg Alyvnxiovg, ävxixgvg im xfjg oxrjvfjg ixßoä
eig xalg äh]~&£iaioiv, elg iorlv fisog x. r. X.
Die angeführten Verse, die sich auch bei Justin coh. 18, de mon. 2 und Cyrill c. Jul. I,
p. 32 finden, gelten jetzt nach dem übereinstimmenden Urteil aller Kritiker für unecht.
Clemens, der sonst ohne Umschweif seine Stellen citiert, gibt hier die Quelle an, aus der
er die Verse geschöpft hat. Sieht das nicht aus, als ob er gewusst habe, dass die Verse
in den gewöhnlichen Ausgaben des Sophokles nicht stunden, und das Citat deshalb eine
Angabe des Buches, aus dem es genommen, erheischte? Es gibt aber Clemens als seine
Quelle nicht den Justin oder das Buch de monarchia an, sondern den Hekatäus und dessen
Buch über Abraham. In diesem also stunden die falschen Verse des Sophokles, und es
fragt sich also nur, ob wir von diesem Buch und seinem Verfasser, und insbesondere von
der Zeit, in der er lebte, etwas näheres wissen. Nun lesen wir bei Josephus ant. I 7, 2:
'ExaxaTog de xal xov fivi]odfjvai (sc. 'Aßoadjuov) nXeov xi m7ioir\XE' ßißliov ydg tceqI avxov
ovvxag~d/uevog xaxeXuiEv. Daraus scheint sich wenigstens so viel mit Sicherheit zu ergeben,
dass das Buch des Hekatäus über Abraham, aus dem Clemens die falschen Verse des
J) Dieses hatte wohl auch Valckenaer im Auge, wenn er De Aristobulo Iudaeo c. 2 von Justin sagt:
quem vel unicum edolare versuin potuisse tolerabilem haud equidem existimo. Und doch ist der echte
Justin, der Verfasser der Apologie, ganz ungleich formgewandter als der Pseudonyme Verfasser der Schrift
nfol iioraoyias. — Um die Belesenheit des Falsariua nicht zu unterschätzen, bemerke ich, dass der
Erdichter der dem Aeschylus untergeschobenen Verse bei Justin de mon. c. 2 = Clemens ström. V 14,
p. 728 die echten Werke des Aeschylus kannte, denn die Worte cog txvq cpatvexai änXaxog og/nfj erinnern
an Prom. 371 d^/.äxov ßi).eoi jivqxcvÖov faA)?*, yooyov ö'fifia Seanoxov an Sept. 737 yogyov <5' S(lf^ ey<x>v jiqoo-
laxaxai, roeftei ö' ö'gt] xal yala xal ne'/.<»r>iog xvdög dalüaarjs an Prom. 432 oxevei ßv&ög.
2) Die Abhandlung war bereits niedergeschrieben, als ich die neue, dritte Auflage von Schürers
Geschichte des jüdischen Volkes zu Gesicht bekam. Wie ich zu meiner Freude sah, hat auch er III 454
die Hypothese Elters, dass der Autor des Buches de monarchia der eigentliche Fälscher sei, bekämpft
und ein anonymes Buch als gemeinsame Quelle des Clemens und Ps. Justin angenommen. Im übrigen
aber scheint er mir den Wert von Eiters Abhandlungen zu gering anzuschlagen, und wundere ich mich,
dass er sich auch nicht durch Elter von der Unechtheit der dem Aristobul von Eusebius beigelegten
Werke überzeugen Hess.
486
Sophokles genommen zu haben bekennt, vor Josephus oder vor die Zeit des Kaisers Domitian
zu setzen ist. Dagegen kämpft nun aber Elter in der neunten Abhandlung De gnomol.
graec. historia p. 247 ff. an, indem er den Hekatäus des Josephus von dem Hekatäus des
Clemens trennt und den letzteren nach Ps. Justin de monarchia gelebt haben lässt. In dem
einen Punkt, dass Josephus unter seinem Hekatäus den alten Hekatäus von Abdera, der unter
dem ersten Ptolemäus ein berühmtes Buch über Aegypten schrieb, verstanden hat, stimme ich
Elter vollständig bei; nicht minder auch darin, dass dasjenige, was Josephus aus Hekatäus
über die Juden berichtet, ursprünglich in jenen Alyvnxiaxd gestanden hat und erst später
in das neue dem Hekatäus untergeschobene Werk gekommen ist.1) Mit glänzendem Scharf-
sinn hat ferner Elter durchschaut, dass die Verse, welche Clemens p. 723 aus Orpheus citiert,
el /ui] juovvoyevijg ng änoggcbt cpvXov avatftev
XaXöaioiV l'dgig yäg erjv äoxgoio Tzogetyg
xal ocpalgr/g xivi]^ ä/u<pl yftöva mg TisgvxsllEi
xvxXoxsgsg ev Toco TS xaxä ocpexegov xvwdaxa'
7T.V£l\uaU (5' l)VlO'lEl jteqi t1 IjEQa xal 71EQI %£Vf.ia
eine Interpolation des Hekatäus sind und in dem Buche über Abraham neben den falschen
Versen des Sophokles stunden. Bis dahin also schliesse ich mich den scharfsinnigen Unter-
suchungen Elters vollständig an, aber nicht mehr weiter. Die Uebereinstimmung von
Clemens 'ExaxaXog ev xqJ xax" Aßgajuov und Josephus Exaxaiov ßißXiov txeqI Aßgdjuov ist
zu gross, als dass ich mit Elter an zwei verschiedene Bücher zu denken mir erlaubte.
Sodann folgt daraus, dass Justin de mon. die Palinodie des Orpheus in reiner, Hekatäus in
interpolierter Gestalt bot, durchaus noch nicht, dass der erstere vor dem letzteren gelebt
haben muss. Gar oft bietet ein späterer Zeuge einen reineren, ungefälschten Text. Elter
selbst gesteht das für einen anderen Fall p. 172 zu: singulare theosophi pretium enituit,
qui etsi aetate Aristobulo longe est inferior, in gravissimis lectionibus fere omnibus auctorem
sequitur illo antiquiorem. Wir bleiben also bei dem einfachen Schlüsse stehen, dass falsche
Verse schon vor Justin in dem bereits dem Josephus vorliegenden Buche des Ps. Hekatäus
über Abraham stunden.
Noch eine Stufe hinaufzusteigen könnte sich leicht einer verleiten lassen durch das
alte Scholion zu Sophokles Oed. Col. 10: ßsßrjXog xonog ioxlv 6 äxdftagxog xal ßaxbg näoi,
y.al ßsßi]Xog ävrjo 6 juiagog' EvgiTiidrjg IIga)XEOilda)
ov ydg ■&Ejuig ßsßrjXov änxso&ai döjuayv
xal
UEiöai fvvExöioi, ftvoag <3' em& softe ßeßijXoi.
Denn der zweite der angeführten Verse, der indes auch von Stobäus als Werk des
Pythagoras angeführt wird,2) klingt so an den ersten Vers der orphischen Palinodie
<pft£yg~0fj,ai olg ftsjuig eox'w, ftvqag d' enift softe ßeßtjXoi
J) An der Echtheit der Schrift des Hekatäus über die Juden zweifelte schon Herennius Philo bei
Origenes contra Celsura I 15. Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes III 464 zieht sich auf den Standpunkt zurück,
dass dem gefälschten Buch echte Stücke des Hekatäus zugrunde lagen, darunter auch die gefälschten Verse.
2) Ausser in den sophokleischen Scholien findet sich der Vers delaco ovvexoToi, iivna; <V bttöeods
ßeßi]Xoi angeführt von Stobäus flor. 5, 72 und 41, 9 als pythagorisch, und der Halbvers äeiaco ovvetoToi
von Plutarch quaest. symp. II 3, p. 63G D als orphisch.
487
an, dass es scheinen kann, das orphische Gedicht sei bereits dem Didymos in der Zeit des
Augustus bekannt gewesen. Aber einmal ist es doch nicht so ganz ausgemacht, dass jenes
Scholion von Didymos herrührt. Denn wenn auch der Grundstock der alten Sophokles-
scholien auf Didymos zurückgeht, so haben dieselben doch im Laufe der Zeit so viele
Zusätze erhalten, dass man nicht alles, was in denselben steht, nun sofort auch für didymeisch
ausgeben darf. Sodann aber scheint überhaupt jener Vers altes Gut zu sein und halbwegs
sprichwörtliche Geltung gehabt zu haben, denn derselbe liegt bereits, wie Lobeck, Aglao-
phamus I 450 erkannte, der umschreibenden Stelle des Plato im Gastmahl p. 218 B zugrund:
dib Jidvreg dxovaeo&e . . . oi de olxexai xal ei xig äXXog eoxl ßeß\]X6g xe aal ayqoixog, nvXag
Tidvv jueydXag xoTg d>olv ejtifteod'e, weshalb es mir wahrscheinlicher zu sein scheint, dass
der Autor des orphischen Gedichtes, der leicht noch 100 Jahre älter als der Ps. Hekatäus
des Josephus sein kann, den Vers nicht selbst gedichtet, sondern aus dem sprichwörtlichen
Gebrauch entlehnt und ein wenig umgemodelt, in sein eigenes Gedicht eingelegt hat.
Wie nun aber sind die falschen Verse eingeschmuggelt worden? Zur Beantwortung
dieser Frage gehen wir am besten von den kleineren Fälschungen aus, da bei diesen sich
leichter eine Vermutung über ihren Ursprung aufstellen lässt. Bei diesen fehlen nämlich nicht
die Anzeichen, die uns auf den gewöhnlichsten Weg der Fälschung, die Interpolation, hinweisen.
So hat uns Stobäus ecl. I 3, 15 aus dem Phrixos des Euripides fünf untadelige Verse überliefert.1)
öorig de fivrjxcöv ol'exai rov^ ^juegav
xaxöv xl TTgdoocov xovg fieovg XeXrj&evai,
doxel novrjod xal doxöiv dXioxexai,
bxav o%oXr]v äyovaa xvyydvri Alxrj'
xi/ucogiav exioev a>v r)Qg~ev xaxcöv.
Die vier ersten Verse, die recht wohl schon unter Domitian in einem Florilegium stehen
konnten, kehren wieder bei Justin de mon. 3 und Clemens ström. V 14, p. 722; aber bei
beiden folgen statt des einfachen fünften Verses folgende fünf neue Verse:
6gä&\ booi vo/j.i'Qex'' ovx elvai fteöv,
dig eg~afxagxdvovxeg ovx evyvco/uovcog.'1)
eoxiv yäg, eoxiV el de xi Jigdaoei xaXcog (xaxcog codd.),3)
xaxbg necpvxdig, xbv iqovov xeodaivexo)'
XQOvco ydo ovxog vaxeoov dcaoei öixrjv.
Diese neuen Verse weisen schon durch das &eöv statt des euripideischen deovg auf
einen Juden oder Christen hin. Ausserdem klingen sie mit dem emphatischen eoxiv ydo
eoxiv an die ähnliche Verdoppelung eoxat ydo eoxai der falschen Verse des Sophokles (Just,
de mon. 3, Clem. p. 722) an. Mit Recht hat sie daher Valckenaer einem Fälscher zuge-
schrieben, der durch Interpolation den ursprünglichen Text erweitert habe.
Wie in dem betrachteten Fragment des Euripides den echten Versen falsche und neu-
erdichtete angehängt sind, so ist bei Justin de mon. 4 (hier nicht auch bei Clemens p. 720)
J) Dass diese Verse schon seit Alters bei Vorträgen jieqI deöiv angeführt zu werden pflegten, zeigt
Sextus Empiricus adv. math. p. 661.
2) Dieser läppische zweite Vers ist bloss bei Justin hinzugefügt, er fehlt noch bei Clemens.
3) Die Verbesserung xaXtög ist schon vorgeschlagen bei Valckenaer, De Aristob. c. 1.
Abb.. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 65
488
der Text (des Philemon nach Justin, des Menander nach Clemens) durch zwischengeschobene
Verse erweitert.1) Bei Clemens nämlich lesen wir nur:
de? ydg xbv ävbga %q)]Oi,/liov TiEcpvxEvai
jurj jzaQ'&Evovg (p§Eigovxa xal jxoiyy<x>nevov,
xXejzxovxü xal ocpdxxovxa %Qi] fidxcov %a.Qiv,
jurjöh ßeXovrjg eraju/u' im&v/Lifjg2) ITdjucpde.
Bei Justin aber sind zwischen %6.qlv und fxrjbk ßsXovrjg die vier Verse eingeschoben:
xäXXoxgia ßXsnovxa xäm'&vjuovvxa
fjxoi yvvaixbg tioXvxeXovq i) öcb/naxog
fj xxijoecog Tiaiöog xs 7iaibioxr\g #', äjiXcbg
i'juicov, ßocbv, xb ovvoXov ?) xxrjvmv. xi bi]\
Verse, die schweren metrischen Anstoss erregen und schon durch das oben bezeichnete
Verhältnis der Ueberlieferung sich als fremden Zusatz verraten, durch den Inhalt aber und
den Anklang an die zehn Gebote auf einen jüdischen oder christlichen Fälscher hinweisen.
Besonders wichtig für unsere Annahme der Fälschung durch zugesetzte Verse ist die
verschiedene Stellung der gefälschten Verse in unseren zwei Hauptquellen, Clemens und Justin.
Bei Clemens nämlich p. 721 lesen wir zuerst die vier Verse
ol'ei ob xovg ftavovxag, cb Nixrjgaxe,
xgvcpijg äjidorjg [XExaXaßövxag ev ßico,
TiECpEvyevai xb &eIov <bg XEXrjdoxag'
k'oxiv Aixrjg ocpftaXfiog og xä ndv&'1 bgä,
die zwar nicht einwandfrei sind, aber doch durch den Eigennamen c5 NixiqQaxE vor dem
Verdacht vollständiger Erdichtung geschützt sind. Dann folgen die zwei Verse
xal ydg xa{P Aibrjv ovo xgißovg vojui^ojuev,
juiav öixaicov, hsgav ö' äosßcöv slvcu oqov,
die schon wegen der Verstösse gegen das Metrum nicht von einem alten Dichter herrühren
können. Dieselben zwei Verse finden wir nun auch bei Justin de mon. 3, aber nicht in
unserem Fragment, sondern mitten unter falschen Versen des Sophokles. Dass sie dorthin
nicht gehören, kann nicht zweifelhaft sein, da sie sich dort durchaus nicht in den Zusammen-
hang einfügen lassen. Aber dass sie dorthin verschlagen wurden , lässt sich leicht nur
durch die Annahme erklären, dass sie ursprünglich in der gemeinsamen Urvorlage von ihrem
Autor, dem Fälscher, am Rande beigeschrieben waren und dann in den verschiedenen
Ablegern der Originalquelle an verschiedenen Stellen dem Texte einverleibt wurden. Wahr-
scheinlich waren sie ursprünglich weder zu der einen noch zu der anderen Stelle geschrieben
sondern zu den Versen Clemens p. 721, Justin de mon. c. 3
J) Meineke und Kock haben in ihrer Sammlung der Fragmente griechischer Komiker die Verse
schlankweg verurteilt und nicht einmal des Abdrucks wert erachtet. Böckh, Graec. trag, princip. p. 157
urteilt vorsichtiger: non dubito quin nonnulla vere Menandri sint; alia ab interpolatore mutata aut
adiecta videntur.
2) Die Handschrift des Clemens hat im&v/j.rjoys, was grammatisch richtig ist, aber gegen das Metrum
verstösst; emftvfifjs steht bei Justin; nach der Grammatik erwartet man emM/isi.
489
fxtjökv 7iAavr]&f]S' k'oxi xäv Aidov xiotg
fjvjzeg jzoujaec $eög 6 ndvxwv deoTtoxrjg,
ov xovvo/ua cpoßeqov ovd" av övojudoai/.i'' iyd),
die selbst wieder die Interpolation eines Fälschers zu den vorausgehenden echten Versen,
sei es nun des Philernon oder des Diphilns, waren.
Diese Fälschungen sind also auf dem Wege der Interpolation alter und echter Texte
entstanden in ähnlicher Weise wie nach den meisterhaften Nachweisen Elters p. 158 ff.
die Palinodie des Orpheus, die selbst schon eine Fälschung war, durch Zusätze neuer, zum
Teil auf Ps. Aristobul und Ps. Hekatäus zurückgehender Verse interpoliert wurde. Vielleicht
ist so auch das lange gefälschte Stück des Aeschylus Xcogife dvr\xwv xov fieov x. x. X. bei
Just, de mon. 2, Clem. p. 727 f. entstanden. Voraus schickt nämlich Justin die einleitenden
Worte: Jigäixog /uev ydg Aioyvkog, xrjv xcöv xa& avxöv löyoiv ovvxaijiv ix&eig, xai xv\v mgl
fieov xov juovov eg~t]veyxe (pcovtjv. Denn diese Worte sind entweder eine reine Phrase und
bedeuten gar nichts,1) oder sie weisen auf eine vorausgehende Zusammenstellung von Aus-
sprüchen des Aeschylus zurück, zu denen der Fälscher nun noch seine monotheistische
Interpolation fügte.
Mit wie wenig Witz aber der Fälscher oder die Fälscher bei ihren Neudichtungen
verfuhren, dafür will ich doch auch noch einige Beispiele anführen. Das eine steht bei
Clemens ström. V 14, p. 718: fjdrj de xai "Ojurjoog cpaivexai naxsga xai vlöv did xovxcov, d>s
exvye juavxeiag evoxöyov, Xeycor
ei jLiev di] ovxig oe ßid^exat olov iovxa,
vovoov <5' ovjiajg faxt Aiög jueydXov aleaoßai (Od. IX 410 f.).
ov yäg KvxXomeg Aiög alyiöyov dXeyovoiv (Od. IX 275).
xal Tioö xovxov 'Ogcpevg xaxä xov Jigoxeijuevov (pegöfxevog el'gi]xsv
vle Aiög /ueydXoio jidxeg Aiög alytöyoto.
Zuerst also klügelte man einen Widerspruch der Verse Od. IX 411 und Od. IX 275
heraus,2) dann löste man ihn durch die Annahme, dass der Zevg jusyag verschieden sei von
dem Zsvg axyioyog; schliesslich setzte man der Afterweisheit die Krone auf, indem man
einen Vers des Orpheus fingierte, der den Zevg /ueyag zum Grossvater des Zevg aiyioyog
machte. Wo möglich noch unverschämter verfuhr der Fälscher bei Clemens ström. V 14, p. 713.
Dort finden wir zum Beweise, dass die Siebenzahl schon den alten heidnischen Dichtern
heilig war, den Vers
ißdojudxt] <5' ))oT Xmojuev göov eg~ Ayegovxog
als homerisch citiert. Ein solcher Vers findet sich aber in unserem Homer nicht; er stand
aber auch gewiss nicht in dem Homer, den Clemens und seine Zeitgenossen in den Händen
hatten. Der Fälscher fand wie wir in seinem Homer die zwei Verse
eßöo/udxt] d' ixojueo&a AdjLiov alnv tixoUe&qov (Od. X 81)
und
avxäg enel noxajuoio Xijiev (>6ov 'üxeavoio (Od. XII 1).
*) Unmöglich ist die Deutung auf einen Prolog, die der Herausgeber Otto billigt: adnotante
Marano Iustinus prologum aliquem indicaie videtur.
2) Natürlich nämlich war am Scbluss des zweiten Verses ein Punkt, nicht ein Komma oder Halb-
punkt zu setzen, wie in den Ausgaben geschieht.
65*
490
Die genügten ihm, um aus den zweien einen neuen dritten Vers zu schmieden und den-
selben dann dem Homer unterzuschieben.
In der Annahme gefälschter Verse geht man am sichersten, wenn sich die verdächtigen
Verse zugleich bei Clemens und Justin finden, ganz besonders, wenn bei Justin in dem
ersten Teile des Buches de monarchia, der eben nur unechte Verse enthält.1) Mehr zurück-
halten muss man mit dem verwerfenden Urteil, wenn ein Anstoss erregender Vers nur bei
Clemens steht, nicht auch bei Justin, besonders wenn bei Clemens in anderen Teilen als
den mit Fälschungen angefüllten Kapiteln Protr. 7 und Strom. V 14. 2) Aber es stehen
doch sicher unechte Verse auch in anderen Partien der clementinischen Werke. Denn als
unecht haben alle Verse des Orpheus und der Sibylle zu gelten; solche finden sich aber
nicht bloss in den bezeichneten Kapiteln; es stehen auch sibyllinische Verse im Protr. 2,
p. 23; 4, p. 44, 54; 8, p. 66; Paedag. II 10, p. 229; III 3, p. 261; Strom. I 21, p. 384;
III 3, p. 517, und ebenso orphische Verse in Protr. 2, p. 15 und 17 f.; Strom. V 8, p. 672 f.;
V 12, p. 693; VI 2, p. 738, 746, 751. Dem Orpheus und der Sibylle wurden indes schon
früh Verse angedichtet, so dass ein Vorkommen von solchen weniger als Anzeichen weiter-
gehender Fälschung gelten darf. Nun findet sich aber auch von Pythagoras, der wahr-
scheinlich gar nichts geschrieben hat und von dem die ältere Zeit nur prosaische Schriften
kannte, ein Vers, also sicher ein falscher, in Paed. I 10, p. 154. 3) Es ist daher von vorn-
herein nicht ausgeschlossen, dass auch die Strom. IV 26, p. 640 angeführten Verse Pindars
(fr. 97 Bö., 132 Be.)
ipvyal (5' äosßöjv imovgdvioi
ya'ia xccoTCÖvrai iv älyzoi cpovioig,
vjiÖ £,evyXcu<z äcpvxTwv xaxcöv,
evoeßwv (5' EJiovQavioi vdoioai
fxoXnaig judxaga jueyav äeidova' iv vfxvoig
von einem Juden oder Christen erdichtet sind. An ihre Echtheit zu glauben hindert mich
ausser der ganz unpindarischen Anschauung von vnovqdvioi und ijiovgdvtoi ywyal namentlich
der gänzliche Mangel eines erkennbaren Versmasses. Aber gerade dieser Mangel passt gut
2) Kleine Varianten dürfen den Verdacht der Unechtheit nicht mindern; denn diese finden sich bei
echten wie unechten Versen und gehen darauf zurück, dass schon in dem Archetypus eine Variante ange-
merkt war. Denn so erklärt es sich, dass von den gleichen Versen bei Clemens p. 64 der einleitende
Vermerk steht: Mevavdoos . . . iv 'Hviö^co iv 'Yjioßohfiaiw, bei Justin de mon. 5: Mevavdoog iv 'Hvioxq-
Auf eine ähnliche var. lect. führt das corrupte Mevavdgog iv Ai<pil<o bei Justin de mon. 5, p. 105 A
gegenüber dem einfachen AlcptXog bei Clemens p. 728.
2) Elter De gnom. graec. bist. p. 96 erklärt sich gegen die Annahme weiterer Fälschungen.
3) Verse des Pythagoras führt auch an Justin de mon. 2, p. 105 C. Vielleicht ist auch Strom. V 9,
p. 681 aus den Worten des Pythagoras alla zo fiev cpäa&ai, zo de xey.QVfxfi.ivov slvat ngos zovg jtolÄovg
alvlziezai ein Vers zu machen :
älXa zö fisv (pdo&cu xo de (xal) xexovfifievov elvai.
Auffällig ist der in demselben Kapitel p. 682 vorkommende Ausdruck al 'Iädeg fiovoai, womit ein Buch
des Heraklit gemeint ist. Hatte man vielleicht auch von diesem Sprüche in Verse gebracht? Aber den
dann folgenden, auch p. 586 angeführten Spruch des Heraklit atoevvzai ev ävzl nävzav ol cigiazoi xXeog
aivaov wüsste ich nicht in Verse zu bringen. — Umgekehrt wurden Sprüche der sieben Weisen Griechen-
lands dem altägyptischen Weisen Amenotes beigelegt in den unlängst von Ulr. Wilcken, Aegyptiaca zu
Ehren Ebers p. 142 ff., aus einem Ostrakon veröffentlichten 'Afxevwzov vjzo&ijxcu.
491
zu einem Fälscher der römischen Zeit, nach deren Auffassung den chorischen Lyrikern, um
mit Cicero Orat. 55 zu reden, cantu remoto nuda paene remanet oratio. Beachtenswert ist
noch, dass an unserer Stelle p. 640 den Versen des Pindar solche des Epicharm vorausgehen,
und dass in ganz gleicher Weise p. 708 Verse des Epicharm und Pindar aufeinander folgen.
Dort, in dem guten Kapitel Strom. VI 2 ist an der Echtheit der pindarischen Verse nicht
zu zweifeln ; hat aber vielleicht diese alte Verbindung der beiden pythagorisch angehauchten
Dichter einen Fälscher veranlasst, auch an unserer Stelle den überlieferten Versen des Epicharm
aus eigener Fabrik Verse des Pindar zuzufügen?
Also auch in anderen Teilen der Werke des Clemens finden sich falsche Verse, ohne
dass durch ihr Vorkommen bei Justin ein weiterer Verdachtgrund hinzukäme. Aber hier
ist, wie gesagt, grössere Vorsicht geboten. Denn viele Verse, von denen sich sonst keine
Spur findet, hat Clemens aus seinen jetzt verloren gegangenen Quellen genommen, so
namentlich in dem Paidagogos aus einem unbekannten Buche Jieol xQvcpfjg,1) in den Ab-
schnitten über Philosophen aus der (pdooö<pcov dvayoacprj des Hippobotos,2) in den chrono-
logischen Partien aus Apollodor. 3) Insbesondere möchte ich mich zum Schluss noch der
mit Unrecht angezweifelten Verse des Terpander annehmen; sie stehen Strom. VI 11, p. 784:
7] xoivvv äg/Liovla xov ßagßdgov yaArrjQiov (seil, xov Aaßld) xb oe/uvöv itu(paivovoa xov juekovg,
doyaioxdxrj xvyydvovoa, vn6ÖEiyf.ia TeoTidvöga) /udfaoxa yivexai ttqoq ägjuoviav xi]v Acoqiov
vfivovvn xov Aia ojöe tkoq
Zev, ndvxojv ägya, Jidvxcov
äyrjxooQ, Zev, aot tiejutioj
xavxav {xäv) vjuvcov äoydv.
Es hängen nämlich diese Worte eng zusammen mit dem vorausgehenden Satze: ttqoo^xsi
de ev fidXa xb ivagjuoviov yevos xf] ÖojqioxI dojuovlq xal xf] rpgvyioxl xb ötdxovov, cog cpr)oiv
'Agioxög'evog. Denn der Gedankengang ist der: da die dorische Tonart der Griechen sich
in der Sphäre des Harmonischen und Erhabenen bewegt, David aber, der von den hoch-
mütigen Griechen als Barbar verschrieene Sänger, in seinen Psalmen das Erhabene zum
Ausdruck bringt, so ist die ältere Musik des David das Vorbild für den jüngeren, in
dorischer Tonart den Zeus besingenden Terpander gewesen. Da sich nun Clemens für den
ersten Satz, über den Charakter der dorischen Tonart, auf Aristoxenos bezieht, so ist aus
demselben auch der zweite von der dorischen Tonart des terpandrischen Nomos auf Zeus
genommen. Die Stelle über Terpander und der Anfang seines Preisliedes auf Zeus fliesst
also aus einer der allerzuverlässigsten Quellen des Altertums.
J) Auf die Benützung eines solchen Buches oder eines aus demselben selbst wieder ausgezogenen
Lexikons weisen namentlich die Verse hin, welche Clemens mit anderen Kompilatoren gemeinsam hat.
So stehen die Verse des Iambographen Simonides über Salben bei Clemens paed. II 8, p. 207 und
Athenäus XV, p. 690, die der Thesmophoriazusen des Aristophanes über Prauenschmuck bei Clemens
paed. II 12, p. 245 und Pollux VII 95.
2) Dass Hippobotos eine Quelle des Clemens über Philosophengeschichte war, erhellt aus der Ver-
gleichung von Clemens ström. I 14, p. 350 qiaal de "EXXrjvsg fiträ. ye 'Ogtpea xal Aivov xal xobg jtaXaiotü
«ws .-raoä oepiot 7ioir\iaq etil ooepin TiQwxovg &avfiaodfjvat rovg knxa. xovg ixixkrjdtvxag aorpovg, mit Diogenes
Laert. I 1. 42 'h.-xdßoxog 8' tv xf] xwv cpü.ooö'/ ojv dvaygacpfj' 'Ogrpea Aivov SöXoiva Xi'/.wva üeQiavSQOv x. r. /..
3) Daraus Stellen der kleinen Ilias p. 381 und des Pindar p. 383.
492
Zum Schlüsse will ich noch, um zugleich die Teile der Untersuchung zusammen zu
fassen, kurz darzustellen versuchen, wie ich mir den Ursprung und die Entwicklung der hier
behandelten Fälschungslitteratur vorstelle.
Schon in der Alexandrinerzeit, noch mehr aber in den ersten Jahrhunderten der
römischen Kaiserzeit gab es Juden und Judenfreunde, welche mit der Kenntnis der biblischen
Schriften die der griechischen Autoren, namentlich der griechischen Dichter und Philosophen
verbanden. Ihnen konnte die Uebereinstimmung vieler Sätze der Bibel mit Aussprüchen
des Plato, Hesiod, Pindar, Euripides nicht entgehen; sie merkten die übereinstimmenden
Stellen an, sie fügten auch Stellen hinzu, die wie die oben S. 483 angeführten kosmogonischen
Verse des euripideischen Peirithoos zur symbolischen Deutung jüdischer Gebräuche sich
verwenden Hessen. Bald ging man weiter, man suchte nach mehr Zeichen der Ueber-
einstimmung. Dazu diente zunächst die allegorische Deutung von Dichterstellen, vermittelst
der man in den unschuldigsten Versen geheimnisvolle Beziehungen zur jüdischen und bald
auch zur christlichen Lehre fand. Welchen Unsinn man auf diesem Wege zutage förderte,
davon habe ich oben S. 466 einige Proben gegeben. Aber mit dem blossen Mittel der
Allegorie begnügte man sich nicht; man ging auch zur Fälschung über, indem man in
schöne Stellen griechischer Dichter Verse einlegte, durch die dieselben noch mehr den
Anschein der Uebereinstimmung mit den erhabenen Sätzen des jüdisch-christlichen Mono-
theismus erlangten. Ein Fälscher derart war Ps. Hekatäus, der zur Zeit des Josephus nicht
bloss aus den Werken des alten Hekatäus von Abdera ein neues Buch über Abraham
fabrizierte, sondern auch in dasselbe selbsterdichtete Verse einlegte, nach denen bereits die
grossen Dichter der Griechen, wie Sophokles und Aeschylus dem Glauben an einen Gott
gehuldigt zu haben schienen. Die Begabteren unter den Fälschern erdichteten auf solche
Weise ganze Werke, wie der Dichter der Phokylidea und die Verfasser der sibyllinischen
Bücher. Die Anderen begnügten sich damit, nur einzelne neue Verse in alte Stellen ein-
zulegen oder mit anderen Worten echte Stellen der Alten zu interpolieren. Zur Inter-
polation schienen sich ihnen vorzüglich die Gedichte des Orpheus zu eignen, die selbst schon
gefälscht waren und so leicht noch neue Fälschungen vertrugen. Ausserdem zeigten sich
zur Interpolation die Anthologien brauchbarer als die weniger gelesenen Originaltexte.
An die Stelle der von griechischen Grammatikern zusammengestellten Florilegien schöner
Aussprüche über Götter und göttliche Dinge traten auf solche Weise neue interpolierte
Florilegien zum Gebrauch für Juden und Christen. Bis dahin hatte den vergleichenden
Studien und den Interpolationsversuchen jüdischer Gelehrten noch keine polemische Tendenz
zugrunde gelegen. Nun kam aber seit Philo mit der wachsenden Macht der christlich-
jüdischen Ideen die neue Wahnvorstellung auf, dass die griechischen Philosophen und Dichter
die schönsten und erhabensten ihrer Ideen nicht aus sich selbst hervorgebracht, sondern
aus den Schriften der Juden entlehnt hätten. Zuerst stellte man fest, dass Aussprüche, die
dem Heraklit und Moses oder dem Zeno und Moses gemeinsam waren, von dem jüdischen
Weisen als dem älteren ausgegangen sein müssten. Dann suchte man die Priorität der
jüdischen Weisheit auch an anderen Stellen zu erweisen, und dazu eigneten sich keine
besser als jene interpolierten, deren Ursprung man in jener Zeit der Unkritik nicht weiter
nachging, die man vielmehr ohne jedes Besehen als echt und unverfälscht hinnahm. Die
Annahme, dass griechische Autoren ihre schönsten Gedanken anderswoher genommen und
in trügerischer Absicht ihre Quelle verschwiegen hätten, schien aber eine besondere Stütze
493
durch die Plagiate zu erhalten, durch die griechische Dichter einander selbst bestohlen
hatten. Daher zog man auch diese in die Besprechung herein, nicht aber so, dass man
nun selbst mit mühsamem Fleisse Beispiele derartiger litterarischer Diebstähle sammelte,
sondern indem man auf viel bequemere Weise derartige Sammlungen älterer griechischer
Grammatiker ausplünderte und höchstens nur noch mit dem Humbug einiger neuer orphischer
Verse bereicherte. Den Satz, dass die Weisheit der Hebräer älter als die der Griechen sei
und dass die griechischen Autoren ihre schönsten Sätze den Juden abgestohlen hätten, haben
die christlichen Apologeten von den jüdischen Fälschern herübergenommen und ohne jede
weitere Prüfung als eine Ecksäule ihrer Lehre sich zu eigen gemacht. Es vermischte sich
so die jüdische und christliche Fälscherlitteratur, so dass es von vielen neuen Fälschungen
zweifelhaft ist, ob sie von jüdischen oder christlichen Gelehrten herrühren. Zu den ärgsten
Fälschungen dieser Art gehörte die Erdichtung eines Briefes des jüdischen Peripatetikers
Aristobul, durch den bewiesen werden sollte, dass die jüdischen Schriften durch eine alte
Uebersetzung schon den griechischen Tragikern und den griechischen Philosophen Pythagoras
und Plato bekannt gewesen seien. Clemens steht unter dem Einfluss seines jüdischen Haupt-
lehrers mitten in dieser Trugweisheit drin, so dass wir durch ihn zumeist über die Irr- und
Schleichwege jener Klasse von Betrügern und Betrogenen unterrichtet werden. Er selbst
scheint eine zu reine Seele gewesen zu sein, als dass ihm eine offene Fälschung oder auch
nur eine pia fraus zugetraut werden dürfte; aber die Betrügereien Anderer zu durchschauen,
dazu fehlte ihm die Geistesschärfe, mangelte ihm vielleicht auch der Mut rücksichtsloser
Wahrheitsliebe.
In jenen Fälscherfabrikaten und den ihnen zugrund liegenden Florilegien über gött-
liche Dinge nebst dem Buche über Plagiate haben wir zugleich auch die Hauptquellen der
Dichtercitate bei Clemens Alexandrinus zu erblicken. Sie waren aber nicht die einzigen;
abgesehen von der grossen Belesenheit unseres Autors und seinem ausgedehnten Verkehr
mit gebildeten und gelehrten Männern, hat er auch viele Dichtercitate aus den Büchern
gelehrter Grammatiker, die er in den einzelnen Partien seiner Werke in ausgiebigster Weise
benützte, mit herübergenommen. Aus der Benützung gleicher Quellen ist die Ueberein-
stimmung abzuleiten, welche sich einesteils in den gefälschten Versen über Gott und gött-
liche Dinge zwischen Clemens und Justin, andernteils in den profanen Versen zwischen
Clemens und Athenaeus Pollux und Sextus Empiricus nachweisen lässt.
494
III.
Chronologisches bei Clemens Alexandrinus.
Jedem Homeriker und Philologen bekannt ist der gelehrte Abschnitt des Clemens
Alexandrinus ström. I 21, p. 388 Pott, über die verschiedenen Ansätze der Lebenszeit Homers.
Von diesem bin ich in diesem dritten Teil meiner philologischen Studien zu Clemens
Alexandrinus ausgegangen, ward aber, wie es bei echten Untersuchungen zu geschehen
pflegt, von einer Welle zur anderen getragen, von Homer zu Terpander, von Terpander zu
den Orphikern, von der Literaturgeschichte zur Chronistik, von den chronistischen Angaben
des Clemens zu den Anfängen der Weltgeschichte, so dass schliesslich Homer und selbst
Clemens vor allgemeinen Fragen der griechischen Chronologie in den Hintergrund traten.
Dass ich bei den schwierigen Problemen, die der Forschung in diesem dunklen Gebiet
gestellt sind, überall mit mir ins Reine gekommen sei, kann ich nicht behaupten; aber in
ein paar Punkten glaube ich doch einen neuen Weg zur Auffindung des Richtigen gefunden
zu haben; andere werden von da weiter kommen. Ich bin ein öipijLiaftijs auf diesem Feld
der Wissenschaft; ich bitte daher gleich im Anfang die eingesessenen Forscher auf dem Gebiet
der Geschichte und Chronologie um Nachsicht, wenn ich das eine und andere sollte über-
sehen haben und wenn ich in Dingen, worin sie sich selbst schon längst ein feststehendes
Urteil gebildet haben, mich noch mit tastender Unsicherheit bewege.1)
Strom. I 21.
Die chronologischen Angaben des Clemens finden sich fast alle in dem Kapitel Strom. 121.
Dem Kirchenvater ist es in demselben nicht um die Chronologie an sich zu thun; er will
nur, wie er gleich im Anfang des Kapitels bekennt und schon Strom. I 14, p. 351 ange-
deutet hatte, an der Hand der Chronologie nachweisen, dass die Philosophie der Juden die
älteste von allen sei.2) Daher stellt er zuerst (§§ 101 — 108) die Zeit des Moses fest und
sucht dadurch, dass er denselben auf Grund der Zeugnisse griechischer Schriftsteller gleich-
zeitig mit Inachus, dem Ahnherrn der Griechen, setzt, den historischen Beweis zu liefern,
dass Moses lange vor den ältesten Dichtern und Weisen der Griechen, Orpheus, Homer,
Hesiod, Lykurg, Solon, Pherekydes, Pythagoras gelebt habe (§ 107), ja an Alter selbst den
Helden der griechischen Mythe, Herakles, Iason, Kastor und Pollux, Prometheus und selbst
den aus Menschen in den Olymp versetzten Göttern der Griechen, wie Dionysos, Apollo,
J) Dem Titel nach berührt sich diese meine Untersuchung mit der Dissertation von Hozakowski,
De chronographia Clementis Alexandrini, Münster 1896, aber nur dem Titel nach; inhaltlich befasst sich
jene Dissertation fast ausschliesslich mit der theologischen Streitfrage über das Geburtsjahr Christi.
2) Vorangegangen war dem Clemens der von ihm selbst angeführte Tatian ad Graec. 31 : vvv de
jigoor/xeiv (ioi vo/xit^co Tiagaazfjaai irgsaßviegav zrjv i/fzeregav cpikoaocpiav töjv nag' "E).h]oiv ^ixrjöevfiaroyv'
Sqoi 8k fjtuv v.eloovrai Mmarjg Hat "OftijQog.
495
Demeter1) vorangehe (§§ 105—7). Anhangsweise (§ 108) ist dann auch noch die Priorität
der Sibylle vor Orpheus behauptet und mit windiger Gelehrsamkeit begründet.
In einem zweiten Teil (§§ 109 — 131) behandelt Clemens das zeitliche Verhältnis der
griechischen Weisen und Dichter, von Homer angefangen, zu den hebräischen, und zwar wird
auch hier gezeigt, dass die griechische Litteratur verhältnismässig jung ist, dass insbesondere
Homer später lebte als die ältesten Propheten, nach der verlässigsten Berechnung der
Lebenszeit Homers sogar später als der Prophet Elissäus (§ 117), ferner dass die Philosophen
Pythagoras und Thaies nach den jüngsten Propheten, Angäus und Zacharias (§ 129), lan^e
nach dem weisen Salomo der Juden (§ 130) lebten, des weiteren, dass die dem Orpheus
und Musäus zugeschriebenen Werke nach dem Urteil der kompetentesten Kritiker gar nicht
von Orpheus oder Musäus, sondern von Onomakritus und pythagoräischen Fälschern her-
rühren und demnach der jungen Zeit der Pisistratiden zuzuweisen sind (§ 131), endlich
dass auch die für alt gehaltenen griechischen Dichter Terpander, Lesches, Eumelus der
Zeit nach Gründung der olympischen Spiele, also einer verhältnismässig jungen Zeit angehören.
Das alles ist aber von Clemens durchaus nicht in geordneter Beweisführung und mit festem
Blick auf ein vorgesetztes Ziel dargethan. Es wird nicht wie in dem zuvor skizzierten
ersten Teil ein bestimmter Beweissatz vorangestellt, sondern es heisst im Anfang § 109 nur:
nachdem wir einmal hier stehen, verlohnt es sich auch die Zeiten der anderen Propheten
zu erforschen. Es wird sodann die lange Aufzählung der jüdischen Propheten, nachdem
dieselbe bis Elissäus gekommen, plötzlich durch das Kapitel (§ 117) über die Zeit des Homer
unterbrochen, offenbar weil Homer von Clemens in eben jene Zeit gesetzt wurde, aber ohne
dass dieser Grund auch ausdrücklich angegeben sei. Noch weniger ist § 131 der Excurs
über die Orphika und die Zeit des Terpander mit der Hauptfrage in Verbindung gebracht,4)
ist vielmehr zum Schluss nur der flache Satz hingestellt: xal xavxa fxkv Jigo/jx^rj/usv eitieTv,
öxi judhoxa iv xoig ndvv TiaXaioXg xovg xov xvxXov non]xdg xe&saoiv. Endlich sind die
geschichtlichen Ereignisse über die in Betracht kommende Zeit hinaus verfolgt, so dass am
Ende § 128 auch noch ein Verzeichnis der Könige Persiens und des Ptolemäerreiches
gegeben wird. Aber alle diese Nachlässigkeiten dürfen nicht sehr auffallen bei Clemens,
der nun einmal bei der Zuchtlosigkeit seines Geistes nur zu leicht den Faden fallen lässt
und den Zielpunkt der Untersuchung aus dem Auge verliert. Ausserdem merkt man, dass
in diesem zweiten Teil des Kapitels den Clemens der gute Führer Tatian, dem er sich im
ersten eng angeschlossen hatte, allmählich verlässt.
Auch an den zweiten Teil ist ein ganz locker zusammenhängender Anhang (§§ 132 — 136) 3)
angeschlossen, worin als Parallele zur Aufzählung der jüdischen Propheten ein Verzeichnis
J) Den uns auffälligen Gedanken, dass der jüdische Moses auch älter sei als die griechischen Götter,
spricht auch Theophilus ad Autol. III 23 aus: xai xov Aid? xov Kgtjxcöv ßaodsvoavxog . . . deixvvxai nooäyovxa
xä zioäy\xaxa xov fleiov vofiov xov diu Motoews rj/xTv öedoftevov.
2) Darin ist sorgfältiger Tatian, der § 41 den Zusammenhang wenigstens andeutet: 'Ooyevs de xaxa
xov avxöv yoövov 'HgayJ.ei yiyovev, aV.ä xa eis avxov ejiKpegöfievä cpaoiv vxö 'Ovofiaxglxov xov 'Aßrjvaiov
avvxsxay&at yevofjiivov xaxa xijv IltioioxoaxiÖcov ägyi/v xeoi xr\v jievxijxooxrjv öXviiJxidoa.
3) Die Verkehrtheit der üblichen Paragraphenabteilung tritt hier besonders grell hervor. Denn
mitten in § 136 beginnt mit ävoiön oSv <Lto Mcovosco; nicht etwa bloss ein neuer Satz, sondern ein ganz
neuer Abschnitt. In ähnlicher Verkehrtheit sind §§ 138—9 die drei Berechnungen so auf zwei Paragraphe
verteilt, dass die dritte Berechnung mitten im zweiten Paragraphen beginnt. Man hat mit Recht, um
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 66
496
der griechischen Wahrsager (%Qt]OjuoMyoi) gegeben ist. Mit dem Grundgedanken, von dem
Clemens im Eingang des Kapitels ausgegangen war, ist dieser dürre, aber aus gelehrter
Quelle gezogene Katalog in gar keinen Zusammenhang gebracht.
Der dritte Teil unseres Kapitels (§§ 136 — 141) enthält einen gedrängten Abriss erst
der griechischen und dann der römischen Chronik nach Hauptepochen. In der griechischen,
die sorgfältiger und eingehender als die jüdische behandelt ist, zählt Clemens zuerst, nach-
dem er einen Ueberblick über die mythische Zeit von Inachus bis zur Gründung der
Olympiaden vorausgeschickt, die von Eratosthenes für die historische Zeit von Trojas Fall
bis Alexander aufgestellten Hauptepochen auf (§ 138 = p. 112, 1 — 13 Diud.); daran schliesst
er, nach zwei verschiedenen Quellen, eine Fortsetzung, welche bis zu seiner Zeit oder bis
zum Tode des Kaisers Commodus reicht. Die jüdische Chronologie ist von Adam bis herab
auf die Zerstörung Jerusalems durch Vespasian geführt; eingelegt ist eine Controverse über
die verschiedenen Gefangenschaften der Juden. In den beiden chronologischen Abrissen der
griechischen und jüdischen Geschichte ist auf den dem ganzen Kapitel vorangestellten Satz
von der Priorität der jüdischen Weisheit nicht Bezug genommen; man kann nur sagen,
dass aus den Zahlen selbst sich für jeden die Erkenntnis des höheren Alters der jüdischen
Geschichte ergeben musste.
Auf den summarischen Ueberblick folgt dann auch hier noch ein mit dem behandelten
Gegenstand gleichfalls nur locker zusammenhängender Excurs (§§ 142 — 143) über den
mystischen Zusammenhang der 75 Sprachen und Völker des Erdballs mit den 75 Leuten,
welche von Jakob nach Aegypten geschickt worden waren.
In dem vierten und letzten Teil des Kapitels (§§ 144 — 147) werden dann noch einige
weitere chronologische Punkte erörtert, die zwar gleichfalls mit dem vorangeschickten Beweis-
satz nur wenig zusammenhängen, aber doch für die Zeitrechnung von hoher Wichtigkeit
sind. Zuerst gibt der Verfasser als Ergänzung zu den vorausgehenden Reihen persischer
und makedonischer Könige (§ 128) ein Verzeichnis der römischen Kaiser bis Commodus, und
zwar in doppelter Reihe, von denen die erste mit Augustus, die zweite mit Julius Cäsar
beginnt (§ 144). 1) Sodann bespricht er die Frage nach dem Jahr und Tag der Geburt
und Taufe unseres Herrn (§§ 145 — 146). Endlich stellt er zum Schluss die verschiedenen
Berechnungen der Zeit von Moses bis Vespasian und zur Gegenwart zusammen.
Wie man sieht, ist es ein reiches Material chronologischer Angaben, das von Clemens
in unserem Kapitel Strom. I 21 geboten wird. Der grössere Teil bezieht sich auf die
jüdische Geschichte; diesen lasse ich ganz beiseite, da ich mich bei meinen geringen Kennt-
nissen des Hebräischen der dort sich ergebenden Aufgabe nicht gewachsen fühle. Bei den
Angaben griechischer Zeitverhältnisse handelt es sich in erster Linie um die Frage, woher
dieselben genommen sind. Im Eingang p. 378 Pott, bekennt Clemens selbst die Rede des
Apologeten Tatian an die Hellenen und ausserdem das erste Buch der Exegetika des
Gnostikers Cassianus als Hauptquellen benützt zu haben. Daneben citiert er im weiteren
keine Verwirrung zu stiften, eine gewisse Scheu, an der überlieferten Einteilung in Kapitel und Paragraphe
etwas zu ändern. Aber in so krassen Fällen wird doch der neue Herausgeber bessern müssen.
*) Ein ähnliches Verzeichnis der römischen Kaiser gibt Theophilus ad Autol. III 27 mit der ein-
leitenden Quellenangabe: XgvoeQwg 6 vofieyxlarwo, äneXevdsQog yevöfievog M. Avgt]Xiov Ovr'jQov, 8s outo
xiiasmg 'Po')/x)jg iie%Qt TsXsvzrjg roxi iötov näxQOivog avtoxQÜTOQog Ovrjgov oacpcög Tzävza äviygay>ev xai za
ovö/zaza xai rovg yqövovg.
497
Verlaufe des Kapitels eine Menge griechischer Gelehrten der alexandrinischen und alt-
griechischen Periode. Ob dieselben von ihm selbst eingesehen oder nur aus den Citaten
anderer herübergeuommen sind, und ob sich noch das Eigentum der verschiedenen Gewährs-
männer bestimmen und ausscheiden lässt, über diese Fragen wollen wir in den folgenden
Abschnitten Aufschluss zu gewinnen suchen.
T a t i a n.
Clemens ström. I 21 sagt gleich im Eingang des Kapitels, es sei über die Zeit des
Moses und die daraus sich ergebende Thatsache, dass die Weisheit der Hebräer älter als die
der Griechen sei, bereits genau von Tatian in der Rede an die Hellenen und von Cassianus
in dem ersten Buch seiner Exegetika gehandelt worden.1) Es citiert dann Clemens noch
ausdrücklich den Tatian als seine Quelle in dem ersten Teil des Kapitels p. 379, indem er
versichert, den Tatian wörtlich wiederzugeben: xovxcov de xeooagdxovxa jiiev yevealg vecbxega
xd Axxixd xd anb Kexgoiiog xov dicpvovg drj xal avxö%dovog, cog cp-qoi xaxa Xeg'iv 6 Tanavög.
Das 'wörtlich' darf man nun allerdings nicht genau nehmen, indem nur etwas ähnliches,
durchaus nicht das ganz gleiche bei Tatian c. 39 steht. Aber im wesentlichen hält sich
doch Clemens in dem betreffenden Abschnitt an Tatian. Da uns dessen Rede an die
Hellenen bekanntlich noch erhalten ist, so können wir noch die Uebereinstimmung an
folgenden Stellen konstatieren.
1. Clemens § 102, p. 84, 4—18 Dind.2) = Tatian c. 38 bezüglich der Gleichzeitigkeit
des ägyptischen Königs Amosis, des Inachus und des Moses auf Grund der Zeugnisse des
griechischen Grammatikers Apion und des ägyptischen Historikers Ptolemäus aus Mendes.
Tatian.
Aiyvjixicov de eloiv dxgißeTg igövcov dva-
ygacpai, xal xcöv xax' avxovg ygaiif.idxcov
igiojvevg ioxi üxoXejuaiog, ov% 6 ßaoiXevg,
legevg de Mevdr/xog. ovxog xdg xcöv ßaoiXecov
nodg~eig exxi&e/nevog xax' "Ajucootv Alyi'mxov
ßaoilea yeyovevai 'Iovdaioig cprjol xi]v e£
Alyvjixov nogeiav elg äneg ij&eXov %cogia
Mojoecog 7Jyov/.ievov. XJyei de ovxcog' '6 de
'Aficooig eyevexo xax' "Iva%ov ßaoilea! /.cexd
de xovxov Anicov 6 ygafitxaxixög dvi]g doxi-
jucöxaxog ev xi] xexdgxt] xcöv Alyvjixiaxcov
(nevxe de eioiv avxcö ygacpal) ixoXXd juev xal
ä/J.a, (prjol de (xal) öxi'xaxeoxayte xijv Avagiav
"Aficoaig xaxa xdv AgyeTov yevojuevog "Ivayov,
Cl
e m e n s.
An'icov xo'wvv 6 ygajuf.iaxtxög 6 jiXeioxo-
vixr\g emxXt]&e.lg ev xfj xexdgxrj xcov Alyvnxia-
xcöv loxogicöv, xaixot cpiXa7te%dr]ju6vcog Jigög
'Eßgaiovg diaxeifievog, äxe Aiyvnxiog xö yevog,
ä>g xal xaxa 'Iovdalcov ovvxd^aodai ßißXuov,
A/ucooiog xov Aiyvnxicov ßaoiXecog jue/uvr]-
fxevog xal xcov xax"1 avxbv ngdg~ecov fidgxvga
jzagaxi&exai IIxoXejuaTov xov Mevdt)oiov, xal
xd xfjg Xetjecog avxov code e%ev 'xaxeoxaxpe
de xqv A&vgiav (fort. Avagiav) 'Ajiicooig xaxa
xov ''AgyeTov yevö/xevog "Iva%ov, cog ev xoig
Xgövoig äveygaxpev 6 Mevdqoiog IJxoXe/uaTog!
6 de TTxoXe/ualog ovxog legebg juev rjv, xdg
de xcöv Aiyvnxicov ßaoiXecov ngdfeig ev xgiolv
1) Auf andere nicht erhaltene Schriften des Tatian bezieht sich Clemens ström. III 12, p. 547, 550
und 552, ecl. prophet. p. 999, überall in polemischem Sinn.
2) Nach Dindorfschen Seiten und Zeilen werde ich auch im Folgenden citieren, da die Potterschen
Seiten zu gross sind.
6G*
498
cbg iv xölg Xgovoig äveygay.>EV 6 Mevdr/oios
UxoXEjualog. 6 dk an"1 "Iväyov %gövog ä%Qi
xfjg 'IXlov aXd)0£0)g äno7iXr]QoT yevedg el'xooi.
xal xä xfjg änoöei^eojg xovxov e%ei xbv xqojtov.
olaig ixflejuEvog ßißXoig xaxä "Afiwoiv <pi]oiv
Alyimxov ßaoiXea Matvoeojg fjyovfxkvov yeyo-
vevai'lovöaioig xfjv iS Alyimxov Tiogsiav, i£ obv
ovvGmxai xaxä"Iva%ov fjx/.iaxevat xbv Mojvoeq.
Dazu vergleiche Ps. Justin coh. ad Graec. 9, Africanus bei Eusebius pr. ev. X 10, *)
Eusebius selbst praef. chron. p. 4, Cod. Fuldensis des Tertullian apol. 19, Theophilus ad
Autol. III 20; s. Gutschmid Kl. Sehr. II 198, Wachsrauth, Einleit. S. 155, Anm. 2.
Von dem, was Clemens mehr hat als Tatian, wird die feindliche Bemerkung über den
Judenfeind Apion von Clemens selbst herrühren, muss aber die Angabe, dass die ägyptische
Geschichte des Ptolemäns 3 Bücher umfasst habe, auf eine andere Quelle zurückgehen, sei
es dass Cassianus genauer von der Sache gehandelt hatte, sei es dass, was weniger glaub-
würdig ist, Clemens die Werke, auf die jene Berechnung sich stützte, oder das Buch, in
dem zuerst jene Kombination vorgetragen worden war, noch zur Hand hatte. Von geringerer
Bedeutung ist, dass Clemens die Notiz des Tatian, dass das Werk des Apion 5 Bücher gehabt
habe, wegliess. Uebrigens werden wir auf die ganze Sache unten nochmals zurückkommen.
2. Clemens § 102 f., p. 85, 2—87, 2 Dind. und § 104, p. 87, 17—9 und § 106,
p. 88, 20 — 3 = Tatian c. 39 über die älteste Geschichte der Griechen bis auf die Einnahme
Trojas im 18. Jahre der Regierung des Agamemnon.2) Die Uebereinstimmung ist nur
eine ganz beiläufige; genauer stimmen nur die Partien Clemens p. 85, 7 eig dk — 9 xal jiqoocö,
p. 85, 15 f)v dk — 17 xaxaxXvojuog, p. 86, 4 xaxä xe <&6oßavxa — 10 xxioig, 86, 11 fj xe ex
<Poivixt]g — 87, 3 Movoalog mit Tatian p. 40, 5 — 6 und 11 — 26, und Clemens p. 87, 4 und
87, 17—9 mit Tatian p. 39, 23 f. und 42, 1—3 überein:
Tatian.
ei xaxa'Ivayov TC£q)i]V£v 6 Mojofjg ysyovajg,
JTQEößvXEQOg £0X1 X(ÜV UXiaxÖJV EXEOl XEXQÜ-
xooioig.
xaxä juev yäg ^ogojvka xbv fXEx"1 "Ivayov
juvrjtuov£VETai Jiao'1 Adijvaioig "Qyvyog, £99'
ov xaxaxXvo/ubg 6 Tigäjxog. xaxä dk &6q-
ßavxa 'AxxaTog, äcp' ov xal Axxaia fj 'Axxixij.
xaxä dk Tgiöziav HQOjui]$£vg xal 'Emlurj,&£vg
xal 'AxXag xal 6 dupvfjg KixQoip xal f] 'Idb.
xaxä dk Kooxamov fj im ^as&ovxog ixjiv-
Clemens.
eis dk xbv %gövov xwv TqojI'xöjv änb
'Iväyov yEVEal jukv d'xooiv ij juiä TiXsiovg
diagid [xovvxai, extj dk d>g £7iog eIjieiv xexqü-
xooia xal tcqöoco.
fjv dk xaxä xi]v 'EXXäda xaxä jukv &0Q0)v£a
xbv fxexä "Ivayov 6 im 'üyvyov xaxaxXvojubg
[xal fj iv Zixvüvi ßaodda, tiqojxov /iikv
AlyiaXiaig, dxa Evgojjiog, slxa TEXyJvog, xal
fj Kqijxbg iv Koijxtj. AxovoiXaog yäg'PogayvEa
iiQcbxov äv&gojjiov yEvsodai XiyEi' o$ev xal
6 xfjg 0oga>vidog noiijxtjg Eivai avxbv ecpi]
*) Die Gleichstellung des ältesten Königs der Griechen mit Moses war der Ausgangspunkt für alle
christlichen Chronographen. Doch weicht Africanus insofern von den Anderen ab, als er, indem er sich
lieber an die alten attischen Chronographen Hellanik und Philochorus anschloss, an die Stelle des argivischen
Inachus den ersten mythischen König Attikas, Ogygus setzte, worüber Geizer, Africanus I 119 und 137 f.
2) Der ganze Abschnitt hat, um dieses nebenbei zu bemerken, grosse Aehnlichkeit mit der parischen
Marmorchronik.
499
gojoig xal fj im AevxaXlojvog ijzojLißgia. xaxd
de HdeveXaov fj xe Afxcpixxvovog ßaoiXeia xal
fj elg üeXoTiovvtjoov Aavaov Tiagovoia xal fj
vtiÖ Aagddvov xfjg Aagdaviag xxioig fj xe
ix <L>oivixyg xfjg Evgd)Tirjg elg xfjv Kgfjxrjv
dvaxojuidfj. xaxd de Avyxea xfjg Kögrjg fj
dgTiay!j xal fj xov iv 'EXevoTvi xe/nevovg xadl-
ägvoig xal fj TginxoXefxov yeojgyia xal fj
Käöjuov eig Ofjßag Tiagovoia Mivojög re fj
ßaoileia. xaxä de ügoixov 6 EvjlwXlTxov Tigdg
Adijvaiovg TioXejuog' xaxd de Axgioiov fj
JJeloJiog and <&gvyiag dcdßaoig xal (fj) "Iojvog
elg rag Aßfjvag äcpig~ig xal 6 devxegog Kexgoyj
aX xe üegaeojg xal Aiovvoov 7igdg~etg xal 'Og-
<pea>g jua&ijxijg MovoaTog. xaxä de xfjv Aya-
jiieinvovog ßaoiXeiav edXco xö "IXuov.
jiaxega dvtjxöjv dv&gojTiojv1) . . .]. xaxä de
<E>6gßavxa AxxaTog, ä(p' ov Axxaia fj Axxixrj.
xaxd de Tgionav Ilgojuijdevg xal "AxXag xal
Em/urj&evg xal 6 dicpvrjg Kexgoyj xal 'Ia>.
xaxd de Kgoxomov fj im <&aeftovxog ixnvgojoig
xal fj im AevxaXiaivog irny/ußgia. xaxd de
ZdeveXov fj xe Ajuipixxvojvog ßaoiXeia xal fj
elg IJeXojiövvrjoov Aavaov Tiagovoia xal fj
-und Aagddvov xfjg Aagdaviag xxioig, [ov
jxgcoxov, cprjolv "Ojuijgog, xexexo vecpeXijyegexa
Zevg], fj xe ix <Poivlxr]g {xfjg Evga'mijg)2) elg
Kgfjxijv ävaxof.udfj. xaxd de Avyxea xfjg
Kogijg fj ägjiayfj xal fj xov iv 'EXevoivi xejue-
vovg xadidgvoig, TgmxoXejLiov xe yeoogyia xal
fj Kddfxov elg Ofjßag Tiagovoia, Mivojog xe
ßaoiXeia. xaxd de HgoTxov 6 Ev/höXtiov Tigög
A&ijvaiovg JioXejuog. xaxd de Axgioiov TleXo-
jiog and <&gvylag didßaoig xal "Iovog elg
'A&fjvag dcpig~ig xal 6 devxegog Kexgoyj, al' xe
Lfegoeiog xal Aiovvoov ngdijeig, 'Og<pevg xe
xal MovoaTog. xaxd de xo dxxoDxaidexaxov
exog xfjg Ayafxe^ivovog ßaoiXeiag "IXiov edXoj.
Das Mehl- ist auch hier wieder auf Seiten des Clemens. Manches, wie den gelehrten
Zierrat ov ngönov, cpijolv "O/xijgog, xexexo vecpeXrjyegexa Zevg, vielleicht auch den Hinweis
auf Plato p. 86, 22 ivxevfiev 6 UXdxajv iv Ti/uaico nagaxoXovdijoag AxovoiXdco ygdq>ei' xal
noxe . . . xaxaxX.vojuov mag er aus Eigenem hinzugethan haben; aber das Meiste, wie das
Verhältnis der ältesten Geschichte der griechischen Stämme zu einander p. 85, 2 — 7, das
höhere Alter des assyrischen Reiches nach den Angaben des Ktesias p. 85, 10 — 15, die
Hereinziehung der Könige Sikyons und des Ahnherrn Kretas p. 85, 17 — 9, der Hinweis auf
Akusilaos p. 85, 19 — 21, die nähere Bestimmung von Trojas Fall nach Monat und Tag
p. 87, 5 — 88, 16, alles dieses ist aus einer anderen vollständigeren Quelle entnommen, viel-
leicht auch aus mehreren andern, worüber gleich nachher.
3. Clemens § 117, p. 95, 26—97, 3 Dind. = Tatian c. 31, p. 31, 16—32, 15 Schw.
über die Lebenszeit Homers nach den Annahmen der massgebendsten Grammatiker.
Tatian.
Ilegl ydg xfjg 'Oufjgov noifjoeayg, yevovg
xe avxov xal ygövov xa& ov ijxiiaoev ngo-
ijgevvtjoav ngeoßvxaxoi /uev ßeayevrjg xe 6
Clemens.
And de xcöv Tgoj'ixcöv im xfjv 'Oixfjgov
yeveoiv xaxd fiev <[>iX6yogov exaxbv öydoij-
xovxa exrj yivexai voxegov xfjg 'Iojvixfjg dnoi-
1) Dieser Zusatz und das Nachfolgende sind aus anderer Quelle genommen, vielleicht aus der
Chronik des Dionysius, welche die gemeinsame Quelle des Tatian und Clemens war.
2) xfjg EvQ&mjs ist ein notwendiger Zusatz, der sich aus Tatian ergibt.
500
'Pqyivos xazd Ka/xßvorjv yeyovcbg xal 2zrjoi[U-
ßgozog 6 Qdoiog xal Avzijuayog 6 KoXo-
cpcbviog, 'Hgööozög ze 6 AXuxagvaooevg xal
Aiovvoiog 6 'OXvvdiog , juerä de exeivovg
'Ecpogog 6 Kv/uaTog xal <I>iXö%ogog 6 'A&rj-
vaiog, MeyaxXeibrjg ze xal Xa/uaiXecov oi
Ueginazrjzixoi' eneixa ygajujuazixol Zrjvööo-
rog 'Agiozocpdvrjg KaXXiozgazog Kgdzijg 'Ega-
xoodevrjg 'Agiozagyog 'AnoXXiödcogog.
zovzcov de ol juev negl Kgdzrjza ngö zfjg
'HgaxXieidcöv xa&ööov cpaolv avzöv rjxjuaxevai,
juezd rct Tgco'ixd evdozegco zcöv oydorjxovza
ezcöv oi de negl'Egazoodevrj juezd exazoozöv
ezog zfjg 'IXiov äXcboecog' ol de negl Agi-
ozagxov xazd zrjv 'Icovixfjv anoixiav, fj eozi
juezd exazov zeooagdxovza ezrj zcöv 'IXuaxcöv.
(piXöyogog de juezd zfjv 'Icovixfjv anoixiav,
enl ägxovzog'A&fjvrjoiv Agyinnov, zcöv'lXia-
xcöv vozegov ezeoiv exazov oydorjxovza' ol de
negl 'AnoXXööcogov juezd zfjv 'Icovixfjv anoi-
xiav ezeoiv exazov, o yevoiz"1 av vozegov zcöv
'IXiaxcöv ezeoiv diaxooiotg zeooagdxovza. ziveg
de (öXiyov) ngö zcöv öXvjunidöcov ecpaoav
avzöv yeyovevai, zovzeozi juezd zfjv 'IXiov
äXcooiv ezeoiv zezgaxooioig. ezegoi de xdzco
röv ygövov vnfjyayov, ovv 'AgyiXöycg yeyo-
vevai zöv "O/urjgov einövzeg' 6 de 'Agyi?Myog
fjx/uaoe negl öXv/unidda zgizrjv xal elxoozfjv,
xazd EvyijV zbv Avdöv, vozegov zcöv 'IXiaxcöv
ezeoi nevzaxooioig.
xiag. 'Agiozagyog de ev zoXg AgyiXoyeioig
vnojuvijjuaoi xazd zfjv 'Icovixfjv anoixiav cptjol
cpegeo&ai avzöv, i\ iyevezo /uezd exazov zeo-
oegdxovra ezrj zcöv Tgco'ixcöv. 'AnoXJ^ödcogog
de juezd ezrj exazov zfjg 'Icovixfjg dnoixiag
'AyijoiXäov zov Aogvooaiov Aaxedai}j.oviatv
ßao&evoavzog, cooze emßaXeiv avzcö Avxovg-
yov zöv vojuofJezrjv e'zi veov övza. EvxJv ijievrjg
de ev zotg XgovixoXg ovvaxjjidoavza 'Hoiööco
enl Axdozov ev Xico yeveo&at negl zö öia-
xooioozöv ezog vozegov zfjg 'IXiov äXcboecog.
zavzrjg de eozi zfjg dög~rjg xal 'Agyef-iayog ev
EvßoTxcöv zgizco [cbg elvai avzöv ze xal zöv
'Hoiodov xal 'EXiooaiov zov ngocpfjzov veco-
zegovg]. x'dv eneo&ai zig ßovXrjdfj zcö yga/u-
juazixcö Kgdzrjzi xal Xeyi] negl zrjv 'HgaxXei-
dcöv xätJodov "Ojurjgov yeyovevai juezd ezi]
öydotjxovza zfjg 'IXiov ä),cboecog, [evgeflfjoezat
ndXiv JEoXojucövog /uezayeveozegog , £99' ob fj
MeveXdov elg <Poivix)jv äcpi^ig, cbg ngoeigijzai] .
'Egazoo&h'rjg de juezd zö exazoozbv ezog zfjg
'IXiov äXcboecog zfjv 'Ofxfjgov fjXixiav cpeget.
xal jurjv Oeönojunog juev ev zfj zeooagaxoozfj
zgizrj zcöv <I>ilinnixcöv juezd ezrj nevzaxöoia
zcöv enl 'IXio) ozgazevodvzcov yeyovevai zöv
"O/urjgov lozogei. Evcpogicov de ev zcö negl
'AXevadcov xazd Tvyrjv avzöv zidrjoi yeyovevai,
ög ßaoiXeveiv ijgk~azo dnö zfjg öxzcoxaidexd-
zrjg öXvjunidäog, öv xai cprfm ngcözov cbvo-
jido&ai zvgavvov. Hcooißiog de 6 Adxcov ev
ygövcov dvaygacpfj xazd zö öydoov ezog zfjg
XagiXXov zov UoX^vdexzov ßaoiXecog "Ojajgov
cpegei. ßaoiXevei juev ovv XdgiXXog ezrj e£rj-
xovza zeooaga, jue&'t öv vlög Nixavdgog ez)]
zgidxovza evvea. zovzov xazd zö zgiaxoozöv
zezagzov ezog zeßfjvai cprjoi zfjv ngcbzrjv öXvju-
nidda, cbg elvai evevfjxovxd nov ezcöv ngö
zfjg zcöv 'OXvjunicov fieoecog "Ojurjgov.
Clemens hat hier die Einleitung Tatians über die Gelehrten , die über das Leben
Homers handelten (Tatian p. 31, 16 — 32, 1), ganz weggelassen, offenbar weil er für diese
gelehrte Vorbemerkung, die für uns Literarhistoriker von grösster Wichtigkeit ist, kein
Interesse hatte. Ebenso liess er aus mangelndem Interesse andere Kleinigkeiten weg, wie
über den zur Zeit Homers in Athen herrschenden Archonten. Ohne ersichtlichen Grund
501
wich er in der Aufzählung der verschiedenen Meinungen von der Ordnung Tatians ab, der
in verständiger Weise diejenigen voranstellte, welche dem Homer das grösste Alter gaben,
und dann successive diejenigen folgen Hess, welche ihn in eine jüngere Zeit setzten. Im
übrigen ist auch hier Clemens weit vollständiger und genauer als Tatian, so dass keine
Rede davon sein kann, dass Clemens einfach den Tatian ausgeschrieben habe. Auch lässt
das unbestimmte nvkg und ezegoi bei Tatian p. 32, 10 und 12 erkennen, dass derselbe seine
Vorlage nicht voll ausschrieb, sondern sie nur mit Auslassungen und Umschreibungen
wiedergab. Auf der anderen Zeit zeigt die grosse Uebereinstimmung des Clemens und
Tatian in den Hauptangaben und insbesondere in dem gleichen Ansatz der Einnahme
Trojas auf 80 Jahre vor der Rückkehr der Herakliden (Clem. p. 96, 13 = Tatian p. 32, 3),
140 Jahre vor der jonischen Auswanderung (Clem. p. 96, 2 = Tatian p. 32, 5), ca. 400 Jahre
vor der Gründung der Olympiaden (Tatian p. 32, 11, vgl. Clem. p. 97, 2), dass beide dem
gleichen Gewährsmann folgten, von dessen Angaben nur der eine dieses, der andere jenes
wegliess. Dass dieser gemeinsame Gewährsmann ein Chronograph war, lässt sich daraus
entnehmen, dass dieselbe Notiz, nur noch weit mehr abgekürzt, sich auch im Chronikon
des Eusebius zum Jahre 915 Abraham findet. Für eine Chronik als Quelle spricht auch
der römische Historiker Velleius, der I 5 und 7 mitten unter chronistischen Aufzeichnungen
über Städtegründungen auch Angaben über die Zeit Homers und Hesiods bringt.
4. Clemens § 131, p. 105, 29 — 106, 7 Dind. = Tatian c. 41, p. 42, 4—12 Schw.
über die Zeit des Orpheus, seines Schülers Musaios,1) des Amphion, Demodokos und Phemios,
sowie des eigentlichen Verfassers der dem Orpheus beigelegten Schriften, des Onomakritos.
Die Uebereinstimmung ist, von einer Textverderbnis des Clemens abgesehen, fast vollständig;
nur schliesst Tatian noch eine kurze Zeitnotiz über Thamyris und Philammon an, die auf-
zunehmen Clemens für überflüssig hielt. Beachtenswerter ist, dass Clemens an die kurze
Bemerkung über den Fälscher orphischer Gedichte, Onomakritos, eine lange und gelehrte
Erörterung über die untergeschobenen Werke des Musaios und Orpheus und deren wahre
Verfasser knüpft, p. 106, 7 — 107, 1. Ob dieser Excurs sich schon in der gemeinsamen
Vorlage fand und bloss von Tatian als nebensächlich beiseite gelassen wurde, oder ob
Clemens denselben aus einer anderen Quelle, vielleicht derselben, aus der Suidas unter 'Ogcpevg
schöpfte, zur Ergänzung des kurzen Artikels seiner Chronik hinzugefügt hat, lässt sich
schwer entscheiden.
Der nachfolgende Absatz des Clemens p. 107, 1 — 17 über die Lebenszeit des Terpander,
Archilochos, Kallinos, Eumelos, von dem Tatian, abgesehen von der gelegentlichen Bemerkung
über Archilochos p. 32, 13 f., nichts hat, hing, wenn er auch schliesslich aus derselben
Quelle wie der über Orpheus hervorging, schwerlich mit jenem ursprünglich zusammen,
wesshalb ich ihn hier ausser Betracht lassen kann.
5. Clemens § 114, p. 94,3—6 Dind. = Tatian c. 37, p. 38, 16-39, 6 Schw. über die
Ankunft des Königs Menelaus in Phönizien zur Zeit, als dort Hiram (XeiQajLiog Tatian,
Ei'oajuog Clemens und Josephus, 'ligcofiog Theophilus ad Autol.) herrschte, welcher dem
Salomo seine Tochter zur Frau gegeben und zum Tempelbau kostbares Material beige-
steuert hatte.
*) Der Text des Clemens p. 106, 3 Dind. 'Ogqpsvg re 6 ovfinltvoag 'HgaxleX, Movoaiov fiaür/nfe ist
verderbt, es muss nach Tatian heissen entweder Movoaiov diöäoxa/.og oder Movoalog de 'OQ'pimg fia&qzrjg.
502
Clemens.
El'gajuog xi]v eavxov fivyaxega HoXo/uwvi
didwoi xa&' ovg %g6vovg juexd xr\v Tgoiag
äkwoiv MeveXdw elg Aiyvjixov ä(pik~ig, &g
cprjoi Mevavdgog 6 negya^iip'dg xal Adlxog
ev xoXg <Poiviy.iy.oTg.
Tatian.
Mexd de xovg XaXdaiovg xd (Poivixwv
ovxwg e%ei' yeyövaoi nag'' avxoig ävdgeg xgelg,
Qeödoxog cYtpixgdxi]g Mw%og' xovxwv xäg
ßlßXovg elgEXXrjvida xaxexafev cpwvr]v Aaixog
6 xal xovg ßiovg xwv cpiXooocpwv ot' dxgißeg
Tigay fiaxEVodfxevog' ev dl] xalg xwv ngoeigr]-
fievcov loxogiaig drjXovxai, xaxd xiva xwv ßaoi-
Xewv Evgu>7ii]g dgjiayrj yeyovev MeveXdov
xs elg xi]v <Poivixi]V äcpi^ig xal xd Jiegl Xei-
gajuov, boxig JEolof.iä)vi xw 'Iovdalwv ßaoiXeT
Tigög ydjuov dovg xi]v eavxov fivyaxega xal
g~vXwv navxodanwv vXrjv elg xr\v xov vaov
xaxaoxevrjv edwgijoaxo. xal Mevavdgog de 6
Ilegyajui]vdg Jiegl xwv avxwv xrjv ävayga<pijv
ejxoirjoaxo. xov de Xeigd/uov 6 %gövog rjörj
nov xoTg 'IhaxoTg eyyi£ei~ 2oXo;j,wv de 6
xaxd Xelgajuov jioXv xaxwxegög eoxi xfjg
Mwoewg fj?ayJag.
Clemens enthält hier nichts, was nicht auch bei Tatian stünde, so dass er keine weitere
Quelle eingesehen zu haben scheint. Die Sache hängt mit synchronistischen Bestrebungen
zusammen, wie sie seit der Alexandrinerzeit in der griechischen Litteratur spuckten.
Ausgegangen ist man von der Nachricht des Homer Od. IV 83, dass Menelaus bei seiner
Heimreise auch nach Phönizien gekommen sei. Dass auch in der durch Menander (um
100 v. Chr.)1) und Laetus bekannter gewordenen phönizischen Chronik etwas stand, das
auf die Begegnung des Königs Hiram mit einem griechischen Fürsten hindeutete, ist
unbekannt und unwahrscheinlich. Die Annahme aber, dass Menelaus gerade zur Zeit des
Hiram in Phönizien landete, konnte nur einer aufbringen, der von der jüdischen Geschichte
sehr wenig Kenntnis hatte. Denn die heiligen Schriften der Juden beweisen offenkundig,
dass Salomo, der Zeitgenosse und Freund des Hiram, mehr als 100 Jahre nach 1183, auf
welches Jahr Eratosthenes die Einnahme von Ilion setzte, gelebt haben muss. Ein solcher
grober Schnitzer war seit Alexander Polyhistor und Josephus, welche eine genauere Kenntnis
der jüdischen Geschichte und Zeitrechnung unter den Griechen verbreitet hatten, einfach
nicht mehr möglich. a)
*) Wachsmuth, Einleitung in das Studium der alten Geschichte S. 404; Gutschmid, Kl. Sehr. IV
478 f. Den Menander benützte ausser Josephus auch Theophilus ad Autol. III 22 und 23.
2) Wir haben noch eine andere Gleichstellung eines Namens der Odyssee mit einem fremden König,
indem schon Manetho bei Euseb. chron. I 146 den König Thuoris der 19. Dynastie der ägyptischen Königs-
liste mit dem Aegypter Polybos der Odyssee IV 126 identificiert. Aber hier stimmen genau die ägyp-
tischen Zeiten mit den griechischen des Eratosthenes. Hingegen ist ungenau in den Scholien zu Od. XIV 278
Odysseus unter der Maske eines Kreters unter Sethos, den Begründer der 19. Dynastie, gesetzt, wiewohl
dieser selbst schier 200 Jahre vor Trojas Fall lebte.
503
Cle
mens.
'Ev de xcp do)dexdxco exet xfjg Zedexiov
ßaoiXeiag Naßov%odov6ooc> ngb xfjg üegocov
fjye/uoviag exeoiv eßdo/uijxovxa im <Poivixag
xal 'Iovdaiovg ioxgdxevoev, cog cprjoi Bf\gcoo-
aog iv Talg XaXdaixaTg loxogiaig. 'loßag de
jxegl 'Aoovgicov ygdcpcov 6/uoXoyeT xfjv toxo-
giav jtagd Brjgcoooov elXrjcpevai, /uagxvgcov
dXrj&eiav xdvdgi.
6. Clemens § 122, p. 99, 9—13 Dind. = Tatian c. 36, p. 38, 4—15 Schw. über die
Zeit des Königs Nabuchodonosor, 70 Jahre vor der Herrschaft der Perser, auf Grund der
Zeugnisse des Berosus und Juba.
Tatian.
Br/gcoobg dvi]o BaßvXcbviog, tegevg xov
nag' avxoXg BijXov, xar1 'AXeg~avdgov yeyovcbg,
'Avxiöyco xcp /uex' avxbv xgixco xi]v XaXdaicov
toxogiav iv xgiol ßißXioig xaxaxdljag xal xd
negl xcov ßaoiXecov ixfiejiievog, dcprjyelxai xivog
avxcov övofxa Naßovyodovooog xov oxgaxev-
oavxog im (Poivixag xal 'Iovdaiovg, äxiva dtd
xcov xatV fj/uäg Jigocptjxcöv löjusv xexrjgvy/ueva,
yeyovöxa /uev noXv xfjg Mcooecog fjXixiag xaxcö-
xega, jxgb de xfjg üegocov fiyefxoviag exeoiv
eßdo/iujxovxa. Bt]gcoobg de ioxiv dv>]g doxi-
jucöxaxog' xal xovxov xexi.nqgiov 'loßag Jiegl
'Aoovgicov ygdcpcov nagd B>]gcooov cpyoi juejua-
drjxevai xr\v toxogiav eiol de avxcp ßißXoi
jxegl Aoovgicov dvo.
Auch hier hat Clemens nichts Neues ausser dem läppischen Zusatz zu Juba: /uagxvgcov
aXijdeiav xdvägi. Also auch hier berechtigt uns nichts, anzunehmen, dass Clemens ausser
dem Tatian auch noch den Berosus oder auch nur den Juba eingesehen habe.1)
7. Clemens ström. I 16, 79, p. 67, 8 — 13 Dind. über die Lebenszeit des Lykurg 150
(corr. 100) vor dem Beginn der Olympiaden, und des Gesetzgebers Drako Ol. 39, ferner
Clemens ström. I 14, 65, p. 53, 23—54, 14 und ström. I 21, 129, p. 105, 5—9 über die
Lebenszeit des Thaies Ol. 50, des Pythagoras Ol. 62, des Solon Ol. 46 = Tatian c. 41,
p. 42, 20—43, 7 Schw. Die dem Tatian entsprechenden Stellen des Clemens stehen nur
zum kleineren Teil in dem Kapitel I 21, in welchem Clemens den Tatian benützt zu haben
bekennt, aber sie stimmen in den Angaben, vielfach auch in dem Wortlaut so sehr mit
einander überein, dass man den Tatian auch hier zur Quelle des Clemens machen könnte,
wenn es nicht näher läge, die Uebereinstimmung aus der Benützung der gleichen Vorlage,
das ist des Apollodor, zu erklären. Nur in einer Zahlangabe weicht Clemens ab, indem
wir bei ihm lesen p. 67, 10 Dind.: Avxovgyog de juexd noXXd xfjg 'IXiov äXcöoecog yeyovdjg
exi], ngb xcov oXv/umddcov exeoiv exaxbv nevxfjxovxa vo/uo&exeT Aaxedaijuovioig, bei Tatian aber
c. 41, p. 42, 22: Avxovgyog de noXv juexd xrjv 'IXiov yevvi]&elg äXcooiv, Jigb xcov 'OXv/umddcov
exeoiv exaxbv vojuodexei Aaxedaijuovioig. Allein da die Lesart exaxbv des Tatian auch durch
den aus Tatian geflossenen Ausschnitt bei Eusebius pr. ev. X 11 bekräftigt wird und da
J) Den Juba citiert Clemens sonst nirgends, auch weiss ich kein Anzeichen, das auf eine Benützung
desselben durch Clemens schliessen Hesse. Den Berosus citiert Clemens noch Protrept. p. 57 Pott.:
IUjoo>ooog ev roh// Xai.öa't'y.öiv. aber den ganzen dortigen Abschnitt über die Götterbildsäulen hat Clemens
aus einem anderen Autor abgeschrieben, wahrscheinlich aus dem gelehrten Werk des Apollodor negi Oewv.
Abb.. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 67
504
auch die übrigen, von Busolt, Griech. Gesch. P 573 zusammengestellten Zeugnisse für den
Ansatz der Lebenszeit Lykurgs auf 100 (nicht 150) vor Ol. 1 sprechen, so darf man nicht
mit Potter annehmen, dass die Zahl 100 aus 150 abgerundet sei — das wäre auch eine
sonderbare Abrundung, bei der gleich ein Drittel unter den Tisch fiele — sondern muss
das jzevxijxovza bei Clemens als falschen Zusatz einstreichen. Es ist aber auch leicht
begreiflich, wie derselbe in den Text gekommen ist; jzsvzijxovza wurde abgekürzt mit v
geschrieben, mit v begann aber auch das folgende Wort vo/uodezei, es ist also das falsche
mvzr\xovza durch nachlässige Doppelung des v in den Text gekommen.
Aus der Zusammenstellung der zusammen gehörigen Stellen des Clemens und Tatian
wird man ersehen haben, dass Clemens wohl den Tatian als Hauptvorlage benützt hat, dass
er daneben aber auch auf die Quelle des Tatian zurückging und aus derselben manches
entnahm, was Tatian übergangen hatte.
C a s s i a n.
Clemens ström. I 21, § 101 leitet seine Darlegung von dem höheren Alter der jüdischen
Weisheit mit der Quellenangabe ein, dass über den Gegenstand genau schon ausser von
Tatian, von Cassian in dem ersten Buch seiner Exegetika gehandelt worden sei {ei'grjzai öe
xal Kaooiavco iv zop tzqcozco zä)v 'Eirjyrjzixcöv). Dass dieser Mann mit dem vollen Namen
Julius Cassianus hiess und zu der Sekte der Gnostiker oder Doketen gehörte, erfahren wir aus
einer anderen Stelle des Clemens ström. 111 13, wo er 6 zfjg doxijoeoog EG~dQ%a>v genannt und als
Verfasser eines asketischen Buches tzsqi iyxgazeiag rj evvovyjag angeführt wird. Ueber seine
Lebenszeit ist uns nirgends etwas überliefert; nur aus den drei Momenten, dass er Gnostiker
war, dass er von Clemens citiert wird, dass er sich selbst an der angegebenen Stelle des
Clemens auf eine Schrift des bekannten Grammatikers Apion bezieht, lässt sich im allge-
meinen entnehmen, dass er im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung lebte. Daraus, dass
weder Tatian noch auch Theophilus ad Autol. III 23 da, wo er von seinen Gewährsmännern
in der jüdischen Chronologie spricht, seiner Erwähnung thun, möchte ich keinen sicheren
Schluss ziehen, da Tatian ohnehin seine Quellen nicht zu nennen liebt und Theophilus
lieber mit alten Namen zu prunken als seine direkt benützten Vorlagen anzuführen pflegt.
Vielleicht gelingt es uns, unten noch ein genaueres Anzeichen der Lebenszeit unseres
Cassian zu ermitteln.
Citiert ist also ausdrücklich Cassian von Clemens im Eingang des von der jüdisch-
griechischen Chronologie handelnden Kapitels; ausserdem ist durch glückliche Conjectur von
Gutschmid Kl. Sehr. II 192 sein Name hergestellt § 141, p. 114, 26 Dind., wo der über-
lieferte Text äuib de zov %qovov xovxov (seil. IIzolE/uaiov <Pvoxcovog) ä%qi zwv ev eP(öf.u)
vjidzaiv Talov Aojueztavov Kaoiavov sprachlich und sachlich, die alte Conjectur Sylburgs
vTcdzoov Kaioagog Ao/xEziavov xal 2aßivov zwar nicht sprachlich, aber sachlich unmöglich
ist, Gutschmid aber mit seiner scharfsinnigen und paläographisch leichten Verbesserung
vjidzaiv Tvaiov Aofxeziov {xal 'Aaiviov vtio) Kaooiavov oder {xal r. 'Aoiviov) Kaooiavcö alles
auf das Beste in Ordnung gebracht hat. Gehen wir nun auf die Frage über, worin Clemens
den Cassian als Quelle benützt zu haben scheint.
Von den 7 Punkten, in denen Clemens mit Tatian übereinstimmt, sind der 5., 6., 7.
so beschaffen, dass Clemens niemanden weiter eingesehen zu haben braucht; in dem 2., 3.,
505
4. Punkt reichte Tatian nicht aus, führen aber die eigenen Andeutungen des Clemens dahin,
dass er einen anderen Gewährsmann als Cassian zugezogen hat. Es bleibt also der 1. Punkt
über die Gleichzeitigkeit des Amosis-Moses-Inachus, in dem Clemens noch eine andere Quelle
benützt haben muss und diese schon deshalb zunächst in Cassian zu suchen ist, weil
unmittelbar zuvor Tatian und Cassian als Quellen im allgemeinen genannt sind. Ich habe
schon oben S. 44 als das Mehr, welches Clemens von Cassian entlehnte, die Dreizahl der
Bücher des Ptolemaios Mendesios bezeichnet. Ausserdem ist zu beachten, dass Tatian die
Worte 6 de "Aptooig eyevexo xaxy "Iva%ov ßaodea in der ägyptischen Geschichte des Ptolemäus
selbst gefunden haben will, während Clemens nach dem Berichte des Cassian, wie es scheint,
die Sache so darstellt, als ob zunächst die Gleichstellung des Amosis und Inachus Apion aus
Ptolemäus genommen, und er sodann oder ein anderer aus der weiteren Angabe des Ptolemäus,
dass Moses unter Amosis gelebt, den Schluss gezogen habe, es sei Inachus auch mit Moses
gleichzeitig gewesen. Worauf sich die Gleichung Inachus-Amosis, mochte sie nun von
Ptolemäus oder einem früheren ausgehen, stützte, wissen wir freilich nicht, aber es konnten
immerhin die griechischen Antiquare Alexandrias, auch ohne den Moses hereinzuziehen, aus
dem Datum der Einnahme Trojas und der Zahl der vor jener Einnahme in den Annalen von
Attika und Argos aufgezählten Könige herausrechnen, dass die ältesten Könige Griechenlands
ungefähr zur Zeit der 18. ägyptischen Dynastie und des ersten Königs derselben, Amosis
(ca. 1720) gelebt haben. Sicher setzt die uns von Africanus bei Eusebius pr. ev. X 101)
überlieferte Angabe des Periegeten Polemon (um 177 v. Chr.) in dem 1. Buch der hellenischen
Geschichte {ev xf\ tiqcox)] xcüv 'EXhjvixcov loxogicöv), dass zur Zeit des Apis, des Sohnes des
Phoronens, ein Teil des ägyptischen Heeres aus Aegypten vertrieben und sich in Palästina
niedergelassen habe, voraus, dass man schon im 2. Jahrhundert v. Chr. die griechische Geschichte
mit der ägyptischen in Vergleich brachte und nur den Anfang der griechischen Geschichte
oder den ersten König von Argos, Inachus, noch etwas weiter hinauf, in die 17. Dynastie
Aegyptens oder ungefähr 1770 v. Chr. setzte.
Aber diesen Punkt weiter zu verfolgen, würde über Cassian hinaus führen. Für diesen
ist eine andere Nachricht von Bedeutung, auf die zuerst Gutschmid Kl. Sehr. II 203 mit
Nachdruck hingewiesen hat. Sie steht in der Vorrede zur Chronik des Eusebius p. 4:
Mcovoea yevog 'Eßoaiov, jzgocprjxcov ändvxcov ngcoxov, ä/A<pl xov ocoxfjgog fj/u&v, Myco de xov
Xgtoxov, äjiicpi xe xfjg xeov e&vcov 6i avxov deoyvcooiag %gi]o/.iobg xal Xöyia fteTa ygonpfj
jragadedcoxöxa, xolg ygovoig äx/iäoai xaxä "Ivayov elgrpxaoiv ävdgeg ev Tiaiöevoei yvcbgi/xot,
K/j'/utjg 'AcpQiy.avög Taxiavbg xov xa^ fjjuäg Xoyov , xeov xe ex negixo/ufjg 'Icoo^jinog xal
'Iovoxog , iöicog exaoxog xrjv anöbeig~iv ex JiaXcuäg imooxcov loxogiag. Demnach war die
Gleichung Moses-Inachus von drei christlichen Schriftstellern, Clemens, Africanus, Tatianus,
und von zwei jüdischen, Josephus und Justus aus Tiberias, dem Rivalen des Josephus, auf-
gestellt worden. Die christlichen Zeugen kennen wir und haben dieselben bereits in dem
vorausgehenden Kapitel besprochen. Dass Eusebius nicht auch unseren Cassian nennt, darf
uns nicht befremden; man lese nur seine Nachricht über ihn in der Kirchengeschichte VI 13,
und man wird leicht erkennen, dass er denselben nur aus Clemens, nicht auch aus direkter
J) Ungenauer ist dieselbe Angabe überliefert von Ps. Justin coh. ad Graec. 9. Beide, Ps. Justin
und Africanus, haben offenbar aus der gleichen Quelle, wahrscheinlich aus dem Buch des Alexander
Polyhistor über die Juden geschöpft.
G7*
506
Benützung kannte.1) Derselbe scheint eben damals schon ganz verschollen gewesen zusein;
wahrscheinlich hatte ihn der bedeutendere Africanus vollends in den Hintergrund gedrängt.
Ausdrücklich sagt Hieronymus, De viris illustribus c. 37, dass er das von Clemens citierte
Büchlein des Cassianus nicht mehr habe finden können: Cassiani cuiusdam chronographias,
quod opusculum invenire non potui.
Von dem Zeugnis der beiden jüdischen Gewährsmänner können wir das eine über
Josephus kontrolieren. Josephus kennt wohl die Identifikation der Hyksos mit den Juden,
aber von der Gleichung Moses-Inachus finden wir bei ihm keine Spur. Also muss diese
bei dem zweiten jüdischen Gewährsmann, das ist bei Justus aus Tiberias gestanden haben.
Diesen zwingenden Schluss hat Gutschmid aus der Stelle des Eusebius gezogen. Nicht mit
gleicher Sicherheit lässt sich aus ihr entnehmen, dass nun auch aus Justus Cassian die
Kenntnis von dem gleichen Lebensalter des Moses und Inachus geschöpft habe. Vielmehr
muss die Möglichkeit offen gehalten werden, dass Cassian ebenso wie Tatian diese Angabe
bereits bei dem Grammatiker Apion gefunden habe. Aber die Wahrscheinlichkeit spricht
doch dafür, dass Cassian wie Tatian und indirekt dann auch Clemens auf den ihnen näher
liegenden Juden Justus aus Tiberias zurückgehen und aus diesem erst den Apion kannten.
Und noch wahrscheinlicher ist es, dass der Hinweis auf die 'EXlqvixal loxoqiai des Polemon,
den Ps. Justin coh. ad Graec. c. 9 und Africanus bei Euseb. pr. ev. X 10 in der Besprechung
der Sache anführen, aus Justus stammt, der selbst wieder aus der trüben Quelle des Alexander
Polyhistor geschöpft haben wird. Trübe nenne ich diese Quelle, weil die citierten 'EXXyvixal
loroQiai nicht zu den originalen Werken des berühmten Periegeten gehörten, sondern erst
später aus seinen ersten Werken zusammengestellt wurden, wie ich in meiner Geschichte
der Griech. Litt.3 S. 601 vermutet habe.
Die Exegetika des Cassian, welche an die Exegeseis des Philon erinnern, werden sich
wenig mit griechischer Geschichte befasst, vielleicht nur jene Gleichung Inachus-Moses ent-
halten haben, so dass es nicht zu verwundern ist, wenn aus denselben Clemens zur Ver-
vollständigung der übrigen aus Tatian geschöpften Angaben nichts entnehmen konnte.
Aber benützt hat nun einmal Clemens den Cassian, und warum sollte er ihn dann nur bei
jener Gelegenheit eingesehen haben und nicht auch in anderen Fällen, wo der Natur der
Sache nach die Exegetika des Cassian reichlicheren Stoff bieten mussten? Wenden wir uns
in der Verfolgung dieses Gedankens zunächst zu der Stelle, in der ausdrücklich nach der
evidenten Conjectur Gutschmids (s. S. 50) Cassian als Zeuge angeführt ist, ström. I 21, § 141.
In dieser Stelle ist aber gewiss nicht der einzelne Satz cän6 de rov %q6vov xovrov ä%oi rcov
ev cPd)/urj imdicov rvaiov Aojuetiov {xal 'Aoivlov imö) Kaooiavov ovva&Qoi^erai exrj exaxbv
eXxooC aus Cassian genommen, sondern geht der ganze, mit jenem Satz eng zusammen-
hängende § 141 auf Cassian zurück. Aber die Sache liegt nicht so einfach und erfordert
ein genaueres Eingehen auf jene Nachricht und ihren Zusammenhang mit den voraus-
gehenden Sätzen.
Nachdem also Clemens in § 140 eine Zeitberechnung von Adam bis zu seiner Zeit oder
bis zum Tode des Commodus, nach den Hauptepochen, Adam (1. Jahr), Sintflut (2148 Jahre),
x) Die Stelle des Eusebius hist. eccl. VI 13 lautet: /^tvi]/iovevei (sc. Clemens) rov jcqos "Ellrivag
Tatiavov Xöyov, xal Kaooiavov ojg xal avrov ygovoyoacpiav nejiotijfiivov. Dass Cassianus eine Chronographie
geschrieben habe, lässt sich daraus nicht schliessen; die legt ihm Eusebius nur nach dem Inhalt der
von Clemens aus den Exegetika citierten Stelle bei.
507
Abraham (1250 Jahre), Besitznahme Palästinas (616 Jahre), Samuel (463 Jahre), Könige
Judas bis Gefangenschaft (572 Jahre), persische Könige (235 Jahre), makedonische Könige
mit Inbegriff der Ptolemäer bis zum Tode des Antonius (312 Jahre), römische Herrschaft
bis zur Zerstörung Jerusalems und des weiteren bis zum Tode des Commodus (193 n. Chr.)
gegeben hatte,1) gibt er in § 141 einige Nachträge, in denen er die abweichenden Berech-
nungen erstens des jüdischen Historikers Demetrius (um 220 v. Chr.), dann des jüdischen
Epikers Philon, und schliesslich des jüdischen Historikers Eupolemus (um 160 v. Chr.)
zusammenstellt. In dem letzten Absatz also lesen wir: exi de xal Eimole/uog iv xf] öjuota
jtQayjuaretu xd Jidvxa exrj cprjolv äjtö 'Aöäju [xe%Qi xov tzejujixov k'xovg Ayj^xqiov ßaodeiag
ITxo/.Eluaiov xö dcodexaxov ßaodevovxog Alyvnxov ovvdyeodai ext] eoju§'. äcp"1 ov de yqovov
igijyaye Mcovofjg xovg 'lovdaiovg ig Alyvnxov im xi]v ngoeiQ}]/u.evi]v ngo&eojuiav ovvdyeo&ai
yiha (dto'/iXia cod.) nevxaadoia oydorjxovxa. and de xov %qovov xovxov u%qi twv iv 'Pcbuii
vndxcov Fvaiov Aojuexiov (xal Aoiviov vjio) Kaootavov ovva&Qoi£exai hr} exaxöv el'xooi.
Eupolemus gibt also zunächst die Jahre an von Adam oder der Erschaffung der Welt bis
auf seine Zeit oder das Jahr 159 v. Chr. Dieses Jahr nämlich ist gemeint mit dem 5. Jahr
des syrischen Königs Demetrius I. und dem 12. Jahr des ägyptischen Königs Ptolemäus
Euergetes II., wie Freudenthal, Hellenistische Studien II 212 und Gutschmid, Kl. Sehr. II 191
festgestellt haben. Von Adam also bis auf 159 v. Chr. rechnete Eupolemus 5149 Jahre;
sodann gibt derselbe die Zeit an von dem Auszug der Juden unter Moses bis zu dem gleichen
Termin oder bis 159 v. Chr. Nach der handschriftlichen Ueberlieferung umfasste diese
2580 Jahre. Da dieses offenkundig falsch ist, so hat man dafür längst durch die paläographisch
leicht zu rechtfertigende Aenderung ovvdyeo&ai dio%iha in ovvdyeo&ai jilia 1580 hergestellt.
Von da, d. i. 159 v. Chr., heisst es weiter, bis auf die Consuln Gn. Domitius und C. Asiuius
oder 40 v. Chr. sind von Cassian 120 Jahre zusammengerechnet worden. Das Jahr 40 war
keines der berühmten Epochenjahre und kommt daher weder bei Theophilus ad Autol. III 28
vor noch bei Clemens in der grossen Zusammenrechnung ström. I 21, § 140; aber es war
doch für gewisse Kreise ein bedeutsames Jahr; in ihm trat nämlich nach Josephus
arch. XIV 14, 5 der König Herodes seine Regierung an, und auf es oder vielmehr den in
demselben geborenen Sohne des Consuls Asinius hat Vergil seine berühmte 4. EkWe
gedichtet, wie uns neuerdings so lichtvoll Marx, Virgils 4. Ekloge, in Neue Jahrb. für d.
klass. Alt. I 105 ff. auseinander gesetzt hat. Aber wie kam Cassian dazu, dieses Jahr ent-
gegen der Gewohnheit aller Andern als Epochenjahr zu rechnen und nach ihm die Zeit zu
berechnen? Lag es für einen Schriftsteller des 2. Jahrhunderts n. Chr. nicht viel näher
bis auf Augustus oder bis auf die Zerstörung Jerusalems herabzugehen? Ich habe lange
darüber hin und her gedacht; endlich bin ich zu einer Lösung gekommen und hoffentlich
einer sicheren. Schon Gutschmid, Kl. Sehr. II 189 und Schürer, Geschichte des jüdischen
Volkes III3 372 haben von anderen Erwägungen aus die Vermutung ausgesprochen, der
§ 141 unseres Kapitels ström. I 21 mit seinen gelehrten Auszügen aus den alten Historikern
J) Das macht zusammen bis zum Tode des Antonius oder bis Augustus 5596, bis zur Geburt
Christi 5626, bis zum Tode des Commodus (198 n. Chr.) 5818 Jahre. In ähnlicher Weise rechnet Theo-
philus ad Autol. 24 S. von Adam bis Sintflut 2242. von Sintflut bis Abraham 1036, von Abraham bis
zum Tode Moses 660. von Moses bis David 498, vom Tode Davids bis zur Gefangenschaft 518, von
ns bis zum Tode des Kaisers Aurelius Verus 741. im Ganzen von Adam bis zum Tode des Kaisers
Verus 5695 Jahre.
508
Demetrius und Eupolemus gehe auf das Buch des Alexander Polyhistor zurück. Für diesen
passte es auch in einem Buch über die Juden bis auf das wichtigste Ereignis seiner Zeit,
die Thronbesteigung des jüdischen Königs Herodes, herabzugehen. Aber warum führt
Clemens nicht den Polyhistor als Gewährsmann für diesen Calcul an, sondern den Cassian?
Ich denke die Antwort ergibt sich, wenn einmal die Vorfragen erledigt sind, von selbst:
Clemens kannte den Passus des Polyhistor über die ältere Zeitrechnung der Juden nicht
aus Polyhistor selbst, sondern aus Cassian; er hätte eigentlich sagen sollen: djib de yguvov
xovxov ä%Qi Tcöv ev cPd)juj] imdxcov Tva'iov AofiExlov xal r. 'Aoiviov vnb AZsg~drÖQov llolvi-
oroQog, (hg Tiagä Kaooiavov jiaQe'drjcpa, ovva&Qoi£ezai etrj ixaxbv eixooi.
Schwerlich aber beschränkte sich die Benützung des Cassian durch Clemens auf die zwei
besprochenen Stellen § 101 und § 141. Da Cassian sein Werk 'Egijyrjxixd betitelte, so kann
leicht die chronologische Exegese der Stelle des Daniel IX 26 — 27 in §§ 125 — 6 auf ihn
zurückgehen, und noch mehr der Schluss des Kapitels §§ 146 — 7. Denn auch hier wird
eine Deutung des Daniel gegeben, zugleich aber auch auf die Anhänger des Basileides
Bezug genommen, etwas was besonders auf Cassian, der ja ein Gnostiker war, passt.
Ist diese Vermutung richtig, dann gewinnen wir auch aus § 147, p. 119, 14 "änö öe Aaßld
Ecog Oveojiaoiavov Öevxeqov hovg . . . eirj ot,' , cbg elvai änb Mcovoecog im xb öexaxov exog
Avxcovivov ndvxa k'rrj jaoiXy" ein Anzeichen der Lebenszeit Cassians. Denn die Angabe,
die offenbar das Jahr bezeichnet, in dem der Autor schrieb, führt auf das Jahr 148 n. Chr.,
dem 10. Jahr der Regierung des Kaisers Antoninus Pius. Auf diese Zeit, vor 150 n. Chr.,
passt aber auch die Auslegung der Stelle des Daniel, wie in scharfsinniger Beweisführung
Schlatter, der Chronograph aus dem zehnten Jahre Antonins (Gebhardt-Harnack, Texte und
Untersuchungen XIII 7) erwiesen hat.1)
Diese Ermittelung der Zeit des Cassian bestimmt mich schliesslich, ihm auch noch
Anteil an der Stelle p. 110, 24 — 30 Dind. = 401 Pott, zuzuschreiben: ävco&ev ovv utto
Mcovoecog ovvaydyojjuev x)]v xa&' "Elli]vag iqovoyqarplav djib xfjg Mcovoecog ysveoecog int
ri]v ef AlyvjiTOV tcov 'Iovdatcov efodov ezrj bydorjxovra, xal rd fJ-E%Ql rtfs xsXevxfjg avxov
äXXa xEooaqdxovxa, ylvsxai t) e'g~odog xaxd "Iva^ov tiqo xfjg 2ai&iaxrjg 7iEQiödov e^eX&ovxog
arf Alyvnxov MojvoECog exeoi jiqoxeqov xQiaxooioig xEooagdxovxa e . Bestimmend ist mir
dabei der letzte Satz. Hier nämlich ist, wie mein lieber Freund Unger, Chronologie des
Manetho S. 47 f. scharfsinnig nachgewiesen hat, von der Hundsstern- oder Sothisperiode,
d. i. einem Cyclus von 1461 ägyptischen, 1460 julianischen Jahren ausgegangen. Denn
wenn auch eine Kleinigkeit, der bestimmte Artikel xfjg vor Scodiaxfjg jieqioöov ohne eine
zugesetzte Ordinalzahl oder eine andere nähere Bestimmung Anstoss erregt, so ist dieser
Anstoss doch nicht gross genug, namentlich bei einem nachlässigen und ungenauen Schrift-
steller wie Clemens, um an der Richtigkeit der Combination zu zweifeln. Nun lief die
hier in Betracht kommende Sothisperiode von 1321 v. Chr. bis 139 n. Chr. Von dem
Bestehen eines solchen grossen Jahres, annus canicularis, werden gewiss vordem nur sehr
wenige Römer und Griechen Kenntnis gehabt haben; aber bei dem Ablauf eines solchen
und dem Beginn eines neuen Umlaufes im Jahr 139 n. Chr. wird begreiflich viel von dieser
eigentümlichen, mit wundervollen Mähren umkleideten Zeitrechnung die Rede gewesen sein.
l) Unter dem Text wenigstens muss ich noch darauf hinweisen, dass auch der Kavwv ßaodstmv
des Astronomen Ptolemäus bis auf Antoninus Pius reicht. In welchem Zusammenhang das steht, habe
ich nicht weiter verfolgt.
509
So niusste von ihr auch Cassian, der im Jahre 148 n. Chr. seine Exegetika schrieb, Kenntnis
erhalten haben, und erklärt es sich leicht, dass er von derselben bei der Berechnung eines
Kardinalpunktes, des Auszugs der Juden aus Aegypten Gebrauch machte. Dass es am
Schlüsse des Paragraphen heisst cos cpi^oiv QgdovXXos, darf uns an der Richtigkeit der vor-
geschlagenen Kombination nicht irre machen. Denn einerseits ist es nicht ausgemacht,
dass alle Angaben unseres Paragraphen von einem und demselben Autor herrühren, spricht
vielmehr der Umstand, dass bald nach Menschenaltern (p. 111, 4 Dind.), bald nach Jahren
(p. 111, 7 ff.) gerechnet ist, gegen die Einheit des Verfassers. Anderseits scheint der Name
QgdovXXos selbst verderbt zu sein, da wir sonst nichts von einem chronologischen Hand-
buch des Thrasyllos wissen. Doch darüber weiter unten!
Dionysius von Halikarnass.
Dionysius wird von Clemens zwei Mal als Gewährsmann genannt, p. 85, 1: na)Mixega
de xcov 'EXXrjvixcov xd AgyoXixd, xd and 'Ivdyov Xeyco, cos Aiovvoios 6 'AXixagvaooevs iv
xoTs Xgdvois diddoxet, und p. 107, 7: Edv&os de 6 Avdös negl xrjv oxxcoxaidexdxrjv öXvju-
Titdda., cog de Aiovvoios negl xrjv nevxexaidexdxr\v, Odoov ixxio&ai (seil, cpegei), cos elvai
oi\ucpaves xbv 'AgyiXoyov uexd (fort, xaxd) xyjv eixooxi]v ijdt] yvcogt£eodai öXv/umada. Das
Buch Xgövoi, ein kurzes Compendium der Chronologie, wird von Dionysius selbst in der
Römischen Archäologie I 74 gelegentlich des Gründungsdatnms Roms erwähnt: ort de eloiv
ol xavöves vyiels ois Egaxoodevqs xeygrjxai, xal neos äv Tis dnevdvvoi xovs 'Pcojuaicov XQVvovs
xgog xoeg 'Elhjnxovs, iv exegeo dedr']Xcoxai tuoi Xöyco. Dasselbe fusste, wie schon die ange-
führte Stelle zeigt, auf dem System des Eratosthenes und scheint nur eine handliche
Ueberarbeitung der Chronik des Apollodor gewesen zu sein, um die Römer mit den
Grundzügen dieser griechischen Wissenschaft bekannt zu machen. Die Uebereinstimmung
mit Apollodor, der ja gleichfalls auf dem System des Eratosthenes fusste, wird in einem
einzelnen Fall ausdrücklich angemerkt von Syncellus p. 275 C: ol ßaoiXeis Hovxicov dexa
xaxd xovxovg ijgg~av rovs %govovs diagxeoavxes exi] Ott]', negl cov 'AjioXXödcogos xal Aiovvoios
loxogovoiv. Ensebius hat das Buch nicht benützt, nennt es wenigstens ebenso wenig wie
die Chronik des Apollodor an der Stelle Chron. I, p. 363 Seh., wo er seine Quellen aufzählt.
Das hängt wohl damit zusammen, dass derselbe einem anderen chronologischen System, dem
der Syrer Kastor und Thallos, folgte. Clemens hingegen kennt das Buch, wie die beiden
Citate zeigen, und scheint dasselbe direkt eingesehen zu haben.
Von den beiden Stellen lehrt die zweite, dass Dionysius die Gründung von Thasus
auf Ol. 15 angesetzt hatte. Die damit verbundene Erwähnung des lydischen Logographen
Xanthus und des Dichters Archilochus wird wohl so zu erklären sein, dass auch diese beiden
Angaben aus Dionysius stammen. Mit noch grösserer Bestimmtheit wird man behaupten
dürfen, dass an der ersten Stelle das Eigentum des Dionysius sich nicht auf den angeführten
ersten Satz beschränkte, sondern auch auf die folgenden Sätze sich erstreckte. Zunächst
gehören folgende Sätze zusammen:
TiaXairega (fort. naXaixaxa) dk x&v 'EXXrjvixcov xd 'AgyoXixd, xd dno 'Ivdyov Xeyco, cos
Aiovvoios 6 'AXixagvaooebs iv xotg Xqovois öiddoxei. xovxcov de xeooagdxovxa (corrige enxd) l)
') Das überlieferte reaoaßdxovra ist unter allen Umständen verderbt; zeooaQot, was Hervet im engen
Anschluss an die Ueberlieferung herstellte, ist sachlich unhaltbar; sachlich richtig ist allein die Aenderung
510
juev yevedig veojxega xä 'Axxixä xä anb Kexoonog xov dicpvovg di] xal avxoyßovog, &g (pr/oiv
xaxä Xsfiv 6 Tartaros'1) evvea de xä 'Agxadixä xä anb TleXaoyov' Xeyexai de xal ovxog
avxöyßiov xovxoiv de aXXaw (aXXa nevxr\xovxa Clem., äXXaiv Euseb. praep. ev. X 12)a)
dvoiv veanega xä ^>diooxixä xä anb AevxaXiaivog. eig de xbv yoövov xcöv Tqojixöjv anb
Tväyov yeveal juev el'xooiv i] jutä nXelovg3) diagt&juovvxai, ihr} de obg enog elnelv xexgaxoaia
xal ngooa).*) In diesen Sätzen ist das zeitliche Verhältnis der griechischen Stammessagen
zu einander ausgesprochen, wonach die argivische Königsreihe die älteste war, die attische,
mit Cecrops beginnend, um 7 Menschenalter jünger war, die arkadische mit Pelasgus um 9,
die phthiotische mit Deukalion um 11. Diese Ansätze waren offenbar gegen ältere Chronisten
gerichtet, insbesondere gegen Hellanikus und Philochorus, welche von der attischen Geschichte
ausgegangen waren und demnach die Sintflut unter den attischen Heros Ogygus und den
attischen Stammhalter Cecrops, den sie gegenüber dem jüngeren mehr historischen Cecrops
Kexgona di<pvfj xal avxoyftova nannten, in den Anfang gesetzt hatten. Vermutlich war
Apollodor der Urheber dieses jüngeren Systems, welches von der argivischen Königsreihe
als der älteren ausging und demnach die attischen Daten in die argivische, mit Inachus
und Phoroneus beginnende Chronik einreihte.5) Dionysius ist dann auch hier ähnlich wie
in anderen Dingen in die Fusstapfen des Apollodor getreten.
Für das hohe Alter unseres Abschnittes und damit auch für die Herkunft von Dionysius
mache ich auch noch ein äusseres Kennzeichen, die Berechnung nach Lebensaltern (yeveal)
statt nach Jahren (exi)) geltend. Bekanntlich sind in der Chronik des Eusebius alle Ereig-
nisse, auch die mythischen, nach Jahren datiert.6) Diese Datierungsweise, wie sie praktisch
für die historische Zeit war, erregt nur unser Lachen, wenn wir sie auf die mythische
von fi in £". Denn unter den siebenten argivischen König Triopas setzt der Chronograph p. 86, 6 den
attischen König Cecrops. Die Besserung von rsacagdtovra in sjizä hat übrigens schon Pessl, Das chrono-
logische System Manethos S. 51, und schon vor ihm Unger, Chronologie des Manetho S. 167 vorgeschlagen.
Die Angabe des Kastor bei Eusebius chron. I 173 'trecentis prope annis post Argivorum principatum
Cecrops' steht damit nicht in unvereinbarem Widerspruch, wenn man die älteren Könige von Argos im
Durchschnitt etwas länger als je 33 Jahre regieren lässt.
1) Ueber die Ungenauigkeit dieses Citates siehe oben S. 43.
2) Die Verbesserung älkaiv kommt der Ueberlieferung des Clemens sehr nahe, wenn man annimmt,
dass in dem Archetypus jievzrjxovxa mit dem Buchstaben v geschrieben war.
3) Es divergierte allerdings die Zahl der argivischen Könige oder Menschengeschlechter, je nach-
dem man auf Akrisius direkt als 15. König den Eurystheus folgen Hess, wie Eusebius chron. I 179 thut,
oder zwischen beide den Sthenelus und Perseus einschob, wie Tatian c. 39 und Clemens p. 382 P thun ;
s. Geizer, Julius Africanus I 21. Aber es ergaben sich dann nicht 20 oder 21, sondern 18 oder 20 Könige.
Es scheint also hier Clemens im Zählen einen Irrtum begangen zu haben.
4) Der letzte Satz elg öe . . . xqöoco hängt nicht gleich eng wie die vorausgehenden mit dem Ein-
gangssatz jiaXahaza de . . . oltzo 'Ivä^ov zusammen, wird aber doch auch von derselben Quelle herrühren,
da er mit der Abmessung der Zeit von Inachus bis zu den Troika an das anb 'huyov des Eingangs-
satzes anknüpft.
5) Apollodor wird sich dabei auf alte Autoritäten, den Logographen Akusilaus und den Philosophen
Plato bezogen haben, welche für das höhere Alter der argivischen Königsreihe auch von Clemens p. 380
Pott, angeführt werden.
6) Vereinzelt findet sich diese Datierung mythologischer Dinge nach Jahren schon bei Theophilus
und unserem Clemens. Sogar schon in der parischen Marmorchronik (3 Jahrh. v. Chr.) begegnen der-
artige Albernheiten, wie wenn der Raub der Helena auf 1217, Deukalion auf 1528 v. Chr. angesetzt ist.
Ja schon Herodot II 145 hatte die Kühnheit, die Zeit des Dionysus, Herakles und Pan festsetzen zu wollen.
511
Vorzeit ausgedehnt sehen, wie wenn es da heisst, der Weinstock sei von dem Gotte Dionysos
im Jahre 508 Abrahams erfunden worden, oder Gott Zeus habe mit Io im 28. Regierungs-
jahre des attischen Königs Kekrops das Beilager gehalten, oder der Gott Dionysos sei im
Jahre 627 Abrahams geboren worden, habe 689 den Zug gegen Indien unternommen und
sei 718 im Kampfe gefallen.1) Von diesen Albernheiten hielt sich die ältere Chronistik
noch fern; sie datierte allerdings auch schon die mythischen Fabeln, aber doch noch nicht
nach Jahren, sondern nur nach Menschenaltern.2) So sind nun auch in unserem Abschnitt
die Abstände der Stammessagen von einander oder die Anfänge der mythischen Geschichte
der Argiver, Athener, Arkadier, Phthioten nach Menschenaltern bestimmt. Das gleiche
Verfahren beobachtete aber auch Dionysius in der römischen Archäologie. So lesen wir I 11:
"EkXrjvag . . . TioXlaig yevecäg tiqöteqov xov nokefxov xov Tqohxov juexavaoxdvxag und xovxov
(seil. Avxdovog) vlög Oivcoxgog ejixaxaidexa yevecüg ngöxegov xwv im Tqo'hxv oxgarevodvxojv,
I 17: exxy d' voxegov yeveä IIeXoji6vvr]oov exXinövxeg, I 22: xb /usv örj 2ixeXixbv yevog ovxcog
ifüiTzev 'IxaXlav, d>g fxev 'EXldvtxog 6 Aeoßiög (prjoi, xgai] yeveä tiqotsqov xwv Tqojixcöv,
und ähnlich I 9, 26, 45, 73, II 2, III 10 etc. Ein bindender Beweis dafür, dass Dionysius
der Autor unseres Abschnittes sei, ist dieses freilich noch nicht, da in der mythischen Zeit
die älteren Autoren insgesammt und auch noch Diodor (z. B. II 28, III 1), vereinzelt selbst
noch christliche Apologeten, wie Tatian or. ad Graec. p. 39, 19; 40, 2; 42, 28 ed. Schw.
nach Menschenaltern rechneten. Aber die Angabe des Clemens, dass er die Nachricht über
das höhere Alter der argivischen Geschichte aus Dionysius geschöpft habe, erhält doch
dadurch eine neue, nicht verächtliche Stütze. Indes ein Umstand macht Schwierigkeit.
Dionysius arch. I 11 und I 17 gibt nämlich den Pelasgus nicht für einen Autochthonen,
sondern für den Sohn des Zeus und der Niobe aus3) und lässt ihn im vierten Menschen-
alter (Inachus, Phoroneus, Niobe, Pelasgus), nicht wie Clemens im neunten leben. Vielleicht
indes kann hier mit einer Konjektur nachgeholfen werden. Bei der Unsicherheit der ehedem
mit Buchstaben ausgedrückten Zahlangaben dürfte es nämlich nicht zu kühn sein, das über-
lieferte evvea de xä Agxadixa des Clemens in xeooagot de xä 'Aqx. zu ändern und damit zugleich
den Deukalion in eine ältere, zur allgemeinen Ueberlieferung besser passende Zeit hinaufzurücken.
Hat aber Clemens den Passus p. 84, 19—85, 7 aus der Chronik des Dionysius genommen,
so wird auch der folgende, zunächst aus Tatian genommene und von uns deshalb schon
oben S. 44 ausgehobene Abschnitt p. 85, 7 ff. ed. Dind. auf die gleiche Quelle zurückgehen.
Auch hier sind die mythologischen Ereignisse nicht nach Jahren angegeben, und wenn auch
nicht nach Menschenaltern, so doch, was auf das Gleiche hinauskommt, nach Königen, so
dass bei jedem einzelnen Könige von Argos angemerkt ist, was unter demselben in anderen
Teilen Griechenlands vorkam.4) Ich sage, dass dieses auf dasselbe hinauslaufe, weil dabei
') Natürlich hingen alle diese Angaben mit der Theorie des Euhemerus zusammen, dass die
.erriec-hischen Götter in den Olymp versetzte Heroen seien. Diese Theorie passte den Kirchenvätern vor-
trefflich in ihren Kram, so dass die Schriften des Euhemerus und seiner Anhänger Palaiphatus und
Philochorus von neuem auflebten und so oft bei Eusebius in den Randbemerkungen aufgeführt werden.
2) Auch die Juden rechneten in der ersten, nicht minder mythischen Zeit ihrer Geschichte nach
yevtai, wie Eusebius chron. I 99 ff. zeigt. Nach ysveai rechnet auch der Evangelist Matthäus I 17.
3) Die doppelte Ueberlieferung findet sich bei Apollodor bibl. III 8, 1 : üslaayov ov 'AxovalXaog fisv
Aiög leyet xal Niößtjg ttaftduteg vjie&tfiev (II 1. 1) 'Holofiog di avzöyßova.
A) Auf demselben Prinzip beruht es. wenn Africanus die mythischen Namen der Griechen Prometheus,
Deukalion, Kadmus. Orpheus gleichzeitig mit israelitischen Richtern setzt; denn er hat hier nur in seiner
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abtb. 68
512
auf jeden König, in allerdings sehr primitiver Weise, ein Menschenalter gerechnet ist, wie
man z. B. von Inachus bis Agamemnon 20 Könige von Argos zählte und demnach auch
die Zeit von Inachus bis zu den Troika auf 20 ysvsal veranschlagte (Clem. ström, p. 379) l).
Für ein hohes Alter unseres Abschnittes spricht auch der niedere Ansatz der Zeit von
Inachus bis zur Einnahme Trojas auf nur 400 Jahre, da später durch den Einfluss der
Christen ein grösserer Zeitabstand angenommen wurde, wie ich weiter unten ausführen
werde und schon Gutschmid KI. Sehr. II 193 ff. dargethan hat.
Sonst wüsste ich nichts mit Bestimmtheit auf die Chronik des Dionysius zurückzuführen.
Die kurzen Angaben über die Urgeschichte Roms p. 111, 22 — 24 Dind. stimmen nicht zu
den Zeitmassen, die Dionysius selbst in der Römischen Archäologie I 65 f. gibt. Die Notiz
über die Wahrsagerin Carmentis und das von Euander gegründete Heiligtum Luperkion
p. 90, 23 stimmt nur teilweise zu Dionysius arch. I 32 und hatte jedenfalls in der kurzen
Chronik keinen Platz. Beachtenswert aber ist, dass Clemens p. 112, 14 Dind. änb xi\s
jigcoxrjg blvfxmäbog evioi cpaotv im cP<jbfir}s xxioiv ovvdyeoßai Uxr\ eixooi xeooeqol der Catonischen
Gründungsära folgt, derselben, die auch Dionysius arch. I 74 aufgestellt und begründet hat.
Beachtenswert ist dieses namentlich deshalb, weil der Chronograph Kastor, dem sonst mit Vor-
liebe die Kirchenväter sich anschliessen, die Gründung Roms um mehrere Jahre früher (s. fr. 19)
angesetzt hatte. Mit Clemens geht in diesem Punkt zusammen Theophilus ad Autol. III 27, 2)
und merkwürdiger Weise auch Eusebius, der Roms Gründung a. 1264 Abr. setzt, wiewohl er
sonst dem Kastor zu folgen pflegt. Gehen vielleicht hier Theophilus, Clemens und Eusebius
auf den freigelassenen Chrysenor zurück, dessen Abriss der römischen Geschichte Theophilus
ad Autol. III 27 als seine Quelle preist? Siehe oben S. 42.
Apollodor.
Apollodor, der Chronograph xax' ig~oyjp>, der 144 v. Chr. in jambischen Trimetern ein
vielgerühmtes Kompendium der Geschichte unter dem Titel Xgovixd in 4 Büchern geschrieben
hatte, ist öfters von Clemens mit Namen citiert und gewiss noch viel öfter von ihm still-
schweigend benützt und ausgeschrieben worden. Citiert ist er ausdrücklich in unserem
Kapitel ström. I 21 p. 88, 4 Dind: jzqoxeqeiv äga Mcovofjg äjiodsixvvxai xfjg jliev Aiovvoov
äTiofiecöoECüg Extj £g~ax6oia XEOoaga, si' ys xfjg ÜEQOECog ßaoüiEiag xcp xqiaxooxcö Öevxeqw exei
ix&sovxai, a>g cpvjoiv 'AjioklööcoQog iv xolg XgovixoTg, p. 88, 11: anb bs xfjg 'HQaxXiovg iv
"Agysi ßaoilEiag im xfjv 'HoaxlEOvg avxov xal 'Aoxlrjmov äjio-&£COOiv extj ovvdysxai xgidxovxa
israelitisch-griechischen Parallelgeschichte statt der griechischen Könige die gleichzeitig gedachten Richter
der Israeliten gesetzt; s. Geizer, Africanus I 119.
J) So schlägt auch Diodor die Regierungszeit seiner 30 (Bibl. II 23) assyrischen Könige auf 30 yeveai
(Bibl. II 28) an. Dieselbe Anschauung liegt zugrund, wenn Clemens p. 89, 3 Dind. sagt: JJQo/Mj&evg <S.;
xaza Tgiojiav eßöö/irj yeveä /uezä Mcovaea, und p. 88, 22: Tgiöjiag de ovy/govec"Iat8c ißSöfirj yeveq axb'Ivuyov . . .
y.aza Avyxea yivszai ivdexäzi] vozegov Mcovoecog yeveä, denn Triopas war der 7. und Lynkeus der 11. König
von Argos. Danach verbessere ich p. 111, 4 djio de zfjg Mcovoecog azgazr^ylag xal 'Ivä%ov im xov Aevxa-
kiwvog xazaxlva/.wv, zt]v öevxegav Xeyu> e7ZO/nßg(av, xal em zov <Paedovzog efijigtjopöv, ä örj ovjAßairei xaza
Kgözconov , yeveai reaoagdxovza ägi&iuovvzai das offenbar verderbte xeoaagäxovza nicht in zeaaageg, wie
Hervet und Müller vorschlugen und Geizer, Julius Africanus I2 21, Anm. 5 künstlich verteidigt, sondern
in öxzcö, was eine sehr leichte Aenderung ist, wenn man die Zahlen durch // und rf ausgedrückt sein lässt.
2) Die Stelle lautet: ixzcofxevijg xrjg 'P(ö/Liijg vtio 'Pcofivkov, zov naidog iozogovfievov "Ageoog xal 'D.iag,
6lvj.i3ica.di f zf/ jzgö i xal C xakavd&v Matwv.
513
bxxoi y.arä xbv %govoygäcpov 'AtioIXööcoqov, p. 96, 3 'AjioXXodcogos de (seil. "Olujoov yegso&ai
<pi]oi) jueto. exr) ixaxbv t>)? 'Icovtxrji; anoixiag 'Ayijodäov xov Aogvooaiov Aaxedaifxovicov
ßaoiXevovxog , ojoxe ImßaXeiv avxio Avxovgyov xbv vojuo&exijv hi veov övxa, ausserdem
ström. I 14, p. 53, 11: ATioXdoöcogog Se (seil. Eevocpdv^v xbv KoXcxpowiov) xaxä xrjv xeooa-
gaxooxrjv öX-v/ujxiäda yevöjuevov Jiagaxexaxevcu ä%gt xcöv Aagdov xe xal Kvgov ygoveov.
Beachten wir ferner, dass Tatian in dem oben S. 45 f. ausgehobenen, wesentlich mit Clemens
stimmenden Abschnitt über Homer unter denjenigen, welche über Homers Leben geschrieben
haben, auch den Apollodor nennt und dies an letzter Stelle, so wird man mit Zuversicht
jenen ganzen Abschnitt über Homer auf Apollodor zurückführen dürfen, ebenso dann die
andern auf die griechische Literaturgeschichte bezüglichen Data, also über Terpander
p. 107, 1 ff., Lesches und Arktinos p. 107, 5, Kallinos p. 107, ll,1) Eumelos p. 107, 13,
Orpheus und Onomakritos p. 105, 29 ff.
Wie ferner an den drei Stellen über die Zeit des Homer, des Orpheus und des
Terpander die verschiedenen Meinungen der Gelehrten und zwar, mit Ausschluss der jüngeren,2)
nur der älteren vor Apollodor lebenden Gelehrten Hellanikus, Philochorus, Theopomp,
Phanias, Eratosthenes, Aristarch, Sosibius, Euphorion, Epigenes, Krates zusammengestellt
sind, ebenso ist auch § 139 bezüglich der Kontroverse über die Zeit der Einnahme Trojas
verfahren, indem auch hier nur ältere Autoren, und zum Teil dieselben wie bei Homer
und Terpander, nämlich Phanias und Eratosthenes, angeführt werden. Man kann daraus
mit gutem Recht schliessen, dass auch hier Reste apollodorischer Gelehrsamkeit erhalten
sind. Nicht mit gleicher Zuversicht möchte ich mich bezüglich des § 104 aussprechen, wo
unter Berufung auf Hellanikos und ältere Atthidenschreiber die Frage erörtert wird, unter
welchem attischen König, ob unter Demophon oder Menestheus, und in welchem Jahr,
Monat, Tag die Stadt eingenommen wurde. Die Berufung auf so alte Zeugnisse, wie das
kvklische Epos /.uxgd 'IXiäg, spricht allerdings für hohes Alter der Stelle; aber auf der
anderen Seite ist doch der Gedanke, Monat und Tag der Einnahme Trojas bestimmen zu
wollen, so absurd, dass ich ihn nicht leicht dem soliden Apollodor zuschreiben möchte.
Aber kehren wir zu den Stellen zurück, an denen Apollodor ausdrücklich genannt
und mit einem ganz bestimmten chronologischen Datum in Verbindung gebracht wird!
Da erregen nun sofort die zwei Hauptstellen p. 88, 4 und 11 Dind. unser äusserstes Befremden.
Ereignisse vor Trojas Fall erwartet man nicht bei Apollodor, dessen Xgovixd nach dem
Zeugnis des Ps. Skymnus3) mit der Einnahme Trojas begannen. Es Hesse sich zwar der
*) Dass die Quelle der Nachricht alt ist, jedenfalls vor Strabo zu suchen ist, zeigt die Ueber-
einstimmung von Clemens KaXllvog dk jxgeaßvxegog ov fiay.gäj' xwv yag Mayri)xcov 6 fiev 'Agyü.oyog axoloi-
).ÖTO)v, 6 de svtjfieQovvzcov pe/ivrjrai mit Strabo XIV p. 647 Kal'/.Xvog fiev ovv ws evtvxovvtcdv e'ti xwv May-
n'/Tov /tifivtjrai xal y.axoQÜovvztov sv reo Jigög zoiig 'Ecpeolovg no)Jfi.q>, 'AQ^iXo^og de ydrj cpaivexai yveogt^cov
xrjv ysvouevrjv avxotg ovfi<pogdv.
2) Nur ev xagöbc» ist der nach Apollodor lebende Dionysius angeführt p. 398 Pott., der obendrein,
wie wir sahen, den Apollodor ausschrieb. Auf der anderen Seite lege ich Nachdruck darauf, dass im
Abschnitt über die Zeit des Homer die Ansicht des Dionysius Skytobrachion nicht erwähnt ist, der doch
kein geringerer als Diodor VII, fr. 1, 2 beistimmte.
3) Skymnus V. 22, freilich ohne ausdrückliche Nennung des Namens Apollodor:
OVPexd^i ■';: l'ntoYy.i'i^ a'/.toaEOig
yoovoygarpiav aioiyovaav äygt xov vvv ßiov.
Die Nachricht wird unterstützt durch Diodor, der nicht bloss selbst in seiner Geschichte die Zeit der
mythischen Könige von Argos und Athen unberücksichtigt lässt und aus der Zeit vor Troja nur die
68*
514
Einwand hören, dass Apollodor zwar nach dem Vorgang des Eratosthenes die Einnahme
Trojas als das erste datierbare Faktum der griechischen Geschichte angesehen habe und
von ihm in seinem chronologischen Geschichtskompendium ausgegangen sei, dass er aber
doch einleitungsweise auch der griechischen Vorgeschichte gedacht habe. Aber wenn wir
auch diese Hypothese nicht von vornherein als unvereinbar mit dem klaren Wortlaut des
Ps. Skymnus abweisen, so bleibt doch der Anstoss unserer beiden Stellen bestehen. Denn
in denselben werden mythische Ereignisse vor dem Fall Trojas nicht bloss erwähnt, sondern
auch datiert. Und welche Ereignisse! Die Erhebung des Herakles, Asklepios und gar auch
des Dionysos in den Götterolymp! Einen solchen Wahnsinn soll Apollodor, der grosse
Gelehrte und Schüler des Aristarch, begangen haben?
Aber wie sich aus der Klemme ziehen? Bekanntlich hat Gutschmid zwei Apollodore
angenommen, den alten berühmten Athener, der seine Chronik in Versen schrieb, und einen
jüngeren bei den christlichen Schriftstellern vorkommenden Chronographen Apollodor, der
sein Kompendium in Prosa geschrieben haben soll, und hat kräftig, wie er zu sprechen
liebte, die Vermengung beider als eine totale Verkehrtheit bezeichnet.1) Aber Clemens hat
sicher an keine Verschiedenheit gedacht. Denn der Apollodor, den er an der dritten Stelle
p. 388 Pott. = 96, 3 Dind. erwähnt, war sicher der athenische, wird aber von jenem andern
durch kein Beiwort unterschieden. Daher trete ich lieber der Ansicht jener bei, welche
die Chronik des alten Apollodor, ähnlich wie dessen Buch jieqi fiecöv, in der Kaiserzeit
erweitert und in ein anderes Gefüge gebracht sein lassen. Wir leben eben bei Clemens in
der Zeit der Fälschungen, in der man teils alten Autoren ganz neue Werke unterschob,
teils, und dieses öfter, die alten Schriften derselben ummodelte und durch Interpolationen
bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Uebrigens macht es keinen grossen Unterschied, ob
wir neben dem alten Apollodor noch einen jüngeren Apollodor, oder neben der alten
metrischen Chronik des Apollodor noch eine jüngere Umarbeitung in Prosa annehmen.
Wichtiger ist die Frage, zu welcher Zeit jene Umarbeitung stattgefunden habe. Ed. Schwartz
im Artikel Apollodoros bei Wissowa I 3862 sucht nachzuweisen, dass dieselbe noch vor
Alexander Polyhistor um 100 v. Chr. erfolgt sei. Für unsere Clemensstellen trifft diese
Datierung nicht zu. Noch Dionysius in der Zeit des Augustus rechnete, wie wir oben
sahen, für die Zeit vor Trojas Fall nach Menschenaltern; an den beiden Stellen des Clemens
aber wird schon nach Jahren gerechnet. Das ist entscheidend; man wird auch noch
hinzufügen können, dass solche Albernheiten, wie dass Dionysos im 32. Jahr des Königs
Perseus unter die Götter versetzt worden sei, vor der Vergötterung der römischen Kaiser
und vor den seit jener Zeit in Schwung gekommenen Aufschneidereien der Grammatiker
und Mythographen undenkbar waren.
Thaten des Herakles und Theseus erzählt, sondern auch ausdrücklich I 5 in dieser Beschränkung dem
Apollodor zu folgen bekennt: t&v de %qöv<ov tovtcov Jisgieikrj/Aftevcov iv xavzi] tfj ngay/xatsla xovg fiiv rrgö
zcdv Tqwixöjv ov dioQt£6fteda ßeßaicog diä xo firjöiv jiaoäjirjyfia jiagetlrjcpevai Jisgi tovtcov ^iiorev6f/.£vov, u.-tö
ös tiov Toco'ixcov axokovftws 'AuoXIo&cÖqco rtw 'A&rjvaicp Tid'Sfj.Bv öyöorjxovT en] ngog Ttjv xci&odov xcov 'Hga-
xXeidcov, wonach man erwarten muss, dass Apollodor Ereignisse vor Trojas Fall gar nicht erwähnt, oder
doch wenigstens nicht mit bestimmten Zeitangaben ausgestattet habe.
l) Kl. Sehr. I 160: Apollodorus chronographus cum cognomine Atheniensi perperam confusus.
Ebenso III 527. Citate aus dem Chronographen Apollodor finden sich nicht bloss bei Clemens, sondern
auch bei Müller FHG I 438 ff., bei Eusebius und Synkellus fr. 67, 70, 71.
515
Vielleicht werden uns die beiden folgenden Kapitel noch etwas weiter führen; vor-
läufig sei nur noch bemerkt, dass uns die Gleichstellung des 32. Regierungsjahres des Perseus
mit dem Jahre 604 nach Moses auf einen sehr hohen Ansatz der Lebenszeit des Moses und
der ihm gleichgestellten Könige Amosis und Inachus führt. Denn nach Perseus zählte die
argivische Chronik noch 5 Könige bis zur Einnahme Trojas, Sthenelaus, Eurystheus, Atreus,
Thyestes, Agamemnon. Nehmen wir für diese das Durchschnittsalter von 331/3 Jahren an,
und beachten noch, dass Troja im 18. Regierungsjahr des Agamemnon gefallen sein soll,
so kommen wir für Moses = Inachus auf eine Zeit von 604 -+- 151 = 755 Jahren vor
Troja oder 1938 v. Chr.
Kastor und Thallus.
Die griechische Chronologie war von Apollodor auf Grundlage der Forschungen des
Eratosthenes zu einem gewissen Abschluss gebracht worden. Keine grosse Umgestaltuno-
brachte das Bekanntwerden der römischen Annalen. Denn die römischen Konsuln Hessen
sich ebenso leicht in das Gerüste der griechischen Zeitrechnung einfügen, wie ehedem die
Zeitangaben der verschiedenen Stämme Griechenlands nach Königen, Archonten, Ephoren
unter ein Dach gebracht worden waren. Die jüdische Chronik trat, wiewohl sie für die
ältere Zeit viel bessere Anhaltspunkte als die griechische bot, doch erst verhältnismässig
spät, nämlich erst, als das Judentum durch das daraus erwachsene Christentum zur allge-
meineren Bedeutung gelangt war, in den Kreis der chronologischen Studien der Griechen ein.
Schon zuvor war der Horizont der Griechen erweitert und die Perspektive auf eine ältere
Zeit eröffnet worden, durch die Hereinziehung der assyrischen Annalen. Die Nachrichten
des Ktesias (um 400 v. Chr.) über die alten Dynasten Mesopotamiens waren bei den zeit-
genössischen Griechen, die in ihrer Blütezeit, berauscht von dem Glänze ihrer eigenen
Schöpfungen, nur ein sehr geringes Interesse für jede Belehrung aus der Fremde zeigten,
auf keinen fruchtbaren Boden gefallen. Erst zur Zeit des Pompeius, als die griechisch-
römischen und orientalischen Staaten zu einem grossen Weltreich zusammen zu wachsen
begannen, hat der Rhodier Kastor in seiner Chronik die assyrischen Daten mit den griechischen
zusammengestellt, und den Grund zu einer allgemeinen Geschichte, vorerst in der Form
synchronistischer Zeittabellen gelegt. Der neubetretene Weg ward nicht gleich weiter verfolgt.
Der griechische Rhetor Dionysius von Halikamass in der Zeit des Kaisers Augustus hat
des Kastors Weltchronik einfach zur Seite geschoben und ist wieder zu den engen Grenzen
der verlässigen Chronik des Apollodor zurückgekehrt. Auch Diodor nennt in dem Abschnitt
von den assyrischen Königen II 1 — 28 den Kastor nicht, sondern bezeichnet ausdrück-
lich und wiederholt II 2, 5, 20, 21 den Knidier Ktesias als seine Quelle.1) Aber bald
nachher hat Thallus, der wahrscheinlich mit dem reichen Freigelassenen des Kaisers Tiberius
eine Person war,2) durch sein handliches Kompendium der Weltgeschichte in 3 Büchern,
!) Diodor weicht auch sachlich von Kastor ab : er nimmt 30 assyrische Könige an II 23, 28, Kastor
hingegen nach Eusebius 36. Ferner lässt Diodor II 28 die Assyrer 1300 (1360 nach II 21), Kastor bei
Eusebius I 55: 1280 Jahre lang regieren. Für Kastor als Quelle Wachsmuth Einl. 102 und 141.
2) Joseph, arch. XVIII 6, 4: ßdXXog Sa^aoevg yhog, Kaiaagog de äjieJ.ev&egos, wo aber nur von einem
grossen Darlehen des Thallos, nicht auch von einer schriftstellerischen Thätigkeit desselben gesprochen ist.
Leider ist die Stelle bei Eusebius chron. I 265 Seh., die genauere Aufklärung verspricht, 'Thali tribus
516
das auch auf die mythische Vorzeit und die jüdische Geschichte einging,1) dem System
des Kastor zur allgemeinen Geltung verholfen. Dasselbe wird schon von Theophilus ad
Autol. III 29 und Ps. Justin coh. ad Graec. 9 gerühmt und von Eusebius chron. I 265
ausdrücklich unter den benützten Quellen genannt. Vielleicht hat schon vor den christ-
lichen Schriftstellern Velleius, der im übrigen in dem einleitenden Abschnitt seiner Historien
über die alten Koloniengründungen dem Apollodor folgt,2) in der synchronistischen Neben-
einanderstellung der assyrischen, griechischen und makedonischen Geschichte I 6 den
Thallus benützt.3)
Doch kehren wir zu Clemens zurück, so muss vor allem konstatiert werden, dass der-
selbe nach dem überlieferten Text nirgends des Thallus Erwähnung thut. Das ist bei dem
grossen Ansehen, dessen sich Thallus bei den christlichen Schriftstellern erfreute, auffällig.
Notdürftig wird es dadurch erklärt, dass unserem Clemens die syrische Geschichte ferne
lag und dass es ihm wesentlich nur um das zeitliche Verhältnis der jüdischen Geschichte
zur griechischen zu thun war. Nach dieser Seite stand ihm sogar die assyrische Chronologie
im Wege, da wohl die verlässigen Nachrichten der Griechen nicht so hoch hinaufreichten
wie die jüdischen, aber die ältesten Könige der Assyrer sicher älter als Moses waren.
Aber wenn es auch nicht in dem Plane des Clemens lag, auf die Chroniken des
Kastor und Thallus besonders einzugehen, so fragt es sich nun doch, ob sich bei ihm keine
Anzeichen einer Kenntnis jener Chronisten finden. Darauf gibt die nächste bejahende
Antwort die Stelle ström. I 21, p. 379 Pott. = 85, 10 Dind.: ei de xd 'Aoovqlcov Jiolldlg
exeol jiQsoßvxEpa xcöv rElh]vix(bv d^' <bv Krrjoiag Mysi, <pavi]OExai x(j) öevxeqo) xal texga-
y.oax(p k'xei xfjg Aoovqiojv ägxfjg, xfjg de B)]Xovyov xov oyöoov SvvaoxEiag xt[i Öevxeqco xal
xQiaxooxw y Mcovosoog xaxd "A/xcdoiv xov Alyvnxiov xal xaxä "Ivayov xbv Agyeiov e£ Alyvjixov
libris, in quibus ab Ilio capto usque ad CLXVII (CCXVII corr. Gutscbmid) olympiadem collegit' schwer
verderbt. Vgl. Müller FHG III 517, Wachsniuth Einleit. S. 147, Geizer Julius Africanus II 96.
J) Die Fragmente bei Müller FHG III 517 — 9 und die Beziehungen des Thallus zu Kastor beweisen,
dass die Angabe des Eusebius, Thallus habe mit der Einnahme Ilions angefangen, falsch ist. Von Eusebius
selbst praep. ev. X 10, 8 oder vielmehr von dem dort ausgeschriebenen Africanus wird der syrische
Grundzug der Historien des Thallus angedeutet: ol zä JSvgia tazogovvzsg Käazcog xal OäkXog xal Atödcogo;
'Aleg~avdg6g zs 6 nol.viazu>g.
2) Nachgewiesen ist dieses von Sauppe in seiner berühmten Abhandlung über Velleius (= Ausgew.
Sehr. S. 48). Dafür spricht unter anderem auch dieses, dass Velleius I 7 (vgl. I 5) ganz im Einklang mit
der Lehre des Aristarch, des Lehrers des Apollodor (vgl. meine Gesch. d. griech. Litt.3 S. 89), den Hesiod
einige Menschenalter jünger als Homer sein lässt.
3) Velleius I 6: Insequenti tempore imperium Asiaticum ab Assyriis, qui id obtinuerant annis mille
septuaginta, translatum est ad Medos abhinc annos ferme octingentos septuaginta. Quippe Sardana-
pulum eorum regem mollitiis fluentem et nimium felicem malo suo tertio et tricesimo loco ab Nino et
Semiramide, qui Babylona condiderant, natum, ita ut semper successor regni paterni foret filius, Arbaces
(Pharnaces cod., em. Fabricius, an einen Fehler des Velleius selbst denkt Fr. Scholl, Rh. M. 53, 516)
Medus imperio vitaque privavit. Eusebius, der ausgesprochener Massen dem Thallus folgt, hat andere
Zahlen: XXXUI statt XXXIII und MCCLXXX statt MLXX. Sind daher die Zahlen bei Velleius nicht
verderbt, so kann kaum Thallus seine Quelle sein. Doch auch Orosius II 3 hat: Babylon post annos MCLX
(corr. MLXX) et propemodum quatuor postquam condita erat, a Medis et Arbaco, rege eorum, praefecto
autem suo, spoliata rebus et regno atque ipso rege privata est, wiewohl auch er den Thallus ausschrieb. —
Auch bei Tacitus finden sich Stellen, die auf eine synchronistische Chronik zurückzugehen scheinen, so
ann. VI 28: Ptolemaeus qui ex Macedonibus tertius regnavit (cf. ann. III 61) und hist. IV 83: Ptolemaeo
regi qui Macedonum primus Aegypti opes firmavit.
517
y.ivijoig. Der Autor beruft sich zwar auf den alten Ktesias, aber das ist nur gelehrter
Zierrat, der sich höchstens nur darauf beziehen kann, dass bereits bei Ktesias Beluchus als
der 8. König Assyriens angeführt war. Alles weitere, namentlich die Gleichstellung des
Moses-Inachus mit dem 32. Regierungsjahr des Beluchus stammt aus jungen chronologischen
Tabellen, die nicht vor Apion, dem Erfinder der Gleichung Moses-Inachus, gesetzt werden
können. Die Datierung nach Jahren assyrischer Könige weist auf Kastor oder Thällus,
aber nur letzterer kann in Betracht kommen, weil die Gleichung Moses-Inachus erst um
100 Jahre nach Kastor aufkam.
Einen anderen Fingerzeig zur Erkenntnis des Verhältnisses von Clemens zu Thallus
enthält die nachfolgende Stelle p. 85, 17 Dind.: xaiä /uh (Pogtovea xbv /uerä "Ivayov 6
im ""Qyvyov xaraxXvo/xbg xal fj iv Hixvcövi ßaoiXsia, tiqcotov fikv AiyiaXecog, elxa
EvocoTiog, elra Tekilvog. Die durchschossen gedruckten Worte finden sich noch nicht
bei Tatian, den hier Clemens ausschreibt, sie sind also erst nachträglich von Clemens in
den alten Text eingeschoben worden. Die Fremdartigkeit derselben zeigt sich auch darin,
dass hier 1 argivischen Könige nicht 1 sondern gleich 3 Könige Sikyons gleichgesetzt
werden. Es spielen aber die Könige Sikyons bei Tatian und dessen Gewährsmann, Dionysius,
noch keine Rolle, sie sind in der Chronologie zur Bedeutung erst gelangt durch Kastor
und Thallus. Wie wir nämlich aus Kastor selbst, dessen hieher gehörende Stellen von
Eusebius chron. I 173 und 177 angeführt sind, erfahren, stellte Kastor die sikyonischen
Könige vor die argivischen. Clemens nun glaubte bei der Bedeutung, die dadurch die
sikyonischen Könige erlangt hatten, dieselben nicht mehr einfach ignorieren zu können und
setzte daher dieselben in das alte, von Dionysius herrührende synchronistische Verzeichnis
der argivischen Könige ein, gab ihnen aber, da er an der Ueberlieferung des Akusilaus,
dass Phoroneus der erste Mensch gewesen sei, festhielt, eine Stelle nicht vor, sondern
neben Phoroneus.1)
Es lässt sich aber auch noch erraten, wie Kastor dazu kam, die sikyonischen Könige
vor die argivischen zu setzen. Mit den 20 argivischen Königen vor Trojas Fall konnte er,
da die Einnahme Trojas durch die Autorität des Eratosthenes auf 407 vor dem Beginn der
Olympiaden oder 1184/3 v. Chr. festgesetzt war, nicht leicht über 1850 v. Chr. hinauf-
kommen. Nun führten ihn aber die assyrischen Königsreihen, wie wir aus dem Kanon des
Eusebius sehen, auf 2015 + 42 = 2057 v. Chr.;2) um nun zugleich die Anfänge der
griechischen Geschichte den Anfängen der assyrischen gleichzustellen, musste er sich nach
einer ahuenreicheren griechischen Dynastie umsehen; die fand er in den 26 Königen der
sikyonischen Chronik. Er liess daher die ersten Könige Sikyons, Aigialeus, Europs, Teichin,
Apis, Thelxion, Aigydros vor Inachus leben und setzte das erste Regierungsjahr des Ninus
J) Nichts weiss ich zu sagen über die Quelle, wonach Ioannes Malalas IV, p. 146 ed. Migne die
Herrschaft der Sikyonier nach dem argivischen König Triopas setzt. Es liegen wohl hier verschiedene
Versuche vor, die Königslisten der Sikyonier in die argivisch-attische Chronik einzureihen.
2) Eusebius setzt nämlich, vermutlich nach Africanus, das 1. Jahr Abrahams dem 1. Jahr der
Thebäischen Dynastie Aegyptens und dem 43. Regierungsjahr des assyrischen Königs Ninus gleich, woraus
sich für den Beginn der Regierung des Ninus, da die Geburt Christi in das Jahr 2015 Abrahams fiel, das
Jahr 2015 -+- 42 = 2057 ergab. Die ungerade Zahl 43 gegenüber den glatten Zahlen 1 Abraham = 1 der
Thebäischen Dynastie, lässt mit Bestimmtheit erraten, dass Africanus bereits eine feste, von Aegypten
unabhängige Zeitbestimmung für den Anfang der assyrischen Herrschaft vorfand; das war aber klärlich
keine andere als die des Kastor und Thallus.
518
und des Aigialeus auf 1280 vor Ol. 1 oder 2057 v. Chr. Das ist alles nur Combination,
aber die Combination beruht auf so sicheren Prämissen, dass ich sie ganz apodiktisch hinstelle.
Clemens nun hat zwar die Tradition des Akusilaus und Plato (im Timäus p. 22 A), dass
Phoroneus der erste Mensch sei, nicht verlassen, aber doch, um die weitverbreiteten Sätze
des Thallus nicht rundweg zu ignorieren, an geeigneter Stelle angemerkt, dass die ersten
Könige Sikyons gleichzeitig mit dem ersten Menschen, Phoroneus, gewesen seien.1)
Noch in einem dritten Punkt zeigt sich bei Clemens der Einfluss des Kastor und Thallus.
Es folgt bei Eusebius chron. I, p. 173 und 177 unmittelbar nach dem Absatz des Kastor
über die sikyonischen und argivischen Könige ein Verzeichnis jener Könige mit Angabe
ihrer Regierungsjahre. Ob dieses Verzeichnis auch von Kastor herrühre, ist nicht ganz
sicher, zumal wir p. 183 am Schlüsse eines ähnlichen Absatzes über die Könige Athens
lesen: haec Castor; nos vero regum catalogum singillatim exponemus. Aber sicher gab
schon Kastor die Gesamtzahl der Jahre der einzelnen griechischen Königsgeschlechter an,
und verzeichnete sicher in der assyrischen Geschichte auch schon die Regierungsdauer der
einzelnen Könige. Wir sehen dieses aus Eusebius chron. I 55 und dürfen vermuten, dass
schon in den einheimischen Königslisten der Assyrier die Jahre angegeben waren. Standen
aber bei den assyrischen Königen die Jahre ihrer Regierungsdauer, so lag es für den, der
synchronistische Tafeln der griechischen und assyrischen Könige herstellen wollte, ausser-
ordentlich nahe, auch den neben die assyrischen Könige gesetzten sikyonischen, argivischen,
athenischen Königen eine entsprechende Regierungszeit beizulegen. In einer Zeit, wo man
die strengen Gesetze der Kritik verliess und der Dürftigkeit der Ueberlieferung mit der
Phantasie neuer Combinationen nachzuhelfen sich erlaubte, hielt dieses nicht schwer. Man
suchte Anfang und Ende der einzelnen Dynastien nach irgend welchen Indicien festzustellen
und verteilte dann auf das Gerathewohl, höchstens mit einigen schlauen Nebenrücksichten,
die Jahre der Zwischenzeit auf die in den alten Listen verzeichneten Könige. Das war
allerdings ein kolossaler Humbug, aber das war die Methode jener Halborientalen Kastor
und Thallus. Denn es wird doch niemand glauben, dass schon in den alten Chroniken
von Sikyon, Argos, Athen angegeben war, wie lange die mythischen Könige Inachus, Apis,
Cecrops, Pandion etc. regiert hatten. Auf solche Weise nun trat auch für die mythische
Vorzeit an die Stelle der alten, soliden Zeitangabe nach ysveai die unsinnige Angabe nach
Jahren. Zunächst geschah dieses bei den Königen; dann erkühnte man sich auch die
Ereignisse, welche nach der älteren Ueberlieferung, wie z. B. noch bei Dionysius, den
einzelnen Königen zur Seite gesetzt waren, wie die Sintflut unter Deukalion, die Ankunft
des Kadmus in Theben, die Gründung des Heiligtums in Eleusis, die Thaten des Perseus
und Dionysus auf bestimmte Jahre festzusetzen und dabei , . wenn zu einem König oder
einer Zeitepoche mehrere Ereignisse angemerkt waren, dieselben auf verschiedene Jahre zu
verteilen.2) Diesen Unsinn, der uns ausgebildet in Eusebius vorliegt, darf man nach dem
Gesagten auf das System des Kastor und Thallus zurückführen. Nun finden sich bei Clemens
neben den alten Angaben nach Lebensaltern auch schon Beispiele jener jüngeren Ansätze
nach Jahren, wie wenn Trojas Fall in das 18. Regierungsjahr des Agamemnon (p. 381 Pott.)
1) in ähnlicher Weise hat Apollodor bibl. II 1, 1 den ersten Sikyonierkönig Aigialeus in die argivische
Königsliste eingeschmuggelt, indem er den Phoroneus und Aigialeus zu Söhnen des Inachus machte.
2) Ueber einen Fall der letzteren Art s. Geizer, Africanus II 95.
519
und die Vergötterung des Dionysius in das 32. Regierungsjahr des Perseus gesetzt ist
(p. 382 Pott.). Darin also erblicke ich Anzeichen eines Einflusses, wenn nicht einer direkten
Benützung des syrischen Chronographen Thallus.
Schliesslich will ich nun doch auch noch eine Conjectur wagen und die Zeit des
Thallus näher zu bestimmen suchen. Die einzelnen Zusammenrechnungen bei Clemens gehen
auf verschiedene Zeiten herab; es drängt sich von selbst der Gedanke auf, in jenen End-
terminen Anzeichen der Lebenszeit der Urheber jener Gesamtberechnungen zu finden. Die
Angaben bis auf den Tod des Kaisers Commodus (p. 112, 24; 113, 13; 114, 1 und 6; 117, 7;
119, 17 Dind.) gehen natürlich auf Clemens selbst zurück; die Angaben bis auf den ägyp-
tischen König Ptolemäus IV und das 5. Jahr des syrischen Königs Demetrius (p. 114, 14
und 114, 20) rühren nach den Andeutungen des Clemens selbst von den alten jüdischen
Historikern Demetrius und Eupoleinus her; die Angaben bis zum Consulat des Domitius
und Asinius oder 40 v. Chr. (p. 114, 26), und die weitere bis zum 10. Jahr des Antoninus
oder 148 n. Chr. (p. 119, 15) haben wir oben S. 53 auf Alexander Polyhistor und Cassian
gedeutet. Die Berechnung bis Augustus oder bis zum Tode der Kleopatra und des Antonius
(p. 112, 19; 113, 25; 104, 7) geht auf einen Kardinalzeitpunkt herab und braucht deshalb
nicht auf einen bestimmten Autor bezogen zu werden, sie kann aber recht wohl die des
Dionysius von Halikarnass sein. Es bleiben noch zwei Berechnungen übrig, eine bis auf
den Kaiser Claudius (im xrjv fjyefxoviav Feg^avixov KXavöiov Katoagog p. 113, 12) und
eine bis zu den Wettspielen des Domitian (im xov äycöva ov e&rjxe Ao/uixiavög iv cPd>jU]])
oder 86 n. Chr.1) Eine der beiden wird vermutlich von dem gefeiertsten der heidnischen
Chronographen der Kaiserzeit, von unserem Thallus herrühren. War Thallus identisch mit
dem Freigelassenen des Kaisers Tiberius und hat an der Stelle des Eusebius chron. I 265
Gutschmid das verderbte cusque ad CLXVII' mit Recht in cusque ad CCXVII' gebessert,2)
so war es die Zeitrechnung bis auf den Kaiser Claudius, die wir auf Thallus zurückzuführen
wagen dürfen.
Daran sei nun eine Frage geknüpft: bei Clemens ström. I 21, p. 401 lesen wir: änb
de xov xaxaxXvo/.iov im xov "ldrjg ijujzorjojudv xal xr\v evgeaiv xov oiöijgov xa\ 'Idalovg
AaxxvXovg k'xrj ißdojurjxovxa xgca, ä>g (prjoiv ©gdovXXog. Von einem Chronographen Thrasyllos
weiss weder die griechische noch die lateinische Litteratur etwas. Ist nicht vielleicht
QodovXXog aus QdXXog verderbt? Der Humbug mythologischer Zahlenangaben, wie dass
von der Ueberschwemmung bis zu den Idäischen Daktylen 73, von dem Brand des Ida und
der damit verbundenen Erfindung des Eisens3) bis zum Raub des Ganymed 65 Jahre waren,
passt sicherlich auf den syrischen Schwindler Thallos besser als auf den Mathematiker und
Philologen Thrasyllos. Zur Annahme aber eines anderen obskuren Thrasyllos, der nach
Diogenes Laertius X 7, 9 über Demokrit geschrieben hatte, seine Zuflucht zu nehmen, wie
C. Müller FHG III 504 thut, ist ein reiner Verlegenheitsausweg. Darf man aber an unserer
x) Von Domitian neu eingesetzt und deshalb nach ihm benannt ist der agon Capitolinus, der jedes
5. Jahr wiederkehrte und zum erstenmal im Jahre 86 begangen wurde nach Sueton, Domit. 4 und
Censorinus 18.
2) Siehe oben S. 5152.
3) Vgl. Lucrez V 1241 tf. und V663, wo von dem Ursprung des Eisens aus den Bränden der
Waldberge und von den feurigen, vom Ida wahrnehmbaren Lichtbündeln die Rede ist, etwas was zwar
die Lehre des Epikur darstellt, aber auf ältere kosmogonische Darstellungen zurückgeht.
Abb.. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 69
520
Stelle OäUog für OgdovUog herstellen, so ist sicher der ganze Abschnitt p. 111, 5 Dind.
cxtiö de zov xaxaxXvojxov bis 111, 29 TQidy.ovxa öxrco auf Thallus zurückzuführen. Denn
dieser ganze Abschnitt hängt trotz des neuen Paragraphen der Ausgabe von Dindorf p. 111, 10
auf das engste zusammen und rührt von einem Autor her. Auch passt dazu ganz gut,
dass am Schluss von der Einnahme Trojas auf die römische Vorgeschichte Aeneas, Ascanius,
Lavinium übergegangen wird. Denn auch Thallus Vorgänger Kastor hatte nach Eusebius
chron. 1295 den Aeneas und die Latiner in die griechische Chronologie eingeführt.1)
Grundlagen der vorhistorischen Zeitangaben.
Dass Clemens in dem chronologischen Kapitel ström. I 21 verschiedenen Gewährs-
männern folgte, ersieht man schon aus den grossen Abweichungen in den Zeitangaben,
namentlich in denjenigen, welche sich auf die vorhistorische oder mythische Zeit beziehen.
Grosse Bedeutung wird man denselben nicht beilegen, da sie ja alle auf trügerischem Grunde
ruhen, so dass viele es nicht der Mühe wert halten werden, sich mit der Aufdeckung und
Erklärung derartiger Differenzen viel abzugeben. Aber wenn ans denselben auch kein
Gewinn für die wissenschaftliche Zeitmessung und zur zeitlichen Fixierung der Ereignisse
der alten Geschichte Griechenlands gewonnen werden kann, so haben sie doch für die
Geschichte der griechischen Chronologie, meinetwegen auch für die Geschichte der mensch-
lichen Verirrungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Ich habe mich daher viel
und lange mit der Entwirrung dieser Knoten abgegeben, glaube aber auch schliesslich einen
Faden gefunden zu haben, der uns aus diesem Labyrinth hinauszuführen verspricht. Zum
Verständniss der Sache wird es aber nötig sein, etwas weiter auszuholen.
Bei den Griechen begannen die chronologisch fixierbaren Daten eigentlich erst mit
der Gründung der Olympiaden oder 776 v. Chr. Von da an rückwärts wird der Boden
umsomehr unsicher, als auch die Schrift, durch die sich die Daten doch ungleich sicherer
als durch das blosse Gedächtnis der Menschen fixieren Hessen, vor den Olympiaden schwerlich
bei den Griechen in Gebrauch war.2) Gleichwohl erlaubten die Ueberlieferungen der alten
Geschlechter und die Listen der alten Könige, namentlich der von Athen, Lakedämon und
Argos noch etwas über den Beginn der Olympiaden hinauszugehen, zunächst bis zu Lykurg,
dann bis zur Kolonisation Ioniens ('Icoviag xxioig), des weitern bis zur Zurückkunft der
Herakliden {'Hgayleidcbv y.äfiodog), und schliesslich bis zu einem Ereignis, das selbst schon
nur halbhistorisch war, zur Einnahme von Troja (Tgoiag äXoooig). So weit zurück ging
!) Nicht erlaubt ist es, auch den vorausgehenden Abschnitt p. 110, 24 Dind. ävco&ev bis 111, 5 ysvsai
dem Thallus zuzuweisen, da die Anführung des Thrasyllos oder Thallos p. 111, 7 dafür spricht, dass erst
hier das Eigentum des Thallus beginnt und zuvor eine andere Quelle ausgeschrieben ist.
2) Es haben daher die Juden und christlichen Apologeten zur Stütze ihrer Lehre von der Priorität
der jüdischen Weisheit immer einen grossen Wert darauf gelegt, dass die Griechen später als die Juden
und Aegypter die Schrift zu gebrauchen begannen ; nur haben sie sich dabei verkehrter Weise an die
Person des mythischen Kadmus gehalten; s. Tatian ad Graec. c. 39: Kädpos yäg 6 za ozoiyiXa xoig jxgo-
eigrj/.ievotg jzagadovg iiezix nollag ysveas zfjg Boicoziag kniß»]. Clemens ström. I 21, p. 382 Pott.: Kad/xog fisv
6 Ss/xilrig izaziig ejzI Avyxscog elg Qr/ßag sg%exai xal rä>v 'ElXipnxwv svgexijg yivszai. Eupolemos bei Clem.
ström. I 23, p. 413: EvJiö?.£f,iog öi iv zw jzegl zwv iv zfj 'Iovdcu'a ßaoüJcov zov Mcovarjv cprjoi xgcöxov aocpov
yevEO&at xai yoafifmza jzqöjzov zoXg 'Iovdai'oig jzagaSovvat, xal jzaga '[ovdaicov <Potriy.ag naga/.aßslv, "EXlrjvag
de Ttaga <Potvix(ov.
521
der grosse Begründer der griechischen Chronologie Eratosthenes, indem er die Einnahme
Trojas auf 407 vor Ol. 1 oder 1183 v. Chr. festsetzte.1) Die letzten der genannten Daten
waren schon schwankend und unsicher, da sie sich gewiss nicht mehr auf bestimmte, in
Jahreszahlen ausgeprägte Ueberlieferungen, sondern nur auf unbestimmte Angaben von
Geschlechtern und Königsreihen stützten. Auch fehlte es in der Pestsetzung jener Epochen
nicht ganz an Schwankungen, wie uns z. B. bezüglich des verschiedenen Ansatzes von
Trojas Fall der Abschnitt des Clemens ström. I 21, 139, p. 403 Pott, zeigt; aber die
Schwankungen waren doch nicht bedeutend, so dass die Autorität des grossen Eratosthenes
bald überall durchdrang und seine Ansätze der Einnahme Trojas auf 1183 v. Chr., der
Rückkehr der Herakliden auf 1103, der jonischen Wanderung nach Kleinasien auf 1044 als
feststehende historische Daten galten.
Höher als bei den Griechen gingen bei andern Völkern die sicher fixierbaren Daten
hinauf. Die Chronologie der Assyrer und Aegypter lasse ich beiseite, teils weil ich mich
in diesen zu wenig auskenne, teils weil dieselben bei Clemens nur wenig ins Spiel kommen.
Wer die Chronik des Africanus und Eusebius erläutern will, der wird nicht umhin können,
auch die Assyrer und Aegypter hereinzuziehen; hingegen wird die Untersuchung über
Clemens keinen wesentlichen Eintrag erleiden, wenn man von der Geschichte jener Völker
absieht. Aber auch die Geschichte der Juden ging weiter als die der Griechen hinauf;
darin hatten die alexandrinischen Juden und christlichen Apologeten recht, so sehr sie auch
dieses höhere Alter zum Anspruch grösseren Wissens und tieferer Weisheit missbrauchten.
Dass die Juden mit den fixierbaren Daten weiter hinaufzugehen vermochten, das verdankten
sie den Zeitangaben ihrer heiligen Schriften. Zwar sind auch diese für die ältesten Zeiten
unzuverlässig und zum grossen Teil nur in Menschenaltern ausgesprochen, aber von Abraham
an, sicher von Moses und dem Auszug aus Aegypten (Exodus) an verdienen sie volles Ver-
trauen, wenn auch die runde Zahl 40 für die Regierungsjahre des Salomo einiges Miss-
trauen erwecken kann. An Divergenzen zwischen dem hebräischen Text und dem griechischen
Text der Septuaginta sowie an Anzeichen kleiner Lücken in den Angaben fehlt es freilich
nicht ganz, aber diese verrücken nicht die Hauptlinien. Mit grösserer Sicherheit als man
bei den Griechen auf Trojas Fall oder 1183 v. Chr. hinaufging, konnte man bei den Juden
auf den Exodus oder ungefähr 1600 v. Chr. hinaufgehen. Also ein Mehr von 400 Jahren
hatte immerhin die jüdische Chronologie vor der griechischen voraus.
Besonnene Forscher der Griechen, wie Eratosthenes und Apollodor, blieben in der
griechischen Geschichte bei dem Falle Trojas als äusserstem datierbaren Punkt stehen.
Als aber Syrer und Juden in den Kreis der griechischen Schriftsteller eindrangen und mit
der Erweiterung des römischen Reiches und des geistigen Horizontes auch die Neigung zur
Vergleichung griechischer Geschichte und Litteratur mit fremdländischer wuchs, da schaute
man sich nach Wegen um, auf denen man auch die griechische Geschichte in ein höheres
Alter zurückverfolgen könne. Gut wollte das nicht gehen, da eben sichere Zeugnisse fehlten
und insbesondere keine Angaben nach Jahren für die Zeit vor dem troischen Krieg vorlagen.
l) Darüber enthält den Hauptaufschluss Clemens ström. I 21, 138, p. 402 Pott. Nur einige wenige
wagten sich schon in der guten alten Zeit noch weiter vor. wenn auch nur in unbestimmter Zeitangabe,
wie wenn Pindar P. IV 10 den Argonautenzug 17 yevsai vor Gründung von Kyrene oder 1 ysvsä vor
Trojas Fall um 1200 v. Chr. setzt, worüber die Prolegomena meiner grossen Pindarausgabe p. CXXI
handeln. Hi> auf Cecrops oder 1315 v. Chr. geht die parische Marmortafel hinauf.
69*
522
Machte man gleichwohl den Versuch, so waren widerstreitende Meinungen nicht zu ver-
meiden.1) Ueber einiges zwar einigte man sich, wie dass Herakles und die Argonauten ein
Menschenalter, Amphion und Kadmus zwei vor den Troika anzusetzen seien; aber je weiter
es hinaufging, desto mehr drohten die Ansätze auseinander zu gehen. Am meisten Zwiespalt
gab es beim Anfang der griechischen Geschichte oder bei Inachus, wofür man auch Moses
sagen kann, da man beide, wie wir oben sahen, gleichzeitig setzte. Da die meisten Zeug-
nisse auf Moses lauten, so stelle ich ihn und die verschiedenen Ansätze seiner Zeit voran,
indem ich der Uebersichtlichkeit willen die alten Ansätze in Jahre v. Chr. umrechne.
Moses also wird gesetzt:
1739 v. Chr. von Eupolemus bei Clemens ström. I 21, p. 404 Pott.; s. Gutschmid
Kl. Sehr. IL 192.
1736 v. Chr. von Manetho; s. Gutschmid Kl. Sehr. II 194.
1796 v. Chr. von Africanus; s. Gutschmid Kl. Sehr. II 194.
1678 v. Chr. von Josephus nach den Berechnungen Gutschmids Kl. Sehr. II 193.
1685 v. Chi-, von Josephus nach der Angabe des Clemens ström. I 21, p. 409 Pott.
1666 v. Chr. nach Cassian bei Clemens ström. I 21, p. 401 Pott.
1600 v. Chr. nach den Einzelangaben der Bibel, s. Gutschmid Kl. Sehr. II 193.
1583 v. Chr. nach Tatian ad Graec. 39 und Clemens ström. I 21, p. 379 Pott.
1550 v. Chr. nach Eusebius in der Chronik.
ca. 1850 v. Chr. oder 20 yeveal vor den Troika, von Clemens ström. I 21, p. 379 Pott.
2083—2183 v. Chr. oder 900—1000 vor den Troika, von Theophilus ad Autol. III
21 und 29. 2)
Wie sind nun diese und ähnliche Differenzen zu erklären? Denn irgend ein Grund
muss doch für jede Angabe gesucht werden müssen, ganz ins Blaue hinein wird niemand
seine Angabe gemacht haben.
') Vergl. Eusebius chron. I 174: magna discordia est inter vetei-es, qui ionicae historiae concinna-
bant chron ographias. Die Verschiedenheit der alten Ansätze ist auch der Grund, dass man nachträglich,
um die Unterschiede wieder auszugleichen, zwei Cecrops und zwei Sintfluten annahm.
2) Ich füge in den Noten dazu die Divergenzen bezüglich der Zeit des Cecrops:
1581 v. Chr. im Marmor Parium
1556 v. Chr. nach Eusebius in der Chronik
1855 (nach Verbesserung 1555) bei Clemens ström. I 21, p. 402 P. an einer schwer verderbten Stelle,
die aber richtig emendiert, nur eine kleine Abweichung ergibt. Es heisst nämlich im Text: etat ök o?
a.TÖ KixQonog fisv im' 'A?J^av8gov xov Maxedöva avväyovoiv ihr) yjlia öxxaxöoia ei'xoot 6xxd>, ano öe Arj/xo-
rpoiviog xüua öiaxöoia jievztjxovxa, xai am) Tgoiag aXwoea>g im xrjv 'Hoaxleidä>v xä&odov ext] exazov el'xooiv
1} exaxöv oydotjxovxa. Nach der scharfsinnigen Vermutung Gutschmids aber ist der Text durch Umstellung
von Zahlen verderbt und ist zu schreiben: and Kexgonog fisv im 'Aleg'avdgov töv MaxeSöva ovvdyovoir ext)
yikia diaxöoia nevxrjxovxa, oltzo de Arj/no<pwvtog öxxaxöoia xeooagäxovxa öxxw, xai ano Tgoiag tV.dboemg sjil
xrjv 'Hgoxleidojv xd&odov hrj sxaxov ei'xoot rj [ixaxov] oydorjxovxa. Wenn die Differenz bei Cecrops so viel
kleiner als bei Inachus ist, so hat dieses in drei Umständen seinen Grund: erstens, dass das Zeitalter
des Cecrops schon von den alten Atthidenschreibern und dem Verfasser der Marmorchronik festgelegt
worden war, zweitens dass durch die Annahme von zwei Cecrops eine ältere grössere Differenz ausge-
glichen wurde, drittens dass in Berechnung der Zeit des Cecrops noch nicht wie bei Inachus und Danaus
ausländische synchronistische Daten herangezogen wurden.
523
Bei der höchsten Angabe, der des Theophilus ad Autol. III 21 slvai xbv Mcoofjv xal
rovg avv avTco ivaxoolovg i) xal yiX'iovg berechtigt schon die Form der Angabe zur Ver-
mutung, dass der fromme Mann mit runden Zahlen um sich geworfen hat; mit ihr brauchen
wir uns also nicht weiter abzugeben.
Die Zahlen des Josephus sind aus der Bibel, durch Zusammenrechnung der einzelnen
Posten, genommen; sie gelten nur für Moses und haben, da Josephus die Gleichung Moses-
Inachus nicht kannte oder doch desavouierte, mit der griechischen Geschichte nichts zu
thun.1) Ebenso ist von der Bibel ausgegangen und stimmt so genau wie man nur bei
Zeitangaben der alten Zeit erwarten darf, mit Josephus der Ansatz des Chronologen (Cassian)
bei Clemens ström. I 21, p. 401 Pott. Denn der Satz yivezai t) egodog xaxa "Ivayov tzqö xrjg
—co&iaxfjg Tieoiödov ifeXßövxog an1 'AlyvJixov Mcovoeojg exeoi tiqoxeqov xgiaxooiotg xsooagä-
xovra e führt, wie wir oben S. 54 dargelegt haben, auf 1321 -\- 345 = 1666 v. Chr.
Damit haben wir von den 11 Angaben 5 erledigt. Wie steht es nun mit den übrigen
6 Angaben, welche Voraussetzungen liegen ihnen zugrund? Um darauf zu antworten,
müssen wir auf die Mittel eingehen, welche die Chronologen der römischen Kaiserzeit zur
Erweiterung ihrer alten Tabellen anwendeten.
Ich beginne mit dem neuen, erst in der römischen Kaiserzeit angewandten Mittel;
das lag in der durch Apion erkannten und durch Justus von Tiberias weiter verbreiteten
Gleichzeitigkeit des argivischen Königs Inachus, des jüdischen Führers Moses und des
ägyptischen Königs Amosis. Teilte man diesen Standpunkt, so war, wenn die Zeit eines
dieser Drei gefunden war, auch die der beiden andern mitgefunden. Die Zeit des Inachus
lag im Dunkeln; von ihr wird man also so leicht nicht ausgegangen sein. Besser lag die
Sache für Moses sowohl wie für Amosis; man konnte den Amosis nach ägyptischen Tabellen,
und man konnte den Moses nach jüdischen Quellen bestimmen. Im ersteren Fall kam man
auf 1721 — 1697, in welchen Jahren nach dem Kanon des Eusebius Amosis regierte, genauer
auf 1754/3, in welches Jahr nach den Berechnungen Ungers, Chronologie des Manetho
S. 166, der Auszug der Juden hätte gesetzt werden sollen. Im zweiten Fall kam man
auf beiläufig 1600, zu welcher Zeit die Juden nach den Zeitangaben ihrer heiligen Bücher
ausgezogen waren. Die bibelfesten Christen, Tatian, Clemens, Eusebius, gingen von Moses
und dem alten Testament aus und setzten demnach auch den Inachus oder den Anfang der
griechischen Geschichte (1600—1183) 417, oder mit Abrundung (1583—1183) 400 Jahre
vor Trojas Fall. Africanus hatte grösseren Respekt vor dem Alter der ägyptischen Königs-
listen; er ging daher im Anschluss an die alten Geschichtsschreiber Manetho und Eupolemus
von Amosis aus, musste sich dann aber starke, von Eusebius mit Recht getadelte Inter-
polationen in den jüdischen Zeitangaben erlauben.
Damit erledigen sich weiter von den Angaben der Zeit Moses die drei ersten und die
achte und neunte, welche letzteren mit den Angaben 4. — 7. zusammengehen.
Das andere Hilfsmittel der griechischen Chronologen war ein althergebrachtes, die
Berechnung der Zeit aus den Menschenaltern der eigenen Geschichte; neu war nur der
Glaube an die Verlässigkeit der alten Königslisten und die Umsetzung der Menschenalter
!) Josephus hat sich überhaupt um die griechische Geschichte, namentlich die ältere sehr wenig
gekümmert; sonst hätte er nicht in der Streitschrift gegen Apion I 16 sagen können, die Argiver hielten
den Danaus für den ältesten ihres Volkes: y.aizoi xovxov unyaiöxaxov 'ÄQystoi voixi^ovaiv. Denn dass hier
aij/raornm; eigentlicher Superlativ ist. bemerkt richtig Gn\ cl mid, Kl. Sehr. IV 400.
524
in Jahre nach dem Massstab von 3 Menschenaltern oder 3 aufeinander folgenden Königen
auf 100 Jahre. Eine Mittelstufe dieses Verfahrens war die Nebeneinandersetzung von
Menschenaltern und Jahren, wie wir dieses bei Clemens ström. I 21, p. 379 Pott, finden:
elg de röv %qovov tü)v Tqcoixcöv and *Ivd%ov yeveal fxev el'xooiv f] juiä nXsiovg öiagidjuovvTai,
frrj de (bs enog elneTv rergaxooia xal ngöooj, und bei Diodor II 28: i) jiiev ovv fjyefiovta
xöiv 'Aoovgimv and Nivov dtajueivaoa rgidxovxa tuev yevedg, err] de nleioi rmv yiXicov xal
Tgiaxooloov. Bestimmte man nun die Jahreszahl nach Menschenaltern und zwar nach dem
Durchschnittssatz von 1 yeved = — - — hrj, so erhielt man für die Zeit des Inachus, je
o
nachdem man 21 oder nach der gewöhnlichen Ueberlieferung 20 Könige bis Agamemnon
annahm, 700 oder 6662/3 Jahre vor Troja oder 1883 oder 1850 Jahre v. Chr. Die zweite
dieser Jahreszahlen hat Eusebius fast ganz genau wiedergegeben, wenn er von Inachus bis
Troja 675 Jahre rechnet; dieselbe haben auch wir oben unter Nr. 10 angenommen, indem
wir Moses-Inachus 20 X — ö — Jahre vor Trojas Fall oder 1850 v. Chr. leben Hessen.
o
Diese in Jahre umgesetzte Zeitberechnung nach Menschenaltern lässt sich auch noch
in einigen anderen Zeitansätzen der altgriechischen Geschichte bei christlichen Schriftstellern
wiederfinden, wenn man nur keine strikte Genauigkeit in den überlieferten Zahlangaben
fordert. Die Grundlage oder der Ansatz 1 yeved zu 331/3 Jahren war ja selbst so ungenau
— denn wie oft wird es vorgekommen sein, dass eine Regierung gerade 33x/3 Jahre
dauerte? — dass sich die Chronologen förmlich eingeladen fühlten, in ihren Tabellen teils
runde Zahlen zu gebrauchen, teils, um das Schematische zu vertuschen, dem einen König
mehr, dem andern weniger als 33 Jahre zuzuteilen. Geht man also von der Forderung
einer genauen Entsprechung ab und begnügt sich mit einer ungefähren Uebereinstimmung,
so lassen sich vielleicht noch zwei andere Ansätze aus der Berechnung nach Menschen-
altern ableiten.
Theophilus ad Autol. III 21 lässt den Danaus 313 Jahre nach dem Exodus der Juden
nach Argos kommen. Danaus war der 10. argivische König; es gingen ihm also 9 Könige
voraus; das macht nach der üblichen Durchschnittsrechnung 300 Jahre. Es ist also möglich,
dass der Ansatz des Theophilus auf einer Berechnung nach Menschenaltern beruht. Wenn
ich mich unbestimmt ausdrücke, so hat das seinen Grund darin, dass einesteils Eusebius in
dem Kanon zu 544 Abr. und Josephus gegen Apion I 16 und 26 den Danaus erheblich
jünger, nämlich der erstere 384 nach Inachus, der letztere 393 nach Moses setzen, und
dass andernteils nach Josephus c. Ap. I 26 Manetho die Zeit des Danaus unabhängig von
seiner Stellung in der argivischen Königsliste, direkt durch Annahme eines weiteren Syn-
chronismus bestimmt zu haben scheint. Es verglich nämlich Manetho nach Josephus die
griechische Mythe von dem Streit des Danaus und seiner 50 Töchter mit Aigyptos und
seinen 50 Söhnen mit der ägyptischen Ueberlieferung von dem Streit zweier Könige Zeftojv-
AXyvnxog und "Egfxaiog-Aavadg, x) so dass, zumal sich noch bei Eusebius Spuren dieser syn-
chronistischen Annahme finden, auch Theophilus die Zeit des Danaus nicht nach Menschen-
altern, sondern nach jenem Synchronismus berechnet zu haben scheint.
Clemens ström. I 21, p. 381 Pott, lässt den Moses 604 Jahre vor dem 32. Regierungs-
jahr des Perseus leben, setzt also den Beginn der Regierung des Perseus 572 nach Moses-
J) Vgl. Gutschinid, Kl. Sehr. IV 457 f.
525
Inachus. Das sieht schon an und für sich ganz so aus, als ob Clemens ein Verzeichnis
der altgriechischen Könige mit Angabe ihrer Regieruugszeit nach Weise der Tabellen des
Thallus vor sich gehabt habe. Aber auch in der That kommt die Berechnung der Zeit
des Perseus nach Menschenaltern ziemlich auf den Ansatz des Clemens hinaus. Denn Perseus
war der 15. argivische König, so dass er nach der gewöhnlichen Durchschnittsrechnung
an 500 Jahre nach Moses-Inachus lebte. Das ist etwas weniger als in der obigen Stelle
Clemens annimmt; aber der Unterschied gleicht sich aus, wenn wir annehmen, dass die
Chronologen die Regierungsjahre der älteren Könige höher als die der späteren anschlugen.
In der That aber liess auch Kastor bei Eusebius chron. I 177 die ersten 9 argivischen
Könige bis Sthenelus 382 statt 300 Jahre, die ersten 14 bis Akrisius 544 statt 466 Jahre
herrschen. Jedenfalls führen die Ansätze des Danaus und Perseus bei Theophilus und
Clemens auf einen weit grösseren Zwischenraum zwischen Moses-Inachus und Trojas Fall
als wir ihn bei Tatian fanden. Demselben System gehören aber nun fast alle Zeitangaben
vor Trojas Fall bei Eusebius an, wie wenn derselbe Niobe (unter Phoroneus) 226 Abr.
= 1789 v. Chr., Atlas (unter Phorbas) 431 Abr. = 1584 v. Chr., die Sintflut unter
Deukalion 477 Abr. = 1538 v. Chr., Io (unter Triopas) 498 Abr. = 1517 v. Chr., Kadmus
(unter Lynkeus) 587 Abr. = 1428 v. Chr. setzt. Es hat sich also neben der durch ägyp-
tische und jüdische Synchronismen beeinflussten Zeitrechnung eine national -griechische
erhalten, die sich wesentlich an diejenigen Anhaltspunkte hielt, welche in den alten Königs-
listen der Argiver und Athener und in den seit Alters zu den einzelnen Königen als
gleichzeitig angemerkten mythologischen Daten geboten waren. Vertreten war diese
Richtung durch Ps. Apollodor, der eben noch nicht unter dem Einfluss der neuen, durch
Apion und Justus von Tiberias verbreiteten Theorie griechisch-jüdisch-ägyptischer Syn-
chron istik stund.
Fassen wir zum Schluss noch die Hauptresultate der vielverzweigten Untersuchung
zusammen, so hat sich für die Quellen der chronologischen Angaben des Clemens und die
Methode der alten Chronologie überhaupt Folgendes ergeben. Clemens benützte in der
Chronologie zunächst seine christlichen Vorgänger, den Tatian, dessen einschlägiges Buch
uns noch zur Kontrolle erhalten ist, und den Cassian, der in seinen Exegetika bei der
Erklärung von Bibelstellen auch chronologische Fragen erörtert hatte. Mit dem Apologeten
Theophilus stimmt vielfach Clemens überein, aber, wie es scheint, nur in Folge der
Benützung der gleichen Quellen, namentlich des Justus von Tiberias und des Chryseros,
ohne dass eine direkte Entlehnung stattgefunden hätte. Die grossen christlichen Chrono-
graphen Julius Africanus und Eusebius lebten erst nach Clemens, so dass sie nicht als
Quellen des Clemens in Betracht kommen können, sondern umgekehrt Clemens dem Eusebius
als Quelle diente. Von den heidnischen Autoren hat sich Clemens nicht die Mühe genommen
die grossen historischen Werke zu lesen, auch den Begründer der Chronologie Eratosthenes
hat er nur durch andere kennen gelernt. Von den chronologischen Kompendien hat er
nach seinem eigenen Zeugnis die Xoövot des Dionysius von Halikarnass zur Hand gehabt.
so dass sich aus ihm noch mehrere Abschnitte jenes Büchleins rekonstruieren lassen. Auf
Apollodor bezieht er sich mehrmals, doch hatte er nicht mehr den echten Apollodor in
Versen vor sich, sondern eine prosaische Ueberarbeitung, die durch zahlreiche Interpolationen
den ursprünglichen Charakter des Buches stark alteriert hatte. Für die orientalische
Geschichte und die synchronistische Chronik scheint er den Hauptgewährsmann der christ-
526
liehen Chronographen, den Syrer Thallus benützt zu haben, dessen Name ich durch
Conjectur in den Text des Clemens zurückzuführen suchte. An der Hand unseres Clemens
und durch Analyse seiner Quellen sind wir noch imstande, die allmähliche Entwicklung
der alten Chronologie zu erforschen und die Wege zu verfolgen, durch die auch die
Fabeln der Heroen- und Götterzeit in die Geschichte hereingezogen und chronologisch
zuerst nach Menschenaltern, dann auch nach Jahren und selbst nach Tagen, mirabile dictu,
fixiert wurden.
Inhalt.
Seite
Einleitung 457
I. Die Stellung des Clemens zu Wissen und Bildung 458—468
II. Dichtercitate bei Clemens Alexandrinus 468 — 493
III. Chronologisches bei Clemens Alexandrinus 494 — 526
527
Verzeichnis
der behandelten Stellen und Sachen.
Aeschylus Prom. 44 S. 469; untergeschobene Verse
S. 485, 489.
Africanus, Ansatz des Moses S. 523.
Alexander Polyhistor S. 508.
Alkaios, Dichter und Grammatiker S. 473.
Amenotes, ägyptischer Dichter S. 490.
Anakreontea S. 474.
Andokides S. 476.
Antisthenes S. 477.
Apion S. 497, 523.
Apollodor negi fcwv S. 481 f.; Chronik S. 503, 509,
510, 512 ff.
Aretades S. 473 f.
Aristobul, jüdischer Peripatetiker S. 464, 475.
Aristoxenus S. 491.
Artapanos S. 464.
Bibelübersetzung unter Ptolemäus Philadelphus
S. 465; ältere zur Zeit der Persika S. 465.
Cassian, Quelle des Clemens S. 504 ff.
Chrestomathien S. 468, 469.
Chronologisches bei Clemens Alexandrinus S. 494 ff.
Chryseros, Annalist S. 496.
Chrysippus, ob Verfasser eines Florilegiums S. 480 f.
Clemens Alexandrinus, Stellung zu Wissen und
Bildung S. 458 ff. ; Lehrer S. 468 ; symbolische Er-
klärungsweise S. 465 f.; Bekämpfung der Sophi-
stik S. 466; verwandt mit Athenäus S. 467;
Dichtercitate bei Clemens S. 468 ff. ; Aussprüche
über Götter S. 476 ff. ; gefälschte Verse S. 484 ff. ;
schöpft aus Tatian S. 497 ff.; protr. p. 6 f.:
S. 476 ff.; protr. p. 59: S. 480; ström. I 21:
S. 494 ff.; V 14: S. 476 f.; VI 2: S. 470 ff.
Danaus, dem ägyptischen Hermaios gleichgesetzt
S. 524.
Demosthene8 de cor. 208: S. 472.
Didymus, Scholien zu Sophokles S. 487.
Dio Chrysostomus or. XI: S. 466.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d.Wiss. XXI. Bd. III. Abtb.
Diodor, ob Kastor Quelle S. 515.
Dionysius Halic. Xgövoi S. 509 ff.
Ephorus, von den 75 Sprachen der Erde S. 466.
Eratosthenes, Vater der Chronologie S. 496, 521.
Euhemerus S. 511.
Eupolemus, jüdischer Historiker S. 460, 507.
Euripides, Verhältnis zu Plato S. 476: Med. 618
S. 471; Phrixus S. 487.
Gefälschte Verse bei Clemens S. 484 ff.
Hekatäus, gefälschte Schriften S. 485 f., 492.
Heraklit und die Bibel S. 461; untergeschobene
Sprüche S. 4903.
Herodot, citiert von Clemens S. 470.
Hippobotos, Quelle des Clemens S. 491.
Hiram, König von Phönizien S. 501 f.
Homer, wann gelebt S. 499 f.; mit ägyptischer Ge-
schichte in Verbindung gesetzt S. 502 ; IL 1 4, 206 :
S. 466; Od. 11, 410: S. 489; gefälschte Verse
S. 489.
Inachus, Zeitgenosse des Moses S. 497 f., 505, 522.
Jophon, als Komiker irrtümlich citiert S. 470.
Josephus, Zeitrechnung S. 523.
Isokrates S. 476.
Juba, ob von Clemens benützt S. 503.
Jüdische Zeitrechnung S. 521.
Justin, über das Verhältnis griechischer Weisheit
zur jüdischen S. 461; de mon. S. 478 f., 484 f.
Justus aus Tiberias S. 505 f.
Kastor, Chronograph S. 515 ff.
Kekrops Zeit S. 522.
Ktesias, Historiker S. 515.
Linus mit Kallimachus verwechselt S. 465.
Longin de subl. S. 461, 472.
Lysimachus, Grammatiker S. 473.
Lykurg, Lebenszeit S. 503 f.
Manetho S. 522, 524.
Menelaus in Phönizien S. 501 f.
70
528
Moses, Verhältnis zu den Griechen S. 461 ff. ; Zeit
des Moses S. 494, 497 f., 505 f., 522 f.; Moses von
Griechen unterrichtet S. 464; Moses mit Musaios
identificiert S. 464.
Musaeus, untergeschobene Verse S. 474.
Musonius, Quelle des Clemens S. 460.
Orpheus, untergeschobene Verse S. 474, 484 f., 486,
489; Lebenszeit S. 501.
Philo findet in Aussprüchen der Bibel den Quell
griechischer Weisheit S. 461, 462.
Philosophische Dichter S. 469.
Pindar N. VIII 40 : S. 469 ; untergeschobene Verse
S. 490; Plagiate S. 470, 472 f.
Plato in Aegypten S. 464; Verhältnis zu Euripides
S. 476; Theaet. 176 A: S. 462; Phaed. 69 C:
S. 463; Symp. 218 B: S. 487.
Polernons Historien S. 505, 606.
Porphyrios S. 472 f.
Ptolemaios, Verfasser einer ägyptischen Chronik
S. 497 f.
Pythagoras in Aegypten S. 464 f.; untergeschobene
Verse S. 490.
Schrift, Zeit ihrer Erfindung S. 460 f., 520.
Sikyons Könige S. 517.
Sophokles, Verhältnis zu Euripides und Herodot
S. 475; Ant. 911 f.: S. 475; Ai. 665: S. 475;
untergeschobene Verse S. 485.
Sothis-Periode S. 508.
Synchronistische Kombinationen S. 502, 505, 524.
Tacitus benützte eine Chronik S. 516.
Tatian über das Verhältnis der griechischen Weis-
heit zur jüdischen S. 461; Quelle des Clemens
S. 497 ff.
Terpander fr. 1: S. 491. I
Thallus, Chronograph S. 515 ff.; Lebenszeit S. 519.
Theophilus ad Autol. S. 480, 525.
Thrasyllus, ob Chronograph S. 499, 519 f.
Trojas Einnahme, Anfang der Zeitrechnung S. 520 f.
Velleius benützte den Thallus S. 516.
Ungedruckte und ungenügend veröffentlichte
Texte der Notitiae episcopatuum,
ein Beitrag"
zur byzantinischen Kirchen- und Verwaltungsgeschichte
von
Heinrich Geizer.
Abh. d. I. Cl. d. k Ak. d. Wisa. XXI. Bd. III. Abth. 71
I. Der vollständige Text der Ekthesis des hl. Epiphanios.
Im Herbst 1899 besuchte ich die Bibliotheken von Konstantinopel (Metochion des
hl. Grabes), Halki (theologische Schule = Hagia Triada und Handelsschule = Panagia),
Smyrna (evangelische Schule) und Athen (Nationalbibliothek) hauptsächlich zu dem Zwecke,
die dortigen Handschriften von Notitiae episcopatuum zu kollationieren und unveröffentlichte
Texte zu kopieren.
Bekanntlich sind die Notitiaetexte zum grossen Teile jung, die des Orients noch viel
jünger, als die des Occidentes. Während hier Handschriften des X. und XL Jahrhunderts
nicht gerade Seltenheiten sind, die Mehrzahl aber dem XV. und XVI. Jahrhundert angehört,
haben wir dort verschwindend wenige ältere Handschriften; auch die aus dem XVI. Jahr-
hundert sind nicht sehr zahlreich; die meisten gehören dem XVII. und XVIII. Jahrhundert
an. Dennoch dürfen diese späten Machwerke nicht als wertlos bei Seite gelegt werden.
Man muss bedenken, dass eben die Epoche von 1450 — 1750 den Tiefstand des byzantinischen
Griechentums bezeichnet. Während der Westen durch die Buchdruckerkunst mächtige
Fortschritte auf wissenschaftlichem Gebiete machte, blieben im Osten vielfach die alten
Zustände massgebend. Der Wissensdurst nach Gedrucktem beschränkte sich in der Regel
auf Erbauungsliteratur und Kirchenbücher, wofür den Bedarf hauptsächlich Venedig deckte.
Daneben haben sich, wie in der alten Zeit, wo die edle Buchdruckerkunst noch nicht
erfunden war, die Kleriker und Gelehrten mit Handschriften beholfen. Namentlich für die
Handhabung der geistlichen Civilgerichtsbarkeit bediente man sich nach, wie vor, der hand-
schriftlich überlieferten kanonistischen Lehrbücher. Während der Westen, vorab Frankreich,
die alten Handschriften des Orients massenhaft zusammenkaufte, und so eine immer grössere
Handschriftenarmut im Osten herstellte, hat dieser selbst den Rest seiner ihm gebliebenen
Schätze durch fleissigen Gebrauch ruiniert. Gelehrte und eifrige Prälaten, wie Dositheos
und Chrysanthos von Jerusalem, Hessen daher vielfach alte, in üblen Zustande befindliche
Handschriften kopieren. So haben wir im Metochion des hl. Grabes und sonst eine beträcht-
liche Anzahl von Handschriften, die als ganz jung auf den ersten Blick wenig Wert zu
besitzen scheinen, sich aber bei näherer Betrachtung als Kopien hochalter Manuskripte
erweisen, und so von wesentlicher Bedeutung für die Wissenschaft sind.
Ein sprechender Beweis dafür ist der hochwichtige Codex Nr. 522 (ol. 473) des
Metochions des hl. Grabes von Jerusalem zu Konstantinopel. Er ist unter Patriarch
71*
532
Nektarios von Jerusalem (1661 — 1669), genauer 1663, von dem jerusalemitischen Hiero-
monachen Germanos geschrieben worden. Er besteht aus 216 unpaginierten Blättern1) und
hat folgenden Inhalt
1. fol. 1 ""KmoToXr] Icodvvov legoooXv/iixov ngoc xbv ßaoiXea xcovoxavxivov xbv naga-
ßdxtjv (!) :
2. fol. 17 aQ%r] ovv -&cb äyico' negl xi]C xd^scoc xcbv xe ätjtcojudxcov xal öcpcpixicov ; dazu
allerlei, teils erbauliche, teils thörichte Anhänge. Ein noXo^govio/xog ist wichtig, weil er
uns über die Abfassungszeit Aufschluss gewährt: noXv%gcoviov nottjoai xo 6 -&ebc xbv fiaxa-
gicbxaxov xal navaytcbxaxov fjfxcbv av&evxrjv xal deonöxrjv nga fjficbv xal ngidgyjjv xfjc äyiac
nSXeoc lh]ju xal ndoi]C naXaioxivrjC, ovgiac, ägaßiac negav xov logödvov, xavd xf\c yaXiXaiac
xal äyiac oicbv, xvgiov vexxdgiov eig noXXd hxxrj (!) diaxigiosi 6 &ebc xö ev&eov vxpoc xfjc
deo7igoßXi']xov avxov ägxisgcooivrjc :
3. fol. 103: ägyr\ ovv #ö> äyico' ovyygafi/ua ysvöjuevov nagä velXov juova%ov xov öo£a
naxgov xaxd x&evoiv xov evyeveoxdxov grjybc oixeXiac goyegiov Jiegl xcbv nsvxe ngiagyixcbv
■dgovcov. Der Text hat mehrfach Stücke, welche in der von Leo Allatius nach dem Manuskript
von Joannina gefertigten Ausgabe fehlen.
4. fol. 129v: xov xgio/uaxaguoxdxov Xißegiov ndnna QdbfxrjC smoxoXrj ngoc xbv fieo-
cpdeoxaxov äftaväoiov äg%ienioxonov äXe^avögeiac öxi xeXeiov ävov aveXaßev 6 debc Xoyoc und
fol. 130T xov iv äyioic ngoc fj/,icbv ä&avaoiov ndnna äXe^avdgeiac ävxiygacpov b e'ygayjev
Xißsglü) ndnna gd)jui]C öxi xeXeiov ävov ävÜMßev 6 $c Xöyoc vneg xfjc ij^iExigac ogiac.
5. fol. 132r: IJhgov ävxto%£iac ngoc xbv ßevexiac.
6. fol. 133r: ägtfi xb xaxxixbv xfjg ivogiac xcbv fjigonöXeoov xal imoxoncbv xfjc äyiac
nöXeajc 'IsgovoaXf/ju.
7. fol. 139: Täijig ysvojUEvrj inl xfjg tpfjcpov xcbv äg%i£gecov.
8. fol. 146 : Kanoneserklärungen und frommes Gerede.
9. fol. 152: zdg'ic xcbv vnoxeijusvcov jugonöXecov xco änooxoXixw xal ngiagyixco dgovco
xfjc deocpvXdxxov xal ßaoiX/]dog xcovoxavxivovnöXecoc. avxt] fj xd^ic ix ovvobixfjc diaoxexpecoc
xb äxgißkc EiXfjcpei, xa&cbc ofj/uegov ev xco legqJ yagxocpvXaxicp ävayeyganxai (= Not. II Parti). )
10. fol. 165T: 'Emcpaviov äg%i£nioxonov xvngov sxdeoic ngcoxoxXvjoi&v ngiagycbv xe
xal figonoXecov (= Nort. VII Parth.)
11. fol. 176v: xd^ic ngoxadsögiac xcbv 6oiojxdxo)v ngiagycbv (= Not. I Parth.)
:) Die Arbeit in den orientalischen Handschriftensammlungen wird dadurch sehr erschwert, dass
nicht einmal die primitivsten Erleichterungen dem Leser gewährt werden. Wie soll man künftige Be-
nutzer bei Miscellenhandschriften darauf hinweisen, wo die einzelnen Traktate zu finden sind, wenn
nicht einmal die Blätter einzeln durchnumeriert sind? Papadopulos Kerameus hat einen Katalog der
Handschriften der evangelischen Schule in Smyrna und einen (unvollständigen) des Metochions vom
hl. Grabe angefertigt, die Sakkelions den der Athener Nationalbibliothek. Die Verfasser geben gewissen-
haft an, wie viel Blätter jeder Codex enthält; die Handschriften selbst durchzunumerieren und sie so
der Benutzung zugänglich zu machen, ist ihnen nicht eingefallen. Ein früherer Bibliothekar hat das
für den alten Bestand der Athener Bibliothek allerdings und zwar höchst sorgfältig besorgt; die massen-
haft aus den thessalischen Klöstern neu hinzugekommenen Bücher sind jetzt nach 20 Jahren noch sämt-
lich unpaginiert!
533
fol. 183r: unten findet sich die wichtige Notiz: xavxac xdc xgeic ix&eae.tc. 6c evgov
ovxoc eotjuicooa, ex nalaiov dvxiygdcpov xal ndvv moxoixdxov. xeXoc xal xw #<y d6£a.
12. fol. 183T: Anhang über die Massregeln Leos des Isauriers.
13. fol. 184r: Not. I v. 520—1064 Parth.
14. fol. 194r: Excerpte aus Constantinus Porphyrog. de Caerimon.
15. fol. 195v: Verzeichnis der Patriarchen von Antiochieu.
16. fol. 197r: ixxXt]oiaoxixbv dvxioyeiac xaxxixbv ovv &co.
Subscription in geistlicher Schnörkelschrift:
1663
•4- regjiiavöc lego/uövayoc eic xä legooöXvjua.
17. fol. 202r: Verzeichnisse der Patriarchen von Rom, Alexandrien und Jerusalem.
18. fol. 204r: Hierokles' ovvexdrj/uoc.
19. fol. 215v: Das Verzeichnis der grössten Flüsse und Gebirge,
fol. 216r: mit sehr roher Hand:
X
ev xiü /uixgio jU7]vv/unxi
6 fjaxagicoxaxoc xal navayitbxaxog rj/ucov avßevxrjc xai deonoxric xvgrj xal jzgidgyj]C xfjc äyiac
7i6?.£OC IkrjfA. xal 7idor]C 7xaXaioxr'jVf]C xvgioc xvgioc ygvoavdoc löcov oov xr\v ayicoovvrjv d^iav
ovoav Tigbc xb Tioi/uaiveiv xrjv äyioyxdxrjv fj.i]xg6jioXiv jixoXejuatöoc xal ngoooxd^eiv (!) fjfxäg
fiijvvoai avxrjv xal .. (ein unleserliches Wort ixvfiaoßfjvai?)
Unter den vielen wertvollen Stücken dieser Sammelhandschrift verdienen die Nummern
9 — 11 eine besondere Beachtung, weil der Schreiber Germanos ausdrücklich anmerkt (was
auch aus ihrem Inhalt erhellt), dass sie aus einem hochalten und zuverlässigen Codex abge-
schrieben seien.
Hier ist vor allem die zehnte Nummer zu beachten fol. 165 v — 176r: 'Emcpaviov
agyiETiioxonov KvTigov ex&eoig 7iga)xoxh]oiä>v naxgiagycöv xal fx^xgoJiöXeoiv (1. jur/xgojioXuxöJv).
Dieses hochwichtige Aktenstück, bekanntlich die älteste aller vorhandenen Notitiae
episcopatuum des Patriarchats Konstantinopel ist bisher nur aus einer Handschrift bekannt,
dem berühmten Codex der Leipziger Katsbibliothek Kep. I n. 17 (X. oder Anf. des XL S.
fol. 264), welcher das Werk des Kaisers Konstantinos Porphyrogennetos über die Ceri-
raonien des byzantinischen Hofes bietet. Derselbe enthält unsere Notitia fol. 260v — fol. 262v.
Leider ist die Handschrift unvollständig. Da im Beginn der Eparchie Lydien nach xbv
avgt/uov7c6Äea)o ein Blatt ausgerissen ist, fehlt der Rest dieser Provinz, ebenso die drei
bithynischen Provinzen, Pamphylien, Armenia II, Helenopontos, Armenia I, Kappodokia II,
Paphlagonien, Honorias, Pontos Polemoniakos, Galatia II, Lykien, Karien, Phrygia Pacca-
tiana, die Metropolis und die zwei ersten Suffragane von Phrygia Salutaris. Diese sehr
empfindliche Lücke wird durch unsere Handschrift ergänzt, sodass wir nun zum ersten
Male den vollständigen Text dieser historisch so wertvollen Urkunde besitzen. Ich lasse
nun zunächst den Text nach den beiden Handschriften folgen. A ist die Leipziger, B die
Jerusalemer Handschrift.
534
'Enicpaviov ägyisnioxonov Kvngov Ex&Eoig ngaxoxXrjoiwv nargiagyöjv te
xai jur]TQ07io?urä)v.
'O naigidgyi]g cPa')jU7]s 2
6 nargidgyj]g KoovozavTivovjioXECog 3
6 naxgidgyj]g 'AX^favdgEiag 4
6 naxgidgyt]g 'Aviioysiag 5
6 najgidgyj]g 'IsgoooXv fMüv 6
KXfjoig jufjrgojioXircöv 7
a Enagyiag Kannaöoxiag
ß 'Enagyiag 'Aoiag
y 'Enagyiag Evgtibnrjg
'Enagyiag FaXariag
'Enagyiag 'EXJ^rjonövxov
Enagyiag Avdiag
'Enagyiag Bi&vrlag
Enagyiag rfjg avxfjg
# 'Enagyiag rfjg aiizfjg
i 'Enagyiag IJafJKpvXiag
ta Enagyiag Agiisviag ß
iß 'Enagyiag EXEVonövTov
i.y 'Enagyiag 'Agiuviag a
tö Enagyiag Kannaöoxiag ß
iE Enagyiag EfacpXayoviag
ig 'Enagyiag 'Ovoygiddog
it, 'Enagyiag JIovxov
trj Enagyiag EaXaxiag ß
t& Enagyiag Avxiag
x 'Enagyiag Kagiag
xa Enagyiag <Pgvyiag
6 Kaioagsiag
6 Ecpeoov
6 'HgaxXsiag
6 'Ayxvgag
6 Kvt.ix.ov
6 2dgÖECov
6 Nixoin]d£iag
6 Nixaiag
6 XaXxrjöcbvog
6 2idi]g
6 ZeßaoTEiag
6 'Ajuaoiag
6 MeXvtVjvfjg
ö Tvdvcov
6 rayygcov
6 KXavdiovnuXsojg
6 NsoxaioagEiag
6 IIlOlVOVVTÜiV
6 Mvgcov
6 ^ZravgovnoXsaig
6 Aaodixiag
xß 'Enagyiag <Pgvyiag ZaXovxagiag 6 2vvdö(OV
xy 'Enagyiag Avxaoviag
xd Enagyiag Eüoiöiag
xe 'Enagyiag IlafKpvXiag
xg 'Enagyiag Kannaöoxiag ß
xt, 'Enagyiag Aa£ixfjg
xi] Enagyiag €)gäx}]g
6 xov 'Ixoriov
6 'Avxtoysiag
6 riigyqg
6 Mü)xi]oov
6 xov <frdotöog
6 (PtXmnovnöXiEOjg
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
1 exüeotjc A 1 fiQOTiölecov B 2 für die Patriarchen hat B Nummern a ß y ö e 8 A hat a nach
6 Kaia. 10 B + xai agxumoxönwv airoxstpälmv 11 yalarlac OgaS A 12 efoonövTOV AB 14 ßvdrjriac B
16 zaXxidmroc A xalxidüvoc B 18 ß «< B 18 aeßaarlac B 20 pehttvijc A /iE?.szivrjc B 21 ß << B
21 Tvavwv A 22 nacplaywviac A natKpkaywviaC B 23 ovogiädoc A cbrogiäöoc B 24 vsoxaioagiac B
25 ß «=^ B 25 moivovv A Miatvovvxcov B jiiotvovvrog die Ausgg. 27 xagvac A B ravgov-iökeajc A 28 <Pg.
xajiJiaziavr\c B 30 elxoovlov A Ixövtov B 31 jiiaijdiac AB 32 jisgyt]C i)xi (= ijrot) avXaiov B
33 ß << B 34 Xabixfjc B
535
x& 'Enagyiag Evgconijg
6 TgaiavovnoXsojg
36
X Enagyiag vr/ocov KvxXddcov
6 'Poöov
37
Xa Enagyiag äIjui/uovtov
6 'AögiavovnöXEOog
38
Xß 'Enagyiag rfjg avxfjg
6 MagxiavovnoXECog
39
Xy 'Enagyiag <Pgvyias Kanaxiavfjg
6 'IsganoXscog
40
liegt xöiv avToycEtpaXcov
ägyiEmoxonoov
41
a Enagyiag Mvolag
6 'Oövoov
42
ß 'Enagyiag 2xvdiag
6 Tofifjg
43
y Enagyiag Evgojnrjg
6 Bi^vtjg
44
d Enagyiag üarpXayoviag
6 IIo/inifiovnöXECog
45
e Enagyiag 'Aoiag
6 £/uvgv}]g
46
g Enagyiag 'Ioavgiag
6 AEOVTonöXscüg
47
f Enagyiag 'Poöonijg
6 Magayviag
48
i] Enagyiag Bi&vviag
6 'Anajuiag
49
■& Enagyiag 'Poöonrjg
6 Ma^ifuavovnoXEOig
50
i Enagyiag EaXaiiag ß
6 tcov rsgjuiwv
51
1a 'Enagyiag Evgd)m]g
6 'AgxadiovnoXswg
52
iß 'Enagyiag Qgdxrjg
6 BEgajvfjg
53
ly 'Enagyiag vrjoov Aioßov
6 31avXijvrjg
54
id Enagyiag 'EXXijonövTOV
6 Ilagiov
55
iE Enagyiag Kagiag
6 MiXr\xov
56
ig 'Enagyiag Ogdxrjg
6 NixonöXEOig
57
i£ 'Enagyiag N)joov
6 Tlgoixovrjoov
58
irj 'Enagyiag Podonrjg
6 'AyyidXov
59
i& 'Enagyiag Evga'>mjg
6 Zi]Xvßgiag
60
x Enagyiag vrjoov Aioßov
6 Msdvjurqg
61
xa 'Enagyiag Bi&vviag
6 Kiov
62
xß 'Enagyiag EvgdJni'jg
6 'Angcov
63
y.y Enagyiag 'Podon^g
6 Kv uxpdXoJv
64
xd 'Enagyiag Zi]yiag
6 Xsgoüjvog
65
xe 'Enagyiag xfjg avrrjg
6 Boonogov
66
xg Enagyiag t/)s amfjg
6 Ntxöi/'EOjg
67
x£ 'Enagyiag 'Ioavgiag
6 KoTgädaJv
68
xy] 'Enagyiag 'EXEvonovxov
ö Evyaixojv
69
xi) 'Enagyiag rtjoojv KvxXädan1
6 Kagnd&ov
70
36 ff. in B haben die Städte (nicht die Provinzen) die Plätze gewechselt : 6 oödov, 6 ävdgtavov
tiö/.scüC 6 inaiavov7iö).£ü)C 37 öooöov A 38 k(ir)(xovzov A Aifir/ijovjov B 40 xajiatiavrjc] naxta B
42 wdvoov A 45 xa(p"/.ayo)viaC A xaftrp/.aycovtac B ^co/xjii'ov.-tölswc A jzofj.ztov7iöhc B 48 QwdonrjC A
nodwutjc B 48 fiaooriac B 50 QO)b6ni)c A 51 ß «=i B 53 ßtQmvtjc B 54 fiizvX A (der Platz der
Columne reichte nicht weiter) fU]zvXtfvf]C B 55 iha.-tovtov A B f 5 xageiov B 56 xagvac A /LieXr/rov A
58 ^goixovioov A ngoxovr)oov B 59 goibönr\C A ayiakov A 60 avXvßgiaC A 61 fir/övfivrjC B 64 xv-
ipä/.0)v B 64 ocodojiTjC A 66 rijg avxijs] ^>//JaC A 68 vozgäöov B 69 eu-yaüwv A sviyahcvv B
70 vi/octi A
536
X Enagyiag 'Podöjrrjg
)m Enagyiag EvgojJirjg
Xß Enagyiag Al/uifiovTov
Xy Enagyiag 'Agjueviag ß
Xd Enagyiag 'Aßaoyiag
IJsgl inioxonoov insyojuevojv
Enagyia Kannaboxiag a,
MrjXQOTioXig Kaioageiag
syst vn amrjv nöXeig ijjoi inioxondg
s, oiov
tov tcöv BaoiXixcöv fieg/ucöv
tov Nvorjg
tov GeodooiovnöXsojg 'Ag/xertag
tov KajuovXtavwv
tov Kixioov
Enagyia Aoiag,
MrjTQonoXig 'Ecpeaov
k'yei TioXeig vn avxr)v tjtoi inioxondg
Xg, oiov
TOV 'YtIEJZCÜV
tov TgdXdEOJV
tov Mayvrjoiag Maidvögov
tov 'EXaiag
tov AdgajuvTiov
tov 'Aooov
tov Eagydgojv
tov MaaravQOiv
tov KaXörjg
tov BgiovXcov
tov nmdvrjg
tov Mvgivrjg
tov <Pa>xiag
röv AvgrjXiovnoXecog
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
6 Al'vov 71
6 Agit,y]7idgoiv 72
6 Meoi]/ußgiag 73
6 'HgaxXeiovnöXeojg 74
6 2eßaoT07i6Xecog 75
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
TOV
Nvoorjg
Maoxaxcojuecov
MrjTgoJioXiTcbv
Baghcov
Mayvrjatag xai AvrjXiov
'AvivdtCDV
IJegyd^ov
ngu'jXrjg
AgxadiovjioXeayg
Aveag avXfjg
Aiög legov
Avyd£a)v
Zicbv
tov KoXocpü)vijg
tov Asßeöov
tov Tiov
tov 'Egv&go~)v
tov 'ExXv^ofxevivmv
tov AvTavdgov
tov 0eodooiov7i6Xea)g üegnegivrjg
tov Kvjurjg
tov UaXaiovjiöXEOjg
'Enagyia Evgojnrjg Ogdxtjg'
Mr] TgöjtoXig eHg axXeiag
eyei vti1 avTYjv nöXeig 7]toi inioxondg
e, oiov
tov tov riaviov
tov KaXXunöXeojg
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
71 QwSojtrjC B 72 dgidrjjzdgcov A 73 ^irjixovzov A aifir]pi6vzov B 74 ß «=ü B rjgaxXeovn. B 77 jzsgi
<< B ijrsQx. B iizag A stets, B bald ejiugyia, bald enagxiag 77 a] 6 xixioov A 77 xeooaglac A 77 ijzoi]
<7'o
xaza A owiox, A smoxojieTa B. Es ist sizioxonag zu lesen, was B abwechselnd mit imoxo.-rtTa in den
folgenden Eporchien hat. 78. 81. 82 zov] x&v A und öfter 78 Vge/tahv B 80 'Agfisviag -< B 82 xrjx,]-
oov A xioxVoov B 83 imoxojzeTa B 85 zgakhov A 86 fiedrSgov A 87 iMac A 88 dzgaßvzeiov B
89 aooov B 90 yagßdgcov B 91 /naoravgov A 92 xakot]g A xakwtjc B 94 nr)zzdvrjC A 95 fivggiv>)C B
99 fiaoXaxwfiVg B 1(10 ^zgoTiöksmc B 103. 102 B avtjvdzcov A B 105 ngo^c A 107 avkr,c A
B hat folgende Ordnung: 108. 107. 110. 109. 112. 111. 114. 113. 116. 115 110 al6v B 111 xokocpcoxfjcB
* in r corr. 115 ixXv£opevbcov B 117 ff. B hat zov xvfitjc zov dtodooiovjzvXewc f ' c ' ' " f zov naZatov-
jiöZscoC f "«"■(■ 122 KaZutöZeooc A
537
xöv XeoQOvrjoov
xöv KvXag
xöv 'Paideoxov
Enagyla EaXaxlag [&gaxi]g] ■
2Ii]xgÖ7ioXig Ayxvgag
eyei TiöXeig vti avx?)v rjxoi ijiioxojiäg
£, olov
xöv Taßlag
xöv 'HXioviioXeüig
xöv Aonovrjg
xöv B}]oivov7i6Xeoig
xöv Mvritov
xöv Klvijg
xöv AvaoxaoiovjzöXecog
Enagyla EXX.rjoTiövxov
Mt]xoÖ7ioXig Kv^ixov
syst jroXeig vti1 avxrjv rjxoi Inioxonäg
iß, olov
xöv regjuijg
xöv Ü7]juav}]vov
xöv "Dxrjg
xöv JSaoaßdgeoog
xöv Adgiavov ßrjgcöv
xöv Aajuyidxov
xöv Aßvdov
xöv Aagdävov
xöv ,IXlov
xöv Tgcoudog
xöv Uicovcag
xöv MeXuxovjzöXEoyg
Eti agyia Avdiag'
MtjxgojioXig 2'ägdsojv
e'yet vii1 avxi]v TtöX.etg ijxoi enioxonäg
y.g, olov
xöv <PiXade?i(plag
123
124
125
126
127
128
129
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
144
145
146
147
148
xöv TgiTzöXscog 149
xöv Ovaxslgcov 150
xöv ZzxxCbv 151
xöv AvgrjXiov7i6Xecog 152
xöv TgmoXecog 153
xöv Eögdrjg 154
xöv TgäXXrjg 155
xöv ZaXoiv 156
xöv ZiXdvdov 157
xöv Maiovlag 158
xöv AnöXXcovog legov 159
xöv 'Ygxavidog 160
xöv Movoxlvrjg 161
xöv Axgaoov 162
xöv AnoXXüividöog 163
xöv AxxaXt'iag 164
xöv Bayrjg 165
xöv BXdvdov 166
xöv MeooxvjuöXov 167
xöv 'Iegoxatoageiag 168
xöv AaXdrjg 169
xöv Kegaoioiv 170
xöv Zcgaxovixelag 171
xöv EaßdXojv 172
xöv ZaxxdXoiv 173
xöv Eg/uovxa7ii]?,slag 174
Enagyla Bidvviag- 175
Mt]xgÖ7ioXig Nixo/uijöelag
eyei vii1 avxrjv TiöXeig {rjxoi irnoxonäg)
rj, olov
xöv FFgovoijg rjxoi OeoviroXecog 176
xöv BaoiXivovjiöXeojg 177
xöv ngaivhov 178
xöv AnoXXojviddog 1 79
xöv AaoxvXiov 180
123 zsowvtjoov A 124 ■=: B 126 öodsoxov B 126 dgdxrjC AB C ] iß B x6v yegß^c, röv nr^iavrivov , xov ä>xt]C,
xov oaoaßdguojc, xov dvdgtdvov&rigwv, xöv Xafltpdxov, xov aßvdov, xov oagddvov, xöv tjXIov, xov ftsXixovJid/lewC,
xöv movtac. Die Suffragane von Ankyra fehlen. 130 ßi)gvvov7tö\ea)C A 134 xvt,vxov B £<?' kavxr)v B olov
~=C B dann fährt er fort: 6 jioifir/vivov, 6 wxtjC, 6 ßdgewc, 6 dSgiavov dygcöv, 6 Xapxpäxov, 6 aßvdov, xöv
daoddvov, 6 i'diov, xöv xgoidöog, 6 mcoviae, xöv ftehxovjxöXgojg, 6 xov dyiov xoqvtiXiov 143 YjXlov A 144 xgod-
Soc A 147 rjxoi Li. «=; B 148 rpdadikcpt A darauf folgt ein undeutlicher Buchstabe, an dem herumkorrigiert
worden ist und ein Loch im Pergament. $iXad£Xq>tv steht nicht da. 150 övaxrjgwv A B 151 oexwv A
of.TK«)' B 152 avgdiovjtdkecoc A B A schliesst mit ainihov7tö).ewc fol. 261 v; fol. 262r beginnt mit xöv
vaxwXeiac. Ein Blatt ist ausgerissen. 164 dxakeiacB 174 igii. B 175 fjx. in. -==; B 177 ßaodeiov-
nöXsoyc B 180 itaoxvXlov B
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth.
72
538
xbv EdXXov 181
xbv Neoy.aiaageiag 182
xbv KojXaolag ijxoi A6(poiv 183
'Enagyia xrjg avxrjg' 184
Mrj xgonoXig Ni xatag
e%ei vii1 avxrjv JioXsig ijxoi EJiioxojiäg
xgsig olov
xbv Modgivrjg ijxoi MeXixov 185
xbv Aivcbrjg 186
xbv roQdooegßcov 187
'Ejiagyia xrjg avxrjg' 188
MrjxgonoXig KaXyrjdovog.
'Enagyia Ho
\fXCpV
Xiag'
189
MijxgÖTioXig 2iöijg
e%ei vii1 avxrjv jioXstg
ijxoi
emoxonäg
ig, olov
xbv SsXyijg
190
xbv 'Aojxevdov
191
xbv (Ex)xevrjg
192
xbv 'Ogv/uvrjg
193
xbv Kdocov
194
xbv 2e/uv£cov
195
xbv KagaXioiv
196
xbv xov Kagaxiolov
197
{XOV 2vEÖQ0iV
198
xbv MvXojjU7]g ijxoi'IovoxiviavovjioXeaog) 199
xbv Ouajudvdgojv
200
xbv AaXiodvdov
201
xbv "loßcov
202
xbv Avgßrjg
203
xbv KoXvßgdoaov
204
xbv Mavavycov
205
Enagyia Agjuevlag B'
MrjxgonoXig 2sßaoxiag
eyei vti1 avxijv noXeig ijxoi imoxoTidg
e, olov
xbv JSeßaoxovTzoXecog
206
207
xbv NixoJtöXECog
xbv ZaxxdXoiv
xbv KoXcovEiag
xbv Brjgioorjg
Enagyia EXevojiovxoV
MrjxgÖTioXig 'Ajuaoiag
eyei vti1 avxijv noXsig ijxoi {imoxoTidg)
g, (olov)
xbv Ajuivoov
xbv 2ivd)7iYjg
xbv 'IßÖQOJV
xbv "Avbgdnoiv
xbv ZaXiyoiv ijxoi AsovxoTioXeojg
xbv ZrjXaiv
'Enagyia Ag/ueviag'
MrjxgonoXig MeXixrjvfjg
eyei vti1 avxijv {noXeig ijxoi) intoxondg
e , olov
xbv 'Agxrjg
xbv Kovxovoov
xbv Agaßiooov
xbv Agiagddrjg
xbv Kojudvcov
'Enagyia Kannaöoxiag B'
MrjxgonoXig Tvdvcov
eyei vn1 avxrjv noXeig ijxoi smoxondg y,
olov
xbv Kvßioxgwv
xbv (PavoxivovnoXeojg
xbv 2aoifxoiv
'Enagyia IlacpXayoviag'
MijxgonoXig rayygöiv
eyei ßjt' avxijv noXeig ijxoi emoxonag d,
olov
xbv 'A/ndoxgidog
xbv 'IovvovnöXeaig
xbv Aadvßgcov
xbv Zwgcöv
208
209
210
211
212
213
214
215
216
217
218
219
220
221
222
223
224
225
226
227
228
229
230
231
232
233
188 ßrjXQonoXswc B 189 prjTQoaöXewc B 192 revtjc H 198. 199 «=ü B; allein die Summe i? zeigt,
dass sie hieher gehören 204 xolvdgäoaov B 212 figojiöhcoC a/iaoiac z%ei vqj' iavzrjv nöXic £ ijxoi od/ia-
oiac 6 apivoov 6 oiv<Ö7xr]C 6 ißÖQWv u. s. f. 217 t,aki(av B 219 /ueXextvfjg e^fa vrp lavxijv imoxonäs ? olov
(lE).exivfj 6 aQxrjg 6 xovxovaov 6 ägaßiaaov u. s. f. 229 Jiafitplaycoviac B wie stets ; ich halte die Schreibart
von A fest
539
'Ejiagyla 'Ovcogiddog'
MrjrgöfioXig KXavdtovjioXecog
(syei vii1 avTTjv TtöXeig ijroi emoxojiäg e,
olov
röv 'HgaxXelag Uovrov
röv ügovoiddog
röv Tiov
röv Koareiag
röv AdgiavovjiöXsojg)
'Enagyla Uovrov üoXe/icoviaxov
{Mrjr oojioXig Nsoxaioagelag)
l'yei vii1 avr>]v nöXetg ijroc inioxonag b,
olov
röv TgajieCovvrojv
röv Kegaoovvrcov
röv tov IloXe/ucoviov
röv Kojudvcov
'Enagyia TaXariag B'
Mi] roÖTioXig II i oivovvrcov
e'yei vtC avrt]v noXeig fjroi emoxojiäg £,
olov
röv tov 'Afioogiov
röv KXavaov
röv Evdog~idöog
röv üqravioov
röv Tgwxvddwv
röv reo/xoxoXwvEiag
röv FlaXiag
'Enagyia Avxlag'
MfjTQonoXig Mvqojv
k'yei vri1 avrijv noXeig fjroi imoxojidg
Xg, olov
röv Maoravgoiv
röv TeXju7]oov
röv 'HXufivgcüv
röv Agdg~r]g
röv 'Anoi?.X(ov
234
235
236
237
238
239
v- 240
241
242
243
244
245
246
247
248
249
250
251
252
253
254
255
256
257
258
TOV
röv
röv
röv
röv
röv
TOV
röv
TOV
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
röv
TOV
röv
röv
röv
röv
röv
'AjiodaXeiag 259
'Ogvxavdcöv 260
TdrXoov 261
Aqvecov 262
2idvju.a)v 263
ZijvcovovjioXecog 264
'OXvßjiov 265
TXcov 266
KoQvddXoov 267
Kdvov 268
Axgaooov 269
Edv&ov 27 '0
Boßov (jjroi) SocpiavoviioXecog 271
Magxtavfjg 272
Oivovvdcov 273
XüjfiaTog 274
<PeXX(ov 275
'AvTKpeXXov 276
^>aot]Xeiddog 211
'PodianöXecog 278
AxaXiooov 279
Aeßi]oov 280
Axavdgcöv 281
UaXaioiröiv 282
Evöoxiddog ijToi'IovonvovjiöXscog 283
Ko/uvcov 284
üardgcov 285
BaXßovgcov 286
Nijoo)v 287
Kvavicov 288
M^Xü)vito~)v 289
'Enagyla Kaglag' 290
MtjrgoTioXig 2,rav govnoXeaig
syst vri1 amrjv JioXeig fjroi imoxonäg
xrj , olov
röv Kißvgag 291
röv 2i£cov 292
234 Von K).av8iov7t6).Fxog ist der Schreiber auf Neoxataagei'ag abgeirrt und giebt die Suffragane von
Pontos Pol., die von Honorias fehlen sämtlich 240 giebt B nach 244 und macht dann das Zeichen
einer Lücke fttjxg. Neox. -^C 13 242 xaiaagovvnov B 250 xgcorjläSwv B 251 yeg/.ioxoXcovaxäc B. Der
Schreiber hatte eine Vorlage etwa des X. Jahrhunderts, deren Compendien er verlas 261 xäxcov B
262 ägvtwv B 264 ^voßovizöXeoiC B 265 oXvfißov 271 r'ßoi -=d B 274 röv] tov B 276 avxo-
q ü.'/.ov B 277 rpaodetädoc B 288 xiavewv B 289 fj.r)).a>vixu>v B
72*
540
tÖv 'HgaxÄeiag 2.aXßdxiov
rbv AnoXXwviddog
rbv 'HgaxXeiag Aaxvfioiv
rbv Taßöv
rbv Adgßcov
rbv AvTio%£iag Maidvögov
rbv Tajidoofov
rbv Agnaocov
rbv NeanöXecog
rbv 'Og&cooiddog
rbv Avojrerdgrijg
rbv Aaßdvöcov
rbv 2rgarovixdag
rbv 'AXxdvdcov
rbv MvXdocov
rbv Msi^ov
rbv 'Iaooov
rbv rov BagßvXiov
rbv AXixagvaoov
rbv 'YXagifxoov
rbv Kviöov
rbv Meraßcöv
rbv Mvvdov
rbv tov 'Iegov
rbv Iuvdgdjuojv
rbv Kegd/uojv
293
294
295
296
297
298
299
300
301
302
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310
311
312
313
314
315
316
317
318
"Enagi'ia <Pgvyiag KajiTiariavfjg' 319
MrjrgoTioXig Aaoöixsiag
e'xst, vti1 amrjv {noXeig i\roi) ümaxondg
i£ , olov
rbv TißsgiovnöXecog 320
rbv 'ACdvov 321
rbv 'Ayxvgag Zvvaov 322
rbv IJeXacov 323
rbv lAjimag 324
rbv Kdöcüv 325
rbv 'Ixgioiv 326
rbv 'HXovfav 327
rbv TgavovjiöX^ecog 328
rbv Seßaareiag 329
rbv Ev/LisvEiag 330
rbv Tijuevov §rjgä>v 331
rbv 'Aya&ovxcojuecov 332
rbv AXiojv 333
rbv TgmbXecog 334
rbv 'Arravdoov 335
rbv SißXiog 336
'Enagxia <Pgvyiag 2a.Xovxagia.g- 337
MijrgoTioXig 2vvddmv
e'xet vii* avrrjv nöXieig ijroi Inioxondg
xd, olov
rbv Korvaeiov 338
rbv AogvXaiov 339
rbv NaxoiXeiag 340
rbv rov Aoxijulov 341
rbv Mrjöaiov 342
rbv "Ixjjov 343
rbv Ugofxv)]oov 344
rbv Mrjgov 345
rbv 2ißivdov 346
rbv JJoXvßojrov 347
rbv (frvreiag 348
rbv 'IegajiöXecog 349
rbv Evxagniag 350
rbv Avootdöog 351
rbv AvyovorojiöXeojg 352
rbv BgoCov 353
rbv "Orgov 354
rbv Avxdovog 355
rbv Srexrogiov 356
rbv Kivvaßogiov 357
rbv K6vi]g Aiifxi]rgo7i6).i]g 358
rbv 2!xogöaomag 359
rbv NixovjioXecog 360
rbv AvgoxXöJv 361
296 xaxotv B 299 zanaoimv B 303 ävco zezÜQzrjg B 306 'AXxdvöcov Fehler für 'AXivSmv 312 vXa-
Qi'jlAcav B 315 fdvdov B 319 /urjzQonölecoC B v<p' iavztjv B jzöXsig rjzoi «< B 324 aomac B 332 dya-
&ov xöfismv B 333 sonst 'AXlvcov 337 for'] cjt' B 340 mit zw vay.wXiac setzt fol. 262r A wieder ein
vaxoXeiac B 341 öoxtjfiiov A 342 nrjdialov A 344 jiQopvrjoov A 345 ^^ov A 346 aißijvöov A 347 jzoXvßco-
rov B 348 cpvriac A 354 eorgot; A 355 Aw^dcuj'oc A 356 ozexzagtov A 357 Mjvvaßcogcov A xivaßoglov B
358 tov fjovtjacöv (= ko^o«»') örjfMjZQOJz B 361 avQorjXcov B
541
Ett ag%ia Avxaoviag'
MrjXQOJioXig tov 'Txoviov
e%ei vji' avTi-jV TtöXstg ijroi imoxoTidg
id, olov
rov Avotqcov
tov Ovaoddcov
tov A/jßXddwv
tov Ov/uavddcov
tov Mto&icov
tov Aagdvdcov
rov Baghcov
tov Asgßtjg
tov Zavdigoiv
tov Kavov
tov BrjQivov?iolioyiavä)v
tov EaXßdvov
TOV AvOTQOiV
TOV ÜEQTCÖV
'Enag^io. üiooidtag'
MrjTQÖTioliq AvTto/Eiag
h'ytL wr' avrijv jiöXeig fjzot imaxojidg
irj, olov
TOV TOV 0lXojU1]XlOV
rov JZayaXaoov
TOV Zait.OV7l6lECOg
tov Ajia/niag Ttjg Krjvoov
rov 'Paiov
tov BdoEcog
TOV AÖQiaV0V7l6/.E0)g
TOV AtjUEVOJV
TOV NEO.Jl6lEÜ)g
tov Aaodiy.iag Trjg xexavjLievi]g
tov JZeXei'y.iag
tov JZidijgüg
362
363
364
365
366
367
368
369
370
371
372
373
374
375
376
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378
379
380
381
382
383
384
385
386
387
388
389
tov Adudcor
tov Z(oCi]X(ov
tov Ti^ißgiddog
tov Tvjudvöov
tov 'IovonviavovjioXeojg
tov Mr]TQ07r6le(og
TOV UdllTlOiV
'EjtcxQxla Tfjg üajucpvXiag-
MijTQOJioXig ÜEQ-yi-jg
Exei vji' avT>)v noXeig ijrot emoxojidg
u] , olov
tov ArTaXiag
tov Evdofiddog
TOV TeXjlU]OOV
tov £ivdov
rov Mag~ijuiavov7zöXscog
tov Aayivoiv
tov IlaXaiovTToXECüg
tov Kgrj/Livov
tov KovögovX^cov
tov IIeXitivijooov
tov Agi]oaoov
tov UovyXäiv
tov Adgiavfjg
tov Aixi]xavavgüiv
tov Savdidcöv
tov Bagd)]g
tov 2.vXmov
tov IlEgßaivcov
Enag%ia Kannaboxlag'
3Ii]TgöjtoXig Ma)xr}oov
e'xei vn' avTijv nöXEig fJToi emoxojidg ö,
olov
tov Na£iav£ov
390
391
392
393
394
395
396
397
398
399
400
401
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412
413
414
415
416
417
362 X.vxacoviac A tov «<: B elxmvlov A olov ^C A 304 ovaodvdmv B 365 dßXddwv B 366 voov-
fiavddmv A oovfiaväöcov B 367 fitjoOtwv B 369 ßooärov B 370 zwischen tov Aigßtjg und rov SaväzQwv
schiebt in B der Rubrikator tov TioodXoiv ein 373 ßijgvvoi'jioXioipiavwv A ßrjQivovnxpidvmv B 374 tov
ya/.ßavov tjxot tvooy.idboc B 375 rov Xi)oToo>v A zdv gotvwv r/rot nvqycav B 377 nr\aoi]biac A JtrjoidcaC B
"?] i& B Die Zahl 19 kommt durch die in A und B vorgenommene Teilung von ZeXevxeia r) otdrjQü zu
Stande olov <; A 378 tov ^C A 379 äyakaaov B 380 o<o£ox. B 381 xiwoov B 387 xav/uevrjC A
388 oeXevxei'ac B 389 oiörjoäc A 392 TTj/ußg. A 393 Tvpavdov B 397 Tfjg «< B Ilegy^g] r)ti e%ei
bnonojcdg irj oiov B olov «d A 398 araUac A äraXeiaC B 400 teXfirjoov A 403 Xayrjvmv A loylvmv B
405 y.otiivov B 406 KodßovXoov B 407 neXxsv^aov B 408 dgrjoaoov A B Fehler für 'Agiaooov 410 si>6gi-
avfjch 411 dixrjxdvavQOV Ä 413 ßaoaeTc A ßagdtjC B Fehler für Bdgßr/c 416 Mojxtjooc B yToi—ö -< B
olov -<C A 417 va£iatov B
542
xbv KoXojvsiag
xbv IJagvaooov
xbv Acodgcov
Enagyia Aat,ixr\g'
Mi] xgojioXig 0doidog
l'ysi vii1 avxrjv jioXeig ijxoi ijiioxoJidg ö,
olov
xbv 'PodojiöXecog
xbv xfjg Zarjoivcöv
xbv IIexqwv
xbv xrjg Ziyaveoov
'Ejiagyia Ogqxrjg'
MfjXgOJloXig (plXlJlJlOVJloXeWg
e%£i vji1 avxrjv JioXeig ijxoi ijiioxoJidg y,
olov
xbv AioxXi]xtavovjiöXea>g
xbv ^eßaoxovjioXeayg
xbv AiooTToXeoog
"Enagyia EvgdiJirjg'
MijxgojioXig Tgaiavov
e'yst vji1 avxrjv JioXeig ijxoi Inioxojtdg ß,
olov
xbv Efijgov
xbv AvaoxaoiovjioXecog
Ett agyia vi] oojv Kv xXddcov'
MrjXQÖnoXig Poöov
eyei ist1 avxrjv JioXeig ijxoi enioxonäg
iß, olov
xbv Zdfxov
xbv Xiov
xbv Kcoov
xbv Nag~iag
xbv Orjgag
418
419
420
421
422
423
424
425
426
427
428
429
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431
432
433
434
435
436
437
438
xbv ndgov 439
xbv Aegov 440
xbv "Avdgov 441
xbv Trjvov 442
xbv MrjXov 443
xbv Elioovvrjg 444
Ejiagyia Aljuijuövxov' 445
MrjxgoJioXig Aögiavov
eysi vji1 avxrjv JioXeig "ijxoi ijiioxoJidg e,
olov
xbv Meorjjußgtag 446
xbv £a)£oji6Xe(og 447
xbv nXovxivoimoXecog 448
xbv AvaoxaoiovnoXecog 449
xbv TCcotdojv 450
'Ejiagyia xfjg avxfjg' 451
MrjxgonoXig Magxiavov
e'yei vji1 avxrjv JiöXeig ijxoi ijiioxoJidg e,
olov
xbv PoöooxoXov 452
xbv Tgajuagioxcov 453
xbv Nößcov 454
xbv Zsxsdeojicov 455
xbv Zxagiag 456
"Enagyia 0gvylag Kannaxidvrjg' 457
MrjxgonoXig 'IeganoXeojg
eysi vji' avxijv nöXEig ijxoi ijiioxoJidg e,
{olov)
xbv MeXovnöXrjg 458
xbv AiovvoiovnoXeojg 459
xbv AvaaxaoiovnöXeojg 460
xbv Axxovdcov 461
xbv Moovvcov 462
418 xcoXwvsiaC A 419 Jiaovaoov B 420 doägcov B 421 cpaoidoc A d] s B olov -*C A 422 oiodon. A
423 oavoiräv B 425 ^rjyavewv A t,iyavalu>v B 426 tpikhacmv jtoXscoc B y] ß B olov «d A 429 -<; B
430 olov -<: A 431 jirjgov B 433 gcödov A olov -<; A 435. 434 B 436 höov A 440 Xegov A B
440 439 B 442 ztvov A 444 jiijoolvrjc B 445 i/Mj/itovjiöXecoc A Aifitj/tov B (corr. aus Al/njfiöviov)
ävdgiavov B olov -<I A 446 fieo?]ßgt'ac B 447 ow^ovjtoXewc B 448 jtXmxiv. B 450 T^midwv A 451 rrjs
avxfjg] vtjowv xvxXäSwv A B der Fehler gehört also der gemeinsamen Vorlage an olov << A 452 ga>-
5
booxoJ.ov A 453 rga/iagioxov B 454 voßwv B 457 KajuiaTidvrjc] KaTiTcaöoxiac A olov -eC A B 458 [asXovtc B
460 -^ A 462 «< B Meovvwv die Ausgg.
543
Die Ueberschrift nennt als Verfasser der Notitia den -deojzeoiog 'Enupäviog. Darin
hat bereits Reiske den hl. Epiphanios erkannt. Da die Notitia die kirchlichen Zustände
vor der Ikonoklastenzeit darstellt, dachte ich an Epiphanios von Konstantia, den Zeit-
genossen des VI. ökumenischen Konzils (680). Allein mit vollem Rechte hat de Boor
geltend gemacht, dass aus der Art, wie der Kaiser ihn erwähnt: ex tü>v tov §Eoneoiov
'ETiicpaviov tov äQyiemaxojiov Kvttqov ovyygcKpfjs (de cerim. 791, 7) ganz deutlich hervor-
gehe, gemeint sei der hl. Epiphanios, der Verfasser des Ketzerbuches. Wie die griechische
Kirche ihre Liturgien dem „Gottesbruder" Jakobos, den hl. Basileios, Chrysostomos, Gre-
gorios u. s. f. zuschrieb, und wie die lateinische mit ebenso grosser Naivetät ihren Kirchen-
gesang von dem hl. Ambrosius und Gregor dem Grossen herleitete, so wurden glorreiche,
altheilige Namen auch zu bedeutend profaneren Zwecken verwandt. Die Sitz- und Kissen-
ordnung der armenischen Grossen vor dem Könige, welche im Lande der Haykh mit ebenso
viel Pedanterie erörtert wurde, als das Droit du tabouret beim Roi-Soleil, wird auf die
hl. Patriarchen Nerses und Sahak zurückgeführt. Genau so gehen die Anweisungen, in
welcher Rangordnung die oströmischen Prälaten an der kaiserlichen Tafel zu sitzen haben,
auf den hl. Epiphanios zurück. Kaiser Konstantin drückt sich darüber mit der wünschens-
wertesten Deutlichkeit aus. „Es müssen diejenigen, welchen diese Obsorge und dieser Dienst
anvertraut ist, sowohl bezüglich der kaiserlichen Gastmähler als bezüglich der Spenden
gemäs der Vorschrift des Dienstbuches als nach einer Richtschnur, oder eigentlich richtiger
gemäs dem Allerhöchsten Befehl unweigerlich handeln... Jetzt aber, da wir betreffs der
offiziellen Einladungen und der Vorsitzordnung der Patriarchen1) und Metropoliten, der
autokephalen Erzbischöfe und der (den Metropoliten) unterstellten Bischöfe die passende
Spezialverordnung veröffentlichen wollen, beschlossen wir darüber ein spezielles Schriftstück
zu verfassen... Indem wir daher2) nach der Rangordnung jeder Eparchie die Metropolen
aufzählen, haben wir jedem Metropoliten an der passenden Stelle die Kathedren zugeteilt,
und dann haben wir ebenso die Sitze der autokephalen Erzbischöfe, welche die zweite Rang-
ordnung nach den Metropoliten bilden, aufgezählt; nach diesen haben wir die jeder Eparchie
und Metropolis untergebenen Städte und Bistümer3) bekannt gegeben, indem wir uns dabei
nicht allein auf unsere Hoftafelordnungen (xaiv xad"1 fj/uäg xhjTCOQoloyicov) stützten, sondern
auch vieles der Schrift des hochheiligen Epiphanios, Erzbischofs von Kypros, entnahmen,
damit ihr, die ihr mit diesem Tafeldienst4) betraut seid, in dieser Materie keinen Fehltritt
begeht, und damit ihr auch beim Heeresdienst ausser der Residenz, wenn der ökumenische
Patriarch nicht gegenwärtig ist, und an jedem andren Orte, diesem Schriftstück die Kenntnis
der Kathedren (ordnung) entnehmend, bei den erhabenen Einladungen zu den allerhöchsten
Herrschaften als fehlerfreie und tadellose Introducteure fungieret."5)
') xü>v ts ETiaijyiwv xal (irjzßojioXizwv 790,15 ist Schreibfehler für twv ze jigiagyäiv xal firjz.Qojio?uzü>v.
2) 790,21 ist zu lesen: Aw xaiF stouvv ixäartjg ETiaqyJag zag fj.rjzQOJi6ltig iy.dky.evoi, zq> kxäazm
firjzoorrii/.ir)/ änin'i^nvzi 7o'.tm zag xaOedgag 8ieozoiyjjaai.iEV.
3) 791,4 ftera <5i zovzoi-g zf/ Fxäozt] sTiaoyJa xal /u/tootto/.ei vjiozEzayfiEvovg Tio/.sig xal Iniaxonv c
idrj/.cooäfuv. Diese Formel kehrt regelmässig wieder bei der Aufzählung der einzelnen Eparchien, wo
aber Reiske das Compendium L-itoxo unrichtig in i.-rioxäjwrg auflöst; die Handschrift von Jerusalem
weist auch hier den richtigen Weg, indem sie mehrfach plene imoxojtäg schreibt.
4) iv zf/ Toiavzi] öiaxovia zwv ägzoxXtvwv 791, 9 Verderbnis für azQtxhv&v = a triclinio Reiske /.u
Const. Porphyr. II 824.
5) Const. Porphyr, de caer. aul. byz. I 790,1—791,15.
544
Dass der hl. Epiphanios zum mythischen Urheber einer so unbedeutenden Sache, wie
der Kaiserlichen Tafelordnung gemacht wurde, ist durchaus kein Mangel an Achtung gegen-
über diesem hoch gefeierten Sanctus, dem noch Konstantins Vater, Leon der Philosoph, durch
kaiserliches Edikt einen jährlichen Festtag angewiesen hatte, sondern man behandelte diese
Gegenstände mit derselben gravitätischen Ernsthaftigkeit, wie die Reichs- und Kreistage
des H. R. Reichs Deutscher Nation die Rangstreitigkeiten zwischen den weltlichen Fürsten
und den geforsteten Prälaten. Kaiser Leon der Philosoph und Nikolaos Mystikos, der
ökumenische Patriarch, fanden es nicht unter ihrer Würde, eine neue Rangordnung der
Prälaten aufzustellen, als in Folge der Inkorporation der ehemaligen Präfektur Illyrikum in
die neurömisehe Diözese die alte, durch unsere Epiphaniosnotitia dargestellte Ordnung sich
als unbrauchbar erwiesen hatte. „Wir müssen die Städte, welche durch die Würde des
Hoheupriestertums geschmückt sind, und deren heilige Hirten durch Handauflegung des
Patriarchen geweiht werden, hier einschreiben, damit sie wie in einer kleinen Oekumene1)
zusammengefasst und jedem, der es wünscht, mühelos kenntlich erscheinen. Denn es ist
würdig, dass der dem unblutigen Amt zukommende Rang durch feste Bestimmung geordnet
wird. Dadurch soll auch der gesamten Laienwelt jener gebührende Machtfülle und Ehren-
rang wohlsichtbar und leichterkenntlich werden. Mit den Prälaturen des Ostens werden auch
die des Westens hier eingetragen. Von Alters her bis heute waren nämlich diese letzteren
nicht mit den erstem zusammengeordnet. Wann nun der Moment gemeinsamer Tagung kam,
wurden die mit der Obhut (des Westens) betrauten Kirchenfürsten von den ranggleichen (Ost-
ländern) gestosseu, und sie stiessen, wehe der Schmach!, wieder entgegen, mit dem gleichen
Masse der Faust bezahlend. Aber unser christusliebender, allerfrömmster Kaiser führte mit
uns den Vorsitz in dem ehrwürdigen Gotteshaus der hl. Irene, da wir die Totenmesse für die
hochseligen Patriarchen verrichteten; anwesend waren auch die gottseligen Metropoliten.
Mit diesen haben wir das Ehrenrecht jedes Thrones beraten und ihnen den passenden Platz
zugewiesen, wie auch die vorliegende Ordnung erweist, die auf unsere Ermahnungsrede hin
sorgfältig- aufgeschrieben ward. Denn es schien uns unter aller Würde, dass die Diener
am Altare um den Ehrenvorrang streiten, und dass sie aus Gier nach Ehre, welche viel-
mehr Unehre, ja geradezu Schmach ist, das ehrwürdige Hohepriestertum (auch) in Zukunft
schänden. Nur nach der himmlischen Glorie müssen wir streben, welche unverwelklich ist
und immerdar blüht und ihre Liebhaber mit reinstem Glänze schmückt und ehrt."2)
Die alte, von dieser Neuordnung des makedonischen Zeitalters noch gänzlich unberührte
Kirchenordnung stellt uns nun diese Ekthesis des hl. Epiphanios dar. Bereits im Jahre 1886,
als nur der Leipziger Text bekannt war, habe ich geschrieben: „Ohne Zweifel würde
(d. h. wenn die Notitia vollständig wäre) Amastris als Suffragan von Gangra, Amorion und
Klaneos als solche von Pessinus und Selge als einer von Side erscheinen. Gewiss würde
auch Kotyaeion, wie noch auf dem VII. Konzil als Suffragan von Synnada auftreten, was
in keiner der erhaltenen Notitien mehr der Fall ist".3) Man vergleiche nun in dieser
:) Die ßQax?ia olxovfiävr} ist das 'Pcopaicov xgäzog im Gegensatz zum gesamten Erdkreis oder
wenigstens der gesammten Christenheit.
2) Parthey Hieroclis synecd. et not. gr. epp. S. 322.
3) Jahrb. f. prot. Theol. 1886 S. 362. Bezüglich Kotyaeion liegt ein Irrtum vor, wie bereits de Boor
mit Recht bemerkt hat. Die Stadt findet sich allerdings in korrupter Form sowohl in Not. VIII als
Not. IX.
545
Notitia vv. 190, 230, 246, 247, und man wird sehen, dass sich diese Mutmassungen jetzt
durchweg durch Wiederauffindung des vollständigen Textes bestätigen.
Was nun die Zeitbestimmung betrifft, so kann natürlich bei dem Pseudepigraphon
der Name des Epiphanios nicht weiter verwandt werden; indessen dass die Notitia vor die
Zeit der Bilderstürmer fällt, welche in der Diözesanordnung Konstantinopels eingreifende
Veränderungen vornahmen, ist völlig sicher. Man kann höchstens fragen, ob sie dem VI.
oder dem VII. Jahrhundert zuzuweisen sei. Eine genauere Bestimmung zu geben, ist nicht
ganz leicbt, da die kirchlichen Zustände seit Justinian in dieser ganzen Epoche ziemlich
dieselben geblieben und die unbedeutenden Veränderungen in der Ueberlieferung nicht ver-
merkt sind. Einen gewissen Anhalt giebt der Name der karischen Metropolis. Diese heisst
noch im VI. Jahrhundert Aphrodisias; auf dem V. ökumenischen Konzil von 553 unter-
zeichnet Severianus misericordia dei episcopus sanctae ecclesiae civitatis Aphrodisiadis
Carensium provinciae. l) Dagegen im VII. Jahrhundert ist dieser, wie zahlreiche andere,
durch ihren ausgeprägt götzendienerischen Charakter das Aergernis frommer Ohren erregende
Name4) durch einen spezifisch christlichen ersetzt worden. Auf dem VI. ökumenischen
Konzil zeichnet Geodojgog eXeco &eov Inioxonog zfjg SjolvqovjioXitwv jurjTQOJioXscog zfjg
Kagcöv ETiagylag3) und ebenso auf dem Quinisextum 692: JEioivviog sXdyioTog inioxojtog zfjg
^ravoojTo/.iTcöv jurjrgoTioXEcog zfjg Kagcöv EJzaQyjag.*) Auch unsere Notitia bietet v. 27:
'ETiagyJag Kaoiag' 6 ZxavQOV7i6XEüog.i) Demnach wird man die Abfassung dieser Notitia
in das VII. Jahrhundert, in die Epoche der Herakleiosdynastie verlegen können. Im Ein-
zelnen zeigt sich nun abgesehen von der erwünschten Ergänzung der grossen Lücke, dass
der Codex von Jerusalem auch sonst trotz seiner Jugend wesentlich zur Textemendation
beiträgt, da der Lipsiensis von einem unwissenden und ungeschickten Schreiber angefertigt
ist. Man darf nicht vergessen, dass auch der Codex von Jerusalem Copie einer recht alten
und guten Handschrift ist. Das verbürgen einige Lesefehler Der Hieromonach Germanos
war der Schrift des X. und XI. Jahrhunderts wenig kundig; er verliest x in rj, ei in or,
was durch den Ductus seiner Vorlage ganz leicht erklärlich wird. Bei dem Alter dieser
Quelle habe ich auch nicht gezögert, bisweilen ihre Lesung als die augenscheinlich richtigere
in den Text zu nehmen. Reiske hat in seiner Ausgabe ziemlich genau den Codex abge-
druckt; Bekker hat die gröbsten Itacismen getilgt, welche dann Parthey bei seiner an-
dächtigen Verehrung aller handschriftlichen Ueberlieferung wieder in den Text setzte.
Indessen eine Reihe solcher selbstverständlicher Besserungen werden auch durch den Codex
von Jerusalem verbürgt. Ich habe daher nicht angestanden ihm mehrfach zu folgen. In
dem Verzeichnis der Suffragane der einzelnen Metropolen ist die Formel regelmässig: "Ejiagyja
J) Mansi IX 390.
2) Theupolis für Prusa, Theotokiana für das bithynische, Sozusa für das libysche Apollonias,
Christupolis für Dios Hieron u. s. f. Wenigstens in einem Fall wissen wir den bestimmten Anlass für die
Umtaufe. Als das furchtbare Erdbeben unter Justinian Gottes Zorn so deutlich über die leichtfertige
Stadt der Antiochener enthüllt hatte, gab ihr der fromme Kaiser den Namen Theupolis.
3) Mansi XI 692.
*) Mansi XI 989.
5) Dass der Lipsiensis 6 xavQovxö).E<ao liest, ist nichts als ein Schreibfehler, und man darf nicht
etwa an eine archaische Wiederauffrischung eines der alten Komennamen denken, aus denen Aphrodisias
synoekisiert ward. Steph. Byz. s. v. Xgvaaooig ' Tavoono).Zzai fxiv ovvsfxayovv xai JlkagaasTg.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. HI. Abth. 73
546
xfjg öeivog' ixr\To6noXig xfjg öeivog e%ei vn"1 avrrjv noXeig yroi imoy.OTiäg . . , oTov. Dieses olov
hat der Lipsiensis vor der Lücke regelmässig ; nach der Lücke lässt er es ebenso konsequent
weg. Natürlich bin ich der durchweg gleichmässigen Formulierung der Jerusalemerhand-
schrift gefolgt.
Was nun speziell das bisher nicht vorhandene Textstück betrifft, so ist ein Vergleich
mit den beiden Notitien VIII und IX von Wichtigkeit. Dieselben repräsentieren die provi-
sorische Ordnung, welche unter dem Patriarchen Nikephoros (806 — 815) in Geltung kam,
welche aber bei der Aufzählung der Suffraganbistüiner ein sehr altes Verzeichnis (alter-
tümlicher als Not. I) zu Grunde legt. Die beiden Notitien sind nur verschiedene Hand-
schriften eines identischen Textes und können daher trotz ihrer schlechten Ueberlieferung
am ehesten zum Vergleich herangezogen werden.
Starke Abweichungen zeigt vor allem die Provinz Nikomedien. Nicht weniger als
fünf Bistümer fehlen bei Epiphanios vollständig: Helenupolis, Kaisareia und Adrianon, Daph-
nusia und Eriste. Nun sind aber die drei ersten bereits seit dem IV. Jahrhundert nach-
weisbar ; offenbar liegen hier lediglich Schreiberversehen vor. Dagegen Daphnusia und
Eriste sind erst spät nachweisbar; sie fehlen auch in Not. VIII und IX, und finden sich
zuerst in der dem Georgios Kyprios vorgehefteten Beschreibung der Diözese Konstantinopel,
welche unter den amorischen Kaisern abgeschlossen ist. Diese und alle spätem kennen nur
ein Doppelbistum : 6 rdX?Mv fjtoi Aöqpoov, dagegen unsere Notitia hat zwei getrennte Bis-
tümer tov rdllov, was in Nott. VIII, IX fehlt und röv Koolaotag ijroi A6(poiv^ wofür
Not. VIII 210 und IX 119 6 rdllov ijzoi Koöoaiag bieten.1) Demnach ist auch an unserer
Stelle KCÜAACIAC aus KAAOCIAC verschrieben.2) Im Leben des bis unter Herakleios
blühenden Theodoros Sikaiotes3) kommt noch ein separater Bischof von Kadosia vor; dagegen
beim VI. ökumenischen Konzil 680 unterschreibt: recogyiog eXeqp &eov emoy.OTiog rfjg
Kaöooecov nolecog*) während ihn das offizielle Protokoll in den Präsenzlisten5) als Fecogyiov
ernoxonov rälov aufführt. Die beiden Bistümer sind also zwischen den Regierungszeiten
des Herakleios und seines Urenkels Konstantinos Pogonatos uniert worden, ein Fingerzeig,
dass unsere Notitia zum mindesten älter, als das Konzil von 680 ist.
Nikaia hat, wie Notitia VIII, IX, nur drei Suffragane, später sechs. In der Provinz
Side figuriert, wie in den beiden anderen Notitien, Selge noch als erster Suffragan. Bei-
läufig scheint es bei der Beförderung der einzelnen Kirchen in ihrem Ehrenrange nach
einer observanzmässigen Ordnung und keineswegs ganz willkürlich hergegangen zu sein.
Das vornehmste Bistum in der Diözese ist der Protothronos; man weiss, welche Bedeutung
Kaisareia unter den Metropoliten von Konstantinopel, Tyros unter denen von Antiochien
und Kastoria unter denen von Achrida als Protothronoi hatten. Es ist nun bemerkenswert,
dass eine ganze Reihe der nach 650 erhobenen Autokephalen vorher tiqwto&oovoi waren,
so Selge von Pamphylia I, Trapezus von Pontos Polemoniakos, Amastris von Paphlagonien,
Kotyaeion von Phrygia Salutaris. Wurde der Protothronos autokephal, so rückte das zweite
Bistum in seinen Rang. Dies ist z. B. gerade der Fall mit Amastris. Zur Zeit des Konzils
1) Kodoaiag statt des üblichen Aooiag liest auch in IX der Monac. 510.
2) Ueber die Lage der drei Städte vgl. Ramsay, Asia minor S. 182 und 247.
3) Le Quien oriens Christ. I 631, 632.
4) Mansi XI 678 und 648; ebenso auf dem Quinisextum XI 996.
5) Z. B. actio XVII Mansi a. a. O. 616 und actio XVIII 628.
547
von Chalkedon war Pompeiupolis Protothronos von Paphlagonien; im VI. Jahrhundert gewann
es Autokephalenrang und damit Amastris den Protothronat. Im VIII. Jahrhundert wird
Amastris autokephal und unter Konstantinos Porphyrogennetos Metropolis. So können wir
bei dieser Stadt das Durchlaufen von vier Rangstufen verfolgen. Es lässt sich wahrschein-
lich machen, dass die meisten anderen Erzbistümer von der Stufe des Protothronos zur
Autokephalie erhoben wurden; in Asien war Snryrna Protothronos, in Karien Milet. in
Pamphylia II. Attaleia; die beiden ersten Städte waren lange autokephal; Attaleia wurde
1084 Metropolis, um 1050 war es noch Bistum; wahrscheinlich iu der Zwischenzeit hat es
die Rangerhöhung zum Erzbistum durchgemacht. *) Ebenso war Araorion Protothronos von
Galatia IL, so noch in unserer Notitia und in Nott. VIII, IX; unter der isaurischen Dynastie
wurde die ketzerfreundliche Stadt autokephal und durch die amorischen Kaiser Metropolis.
Wahrscheinlich waren auch die bithynischen Erzbistümer Apameia und Kios ursprünglich
TiQcoroOoovoi von Nikomedeia und Nikaia.
Syedra und Mylome, wie die Summe 16 zeigt (es sind nur 14 Bistümer), fehlen durch
ein Versehen des Schreibers; Not. VIII und IX bieten sie. Durch eine Nachlässigkeit des
Schreibers fehlen auch sämtliche fünf Suffragane von Klaudiupolis; indessen ihre Ergänzung
ist absolut sicher, da sämtliche Städte aus Konzilsakten des IV., V. und VI. Jahrhunderts
nachweisbar sind. Auch stehen sie in Nott. VIII und IX.
In der Provinz Lykaonien ist die Korruptel von 373 tov BrjQivovjioXioxpiavcbv inte-
ressant. Das richtige bieten Nott. VIII 461 und IX 371 6 BrjQtvovjiöÄsaos ijxoi Wißr\X(jov.
Not. I 408 hat nur den offiziellen Namen 6 BrjQivovjiolecog. Die Konzilsunterschriften des
VII., VIII. und IX. Jahrhunderts belegen beide Namen für das Bistum2); indessen allmählich
scheint die Erinnerung an Zenons böse Schwiegermutter doch den spätem Jahrhunderten
abhanden gekommen zu sein; denn die drei Rezensionen von Leons Hypotyposis schreiben
durchweg nur den alten autochthonen Namen 6 Wtßijlcov. Daraus erhellt auch, dass
Nott. VIII und IX keineswegs nur „eine Abschrift der alten Notitia des Epiphanius" sind,
wie de Boor meint.3) Die e'y.deoig des hl. Epiphanios ist, wie die anderen xh]rcoQoX6yia,
dem kaiserlichen Archiv entnommen; dagegen Nott. VIII und IX entstammen, wie die
Notiz IX 1 zeigt : i) reinig xwv ju^tqotioXutöjv xa&wg iv reo %a.QTocpvXax£ko avaykyQanxai, xal
oooi ETiioxoTioc l'Tio jU7]TQ07io?Jrag (so der Monac. 510 fol. 36 lv) dem Patriarchalarchiv.
Natürlich gehen beide Fassungen auf eine Urquelle zurück, die in justinianischer oder
nachjustinianeischer Zeit wohl durch Synodalakt definitiv festgestellte Rangordnung der
konstantinopolitanischen Prälaten. Aber die richtige Lesart von VIII und IX gegenüber
dem verkehrten B^otrov.-rofaoxpiavcöv des Epiphaniostextes erweist deutlich, dass sie keine
Abschrift desselben sind.
Zum Schlüsse möge mir eine Vermutung über den Anlass zur Abfassung dieses Schrift-
stückes wenigstens gestattet sein. In der Zeit des Kaisers Herakleios (610 — 641) und des
ökumenischen Patriarchen Sergios (610 — 638) herrschte eine ungewöhnlich rege Thätigkeit
*) Ganz sicher ist das freilich nicht, Nazianzos ist noch 1050 einfaches Bistum, wird aber von
Romanos Diogenes (1067 — 1071) zur Metropolis erhoben. Es ist möglich, dass man in dieser Zeit bis-
weilen die Zwischenstufe übersprang; wenigstens schürft eine Synodalverhandlung unter Alexios Komnenos
wieder genauere Berücksichtigung des Herkommens ein.
2) Le Quien 1. c. I 1083.
3) Zeitschrift für Kirchengeschichte XII, 1891 S. 309.
73*
548
auf kirchenrechtlichem Gebiete. Zeugnis legen die fünf Edikte des Kaisers an Sergios ab,
welche sich sämtlich mit dem diesem untergebenen Klerus befassen.1) Ferner sind in der
damaligen Zeit die Kataloge der fünf Patriarchate abgeschlossen worden; der altrömische
endet mit Bonifatius IV. (615 — 618) oder mit Honorius (625 — 638), der alexandrinische mit
Kyros (631—642) und Petros (642—651), der antiochenische mit Anastasios II. (599—610),
der hierosolymitanische mit dem hl. Sophronios (633 — 644). Man wende auch nicht ein,
dass durch die Eroberungen der Araber der Verkehr mit den drei östlichen Patriarchaten
den Byzantinern abgeschnitten worden sei ; im VII. Jahrhundert erscheinen diese Patriarchen
auf den Konzilien und leben häufig als Staatspensionäre in der Reichshauptstadt. Auch
späterhin ist der Verkehr zwar öfter ein gehemmter, aber niemals ein völlig unterbrochener.
Theophanes führt auch in seiner Reichschronik gelegentlich die spätem Patriarchen von
Antiochien auf. Endlich Alt-Rom gehörte bis Mitte des VIII. Jahrhunderts zum Reiche,
und auch später blieb man mit ihm in innigen Beziehungen. Der Grund, warum die
Patriarchenregister mit der Herakleioszeit abbrechen, kann nur der sein, dass damals diese
fünf Kataloge abgeschlossen wurden. Fortgesetzt wurde dann nur noch je nach der Zeit
des einzelnen Schreibers das Verzeichnis der ökumenischen Patriarchen. Auch im liturgischen
Kirchengesang führte Sergios mehrere Neuerungen ein, wie die Ostercbronik zu den Jahren
615 und 624 anmerkt.2) Ich habe früher der damaligen byzantinischen Stadtgeistlichkeit
auch die Erfindung der byzantinischen Weltära zugeschrieben.3) Indessen nach F. Rühl*)
habe ich damit diese Kleriker erheblich überschätzt. Obgleich meine nähere Beschäftigung
mit der oströmischen Priesterschaft mich immer weniger zu einem geringschätzigen Urteil
über den geistigen Horizont dieser Männer veranlasst, will ich doch auf diesen Umstand
kein Gewicht legen. Das bisherige genügt, um zu beweisen, dass unter Herakleios aut
kirchenrechtlichem Gebiete eine äusserst rege Thätigkeit herrschte. Nun beachte man fol-
gende Thatsachen : Das älteste Taktikon von Antiochien soll von dem Patriarchen Anastasios I.
(f 599) verfasst sein ; der älteste Katalog des orthodoxen Patriarchats von Alexandria fällt
vor die Eroberung der Stadt durch die Perser.5) Nur von Jerusalem besitzen wir keine
alten Urkunden. Der Grund ist ein naheliegender. 614 bei der furchtbaren Verwüstung
der Stadt durch Sahrbaräz ist in dem grossen Stadtbrand auch das Patriarchalarchiv
vollständig zu Grunde gegangen, und so mussten die spätem Patriarchen ihre Bistümerlisten
aus Konstantinopel beziehen. Es liegt nun sehr nahe anzunehmen, dass das konstantino-
politanische Verzeichnis, wie es uns am echtesten in der Ekthesis des hl. Epiphanios und
mit spätem Zusätzen versehen, in Nott. VIII und IX vorliegt, wie die übrigen Taktika
ebenfalls der Herakleioszeit seinen Ursprung verdankt, da dasselbe, wie wir schon gesehen,
jedenfalls um die Mitte des VII. Jahrhunderts vorhanden ist. Vielleicht kann dann auch
die Umtaufe der Stadt Aphrodisias in Stauropolis bald nach 629 gelegt werden. Man weiss,
wie gross die Erregung und Niedergeschlagenheit der gesamten Christenheit war, als „das
lebenspendende Holz, das ehrwürdige Kreuz" in Gefangenschaft zu den Heiden abgeführt
wurde. Seine Rückkehr feierte der ganze Osten mit Jubel, und das Fest der Kreuzes-
l) Zachariae, ius Graeco-Romanum III, S. 33 — 48.
z) Chron. P. 705, 18 ff. und 714, 9 ff.
3) Africanus II, S. 180.
4) F. Rühl, Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit S. 195.
5) Byz. Z. II, S. 34.
549
erhöhung hat diesem Tage bis heute ein ewiges Gedächtnis geschaffen. Ist es nicht ganz
im Geiste dieser religiös sehr erregten Zeit — Herakleios' Kriege werden durchweh als
Kreuzzüge aufgefasst, — wenn auch die karische Metropole ihren durch die heidnische
Göttin entweihten Namen mit dem des heiligen Kreuzes vertauschte, wie jener Maler unter
Justin IL das Mosaikbild der Göttin Aphrodite durch das der Gnadenmutter ersetzte?
Natürlich muss das immerhin nur eine Vermutung bleiben; aber ich glaube, sie entspricht
wenigstens der damaligen Zeitstimmung.
II. Die Notitia episcopatuum aus der Zeit Kaisers Leon des Philosophen.
In der Verwaltungsgeschichte des oströmischen Reichs macht die Regierung Kaiser
Leon des Philosophen (886 — 911) Epoche. Bekannt ist seine grossartige gesetzgeberische
Thätigkeit. Den civil-militärischen Verwaltungsorganismus, die Themenordnung, hat er auf
neuer Grundlage festgestellt, und diese neue Themenverfassung ist es, welche uns sein Sohn
Konstantinos Porphyrogennetos (912 — 959) in seinen weitläufigen und gelehrten Werken
bekannt gegeben hat. Genau so hat auch Leon gemeinsam mit dem damaligen ökumenischen
Patriarchen Nikolaos Mystikos (901 — 907) auch den Schematismus der geistlichen Hierarchie
neu geordnet. Aus dem oben1) in Uebersetzung mitgeteilten Schriftstücke erhellt, welche
Unzuträglichkeiten die etwas turbulente Einreihung der altrömischen Prälaten in den Verband
von Neurom herbeigeführt hatte. Leon und Nikolaos haben darum eine neue Metropoliten-
und Autokephalenliste verfasst, in welcher den abendländischen Prälaten ein definitiver Rang
neben ihren morgenländischen Kollegen zugewiesen wurde. Ich habe aber in meiner schon
erwähnten Arbeit2) gezeigt, dass die als Beilage fast aller Kanonessammlungen in unzähligen
Handschriften überlieferte : f] yeyovvla öiaxvjioooig (vnoxvTieooig) jiagd xov ßaodecog Aeovxog
xov ocxpov, öjicog eyovoi xdg~ecog oi ftoovoi x&v exy.Xrjoiwv x&v vjioxcijuevcov xw jiaxQidQ^rj
KüivaxavxivovTioXeong vielmehr der Zeit des Komnenen Alexios (1081 — 1118) angehört; eine
zweite Klasse von Handschriften repräsentiert gar erst die kirchlichen Zustände, wie sie
unter seinem Enkel Manuel (1143 — 1180) Platz gegriffen hatten.
Mit Recht macht de Boor geltend, 3) dass die von Kaiser und Patriarch eingeführte
Neuordnung, wie der Wortlaut ihres Erlasses angiebt, sich nur auf die Metropolen und Erz-
bistümer beziehe. Zahlreiche Handschriften enthalten deshalb bloss diese; das ist das eigent-
liche Corpus von Leons diaxvji(ooig. Als Grund, warum man nicht gleich das Verzeichnis
der einzelnen Metropolen mit ihren Suffraganen anfügte, macht de Boor geltend*) : „Offenbar
wollte man mit der Beseitigung der schreiendsten Uebelstände nicht warten, bis das um-
fassende Reorganisationswerk vollendet war und beseitigte daher einstweilen die hässlichen
Rangstreitigkeiten unter denjenigen Geistlichen, deren häufiges Zusammentreten zu den
Sitzungen der immer mehr zu einer stehenden Institution werdenden „heiligen Synode45)
zu stets erneuten Reibungen Anlass gab." Thatsächlich hat die Diatyposis nicht bloss die
») S. 544.
*) Jahrbücher f. prot. Theologie 1886, S. 529 ff.
8) Zeitschrift für Kirchengeschichte 1891, S. 317.
*) a. a. 0. S. 318.
5) Sie war es schon seit vielen Jahrhunderten.
550
schreiendsten, sondern alle Uebelstände mit einem Schlage beseitigt. Mit der Festsetzung
des Rangplatzes der Metropolis war für ihre sämtlichen Suffragane auch deren Rang gegeben;
in der einzelnen Eparchie stand der Rang der Bistümer durch die Spezialordnung der ein-
zelnen Suffragansitze völlig fest und bei Synoden rangierten auch die Bischöfe gemäss dem
Rang ihres Metropoliten. Die Suffragane von Klaudiupolis sassen z. B. hinter denen von
Thessalonike, die von Mokissos hinter denen von Athen u. s. f. Die Neuordnung der Bis-
tümer ist also weiter nichts, als eine von selbst sich ergebende Ausführungsbestimmung des
Dekrets von Kaiser und Patriarch. Richtig ist aber, dass die eigentliche Diatyposis und
die Neuordnung der Bistümer als zwei getrennte (aber sich unmittelbar folgende) Akte zu
betrachten sind und natürlich ist auch diese Neuordnung der Bistümer durch einen zweiten
Synodalakt festgesetzt worden.
Diese Erweiterung der ursprünglichen Diatyposis zu einer vollständigen Notitia
ecclesiastica imperii Romani ist uns nun in mehreren, zeitlich verschiedenen Epochen ange-
hörenden Bearbeitungen erhalten. Ich habe in Georgius Cyprius v. 1111 — 1774 die Nea
xaxxixd veröffentlicht, welche die kirchlichen Zustände unter Konstantinos Porphyrogennetos
darstellen. Indessen ist es mir gelungen, eine noch ältere Notitia aufzufinden, welche ich
wiederum dem so überaus wichtigen Codex 522 der Bibliothek des hl. Grabes entnehme,
wo sich dieselbe fol. 152 — 165 befindet.
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xa 6 'Eg/.ioy.a7T}]?i.eiag
210
•f Tfj Xiy.ofirjdeta xfjg Bi&vviag Z
217
a 6 IJgovorjg ijxoi Oeov7i6Xea>g
218
ß 6 Ugaivixov
219
y 6 'EXevovTioX.eojg
220
6 ö BaodivovjiöXEüjg
221
e 6 AaoxvXUov
222
g 6 AjioXXwviddog
223
C 6 Nsoxaioagsiag
224
i] 6 EdXlov fjxoi A6(po)v
225
# 6 Aacpvovoiag
226
i 6 Agioxqg
227
j Tfj Nixaiq xfjg Bi&vviag H
228
a 6 Modgivfjg ijxoi MsXfjg
229
ß
l
d
E
g
6 Aiv6t]g 230
6 rogdoosgßcov 231
6 Novfugixwv 232
6 Tasiov 233
6 Ma^ijuiavwv 234
f Tfj XaXxr\bövi xfjg Bi&vviag 0 235
ftgövog 6 ovjU7iagax£tf.i£vog ovx k'oxiv.
f Tfj Zlbrj IIaju(pvXiag I
a 6 Aojievöov
ß 6 Koxaivijg
235
237
238
239
240
241
242
243
244
245
y 6 'Exaivov
ö 6 'Ogvjuvt]g
£ 6 Kdocov
g 6 Zejliveoov
C 6 KagaXXicov
i] 6 Kagaxijoiov
0 6 ZvvEÖgcov
i 6 MvXcüvr/g ijxoi Tovoxiviavovji6X£(og 246
la 6 Ov/xdvdcov 247
iß 6 AaXiadvöov 248
ly 6 Avgßrjg 249
id 6 "Ioßcov 250
iE 6 KoXvßgaoov 251
ig 6 Mvdooiv 252
f Tfj ZsßaoxEiq xfjg Ag/usviag IA 253
a 6 ^EßaoxovjioXscog 254
ß 6 NixoJioXsiüg 255
y 6 ZaxdXaiv 256
ö 6 Bi]gioorjg 257
f Tfj AjuaoEiq cEXevojiovxov IB 258
a 6 Ajuioov 259
ß ö 2ivd)7ir]g 260
y 6 Tßwgcov ijxoi UijxoXiooijg 261
ö 6 'Avdgdjtoov 262
e 6 ZaXiypv ijxoi AEOvxojioXEOig 263
-j- Tfj Zvgaxovoi] xfjg ZixsXiag IT 264
a 6 Tavgojusviov 265
195 iö aäoSeov 196 <piXadel<ptac 200 avQthovTiöXscoC 207 ovgy.avtdoc 216 f.Qiioxa^oleiac
221 ßaoivovnöXscoc 229 ixodgovrjc 233 rsov 235 :: tfj xa).y_rj8wvt '■: f tfj ialxrjb<x>vi ifjc ßv&rjviac
238 xothnjc 239 kxkvov 246 (iv).dvrjC 248 öahaävdgov 249 IvßqtjC 251 noXvßQvaov 252 Fehler
für itavavcov 259 äftrjoov 261 nrjfiolioatjC 262 ädgäjiojv
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 74
554
266
267
268
269
270
271
272
273
274
275
276
277
ß 6 Meoivrjs
y 6 Axgdyavxog
d 6 Kgoviov
e 6 Advßaiov
g 6 xov Aqetkxvov
£ 6 xfjg IlaroQjiiov
rj 6 xwv Osg/ucöv
§ 6 xov KEcpaXovdiov
i 6 AXiorjg
la 6 Tvvdagiov
Tß 6 MeXetrjs
iy 6 Amdgag
f Tfj Tvdvcov Kannadoxiag IA
a 6 Kvßloxgcov
ß 6 <Pavoxivov7i6A.£(og
y 6 Haoiiiav
f Tfj räyyga xfjg TlafxcpXay oviag IE 282
a 6 'IovvovTcoXecog 283
ß 6 Aadvßgcov 284
y 6 Zojg&v 285
f Tf) GeoaaXovixrj OsooaXiag 2? 286
a 6 Kixgovg 287
278
279
280
281
L
7
ö
6 B£goirjg 288
6 Agovyovßixiag 289
6 xöjv Zsgßicov 290
£
o Kaooavdgsiag 291
Tfj
KXavdiovjioXEi'Ovcogiddog IZ292
a
I
7
6
£
6 'HgaxXäag IIovxov 293
6 Tlgovoiädog 294
6 Tlov 295
6 Kgaxiag 29b
6 AdgiavovjiölEoog 297
t Tfj
NsoxatoagEia Hövxov IIoXe-
/uayviaxov IH 298
a
d KEgaoovvxcov 299
l
7
6 xov TIoXe/ucoviov 300
d Koj/udvcov 301
y.
6_
£
g_
L
ö_
£
g
f Tfj IIioivovvxi xfjg raXaxiag 10
a 6 r£g/uoxoX(ovdag
ß 6 üixavioov
6 Xvvobioiv
6 xov Ayiov Ayamqxov
6 Aoixivov
6 'Ogxioxov
6 SjiaXdag
f Tfj Mvgmv xfjg Avxiag K
a 6 Maoxavgoov
ß 6 Agd^rjg
6 TliöaXelag
6 'Ogvxavöov
6 üvöifxoiv
6 Sxdfxvcov fjxoi xfjg Aylag
t, 6 Ayagaoov
7] 6 AyioöovXov
$ 6 Edvdov
i 6 KmvEcöv
ta 6 Magxiavfjg
iß 6 TXcov
iy 6 Kavdißoov
id o Ohudvöcov
iE 6 Mdxgrjg
ig 6 (PiXijxoiv
iL, 6 <£>oivixü)v
ii] 6 JJgcütvf]g
i& 6 BagßvXaiv
x 6 Tlaxdgaiv
xa 6 Köjußojv
xß o Xco/uaxog
xy 6 0eXXov
xd 6 KogvddXXcov
xe 6 Aogvmg
xg 6 Ilivvdgcov
x£ 6 Tsgyaoov
xr\ 6 Evdoxiddog
x$ 6 Nrjaov
X 6 IlaXioix&v
302
303
304
305
306
307
308
309
310
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335
336
337
338
339
340
278 zvivm 279 mßUnm, 280 yaonavovxöXecoC 286 &eoaXovUn VeoaliaC 290 ßeqß^v
291 Der Schreiber hat aus Versehen Neokaisareia als 17. und Klaudiupolis als 18. Provinz aufgeführt.
292 SvoQiddoc 299 xeooQOvvtav 300 nokeporiov 305 6qvx. 315 ovdfroav 318 aycoöovlco
555
Xa 6 MrjlrjTÖbv
341
Xß 6 Axavöatv
342
Xy 6 Aeßiooov
343
f Tfj jur]TQ07i6Xsi Kagiag KA
344
a 6 Kißvgag
345
ß 6 'HgaxXdag ZaXßdxov
346
y 6 AnoXXojviddog
347
d 6 'HgaxXdag Aaxvjucov
348
e 6 Taßcöv
349
g 6 Adgßwv
350
£ 6 Avxioxdag xijg Maidrögov
351
t] 6 TaTtdooojv
352
& 6 Agndooiv
353
i 6 XeajiöXecog
354
ia 6 'Ogßojoiddog
355
iß 6 AvaxExdgxrjg
356
ty 6 AXaßdvdoiv
357
id 6 XxgaxovixEiag
358
le 6 AXivdcov
359
ig 6 MvXdaaoiv
360
<C 6 MYjCov ijxoi Ajua^tövog
361
it] 6 'Idooov
362
iß 6 BagßvXiov
363
x 6 AXixagvaoov
364
xa 6 Aagvjucov
365
xß 6 Kviöov
366
xy 6 Mcodov
367
xd 6 xov 'Iegov
368
xe 6 Kivögdjucov
369
xg 6 Kegdfxaw
370
f Tfj Aaodixsia <$gvyiag Kanna-
371
riavfjg KB
a 6 T'gajtsCovjioXecog
372
ß 6 Axjuoovlag
373
y 6 £eßaoT£iag
374
ö 6 Xaigoiojioov
375
e 6 Anlag
376
g 6 UeXzcöv
377
t 6 Evfieveiag
378
rj o ZovßXaiov
379
# 6 TIr]/uavovßr]gcbv
380
i 6 TgavovjioXeayg
381
ia 6 Axxavaoqv
382
iß 6 Aovvdov
383
ty 6 Krjdioov
384
id 6 'Qgdxcov
385
te 6 cQglvo)v
386
ig 6 'EXov£rjg
387
it, 6 2vvaov
388
ir) 6 OaipiovTioXecog
389
iß 6 AwxXeiag
390
x 6 Agioxdag
391
xa 6 Oivu>xd>jurjg
392
xß 6 TovoTiviavovnoXeajg
393
f Tfj xcov 2vvddü)v <Pgvyiag
394
ZaXovxagiag KT
a 6 AogvXaiov
395
ß 6 M^öatov
396
y 6 'Yyjov
397
d 6 Axgoirov
398
£ 6 IJgofitjoov
399
g 6 Mrjgov
400
C 6 Sißivdov
401
7] 6 (fivzeiag
402
# 6 TegajioXewg
403
i 6 Kvnagniag
404
ia 6 Avoidöog
405
iß 6 AvyovoxoTioXsaig
406
ty 6 Bgv^ov
407
id 6 Txgov
408
ie 6 Avxdovog
409
ig 6 2x£xxa)giov
410
iC 6 Togdogvviag
411
it] 6 Kaßogxiov
412
r& 6 Aa<pvovdiov
413
x 6 KXrjgojv
414
f T<p Txovico Avxaoviag KA
415
a 6 Avotqojv
416
344 rrjc (tooTiöXeoiC xagei'ac darüber xaglac geschrieben 346 aalßäiov 349 za/xa>v 351 tfjc
fiaiävdgov ist aus Versehen zu 352 geschrieben 354 6 veanohc 355 ogdo&ooiüdoc 358 ozQaxwvixataC
361 äfiäfovoc 362 äaaov 370 xegäßoiv 372 TQa7iei^iovn6).ewC 375 yEQoxöxoiv 393 lovoziavovnölEwc
401 atf/tvdov 411 yoodoorjviac 413 dacpvoöiov
74*
556
ß_ 6
Baoddoov
417
y 6
'AjußMdcov
418
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419
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420
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421
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425
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428
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429
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432
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433
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434
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435
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436
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437
£ 6
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438
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AaoötxEiag xfjg XExavfXEvrjg
439
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£sX£vx£iag xfjg oidrjoäg
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441
ia 6
ZaQ^fjXoov
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Tvjuavdov
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465
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466
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6 TlovyXcov
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f Tfj
Kogiv&co xfjg ÜEXonowr]- 472
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476
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477
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6 Zi]/uaiväg
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6 Matvrjg
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KH 480
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6 Evginov
481
i
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6 IIoq&/uov
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KG 491
a
6 JVav^iav^ov
492
ß
6 KoXoovEiag
493
418 aßläöwv 420 ipißlklwv 426 rjXioxQwv 432 ayakaaov 439 kaodixt'aC 440 oelevxiac 442 CagßrjXoyv
413 Tij/xavgiäöoc 447 ovviavdov 451 6 ^C 452 ßivöeov 467 novXywv 472 xoqivüov ±11 £avxvv&ov
am Rand ^avxvv&ov 478 £t]/j.evac 480 rfj a&tjvwv 484 ävrgov 485 wqqeiov 487 xaglozov 493 xokwviac
557
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ß 6 M£&covt]g 534
y 6 Kogcbvrjg 535
6 6 BoXaifijg 536
f Tfj TgajiEtovvri xfjg AaCixfjg Ar 537
a 6 XEgiävoov
ß 6 Xajudxi^ovg
y 6 Xa%£ov
6 6 IlaijiEg
£ 6 KEga^iEcog
g 6 Asglov
'Q 6 BiQävoov
Tfj Aagioatj xfjg EXXdöog AA
6 Arjjii7]xgiddog
6 0agodXov
6 0a.vuax.ov
6 ZtjXOVVIOV
6 E'QEgov
6 Aoidogixiov
o lgixxrjg
6 "Eyrivov
$ 6 KoXvögov
i 6 2xayä>v
538
539
540
541
542
543
544
545
546
547
548
549
550
551
552
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555
f Tfj Xavndxxw NixonoXsüig AE 556
a
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L
6
6 Bovvöixt,rjg
6 AyxsXqiov
6 'Poycöv
e 6 'Iüiavvivojv
g 6 (Payxixfjg
t, 6 AvögiavovjtoXEOjg
r\ 6 Bo&gojxov
f Tfj <PiX'ai7iov7iöX£i xfjg ©gd-
xrjg A?
a 6 Aya&ovtxEiag
ß 6 AvovxixQrjg
557
558
559
560
561
562
563
564
565
566
567
494 yiagoavov 49G ae'/.Evy.ia 497 y.E/.eviFjjwc 502 oeXtjvovvioC 505 öaXcdvdcov 506 Sixaiaagsiac
511 cpü.uhe'/.tpiac 518 xoiddcov 527 y.ooxovi]C 534 fxadcövTjc 535 qwvijC 544 £ävcov 545 In der
Provinz Larissa hat der Rubrikator vergessen die Artikel beizufügen 550 Qeqov 565 cpihnnovnolinac
558
568
569
570
571
572
573
574
575
y 6 Zxovxagiov
ö 6 Asvxrjg
s 6 BXetixov
g 6 Agajxixt,y]g
f ö 'la>avvvit,üiv
rj 6 Koovozavxiag
& 6 BsXixiag
i 6 Bovxovßaiv
f Tfj TgaXavovnSXEt TodÖTitjg AZ 576
a 6 Aidv [xoxsixov
ß 6 Mdxgijg
y 6 MovotvonoXecos
d 6 'AvaoraoiovnoXecog
e 6 Tlogcov
g 6 Eavdiag
£ 6 Üeqi'&ecoqiov
j Tfj 'Pödcp xwv KvxXddatv vr)
ooov AH
a 6 2dfiov
ß 6 Xiov
y 6 xfjg Kü)
d 6 Nagiag
e 6 Orjgag
g 6 TIdgov
£ 6 Aeqov
r) 6 Trjvov
'■& 6 MrjXov
i 6 Uiovvy\g
f Tfj xcöv (friXiTMOiv MaxEÖoviag AO 595
577
578
579
580
581
582
583
584
585
586
587
588
589
590
591
592
593
594
6 TIoXvoxvXov
6 BsXixsiag
6 XqiaxovTiöXEOig
6 JEjuoXaivcov
6 KaioagoTioXECog
6 AXExxgvojioXscog
f Tfj 'AvÖQiavovnoXei Aljui-
jjidvxog M
a 6 Z<x>t,07i6X£ü)g
ß 6 'Aya-&ov7i6Xea)g
596
597
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y 6 AEßsXxov
d 6 Tganoßit,vr\g
e ö Kagdßov
g 6 BovxeXXov
£ d Ugoßdxov
rj 6 2xojteXov
■& 6 BgvoEüog
i 6 BovXyagocpvyov
1a 6 TCco'idcov
f Tfj 'IeganöXei <Pgvylag Kanna-
xiavfjg MA
6 MexsXXovjioXecog
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f Tfj ZfxvQvrj xfjg Aoiag MF
a 6 <&<x>xiag
ß 6 Mayvrjoiag
y 6 KXatojUEveov
d 6 AgiayykXov
f Tfj Kaxdvjj xfjg ZixsXiag MA
ßgovog VTioxEifXEVog ovx k'oxtv
f Ttö 'Aju-cogicp xfjg $Qvyiag ME
a 6 <PdojurjXiov
ß 6 xov Aoxijuiov
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d 6 IloXvßcüxov
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605
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636
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577 didvfiorolxov 587 xw 595 statt roig QäCnnois 601 xfj ävÖQivovJi6lea>C ai^^vzoe 606 zQa-
zoßiCvt]C 616 ärovdwv 627 ßgoäv 629 /uvgvrj 635 a^ogioi
559
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653
f Tf) Ayia üsm] glvi] rfjg Kala- 654
ßgiag MH
a 6 Ergvdreov 655
ß 6 'Ay.Eoarrlag 656
y 6 KaXXinoXEcog 657
ö 6 xöiv 'AeiovXcov 658
f Tf/ MiTvXrjvr} Aioßov xfjg vrj- 659
o o v M &
a 6 'Egiooov 660
ß 6 ÜTQoyyvXrig 661
y 6 Teveöov 662
ö 6 Bsgßivov 663
£ 6 IlEQTiEQivrjg 664
f Talg Niaig IJargaig xfjg cEXXd- 665
bog N
a 6 Magfiagir^dvcov 666
f Toig Ev%a'iToig 'EXevotiovtov NA 667
a 6 ra£dXa)v 668
ß 6 KovrCtayg&v 669
y 6 2ißixxov 670
ö 6 Bagtavfjg 671
Betrachten wir nun unsere rdg~tg näher. Zunächst bemerkt das Präscript, dass dieselbe
in Folge synodaler Untersuchung festgestellt worden sei, und dass ihre Niederschrift im
Patriarchalarchiv aufbewahrt werde. Die Synode ist diejenige, welche nach Erlass der
öiaTVTicootg nun deren neugeschaffene Ordnung auf sämtliche Suffraganbistümer ausdehnte.
Was die Metropolen betrifft, so sind sämtliche schon in der vorleoninischen Zeit als Metro-
polen nachweisbar1) mit Ausnahme von Eucha'ita. Dessen Inhaber, Theodoros Santabarenos,
der Freund des Photios, wird bei Leons Regierungsantritt ausdrücklich als ug^iEnloxonog
bezeichnet. Als dessen Nachfolger bezeichnet Le Quien einen gewissen Symeon, welcher an
einen Inclusus Johannes einen Brief schreibt mit folgender Adresse: tov öoiov naTgbg fj/xcöv
— riifibv u)]igo7ioX'nov Evyiujcov ejiiotoXJ] Jigog 'Ioidvvrjv j,iovaybv xal syxXEiozov. Indessen
die Zeit diese< Symeon ist völlig unbekannt, und dass er Photios' Zeit angehöre und Nach-
folger des Santabarenos gewesen sei, ist nur eine ganz unsichere Vermutung Le Qiüens.
Santabarenos' Vorgänger, der zweimal den Thron inne hatte, war Euphemianos, ein eifriger
Ignatianer, wie sein Nachfolger ebenso entschieden auf der gegnerischen Seite stand.
Photios' Sturz 886 brachte einen vollständigen Umschwung hervor, und da der neue öku-
menische Patriarch, der kränkliche und junge Prinz Stephanos, offenbar ein ziemlich un-
bedeutendes Kirchenlicht war, kam die geistliche Regierungsgewalt in die Hände des
bewährten Igmitianers und Romfreundes Stylianos Mappa, des Metropoliten von Neokaisareia.
Natürlich nahm Santabarenos' Stelle irgend ein hervorragender Ignatianer ein, und es ist
650 y.otvasiw 654 evgtvt) 658 uiavlcov Nach 660 hat die H8 : teXoc xal
641 f) y.üiiayoC
io &cö döt-a.
') Jahrbücher für prot. Theologie, 1886, S. 535 ff.
2) Le Quien O. C. 1. 546.
560
wohl möglich, dass diesem zu Liebe der Archiepiskopat zur Metropolis erhöht wurde. Uuter
Konstantinos Porpbyrogennetos ist Euchai'ta thatsächlich Metropolis; indessen, dass die Er-
höhung der Kathedra erst unter ihm erfolgt sei, ist wenig wahrscheinlich, da die Nea Taxxixd
sich betreffs dieses Ereignisses schlecht unterrichtet zeigen und Euchaita zu den suffragan-
losen Metropolen zählen, während dasselbe vier Suffragane besass. Ich nehme deshalb au,
dass Kaiser Leon und zwar vor dem Erlass der Diatyposis den Rang von Euchai'ta erhöht
hat. Ist das richtig, so entspricht die Reihenfolge und Zahl der Metropolen genau der zu
Leons Zeiten gültigen und wir dürfen demnach die in unserer Notitia überlieferte Metropo-
liten- und Autokephalenreihe als die durch die Diatyposis festgestellte wirklich ansehen.
Wenn wir nun unsere Liste mit der wenig Jüngern der Nea Taxxixd vergleichen, so zeigt
sich eine wichtige Divergenz in der Autokephalenreihe; in unserer Liste fehlen Kios und
Apros. Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass einfach ein Schreiberversehen vorliegt. Fügen
wir daher diese beiden Städte in die Liste ein, so erhalten wir 51 Autokephalen ; die vea
xaxxixd haben nur 50. Indessen es fehlt sowohl im Coislinianus 209, als im Atheniensis
1374 *)
//.■& fj Zeßaoxovnohg.
Natürlich ist das ein alter Schreibfehler; denn Sebastupolis in Abasgia verzeichnet bereits
der hl. Epiphanios unter den Erzbistümern. Dann aber haben wir genau 51 Metropoliten
und 51 Autokephalen. Es ist sehr wohl möglich, dass dieser Summe irgend ein mystisches
Zahlengeheimnis zu Grunde liegt, wie den 22 Werken Gottes, den 318 Vätern von Nikaea
und den 151 Bischöfen des Patriarchats Antiochien. 'Freilich ist es mir nicht gelungen,
diesen geheimen Sinn zu ergründen.
Im Folgenden vergleiche ich die ßistümerliste mit den parallelen Ueberlieferungen, vor
allem mit dem zeitlich am nächsten stehenden Verzeichnisse der Nea Taxxixd.
Am auffälligsten ist die Abweichung bei der xadedga ngojxö&govog Kaisareia. Die
alten Verzeichnisse kennen fünf Bistümer: 1. Basilika Therma, 2. Nysa, 3. Theodosiopolis,
4. Kamuliana, 5. Kiskisos. Dazu fügt die Ikonoklastenliste Triphylion. Die spätem lassen
dieses und ebenso Theodosiopolis aus und fügen dafür noch hinzu : Euai'sa, Severias, Aratheia
und Aipolia. Alle diese Bistümer mit Ausnahme von Triphylion kehren in unserer Notitia
wieder; sie fügt dann noch hinzu Dasmendron, Aragene, Sobeson , Hagios Prokopios,
Tzamanda und Sh'icha.
y 6 Aaojuevdgov, zu lesen ist Aaojuevdov. Strabo XII 540 C: öqiov <5' eoxi xov
IJovxov xai xfjg Kannadoxiag ögeivfj xig nagdlh-jlog xcö Tavgw, xijv dgxrjv e'xovoa and xwv
ionegiojv äxgojv xfjg Xajujuavt]vfjg, £>' fjg idgvxai ygovgiov dnöxo[xov Aaopevda. Vgl.
auch Ramsay, Asia minor S. 290: „Dasmenda is exactly the sort of form that might be
modied by later pronunciation into Tsamandos". Indessen Ramsay selbst sagt, dass die topo-
graphische Fixierung von Dasmenda durch Strabo eine Identifikation der beiden Städte
verbiete. Dass dies richtig sei. beweist unsere Notitia, welche beide nebeneinander aufführt.
d 6 'Agagadeiag ijxoi Kdoi^g. Natürlich ist 'Agiagadelag zu lesen, vgl. Steph. s. v.
'Agiagäßeia- TiöXig nlrjoiov Kannadoxiag and Agtagädov , Kannadoxiag ßaodevoavxog,
yajußgov Avxiö%ov. Der zweite Name kommt bei Konstantinos Porphyrogennetos vor,
]) Er gehört allerdings erst dem XVII. Jahrundert an, ist aber aus einer vom Coislinianus unab-
hängigen Vorlage abgeschrieben.
561
-welcher erwähnt, dass unter Leon vom Kappadozischen zum Thema Charsianon geschlagen
wurden : f\ xovQfxa Kaofjg ig oXoxXyjqov xal i) xonoxrjQ^ola Nvootjs fxexd rfjs Kaioagslag de
admin. 50 S. 226, 1. Da Ramsay Ariarathia mit Tzamandos identifiziert, will er in Arathia
(Ararathia) Arasaxa sehen, a. a. 0. S. 306 ; Ariarathia gehört nämlich sonst zu Melitene ;
indessen damals lag diese Eparchie in partibus, sodass eine Zuteilung seines westlichsten
Suffragans zu Kaisareia wohl denkbar ist.
ta ö 'ÄQayevyg ijxoi Mdvdcov. Der erste Name ist wahrscheinlich aus 'Eßdytjva i)
Zeßdyyva Ptol. V 6, 15 verschrieben, vgl. Ramsay a. a. 0. S. 305, wo er es mit Evagina
der Tabula Peutingeriana (heute Suwagen) identifiziert. Ueber den zweiten Namen vermag
ich nichts beizubringen.
iß 6 Zoßeoov, wahrscheinlich identisch mit Symposion, xb de Zvfxnöotov r\v eQtiuia
Jigög xd /usqi] xfjg Avxavöov naQaxeifxevov . Constantin de admin. 50 S. 227, 8. Unter Leon
wird es zur KXeioovQa erhoben und Ismael als Kleisurarch hineingesetzt. Allein durch
einen Angriff der Araber von Melitene wird es aufs neue zerstört. Indessen einer der
tüchtigsten dortigen Grenzführer, der Armenier Melias, der später Patricius und durch Kaiser
Konstantin erster Stratege des neugeschaffenen Themas Lykandos wurde, bringt Symposion
wieder in seine Gewalt und macht es zum Mittelpunkt einer Turma. exQaxrjoe de xal xb
2v /AJiöoiov , noirjoag avxb xovqixo.qi6.xov. Constantin 1. c. 228, 12.
ly 6 xov 'Ayiov TlQoxoniov. Der sonst unbekannte Ort ist nach dem im kappa-
dozischen Kaisareia verehrten Prokopios benannt. AASS Juli T. II d. 8 S. 577.
ib 6 T^aLiävöoiv. Einer der wichtigsten Plätze des neugeschaffenen Themas Lykandos.
Diese ganze Region bildete einen Teil des zwischen dem Kaiserreiche und dem Chalifat sieb
hinziehenden Oedlandstreifen : eQrjfxog yaQ fjv (f) Avxavöbg) xb TiQÖxeQov xal äoixtjxog xäxetvi]
xal f] xalovLievi] T^ajuavdbg xal xä ov/unaQaxeiLieva jueQt] xcbv 'AQjueviojv. Constant. de themat.
I S. 32, 17 ff. Noch unter Leon erhält der Distrikt eine starke armenische Besiedelung und
wird zur Kleisura erhoben eben durch Melias: xb nakaibv xoloxqov xi]v Avxavöov exQaxrjoe,
xal exxioev avxb xal d)xi'Qonoir]oe, xal exeloe exa&eo&i], xal d)vo/udo&rj naQa Aeovxog xov
(pdoxQioxov ßaodeojg xXeioovQa. xal juexd xovxo öiejieQaoev dxcb Avxavöov elg xb ÖQog xfjg
TCaiiavöov, xdxeioe xb vvv bv xdaxQov exxioe' xal (hoavxmg xdxelvo xXetoovQa exaXeixo.
Const. de admin. 50 S. 228, 7 ff. vgl. Ramsay a. a. O. S. 291 ff.
Die Stadt blühte mächtig empor. Unter Basileios Bulgaroktonos wird die wichtige
Stadt von Bardas Skieros nach einem Siege über Bardas Phokas genommen. Dabei schildert
Skylitzes ihre Bedeutung: nöXig ök f\ TCa/uavÖög h dnoxQijjuvq) nexQa xeifxevrj, noXvdv&Qcn-
Tiog xal nXovxq) JieQißQV&iqg. tjvxiva naQ"1 exövxoiv Xaßcbv xwv evxonaov nXovxov ovveXeg~ev
ovx öXiyov. Cedren. II 423, 20 ff.
Syrisch-monophysitische Bischöfe der Stadt erwähnt Michael der Syrer in seiner Chronik.
1. Unter Johann VI. (954 — 950): Jacques metropolitain de Simnadou. wo die arabische
Uebersetzung eine verkehrte Lesart hat und
2. unter Johann VII. (965 — 985): Basile metropolitain de Simnadou.1)
Die Landschaft war vorzugsweise von Armeniern bevölkert. Darum gab Konstantin Dukas
dem mediatisierten König Gagik von Kars Camndav als Lehen: ev thagavorn Tuläz tayr
nma z Cammdav. „Und der Kaiser Tukiz gab ihm Camendav." Mattheos Urhaci II S. 181.
') J. B. Chabot. in Revue de l'orient chretien 1899, S. 508 und 510.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. ,1. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 75
562
Jerusalem 1869. In den Kriegen der Seldschuken mit Romanos Diogenes zieht sich der in
Melitene kommandierende General nach Tzamandos zurück. övvi]&goiof.i£vr]v k'%a>v xrjv
oxgaxiäv iv reo xov T'Qapavxov ö%vga')[iaxi. Michael Attal. 121,22. Seit dem Zusammen-
bruch der griechischen Herrschaft fiel sie in die Gewalt der Danischmende, welchen sie der
Sultan von Ikonion 1168 entriss. % nmin ami ear Hlic Aslan zKesaria ev zCamndav
yordvocn Danismanay. »In demselben Jahr gewann Hlic Aslan (Kilidsch Arslan) Kesaria
und Camndaw von den Söhnen Danisman's." Michael Syrus Ausg. v. Jerus. S. 458. Auch
bei Barhebräus wird die Stadt als OyiVum Simndü mehrfach erwähnt, vgl. 197, 312 u. s. f.
ie ö 2igi%ä über Siricha (Sirica — Zägiya — Zigi%ag — 2igä%ag) vgl. Ramsay a.a.O.
S. 218 und 312. Es ist identisch mit der osßao/uia naxgiagxixr\ juovi], fj EmxExXrj fXEvrj rov
Zvgi%ä, welche der Metropolis Melitene unterstellt ist. Miklosich und Müller, Acta patriar-
chatus I, 46, S. 84. In der Zeit der Verödung Melitene's war Siricha Kaisareia unterstellt
und jetzt zum Klosterbistum erhoben worden.
Wie taucht diese ephemere Fülle von Bistümern im östlichen Kappadozien auf, die
ebenso plötzlich wieder verschwindet? Denn die spätem Redaktionen, bereits die unter
Konstantinos Porph3rrogennetors, kennen diese Bistümer nicht mehr. Es handelt sich um
eine Kolonisation im grossen Stile. Leon wollte das Oedland wieder bevölkern. Die Aus-
führung dieses Planes wurde einer für die kolonisatorischen, wie die militärischen Aufgaben
der Grenzverteidigung geradezu geschaffenen und genial veranlagten Persönlichkeit, dem
Armenier Melias, übergeben. Er gründet die Klisuren Lykandos, Tzamandos, Symposion
und wird später für seine Verdienste von des Kaisers Sohn mit Patriciat und Strategie
belohnt. Ueber die Art der Kolonisation spricht sich Konstantin (de Them. I, S. 33,10) in
wahrhaft klassischer Weise aus: ,o yovv 7igo?.£x&slg MsMag ix xovxov xov jzoXejuov diaoco-
•&Eig xal Tigbg xi]v xäiv Agjusvia)v x(^Qav ändgag, zvcpiri-jg d)v xal ngbg Xyoxovgyiav ßagßagi-
xr\v imxrjöeiog, ovjujuoglav xivä xcöv Ag/usvlojv ävaXE^dfXEvog, xal xavxrjol xfjg TioXEOjg xt]v
äxgav xaxoxvgcooag d>g tjdvvaxo, xal xaxä fiixgbv Jigo'ioov öXrjv d>g eItieXv xr\v noXiv xov
jixw/uaxog fjyeigs, xal ngoßalvovoa im xö ngoa&EV näoa fj xdyga juEoxrj ysyovs xwv 'Agfieviatv,
xovgoxgöqpog ovoa äya§rj xe xal mnoßoxog xal Jiavxotaiv ßooxrjjuäxojv Eig xgoyijv imxrjdeiog.
diö xal fis/ua xaxa)vofxäo&ij xal sig oxgaxrjyiöa n£gidog~ov ävt'jx'dij onovörj xovxovt xov MeXiov
xov xgaxaiocpgovog." So wird hier in der ehemals menschenleeren Wüste grossartige Weid-
wirtschaft eingerichtet und einträgliche Viehzucht betrieben. Skylitzes ist achtzig Jahre
später des Lobes voll über den grossen Reichtum der Stadt Tzamandos. Dies ist übrigens
nur eine Episode aus der sehr ausgedehnten Besiedelung der Ostmarken durch tapfere,
armenische Grenzer. Barhebräus chron. Syr. S. 200 meldet unter Nikephoros (963 — 969):
Hisce temporibus quum Romani Arabibus praevalerent, et diripiendo omnia usque ad
Armeniam maiorem pervenissent, Armenorum illi qui metu, ne ab Arabibus propterea quod
Christiani essent, vexarentur, aufugerant, in fines Romanorum se contulerunt. Romani
dederunt illis Sebastiam in Cappadocia, unde cum numerus eorum valde auctus esset,
miserunt qui arcibus ab Arabibus captis praesidio essent. In Omnibus expedi-
tionibus hi quoque Armeni pedites cum Romanis exierunt, prospere plerumque pugnantes.
In der vorzugsweise armenischen Nationalität dieser Kolonisten sehe ich auch den Grund
des baldigen Eingehens dieser kappadozischen Bistümer. Als Nikephoros Melitene mit Syrern
bevölkerte, dauerte es nur kurze Zeit, bis die üblichen Unterhaltungen über die Bedeutung
der Beschlüsse von Chalkedon begannen. Ebenso war es auch im Thema Lykandos. Eine
563
der ersten Obsorgen des allerf'röm nisten, christusliebeuden Kaisers Leon war, in diese neue
Provinz , gottliebende " Bischöfe zu senden, und so entstanden Kathedralen zu Dasmenda,
Symposion, Tzamandos u. s. f. Die armenischen und syrischen Chroniken klagen bitter über
die Quälereien der orthodoxen Bischöfe ihren Glaubensgenossen gegenüber. Allein es muss
auch hinzugefügt werden, dass die Monophysiten, vorab die sehr eigenwilligen und gewalt-
thätigen armenischen Fürsten durchaus nicht mit christlicher Ergebenheit die Misshandlun"-en
der griechischen Glaubensinquisitoren hinnahmen. Einen besonders eifrigen Prälaten, den Metro-
politen Markos von Kaisareia, Hess König Gagik 1066 in einen Sack stecken und auf greu-
liche Weise zu Tode prügeln, und doch war dieser armenische Fürst mit Ehren, Geschenken
und Lehen vom byzantinischen Kaiser überschüttet worden. Das Thema Lykandos hat eine
vorzugsweise armenische Bevölkerung. An der Spitze steht ein Volksgenosse, 6 xQarai6<pQ(ov
Melia;. Jedenfalls hat er, als Kaiser Konstantin Lykandos zum Thema erhob und ihm die
Leitung übertrug, dafür gesorgt, dass die von des Kaisers Vater eingerichtete, für die
armenische Bevölkerung völlig überflüssige Staatshierarchie wieder geräuschlos verschwand.
So erklärt es sich, dass in den Nea TaxTixd neben den alten Bistümern Nysa, Basilika
Therma, Kamuliana und Kiskisos nur Euaisa, Severias, Aratheia und Aipolia aufgezählt
werden. Die anderen wurden stillschweigend aufgehoben; es handelt sich um eine ver-
krachte Gründung, wie solche in der Kirchengeschichte nicht selten vorkommen.1) Ganz
fehlt Theodosiopolis-Karin (Erzerüm). Später begegnet uns dasselbe als antiochenische
Metropolis. Damals war Kälikalä arabisch.*)
Viel kürzer kann ich mich bezüglich der Suffraganverzeichnisse der meisten übrigen
Metropolen fassen. Ein Vergleich mit den Nea Taxzixä zeigt, dass beide Listen einen
vielfach identischen Bistümerbestand wiedergeben. So stimmen die Suffragane von Ephesos,
Herakleia, Ankyra, Kyzikos völlig überein. Kleinigkeiten, wie Umstellungen einzelner Städte
und Abweichungen in den Namensformen erwähne ich hier nicht. Von Sardes übergeht
unser Verzeichnis Mesotymolon, Hierokaisareia, Dalde und Stratonikeia; ersteres fehlt auch
in den Nea Taktika. Da aber Epiphanios alle vier hat, so ist gar kein Zweifel, dass in
beiden Handschriften nur Schreibernachlässigkeiten vorliegen. Ebenso fehlen in Nikomedeia
6 'Adgavov; und 6 Kaioageiag nur durch Ausfall einer Zeile. Umgekehrt haben die Nea
Taktika das Bistum Koloneia in der Provinz Armenia II nicht; da es schon Epiphanios
hat, ist hier eine Auslassung des Schreibers zu konstatieren. Sonst ist alles in Ordnung
bis auf die 13. Provinz Melitene, welche durch Syrakus ersetzt ist. Melitene war seit dem
Beginn des VIII. Jahrhundert im Besitz der Araber, und seitdem als Malatia die wohl-
gehütete Grenzfeste Mesopotamiens. Zwar hatte 751 Konstantin Kopronymos den wichtigen
*) Man denke an die deutschen Bistümer Buraburg und Erfurt, das Erzbistum Piacenza in Italien,
Lichfield in England, Laybach in Oesterreich u. s. f.
2) Der Armenisierung von Lykandos, Tzamandos folgte die von Kilikien auf dem Fusse. In den
Tagen des Katholikus Chacik (971—990) wurden in Kilikien zahlreiche armenische Bistümer Tarsos,
Lulua u. s. f. gegründet. Stephanos Asolik III, 31. Daraus erklärt sich die Gründung des rubenidischen
Königtums ganz ungezwungen, waren doch die Anherren dieser Dynasten Lehensträger der in Tzamandos
residierenden, mediatisierten Armenierkönige. So verdankt das armenische Volk seine Palingenesie in
Kilikien in erster Linie der Kolonisationsthätigkeit der energischen römischen Regierung unter den
makedonischen Kaisern. Was unter Leon und Konstantin ein Melias, ein Orestes und zahlreiche andere
arme, aber tapfere armenische Prinzen zu Stande brachten, war ein Werk, welchem eine geschichtliche
Dauer von 600 Jahren bestimmt war.
75*
564
Platz genommen, aber nicht zu behaupten vermocht. Die Stadt blieb arabisch bis 927.
Die diadoxtf der Bischöfe in der Eparchie Armenia I hörte vollkommen auf. Es ist sehr
bemerkenswert, dass von den Suffraganen Melitenes nach dem Quinisextum (693) keiner
mehr nachweisbar ist. Das Land war teils völlig verödet, teils von Monophysiten 1) und
Anhängern des Islam bevölkert. Bereits die um 780 abgefasste Notitia der Ikonoklasten
kennt die Eparchie nicht mehr; sie war offenbar aus den Verzeichnissen ausgemerzt.2) So
ist denn durch die Synode Syrakus mit seinen Suffraganen an die Stelle von Melitene ein-
gewiesen worden, während im Metropolitenverzeichnisse Melitene noch figuriert.
v. 20. la 'Enag^iag 'Ag/ueviag a 6 MeXiT^vrjg.
Die Spätem, welche in solchen Dingen leidlich exakt sind, hätten geschrieben:
ta 'Enagyiag üixeliag 6 Zvgaxovorjg, xal xbv rönov ijiexcov rov Mehryvijg.
Die armen Sizilianer waren freilich auch sämtlich in partibus. 868 war Malta, 878
Syrakus, 901 Rhegion und 902 das letzte Bollwerk der Griechen auf Sizilien, Tauromenion
den Fatimiden erlegen. Die Prälaten des Eilands lebten als Titulare und Pensionäre
des Kaisers in der Hauptstadt; ihr Oberhaupt genoss den hohen Ehrenrang des Metropoliten
von Melitene und war nun ngcöxog xcbv dvrixcbv, da sogar das glänzende Thessalonike zwei
Plätze tiefer sass. Offenbar hat man die Kirchenfürsten der von Ostrom so hartnäckig
verteidigten und nur unter tiefem Schmerze aufgegebenen Insel in ähnlicher Weise ent-
schädigt, wie 693 die flüchtigen Bischöfe von Kypros, die man in die Eparchie Kyzikos
einwies.
Sehr bemerkenswert ist, dass das einst so hochangesehene Thessalonike, die vornehmste
der westlichen Metropolen, erst den 16. Platz einnimmt, was weder der frühern, noch auch
der spätem Bedeutung der Stadt entspricht. Es hängt dies mit der Slawisierung der Halb-
insel zusammen. Die Notitia der Ikonoklasten zählt nicht weniger als 19 Suffragane auf;
jetzt hat sie nur fünf; nur einer (d Kixgovg) ist aus der alten Liste übernommen; zwei
haben antike Namen (6 Begoirjg und 6 Kaooavdgsiag); die beiden letzten (6 Agovyovßixetag
und d Zegßiaw) sind Neugründungen auf dem eben erst den Slawen abgerungenen Gebiet.
Thessalonike, das gerade damals den Sarazenen erlag (904), war eben bedeutend von der
Höhe seines alten Glanzes herabgestiegen.
Unter den folgenden Eparchien sind die beiden letzten Bistümer von Laodikeia
bemerkenswert. Die Nea Taxxtxd v. 1494 bieten
xa 6 Oivox(6/M]g ijtot 'Iov-
xß oziviavoimolecog. 3)
Unsere Notitia hat:
xa 6 Olvoxcojurjg
xß 6 'Iovoriviavovjiokecog
1) Die Reihenfolge der syrischen Bischöfe von Melitene ist sehr vollständig: Daniel Bischof und
Thomas Metropolit unter Patriarch Dionysius I. (818 — 845), Elias Bischof unter Dionysius II. (897 — 909),
Johann Bischof unter Johann IV. (910 — 922), Gregorius Bischof unter Basilius (923 — 935), Johann Metro-
polit unter Johann V. (936—953), Elias Metropolit unter Johann VI. (954—956), Ezechiel Metropolit
unter Dionysius III. (957—961), Ignatius Metropolit unter Johann VII. (965—985).
2) Vgl. de Boor, Zeitschrift für Kirchengeschichte, 1894, S. 576.
3) Ich bemerke übrigens, dass der die N£a Taxnxä gleichfalls enthaltende Codex Athen. 1374 (XVII S.)
beide Bistümer getrennt aufführt, sodass vielleicht im Coislinianus i/toi nichts als ein Versehen ist.
565
Also zur Zeit der Synode waren beide Bistümer noch getrennt; später, unter Alexander
oder Konstantin wurde die Union vollzogen; aber in den Nea Taxuxd ist noch in der Zahl
ein Rest der alten Ordnung erhalten. Die folgenden Eparchien sind mit den Nea Taktika
identisch; auch die neueingereihten Westmetropolen Korinth und Athen mit ihren zum Teil
ganz modernen Bistümern. Unsere Notitia ist für dieselben das älteste Zeugnis. Bei
Seleukeia fehlt 6 Zßidrjg, der letzte Bischof, wohl nur durch eine Nachlässigkeit des
Schreibers. Mit den Eparchien Larissa, Naupaktos, Philippupolis und ebenso später Dyr-
rachion befinden wir uns auf grossenteils slavischem Boden ; die neu errichteten Bistümer
mit ihren barbarischen Namen sind Belege für das siegreiche Vordringen des Romäertums
gegenüber diesen Stämmen. Die Eparchie Rhodos endet noch in alter Weise mit Pisyna;
die drei in den Nea Taktika erscheinenden Bistümer: Nisyra, Ikaria und Astypaläa sind
demnach nach unserer Synode im ersten Viertel des X. Jahrhunderts gegründet worden.
Während in allen Eparchien unsere Handschrift entweder eine ältere oder dieselbe
Ordnung mit den Nea Taktika zeigt, ändert sich das vollständig bei der 46. Eparchie,
Kam ach.
Codex 522 der Bibliothek des
Metochion v. 630 ff.
f Tf) Kauäycp M-t
a 6 KeXe^rjvfjg
ß 6 'AgaßgUHCOV
y 6 Bag'Qavioorjg
6 MeXov
6 MeXov k'regog
6 'PcojuavovjioXeojg
Nea Taxzixd v. 1748 ff.
M? Tfj Kajuä%cp 'Agfxeviag
a 6 KeXiT^ivfjg
ß 6 Agaßgäxwv
y 6 Bag^avloorjg
ö 6 MeXov
e 6 MeXov srsgog
6 tov Trjklov
d
e
£
l
t] 6 Bag^aviooqg fjroi QaXovdorjg
Die Annahme ist ausgeschlossen, dass etwa die Bistümerliste der Nea Taktika unvoll-
ständig sei; zwar hat der Codex Athen. Nr. 1374, welcher den Bischof des ersten Melos
übergeht :
6 6 MeXov ETsgog
e 6 'PcouavovjiöXecog
g 6 TovtiXiov.
Aber das beweist nur, dass auch diese junge Handschrift der Nea Taktika hier inter-
poliert ist. Dasselbe gilt von der Metochionhandschrift von Leons Notitia, die ja überhaupt
erst dem XVII. Jahrhundert angehört. Denn die aus der Regierung des Kaisers Johannes
Tzimiskes stammende, wertvolle Motitia des Codex Nr. 1374 Athen kennt für Kamachos
genau dieselben Suffragane, wie der Coislinianus der Nea Taktika. Ich zweifle demnach nicht,
dass in dieser Eparchie der Codex nachträglich überarbeitet worden ist, wovon sich sonst keine
Spuren finden. Die Gründung der Eparchie Kamachos ist Leons eigenstes Werk. Wie er das
Thema Lykandos durch den Armenier Melias kolonisierte, so hat er durch den kleinen
Fürsten von Tekes, Manuel und seine vier Söhne, welche in Ostrom zu den höchsten Ehren
gelangten, das Thema Mesopotamien organisiert: rö i)i &6/ua trjs MFaoTTOTa/uag ov jzoXr-
566
Xgöviöv ioziv, ovde fieya xi r\v xal Jiegtßörjxov, äXXä xXeioovgd xig avdivvfxog xal äxaxovo-
juaoxog. im de xcöv fifxegä>v Aeovxog xov aoidifxov xal oocpaixdxov ev ßaodevoi ngooecpvye
naygaxovxag exelvog 6 Agtueviog xal Uovxglxag xal Tavxovxag ol äöeXcpol avxov, xal
jiageda>xav xä exeToe xaoxeXXia, xal enXaxvvd-i] 6 xojiog xal eyevexo elg övo/xa oxgaxyyldog.
Constant. de themat. I, 30, 21 ff. Karaachos, bisher eine Turma des Thema Koloneia und
Keltzene, eine des Thema Chaldia, wurden zu dem neuen Thema geschlagen, dessen Umfang
dem der geistlichen Eparchie Kamachos entspricht. Wenn wir die einzelnen Bischofsitze
örtlich fixieren könnten, hätten wir höchst wahrscheinlich den Umfang des Themas Meso-
potamia unter Leon und im Beginn von Konstantins Regierung ebenfalls bestimmt. Kamachos
und Keltzene sind bekannt. Arauraka liegt auf der Strasse von Satala nach Melitene,
Ramsay, Asia Minor S. 275. Barzanissa, welches auch <Pag£äviooa geschrieben wird, kann
vielleicht mit dem vom hl. Basileios erwähnten Wallfahrtsort Phargamus kombiniert werden,
den Ramsay (a. a. ü. S. 314) in Klein- Armenien sucht. Die beiden Melon sind mir unbe-
kannt. Für die drei letzten Eparchien giebt der Redaktor der Notitia die richtigen Suffra-
gane; denn die vier Bischöfe, welche er Euchai'ta unterstellt, gehören wirklich zu dieser
Metropolis und nicht zu Neai Patrai, wie Ramsay meint1). Das Richtige hat bereits
de Boor gesehen. Die vier Namen lauten allerdings sehr barbarisch : Gazala, Kutziagros,
Sibiktos und Basiane. Allein Gazala hat bereits Ramsay2) mit Gazeion kombiniert und für
den letzten Namen hat Codex Athen. 1371 richtig Kagiavrjg = Kägiooa, dessen Lage zur
Metropolis Euchai'ta wohl passt; vgl. Ramsay a. a. 0. S. 248, 259. So ist also Euchai'ta
eine richtige Metropolis mit ihr unterstellten Bistümern. Die übliche Fassung:
xolg Ev%atxoig 'EXevotiovxov
■&gövog vjioxeljuevog ovx k'oxi
ist ein uralter Fehler, der zuerst in den Nea Taktika auftritt.
Ich glaube in dem Bisherigen bewiesen zu haben, dass unsere Handschrift nach Aus-
scheidung der oben erwähnten Interpolation die echte Notitia ist, welche nach der
Proklamierung von Leons Diatyposis von der Synode hergestellt wurde. Damit ist auch
ihre Entstehungszeit in ziemlich enge Grenzen gewiesen. Leon der Philosoph und Nikolaos
Mystikos haben gemeinsam nur 901 — 907 regiert; in diese Epoche müssen also der Erlass
der Diatyposis und die Abhaltung der Synode fallen, deren Ergebnis unsere Provinzial-
ordnung gewesen ist.
Unserer Notitia stehen zeitlich am nächsten die Nea Taxzixd, welche ich Georg. Cypr.
v. 1111 — 1774 herausgegeben habe. Eine etwas jüngere Bearbeitung liegt im Codex
Athen. 1374 (S. XVII) vor. Ich kann mich über diese Notitia ganz kurz fassen, da vieles
in Betracht kommende bei der Notitia des Kaisers Leon bereits erörtert worden ist. Die
Metropolitenreihe hat hinter Eviaixa zum Schluss noch die beiden Städte Amastris und
Chonae, welche in der Zwischenzeit zwischen dem Erlass von Leons Diatyposis und der
Konzeption der Nea Taxxixd errichtet worden sind, vgl. v. 1163 ff.
va xä Eviaixa
vß f] "Ajuaoxgig
vy al X(7)vai
*) Wenn er Asia Minor S. 324 schreibt: these four bishoprics belong to the Peloponnesus, so ist
das eine momentane Verwechslung von Patrae und Neae Patrae.
2) a. a. 0. S. 323.
56 7
Dagegen hat die Beschreibung der Metropolen mit ihren Suffraganbistümern folgenden
Schluss, dem man die Eilfertigkeit des nachträglichen Zusatzes ansieht:
NA ToTg Evyaixoig 'FAevotcovxov
&Qovog VTioxeijuevog ovx eoxi.
NB Tfj 'A/LiäoTQidi xov Uövxov.
NT Tcöv Aofxooodxoiv.
NA AI Xöbvai.
Die Erwähnung von Asmosata zwischen Amastris und Chonae fehlt im Metropolen-
verzeichnisse; die Richtigkeit dieser Angabe wird aber bestätigt durch die um ein halbes
Jahrhundert jüngere Notitia des Codex Athen. 1372, welche an beiden Stellen das später
wieder verschwundene (weil wieder arabisch gewordene) Asmosata bietet. Offenbar gehört
die Errichtung dieser Metropolis derselben Zeit an, wo auch das ephemere Thema xov
Aojuoodxov errichtet wurde; Constantin. de admin. 50, S. 226, 41). Allein aus Konstantins
Bericht geht nicht mit Sicherheit hervor, ob diese Einrichtung noch unter Leon stattfand,
oder erst unter seinem Sohne. Das letztere ist wahrscheinlich. Mit Sicherheit können wir
nur sagen, dass die Errichtung des Themas und der Metropolis nach 899 fällt; denn die
auf dieses Datum gestellte Akribologia des Philotheos2) kennt die Themata XoCävov und
Aop.oa6.xov noch nicht. Auch die Erwähnung der Metropolis Chonae hilft uns nicht weiter;
Konstantin scheint derselben zu gedenken (de Them. I, S. 24, 9) ; aber bezüglich seines
Werkes über die Themata können wir lediglich sagen, dass es nach 934 geschrieben worden
ist. Auf denselben Zeitpunkt für die Abfassung der Nea Taktika führt uns eine andere
Betrachtung.
Melitene hat aufs neue seinen Rang als Metropolis erhalten, und seine Suffragane
treten wieder an die Stelle von den syrakusanischen. Damit fällt die Abfassung der Notitia
frühestens in 927, wo die Römer siegreich in Melitene einzogen, oder nach 934, wo sie
die Stadt eroberten und zerstörten. Mit der Neubesiedelung des entvölkerten Landes hatte
es freilich noch seine guten Wege; von den alten Städtenamen sind neben der Hauptstadt
nur Kukusos und Arke fernerhin nachweisbar; Arabissos' Bedeutung war auf das benach-
barte Albostan übergegangen4), und dort wird auch der Bischof residiert haben, wie heute
der Metropolit des verödeten Ephesos in Manissa. Man kann demnach annehmen, dass die
Nea Taktika etwas vor 940 abgefasst worden sind.
l) Der Name findet sich ausser bei Georg. Cypr. v. 1473 t&v 'Aatioadron- nur noch Codex Athen. 1372
fol. 482v 6 zov 'Aautoodrov und fol. 488v 6 äö/xcuv. Der Redaktor der Georg den Kyprier enthaltenden
Sammelschrift, der Armenier Basileios, hatte keine Ahnung, dass er dieselbe Stadt schon v. 950 als
Aoaafiovoäzotv mit dem alten, klassischen Namen aufgeführt hatte. Offenbar kannten diese Menschen
nur das armenische ASmuiat, das sie, so gut sie es eben vermochten, gräcisierten. Ganz ähnlich ge-
braucht auch Konstantinos Porphyregennetos für das klassische 'Av£m]vi/ das armenische Xav£U de admin.
226,5 und 227,5 = Hancith. Die Stadt Arsamosata-Asmusat muss übrigens recht blühend gewesen sein.
Michael Syrus zählt im IX. und X. Jahrhundert fünf Bischöfe von Arsamosata auf.
'2) Krumbacher, Byz. L.-G. S. 255 setzt dieselbe in 900, allein das Datum September des Welt-
jahres 6408 und III. Indiktion führen auf 899. Rambaud, 1' empire grec au X siecle S. 176 setzt das
Werk in 916; er rechnet also nach der Aera des Annianos, wie Theophanes; indessen das verbietet die
beigeschriebene dritte Indiktion.
s) Rambaud a. a. O., S. 165.
4) vgl. Ramsay. Asia minor S. 227; St. Martin. Mimoires sur 1' Armenie I, S. 192.
568
III. Eine Notitia aus der Zeit des Kaisers Johannes Tzimiskes (969—976).
Unter den Handschriften der Nationalbibliothek zu Athen habe ich noch eine Be-
arbeitung der Notitia Leons des Weisen gefunden, welche jünger, als die Nea Taktika und
älter, als die längst gedruckte Revision von Leons Ordnung durch Alexios Komnenos ist.
Es ist das Codex Nr. 1372 der Nationalbibliothek in Athen1) Grossfolio 488 Bl.
prachtvolle Schrift. Auf Bl. 1 findet sich in schlechter, zum Theil schwer lesbarer Schrift
eine Zuschrift ngöc xov xvQidgyrjv xfjg nagovorjc legäc ßlßXov jugonoXlxrjv TganeCovvxoc
xvgiov Acogö&eov mit der Unterschrift :
äjurjv <C qyjq(" Noe/J, :
f 6 xcöv eiXi]xgiveoxdxa)v xaxd nva
avxfjc vicov iXd%ioxoc
oovjue?urr]C . . . . 2) 6 xgane^ovvxioc
Auf der Rückseite hat der frühere Bibliothekar die Bemerkung eingetragen : edtogrjd)]
xfj e-&vixfj ßißXiodijxi] nagd xov xvgiov Xg. F. *PaXXJ] xf] 8° ixaiov 1857' änb xov XElQ°-
ygdcpov de xovxov jigofjXfiev y\ exöooig xov ^Evvxdy jxaxog xcöv &eicov xal legwv xavövcov
vnb xöiv aeipLvv]ax(av F. A. 'PdXXrj xal M. UoxXrj.
Darauf folgt das ßißXiov xov vojuoxavovov bis Bl. 474r ; hier steht die Subscriptio :
bandvr\ xal ev%f] xov Jiaviegojxdxov juov av&evxov xal öeotiÖxov /urjxgojioXixov xgajie£ovvxog
xal vjiegxifxov xvgiov da>go&eov elXrjcpe xeg/.ia xö Jiagöv vofioxdvovov xaxd xö qxpo& ocoxrjgior
exoc, iovviov xa did %£igöc i/uov xXrj7iavxovc fjXia xov vixoXdov xavxiXoyXrj xgam£,ovvxiov.
f. 475 r folgt ein Anhang:
xpfjcpog ixcöv xov xoojuov dxgißr/g
ferner die üblichen Verzeichnisse der Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien,
Jerusalem und Rom.
f. 479v Verzeichnis der Kaiser von Konstantin bis Michael Paläologos.
f. 480v Die Hohepriester in Israel u. s. f.
f. 48 lv Die Römischen Kaiser von Cäsar bis Diokletian.
Endlich f. 482r— 488v unsere Notitia.
Für die griechische Arbeitsweise ist es charakteristisch, dass die hochverdienten
Kanonisten Rhallis und Potlis zwar den Nomokanon dieses Codex ihrer Ausgabe zu Grunde
legten, aber obgleich sie im Zvvxayjua auch die Notitiae epp. herausgaben, lieber dafür
Goars elende Drucke wiederabdruckten, statt die im eignen Besitz befindliche hochwichtige
und unbekannte Notitia zu veröffentlichen.
Dieser erst 1779 angefertigte Codex enthält eine sehr alte und interessante Notitia.
Auch hier hat der Schreiber Nikolaos Kantilogli ohne Frage eine viel ältere Vorlage, sei
es der Metropolis Trapezunt, sei es des Panagiaklosters von Sumela kopiert.
*) Ungenügende Beschreibung bei I. xal A. Zaxxnkimv xaräkoyog x&v xeiQoyQäyaiv TV? i&vtxfjg
ßißXto&r)xris xrjg 'Ekkädog. Athen. 1892, S. 249.
2) Den Namen vermochte ich nicht zu entziffern.
569
Um die Zeit dieser Notitia zu bestimmen, genügt die Anführung des Metropolen- und
Autokephalenverzeichnisses. Ich habe deshalb vom Abdruck der ganzen Notitia abgesehen,
um nicht unnötigerweise nahezu identische oder vielfach verwandte Texte stets aufs neue
vorzuführen.
Td£ig xcov naxgiagyicöv
'0 KojVOXaVXlVOVnÖXsOJg
cO 'AXetgavdgeiag
cO 'Avxioysiag
cO 'hgoooXvincov
cO cPu>/uijg
Tdg~ig xcov vnoxEtjuevcov /xrjxgonoXecov xco änooxoXixcp xal
naxgiagyixco ftgövcp rfjg ■&socpvXdxxov xal ßaaiXiöog Kcov-
oxavxivovnöXeog'
IJqo de xovxov xeivxai al ovo dgyiemoxonai'
'O BovX^yagiag
'O Kvngov
'Enagyiag Kannaboxiag
'Enagyiag 'Aoiag
Enagyiag Evgcbnrjg
'Enagyiag EaXaxiag
'Enagyiag EXXi]onovxov
Enagyiag Avdiag
'Enagyiag Bifivviag
"Enaoyiag zfjg avTfjg
Enagyiag rfjg airtfjg
Enaoyiag üa/KpvXiag
Enaoyiag "Ag/ueviag
'Enagyiag EXevonövxov
'Enagyiag 'Agfxeviag
'Enagyiag Kannaboxiag
'Enagyiag IlacpXayoviag
'Enaoyiag OexxaXJag
'Enagyiag 'OvcoQlddog
AI fxr^xgonoXeig.
a 6 Kaioageiag
ß 6 Erpioov
y 6 'HgaxXeiag
b 6 'Ayxvgag
e 6 Kv^ixov
g 6 Zdgbecov
C ö Nixofxrjöeiag
7] 6 Nixaiag
"& 6 XaXxi]dovog
i 6 2Üdi]g
la 6 ^eßaoxsiag
iß 6 'Afiaosiag
ty 6 MeXix^vfjg
tö 6 Tvdvaiv
te 6 Eayygön'
ig 6 &£ooaXovixt]g
i£ 6 KXavdiovnöXiEüjg
'Enagyiag Efövxov nfoXejuayviaxov irj 6 Neoxaioageiag
'Enaoyiag EaXaxiag i$ 6 Lliaoivovvxcov
'Enaoyiag Avxia; x 6 Mvgcov
'Enaoyiag Kaoiag xa n 2xaVQOV7l6Xecog ijxoi Kagiag
'Enaoyiag <Pnryiag Tlaxaxiavfjg xß 6 Aaobixeiag
'Enagyiag 'l'oryia; 2.aXorxagiag xy 6 2wäd(OV
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
1 natßiaQxetäv 22 Der Schreiber hat aus Versehen i.-zag/jac oeßaazeiac irjc äg/uviac geschrieben
24 Der Schreiber hat ägfteviac nachträglich hinzugesetzt.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wisa. XXI. Bd. III. Abth. 76
570
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
Enagyiag
Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
'Enagyiag
Täfig xöjv dgytsnioxoncöv ai
xeivxa
'Enagyiag Evgojni-jg
'Enagyiag ElatpXayovlag
'Enagyiag 'loavglag
'Enagyiag lPodoni]g
'Enagyiag Bidvvlag
Avxaovlag
TLiooidlag
naju<pv?aag
neXonovviqoov
EXXdöog
Kannadoxlag
2!e?i£vxelag
KaXaßglag
IleXonovvrjoov
Aa'Qixr\g
EXXdöog
NmonoXewg
Ogdxrjg
Pod6ni]g
vvjocov Kvx.X6.bwv
Poöonrjg
AljUl/lOVXOV
(pgvylag Ilaxaxiavfjg
JEixeXlag
TaXaxlag
'Agfievlag
(pgvylag
KaXaßglag
Aeoßov xfjg vr\oov
EXXädog
xb 6 xov 'Ixovlov
xe 6 'AvTioyelag
xg 6 üegyrjg ijxoi ZvXalov
xt, 6 Koglv&ov
xr\ 6 'Adi]vcöv
xd 6 Ma>xtoov
X 6 2/A,vgvr}g ijxoi 2eXevxelag
Xa 6 xov 'Pqylov
Xß 6 Etaxgcöv
Xy 6 TganeCovvrog
Xd 6 Aagloorjg
Xe 6 NavnäxTOV
Xg 6 <PiXinnovn6Xea)g
XC 6 TgaiavovnöX.sojg
Xi] 6 'Pööov
X& 6 (friXlnnov
fx 6 'AdgiavovnoXeoig
/ua 6 'IeganoXeoog
jxß 6 Avggaylov
fxy 6 Kaxdvrjg
/liö 6 xov 'A/uoglov
fie 6 Ka/xdyov
jug 6 Koxvatov
juC 6 xfjg Aylag 2eßrjglvag
jurj 6 MirvX/jvrjg
juft 6 Nsodv IJaxgööv
v 6 Evya'ixoiv
va 6 'Afxdorgidog
vß 6 tov 'Ao/bLü)odtov
vy 6 Xojvwv
vö 6 cYdgovg
ve 6 KeXxL,i]vov ijxoi Kogx^evcov
vg 6 xov Tagcöv
xqp avxo) xfjg ßaoiXldog vnö-
i fipovco'
a
6 Bit,vr\g
ß
6 IIofin}]iovn6Xeo)g
y
6 AsovxonöXiEOjg
ö
6 Magoivelag
£
6 'Ana/uelag
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
41 cefovxiac 42 ijiagxiac y.alaßytac zov Q-qyiov Xa 6 xalaßglac 53 Der Name der Eparchie
fehlt 61 Die neuen Eparchien sind sämtlich namenlos 65 IÖqovc 66 xiXxl.ivov 66 xoqtCsvöv (!)
67 6 ToviaQov 70 jio^noiojiölscoC (!)
571
'Enagyjag Podönrjg
g 6 Ma^ifxiavovnoXeoig
74
'Enagyjag FaXaxiag
C 6 tcöv Eegjuiwv
75
'Enagyiag Evgoonrjg
i] 6 'Agy.adiovnökeayg
76
'Enagyiag cEXXi]onovxov
# 6 xov Ilagiov
77
'Enagyjag Kagiag
i 6 MiXtjxov
78
'Enagyiag Nrjoov
ta 6 Ugoixovvrjoov
79
'Enagyiag Evgd>ni]g
iß 6 2i]Xv/ußgtag
80
'Enagyiag vijoov Aeaßov
ly 6 Me&v/xvrig
81
'Enagyiag Bt&vvlag
iö 6 Kiov
82
'Enagyiag Evgconrjg
iE 6 'Angaiv
83
'Enagyiag
ig 6 xov 'Povoiov
84
'Enagyiag Podonqg
i£ 6 KijuyäXaiv
85
'Enagyjag
ii] 6 eYögovg
80
'Enagyiag
i$ 6 Nlxrjg
87
'Enagyiag
x 6 NeanöXeajg
88
'Enagyiag
xa 6 2eXyr}g
89
'Enagyiag Zixyiag
xß 6 Xegocövog
90
'Enagyjag Evgd)nt]g
xy 6 Meoivrjg
91
'Enagyiag
xd 6 FagteXXoiv
92
'Enagyjag
xe 6 Bgvoeayg
93
'Enagyjag
xg 6 Aigxov
94
'Enagyjag
xC 6 Zeggcbv
95
'Enagyjag
xij 6 Kagaßi^vyg
96
'Enagyjag
x$ 6 Ajjjtivov
97
'Enagyjag
X 6 Aevxädog
98
'Enagyjag
Xa 6 Orjßcöv
99
'Enagyjag Avxaoviag
Xß 6 Mio&iov
100
'Enagyjag
Xy 5 KoXioveiag
101
'Enagyjag 'Agfxeviag
Xd 6 IIi]bay$6r\g
102
'Enagyjag
Xe 6 Ködgo)v
103
'Enagyjag
Xg; 6 2a)xi]giovn6X.Ea>g
104
'Enagyjag
XC 6 Koxgaöiag
105
'Enagyjag
Xi] 6 rEg/irjg
106
'Enagyjag Zixyiag
X& 6 Boonoga)v
107
'R-ragyJag Poöonrjg
ju 6 Al'vov
108
'Enagyjag
/ua 6 'Po'ivov
109
'Enagyjag vijooiv KvxXAöüiv
juß 6 Kagnä&ov
110
'Enagyjag
f.iy 6 £ovydiag
111
'Enagyjag Ai/iujuövxov
fid 6 Msaij/ußgiag
112
'Enagyjag
fit o Ioxßiag
113
'Enagyjag
ii g 6 'PovXXcov
114
77 .-raoeiov 78 /.irjUrov 79 itQvxovirfoov 80 avXifißgiag 8G idgoiic. Von hier an fehlen
grossenteils die Namen der Eparchien in der Handschrift 99 {hj/iäv. (!) 112 ijfiift.
76*
572
'Enagyiag p.'Q 6 Alyivcov 115
'Enagiiag fxrj 6 Kegxvgwv 116
'Enagyiag p-d 6 ^»agadXaov 117
'Enagyjag v 6 Maxgdyoiv ijioi Ztxyiag 118
'Ejxagyiag va 6 T'Qi/j.evov ijxoi KogxXyvrjg xal 119
KeXx^vjvrjg
Dieser Text liefert zu seiner nähern chronologischen Bestimmung folgende Anhalts-
punkte :
1) Melitene und seine Suffragane gehören wieder zum griechischen Reiche; das führt
uns in eine spätere Zeit als 934.
2) Sehr auffällig ist, dass die beiden autokephalen Erzbischöfe von Bulgarien und
Kypros hier als dem ökumenischen Stuhle unterstellt erscheinen. 927 bei der Vermählung
der Prinzessin Maria, der Tochter des Kaisers Christophoros, mit dem bulgarischen Caren
Peter war der bulgarische Patriarchat ausdrücklich als autonom anerkannt worden : x)
Aajutavög iv AoiqooxoXco tfj vvv Agi)oxq (l. Agioxgq), Iq? ov xal y BovXyagia xexiju))xai
avToxecpalog' ovxog Jiaxgidgpjg ävi]yogev&i] nagä rfjg ßaoiXaxfjg ovyxXiqxov xeX&voei xov
ßaoiXsajg cPa)jnavov xov Aaxamqvov' voxe.gov de xa&yjgedy) nagä xov 'Icodvvov xov Tfefiioxt].2)
Die Absetzung des Damianos trat ein, nachdem Johannes Tzimiskes 972 Drster (Silistria)
den Russen entrissen hatte. Dristra blieb ein mit besonderen Privilegien ausgestattetes
autokephales Erzbistum ; offenbar hoffte die griechische Regierung damit die geistliche Herr-
schaft über die Bulgaren zu erringen ; ganz ähnlich hatte einst Kaiser Maurikios auf
römischem Boden einen Katholikos der Armenier eingesetzt. Allein die unter Persien
stehenden Armenier wählten ihren Gegenpatriarchen. So tnuss man sich auch die bulgarischen
Verhältnisse denken. Unter dem autonomen bulgarischen Erzbischof zu Dristra standen nur
die dem Reiche einverleibten Donaubulgaren ; Makedonien und der Westen blieben unabhängig
und hatten ihren eigenen Patriarchen, der erst in Vodena und Prespa3) und dann in Ochrida
residierte. 9G5 war endlich auch Kypros zurückgewonnen. Es ist charakteristisch für das
kirchenpolitische Regierungsprinzip der Oströmer, dass sie damals nicht davor znrückscheuten,
auch diese uralte autokephale Kirche unter den ökumenischen Patriarchat zu beugen. In-
dessen das waren nur ephemere Velle'itäten. Schon unter Basileios IL, der möglichst die
alte Ordnung wiederherstellte, hat Kypros zweifellos seine Autokephalie zurückerhalten. Die
Schicksale von Dristra sind dunkel; im XL Jahrhundert wird es als einfache Metropolis
Konstantinopel unterworfen; indessen damals gehörte Ochrida zum Reich. Es lag also kein
Grund mehr vor, ein autonomes Konkurrenzerzbistum zu fördern. Diese Ausnahmsstellung
von Kypros und Bulgarien weist deutlich auf Tzimiskes Zeit hin.
3) Unter den Metropoliten figuriert hinter Chonae Hydrus :
vy 6 Xeovcöv
vd ö 'Yöoovg
117 (paQod?J.a>v 119 xoqi£iv)]C. Htlzt,ivT]C.
1) Jirecek, Geschichte der Bulgaren, S. 172.
2) Le Quien, 0. Chr. II, 290.
3) Nach dem Katalog; nach Kaiser Basileios II. erst in Triaditza, dann in Wodena und Miglena,
hierauf in Achrida, B. Z. II, S. 44.
573
Hydrunt erhielt Metropolitanrecht durch den Patriarchen Polyeuktos auf Anweisung des
Kaisers Nikephoros hin, also zwischen 963 und 968. *)
4) In 968 fällt die Eroberung von Antiochien durch die Griechen, nachdem die Stadt
328 Jahre in den Händen der Ungläubigen gewesen war. Dieses glänzende Ereignis hat
seine Spuren, wie ich glaube, in unserer Notitia hinterlassen. Die 30. Metropolis wird
nämlich folgen dermassen bezeichnet:
'EjiaQxiag ZeXevxeiag X 6 Zfxvgvr-jg ijzoi ZeXevxeiag
und in der Beschreibung der Bistümer:
"Enagyiag 2eX£vxeiag X 6 2/uvgvrjg
a 6 Mayvijotag xfjg ävrjXiov
ß 6 (Pcoxelag
y 6 xov 'Ag-/ayye,Xov
In Leons Ordnung und den Nea Taktika war die 30. Metropolis Seleukeia mit seinen
23 (22) Suffraganen, das in unserer Notitia in etwas formloser Weise durch die 43. Metro-
polis Smyrna ersetzt wird. Woher diese Veränderung?
Dies erklären uns die Aussagen der Griechen auf der sg. VIII. ökumenischen Synode 879.
Als die päpstlichen Legaten ihre Rechte auf Bulgarien geltend machten und die Herstellung
der alten Patriarchalgrenzen beantragten, antwortet Prokopios, der Protothronos von Kai-
sareia 2) : iXm£o/UEV etg xovg olxxig/uobg xov dsov xal eis rfjv evoeßeiav xcöv ßaodeoiv f/jucbv
xöiv äyicov oxi 6 deög aTroxaxaoxijoai e%£i xfj ßaoiXeia avxov xu ag%aTa ogia xal 7idoi]g
xijg vq ' f}A£q> xr)v fjvioyjav. xal eneiöäv xovxo yevrjxat, xoxs xadcog av xö xgdxog avxov
ßovXi]df], diaoxeXET zag ivogiag xcöv äg%iegaxixcdv •&g6va>v tooxe /urjxexi egidag
iv avxolg ävatpveoftai. Das ist nicht etwa, wie man meinen könnte, eine höhnische
Vertröstung ad calendas Graecas für die päpstlichen Legaten, sondern von den Griechen
durchaus ernsthaft gemeint. Genau, wie mit dem Papste, waren die isaurischen Kaiser auch
mit dem antiochenischen Patriarchen verfahren ; sie hatten die Diözese Isaurien von seinem
Sprengel losgerissen und zu Konstantinopel geschlagen, getreu ihrem Grundsatze, dass kein
auswärtiger geistlicher Oberer in das römische Reich hineinzuregieren habe. Jetzt hatten
sich die Verhältnisse geändert. Seit 968 gehörte der antiochenische Stuhl wieder zum
Reich; ganz natürlich, dass man gemäs den von Prokopios von Kaisareia proklamierten
Grundsätzen auch „die Grenzen der oberpriesterlichen Throne" neu ordnete. Isaurien kam
wieder unter Antiochien und blieb es von da an. In den aus dem XI. Jahrhundert stam-
menden Notitien von Antiochien erscheint auch Seleukeia wieder als SufFragan. Noch heute
figuriert dieser Sitz in der Liste von Antiochien, allerdings mit Tarsos uniert. 3) In den
Li>ten des XI. Jahrhunderts erscheint freilich Seleukeia wieder, aber gewöhnlich ohne
Suffragane. Unterdessen war Antiochien erst an die Seldschuken, dann an die Kreuzfahrer
verloren gegangen. Der orthodoxe Patriarch von Antiochien verzehrte sein Gnadenbrot in
der Reichshauptstadt; damals wird man zur Erhöhung des Glanzes des ökumenischen Stuhls
') Jahrbücher für prot. Theologie 1886, S. 537.
2) llsmsi XVII, 488.
3) 6 Tagaov xal 'Abävotv, vTikgziaog xal l'g~agyog jzgojzr/g xal Sevzegag Kiuxiag xal zbv zonov sxiycov
ZeXevxelag zi'/g 'Iaavglag. Tu h> zgijoet ovvzayftäziov. Konstantinopel 1896, S. 10.
574
wieder einen Metropoliten von Seleukeia i. p. aufgeführt haben, wie man auch die längst
unter normannische Botmässigkeit geratenen Metropoliten von Sicilien und Unteritalien
weiterführte.
Wir können demgemäs die Konzeption unserer Notitia in die Regierung des Kaisers
Johannes Tzimiskes (969 — 976) verlegen.
Dieser Epoche oder der seiner unmittelbaren Vorgänger gehören demnach wohl auch
die ausser dem schon besprochenen Hydrus neu errichteten Metropolen und Autokephalien an :
Metropolen :
vö 6 'Ydgovg
ve 6 KeIt^ivov f'jTOi Koqt'Qevwv
vg 6 rov Tagcöv
Autokephalien:
jurj 6 Keqkvq(dv
ju& 6 (pagoäXmv
v 6 Margd%ü)v r\roi Ziy.%iag
va 6 T'Qi/j,evov ijroi Kogx^ivfjg xal KEXr'Civijg.
Hier begegnen uns ganz ephemere Schöpfungen. So die Metropolis Tarön. Ueber
deren Entstehung ist Konstantinos Porphyrogennetos' Bericht tieqI rtjg %dbgag rov Tagwv
(de admin. 43, S. 182 ff.) heranzuziehen. Nach vielerlei Verhandlungen mit den dortigen
Fürsten schon unter Leon und Romanos, dann unter Konstantin selbst, wobei dieselben
möglichst viel Revenuen, Domänen und Titel von der oströmischen Regierung herauszu-
schlagen versuchten, wurde Tarön mediatisiert, d. h. zur Strategie gemacht, aber wie es
scheint, von den einheimischen Prinzen verwaltet, die sich gegenseitig aufs bitterste be-
fehdeten. Tornikios vermachte testamentarisch sein Fürstentum (rrjv yd>gav rov 'AjioydvE/u
ijioi rö fAsgog rov nargimov TogviyJov a. a. 0. S. 190, 22) dem römischen Kaiser, der es
nun in unmittelbare Verwaltung nahm. Allein er verständigte sich bald mit den durch
dieses Testament benachteiligten Vettern des Tornikios und gab ihnen das Land zurück,
dafür im Tausch Olnutes empfangend: xal öeöcokev avroig fisv rl]v %d>gav rov 'Ajioyävsju
rov i^adslcpov avröjv, avrbg de äv£Ä.dßsro ro 'Oh'ovrrjv fXErä ndoi]g rfjg Jisgiftcögov avrov
a. a. 0. S. 191, 8. Tarön kam wieder an sein angestammtes Fürstenhaus. Die zur Zeit der
Strategie Tarön eingerichtete Metropolis Tarön verschwand wieder von der Bildfläche, wie
Asmosata. Tzimenu ist offenbar identisch mit T^ovfxivd Tzumina, welches als Justianupolis
an die Stelle von Bazanis-Leontopolis getreten war (s. unten). Procop. de aedif. 256, 22.
Sein Name Justinianopolis war wieder vergessen. Sonderbar ist die Union von Kortzene
und Keltzene mit diesem Erzbistum, da nach der Notitia gleichzeitig die Metropolis Keltzene-
Kortzene bestand. Es handelt sich offenbar um eine ephemere Schöpfung ohne Bestand.
Aus dieser Zeit besitzen wir auch eine Redaktion von Leons Diatyposis z. B. im
Monacensis 380 fol. 528 unter dem Titel : rdftg rcov fa]rgo7i6XE(ov y.a&cog iv rtö %agro<pvlay.£icp
dvayEygajixai. Die Liste endigt:
/jirj i) cAyia Zsvrjgiva vß y "Ajuaorgig
jliv1 f] Mirvhp'i] vy al Xcövai
v al Necu Tldrgai vb i) 'Ydgodg
va rd Ev%dira ve ■)) Kekeaivrj.
575
Darauf folgt die xd£ig xcöv äQ%iemoxo:x(bv , welche einfach die Namenreihe von Leons
Ordnung und den Nea Taktika wiedergiebt, während Cod. Athen. 1872 ganz richtig die
unterdessen zu Metropolen erhobenen Städte Amastris und Chonai weglässt. Zum Schlüsse
bietet sie :
u§ fj ZeßaoxövjioXn;
v fj Al'yiva
va fj Kegxvqa
vß xd (Pägna^M
vy xd Tafxäxaqia.
Darauf folgen : Kai öooi ev hxdoxi] {,irjXQ07i6Xei imoxeivxai figovot, beginnend mit den
Suffraganen von Kaisareia und endigend mit denen von Euchai'ta. Hinter 6 Baoiavfjg bietet
er : xelog xcöv iujxqotxoXscov xal xcöv uQ^ieixioxoncov xal xcov imoxojxcöv. Dieser dritte Teil
ist also einfach Leons Ordnung ohne irgendwelche Berücksichtigung der in der Folgezeit
eingetretenen Veränderungen.
Einer wenig Jüngern Epoche entstammt die Notitia, welche in sehr zahlreichen, zum
Teil mit Jüngern Zusätzen vermehrten Handschriften erhalten und am bequemsten in Not. III
bei Parthey (S. 101 — 131) zugänglich ist. Das Metropolenverzeichnis endigt mit Keltzene
und Koloneia.
T(p KehCi-jvrjs ovv t(p Kogx'Qtjvf] xal Taowv
(es folgen die Suffragane von Keltzene)
T(p KoXaiveiag figövog imoxeijuevos ovx soxi.
Die zahlreichen bis in die Zeit des Alexios Komnenos noch errichteten Metropolen,
welche zum Teil gleichfalls Suffragane hatten (Theben, Hydrus, Kiew) werden nicht ferner
eingereiht. Nur ein aus älterer Quelle herübergenommener, für die Alexioszeit gar nicht
mehr zutreffender Anhang beschäftigt sich mit den von Rom und Antiochien losgelösten
Eparchien ; endlich findet sich in gewissen Handschriftenklassen ein im XIII. Jahrhundert
angefertigter Zusatz über Kussland. Wenn wir von diesen Zusätzen absehen, haben wir als
Grundtext eine mit Koloneia abbrechende Eparchienbeschreibung, welche kurze Zeit nach
der Notitia des Codex Athen. 1372 muss abgeschlossen worden sein. Um einen lediglich
approximativen Ansatz zu geben, setze ich sie gegen 980.
IV. Die Erweiterung der östlichen Eparchien des Romäerreiches.
Die allmählichen Veränderungen, welche die kirchlichen Eparchien des Ostens durch-
machten, geben uns ein anschauliches Bild von dem siegreichen Vordringen der Oströmer
unter Romanos Lekapenos, Nikephoros Phokas, Johannes Tzimiskes und Basileios II. Bul-
garoktonos. Der Errichtung der Themata Lykandos, Mesopotamia, Chozanos, Asmosata u. s. f.
entspricht die veränderte Circutnscription der Eparchien Trapezus, Kamachos, Melitene und
Keltzene. Dies muss im Einzelnen dargelegt werden.
Wir betrachten zuerst die Diözese von Trapezunt.
576
1.
Trapezunt.
Codex des Metochion des h. Grabes
522 = Nova Tact. v. 1641 ff.
Co
dex Athen. 1372
Jung
ere Fassung
Tfj TgajiE^ovvxi ri]g
'0
TgaTiE^ovvrog
Aa^ixfjg
a 6 Xegidvcov
a
6 Xajuar^ovv
a
c
o
Xsgidvcov
ß 6 Xa/ndr£ovg
l
6 Xsgidvojv
l
0
Xafxov^ovg
y 6 XaXlov
y
ö XaXgov
7
e
o
XaXaiov
6 6 üaiTiEQ
d
6 ITaiTiEg
6
e
o
üälTlEQ
e 6 Ksgajuecog
£
6 KeQCLfJiiüw
£
c
o
KEgajUEdiv
g 6 Asgiov
g
6 Aegsiov
g
e
0
Asgiov
£ 6 BiQdvoiv
l
6 Bi^dvcav
l
0
BiQdvwv
V
6 MavavdlEiog
V
c
o
Zaxdßov
#
6 Zagivdxcov
&
o
rov Xaßr£l£ov
t
6 Avbdxov
i
c
o
rov XavrUg^
ia
6 Meoovvfj
ia
0
rov 'OXvovrrj
iß
6 Xa%mov
1
c
o
rov <Paoiavfjg
ty
6 ^axdjuov
ty
c
0
rb ZEgfidr^ov
tö
6 rb Xaßr'Qirt,iv
id
c
0
'Avddxoov
IE
6 rb XavzisgC
6 rb 'OXvovzqv
ö <&aoiavrjg
6 rb Zsgfxdvr^ov
IE
c
0
Zagivdxcov
ig
V.
ZU
1. zu ß: Xa,uovCÖQ, Xa/uovCov; ,
Xaᄜov&, Xa/^idrCovQ.
y : Xay&atov, Xayatov.
ZU
■>] : 2axäft
ov, Haxdßmv.
zu
#: 6 i
'OV
%avz£iz£r], 6 zoyaß-
zt,Lzt,ov.
zu
i: 6 iö xavneC , 6 zo%avzieg£,
6 ToyavriEQOvg.
ia:
6 zoovkvötov , 6 zovXvovzov,
6 ZOV
ovlvovzov.
tyi
£sQ(iavz£ov. id: ävddxzcov.
te:
£agi/idxwv.
Trapezus hat ein kirchlieh sehr bewegtes Leben geführt. Einst war die Metropolis
Phasis der Landschaft Lazike mit ihren vier Bistümern zum Patriarchat Koustantinopel
gezählt worden; Trapezus war damals Suffragan von Neokaisareia, später autokephal. Die
Landschaft Phasis (Eger), welche früher in nahem Vasallenverhältnis zu Ostrom gestanden,
und in dessen Burgen römische Soldaten die Grenze gegen Persien gehütet hatten, war seit
dem Arabereinbruch unabhängig geworden. Nun führte Trapezus den Titel einer Metropolis
von Lazike; sein Sprengel entsprach dem Thema Chaldia. Leider sind zahlreiche Namen
nicht näher zu bestimmen.1)
J) „Hiezu kommen noch ungefähr ein Dutzend unbekannter, zum Teil barbarisch klingender Namen,
welche in der Kirchengeschichte des Orients als eben so viele Sitze von trapezuntischen Suffragan-
bischöfen aufgezählt werden . . . Keine Landkarte, kein Geograph weiss von diesen Ortschaften zu er-
zählen oder ihre Lage zu bestimmen." Fallmerayer, Geschichte des Kaisertums Trapezunt, S. 301.
577
Von dem alten, bereits leoninischen Bestand sind drei Ortschaften auch sonst bezeugt:
1. 6 Xeotdvwv: einer der chaldischen Waldkantone. Ueber die Lage Fallinerayer
in Abhandlung der K. Bayer. Akademie d. W., hist. Klasse, 1844, IV. 2, S. 86. üeol de
xov avxbv /ufjva xov, gaity k'xovg ixoxgaxsvoag 6 dovl; XaXöiag, 'Icodvvrjg 6 Kaßaaixrjg, dnrjX'&E
xal imaae xrjv Xegiävav xal rjx/uaXwxevoev avxtqv. Michael Panaretos, oxeqI xcöv xfjg Tgorne-
Covvxog ßaadecov 18 bei Fallmerayer a. a. 0., S. 26.
2. üaiTieQ, auch Uä'imQT, IlatjieQxe, IlamsQxiov Theophan. Const. 404, 7 = Cedren. II,
302, 8; Michael Panaretos 13, 28, 29. BaißsQÖcov Procop. de aedif. 253, 15. Armenisch
Baberd, heute Baiburt. St. Martin memoires I, S. 70. Alishan, der Führer durch Gross-
Armenien (arm.) 68.
3. 6 BtCävcov (6 'Iovoxiviavbg) Ieqov recogyla) xqp /udgxvoi iv Bi£avo7g edeljuaxo.
Procop. de aedif. 254, 3.
Justinian hat drei Meilen davon in Tzumina die Stadt Justinianupolis gegründet
(Procop. de aedif. 256), wohin auch der Bischofsitz verlegt ward. Demnach ist die Stadt
identisch mit Justinians Bazanis. Novell. 31 xoiyagovv xsooagag elvcu TiEJionqxajXEv Ag/usvtag,
xijv juev ivboxdxr\v rjg f] juqxQOTiofag xfj xfjg Evosßovg fjfxcöv TiQoorjyoQiag xexoojutjxai, jiqoxeqov
Ba^avlg (v. 1. Be£avlg) ijxoi AeovxojioXig xaXovjusvt], rjvjieo xal dvdvnaxeiq xexifxfjxafxev.
Nach Justinian ist Justinianupolis identisch mit Leontopolis- Bazanis; indessen die genauere
Angabe des Prokop trifft zweifellos das richtige. Die Rechte der jioXig Leontopolis-Bazanis
giengen auf Tzumina-Justinianupolis über; sie wurde eine der sieben civitates von Armenia I,
während Bazanis zur x(b}ir\ herabsank. Die Lage hat Tomaschek bestimmt (bei Pauly-
Wissowa u. d. W. Bizana), indem er darunter den Vorort des armenischen Distrikts Derdzan
(Derxene) erkennt, der noch heute Vdzan1) heisst. Die drei Nachbardistrikte haben also
jeder seinen Bischofsitz: 1. Derdzan: Bizana; 2. Ekeieac:Keltzene (wozu später noch Tileion
und Lykopotamia kamen) und 3. Darauali: Kamach. Daraus erklärt es sich auch, dass
zeitweise (680) die Bistümer von 1 und 2 uniert waren. QeodcoQog iXiqj &eov iitloxonog
xfjg 'IovoxtviavovjioXixcöv JcbXeojg ijyovv xov xXt/uaxog 'ExxXev^ivfjg. Mansi XI, 635. Späterhin
hiess Bizana einfach „die Bischofstadt". 'Ioxeov bxi iv xqp fis/uaxi AeqC^vfjg Jilrjoiov xov
%ojqiov xd Samxiov xal xov itäoiov xov övof.ia£ojuevov 'Enioxojieiov eoxi nr\yr] u<pßav ava-
bibovoa. Constaut. Porphyr, de adinin. 53 S. 269, 15. Irrig setzt übrigens Tomaschek die
Gründung des Bistums erst in 1018; das Bistum als Suffragan von Trapezunt ist mehr als
200 Jahre älter.
Die Vielnamigkeit dieser Orte einerseits und die Namensähnlichkeit ganz verschiedener
Orte hat mehrfach Verwirrung angerichtet.
Mattheos Urhayeci I 65, S. 111 Jerusalem erzählt, dass Kaiser Konstantin Monomachos,
nachdem er das Königtum von Ani eingezogen hatte, den mediatisierten König Gagik mit
den Städten Kalon-pelat und Bizu2) entschädigt habe. Kedrenos (II 559,6) hat: Kaxixiog..
ixdyioxQog xijutjüelg xal "/ayqia noXvnQÖooba xaxd xe Kannabox'iav xal xov Xaqoiavbv xal
xov Avxavbov (Atxavboöv) eiXrjcpcbg. Das beweist, dass Bizu nichts mit Bizana-Vdzan zu
thun hat, das im Thema Mesopotamia liegt. Sehr ansprechend ist Ramsays Vermutung,
*) Der Ort ist auch eingetragen auf der Karte Armeniens von P. Alishan. Venedig 1849.
2) Eigentlich Pizu. westliche Orthographie.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 77
578
dass dieses Bizu die xojjui] Biöavij sei = Leontopolis Isauriae, heute Siristat. Asia Minor
S. 370. Dadurch kommen natürlich seine Kombinationen mit Bizana Prokops in Wegfall.
Zu den sieben leoninischen Suffraganen Trapezunts kommen nun noch eine ganze Reihe
in der Folgezeit errichteter Bistümer, sodass in der Notitia aus Tzimiskes' Zeit sich die
Bistümer auf 18 belaufen; später sind es nur noch 15. Indessen eines 6 Xakaiov ist nur
ein Doppelgänger, da es bereits unter dem alten Bestand figuriert. Nur in der Tzimiskes-
Liste finden sich dagegen die beiden Bistümer 6 Mavavdhcog und 6 Meoovvfj.
4. Mananali ist eine der Provinzen von Hoch-Armenien. Moses Chor, zählt es
zwischen Ekeleac (Akilisene) und Derdzan (Aeg£r]vrj) auf. Aristakes Lastiverci (S. 50 Aus-
gabe von Vendig 1844) erzählt, dass die Einwohner des Gaues vor den eindringenden
Seldschuken nach der Festung Smbataberd flohen. Diese wird auch der Sitz des Bischofs
gewesen sein.
5. Meoovvfj ist unbekannt. Thomas Arcruni S. 251 Ausgabe von Patkanian erwähnt
einen Ort Mecnunikh, wofür Incicean, storagruthiun S. 212 die handschriftliche Nebenform
Mecunikh anführt. Er behauptet auch (freilig irrig), dass es ein Bischofsitz gewesen. In-
dessen diese Stadt kann nicht Suffragan von Trapezunt gewesen sein, da sie in Waspura-
kan liegt.
6. 6 xov 'OXvovxrj. Diese Burg mit der umliegenden Landschaft empfieng Kaiser
Konstantin Porphyrogennetos im Tausch von den taronitischen Prinzen für den römischen
Teil von Tarön ; avxög de äveläßero xb Ovh'ovnqv juexä ndorjg xfjg 7iegi%tögov avxov de
admin. 43 S. 191,7, vielleicht Olty in Transkaukasien, im Gebiete von Kars (?).
7. 6 xov <Paoiavfjg: elg xonov xöv Xeyo/uevov <Pa.ota.vfjg Constant. de admin. 199, 15.
Der Kaiser erzählt, wie die Saracenen die dortigen Kirchen in Burgen verwandelten, bis
unter Leon dem Philosophen der Patricius und Strategos des Thema Armeniakon Lalakon
mit den Strategen von Koloneia, Mesopotamien und Chaldia die Burgen brach und die
Kirchen befreite, Irjiodjuevog xal Tiäoav xr-jv <Paoiav}]v xip xoxe xaigrß vjio xcöv JZagaxrjvcöv
xgaxovfxevtjv a. a. 0. 199, 10. Auch die nachfolgenden Kriegszüge unter Leon und Romanos
brachten die Landschaft nicht definitiv in die Gewalt der Römer. Dagegen kennt es die
Notitia unter Tzimiskes. Nach 950 wird also das Bistum entstanden sein. Bei den
Armeniern erscheint es als Basen, eine der Landschaften der Provinz Ayrarat. Die übrigen
Bistümer werden zu den zahlreichen Schlössern der Provinz Taykh gehören. Freilich die
von den Armeniern überlieferten Namen klingen in keiner Weise an die griechischen an.
8. 6 xov Seg judvx^ov : oxi 6 xglxog ädeXcpog xov 'Anooeßaxä xal xov 'AnoXeocpover
6 'AjiooeXjuyg exgdrei xo xdoxgov xov T£egfiax£ov fiiexä xal xcöv loigioiv avxov xal avxög
vjiexdyr] xcö xcöv 'Pcofxalaiv ßaodel. Constantin de admin. 44 S. 194, 7 ff. Die Erwähnung
neben Xfadx, "Ag£eg, 'AkxCixe und Mavxt,ixiegx macht eine Lage im Süden wahrscheinlich.
Dann ist es wohl identisch mit gavarn koseceal Dzermandsor, or e masn erJcrin Mokac.
„Der Gau genannt Dzermandzor, welcher ein Teil des Landes Mogkh (Moxoene) ist."
Thomas Arcruni S. 279 Patkanian. Wenn dies richtig ist, hat das Kastron Tzermatzu
nichts mit dem trapezuntischen Bistum zu schaffen.
9. 6 Zagivdxojv: Mattheos Urhayeci II 145, S. 300 Ausgabe von Jerusalem erzählt,
dass Alusian, der Herr von Antiochien, der Generalissimus von Malik-Schahs Bruder Tutusch
(Ddusch) mit einem gewaltigen Heere gegen eine Burg zog im Lande der Armenier,
579
welche Zorinak heisst. Der Zug steht in keinem Zusammenhang mit den sonstigen
Massregeln Tutuschs ; eä kann sich daher wohl um eine Expedition nach dem Norden
Armeniens handeln.
Wir wenden uns nun zur Betrachtung der Eparchie Melitene.
2. Melitene.
Notitia desEpiphanios
codd. Athen. 1372. 1379 u.s.f.
Nova Taktikav. 1375 ff.
Codex Athen. 1374
Coö
lex Athen. 1371
Tcö MeAirr]vrjs
Tfj Mekirrjvjj Trjg
Tfj MeXiTivfi rys
Tfj
Mekirijvfj xfjg
Ag/usv ia g
Aq fiEviag
Aq[ae v ia g
Ag/LiEviag
a 6 'Agy.qg
et 5 'Agy.rjg
a 6 Kovxovoov
a
6 TagdvTCOv
ß 6 Kovhovoov
ß 6 Kovxovoov
ß o AgaßXi]ooov
ß
6 'Agxrjg
y 6 Agaßiaoov
y 6 Agaßioov
xal y 6 Mavcöv
7
6 'Agaßiaov
d 6 Agtagd&rjg
[(5] xal Avncöv
ö
6 Zegßfjg
e 6 Kso/navcör
e
6 Koxooov
g
g
V
6 Agcü/xdvi]g
6 Agagaftsiag
6 *IßrjQO)v
6 Ko/udvojv
Erst seit 934 wurde die verödete Landschaft allmählich wieder bevölkert. Die Nea
Taktika kennen aber nur die drei Suffragane Arke, Kukusos und Arabissos1). Arke hat
sich bis heute als Arga gehalten. Ritter, Erdkunde X 848. Auch Kukusos hat die ganze
mittlere Zeit durch armenisch als Kokison oder Keoksiw, heute Göksun seinen Namen bewahrt.
Der Bischof von Arabissos, das auch bis heute als Jarpus weiterlebt, hat wohl seinen Wohn-
sitz in dem benachbarten, zu grosser Bedeutung emporkommenden Albistan (Al-Bostan)
aufgeschlagen2). Auch das Bistum Komaua lebt in den Notitien fort.
Seine grossartige neue Blüte verdankt das Gebiet von Melitene der durch Kaiser
Nikephoros seit 965 ins Werk gesetzten Kolonisation und Neubevölkerung des Landes durch
zahlreiche Syrer. Die Regierung versprach feierlich, die Monophysiten nicht zu quälen,
hielt ihre Zusage aber schlecht. Barhebräus, hist. eccl. 412. Aber die Stadt hob sich.
Sie soll im XL Jahrhundert 56 christliche Kirchen und 60000 wehrhafte Männer in ihrem
Gebiete gezählt haben. Ritter, Erdkunde X S. 860. In dieser Zeit des Glanzes wurde auch
die Zahl der Bistümer vermehrt. Codex Athen. 1371 zählt vier neue auf: 6 Tagavtcov,
o ZsQßfjg, 6 Agoj/bidvrjg und 6 'Ißijgcov. Tdgavm ist Taranda der Armenier, )riia4 Türandä
der Syrer, heute Derende. Ritter, Erdkunde X 845. o 'IßrjQOiv ist wohl eine georgische
Kolonie. Wie Armenier und Syrer, wird die oströmische Regierung auch ihre iberischen
Veteranen mit Landbesitz ausgestattet haben, zumal dieselben streng orthodox waren, und
wie sie einmal drastisch äussern, zwischen armenischen Kirchen und muhammedanischen
Moscheen keinen Unterschied machen. Die anderen Bistümer vermag ich nicht zu identi-
fizieren. Die Monophysiten hatten sieben Bistümer um Melitene: Läkabin, 'Arkä, Klisürä
x) 'O 'Agaßiaov xal Avtiwv. Ich vermag den Zusatz nicht zu erklären.
2) Vgl. S. 563 ff.
77*
580
(Romanopolis), Gübüs, Semhä, Klüdiä (Klaudiupolis Ptolem. V 7, 7; Klaudias, Ritter a.a.O.
S. 831) und Gargar. Barhebr., hist. eccles. II 460. Die Buntheit der Bevölkerung bewirkte
eine oft schwer zu enträtselnde Polyonymie der Ortschaften.
Wir kommen zu den beiden armenischen Metropolen Kamachos und Keltzene.
Barhebräus *) hat in wahrhaft klassischer Weise geschildert, wie die Armenier die Grenz-
distrikte des Ostens zum Nutzen des Reiches besetzen. Die Eparchie Kamachos entspricht
dem neuerrichteten Thema Mesopotamia.
3. Kamachos.
ova Tactica v. 1748 ff. und
Codex Athen. 1372
Codex Athen. 1379 und 1374
Codex Athen. 1371 und
Codex 522 Metoch. des h. Gr.
MZ Tfj Kaju.ä%q) Aq-
M? Tfj Ka/.iä%cp xrjg
MH Tfj Kaju,a%(p xfjg
jUEviag
Ag/nsviag
AojUEvlag
a 6 KsXix^ivfjg
a
6 KeXx^ivrjg
a
6 KeÄe£r)vfjg
ß 6 Aoaßodxoov
ß
6 AoaßQaxcov
ß
6 Agaßgöxcov
y 6 BaQ^avioöi'is'1)
7
6 Bao^aviooyg
7
6 Bag^aviooi^g
d 6 MeXov
d
5 MeXov
6
6 MeXov
£ 6 MeXoV EXEQOg
e
6 MeXov SxEQog
£
6 MsXoV EXEQOg
<Z
6 Pco fxavovnoXEwg
5
6 'Pu>jua7>ov7iöX£Cog
f
6 xov TiXeiov
n
6 xov Tdiov
6 Bag^avioarfg fjxoi
OaXovdorjg
Im Verlauf des X. Jahrhunderts kommen zu den Suffraganen von Kamachos zwei
neue Bischofsitze hinzu :
6 'Pcojuavov7i6?i£a>g und 6 xov TiXeiov.
Was das erstere betrifft, so beachte man die Verbindung: xb ds Xav^lx xal f\ 'Pco-
juavÖJioXig xXiEioovga xcöv MEXix-qviaxwv v7ifJQ%ov. Constantin. de admin. 226, 5 und Bai--
hebräus, hist. eccl. 412 „Bewohner zu sammeln für Melitini, Hanzit, Klisürä". Ich nehme
demnach an, dass diese xXeioovqo. xax'' e^o^v der Syrer, zugleich seit alter Zeit ein Bischof-
sitz3), mit Romanopolis identisch sei*).
6 xov TiXeiov wohl identisch mit Thil, Thiln avan, Schloss Thil, die hochgefeierte
Begräbnissstätte der armenischen Katholici aus dem Hause Gregors des Erleuchters. Der
Ort war Kirchengut. Faustus, Byz. III, 14 und gehört zu Ekeleac, was zu der in Daranaü
gelegenen Metropolis Kamachos gut stimmt.
Dazu kommt nun Keltzene, welches, ursprünglich ein Suffraganbistum von Kamachos,
nun gleichfalls zur Metropolis erhoben wird. Denn Keltzene, wie es uns Konstantinos
Porphyrogennetos schildert, war eine sehr bedeutende Stadt, Sitz eines Turmarchen und
J) S. oben S. 562. 2) Cod. Ath. 1372 ^aQ^avtaorjg.
3) Ob freilich diese Stadt = Palu sei, wage ich nicht mehr so bestimmt zu behaupten, wie
Georg. Cypr. S. 176 ff.
*) Von 818-985 zählt Michael Syrus 8 Bischöfe von Klisürä auf.
581
besass glänzende ngodoxsia, worin die armenischen Prinzen zu residieren pflegten x). Keltzene
ist die byzantinische, wie Akilisene die klassische Gräcisierung des armenischen Ekeleac.
Es ist offenbar identisch mit der antiken Komopolis Erez, "Eg)]£ — Erizay, späterhin Erznkay,
heute Ersingian, welches noch immer seine Bedeutung behauptet. Keltzene war ursprüng-
lich, wie Codex Athen. 1372 zeigt, zur Metropolis ohne Suffragane erhoben und mit dem alten
Bistum Kortzene {Xog^iavrjvrj, 'Og^iaviviq, Gürzän, Chordzean, Georg. Cypr. S. 181 ff.) uniert
worden; nach der schon oben besprochenen Aufhebung der Metropolis Tarön2) hat es auch
diesen Titel übernommen, und der Kirchenfürst heisst nun ö KekrCrjvfjg ovv xfj KogrCevfj
xal Tagcov. In der Folgezeit steigt Keltzene zu hohem Glänze empor, welcher den seiner
einstigen Mutterkirche Kamachos verdunkelt. Es hat acht, später sogar 21 Suffragane.
4. Keltzene.
Codex Athen. 1372
Codex Athen. 1371
Codex Athen. 1379
und 1374
Codex Paris. 1363, 1388,
M o n a c. 243, Halki (Handelsschule) 5 1 ,
Athen. 1430 u. s. f.
fl7]TQOJl61eiS
ve 6 KeXx^ivov rjxoi
Kogx^Evcov
vg 6 xov Tagcov
va 6 TL~ilievov ijxoi
KogxCivfjg xal
KelxL,ivfjg
vt, Tfj KeXr^ivfj
xfjg Ag/iEviag
■&gövog vnoxEi-
fxevog OVX £0X1
vö Ted KElxÜ,r]vrjg
ovv xfj Kogx^rjvfj
y.al Tagcov
a 6 To/uovg
ß 6 Xax^oxovv
y 6 Avxonoxafxiag
d 6 Kogx^Evfjg
e 6 MaoxgaßdxC
g 6 Xovix
f 6 Tondg%ov
t] 6 A/ußgfjg
Tcö KElxi^ivf/g ovv xf] Kog-
x'Qev]] xal Tagcov
a 6 To/uovg
ß 6 Xax^xovv
y 6 Avxonoxa/uiag
d 6 Kogx'Qsvfjg
£ 6 MaoxgaßdxC
g 6 Xovix
£ 6 Tondgiov
t] 6 Aiißgfjg
•& 6 Tovxagcov
i xb Magju£vxix£ov£g
ta xö Mavx'QiEgxE
iß 6 "Ayiog Nixokaog
ty xb Evä, f/ Osoxoxog
id xöAgxCtoiv, ö'Ayiog Ni.y.ölaog
iE xo Agx'Qixh rjxot AgxEgdßov
ig xö 'A/uovxiov
i£ xö ÜEgxh'
ir\ 6 "Ayiog rscögyiog
i& xö 'Ooxclv
x '0 "Ayiog 'EhooaTog
xa xö ZEÖgdx, r\ &£oxoxog
•) Constant. de admin. 43, S. 186, 17; 24.
2) Vgl. S. 574.
582
Es unterliegt nun keinem Zweifel, dass die acht in einer Anzahl Notitiae allein auf-
gezählten Bistümer in einer früheren Epoche errichtet worden sind, als die 13 zum Schluss
aufgeführten. Diese letzteren sind, wie wir sehen werden, beträchtlich nach 1016 ein-
gerichtet worden ; also gehören die acht ersten vor diese Epoche. Unter ihnen figuriert
Mus, welches unter Johannes Tzimiskes noch nicht zum oströmischen Reiche gehörte.
(Mattheos Urhayeci I 15.) Demnach wird die Einrichtung dieser ersten Serie orthodoxer
Bistümer auf armenischem Boden der ersten Hälfte von Basileios' IL -Regierung angehören.
Man könnte als Epoche an den Tod des Kuropalaten Davith denken 449 der arm. Aera =
1000 Stephanos Aeoük III 43 ; allein dessen Reich Taikh gehört in der Hauptsache zum
Sprengel von Trapezunt und nicht zu dem von Keltzene. Freilich muss es sich zeitweise
weit nach Süden erstreckt haben, da auch Manazkert unter seinen Besitzungen erwähnt wird.
Die Bistümer der ersten Schicht, soweit sie sich identifizieren lassen, liegen im Westen
von Hocharmenien, in Armenia IV und Turuberan.
1. 6 Tojuovg für 6 xov Movg = Musch.
2. 6 Xax^oxovv oder Xax^xovv ist deutlich Chaci tun, das Haus des Kreuzes, wie
Chaci wankhn, das Kreuzkloster in der Provinz Ayrarat. Wartan Wardapet bei St. Martin
memoires II 419. Das Kreuzkloster in Waspurakan ist die Grabstätte der Arcrunier.
Mattheos Urh. I 39. Ein hochberühmtes Kreuzkloster und Bistum ist auf der Insel Al-
thamar;1) andere finden sich in Mogkh und Turuberan. Wartan a. a. 0. S. 429. Möglicher-
weise ist Althamar oder eines der letzteren mit unserem Bistum identisch.
In diese Region gehört auch das Bistum.
3. 6 Xovir der erste Gau von Turuberan Choyth griechisch Xoftaixai, vgl. Georg.
Cypr. S. 168 ff. Die Choyth. die Nachbarn der Sanasun (Sasun), sitzen im Antitaurus süd-
westlich vom Wansee ; damals muss also die Taronitis grossenteils römisch gewesen sein.
Muralt meldet, dass 989 die armenischen Fürsten Bagrat, Gregor und Romanus sich unter-
worfen hätten, aber nur auf die zweifelhafte Autorität Cameeans hin ; ich finde weder bei
Stephanos Asolik, noch bei Mattheos von Edessa oder Samuel von Ani dieses Faktum erwähnt.
Im Norden um Keltzene suche ich folgende Bistümer:
4. 6 Avy.o7iorafx'iag. Das Bistum hat seinen Namen vom Flusse Gayl, Avxog,
welcher bei Erez (Keltzene) sich in den Euphrat ergiesst. Da nun in demselben Gau noch
der Suffragan von Kamachos Thil, Tileion liegt, so ist es auffallend, hier noch ein drittes
Bistum zu finden ; indessen der Name lässt kaum eine andere Lage ansetzen.
5. 6 KoQi£evfjg. Die alte Armenia IV steht also zeitweise unter drei Metropolen.
Romanopolis gehört zu Kamachos ; Asmosata ist selbst Metropolis, und der gebirgige Nord-
osten wird als besonderes Bistum Kortzene unter Keltzene gestellt.
Die zweite Bistümerreihe, soweit sie sich identifizieren lässt, ist vollständig in den
Provinzen Turuberan und Waspurakan gelegen. In erstere gehören :
1. 6 Tovxagcöv = 6 xov Tclqojv. Das Bistum, einst Autokephalie, dann als Titular-
bistum mit Keltzene vereinigt, lebte jetzt nach der definitiven Besitzergreifung des Landes
wieder auf.
2. tö MavxÜ,iegxe ohne Frage identisch mit xb xdoxgor xov Mavx'QiKkox Constant.
Porphyr, de admin. 44 S. 193, 6; 21; 194, 13 u. s. f. Cedren. II 590, 19 ff. Es ist Manazkert
l) Anhang zu Thomas Arcruni bei Brosset, Collection d' historicus Armeniens 1, S. 260.
583
oder Manckert oder Mandzkert im Distrikt Harkh. Incicean storagruthiun S. 116 ff. Davith
der Kuropalat von Taykh hatte die Stadt den Muhammedanern entrissen und in dem nach-
folgenden Kriege behauptet. Stephanos Asoh III 38 ff. Nach seinem Tode 1000 fiel die
Stadt an Ostrom.
3. xb Agx^iy.e ijxoi 'Any.sodßov. Arcke in Bznunikh, Incicean a.a.O., S. 122 ff.
bei Konstantin Porphyrogenn. de admin. 44 S. 194, 3 und 196, 13 xb xäoxgov xb AXx&xe.
Damals waren die mubammedanischen Herrscher von Arcke, Chlath und Arces dem Kaiser
tribulär. Die Stadt liegt am Meer von Bznunikh (Wansee). Aristakes Lastiwerci, Venedic
1844, S. 71. Die Geographie des sog. Moses von Choren behauptet, wie es scheint, irrig,
dass die Stadt auf einer Insel liege. „Bznunikh hat in seinem gleichnamigen Meere drei
Inseln: Ardzke, Cipani und Tokhean". Soukry S. 31. Die übrigen Bistümer, soweit sie
identifizierbar sind, liegen sämtlich in Waspurakan.
4. xb AgxCeoiv, 6 "Ayiog Nixokaog. Aröes Incicean a. a. 0. S. 126. Constantin
Porphyr. 44 S. 191,14; 192,9; 193,23 u. s. f. Barhebräus lässt die Römer 993 Klät,
Manäzgerd und Argis besetzen. Chron. Syr. S. 208. Johannes Katholikos bezeichnet Arces
als den Bischofsitz von Aliowit, eines Distrikts von Turuberan, zu welcher Provinz Incicean
a. a. O. S. 126 die Stadt auch rechnet, obgleich er auch bemerkt, dass Moses in der Geo-
graphie einen besonderen Gau Waspurakans erwähnt Arcisahowit (S. 32 Soukry) ; dieser
weist also Arces Waspurakan zu.
5. tö 'Afjiovxiov. Amiuk ein Kastell Waspurakans Incicean a. a. O. S. 224 ff. gegen-
über der Insel Limn. St. Martin, memoires I S. 137. Wardan Wardapet S. 124, Venedig
hat, wie der Grieche, die Form Amnk.
6. xb TLeqk'iv. Berkri eine der bekanntesten Städte Waspurakans, im Distrikt
Arberani, Incicean a. a. 0. S. 193 ff., heute Barkiry, östlich von Arces rö IIeqxqL Const.
Porphyr, de admin. 44 S. 191,21; 192,9; 193,22 u. s. f. Mattheos Urhayeci I 49 S. 86.
Jerusalem meldet, dass erst im Jahre 1037 durch einen Handstreich des armenischen
Fürsten Gandzi die Stadt den Persern entrissen ward. Allerdings kam er dabei um.
Aber sein Sohn Tacat behauptete sich in der Stadt.
7. xb 'Ooxclv. Ostan im Distrikt der Rstunier. Die Stadt wird häufig bei Thomas
Arcruni als Ostan Rstuneac, Wostan der Kstunikh erwähnt. Sie war die Residenz der
Könige von Waspurakan. König Gagik ummauerte die Citadelle der Stadt und restaurierte
glanzvoll die Kirche der Gottesgebärerin. Thomas Arcruni S. 252 Patkanian. Ebenso
heisst sie „Schloss Wostan" (avan Ostan), Thomas Arcruni S. 291. Noch Senekherim der
letzte König von Waspurakan residiert daselbst, Mattheos Urh. I 38. Michael Syrus erwähnt
unter Johann V (936 — 953) drei syrische Bischöfe von Wastan : Johannes, Timotheus und
Johannes. Revue de 1' Orient ehret. 1899 S. 507; vgl. Jncicean S. 167 ff. Die Stadt, noch
heute Wastan, liegt am Südufer des Wansees, eine Tagereise von Wan entfernt. Bezüglich
der von Gagik erbauten Akropolis: »Das Kastell Vastan zeigt sich auf einem Kegel in
dominierender Höhe über dem See." Ritter, Erdkunde X 293.
Die übrigen Suffragane, meist Klosterbistümer, vermag ich nicht zu bestimmen. Auf-
fällig ist, dass mehrere Klöster des hl. Nikolaos darunter figurieren, der, soviel ich sehe, in
Armenien gar keiner Verehrung genoss. Wenigstens hat Wardan in seinem langen Kloster-
register kein einziges dieses Heiligen erwähnt. Sollte etwa der Grieche Nikolaos hier irgend
einen nationalen Sanctus verdrängen ?
584
Was die Zeit betrifft, so ergiebt sich die von selbst aus den an letzter Stelle aufge-
führten Bischofsitzen. Die Residenz der Arcrunier konnte ein griechischer Bischofsitz erst
dann werden, als Senacherim „der Fürst von Obermedien, welches sie heute Asprakania
nennen" sein Reich an die Griechen abgetreten hatte. Das geschah 1016. Cedrenus II
464, 10 ff. Möglich bleibt immerhin, dass diese Hierarchie bedeutend später eingerichtet
ward. Dies ist um so wahrscheinlicher, wenn wir bedenken, dass Basileios IL Bulgaroktonos
anderen Konfessionen und Nationalitäten gegenüber die grösste Toleranz bewies. Er liess den
Bulgaren ihre autonome Kirche und ihre national-politischen Institute; ebenso schützte er
die Armenier und Syrer gegen den Bekehrungseifer seiner orthodoxen Prälaten. Als er im
Jahre 1000 nach Sebasteia kam, gestattete er den dortigen Armeniern Glaubensfreiheit und
den Gebrauch der Glocken. Stephanos Asol. III 43. Erst unter seinen Nachfolgern be-
gann die Gräcisierung von Staat und Kirche in Bulgarien und die Disputationen mit den
Monophysiten und die Verhaftungen ihrer Prälaten. Es kommt hinzu, dass die Einrichtung
eines Bistums in Berkri vor 1058 nicht denkbar ist. So wird man wohl die Errichtung
dieser zweiten Serie von Suffraganbistümern Keltzenes der Regierung des Paphlagoniers
Michael (1034—1041) oder des Konstantin Monomachos (1042 — 1054) zuschreiben. Mit
der Katastrophe von 1071 hat natürlich dieser gesamte orthodoxe Episkopat am Wansee
sein definitives Ende erreicht.
In ähnlicher Weise könnte ein Vergleich der verschiedenen Suffraganenreihen in den
Metropolen Thessalonike, Larissa, Dyrrachion das allmähliche Vordringen des Hellenentums
gegenüber den Slaven auf der Balkanhalbinsel illustrieren. Indessen kann ich dies hier
übergehen , da ich den Gegenstand Zeitschrift für prot. Theol. 1886, S. 552 ff. bereits
kurz erörtert habe.
V. Die Bistümerbeschreibungen aus der Zeit des Komnenen Manuel.
Die Vulgata von Leons Diatyposis endigt mit den Metropolen Lakedaimon (1082),
Paronaxia (1083) und Attaleia (1084). Damals, also unter Alexios Komnenos, fand diese
Revision statt. Eine Reihe Handschriften fügen aber noch Miletos, Selymbria und Apros
bei. Diese erscheinen als Metropolen erst unter Manuel dem Komnenen *).
Wir haben nun in dem Codex Athen. 1371 (XII. oder Anfang des XIII. Jahrhunderts)
fol. 389 — 391v eine sehr interessante Eparchienbeschreibung, die einzige, soviel mir bis jetzt
bekannt ist, welche jünger als die oben erwähnte mit Koloneia endende ist. (Parthey Not. III.)
Ich gebe auch hier nicht die ganze Liste, weil die Beschreibung der 49 ersten Eparchien
von keinem Interesse ist. Es ist der übliche längst bekannte Bestand. Kaisareia und der
Anfang von Ephesos fehlen. Sehr wertvoll ist aber der Schluss der Notitia, die Metropolen
von S. Severina an mit ihren Suffraganen, weil die Niederschrift nicht viel jünger, als das
ursprüngliche Original ist, also den kirchlichen Zustand des XII. Jahrhunderts leidlich
getreu repäsentiert.
x) Jahrbücher für prot. Theologie 1886, S. 547.
585
Die Notitia des Codex Athen. 1371.
N Tfj 'Ayiq Zeßrjgivij xfjg Kala- 1
ßglag
a 6 Bgvdxwv 2
ß 6 ' Axsgevxiag 3
y 6 KaXXiovjzöXeajg 4
d 6 Ae.iovXcov 5
e 6 TlaXaioxdoxgov 6
NA Tfj MixvXfjvtj Asaßov 7
a 6 Tsgiooov 8
ß 6 2xgoyyvXov 9
y 6 Teveöov 10
d 6 Begßivtjg 1 1
e 6 IJEJTEQtv^g 12
g 6 Tegäg 13
NB Talg Neaig Tldxgaig xfjg'EXXddog 14
a 6 Magtiagix£cöv
ß 6 BeXäg
y 6 'Ayiag
Nr Toig Ev%atxoig 'EXevotiövxov
a 6 ra£äXa>v
ß 6 Kovx£idgcov
y 6 Xißixxov
ö 6 Kagiavfjg
NA Tfj Afidoxgiöi TIövxov
dgovog ov% vnöxsixai
NE Talg Xcovatg <Pgvylag
dgovog vnoxeifievog ovx toxi
N? Tfj 'Ydgovvxi xfjg 'lxaXiag
dgovog vnoxeijuevog ovx eoxtv
NZ Tfj KeXx^rjvfj xfjg Ag/bieviag
dgovog vjioxeijuevog ovx eoxi
NH Tfj KoXüiveia Uövxov IJoXe-
/uojvtaxov
dgovog ov% imöxeixai
NO Tfj Orjßcöv Botojxiag
a 6 KavdXmv
ß 6 Zagaxößojv
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
y 6 Kaioxogiov 31
<5 ö Tgiyioiv 32
s 6 UXaxdvon> 33
S Tfj Zeggcöv xfjg EvgcÜJiijg 34
dgovog ov% VTiöxeixai
SA Tfj IJo^tiijiovtiöXel TlatpXa- 35
yoviag
dgovog vnoxd/xevog ovx eoxiv
SB Tfj fxeydXjj 'Pcooia 36
a 6 TleXoygddcov 37
ß 6 Nevoygddcov 33
y 6 l'Cegviyößcov 39
<5 6 UoXoxCixcov 40
s 6 xov KXadijuolgov 41
g 6 IlegiodXdßov 42
C 6 xov ZovoddXt 43
rj 6 xov 'Po(ox6)ßov 44
d tö Kdveße 45
1 xb 2/noXioxov 46
1a fj rdXix^a 47
SJT Tfj AXaviq 48
dgovog vjioxsijuevog ovx egt
SA Tfj Ai'vco 'Podönijg 49
dgovog ov% vnöxeixai
SE Tfj TißegiovnöXei Bidvviag 50
dgovog VJtoxsljbievog ovx e'oxt
S~ Tfj Ev%aviq TIövxov IloXe- 51
jucoviaxov
dgovog ov% vnöxeixai
SZ Tfj Kegaoovvxi TIövxov, 52
änoonaodeiorj Neoxatoageiag Uövxov
dgovog ov% vnöxeixai
III Tfj Naxo)Xeiq $gvylag SaXov- 53
xagiag
dgovog ov% vjiöxvixai
SO Tfj regjuaveiq Maxedoviag 54
i'hiövog ov% vnöxeixai
5 drovXwv 25 Idoovvxi 26 y.t).x'Qivr\ 27 nolefioviy.ov 28 ßvcoxiac
Kopisten verlesen für Bladifioigov 44 goßov 52 jtövxw 53 äxeoXeia
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth.
34 oeqü>v 41 V
78
586
O Tfj Madvxcov Xeqqovijoov, 55
äjioonaodEtotj 'HgaxXsiag xfjg Evgojntjg,
dgOVOg 0V% VJlÖxElXCll
OA Tcö BaoiXsiop <I>gvyiag Kajia- 56
rivfjg
dgövog ovy vnöxEixai
OB Tfj 'Ajiajueiq Bidvviag 57
dgövog VTioxEifiEvog ovx eoxi
Or Tfj Agtoxgq PodooxöXov 58
xfjg Aifxifxovxov
(dgövog vnoy.EifiEvog ovx eoti)
OA Tfj Na£iav£cöv Kannaboxlag, 59
äjiooTiaodEiorj Moixijoäv, dgövog ovy
vnöxEixai
OE Tfj Ksgxvgq xrjg <&aiaxiag 60
vtjoov 'Aögiavixov TcsXäyovg
&gövog {ovy vjiöxeixw)
Or Tfj 'Aßvdqy EXXtjOJiövxov 61
änoonaodEiotj Kv^ixov, 'dgövog vjioxel-
jUEVOg ovx £0X1
OZ Tfj Mtjdv [xvtj vtjoov Asoßov 62
■dgövog vjxoxELiiEvog ovx eoxiv
OH Tfj XgioriavovnöXsi TIeXo- 63
novvfjoov
dgövog irnoxstfiEvog ovx eoti
,0(9 Tfj xov 'Povoiov Ogäxtjg 64
dgövog VTioxsl/UEvog ovx eoti
77 Tfj Aaxsdaijuovlq, 65
aTxooTxaodEioi] TlaxgcJöv ■dgövog ovy
vnöxEixai
TLA Tfj nagova^iq, 66
änoojxaodEioij 'Pööov, dgövog ovy vno-
xEixai
HB Tfj 'AxxaXsiq, 67
ajxoojxaodEioi] ZvXaiov , •dgövog ovy
VTlÖXElXCll
TJr Tfj Msot] /bißgiq Al/ni/uövxov 68
dgövog imoxsijuEvog ovx eoxiv
TIA Tfj MiXtjxw Kagiag 69
dgövog vnoxEiiiEvog ovx eoxiv
HE Tfj HtjXvßgiq Evgojntjg 70
■dgövog vnoxEijAEvog ovx eoxiv
77? Tfj 'Ajtgcov xfjg Ogqxtjg 71
dgövog VTzoxEi/usvog ovx eoxiv
Vergleichsweise füge ich noch den Text zweier weiterer Verzeichnisse der Metropolen
hinzu, welche nach Koloneia errichtet worden sind. Sie bilden beide den Anhang der
Provinzialbeschreibung, wie sie in der dritten Notitia von Parthey vorliegt. Die nahezu
identischen Texte befinden sich im :
Codex Athen. 1379 (XVII S.) fol. 346r = A und im
Codex Athen. 1374 (XVII S.) fol. 389v = B
AI knioxoTial ijxoi
jbLtjxgonö
Xsig
1
vrj
ai 2sggai
7
al'xiv sg
dgövovg vnoxEifxit
•ovg
vd
tj Ho/jTxtj'iovTioXig
8
ovx Uyovoiv,
avxaf
I
t) 'Pcooia
9
vy
ai Xwvai
2
Sa
f) 'AXavia
10
vd
tj 'Ydgovg
3
£ß
tj Alvog
11
VE
tj KsXsOtjVtj
4
h
tj TißsgiovTToXig
12
vg
tj KoXcovEia
5
ss
fj 'Ayata
13
v£
ai Ofjßai
6
£e
tj Ksgaoovg
14
55 fjQaxlsia Tfj ttjc 61 xv'Qtxw 65 tu — aTtooTiaa&sToa 67 azakla 6i> fü'kyza 70 cvqwtzov.
1 o'ücvec A slai de xai steqoi /XQojioi.irac ovc ygäfpei f) diazvjicoaic sie fiQoojro?.cfiov B 2 — 5 -< B
logisch, da die vorangehende Provinznilbeschreibung III 699 mit Kolwvsia aufhört 5 xcokwveia A
6 &rjßai B 7 OEgai B 8 nofiitiovJiöXf.oiC A 14 xegaoöc A xegaooovc B
587
fr
fj Kay.oiXEia
«
fj reg/uarta
1»?
xä Mddvra
ie
fj 'Ajiäjusia
0
xd BaoiXeia
oa
6 MeXevixog
oß
f/ Na£iav£6g
oy
xd K&Qxvga
Vd
y "Aßvdog
15
oe
fj Mfj'&vjuva
24
16
og
fj XotoxiavovnoXi;
25
17
°A
xb 'Povoiov
26
18
oij
fj Aaxsöaijuovia
27
19
00
fj Na£ia
28
20
71
fj AxxdXeia
29
21
7ia
fj MiXrjxog
30
22
nß
fj ZrjXvßgia
31
23
ny
fj "Ajiqoos
32
Was die Abfassungszeit dieser Notitia betrifft, so kann dieselbe mit ziemlicher Sicher-
heit zwischen 1170 und 1179 angesetzt werden; denn 1170 erscheint Apros noch als Erz-
bistum. Derselbe Prälat 'Poj/uavög "Angco wird aber 1179 als hgonaxog /uijTQOJioUzrjg
erwähnt. Also er selbst ist der erste Metropolit dieser Stadt1). Unsere Notitia ist o-enauer
als die übrigen Rezensionen; denn sie zählt auch Mesembria als Metropolis auf, welches
die anderen übergehen, obschon die Stadt bereits vor 1143 zur Metropolis erhoben war2).
Interessant ist nun das Verzeichnis der Suffragane. Wir finden eine Reihe neuer Bistümer,
welche in der Zeit zwischen 980 und 1170 gegründet worden sind. So hat Mitylene noch
einen sechsten Suffragan 6 'fcoäg. Neae Patrae, das sonst immer seinen einen Bischof von
Marmaritzana aufführt, hat hier noch zwei: 6 Belag und 6 Ayiag.
Besonders wichtig und gänzlich neu sind die Suffragane von Theben, die ich freilich
nur teilweise zu identifizieren vermag.
6 KavdXojv. Die Notitia aus türkischer Zeit führt unter den Suffraganen von
6 Evqijiov ijxoi Evßoiag auf xov Avlcbvog xal xcöv KavaXicuv.
6 Zagaxößcov = Saratow; vgl. Zara(Tzara) Dorf am Helikon Leake, northernGreeceII,106.
6 Kaioxooiov wohl 6 Kdoxgov zu schreiben. Es wird der Bischof von Kastri
(Delphi) sein.
o TIXaxdvo)v ist der Bischof von Platää, dessen Stelle das Dorf Platäni einnimmt.
Leake a. a. O. II 333. Mittelgriechenland und der Peloponnes waren durch die Seiden-
industrie, deren Mittelpunkte Theben und Korinth waren, mächtig emporgekommen. Wir
kennen keine Bischöfe von Platää mehr seit dem Slaveneinbruch. Offenbar hat der Be-
völkerungszuwachs zur Wiederherstellung des alten Bistums geführt. Auch Athen besitzt
jetzt statt zehn zwölf Suffragane, und unter diesen 6 Meydgoyv. dessen uraltes, längst ein-
gegangenes Bistum also bei zunehmender Bevölkerung gleichfalls resuscitiert ward.
Das wertvollste Stück unserer Notitia ist aber das Verzeichnis der elf Suffragane von
Gross-Russland3).
Bei der Spärlichkeit und geringen Zuverlässigkeit der einheimischen Angaben über die
ältesten kirchlichen Zustände Russlands sind die griechischen Angaben in hohem Grade
15 vixolieia B 19 ßaoD.ea A 10 ßaaiXsiov B 20 f) dgvoza B 24 fic&vfiva A fiidv/j.va B
29 axäha B 32 au.-rgoC A
') Jahrbücher für prot. Theologie, 1886, S. 546.
2) a.a.O. 8. r,47.
8) vgl. meine Ausführungen : Beiträge zur russischen Kirchengeschichte aus griechischen Quellen.
Zeitschrift für Kirchengeschichte XIII, S. 246 ff.
78*
588
geeignet, die dortigen kirchlichen Zustände aufzuhellen. Die älteste bisher bekannte Notitia
von Russland führt bereits das erst 1261 gestiftete Bistum Sarai' mit auf, kann also erst
dem XIII. Jahrhundert entstammen. Unsere Notitia dagegen gehört sicher dem XII. Jahr-
hundert an und zwar der Regierung Manuels, da sie die kirchlichen Neuerungen Isaak
Angelos' (1185 — 1195) noch nicht kennt. Nach unserer Notitia ist der Bestand der
russischen Bistümer um 1170 folgender:
Bielgorod, Nowgorod, Czernigow, Polozk, Wladimir, Perejaslawl, Suzdal, Rostow,
Kiew1), Smoleiisk, Halicz. Es sind das gerade diejenigen grossrussischen Bistümer, welche
auch nach den einheimischen Quellen vor 1200 nachweisbar sind. Merkwürdigerweise fehlt
6 "Ayiog recogyiog — Jurjew. Die Namen der dortigen Bischöfe aus dem XI. und XII. Jahr-
hundert beruhen meist auf der etwas zweifelhaften Autorität der Nikon'schen Chronik.
Dagegen seit 1147 verschwindet das Bistum gänzlich aus den russischen Annalen2). Zur
Zeit der Abfassung unserer Notitia bestand es nicht mehr. Umgekehrt wird berichtet, dass
erst 1214 Suzdal von Rostow abgetrennt worden sei3); das kann nicht richtig sein, da
unsere fast ein halbes Jahrhundert ältere Notitia ein besonderes Bistum Suzdal kennt.
Besonders auffällig ist, dass für Kleinrussland neben der Metropolis nur Halicz, Wladimir
und Smolerisk erwähnt werden. Es fehlen also die angeblich hochalten Bistümer Chelm
und Turow. Indessen von Chelm wird nur für das Jahr 1071 ein Bischof Johann erwähnt
und zwar nur von der Nikon'schen Chronik, welche für alles, was sie aus der Epoche vor
dem XIV. Jahrhundert berichtet, das grösste Misstrauen verdient. Dann wird erst wieder
1331 ein Bischof in dieser Stadt genannt. Wir können daher mit ziemlicher Sicherheit
das Fehlen von Chelm in unserer Notitia nicht für ein zufälliges halten; das Bistum ist
erst im XIII. Jahrhundert errichtet worden.
Viel reicher fliesst die Ueberlieferung über die ältesten Bischöfe von Turow. Wir
wissen aus dem XI. und XII. Jahrhundert die Namen von vier unmittelbar aufeinander
folgenden Prälaten von Turow : Simeon, Ignatius, Joachim und Georg. Aber wer berichtet
über sie? Das Menologium des hl. Dimitrij erzählt zum 2. Mai, dass am Fest der Heiligen
Boris und Gljeb ein uralter Mann durch die Berührung der heiligen Gebeine geheilt ward;
dieser Mann war bei sämtlichen vier Bischöfen von Turow Koch gewesen. Der Gewährs-
mann dieser etwas massiven Legende ist der hl. Dimitrij; er verfasste sein Legendenbuch
von 1684 an. 1695 ward es gedruckt4). Demnach kann man den Wert dieser Nachricht
abmessen. Ein angeblicher Bischof Kyrill I. von Turow beruht wieder nur auf der bedenk-
lichen Autorität der Nikon'schen Chronik und was Ambrosij in seiner Geschichte der
russischen Hierarchie von ihm erzählt, bezieht sich auf Kyrill II.5). Ebenso erfunden ist
sein Nachfolger Johann. Das Kiewsche Paterikon berichtet im Leben des hl. Niphon, dass
Bischof Joachim von Turow sich 1147 der Wahl des Metropoliten Kliment wiedersetzt
habe. Als Verfasser dieser Legendensammlung gelten der hl. Simon, Bischof von Wladimir
und Suzdal und der hl. Polykarp, Mönch des Höhlenklosters von Kiew, Männer des
1) tö Kdvsßs ist gänzlich rätselhaft, wenn es nicht Verschreibung für die Metropolis (Kvsßov oder
Kveße) ist.
2) Strahl, Geschichte der russischen Kirche, S. 154.
s) a. a. 0. I 205 und 228.
4) Strahl, Beyträge zur russischen Kirchengeschichte, S. 364.
5) Strahl, Geschichte der russischen Kirche, S. 112.
589
XIII. Jahrhunderts. Natürlich rührt das Werk in seiner jetzigen Gestalt aus erheblich
späterer Zeit her. Eine greifbarere Gestalt ist Kyrill von Turow, einer der gefeiertsten
Kanzelredner Russlands, der angeblich 1182 starb. Indessen Kyrill stammte aus Turow
und lebte dort als Stylit. Dass er Bischof von Turow gewesen, berichten nur das Synaxar
und die Chroniken, und ihre Angaben stehen mit offenkundigen Thatsachen der Geschichte
im Widerspruch. Noch wird seines angeblichen Nachfolgers Laurentij gedacht. Dann hört
die Reihenfolge der Turower Bischöfe bis 1390 auf. Wir können demnach mit Zuversicht
diese sämtlichen Turower Bischöfe der Urzeit als Erfindung der Späteren streichen. Im
XII. Jahrhundert gab es kein Bistum Turow, so wenig als ein Bistum Chelm, zwei negative,
aber nicht unwichtige geschichtliche Resultate, welche wir unserer Notitia verdanken.
Diese Bistümer und ebenso Luck kennt dagegen die griechische Notitia über Russ-
land des XIII. Jahrhunderts. Diese spätere Notitia steht mit der unserigen in gar keinem
Zusammenhang. Auch die gräcisierten Namensformen der russischen Städte sind in beiden
Rezensionen ganz verschiedene. Man vergleiche
Notitia von 1170 Notitia von 1265
6 Nevoygdöcov xö Meya Noßoyogöiov
6 T^egviyößaiv xo T^Egvi^oßr]
6 xov BXadi/AoiQov tj BXavöi/uoigr]
xo 2 [aoXioxov to 2/j.oXevoxov
Bjelgorod heisst in der spätem Notitia xö Aoiigöxaoxgov xo Meya jxXrjoiov xov Kveßov
zum Unterschied von rö Aangöxaoxgov eis to oxo/,uov xov 'EXiooov noxafxov (= Akkerman)
6 ITeXoygddoiv ist wohl fehlerhaft, und in der Vorlage wird MneXoy gddwv gestanden haben.
Unsere Notitia bietet also die älteste Gesamtübersicht über den Bestand der russischen Kirche.
Die politisch so elende Regierung des Kaisers Isaak Angelos (1186 — 1196) ist kirch-
lich nicht ohne Bedeutung. Unter ihm erschien eine revidierte Ausgabe von Leons Diaty-
posis: xdfig Jigoxatiedglag /nrjxgojxöXecov xal dg%i£moxo7iü~)v xelovvxoov vjio xov äjiooxoXixbv
■&q6vov xavxrjg xfjg fteocpvXMxxov ßaoiXidog Ji6Xe<x>g, xa&cos iv xoig xd>dig~i xoig iv reo %o.qto-
(pvXaxeiü) avayoäcpovxa.1. Da ich dieselbe nach zwei Pariserhandschriften im Index lectionum
1891/92 von Jena herausgegeben und ausführlich besprochen habe, genügt hier, wenn ich
die neuen Metropolen und Erzbistümer hersetze. Sie hat folgende Ordnung :
7ia 6 Meorjjußoiag nr\ 6 'YjxaiJicov
Tlß 6 "Atiqov
Tiy 6 2rjXvfißQiag
7x6 6 MiXi']xov
Tis 6 Tagdixiov
jig 6 ^ÜMÖeXcpeiag
ni, 6 Nrjoov
In der Liste der Erzbischöfe folgt auf Tamatarcha (d Zrjyjag)
XC 6 AidvfJ,orei%ov
A»7 6 AoJiadiov
X-& 6 MeXaylvcov
Aus einer Randnotiz der Notitia III Parth. ist bekannt, dass Argos 1189 Metropolis wurde.
Jl&
6 üvgyiov
q_
6 AgxadiovjioXeüjg
qa
o 'Agyovg
qß
6 ügovorjg
QY
6 A%vgäovg
590
VI. Die kirchliche Verfassung unter den Kaisern von Nikäa und unter
Michael Paläologos.
Die durch Kaiser Isaak Angelos revidierte Liste der Metropolen und Erzbistümer galt
auch in den Zeiten der Verwirrung, als der legitime Kaiser und der orthodoxe Patriarch
ihre Residenz nach Nikäa verlegt hatten.
Dies beweist die Entscheidung des Patriarchen Arsenios vom März 6764 XIV. Ind.
(= 1256), wo unter andern folgende ovvedgidCovTeg aufgezählt werden:1)
xov 0dadekcpeiag voxegxi/uov xal xbv xönov Ini'iovxog 2vQQaxovoi]g 'Iwavvixlov,
xov IIovxoriQay.Xel.aq xal xbv xönov E7iE%ovxog KXavdiovnoXecog Qeoöojqov,
xov Mojxtjoov rsojgyiov,
xov cP6bov xal vnegxijuov OeobovXov,
xov 2fivQVt]q xal vjzeqxijuov 0eoÖ(6qov,
XOV MlXr)xOV NlXYjfpOQOV,
xov MeXayivüiv 'Iajdvvov,
xov IJgovorjs xsl vjieqxi/uov NixoXdov,
xov "Ayyqdovg Aeovxog,
xov 'Avxio'ieiaq Mi%aijX,
xov KvxpeXaiv Kcüvoxavxlvov,
xov rageXXrjg Kcovoxavxivov,
xov Kiov Aaviö,
xov Aonablov 'Avxtoxov xal
xov IJeQyd/uov rsoagyiov.
Dieses Verzeichnis ist in mehrfacher Hinsicht sehr lehrreich, namentlich durch die
hohe Stellung, welche Philadelphia und Pontoherakleia einnehmen. In Isaaks Liste ist
Herakleia noch einfaches Bistum, Protothronos der Provinz Honorias. Allein durch den
Seldschukeneinbruch war die Metropolis dieser Eparchie Klaudiupolis vollständig zu Grunde
gegangen und Herakleia an ihren Platz als 17. Metropolis getreten; vgl. Not. XI. 20
i& 6 TTovxorjQaxXeiag: avxr\ imoxom] 7jv xov KXavdiovnoXewg , xal diä xb vnb e&vwv
ixeiv)]v xaxaoxsdrjvai ixifirj&r} avxi] dvx"1 ixEivr/g elg jurjXQÖTioXiv xal sig dqovov if, vvv dk
i& yeyovev. Diese Erhöhung von Herakleia ist schon geraume Zeit früher eingetreten.
Manuel Komnenos verteidigt Klaudiupolis noch mit grosser Bravour gegen die Seldschuken
(Nicetas Chon. S. 257, 21 ff.), und Metropoliten (in partibus?) werden bis Ende des XII. Jahr-
hunderts wenigstens erwähnt2). Dann scheint die Stadt den Türken zur Beute gefallen zu
sein. Als Theodoros Laskaris dem Komnenen David Paphlagonien entreisst, werden Herakleia,
Amastris xal fj näoa jieqi^ %d>ga xal xd jioXiyria erwähnt3). Von Klaudiupolis keine Spur
mehr. In zwei Entscheidungen des Patriarchen Manual von 12504) erscheinen ebenfalls:
x) F. Miklosich und F. Müller, Acta patriarchatus Cptani I, S. 119. Ich zitiere sie im Folgenden
einfach als Acta I und II.
2) Le Quien, 0. C. I, 572.
3) Georg. Acrop. 11 S. 20, 5 ff.
4) Rhallis und Potlis avvz. aar. V, S. 114 ff. Le Quien setzt die Synode 1220 unter Manuel I.
Sarantenos; allein es ist Manuel II. der Philosoph (1244—1255); denn S. 118 wird neben der VIII. In-
diction das Weltjahr 6758 beigeschrieben.
591
xov (PdadekqpFiag y.al xov xönov E7ie%ovtos xov 2vgaxovot]g 'Pcoxä und
xov JJovxo^gaxXdag xal xov totiov E7ie%ovxog xov KXavdiovjiöleajg Nixrjcpogov.
Herakleia ist also in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts einfach in den Rang
und die Rechte des Metropoliten von Klaudiupolis eingetreten.
Von Philadelphia bemerken die Notitien bei Anlass der Rangerhöhung durch Andronikos
Komnenos 'xal ötacpögcog xijU7]&eioa ngoxegov , das geht erstens auf die Erhebung zur
Metropolis durch lsaak Angelos. Damals war es aber noch die 86. Metropolis. In der
Zeit der 'ovyyvoig erlangt die wichtige und loyale Stadt ungleich höhere Ehren. Sie
erhält den xonog von Syrakus. Was heisst das? Weder die Metropolenliste des Alexios
Komnenos, noch die des lsaak Angelos kennen eine Metropolis Syrakus. Hier haben den
damaligen Archivdirektoren des Patriarchats ihre antiquarischen Studien einen Streich
gespielt, wie ähnlich nachher bei Erwähnung der Rangerhöhung der ehemaligen Protothronoi
Euripos und Kybista. Man hatte Philadelpheia den dreizehnten xojtog zugewiesen, den in
der alten Leonliste Syrakus statt des verödeten Melitene zugewiesen erhalten hatte. Längst
hatte aber Melitene seinen Platz zurückerhalten, war jedoch damals gleichfalls verloren.
Zwar im folgenden Jahrhundert ist es wiederhergestellt, und sein Oberhirte thront friedlich
neben dem seinen Platz einnehmenden Prälaten von Philadelphia, doch so, dass dieser
allemal über ihm sitzt1). Melitene war eine arme Pfründe, „der allerheiligste Metropolit
von Melitene, Hochehrwürden, der im hl. Geiste geliebte Mitbruder und Mitdiener unserer
Mittelmässigkeit, Kyr Theodosios, war für seinen Lebensunterhalt übel daran, da seine
Kirche vor undenklichen Zeiten in die Gewalt der Barbaren geraten war und noch von
ihnen beherrscht und umdrängt wird2)." Deshalb erhielt er xaxä Xoyov imdöoeojg die hoch-
heilige Metropolis Keltzene mit dem Sitze in dem ehrwürdigen, unter Anrufung der hoch-
heiligen Erau und Gottesmutter gegründeten Kloster Ki und ausserdem die Administration
von Neokaisareia und Koloneia3). Allein diese pompösen Erlasse scheinen ihn vor Bettel-
armut nicht bewahrt zu haben ; endlich erbarmte man sich des Märtyrers, und 1329
kumulierte er mit seinen vielen Würden noch die Prohedrie von Aenos. Erst jetzt hatte
er die Sicherheit, nicht im Glänze des Metropoliteuranges Hungers sterben zu müssen.
Immerhin bestand also eine Metropolis Melitene, und so war es klug, wenn man den
mächtigen Prälaten von Philadelphia zwar an den diesem Missionsbischof rechtlich zukom-
menden Platz wies, seinen xönog aber archaisierend nicht den Stuhl von Melitene, sondern
von Syrakus nannte.
Mit Achyraus enden die vjisQTiftoi und mit Antiocheia beginnen die Autokephaloi.
Das stimmt genau mit der Isaakliste der Parisini 396 und 560, welche als letzte Metropolen
qß 6 ügovorjg und qy 6 'Ayvgaovg aufzählen. Antiocheia wird gar nicht erwähnt und
Melagina erscheint als Erzbistum. Wahrscheinlich hat Theodoros Laskaris oder Johannes
Vatatzes diese Promotionen vorgenommen. Jedenfalls war die Würde von Melagina nur von
sehr kurzer Dauer, da die Stadt (Karadschahissar) früh türkisch wurde.
Ferner erscheint Pergamos als Erzbistum; ohne Zweifel hat die politische Bedeutung
dieser Hauptstadt des Thema Neokastra ihre kirchliche Beförderung veranlasst. Bald darauf
trat eine neue Veränderung ein, welche uns die Notitia X Partheys repräsentiert. Indessen
») Acta I 43 und 44, S. 80. 2) Acta I, S. 82. 3) Acta I, S. 83 ff.
592
der Codex Lipsiensis (XV s.), welchen Parthey abdruckte, ist unvollständig ; eine viel bessere
Rezension enthält der Genavensis Helvet. XXIII (s. XIV— XV) fol. 153r ff.1) Daselbst
lautet die Liste, soweit sie die durch Alexios revidierte Diatyposis fortsetzt:
na fj SrjXvßgia 83
nß i) AgxadiovnoXig 84
ny fj Meorjjußgta 85
jiö fj MiXrjxog 86
Tis xd regdixia 87
iig xd "YjiaiJia 88
nt, fj <PiXad£k<p£ia 89
jii] xö 'Agyog 90
n~& fj TvQaia 91
q xö üvgyiov 92
Mexä xd Ksgxvga rjoav xekevxcüai 93
xgeig avxai'
qa i) ZeßaoxÖTioXig 94
qß fj Evgmog 95
qy xd Kvßioxa r/xot xd 'HgaxXiovg' 96
k'v&a xal nagaygacpi), oxi fiexexe'drj djiö
xov tivai imoxojirjv xov Tvdvaiv eis
dg%i£7iioxomjv im Kcovoxavx'ivov xov
ayiwxdxov xal olxov/xevixov Jiaxgidgyov
qd fj iv xco Maidvdgca 'Avxi6%eia 97
qs fj 'Ayygdovg 98
qg xö AtdvfxoxEiyog 99
qt, fj ürjycbv xal Uagiov 100
qij fj Mov£jußaoiag rjxoi Taivdgov 101
qd fj ÜEgya/Liog 102
g fj Ilgovoa 103
Auch die Liste der Erzbistümer ist bedeutend besser, als die gedruckte; ich lasse sie
daher hier folgen :
AI dgiizTUöxonal de elolv avxai'
104
x fj Aijjuvog
124
a
fj Bi^vij
105
xa fj Asvxdg
125
l
fj A£ovxov7iohg
106
xß fj Miofcia
126
7
fj Magd)V£ta
107
xy fj 2,üixrjgiovnoXig
127
ö
fj 'AndjUEia
108
xb fj IIi]dax&d)v
128
£
xö Uagiov
109
x£ fj r£.gfii]
129
g
fj ügoixovtjoog
110
xg fj BooTiogog
130
C
fj Kiog
111
x£ fj Koxgaöia
131
V
xd KvxpeXXa
112
xrj ai PoTvoi
132
&
fj NlXTj
113
xü fj Kdgjrafiog
133
t
fj 'Idgvg (hifxfj'&ij)
114
X fj Tox&ia
134
ia
fj NEanoXig
115
Xa fj 2,ovyöaia
135
i
fj Zigyrj
116
Xß xd 'HgaxXiog
136
iy
fj X£gad)v
117
Xy ai <PovXXmi
137
id
fj Mearjvrj
118
Xd fj Ai'yiva
138
IE
fj rag£X?M
119
Xe fj Ay/JaXog
139
ig
fj Bgvoig
120
Xg xd 0dgoaXa
140
ll
fj Akgxog
121
Xt, fj Zijxyia
141
17]
fj Kagaßi'Qvrj
122
Xrj ai Ködgai
142
£&
ai Higgai (ixififj'&r])
123
Xi& ai Sfjßai
143
*) Ich verdanke die Kollation der Gefälligkeit von Dr. A. Burckhardt-Basel.
95 evgiTiJioc 98 am Rande: ygöupe ä%oQÜovc 114 Die Bemerkung ist am Rande beigefügt
123 Die Bemerkung am Rande 134 Darüber geschrieben /; höüqoc.
593
/i xo Aidvfiöxeiyov 144 "Ev xtoi x&v ävxtygdtpwv evgrjvzai xal 149
jua xö 'Pv^aiov 145 exegai ovo ägyiemaxoTiai'
fxß fj Aojiovrj 146 xö xe Aonddcov Xa 150
juy fj BijgtrovnoXtg 147 xal fj Koögog Xß 151
ud rä MsXdyyeia 148 xal fj Avt&vij 6/xov Jß 152
Vergleichen wir diese neue Liste mit der des Kaisers Isaak, so fehlt die Metropolis
Nesos, d. h. Prokonnesos (vgl. Not. I, 58). Diese Metropolis ist nämlich bald wieder zum
Erzbistum degradiert worden und erscheint als solches z. B. Acta I, S. 4 im Jahre 1315.
Apros hat in dieser Liste die 69. Stelle, wo in Not. II fj Andfieia stand. Diese bithynische
Metropolis ist gleichfalls zum Erzbistum degradiert worden und erscheint daher v. 108 in
der Autokephalenliste.
Not. X hat v. 93 ff. einen abweichenden Text vom Genavensis. Sie numeriert nämlich
Sebastopolis, Euripos und Kybista als 51., 52. und 53. Metropole. Dies ist kein einfacher
Fehler, sondern Herübernahme ans der Vorlage, einer spätem Redaktion der mit Kerkyra
endigenden Liste der Nea Taktika. Dort aber figurieren diese drei Städte nicht unter den
Metropolen, sondern unter den Erzbistümern.
Die Autokephalenliste hat nämlich gerade diese Nummern, so dass die drei sich un-
gezwungen anschliessen, vgl. Georg. Cypr. 1212 ff.
fxg fj rox&la v fj Ksgxvga
/u,£ fj Sovydia va fj 2eßaox6no)ug
fix] al <&ovXXoi vß fj EvgiTiog
[tu fj Al'yiva vy xa Kvßioxa ijxoi xä 'HgaxXeovg
Sebastopolis und Euripos wurden in der zweiten Hälfte des X. oder in der ersten des
XI. Jahrhunderts zum erzbischöflichen Range erhoben. Der ökumenische Patriarch Kon-
stantinos, welcher Kybistra diese Würde erteilte, kann nur Konstantinos III. Leichudes
1059 — 1063 gewesen sein, weil im XII. Jahrhundert (Patriarch Konstantinos IV. Chliarenos
1154 — 1156) die Stadt diesen Ehrenrang nicht mehr besass. Bei der Revision der Metro-
politen- und Erzbistümerliste unter Alexios Komnenos nämlich wurden diese drei Städte
wieder zu einfachen Bistümern degradiert, wie solche Wandlungen zu gegebener Zeit auch
mit Rhyzaion, Pergamon, Pyrgion, Prokonnesos u. s. f. vorgenommen wurden.
Allein bereits die Ordnung des Isaak Angelos hatte, wie Rhyzaion, so auch Herakleus
und Sebastopolis wieder mit erzbischöflichem Range ausgestattet. Euripos dagegen fehlt in
dieser Liste. Die Neuordnung unter Michael Paläologus hat nun offenbar mit Rücksicht
darauf, dass diese drei Städte (wie auch Rhyzaion), schon in frühern Zeiten einmal einen
höhern Rang genossen hatten, sie sämtlich zu Metropolen erhoben. Was die Zeit betrifft,
so können wir die Ordnung der Genferhandschrift mit Sicherheit der Zeit des Michael
Paläologos (1261 — 1282) zuweisen. 1256 unter Patriarch Arsenios, wie wir gesehen haben,
gilt noch die Ordnung des Kaisers Isaak. Dagegen die Ekthesis des Kaisers Andronikos IL
kennt überall die Zahlen des Genavensis, vgl.:
XI 21. o IToovorjg' y.al avxtj q frgövos ovaa eis x .Tooeßißuodij.
103. 6 Aoyovg' xal avxög nr\ o>v oe yeyovev.
105. 6 rirnylov 8g q (op @s ysyovtv.
107. 6 Evq'uioV (baavxog xal attbg qß Sn> gl} yeyovev.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 79
594
Demnach können wir mit Sicherheit auch bessern :
22. 6 IJip/ö)V xal avrai q£ &gövog ovoai dg xa 7ZQOijxd)]oav und
23. 6 üegyä/iov xal avxi] doovog q& ovoa slg xß Jigoeßißdo&r].
Damit ist die Zeit für diese Liste ganz sicher nach 1256 und vor Andronikos'
Ekthesis festgelegt.
Unter den einzelnen Städten kann die Erhebung von Monembasia einigermassen
wenigstens durch Vermutung bestimmt werden. Die Stadt wurde 12G3 wieder römisch und
blühte dann mächtig empor als Handelsemporium des Peloponneses, wie die Chrysobullen
des Kaisers Andronikos erweisen. Der dortige Metropolit war einer der reichsten Prälaten
des Reichs. Als die Metropoliten und Erzbischöfe desselben 1324 zur Unterstützung der
grossen Kirche einer Taxe unterworfen wurden1), veranschlagte man Monembasia auf
800 Hyperpern, während sonst die bestsituierten Metropolen, wie Herakleia, Kyzikos und
Thessalonike, nicht mehr als 200 Hyperpern erlegen konnten. Es lässt sich demnach ver-
muten, dass Monembasia vielleicht 1263 oder wenigstens bald nachher zur Metropolis er-
hoben ward. Man wird also die Veröffentlichung dieser revidierten Liste annäherungsweise
der Zeit zwischen 1260 und 1270 zuschreiben können. Endlich ist noch der damaligen
Bearbeitung der Erzbischofsliste und ihres Verhältnisses zu derjenigen des Isaakkatalogs zu
gedenken. Ein Vergleich beider Listen erweist sofort, dass die zweite auf Grund der ersten
ausgearbeitet ist. Leider hat den Redaktor aber sein gelehrter Eifer verleitet, ein Exemplar
von Leons Diatyposis aus dem X. Jahrhundert zum Vergleich beizuziehen, und dadurch
seinen Katalog mehrfach zu verunstalten. So schiebt er an zehnter Stelle Hydrus und an
19. Serrae ein nach Leons Diatyposis; indessen ein gelehrter Diortbot hat am Rande ange-
merkt, dass diese Erzbistümer längst zu höhern Ehren befördert seien. Der Bearbeiter des
Lipsiensis schiebt sogar noch Amastris und Koloneia ein ; beide Handschriften haben endlich
auch Theben, das längst Metropolis war. Schneiden wir diese Auswüchse einer übel ange-
brachten Gelehrsamkeit weg, so stimmen beide bis zu Kotradia. Da folgt in der Isaaksliste
ein mir rätselhaftes Bistum TgcoTva, welches im Genavensis fehlt ; dafür hat dieser als Nr. 38
al Kodgai*). Im folgenden ist die Redaktion des Genavensis sehr nachlässig. Die Isaaks-
liste hat xa 6 HovyöacpvXXov. Denn fjvco^oav ainfj (rfj 2ovy8aiq) xal 6 Kacpäg xal al
<Z>ovXXai. Not. XI 97 Note Parthey. Dagegen unsere Notitia erwähnt sie als getrennt;
ebenso zählt die Isaaksliste Kybista-Herakleus mit Recht unter den Erzbistümern auf; unser
Verfasser vergisst, nachdem ihr Avancement zur Metropolis gemeldet, sie unter den Erz-
bistümern zu streichen. Dasselbe ist mit Rhyzaion der Fall. Melagina kennt schon die
Isaaksliste als Erzbistum, dagegen nur der Genavensis erwähnt Aspone und Verinupolis,
deren Glanz jedenfalls nur ein ephemerer war. Das Ganze macht mehr den Eindruck einer
fleissigen Privatarbeit, als eines offiziellen Erlasses 3). Das zeigt auch die Schlussnotiz,
wonach der Redaktor noch andere Codices zuzog, aus denen er die Erzbistümer Lopadion,
>) Acta I, S. 127.
2) Vielleicht sind diese Bistümer identisch vgl. Index lect. Jenens. 1891/92, S. 5 Note.
3) Damit ist natürlich nicht gesagt, dass die Liste nicht offiziellen Ursprungs sei. Genauere
Lektüre der Patriarchalakte z. B. der Streit zwischen Ephesos und Pyrgion zeigt eine geradezu gross-
artige Unwissenheit der Patriarchatskanzlei in allen diesen für den höheren griechischen Klerus so
wichtigen Fragen.
595
Kodros und Ditzine herausfand. Lopadion war Erzbistum schon unter den Angelern; Kodros
ist nur Nebenform für Kodrai und Aix^m] aus Ba'Qivv] verschrieben. Es ist das alte Pityus,
welches sonst Soterinpolis genannt wird und als Erzbistum wohlbekannt ist. Damals scheint
es den alten Namen in barbarisierter Form wieder aufgenommen zu haben. Darauf weist
das Pizonda der Seekarten und die nun üblich werdende Namensform Bix^ivi]. Andronikos
erhob diese Stadt sogar zur Metropolis, und es ist erheiternd anzusehen, wie 1347 der
Metropolit von Alania berichtet, dass seit unvordenklichen Zeiten die Metropolen Alania
und Soteropolis durch Chrysobull und Synodalbeschluss vereinigt seien „aber vor kurzem,
ich weiss nicht wie, wurde für diese Kirche von Soteropolis ein rechtmässiger Oberpriester
von unserem Vorgänger im Patriarchat erwählt und geweiht1)." Dabei sitzt dieser angeb-
lich unbekannte Metropolit von Soteriopolis unter dem Decknamen von Bitzine ruhig in der
Patriarchalsynode. Man sieht, es ist ein ähnliches Doppelspiel, wie es der Patriarch gegen-
über den unter sich rivalisierenden Stühlen Kiew, Halicz und Lithauen anzuwenden beliebte.
Mit der Berufung des Metropoliten Hyakiuthos von Bitzine 1359 auf den nengegründeten
Stuhl von Ungroblacbia scheint diese Metropolis definitiv aus der Geschichte zu verschwinden.
Die Errichtung der drei Metropolen Sebastopolis, Euripos und Kybistra sieht aus wie
ein Programm der neuen Regierung des unter Michael Paläologos glorreich hergestellten
Reiches. Man nahm die Beziehungen zu den Kaukasusvölkern wieder auf; Beweis dafür die
Errichtung der Metropolen Kaukasion und Bitzine. Euripos sollte darthnn, dass man auch
die Venetianer zurückzudrängen hoffte, indem man mitten in ihrem Hausbesitz die euböische
Metropole wie ein Kriegsmanifest errichtete. Endlich Kybistra besagte, dass man auch im
Osten mit den Seldschuken fertig zu werden sich erkühnte. Indessen bald genug erwies
es sich, dass zur Verwirklichung so hochfliegender Pläne es dem Reiche an Kraft gebrach.
Andronikos (1282 — 1328) übernahm von seinem Vater ein gealtertes und nach innen durch
den kirchlichen Parteihader geschwächtes Reich. Es galt zu retten, was zu retten war.
VII. Die Ekthesis des Andronikos Paläologos.
a) Die Aenderungen der Liste.
Unter diesem Gesichtspunkte ist die neue Kirchenordnung des Kaisers Andronikos zu
verstehen. Noch immer galt nominell die Diatyposis des Kaisers Leon, welche dem
mächtigen Umfang des glanzvollen Reichs um 900 entsprach. Komnenen und Angeli hatten
an der alten Kirchenordnung herumgeflickt, sie revidiert und ergänzt, allein an der Grund-
lage nicht gerüttelt. Jetzt war das vollkommen anders geworden. Der grösste Teil von
Asien war verloren, und auch in Europa waren durch die Slawen und Lateiner so grosse
Gebietsteile besetzt worden, dass das Kaisertum der Paläologen nicht mehr als eine Gross-
macht, sondern als ein bescheidener Staat zweiten Ranges gelten konnte. Aber zu einer
Preisgabe der alten Herrschergedanken konnte man sich nicht bequemen ; man hielt die
alten stolzen Titel fest, obschon die Inhaber vielfach armselige Missionsbischöfe i. p. ge-
worden waren. Immerhin machte man einige Konzessionen an die Gegenwart. Die
bedeutenden Städte des Reiches, wie Thessalonike, Adrianupolis, Monembasia, Philadelphia,
l) Acta I, S. 259.
79*
596
Prusa, Pergamon u. s. f. erhielten eine ihrem Range entsprechende Stellung, und manche
altberühmte Metropolis oder richtiger Ruine musste einige Plätze heruntersteigen. Charak-
teristisch für den griechischen Hochmut ist aber, dass das hochbedeutsame Kiew ebenfalls
in seinem Range herabgesetzt wurde, während es natürlich verdient hätte, womöglich
Protothronos zu werden; offenbar ahnten die Griechen auch nicht von ferne, wie bald ihr
Klerus auf russische Almosen angewiesen sein werde.
•s*
b) Der Text.
Diese Neuordnung des Andronikos ist nun in unzähligen Handschriften der Nomo-
kanones erhalten. Indessen gewisse in allen oder fast allen Abschriften wiederkehrende
Fehler zeigen, dass sie auf ein gemeinsames Urexemplar zurückgehen.
Parthey hat bereits in seiner Ausgabe der Notitien zwei Rezensionen abgedruckt,
welche sich dadurch unterscheiden, dass die eine die Metropoliten und die andere die
Metropolen aufzählt.
Die eine Version zählt auf:
6 Kaioageiag
6 'Ecpeoov
6 'Hgaxkeiag u. s. f.
die andere:
fj Kaiodgeia
i) "Efpeoog
fj 'HgdxXeia u. s. f.
Leider hat Parthey den Text nach Goar gegeben und dieser zwei besonders schlechte
Handschriften herangezogen ; Parthey hätte übrigens allein aus dem gedruckten Material
einen erheblich bessern Text herstellen können ; indessen diesen versteckt er meist in die
Varianten. Es fragt sich, welche Version die ursprüngliche ist. Aus der Form der An-
merkungen zu den einzelnen Titeln , wie sie in der ersten Version vorliegt : xal avTij
ta ovoa dgovog eig id vjießißäodr] — avxrj emaxonr] fjv xxX. geht mit Evidenz hervor, dass
die zweite Form, welche die Metropolen aufzählt, die ursprüngliche ist. Auch Leons
Diatyposis zählt stets die Städte auf und speziell die uns im Genavensis vorliegende Liste,
welche Andronikos für seine Revision benutzte, hat diese Form. Die Handschriften enthalten
nun wie gewöhnlich nicht die echte und ursprüngliche Form der Ekthesis, sondern sie
schieben nach der Weise dieser Listen, die zum praktischen Gebrauch dienen, etwaige Ver-
änderungen der Gegenwart gleich in den Text ein. Es zeigt sich das an der Konfusion in
den Zahlen; die Ordnungszahl der einzelnen Nummern stimmt fast nie mit der Textzahl;
freilich ist in den Handschriften die Verwirrung bei weitem nicht so gross, als bei Parthey.
Im Ganzen sind aber die den veränderten Text (6 Kaioagetag u. s. f.) bietenden Handschriften
besser, als die andere Klasse. Einen kritischen Text beider Rezensionen spare ich für
meine Ausgabe der Notitiae episcopatuum auf. Hier gebe ich nur den Text nach zwei
besonders reinen und guten Handschriften, diese sind :
1. Der Parisinus 1356, ein Nomokanon des XIV. Jahrhunderts, 334 Bl., er enthält
fol. 287r— 288r den ersten Teil von Not. X, fol. 288r— 290v die Ekthesis des Andronikos
\
597
und fol. 290v — 294v den zweiten Teil von Not. X mit dem wichtigen Anhang über die
Errichtung der Metropole von Halicz.
2. Parisinus 1389 des XVI. Jahrh., 394 Bl., der das Handbuch des Konstantinos
Harmenopulos nebst vielen Briefen über die Concilien enthält:
fol. 176r— 177T die Ekthesis des Andronikos,
fol. 177T— 180r die Notit. X,
fol. 181v die Aemter der grossen Kirche,
fol. 182 — 188r einen Katalog der Patriarchen.
Dem Text ist Paris. 1356 (A) zu Grunde gelegt; daneben habe ich die Abweichungen
von Paris. 1389 (B) angemerkt.
f CH ex&eoig avx?] xcov vxtoxeijuevcov ]xi]XQ07i6Xecov reo anooxoXixiT) xal 1
TtaxQiaQyixcö &qovco xr)g fteocpvXdxxov xal ßaoiXidog KaJvoxavxivovjioXeojg'
i£~Exedr] ejiI xfjg ßaoiXeiag xov äoidl/nov ßaoiXecog xvqov 'AvÖqovixov JJa-
XaioXöyov xov yeQovxog. f
a 6 KaioaQeiag 2
ß 6 'Ecpeoov 3
y 6 'ÜQaxXeiag 4
d 6 'AyxvQag 5
e 6 Kv'Qixov 6
g 6 SaQÖecov 7
C ö Nixojuqdeiag g
■)] 6 Nixaiag 9
d- 6 XaXxrjdovog 10
i 6 <PiXaöeXcpeiag' avxrj enioxojir] xov ZaQÖecov ovoa xal diacpÖQOJg xi/xrj&eToa 11
TiQOxeoov, voxeoov TiQoeßißdo&t] tioqü. xov äoiöijuov xal evoeßovg ßaoiXhog XVQOV
Avdoovixov xov UaXaioXöyov eig Dqovov i.
ta 6 QeooaXovixr\g' öjuoicog xal avxi] ftQovog ig ovoa eig ta jiaoä xov eiQrjjiievov 12
ßaoiXeojg üqovov nQoeßißdo&t].
iß 6 AÖQiavovnolecog- woavxcog xal avxt] §Qovog ju ovoa eig iß -&qovov jiqo- 13
eßtßdodrj.
ty 6 Zidijg, i öpoitog xal avxi] d-Qovog ovoa dg ly Oqovov vTteßißdoih]. 14
id 6 Zeßaoxeiag' xal avxi] Ooovog ovoa ta eig id i'Tteßtßdo&i]. 15
iE 6 A/iaoeiag' öjuoiwg xal avxi] iß ovoa eig te xarr/ythj. 1(3
ig 6 MeXixi]rf]g' ojoavzcog xal avxi] ty ovoa eig ig vneßißdodi]. 17
iC 6 TvdvaiV ouoiojg xal avxi/ id ovoa doovog eig it, xaxfjydr]. 18
it] 6 rayyQcov' xat avxi] te ovoa eig it] xari'/yOi]. 19
f& 6 IIovxoi] oaxXeiag' avxrj intoxorrij t)v xov Klavoiov7i6Xeo)g, xal öid xö vno 20
e&vcov exeiv)]r xaxaoyjD^vtu, htiti'jihi arrtj ydoiv exeiv^g eig jur/xo6jio?uv xal
Doörov tS, vvv de iß yeyortv.
1 -< B 11 xal vozsqov B 12 oroa ig B nach xgoeßtßäoOrj ' vvv de xov xoitov ijiiyei xov 'Ayy.vgag B
14 dpövoc i oroa B 18 tuhtj und so stets B &q6vo( *=i B 20 vno -ü B s/s fitjxQÖJioXiv Ogövog i:: 1!
598
x 6 Iloovorjg' xal aini] q &Qovog ovoa elg x Jiooeßißdodx]. 21
xa 6 ürjycöv' y.al avxr] flgovog q ovoa, elg y.a JiQor)yßr]. 22
y.ß 6 üegya/iov' xal avxr] dqövog |# ovoa elg xß Jiyoeßißdoßij. 23
xy 6 Neoxaioaoeiag' 6/ioioog xal avxi] dgövog ir\ ovoa eis xy imeßißdodx]. 24
xd 6 IJioivovvxog' xal avxi] ftoövog ovoa c& elg xö vjießißdoßx]. 25
xe ö Mvqojv xal avxi] x ovoa elg xe xaxfjy&vj. 2(5
xg 6 2xavgov7iöXea>g' xal avxr) xa ovoa xg yeyove. 27
x'Q 6 Aaodixeiag' xal avxi] xß ovoa xQ yeyovev. 28
xr\ 6 2vvddojV xal avxi] xy ovoa eig xrj xaxi'jydi]. 2!'
x-& 6 'Ixoviov xal avxo ftgovog xd ov eig xd xaxeßißdodtj. 30
X 6 BeQQoiag' xal avxi] enioxoni] ovoa xfjg dyiioxdxijg /xijxooTiöXeaig öeooaXovixijg 31
elg X Ogovov ngoijyßij.
Xa 6 üioidlag' avxi] dgövog ovoa xe elg Xa xaxfjX&ev. 32
Xß 6 J-vXaioi>' xal avxo dgövog xg ov elg Xß xaxijXdev. 33
Xy 6 Kogivd ov xal avxrj x'Q ovoa elg Xy xarfjXdev. 34
Xid 6 Move/xßaoiag' avxi] emoxojiij ovoa xov IJaXaicbv IJaxgcbv elg [iiyi ■gönoXiv 35
Tigoeßißdo&r] *
(dgxiojg de ly dgövog eoxiv.)
Xe 6 'AdijvöiV ojoavTOJg xal avri] dgövog ovoa xi] elg Xe vjießißdodi]. 36
Xg 6 Moixijoov' xal avxr] dgövog ovoa xd elg Xg xaxijydr]. 37
X'Q 6 Kgi']xi]g' xal avri] X ovoa elg XQ vneßißdodr]. 38
Xt] 6 KaXaßgiag' xal avxy] dgövog ovoa Xa elg Xrj vneßtßdodij. 39
Xd 6 HaXaimv UaxgCov xal avxi] Xß ovoa elg 1$ xaxi'jydi]. 40
fi 6 TgajieQovvxog' xal avxi] Xy ovoa elg ti xaxi'jydi]. 41
f,ia 6 Aagloorjg' xal avxi] dgövog Xd ovoa elg /xa xaxfjXdev. 42
/xß 6 Navjidxxov xal avxi] Ae ovoa /xß yeyovev. 43
/xy 6 Q^iXaTinovnoXeoig' xal avxi] Xg ovoa /xy iyevexo. 44
jud 6 Tga'tavovjiöXeaig' xal avxi] XQ ovoa /xö yeyovev. 45
/xe 6 cP6öov xal avxi] Xrj ovoa elg /xe xaxrjydrj. 4l>
/ig 6 Zeggöxv xal avxr] vi] ovoa dgövog elg /xg Tigoeßißdodij. 47
/iQ 6 0tXiJi7injv' xal avxi] Xd ovoa elg /xQ xaxrjydrj. 48
/xi] 6 XgioxovjzöXeaig' xal avxi] enioxoni] ovoa xov 0i?ünna)v, hi/iijdij elg dgyi- 49
enioxom'jv, elxa elg /xrj dgövov ngoeßißdodi].
/xd 6 'IeganöXeojg' xal avxr] /ia ovoa elg /xd vneßißdodt]. 50
v 6 Avggayiov xal avxo /xß ov elg v vneßißdodr]. 51
va 6 2/x v g v r/ g " xal avxi] /xy ovoa elg va xaxi'jydi]. 52
vß 6 MixvXtjvrjg' xal avxr] /id ovoa elg vß xaxrjydrj. 53
vy 6 'looavvivcov xal avxä emoxoTti] ovxa xijg /ojxgoTTÖXeoog Navndxxov elg vy -")4
ß'Qovov 7iQoeßißdovxrjoav.
21 eIxooxov A 22 <; {)q6voc B ivvEvrjxooToC A 25 mairovc A 29 xrj yeyovev B 30 ov xd B
32 )m yeyovev B 35 dgriwg — eoriv am Rande A. B hat nach jrgoeßißda&r]' agriuig de ty eoziv' fierä rö
yevvrj&fjvat xr/v ex&eotv ravtrjv szooeßißdnOi] 6 Moveflßaoiag xal erüxdi] fieia tov 'Adoiavovxökeoig xal ftgovog
yeyovev ty 36 Ogövoc «=i B 38 Jigoeßiß. A 39 \a ovoa B dgövoc «=ü B 40 v.xeßißäoftt] B
42 öqövoc -<; B avröc — wv B 47 &qövoc -=C B 50 xal ~=C B 54 xfjg /ujtq. *=ü B
599
vd 6 Aidv jMorsiyov xal avrd ägyiEmoxoJii] ov ziälai jiork Eig vd dgövov jioo- 55
sßißdo&rj.
ve 6 Aaxsdaifxoviag' xal avri] orj ovoa slg ve Tigosßißdoßt]. 56
vg 6 MeXevixov. 57
vt, 6 Kardvijg' xal avri] jud ovoa sig vt, xanjx&ij. 58
vrj 6 A/uojgiov xal avrd jus öv vrj ycyovsv. 59
ve 6 Kajud^ov xai avri) jug ovoa v& ysyovsv. 60
£ 6 Korvasiov xal avrd juC ov ysyovsv f. 61
£ct 6 rfjg 'Ayiag Zsßijgiavfjg' xal avri) jurj ovoa £a ysyovsv. 62
£ß 6 Neojv üargärv avral v ovoai £ß ysyovaoiv. 63
£y 6 "Atiqoj' xal avrög g~& idv Jigorjx&t] slg g~y. 64
g~d 6 A/udorgidgg' xal ami] vß ovoa slg |$ xarr]%&)]. 65
£e 6 Xojvwv xal avral vy ovoai Eig |e xarrjy&rjoav. 66
£~g 6 'Ydgovvrog' xal avrrj vd ovoa Eig £g xarr'jyßij. 67
£C 6 KsXrtrjvrjg' xal avri] ve ovoa sig ££ xarrjyßrj. 68
g~t] 6 KoXwvsiag' xal avri) vg ovoa Eig k~Y] xarrjyßij. 69
£e 6 Ovjßöbv xal avxai v£ ovoai g~& ysyovaoiv. 70
o 6 IIofX7H]'(ovji6X£0)g xal aihij vi) ovoa Eig o xarijyftr] dgovov. 71
oa 6 'Pajoiag' avrrj | ovoa ysyovsv oa. 72
oß 6 AXaviag' xal avrrj g~a ovoa oß ysyovsv 73
fjvwßrj rfj AXavia xal r) agyisiiioxoni] ZarrijgiovjioXsaig diu ygvooßovXXov
rov äoidijuov ßaotX.EOjg xvgov AXsfiov rov Kofxvrjvov xal jigäg~EO)g ovvodixfjg-
vvv Öe di£%a)giodrj avrrjg fj ZoitrjgiovjioXig xal ysyovsv iv rqp xaigut rfjg ovyyv-
OEO)g firjrgönoXug xal avrrj, ovoa xaiT iavrrjv.
oy 6 Al'vov xal avrrj iß ovoa oy ysyovsv. 74
od ö 0agodXa)V xal avrd agyisriioxoTiij övra Eig od ngosßißdodrjoav. 75
oe 6 TißEgtovjzöXsojg' xal avrrj £y ovoa oe ysyovsv. 76
og 6 EvyaivuiV xal avrd g~d övra og yEyovaoiv. 77
o£ 6 Ksgaoovvrog' xal avri] fe ovoa o£ ysyovsv. 78
oi] 6 NaxioX.siag' xal avri] £g ovoa ot] ysyovsv. 79
od 6 I'sg/Liiojv xal avrd g~'Q övra od ysyovaoiv. 80
n 6 MaÖvrarV xal avrd |>y övra ti ysyovaoiv. 81
na 6 FaXir'C.ijg- avrrj irnoxoni] ig" ägyjjg ovoa rfjg MsydXrjg 'Poioiag iriju>'j&r] sig 82
jUjjrgojioXtr Tiagd rov äoidijuov ßaotXsojg xvgov Avdgovixov UaXaio)>.6yov rov
ysgovrog im rov uyiandrov 7iargidg%ov xvgiov Adaraoiov iv srsi tga)ia rfjg y
iTuvsfirjosojg.
Tiß ö 'Ana/teiag' xal avrrj agyisnioxoni] e£ ägyfjg ovoa iri/Lu'j&r/ Eig jurjrgöjioXuv. 83
55 didvfioior/ov A 3idvftoza>xov B vd] ud A 56 ve] /xe A 57 nach fie).evlxov eine Zeile
leer A '>'.) ä/nogi'ov AB G2 aev?jQiärt]C B 63 ysyovsv A 64 ov B 67 Iöqovvxoc AB jievzrjxooToc
leraQtoC A 69 f^rjxoaröc i'varoc A 72 eßdoiajxoozöc xqwtoc A 73 Kßdourjxoaiöc ÖevtsgoC A
fjva>1hi—&avx4)v <<: B 74 ißd. rghoC wo A avztj hat, hat B gew. avtr\ 11 svyahoiv B
80 ysgfiiov AB 82 y.al avx'a i$agyr)c A < B 82 jiaga rov <=; B xvqiov] xvgov B _goj ivdexdzco AB
83 cuiafilac li i£aQ%TJC -^C B
600
ny 6 Air ßddoiV rd Airßada ivögia övra rfjg MeydXtjg cPa>oiag fxtjrgbnoXig yeyö- 84
vaoi tzolqü rov avrov ßaoileaig im rov ayiatxdxov nargidgyov xvgov 'Iwdvvov
rov IXvxewg.
7td 6 Kavxaoiov. 85
7ie 6 Bvbivrjg' avrrj imoxojrfj ovoa rfjg uyiondrijg dgyjemoxoTzfjg BovXyagiag elg 86
/UrjTQOTlO/JV JTgOTjydlj.
rrg 6 Forßiag' xal avrrj bgyiemoxonlj ovoa /mjrgbjioXig yeyovev. 87
jrC o BaoiXaiov xal avrb figovog bv o vneßißdoßrj eig nt,. 88
jirj 6 Na^iav'Qov' xal avrrj oß ovoa eig nvj vireßißdo&ij. 89
7T& 6 KegxvgaiV oy övra jift yeybvaoiv. 90
q 6 'Aßvöov od ovoa q yeyovev. 91
qa 6 Mrj $ v f.i v rj g ' 92
qß 6 XgiortavovjibXeojg' og ovoa qß yeyovev. 93
qy 6 'Pwoiov o'Q ov qy yeyovev. 94
qd 6 IJagora^lag' avrai Tigorjoav ßgövog oß, vvv öe qd yeyovaoiv. 95
qe 6 'ArraXeiag' n ovoa qe yeyovev. 96
qg 6 Zixy'iag' avrrj ovoa dgyjemoxomj fnjrgönoXig yeyovev. 97
qt, 6 BoojiogoV xal avrlj ägyiernoxonrj ovoa Tigoeßißdo&rj. 98
qij 6 Bir'Qivijg' 99
qd 6 2ovydaiag' änb dgy^ienioy.oiiYjg /irjrgöjio/jg yeyovev. 100
g 6 Meor] /ußgtag' ny &gbvog ovoa g yeyovev. 101
ga 6 AgxadiovjToXeaig' nß ovoa yeyovev ga. 1(1:2
gß 6 ZrjXv ßgiag' xal avrlj na ovoa gß yeyovev. 103
gy 6 MiXrjrov xal avrrj nb ovoa gy yeyovev. 104
gb 6 ragöixov xal avrlj ne ovoa gd yeyovev. 105
ge 6 'Agyovg' xal avrb tdj bv ge yeyovev. 106
gg 6 Agiorgag' xal avrrj oa ovoa xarijyßrj eig gg. 107
gl, 6 Uvgyiov q bv g£ yeyovev. 108
grj 6 2. eßaorovTioXeoog' xal avrrj jigoijv dgbvog va xareßtßdo&rj eig grj. 109
g& 6 EvgiTiov avrrj vß ovoa gd yeyovev. HO
gi b Kvßiorcov xal avrd bjuokog vy övra gi yeyovev. 111
gia b 'Avrioyeiag 112
giß b 'Ayvgdovg 113
"Yoregov im rov avrov ßaoiXeaig irijuijür] eig firjrgbjioXiv 114
fj Bgvoig'
olfiai bri ebbdij avrfj xal rönog vxjirjXbregog.
xal rb rdvog, agyiernoxoTirj ngöregov rtjLuj&ev, elra yeyove firjrgbnoXig. 115
xal fj Xegocbv dgrioig jiirjrgbjioXig ioriv. 116
84 rXvxv AB 86 iirjzgoTtohc ykyovev B 89 vn. de nr\ B 95 i) <-iagova$(a ^.goovoai od q&
yeyöraot B 96 evsvtjxoozoC Jihuzzoc A 97 avzi) -=C B agy. ovoa B 99 Btz£iji'i]C B 100 6 ooy-
öatac B /m]t. yey. d?rö äo. B 101 Fy.aiooioc A aTjbj/ißgiac B aber vom Rubrikator o>j in iie korr.
103 exarooii] ösvzega A 105 yagöixi'ov B 106 ey.azooxov niixnzov A 106 u. 107 haben in B den
Platz gewechselt, es ist aber am Rande korrigiert 109 jrgoijv -=i B nach va oroa B 110 xal avzij B
111 xvßiozov AB yeyovaoiv B 115 Ufiij&sv] ov B eiza]i"jzic B
601
"Enuij&ijoav Tiaoa xov avxov ßaoUEOig eis dgyiEmoxondg' \\~]
1) Mrjdeia.- emoxonrj ovoa jigöxsgov xov 'HgaxXiovg. Hg
i) Eavüeia' ETiioxoni] ovoa xal avxi] xov TgaiavovTtöXsojg. 119
y.al i) zigä/ua' xal avxi] xijg ivoglag ovoa xov <&dtjzjza)v. 120
Ilagä de xov äoiöliiov ßaodioig xvgov Avdgovixov xov JJaXaioXöyov xov veov 121
ixif.u]&i]oav ei; umgonoleig'
al Ziyvav ethoxottIj ovoa xov Zeggwv. 122
xal fj Xiog' inioxom) ovoa xov 'Pööov. 123
Mexd ös xrjv xeIevxijv xov avxov ßaodkog xvqov Avdgovixov xov üaXaioXoyov 124
ev x(5 xatgcp xfjg ovyyvoeojg JigoEßißäofrrjoav Eig jui-jxgojioXaxcöv äno äg-
"/lETllOXOJTtOV "
6 BiCvyg 125
6 Magojvsiag 12ß
6 ragsXhjg 12"
6 Mrjöeiag 128
6 Agdiiag 129
6 Zav&Eiag 13q
Ajio 6e etiioxötkov Exi/x)]di]oav juyxgoJiolhat' 131
o Teveöov \ 32
6 'Paidsoxov 133
6 KaXXiovjioXsojg 134
6 ügoßdvöovg 135
6 ZxotieXov 13ß
6 3Idxoi]g 137
6 ITEgi&£a>giov 133
6 AvxixCrjg I39
AgyiEJiioxojioi dk iyevovxo dnb EJiioxÖTioiV 140
6 'E^ajuiXiov 141
6 T^ovgovXörjg 142
xal ev t/7 BXayUi. I43
6 Aofiivixov I44
Für die guten und alten Handschriften ist es charakteristisch, dass die Autokephalen-
liste (Parthey XI, 121—149) meistens fehlt. Offenbar hat Kaiser Andronikos nur eine
Neuordnung der Metropolenliste vorgenommen. Die selten sich vorfindenden Autokephalen-
verzeichnisse sind teils fehlerhaft, teils jung; unsere Handschriften bieten aber 114 — 144
wertvolle Zusätze aus späterer Zeit.
Die wenigen ganz echten Listen1) haben als 81. Metropolis Galitza (Halicz). Auf
117 ai agxiemaxonai B 121 y.vnov -=C B xov -=C B /utjxgöjioXiv B 122 zov] zwv B 124 L-11-
oxö.-to)v B 127 yaoe/.Tjc B A t am Rande 132 xr\c MuvXrjvrjC 134 xfj? figaxXeiac A fügt am
Rande hinzu 136 xijs &dgiavov3i6Xs(ac 138 tijs ZQai'avovjiöXsaig 139 rijc cpdmTiovitöXeioc 142 zfjc rjga-
xXetaC ovtoc 144 xfjc Xaglaorjc ovioc.
l) Ausser der oben abgedruckten namentlich der von Rhallis benutzte vo/uixög xojöc^ xov ev naxagia
tfj 'i.rfci Fegaolfun) 'AgyoXidog. Leider konnte ich diesen wertvollen, von Rhallis ungenügend kollationierten
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XX F. Bd. IIL Abth. 80
602
Andringen des hl. Theognost, des Metropoliten von Kiew (1328 — 1353) wurde Halicz später
wieder zum Bistum degradiert, Kiew unterworfen1) und aus der Liste der Metropolen ge-
strichen. Alle spätem Listen haben daher die Reihenfolge: Madyta — Apameia — Lithauen —
Kaukasos u. s. f. ; aber in den folgenden Nummern herrscht meist eine üble Konfusion,
Beweis, dass sie aus dem echten Exemplar des Patriarchats abgeschrieben worden sind, in
welchem Nummer 82 gestrichen ward, die spätem nun nicht mehr stimmenden Nummern
jedoch unkorrigiert blieben. Der Redaktor, welcher die Liste für den Kaiser zurecht machte,
war Kyr Menas, wie uns ein Aktenstück des Patriarchats meldet, das uns gleichzeitig mit-
teilt, dass der Codex archetypus der Ekthesis in den Nomokanon des Klosters rov TlavrE-
nonrov eingezeichnet wurde. Acta I, CI S. 230 v. J. 1342 : öjuolcog raig jut]rgoji6Xeoi avrijv
(rö IJvgyiov) ovi>rjglvx/ni]oe xal 6 iv juaxaglq rfj hjfei yevojuevog doidijiwg xal juaxaga)jg
ßaoiXevg, 6 Tigönamiog rov xgariorov xal dyiov juov avroxgdrogog, iv rfj ixreßeioi] Tigoo-
rayfj ri]vixavra rfj avrov dnagiß juijoei xai rd^ei rcöv dyiandrcov ixxXrjaiäJv Jiagd rov xvgov
Mt]vä, ijng dl] dnaglßjuqoig iyxareorgcorai reo iv rfj oeßaojuiq juovfj rov IlavrEJiÖTirov
evgeßevn vojuoxavovi.
c) Die Zeit der Konzeption.
Ueber die Zeit, wann diese Neuordnung des Andronikos Platz gegriffen, ist es nicht
ganz leicht sich zu entscheiden. Wir haben zwar vier Angaben, welche aber alle irgendwie
verschrieben und nicht ganz richtig zu sein scheinen.
1. Der Marcianus CI. III, Cod. V, fol. 261r hat zu der Ueberschrift : f] yevofievt]
k'x&eoig rcöv irnoxeijuevojv rfj ßaoi?udi Kajvoravrivovjiö?^£i fxr\rgo7i6Xt(ov im rfj ßaoiXeia rov
doidijuov ßaoiliayg xvgov 'Avdgovlxov rov öevxegov rcöv üakaioloytov von zweiter Hand den
Zusatz: iv erst ,geo£. 6860 = 1351/2 ist natürlich sinnlos; allein es ist wohl ,gco£ zu lesen,
da die Verwechslung der Zahlzeichen £ und £ sehr häufig vorkommt. Das ergäbe als Jahr
der Ekthesis 1298/9.
Damit stimmen nun die anderen Angaben nicht.
2. Die Ekthesis setzt die Erhebung von Halicz in 6811 = 1302/3; allein die bei-
geschriebene Indiktionszahl III passt auf 1304/5. Die eine, wie die andere Angabe führt
auf eine spätere Zeit als 1298/9.
3. Die Errichtung der Metropolis Lithauen setzen zahlreiche Handschriften der
Ekthesis in 6800 (= 1291/2); dies würde stimmen; allein gerade dieses Jahr ist sicher
falsch ; denn damals war Athanasios Patriarch, während Lithauen von Johannes befördert
worden ist. Nun liest zwar der Paris. 1361 gleichfalls ^co; aber co steht auf einer Rasur.
Daraus erhellt, dass wir es mit einem alten Fehler zu thun haben. In der That fand ich
in zwei Handschriften eine abweichende Lesart.
Im Parisinus 1362 (XV S.) lautet der Text:
Tiß f] Airßcöv rö avrb xai Airßada Xeyovrai, ivögia övra rfjg MsydXyg 'Pcoolag' /uij-
Codex in Athen nicht wieder auffinden. Man sprach mir gegenüber die Vermutung aus, dass er sich
wohl im Besitz der Familie Rhallis noch befinden werde.
0 Das Nähere Zeitschrift für Kirchengeschichte XIII, S. 257 ff.
603
rgönoXig yeyövaoi xal eis nß rerijurjvrai d-gövov nagd rov ßaodeojg xvgov Avdgovlxov inl
rov dyiojrdrov nargidgyov 'Iwdvvov rov rXvxeoog iv erst jgair].
Ferner im Atheniensis 1437 (XVI S.) lesen wir :
na i] Aaßöjv, rö avrö xal Airßaöa Xeyerat, ivögia övra rrjg Meyähjs 'Pojoiag' /uyrgo-
noXig yeyovaoiv, xal eis nß rerijui]vrai &govov nagd rov avrov ßaoiXeojg xvgov Avdgovlxov
inl rov dyiojrdrov nargidgyov xvqov 'Iojdvvov rov rXvxecog iv erei tga>L.
Das Jahr der Erhebung Lithauens ist demnach entweder 1299/1300 oder 1301/2.
Damals war aber nicht Johannes XIII. Glykys (1315 — 1320), sondern Johannes XII.
(1294 — 1303) Patriarch. Offenbar liegt hier eine Verwechslung dieses letztern mit seinem
berühmtem Nachfolger vor. Wiederum haben wir ein Ereignis, welches später liegt, als
die angebliche Veröffentlichung der Ekthesis.
4. Erklärt das Chrysobull des Kaisers Andronikos I. für Monembasia1), dass diese
Metropolis schon früher einen höhern Rang erlangt habe: S. 336: xal ro'ivvv <p&dvei f.iev
jjdi] ngoregov ngo&eonioaoa xal ßa&juov riva rcöv vifn-jXoregcov eyeiv ravrr/v rrjv äyicordrrjv
jurjrgonoXiv xal ronov riva ixxXrjoiag irigag xal rdlgiv ngoeoßeojuevrjg xal cbomgel nageX-
dovorjg. Nun wünscht der Metropolit Bestätigung durch ein kaiserliches Chrysobull und
deshalb beschliesst der Kaiser demgemäs S. 337: xal roivvv rov nagovra ygvoößovXXov Xoyov
avrijg anoXvei, dC ov xal ßovXerat avv rJew, xal evdoxel xal &eoni^ei, rov re cbg ei'grjrai vvv
ngo'ioraiievov dgyieganxcög rrjg roiavr)]g äyiojrdrrjg jurjrgonöXeajg Moveixßaoiag xal rovg
xa&eg~fjg rov avzfjg diadeg~ojuevovg figövov, inanoXaveiv rrjg dvrjxovorjg rqJ rov 2idrjg irgovq)
riLirjg iv änaoi xrX. Was die Datierung betrifft, so schliesst das Chrysobull mit den
Worten S. 340: dnoXv&elg xarä iifjva lovviov rrjg iviora/uevrjg sxrrjg2) Ivötxriöjvog rov i^a-
xioyiXioorov öxraxooioorov k'rovg ; allein ursprünglich stand eine andere Zahl, wie
folgende wichtige Anmerkung von Rhallis bezeugt S. 340 N. 2 /uerd rrjv Xeg~iv öxraxooioorov
vndgyei xevöv iv rw ygvooßovXXuo, i^aXeKf&eio^g mfiavärg rrjg Xifeaig ngdnov orj/usioorsov
Sk on i) k'xrrj tvdixriajv ovjuninrei ngög rö ^wa krog.
Nun erscheint Monembasia in der Ekthesis als 34. Thron ; es ist augenscheinlich, dass
die Ehrenverleihung, wonach der Metropolis der ronog von Side zukommt, jünger, als die
Veröffentlichung derselben sein muss. Die Zusätze und Randnotizen in der Notitia heben
das auch ausdrücklich hervor. Was heisst ronog von Side? Auch das erklären die Notitien
verschieden; die einen erklären dies als den 13. Platz, welchen Side thatsächlich unter
Andronikos inne hatte, andere als den 10. Platz, welcher Side in Leons Diatyposis zukommt.
Es ist klar, dass weder die Zahlen <sio (1291/2) noch ,5x0a (1292/3) richtig sein können.
Denn das Chrysobull berichtet von einem Ereignis, welches nach 1298/9 fallen muss.
Offenbar ist zu ergänzen ixxatdexdrov, also ,gaiig = 6816 (1307/8), welches Jahr der
sechsten Indiktion entspricht.
Wenn dies richtig ist, so haben wir nicht mehr den Text des 1298/9 konzipierten
Originals der Ekthesis vor uns, sondern eine etwas jüngere Redaktion. Die Sache ist sehr
einfach. Wenige Jahre nach der Feststellung der neuen Metropolenliste wurden Lithauen
und Halicz unter die Kirchenfürsten eingereiht. Ganz natürlich, dass an dem Authenticum
0 Ediert nach dem in der Athener Nationalbibliothek befindlichen Exemplar von Rhallis und
Potlis avvt. y.av. V, S. 331 S.
2) Phrantzes 399, 3 liest: im hovg ,?a>, ivdiy.uwvog C, letzteres sicher Schreibfehler.
80*
604
des Klosters xov Uavenömov die nötigen Veränderungen vorgenommen wurden. Aus dieser
vermehrten und verbesserten Ausgabe der Ekthesis sind dann unsere Kopien geflossen.
Doch diesem Ansatz scheint sich ein Aktenstück entgegenzustellen vom November
6827 = 1318 II. Ind.1) Danach hat Kaiser Andronikos erst in diesem Jahre Apros den
rojtog von Euchaita verliehen. Allein die Ekthesis kennt Apros bereits als 63. Metropolis
zwischen Neae Patrae und Amastris. Das ist der alte Platz von Euchaita. Hier hat eine
junge und schlechte Rezension ausnahmsweise etwas richtiges bewahrt. Parthey N. XII, 64.
£y fj "Atiqoq va y.al hi/A,rj&r] elg £y.
Alle Handschriften haben für va £#, das in Not. X und dem Genavensis die Nummer
von Apros ist. Aber ursprünglich stand :
£}' rd Evyaixa va aal hijuijdr] eig £y.
Zwar haben fast sämtliche Handschriften als 76. Metropole Euchaita; alleiu, wie der
Paris. 1356 (und die alten Notitien) erweisen, ist dies nur ein Schreibfehler für Evyavia.
1318 wurde Euchaita als ngosoßso^ievi] ixxh^oia durch Apros ersetzt; unsere Handschriften
berücksichtigen sämtlich diese nachträgliche Berichtigung, was zu dem über Halicz und
Lithauen bemerkten stimmt.
d) Zusammensetzung der Liste.
Wenn wir nun ohne Berücksichtigung dieses nachträglichen Zusatzes die echte Liste
v. 1 — 113 betrachten, so zeigt sich ganz deutlich, wie dieselbe zu Stande gekommen ist.
Die vom Kaiser eingesetzte Synodalkommission, bezw. deren Redaktor Menas nahm ein
Exemplar der damals giltigen Metropolenordnung vor, d. h. einen Katalog in der Art des
Genavensis, und nun wurden die einzelnen Sitze bestimmt.
Die neun ersten Metropolen wurden intakt gelassen ; daraufhin wurden den Ver-
hältnissen des Reiches entsprechend: 10. Philadelpheia, 11. Thessalonike und 12. Adrianupolis
eingeschoben. Demgemäs erhielten Side bis Gangra statt der Plätze 10 — 15 die von 13 — 18.
Die 19. Metropolis war Klaudiupolis. Allein längst durch die Türken vernichtet, war die-
selbe durch ihren Protothronos Herakleia ersetzt worden. Andronikos hat lediglich die
bisherigen Verhältnisse bestätigt; nur rückte sie, weil zwei tiefer stehende Metropolen
(Philadelpheia und Adrianupolis) einen höhern Rang, als Pontoherakleia einnahmen, nun
vom 17. auf den 19. rönog. Nach Pontoherakleia werden 20. Prusa, 21. Pegai und
22. Pergamon eingeschoben, entsprechend der Bedeutung, welche diese bithynisch-mysischen
Städte im damaligen Reiche besassen. Dadurch rückten die alten Metropolen Neokaisareia
bis Ikonion von der 18. bis 24. in die 23. bis 29. Stelle. Daran reiht sich Berröa, das bereits
von Michael Paläologus zur Metropolis scheint erhoben worden zu sein, vgl. Le Quien
0. C. II, 72, jetzt aber einen der Bedeutung der Stadt entsprechenden hohen Rang bekam.
Es folgen nach der alten Ordnung, aber entsprechend heruntergesetzt, Pisidien, Syläon und
Korinth. Hinter diesem wurde als 34. Metropolis Monembasia eingeordnet, das bald noch
ganz anderer Ehren teilhaftig ward. Nun wurden wiederum die alten Metropolen von
J) Acta. S. 80.
605
Athen (28) bis Rhodos (38) auf die Plätze 35 bis 45 gewiesen. Darauf wird 4G. Serrae
(ehemals 58) eingeschoben. Es folgt 47. Philippi (ehemals 39) und auf den folgenden Platz,
der durch die Promotion von Adrianupolis frei ist, befördert der Kaiser Christupolis. Ferner
werden nach der alten Ordnung aufgezählt 49. Hierapolis (ehemals 4L), 50. Dyrracbion
(ehemals 42.), 51. Smyrna (ehemals 43.) ; dann wird 52. Mitylene (ehemals 49.) eingerückt.
Auf dieses folgt 53. Joannina, welches Andronikos selbst um das Jahr 1285 oder wenig
später zur Metropolis erhoben hatte1). Gleichfalls Neuerungen sind 54. Didymoteichos,
55. Lakedaimonia (früher 78.), 56. Melenikos. Nun erst kommen die alten Metropolen von
57. Katane (früher 44.) bis 73. Aenos (fr. 62.); die Zahl dieser Gruppe ist um zwei ge-
mindert, weil Mitylene und Serrae bereits versorgt sind.
Als 74. wird das zur Metropolis erhobene Erzbistum Pharsala eingeschoben. Es folgen
75. Tiberiupolis bis 80. Madyta, die alten Metropolen 63. — 68. Apros (früher 69.) hat den
Platz von Euchaita erhalten. Dafür sind hier Galitza, Apameia, Litbada, Kaukasion, Bydine
und Gotthia eingerückt, sodass Basilaion (früher 70) den 87. Platz erhält. Sehr auffällig
ist, dass eine so angesehene und bedeutende Metropolis, wie Dristra, an dieser Stelle voll-
ständig gestrichen ist und sich erst tief unten mit dem 106. Platze begnügen niuss. Viel-
leicht ist die Ursache, weil es damals in der Gewalt der Bulgaren war. Es folgen 88 — 93
nach der alten Ordnung Nazianz bis Rhosion (früher 72 — 77). Lakedaemon (früher 78)
hat bereits den 55. Platz erhalten. Wiederum nach der alten Liste erscheinen nun Paronaxia
und Attaleia, darauf werden Zikchia, Bosporos, Bitzine und Sugdaia eingeschoben. Der Rest
ist mit den übrigen Nummern der alten Liste identisch, nur dass, wie eben bemerkt, Dristra
in die Reihe dieser letzten Metropolen eingeschoben ist.
Die Ekthesis des Kaisers Andronikos ist die letzte ernsthafte Reform der orthodoxen
Kirchenordnung. Sie zeichnet sich durch übertriebenen Konservatismus aus.
Allerdings hat sie in Asien eine Reihe bedeutender Städte unter die vornehmsten
Metropolen aufgenommen, so Philadelphia, Prusa, Pegae, Pergamos; ungleich stärker wurde
aber Europa bedacht, wohin sich das Schwergewicht des Reiches immer mehr konzentrierte;
dies zeigen Thessalonike, Adrianopel, Monembasia, Berröa, Serrae, Melenikos u. s. f. Der
Ausdehnung des Christentums im slawischen Norden wird die Kirche durch Errichtung der
Metropolen Halicz und Lithauen gerecht. Vor allem aber zeugen für eine relative Blüte
des orthodoxen Glaubens in den Kaukasuslandschaften und der Krim die zahlreichen Metro-
polen, welche zu dem bereits bestehenden Alania hinzukommen, nämlich : Kaukasia, Gotthia,
Zekchia2), Bosporos, Bitzine und Sugdaia. Wenn der Kaiser in dieser Weise den that-
sächlichen Verhältnissen Rechnung trug, so hat er andererseits durch Konservierung einer
Reihe ganz verödeter oder dem Ruin naher Metropolen, wie Ankyra, Sardes, Side, Sebasteia,
Melitene, Tyana, Gangra, Pessinus, Myra, Stauropolis und die Metropolen Phrygiens seiner
Liste den Charakter einer Sammlung von Antiquitäten verliehen. Man muss die Akten des
Patriarchats nachlesen, um die jammervolle Stellung dieser ehemals so glänzenden Metro-
polen zu erfahren. Ein Kloster oder ein paar Dörfer sind oft der einzige Ueberrest einer
Eparchie, deren Metropolis einst über zahlreiche wohlbevölkerte Bischofstädte geboten hatte.
') Acta I, 470. Act 212 vom J. 1365 seit der Erhebung von Joannina y.oövcov 6' i$ exstvov iiry/ji
vrr 7t(ioco/r)x6za>v iyyvg nov zü>v dydeqxovxa.
2) Mit dem Matracha liniert ward.
606
Hier hätte die kaiserliche Revision eine viel radikaler einschneidende Thätigkeit entfalten
müssen. Im Gebiet der Mentesche, Tekke und Karaman, wo die Christen und namentlich
der Klerus den unglaublichsten Bedrückungen „der ungläubigen Perser" unterlagen, hätten
ein paar bescheidene Missionsbischöfe genügt. Allein diese asiatischen Metropolen wurden
nicht etwa, wie die italienischen (Hydrus — S. Severina) nur des Staates wegen mitgeführt,
sondern thatsächlich besetzt. Natürlich reist dieses Metropolitenproletariat unaufhörlich
bettelnd nach der gottbehüteten Hauptstadt, wo man selbst sich bereits ziemlich ärmlich
durchschlagen musste.
VIII. Die Veränderungen des XIV. Jahrhunderts.
a) Die sog. Ekthesis Andronikos' III.
Die Folgezeit war verständiger, und die schreiendsten Dissonanzen zwischen geistlicher
Prätension und Wirklichkeit wurden beseitigt. Durch Synodalbeschluss1) wurde die Metro-
polis Sardes 1369 als aufgehoben angesehen, diese glänzende Stadt, welche durch Gottes
Zulassung so zugerichtet wurde, wg [xrjdk o%fjfj.a yovv noXecog änoaoj^iv xal /uixqov xiva
^agaxxfJQa, ävxl jiagaöeloov xgvcpfjg ä<paviojuov xal änwXelag jiediov yeyevi]juevrjv. Darum
erheben sie zur Metropolis der lydischen Bistümer xt]v ayioixaxr\v ^iXaöeXcpEiag ju}]xqÖ7xoXuv,
noXXä cpiXov fievrjv $£<[> xal dia xovxo xal jue^gi xeXovg ävdXooxov xrjQovfievrjv xal jU7]dert
tiox"1 av xä)v i&vcöv av%eva xXlvai jiQOoxexay juevijv. Ihrem Hirten wird die gesamte Diöcese
(ivogia) von Sardes überantwortet, er erhält xönog und -dgovog von Sardes auf immerdar (eig
xöv ig~rjg anavxa %q6vov). Somit erlangte Philadelphia den VI. Platz; ganz ähnlich wurde
Thessalonike mit dem vierten an Stelle des verödeten Ankyra ausgestattet. Den hohen Rang
von Thessalonike erweisen schon die Patriarchalakten des XIV. Jahrhunderts. In den
Protokollen werden die Sitze der anwesenden Kirchenfürsten nicht immer ganz genau, aber
in der Regel doch nach der Rangordnung der Ekthesis aufgezählt, und da erscheint Thessa-
lonike nach Ephesos und Herakleia vor Kyzikos und den bithynischen Metropolen, ja häufig
geradezu an erster Stelle, wie eine Notitia besagt, xov xönov etie^cov xov Katoagelag. Eine
ähnliche hervorragende Stellung nimmt gemäs seinem durch Andronikos verliehenen hohen
Rang in den Sitzungsprotokollen auch Monembasia ein.
Von grosser Wichtigkeit für die Kenntnisse der Zustände in der zweiten Hälfte des
XIV. Jahrhunderts ist nun eine Metropolenliste, welche dem Exemplar entnommen ist, in
welches Kaiser Andronikos oder sein Redaktor die vorgenommenen Veränderungen eintrug.
Sie enthält nämlich die Nummern und Namen der Zeit vor Andronikos, und dabei wird
notiert, bei welchem Sitze neue Metropolen eingeschoben oder wo „verlöschte" Sitze durch
andere ersetzt worden sind. Die Liste ist aber nicht etwa das echte Exemplar des Andronikos,
sondern es finden sich Zusätze aus späterer Zeit, so Brysis, welches 1323 zur Metropolis
erhoben wurde. Indessen muss die Liste älter als 1359 sein, da der damals errichtete Thron
von Ungrovlachia noch fehlt. Dem widerstreitet nichf, dass Philadelpheia bereits an Stelle
von Sardes getreten ist. 1369 wurde diese Aenderung für ewige Zeiten festgelegt, während
') Acta I, S. 509.
607
Philadelpheia schon früher den Sardesrang genossen hatte1). Sonst wird der höhere Sitz
nur auf Zeit, wahrscheinlich für die Lebenszeit des geehrten Prälaten verliehen. So erhält
z. B. Monembasia den xonog von Side; aber später erscheint wieder ein Metropolit von Side.
Auch Kaisareia, Ankyra und Amasia sind nicht untergegangen, obschon man ihre Sitze an
Trapezunt, Thessalonike und den zweiten Metropoliten von Ungrovlachia verlieh. Diese
Verleihungen sind zeitweise zu denken, und wenn die Zustände nur einigermassen sich
besserten, stellte man die alte Metropolis wieder her. Bei Sardes war man aber 1369 zur
Einsicht gekommen, dass dies für alle Zeiten unmöglich sei.
Von dieser Liste kenne ich zwei Handschriften :
1. Marcianus Ol. III, cod. V, fol. 171rff. = A.
2. Codex des Metochion von Jerusalem zu KP Nr. 46 (ol. 529) fol. 195v— 196r = B.
"Exd eaig xov svoeßovg ßaoiXicog
xvgov Avögovixov , xgixov xcov
IIa XatoXöycov.
Tdg~ig ngoxaftedgiag [xi]xgon6Xecov
xeXovvxcov vtio xov dnooxoXixov
figovov xfjg fteocpvXdxxov xal ßaoi-
Xidog KcovoxavxivovnoXecog.
a 6 Kaioageiag
ß 6 'Ecpeoov
y 6 'HgaxXeiag
d 6 Ayyvgag'
iv avxip y.ai 6 OeooaXovixrjg
s 6 Kv^ixov
g 6 2!dgdecov'
iv avxcö xal 6 (PiXaöeXcpeiag
C 6 Nixofxi]öeiag
7] 6 Niy.aiag
i) 6 XaXy.rjdovog
i 6 £iöt]g'
iv avxcö xal 6 'A&rjvcöv,
öjuoiojg xal 6 Move/ußaoiag
ta 6 Zeßaoxeiag
iß 6 A/uaoetag'
iv avxcö xal 6 AdgiavovnoXewg
ty 6 MeXnrjvfjg
1
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
ib 6 Tvdvaw
iv avxcö xal 6 Beggoiag
iE 6 Eayygcov
ig 6 &£ooaXovixrjg'
jLieretE'&y ivdixaxog' elxa xal sig
XEtagxov dgovov juexä xovAyyvgac,
i£ 6 KXavdiovnöXecog'
iv avxcö 6 üovxorjgaxXEiag,
6 Ilgovotjg
6 Ili-jycov xal
6 ÜEgyd/uov
ii] 6 Neoxaioageiag
i& 6 üiooivovg
x 6 Mvgcov
6 2xavgov7i6Xea)g rjxoi Kagiag
6 Aaodixeiag
6 Zvvdöcov
xa
xß
xy 6
xd 6 'Ixoviov
xe 6 Avxioyslag jjxoi IJioiölag
xg 6 HvXaiov
xt, 6 Kogiv&ov
xi] 6 A&i]vmv
xO 6 Mcoxrjoov
X 6 ZeXevxEiag'
iv avxcö xal 6 xfjg Kgr]xi]g
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
l) z. B. Acta I, S. 270 aus dem Jahre 1347. Sardes wird zum letzten Male 1343 erwähnt.
Acta I, S. 237.
1 -<; B 2 ravxrjc tijc B 6 äyxvgac A 18 u/iaoi'aC B 19 hat B am Rande dvögtavov-
jiölecoc B 20 fteXiuvijC AB 21 xiävcav A (rva)vo>v B (fast verlöscht) 25 fterezißt) eis ä öqövov B
28 irj 6 .igovatjC A 29 30 (i? o 7ir\yG>v xal 6 ntgyäfxov A 32 mooivovc B 41 o zgcoädcov B 43 44 6
asXevxsiaC iJtoi xQ>)xrjC B
608
Xa
6 KaXaßglag
45
£a 6 <PagodXcov
84
Xß
6 IlaXaicöv Jlazgcöv
46
iß 6 TißegiovjioXECog
85
Xy
6 TgajisCovvzog
47
g~y 6 Evycuvcov
86
X6
6 Aagiooijg
48
g~d 6 Ksgaoovvzog
87
Xe
6 Navjidxzov
49
!-e 6 NaxcoXslag
88
Xg
6 0l?UJlJlOV7z6X£COg
50
ig 6 rsg/uiov
89
X
6 Tgai'avoimoXscog
51
££ 6 Mabvzcov
90
Xr\
6 rP6öov
52
£i] 6 Ajia[iEiag'
91
iv avzcp xal 6 ^sggcov
53
iv avzcp xal 6 Aizßcov
92
X§
6 0iXiJiJicüv "
54
xal 6 Kavxaoiov
93
iv avzcp xal 6 XgiozovjioXscog
55
£# 6 Bvdlvijg
94
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ZEooagaxoozög ovx kort, öiozi
56
o 6 JToT&iag
95
f\V JZQOTEQOV 6 AdgiavovjioXscog
oa 6 BarnXaiov
96
jua
6 'IeganöXECog
57
oß 6 Na'Qiav£,ov
97
ßß
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58
oy 6 Keqxvqcov
98
m
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59
od 6 Aßvdcov
99
iv avzcp xal 6 MiTvX^vrjg
00
oe 6 Mrj&v[Avi]g
100
xal 6 'Icoavrivcov
61
og 6 XgioziavovjiöXECog
101
jud
6 Kazdvijg'
62
ot 6 'Pcooiov
102
iv avzcp xal 6 Aiöv /uoroi%ov
63
oi] 6 llagovatjiag
103
xal 6 AaxEdaijLioviag
04
oft 6 'AzzaXsiag
104
jue
6 Ajucogiov
65
n 6 2?]Xvßg(ag' /nererif&tj
105
MG
6 Kajiid/ov
66
na 6 Zrjxyiag
100
JLlC
6 Kozvasiov
67
Ttß 6 Biz'Qivrjg'
107
iv avzcp xal 6 MeXev'ixov
68
iv avzcp xal 6 Xiov
108
xal 6 SrjXvßgiag
69
Jiy 6 XEgocovog
109
firj
6 rfjg Aytag HsßiqQiwjg
70
nd 6 Boojiögov
110
[*&
6 Necov Ilazgcov
71
jte 6 Mso)]jußgiag
111
V
6 Evyai'zcov
72
mg 6 AgxaöiovjioXEcog
112
iv avzcp xal 6 "Ajiqo)
73
nt, 6 Zovyöaiag
113
va
6 AjLidoTQtdog
74
jirj 6 MiXtjTov
114
Vß
6 Xcovcov
75
7T& 6 ragdixiov
115
vy
6 'Iögovg
76
q 6 Agyovg
116
vd
6 KeXx£rjvrjg
77
qa 6 Agiozgag
117
VE
6 KoXcoveiag
78
qß 6 üvgyiov
118
vg
6 Qi]ßö)r
79
qy 6 ZEßaazoirnoX^ECog
119
VJL
6 IJouTiifiovTtoXECog
80
qö 6 Teveöov
120
v&
6 AXaviag
81
qs 6 Kvßiarov
121
g
6 At'vcov
82
qg 6 AvxioyEiag
122
iv avzcp xal 6 BgvoECog
83
qt, 6 Bt'Qvi]g
123
45 xalavQi'ac A 71 aevt]gcv?]C B 86 evxaucov A 91 äjiauiac AB 94 ßvötfvqC B 104 Ata-
Ulac AB 10G 'Qvy.yJaC AB 107 ßa'Qi)y))C A 114 fitjUrov A 117 SiargaC A ögtorgov B
123 ßvCwjC A
609
W. ° MaQmveiag 124 o7 6 ÜEgidecoglov 131
q& 6 -avMag 125 • og 6 KaUtovnöXecos 132
°__ o Mrjdeing 126 pt d Tmdfioroü 133
ga 6 ragsUt]? 127 gq 6 cE^a,udiov 134
o/? d Aruivov 128 £# o ZcüCotto^cü? 135
gy^ 6 ^corrjgovnöXecog 129 o« 6 Auljfyg 136
od d Mdxgtjg 130
Die Taxis zerfällt in zwei scharf geschiedene Hälften, v. 1—91 haben wir die alte
Ordnung aus der Zeit vor Andronikos, wo jedesmal den einzelnen alten Sitzen die Namen
der neuen, an ihre Stelle erhobenen hinzugefügt sind. Von 94 an ist es die Liste des
Andronikos mit Zusätzen im Text und am Schluss. Ausdrücklich schreibt der Marcianus
die Fassung dem Jüngern Andronikos (1328-1341) zu, was jedenfalls von der jetzigen
Fassung nicht gelten kann, da sie eine Reihe Promotionen als geschehen voraussetzt, die
erst in der Zeit der ovyXvoig eingetreten sind1). Es verlohnt sich deshalb den spätem An-
hang zur Ekthesis des Andronikos II. mit dieser angeblichen Ekthesis des dritten Andronikos
zu vergleichen. Bereits Andronikos der ältere hat nach der ersten Quelle Brysis, Ganos
und Cherson zu Metropolen erhoben. Brysis ist nach den Akten 1323 a) Metropolis ge-
worden; nach der Liste des Andronikos III. ist es hinter Aenos eingereiht, das in der
Ekthesis den 73. Platz behauptet, üeber Ganos sind wir schlecht unterrichtet, da in den
letzten Jahren des altern Andronikos dieses Bistum nach dem damals herrschenden Pluralis-
mussystem dem Metropoliten von Pegä in Commende gegeben war. Als Metropolis erscheint
Ganos erst 1342 in den Akten3). Auch bei Andronikos III. fehlt diese Stadt. Cherson
erscheint in den Akten (I 184) zum ersten Male 1338 als Metropolis4). Bei Andronikos III.
hat Cherson den Platz nach Bitzine und Chios, was nach der Ekthesis den 100. Sitz ergäbe.
Unter Andronikos III. werden Zichnä und Chios zu Metropolen erhoben. Zichnä fehlt
in dessen Liste; in den Akten erscheint es 1343 5) als Metropolis; Chios erhält in der Liste
den Platz nach Bitzine, also den 99. nach der Ekthesis Andronikos' II.
In der Zeit der ovy%voig (1341 — 1355) sollen nun nicht weniger als 14 Erzbistümer
und Bistümer zu Metropolen erhoben worden sein.
Folgende Aktenprotokolle kommen hiefür in Betracht:
1. Act. I 227. 1342. ro3 Mr]dvjuvi]g, reo Xiov, töj rdvov, xy ...., reo 'E^a/xdiov, %Q
AiTa£rjg. Hexamilion erscheiut 1338 (Acta I 178) noch als Bistum und kann 1342 höchstens
Erzbistum sein; daraus folgt, dass Lititza damals noch nicht Metropolis war.
128 ktfivov AB 134 i^afit]h'ov_ A Nach 136 hängt B noch an: slai_de xal agziemaxonai, al' zivec
hiinjürjoav xal neosßißda§t]aav eic hqojiÖXeiC: (baavzmc xal emaxonal sie jiqojiöXeiC xal elc agiienicxonäc .
Darauf folgt unter dem Titel al aoxismoxosiai: die Liste des Kaisers Alexios a rj ßi^vr)—X§ za ixixgaia =
Not. II, 83—122.
1) Wahrscheinlich ist aber zgimv nur ein Versehen für öevzsgov. Es handelt sich um eine Revision
von Andronikos' Ekthesis, die so gut nach ihm benannt werden konnte, wie die Revisionen des Alexios
Komnenos und des Isaak Angelos immer noch Leons Diatyposis hiessen.
2) Acta I, S. 96.
3) Acta I, S. 230 und 1343 S. 237.
*) 6 rajceivös fitjZQOxoh'rtjg Xegoüvo? xal imigzifioq 'Iegs/Jtag.
5) Acta I, S. 237.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd: III. Abth. 81
610
2. Act. I 230. 1342. xov Mrj&vjuvtjg, xov Xiov, xov Bdgvr/g, xov rdvov, xov Agdjuag,
xov Teveöov, xov Kcö ; hier sind höchst wahrscheinlich alle ausser Kos Metropoliten.
3. Act. I 237. 1343. xov "Ajiqco, xov Bdgvi]g, xov rdvov, xov BixCtvrjg, xov Ziyj'wv,
xov Xiov, xov Teveöov, xov KaXXtovnoXeatg wahrscheinlich alle Metropoliten.
4. Act. I 242. 1345. xov 'Poooiov, xov Mrjöetag, xov Teveöov.
5. Act. I 260. 1347. xov Ai'vov xal xov rageXXtjg.
6. Act. I 261. 1347. xov Ai'vov, xov TageXXrjg xal xov KaXXiovjioXeojg.
7. Act. I 270. 1347. xov Tox&iag, xov Bi£vrjg, xov KaXXiovnoXeoig xal xov FageXXtjg.
8. Act. I 284. 1348 erscheint Bizye als Metropole (legd)xaxe juyxgojzoXixa Bt£vrjg).
9. Act. I 335. 1354 wird erwähnt 6 legojxaxog jui]xgojtoXixi]g Mdxgi]g, vjiegxi/uog.
10. Act. I 338. 1354. xov Maövxoiv, xov KaXXtovjxoXeojg, xov Teveöov, xov rageXXyg
xal xov cEga/uiXiov. Alle ausser dem letzten sind Metropoliten.
11. Act. I 362. 1356. xov Bi£vi]g, xov Ke)a'Qi]vi]g , xov Myöelag, xov 'Pojoiov , xov
Zovyöaiag , xov TageXXrjg xal xov Atxßcöv die anwesenden Synodalen sind sämtlich
Metropoliten.
Wahrscheinlich fand dieser grosse geistliche Pairsschub gleich in den ersten Jahren
nach Andronikos' III. Tod statt. Der intellektuelle Urheber der ovy%voig, Johannes Kanta-
kuzenos, belohnte durch Metropolitenkronen gesinuungstüchtige Anhänger unter den Metro-
politen oder überzeugte Omphalopsychiten.
Die Metropolen Rhädestos1), Skopelos und Probatos kommen übrigens in den Akten
nicht vor. Peritheorion erscheint erst 1368 (Acta I 501) als Metropolis. Dagegen wird
in einem Actum des Jahres 1365 (Acta I 471) Maroneia wieder als Erzbistum erwähnt:
xolg aQXtemoxonoig reo Magooveiag, xq) Aij/uvov xal tw Aegxov. Ebenso ist Tzuruloe 1364/5
(I, S. 454) wieder Bistum; auch Domenikos wird 1371 (I, 588) unter den Suffraganen von
Larissa aufgezählt.
Ich glaube, dass solche Widersprüche einen thatsächlichen Hintergrund haben. Wie
die Metropolis Pyrgion abwechselnd in ihren Privilegien bestätigt und dann wieder zum
Suffraganbistum von Ephesos degradiert ward, so hat auch offenbar die spätere Zeit eine
Reihe Massregeln der „Verwirrungszeit" wieder rückgängig gemacht und eine Anzahl
Metropoliten und Erzbischöfe wieder in ihre ehemalige bescheidenere Stellung zurückversetzt.
b) Die Gründung der rumänischen Metropolen.
Einen hochwichtigen Gewinn hat die alternde Kirche von Konstantinopel noch in der
zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts gemacht, indem es ihr gelang, eine hierarchische
Ordnung nördlich von der Donau beim Volke der Rumänen einzurichten. Es geschah dies
auf Antrag des „durchlauchtigsten Woi'ewoden und Herrn von ganz Ungrovlachia, des im
hl. Geiste aufrichtigsten Sohnes unserer Mittelmässigkeit, Kyr Alexandras* 2). Der Metro-
polit von Bitzine war dadurch, dass Patriarch und Synode 1347 seine Metropolis unter
ihrem griechischen Namen Soteropolis mit Alania vereinigt hatten, existenzlos geworden
1) In der Folgezeit ist es wieder Bistum, ebenso Kalliupolis.
2) Acta I, 383. Es ist der Wo'i'ewode Alexander Bassaraba 1342 — 1365. E. von Hurmuzaki, Frag-
mente zur Geschichte der Rumänen I, S. 192. lieber die kirchlichen Verhältnisse spricht Hurmuzaki
bisweilen mit grotesker Verständnisslosigkeit, vgl. S. 258.
611
und auf Wanderschaft gegangen. Offenbar als geistlicher Almosensammler hatte er sich
daher zu dem frommen Woi'ewoden von Ungrovlachia begeben1). Auf dessen Wunsch ward
nun der bisherige Metropolit von Bitzine, Kyr Hyakinthos, zum Metropoliten der Kirche
von ganz Ungrovlachia ernannt. Nach seinem Tode sollte die Metropolis von der Patri-
archatskirche verliehen werden, also ganz wie in Russland. Indessen für das grosse und
stark bevölkerte Land (xov e'&vovg exeivov xov xönov noXXov xvyxdvovxog xal äneigov oxedöv)
genügte ein Oberpriester nicht, und so wurde die Diözese geteilt und in Kyr Anthimos ein
zweiter Metropolit mit dem Titel: fi)]xgojiolixr]g /uegovg OvyyQoßla%Lag bestellt2). Er erhält
den xönog des verödeten Melitene, während Ungrovlachia den von Nikomedeia erhält3).
Sie werden unterschieden, indem der erste: kgcoxaxog juqxgojioMxrjg OvyygoßXaxiag, vjieg-
Tijitog aal e^agxog ndor\g Ovyygiag xal IIXayip'(bvi) und der zweite: /wi]xgo7ioXixi]g Ovyygo-
ßXa%iag xfjg xaxä xov JZeßegfjvov5) oder genauer xov juegovg OvyxgoßXaxiag xfjg xaxä xov
ZeßegXvov6) heisst. Wann die Metropolis Mauroblachia oder Rosoblachia (= Moldau)
errichtet wurde, ist in den Akten nicht erwähnt. Zuerst wird 1393 6 xaneivbg fxrjxgo-
7io/Jxi]g Mavgoßlayiag eIegetuiag genannt7).
c) Die neue Ekthesis aus der Kanzlei des Patriarchen Neilos.
Die oströmische Geistlichkeit wurde immer unwissender und konfuser. Beweis ist die
Anweisung der ex&eoig vea, wie an den Papst, die Patriarchen, den serbischen Kral u. s. f.
zu schreiben sei, welche die Patriarchatskanzlei unter Neilos (1380 — 1388) am 1. September
des Weltjahres 6895 (= 1386/7) X. Ind. erlassen hat. In derselben wird auch bestimmt,
welche Prälaten das Prädikat c,dg~agyoi neu vTzegxijuoi' und welche nur die Ehrung 'vnegx^uoi
zu empfangen haben. Da dieses Schriftstück relativ am besten, wenn auch ganz ungenügend,
vom Rhallis und Potlis8) veröffentlicht ist, sehe ich hier davon ab, darauf näher einzugehen,
und bemerke nur, dass auch hier der Verfasser in leichtsinniger griechischer Weise nicht
die damals gültige Metropolitenordnung, sondern ein ganz altes Aktenstück zu Grunde legt,
welches spätestens dem XIII. Jahrhundert angehört, und welches das längst zu einer höhern
Stelle vorgerückte Adrianopel noch immer am 40. Platz aufführt.
Etwas besser ist der Anhang über die zu Metropolen beförderten Erzbischöfe und
Bischöfe9). Er gedenkt freilich sehr alter Metropolen, so Keltzene's, das schon im X. Jahr-
hundert Metropolis geworden ist. Der Redaktor hat offenbar aus der Notitia des Alexios
Komnenos die damaligen Erzbistümer und Bistümer ausgezogen , welche zu seiner Zeit
Metropolitanrang erhalten hatten. Natürlich ist das Verzeichnis unvollständig.
2) Acta 1, S. 383 öio xal tiqö zivog tjdr/ xaigov itQOotxalkoaxo Trl^aiä^ovxa avtw xov ieoodiTaxov ptjxQO-
noUxtjv ßix^t'vTjg, vninxifiov. Das nlrjOiäCovra hat wohl Hurmuzaki veranlasst, in Kyr Hyakinthos einen
Metropoliten von Wiilin (Bdvn. Bidyne) zu erkennen.
2) Acta 1, S. 535.
3) Acta II, 43, 1382.
*) Acta II, 494.
5) Acta II, 311 abgekürzt heisst er gewöhnlich nur 6 ZeßEgirov.
6) Acta II, 519.
7) Acta II, 170.
- 8) avvx. y.av. V, S. 497 ff.
9) a. a. 0., S. 501 ff.
81*
612
Zum Schlüsse geht er auf die nordischen Verhältnisse ein, und erwähnt auch die
beiden rumänischen Metropolen; der ersten giebt er, wie die Akten, den tönog von Niko-
medien, der zweiten nicht den von Melitene, sondern den von Amasia. Offenbar hatten
diese Einweisungen meist nur für den einzelnen, zur ovvodog höijfxovoa gerade anwesenden
Hierarchen Geltung. Bei den rassischen Metropolen übergeht er Lithauen wohl absichtlich,
da zur Zeit der Abfassung die dortigen Verhältnisse sehr prekär waren, und man eben 1380
den Kyprianos zum Metropoliten der vereinigten Diözesen Kleinrussland und Lithauen
gemacht hatte1).
d) Die Erzbistümer nach Andronikos' Liste.
Die Erzbistümer werden, wie schon erwähnt, in den bessern Handschriften von
Andronikos' Ekthesis weggelassen ; das in Goars Handschrift gegebene Verzeichnis (Not. XI,
121 — 145) ist eine Kopie der Liste des XII. Jahrhunderts und hat mit Andronikos' Ordnung
nichts zu thuna). Dagegen habe ich in zwei Athenerhandschriften Verzeichnisse von Erz-
bistümern gefunden, welche thatsächlich dem XIV. Jahrhundert zu entstammen scheinen.
Fehlerhaft ist freilich, dass das 1323 zur Metropolis erhobene Brysis noch irrtümlich unter
die Erzbistümer gerechnet wird.
Die Verzeichnisse finden sich in :
1. Codex Athen. 1378 (XVII. S.) Nomokanon = A und
2. Codex Athen. 1466 (Anfang des XVIII. Jahrhunderts) desselben Inhalts = B.
AI a.QiiE7iioxoTia.i
1
tö
fj Kagaßi'Qvrj
a
fj AsovxojioXtg
2
l£
fj Aevxdg
i
fj MaQOiveia
3
IS
fj Mio&da
7
xä regfxia
4
i£_
ai Kovdoai
d
fj 'AgxadioimoXis
5
ITj
fj ZxavQovjioXig
e
XO II&QIOV
6
1$
fj IIida%f}6ij
s
f] YlQoixövr\oog
7
X
fj reojuij
l
■fj Kiog
8
y.a
fj Köxgadig
n
xä KvyxxXXa
9
xß
fj 'EQOi'lVrj
&
fj Nlxrj
10
xy
fj Kdgjia&og
i.
fj NednoXug
11
xb
fj Al'yiva
ia
fj ^elyr]
12
X£
fj Uoiyoiviavfj
7ß
fj Meofjvrj
13
xg
fj 'E)MOO(I)V
ty
fj Bovotg
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
!) Acta II, S. 17.
2) Wertvoll sind nur das Stück XI, 111—120 und der Schluss 146—149.
2 XeotÖMolic B 3 iAa.Q<avt,a B 7 jiqoixoviooc B 9 xmpaka B 12 oegyi] B 14 ßgiovtjC B
15 xagaßv'Qvrj B 17 [Möwa B 19 ggojiohc B 22 xörgadoc A 23 SQtoivr) B 25 tyiva B
26—27 -< B
613
Beide kennen noch nicht die von Manuel Paläologos (1391 — 1425) zur Autokephalen-
würde beförderten Erzbistümer Imbros und Thasos.
Der von Goar benutzte Codex von Andronikos' Ekthesis hat noch den Zusatz
(Not. XI, 146 squ)
xe r] 'AyyiaXog Exijui]&r] scg fnjXQOJioXiV
'Eujurj&rjoav Jiagä xov ev ßaaUEvaiv äoidijuov xvgov Mavovi)X xov UaXacoXöyov
eis ägyiErnoxonäg xal
)) "IjLißgog xal
rj ©dooog.
Das wird wohl die letzte konstitutive Massregel gewesen sein, welche ein oströmischer
Kaiser in Kirchensachen vornahm; denn damals lag das Reich in den letzten Zügen.
XI. Eine Notitia der Türkenzeit.
Den alten Grundsatz der Nicäner: 'xd agyala xoaxEixoj hat keine Kirche mit grösserer
Zähigkeit festgehalten, als die orthodoxe anatolische. Eine Folge davon ist, dass die Ueber-
sichten der Kirchensitze, die ursprünglich zu praktischen Zwecken dienten, immer mehr
historische Antiquitäten wurden. Bereits Leons durch Alexios Komnenos revidierte Kirchen-
ordnuhg stellt wenigstens bezüglich der Bischofsitze vielfach den Zustand des X. oder
höchstens der ersten Hälfte des XI. Jahrhunderts dar. Seit dem Seldschukeneinbruch waren
zahlreiche Bischofsitze verödet und die Metropoliten lebten als Flüchtlinge in der Hauptstadt.
Andronikos hat zwei Jahrhunderte später gar keine Bistümerliste mehr aufgestellt; die
Kirchensitze waren meist durch die Türken zerstört oder in die Gewalt der Lateiner geraten.
Aber auch die Liste der Metropolen war vielfach eine Raritätenkammer geworden und
wurde es durch die traurigen Ereignisse des XIV. Jahrhunderts immer mehr. Die erhaltenen
Patriarchalakten führen über dieses Elend eine nur zu beredte Sprache.
Anders wurde es mit der Türkenherrschaft. Zwar das Griechentum Kleinasiens, wenn
man von der Westküste und den Inseln absah, war und blieb Ruine; dagegen auf der
Balkanhalbinsel waren die verhassten Lateiner verjagt worden; der Uebermut der mächtig
vordringenden Slawen war gebrochen; das Bulgarenreich mit seinem autonomen Patriarchat
Trnovo war nach 1393 in geistlicher Beziehung den Griechen überantwortet worden;
Ochrida war längst in ihrer Gewalt, wenn auch kirchlich autonom, und nur der Patriarchat
der Serben Pec behauptete noch seine nationale Autonomie. Im Beginn gestattete auch die
türkische Regierung der Kirche eine gewisse Selbständigkeit, sodass die durch die Unionsversuche
der Lateiner erbitterten Orthodoxen die Türkenherrschaft als eine relative Verbesserung
der bisherigen unerträglichen Zustände betrachteten, wie ganz ähnlich Syrer und Aegypter
sich einst über die Herrschaft der Chalifen und die Toleranz der Muslime merkwürdigen
Illusionen hingegeben hatten.
Aus dieser Zeit stammt nun eine bisher unveröffentlichte Notitia, welche man als eine
den Zeitverhältnissen entsprechende Revision der Ordnung des Andronikos bezeichnen kann.
Es war längst üblich, den Handschriften des Nomokanon Leons Diatyposis und Andronikos'
Ekthesis als Anhang beizufügen ; indessen diese Schriftstücke hatten mehr historischen als
praktischen Wert. In Jüngern zahlreichen Handschriften findet sich dafür unsere Notitia,
614
für die charakteristisch ist, dass den 11. Platz Trnovo einnimmt. Allerdings hatte der
ökumenische Patriarchat schon 1393 Trnovo in Verwaltung genommen. Indessen unsere
Notitia wird schwerlich in der letzten Zeit des sinkenden Byzanz entstanden sein. Erst
Manuel Paläologos hatte das Bistum Imbros zum Erzbistum erhoben. Dass man für weitere
geistliche Anordnungen in dieser Epoche noch viel Zeit und Müsse fand, ist unwahrscheinlich,
und doch erscheint Imbros in der Notitia als 70. Metropolis. Diese repräsentiert also
spätere kirchliche Zustände, als die unter Manuel Paläologos waren. Ferner fehlt Russland,
und in einem Anhang wird dessen Autonomie ausdrücklich betont. Diese trat aber erst
1453 nach der Einnahme von Konstantinopel ein. Den Schluss bilden die Metropolen von
Ungrovlachia und Moldovlachia. Die dritte von Severin ist verschwunden und doch existierte
dieselbe noch 1401 und später. Wann sie verschwand, ist ungewiss, wahrscheinlich in der
ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts. Im Beginn der Türkenherrschaft war durch das feind-
liche Verhältnis des Padischah zu den Donaufürsten auch der geistliche Zusammenhang
zwischen dem ökumenischen Patriarchat und den Metropolen Rumäniens unterbrochen. In
V
einem, wie es scheint, echten, von Safarik veröffentlichten Briefe1) teilt Johann Stephan
von Gottes Gnaden Fürst und Herr des Moldovlachischen Landes „dem hochheiligen Erz-
bischofe der I. Justiniana, dem Herrscher der ganzen serbischen, bulgarischen und moldo-
vlachischen Lande" mit, dass der Metropolit Visarion gestorben sei, und dass sie wegen der
Entfernung und der Bedrängung durch die Muselmanen nicht einen anderen zur Cheirotonie
holen könnten ; darum bittet der Fürst den Erzbischof ihm einen Metropoliten zu senden
April 6964 IV. Ind. (= 1457). Oktober 6965 V. Ind. (= 1457) antwortet Dorothej von
Gottes Gnaden Erzbischof von Justiniana I, der Bulgaren, Serben und der nördlichen
Gaue u. s. f., er sei selbst in Bedrängnis. Zwischen Klerus und Volk der Bulgaren sei
Zwiespalt ausgebrochen. Als nämlich der Sultan Mohammed II. aus dem Arnautenland
heimgekehrt sei, habe er den Metropoliten gezwungen, mit nach Konstantinopel zu kommen.
Deshalb überträgt er die Cheirotonie auf die Landesbischöfe und „unsern Bruder den Metro-
politen von Ugrovlachia, Kyr Makarios, weil er auch zu unserer Eparchie gehört". Dass
Fürst Johann Stephan sich seinen Metropoliten in Ochrida holen wollte, erklärt sich aus
den Umständen. Wie kommt aber Dorothej dazu, zu behaupten, Ungrovlachia und Moldo-
vlachia gehörten zu seiner Eparchie , Metropolen, welche Konstantinopel gegründet und
welche urkundlich Mitglieder der ivdyfiovoa ovvoöog waren ! Die Erzbischöfe von Ochrida
waren stets antiquarische Forscher. Noch unter Jeremias I. (1523 — 1537) machte Erz-
bischof Prochoros gemäs dem Chrysobull des Basileios IL Bulgaroktonos Anspruch auf das
längst zu Thessalonike gehörige Bistum Servia. Wenn Dorothej in ähnlicher Weise be-
hauptet, die Donaufürstentümer gehörten zu seinem Sprengel, so wird er zweifellos irre-
geleitet durch die alten Kataloge, welche als letztes Bistum seines Sprengeis xy r; Bläyoiv*)
aufzählen. Er hat die Pinduswalachen mit denen der Donauniederung verwechselt. Diese
Prätension kann nun nicht, wie Golubinskij3) meint, bis ins XVII. Jahrhundert gedauert
haben. Das Gegenteil beweist unsere Notitia, deren älteste Handschrift bereits dem XV. Jahr-
hundert angehört. Aus alle dem lässt sich mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass unsere
Notitia in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts abgefasst wurde.
*) Glasnik VII, S. 177.
2) Byz. Z. I. S. 257.
3) Geschichte der bulgarischen, serbischen und rumänischen Kirche, S. 383 ff. (russ.)
615
Ihr Titel ist : rä£ig ngoxadedgiag tö>v öokotoltcov nazQiaQXüJv xal ai fxrjTQOJiöXeig xal
ai aQ%iemoy.07T.ai, ai onoTai Evgloxovzat xrjv orj/uegov xal eTvat vnoxeijuevai xfj ßaodiöi KU.
Der Hauptnachdruck liegt auf rrjv otj/usgov. Es ist ein Verzeichnis der jetzt noch vor-
handenen Metropolen und Erzbistümer. Unter Zugrundelegung von Andronikos' Liste werden
ohne Umstände alle eingegangenen Metropolen gestrichen und nur die wirklich bestehenden
anerkannt. Neben den griechischen Metropolen erscheinen auch die bulgarischen Trnovo
mit 3 Suffraganen, Sofia1), Drster und Prilep, ferner der Metropolit von Ungrovlachia mit 2
und der von Moldovlachia mit 2 Suffraganen.
Die Liste zeigt an erster Stelle die Namen der 5 Patriarchen ; charakteristisch für
diese Spätgriechen ist, dass sie auch jetzt nicht den Namen des römischen Papstes aus ihren
offiziellen Listen entfernten.
Die neun ersten Metropolen hatten ihren festen Sitz, nur dass gemäs dem Synodal-
beschluss von 1369 Sardes durch Philadelphia ersetzt war. Demgemäs nahm Thessalonike
den 10. Platz ein und darauf folgte als 11. der alte bulgarische Patriarchalsitz Trnovo und
auf diesen Adrianopel. Side und Sebasteia sind gestrichen; es folgt (das bis heute bestehende)
Amasia. Wiederum werden vier verödete Metropolen des Andronikos getilgt (Melitene —
Tyana — Gangra — Pontoherakleia). Von den neu erhobenen behauptet nur Prusa seinen
Rang. Zwischen ihm und Neokaisareia sind Pegae und Pergamon getilgt. Gleichfalls
fehlen Pessinus, Myra, Stauropolis, Laodikeia, Synnada ; nur Ikonion, Beröa, Pisidien bleiben.
Auch Sylaion ist gestrichen. Dann kommen Korinthos, Monembasia und Athen, Mokisos,
Kalabria und ebenso Kreta, dieses als venetianisch, sind getilgt. Von 22. — -34. ist An-
dronikos' Liste beibehalten, nur ist Hierapolis entfernt und merkwürdigerweise Dyrrachion.
Dieses gehörte im XVII. Jahrhundert nachweislich zu Ochrida. Auch Traianopolis fehlt,
dessen Metropolitanrechte auf Maroneia übertragen waren. Letzteres aber nahm in der
Reihenfolge der Metropolen erst den 57. Platz ein. Noch radikaler verfährt die Liste im
nachfolgenden Stücke. Zwischen Meleuikos bis Methymna zählt dieselbe, diese Throne ein-
gerechnet, nur 7 Metropolen. 23 sind gestrichen, 2 tiefer gesetzt (Varna — Gotthia),
Russland hat sich freigemacht und Kerkyra ist venetianisch. Warum jedoch Pharsala fehlt,
weiss ich nicht. Nach Christianupolis fehlt Rhusion. Mit Paronaxia, Lakedämonia,
Mesembria und Selybria endet die alte Liste der Komnenenzeit. Aus den von den Angelern
erhobenen Metropolen ist nur Argos und aus der ersten Paläologenzeit Euripos am Platze
geblieben. Die Ordnung der Städte 50 — 72 ist ganz neu. Sie enthält die bulgarischen
Metropolen, die Beförderungen des XIV. Jahrhunderts, so Medeia, Anchialos, Maroneia,
Peritheorion, Zichnä, Drama, Ganos, Chios, Lemnos, dazu einige herabgesetzte, wie Varna,
Roizaion, Gotthia. Neu sind Karabizye, Nikopolis, Lazia, Kaphas, Ischanion und Imbros.
Den Schluss bilden die beiden rumänischen Metropolen.
Das Verzeichnis ist erheblich bescheidener als Andronikos' Ekthesis; dafür ist es aber
wertvoll, weil es den wirklichen, thatsächlichen Bestand der damaligen Kirche uns vor
Augen führt und keine ehrwürdigen Ruinen. Auch das Verzeichnis der Erzbistümer hat
nur acht Nummern. Seit der Zeit der makedonischen Kaiser ist es üblich geworden,
Metropolen ohne Suffragane zu errichten. Dadurch wurden die Autokephaloi überflüssig.
') Der Name an Stelle von Sredec, Triaditza kommt zuerst in einer Urkunde Joannes Sisman III.
(1365-1393) vor. .lirecek, Gesch. der Bulgaren. S. 599.
616
Sie werden thatsächlich immer mehr reduziert, und heute ist diese Spezies geistlicher
Dignitäre ganz eingegangen. Seitdem nämlich die beiden letzten Erzbischöfe, der von
Karpathos und der von Lititza, Metropoliten geworden, existiert diese Klasse in der ana-
tolischen Kirche nicht mehr.
Unsere Notitia zählt acht Erzbistümer; alle Handschriften stimmen in den sieben
ersten überein, das achte ist teils Phanarion, teils Ezova. Nur die Handschrift 1382 der
Nationalbibliothek: von Athen zählt ausserdem noch Kassandreia, Samos, Andros, Zia, Melos,
Santorini und Siphnos auf. Das ist ein Zusatz des XVII. Jahrhunderts. Denn Samos ist
von Kyrillos Lukaris (1623 — 1630) und Siphnos 1646 zu diesem Range erhoben worden.
Auf das Erzbistümerverzeichnis folgt in den meisten Handschriften — die Ordnung
weicht manchmal etwas ab — ein langes Wehegeschrei über den traurigen Verfall und die
Verödung der Kirche durch die Türken.
Als vierter Abschnitt wird dann, jedoch nur in den Handschriften der ßaxxrjoia xcov
aQyiEQEOJv, ein Verzeichnis der Bistümer aufgeführt, welche Metropolitenrang empfangen
haben. Auch dies ist eine zeitgemässe Umarbeitung eines altern Textes. Es ist ein Stück
jener unter Neilos publizierten Kanzleiordnung. Diese nämlich giebt ebenfalls ein Verzeichnis
der zu Metropolen beförderten Erzbistümer und Bistümer. Parthey IV, 44 — 77 hat es aus
Goar abgedruckt. Da die viel Jüngern Handschriften der zweiten Klasse JNO (s. unten)
einen mehrfach bessern Text bieten, will ich hier wenigstens die Varianten anführen.
Parthey IV, 50 : 6 Bgvoecos] 6 Ayvodovs
nach 52 : 6 Fävov xal Xcogag
6 roxdiag
57. anb xov NixojU7]dsias'
6 ügovoTjg
anb xov 'HoaxÄeiag
6 Maövrcov xxl.
58. 6 BsQQoiag xal 6 'Ieqio-
oov (dies ist falsch)
60. anb xov Koqiv&oV
6 Move/ußaaiag xal
6 "Agyovg.
6 de Move/ußaoiag xzX.
äno rov 'A&rjvwv'
6 Evqitiov
64. 6 Airixt,r]s
65. ö AiijuoTsixov {8ifxcoxrj%ov K dvjuozolyov N 8idvi.iore'iyiov 0)
nach 70. anb tov Mixvh']vy]z'
6 Tevedov.
Darauf bieten K O :
anb de iniox6na>v k'yivav ägyienioxonoi ovxoi'
6 'E^ajAi)dov
6 T^ovQovXoriQ xov 'HoaxXeiag
6 Aofxevixov xov Aagioot]g.
N hat nach Tenedos: Parthey IV, 71—75, was in JO fehlt.
617
74 hat er: 6 de 'Poooiag jut]XQ07ioXlx)jg Xeyexai Kveßov xal Tidorjg 'Pawiag.
und fährt fort : 6 de 'AXavtag xal fjn-jXQOJioXixrjg yqäcpexai 2xavQOV7i6Xeojg (ggovTioXeayc
Schreibfehler für OQOvnoXeoig) ' e%ei de vvv xbv xönov xov Seßaaxeiag.
OLQ^iemaxonoi de eyevovxo ovxoi and emoxojicov.
Die Umarbeitung in den Handschriften der ßaxxrjQia lässt die fünf ersten Metropolen
weg und beginnt mit Korinth. Auch Athen und Mokisos fehlen (letzteres mit Recht).
Ebenso fehlen Philippopolis und Kamachos. Die Liste schliesst mit Serrae.
Darauf kommt der Anhang über die rumänischen und russischen Metropolen. Hieran
fügt der Verfasser das wichtige Verzeichnis der russischen Bistümer, wie sie unter die
Metropolen Kiew und Halicz verteilt sind, und das ich bisher nur aus dem Codex Parisinus
1356 gekannt habe1). Der Text ist eine verkürzende Bearbeitung des im Paris. 1356
gebotenen. Es fehlt die Notiz* über die Erhebung von Halicz zur Metropolis durch Kaiser
Andronikos und Patriarch Athanasios. Die einzige Abweichung von der alten Vorlage ist,
dass Suzdal und Rostow als ein Bistum erscheinen; indessen eine solche Union fand nicht
statt und e „ . ,a
o aovoaAiQoxopi]
ist wohl ein Schreibfehler und zu setzen :
6 HovdaXt f] cPo{o)xoßrj.
Die nachfolgende Gelehrsamkeit über die autokephalen Erzbischöfe hat der Verfasser
aus Balsamon. Das Verzeichnis der Suffragane von Ochrida ist dasselbe, welches ich
Byz. Zeitschrift I, 256 ff. herausgegeben und II, S. 40 ff. und 59 ff. näher erläutert habe.
Zum Schluss giebt der Verfasser aus der Notitia des Basileios die bekannte Angabe
über die von Rom losgelösten Stühle.
Wieder ein Hauptabschnitt ist der fünfte Tieql noloi xcöv jutjXQonoXixcöv e%ovv xr\v
or][xeQOv ejuoxoTtäg. Hier scheiden sich die Handschriften in zwei Gruppen je nach der
Stellung, welche Monembasia in der Reihenfolge der Metropolen einnimmt. Die erste
Gruppe nämlich behandelt Monembasia gleich nach Korinth, während die zweite es hier
weglässt und erst zwischen Serrae und Joannina einschiebt. Diese Liste erweist, welch wohl-
geordnete Kirchenverfassung namentlich das heutige Königreich Griechenland und die
anliegenden Provinzen besassen. Wir haben:
Thessalonike
mit
10
Bist
ümern
Korinth
*
5
n
Monembasia
n
8
V
Athen
p
6
n
Patrae
i
2
„
Larissa
n
10
*
Naupaktos
n
4
«
Joannina
n
4
»
Lakedämonia
j»
3
»
Euripos
«
5
n
Diese vortreffliche kirchliche Organisation hat erst die Bureaukratie der ^EXev&eqa
'EXXäg zu Grunde gerichtet.
!) vgl. Zeitschrift für Kirchengeschichte XIIT, S. 252 ff.
Ahh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. TIT. Abth. 82
618
Ein sechster und letzter Abschnitt beschäftigt sich mit einem von den orthodoxen
Prälaten sehr ernsthaft behandelten Gegenstande, nämlich mit der Frage, welchen Metro-
politen das Prädikat {megxijuog xal eg~ag%og zukäme, und welche nur vjiegxiuog zu titulieren
seien. Auch dieses Kapitel entstammt der Kanzlei des Patriarchen Neilos, welche darüber
Vorschriften erliess. Indessen dieselben, wie sie jetzt am bequemsten bei Parthey Not. IV,
1 — 40 vorliegen, entsprechen (übrigens auch nur notdürftig) den kirchlichen Zuständen des
XIV., ganz und gar nicht aber denen des XV. und XVI. Jahrhunderts. Während nun
die zweite Handschriftenklasse, dieselbe, welche Monembasia am falschen Platze bietet,
dieses für die Türkenzeit gänzlich unpassende Verzeichnis wiederholt, bietet die erste Klasse
ein neues, revidiertes Verzeichnis, welches ich allein zum Abdruck gebracht habe.
Bei der Herstellung des Textes habe ich mich folgender Handschriften bedient :
A. Handschriften der ersten Klasse.
Hier sind an erster Stelle die Handschriften der Baxxrjgia xcöv äg%iegea)v zu nennen1),
lieber die Entstehung dieses Werkes giebt die Vorrede, wie sie z. B. im Codex der theo-
logischen Schule zu Halki 78 und im Codex Atheniensis 1373 vorliegt, ausführlich Aus-
kunft. Es ist ein Brief an den ökumenischen Patriarchen Parthenios II. (1644 — 1645) mit
der Unterschrift : xaneivog dovXos xfjg ofjg jiavayiöxi]xog 'Idxwßog iegouovayog xal dgyi-
/jiavdgixrjg 'Iwavvivoov. Nun schreibt der demütige Jakobos auch an sämtliche Oberpriester
ein Circular, dass das in Rede stehende Buch, der Stab der Oberhirten (»/ nagovoa ßlßXog,
fj övojuaCojuev)] ßaxxiqgia xcöv ägyjegeayv) erst jetzt in diesen letzten Zeiten zusammengestellt
worden sei. Sein Hauptzweck ist eine praktische, wohldurchdachte Anordnung oxi vä xrjv
ovvxdfcouev xal vä xv\v ßdXXaiuev eig xäfiv xal elgjubv xov Qrjxovuevov oxojiov. Das wird
nun näher dahin erläutert, dass er das Werk des Matthäos Blastares nachahme, d. h. die
alphabetische Reihenfolge beobachte. Nun folgt eine echte Reklame für das neue Werk :
Blastares hat alles in verwirrter Ordnung gegeben, er dagegen bringt alles genau alpha-
betisch. (Das ist natürlich gar nicht wahr; vielmehr seine Anordnung bedeutend schlechter,
als die des Blastares.) Er unterschreibt sich dann wieder
'Iäxaißog legojuovayog ägyiuavdgm]g xal enixgonog 'lcoavvivwv, dovXog Xgiaxov xal
v/Mv röig äyiwraroig äg%LEgevoi naoööv töjv inagyicöv.
Es folgen noch zwei auf den Inhalt bezügliche Einleitungen, und dann z. B. im Codex
von Halki fol. 40r die wichtige Unterschrift:
eygäcpr} juev xal avvTSTaxzai öiä x£lQ^S i/uov §Xa%ioxov 'Iaxcoßov legojuoväxov, äg'/t-
aavögirov xal inagönov "Iwavvlvoiv ev rcp vacö xov iv äyiotg naxgbg fjficbv 'A&avaoiov xov
aeydXov ev hei ajib Xgioxov a%jue.
Das Jahr stimmt zu der Regierungszeit des Patriarchen Parthenios. Dieser Archi-
mandrit und Administrator von Joannina Jakobos, ist also der Verfasser dieses, wie die
zahlreichen Abschriften und Bearbeitungen zeigen, bei den damaligen Oberhirten recht
beliebten kanonistischen Handbuches.
!) K. E. Zachariae von Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3 1892,
S. 48, 49.
619
Ich habe folgende verglichen :
1. Codex des Metochion vom hl. Grabe von Jerusalem zu KP Nr. 30 (alt 57),
1681 geschrieben, zuerst zwei weisse Blätter, dann 468 paginierte Blätter, in zwei Kolumnen,
sehr schön geschrieben.
Auf Bl. 1 ist angegeben, dass dasselbe eine Widmung des Patriarchen Chrysanthos
(1707 — 1733) sei: 'O eIegoao?.i\ti(ov Xgvoavdoc tm navayico xdcpco' iyjroj de xo dvdftsjua
6 xomo Jiozk ix trjc ÖEOTioTEiac avxov dcpaigfjocov. Hierauf folgt der nivat; ovv #cö xov
nagbvxoc vojuijuov. Ueber Schreiber und Zeit giebt die Schlussnotiz fol. 468v Auskunft:
1(7} .-ragöv ßißXiov xb XsybjUEVov ßaxxi]gia xcbv agyiegecov iygdcpr] bC i/uov xov xaneivov xal
iXaytoxov xal djLiagxojXov nagdEviov Isgo/uovayov (!) tov ßv^avxoc, biä ovvbgofxfjc xal igbbov
tov bouoxdxov iv fiovayolc xal ngcoxoovyyiXov xfjc äyicoxdxrjc fxgoTcokeaiC vixofiijbsiac xvgiov
nana xvgavMp-ov ev exsi oojxtjgtco ayna Ivb. y ev fifjvl dngiXXuco: —
Dieser Codex giebt:
a) fol.464r: xd^ic ngojxoxa&Ebgsiac xcbv boicoxdxcov ngtagycbv xal al /ugonöXsic xal
ol{\) agyisrnoxonal, al bndlai svgioxovxai xi)v otffjteoov. xal elvai vjtoxei/uEvai xfj ßaoiMbi
Ko)voxavxivovn6Xetoc : —
b) fol. 464r — 464v: orjjuelcooai Öxi xtvkc dnb inioxbncov iysvbvxav jugonoXixat, (jüngere
Fassung) mit interessanten Anhängen.
c) al dgyisnioxonal KU.
d) fol. 464v — 465r: nsgl noXoi xcbv jugonoXuxcov Eyovoi xrjv orj/xegov imoxondc.
e) fol. 465r — 465v: Das Klaggeschrei über die Verödung der Kirche.
f) nsgl tcüv /ugonoXixcbv noToi Xiyovvxai vnsgxijuoi xal e^agyoi, xal xcoToi vjiegxijuoi
[xövov (jüngere Fassung) = A.
2. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1373 Papierhandschrift, 447 Bl.,
1703 geschrieben. Ist ebenfalls eine ßaxxrjgia xcbv agyiegscov. Die Handschrift ist in
Lesbos geschrieben von dem Hieromonachen Neophytos und dem dortigen Metropoliten
Kyr Daniel gewidmet, wie die Zuschrift fol. 33r zeigt und die Angabe fol. 44T iygdipajXEv
xoiovxoixgbjtoiC cbg bgäxai fierä noXXfjc xfjc im/usXEtac, xal dvEbEiy&i] xal icpavsgcb&i] ivb-
noiov ndvxojv fj/uärv, iXoyiodfXEÖa vd ygdyjojjusv, xal sie nolovc ygbvovc xal xlc b ygdxpac,
xal ovvxd£ac xrjvbs xi]v ßißXov, iygdcpr]/xEV xal ovvxexa fol. 45r: xxai 'bid ysigbc l-i0^ r°v
xajiEivov IXayloTov vEoepvTov legouovdyov b inl Xsoßov xal iygdcpr] ev tco vacb Trjc vnsgsv-
Xoyrj/UEvrjC ivbeb^ov bsonolvr^c fj/uebv dxov xal detnagdEvov /uaglac, Trjc dylac ot&v sie Tr)v
Moßov iv etei anb yv, cixpy ev /urjvl vos/.ißgiov xy ev Ivbixxicbvi ta.
Damit stimmt die Schlussnotiz nicht überein fol. 147v xeXoc xfjc nagovarje ßaxxrjgiac
xal xtb &ü) bb£a : xaxd xcö p\p k'xei iv [itivl vosjußgiov xy Ivb. iß.
In der ersten Angabe ist die Indiktionszahl falsch, in der zweiten die Jahrzahl.
November 1703 entspricht der XII. Ind. Der Codex ist nahe verwandt mit A und enthält
genau, wie dieser :
a) fol. 442r — 443v die rd£{? der Türkenzeit: Verzeichnis der Metropolen — die zu
Metropolen beförderten Bistümer — die Anhänge — die Erzbistümer — die Metropolen
mit S.uffraganen und das Wehgeschrei.
b) 443v Ueber die Titulatur ynigTi/itoc xal l'^agyoc.
82*
620
Mit fol. 443v folgen dann die öqxpixta der grossen Kirche *) = D.
3. Codex der theologischen Schule von Halki Nr. 78, Papierhandschrift, Gross-
quart, 321 Blätter. 1716 geschrieben wie die Schlussunterschrift erweist, fol. 316v: iygdtptj
fj nagovoa ßaxxrjgia did yeigbc e/xov jue&odiov legoinovdyov xanovxa, ävexpiov xov Tidna
fiE&odiov iv xco vaco xfjg navaylac xgiddoc im hoc p.xpiq xa jufjva lovvtov. Es scheint, dass
der Tempel der hl. Dreifaltigkeit das Kloster auf Halki selbst ist; denn fol. 32 lr kommt
ein Verzeichnis von Opfergeschenken für Seelenmessen von Seiten der bulgarischen ndgoixoi
des Klosters. Für uns in Betracht kommen:
a) fol. 31 lr xdg~w Jigcoxoxaßsöglac ngiagywv xxl.
Die Anordnung ganz wie in 1. a — c.
b) fol. 312r negl xov noToi /.igojioXTxai eyovv xijv mj/uegov emoxojidc. Dazu als An-
hang das Klaggeschrei.
c) fol. 313r — fol. 313v negl xcov jugojioXixcov noioi Xeyovxai vnegxijuoi xal e^agyoi xal
Tidioi v7iegrijuoi juövov.
Es folgen zd xcov dgxiegecov öqxpixia und Anleitungen zum offiziellen Briefstil nach
den bekannten Mustern aus Neilos' Kanzlei = F.
4. Codex der Nationalbibliothek in Athen Nr. 1411, XVII. Jahrh. Papier-
handschrift 337 Bl., paginiert bis Seite yxy\ der Rest ist unpaginiert. Sie enthält ebenfalls
einen Nomokanon in Vulgärgriechisch.
a) S. (pq-ft giebt der Schreiber die xdgig der Türkenzeit : Metropolen , Erzbistümer
und das Wehgeschrei.
b) negl Jirjei xcov jugojioXixcov eyovv xfjv orjfxegov emoxonec.
c) S. yg Die imegxi/uoi xal e^agyoi in der neuen Fassung.
d) S. XV T® zü>v dgyiegecov bcpcplxta.
e) S. yiy Der geistliche Briefsteller mit den üblichen spätem Anhängen.
Die Handschrift ist trotz ihrer etwas verwilderten Orthographie recht wertvoll ; sie
allein z. B. enthält die wichtigen Angaben über die Ehren, welche Kitros und Damala als
Tigcorodgovoi von Thessalonike und Korinth zukommen = B.
5. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1466 auf türkischem Papier,
282 Bl., XVII. Jahrh. Die Handschrift ist keineswegs, wie Sakkelion meint, der Nomo-
kanon des Blastares, sondern die übliche Mischung aus Blastares und anderen aus beträcht-
lich jüngerer Zeit.
Der Titel ist ■&t]oavgöc xexgfxfievoc xal nr\yr\ eocpgayiofxevrj.
Er enthält:
a) fol. 226T: xd^ic ngoxaftedgiac xcöv dyicoxdxcov Jigiagycov xov doidi/wv ßaoiXecoc xvg
dvdgovixov xov devxegov xcöv TraXaioloycov diaxvjicootc ojzcoc vd eyovv xd£~ic ngoxadedgiac.
1. ol figovoi xcov jugojtokeoov
2. al agyiernoxonai
b) fol. 227v: Das Wehgeschrei über die Verödung der Kirchen.
J) Die Prologe und das Inhalts Verzeichnis der Handschrift sind von Mompherratos im Deltion der
hist. und eth. Hetärie III, S. 127 ff. veröffentlicht. Vgl. Sakkelion S. 244 und Zacharias von Ling'enthal,
a. a. 0. S. 49.
621
c) fol. 228r : fj yeyovvTa biaxvjicooic nagä xov ßaoiXecoc x. Aeovxoc xxX. Es ist aber
vielmehr Not. X endigend : nd i) gv^aXa, q to Jivgyiov qa r\ oeßaoxovnoXic qß r\ evgmnoc
qy xd xvßexa.
d) fol. 229r: f\ yevo/uevi] exdeoic xcov irnoxeifievcov xfj ßaaiXibi KU /ugojiöXecov xvgiov
urbgovixov xov bevxegov xcov 7ia?Miol6ycov rjyovv nolaic ngonoXeic exi/trjoev xal Tiolac
exaxeßaoev. Leider habe ich diese vulgärgriechische Fassung der Ekthesis nicht verglichen.
e) fol. 232r: Jiegl noioi xcöv ngonoXixöw e%ovv xf]v ovjuegov emoxoiidc.
f) fol. 233r: Tisgi noToi xcov jugoTioXixcdr elyov ernoxondc xal Tiöoac 6 xa&evac.
g) fol. 235r: Jiegl tioioi xcov jugonoXixwv Xeyovxai vjiegxijuoi xal eg~agyoi xal jzchoi
fXOVOV C'TlEQXlflOt.
Die alte Redaktion des XIV. Jahrhunderts,
h) fol. 236v : xä xcov exxXi]oic7)v bcpcpixia.
i) fol. 238v : negl ti&q ygdcpcooiv oi ägycegefg.
k) fol. 260r — 282r: xov äyiov emcpaviov ägyiemoxonov xvjrgov loxogiai Ix cpvoto-
Xoyixcöv Jiegl t,cbcov.
Sakkelion weist die Handschrift dem beginnenden XVIII. Jahrhundert zu; sie scheint
etwas älter zu sein.
fol. 243r ist ein Formular eines nvev,uaxixbg Tiaxfjg an den Priesteramtskandidaten
ausgestellt iv exet ay£ft öxxcoßgico b ; eine andere Formel fol. 246r iv exet oglco ayjß.
fol. 2521': Ein bia^vyiov des Metropoliten von Chalkedon:
iv e'xei a%^ jurjvl voe/xßgico
f 6 xaneivbc /ugonoXlxTjC
yaXxi^bovoc yaßgifjX = C.
6. Codex der theologischen Schule von Halki Nr. 80, XV. Jahrh., Papier-
handschrift, 297 beschriebene unpaginierte Blätter, vorn und hinten sind einige unbeschriebene
Blätter eingebunden.
Auf dem Rückdeckel ist ein Blatt eingeklebt: diä xfjc jcagovorjc xvgtagyixfjc fj/jicov
a7iodeii;ecoC yivexai dfjXov, öxi xr/v ivogiav xfjc xatF y/uac JicoXixelac ooj^ovnoXecoc ebcbxapLev
xal avftic xoi'C ei'Xaßeoxdxovc dgyijuavbgixac xvg ngoxomov xal xvg biovvotov im xo evXoyeiv
y.al äyid£eiv xovc ygioxiavovc xal XeixovgyeTv iv xaic legale ixxXrjoiaic diä ygovov eva 6X6-
xXrjgov dnb xfjc oijfiegov xal elc evbeig~iv oco'QovayadonoXecoc jugoTioXixrjc jacoXe avyovoxov
Tigchxr}.
Nach 8 leeren Blättern folgt: Maxßaiov xov vo/uoßexov 6 onoXoc rjxov legofxovaybc (!)
xal noXXco oocpcbxaxoc, xb imxX^rjv ßXaoxdgtjg.
Dann folgt der mva^ bis fol. 22T und darauf mit jüngerer Hand: f ex xcov xov
iamxei/j. ägyijuavbglxov t,avaxecoc xov xvngiov : —
fol. 23r folgt unter derselben Ueberschrift der ins Vulgärgriechische umgesetzte Text
des Blastares.
Für uns in Betracht kommen :
fol. 270v : xdg'tc Tigoxa&eögiac xcov 6oicoxdxa)v ngiagycov xal ai jugonöX.etc xal al
dgyiejzioxojiai, c'mov evgioxovxai xrjv orj/xegov xal elvai vnoxeifievai xfj ßaodidt Kcovoxar-
xivovtxöXei.
fol. 27 lr : ßdßai tfjc ^agaytngijoecoc' dvdyrcooov xxX. (das Wehegeschrei).
G22
fol. 272v : tieqI Tioioi xcöv fj,gojto?axc7)v e%ovv xr\v mjfisgov imoxondc.
fol. 274v: negl xcöv jugojroXuxcöv txoXoi Xiyovxai vjiegnjuoi xal e^agyoi, noTot 6k
V7ZEQTIJUOI jUOVOV.
fol. 276y : xd xcöv ägxieQeojv öcpcpixia.
fol. 278r: jieqi jzcüC ygdcpcooiv ol agyisgEiC xcö xoivcT) deonöxi].
fol. 297 enthält eine überklebte schwer lesbare Notiz, wonach der Mönch Joakim die
Handschrift für 7.00 Aspern von dem Iguraen des kyprischen Klosters Kykku 1655 kaufte.
Die Handschrift gewährt einen der besten Texte ; allerdings fehlen einige Stücke,
welche die Bakteriatexte bieten. = E.
7. Codex der theologischen Schule von Halki Nr. 70. 206 unpaginierte Blätter,
XVI. Jahrh. Im Innendeckel steht:
f xb nagöv vöjiirjjuov vndgy^Ei xdfxov oiXß{iox)gov dgyiegecoc. xal ooxi]C xö äjzoijsvcooei
ävev -&eÄrjjuax6c juov, eoxco dovyyo'ygExoc xal dq)cogi]ojuevoc. 6 nr\g juov fjJirjgyev ix ycögac
xcöv yaivcöv, ijyovv xö ix ycövaic v^avfxa ' f] de [xrjg [xov ix ycögac xcöv onagxcöv l) xi]C txtjo-
atdiac dvxioyEiac 1659 cpEvgovgico — Uli: —
f Ixoviov ji(t]ooiälac d)vxioy£iac, ovöt]C, juvgcov xal axaXslac oiXßEoxgoc"1) :
fol. lr folgt der niva^ und fol. 17r: jxegl xgtxov xov slvai sie ndvxac ovjujiaftrjv, xal
vä jurjÖEV moxevoi Xoyovc xivöc ycoglc vä i^exd^ei. jiiax&aiov xov vo(juo)dExov, de fjv hgo-
uovayoc xal Tidvv ovcpcöxaxoc xö inixXi] ßXaoxdgi]C. Es ist natürlich eine spätere Sammlung:
denn unter den Excerpten finden sich: /uax§aiov und ägfXEvonovlov.
Für uns kommt in Betracht:
a) fol 178: xdtjic ngoxa&Edgiac xcöv ooicoxdxcov Jigiagycöv xal jugonoXsic xal dgyi-
Enioxonal ojiov svgioxovxai xr\v orjjUEgov xal sivai unoxEijuevai xfj ßaoiXidi xcöv tioXecov xfjc
KcovoxaoxivovnöXECOC.
b) fol. 179r: ßaßal xfjc TiagaycogrjOECOc xxX. (das Wehgeschrei).
c) fol. 179v : i) yeyovvla diaxvjicooic nagd xov ßaoiXsoJC Xeovxoc toxi ooepov.
d) fol. 181r: i) yevofXEV)] ex&eoic xcöv vjxoxeijlievcov xfj ßaoiXidi xcovoxavxivovjxoXEt
jugonoXecov xvgov dvdgovixov.
e) fol. 184r: TiEgl noToi /ugojioXTxai k'yovv xy\v or/juEgov imoxojidc.
f) fol. 185v : iysvovxo de xal voxsgov der russisch-walachische Anhang endigend mit
xov iXiooov Jioxajuov.
g) fol. 186v — 188r: Die öcpcpixia, hierauf kommen einige leere Seiten und dann
189v— 190v einige Formulare.
Das dritte fol. 190v endigt: ijzsdcö&r] avxcö rj nagovoa /liov Uyygacpoc djiödsiiic : ir
etei fegia: jurjvl ö dsTva Ivdixxicövi 6 deiva = 1523.
fol. 191 r beginnt ein Bussspiegel, der 206v mitten im Satze abbricht, da einige Blätter
weggerissen sind. Die Innenseite des Rückdeckels enthält Stilübungen eines bischöflichen
Sekretärs = Gr.
x) Isbarda, das alte Bägis.
2) Patriarch Ioannikios hatte 1651 mit der Metropolis Pisidien Myra, Side und Ikonion vereinigt.
Wahrscheinlich war Silvestros der erste Inhaber. Gedeon, naxQiaQ%ixo\ jzivaxeg, S. 578.
G23
8. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1423, 193 Bl., XVII. Jahrh.
rfor vojuixov nXovaiartaxov ndvv.
a) fol. 180r: xdt-ic Jigoxa&eögtac xcbv äyicoxdxcov Jigiagycbv. xal al /.igonoXeic xal al
agyienioxoTial al ÖTioTai evgioxovxai xl]v oij/aegov, xal ehai vjioxeijuevai xfj ßaodidi xwv
TiöXecov KU.
Die Metropolen und die Erzbistümer. (Dieses Stück habe ich nicht verglichen.)
b) fol. 180v: fjoav de xal aXXai (das Wehegeschrei).
c) fol. 181v: jioToi xcbv /ugojioXixcbv e'yovv xrjv orjfxegov enioxoTidc.
d) fol. 183r: Tiegl xcbv fxgonoXixcbv tioXoi Xeyovxai ÖTiegxijuoi xal e^agyoi, tioXoi öe
vjiegxijuot juövov = H.
9. Codex Panorraitanns I F 15 der Nationalbibliothek zu Palermo (cf. Mar-
tini I, 72). Eine Vergleichung der in Betracht kommenden Stücke verdanke ich der
Gefälligkeit von Dr. W. Reichardt in Jena.
a) fol. 170r: xd^ic Tigcoxoxa&edgeiac xcbv äyia)xdxa)v Tigiagycbv xal /ugoTioXeic xal dgye-
TiioxonaXc önov evgioxovxai xr\v o/jjuegov xal elvai vTioxeijuevat xfj ßaoiXeldi xcbv noXecov
xcovaxavxivovTioXecoc.
b) fol. J70v: fjoav de xal aXXai (das Wehegeschrei, aber stark verkürzt).
c) fol. 170Y — - 1 7 1 v : Tiegl xov tio'ioi xcbv jugoTioXixcbv e'yovv xt]v oijjuegov enioxonaXc.
d) fol. 171v — 172r: Tiegl xcbv ngonoXixcbv jioü] Xeyovxai vjiegxi/uoi xal etjagyoi xal
tio'ioi Xeyovxai vjiegxijuoi fxövov. Die jüngere Fassung.
Es folgen, wie üblich, die Officia und der geistliche Briefsteller.
Die Handschrift ist von einem sehr unwissenden Menschen geschrieben, er macht
ganz auffallende Fehler juaxagiovjiöXecog (für KagiovTiöXecoc), xavaviov (für KavaXiov) und
6 bgvxöxt]C für 6 Agiorgag, sodass man beinahe sich fragt, ob das ein Grieche geschrieben
habe. Indessen dies ist der Fall. Bemerkenswert sind im Gegensatz zu allen mir sonst
bekannten Handschriften die Vulgärformen der Namen, wie Mexr\Xr\vi] , xd 'Idvviva, Haga-
racia, 'Podooxov, Neoxiooagia, xo Aofxexvyov. Aus Aidvfwxeiyoc ist difiibxeiyov, bvpiöxeiyov,
öofi-exvyov u. s. f. geworden. So erklärt sich das moderne Demotika ganz ungezwungen aus
diesen volkstümlichen Umformungen des Namens, und man braucht nicht mit Jirecek das
Bulgarische zu Hilfe zu nehmen = P.
10. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1382. 1654 geschrieben,
Handschrift auf türkischem Papier von 278 Blättern. vojuijlwv exXeXey juevov eig ne'Qr\v
(fgdoiv, eines der üblichen spätem, aus Blastares, Harmenopulos u. s. f. zusammengeschrie-
benen Machwerke.
a) fol. 255r : xd^ic Jigoxafteögiac xcbv Tigiagycbv xal al /ugonöXeic xal al agyienioxonal
cd vjioxaooö/uevai xfj KU.
b) fol. 256r das Wehegeschrei ganz kurz.
c) fol. 256r: Tiegl tioXoi xcbv figoTioXixcbv e'yovv xrjv or'j/iiegov emoxondc xal al emoxonal
xfjc äyicoxdxrjc ägyiemoxojifjc dygetdcbv.
d) fol. 258r : Tiegl xcbv fugonoXixcbv tioXoi Xeyovxai vnegxifioi xal h^agyoi.
e) fol. 259r : xd xcbv iegeoiv öcpcpixia.
f) fol. 262r: Der jüngere geistliche Briefsteller mit den Anhängen.
624
fol. 278T die Subscription : iygd(prj zö jzagöv voutjuov diä %eigoc xä/uov afxagzooXov
xal ävafiov öovXov zov &v Iwaxel/n hgoÖiaxovov xal ix yiov iv xfj ^coodo/co mqyfj zfjc
imegayiac juov ftxov zfjc iv zw FaXazä iv ezei oqico a%vd oenzs/ußgia) a. zovzo de oi ivzvy-
%dvovzEC jzagogwvzec, ä iyä) i£ äjisigiac enzaixa, i/uol ev%i]o&E diä zöv xv diä zov Xoyov zov.
Evpio&E vneg äXXfjXiCov.
6 bidxovoc icoaxeiju,.
Die Handschrift ist wegen ihres mehrfach eigenartigen Textes nicht unwichtig = R.
Damit ist die erste Klasse der von mir beschriebenen Handschriften vollendet, und wir
wenden uns zur zweiten.
B. Handschriften der zweiten Klasse.
11. Codex der Nationalbibliothek zu Athen Nr. 1378. Handschrift auf türkischem
Papier, 267 Blätter und drei Ostertafeln, XVII. Jahrh.: vo/.ioc ixxXrjoiaozixoc xal jioXuzixöc
zov önoiov 6 7iivak~ iozlv oozcog xazä zdtjrjv.
a) fol. 14 lr: zä£ic Tigcozoxadedgiac zcöv Jigiagycov.
b) fol. 141v — 142r: fj yevojuevij ex&eoic zcov vjioxeijuevcov fxgojioXecov xal ägyiernoxoncov
zfj ßaoiXidi KU im zfjg ßaoiXeiac avögovixov öevzegov zcov jza?MioX6ycov.
c) fol. 142v: Jiegl tzoioi zcöv jugonoXizcov e%ovv zfjv ofjjuegov imoxonäc.
d) fol. 142T: Tiegl zcöv ägiisrnoxoTiaiv xal imoxoncov onov izifitörjoav xazä diacpögovc
xaigovc xal eyijvav jugonoXlzai xal änb imoxojicov ägyiEnioxonoi. Die Fassung des XIV. Jahr-
hundei'ts.
e) fol. 144r: nsgl tioToi zäöv /ugojioXizcöv Xeyovzai vjiegzijuoi xal i^agyoi xal noioi
fiovov vnegzi/uoi. Fassung von Neilos' Kanzlei.
f) fol. 146y — 149v folgt der geistliche Briefsteller und dann eine neue juristische
Sammlung: ovvzojuoc ixXoyfj vojucov JioXizixäöv xal ßaodixcöv. = J.
12. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1388. 171 Bl., XVII. Jahrh.
wieder ein sogenannter Nomokanon des Blastares.
a) fol. 201r: zdftc ngoxa&eögiac zcöv öoicozdzcov 7igiag%cöv xal al jugojzoXeiC xal agyi-
emoxojzal, otiov evgioxovzai zrjv ofjfxegov xal elvai vjzoxeijuevai zfj ßaoiXidi KU.
zov äoidijuov ßaoiXecoc xvgov avögovixov zov öevzegov zcöv naXaioXöycov Öiozvttwoic
ticöc vä eyovv xäfiv Tigoxafleögiac. Der Text giebt die Notitia der Türkenzeit.
b) fol. 20 lv: ßaßal zfjc Tzagaycogf/oecoc xzX., eine besonders ausführliche Redaktion des
Wehegeschreies.
Die übrigen Stücke fehlen hier = K.
13. Codex der Bibliothek der evangelischen Schule zu Smyrna Nr. B — 51,
1519 geschrieben. Papierhandschrift, 342 Bl., öcogov äyiag (£>cozeivfjg (der Kathedralkirche
von Smyrna). Auf der Rückseite des ersten unpaginierten Blattes : xal zöde Jtgöc zoTc
äXXotc xzfj/iia ävaviov iegofioväyov ix oavzogtjvrjC Nomokanon.
fol. 2r: ijvvozai avzfj fj ß'ißXoc juezd noXXov fxoyßov ivzav&a iv zfj evayaozäzij (!)
juovfj zfj äyiov ivööfov judgzvgoc yeo)gyiov zov zgonaiocpögov cpegcov öe zfjv ijzcovv/ulai'
fieXivizt^ac :
a) fol. 308v: Leons Diatyposis.
625
b) fol. 310r: Ekthesis des Andronikos.
c) fol. 313T: Jiegl xov noioi ix xovc jugonoXixac eyovv xr)v oij/uegov ernoxoridc.
d) fol. 314v: Jiegl xwv ägyiemoxÖTiwv xal imoxönwv otiov ixi/urj&ijoav xaxd biacpogoc (!)
xaigovc xal iyevovxo fxgonoXTxai xal negl xwv imoxoTioov ojiov eyivav ägyiemoxonoi.
Fassung des XIV. Jahrhunderts.
e) fol. 316r: Jiegl xwv jugoiioXtxwv noioi Xeyovxai vnegxifxoi xal e£agyoi.
f) fol. 317r: Jiegl jiwc ygdcpwoiv oi jugojxoXüxai tu) xoivw beoxiöxrj.
Es folgen noch verschiedene Formulare und von fol. 340r an ein chronologischer
Abriss. Dann die Unterschrift faxt, = 1519 = L.
14. Codex der theologischen Schule von Halki Nr. 73, XVI. Jahrhundert,
unpaginiert. Es ist der vo/iioxdvwv des Malaxos, also eine Kopie des Codex Athen. 1399
^voluoxdv(üv tbiöygacpog Mavov>]X xov MaXa^ov* . Die Vorrede stimmt wörtlich überein.
1 Bl.: xal xööe Zdfxov rgrjyogiov (um 1840) mit seinem Stempel.
Das erste beschriebene Blatt enthält die Vorrede (= Athen. 1399 fol. 2r) : rjvvoxat
avxrj f] ßlß?.o$ juExä noXXov /.iby&ov ivxav&a iv xfj JiegKprjjuw1) ayiwxdxi] jugojiöXei &7]ßwv
xrjc EJixajivXov fjrig ioxlv 6 vaöc xov avxov ivbö^ov anooxoXov xal jxgwxo/udgxvgoc im xw
xa?MC xal fteagioxwc xavxi]v ägyiegaxevovxoc, xov naviegwxdxov xal t&£oxijurjxov%) ugo-
TioXixov vTieQxifxov xal i^dgyov ndo)]C ßoiwxiac xal xov xojiov ineywv xov oibrjc, xvgov
iwdoacp, ov oi yevvr)xogec evyeveoxaxoi, deotpiXelc, iXerjfxovec xal legete xijuioi xal evXaßeoxaxoi,
/uaxQ)]C xovxwv xö imxXiov. xal ?/ jiqic avxwv 1) deocpvXaxxoc vfjooc 'Qaxiv&ov nag1 i/uov
xov evxeXovg xal iXayioxov bovXov avxov juavovr)X voxagiov xov /AaXa^ov xov ex vavnXoiov
xrjc 7ie),.07iovr]oov .
iv exei feoa Ivd. e and xxloecoc xöo/nov, änb de xov xv fjfxwv iv yv xrjc xaxd odgxa
yevvr]oewc avxov pcpk'ß avy. iß3).
Leider habe ich nicht den Codex Athen. 1399, sondern nur den von Halki verglichen;
indessen die Excerpte aus ersterem zeigen eine so genaue Uebereinstimmung mit dem Texte
des andern, dass der Schade nicht gross sein kann.
a) vo negl noioi ix xovc jugonoXixac eyovv xr)v orj/uegov inioxondc.
b) vob negl xwv figonoXuxwv noioi Xeyovxai vnegxifioi xal e^agyoi, noioi be vnegxtjuoi
fiövov. Alte Redaktion.
Es folgt der geistliche Briefsteller u. s. f. = M.
Codex Ath. 1399 hat fol. 470 Not. X fol. 473r die Ekthesis des Andronikos fol. 479v
die gegenwärtigen Metropolen mit ihren Suffraganen fol. 485r die vnegxifxoi xal efagyoi
und von 487v an den geistlichen Briefsteller, fol. 484r giebt er den Anhang über die von
Alt-Rom losgerissenen Metropolen und fol. 485v die Suffragane von Kiew.
15. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1420. XVII. Jahrhundert.
198 unpaginierte Blätter. Nomokanon.
a) xe xvt,\ xät-ic ngoxa&ebgiac xwv öoiwxdxojv ngiagyiov und i) yeyovvia biaxvnwoic
Tjagä xov ßaaiXewc Xeovxoc xov oo<pov xtX. = Not. X.
b) xe zf : .-reo« noioi ex xovc fxgonoXlxac eyovv entoxondc xi)v oij/Aegov.
1) TWQKpijllO) -=ü M
2) deor.oofirJTOv M.
3) fiagriov e M.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wis.s. XXI. Bd. III. Abth. 83
626
c) xe r|a : tieqI xcbv dqiiEmoxönoiv xal ejiioxÖticüv ojiov hi/iii&rjoav xaxd öiacpÖQOvg
y.aiQovs xal iysvovxo juqojioXuxüi xal jzeqI xcbv ejiioxojicov, önov syivav ag^iemaxonoi.
Redaktion des XIV. Jahrhunderts, angehängt ist nach 6 xeveöov das Stück über die
rumänischen, russischen und die alanische Metropole.
Nur diese Stücke habe ich verglichen.
d) xe x£~ß: E£ao%oi xal vtieqxijuoi.
e) xe x£y : tieoI ncbc yodcpovoiv oi jugojzoXTxai xcb xoivcb dsonoxr] xcb otxovjusvixcb
TioiaQyr] = N.
16. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1387. 1744 geschrieben,
221 Blätter. Nomokanon.
a) fol. 115r — 115v: xdgic nQCOxoxad-EÖQiac xcbv 7iQiaQ%ä>v.
fj yEvofiEVYj k'xßsoic xcbv vnoxEifXEvayv f.iQ07iök£a>v : xal äQ%i£JiioxÖ7ioov xfj ßaoiXldi KU
im xfjc ßaoiXdac ävÖQOvixov Öevxeqov xcbv naXEoXoycov.
Es ist nur ein Verzeichnis der Namen ohne die üblichen Bemerkungen über den
veränderten Rang; wertvoll ist das Verzeichnis der Erzbistümer von a i) XeovxotioXic —
xg fj iXaoocßv. vgl. S. 612.
b) fol. 11 5V : noToi xcbv /uqojioXuxcov e%ovv xi]v orjfXEQOv Emoxojidc.
c) fol. 116v: tieqI xcbv äg^iErnoxoTicov xal ejiioxojicov ojiov ixiui]&t]oav xaxd diacpoQOVC
xaigovc xal k'yivav jugojioXTxai xal anb ejiioxojicov aQyjEJiioxojiot.
d) fol. 117r: jieqI Jioioi xcbv juqojioXixcov Xiyovxai vtieqxi/lioi xal E^ag^ot xal Jioioi
juövov vjtEQxifjLoi. Die Fassung des XLV. Jahrhunderts.
e) fol. 1 17v : Die öcpcpixia.
f) fol. 119v — 121v der geistliche Briefsteller in der Jüngern Fassung = 0.
17. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1414. XVII. Jahrhundert.
Handschrift aus türkischem Papier von 303 unpaginierten Blättern enthält den sog. Nomo-
kanon des Blastares.
a) xe ony : Die Taxis der Türkenzeit.
b) Das Wehegeschrei.
c) xe 07id : tieqI jioioi xcbv juqojioXixcov £%ovv xr\v oiJjueqov ijiioxojidc.
d) xe ojie: tieqI xcbv /hqojioXixcöv jioXoi Xsyovxai vjieqxijuoi xal sfag^oi, noloi ök
vjieqxijuoi /uövov. Die jüngere Fassung; nur dieses Stück habe ich verglichen.
e) xe ong : xä xcbv &q%ieqecov öcpcpixia.
f) xe ojiI,: jieqI jicoc yqdcpcooiv oi uqiieqeTc xcb xoivcb Öeojioxtj xcb otxovjusvixcb
7iQiao%r) mit den Jüngern Anhängen. = Q.
Zahlreiche andere Handschriften enthalten noch diese Jüngern Notitien, namentlich
in der Athener Nationalbibliothek, wohin seit 1878 aus den thessalischen Klöstern und
Bischofsitzen eine Menge neuer und nicht unwichtiger Handschriften zusammengebracht
sind. Da der gänzlich ungenügende Katalog der Handschriften von Sakkelion über ihren
Inhalt meist so gut, wie gar keine Auskunft giebt, so habe ich, unterstützt durch die
freundliche Gefälligkeit des Bibliothekars, Herrn Kampuroglu, des bekannten Historikers,
die sämtlichen Nomokanones der Bibliothek auf Notitien durchgesehen. Ausser den oben
beschriebenen Handschriften enthalten noch xaxxixd Nr. 1383. 1389. 1396. 1400. 1404.
1406. 1408. 1411. 1413. 1436. 1437. 1450. 1456. 1467. 1475. Von einer vollständigen
627
Vergleichung habe ich abgesehen, da die Texte absolut identisch sind. Zu erwähnen ist etwa
cod. Athen. 1413 (XVII S.) wegen der eigentümlichen (nur noch in Codex H vorkommenden)
griechischen Form des Namens der Stadt Lovec :
6 Tovgvößov xfjg Bovlyagiag eyei xavxa *
xov T£egßevov xal
xov Aoßix£iov.
Sodann hat er in Lazike (mit Athen. 1423 übereinstimmend) :
6 Tgane^ovvtog xfjg Aa^ixfjg e%ei [xiav
xov XaXdiag.
Chaldia, das abwechselnd Metropolis und Erzbistum war, wurde 1660 Suffragan von
Trapezunt, doch nur für kurze Zeit.
Ferner haben die Handschriften 1436 (1613 geschrieben), 1437 (XVI. Jahrh.) und
1467 (1659 geschr.) zwischen Athen und Paträ eine in allen andern Handschriften fehlende
Provinz Kreta eingeschoben:
6 xijg njoov Kgtjxrjg e^et xavxag'
xov roQxvvrjg
xov Kveoooov
xov 'Agxadlag
XOV XeQQOVYjOOV
xov Avlojioxdfxov
xov 'Aygiov
xov Ad/un)]g
xov Kvdcoviag
xov 'Isoäg
xov Uhgag
xov Sixeiag
XOV KlOOUjUOV.
Ich habe den Text nach cod. Ath. 1437 als dem ältesten gegeben, 1436 ist nahezu
identisch, 1467 schreibt 6 yogxvvic, 6 xvcoooov u. s. f., was gegen den Sprachgebrauch
dieser Notitia \>t.
Uebersicht der Handschriften:
I. Classe.
1. Codex des Metochion des hl. Grabes Nr. 30 = A
2. Codex Athen. 1373 = D
3. Codex der theol. Schule von Halki 78 = F
4. Codex Athen. 1411 = B
5. Codex Athen. 1466 = C
6. Codex der theol. Schule von Halki 80 = E
7. Codex der theol. Schule von Halki 70 = G
8. Codex Athen. 1423 = H
9. Codex Panormit. I F 15 = P
10. Codex Athen. 1382 = R
83
*
628
IL C lasse.
11. Codex Athen. 1378
12. Codex Athen. 1388
13. Codex der Bibliothek der evangel. Schule zu Sruyrna B-
14. Codex der theolog. Schule zu Halki 73
15. Codex Athen. 1420
16. Codex Athen. 1387
17. Codex Athen. 1414
-51 =
J
K
L
M
N
0
Q
Tdg~ig 7iQoxa-&£ÖQiag zä)v 6oia>-
Taxcov TzargiaQxcöv xal al jlujtqo-
jroXsig xal al agyiEnioxonai, al
onoXai Evqiaxovxai rrjv ofjjuEgov
y.al etvat vjioxeijusvai zfj ßaoiXidt
KoivoravxLvovJioXsi.
a 6 cPd)fxrjg
ß 6 KcovoTavTtvovjioXeayg
y 6 AXEtjavöosiag
d 6 'AvTioxeiag
e 6 Alltag ijroi 'IeqoooXv fxoyv
AI MtjXQOTToXEig
a 'H Kaioägeia
ß fj "Ecpsoog
y fj 'Hgäxkeia
d fj 'Ayyvga
e fj Kv£ixog
g f] 'PilaÖEXcpia
£ fj NixofjLijÖEia
ij fj Nixaia
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
# fj XaÄxijöd)v
l fj OsooaXovixrj
ia fj Tovgvoßog
iß fj 'AvdgiavovnoXig
ly fj AjudoEta
id fj Ilgovoa
iE fj NsoxaioägEia
ig fj 'Ixoviov
it, fj Bsgooia
uj fj üioiöia
i& fj KoQivdog
x fj Movef-ißaoia
xa al Adfjvai
xß al UaXaial üaToai
xy fj TganE^ovg
xö fj Adgioaa
xe fj Navjiaxzog
xg fj &iXi7i7iov7ioh g
xt, fj cP6öog
xrj al ÜEQqai
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
1 jiga>xoxavxedgeiaC A ngoxa&edgeiac C dyimxäxmv CP ■< R xal al — KU ^C C al vor /iiijxg. «cC GP
al vor O.QX- «==: BGKP dgxsmoxojiaTc P al dgx-] ol dgx- (!) A al dgx- al vjioxaooöfievai rfj Ä77 R al önolai]
ojiov EGKP ztjv vor otjfi. -=C DF xojvoxavxivovjiöX.emc A xcöv nöXecav xfjg xwvoxavxivovJiöXswc GP (doch
■^C xfjg) xcö nQiagxixw d-gövm xijc KU D Nach 1 haben CK xov doiSi/uov ßaodemg xvg {xvgov K) dvdgovixov
xov devxsgov xä>v naXaioXöycov diaxvjicooiC, ojicog {jiiög K) va s'xovv xa"k~iv jigoxa&sdgiac (.-rgoxa&sdgetac C)
2 Die Zahlen der Patriarchen fehlen AF 6 xal 6 legoao).. A 6 leg., 6 o.-rotoc Xsysxai alXlaC F 6 Isgco-
owXvjMav ooxig sXeyezo aiMac B 6 IsgoooXiijiwv R statt 7 hat B: al jigonwXtjC xov aCdifiov ßaodXsoc xvgov
avdgovrjxov xov_8svxsgov xov naXeoXöywv öiaxujjioorjg ojioC va s'xovv xd^tjC xal Jigoxa&edgis fj ftgövrj xov
itgonöXsmv s figo nöXrjC. 8 xaioodgeia ADG 10 i'gaxXrjaC D 11 ayytjga B äyxvga EG 13 tpda-
SsXyla alle ausser CE R hat 6 xogvößov an 7. Stelle 16 x^xtjdöva D 17 üsooaXovixic B fj deooa-
XovixrjC R 18 tö xögvoßov B 6 xogvößov ABEFLM 6 xovgvößov G fj xogvößov P 19 ddgiav. E aus
dvdg. korr. CR 22 vsoxaioodgsia AFR 23 xö Ixöviov D fj xovlov GP ö Ixoviov R 6 ixoviäv B
2 t ßsgoXa C 25 mjoidia FG mooibia D 27 /xoveßaoia B 28 ol d&ijvai E (Thorheit des Rubrikators;
ähnliche Stümpereien erwähne ich nicht mehr) 29 f\ naXaid ndxga D 30 rgans^ovvxa D 31 /.«-
giaa BP 35 doegag P 6 -=C.
629
x& fj <&ilmnov
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60
X >i XgiozoimoXig fjzoi
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40
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64
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41
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65
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67
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68
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45
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W
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70
ju fj Bidvvrj
47
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71
jua fj Me&Vjuva
48
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49
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jxg fj Meatj/ußoia
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o
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76
fit, fj 2rjXvßgia
53
oa
6 OvyxgoßXayiag ijzot Mnovy-
77
ld] 6 "Agyovg xal NavnX^oiov
54
daviag xal
jud 6 Evq'itiov
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6 MovvzoßXayiag
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79
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57
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>) ßtjdivt) G fj ßiövvr] PR 50 Xaxeöat/uova A Xay.e8aiiA.6via EP 51 nagava^ia DP 53 Gleichgiltige
Itacismen wie ovhßgla, orjXitxßgla, ovXrjßgia, orjX^ßQta u. s. f. übergehe ich. /) orjXvßgia DEFK < G
54 xo ägyoc xal vavTtXoiov AD (vavjiXiov) F 6 vdoyoc B r) ägyoc xal vavjtXoiov K fj ägyovc xal vavjiX. R
n i'ioyoC vavnXiov C xo ägyoc P tcü ägyoc el'xov emoxonrj xfjc xogvvßov xal eyevexo figöjioXiC im xfjc ßaoiXeiac
xov siosßsoxäxov ßaoiXeoC xvg. loaxiov xov ayyeXov iv i'xrj ,gcpq£. B xo ägyoc iyevsxo firjxgojtoXic snl xfjc
ßaaiXelaC xov evosßaoxäxov (!) ßaoiXJcoC xvgov loaaxtov xov äyyi/.ov iv i'zei ,?<pf,Q. P 55 evgmnov EFGR
i) evgtnnov KB >/ tvginoc D f) svguatac C i] ivgönrj P 56 fj oor/ia CDK 57 fj /ifjöeia CDK und so
stets 58 uy/iuXXov G nach 6 luideiac va ö ooiQonoXtoyC vß 6 äy%iäXov PR 59 o ßaglvrjC A fj ßagva D
>'l ßügvTj BCK 60 ögioxij K dgvoxa C o ögvoxgrjs R 6 SgvxoxijC P 61 ^ ngotXaßoc CK ngdäßov P
62 f) y.agaßi'Qvvtj K xagaßv^cotjC P 63 64 -=i R 64 xegt&sodcogiov P 65 fj 'Qvivwv K fj t,vyxywv CR
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vtvgöxoxoC D )/ yiyorco/.i; tjxot vevgoxÖJiov K ijfc. vevg. < CR 6 vtxöjiov/.oc rjzoi vsvgoxöjiov B 69 xo
guatov D */ goi'Qaiov K 70 d X.al^iac rjxoi äXaviaC E -=ü R 71 d ßvxßlaC A ^ ßix&ia K d ßn&taC B
d ßixdtiui: (1 \ ' 72 d xayäc CKP xstfeXXuc G y xaqpä K 73 ?J Crj^iov K 74 Xvfxva>v P 75 d
<Vy//oi' B «< ACDFGKPR 77 ovygoßX.ayJaC P finoydaviac R jyro« MnovydavlaC *< ACGP 78 d
y.oXboß/.a-/_iac tjxoi ii.-royöaviac G d (J.oXSoßXa%laC AFP »5 ovyxgoßXayJa i/xoi fiiiovyadavta K »; ovyxgoßXaxia
xal >'t jioXdoßXaxta D 78 <; R 79 Dies Verzeichnis haben unmittelbar hinter dem Metropolenkatalog
CEGK 7d A7/ -=d CEGK 1' 80 d ngoixövi)ooc und so stets E ngoixöviooc F jrgixövijaoC P
630
y fj Al'yiva 82
d tj ümymviavfj 83
e 6 'EXaoomvag 84
l fj Km 85
C fj Aevxddog 86
1] xal xov (Pavagiov 87
CH ev xfj Ümymviavfj dg%i£7iioxo7irj ovx fjxov, dXXd Tigmxoiianäg ijv vjioxaooojuEvog xm 88
KmvoxavxivovnöXEmg jiaxgidgyrj xal xa&eCöjuevos iv xm oiavQOJii]ysicp Ilmymviavijg,
ev u> ioxl ßaoiXixt] juovrj Eig övo/ua xi/ucojuevov xrjg xotjurjoEmg xrjg vnEgaylag
deoxoxov.
Baßal rfjg 7iaga%mgi]0£mg' ävdyvmoov öXov xal jusyäXmg dgrjvfjOEig. 89
rHoav Öe xal äXXai jurjxgojioXeig xal dg%i£Jiioxo7iai, mg cpaivExai ysygajUfiEVOV elg xtjv 90
öiaxvjrmoiv xov ßaoiXemg xvgov Aeovxog xov oocpov, xal imoxojiai, xal elg xr)v
xov ßaodsmg xvqov Avdgovixov xov Sevxsqov xmv IIa?MioX6ymv, ö onoTog ßaoiXsvg
äXXag juev fxrjxgonoXEig dveßißaosv xal Exljurjosv äjiö /utxgovg ftgovovg dg jusyaXv-
xsQovg, xal äXXag jusyäXag ixaxeßaoEV dg ftgovovg juixgoxEgovg, Uymv i^ovoiav
mg ßaoiXsvg' anb xdg onoiag noXXal igrjf.im&ijoav xal xsXsimg ijcpaviodrjoav äiro 91
xmv xgaxovvxmv fjjuäg.
xal ovxe /.njxgojzoXixrjg svgioxExai Eig xdg jui]xgo7i6?,£ig , ovxe dgxiEJiLoxoiiog elg xdg 92
dg%iEnioxo7idg, ovxe hnioxonog dg xdg Inioxondg, ovxe Isgsvg Eig sxxXrjoiav, ovxe
xaXoytjgog slg [xovaoxrjgiov r) elg /uovvdgtov rj slg xsXXiov, ovxe äXXog %gioxtavög
xoojuixög Eig xdoxgov rj Eig imgav, bC oig xgifxaoiv oids 6 frsog, oxi dv£^£g£vvijxa
zd xgifiaxa avxov xal dvEg'iyviaoxoi al ödol avxov'
Hevxijxovia xal juia jurjxgojioXeig dvai igrj/xmjUEvat xal dg%i£moxo7ial ösxa xal öxxm 93
82 al'fiva P 83 nwywCavf) A 84 6 eX.aawvac E fj iXaooövoc G 6 eXaoowv F fj eXaoowva BD
fj eXaoawvac K 85 -< P 86 £ rov Xevxddoc E xal fj X. P 87 << P 87 >? xal xrjg etyßwv K
rj xal rfjc eßwv fjyovv rfjc et,oßdv E rj xal fj xrjg eCrjßwv fjyovv rfjg e'Qwßag G rj fj et,rjßwv ■& fj odjioC C
79 — 87 Eine gänzlich abweichende Liste hat R: al äQxiemoxojzai' fj jiqoixövijöooc' fj xägTcadoC fj al'yiva'
6 xaoavdgeiaC 6 (pavavaßlov(l)' 6 od/uov' 6 ävdgov ' 6 vzClac' 6 jzcayoiviavfjc fol. 256r o iXaaawvoC 6 xü>'
6 ksvxdSoc' 6 jxfjlov 6 oavroQivrjC 6 oicpvov. Es ist die Liste des XVII. Jahrhunderts. 88 Dieses
Scholion haben nur ADF noyw'Cavrj A fjzov] f)v F iv za> ggojirjytaxä) fiovaazT/gtco zfjc n. D 7ia>ywTavfjc A
fiov. ßaa. F zi/A.ä>/.uvoc A 89 Diesen ganzen Exkurs haben ADF am Schluss vor den vjisgzifioi xal
£q~aQ%oi 89 «=C AD FR yalvovzai EGPKR ysyga/u/nirai R xvgov ~=C CP xal ernoxonal -<C PKK
ösvzsgov «=C ADF sie — ßaodsmc -^C R nalaioXöyov ADF zov dsvzegov naXaioX6y<ov EG nach Jialaio-
löycov f zov äva)§ev BK jialaioXöywv zwv xdzw&sv CG ßaodsvc] ^C EG TiaXaioXöyoC BKPH naXaio-
XöyoC d>C (paivstai C fieyaXvzegovc] vxfrjXozegovC ADF fieyaXozegovc BKC jisydXovC H xal äXXag — ßaoiXsvC
•zC PF xal aXXag — fiaxgorigovg -=C C ixazevaoev GPK s^cov — ßaodevg •< EPH R hat nach 'Avdgovixov :
al SjioTai egijfX(i>drjoav vno zwv xgazovvzmv f/fiäg öi ole xgl/xaoiv xzX. 91 äno zaC ojzolaC figoJiöXsiC xal
dgyjsnioxojzdc H jioXXal] jzoXXd F noXXaTc G egw/^iödtjoav A zsXelmg < AUF dcpavfjo&ioav B cbiö zwv
xgazovvzwv fjuäc]' Eine ängstliche Seele hat in B diese Worte überklebt. Andere Librarii sind mutiger:
djzo z. x. f). fjyovv zwv zovgxwv H vjzo zwv doeßwv xal xgaz. fjfiäc C dno\ vjzo EG 92 xai ovre f.ujzgo-
(loXizrjC ovze dgxismoxoJidc (!) ovze legevg ovze xXrjgtxöc ovre XQLaxiavoC ^l £?c xgtjiaoiv xzX. P ovre entoxonoc
eig rdc emoxonaC ovre legevg ovre öidxwv ovre xaXöytjgoe ovre äXXoC ygiaziavoC. (5«' olc xzX. K elg zf/v exxXij-
olav F elg exx).ijoiac A /uovaozfjgi F fj elg fiov. — xeXXlov «=: F elg xeXXlov — elg x^gav <Z G xoo-
jitxdc -=^ CH xQtOTiavoC S£'c raC XÜQaC C tfeof] xo C ö vor &eoc <: EF dveg~ixvlaorwv B 93 jrevrfj-
xovra xal enzd (nevfjvra fxla R) (iijrgoJiöXeiC elvai IgrjjxwfievaiC xal agyeniöxonal irj xal inioxonai vorj PR
631
xal enioxonal vor), eig de xr)v öiaxvnojoiv tov gi)&evTog ßaoiXecog xvgov AeovTog
rof oocpov eJvai jurjTgonoXeig evvevrjvra'
eig de t>)v tov etgrjjuevov ävcodev ßaoiXecog xvgov Avdgovixov tov devTegov t&v TlaXaio- 94
Xöycov elvai giß xal dgyientoxonal xe.
xal ovyl jLiövov avTai al /nrjTgonoXeig xal ai dgyientoxonal xal al enioxonal xal tol 95
juovaorijgia xal al ixxXrjoiat r)cpaviodr)oav d/tii] xal tcov tqicöv naTgiagy&v al
enagyiat, tov AX^avdgeiag, tov AvTioyeiag xal tov 'leQoooXi.vjJ.cov xal ovderav
dgyiegeav evgt')oeig eig amdg, ovTe äXXov ygioTtavbv legco/iieroi' f) Xa'ixov.
d/ni) eig rovg ■&govovg avTeov tcov naTgiagycov jiioXig vd evgi)g legco/iievovg xal juovayovg 9G
xal xoofxixovg öXiyovg' ort TeXeicog ex ßd&gcov yrjg al exxXjjoiai Tfjg enagyiag
avTeov r)cpavio&r)oav, xal 6 Xaög tov Xqiotov rjyovv ol ygioTiavol eg~oXodgev&r)oav.
2,1) jueiojoai ort Ttveg anb enioxoncov eyevövTav /ui)TgonoXiTat 97
"Hyovv anb tcov tov Kogiv&ov enioxoncov eyevovTo jur)TgonoXÜTai ovo' 98
to 'Agyog xal Navn?Miov 99
xal 6 Movefxßaoiag 100
6 ondlog xal efagyog XJyeTai ndor)g üeX.onoviqoov eyei xal tov tojiov tov 2ld))g.
Anb tov üaXaic'w üaTgcov 101
r) Aaxedai/xovia
Anb tov NavnäxTOV 102
6 'Icoavvivcov
Anb tov TgaiavovnöXecog' 103
6 Aidv [xoTeiyov
6 Edv&rjg xal 104
6 üegiftecogiov 105
'Anb tov 'Pödov 106
6 Xiov xal
6 Kco dgyienioxonog. 107
Anb tov (Pdinncov 108
f) XgiOTOvno/ug i'/Toi
f) Kdßa/M.
'Anb tov AvdgiavovnoX.ecog 109
6 2coCon6X^ecog.
Anb tov Zeggcov 110
6 Zvyvcov
'EyevovTo de xal voTegov iv tjj OvyxgoßXayia ovo fir)TgonoXCiTai, xal 6 fiev eig eyei 111
tov TÖnov tov Nixoju>)öeiag xal ej-agyog XeyeTai ndor)g Ovyxgiag xal ÜXayi)vcov.
Sil xtvx. pir)av B nEvqvxa (xla E xvq D nach vor) : xaöoc tpaivovzat sie xae öiatvjxwostc x&v ävw&ev ßaoi-
üs'ayy' xal lös avxäc ojtov xäc lygärpa/isv (eygayjä/xrjv G) damit beendigen C und G diesen Abschnitt
!)4 xijv <cZ ADF aveodev slgrj/iirov BH x. d. x. .-rot/.. ■< EH xov xa/.aiokdyov A sivat] r)oav H giß] sxazov
bsxa K 95 — 9G hat nur K 97 Diese Stücke haben nur ADF ztvsc ■==; DF 98 xov Koglvßov zü>v
Ltioxo.-xwv A xä>v etc. ■<. D 99 vavji/.t'ov D 100 f\ fiovsfißaoi'a D 101 xov] xcöv D 103 <5«5t>-
fioxoiyog F didvfioxsiyoj A 104 igavöiag AF 107 xeo D 108 rjxoi] Ijyovv F tjxoi — ävögiav. -< A
109 aöotav. F 111 Dies Stück hat auch G voxeoov iyivovxo ADF ovyxgoßj.ayja xal [A.o).6oßXa-/ia ol
dvo fi. ADF vixo/xijöei'ac oüodsoiv G ododeov A oäodscog D
632
6 de exegog XJyexai fj,t]xgojioXlxrjg juegovg ObyxgoßXayjag xfjg xaxä xbv Zeßriglvov xal 1 12
xbv xoTiov eney^cov xov 'A/uaoeiag.
eyevexo de xal fxY]xgonoXixr]g Bidvvrjg. 113
xal ev xfj MavgoßXayia exegog. 114
xal ev xfj PaXixt,r\, fjxig fjv juegog xfjg Mixgäg Pcooiag. 11")
c0 de Pcooiag [xyxgojioXixrjg ygdcpexai Kveßov xal Jiäoqg 'Pcooiag, vnoxeivxai de avxfj 1 1 • >
xal enioxonal avxai'
Tb Meya Noßoygddi 117
f] T£egvi%6ßi] 118
6 2ovdaXigoxoß)] 119
6 MeyaXoß?MÖrj/u7]Qrj 120
6 PlegßXaoßt] Povoioxco 121
xb 'Aongöxaoxgov xb Meya 122
nXrjoiov xov Kveßov 123
6 "Ayiog Pecbgyiog elg xbv ePcdotv noxa/uöv 124
fj IJoXoxioxa 125
fj cPaCdv7] 126
fj Ticpegij xal 127
xb 2agar\v 128
Tf] de PaXixt,rj, /uegog ovorj xfjg Mtxgäg 'Pcooiag, enioxonal vnoxeivxai avxaf 129
fj BXadi/noigij 130
fj liege füoXrj 131
fj Aovx^eoxa 132
fj Tovgoßf] 133
fj XoX/mj 134
xb 'Aong6xaox.gov xb elg xb oxojuiov xov 'EXiooov noxapiov. 13.)
AI de juf] vnoxeijuevai naxgiäg%ij xiv'c 136
PI xtjg BovXyagiag eoxlv exxXrjoia, fj önoia Xeyexai 'A%gidcöv fjv exifxijoev 6 ßaodebg 137
'Iovoxiviavbg 6 jueyag, cbg ex xfjg veagäg avxov yvcbgifiöv eoxi.
6 'Pcooiag jurjxgonoXixrjs 138
6 xfjg KvngoV 139
xavxrjv de f) xgixvj ovvodog xal fj g xexi/ufjxaoiv.
fj xcöv Pßrjgoov fjv eximjoev diäyvcooig xfjg iv 'Avxio%eia ovvodov, vnoxeifxevtjv ngcötjv avxfj. 140
xovxcov yag ol ägyiegeig vnb xcöv idicov enioxöncov %eigoxovovvxat. 141
112 6 de exegog Xeyexai fujxgoji. fxoXdoßXaxiaC xfjg xaxa AF xov oeßegfjvov A xmv oeßegtjvüv F xmv
oeßegivcov G 6 de exegoc XJyexai /a.. jioXdoßXaxiaC xal xaxa xütv oeßtjgfjvcov D 113 < ADF 115 f-ia-
ßgoxla A exegoi dvo ADF 116 vnöxeixai D de <=i G 117 <=C D 6 ßoygäcprj A 118 x£egvix<ößr) G
x£egvix6ßi D 119 oovdaXijgozößtjc F 119 120 ■=: G 120 fieyaXoßXadijfifjgrjC A 121 jiegßXdoßijC A
fj neXaßrj Qwovotoxco G 124 gcöoov F 125 noXxioxa ADF 126 fj •< ADF gat,ävrj ADF
gi£ävt] G 127 6 xicpegrj F 6 xicpeget AD 128 oagäij D 129 fj de yaXtx£tj ovaa F ovotjC AD
avxai] de G vnoxeivxai de xal avxrj enioxonal avxai AD vnoxeivxai xai aixij imaxonal dvo F 130 < ADF
131 132 t) neQfiiiXiXoxUaxa ADF 133 f] xov gößri ADF 134 tj oxöXm ADF 135 xb nach
aojio. -=C ADF hier hört G auf 137 axgeidwv A eoxal ADF 139 xal 6 xijc x. agzientoxonog xavxac
fj y xal fj g ovvodoc xexi/x. D 140 iv ävzioxeiaC(l) A aixij] avxrjv DF
633
'Ynöxeivxai de xal xä) ftgovco xfjg
BovXyagiag fjxoi xcö 'AxQidcöv
emotional avxaf
CH Kaoxogia
xä 2x6ma
xb BeX.eßovod>jv
»/ Tgcoadix^a
fj Meleoocpa
xä MiyXaiva
fj IIe?.aycovla
xä Ugiodiava
fj 2xQov/j.ix£a
f) "Ovioog
fj riaßivix^a.
fj Bavx£6ßa
cä BeXdygada
fj Bidvvi]
xö Aifuierj
xb JZxgifxog
xb cPäoog
fj AeäßoXug
fj 2&lavix£a
xb rgeßevov
xä Käviva
ai Aeßgai xal
fj BXa%ä>v.
Etat de xal ol u7ioo7iaod evxeg ex xfjg
'Pojjuai'y.rjg dioixr'joecog,vvv de vjioxeivxai
xcö ftgovco xfjg KcovoxavxtvovjiöXecog
142
143
144
145
146
147
148
149
150
151
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157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
jurjXQOTTolTxai xal ol vii1 avxovg eni-
axojioi.
6 OeooaXovlxtjg 167
6 Kogt'v&ov 168
6 NtxoTTÖleayg 169
6 Adrjvcov xal 170
6 IJaxocor 171
Tlegl Tioioi xiöv juijxgojioXixajr 172
e'xovv xfjv oi]fxeoov emoxonäg.
cO 'HgaxXeiag xfjg EvgojTTijg e/ei 173
xavxag'
xov 'Paibeoxov 174
xov Ilaviov 175
xov KaXXiovnoXeojg 176
xov üegioxäoeojg xal Mvgiocpvxov 177
xov Mexgcov xal 178
xov 'Ativgcov 179
'O Nixo/uijdeiag xfjg Bidvviag e%ei 180
xavxrjv
xov AnoXXcDviädog 181
'0 &eooaXovtxt]g xfjg OexxaXiag 182
e%ei xavxag'
xov Kixgovg 183
6 Kixgovg ojg ngcoxodgovog e%et
e^ovoiav xov cpogeiv JioXvoxavgiov xal
ßaoxä^ei xal elg xov judvdvov Jioxafxovg.
xov Kaoavögelag 184
xov Zegßioiv 185
xov Ka/j.jiaviag fjxoi Käoxgov 186
142 üyo£idö>v A xoiv dygeidöjv F 148 fiiyXeva D 150 xgioöava F xgiodtjva D 152 6'vcaoc D
154 ßax£6ßa DF 155 ßelaygdöov A -< D 156 ßvblvi A ßiöivrj F < D 157 xoXvfineij AF
158 orgt/u D 159 gaoöc F 160 deaßöhg F 165 ßläymv DF 166 ol <== D nach In. -\- avxai A
167 6 deooa/.ovixT] A fj bxeooalovixrj DF 168 fj xoglv&ov F fj xögiv&oc D 169 fj vixonö).ewC F fj
vixo.io/.ic D 170 fj ä&fjva D 171 *} ndxga D 172 Dies Stück bieten sämtliche Handschriften;
aber ER und die zweite Klasse nach der Klage über die Verödung, G nach der Andronikosnotitia. negi
xov .t. FHLP -legi *£. N ix xovc figojioMxaC B e%ovv BFJNOP k'/ovai die anderen imaxonec B
ixioxoTiatc P nach exioxo.ids -\- R xal ai ijiioxonal xfje dyicaxdxrjC dgxcsnioxojtfjc äxgeiddjv 174 godoaxov P
176 xahov.-x. AP xa/./.onö/.eojc L xahonovloc D xaXiovnolixov R 177 Jiegioidoewv A xov fivg. xal
.-legtox. CD 178 uvxg(»v J 177 E -\- xov T£egov)dov R -\- xov T^tjgovlov 179 B -\- xal xov x£ov).wrjC
180 181 «=: LM 180 E hat vor jeder neuen Metropolis die Ueberschrift : xov vixo/xrjdeiac : xov deooa-
J.ovixTjC u. s. f. 180 xavxrjv] jiia EH jiövtjv J fifjav B iilav P 181 >/(«=: E) onoZa Xsyexai anol-
/.Oiviäöa EGP Xonia Xiyexe xo/.ovidda B xrjv dxoXwvidda R 182 xrj; dtx. •< B daxxaXelaC P xavxac •< M
183 xvxgovc DJ o xixgovc — xoxafiov; hat nur B 184 xaoavdgeiag\ xavoavdgiac E xafiavSg. G to0
dovgyaßtxtaC L 185 184 CHOPR röv oegßloir xov xaraavdgeiac B 186 xaoxgiov DLMO xaoxgo/or I'
xa'/.nuaviaC J »/rot *äoTg. <: ABCDEGHR
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 8i
634
xov IJfrgag
xov 'EqxovXicov rjxoi AodaiiEQEwg
xov 'Ieqlooov xal Aylov "Ogovg
xov Aixfjg xal 'Pevzivrjg
xov Uo\Eavivr\g xal Bagdagicorcov
xov IIXaxajuöJvog xal Avxooxojuiov
'O Togvoßov xrjg BovXyagiag £%£i
xavxag'
xov TCegßevov
xov Aocpx'Qov xal
xov IIg£oXdßa)v
'0 AvÖQiavovnökeajg Al/nifxovxov
£%£i juia'
xov Aya&ovjioÄsojg
'O Koqiv&ov xrjg JlEXonovrjoov
£%£(■ xavxag'
xov AafxaXo~)v xal ÜEÖiädog
6 Aa/ialbg jrgeoxo&govog (pogEi noXv-
oxavgiov xal ßaoxä^Ei xal dg xov
/udvdvov TTOxajxovg, cbg 6 Kixgovg. ovjl
äXXoi imoxoJiot E'/ovv xr)v xooavxr\v
[rd|n'] afiav.
xov K£cpaXa)viag
xov Zaxvvdov
187
188
185
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
xov Zrjuaiväg xal Tagoov 203
xov TIoXiVCpEyyovg 204
'0 Move/ußaoiag xrjg IIeXotiovijoov 205
£%£i xavxag'
xov Kvd)]Qiag 206
xov 3l£&d>vi]g 207
xov Kood)VT]g 208
xod "EXovg 209
xov Maivrjs 210
xov Avdgovorjg 211
xov Zevvcov fjxoi KaXajudxag 212
xov 'Psovxog 213
'O Ad,rjvo~)v xrjg 'EXXädog £%£i 214
xavxag'
xov AtavXuag 215
xov TaXavxiov 210
xov "Avdgovg 217
xov 2.XVQOV 218
xov JEoXarvog xal 219
xov Msdivix^rjg. 220
cO üaXaicöv üaxgcdv xrjg IIeXo- 221
jiovyjoov £%£i xavxag'
xov "QXh'Tjg xal 222
xov K£Qvix£iig 223
188 sgx. rjroi < BCEGMPR nach yzot -4- zov A kgxovliov D sgxovllwv M igxovXmv J ägda-
pageas BCEGHLP äg/uadägscoc A 189 < DFKN isgioov AR xegiooov P 192 190 191 F
190 hzivfjc F givztvrjC G 191 < E xal ßagS. <C JN ßagd. rjzoi zovgxmv MO xoleavfjc M Ttohavrjc C
ßagötcognwv BGHLM ßagdi]mgtzü>v R ßagdmgizmv C 193—196 < FJLMNO 193 rj zogvößov P
zfjc BovXy. ■=;; ADGJ zavzac] fxlav EG ßsßsofiiva xal avza zwv zogvößov 6 zogvößov zfjc xzX. B
194 t£eßevov D 195 196 xal zov BH xal ällovc C xal rov odsivijg P ■=: EG 195 koßiz'Qiov H
).o(pzov R 196 Tigeokäßac DR 197 Adrianopel haben hier BCDEGHPR die anderen nach Philippi
juiav DF zr]v Ttagovaav L zavzac N ■< K 200 zov dajiaXov D xal ned. ■< JMNOP 6 dafiaXoc —
a^iav hat nur B 201 zfjc x. E zfjc xeqaX.rjviaC LMR zfjc xeyaXivEiac P zr/C xetpaXivlaC xal Qaxlv&ov AN
zoiic xE<palovi]ac B 202 zfjc 'Qax. CDEP 6 'Qax. J 203 Crj/uevuC A 'Qr^dvac L tij/xeväc DFHK
Crj/xevalc E QrjfiatvaiC G Qifievov P 6 zfjc £t)/.i. C zagaoov B 204 -=: P xal zov ABCHO .xo/.i-
cpiyyoc B noXvcpiyxovc GR 205 Die Provinz Monembasia haben erst hinter Serrae JLMNO fiovi-
ßaoiac O zavz. k'xei O 206 xvftaglac BC xv&ovgiac G xt&agiac P xidigwv F xrj&vgoiv J xißr'jgac LO
xidngwv D 207 208 <C DJLNO 208 roü «oe?;c P 211 Dies Bistum haben nur E und R ä(5-
govoijC E 212 £svyvöjv DG >yrot *aA. «< L 213 xal zov giovzoc ABGHOP xal zäc zov g. D xal
zov giovzoc xal Tigaozov F Nach giovzoc -\- zov dvdgovorjC J 215 zov öiavleiac GLMR SavXiaC O
x. b. xal zalavziov CGHR 217 ävdgov BGHJLMPR uvSgöc C 218 oxvgovC A 219 oölovog B
xal <Z. JNO 220 f.uvbiviz'Qi-jC ADFLMR /uvtdi'zijC C fiavidiz^tjC P roü ,«. xal zov xogwveiaC R
221 xalaiwv <£ P t/]C jzsXo.-zovfjoov <ü JBO 222 w/.atvrjC EHLM ü.svrjC B ^oi ■< .1 223 rov
zegviz'Ziic AHR hier fügt an: zov /.udwvijC zov xogüvtjc J
635
'O <&i1l7ijiü)v zfjg Maxsdoviag 245
E'/El jUlCf
zov 'Elev&EQOJtokemg 246
'O Zsggcbv zfjg Maxsdoviag e'xet 247
fxia'
zov 'E^ijßcöv 248
'OMizvlr)vr\g zfjg Aioßov e'xei /uia' 249
zov 'Egioov 250
'0 'Icoavvlvcov 'd%£i zavzag' 251
zov Belag 252
zov Bo&govxov ko\\ rivxEOiv 253
zov AgvvovnökEwg xal 254
zov Xifxägrjg. 255
cO Aaxedaiiuoviag zfjg üekojiovrj- 256
oov k'xei zavzag'
zov AfxvxXcöv 257
zov KagvovnoXeojg xal 258
zov Bgeozevrjg 259
'O Evginov zfjg Evßoiag e'xei 260
zavzag'
zov 'ügscbv 261
zov Kagvozov 262
roi) I7ogi)juov 263
224 r/)? << BEL MO ovSeftia syst G rat'raC <. J 225 x<£a> DHP xavrjc B 225 226 toü
yaldiac H 227 /.agt'oqc D 228 L hat folgende Liste: zov qiagoälov' zov davfiaxov' zov £t]Tovvi'ov'
zov l^egov' zov Xoidogixiov ' zov ozayöjv' zov gaoairrjC zov yagStxiov' zov yagitevcov xal zov TzegiozegäC
229 ln£a AJ Xu£äc GO zaX?uz£a B 231 ^zovijwv B 232 üatxaxov B 234 Xocdogxiov F Xtjdog-
y.votv B 235 yagdaxvojv B 236 gadvoßtöi'ov A gadoßt£i'ov CEMO gadoßv£iov JR roü gavSo^iov P
xai < 3 237 oxiädov EFHM.TPR 238 zfjc Nix. J d vavji. xal ägzijC D 239 ßovöivz^C E
ßodivz^tjC GM gobivz'Qr)C L ßevdiz£tjC J 241 r<wv dysXwv B dysXeov H dyeoXdyov P 242 räf
pij'üjv P ywycü»' R 243 /*«a] /«'ai' PR zavzijv ADG zayrac B < JH t^ nagovoav LM fiövov 0
243 B hat die Reihenfolge: Rhodos, Serrae, Philippi, Mitylene, Joannina 244 Xd&oc (rot) Tod eXsv-
■&egoxö).eo)C : Tov XigvrfC A zov XJgvrjc fiövov J 245 246 «ü F B schiebt Serrae zwischen Rhodos und
Philippi ein <PiXi'jtjio)v] oegcöv P fiiav BP zavzr/v ADG zavrac N «< JH z!jv jiagovoav LM 246 eXev-
ztgo.-i. P eXevdegoxorXoc B fA«yi?foo.To'/.«(uc] roö noX.vozvXov L 246 247 -=CL MN 246—249 < C
247 248 <=;A 247—250 ■< R 247 ,uiav DF zrjv nagovoav LM jrapoCöay N -< J 249 250 •< JLM
249 filav DPF 250 toü '£0(ooi'] zov eCrjßwv A isgtoov BP 251 Hier haben Monembasia JLMNO
d <=i G tavvjyywv P twavvi'vov xegy.vgwv D raC Ttagovoac N 252 /?sAaC AJK ßsXX.dc G ßalac P
253 ßodgüvzov A ßogdvzov P ßodgevzov O ßovOgevzov J ßd&gov C ylvxeoiv {yXr\xaiu>v etc.) BEGHLMN
y'/.ixloiv C d xat ö/.uxeW JO 254 ^ptvov.ToAewc CGMPR dgrjvojiöXecoc F dvdgiavovizdXewC J
255 yifidggrjc O ytifidggrjC AR yet/idoac D ytjfidgovc B fiägtjC P 257 /ivdxXcov d in et korr. B
firjXojv P 258 xagiov.-iö/.ecoc und xagtoxö/.ea>c die Hndss. fiaxagiovJzdXecoC P toC giovzoc L 259 /?££-
ozi'vrjC A ßtgozivtjC C Ttö»- ßgaozevcov LR evgt)o&evt)C J ergioDifijC B 260 r^c EvßolaC < JHMNO
evoiac AF evßiac C evoeßiaC B Xvßi'aC P 262 xnglaov C 263 xonfi/tovC P no&fiov B.T
84*
'O
TganeCovvzog zfjg Aa£t
e%ei zavzag'
xfjg
224
zov Kdviv y.al
225
zov ''Ocpeayg
226
'O
Aagiootjg zfjg 'EXlädog
zavzag
k'xsi
227
zov <di]jiii]zgtädog
228
zov Aiz'Qä xal 'Aygä(pa)v
229
zov <Pavagiov
230
zov Zrjzovviov
231
zov Oavjuaxov
232
zov Zzay&v
233
xov Aoibogixiov
234
zov ragdixiov
235
zov 'Padoßiodlov xal
236
zov 2xia&ovg.
237
'0 Navnaxzov Niy.ojiö?.EO)g
s'XEi
238
zavzag'
zov Bordlx£t]g
239
zov 'Aezov
240
zov 'A^eXoSov xal
241
zov 'Pi]ywv
242
'0
'Pödov zcöv KvxXddoDv vr\
E'/El /uia'
OOJV
243
zov A£gv)]g
244
636
xov AvXcovog xal 264
xov KavaXicov. 265
e0 OvyxgoßXayiag e%ei to-vxag' 266
xov 'Pijuvixov xal 267
rov Mjio&ov. 268
c0 MoXöoßXayiag rjxoi Mjioydavtag e%ei tavrae' 269
xov cPavÖEovxt,ov xal 270
rov Pcojuävov. 271
IJeqI xcöv jurjxgojioXixcov, Tioloi Xeyovxai vjiegxijLioi xal e^agyoi, jioToi de 272
VJlEgXljUOl jUOVOV.
'0 Kaioagsiag Kajuiadoxiag vjiEgxijuog xcöv vjisgxi/xcüv xal £g~ag%og näorjg AvaxoXrjg 273
'O 'Ecpeoov vnegxi/uog xal E^agyog näorig 'Aoiag 274
'O 'HgaxXeiag ngoedgog xcöv vnegxi/ucov xal e^agyog näoijg Qgäxijg xal Maxeöoviag 275
'O 'Ayyvgag efagyog näorjg PaXaxiag 276
'O Kv^ixov elgagyog navxbg 'EXXijonövxov 277
cO (friXadeXcpiag näorjg Avöiag 278
rO Nixojurjösiag näoijg Bi&vvlag 279
eO Nixaiag öjuoicog 280
'O XaXxijdövog o/uoicog 281
cO ©eooaXovixrjg näorjg OexxaXiag' eyet de vvv xal xbv xönov rov Kaioageiag 282
'O Togvoßov näorjg BovXyagiag 283
'O 'AvdgiavovnöXecog Aljuijuovxov 284
cO Neoxaioageiag TLövxov UoXe^coviaxov 285
cO Koviov Tidorjg Avxaoviag 286
rO Kogiv&ov Jiäorjg HeXonovijoov 287
rO Movs/ußaoiag 6/uoicog 288
'0 ,A'&r]vcöv Jiäorjg 'EXXäöog 289
cO TlaXaicöv üaxgcov Jiäorjg Ayalag 290
eO Tgane^ovvxog näorjg Aa£ixfjg' eyei de vvv xbv xönov xov Kaioageiag 291
rO Aagloorjg devxegag OexxaXiag xal Jiäor/g EXdäöog 292
'O Navjiäxxov näorjg AlxcoXdag 293
265 rov] zS>v BP (in zov korr.) CDHLR xavaMov A xavaviov P zcöv xävatv M L hat: ö svguzoc
fjxov emoxoTir] z&v ä&rjviöv xal szifirjdij sie fxgönoliv, xal edödtjoav ngoC avzor ai nagovoat imoxonai' xov
wgaiwv xzl. R hat dann ai dgiienioxonal xov y.axagiwzäzov äg%tejiiox6jiov ä%getdü>v 266 — 271 <i BE
GHPR und alle Handschriften der IL Klasse 266 6 «=: D (Versehen des Rubrikators) 267 gifivi'/xov A
269 rjrot finoyd. <Z F 272 Diese Fassung haben ABDEFHMPQ 272 noir] P xal noioc l. P 273 xaio-
oageiaC A 276 äyxvgac EM uyyi)gac B vjiigtifioc xal e£. A 277 Jiäotjc P 280 o/xoicoc jtäoijC
ßv&7jviaC P 6 vixaiac xal xakxijdövoc öfioiwC H 281 6/iotcog] cboavzwC D 6/xoicoC — Oeoaa).ovixT]g -=i P
282 e%Bi — Katoagsiac <^ ABDEFLQ v/.tl &e yal T°v zöjzov rov dyyvgac P 283 rovgvößov P 284 ädg. DQ
jiavzoc aiji. D aifiixövzov P Nach 'Avdgiav. 6 d/uaosiac ei§sivov tiövzov Q 285 veoxatooagiac A
vfoxaioagiac BDFHQ rsoxioaglac P 286 ixoviov ADEFHQ xovt'/ov B Avxaoviag] kaoSvxeiaC P
288 /uorsßaotaC B oixoiwc] xäorjc ne).ojzov>)oov P 291 xaioagiac H s'xet—Kaioagsiag «< ABDFPQ
293 xal ägzrjC -\- D ezeb'/ac B
637
'O 'Pr/unnovnölecog 7idoi]g ©gdxrjg 294
'O TgaiavovTioXecog 6 onolog XeyEiai Magooveiag 7idoi]g 'Podonrjg 295
'O Podov xcöv KvxXddaiv vr\ooiv 296
e0 MixvXrjvrjg Jidorjg Aeoßov 297
'O Zeggcöv 7Tdoi]s Maxeöoviag 298
'0 <PiMnjia)v öjuoiojg 299
c0 0rjßü)v Jidorjg Boieoziag 300
'O Aaxedaiuoviag Jidorjg nelonoviqoov 301
eO Evg'uiov Tidoiqg Evßolag 302
'O OvyxgoßXayiag, vjiegxijuog xal k'g~agxog Jidorjg Ovyxgtag xal HXayrjvCbv 303
'O MoXdoßlayiag, vjiegxi/uog xal Eg~ag%og xal xöv xönov ejie'/cov xov 'A/uaosiag 304
"Eg~a) and xovxovg xovg ävoi&ev ojiov e'xovv rag ifag^iag, ol dh iniXomoi [xrjxgojioXüxai 305
vTXEQXifjLOi juovov ygdcpovxai, ä/uij ovyl xal k'^agyoi. —
X. Das Verzeichnis der noch vorhandenen und der eingegangenen Metropolen
mit ihren Bistümern.
In zwei Handschriften von Athen habe ich endlich eine kleine Notitia gefunden, deren
Verfasser in seiner Art ganz ernsthafte historische Studien getrieben hat. Er hat eine
Notitia der alten Zeit vorgenommen und die gegenwärtigen kirchlichen Zustände zum Ver-
gleich ihr gegenübergestellt. Der Verfasser gehört zu den geistig Armen und begeht
mehrfache Versehen ; aber das Schriftstück ist darum nicht wertlos. Es ist etwas jünger,
als die Notitia der Türkenzeit und wird wohl dem XVII. Jahrhundert angehören. Der
Verfasser zählt die einzelnen Metropolen auf und giebt an, wie viele Suffragane sie früher
hatten und jetzt besitzen. Richtig behandelt er Kaisareia und Ephesos, bei Herakleia sagt
er, es habe fünf Suffragane; die Türkennotitia zählt sechs auf; also waren zu seiner Zeit
Metra und Athyra bereits uniert. Ebenso erwähnt er einen Suffragan von Nikomedeia, das
Apollonias der Türkennotitia, welches heute eingegangen ist. Verkehrt ist seine Bemerkung
über Sardes; er hätte hier die Formel anwenden sollen xal igt] fxd}&rjoav i) [xrjxgojioXig xal
ai ijiioxojiai. Bei Side und Sebasteia, ebenso bei Melitene, Tyana und Gangra begeht er
denselben Fehler, wie bei Sardes. Bei Thessalonike zählt er für die alte Zeit fünf Bistümer,
das stimmt mit den Nea Taktika; er hatte also eine derartige Vorlage in Händen, denn später
sind es erheblich mehr. Für seine Zeit giebt er fünf Suffragane, wie heute, an, während die
Notitia aus der Türkenzeit neun aufzählt. Klaudiupolis erwähnt er wieder nicht als unterge-
gangen; dagegen bemerkt er dies richtig von Pessinus, Myra, Stauropolis, Laodikeia, Synada
und Sylaion. Bei Korinth giebt er übereinstimmend mit dem Tatbestand sieben für die Vorzeit
an ; ebensoviel sollen es jetzt sein ; allein in der Gegenwart sind es nicht sieben, sondern fünf;
294 dgüxtjC SgayoßaetaC D 295 < ABDP 6 tq. rjyovv uao. Q 296 <: Q naowv x. v. D
iwv vvv x. v. P 297 hat nur D 299 .-räatjC /.laxe-doviac HQ nur /uaxsdcovi'ac D 302 hat nur Q
303 und 304 bieten nur AD und F 303 xlayi&v D 305 ?f«o —i£aQ%tas <z ADF di <=; H
i.Ti/.ot.ioi] '/.oixoi ADFH ovyJ\ 6/1 D £'£« ü.tö zovtov; zovg /iQoxoUzaC oi Si eitlXoutoi fiövov vnlgxifiot
ygäcpovxa.1 t^.
638
es sei denn, dass er die unierten Bistümer Damala und Pedias, Zemaina und Tarsos gesondert
zählt. Athen giebt er nur fünf Bistümer, während die Notitia sechs hat; indessen Andros
wurde im XVII. Jahrhundert zum Erzbistum erhoben. Demnach wird unser Schriftstück
dieser Epoche angehören. Bei Rhegion erwähnt er verständigerweise gar nichts über den
gegenwärtigen Zustand.
Trapezus hat noch seine zwei Suffragane, Kanin und Ophis; sie sind also noch nicht
durch Chaldia ersetzt. Ganz falsch ist, dass Larissa noch 16 Suffragane habe; es sind
bloss zehn, und auch Naupaktos hat weder in der alten Zeit, noch in der Gegenwart zehn
Bistümer besessen. Früher waren es neun, damals vier.
Für Smyrna kennt er keinen Suffragan, weil das moderne Bistum Moschonesia damals
noch nicht von Mitylene abgetrennt war. Bei Katane und Amorion vergisst er deren
Untergang anzumerken, während S. Severina korrekt behandelt ist. Bei den Metropolen
51 — 55 vergisst er hinzuzusetzen, dass sie untergegangen sind. Dagegen sind die beiden
wichtigen Metropolen Serrae und Monembasia recht oberflächlich behandelt.
Ein Anhang nur in A über die von Rom und Antiochien losgerissenen Eparchien
giebt dem Verfasser Gelegenheit, auch den Untergang sämtlicher Suffragane des isaurischen
Selenkeia zu erwähnen.
Ich habe diesen Text in folgenden Handschriften gefunden :
1. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1422, XVII. Jahrh., ein im
Beginn und Schluss unvollständiger Nomokanon. Der Verfasser giebt xEcp. vjud die xdg~ig
ngoxadsdoiag der fünf Patriarchen, xEcp. vjue will er die Diatyposis Leons geben ; allein
wozu längst gedrucktes noch einmal abschreiben ? ida> der xo yod<pa) ficövov de xä ylgh-
yxojuev sie xö ozanaoio/uEvouv d reo evqojuev fjoxEoa iygavxrj ^eixi] xEcpaXioi. XEcp. vfxg giebt
er wiederum den Titel von Andronikos' Ekthesis, bemerkt aber: 'Ac zd) yiQsipojjuEv xal
avxd) eis xo oxanivoi öiöxi did xfjv doyqxd xov xönov öev iyoavxoi ideo.
Hierauf folgt unser Stück xs<p. vju,£, darauf die deptpixia xEcp. vjufi und der Briefsteller
von XEcp. vo an = A.
2. Codex der Nationalbibliothek von Athen Nr. 1466. Die Beschreibung siehe
oben S. 620. Unser Stück bietet er von fol. 232r an. Dieser Text ist etwas schlechter
als der der anderen Handschrift; doch hat auch er an mehreren Stellen allein die wahre
Lesart bewahrt = B.
IIeqI tioToi xwv firjxgonoXixwv £i%av inioxondg xal nöoag 6 xa§ivag, xal 1
noioov jurjXQonoXixwv igt] jLLcbftrjoav xal noXoi e%ovv xd vvv.
a 'O Kaioagsiag Kannaöoxiag ElyjEV inioxondg t] xal xijv oiJjueqov ovds/biiav syst. 2
ß cO 'Eepioov xfjg 'Aoiag ei/ev inioxondg Xg xal xfjv ofjjusgov ovdsjulav syst. 3
y '0 'HgaxXsiag xfjg Evgd)ni]g e!%ev inioxondg it, xal xi]v ofjjusgov k'%ei £. 4
6 '0 Ayxvgag xfjg ralaxiag el%ev Inioxondg rj xal xf]v ofjjUEgov ovds/uiav e%ei. 5
e cO Kvt,'ixov xfjg 'EXh]onövxov eI%ev Inioxondg id xal xfjv oij/nsgov ovÖE/uiav £%ei. (i
g eO SdgÖEOiv xfjg Avd'iag sI%ev inioxondg xg xal xfjv ofjfiEoov ovdsjuiav e'xei. 7
1 noioi AB 1 si'yav AB 1 6 y.d&e sie B 1 y.al noiwv — la vvv •<. B 1 sQifiö&rjoav A
4 i'ysi s] ravxaC s%ei A 7 sl'y.oot t'|>; A
639
£ r0 JSixo/xtjdeiag xrjg Bi&vviag eiyev emoxondg tß xal rijv otj/biegov de /aiav jliövov eyei. 8
t] r0 Nixaiag rfjg Bi&vviag eiyev emoxondg g y.al rijv otjfiegov ovöejuiav e%ei ovöe 9
enagyia' jxövov eöo&tj ngög avrov fj dgyiemoxonrj rfjg Kiov y.al fjvcooav avrfjv
eig avrfjv rijv fxtjrgonoXiv.
& r0 XaXxijöovog rfjg Bi&vviag emoxondg ovx eiyev. 10
i '0 £iöt]g rfjg Ua/uipvXiag eiyev emoxondg ig xal xv\v ofj/negov ovöe/uiav eyei. 1 1
la rO 2eßaoreiag rfjg Ag/xeviag eiyev emoxondg e xal rrjv ofjfxegov ovöefxiav eyei. 1 2
tß rO Ajuaoeiag 'EXevonovrov eiyev emoxondg g y.al rfjv ofjfiegov ovöe/uiav eyei. 13
ty eO MeXirrjvfjg öevregag Ag/xeviag eiyev emoxondg e y.al rfjv ofjfiegov ovöe/itiav eyei. 14
tö 'O Tvdvoov Kannaöoxiag eiyev emoxondg y y.al ri/v ofjjuegov ovöe/uiav eyei. 15
iE 'O rdyygcov rfjg JTaiKpXayoviag eiyev emoxondg y xal rfjv ofjfxegov ovöe/uiav eyei. 16
ig cO OeooaXovixijg rfjg QerraXiag eyei rag e emoxondg avrov. 17
it. '0 KXavöiovnöXecog 'Ovwgidöog eiyev emoxondg e xal rfjv ofjjuegov ovöejuiav eyei. 18
ir\ 'O Xeoxaioageiag TLövrov IIo?.ejU(oviaxov eiyev emoxondg i xal rfjv ofjfiegov ov- 19
dejulav eyei.
i$ 'O Uioivovg (!) öevregag ralariag eiyev emoxondg £ xal egijfidodiijoav fj /uijrgdnoXig 20
xal ai emoxonai.
x rO Mvgoiv rfjg Avx'iag eiyev emoxondg Xg xal egijfxojöij xal firjrgönoXig xal ai 21
emoxonai.
xa '0 UravgovTiöX.eojg Kagiag eiyev emoxondg xrj xal egij fiayftijoav ovv rfj jU7jrgon6?>.ei. 22
y.ß 'O Aaoöixeiag <Pgvyiag Kannanavfjg eiyev emoxonovg xa xal egtjjuoj'&rjoav xal ri]v 23
ofjjuegov ovöejuiav eyei.
xy eO Zvvdöwv (frgvyiag 2aXovragiag eiyev emoxondg x xal egtjjuaj'&rjoav xal fj juijrgo- 24
noXig xal ai emoxonai.
xd cO 'Ixoviov Avxaoviag eiyev emoxondg te xal rfjv ofjjuegov ovöe/uiav eyei. 25
xe eO Avrioyeiag IJioiöiag eiyev emoxondg xa xal rijv ofj/uegov ovöejuiav eyei. 26
xg 'O ZvXaiov rjrot rov üegytjg devregag IIaju<pvXiag eiyev emoxondg ttj xal egrjjuü'j&ij 27
xal fj fxrjrgonoXtg jue ralg emoxonaig.
xt, '0 Kogivdov rfjg IleXonovfjoov eiyev emoxondg f xal eyei avrdg. 28
xrj 'O Adijväiv rfjg 'EXXdöog eiyev emoxondg i xal rfjv ofjjuegov nevre fiovov eyei. 29
xd '0 MoDxiaov Kannaöoxiag eiyev emoxondg e xal eg)jiuo}&}j xal fj uijrgönoXig xal 30
ai emoxonai.
X 'O rfjg vf/oov Kgfjrtjg eyei emoxondg iß xal elvai aurar 31
'O rogrvvrjg 32
rov Kvoioov 33
rov Aoxaöiag 34
8 9 10 BtdaviaC A 8 xai zt)v a. ovdsfiiav B 9 etysv — 10 Bi&vviag < B 10 ovx] dev B
12 -< B 13 auaaiac A 13 if); A 14 — 15 «<I B 14 /.leXtvtjC A 15 xidvcov A 15 yäygwv B
15 .-tacf/.. B 17 rag ävotßev dexa Imaxonuc, ojtov b/Qaxpafisv B 18 övcodügioC A wvwßiädoc B
19 veoxeooagiac A 19 xo/.euovixov A 20 xal rijv a. ovöefitav eyei B 21 flVQCO A 21 TQidvra t'ii/ A
y.i] y.al xr\v afjii. ovdefiiav i'yei B 22 «=C B 23 y.al nanmmavijC B 23 xa] xt ! B 24 xal zr/v a.
ovöeixiav i%ei B 26 etxoat fiia A 27 ov'/.uiov — Tiegytjg -=i A 27 xal tijv o. ovöefitav i'yji B 26 f]
i.izü A 28 xal zrjv a. ovöefiiav f-'yei B 29 xal t'yei zaiC t*'/;' ofifieoov A 30 xal Ttjv o. ovSe/iiar
iyft B 31 tß xal i'yti zaiC A ■< xal etvai — xtaaäiiov
640
rov Xsggov/joov 35
rov AvXonora/uov 36
rov 'Aygiov 37
rov Aaoiootjg 38
rov Kvöwviag 39
rov eIegäg 40
rov Ilhoag 41
rov Sirsiag 42
rov Ktoodjuov 43
Äa rO 'Prjyiov rfjg KaXaßgiag slysv imoxondg ly. 44
Xß '0 IJaXaiöJv üargcöv rfjg UsXonovfjoov slysv imoxondg g xal rrjv oij/usoov syst 45
rag ß juovov.
Xy cO Toans'Qovvrog rfjg Aa£ixfjg slysv imoxondg iE xal rrjv orj/usgov syst ovo. 46
?i.d eO Aagioorjg rfjg 'EXXddog slysv imoxondg bsxa £g~rj xal sysi ralg rijv ofjjusgov. 47
Xe '0 Navndxrov NixonoXscog slysv imoxondg i xal rijv oij/isgov svreg. 48
Xg '0 <friXinnovn6Xsa)g rfjg Ogdxijg eI%ev imoxondg i. 49
X'Q 'O TgaiavovnoXsoig 'Podonrjg slysv Emoxonag rj. 50
Xij cO 'Pödov rwv KvxXddoov vfjooov el%ev imoxondg ie rijv ofjfisgov 6e sysi /uovijv 51
rrjv nagovoav rov Asgvtjg.
X.-& 'O (PiXinnoiv Maxsöoviag slysv Emoxonag 'Q xal rrjv ofjjusgov syst juia. 52
jli '0 'AvdgiavovnoXecog Alju.iju6vrov slysv Emoxonag ta rrjv oij/nsgov syst juovov juiav. 53
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35 yEQOovioaov B 39 xidwviäc B 43 xaaaä/tov 44 xal äßgiac B ty xal zijv oqfiegov ovbs-
fiiav hyst B 45 k'yei ovo B 46 xal — 8vo -<C A 47 e'g~rj xal zijv ofjLieoov B 48 xal — svzeg «=ü B
51 -=d B 52 '0 QilLiijiwv Maxsdoviag] 6 J.axsdaifiovtaC B 52 xal — fiia -^L B 53 uÖQiav. B
53 rrjv — fiiav ^L B 54 xajiaxiävrjC A 54 rj -<C A 54 ai] i) A 54 xal rijv o. ovöefiiav i'r\ei B
55 digayjov A dvdgayjov B xal — t/m -=C A 56 o/xrjQvtjC A 56 xal *=C A 57 nach ZixtUag
-\- B: xal rrjv aij/^sgov 58 e] l'| B xal — syst -=i A 59 //? -<C A; daher sind in A alle folgenden
Zahlen falsch 59 nach rj : xal zrjv orjfxeQov ovös/iiav B 60 xozvaivov A 60 xal zi/v a. ovÖe/iiav
syst B 61 aevxQtvrjC A asvrjQiavfjC B xalavgiac A 61 xal zijv o. ovdeficav £%ei B 62 (xtjztjJ.t'vijC A
urjzvkivijC B 62 xal — t'%£t ■< 63 eläftoc AB 63 eiyev emoxcmijv idav B
641
va '0 Ev%ahüJv 'EXevovjxovxov e1%ev imoxonag ö xal xi)v oi]/lieqov ovöefilav £%ei. 64
vß Tov 'A/uäoxQiöog ovöelg vnoxEixai -ftgövog. 65
vy e0 'Idgovvxog ei%ev fiiav irciaxonrjv xal xi]v oiJ/ueqov ovx ly/i avvf\v. 66
vd 'O KEXx^rjvfjg ovv xfj KogxUEvf] xal xoj Tagcöv ei%ev irnoxonäg xß xal xrjv o/jjueqov 67
OVÖEjUiaV £££«.
ve r0 KoXaiVEiag eI'/ev /.ilav ejiioxo7iy\v. 68
jc 'O 2eqqö>v eI%e ß EJiioxoTiäg. 69
)C 'O MovEfxßaoiag rjxov imoxoTiog xov Kogiv&ov. 70
Ovxoi eIoiv ol äjzoOjxaoflsvTEg ix xfjg 'PüOfiaixtjg dioixrjOEOig' vvv dk xsXovvxat vixd xov 71
ßgövov KcovoxavxivovjiöXiEOjg, fxi]XQ07xoXXxai xal ol vtt' avx&v imoxoTioi.
'O GsooaXovixrjg 72
'O 2vQaxovai]g 73
'O Koqiv&ov 74
'O xov 'Pyyiov 75
'O 'A-&VJV&V 76
'O Ilaxocbv 77
T(p £vgaxovoi]g 2ixsXiag xal äXXsg ty. 78
Kai änb xfjg ävaxoXuxijg dioixijoEOig 79
6 JEsXEvxEiag HafKpvXiag jus xä 80
xy ETiioxonwv xal öÄes EOijjuojdyoav xal xrjv atj/.iegov ovdefiiav s%el
65 <Z. B 66 in. fitav B 67 aijv A xagz£ivrj B 67 zagoj A zagcö B 63 mit ve hat A
wieder die richtigen Zahlen 68 in. /m'uv B 69 in. ß B Hier endigt B 71 vn'] o<V A
78 orgaxovaic A ö?./.€C A.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth.
Die
vorgesehiehtliehen Denkmäler
von Malta.
Von
Albert Mayr.
(Mit 12 Tafeln und 7 Plänen.)
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 86
Die gegenwärtige Abhandlung verdankt, wie zwei andere kleinere Arbeiten, die ich
in früheren Jahren veröffentlichte,1) ihre Entstehung den Vorarbeiten zu einer „ Geschichte
der Inseln Malta und Gozo im Altertum". Diese historische Untersuchung, zu der mir
seiner Zeit Herr Professor Dr. Eugen Oberhummer die erste Anregung gegeben hat, ist
bis jetzt nicht zur Vollendung gekommen; dagegen war es mir möglich, gelegentlich einer
Studienreise, die ich im Besitze eines bayerischen archäologischen Reisestipendiums unter-
nahm, einige Monate (vom Oktober 1897 bis zum Januar 1898) auf Malta und Gozo zu
verweilen und mich eingehend mit den dortigen Altertümern zu beschäftigen. Die wichtigste
Gattung derselben, welche die vorgeschichtlichen Denkmäler in sich begreift, soll hier zur
zusammenfassenden Darstellung gelangen.
Die prähistorischen Ueberreste auf diesen Inseln bestehen zum grössten Teil aus den Ruinen
von Bauten, neben denen nur in geringer Zahl sich Bildwerke aus Stein oder Thon, sowie
Thongefässe erhalten haben. Diese Bauwerke sind in sehr roher Weise aus grossen wenig
bearbeiteten Steinen ohne Verwendung von Kalkmörtel errichtet; die meisten haben einen
ziemlich unregelmässigen Grundriss und sind durch eine Verbindung von mehreren runden
oder ovalen, offenen Räumen gebildet. Das Volk nennt sie in der Regel Türme (torri);
Riesen sollen diese Steinniassen aufgetürmt haben; sonst weiss die Sage wenig davon zu
erzählen.
Man war bereits im 17. Jahrhundert auf diese megalithischen Ruinen aufmerksam
geworden, und Abela gibt in seiner Descrittione di Malta (1647)2) darüber vereinzelte Notizen.
Genauere Angaben finden sich bei Houel in dessen Voyage pittoresque des isles de Sicile,
de Lipari et de Malte IV (1787), 73 ff.; wir verdanken ihm manche schätzbare Aufschlüsse
über inzwischen zerstörte Bauwerke. Die erste dieser Ruinen, deren Ausgrabung (im
Jahre 1827) begonnen wurde, war die sogenannte Gigantia auf Gozo. Sie war auch die
einzige, die bald nach der Ausgrabung in genauer und zuverlässiger Weise (von A. de
La Marmora) beschrieben wurde. Auf Malta wurden in den Jahren 1839 und 1840 die
Ruinenstätten von Hagar-Kim3) und Mnaidra blossgelegt; aber nur über die erstere Aus-
!) Die antiken Münzen der Inseln Malta, Gozo und Pantelleria. München 1895 (Dissertation). —
Zur Geschichte der älteren christlichen Kirche von Malta im Historischen Jahrbuch Bd. XVII (1896),
S. 475—496.
2) Im folgenden zitiere ich nach der von Ciantar besorgten und mit Zusätzen versehenen Aus-
gabe, welche den Titel führt: Malta illustrata. Malta 1772. 2 voll.
3) Was die Schreibung der maltesischen Ortsnamen betrifft, so steht im folgenden g = dsch,
6 = tsch, s = seh.
86*
646
grabung besitzen wir einen übrigens völlig ungenügenden Bericht. Erst in den letzten
Jahrzehnten wurden die Nachforschungen im Auftrage der englischen Verwaltung unter
Leitung von A. A. Caruana wieder aufgenommen: leider wurden die Grabungen in den
Ruinen von Borg-Nadur an der Südostküste von Malta unterbrochen und teilweise wieder
zugeschüttet, ohne dass auch nur ein kurzer Bericht darüber der Oeffentlichkeit zugänglich
gemacht worden wäre; auch die Reste auf dem Corradinohügel bei Valetta wurden nicht voll-
ständig ausgegraben; die erneute Untersuchung von Hagar-Kim hatte wenigstens die Publika-
tion von genauen Plänen mit kurzer Erklärung derselben zur Folge. So gibt es von der
Mehrzahl dieser Denkmäler keine genügende Beschreibung, sondern nur mehr oder weniger
summarische Notizen, die oft ziemlich schwer zugänglich sind. A. A. Caruana geht in seinem
Report on the Phoenician and Roman antiquities of Malta (1882) S. 6 — 26, ebenso wie vor
ihm Vassallo, Dei monumenti antichi di Malta (2. Aufl. 1876) S. 9 — 33, auf Einzelheiten
nicht näher ein und beabsichtigt überhaupt keine erschöpfende Beschreibung.1) Der diesen
Denkmälern gewidmete Abschnitt in Perrots Histoire de l'art dans l'antiquite III, 292 —
307, der sich zum grossen Teil auf Caruana stützt, leidet gleichfalls unter der Mangel-
haftigkeit des zu Gebote stehenden Materials. Ein sicheres Urteil über die geschichtliche
Stellung dieser Monumente war bisher unter diesen Umständen kaum möglich.
Ich habe bei meiner Anwesenheit auf Malta mich bestrebt, die Ueberreste der ältesten
Kultur der Insel in möglichst vollständiger Weise zu sammeln. Die in den bisherigen Be-
richten bereits erwähnten Ruinen habe ich noch einmal eingehend untersucht, einige noch
nicht bekannte neu aufgefunden und soweit es mir nötig schien, Photographien und Grund-
risse angefertigt. Wenn die Ausbeute an einzelnen Fundgegenständen, welche mit diesen
Bauwerken in Beziehung zu setzen sind, eine sehr spärliche gewesen ist, so trägt die
geringe Aufmerksamkeit, die man Altertumsfunden auf Malta von jeher hat angedeihen
lassen, die Schuld daran.
Ueberhaupt muss die hier versuchte Darstellung der ältesten Denkmäler von Malta
viele unausfüllbare Lücken lassen. Einmal fehlt es fast ganz an zuverlässigen und ein-
gehenden Fundberichten. Dann wurde für die Erhaltung der ausgegrabenen Ruinen in
einer ganz ungenügenden Weise gesorgt. Das Herabfallen der Mauersteine, die Verschüt-
tung des Bodens in den Innenräumen, die (teilweise absichtliche) Zerstörung der inneren
Einrichtung hat es oft ganz unmöglich gemacht, den ursprünglichen Zustand, wie er sich
bei der Ausgrabung fand, noch zu erkennen. Manche Einzelfunde wurden allerdings in die
Lokalmuseen verbracht, doch sind sie dort infolge Mangels an Aufzeichnungen nicht mehr
alle herauszufinden.
!) Das gleiche gilt von dem neuesten Buch Caruanas, Framinento critico della storia Fenicio-
Cartaginese, Greco-Romana e Bisantina ecc. delle isole di Malta (Malta 1899), wo S. 145 — 160 über die
megalithischen Monumente von Malta gehandelt wird.
647
I. Besehreibung der Denkmäler.
Heiligtümer.
Durch ihre Grössenverhältnisse und durch die Eigentümlichkeit ihres Grundrisses fällt
besonders eine Art von Gebäuden auf, welche ohne Zweifel Heiligtümer gewesen sind. Man
hat bisher in denselben phönikische Tempel erkennen wollen. Sie enthalten durchweg
offene Räume, die von mehr oder minder hohen Mauern umgeben sind. In ihrer einfachen
Form haben sie eine äussere Umfassungsmauer, welche ungefähr einen Halbkreis oder viel-
mehr eine Halbellipse beschreibt. Die Frontmauer bildet zu diesem Halbkreis den Durch-
messer. Die Linie derselben verläuft aber nicht gerade, sondern ist halbmondförmig ge-
bogen. In der Höhe dieses Bogens, der sich nach auswärts öffnet, befindet sich der Ein-
gang. Das Innere wird von zwei ovalen Räumen eingenommen, die hintereinander liegen.
Der Durchgang, der beide verbindet, liegt in derselben Linie mit dem Eingang, und genau
diesem gegenüber ist der hintere Raum durch eine halbkreisförmige oder polygonale Nische
erweitert, welche ein besonders wichtiger Platz im Gebäude gewesen zu sein scheint. Dies
ist die Grundform dieser Gebäude. In der Mehrzahl der Fälle findet sie sich aber nicht
rein wieder, sondern hat durch Hinzufiigung von Nischen und Nebenräumen, sowie durch
Umbauten bisweilen sehr bedeutende Veränderungen erfahren.
o
Die Gigantia
6
Dasjenige Tempelgebäude, das zuerst genauer bekannt geworden ist, das aber auch
infolge der Einfachheit, die sein Grundriss, seine Einrichtung und seine Bauart zeigen, vor
den andern genannt zu werden verdient, ist die Gigantia (auch torre dei Giganti, von den
Maltesern torri-tal-Giganti genannt) auf Gozo. Diese Ruine liegt im nordöstlichen Teile
der Insel auf dem Hügelplateau von Casal Sghara (oder Casal Caccia), und zwar nicht weit
vom Südostrande desselben, wo es ziemlich steil zum tiefen Thal von Ramla abfällt. Sie
wird zuerst von Ciantar1) erwähnt; Houel2) gibt eine ziemlich eingehende Beschreibung
von den zu seiner Zeit sichtbaren Ruinen. Im Jahre 1827 wurde begonnen, die Stätte aus-
zugraben;3) im Jahre 1834 besuchte Alberto de La Marmora die Gigantia und veröffent-
lichte zwei Jahre darauf eine zuverlässige und erschöpfende Beschreibung mit guten Plänen
J) Malta illustrata lib. I, not. 10, § 5.
2) a. a. 0. IV, 78 ff. und pl. CCL, CCL1.
3) Die erste Beschreibung des ausgegrabenen Gebäudes rührt von Mazzara her (Temple aiitc-
diluvien des Geants, Paris 1827); dann veröffentlichte W. H. Smyth in Archaeologia XXII (1829) drei
Ansichten (pl. XXVI. XXVII. XXVIII) mit kurzer begleitender Notiz (S. 294 f.).
648
und Abbildungen.1) Dieselbe liegt aucb der folgenden Darstellung zu Grunde, welche sich
ausserdem auf erneute Untersuchung der noch erhaltenen Ueberreste stützt. Unser Plan
gibt den von La Marmora veröffentlichten wieder, der vorn Malteser Busuttil aufgenommen
ist (s. Plan I).
Die Gigantia besteht aus zwei Tempelgebäuden, welche die vorher beschriebene ein-
fache Form haben. Sie sind neben einander gestellt, so dass ihre Frontmauern ungefähr
in fortlaufender Linie liegen; die Umfassungsmauer ist beiden gemeinsam und umzieht sie
in grossem Bogen. Die Front der Gebäude, die unter sich nicht in Verbindung stehen, ist
nach Osten gerichtet.
Das südliche Gebäude erscheint infolge seiner Grösse und seiner reicheren Ein-
richtung als das Hauptgebäude. Vor dem Eingang liegt eine Schwelle von länglicher
Gestalt (a),2) gebildet durch eine Steinplatte, die, soweit dies noch erkennbar ist, eine
Breite von 2 — 2,40 m und eine Länge von 4 m hatte, jetzt aber in mehrere Stücke aus-
einandergebrochen ist. Der Eingang selbst (s. Taf. I, 1) ist ein 2 m breiter Korridor, dessen
Seiten wände aus je vier breiten aufgestellten Steinplatten bestehen. Vor diesen3) standen
und stehen zum Teil noch auf jeder Seite zwei andere niedrigere Platten (d, d), über
welchen früher allem Anschein nach horizontale Platten lagen, die einen Teil des Eingangs
überdeckten. Nach innen zu erweiterte sich der Korridor, indem die letzten Steine (e, e)
hinter die anderen auf jeder Seite zurücktreten. Am Fuss der vertikal gestellten Steine
liegen am inneren Ende des Eingangs einige würfelförmige Blöcke (c, c), die ungefähr einen
halben Meter hoch sind.
Wir betreten den ovalen Vorderraum A des Gebäudes, der 16 m lang ist und in
der Mitte eine Breite von etwa 6 m besitzt. Die nördliche Apsis (s. Taf. II, l)4) ist durch
eine Schranke aus niedrigen regelmässig geformten Blöcken abgetrennt. Diese lässt in der
Mitte eine Eingangsöffnung frei, welche durch eine ganz niedrige Schwelle (g) aus kleinen
flachen Steinen eingenommen wird. Diese Schwelle springt halbkreisförmig vor die Schranke
vor; sie soll nach La Marmora einen erhöhten Rand gehabt haben; doch habe ich von
einem solchen nichts mehr wahrgenommen. Die Blöcke (f, f), welche rechts und links von
dieser Schwelle die Schranke bilden,5) tragen auf den dem Eintretenden zugewandten Seiten
eine einfache Spiralenverzierung. Dieselbe ist in sehr flachem Relief in zwei übereinander
befindlichen Reihen angebracht, gegenwärtig jedoch infolge der Verwitterung so zerstört,
J) Nouvelles annales publiees par la section fi*ancaise de l'institut archeologique I (1836), 1 — 33:
dazu Monuments inedits I, pl. I und II (danach unser Plan). Auf Beobachtungen, die an Ort und Stelle
(im Jahre 1839) gemacht sind, beruht auch die kurze Beschreibung von A. F. Didot in D'Avezacs lies
de lAfrique. Malte et le Goze S. 54—56 mit pl. 26 — -34. Ausserdem handeln noch über die Gigantia,
ohne aber der Beschreibung La Marmoras etwas wesentlich Neues hinzuzufügen, Badger, Description
of Malta and Gozo (6. Aufl. 1879) S. 309 — 316; Gailhabaud, Denkmäler der Baukunst, herausgegeben
von Lohde, I (1852), 2. Abteilung; A. L. Adams, Notes of a naturalist in the Nile valley and Malta (1870)
S. 247 — -248; Waring, Stone monuments (London 1870) plate II; Fergusson, Rüde stone monuments
(1872) S. 415— 418; Caruana, Report S. 7— 9; Perrot, Histoire de l'art III, 297—300.
2) Die Buchstaben beziehen sich auf unsern Plan.
3) Die drei ersten auf jeder Seite sind 2,60 m hoch, die innersten Steine (e e) haben eine Höhe
von 3 und 4 m.
*) Taf. II, 1 zeigt den heutigen Zustand dieser Apsis.
6) Der eine ist 1,35 m lang und 0,50 m hoch.
649
Fig. 1.
Fig. 2.
dass ich mich darauf beschränke, hier die Zeichnung von La Marmora, Monuments inedits
a. a. 0. pl. I, fig. h, wiederzugeben (Fig. 1). Das westliche Ende der Schranke wird durch
einen tischähnlichen Aufbau (h) gebildet, der noch 0,70 m hoch ist: er besteht aus einer
grossen dicken Platte, die auf zwei kleinen flachen Blöcken ruht; über dieser lag ursprüng-
lich noch eine zweite. Man erkennt letzteres deutlich
daran, dass die obere Fläche von h nicht wie bei den
Blöcken f, f eben gearbeitet ist, und dass die Ornamente,
welche die vorderen Seiten von h bedecken, nach oben
zu nicht vollendet sind. Diese Ornamente sind in etwas
stärkerem Relief wie die eben erwähnten ausgeführt,
aber ebenfalls nur mehr sehr schlecht erhalten. Auf
der einen Seite (h2) gewahrt man zwei Spiralwindungen übereinander, zwischen denen in
horizontaler Stellung zwei konische Gegenstände skulpiert sind (Fig. 2, nach La Marmora,
Monuments inedits pl. I, fig. m); auf der andern Seite (h3) beabsichtigte der Steinmetz
offenbar zuerst zwei solcher Windungen nebeneinander mit einem gleichen konischen Gegen-
stand dazwischen anzubringen; doch ist hier die eine Windung wegen des
mangelnden Raumes nur zum kleinsten Teile zur Ausführung gekommen
(s. Taf. I, 2 rechts). Der Raum, den man über die Schwelle g betritt,
scheint einst der wichtigste des ganzen Gebäudes gewesen zu sein. Er
zeigte bei der Ausgrabung seine ursprüngliche Einrichtung noch wohl-
erhalten, hat aber seitdem eine arge Zerstörung erlitten. Von den nied-
rigen stufenartigen Steinen (i, i), die hinter der Schwelle sich befanden und
zwischen sich einen etwas vertieften Raum liessen, bemerkt man heutzutage
nichts mehr. Die Tiefe der Apsis ist noch mit wohlgeebneten Steinplatten
belegt, welche sich nur 0,12 — 0,14 m über die Höhe der Schwelle erheben. Der Hintergrund,
der gegenwärtig grösstenteils mit Schutt erfüllt ist, wird in der Mitte von einer 2,20 m
breiten Steinplatte eingenommen, die wieder um 0,12 m höher als der umgebende Platten-
belag ist. Der mittlere Teil derselben ist ein wenig über die andere Oberfläche, die eine
leichte Abarbeitung erfahren hat, erhöht, und diese erhöhte Fläche, welche, soweit sichtbar,
rechtwinklige Form hat und etwa 1 m breit ist, bezeichnet offenbar die Stelle des tabernakel-
artigen Gehäuses, welches bei der Ausgrabung hier vorgefunden wurde, jetzt aber vollständig
verschwunden ist. Dieses bestand aus zwei regelmässig bearbeiteten vertikal-
gestellten Steinplatten (k, k), über die eine dritte als Deckplatte horizontal
gelegt war; eine vierte diente als Rückwand. La Marmora glaubt, dass
in diesem Gehäuse ursprünglich der konische Stein, der ebenso wie zwei
Köpfe aus Kalkstein (s. u.) bei der Ausgrabung am Fusse desselben gefunden
wurde, seinen Standort gehabt habe. Dieser Gegenstand (s. Fig. 3, nach
La Marmora, Monuments inedits pl. I, fig. o) war nach La Marmoras
Beschreibung aus gewöhnlichem Kalkstein, wie die übrigen Steine des Ge-
bäudes, hatte eine elliptische Basis mit einem grössten Durchmesser von 0,40 m und eine
Höhe von 1 m.1) Durch seine weisse Farbe und gute Erhaltung zeichnete er sich vor allen
Fig. 3.
J) Die Beschreibung La Marmoras passt auf den konischen Stein, der heute im Mittelraum von A
entzweigebrochen liegt (s. Taf. 11,1); nur hat dieser ursprünglich eine Höhe von 1,30 m gehabt.
650
anderen Steinen aus, und La Marmora folgert daher, dass er früher an einem geschützten Ort
gewesen sein müsse. Zu beiden Seiten dieses Gehäuses befanden sich dasselbe überragend
zwei pfeilerartige Steine (1, 1) und bildeten mit diesem zwei Nischen. Rechts und links von
dieser Gruppe stand, gleichfalls auf einem durch Platten erhöhten Grunde, je ein anderer
vertikaler Stein isoliert; der eine von diesen (m), der 2,20 m hoch war, war in Dreiviertels-
höhe von einer grossen rautenförmigen Oeffnung durchbohrt (La Marmora, Monuments
inedits pl. I, fig. 6). Gegenwärtig sieht man im Hintergrund der Apsis nur noch zwei
Steinplatten aufrecht stehen, die oben abgebrochen und stark verwittert sind.
Innerhalb der ganzen südlichen Apsis von A ist gegenwärtig alles, teilweise V\% m
tief, verschüttet, so dass man von der Einrichtung, die La Marmora hier sah, nichts mehr
wahrnehmen kann. Dieser hatte an dem auf unserm Plan mit n bezeichneten Platze mehrere
bearbeitete Steine und eine massive Konstruktion bemerkt, welche zusammen Teile eines
Altars gebildet zu haben schienen. Die erhaltenen Reste dieses Aufbaues, der auffallend
stark zerstört war, deuteten darauf hin, dass er quadratische Form hatte. Unmittelbar
dahinter befand sich eine kreisförmige, nicht besonders tiefe Aushöhlung (o), deren Rand
sich etwa einen halben Fuss über den Boden erhob und die La Marmora für ein Wasser-
becken ansah.
Der Durchgang in den Hinterraum B (s. Taf. I, 2) hat wieder die Gestalt eines Kor-
ridors. Rechts und links von diesem treten auf der Seite von A hohe pfeilerartige Steine
aus der Wand in den Vorderraum vor (kv kj). Der Boden des Ganges ist gegen A um
eine Stufe erhöht und mit Platten belegt; die Seiten bilden 2,40 m hohe, vertikalgestellte
Platten, hinter denen nach B zu rechts und links zwei höhere Pfeiler (p, p) vorspringen.
Die Basis der letzteren wird durch davorliegende niedrige Blöcke (q, q) gestützt.
Der mittlere Teil des Hinterraums B1) ist ebenfalls mit Platten gepflastert. Die
nördliche Apsis, die gegenwärtig fast ganz mit Schutt bedeckt ist, war auch hier durch
eine niedrige Brüstung abgetrennt, die aus regelmässig geformten Blöcken1) bestand und
jetzt fast ganz verschwunden ist. Innerhalb der Brüstung und zwar unmittelbar an ihrem
östlichen Ende sieht man auf dem Durchschnitt bei La Marmora, Monuments inedits pl. I, fig. 1,
eine aufrechtgestellte freistehende Platte, welche in ihrem oberen Teile von einer runden
Oeffnung durchbohrt war. Nicht weit von dieser Stelle findet sich wieder ein kreisrunder
Wasserbehälter (s) in dem Boden ausgehöhlt, der 1 m im Durchmesser hat; in der Nähe
liegt auch eine regelmässig bearbeitete 1,35 m lange und 0,60 m breite Steinplatte (w)
am Boden, die auf der einen längeren Schmalseite
Fig. 4. in schwachem Relief und in ganz flüchtigen Um-
rissen das Bild eines Tieres zeigt, welches ich mit
La Marmora für einen Fisch halte (Fig. 4, nach
La Marmora, Monuments inedits pl. I, fig. g). Die
breite obere Fläche dieser Platte ist eben gearbeitet
und hat einen 5 mm hohen Rand. In den unter-
sten Wandsteinen auf der linken Seite dieser Apsis waren nach der Beschreibung von
La Marmora kleine „Backöfen" (t, t) angebracht, die noch Spuren von Feuer zeigten.
*) Dieser ist etwa 24 m lang und 7 — 7,5 m breit.
2) Diene dürften durchschnittlich V2- Meter hoch gewesen sein.
651
Soviel aus den Abbildungen bei La Marmora hervorgebt, war hier in dem Stein eine kleine
Nische ausgeschnitten, in deren Hintergrund sich eine Oeffnung befand; diese war dann noch
im Innern des Steins zu einer runden Höhlung erweitert. Vor diesen „ Backöfen" sah
La Marmora aufgestellte rechtwinklige Steinplatten (u), die nach seiner Abbilduno- (Monu-
ments inedits pl. I, fig. 3) nicht über 1 m hoch waren. Er hält dafür, dass sie einmal
Tischplatten trugen. Im Hintergrunde der Apsis sprangen rechts und links zwei niedrio-e,
aus kleinem Material bestehende Mauern vor, wie um diesen Teil der Apsis abzuschliessen.
La Marmora, der sie auf seinem hier wiedergegebenen Plan1) angibt, spricht sich darüber
nicht weiter aus.
Von der südlichen Apsis von B ist die eigentümliche Einrichtung im Hintergründe,
die sich bei der Ausgrabung vorfand, jetzt zum grösseren Teile zerstört. Man sieht hier
nebeneinander noch zwei ungefähr 1 m hohe Tische, deren Platten, soweit sie nicht ge-
brochen sind, auf kleinen Pfeilern oder einem Mauerwerk von kleinen Quadern ruhen. Sie
werden auf beiden Seiten von vertikal gestellten 2 — 21/j m hohen Platten (x, x) überragt
und gestützt. Der dritte Tisch rechts, der sich noch auf dem Plan von La Marmora an-
gegeben findet, ist heute verschwunden. Im Grunde dieser Tischplatten unmittelbar vor der
Wand befand sich ein merkwürdiger Aufbau, der von La Marmora, Monuments inedits
pl. I, fig. 3, freilich zum Teil nur nach der Erinnerung und nicht in detaillierter Zeich-
nung, dargestellt ist. Derselbe setzte sich zusammen aus kleinen bearbeiteten Steinplatten,
die so angeordnet waren, dass sie eine Anzahl quadratischer Oeffnungen bildeten, die neben-
einander und in mehreren Reihen übereinander lagen. Man sieht noch am hinteren Ende
der Tischplatten einige kleine quaderförmige Steine, die vielleicht die Fundamente dieses
Aufbaus gebildet haben.
Gegenüber dem Eingang öffnet sich auf den Hinterraum eine halbkreisförmige
Nische C, welche durch ihre Grösse und die Erhöhung ihres Bodens einen bedeutenden
Eindruck macht. Von ihren Wänden springen rechts und links zwei 2,50 — 3,00 m hohe
pfeilerartige Steine (z, z) nach B vor; dazwischen liegt, gleichfalls nach B vorspringend, die
0,60 m hohe Stufe (y, y; sichtbar auf Taf. I, 2), über welche man von B in den erhöhten
Raum C gelangt. Schon La Marmora fand es auffällig, dass dieser anscheinend wich-
tige Raum bei der Ausgrabung vollständig leer befunden wurde. Der vordere Teil war,
soviel man noch sieht, mit Steinplatten bedeckt; weiter hinten, wo der Boden gegenwärtig
nicht mehr sichtbar ist, zeigen der Plan und der Durchschnitt bei La Marmora eine
niedrige Bank oder Stufe, der wohl auch die 0,30 m hohe und 1,10 m lange Steinplatte,
welche gegenwärtig ungefähr in der Mitte des Hintergrundes liegt, angehört hat.
Der Eingang in das nördliche Gebäude, welches im ganzen das treue Abbild des
südlichen ist, ist in derselben Weise wie bei jenem orientiert und angelegt, nur ist hier der
Korridor etwas kürzer. Die beiden ersten Paare von Platten, welche die Seitenwände bilden,
haben eine Höhe von 1,90 m; die nach dem Vorderraum D vorspringenden Pfeiler (bj, bj
sind erheblich höher. D2) ist jetzt ganz mit Schutt und Steinen angefüllt oder mit Gras
überwachsen. Es hat sich übrigens, nach dem Schweigen von La Marmora zu schliessen,
auch bei der Ausgrabung hier nichts von innerer Einrichtung vorgefunden. Eigentümlich
x) S. auch Monuments inedits pl. I, fig. 3.
2) D ist etwa 17 m lang und 6 m breit.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 87
652
ist die Anlage des Durchgangs in den Hinterraum E. Wie im südlichen Gebäude treten
auch hier rechts und links vor demselben hohe Pfeiler (cv Cj) in den Vorderraum vor, dann
folgt beiderseits gegen den Durchgang zu eine liegende Platte (dx, dj), welche eine kleine
Nische bildet; den Raum zwischen dieser und dem Durchgang endlich füllt auf beiden Seiten
eine breite aufrecht gestellte Platte (er ej aus. Von dem Durchgang selbst, der sich gegen
E in gewöhnlicher Weise erweitert, ist nur noch die linke Seite erhalten. Sie ist zum Teil
durch eine Mauer aus kleinen Steinen und Erde,1) zum Teil aus aufrechtgestellten Stein-
platten (fr gj) von 2 — 2,30 m Höhe gebildet. Im Hinterraum E2) ist gegenwärtig alles
mit Steinen und Geröll bedeckt. La Marmora merkt innerhalb der rechten Apsis, die
durch eine Art Schranke abgeschieden war, eine Stelle (ij) an, wo sich unter einem Haufen
von Erde und Asche auch Knochen und Reste von grobem Geschirr fanden. Die dem Ein-
gang gegenüberliegende halbkreisförmige Nische F war in ihrer ganzen Breite von
einem etwa 1,40 m hohen Tisch eingenommen, dessen Platte aus mehreren Teilen bestand
und vorn auf vertikal gestellten Steinen, hinten auf einer kleinen Mauer aufruhte. Gegen-
wärtig ist nur noch die rechte Hälfte von diesem Tisch erhalten.
Es ist schon oben gelegentlich darauf hingewiesen worden, dass die Niveauverhält-
nisse in der Gigantia nicht überall die gleichen sind. Beim südlichen Gebäude erhöhte
sich, wie dies deutlich von La Marmora, Monuments inedits pl. I, Fig. 1, veranschaulicht
ist, der Boden vom Eingang aus bis zur gegenüberliegenden Apsis C, welche unter allen
Räumen am höchsten liegt. Diese Steigung entspricht den natürlichen Terrainverhältnissen,
indem die Hügelterrasse, auf der die Gigantia steht, nach Westen ansteigt. Innerhalb der ein-
zelnen Räume A und B scheint die Höhe die gleiche gewesen zu sein; der Boden der rechten
Apsis von A erscheint nur infolge des Plattenbelags teilweise etwas erhöht. Es besteht,
soweit sich dies nach dem gegenwärtigen Erhaltungszustand des südlichen Gebäudes beur-
teilen lässt, kein genügender Anhaltspunkt, um, wie das geschehen ist (Perrot a. a. 0. III,
298), von einer beabsichtigten Ueberhöhung der Apsiden zu reden. Ueber die Niveauver-
hältnisse beim nördlichen Gebäude lässt sich jetzt nichts mehr sagen.
Die Wände der betrachteten Räume, zu denen wie zum ganzen Gebäude der an Ort
und Stelle vorkommende Kalkstein das Material geliefert hat, stehen im ganzen noch 3 — 4 m
hoch; an der Südseite von C ist die Mauer noch bis zu einer Höhe von G1^ m erhalten.
Der unterste Teil derselben ist gebildet durch stehende Platten von 1 — 1,50 m Höhe oder
durch längliche Blöcke von 1 — 2 m Länge und 0,50 — 0,70 m Höhe. Nach oben zu wird
das Material, das hier meist aus länglichen Blöcken besteht, kleiner. Die Zwischenräume
zwischen den völlig unbearbeiteten und unregelmässigen Steinen sind durch kleine Stein-
brocken in ziemlich sorgfältiger Weise ausgefüllt. Von Anwendung eines Bindemittels
bemerkt man nichts. Nur die Steine, welche die Eingänge und Durchgänge sowie die
innere Einrichtung bilden, haben wenigstens auf ihren sichtbaren Seiten mehr oder minder
rechtwinklige Form und eine leidlich geebnete Oberfläche erhalten. Ornamentierung trifft
man wenig und nur im südlichen Gebäude. Es war davon schon im vorausgehenden die
Rede. Hier ist noch eine für die vorgeschichtlichen Bauten von Malta sehr charakteristische
Verzierung zu erwähnen, die wir das Punktornament nennen wollen. Man hat nämlich die
1) Auf dein Plan von La Marmora nicht angegeben.
2) E ist 12'/2 m lang und etwa 4'/2 m breit.
653
Ansichtsflächen mancher Steine mit einer Unzahl von nebeneinander gesetzten ganz kleinen
Vertiefungen bedeckt, ohne Zweifel in der Absicht, damit eine ornamentale Wirkung zu er-
zielen. Auf den Steinen der Gigantia sind diese Vertiefungen meist eingebohrt, wohl gerundet,
1/2 — 1 cm tief, 1 — l1/^ cm weit und 3 — 5 cm von einander entfernt. Deutlich tritt das
Bestreben hervor, dieselben in gerade Linien zu ordnen. Es sind besonders die Steine an
den Eingängen und den Durchgängen, welche dieses primitive Ornament an ihren verti-
kalen Seiten tragen. So findet es sich auf den niedrigen Blöcken c, c und q, an den Stufen
r und y (s. Taf. I, 2); es bedeckt auch den Grund der Reliefornamente von h.
Der Verschluss der Eingänge und Durchgänge geschah teilweise durch horizontale
Balken, welche in runde Löcher gesteckt wurden, die man an den Thürseiten einander
gegenüber angebracht hatte. So befinden sich am inneren Ende des Haupteingangs in das
südliche Gebäude auf jeder Seite (in b, b) übereinander 4 Löcher von 0,12 — 0,20 m Durch-
messer. Spuren von ähnlichem Verschluss finden sich auch beim Eingang in das nördliche
Gebäude (in av at und br bx) und beim Durchgang von D nach E (in gr hj).
Auch die ringförmigen Aushöhlungen, denen man hier und da begegnet, dienten,
teilweise wenigstens, dazu, eine Absperrung der Räume zu ermöglichen. Diese Aushöhlungen
sind auf den vorgeschichtlichen Bauwerken von Malta ziemlich häufig. Man hat nämlich auf
einem Stein, entweder nebeneinander oder übereinander, in einer Entfernung von ungefähr
5 — 15 cm runde kleine Löcher angebracht und diese dann durch einen im Innern des Steins
geführten gebogenen Kanal miteinander verbunden. Diese Löcher sind teils auf der breiten
Ansichtsfläche des Steins oder in derselben Höhe zu beiden Seiten einer vertikalen Kante
angebracht.1) In letzterem Falle ist der kleine Kanal hinter der Kante herumgeführt.
Solche ringförmige Aushöhlungen werden noch heute von den Bauern auf Malta allent-
halben in dem weichen Stein der Strassenmauern und der Häuser angebracht. Sie schlingen
einen Strick durch und binden daran das Vieh fest. Auch im Altertum kann der Zweck
dieser Aushöhlungen kein anderer gewesen sein, als irgend ein Band durchzuziehen. Be-
finden sich dieselben nun einander genau gegenüber an Thür- oder Fensteröffnungen, so
liegt es sehr nahe anzunehmen, dass sie zum Durchschlingen einer quer über die Oeffnung
gespannten Schnur gedient haben, mochte man nun damit einfach eine Absperrung des Zu-
gangs beabsichtigen oder etwa eine Art Vorhang daran befestigen. Letzteren Zweck hatten
offenbar die Aushöhlungen, die rechts und links an der Oeffnung des tabernakelartigen
Gehäuses und zwar an deren oberem Teil angebracht waren (La Marmora a. a. 0. S. 31).
Schwieriger sind diese Aushöhlungen zu erklären, wenn sie vereinzelt vorkommen, was
gleichfalls an einigen aufrechtgestellten Steinen in der Gigantia der Fall ist; doch können
sie auch dann nur dazu gedient haben, um etwas anzubinden oder anzuhängen.
Ebensowenig lässt sich für die Löcher, die im Plattenbelag des Fussbodens angebracht
sind, eine befriedigende Deutung finden. Sie haben einen oberen Durchmesser von 0,20
bis 0,30 m und finden sich nur im südlichen Gebäude, und zwar am Eingang in A, im
Durchgang von A nach B und oben auf der Stufe y. Gegenwärtig sind die meisten dieser
Löcher, welche auf dem Plan angegeben sind,2) nicht mehr sichtbar oder wenigstens mit
Erde ausgefüllt; nur eines auf der Stufe y (s. Taf. I, 2) lässt sich noch bis auf eine Tiefe
x) Beispiele solcher Aushöhlungen sind auf Taf. III, 1 sichtbar.
2) Sie sind auf unserm Plan mit o bezeichnet.
87 '
654
von 0,50 in durch die Steinplatte hindurch verfolgen. Es läuft nach unten konisch zu und
hat offenbar zum Einstecken eines spitzen Gegenstandes gedient.
Das nördliche und südliche Gebäude der Gigantia sind sicher zur selben Zeit entstanden.
Das lehrt die Gleichartigkeit und die Einheitlichkeit ihrer Anlage, sowie der Umstand, dass
sie eine gemeinsame Umfassungsmauer haben. Diese letztere umzieht in einem grossen
Bogen die beiden Gebäude auf ihrer Süd-, West- und Nordseite. Jedoch ist ihre Rundung
keine ununterbrochene, indem sie ungefähr in der Mitte zwischen den halbkreisförmigen
Räumen C und F einen einspringenden Winkel bildet. So hat im Prinzip doch jedes der
beiden Gebäude seine besondere Umfassungsmauer, die nur auf der Seite, wo die beiden
Gebäude aneinanderstossen, unterdrückt ist. Diese Umfassungsmauer zeigt in allen Teilen
genau die gleiche Konstruktion. Im untersten Teil der Mauer wechselt nämlich immer eine
vertikalgestellte Platte, welche ihre breite Seite nach aussen kehrt, mit einer andern ab,
die zu der ersteren im rechten Winkel steht und mit dem einen Ende etwas über dieselbe
nach Aussen vorspringt.1) Die Steine haben ausserordentliche Dimensionen. Die, welche mit
der Breitseite die Aussenfacade bilden, sind 2 — -5 m breit; der grösste von mir beobachtete
Stein ist 5,70 m breit und 3,80 m hoch. Die oberen Teile der Mauer bestehen aus läng-
lichen Blöcken oder dicken Platten, die bis 2,50 m lang sind. Stellenweise erreicht die
Umfassungsmauer noch eine Höhe von 6 m.
Auf der Ostseite hat jedes der beiden Gebäude seine besondere Frontmauer, welche
wie bei all diesen Tempeln die Gestalt eines nach auswärts geöffneten flachen Bogens hat,
in dessen Mitte der Eingang sich befindet.2) Diese beiden Frontmauern sind aber hier so
eng miteinander verbunden, dass man fast von einer gemeinsamen Frontmauer des nörd-
lichen und südlichen Gebäudes reden kann. Der unterste Teil derselben besteht aus auf-
recht gestellten 2 — 3 m breiten, l1^ — 2 m hohen Platten, die ihre Breitseite nach aussen
kehren. Vor deren Fuss waren, um ihr Fundament zu sichern, andere dicke Platten gelegt.
Ueber die vertikal gestellten Platten sind kunstlos grosse längliche Blöcke geschichtet, welche
wie alle Steine der Front- und Umfassungsmauer unbearbeitet sind. An der Südostecke des
südlichen Gebäudes, die durch einen über 3 m hohen pfeilerartigen Stein gestützt wird,
erreicht die Frontmauer noch eine Höhe von 7,50 m (s. Taf. I, 1).
Der Zwischenraum zwischen den äusseren Mauern und den Wänden der Innenräume
ist durch eine Masse aus Erde und kleinen Steinen ausgefüllt.
Vor der Front der Gigantia erstreckt sich das ebene Plateau noch 40 m weit gegen
Osten, dann fällt das Land steil 5 — 6 m tief zu einer niedrigeren Terrasse ab. La Marmora
(a. a. O. S. 4 u. 5) bemerkt, dass vor der Gigantia sich noch Reste einer Mauer befanden,
und zwar schien ihm dieselbe einen Bogen zu beschreiben, dessen Sehne die Front der
Gigantia bildete. In dem Mittelpunkt dieses Bogens waren zwei grosse vertikale Steine
nebeneinander gestellt, über die ein dritter nach Art eines Architravs gelegt war. Von
diesen Resten ist jetzt nichts mehr zu bemerken; dagegen ist heute noch ein etwa 10 m
langer Mauerrest vorhanden, der die bogenförmige Front des südlichen Gebäudes nach Süden zu
fortsetzte (s. Taf. I, 1 links). Man bemerkt noch drei pfeilerartig gestellte Platten, die quer zur
J) S. die Ansicht von der Nordseite der Umfassungsmauer bei La Marmora, Monuments inedits
pl. I, fig. 5.
2) Dieser Bogen ist beim südlichen Gebäude auf dem Plan nicht recht zum Ausdruck gekommen.
655
Längenerstreckung dieses Mauerzugs in Abständen von 21/2 — S1^ m stehen. Zwischen der
Südostecke der Gigantia und dem zunächst befindlichen dieser Pfeiler bildet noch eine der
Länge nach gestellte Platte die Wand. Wir bemerken also in diesem Stück eine ähn-
liche Abwechslung in der Stellung der Steine, wie in der Umfassungsmauer. Der Platz
vor der Gigantia hatte offenbar eine besondere Bedeutung, und man wird nicht fehl gehen,
wenn man in demselben einen Vorhof zu dem eigentlichen Gebäude erkennt. Dafür spricht
auch das Vorhandensein einer antiken Stützmauer, welche ich vor der Ruine unter dem
Abfall des Plateaus fand. Diese Mauer, welche auf der nächst niederen Terrasse aufruht,
ist, von einer kurzen Unterbrechung abgesehen, noch auf eine Länge von 24 m unmittelbar
vor der steilen Wand des abfallenden Hügels sichtbar. Sie ist teilweise noch bis zur Höhe
von 3,50 m erhalten und nach oben zu jetzt durch modernes Mauerwerk fortgesetzt. Das
Material bilden unbearbeitete Blöcke, die in roher Weise geschichtet sind, so dass das
Mauerwerk etwa denselben Charakter hat, wie ihn die Frontmauer der Gigantia im oberen
Teil zeigt.1)
tal-K aghan.
Im östlichen Teil von Gozo findet sich noch ein Rest von einem solchen Tempel-
gebäude, und zwar in der breiten Ebene, welche von der Bucht von Mgar landein-
wärts bis nach Rabato zieht. Hier bemerkt man etwa 700 m nordwestlich vom Dorfe
Ghain-sielem eine plateauartige Bodenanschwellung, die sich in einer Länge von 500 Schritten
und in einer Breite von etwa 100 Schritten in der Richtung von NWW. nach SOO.
erstreckt. Sie erhebt sich nur 2 — 4 m und ist nur im Norden, wo der Felsen, aus dem sie
besteht, schroff abbricht, scharf begrenzt. Im östlichen
Teil dieser Anhöhe finden sich nahe dem Grundstück tal-
Kaghan Ueberreste, welche Caruana im Archaeological
Journal vol. LIII (1896), S. 141 erwähnt, ohne weiter
darauf einzugehen (s. meine Skizze Fig. 5). Es ist hier
noch eine antike Mauerecke (a) erhalten, von der aus ein
Mauerzug (ab) in der Richtung nach NNO. sich noch
auf eine Länge von 14 m verfolgen lässt. Die moderne
Feldmauer, welche nach Norden zu die Fortsetzung bildet,
zeigt gleichfalls noch auf einer weiteren Strecke von 10 m
(bc) antikes Material. Ein anderer, teilweise unter-
brochener und schlecht erhaltener Mauerzug (ad), der
noch auf eine Länge von 12 m erkenntlich ist, läuft von
der genannten Ecke aus nach Westen und beschreibt einen
sehr flachen nach Süden offenen Bogen. Die Mauern ° 'S f"
bestehen aus unbearbeiteten Blöcken oder Platten; von
einer Stelle abgesehen ist nur die unterste Lage erhalten. Die grössten Steine sind die beiden
vertikalen Platten, welche die Ecke bilden; sie sind etwa 2 in breit und 3 m hoch. Die Gestalt
Fi- 5.
') Der kreisförmige Raum, der auf dem Plan von Houel im Norden der Gigantia angegeben ist,
ist, wie auch Fergusson a. a. O. S. 416 annimmt, als ein Teil des nördlichen Gebäudes zu betrachten,
dessen Grundriss zu Houels Zeit nicht erkennbar war.
656
dieser Ecke und der flache Bogen der gegen Westen ziehenden Mauer erinnern stark an die
Front der noch erhaltenen Tempelgebäude, und ich zweifle nicht daran, dass wir in dieser
Ruine Teile von der Vorderseite und der Umfassungsmauer einer solchen Anlage zu er-
blicken haben. Innerhalb der antiken Mauern und der modernen Steinschichtungen, welche
dieselben fortsetzen, befindet sich ein Acker, der etwa 70 Schritte lang und 36 Schritte
breit ist. Seine Oberfläche liegt heutzutage auffallend hoch, und es ist sehr wohl möglich,
dass in demselben noch bedeutende Reste des einst hier gestandenen Gebäudes begraben liegen.
Die grössten Ruinen von Heiligtümern haben sich auf Malta erhalten. Sie finden sich
unmittelbar an der steilen Südküste auf einem Hügel, der etwa l\% Stunde südwestlich von
dem Dorfe Krendi liegt. Es ist ein länglicher, oben abgeplatteter Höhenrücken, der die
Küste entlang von Westen nach Osten sich erstreckt. Im Norden geht er allmählich in die
Hochebene über, im Westen und Osten begrenzen ihn tief eingerissene Felsschluchten, im
Süden fällt er teils in starker Böschung, teils ganz jäh zum Meere ab und zeigt hier in
den stark geneigten Kalksteinschichten, den wild übereinander liegenden Gesteinstrümmern
und dem schroffen Absturz der Felsen die deutlichen Merkmale des Bruches, der hier zur
Versenkung ausgedehnter Landstrecken geführt hat. Während im Norden an den Hügel
sehr fruchtbare Ländereien anstossen, ist die obere Fläche desselben und besonders der
gegen das Meer zu gewendete Abhang eine wahre Steinwüste. Ueberall liegt hier der
nackte Fels zu Tage, der Boden ist mit Steinblöcken übersät, zwischen denen spärliche
Heidekräuter und Meerzwiebel die dürftige Vegetation bilden. Die Gegend macht den Ein-
druck grosser Einsamkeit und Oede. Auch der schmale Strand unter dem Steilabfall der
Felsen ist unzugänglich und gewährt nur Fischerbooten hier und da einen Anlegeplatz.
Unbegrenzt ist die Aussicht auf das afrikanische Meer. Aber fast nie gewahrt man ein
Schiff an dieser Küste, und der Blick ruht nur auf dem kleinen unbewohnten Felseneiland
Filfla, das in geringer Entfernung von der Küste als letzter Rest des hier untergegangenen
Landes aus dem Meere aufragt. Auf einer kleinen Terrasse des Abhangs liegt über den
ins Meer abstürzenden Felsen die kleinere dieser Ruinen, Mnaidra genannt, an einem
Orte, wo zwischen den Felshängen nur der Blick auf das Meer offen ist. Kaum 1 Kilo-
meter nördlich in beherrschender Lage auf der Höhe des Hügels und nahe an der Grenze des
fruchtbaren Kulturlandes befinden sich die viel ausgedehnteren und auch bekannteren Gebäu-
lichkeiten von Hagar-Kim.
Mnaidra.
Die Mnaidraruine ist erst nach der Aufdeckung von Hagar-Kim im Jahre 1840 aus-
gegraben worden. Sie hat bisher, meist im Zusammenhang mit den Altertümern von Hagar-
Kim, nur flüchtige Erwähnung gefunden.1) Nur Fergusson gibt (a. a. 0. S. 418 — 421) etwas
genauere Notizen und in sehr kleinem Massstab den Grundriss; auch sind einige der inter-
l) Lenormant, Monuments pheniciens in Revue generale de l'architecture et des travaux
publics II (1841), S. 497 ff. mit Tafel XXI (die Abbildungen sind sehr ungenügend); H. Brunn, Rovine
di Crendi suü" isola di Malta im Bulletino dell' lnstituto, 1858, S. 74—76; Vassallo a. a. 0. S. 30—32;
Caruana, Report S. 14 — 17 (die hier gegebenen Photographien sind nur schlechte Reproduktionen von
Fergussons Abbildungen).
657
essantesten Partieen des Gebäudes durch Abbildungen bekannt geworden; doch fehlte es
bisher an einer, aucb nur einigermassen genügenden Beschreibung. Mein Plan beruht auf
einer neuen Aufnahme (s. Plan II).
Das Ganze besteht aus zwei vollständig von einander getrennten Gebäuden, die eng
aneinander gebaut und in ähnlicher Weise, nach Osten und Südosten, orientiert sind. Jedes
von diesen hat seine besondere Umfassungsmauer. Wie das Ganze, so zeigen auch die ein-
zelnen Teile in Grundriss und Anlage die grösste Aebnlichkeit mit der Gigantia.
Das südliche Gebäude ist auch hier das wichtigste. Seine Front ist genau nach Osten
gerichtet. Der wohlerhaltene Korridor, durch den man dasselbe betritt, ist mit Platten ge-
pflastert und erweitert sich nach innen. Von den vertikal gestellten Platten, welche die
Wände dieses Ganges bilden, erreichen die drei vorderen Paare eine Höhe von etwa 2 m. Auf
den mittleren Steinen (bv bj und cv cx) liegt noch die 3 m lange, 1,10 — 1,20 m breite Platte,
welche den Eingang überdeckt. Die innersten Steine (iv dt), gewaltige 4 m und 3,40 m
hohe Pfeiler, springen etwas in den anstossenden Innenraum vor und stützen zugleich die
Steine, welche die schwere Deckplatte tragen. Am Fuss dieser Pfeiler liegen einige würfel-
förmige Blöcke (ej, e^, wie sie uns an solcher Stelle schon in der Gigantia begegnet sind.
Der ovale Vorderraum E (s. Taf. II, 2)1) hat eine Länge von 14 m bei einer grössten
Breite von etwa 7 m. Den Fussboden bildet der natürliche Fels; die Wände, die teilweise
noch bis 4,30 m hoch sind, bestehen im unteren Teil aus vertikalgestellten Platten von
etwa 2 m Höhe und 1 — 1,50 m Breite, hinter welchen man stellenweise eine etwa *\% m
dicke Mauer aus Erde und kleinen Steinen beobachtet. Auf den vertikalen Platten ruhen
horizontale Lagen von grossen länglichen Blöcken. Der Raum E zeigt, abgesehen von den
Stellen, wo sich der Zugang in andere Räume öffnet, sehr wenig Einrichtung. In der Tiefe
der linken Apsis liegt, eine Art Podium bildend, eine 2 m lange und 0,35 m hohe Stein-
platte (fj). Links davon ist in der Wand eine viereckige Nische, die ursprünglich durch
einen tischähnlichen Aufbau ausgefüllt war. Zwei 1,60 m hohe Pfeiler (gt, gx) trugen eine
fast 3 m lange, jetzt entzwei gebrochene Platte, welche die ganze Nische überdeckte und
von der Seite her durch zwei höhere Steine (hj, ix) überragt und gestützt wurde.
Von der nördlichen Apsis von E führen zwei Stufen (k^kj, die rechts und links von
niedrigen Steinblöcken eingefasst sind, zu einer rechteckigen 0,60 m weiten und 1,05 m
hohen Oeffnung, welche in einen der Wandsteine (LJ von E geschnitten ist. Durch diese
gelangt man in ein Nebengemach F, welches zwischen der nördlichen Apsis von E und
der Umfassungsmauer des ganzen Gebäudes liegt. Abgesehen von diesem Eingang steht F
noch durch eine zweite fensterartige Oeffnung,2) welche in der Höhe von 1 m über dem
Boden von E durch einen andern Wandstein (oj gebrochen ist, mit E in Verbindung.
Auch diese ist von rechteckiger Gestalt, hat aber nur eine Breite von 0,40 m und eine Höhe
von 0,30 m und ist auf der Seite von F etwas weiter ausgearbeitet, offenbar damit hier ein
zum Verschluss dienender Stein eingeschoben werden konnte. Der Boden von F liegt 0,70 m
über dem von E. Die eigentümliche Einrichtung des Raumes (s. Taf. III, 1) ist noch wohl
') Tafel 11,2 gibt eine Ansicht der nördlichen Apsis von E; eine andere Aufnahme der gleichen
Partie ist bei Perrot, Histoire de l'art III, hg. 219, falschlich als ,salle de Hagiar Kim' bezeichnet.
2) Beide Oefihungen erkennbar auf Tafel II, 2 rechts.
658
Fig. 6.
erhalten.1) Es ist nämlich der südliche Winkel desselben G durch eine kleine Mauer ab-
gesondert, deren mittlerer Teil von einer vertikalen Platte (n,) gebildet wird, die zwischen
zwei pfeilerartigen Steinen (mv nij) steht. Ueber diese Steine ist ein anderer horizontal
gelegt und der ganze Raum G durch Platten und Blöcke in ziemlich roher Weise über-
deckt. In die aufrechtgestellte Platte (nx) ist eine grosse fensterartige Oeffnung von 0,43 m
Weite und 0,64 m Höhe ausgeschnitten, und durch diese sieht man
im Innern von G ein tabernakelartiges Gehäuse von derselben Art,
wie wir ein solches bei Beschreibung der Gigantia kennen gelernt
haben (s. meine Skizze Fig. 6). Es steht auf einer Platte (c2), die
auf den Boden gelegt ist, hat ungefähr eine Höhe von 1 m und ist
gegen das Fenster zu offen. Auch der nordwestliche Winkel von
F weist eine eigentümliche Einrichtung auf. Dieser enge und
schmale Raum ist in einer Höhe von 0,80 m überdeckt von zwei
horizontalen Platten, die auf kleinen pfeilerartigen Steinen ruhen
und eine Art Tisch (px) darstellen. Gleichfalls 0,80 m über diesen
Platten ist eine andere horizontale Platte angebracht, die dem nach oben zu sich verengenden
Raum entsprechend kleiner ist.
Ein zweiter Nebenraum H befindet sich an der Westseite von E. Der Eingang
(s. Taf. III, 2 links)2) ist von derselben Art. wie der eben beschriebene in G. Die fensterartige
Oeffnung, welche in eine Platte (qx) der Wand von E gebrochen ist, ist 1,08 m hoch und
0,62 m weit. Rechts und links von diesem Eingang springen zwei nahezu 3 m hohe auf-
rechtgestellte Steinplatten (sv Sj) etwas nach E vor. Dadurch, dass zwei andere Platten
(tj, h2) so vor diese gestellt sind, dass sie mit denselben einen rechten Winkel bilden und
zugleich gegeneinander vortreten, ist vor dem Eingang ein kleiner Vorhof gebildet. Der
Raum H selbst besteht aus einem sehr kleinen viereckigen Platz, auf den sich drei durch
aufrechtgestellte Platten gebildete Nischen öffnen. Die dem Eingang gegenüber befindliche
westliche Nische wird durch eine horizontale Platte, die auf einem runden Fusse (u1) aufruht,
ausgefüllt. Letzterer hat eine Höhe von 1 m; sein Durchmesser
ist in der Mitte am geringsten, nach oben wie nach unten nimmt
seine Dicke gleichmässig zu (s. meine Skizze Fig. 7). Rechts und
links wird die Tischplatte von zwei höheren vertikal gestellten Platten
(Vj, Vj) gestützt. Zwischen diesen war der Hintergrund ursprünglich
durch eine aufrechtgestellte Platte geschlossen, welche jetzt nach
vorn auf die Tischplatte gefallen ist. In der südlichen Nische be-
findet sich ebenfalls ein Tisch, dessen Platte hier auf 0,87 m hohen
Pfeilern liegt. Auch dieser Tisch wird zu beiden Seiten von höheren
Pfeilern (wv w:) überragt und gehalten, welche hier 0,66 m über der
ersten noch eine zweite horizontale Platte tragen. Eine ganz ähnliche
Einrichtung muss die nördliche Nische von H gehabt haben, wo gegenwärtig zwischen den
2,30 m hohen Steinplatten, welche die Seiten derselben bilden (xv xx), nur der Plattenbelag
Fi-. 7.
J) Tafel III, 1 gibt eine Innenansicht des südlichen Teiles von F ; man sieht rechts den Eingang in
F (Innenseite), links die Fensteröffnung, die von F nach G führt.
2) S. auch Fergusson a. a. O. Fig. 181.
659
des Fussbodens sichtbar ist. Es liegt nämlich vor dieser Nische gegenwärtig ein 0,90 m
hoher Tischfuss von runder Gestalt. Er gleicht genau einem anderen Fuss (m), der noch im
Nordbau der Mnaidra an seiner ursprünglichen Stelle steht, und hat sich wohl von Anfang
an in dem nicht gerade bequem zugänglichen Raum H befunden. Wenn dem so ist, dann
lässt sich für ihn kaum ein anderer Standort denken, wie die jetzt leere nördliche Nische,
wo er wohl ebenfalls als Stütze einer Tischplatte gedient hat. Nun aber bemerkt man an
den beiden Seitenwänden (xt, xx) der Nische in einer Höhe von 1,90 m horizontale Ein-
arbeitungen von geringer Tiefe, die nach dem Vorkommen ähnlicher Fälle zu schliessen,
die Enden einer in dieser Höhe angebrachten horizontalen Platte aufnehmen sollten. Es
befanden sich also aller Wahrscheinlichkeit nach auch hier zwei horizontale Platten über-
einander, und entsprach somit die Einrichtung der nördlichen Nische genau der der südlichen.
Der Durchgang1) aus dem Vorderraum in den Hinterraum J wird, wie in der
Gigantia, durch aufrecht gestellte, 2 m hohe Platten (e2, e2) gebildet. Er erweitert sich
nach J zu und ist durch grosse Steinplatten überdeckt; auf der Seite des Vorderraums ist
rechts und links vom Eingang eine Nische, deren Boden mit einer 0,60 m hohen, regel-
mässig bearbeiteten Steinplatte (f2, f2) bedeckt ist.2) Eine ähnliche Anordnung haben wir
schon im nördlichen Gebäude der Gigantia beobachtet.
Der Hinterraum, der auf dem Plan, soweit er nicht durch den Rezess H eingenommen
wird, mit J bezeichnet ist, enthält im mittleren Teile gegenüber dem Durchgang eine
Nische K (s. Taf. IV, 1). Dieselbe ist nicht, wie die entsprechenden Nischen in der Gigantia
halbkreisförmig, sondern hat eine unregelmässig viereckige Gestalt. Die gegenwärtig ge-
brochene Tischplatte, welche den ganzen Raum der Nische ausfüllte, hatte eine Länge von
3 m und eine Breite von 1,25 m. Sie ruhte auf 2 niedrigen Pfeilern (yvy1). Die Pfeiler
(zn zj, welche zu beiden Seiten des Tisches stehen und zugleich die Nische begrenzen, sind
3 in und 3,50 m hoch. Auf dem rechten Pfeiler sind übereinander 6 runde Vertiefungen,
auf dem linken eine flüchtig eingegraben. Diese Löcher sind 2 — 5 cm tief und haben an
ihrem oberen Rande einen Durchmesser von 5 — 10 cm.
Der nördliche Teil des Hinterraumes J hat ungefähr die Gestalt einer Apsis. Er ist
gegenwärtig stark zerstört und zum Teil hoch mit Schutt erfüllt. Die Wand wird, soweit
sie noch erhalten ist, aus aufrecht gestellten Platten, über die Blöcke geschichtet sind,
gebildet. Der Boden dieser Apsis ist gegenüber dem übrigen Raum von J um ungefähr
0,30 m erhöht. Man glaubt unter dem Schutt noch die Reste einer Stufe wahrzunehmen,
welche die Apsis nach Süden zu begrenzte. Ebenso bemerkt man gegenüber einige niedrige
Steinblöcke (i2), welche zwischen dem mittleren und dem südlichen Teil des Hinterraumes
einmal eine Art Schranke gebildet haben. Hier ist bis zu den Wänden von H hin alles
zerstört.
Alle Räume des südlichen Gebäudes waren von einer einheitlich konstruierten Um-
fassungsmauer umzogen. Die vertikalgestellten Platten, aus denen sie besteht, kehren in
derselben Weise, wie dies bei der Umfassungsmauer der Gigantia der Fall ist, abwechselnd
eine ihrer breiten (x) und eine ihrer schmalen Seiten (y) nach aussen. Auch haben sie
eine ganz bedeutende Grösse; auf der Südseite (s. Taf. IV, 2) ist eine Platte 4,40 in lang,
!) Ansicht auf Tafel III, 2 rechts.
2) Diese Platte gleicht etwa einer Bank; s. Tafel 111,2.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d.Wiss. XXI. Bd. III. Abth. S8
660
2,20 m hoch; ein Stein der Nordseite ist 3,80 m hocb. Auf diesen Platten liegen längliche
Blöcke, so dass an der Südseite die Mauer noch eine Höhe von 4 ni erreicht. Im west-
lichen Teile ist die Mauer stark zerstört; die der Länge nach gestellten Steine sind hier umge-
fallen; nur einige der pfeilerartigen Platten (y), die quer zu jenen gestellt waren, sind stehen
geblieben und bezeichnen unter dem grossen Trümmerhaufen noch den Zug der Umfassungs-
mauer. An einer Stelle der Nordseite hat man, wie es scheint, die Mauer schon im Altertum
unterbrochen und hier, allerdings in sehr primitiver Weise, einen besonderen Raum einge-
richtet. Man betrat denselben, soviel man aus dem zerstörten Zustand dieser Partie ersehen
kann, vom Norden her, wo zwei grosse aufgestellte Steinplatten (b2, b2), über die eine dritte
als Deckplatte gelegt ist, vielleicht den Eingang bezeichnen. Dass dieser Raum eine gewisse
Bedeutung hatte, scheint auch daraus hervorzugehen, dass er dureh zwei in der nördlichen
Wand von E angebrachte Oeffnungen mit diesem Gemach in Verbindung stand. Es ist
nämlich zwischen den länglichen Blöcken im oberen Teil der Wand eine Oeffnung von
0,40 m Weite freigelassen und eine zweite durch eine (d2) der aufrechtstehenden Platten
dieser Wand geschnitten. Letztere Oeffnung ist ungefähr 0,20 m weit, von viereckiger
Gestalt und auf der Seite von E zum Einschieben eines Verschlusssteins stark erweitert;
sie ist mit der vorher erwähnten in der östlichen Wand von E (in Oj) zu vergleichen.1)
Die Frontmauer (s. Taf. V, 1) zeigt gleichfalls grosse Aehnlichkeit mit den entsprechen-
den Teilen der Gigantia. Nur ist bei der Mnaidra der offene Bogen, den sie beschreibt, noch
schärfer zum Ausdruck gebracht. Sie besteht auf jeder Seite des Eingangs aus drei vertikal
gestellten Platten von etwa 2 — 3 m Höhe, 2 m Breite und 1 m Dicke, vor denen, um ihr
Fundament zu sichern, grosse und dicke Platten gelegt sind. Ueber die vertikal gestellten
Platten sind längliche Blöcke geschichtet.
Das nördliche Gebäude liegt etwa 2}\% — 3 m höher als das südliche. Seine Front,
welche nach Südosten gerichtet war, ist gegenwärtig vollständig zerstört. Auffallenderweise
hatte dies Gebäude, das sonst eine sehr regelmässige Anlage zeigt, keinen Eingang, wie
wir ihn sonst gewöhnlich finden. An der Stelle, wo man denselben erwartet, ist nämlich
die Wand des Vorderraums durch eine aufrechtgestellte Steinplatte (o) geschlossen. Diese
ist jetzt im obern Teil abgebrochen, aber wie man noch deutlich genug bemerkt, war darin
eine viereckige Oeffnung von 1,25 m Weite und 1,58 m Höhe ausgeschnitten. Einige auf-
gerichtete Steinplatten, die zum Teil umgefallen sind (p, p, q, q), bildeten vor dieser Oeffnung
auf der Aussenseite, wo der Boden etwas tiefer liegt, sowie auf der inneren Seite derselben
einen kurzen Gang. Ohne Zweifel war hier der Eingang in das Gebäude,2) wenn auch der
im Südwesten anstossende Teil der Mauer eine Anordnung zeigt, die stark an einen Eingang
erinnert. Hier ist nämlich die Wand des Vorderraums, auf eine Länge von 1,80 m unter-
brochen; in der Lücke liegen Steinplatten, welche eine Art Schwelle darstellen und zur
Seite befindet sich ein pfeilerartiger Stein (s), der bei seiner Stellung einmal eine Thürseite
gebildet haben könnte. Doch ist gegenwärtig dieser Teil des Gebäudes so zerstört, dass man
die ursprüngliche Anordnung nicht mehr erkennen kann.
J) Auch die kleinen Oeffnungen in der nördlichen Wand von E sind auf Tafel II, 2 links sichtbar.
2) Unmittelbar nordöstlich von diesem Eingang befindet sich auf der Aussenseite des Gebäudes ein
kleiner viereckiger Raum, der durch aufrechtgestellte Steine (r) begrenzt wird und mit Platten gepflastert
ist. Er stellt eine Nische dar, die von aussen zugänglich war.
661
Der Vorderraum A hat eine grösste Länge von 16,50 m und eine Breite von ungefähr
7,50 rn; der Hinterraum B ist ungefähr 13,70 m lang und etwa 6 m breit. Die Wände
bestehen aus hart aneinander gestellten Steinplatten, die wenig über 1 m hoch und meist
0,70 — 0.90 m breit sind. Auf ihnen ruhen zwei Lagen von länglichen Blöcken, deren Höhe
0,30 — 0,40 m beträgt. Nur an einer einzigen Stelle ist noch ein Stein einer dritten Lage
erhalten. Unmittelbar hinter diesen Wänden läuft auch hier, den aufrechtgestellten Platten
eine Stütze bietend, eine aus kleinen Steinen und Erde bestehende Mauer, die etwa 1 m dick ist.
Der Durchgang vom Vorderraum in den Hinterraum B hat dieselbe Form wie im
südlichen Gebäude. Er ist mit Steinplatten gepflastert. Die horizontale Platte, welche, wie
noch aus deutlichen Spuren erkenntlich, den Gang in einer Höhe von 2 m überdeckte, ist
verschwunden. Innere Einrichtung ist in den beiden Räumen nicht zu bemerken, war auch
schwerlich jemals vorhanden. Nur die beiden Nischen C und D haben eine solche be-
wahrt. In der ersteren, die sechseckige Gestalt hat, stand wieder zwischen zwei 2,50 m
hohen Pfeilern (g, g) ein Tisch, dessen (jetzt gebrochene) Platte auf zwei vertikalgestellten
Steinen (f, f) aufruhte. Hier ist auch der hintere Teil dieser Nische, der von der Tischplatte
freigelassen war, von einer grossen horizontalen Platte überdeckt, welche auf der Hinter-
wand der Nische aufliegt und etwas in dieselbe vorragt. Vor der Nische bemerkt man
zwischen zwei niedrigen Blöcken (h. h) eine Art Schwelle (s. Taf. V, 2).1)
Die andere Nische D ist an der Südwestseite des Hinterraums angelegt. Sie ist zu-
gänglich durch eine fensterartige, 0,60 m weite und 0,90 m hohe Oeffnung, welche in eine
der Wand von B eingefügte Platte (k) ausgeschnitten ist.a) Der hintere Teil dieses Raumes
ist ausgefüllt durch einen Tisch, der zwischen höheren pfeilerartigen Steinen (n, n) steht.
Der runde Fuss des Tisches (m) ist etwa 1 m hoch, wird nach oben zu bedeutend dicker
und ist hier auf allen Seiten in gebogener Linie ausgeschweift. Im Hintergrund des Tisches
steht auf demselben eine Steinplatte, welche hier eine Art Rückwand bildet.
Der Fussboden hatte im ganzen nördlichen Gebäude die gleiche Höhe und war aus
einer Aufschüttung von Erde und kleinen Steinen gebildet.
Eine besondere Umfassungsmauer,3) die aus unregelmässigen Blöcken geschichtet
ist und in ihrer Höhe etwa den Wänden der Innenräume gleichkommt, umzieht in einem
Bogen auch das nördliche Gebäude und endigt, in ihrem westlichen Teile zerstört, da wo
das südliche Gebäude anschliesst. Der Zwischenraum zwischen dieser Mauer und den Mauern
der Innenräume wird ebenso wie im südlichen Gebäude durch eine Füllmasse von kleinen
Steinen eingenommen.
Die Bauart zeigt in den verschiedenen Teilen der Mnaidraruine wesentliche Unter-
schiede. Verwendet ist der Kalkstein, der den Abhang des Hügels bildet, von dem zum Bau
härtere und weichere Arten genommen wurden. Weich und leicht verwitternd, wie dieser
1) Tafel V, 2 gibt die Ansicht von C und der rechten Apsis von B. In der Apsis bemei-kt man in
einem der Wandsteine eine eigentümliche künstliche Aushöhlung, die ich mir nicht zu erklären vermag.
2) Dieses Fenster ist bei Per rot Fig. 220 abgebildet, aber unrichtigerweise dem Tempel von
Hagar-Kim zugeschrieben. Der Raum D steht gegenwärtig auch durch eine 0,80 m weite Oeffnung mit
A in Verbindung. Die Grösse dieser Oeffnung entspricht der Grösse der Platten, welche die Wand
von A bilden, und es scheint, dass diese Lücke erst später durch Herausnahme eines solchen Wand-
steins entstanden ist.
3) Ihre Peripherie ist auf dem Plan durch eine Kurvenlinie angedeutet.
88*
662
Stein ist, lässt er keine feine Bearbeitung zu. Er bricht in leicht lösbaren Lagen, die bis
1 m dick sind, und so besteht fast das ganze Baumaterial aus Steinplatten, die entweder
vertikal auf einer ihrer schmalen Seiten aufgestellt oder auf eine ihrer breiten Seiten hori-
zontal gelegt sind. Als Bindemittel findet sich nur in den oberen Lagen des nördlichen
Gebäudes ein weisslicher Lehm verwendet.
Den rohesten, freilich auch den imponiei'endsten Eindruck unter allen Teilen des Bau-
werks machen Umfassungsmauer und Frontmauer des südlichen Gebäudes. Die gewaltigen
Platten sind verwendet worden in derselben Gestalt, wie man sie aus der Felsschicht losge-
brochen hat, ohne dass irgendwelche Abarbeitungen vorgenommen wurden. Auch die Um-
fassungsmauer des nördlichen Gebäudes besteht aus ganz unbearbeiteten Steinen, doch verrät
sich hier in der Auswahl des kleineren Materials und in der Schichtung grössere Sorgfalt.
Auch die aus kleinen Steinen nnd Erde bestehende Mauer, welche hinter den vertikalen
Platten der inneren Wände sich befindet, ist im nördlichen Gebäude sorgfältiger konstruiert
wie an den wenigen Stellen, wo sie im südlichen vorkommt. Was die vertikalen Platten
der Wände in den Innenräumen anlangt, so sind diese in J völlig unbearbeitet; ein Gleiches
gilt von den darüber geschichteten Blöcken. Die Platten in E, ebenso wie die von H, haben
annähernd rechtwinklige Gestalt; aber sie sind bei ziemlich grossen Dimensionen sehr flüchtig
bearbeitet. In E sind die Platten noch dazu von ungleicher Höhe, so dass die Grundlage
für die horizontalen Lagen, die darauf ruhen, erst durch ausgleichende Blöcke geschaffen
werden musste. Auch die Blöcke, welche diese Lagen bilden, sind sehr grob bearbeitet und
gefügt, die Lücken öfter durch kleine Steine ausgestopft (s. Taf. II, 2). Weit besser sind die
Innenwände des nördlichen Gebäudes konstruiert. Hier ist kleineres Material verwendet; die
vertikalen Platten sind in der Regel gleich hoch, eng aneinander gefügt, von ziemlich regel-
mässiger, rechtwinkliger Gestalt und an Ansichtsfläche und Kanten nicht ohne Sorgfalt be-
arbeitet. Die horizontalen Lagen, die sich darauf befinden, bestehen ans quaderförmigen,
wohlgefügten Blöcken. Es ist bemerkenswert, dass bei den Wänden von E und von B die
horizontalen Lagen etwas übereinander gegen das Innere zu vorkragen. Am auffallendsten
ist das bei der rechten Apsis von E (s. Taf. II, 2), wo auch die vertikalen Platten der Wand
etwas gegen das Innere zu geneigt sind.1)
Die Ornamentierung ist hier ärmlicher wie in der Gigantia; sie beschränkt sich
auf das Punktornament, mit dem nur das südliche Gebäude bedacht ist. Die kleinen Löcher sind
bald sorgfältiger und tiefer, wie mit einem Bohrer ausgehöhlt, bald flüchtiger eingearbeitet
und dann weiter und weniger tief. Bisweilen merkt man das Bestreben, sie in Reihen zu
ordnen; meist sind sie ganz regellos nebeneinander angebracht. Auch hier sind es wieder
die Steine an den Eingängen, welche durch dieses Ornament ausgezeichnet sind. So findet
es sich an den würfelförmigen Blöcken (er e,) des Eingangs in E, an den Steinen rechts
und links vom Durchgang aus E in J (auf f2, f2, g2, h2) und ganz besonders an denjenigen,
welche den Zugang zum Nebenraum H bilden,2) in der Regel an den dem Eintretenden
J) Es beträgt hier an einer Stelle, wo die Wand eine Höhe von 4,30 in erreicht, das Vorspringen
der obersten Lage über den Fuss der Wand 0,80 m, wovon 0,20 in auf das Vorneigen der vertikalen
Platten, 0,60 m auf der Ueberkragen der 4 horizontalen Lagen kommen. — Die Steine, welche die innei'e
Einrichtung ausmachen und bei den Tischen, Eingängen und Durchgängen verwendet sind, haben meist
mehr oder weniger regelmässige Form.
2) Auf ti, h2, q1( r(, rt und der oberhalb der Eingangsöffnung liegenden horizontalen Platte; s. Tafel 111,2.
663
zugekehrten Seiten. Unmittelbar über der fensterartigen Oeffnung, durch welche man H
betritt, sind unter der Menge der kleinen Löcher zwei grössere angebracht, die von konischer
Form sind und 4 cm tief in den Stein eindringen. Im Innern von H endlich trägt die
Tischplatte der südlichen Nische auf ihrer Vorderseite sowie auf ihrer oberen Fläche diese
Ornamentierung.
Es sind hier noch die Spuren zu berücksichtigen, welche sich vom Verschluss der ein-
zelnen Räume erhalten haben. Löcher zum Anbringen eines hölzernen Querbalkens finden sich
an den Seiten des Eingangs vom südlichen Gebäude. Aehnliche Löcher trifft man auch in der
einen Seite des Durchgangs von E nach J; hier fehlen aber die entsprechenden auf der andern
Seite. Zahlreich sind auch hier die oben (S. 653) beschriebenen ringförmigen Aushöhlungen.
Sie finden sich ebenfalls meist zu beiden Seiten eines Eingangs in gleicher Höhe und an
genau einander entsprechenden Stellen. Auch hier erklären sich diese Aushöhlungen wohl
am einfachsten, wenn man annimmt, dass man durch sie eine Schnur gezogen und diese
quer über den Eingang gespannt habe. Sie finden sich an den einander zugekehrten Seiten
des Durchgangs von E nach J, von A nach B, weiter an den Seiten der Fensteröffnungen von
q, und lj. Bei letzterer, die auf der Seite von F noch durch eine falzartige Ausarbeitung
erweitert ist, sind auch an dieser zu beiden Seiten ringförmige Aushöhlungen angebracht,
die einander entsprechen, und zwar sowohl im oberen wie im unteren Teile1) (s. Taf. III, 1).
Das ganze Bauwerk ist, wie es heute dasteht, nicht auf einmal nach einem einheit-
lichen Plan angelegt worden. Das lehren Bauart und Grundriss mit hinreichender Sicherheit.
Das südliche Gebäude ist, Avie das wichtigere, so auch das ältere. Der Grundriss der Gigantia
sowie der des nördlichen Gebäudes der Mnaidra legen den Gedanken nahe, dass auch das
südliche ursprünglich aus zwei hintereinander befindlichen ovalen Räumen mit einer durch
einen grossen Tisch ausgefüllten Nische im Hintergrund bestand. Nachdem der nördliche
Teil von J, wie man noch deutlich sieht, urspünglich die Gestalt einer Apsis hatte, ist an-
zunehmen, dass dieser nördlichen einmal auch eine südliche Apsis entsprach und so den
ovalen Hinterraum vervollständigte. Hier scheint also später einmal ein Umbau stattge-
funden zu haben. J und K, welche auch unter allen Innenteilen von Mnaidra die roheste
Bauart zeigen, sind offenbar die Ueberreste des ursprünglichen Hinterraumes. H und E
verraten durchweg jüngeren Charakter wie J und K. Beide sind in ihrem Grundriss eng
miteinander verbunden; sie zeigen beide die gleiche Ornamentierung und unterscheiden sich
von J durch ihr regelmässiger gestaltetes und leidlich bearbeitetes Material. Beide sind ebenso
wie die anderen Teile von Mnaidra weit besser erhalten als der Raum J, welchen man, wie
es scheint, schon frühe hat in Verfall geraten lassen. Danach ist anzunehmen, dass H
und E (in seiner gegenwärtigen Gestalt) nicht nur später als J, sondern auch gleichzeitig
miteinander eingerichtet worden sind. Man hat offenbar, wie schon Fergusson vermutet hat,
die linke Apsis des ursprünglichen Hinterraumes beseitigt, um für H Platz zu bekommen;
zugleich hat man aber auch den alten Vorderraum erneuert und vielleicht etwas erweitert.
Der ältesten Bauperiode gehört wohl auch die Umfassungsmauer an, deren Steine in
rohester Weise nebeneinandergestellt oder geschichtet sind. Dagegen ist das nördliche Ge-
bäude der jüngste Bestandteil der Mnaidra. Es stellt sich deutlich als ein Anbau dar. Seine
Bauart bedeutet durchweg einen erheblichen Fortschritt gegenüber der, welche noch in den
!) Der Falz deutet darauf hin, dass die Oeffnung bisweilen durch eine Platte verschlossen war.
664
jüngeren Teilen des südlichen Gebäudes zur Anwendung gekommen ist. Seine Einfachheit
und das Fehlen jeglicher Verzierung spricht dafür, dass es geringere Bedeutung hatte.
Fergusson freilich sieht in der tieferen Lage des südlichen Gebäudes einen Beweis für
dessen spätere Entstehung. Er glaubt, dass man für die erste Anlage eines Gebäudes an
dieser Stelle kaum einen Platz ausgesucht haben würde, der von einem höheren Terrain
beherrscht gewesen wäre. Dieser Einwurf ist nicht stichhaltig. Denn bei der starken Neigung
des Abhangs würde es schwer gefallen sein, einen Ort zu finden, der nicht tiefer als das
unmittelbar anstossende Terrain lag.
Was sich in der nächsten Umgebung der Mnaidraruine an antiken Ueberresten findet,
ist von geringer Bedeutung. An der Südseite des südlichen Gebäudes ist, wohl nachträglich,
eine kleine halbkreisförmige Einfriedigung (sichtbar auf Taf. IV, 2) angebaut worden, deren
Durchmesser eine Länge von 4,60 m hat. Sie wird durch wohlbearbeitete, aufrecht gestellte
Platten gebildet, die nicht über 0,90 m hoch sind.
Von der Südostecke des südlichen Gebäudes erstrecken sich, anscheinend den Bogen
der Frontmauer in südlicher Richtung fortsetzend, Fundamente, die aus niedrigen bear-
beiteten Blöcken bestehen. Sie sind jetzt nicht mehr gut sichtbar; doch spricht auch das
Vorhandensein des pfeilerartigen Steins y2 dafür, dass die Frontmauer auf dieser Seite in
irgend einer Weise verlängert war. Es scheint hier eine ähnliche Anlage gewesen zu sein,
wie sie an der Südostecke der Gigantia noch erhalten ist (s. o. S. 654).
Auch nahe der Ostseite des nördlichen Gebäudes finden sich schwache Reste von rohem
Mauerwerk. Erhalten ist hier noch eine kleine Kammer von unregelmässig viereckiger
Gestalt, die 1,50 m lang und 1 m breit ist. Ihre Wände werden gebildet durch aufrecht-
gestellte oder übereinandergelegte Steine; sie ist gegen das nördliche Gebäude zu offen und
in einer Höhe von ungefähr 1 m mit einer grossen Platte überdeckt.
Hagar-Kim.
Die Ruinen von Hagar-Kim, deren höchste Steine von Mnaidra aus sichtbar sind,
sind schon seit langer Zeit bekannt. *) Houel gibt von den zu seiner Zeit sichtbaren Ueber-
resten des Hauptgebäudes, welches damals nach seiner Angabe den Namen ,Tadarnadur-
Isrira' führte, eine Abbildung (pl. CCLX) und eine kurze Beschreibung. Auch La Marmora
besuchte dieselben im Jahre 1834 und fügte seiner Abhandlung über die Gigantia eine
kurze Notiz über die Altertümer von Hagar-Kim bei (Nouvelles annales a. a. 0. S. 32 — 33).
Erst im Jahre 1839 wurde auf Veranlassung des englischen Gouvernements der grösste
Teil der Gebäude, die jetzt sichtbar sind, ausgegraben. Der Leiter der Ausgrabungen,
J. G. Vance, veröffentlichte im 29. Bande der Archaeologia einen ziemlich unklaren Plan
(von Foulis), 16 schlecht gelungene Ansichten von verschiedenen Teilen der Ruine (pl. XXIII
— XXVIII) mit einem wertlosen Text (S. 227 — 240), welcher gerade das Wichtigste, wie
eine eingehende Beschreibung der Gebäude und der Einzelfunde sowie die genaue Angabe des
Fundorts mancher von den letzteren vermissen lässt. Zweck und Ursprung des Bauwerks
sind seitdem oft erörtert worden.2) Im Jahre 1885 wurden unter Leitung von A. A. Caruana
*) Erwähnt von Abela II. 1 § 8.
2) Lenormant in Revue generale de l'architecture a. a. 0.; H. Barth in Gerhards Archäolog. Zeitung
1848, 346 ff. u. 362 ff.; dazu H. Barth, Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeeres I, 210,
665
weitere Ausgrabungen unternommen, welche wenige neue Resultate zu Tage förderten. Doch
wurden im Zusammenhang mit diesen Arbeiten durch F. Vassallo zuverlässige Pläne ange-
fertigt und dieselben nebst einer kurzen Erläuterung von A. A. Caruana veröffentlicht.1)
Unsere Pläne beruhen auf denen Vassallos.
Die Anlage von Hagar-Kim ist sehr ausgedehnt; sie besteht aus einem Hauptgebäude
mit einigen Nebengebäuden, die in geringer Entfernung von jenem sich befinden. Das
Hauptgebäude (s. Plan III) enthält eine grössere Zahl von meist ovalen offenen Räumen,
die von einer gemeinsamen Umfassungsmauer umzogen sind; es ist gegenwärtig an mehreren
Stellen zugänglich.
Der Haupteingang ist im Süden; er hat die gewöhnliche Form eines Korridors,
der hier von drei Paaren aufrechtgestellter Platten von 2 — 2,50 m Höhe gebildet und mit
Platten gepflastert ist. Man gelangt zunächst in einen ovalen Raum A von 14,30 m Länge
und 5,50 m Breite (in der Mitte). Die Wände aus vertikalgestellten Steinplatten mit darüber-
geschichteten Blöcken sind noch durchschnittlich 1,80 m hoch. Die beiden Apsiden, in
denen nichts mehr von Einrichtung erhalten ist,2) sind durch hohe Schranken vom Mittel-
raum getrennt. Diese Schranken bestehen aus aufgerichteten Platten von verschiedener
Gestalt und Grösse,3) welche einander auf beiden Seiten in umgekehrter Reihenfolge entsprechen.
Es folgt hier wie dort auf eine der Länge nach gestellte Platte (c, c, beide gegen 2,50 m
lang) eine quer zu dieser stehende (e, e) und dann abermals eine der Länge nach gestellte
(d, d), welch letztere von einer viereckigen 0,80 — 0,90 m weiten und 1,20 m hohen Oeff-
nung durchbrochen ist.4) Diese Oeffnungen bilden den einzigen Zugang zu den Apsiden;
sie befinden sich in einer Höhe von 0,50 m über dem Fussboden; vor einer derselben liegt
noch ein Stein, der als Stufe dient. Noch andere niedrige Blöcke von rechtwinkliger Form
liegen am Fusse der aufrechtgestellten Platten, um deren Fundament zu sichern.
Sehr gut war bei der Ausgrabung die Einrichtung des mittleren Teils von A erhalten,
der zu den bevorzugtesten Teilen des Gebäudes gehört zu haben scheint. Der Boden ist
ganz mit Steinplatten belegt. Vor dem Durchgang in den anstossenden Raum B treffen
wir dieselbe Anordnung der Steine, die uns auch in den beiden Gebäuden der Mnaidra
begegnet ist; der liegende Stein f zeigt noch an seinen sichtbaren vertikalen Seiten das
Punktornament. Dagegen ist die Einrichtung bei der Nordwestecke des Mittelraums nicht
mehr erhalten, lässt sich aber aus den von Vance gegebenen Abbildungen auf pl. XXVII
und XXVIII noch einigermassen erkennen (s. unsere Abbildung Fig. 8 auf Grund von Vance
pl. XXVII u. Perrot a. a. O. fig. 228). Danach stand vor dem aus der Wand vorspringenden
Anm. 4; Archaeological Journal IX, 299. Die in den Verhandlungen des internationalen prähistorischen
Kongresses vom Jahre 1868 veröffentlichten Abbildungen sind wiedergegeben von Waring, Stone monu-
ments pl. I u. II. Weiter s. Adams, Nile valley and Malta S. 240 — 247 mit Planskizze und Ansichten;
C. Vassallo, Monumenti antichi S. 18 — 30; Caruana, Report S. 9 — 14 (die Abbildungen zum Teil
ungenügende Reproduktionen früherer Aufnahmen); Perrot III, 300—306 (mit Abbildungen nach Caruanas
Report).
') A. A. Caruana, Recent further excavations of the megalithic antiquities of Hagar-Kim. Malta
1886, mit 7 Plänen, Ansichten, Durchschnitten.
2) Tn der östlichen Apsis verzeichnet der Plan von Vassallo einige aufrechtgestellte Platten.
3) Die Höhe schwankt zwischen V/2— 21ß m.
4) Die westliche Schranke abgebildet bei Waring pl. I, fig. 2.
666
hohen Stein h eine breite Platte (i) und vor dieser ein Altar (k), der aus einem Stein nicht ohne
Sorgfalt gearbeitet ist.1) Derselbe befindet sich jetzt im Museum der öffentlichen Bibliothek
von Valetta. Er ist von viereckiger Gestalt, 0,71 m hoch und 0,45 m breit. Zu beiden Seiten
einer jeden von den vertikalen Kanten sind ein Paar viereckiger kleiner Pfeiler heraus-
geineisselt, welche die nach allen Seiten
Fig. 8.
i i M
) iT'ilU II
etwas vorspringende obere Platte tragen.
Auf jeder der vier Seiten ist zwischen
den Pfeilern in vertieftem Felde eine
sehr einfache Darstellung in Relief an-
gebracht. Es ist ein Baum- oder Pflanzen-
stamm abgebildet, der aus einer vier-
eckigen Kiste herauszuwachsen scheint;
rechts und links von diesem Stamm
sind in sehr flüchtiger Weise Blätter
oder Zweige angedeutet. Die obere
Platte hat noch einen 0,10 m hohen
runden Aufsatz, der oben flach ist und
0,37 m im Durchmesser hat. Zwischen
diesem Altar und der Schranke, welche
die westliche Apsis absondert, befand
sich, gegen den Haupteingang zu ge-
wendet, gleichfalls ein altarähnlicher
Aufbau.2) Ueber einem viereckigen nie-
deren Steinblock lag eine rechteckige
Platte, etwa in halber Höhe des vorher beschriebenen Altars. Darauf stand, den Hinter-
grund abschliessend, eine breite Steinplatte, beiderseits aufrechtgehalten durch zwei andere
Platten, die quer zu jener gestellt waren. Diese, welche jetzt gleichfalls in der Bibliothek
zu Valetta aufbewahrt ist,3) ist regelmässig bearbeitet und hat oben einen erhöhten Rand;
unter diesem befindet sich ein Relief, welches zwei Spiralen und in ihrer Mitte einen kegel-
förmigen Gegenstand mit abwärts gekehrter Spitze darstellt. Die Steine dieses Aufbaus,
die horizontale Platte ausgenommen, trugen auf ihrer Vorderseite das Punktornament; das-
selbe begegnet auch an dem vorher beschriebenen Altar und zwar auf allen vier Seiten,
soweit sie nicht von der Reliefverzierung eingenommen sind. Am Fusse des Altars fanden sich
fünf kleine Figuren, in der westlichen Apsis von A vier weitere (s. u.). Wenn Vance (a. a. O.
S. 229) bemerkt, dass viele Bruchstücke von Thongefässen im südlichen Teile des Haupt-
gebäudes gefunden wurden, so hat man hier jedenfalls zunächst an A zu denken.
Der Durchgang von A nach B bietet keine Besonderheiten. Eine Deckplatte, die über
den 2 m hohen Steinen (m, m) gelegen haben könnte, ist nicht mehr vorhanden.
J) Abgebildet bei Perrot fig. 228 nach Caruanas Report; auch bei Adams pl. VII; Waring
pl. II, fig. 11.
2) Ungefähr an der auf dem Plan mit 1 bezeichneten Stelle.
3) Abgebildet bei Perrot fig. 227 (nach Caruana); Adams pl. VII; Waring pl. II, fig. 8.
667
Der langgestreckte Raum B enthält in seiner gegenwärtigen Gestalt im östlichen
Teile eine Apsis, während sich die westliche Hälfte als ein unregelmässig begrenzter Hof
darstellt, auf den sich Nischen und andere Räume öffnen. B ist nicht nur von A aus
zugänglich, sondern es befindet sich auch gerade gegenüber dem Durchgang von A nach B
ein weiterer Eingang, der von aussen nach B führt. Dieser ist in der gewöhnlichen Weise
angelegt und erweitert sich auf seiner inneren Seite.1)
Die Apsis im östlichen Teile von B (Taf. VI, 1) 2), welche durch vorspringende Pfeiler
der beiden Eingänge, die nach B führen, begrenzt ist, hat eine Tiefe von etwa G m und
eine grösste Weite von 5^2 m. Ihre Wand ist 2,40 m hoch und besteht aus 18 vertikalen
Platten, über denen sich noch zwei Lagen länglicher Blöcke befinden. Innerhalb dieser
Apsis war ein länglich-runder Platz abgegrenzt durch eine Einfriedigung aus aufrecht-
gestellten dünnen Platten, die zum grossen Teil jetzt umgefallen sind. Sie sind etwa 0,60
— 1,00 m hoch, ungefähr ebenso breit und ziemlich gut bearbeitet. Der Raum inner-
halb dieses Plattenrings liegt um etwa 0,30 m tiefer als der übrige Boden. Auf der
Westseite ist ein Eingang offengelassen; hier liegt eine Steinplatte (n), die als Schwelle
diente. 3)
Im Hintergrunde der Apsis ist eine Platte, welche hier die Wand bildet, in einer
Höhe von 0,40 m von einem künstlich ausgearbeiteten Loch (o) durchbohrt. Dieses geht
in schräger Linie durch den Stein und hat länglich-runde Gestalt bei einem grössten Durch-
messer von 0,50 m und einem kleinsten von 0,35 m. Es stellt eine Verbindung zwischen
diesem Raum und einer anderen Anlage auf der Aussenseite des Gebäudes her, welche wir
gleich jetzt beschreiben wollen, da sie wohl in Verbindung mit der eben betrachteten Apsis
angelegt worden ist. Man hat nämlich hier die östliche Umfassungsmauer des Gebäudes auf
eine kurze Strecke unterbrochen und in der Lücke zwei nach aussen offene Nischen
hergestellt. Die kleinere von diesen, M, lehnt sich unmittelbar an die Wand der Apsis von
B, hier mündet das in jener Wand angebrachte Loch. Wichtiger aber war ohne Zweifel
die andere Nische L, welche die Gestalt eines verlängerten Halbkreises hat und nach aussen
zu sich erweitert. Die halbkreisförmige Mauer im Hintergrund ist moderne Restauration,
soll aber, wie Caruana4) bemerkt, auf antiken Fundamenten ruhen. Im vorderen Teil
werden die Wände der Nische durch aufrechtgestellte Steinplatten (vr vj gebildet, die gegen
M zu eine enge Lücke lassen. Diese war zwar wohl nicht zum Durchgang bestimmt, muss
aber doch eine gewisse Bedeutung gehabt haben, weil einer der Steine zu ihren Seiten
das Punktornament hat. Im vorderen Teil ist die Nische gepflastert, im hinteren steht frei
auf erhöhtem Grunde ein 2 m hoher, wenig bearbeiteter Steinpfeiler (s,), der an den Kanten
leicht zugerundet ist. Unmittelbar davor steht, von Caruana, wie es scheint, an der rich-
J) Unklar ist die Bedeutung der 1,35 m hohen pfeilerartigen Steine p und q; p ist wohl später hin-
zugefügt, da es einige der im Wandstein r angebrachten Löcher verdeckt.
2) Abgebildet auch bei Waring pl. I, fig. 3.
3) Die Reste dieses Ringes s. auf Taf. VI, 1. Die ursprüngliche Gestalt des Zugangs in denselben ist
nicht ganz sicher; nach der Abbildung von Vance auf pl. XXIV scheinen in der Nähe der Schwelle n,
etwa zu beiden Seiten derselben, dünne pfeilerartige Steine gestanden zu haben.
4) Megalithic antiquities of Hagar-Kim S. 7. Auch Vance fand bei der Ausgrabung hier einen
halbkreisförmigen Raum vor.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 89
668
tigen Stelle restituiert,1) ein 0,82 m hoher Stein (t,), der, von unten nach oben sich ver-
breiternd, hier mit einer tischartigen, geebneten Fläche abschliesst und Aehnlichkeit mit
einem Altare hat. Seine Vorderseite ist mit dem Punktornament bedeckt.4)
Wir kehren wieder zu den Räumlichkeiten im Innern des Gebäudes zurück.
Im westlichen Teil von B befinden sich 3 Nischen, und zwar zwei, a und ß, an der
Südseite, eine y an der Nordseite. Sie haben teils polygonale, teils viereckige Form; jede
war eingenommen von einer mächtigen horizontalen Platte, welche auf zwei hohen vertikal-
gestellten Steinen von ungefähr 1,60 — 2 m Höhe auflag. Durch diesen tischartigen Aufbau,
der rechts und links von höheren Pfeilern gestützt war, war die Nische vollständig überdeckt.3)
Caruana bemerkt, dass zwei monolithe Tische (s, s) von ziemlich roher Arbeit, die sich
gegenwärtig rechts und links vom Eingang in den anstossenden Raum C befinden (s. Taf. VII, 1),
ursprünglich in den Nischen y und ß gestanden hätten. Indes weisen bereits der Plan und
die Abbildung bei Vance (pl. XXIV) den Tischen ihre Stelle zu beiden Seiten jenes Ein-
gangs an. Der eine Tisch4) ist 1 m hoch; seine Basis und sein oberer Teil haben die
Gestalt einer länglichen Platte; der Fuss, der sich nach oben und nach unten etwas ver-
breitert, bildet in seinem Horizontaldurchschnitt ein längliches Viereck. Die obere Platte
hat einen erhöhten Rand. Der andere Tisch, der jetzt umgefallen ist, hat dieselbe Form;
nur ist sein Fuss von zwei übereinander befindlichen Löchern von länglichrunder Gestalt
durchbohrt. Am Westende von B liegt endlich gegenwärtig noch ein dritter Tisch, der nur
0,72 m hoch und auch aus einem Stein gearbeitet ist. Er hat einen runden Fuss, der
auf einer niedrigen runden Basis aufsteht. Die obere Platte, die nicht mehr ganz erhalten
ist, ist gleichfalls etwas konkav und hatte einen Durchmesser von ungefähr 0,45 m.
Ueber drei Schwellensteine, von denen der mittlere etwas höher ist als die anderen,
gelangt man von B in den kleinen Raum C, der von aufrechtgestellten Platten in unregel-
mässiger Weise begrenzt ist. An den Seiten des Durchgangs stehen Steinplatten, von denen
die vordersten (t, t) dem Eintretenden eine mit dem Punktornament geschmückte Seite
zukehren. Im Innern bemerkt man zwei Nischen. Die links am Eingang befindliche 6
ist durch einen Tisch ausgefüllt, der auf zwei 0,85 m hohen Steinplatten ruht und zu beiden
Seiten von höheren Steinen gestützt wird. Eine ähnliche Einrichtung bestand wohl auch
in der gegenüberliegenden Nische e, wo die von der Wand vorspringenden Steinplatten auf
gleiche Höhe abgearbeitet und so zur Aufnahme einer horizontalen Platte hergerichtet
worden sind. Mit dieser Nische stand vielleicht die nur durch eine aufrechtgestellte Platte
getrennte Nische rj auf der Aussenseite des Gebäudes in Beziehung. Sie ist jetzt teilweise
zerstört; gegenwärtig liegt eine grosse Steinplatte darin, die auf einer ihrer breiten Seiten
das Punktornament trägt. Von C aus betritt man den Nebenraum D, der von 1,50 — 2 m
hohen Platten eingeschlossen ist und 0,10 m über dem Boden von C liegt. Auch hier steht
ein Tisch (u), der aus einem Stein gearbeitet ist, mit 0,60 m hohem Fuss und einer läng-
1) Vgl. die Abbildung bei Vance pl. XXVII.
2) Das gegenwärtige Aussehen von L zeigt Taf. VI, 2; rechts ist durch die erwähnte Lücke zwischen
den Steinen vu vt das Loch o in der Wand sichtbar, der oberste Teil von Sj ist jetzt abgebrochen und
lehnt vor tt.
3) S. Nische y auf Taf. VII, 1 links; die horizontalen Platten sind jetzt alle entzwei gebrochen.
4) Abgebildet bei Perrot fig. 229 (nach Caruana) und Waring pl. IL
669
liehen, nicht ganz erhaltenen Platte, die 1 m lang und 0,60 m breit ist. Neben diesem
Tisch, der bei der Ausgrabung starke Feuerspuren gezeigt haben soll, sieht man auf
der Abbildung bei Vance (pl. XXV) noch einen etwas höheren Tisch stehen, der ver-
schwunden ist und mit dem oben erwähnten, der gegenwärtig am Westende von B
sich befindet, Aehnlichkeit gehabt hat. Am Boden von C und D, aber nicht mehr an der
ursprünglichen Stelle, liegen ein Paar kleine Platten, die mit dem Punktornament verziert
sind. Ausserdem fand Vance (a. a. 0. S. 238) in C eine Anzahl halbkugeliger Steine von
12^2 cm Durchmesser sowie einen ovalen Gegenstand, gleichfalls aus Stein, von der
doppelten Grösse eines Hühnereis. Mit diesen halbkugeligen Steinen sind offenbar 23 Gegen-
stände aus gewöhnlichem Kalkstein identisch, die aus Hagar-Kim in das Museum der Bibliothek
von Valetta gelangt sind. Sie sind 7 — 8 cm hoch, haben teils die Gestalt einer Halbkugel,
teils sind sie auch oben zuckerhutförmig zugespitzt; ihre untere konkave Fläche misst
12 — 13 cm im Durchmesser.1)
Der Nebenraum E, der nur 1,60 m lang und 1,20 m breit ist, steht mit C durch
eine fensterartige Oeffnung in Verbindung. Diese ist aber nicht wie in anderen Fällen in
eine Steinplatte ausgeschnitten, sondern dadurch hergestellt, dass man den 0,60 m weiten
Zwischenraum zwischen zwei 1,35 m hohen Pfeilern (v, v) unten durch eine auf dem Boden
aufgestellte, 0,85 m hohe Platte (w) geschlossen und ausserdem über diese Pfeiler einen
andern hohen Stein gelegt hat. Die untere Platte ist derart zwischen die daneben befind-
lichen Steine verkeilt, dass man annehmen muss, dieser Raum sei nicht dazu dagewesen,
betreten zu werden. Im Hintergrunde desselben befand sich ein tabernakelartiges Gehäuse.
Es war in ähnlicher, nur roherer Weise angelegt, wie die in der Mnaidra und in der Gigantia.
Die Hinterwand war nicht durch eine besondere Steinplatte, sondern durch die Wand von E
gebildet. Eine der die Seitenwände des Gehäuses bildenden, 0,85 m hohen Platten (x, x)
trägt auf ihrer Vorderseite das Punktornament. a)
Aus dem westlichen Teile von B führen 5 Stufen (y, y) zu einem um 0,70 m höher
liegenden Raum F, dessen Boden ohne Zweifel künstlich aufgeschüttet worden ist. Der
Eingang ist wie gewöhnlich gepflastert und erweitert sich nach innen. Er war, wie es
scheint, ursprünglich überdeckt; einer der innersten Steine (Cj) an seinen Seiten zeigt die
Punktverzierung. Der Grundriss von F ist der gewöhnliche ovale; doch ist hier die öst-
liche Apsis nicht zur Ausführung gekommen. Auf dieser Seite lehnt sich F an die Mauer
der westlichen Apsis von A an, die hier für eine kurze Strecke auch die Wand von F
bildet. An den anderen Seiten besteht die Wand von F aus aufgerichteten Platten von
1,30 — 2 m Höhe und 1 — 2 m Breite. Gegenüber dem Eingang befindet sich eine polygonale
Nische £• die auf allen Seiten, auch auf der Vorderseite, durch aufgestellte Steinplatten
geschlossen ist. In die mittlere von den Platten, welche die Vorderseite bildeten,3) war eine
grosse fensterähnliche Oeffnung geschnitten, durch welche die Nische zugänglich war. Der
*) Ich habe auch im südlichen Gebäude der Mnaidra (in J) einen solchen Gegenstand gefunden.
2) Auf dem Plan von Vassallo sind die Steine, welche dieses Gehäuse bilden, sowie andere Teile
von E als ,recent excavations and restorations' angezeichnet; es besteht also nicht absolute Gewissheit,
immerhin aber hohe Wahrscheinlichkeit, dass die gegenwärtige Anordnung in diesem Raum die ursprüng-
liche ist.
3) Diese Platte ist jetzt gebrochen, war aber bei der Ausgrabung noch erhalten (s. pl. XXVI
bei Vance).
89*
670
Boden der Nische liegt gegenwärtig 0,20 — 0,30 m tiefer als der von F ; über ihre ursprüng-
liche Einrichtung lässt sich nichts mehr sagen.
Innerhalb der rechten Apsis von F Hegt gegenwärtig ein zylindrischer Pfeiler
aus gewöhnlichem Kalkstein (z) von 1,45 m Länge und 0,40 — 0,50 m Durchmesser, der in
sehr roher Weise an den Seiten zugerundet und an seiner oberen und unteren Fläche eben
gearbeitet ist. Er hat mit dem Pfeiler Sj in Nische L grosse Aehnlichkeit. Caruana1)
bemerkt mit Berufung auf den Plan von Foulis, dass dieser Stein bis zum Jahre 1848 an
der auf unserm Plan mit zx bezeichneten Stelle gestanden habe; doch ist auf dem Plan
von Foulis, wie er in Archaeologia XXIX, pl. XXIII wiedergegeben ist, nichts davon zu
sehen.2) In diesem Raum (oder in der westlichen Apsis von A?) ist auch der Platz zu
suchen, wo La Marmora3) einen kegelförmig bearbeiteten, 1,40 m hohen Steinpfeiler mit
kreisrunder Basis sah, der die grösste Aehnlichkeit mit dem in der Gigantia gefundenen hatte.
Alle bisher betrachteten Räume stehen miteinander in enger Verbindung; es sind noch
drei (G, H, J) im westlichen Teile des Gebäudes übrig, welche gegen jene abgeschlossen
und nur von aussen zugänglich waren. Wir betrachten zuerst den nördlichsten von diesen,
J. Dieser hat regelmässige ovale Form. Die vertikalen Platten, welche seine Wände
bilden, sind etwa 1,20 — 1,50m hoch und nicht über Im breit; über zweien von ihnen liegt
noch ein horizontaler Stein. Auf der Nordseite springen zwei grosse aufrechtgestellte Stein-
platten (ir ij nach aussen vor und begrenzen die Seiten des Eingangs. Der Boden des-
selben hat einen Belag von Steinplatten; am äusseren Ende befindet sich ein stufenähnlicher
Stein kr dessen Oberfläche ebenso wie der ganze Eingang und der Raum J 0,65 m über
dem aussen anstossenden Felsboden liegt. Eine niedrigere Stufe, welche eine Vermittlung
zwischen diesem und dem so bedeutend höher gelegenen Boden des Eingangs darstellen
würde, fehlt gegenwärtig; auch war der Raum für eine solche ziemlich beschränkt, da der
Plan von Vassallo vor kx im Felsboden ein künstlich angebrachtes Loch verzeichnet, das
jetzt unter dem Schutt nicht mehr sichtbar ist. Immerhin kann man nicht daran zweifeln,
dass man an dieser Stelle den Raum J betreten habe, da auf den anderen Seiten kein Zu-
gang bestand. Die Stufe, die wir hier vermissen, ist noch vorhanden (lj) vor der nach
aussen offenen Nische K, die gleichfalls das Niveau von J hat und mit Platten gepflastert
ist. Auf der Innenseite des Eingangs in J liegen einige umgefallene Steine (h,), die ur-
sprünglich zu beiden Seiten desselben aufgestellt waren.*) Gerade gegenüber liegt eine
Schwelle (114); rechts und links davon sieht man dieselben liegenden und aufrechtgestellten
Steine, wie man sie in der gleichen Anordnung in diesen Gebäuden immer da findet, wo
sich der Durchgang in einen hinteren Raum öffnet.5) Die vertikalgestellten Steine tragen hier
das Punktornament und zwar auf denjenigen Seiten, welche dem von Norden her die Schwelle
(nij) Betretenden zugekehrt sind. Die Wand von J war hier nicht geschlossen. Die Ab-
sonderung dieses Raumes gegen H war vielmehr an dieser Stelle durch Wandsteine (er rt)
') Megalithic antiquities of Hagar-Kim S. 5.
2) Dagegen ist der Pfeiler an dieser Stelle angemerkt auf dem Plan bei Fergusson S. 423.
3) Nouvelles annales a. a. O. S. 32 und Monuments inedits I, pl. II. fig. 10.
4) Die Abbildung bei Vance pl. XXVII zeigt diese Steine noch aufrechtstehend.
:') So im nördlichen Gebäude der Gigantia, im nördlichen und südlichen Gebäude von Mnaidra,
in Raum A von Hagar-Kim.
671
von H bewirkt, die jetzt umgefallen sind, deren ursprünglicher Platz aber mit Sicherheit
nachzuweisen ist. Im ganzen Bereich von J will man bei der Ausgrabung starke Brand-
spuren wahrgenommen haben; überhaupt sei damals im nördlichen Teil des Hauptgebäudes
sehr viel Kohle und Asche gefunden worden.
Die Räume G und H gleichen sich an Gestalt wie an Bauart, wie sie auch für eine
kurze Strecke die Wand gemeinsam haben. Die aufrechtgestellten Platten ihrer Wände
fallen durch ihre Grösse auf; sie sind 2 — 2,50 m hoch, 1 — 2 m breit; auf zwei oder drei
Steine, die mit ihrer Breitseite die Wandfläche bilden, folgt immer einer (ej, der quer zu
diesen gestellt ist und in das Innere der Räume vorspringt. Im obersten Teile sind die Steine
öfters künstlich abgearbeitet; über einem derselben liegt noch ein länglicher Block; und eine
Anzahl ähnlicher Blöcke, die gegenwärtig auf dem Boden von H und G liegen, haben augen-
scheinlich über den vertikalen Platten der Wände früher ein oder zwei horizontale Lagen
gebildet. Beide Räume waren ursprünglich wohl nur von Westen, also von aussen her
zugänglich. Zwar sind sie auf dieser Seite stark zerstört; doch sind noch bei beiden
die Eingangsschwellen, bei G auch noch eine Thürseite erhalten. Nicht so ganz deutlich
ist der Abschluss der Räume gegen die Mitte des Gebäudes (gegen B) zu. Gegenwärtig
sind beide hier offen. Indes bei G war der grösste Teil der Oeffnung geschlossen durch
eine jetzt zu Boden gefallene grosse Platte (fj, die mit Sicherheit restituiert werden kann.
Die engen Lücken rechts und links von dieser Platte werden durch kleine pfeilerartige Steine
von 0,40 und 0,70 m Höhe ausgefüllt, über denen sich vielleicht rohes Mauerwerk befand.
Jedenfalls wTar hier kein Eingang. Es liegt nun nahe anzunehmen, dass der Raum H,
welcher im Zusammenhang mit G und in völlig gleichartiger Weise angelegt war, gleich-
falls nur von aussen zugänglich und von B durch eine Mauer abgesondert war. An der
Grenze von H und B liegen ein Paar längliche Blöcke, welche eine Art Schwelle oder Stufe
dai'stellen — ■ H liegt nämlich ebenso wie J um 0,30 m höher als B — , aber auch als Funda-
mente für vertikale Steine, die hier eine Scheidewand gegen B zu bildeten, angesehen werden
können. Ich neige zu dieser letzteren Auffassung; es liegen hier verschiedene grosse Steine,
welche sehr gut zur Herstellung einer solchen Wand gedient haben mochten. Mit Sicher-
heit freilich lässt sich die ursprüngliche Gestalt dieser Stelle nicht mehr erkennen. Hier
liegen auch gegenwärtig die Stücke eines sehr roh zugehauenen zylindrischen Steines, der
im ganzen etwa 0,45 m in der Höhe und ebensoviel im Durchmesser hatte. Er war voll-
ständig ausgehöhlt, sodass nur eine 0,10 — 0,15 m dicke Wandung blieb.
Abgesehen von einem Teil der Nordseite war das ganze Gebäude von einer Um-
fassungsmauer umzogen, die noch in bedeutenden Resten vorhanden ist. Sie war aus
vertikal gestellten Platten gebildet. Der Raum zwischen diesen und den Wänden der Innen-
räume war ohne Zweifel ursprünglich ganz mit Erde und kleinen Steinen ausgefüllt. Bei
der Aufdeckung des Gebäudes sind ungeschickter Weise auch diese Zwischenräume zum Teil
ausgegraben worden, später hat man sie wieder eingefüllt. Die Front ist nach Südosten
gerichtet und fast genau in derselben Weise angelegt wie beim südlichen Gebäude von
Mnaidra. Sie beschreibt ebenfalls einen nach aussen geöffneten Bogen, in dessen Mitte sich
der Haupteingang befindet. Rechts und links von diesem bilden je drei breite aufrecht-
gestellte Platten von etwa 2 m Höhe die Facade (s. Taf. VII, 2), vor denen, um ihr Fundament
zu festigen, andere dicke Platten auf den Boden gelegt sind. Ein beträchtlicher Teil der
Umfassungsmauer auf der Ostseite besteht aus einer einzigen aufgestellten Steinplatte (w,),
672
die 6,40 m breit, 2,80 m hoch und 0,60 m dick ist. Es dürfte dies der grösste Stein sein,
der bei den noch erhaltenen vorgeschichtlichen Bauten von Malta zur Anwendung gekommen
ist. Auf der Nord- und Südseite zeigt die Ringmauer eine ganz gleichartige Anlage.
Mächtige Steinplatten von 2}\% — 4}\% m Höhe, die auf der dem Seewind ausgesetzten Süd-
seite arg verwittert sind (s. Taf. VII, 2 links), sind in etwas schräger Stellung gegen die Füll-
masse gelehnt, während sich ihre Basis auf der Aussenseite gegen liegende Blöcke oder,
wie es stellenweise der Fall zu sein scheint, gegen einen niedrigen Wall aus Felsstücken
stützt. Die meisten dieser Platten kehren eine ihrer breiten Seiten nach aussen; andere
(a2, b2, b2) sind keilförmig zwischen diese gestellt und springen etwas nach aussen vor. Der
höchste von diesen keilförmigen Steinen (a2), der charakteristische Stein von Hagar-Kim,
der schon von ferne dem Ankommenden ins Auge fällt, ist 5,20 m hoch (s. Taf. VII, 2 rechts
im Hintergrund). Ueber den vertikal gestellten Platten der Frontmauer, die oben gleich-
massig abgearbeitet sind, waren sieber einmal noch andere Steine geschichtet. Es liegen
gegenwärtig auf dem Platze davor (s. Taf. VII, 2) mehrere in rechtwinkliger Form bearbeitete
grosse Steine, darunter eine Platte von 2,85 m Länge und 2,70 m Breite, sowie balken- und
pfeilerartige Steine bis 2,50 m Länge, von denen einige allem Anschein nach von oben herab-
gefallen sind. Auch der hohe Aufbau der Frontmauer bei der Mnaidra und Gigantia macht es
wahrscheinlich, dass einmal bei Hagar-Kim etwas ähnliches der Fall war, zumal der Mauerkern
hinter der Facade sehr dick ist. Auch bei einigen der sonst unbearbeiteten Steine der Ostmauer
ist der oberste Teil abgearbeitet, um für eine obere Lage die Grundlage zu schaffen. Einer
dieser oberen Steine ist noch an Ort und Stelle. Auf der ganzen Westseite ist die Um-
fassungsmauer gegenwärtig nicht mehr erhalten. Man sieht nur noch die Fundamentblöcke,
welche sich in einem Bogen vom Eingang in G bis nach K ziehen und augenscheinlich
dazu bestimmt waren, die Basis der verschwundenen vertikalgestellten Platten zu stützen.1)
Um das Hauptgebäude, das wir soeben beschrieben haben, liegen drei andere kleinere
Gebäude (s. Plan IV), die sämtlich stark zerstört sind.2) Vor der Front des Hauptgebäudes
befindet sich eine Gruppe runder Einfriedigungen N, in denen bei der Ausgrabung eine
grosse Menge von Tierknochen und Bruchstücken von Thongefässen gefunden wurde. Die
dünnen Mauern, welche sie einschliessen, bestehen aus kleinen Steinblöcken mit Erde, bis-
weilen auch aus aufgestellten Platten; sie sind nur 0,50 — 1 m hoch und wohl niemals viel
höher gewesen. Einige dieser Einfriedigungen sind gegen einander wie gegen aussen voll-
ständig abgeschlossen und konnten nur betreten werden, indem man die niedrige Mauer
überstieg. Der wichtigste Raum in dieser armseligen Anlage ist /u, zu dem man von aussen
durch einen 5,80 m langen Gang gelangt. Auf der rechten Seite dieses Korridors, dessen
Wände aus aufrechtgestellten Steinplatten gebildet sind, führt ein enger, schmaler Zugang
in ein halbkreisförmiges, kleines Gemach v. Im Grunde von fi sind im Massiv der Wand in
einer Höhe von etwa 0,80 m über dem Boden nebeneinander zwei Bänke oder Nischen (t u. #)
angebracht, die durch eine aufgestellte Platte, welche eine Art Scheidewand darstellt, von
einander getrennt sind. Diese Platte ist in halber Höhe von einem runden Loch durchbohrt,
!) Die Steine c2 auf der Aussenseite von J und H begrenzen keinen besonderen Raum. Sie hatten
wohl nur den Zweck, der Füllmasse, die hier ursprünglich zwischen den Wänden von H und J und der
äusseren Mauer aufgeschüttet war, einen Halt zu geben.
2) Plan IV ist nach Caruana, Megalithic antiquities pl. I angefertigt.
673
dem auf der gegenüberliegenden Seite der rechten Nische (i) zwei andere entsprechen. Welchen
praktischen Zweck diese Löcher gehabt haben sollen, ist nicht recht einzusehen. Die Gebäu-
lichkeiten von N sind auf der Westseite noch durch eine dicke, in etwas gekrümmter Linie
verlaufende Mauer (f2, i2) abgeschlossen, die noch bis zu 2 m Höhe erhalten ist. Sie ist
wallartig aus kleinen und grossen Blöcken geschichtet und hat wohl erst später auf der
dem Hauptgebäude zugewendeten Seite eine Art Verkleidung aus vertikal gestellten, ziemlich
regelmässigen Platten erhalten. Hier waren, wie es scheint, gebildet durch aus der Wand
vorspringende Steine, einige Nischen angebaut, die jetzt stark zerstört sind.
Eine andere Ruine W, jetzt mehr als zur Hälfte zerstört, liegt 30 m nördlich vom
Hauptgebäude (s. Taf. VIII, 1). Sie hatte, wie man noch deutlich genug erkennen kann, die
typische Form der maltesischen Tempel. Von den zwei ovalen Räumen, die hintereinander
lagen, hat sich nur die linke Hälfte einigermassen erhalten. Danach hatte der vordere Raum
eine Länge von etwa 14 m und eine grösste Breite von 6 m, der Hinterraum war etwas
kleiner. Die Wände bestehen in allen Innenräumen, soweit sie nicht zerstört sind, aus
vertikalgestellten Platten, die durchschnittlich 1,60 m hoch sind. Der Eingangskorridor,
dessen teilweise noch erhaltene Wände aus 2 — 3 m hohen Steinplatten bestehen, ist nach
Süden gegen das Hauptgebäude zu gerichtet, gepflastert und mit erhöhter Schwelle ver-
sehen.1) Der Durchgang in den Hinterraum hatte augenscheinlich die gewöhnliche Form;
die Steine o2 und p2 tragen auf den dem Eintretenden zugekehrten Seiten das Punktorna-
ment. Gegenüber dem Eingang trifft man auch hier eine polygonale Nische x, die nicht mehr
ganz erhalten ist. An der linken Seitenwand derselben steht hier noch ein 0,75 m hoher
wohlbearbeiteter Pfeiler (q2), der sehr wohl das eine Ende einer horizontalen Tischplatte
getragen haben könnte. So wird also auch hier eine ähnliche Einrichtung bestanden haben,
wie sie in den entsprechenden Nischen der Mnaidra und der Gigantia noch erhalten ist.
Eine Eigentümlichkeit dieses Gebäudes bestand darin, dass links von dieser Nische eine
runde Kammer l angebaut war, die man vom Hinterraum aus betrat. Die Front des Ge-
bäudes verlief auch hier in einer flachen Bogenlinie. Von den vertikalen Platten der Front-
mauer stehen nur noch zwei; von der Umfassungsmauer, welche das ganze Gebäude in einem
Bogen umzog, sind nur noch in der linken Hälfte die Fundamente2) an Ort und Stelle.
Unter den Ruinen liegen eine in roher Weise zugerundete, grosse, massive Kugel aus Stein
und Bruchstücke eines ausgehöhlten zylindrischen Gegenstandes, wie ein solcher auch im
Hauptgebäude (s. o. S. 671) vorgefunden wurde. Die Frontmauer von W war nach Süd-
westen hin verlängert, wie die schon bei der ersten Ausgrabung hier vorgefundenen Funda-
mente beweisen.
Von einer anderen Ruine Y, nördlich vom Hauptgebäude, sieht man gegenwärtig
nichts weiter als wenige regellos durcheinanderliegende Steine.
Caruana3) berichtet nun, dass er bei seinen Ausgrabungen Mauerzüge vorgefunden
habe, welche noch eine Höhe von etwa 5 engl. Fuss gehabt und das Hauptgebäude mit den
Nebengebäuden N, W, Y verbunden hätten. Diese Mauern hätten zwei Höfe begrenzt, von
') Der Plan bei Vance zeigt diesen Eingang, ebenso wie die vordere linke Apsis von W noch ganz
erhalten.
2J Die Mauerfundarnente bei diesem Gebäude, soweit sie noch vorhanden oder aus dem Grundriss bei
Vance ersichtlich sind, sind auf unserm Plan durch punktierte Linien angegeben.
3) Megalithic antiquities of Hagar-Kim S. 2 und 4.
674
denen er den einen den inneren Hof, den anderen den Vorhof nennt. Leider sind diese
antiken Fundamente jetzt grösstenteils verschwunden unter der modernen Restauration, die
Caruana vornehmen Hess, und es ist somit eine Prüfung der von Caruana mitgeteilten Aus-
grabungsresultate unmöglich. Diese aber ergeben erhebliche Schwierigkeiten. Nach Caruana
bestand der Innenhof aus dem freien Platze1) zwischen N und dem Hauptgebäude; er soll
durch zwei Mauerzüge (f2 g2 und d2 e2) geschlossen und vom Hauptgebäude aus zugänglich ge-
wesen sein. Es ist nun immerhin wahrscheinlich, dass vor der Front des Hauptgebäudes sich
ein Hof befunden habe, wie wir auch vor der Mnaidraruine und vor der Gigantia Spuren
eines solchen angetroffen haben. Aber dass auf dieser Seite nicht ein Eingang in das Ge-
bäude gewesen sein soll, das ist nicht wohl anzunehmen. Man hätte gewiss sonst nicht
hier der Aussenseite des Hauptgebäudes eine Form gegeben, wie sie sonst nur der Frontseite
eigentümlich ist, und man hätte wohl nicht gerade auf diesen Teil der Aussenmauer besondere
Sorgfalt verwendet, wenn hier nur ein geschlossener, verhältnismässig kleiner Hof angestossen
wäre. Ein älterer Plan (Adams a. a. 0. pl. V) verzeichnet an Stelle der Fundamente d2 e2
flachgelegte Steine, also eine Art Pflaster, an der Westecke des Innenhofes gibt Caruana
selbst einen Ausgang an, durch den, die Aussenseite des Hauptgebäudes entlang, man nach
G und H gelangen konnte, und so scheint es mir naheliegend, dass der Platz vor der Front
des Hauptgebäudes wohl in irgendeiner Weise begrenzt, aber keineswegs geschlossen gewesen
ist, ja dass er geradezu als Vorhof für das Hauptgebäude gedient hat, welches hier, wenn
auch nicht seinen einzigen, so doch seinen wichtigsten Eingang gehabt hat.
Andere Mauerfundamente liefen nach Caruana vom Hauptgebäude nach Y (u2 t2), von
Y nach W (r2 s2), von W nach N (n2 m2 und 12 h2) und begrenzten den Aussenhof, der seinen
Eingang (zwischen 12 und m2) im Nordosten gehabt haben soll. Einige dieser Mauerspuren
(r2 s2, u2 12) sind bereits auf dem Plan bei Vance angegeben und zum Teil noch erkennbar;
allerdings merkt Vance auch zwischen dem Hauptgebäude und W Mauerfundamente (n2 k2)
an, die jetzt nicht mehr erhalten sind.
Was die Bauart betrifft, so bestehen wie in Mnaidra so auch in Hagar-Kim die
Wände fast alle aus aufgerichteten Steinplatten, die an ihrer Basis oft durch liegende Blöcke
gestützt sind. Darüber befanden sich da und dort einige Lagen aus geschichteten Blöcken. Das
Material wurde auch hier der nächsten Umgebung entnommen, wo der Kalkfelsen in Schichten
von 0,20 — 1 m Dicke lagert. Man brach den Stein in der Weise, dass man die Felsplatte
im Umfang des gewünschten Bausteins mit kleinen Gräben umschrieb, von denen heute in
der Nähe der Ruinen noch manche Spuren sichtbar sind. Die Tiefe dieser Gräben entsprach
der Dicke der Felsschicht, und man brauchte dann die Platte nur emporzuheben, was bei
dem losen Zusammenhang der oberen und unteren Schichten dieses Kalksteins keine Schwierig-
keiten machte. Die so gewonnenen Platten boten in der Regel schon eine ziemlich ebene
Aussenseite, und man hat sie vielfach ohne weitere Bearbeitung in die Mauer eingestellt.
In der Mehrzahl der Fälle aber wurde der Stein bearbeitet, und zwar weist der Grad der
Bearbeitung in den verschiedenen Teilen des Gebäudes erhebliche Unterschiede auf. Weitaus
den rohesten Eindruck macht die von uns mit N bezeichnete Gebäudegruppe im Südosten
des Hauptgebäudes. Hier bestehen die Mauern fast ganz aus unbearbeitetem, ziemlich kleinen,
J) Man fand hier Asche und gebrannte Erde.
675
ohne alle Sorgfalt geschichteten Material, während in den nördlichen Nebengebäuden die
Steine leidlich behauen sind. Vom Hauptgebäude hat man die gewaltigen Platten der
Umfassungsmauer rauh gelassen, wogegen die rechteckigen Platten der Frontmauer und des
Haupteinganges eine gewisse Sorgfalt in der Bearbeitung nicht verkennen lassen. Was die
Innenräume anlangt, so fehlt bei den Wänden von A den Steinen jegliche
Bearbeitung; sehr mangelhaft ist dieselbe auch im ganzen nordwestlichen Teil Fig. 9.
des Gebäudes, ganz besonders bei den grossen Steinen von H und G. Auf
die Wände von F hat man mehr Sorgfalt verwendet; am meisten Fortschritt
unter allen Teilen von Hagar-Kim, ja unter allen vorgeschichtlichen Bauten von
Malta, zeigt die Apsis im östlichen Teil von B, deren Anlage viele Beziehungen
zum nördlichen Gebäude von Mnaidra aufweist. Bearbeitung und Füo-uns der
immer noch ziemlich grossen Steine sind gut (s. Taf. VI, 1); wir treffen hier die
Anfänge eines regelmässigen Quaderbaus. Bei den zwei horizontalen Lagen, die
über den vertikalen Platten sich befinden, beobachtet man dieselbe Ueberkragung,
von der wir schon in Mnaidra Beispiele angetroffen haben und die sich in Hagar-
Kim auch in dem rohen Mauerwerk der westlichen Apsis von A findet. Bei den
Lagen der Apsis von B1) bemerkt man ebenso wie an einer Stelle von F (über Platte dj,
dass die Kanten der überkragenden Steine, wenn auch in sehr flüchtiger Weise, abgeschrägt
worden sind (s. Fig. 9). Bei den überkragenden Lagen von B und F lässt sich auch die
Anwendung eines Bindemittels konstatieren, das aus Lehm bestand. Sonst ist, von Erde
abgesehen, ein solches nirgends in Hagar-Kim bemerkbar. Den Fussboden bildete, soweit sich
das noch erkennen lässt, ein Estrich von festgestampfter lehmiger Erde, die mit kleinen
Steinen gemischt war.
Es finden sich im Hauptgebäude von Hagar-Kim dieselben nicht immer mit Sicherheit
erklärbaren Aushöhlungen und Löcher in den Steinen wie in Mnaidra und Gigantia.
Löcher, die für einen zum Verschluss dienenden Querbalken bestimmt waren, sind an beiden
Seiten des Haupteingangs angebracht. Ringförmige Aushöhlungen, zum Durchschlingen einer
über den Eingang gespannten Schnur geeignet, befinden sich einander gegenüber zu den
Seiten der Fensteröffnungen, welche in die Apsiden von A2) und in die Nische f führen,
sowie an den Wänden der Eingänge in C, J und F. Eigentümlich ist die Anordnung der
Aushöhlungen auf einer stehenden Platte (r) in der Wand des nordwestlichen Eingangs in B.
In mittlerer Höhe derselben sieht man ein rundes Loch von 0,10 m Weite und 0,10 m
Tiefe, ausserdem darüber und darunter zwei der vorher erwähnten ringförmigen Aushöh-
lungen;3) auf der gegenüberbefindlichen Platte (r2) entspricht aber nur eine einzige solche
Aushöhlung im unteren Teile des Steins. Seltsamerweise finden sich diese ringförmigen
Aushöhlungen auch an stufen- oder schwellenartigen Steinen auf dem Niveau des Fuss-
bodens; ich kann hier keine Erklärung bieten; immerhin ist bemerkenswert, dass auch diese
1) Die zwei Lagen von zusammen 1 m Höhe kragen um 20 — 30 cm ins Innere vor (Fig. 9 gibt einen
Durchschnitt durch die Wand).
2) Die Fensteröffnung vor der westlichen Apsis ist nach aussen zu falzartig erweitert.
3) Auf der erhaltenen Seite des Eingangs in G finden sich im entsprechenden Stein die gleichen
Einarbeitungen.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 90
676
nur an Eingängen begegnen.1) Die ringförmigen Aushöhlungen, die sich in einer Höhe
von 0,70 m über dem Boden an verschiedenen Stellen der Wände von H und G finden,
können nur den Zweck gehabt haben, dort etwas anzubinden.
Wie in der Gigantia waren an manchen Orten in Platten, die auf den Boden gelegt
sind, tiefe nach unten in konischer Form sich verengende Löcher angebracht, so auf der
Aussenseite des Gebäudes eines vor dem Eingang in J, zwei vor rj, eines südlich von Nische L,
dann im Innern von G (in gt, gt) und A (in dem liegenden Stein neben a). Die noch
sichtbaren Löcher haben einen oberen Durchmesser von 0,25 — 0,30 m; wie in der Gigantia
haben sie wohl auch hier zum Einstecken eines spitzigen Gegenstandes gedient.
Es ist klar, dass ein Gebäude von so kompliziertem Grundriss und so verschiedener
Bauart in seinen einzelnen Teilen eine längere Baugeschichte hat. Schon wiederholt
ist die Ansicht geäussert worden, dass ursprünglich auch B eine westliche Apsis und somit
ebenso wie A ovale Gestalt hatte, sowie dass diese beiden Räume den ältesten Bestandteil
von Hagar-Kim gebildet hätten.*) Ohne Zweifel ist das richtig. Die Wände von A zeigen
auch gegenwärtig noch eine sehr primitive Bauweise, und die Analogie der übrigen Tempel
führt dazu, dass auch der von Hagar-Kim anfänglich aus zwei hintereinander liegenden
ovalen Räumen mit einer Frontmauer und einer Umfassungsmauer bestand. Die Frontmauer
der ersten Anlage war offenbar, wie auch jetzt noch, im Südosten; das Stück der Umfassungs-
mauer, das jetzt die Ost- und Nordostseite des Hauptgebäudes umzieht, hat sich wohl von
dem ältesten Bau her noch erhalten. Wo jetzt von Nordwesten her ein Eingang nach B
führt, war die Mauer' wahrscheinlich geschlossen; hier befand sich wohl eine Nische mit
einem tischähnlichen Aufbau, wie wir ihn sonst an dieser Stelle angetroffen haben. Es
scheint, dass man schon frühzeitig die Wand hier durchbrochen hat, vielleicht um eine
Verbindung mit den nördlich vom Hauptgebäude entstandenen Anlagen zu schaffen. Zu den
älteren Bestandteilen des Hauptgebäudes gehört ferner J. Die Bauart ist ziemlich roh;
J ist augenscheinlich älter als E, C, D, y, da diese Räumlichkeiten an J angebaut und in
ihrem Grundriss von J abhängig sind. Auf der an H anstossenden Seite von J bemerkt
man eine Schwelle und, wie schon oben gesagt, eine Anordnung der Steine, die man sonst
immer nur beim Durchgang aus einem vorderen Gemach in ein hinteres findet. Es drängt
sich also die Annahme auf, als wenn J ursprünglich der vordere Raum eines aus zwei
ovalen Räumen bestehenden tempelartigen Gebäudes gewesen wäre, von dem der hintere Teil
später beseitigt wurde. Das wird durch den Umstand bestätigt, dass auf der Seite von H
die Wand von J nicht vollständig geschlossen ist und ein Abschluss hier nur durch die
Wandsteine von H hergestellt war, und weiterhin dadurch, dass H denselben erhöhten Boden
hat wie J. Es war also an der Stelle von J und H neben dem ältesten ein zweites Gebäude
errichtet worden, das sich zu jenem etwa so verhielt wie das nördliche Gebäude der Gigantia
oder Mnaidra zum südlichen. Die Orientierung desselben nach Norden erscheint nicht weiter
auffällig, wenn wir annehmen, dass zur Zeit der Erbauung der ursprüngliche Tempel schon
seinen zweiten nordwestlichen Eingang gehabt habe. In einer dritten Periode der Bau-
tätigkeit in Hagar-Kim hat man den hinteren Teil dieses Nebengebäudes weggerissen und
x) So am Eingang in K und auf der Innenseite der Fensteröffnung, die in die östliche Apsis
von A führt.
2) S. Perrot a. a. O. S. 302.
677
zwei andere ovale Räume G und H eingerichtet. Sie zeigen allerdings sehr rohe Bauweise,
doch wird man das damit erklären müssen, dass sie nur eine untergeordnete Bedeutung
hatten. Wohl um dieselbe Zeit wurde auch der erste Tempel auf dieser Seite erweitert.
Die linke Apsis von B wurde zu einem von mehreren Nischen umgebenen Vorplatz umge-
wandelt, von dem aus andere Räume (C und F) betreten werden konnten, die neu zum Teil
auf der Stelle der früheren Umfassungsmauer errichtet wurden. Diese selbst wurde jetzt
weiter hinausgeschoben, um auch die neu hinzugefügten Räume zu umschliessen. Wenn nun
auch einige von diesen neuen Gemächern, wie D, E und F, erhebliche Wichtigkeit besessen
haben, so scheint doch der Hauptsitz des Kultus immer in A geblieben zu sein, wie die
dort gemachten Funde beweisen. Auch hat in der letzten Periode von Hagar-Kim
die noch übriggebliebene Apsis von B erhöhte Bedeutung gewonnen. Sie ist in ihrer gegen-
wärtigen Gestalt bei ihrer sorgfältigen Anlage offenbar das Resultat eines sehr späten Umbaus,
und mit diesem ist jedenfalls auch die Einrichtung der Nischen L und M in Zusammenhang
gestanden. Was soll nun noch der kleine Gebäudekomplex N südöstlich vom Hauptgebäude?
Er ist diesem völlig abgewandt und steht damit in keiner Verbindung, er zeigt von allen
Teilen von Hagar-Kim die primitivste Anlage. Die Kleinheit des Materials und der Räume
steht in scharfem Gegensatz zu dem Hauptgebäude von Hagar-Kim. Allem Anschein nach
haben die Baulichkeiten von N einem anderen Zweck gedient als die übrigen Teile von
Hagar-Kim, und wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir sie für Reste von Wohnstätten
halten. Wir werden auf Anlagen ähnlichen Charakters weiter unten noch ausführlicher zu
sprechen kommen.
Gewiss ist die Baugeschichte von Hagar-Kim in manchen Dingen unsicher; in
keinem Fall aber wird man leugnen können, dass die Gestalt, in der gegenwärtig das
Gebäude vor uns steht, das Ergebnis vieler, vielleicht auf mehrere Jahrhunderte sich ver-
teilender Umbauten ist.
Tn der nächsten Umgebung von Hagar-Kim sollen sich einige Reste gefunden
haben, welche auf Anlagen ähnlicher Art hinweisen.1) Auf dem Abhang, der gegen die
See zu sich erstreckt, fielen mir einige isolierte unbearbeitete Steine auf, die künstlich in
Form von niedrigen Pfeilern aufgestellt sind.2) Grössere Bauten können an diesem steilen
Abhang nicht gewesen sein. Im Norden von Hagar-Kim landeinwärts an und bei der jetzt
verlassenen Stätte des ehemaligen Dorfes Hai Kebir erwähnt Abela (I, 8 § 40 — 43) manche
Ruinen. Ob einige davon ähnlichen Charakter hatten wie die von Mnaidra und Hagar-Kim,
lässt sich aus seinen Aeusserungen nicht entnehmen. Caruana, der den phönikischen Ursprung
von Hagar-Kim und Mnaidra für erwiesen annimmt, glaubt, dass hier einmal die alte phöni-
kische Hauptstadt der Insel gewesen sei und dass Hagar-Kim und Mnaidra Teile derselben
gebildet hätten. Insbesondere schien ihm der Name Hai Kebir „das grosse Dorf" darauf
hinzuweisen, dass an dieser Stelle einmal eine grosse Ansiedlung gewesen sei. Er bemerkt
auch,3) dass der Distrikt von Hai Kebir sehr reich an n megalithischen " Ruinen sei, die zum
grössten Teil noch nicht ausgegraben seien. Ueber die Beschaffenheit dieser letzteren macht
er aber keine genaueren Angaben, und so muss es vorläufig dahingestellt bleiben, ob mit
1) 8. Vance a. a. 0. S. 228; Adams a. a, 0. S. 241.
2) Solche Ueberreste erwähnt auch Lenormant in Revue generale de l'architecture a. a. 0.
3) Megalithic antiquities of Hagar-Kirn 8. 3.
90*
678
den Bauwerken von Hagar-Kim einmal eine grössere Ansiedlung in Verbindung stand.
Wahrscheinlich ist das immerhin. Bei der Mnaidraruine liegt allerdings die Annahme nahe,
als ob man für dieses Gebäude absichtlich eine öde und einsame Lage gesucht hätte.
Auf dem Hügel von Hagar-Kim befindet sich oberhalb von Mnaidra eine fast
ganz horizontale und ebene Felsplatte, welche eine gegen die Seite des Meeres zu
vorspringende Terrasse des Hügels bildet. In dieser sind nahe beieinander 6 Zisternen
ausgehöhlt, die unter dem Namen Biar Blat schon von Abela (I, 8 § 41) erwähnt werden.
Sie haben teils kreisförmige teils ovale und wannenförmige Gestalt und erweitern sich von
ihrem oberen Rande aus stark nach unten. In ihrem oberen Teil haben sie einen grössten
Durchmesser von 1,20 — 3,30 m, ihre Tiefe, jetzt nicht mehr erkennbar, mag ursprünglich
2 — 3 m betragen haben. In zwei Fällen sind zwei nahe beieinander liegende Zisternen
miteinander in Verbindung gesetzt worden, indem man durch den trennenden Fels eine
grosse bogenförmige Oeffnung gebrochen hat. Die Wände dieser Zisternen sind in ganz
grober Weise mit einem dicken spitzen Werkzeug bearbeitet worden. Die ursprüngliche
Bedeckung ist noch bei einer kreisrunden Zisterne erhalten und besteht hier in einer unregel-
mässigen Platte, in welche ein rundes Schöpfloch gebrochen ist. Rinnen, die man in sehr
nachlässiger Weise in den Felsboden eingefurcht hatte, leiteten das Wasser den Zisternen zu.
Sie nehmen, teilweise wenigstens, ihren Ausgang von meist ziemlich kleinen Vertiefungen,
die bald hier bald dort im Felsboden angebracht sind. Bemerkenswert ist noch ein kleines
quadratisches Bassin von 1,40 m Seitenlänge und 0,20 m Tiefe: die eine Seiten wand des-
selben ist von einer kleinen Oeffnung durchbohrt, durch welche sich der Inhalt des Bassins
in ein davor befindliches, kleineres rundes Becken ergiessen konnte. Heutzutage ist im Umkreis
von 1 — 2 Kilometer von diesen Zisternen kein Haus, alles vielmehr öde und steinige Gegend;
im Altertum wird es kaum anders gewesen sein. Trotzdem wird man wohl anzunehmen
haben, dass bei diesen Zisternen sich auch einmal Wohnstätten befunden haben, welche bei
der rohen und primitiven Anlage der ersteren in einer sehr frühen Zeit entstanden sein
mussten. Vielleicht war hier eine Ansiedlung, die gleichzeitig war mit den benachbarten
Bauten von Hagar-Kim und Mnaidra.
•e1
It-torri-tal-Mramma.
Die bisher beschriebenen Heiligtümer sind durch eine Menge ähnlicher Züge in Grundriss
und Bauart eng miteinander verbunden. Wir haben noch eine Anlage zu betrachten, die
einen wesentlich verschiedenen Charakter zeigt, aber doch demselben Zwecke wie jene gedient
zu haben scheint.
Es ist das eine Ruine auf der Insel Gozo, welche den Namen It-torri-tal-Mramma
führt. Sie war bisher nicht bekannt. Ich bin durch Herrn P. Emmanuele Magri aus Malta
darauf aufmerksam gemacht worden.
Die Ueberreste bestehen aus einer Gruppe von rundlichen Einfriedigungen und befinden
sich auf dem Sghara-tal-Mramma genannten Plateau, 600 — 700 Schritte südöstlich von dem
v
oberhalb des Dorfes Sannat gelegenen Palazzo ta-Cenc. Diese Höhe, welche östlich von
Sannat zwischen der Südküste und der den mittleren Teil der Insel einnehmenden Ebene
sich erstreckt, ist kahl und steinig. In ihrer Oede und Einsamkeit, ihrer Rauheit und
Unfruchtbarkeit erinnert sie an die Umgebung von Hagar-Kim. Nach Norden zu (gegen
das Dorf Seukia) fällt ebenso wie nach dem Meere das Plateau schroff ab, und es scheint
679
in früher Zeit einmal als Zufluchtsstätte gedient zu haben. Längs dem Nordrand zieht sich
eine lange Reihe von grossen unbearbeiteten Blöcken hin, die umgefallen sind und früher
einmal, wie es scheint, eine Art Verteidigungsmauer gebildet haben. Ich hatte nicht Ge-
legenheit, diese Ueberreste genauer zu untersuchen. Auch mehrere Spuren von Wagen-
geleisen, die mir in dieser Gegend auffielen, dürften in sehr frühe Zeit zurückweisen.
Die Ruine (s. Plan V), die hier näher betrachtet werden soll, ist niemals ausgegraben
oder vom Schutt gereinigt worden; die antiken Mauerzüge sind unter den modernen Stein-
wällen oder Feldmauern nicht immer mit Sicherheit erkennbar. Deutlich ist die Beeren-
zung bei dem ovalen Raum A, der im Norden durch eine apsisähnliche Nische erweitert ist,
dann bei der Apsis B, bei C, und teilweise auch bei G. Hier stehen die antiken Wand-
steine noch zum grossen Teil aufrecht; auch da wo dieselben fehlen (wie auf den Strecken
a — b, c — d, e — f, o — p) ist der ursprüngliche Verlauf der Mauer noch leicht zu erkennen.
Teilweise sind unter den modernen Steinschichtungen die antiken Fundamente noch erkennbar.
Die länglich-runden Einfriedigungen D und E sind gegenwärtig allerdings ganz von Feld-
mauern eingefasst, aber die Fundamente von diesen scheinen grösstenteils antik zu sein.
Verschiedene Blöcke oder Platten stehen noch aufrecht; auch hätte man Feldmauern kaum
in solchen Kurvenlinien geführt, wenn nicht ihre Linie durch früher vorhandene Mauerzüge
bestimmt gewesen wäre. Die Umfassung von F im Norden und gegen A und B zu bildet
ein niedriger Wall aus Feldsteinen, die in moderner Zeit ohne Sorgfalt aufgeschichtet worden
sind. Aber auf der Aussenseite desselben (auf der Strecke i — k) sind die antiken Steine
noch wohl erkennbar, und auch sonst sieht man da und dort aus der Masse der kleineren
Steine grössere Blöcke aufragen, die antik zu sein scheinen.
Wenn nun auch bei dem gegenwärtigen Zustande der ursprüngliche Grundriss nicht
mit voller Sicherheit in allen Teilen eruiert werden kann, so lässt sich doch folgendes mit
grosser Wahrscheinlichkeit behaupten: Die Anlage bestand aus einem grossen Hof (F), von
dem aus die meisten anderen Räume zugänglich waren.1) Drei davon lagen auf der Süd-
seite von F. Auf der Nordwestseite dieses Hofes befanden sich zwei ovale Räume (A u. B)
hintereinander, von denen bei dem vorderen die östliche Apsis grösstenteils unterdrückt ist,
während der hintere gegenüber vom Eingang durch eine halbkreisförmige Nische erweitert
war. Man betrat diese Räume von F aus über den Vorplatz G, dessen Begrenzung nicht
mehr recht erkennbar ist.
Die Mauern erheben sich nirgends über die unterste Lage. Die Steine sind nicht
besonders gross und unbearbeitet. In A ist die Innenwand durch aufgestellte Blöcke und
Platten von kaum ^2 m Höhe gebildet. Diese Mauer hat noch eine besondere äussere Fat^ade
aus niedrigen Blöcken, sodass ihre gesamte Dicke 0,70 — 0,80 m beträgt. Aehnlich war auch
die Mauer zwischen D und E einerseits und F andrerseits (g — h) konstruiert. In B und
teilweise auch in C sind die Steine, welche hier bis 1,20 m hoch und bis 2 m breit sind,
in bekannter Weise so gestellt, dass sie abwechselnd mit einer ihrer schmalen und einer
ihrer breiten Seiten die Wand bilden. In diesem Gebäude treffen wir die auffallende Er-
scheinung, dass ein Wandstein (in C) alle andern hoch überragt, ohne dass ein praktischer
Zweck ersichtlich wäre.
l) Unklar i-r die Art des Zugangs in C.
680
It-torri-tal-Mranima unterscheidet sich von den vorher geschilderten Tempelruinen durch
den unregelmässigen Grundriss, durch die ungleich grössere Roheit der Bauart und die
geringen Dimensionen der verwendeten Materialien. Doch ist es äusserst wahrscheinlich,
dass diese Anlage der gleichen Gattung zugehört. Der westliche Teil, der Hauptteil der
ganzen Ruine, spiegelt deutlich die Grundform der ältesten Heiligtümer von Malta wieder:
Zwei ovale Räume liegen hintereinander, von denen der vordere allerdings nicht in ganz
regelmässiger Weise zur Ausführung gekommen ist. Beide scheinen durch einen Korridor
verbunden gewesen zu sein. Der hintere Raum ist gegenüber vom Eingang in charakteri-
stischer Weise durch eine Apsis erweitert. Der Umstand, dass wir uns alle Räume allem
Anschein nach als offene Einfriedigungen zu denken haben, und das Vorhandensein des
grossen Hofes F sprechen gleichfalls dafür, dass It-torri-tal-Mramma ein Heiligtum und nicht
etwa eine gewöhnliche Wohnstätte gewesen ist. Die Einfriedigungen C, D, E mögen Neben-
gebäude oder Nebenräume gewesen sein, wie wir sie bei den andern Heiligtümern von Malta
auch angetroffen haben.
Wenn nun It-torri-tal-Mramma wohl der gleichen Gattung zugehört, wie Gigantia,
Mnaidra und Hagar-Kim, so lehrt doch die ganze Anlage dieses Gebäudes, dass es älter ist.
Der typische Grundriss des Heiligtums ist noch nicht ganz ausgebildet; die Bauweise ist
äusserst primitiv; die schlechte Erhaltung und der Umstand, dass man fast keinerlei Ein-
richtung im Innern vorgefunden, zeigt an, dass man es früh hat in Verfall geraten lassen.
Wir dürfen es wohl als Vorstufe zu den Bauten einer entwickelteren Periode betrachten.
Dass auch die Gigantia und die Gebäude von Mnaidra und Hagar-Kim untereinander und
in allen ihren Teilen nicht gleichzeitig sind, darauf ist im Vorausgehenden wiederholt hin-
gewiesen worden. Am frühesten unter diesen sind die ältesten Teile von Mnaidra und vom
Hauptgebäude von Hagar-Kim, ihnen zunächst steht wohl der einheitliche Rohbau der Gigantia,
deren innere Einrichtung zum Teil späteren Ursprungs sein dürfte. Einer etwas späteren
Zeit, für welche ausgiebige Anwendung des Punktornaments bezeichnend ist, verdanken
Mnaidra und Hagar-Kim die Gestalt, in der wir sie heute erblicken. Zu den jüngsten An-
lagen gehören, wie schon gesagt, das nördliche Gebäude von Mnaidra und die östliche
Hälfte von Raum B im Hauptgebäude von Hagar-Kim. Die Reihe der betrachteten Heilig-
tümer stellt also eine ziemlich lange Entwicklung dar.
Bevor wir der schwierigen Frage nach der Bedeutung der einzelnen Räume und Ein-
richtungen in diesen Tempeln näher treten, möge noch in einigen Worten die bei aller
Einfachheit so eigenartige Architektur derselben charakterisiert werden. Diese beruht
einmal auf der Beschaffenheit des verfügbaren Materials, andrerseits auf der Vorliebe des
maltesischen Baumeisters für die Bogenlinie, insbesondere für Räume von ovalem Grundriss.
Der Boden lieferte hauptsächlich Kalksteinplatten in verschiedener Dicke. Man konnte nun
einen solchen ovalen Raum auf die einfachste Weise einschliessen, indem man die vertikal-
gestellten Platten so nebeneinander stellte, dass sie mit einer ihrer breiten Seiten die Wand
bildeten. Aber einer solchen Mauer fehlte es naturgemäss an Festigkeit. Man hat deswegen
häufig, schon in den ältesten Bauten (z. B. in It-torri-tal-Mramma), zwischen diese Platten
andere keilförmiggestellte, bisweilen in regelmässiger Abwechslung, eingeschoben. Diese
Steinsetzung ist charakteristisch für die ältesten Bauten von Malta. Um noch grössere Stärke
zu erzielen, gab man oft den Mauern eine doppelte innere und äussere Facade mit einem
681
aus Füllmasse bestehenden Kern, gegen den sich nun die Platten der inneren und äusseren
Wand lehnten. Die Stelle einer äusseren Facade wird, wenn es sich um zwei oder mehrere
Innenräume handelt, in der Regel von der gemeinsamen Umfassungsmauer vertreten. Da
sich nun die vertikalen Platten der Innen- und Anssenwand gegen den bisweilen sehr dicken
Mauerkern stützten, so war es möglich, die Wände durch Schichtung von Blöcken trotz
der rohen Konstruktion zu bedeutender Höhe zu führen, wie dies besonders bei der Gigantia
geschehen ist. Die vertikalen Platten der Aussenwände, deren Fuss oft durch horizontal-
gelegte Platten oder Blöcke gefestigt ist, üben mit den über ihnen ruhenden Blöcken einen
mehr oder minder bedeutenden Druck auf den Mauerkern. Dieser wird aufgehoben durch
den Zusammenschluss der kreisförmig gestellten Platten und der oberen Lagen, welche die
Wände der Innenräume bilden. Wenn diese Lagen einige Male überkragen, so wird dadurch
eben auch ein Gegendruck nach aussen gegen die Füllmasse und die Steine der äusseren Wand
geübt. Wir sehen also hier die deutlichen Anfänge einer Bauweise, die auf anderen Inseln
des Mittelmeers eine so bedeutende Entwicklung erfuhr. Aber während man in Sardinien und
auf den Balearen dazu fortschritt, mehr oder minder grosse Räume mittels Ueberkragung zu
überwölben, so sind unsere maltesischen Heiligtümer immer unbedeckte Räume geblieben,
die den Charakter von Höfen und Einfriedigungen nie verleugnen konnten. Fergusson (Rüde
Stone Monuments S. 421 — 424), der übrigens diese Gebäude, soweit sie ihm bekannt waren,
für Grabbauten hielt, sucht nachzuweisen, dass sie durch ein grosses auf der Umfassungs-
mauer ruhendes Gewölbe überdeckt waren, welches wie bei den griechischen Kuppelgräbern
durch Ueberkragung hergestellt gewesen sei, so dass diese Bauten ursprünglich das Aussehen
von gewaltigen Kegeln gehabt haben würden. Mit Recht weist Caruana1) diese abenteuer-
liche Idee zurück und fragt, wie denn nach dem Einsturz eines so massiven Daches die
innere Einrichtung noch stellenweise so gut sich habe erhalten können, als sie sich wirklich
bei der Ausgrabung vorgefunden habe.2) Auch die einzelnen Apsiden, wo sich wirklich
Ueberkragung findet, sind nicht in dieser Weise überdeckt gewesen. Bald steht die grobe
Bauart, bald die Schwäche der Mauer, überall die Schwierigkeit des Abschlusses gegen die
offene Seite der Apsis einer solchen Annahme im Wege. Es ist dadurch nicht ausge-
schlossen, dass einzelne Räume gelegentlich eine leichtere zeltartige Bedachung erhielten.
Man hat in den konischen Vertiefungen, die sich in Gigantia und Hagar-Kim öfter im
Plattenbelag des Fussbodens finden, die Standorte von Zeltmasten sehen wollen und glaubte,
dass die ringförmigen Aushöhlungen, die man in Hagar-Kim zuweilen auf dem Niveau des
Fussbodens trifft, dazu gedient hätten, die Enden von Zeltschnüren anzubinden. Das sind
Annahmen, die sich schwer widerlegen, noch weniger aber beweisen lassen. Eine Ueber-
x) Megalithic antiquities of Hagar-Kim S. 6; er gibt aber eine Ueberdeckung einzelner Apsiden
durch ein falsches Gewölbe zu.
2) Aber auch andere Erwägungen sprechen gegen die Annahme eines steinernen Daches. Bei
den primitiveren Anlagen wie bei denen von It-torri-tal-Mramma können die Mauern schon ihrer geringen
Dicke wegen nie eine erhebliche Höhe gehabt haben; bei diesen Räumen gab es sicherlich niemals
irgendwelche Bedachung. Aber auch bei den sorgfältiger angelegten Gebäuden begegnet nichts, was auf
eine Bedachung im Sinne Fergussons schliessen Hesse. So sieht man nichts von Stützpfeilern und Stütz-
mauern, deren Anbringung doch kaum zu umgehen gewesen wäre. In der Gigantia, wo die Mauern noch
am höchsten stehen, trifft man keine Spur von Ueberkragung; in Mnaidra und Hagar-Kim sind die Um-
fassungsmauern zu unregelmässig angelegt, in Hagar-Kim auch zu oft unterbrochen, um als Grundlage
für ein solches Dach dienen zu können.
682
deckung (durch Steinplatten) findet sich, von wenigen Nischen abgesehen, nur bei den Ein-
gängen und Durchgängen. Diese haben meist die Gestalt eines Korridors, der sich in
der Gigantia, in Mnaidra und Hagar-Kim nach innen erweitert, indem die Platten, welche
die Wände bilden, auf jeder Seite hintereinander zurücktreten. Die letzte Platte auf jeder
Seite, welche etwas in das angrenzende Gemach vorspringt, ist in der Regel grösser als die
andern. Dieser Umstand dürfte, teilweise wenigstens, darin seine Begründung finden, dass
diese Steine den Zweck hatten, die zwischen ihnen befindlichen Platten, auf denen die Be-
deckung ruhte, von der Seite her zu stützen. Ein ähnliches findet sich bei den vielen tisch-
ähnlichen Aufbauten. Da steht auf jeder Seite der horizontalen Platte, diese in der
Regel hoch überragend, ein hoher Pfeiler, der nur den Zweck gehabt haben kann, ein seit-
liches Ausweichen der Platte zu verhindern.1) Die korridorartigen Eingänge fanden aber
nur bei grösseren Räumen Anwendung. Bei kleineren Räumen und Nischen, die augen-
scheinlich nicht allgemein zugänglich waren, bestanden die Zugänge aus fensterähnlichen
Oeffnungen, die meist in eine grosse aufrechtgestellte Platte der Wand ausgeschnitten waren.
Der Vorliebe für grosse Materialien begegnet man in allen diesen Bauten, be-
sonders in denen der späteren Periode. Damit geht das Bestreben Hand in Hand, aus einem
einzigen Stein womöglich gleich etwas Ganzes herzustellen. Davon zeugen die erwähnten
Fensteröffnungen, die monolithen Tische, manche Platten, von denen eine einzige gelegentlich
für eine längere Strecke die Wand oder die Bedeckung einer Nische bildet. Eine Bear-
beitung der Steine war in den älteren Bauten überhaupt nicht beabsichtigt, auch in den
jüngeren wurden immer noch einzelne Teile wie die Umfassungsmauer aus unbearbeiteten
Steinen aufgeführt. Ueberhaupt war die Grösse des Materials und die Weichheit der Ge-
steinsart einer besseren Bearbeitung im Wege, und so kommt es, dass auch die späteren
und sorgfältiger angelegten Gebäude den Eindruck einer grossen Roheit machen, wenn auch
die Dimensionen der verwendeten Steine imponieren.
Es ist gegenwärtig nicht möglich, zu einer befriedigenden Erklärung des Zweckes
dieser Gebäude im einzelnen zu gelangen, da es an Objekten zur Vergleichung fehlt. Freilich
darüber kann kein Zweifel sein, dass es Heiligtümer waren; es ist nicht denkbar, zu
welchem anderen Zwecke diese offenen, unbedeckten und leicht zugänglichen Einfriedigungen
und Höfe gedient haben sollen. Die Hauptbestandteile des Heiligtums sind, wie schon
eingangs dargelegt, zwei hintereinander liegende ovale Zimmer und eine Nische im Hinter-
grunde des zweiten gegenüber dem Eingang. Die Eingänge und Durchgänge haben
immer grosse Wichtigkeit besessen. So gehören sie zu den wenigen Stellen, die, wenn auch
nicht durchweg, eine Bedeckung erhielten. Die Steine zu ihren Seiten und die Schwellen
sind in den späteren Bauten oft ornamentiert. Die kleinen Nischen, die immer in dem
vorderen Räume rechts und links vom Durchgang in den hinteren sich befinden und mit
einem rektangulären, einer Bank vergleichbaren Block ausgefüllt sind,2) haben sicher irgend
eine Rolle im Kult gespielt, da sich sonst kein praktischer Zweck für sie denken lässt.
Ueberhaupt scheint es, dass man auf den Weg, der zum Heiligtume führte, grosse Sorgfalt
verwendet hat. Die Nische im Hintergrund, die den Eingängen und Durchgängen
unmittelbar gegenüberliegt, muss anfangs der vornehmste Raum im ganzen Gebäude gewesen
!) S. z. B. Taf. V, 2.
2) S. z. B. Plan von Mnaidra f2, f2 und Taf. III, 2.
683
sein. Sie findet sich schon im Grundriss der älteren Bauten wie in It-torri-tal-Mramma.
Ihre zentrale Lage und ihre Einrichtung sprechen für ihre Bedeutung. Wo letztere
noch erkennbar ist, bestand sie in einem grossen tischartigen Aufbau zwischen zwei
hohen Pfeilern. In Mnaidra sind einmal diese Pfeiler mit eingegrabenen runden Vertiefungen
versehen, was auch dafür spricht, dass ihnen eine besondere Wichtigkeit zukam. Am nächsten
liegt die Annahme, dass die Tischplatten als Altäre gedient haben. Aber hiefür sind diese
Tische zu gross. Auch befindet sich die Platte im nördlichen Gebäude der Mnaidra in einer
Höhe, welche für eine derartige Bestimmung ungeeignet erscheint. Der Ort selber, den
diese Tische einnehmen, würde bei seiner bedeutsamen Lage mehr für das Heiligtum selbst
als für einen Altar passen. Sollten vielleicht diese Tische mit den hohen Pfeilern zu ihren
Seiten selbst Gegenstand der Verehrung gewesen sein,1) während die ovalen Höfe davor
Raum für die Kulthandlungen boten? Man hat übrigens diese zentrale Nische im südlichen
Gebäude der Gigantia leer befunden, in Hagar-Kini ist sie beim Umbau verschwunden, im
südlichen Gebäude der Mnaidra ist dieser Platz später vernachlässigt worden. Statt dieser
Nischen und neben denselben sind es später die Nebengemächer und Rezesse, zum Teil
auch die Apsiden der ovalen Räume, die augenscheinlich die wichtigsten Stätten im Gebäude
sind. Die Rezesse2) sind in Mnaidra und Hagar-Kim an die schon früher vorhandenen
ovalen Räume angebaut worden, welche zu jenen nun die Stelle von Vorhöfen vertreten.
Auch in diesen Rezessen sind es wieder solche Tische, nur von geringerer Grösse, welche
die wesentliche Einrichtung bilden. Diese Tische können gleichfalls nicht als Altäre auf-
gefasst werden. Denn die Räume, in denen sie sich befinden, eng und nicht gerade bequem
zugänglich, hätten für eine Opferhandlung den denkbar ungünstigsten Raum gewährt. Diese
kleineren Tische werden nicht anders erklärt werden können, wie die grossen der Nischen
im Hintergrunde.
Ausser diesen Tischen kam den tabernakelartigen Gehäusen eine besondere
Heiligkeit zu. Ein solches fand sich in der Gigantia auf einer erhöhten Estrade (in der
rechten Apsis von A); man sieht sie noch in den jüngeren Teilen von Hagar-Kim (E) und
Mnaidra (G) in kleinen abgeschlossenen Räumen, die augenscheinlich von niemand betreten
werden sollten. In jedem dieser Gebäude befand sich also nur ein solches Gehäuse. Es
kann kaum einen andern Zweck gehabt haben, als besonders heilige Gegenstände, etwa
Symbole der Gottheit, aufzubewahren.
Ob in dem Gehäuse der Gigantia der nahe demselben gefundene konische Stein (s. o. S. 649)
seinen Platz hatte, bleibt zweifelhaft; wie dem auch sei, das ist sicher, dass konische und
pfeilerartige Steine auf Malta im Kult eine grosse Rolle gespielt haben und als Symbole
der Gottheit verehrt worden sind. Einen ähnlichen konischen Stein wie in der Gigantia
sah, wie oben (S. 670) bemerkt, La Marmora auch in den Ruinen von Hagar-Kim; zwei
kleine von derselben Gestalt mit konkaver Basis, etwa 20 cm hoch, die jetzt im Museum von
Valetta sind, stammen gleichfalls daher. Ein pfeilerartiger durchbohrter Stein, der, allein-
1) Bei der zentralen Nische C im nördlichen Gebäude der Mnaidra hat es allerdings fast den An-
schein, als ob der tischähnliche Aufbau keine selbständige Bedeutung gehabt hätte und als ob hier die
horizontale Platte nur dje Bestimmung gehabt hätte, die Nische zu überdecken. Es Hesse sich dann
denken, dass hier und vielleicht auch in anderen ähnlich überdeckten Nischen (wie z. B. a, ß, y im Haupt-
gebäude von Hagar-Kim) Kultgegeustärtde ihren Standort gehabt hätten.
2) F, H und D auf Plan II. C und D auf Plan III.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 91
684
stehend, sich durch keinen praktischen Zweck erklären lässt, fällt im südlichen Teil der
Gigantia (Plan I, m; s. oben S. 650) auf.1) Gewiss hatte der zylindrische Pfeiler Sj, der frei
in der Nische L auf der Ostseite des Hauptgebäudes von Hagar-Kiin steht, eine religiöse
Bedeutung; denn davor stand ein mit dem Punktornament bedeckter Stein (t,), der allem An-
schein nach einen Altar vorstellte. Ebenso ist wohl der ähnliche Pfeiler z zu erklären, der
in dem künstlich erhöhten Zimmer F gegenwärtig auf dem Boden liegt. Auch die grosse
Steinkugel, die in einem Nebengebäude von Hagar-Kim liegt (s. o. S. 673), lässt sich wohl
als Kultsymbol auffassen; die kleinen halbkugeligen, konischen und ovalen Steine, die sich
in Hagar-Kim gefunden haben (s. o. S. 669), dürften dagegen eher Nachbildungen solcher
grösserer Kultsymbole, also Votivgaben gewesen sein.a)
Zuletzt scheint man dazu fortgeschritten zu sein, auch die Gottheit bildlich darzu-
stellen. Darauf lassen die Kalksteinköpfe der Gigantia (s. u.) schliessen, während man in den
kleinen Idolen, die in Hagar-Kim gefunden worden sind, wohl Votivgegenstände zu sehen hat.
Dass die kleinen Vertiefungen, mit denen die Oberfläche so vieler Steine in diesen
Heiligtümern bedeckt ist, eine religiöse Bedeutung gehabt haben, ist wohl nicht anzunehmen.
Montelius (Orient und Europa S. 28) vergleicht sie mit den kleinen schalenförmigen Gruben,
die man auf den Steinen der Dolmen in den verschiedensten Ländern bald in grösserer bald
in kleinerer Zahl antrifft und denen offenbar eine solche Bedeutung zukam. Es hat sich
indessen hier auf Malta bei diesen kleinen Löchern sicher nur um eine einfache Verzierung
gehandelt. Anders verhält es sich mit den grösseren Vertiefungen, die in der Zahl von 6
und 1 auf den Pfeilern xv zx im südlichen Gebäude von Mnaidra eingegraben sind (s. o.
S. 659 und Taf. IV, 1). Diese werden wohl mit dem Kult in irgend einer Beziehung ge-
standen haben.
Den gottesdienstlichen Verrichtungen dienten Altäre, wie jener skulpierte, der in Raum
A von Hagar-Kim gefunden worden ist. Auch die monolithen Tische in diesem Tempel, und
verschiedene der würfelförmigen Blöcke, die hier und dort begegnen, haben sicher eine solche
Bedeutung gehabt.3) Ebenso hatte wohl der kleine Wasserbehälter in der Gigantia auf
Opferhandlungen Bezug. Im übrigen scheint der Kult, der in diesen Gebäuden geübt wurde,
ein ziemlich komplizierter gewesen zu sein, besonders in späterer Zeit. Darauf lässt die
grosse Zahl von Haupt- und Nebenräumen schliessen, die in so mannigfacher Weise gegen-
einander abgeschlossen oder miteinander in Verbindung gesetzt waren. In letzterer Hinsicht
sind die kleinen Ausschnitte und Löcher, welche die Wand zwischen zwei Räumen durch-
bohren (s. o. S. 657, 660, 667), sehr merkwürdig. Unter den Räumen von nebensächlicher
Bedeutung haben manche gewiss auch zur Beherbergung der Opfertiere gedient, so besonders
G und H in Hagar-Kim, wo an den Wandsteinen eine grössere Zahl ringförmiger Aus-
:) So scheinen auch die isolierten durchbohrten Steinpfeiler, die sich ziemlich häutig in Zypern
finden, religiöse Bedeutung gehabt zu haben (Deschamps, Les Menhirs perces de File de Chypre in
L' Anthropologie VII (1896), S. 46 ff.).
2) In die Reihe dieser Gegenstände gehören wohl auch ein kleiner konischer Gegenstand und drei
miteinander zu einem Ganzen verbundene kleine Kugeln (aus Stein?), die bei d'Avezac, Isles de FAfrique
pl. 27, fig. 8 u. 9 unter den in der Gigantia gefundenen Gegenständen abgebildet sind.
3) Wahrscheinlich hat auch die in der Gigantia gefundene Platte mit dem Relief eines Fisches
(*. o. S. G50), welche auf ihrer oberen Fläche ebenso wie die Tische s, s von Hagar-Kim einen erhöhten
Rand zeigt, zu einem Altare gehört.
685
höhlungen angebracht ist, die wohl zum Anbinden von Tieren gedient haben. Es sind auch
in der Gigantia und in Hagar-Kim zahlreiche Knochenreste gefunden worden, die meist
kleinen Tieren wie Schafen, Ziegen angehört zu haben scheinen.
Bemerkenswert ist schliesslich, dass bei der Gigantia und in Mnaidra zwei, bei Ha^ar-
Kim, wie es scheint, sogar drei solcher Heiligtümer nebeneinander angelegt waren, von
denen aber immer eines als das wichtigste erscheint.
Ich möchte hier eine Bemerkung über die auf Malta und Gozo vorkommenden iso-
lierten aufgerichteten Steine anreihen. Denn zum Teil wenigstens wird man diesen
Denkmälern gleichfalls eine sakrale Bedeutung zuschreiben dürfen, nachdem auch in den
eben beschriebenen Heiligtümern aufrechtgestellte Steinpfeiler Gegenstände der Verehrung
waren. Andrerseits wäre es auch denkbar, dass sie die Stelle von Gräbern bezeichnet haben.
Freilich können diese Steine nicht mit vollständiger Gewissheit als isoliert bezeichnet werden,
da sich nicht mehr feststellen lässt, ob nicht früher einmal neben und in Zusammenhang
mit ihnen andere Anlagen existierten, die seither verschwunden sind. Wir haben oben
(S. 677) solche Steine erwähnt, welche auf dem Abhang des Hügels von Hagar-Kim be-
gegnen. Adams (S. 248 f.) berichtet, dass man längs der östlichen Küste von Malta isolierte
aufrechtstehende Blöcke beobachte. Im besonderen erwähnt er in der Nähe der Höhle Ghar
Hasan an der Südküste einen aufgerichteten Monolithen, der gegenwärtig wenigstens isoliert
dasteht. Caruana spricht von anderen in der Ebene von Sgharet-Medewiet bei Marsa-
Scirocco und im Thal von San Dimitri auf Gozo. Das bedeutendste noch erhaltene Denkmal
dieser Art dürfte der Hagra-Wiekfa genannte Stein sein, der nicht weit vom Dorfe Kala
am östlichen Abhang des Plateaus von Nadur (Gozo) in einem Felde steht (Taf. IX, 1). Er
ist zuerst erwähnt und abgebildet von Caruana, Archaeological Journal 1896, June, S. 142.
Der Stein ist völlig unbearbeitet und hat die Gestalt eines nach oben sich etwas ver-
jüngenden Pfeilers; seine Höhe beträgt etwa 3,30 m; an seinem Fusse hat er einen Um-
fang von etwa b1^ m.
Befestigungen, Wohnstätten und Bauwerke zweifelhafter Bestimmung.
Türm e.
Da wo sich die Hochebene im Osten von Malta allmählich zur Bucht von Marsa-Scirocco
hinabsenkt, begegnen stark zerstörte Reste von runden Türmen. Der am besten erhaltene
liegt beinahe 1400 m südlich von der Ortschaft Gudia und führt den Namen it-torri-ta-
Gauhar (s. Taf. IX, 2). Abela (I, 8 § 50) und Houel (IV, 93) erwähnen
diese Ruine, beschränken sich aber auf wenige Notizen. Dieselbe ist
von kreisrunder Gestalt und hat einen Durchmesser von etwa 14,50 m;
an der am wenigsten zerstörten Nordseite ist sie noch 7,20 m hoch.
Die Rundung lässt sich auf eine Strecke von etwa Dreiviertel der
ganzen Peripherie (ab auf der Planskizze Fig. 10) mit voller Deutlich-
keit verfolgen; nur die Südwestseite liegt gegenwärtig vollständig unter
dem Schutt begraben. Die Aussenmauern bestehen aus länglichen
Blöcken, die ohne Bindemittel in ziemlich unregelmässiger Weise ge-
schichtet sind und bald eine ihrer langen Seiten oder, indem sie keilförmig gelegt sind, ihr
schmales Ende nach aussen kehren. Im unteren Teil des Gebäudes lassen sich horizontale
91*
686
Lagen unterscheiden; hier sind die Steine an der Ansichtsfläche und zum Teil auch an den
Kanten bearbeitet und haben in der Mehrzahl ungefähr rechteckige Form. Von der 7. Lage
ab, nach der die Wand ringsherum um 0,10 m zurückspringt, werden die Steine kleiner,
ihre Form wird unregelmässiger, die Lagen gehen ineinander über. Die Fügung ist überall
eine schlechte, zwischen den Blöcken zeigen sich bisweilen nicht unbedeutende Lücken. Die
Dicke der Aussenmauer lässt sich gegenwärtig nicht mehr bestimmen. Nach Houel betrug
sie 3 Fuss 6 Zoll (= 1,12 m). Das Innere des Turmes ist gegenwärtig ein wüster Trümmer-
haufen, der von den dichten Zweigen einer Karrube, die dort Wurzel geschlagen hat, be-
schattet wird. Nur im südlichen Teile bemerkt man in einer Höhe von 2,20 m über dem
Fuss des Turmes eine 3,50 m lange und 1 m hohe Mauer (cd) aus unregelmässigen Blöcken,
die radial zu der hier nicht mehr erhaltenen Aussenmauer verläuft. Von einem Eingang
lässt sich in den erhaltenen Partieen des Gebäudes nichts mehr wahrnehmen. Dagegen
findet sich ein solcher noch in einer andern Turmruine erhalten, die von den Landleuten
Torriet genannt wird und etwa 1200 m südöstlich vom Dorfe Zurrico auf der linken Seite
der von diesem Dorfe nach der Landspitze Benhisa führenden Strasse liegt. Das kreis-
förmige Gebäude hat einen Durchmesser von 12,20 m. Die Aussenmauer steht auf der
Nord- und Ostseite noch ungefähr 2 m hoch; nur auf einer Strecke im Südwesten ist sie
nicht mehr sichtbar. Das Innere ist auch hier grösstenteils mit Schutt erfüllt. Die recht-
winklige Thüröffnung im Norden, die mit einem länglichen Steinblock überdeckt ist,
ist 0,85 m weit und 1,40 m hoch. Man kommt durch dieselbe heutzutage in einen kleinen
länglichen Raum, der als Feldhaus dient. Decke und grösstenteils auch Wände sind hier
modern; nur ein kleiner Teil der letzteren ist sicher antik, was aber doch darauf schliessen
lässt, dass das Innere des Turmes in einzelne Gemächer abgeteilt war. Die Bauart zeigt
V
grosse Aehnlichkeit mit torri-ta-Gauhar, ist aber etwas un regelmässiger. Von ähnlicher
Bauart und Grösse war auch der jetzt fast ganz zerstörte Turm von Baccari unmittelbar
an der Strasse, die von Zurrico nach Benhisa führt, und zwar 2 Kilometer südöstlich von
ersterem Orte gelegen. Auch hier ist noch der grössere Teil der Aussenmauer sichtbar, die
einen Kreis von ungefähr 13 m Durchmesser beschreibt. Diese hat im Westen noch eine
Höhe von 2,40 m; sonst sind nur mehr die Steine der untersten Lage sichtbar; einer von
diesen auf der Südseite zeigt Einarbeitungen, die auf einen Eingang schliessen lassen. Im
Inneren, das grösstenteils zerstört und verschüttet ist, gewahrt man schwache Spuren von
Mauerzügen.
In der Umgebung von „Torriet" finden sich zwischen den Feldern viele ungemein
grosse Steinwälle aufgeschichtet, die sich in dieser Gegend kaum anders erklären lassen, als
durch die Annahme, dass hier einmal bedeutende Ruinen bestanden haben. Vielleicht, dass
unter ihnen noch Reste von ähnlichen Anlagen, wie die eben beschriebenen Türme es sind,
begraben liegen. Auch in der Pluralform des Namens , Torriet' könnte man eine Hindeutung
darauf sehen. Nachdem andere Bauwerke, mit denen diese Türme in Beziehung gesetzt
werden könnten, (gegenwärtig wenigstens) fehlen, wird man diese wohl am ehesten als Zu-
fluchtsstätten oder befestigte Wohnplätze erklären. Ihre rohe und unregelmässige Bauart
weist in sehr frühe Zeit und zeigt Verwandtschaft mit den im folgenden zu besprechenden
Mauern von Borg-en-Nadur, die mit den vorher beschriebenen Heiligtümern ohne Zweifel
gleichzeitig sind.
687
Borg-en-Nadur.
Als Befestigungsanlage hat man wohl auch den grössten Teil der Ruinen von Borg-
en-Nadur an dem Meerbusen von Marsa-Scirocco zu betrachten. Sie liegen auf dem lang-
gestreckten Höhenzug, der zwischen den engen Thälern Wied-Dalam und Wied-ta-Hassartan
bis an die Cala San Giorgio genannte Einbuchtung sich erstreckt. Der letzte Ausläufer
dieses Höhenrückens tritt fast bis an das Meer heran und endigt bei einem kleinen, jetzt
verlassenen Fort, das nach der ehemaligen Kirche S. Giorgio benannt ist. Er bildet hier
ein wenig geneigtes Plateau von 20 — 30 m Höhe, welches steil im Osten und Westen in
die genannten Thäler, im Süden zum Meere abfallt, während es im Norden mit dem übrigen
Teil der Anhöhe zusammenhängt.
Man hielt diese Ruinen vielfach für Reste des von Ptolemaeus auf Malta erwähnten
Heraklestempels; doch ist es nicht sicher, ob die schon im 16. Jahrhundert1) erwähnten
Ruinen des Heraklestempels bei Marsa-Scirocco mit denen von Borg-en-Nadur identisch sind.
Dagegen beziehen sich auf letztere einige Notizen bei Abela (I, 1 § 60) und Houel (IV, 93).
Die im Jahre 1881 begonnenen Ausgrabungen wurden bald wieder eingestellt, ohne dass
hierüber etwas veröffentlicht worden wäre.2)
Der bedeutendste Teil dieser Ruinen (Fig. 11) liegt auf der Höhe des Plateaus wenig
über 200 m von der Küste entfernt. Man bemerkt hier eine von SO. nach NW. verlaufende
Mauer (a b), welche in ihrem nörd-
lichen Teile stark nach Westen um- ™1S- 11-
gebogen ist. Sie ist von einer
kurzen Unterbrechung abgesehen
noch auf eine Länge von etwa
58 m zu verfolgen, ihre Facade,
die gegenwärtig allein sichtbar ist,
wendet sich nach Norden und Osten.
Von dem südlichen Endpunkt (b)
dieser Mauer zweigt eine zweite
(bc) nach Osten ab, welche man
noch auf eine Länge von 18 m s
erkennen kann; sie zieht nur an-
fangs auf eine kurze Strecke in
gerader Richtung und beschreibt
dann gleichfalls einen nach Norden
geschlossenen Kreisbogen, dessen Abschluss nicht deutlich ist. Diese Mauern, die durch die
letzten Ausgrabungen nur in sehr unvollkommener Weise vom Schutte gereinigt worden
sind, sind in den am besten erhaltenen Teilen noch 31/:* — 4^2 m hoch. Ihre Dicke scheint,
soweit sich das noch bemerken lässt, etwa l1^ m zu betragen. Sie bestehen ganz aus Stein-
anlike Mauer
' moderne Feldmiuer
rd Sihullfraae.
') Von Quintinus Haeduus, Descriptio in3ulae Melitae col. 2. in Graevius, Thesaurus antiqui-
tatum Siciliae vol. XV und Fazellus, De rebus Siculis, prioria decadis lib. 1, cap. 1.
2) Ueber die Altertümer von Borg-fii-Nadur s. noch Vassallo, Monumenti antichi S. 9 ff. und
Caruana, Report ^. 17 ff.
688
blocken, die völlig unbearbeitet und ohne Bindemittel in sehr roher Weise geschichtet sind.
Die grössten Steine sind 2,20 m lang und 0,70 m dick. Die meisten sind der Lauge nach
gelegt; mit diesen wechseln bisweilen andere ab, welche quer durch die Dicke der Mauer
gehen und so der Schichtung Halt und Festigkeit geben. Einen ähnlichen Zweck erfüllen
in der Facade der Mauer einige pfeilerartig aufgestellte hohe Steine, welche durch mehrere
Lagen durchgreifen.1)
Im Innern der beiden bogenförmigen Mauerabschnitte ist jetzt alles eine ordnungslose
Steinmasse, in der man, wie es scheint, ohne Erfolg nachgegraben hat. In einiger Ent-
fernung hinter diesen Mauern lassen sich andere von sehr roher Konstruktion wahrnehmen
(kl u. ef), welche zu diesen Bögen ungefähr wie Sehnen verlaufen. Was die bogen-
artigen Mauerzüge für einen Zweck gehabt haben, ist nicht ganz klar. Am nächsten liegt
es. sie für Teile von Türmen zu halten, wenn auch ihre Rundung keine vollständige ge-
wesen zu sein scheint.2)
Von der Steinmasse, welche gegenwärtig das Ende des nordwestlichen Mauerbogens
(bei a) bedeckt, zieht ein gewaltiger Steinwall (g, g, g) in etwas gekrümmter Linie bis zum
westlichen Rand des Plateaus. Er zeigt moderne Schichtung, aber seine Grösse, die weit
über die einer gewöhnlichen Feldmauer hinausgeht, legt den Gedanken nahe, dass er viel-
leicht über alten Ruinen errichtet sei. Unter seinen Fundamenten gewahrt man Blöcke, die
antik zu sein scheinen. Auch der hohe Steinwall hi scheint über antiken Mauerresten
errichtet zu sein; es ist nämlich am Fuss der modernen Facade noch auf eine allerdings
sehr kurze Strecke deutlich antikes Mauerwerk sichtbar.
Durch diese Mauern und Wälle, welch letztere, wie es scheint, andere alte Mauern
verbergen, wird das Plateau von Borg-en-Nadur auf der Nordseite abgesperrt, nur eine
kurze Strecke östlich von f ist gegenwärtig völlig offen. Alle übrigen Seiten des Plateaus
waren infolge des schroffen Absturzes der Ränder nur schwer zugänglich. So hat es den
Anschein, als wenn diese ausgedehnten Mauerzüge mit den turmartigen Anlagen Teile einer
Befestigung gewesen wären, welche das Plateau auf der einzigen von der Natur nicht ge-
schützten Seite verteidigen sollte.
Innerhalb dieser Mauern befanden sich auf dem Plateau verschiedene Gebäulichkeiten.
Ein Teil wurde bei den Ausgrabungen des Jahres 1881 hinter der Mauer ab blossgelegt,
aber seitdem wieder zugeschüttet. Man fand hier neben einigen unregelmässig verlaufenden
Mauerzügen oder Steinsetzungen zwei kleine Einfriedigungen von ovaler Gestalt (A u. B),
die etwa 8 und 10 m lang waren.3) Nach den wenigen Spuren, die noch sichtbar sind, zu
urteilen, bestanden sie aus ziemlich kleinen unbearbeiteten Blöcken; wahrscheinlich gehörten
sie teilweise ursprünglich Hütten oder primitiven Wohnstätten an. Man sammelte hier auch
1) S. Taf. X, 1, welche eine Ansicht von der (restaurierten) Facade der Mauer ab gibt.
2) Houel gibt folgende Beschreibung: (l'edifice) presente deux portions circulaires de douze ;i
quatorze toises de diarnetre, eloignees l'une de l'autre d'un de leur diarnetre, et unies ensemble par un
mur en retour d'equerre, dont un des cötes fait tangente et s'alonge de huit ä dix toises sur Fun des
deux cercles, et l'autre cöte fait rayon ä l'autre portion du cercle.
3) Sie sind verzeichnet auf einer Planskizze, angefertigt von dem damaligen Superintendent of
Public Works E. L. Galizia, die ich bei einem Photographen in Valetta vorfand, und die zum Teil meiner
Skizze Fig. 11 zu Grunde liegt.
689
eine Anzahl kleiner Steinpfeiler von zylindrischer Form, die ganz roh bearbeitet sind, eine
Länge von 0,50 — 0,60 m und einen Durchmesser von 0,20 m haben.
Wichtiger scheinen die Anlagen gewesen zu sein, von denen sich noch etwa 100 Schritte
südöstlich von b, gegen den Südrand des Plateaus zu, wenige Reste finden, die zuerst von
Vassallo (S. 10) erwähnt werden. Hier bemerkt man in der Richtung von Norden nach
Süden aneinander angebaut drei kleine Räume von sehr schlechter Erhaltung und unsicherer
Begrenzung. Der nördlichste, etwa 8 m lang und 2 m breit, ist von länglicher Gestalt
und erstreckt sich von Nordwesten nach Südosten. Die Wände bestehen aus l1/» — 2 m
hohen aufrechtgestellten Platten, die völlig unbearbeitet sind. Die meisten von diesen
Platten bilden mit einer ihrer breiten Seiten die Wand; dazwischen sind, wie wir es bei
den Tempeln zu beobachten Gelegenheit hatten, andere eingeschoben, die quer zu jenen
gestellt sind. Eine von den ersteren ist in ihrem obersten Teile von einem runden Loch
von 12 — 13 cm Weite durchhohrt, das künstlich zu sein scheint. Der Raum, der unmittelbar
südlich an diese Einfriedigung anstösst, ist noch kleiner, von länglich viereckigem Grundriss;
die Wände sind wieder durch aufrechtgestellte, zum Teil bearbeitete Steinplatten gebildet.
L'eberdeckt ist derselbe in einer Höhe von 2 m über dem Boden durch eine einzige Stein-
platte, die 4,90 m lang, 1,50 m breit, 0,60 m dick ist. In der Wand der westlichen Lang-
seite befindet sich eine 1,10 m weite, 1,50 m hohe thürartige Oeffnung; doch ist es nicht
unmöglich, dass dieselbe ursprünglich geschlossen war. Die östliche Wand ist gegenwärtig
ganz modern.1) Das Ganze dient jetzt zu einem höchst bescheidenen Zufluchtsort für Hirten
oder Schafe. Südlich daran anstossend scheinen einige aufrechtgestellte, unbearbeitete Steine,
von denen einer 3,85 m hoch ist, einen dritten, kleinen, viereckigen Raum einzuschliessen.
Man könnte annehmen, dass diese kleinen Ruinen ursprünglich einen Teil eines grösseren
Gebäudes gebildet haben, das vielleicht in dem westlich angrenzenden etwas erhöhten Feld
noch begraben liegt. Ueberhaupt hat es den Anschein, als wenn systematische Ausgrabungen
auf dieser Stätte noch erhebliche Ueberreste zu Tage fördern könnten. Ueber die Be-
deutung der zuletzt erwähnten sehr primitiven Gebäulichkeiten wage ich mich nicht zu
äussern; ihre Anlage zeigt viele Uebereinstimmung mit der Steinsetzung, die wir bei den
Tempelgebäuden beobachteten, und beweist, dass die Reste auf dem Plateau von Borg-en-
Nadur derselben Epoche angehören wie die bisher beschriebenen vorgeschichtlichen Bauten
von Malta.
Die maltesischen Archaeologen (Vassallo und Caruana a. a. O.), deren Ansicht Perrot
(III, 306) hier übernommen hat, erblicken in der gesamten Anlage von Borg-en-Nadur ein
Heiligtum, vergleichbar mit dem von Mnaidra und Hagar-Kim. Wenn Caruana sagt, dass
von diesem Tempel noch eine grosse Apsis erhalten sei, die 60 (engl.) Fuss weit sei, so
meint er offenbar einen der erwähnten bogenförmigen Mauerteile. Mir ist es nach dem
ganzen Befund das wahrscheinlichste, dass dieses Plateau ein befestigter Platz gewesen
ist, innerhalb dessen verschiedene Gebäulichkeiten, wohl Wohnstätten, gewesen sind. Viel-
leicht befand sich unter diesen auch ein Heiligtum; doch lässt sich darüber keine Klarheit
gewinnen.
!) Sichtbar mit der grossen Deckplatte und den südlich davon befindlichen antiken Steinen auf
der Photographie bei Caruana, Report, zu S. 1-.
690
Indem man nun die megalithischen Bauten auf Malta überhaupt den Phoenikern zuschrieb,
hat man die Ruinen von Borg-en-Nadur mit dem von Ptolemaeus (Geogr. IV c. 3 p. 272 ed. Wilb.)
erwähnten (aber ohne Zweifel schon in früherer Zeit vorhandenen) Tempel des Herakles
identifiziert, welcher nach der Gradangabe bei Ptolemaeus im südlichen Teil von Malta gelegen
haben muss. Indessen kann die Annahme, dass der spätere Heraklestempel sich an der Stätte von
Borg-en-Nadur befunden habe, nicht bewiesen werden. Man hat zu diesem Zwecke geltend
gemacht, dass Ciantar in seinen Anmerkungen zu Abela II not. 2 § 10 berichtet: es hätten
sich an der Stelle, wo der von Ptolemaeus genannte Tempel sich befand, ein Fussboden aus
Steinplatten, ein Estrich aus Sand, Kalk, gestossenen Ziegelbröckchen und Thonscherben,
sowie Säulenreste gefunden. Nun gibt aber Ciantar keine weitere Andeutung, wo er selbst
den Heraklestempel annimmt, Abela aber, an dessen Erwähnung dieses Tempels sich Ciantars
Notiz anschliesst, erklärt an anderem Orte (I not. 1 § 60 u. I not. 8 § 61) ausdrücklich,
dass er diesen Tempel nicht in Borg-en-Nadur, sondern an einer anderen Stelle der Bucht
von Marsa-Scirocco suche. Es sagt zwar auch Caruana (Antiquities of Hagar-Kim S. 10),
dass bei den Ausgrabungen des Jahres 1881 in Borg-en-Nadur sich rautenförmige Ziegel
und Säulenteile gefunden hätten, die auf ein Tempelgebäude späterer Zeit schliessen Hessen,
aber diese Funde werden wohl von einem antiken Gebäude aus historischer Zeit, das man
in einiger Entfernung nördlich von Borg-en-Nadur aufgedeckt hat, herrühren. Ein hin-
reichender Beweis für die Lage des Heraklestempels an dieser Stelle würde die Angabe sein,
dass die beiden auf Malta gefundenen Marmorpfeiler mit der bilinguen (phoenikisch-griechi-
schen) Weihinschrift an Melkart-Herakles aus den Ruinen von Borg-en-Nadur stammen.
Diese Notiz findet sich bei Caruana (Report S. 34) und ist auch in das Buch von
Perrot (III, 306) und das Corpus Inscriptionum Setniticarum I n. 122 u. 122 bis übergegangen.
Sie ist aber unbegründet; denn in der ersten Erwähnung dieser Inschriften in den Lettere
memorabili von Bulifon (IV S. 129 f. vom 18. Dezember 1694) ist gar nicht angegeben,
an welchem Orte auf Malta dieselben gefunden worden sind.
Bevor ich diese Ruinen verlasse, kann ich eine Bemerkung über die von Perrot III,
fig. 46 abgebildete Mauer nicht unterdrücken. Perrot bezeichnet sie (S. 110) als eine Mauer
des Tempels von Borg-en-Nadur und will sie als Probe eines phoenikischen Mauerwerks
rohester Konstruktion angesehen wissen. Ich fand die von Perrot abgebildete Partie wirk-
lich auf der Innenseite des Mauerzuges ab (bei i, Fig. 11) wieder; die Schichtung ist aber hier
durchaus modern, wenn auch die Materialien, wie die zwei grössten Steine, zum Teil antik
sein mögen. Die kleine Thüröffnung, welche auf der Abbildung bei Perrot zu sehen ist,
führt gegenwärtig in ein kleines Feldhaus, welches an der Stelle der antiken Mauer hier
errichtet ist.
Wie die Mauern von Borg-en-Nadur allem Anschein nach bestimmt waren, Wohn-
stätten zu umschliessen und zu schützen, so haben sich die Reste von dorfartigen Ansied-
lungen auch an manchen anderen Orten auf Malta und Gozo vorgefunden.
Wohnstätten auf dem Corradinohügel.
Hieher gehören vor allem die Ruinen auf dem Corradinohügel (Cordin) südlich gegen-
über von der Stadt Valetta. Dieser Hügel ist ein Ausläufer der Hochebene, welche die
ganze östliche Hälfte von Malta bildet, und springt in den südöstlichen Teil des grossen
691
Hafens von Valetta vor. Oben ist er plateauförmig. In der Umgebung der Ruinen ist
seine Oberfläche, soweit sie nicht von modernen Befestigungen und Militärbauten eingenommen
wird, ein unfruchtbares, steiniges Land, das jedenfalls auch in früherer Zeit nicht kulti-
vierbar war.
Diese Ueberreste werden bereits erwähnt von Vassallo, Monumenti antichi (S. 32), und
von Leith Adams (a. a. 0. S. 248). Zwei von den Gebäudegruppen, die hier gestanden
haben, wurden im Jahre 1892 von A. A. Caruana teilweise ausgegraben, der in Archaeo-
logical Journal vol. LIII (1896) S. 26 ff. einen Bericht mit Planskizzen (von F. Vassallo)
veröffentlichte. Ich habe die Ruinen an Ort und Stelle nochmal genau untersucht und gebe
die von Caruana publizierten Pläne auf Grund der in der Bibliothek von Valetta deponierten
sehr zuverlässigen Originale in grösserem Massstab mit wenigen Ergänzungen wieder.
Die wichtigere östliche Gruppe (Plan VI) liegt auf dem Plateau des Hügels nicht
weit von seinem Nordende, wo er über der Landspitze von Ras Hanzir steil zum Meere
abfällt. Sie besteht aus einer Anzahl von grösseren und kleineren, länglich-runden Ein-
friedigungen, wobei ein einheitlicher Grundriss nicht zu erkennen ist. Die Betrachtung
wird dadurch erschwert, dass manche Teile dieser Ruinen sich in stark zerstörtem Zustande
vorfanden, andere mangelhaft ausgegraben wurden, wieder andere seit der Ausgrabung weiter
verfallen sind. Immerhin sondern sich vier Räume im westlichen Teil der Gruppe deutlich
von den übrigen ab. Sie liegen in einer von Nordwest nach Südost sich erstreckenden Reihe
hintereinander und stehen sämtlich miteinander in Verbindung. Der äusserste im Nord-
westen (A) war, wie es scheint, auf dieser Seite von Anfang an offen, ohne dass man Spuren
eines besonders angelegten Eingangs wahrnimmt. Er macht den Eindruck eines Vorhofes.
Die Wand besteht stellenweise aus auffallend niedrigen Steinen und war hier offenbar mehr
dazu bestimmt, ihn zu begrenzen als abzuschliessen. Ein Thorweg, dessen Seiten aus auf-
rechtgestellten, 1,10 — 1,50 m hohen Platten bestehen (s. Taf. VIII, 2 links), führt in das an-
stossende Gemach B. In den vordersten Platten (a u. b), von denen eine jetzt umgefallen
ist, waren in der Höhe von 1,10 m Löcher angebracht, die zum Durchstecken eines hölzernen
Querbalkens gedient haben. Der Raum B hat ziemlich unregelmässige Gestalt. Die west-
liche Hälfte war durch einen von der Wand aus vortretenden Stein, der jetzt zu Boden
liegt, in zwei nischenartige Teile geschieden; die östliche Hälfte hat ungefähr das Ansehen
einer Apsis. Vor den nur mehr teilweise sichtbaren Steinen, welche den hinteren Teil dieser
Apsis begrenzten, läuft eine niedrigere Mauer aus kleinem Material (c — d), über die sich eine
1,50 m hohe Steinplatte (e) erhebt, die in ihrem oberen freistehenden Teil durchbohrt ist.
Der Zweck dieser niedrigeren Mauer, durch welche die Ausdehnung dieser Apsis bedeutend
beschränkt wird, ist nicht klar; vielleicht sollte sie eine Art Bank vorstellen. Im vorderen
Teil der. Apsis sind zwei Vertiefungen in den Felsboden eingearbeitet. Die eine (a) von
kreisrunder Gestalt, ohne Zweifel ein Wasserbehälter, hat einen Durchmesser von 1 m; ihre
Tiefe lässt sich nicht mehr erkennen; die andere viereckige (ß) ist nur mehr zum kleinsten
Teile sichtbar.1) Der Eingang in den nächsten Raum C ist jetzt zerstört, doch standen,
wie es scheint, auch zu dessen Seiten früher vertikale Steinplatten. Gegenüber von diesem
Eingang öffnet sich der Durchgang nach dem Raum D, der um 20 — 30 cm höher liegt und
über eine zum Teil aus natürlichem Fels gearbeitete Schwelle (f) betreten werden kann.
!) Ansicht dieser östlichen Apsis von B auf Taf. VIII. 2.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 92
692
Eigentümlicher Weise befindet sich unmittelbar hinter dieser Schwelle eine 0,35 m hohe
Schranke (g), aus dem natürlichen Fels gehauen, welche von der Ostseite des Durchgangs
vorspringt und diesen zum grössten Teil versperrt, so dass nur eine schmale Lücke von
0,65 m Weite bleibt. Da die Mauern von D nur noch in wenigen Resten erhalten sind,
so ist die Begrenzung dieses Raumes sehr unsicher. Auf der Ostseite von B, C, D und
stellenweise auch auf der Westseite bemerkt man Reste einer äusseren Mauer, welche diese
Räume umzogen zu haben scheint. Zwischen dieser und den Innenwänden war Füllmasse
aus Erde und kleinen Steinen aufgeschüttet. Die Wände bestehen in dem bisher betrachteten
Teil der Ruine alle aus aufrechtgestellten Steinplatten, die in der Regel 0,70 — 1,20 m hoch
und bis 1,80 m breit sind. Sie sind fast ganz unbearbeitet; hie und da bemerkt man den
Rest einer höheren Lage; meistens aber sind die Mauern nicht viel über einen Meter hoch.
Der pfeilerartige 2 m hohe Stein p in der Mauer von C überragt weit die übrigen. Der
Boden wird hier wie in der ganzen Gebäudegruppe durch den natürlichen Fels gebildet;
er steigt nach Süden etwas an.
Wesentlich anderen Charakter zeigt die östliche Hälfte der Ruine. Die verhältnis-
mässig grossen Räume F und G, bei denen die starke Unebenheit des Felsbodens auffällt,
dürften Höfe gewesen sein, auf welche sich die kleineren Einfriedigungen E, H, K, J öffnen;
alle haben ziemlich unregelmässigen, mehr oder minder in Bogenlinie verlaufenden Grundriss.1)
An der Südseite von K führen zwei Stufen zwischen pfeilerartig aufgestellten Steinen
(m u. n) in einen nicht ausgegrabenen Teil der Ruine, wo man noch Steine von bogen-
förmigen Mauerzügen aus der Erde aufragen sieht. Nur durch ein 0,40 m weites Pförtchen
steht J mit G in Verbindung. Vielleicht vermittelte ein solches auch (neben o) den Zu-
gang in M; doch ist dies nicht ganz sicher. Fraglich ist auch, wo ein Eingang nach F
und G führte. Doch können hier augenscheinlich nur zwei Stellen in Betracht kommen.
Entweder betrat man diese Räume von aussen durch E, dessen Ostseite, wie es scheint, nicht
durch eine Mauer, sondern durch den natürlichen Felsen, der hier eine 0,50 m hohe Stufe
bildet, begrenzt war,2) oder man konnte von D aus nach G gelangen. Der kleine Raum
N ist nach allen Seiten hin vollständig geschlossen. Das gleichfalls sehr kleine rundliche
Gemach L konnte von Süden her durch einen engen Gang über zwei Schwellen (1, 1) be-
treten werden. Auf dieser Seite haben sich die Gebäulichkeiten, wie schon bemerkt, noch
weiter erstreckt, ebenso auch auf der Ostseite, wo der moderne Festungsgraben anstösst.
Die Mauern der zuletzt beschriebenen Räume unterscheiden sich von denen in A, B,
C und D durch ihr kleineres Material; sie bestehen aus aufrecht gestellten kleinen Platten,
häufiger noch aus geschichteten kleinen Blöcken und Feldsteinen, zwischen denen oft in
gewissen Abständen grössere pfeilerartige Steine eingefügt sind, um der Mauer einen Halt
zu geben. Stets sind auch hier die Steine unbearbeitet; nirgends ist ein anderes Bindemittel
J) Nach Caruana (Archaeological Journal a. a. O. S. 30) bestand auch die östliche Hälfte dieser
Ruine ursprünglich aus einer Reihe von hintereinander liegenden ovalen Räumen, deren mutmassliche
Begrenzungsmauern auf der Planskizze bei Caruana (a. a. 0. S. 29) durch Schraffierung angedeutet sind.
Die wirklich ausgegrabenen Mauerzüge bieten aber für eine solche Annahme keinerlei Anhaltspunkt dar.
2) Sonst ist die Nord- und Westseite von E vollständig durch eine niedrige Mauer geschlossen.
die Annahme Caruanas (Archaeological Journal a. a. O. S. 30), dass hier zwischen i und h ein Eingang
gewesen sei, daher nicht richtig.
693
als Erde bemerkbar. Die Mauern sind selten über 1 m hoch. Ist die Bauart in der ganzen
Ruine eine ziemlich rohe, so hat man doch auf die westliche Hälfte (A, B, C, D) bedeutend
mehr Sorgfalt verwendet, wie auf den übrigen Teil. In jener haben die Räume regel-
mässigere Form; sie sind grösser und aus grösserem Material gebaut und repräsentieren
allem Anschein nach die wichtigste Anlage in dieser ganzen Gruppe.
Ich will hier in Kürze auch die zweite auf dem Corradinohügel ausgegrabene Gebäude-
gruppe (s. Plan VII) beschreiben, die viel kleiner und noch schlechter erhalten ist als die
erste. Sie befindet sich etwa 160 Schritte westlich von jener auf einer niedrigeren Terrasse
des Hügels und besteht aus mehreren kleinen, aneinander angebauten Einfriedigungen. Mau
bemerkt drei Eingänge. Einer im Nordwesten führt in zwei kleine Gemächer A und B, aus
denen man durch einen kurzen Gang in einen etwas grösseren länglichen Raum C kommt. Auf
der Südostseite ist dieser, gegenwärtig wenigstens, nicht vollständig geschlossen; hier stösst eine
unregelmässig begrenzte Plattform D an, die ein wenig höher liegt. Der Boden derselben
besteht teils aus der natürlichen Felsplatte, zum Teil ist er erst künstlich durch Pflasterung
mit Feldsteinen (e, e) auf die Höhe der letzteren gebracht worden. Zu diesem Platz führt
von aussen ein kleines Pförtchen auf der Westseite über die Schwelle b. Neben D befinden
sich drei länglich-runde Räumlichkeiten E, F, G, von denen E und F wenigstens um 0,30
— 0,50 m tiefer liegen. Nur F ist — zum mindesten teilweise — gegen D durch eine
Mauer aus niedrigen Blöcken geschieden; von diesem Raum ist noch eine Apsis aus kleinen
aufgestellten Platten erhalten; bei E ist die Grenze gegenwärtig nur durch den Niveau-
unterschied bezeichnet. Letzterer Raum hat übrigens einen besonderen Eingang von aussen
her, der durch eine Schwelle (c) zwischen niedrigen aufgestellten Platten gebildet wird. Die
ganze Anlage hatte, wenn man von A und B absieht, annähernd ovale Gestalt und war
wie es scheint von einer Umfassungsmauer umzogen, von der man auf der Südseite noch
Reste bemerkt. Es hat allerdings den Anschein, als wenn nicht die ganze Ruinenstätte
ausgegraben worden wäre.
Bei diesen letzteren Gebäuderesten bestehen die Wände aus nebeneinandergesetzten
unbearbeiteten Blöcken oder aufgestellten Platten, die im allgemeinen ziemlich klein und
nicht über einen Meter hoch sind. Man bemerkt keine Spur einer höheren Lage. Ueber-
haupt zeigt diese Gruppe eine noch viel primitivere Anlage als die vorher beschriebene auf
der Höhe des Hügels.
Es finden sich auf dieser Seite des Corradinohügels noch andere nicht ausgegrabene
Reste von Gebäuden ähnlichen Charakters;1) doch war es mir nicht möglich, mich genauer
damit zu beschäftigen. Indes scheint es zweifellos, dass sich hier einmal eine ziemlich
bedeutende Ansiedlung befand.
Gebäudereste bei der Gigantia.
Houel (IV, 78 u. 79, pl. CCXLIX u. CCLI) beschreibt einen Mauerring, der nach
seiner Angabe 150 Toisen westlich von der Gigantia auf Gozo lag.2) Dieser war voll-
ständig kreisrund und hatte 22 Toisen im Durchmesser. Die Mauer bestand aus grossen
') Carnana, Archaeological Journal a. a. 0. 8. ~±< zählt hier im ganzen ."> megalithische Anlagen.
2) Aach abgebildet von Smyth in Archaeologia XXII pl. XXVII; vgl. auch pl. XXVI.
92*
694
unbearbeiteten Steinen, die abwechselnd eine breite und eine schmale Seite nach aussen
kehrten. Der Eingang, der eine Weite von 7 — 8 Fuss hatte, lag auf der Ostseite; die
Seiten desselben waren durch zwei IS Fuss hohe Platten gebildet. Im Innern sah man
Spuren von Mauern, in denen Houel die Reste von Häusern erblickte. Ich habe diese Ruine
nicht gefunden; einige alte Mauerreste aus unbearbeiteten Blöcken oder Platten, die man
V
gegenwärtig etwa 135 m westlich von der Gigantia gegen Casal Sghara zu sieht, können
nach der von Houel angegebenen Entfernung kaum von diesem Gebäude herrühren.
Was dieser Mauerring für einen Zweck hatte, lässt sich auf Grund der Notizen Houels
schwer sagen, da dieser nur unausgegrabene Mauern sah und seine Angaben somit auf voll-
ständige Zuverlässigkeit keinen Anspruch machen können. Fergusson vermutet, dass er
wie die oben beschriebenen Tempelgebäude dazu bestimmt war, ovale Räume einzuschliessen.
Es wäre auch sehr wohl denkbar, dass sich innerhalb desselben Wohnplätze oder Hütten
befanden.
Den Unterbau für eine Hütte oder Wohnstätte erkenne ich in einem kleinen Mauer-
rest, den ich 300 — 400 Schritte westlich von der Gigantia bemerkte. Er hat die Gestalt
eines Bogens, dessen Sehne 5,50 m und dessen Höhe 2 m misst. Es ist nur mehr die
unterste Lage erhalten. Die unbearbeiteten Blöcke sind nicht über einen Meter hoch und
bilden eine innere und eine äussere Facade, während der Kern der etwa l1/» m dicken
Mauer aus Erde und kleinen Steinen besteht.
Gebäudereste bei tal-Kaghan.
Ebenso wie in der Umgebung der Gigantia, so trifft man auch bei der oben S. 655
beschriebenen Tempelruine im Grundstück tal-Kaghan Ruinen, die ich als Reste von An-
siedlungen ansprechen möchte. Zunächst gilt dies von einer Anlage, die sich auf derselben
niedrigen Anhöhe befindet, auf welcher die genannte Tempelruine liegt. Der höchste west-
liche Teil dieser Anhöhe, der sich übrigens nicht mehr als 4 m erhebt, bildet ein rundliches,
im Norden und Nordwesten schroff abfallendes Plateau von etwa 50 m Länge und 30 m
Breite. Längs dem Südrand und dem Nordrand desselben bemerkt man auf der Höhe Reste
von antiken Mauerzügen, hier von 13 m, dort von 17 m Länge, welche ursprünglich das
ganze Plateau umzogen zu haben scheinen. Es sind nur ganz einfache Steinsetzungen, be-
stehend aus völlig unbearbeiteten, vertikalgestellten Steinen von 1 — l1^ m Höhe und 1 — 2 m
Breite, die ziemlich lose nebeneinander gestellt sind und niemals als Grundlage einer höheren
Mauer gedient haben können. Caruana, der diese Ueberreste im Archaeological Journal,
June 1896, S. 140 — 141 (mit Planskizze pl. I fig. 1) bekannt gemacht hat, gibt auf der
Südseite einen Eingang an, von dem ich keine Spur fand, wenn ein solcher auch im Süden
oder Südosten gelegen haben muss, da nur auf diesen Seiten das Plateau zugänglich ist.
In dem Ganzen sieht Caruana ein Heiligtum von der Art der Gigantia, doch ist für eine
solche Annahme kein Grund vorhanden. Innerhalb der erwähnten Mauerzüge ist gegenwärtig
nichts mehr erhalten; ich halte für das wahrscheinlichste, dass unter dem Schutz derselben
einmal Wohnstätten errichtet waren.
40 — 50 m südlich von diesen Mauerresten bemerkt man an der Abdachung der An-
höhe im Grundstück ta-Mrezbiet eine kleine Einfriedigung, die einen regelmässigen Kreis
von 10 m Durchmesser darstellt. Sie war ebenfalls gebildet durch vertikal gestellte unbe-
695
arbeitete Platten oder Blöcke von 1 — 1,50 m Höhe, die gegenwärtig zum grössten Teil
umgefallen oder aus ihrer ursprünglichen Lage verrückt sind. Dagegen sind die flachen
Fundamentsteine, die den vertikalen als Basis oder Stütze dienten, noch zum grösseren Teile
an ihrer alten Stelle und ermöglichen es, den einfachen Grundriss dieses kleinen Gebäudes
festzustellen. Wenn Caruana in seiner im Archaeological Journal a. a. 0. S. 141 f. ge-
gebenen Notiz sagt, dass dasselbe ovale Gestalt gehabt hätte, und es auch auf der bei-
gefügten Planskizze (pl. I flg. 2) so darstellt, so befindet er sich im Irrtum.
Die im Vorstehenden als Reste von Wohnstätten erklärten Ruinen sind zum Teil (von
Caruana) gleichfalls als Heiligtümer betrachtet worden, so besonders die auf dem Corradino-
hügel und die zuletzt erwähnte vom Grundstück tal-Kaghan. Am ehesten liesse sich das
noch von den eng miteinander verbundenen Räumen A, B, C, D in der östlichen Gebäude-
gruppe auf dem Corradinohügel annehmen, die zusammen eine Anlage darstellen, welche für
eine gewöhnliche Wohnstätte in einer so frühen Zeit fast zu bedeutend erscheint. Indes
warum sollte man hierin nicht auch eine hervorragendere Wohnstätte sehen und warum
sollten gewisse architektonische Eigentümlichkeiten, die wir in den Heiligtümern anzutreffen
gewohnt sind, nicht auch in Wohngebäuden wiederkehren? Alle übrigen kleinen Einfrie-
digungen auf dem Corradinohügel aber, sowie die der Gebäudegruppe N vor dem Tempel
in Hagar-Kim, die so regellos nebeneinander liegen und im einzelnen selbst wieder ziemlich
unregelmässige Gestalt besitzen, ferner die kleinen runden Steinsetzungen innerhalb der Be-
festigung von Borg-en-Nadur, in der Umgebung der Gigantia und in ta-Mrezbiet, alle meist
sorglos und aus ziemlich kleinem Material gebaut, können nichts anderes sein als der Unterbau
von Häusern oder Hütten. Diese hatten auf Malta also entweder kreisrunden oder ovalen
oder besonders unregelmässig länglichen, immer aber in Kurvenlinien verlaufenden Grundriss.
Was erhalten ist, können nur die Fundamente oder der Unterbau sein. Der obere Teil
wird aus Erde oder Lehm, die Bedachung, die bei der Enge der meisten Räume keine
Schwierigkeiten bieten konnte, vielleicht wie bei den ähnlichen in Südostspanien von Siret
ausgegrabenen Hütten aus zusammengebundenem, mit Erde oder Lehm überdeckten Reisig
bestanden haben. Der Zugang muss in den nicht seltenen Fällen, in denen die Fundamente
auf allen Seiten geschlossen sind, über ein paar Stufen erfolgt sein. Bisweilen ist eine
zusammengehörige Gruppe von Hütten oder Wohnräumen von einer gemeinsamen Mauer
umzogen.
Schliesslich zähle ich noch einige kleinere Baureste unbestimmten Charakters auf, die
mir nur aus der Erwähnung bei Schriftstellern, besonders bei Abela oder Caruana, bekannt sind.
Grosse Deckplatten, die auf mehreren aufrechtgestellten Steinen ruhten, sah Abela auf Malta
nahe der Bucht von Marsa-Scala an einem Misakfa genannten Orte,1) sowie auf der Insel
V
Gozo bei dem Dorfe Seukia.2) Diese Dinge erinnern an die mit grossen Platten über-
deckten Nischen und Kammern, die sich in und bei den Tempeln gefunden haben; auch der
J) Abela 1, 8 § 58 : vedesi qui vi una gran pietra sollevata da terra ed allogata sopra altre non men grandi,
in tal modo, che sembra quasi un tetto, che cuopra detto luogo ; ove giacer possano piu persone comodamente.
2) a. a. 0. I, 10 S 5: si vede una grande srnisurata pietra, i cui lati avanzano ed eccedono la misura di
<piindici piedi; la quäle posa sopra quattro altri sassi, alti da terra, quanto appena vi puo stare di sotto
in piedi un uomo; si scorge altresi una pietra in forma di palls grandezza di mezza botte.
696
Umstand, dass man bei den Steinen von Seukia eine grosse Steinkugel gefunden hat, könnte
darauf hindeuten, dass hier ein Heiligtum gewesen sei (s. o. S. 684). Andererseits könnte
man bei diesen Resten, ebenso wie bei der vor der Front der Mnaidra gefundenen Stein-
kammer (s. o. S. 664), auch an dolmenartige Grabbauten denken; doch lässt sich diese Frage
nicht mehr entscheiden. — In diesem Zusammenhang ist auch ein anderes Denkmal auf
Gozo im Grundstück ta-Ghain-Seiba beim Dorf'e Sghara nordwestlich von der Gigantia zu
erwähnen, das Caruana (Archaeological Journal 1896, S. 142 pl. II fig. 2) unter dem Namen
Hagra-ta-Sansun beschreibt und abbildet. Es ist eine unbearbeitete Steinplatte von 6,10 m
Länge, 4,30 m Breite, 2,10 m Dicke, die mit ihrem einen Ende am Boden aufruht und nahe
ihrem andern Ende durch grosse Steine gestützt ist, so dass sie in ihrer schiefen Lage an
die sogenannten Halbdolmen, wie sie zum Beispiel in Nordafrika vorkommen, erinnert.
Caruana nimmt an, ich weiss nicht mit welchem Rechte, dass der Stein einmal gleich den
o. S. 685 erwähnten aufrecht gestanden habe. — Von einer grösseren Anlage, die offenbar auch
zu den hier behandelten Denkmälern gehört, spricht Petit-Radel in seinen Recherches sur
les monuments cyclopeens S. 300 ff. Unter den Modellen kyklopischer Mauern in der
Bibliothek Mazarin von Paris, welche von Petit-Radel herrühren, ist nämlich auch die
Darstellung einer Mauer, welche sich l1/^ Kilometer nordöstlich vom Dorfe Musta auf
Malta in einer Ebene, die den Namen ,Ebene der Giganten' führte, befand. Diese Mauer,
welche eine Höhe von 3 m und eine Breite von 15 m hatte, bildete die Facade der höheren
von zwei Umfassungsmauern, die ohne Anwendung von Kalkmörtel aus kleineren unregel-
mässigen Steinen geschichtet waren. Die Umfassungsmauern hatten, wie Petit-Radel bemerkt,
rechtwinkligen Grundriss. — Ungewöhnlich grosse aufgerichtete Steine kamen nach Abela in
der (mir nicht weiter bekannten) Gegend el Eyun1) auf Gozo und auf der Landzunge
Marnisi2) auf Malta an der Bucht von Marsa-Scirocco nicht weit von Borg-en-Nadur vor.
— Ohne nähere Einzelheiten anzugeben, erwähnt endlich noch Caruana das Thal von San
Dimitri (Archaeolog. Journal a. a. 0. S. 142) im Nordwesten von Gozo, die Gegend der
Salinabucht und die von Uardia bei der Paulsbucht an der Nordküste von Malta (Antiquities
of Hagar-Kim S. 8) als Fundstätten solcher megalithischer Baureste.3) Wenn ich auch
diese letzten Angaben nicht kontrolieren kann, so gab es doch ohne Zweifel ursprünglich
eine äusserst grosse Zahl von solchen Bauwerken auf diesen Inseln. Houel sagt in seiner
Reisebeschreibung (IV, 80), die Inseln seien voll von Gebäuden dieser Art; er habe überall,
wo er war, davon Reste gesehen.
Was endlich die örtliche Verteilung von all den bisher besprochenen Bauwerken
anlangt, so kommen sie auf Malta fast überall vor, abgesehen von dem unfruchtbaren Hügel-
*) Abela I, 10 § 5: ove si trovano smisurati pezzi di pietre dirizzate in su; alcune delle quali sono
ili due canne di lunghezza, con qualche parte di muro composto, e fabbricato di grossissimi sassi allogati
e posti 1' uno sovra 1' altro senza mescolamento di calce. o d' altra materia.
2) a.a.O. I, 1 § 59: nel luogo chiamato el-Ghar si veggono alcune pietre di smisurata grandezza solle-
vate: vestigj d' antiche fabbricbe di Giganti, simili a quei macigni, che si trovano nella contrada di casal
Eubir, e nell' isola del Gozo, nella contrada appellata Sceukia. — Adams a. a. 0. S. 248 bemerkt, dass
man da und dort in der Gegend um Marsa-Scirocco die Spuren von früher ausgedehnten Anlagen von
der Art von Hagar-Kim und Mnaidra wahrnehmen könne.
3) Eine Zusammenstellung von Fundstatten noch nicht erforschter megalithischer Altertümer auf
Malta gibt Caruana, Framinento oritico della storia di Malta S. 156.
697
land des Westens, auf Gozo besonders in der Ebene, welche den Mittelpunkt dieser Insel
bildet, und auf unmittelbar südlich und nördlich an sie anstossenden Hochflächen. Mit den
Heiligtümern scheinen zum Teil kleinere Ansiedlungen verbunden gewesen zu sein, so mit
dem von tal-Kaghan, mit der Gigantia und wohl auch mit Hagar-Kim. Es könnte auffallen,
dass nicht selten diese Anlagen sich in ganz rauhen und sterilen Oertlichkeiten, allerdings
nicht sehr weit vom fruchtbaren Kulturlande befinden; wichtiger für die Beurteilung der
frühesten Kultur von Malta ist es, dass gerade die bedeutendsten Niederlassungen, die vom
Corradinohügel und von Borg-en-Nadur, in nächster Nähe des Meeres, an den Haupthäfen von
Malta, der Marsa grande und der Marsa-Scirocco, liegen.
Künstliche Aushöhlungen im Felsen.
Als Wohnstätten haben in der Periode, die uns hier beschäftigt, ohne Zweifel auch
viele der natürlichen Grotten gedient, die sich auf Malta so häufig finden. Nachgrabungen
in der grossen Höhle Ghar-Dalam, die nahe bei den Ruinen von Borg-en-Nadur an der
Nordseite des Wied-Dalam liegt, haben ausser den Resten diluvialer Fauna auch zahlreiche
Bruchstücke von Thongefässen ergeben, die zum Teil wenigstens mit den eben beschriebenen
Bauwerken offenbar gleichzeitig sind.1) Ebenso lässt sich von vornherein annehmen, dass
man schon in frühen Zeiten im weichen Kalkstein, aus dem die Inseln der Maltagruppe
bestehen, künstliche Grotten als Wohnungen für Lebende oder Tote angelegt hat. Bei
einigen der vielen Ausarbeitungen im Felsen, die man auf Malta antrifft, lässt sich wenig-
stens vermuten, dass sie der in Rede stehenden Epoche angehören.
Unmittelbar unter dem Plateau des Hügels von el-Alia, der 3—4 Kilometer nord-
westlich von Hagar-Kim liegt, ist neben der Kirche S. Lorenzo eine im achtzehnten Jahr-
hundert entdeckte (Ciantar I, 8 § 40) geräumige Grotte in dem Felsen ausgehauen. Man
betritt sie vom östlichen Abhang des Hügels aus durch einen 4,60 m langen, 1,40 m
breiten und etwa 3,00 m hohen Gang (aa) (s. Fig. 12). Der
Grundriss des Innenraums, welch letzterer eine Höhe von etwa Fig. 12.
2 m hat, zeigt eine unregelmässige Rundung von 10 — 11 m Durch-
messer. Die Decke wird von vier gewaltigen Säulen aus natür-
lichem Fels (b, b, b, b)2) getragen, welche man bei der Aus-
höhlung des Raumes stehen gelassen hat. Sie ist in flacher
Wölbung ausgehauen, doch ist dies in ganz roher Weise ge-
schehen, wie man sich auch nicht die geringste Mühe gegeben
hat, die grossen Unebenheiten der Wände abzuarbeiten ; auch
können die Säulen nur annähernd rund genannt werden. Zwischen
den letzteren ist in der Decke eine rechtwinklige Oeffnung von
etwa 2 m Länge und 0,80 m Breite angebracht, welche gegen
das eine Ende zu noch etwas erweitert ist. Dadurch steht die
Grotte mit dem Plateau, das die Oberfläche des Hügels bildet, in Verbindung. Diese Oeff-
nung, die, wenn sie antik ist, als Rauchloch oder Fenster gedient haben könnte, gibt der
M 8. unten.
-i Sie haben 5 — <> ru Umfang.
698
Annahme Raum, dass wir es hier mit einer Wohnung zu thun haben. Die Roheit und
primitive Einfachheit der Anlage haben mich veranlasst, diese hier anzuführen. Abela
(I, 8 § 40) erwähnt bei der genannten Kirche S. Lorenzo grosse Steine (pietre grandi) und
Spuren eines grossen antiken Gebäudes; auch im benachbarten Thale von Gorghenti sollen
sich ähnliche Ueberreste gefunden haben (a. a. 0. § 36): doch habe ich darüber nichts
mehr in Erfahrung bringen können. Eine andere Grotte, die nach der Beschreibung
Ciantars (I, 4 § 30) zu schliessen, der eben beschriebenen ähnlich gewesen sein muss, fand
sich zwischen Zebbug und Siggewi auf Malta; eine dritte auf Gozo, erwähnt Houel (IV, 86):
ein enger Gang von 25 Fuss Länge führte in einen Saal von 30 Fuss Durchmesser; in der
Mitte desselben stand ein Pfeiler, welcher die Decke hielt; im Grunde öffneten sich zwei
weitere Gänge, die Houel aber nicht verfolgen konnte.
Andere künstliche Aushöhlungen im Felsen müssen hier noch berührt werden, da sie
in nächster Nähe der megalithischen Ruinen von Borg-en-Nadur sich befinden und vielleicht
mit diesen in irgend einer Beziehung stehen. Unter dem Südabfall des Plateaus von Borg-
en-Nadur springt nämlich eine flache, ganz niedrige Felsplatte wie eine Landzunge zwischen
zwei kleinen Einbuchtungen auf eine kurze Strecke ins Meer vor. Auf dieser Felsplatte
bemerkt man eine grosse Anzahl von runden Vertiefungen oder Schachten, die sich glocken-
förmig nach unten erweitern. Ihre Zahl, die sich jetzt nicht mehr angeben lässt, wurde
von Adams1) auf 70 — 80 geschätzt. Der Durchmesser der kreisrunden Oeffnung schwankt
etwa zwischen 0,40 und 0,60 m. Die Tiefe konnte ich bei keiner dieser Aushöhlungen
mehr vollständig ermitteln, da sie alle mehr oder minder mit Schutt gefüllt sind. Dieselbe
scheint indes nicht viel über 1,20 m zu betragen, und es beläuft sich in einer solchen Tiefe
der horizontale Durchmesser des Schachtes auf etwa 2 m. Diese Aushöhlungen sind so
nahe beieinander angelegt, dass in der eben genannten Tiefe die trennende Felsmasse
zwischen den einzelnen nur 0,20 — 0,30 m dick ist.a) An demselben Orte sieht man alte
Wagengeleise, die zum Teil über die Vertiefungen hingehen. Sie ziehen quer über den
Küstenvorsprung und verlieren sich nach beiden Seiten hin im seichten Wasser der erwähnten
Einbuchtungen. Früher war die Fortsetzung dieser Geleise auch jenseits der einen dieser
Buchten noch sichtbar.3) Ohne Zweifel ist hier, nachdem diese Schachte und Geleise
bereits bestanden, das Meer bedeutend in das Land eingedrungen, was freilich noch keinen
Scbluss auf das Alter derselben gestattet. Runde Oeffnungen von ähnlichen Aushöhlungen
(6 an der Zahl) gewahrt man unmittelbar unter dem Westrand des Plateaus von Borg-
en-Nadur auf einer niedrigeren Terrasse des Abhangs im Felsboden. Nur zwei davon sind
zugänglich. Die eine erweitert sich zu einem gewöhnlichen glockenförmigen Schacht von
1,70 m Tiefe, dessen horizontale Grundfläche einen Durchmesser von 2,30 m hat. Die andere
Aushöhlung (s. Fig. 13) hat im allgemeinen dieselbe Form, ist aber in ihrem unteren Teile durch
eine 0,10 m dicke und 1 m hohe im Felsen ausgesparte Zwischenwand in zwei gleich grosse
Hälften geteilt, welche sich als längliche wannenförmige Behälter darstellen. Auf der einen
J) Nile valley and Malta S. 249.
2) Von einem Bewurf oder Ueberzug der Wände konnte ich nichts ■wahrnehmen; dagegen sagt
Abela I, 1 § 60, der diese Vertiefungen zuerst erwähnt, dass sie mit Erdpech (bitume) überzogen gewesen
seien; Vassallo (Dei monumenti antichi di Malta S. 11) wollte Feuerspuren an denselben bemerkt haben.
3) Adams a. a. O. S. 249.
699
Seite der Scheidewand bemerkt man einen Vorsprung zum Aufsetzen, auf der anderen eine
Einarbeitung zum Einsetzen des Fusses, wodurch das Herabsteigen erleichtert wurde.1)
Einfache glockenförmige Aushöhlungen haben auf Malta in alter und neuer Zeit als
Zisternen gedient; dass aber die beschriebenen Vertiefungen auf der Felsplatte am Meere
einen solchen Zweck gehabt haben sollen , das ist ganz unwahrscheinlich , und sicher war
das nicht der Fall bei der zuletzt erwähnten
(Fig. 13). Man wird bei diesen Aushöhl- FiS- 13-
ungen wohl an Vorratsräume (Silos) oder
vielleicht eher an Gräber denken müssen.2)
So begegnen glockenförmige Schachte,
welche mit denen auf Malta verglichen
werden können, auf der Insel Pianosa, wo
sie neben Grotten gefunden werden, die in
vorgeschichtlicher Zeit als Gräber gedient
haben; auch hier treten sie in Gruppen auf.3)
Die Gräber der vorgeschichtlichen Bevölkerung von Malta sind bis jetzt noch nicht
mit Sicherheit nachgewiesen. Die Mehrzahl der Gräber, welche Caruana in seinem Buche
„Ancient pagan tombs and Christian cemeteries of Malta" anführt, gehört ohne Zweifel
dem punischen, römischen oder christlichen Altertum an.4)
_3 ,____
to
\
Grundriss
Durchschnitt über ab
0 1
Bildwerke.
Es ist schon bei Beschreibung der Tempel von der einfachen Ornamentierung die Rede
gewesen, welche auf besonders bevorzugten Steinen der Gebäude angebracht wurde. In der
Regel bestand diese zwar nur aus dem von mir so genannten Punktornament, nur in wenigen
Fällen begegneten Spiralen und konische Gegenstände in flachem Relief, vereinzelt war die
Darstellung eines Pflanzenornaments und eines Tieres in primitivem Relief. Diesen deko-
1) Die runde Eingangsöffnung hat nur einen Durchmesser von 0,45 m. Die eine Hälfte der Aus-
höhlung ist jetzt um 0,30 m tiefer als die andere; doch scheint die Tieferlegung derselben erst nach-
träglich erfolgt zu sein, da sie im untersten Teile rohere Arbeit zeigt. Vielleicht sind auch die Ein-
arbeitungen, die man auf der Höhe der Scheidewand sieht, spätere Hinzufügung. Diese ist nämlich in
der Mitte von einer 6 cm tiefen Rinne durchschnitten; ferner ist nahe dem rechten und dem linken Ende
der Zwischenwand oben auf derselben je eine rechteckige Vertiefung von 2 cm Breite, 5 cm Länge und
wenigstens 9 — 10 cm Tiefe angebracht.
2) Auf dem Mtarfahügel bei Citta Vecchia und beim Kastell von Rabato auf Gozo haben sich ähn-
liche glockenförmige Aushöhlungen gefunden, die in grösserer Zahl nebeneinander lagen, aber vielfach
miteinander in Verbindung gesetzt waren. Manche von ihnen sind auch als Gräber benützt worden;
indes deutet hier schon die Oertlichkeit darauf hin, dass sie einer späteren Zeit angehören; s. Caruana,
Ancient pagan tombs and Christian cemeteries of Malta pl. XV u. XVI.
3) Chierici, Gl' Iberici in grotte artificiali, in fondi di capanne e in caverne im Bulletino di Palet-
nologia Italiana VIII (1882) S. 12 tav. I fig. E. — Halbkugelförmige und glockenförmige Gräber mit
Eingangsöffnung in der Deckenwölbung finden sich z. B. auch auf Cypern; s. Ohnefalsch-Richter, Kypros
Taf. CCLXX u. CCLXXII.
4) Am ehesten könnte man noch seiner Anlage nach das wiederholt (auch bei Perrot, Histoire de
l'art III fig. 1G2 u. 163) abgebildete Schachtgrab von Tall-Hor auf Malta in die vorgeschichtliche
Epoche verweisen, bei welchem die Kleinheit und der fast kreisrunde Grundriss der Kammer gegen die
Annahme phönikischen Ursprungs sprechen.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 93
700
rativen Versuchen reihen sich einige Bildwerke aus Stein und Terrakotta an, welche teils
in den Tempeln gefunden wurden, teils aus anderen Rücksichten der ältesten Kultur von
Malta zuzuschreiben sind.
Am bekanntesten waren bisher sieben kleine Statuetten von 0,17 — 0,22 m Höhe
aus Kalkstein von Malta (s. Taf. X, 2), welche in Raum A von Hagar-Kim (s. o. S. 666)
gefunden wurden.1) Vier von diesen Figuren sind nackt, sie befinden sich in kauernder
Stellung über einer ganz niedrigen, ovalen Basis. Die Hände ruhen, soweit sie angedeutet
sind, auf den Oberschenkeln oder sind in den Schooss gelegt. Zwei sind sitzend dargestellt.
Von diesen scheint die eine2) mit einem langen Gewand bekleidet, das von der Brust bis
zu den Füssen reicht; die Arme sind gegen die Mitte des Leibes hin gerichtet. Auch die
andere sitzende Figur3) trägt ein langes Gewand, unter dem die untere Hälfte des Körpers
vollständig verschwindet. Deutlich ist hier auch ein tief auf die Brust herabfallendes Hals-
band sichtbar. Stehend dagegen war wohl die grösste unter diesen sieben Statuetten4)
gedacht, deren Beine abgebrochen sind. Ob die Streifen und Striche, welche um die Mitte
des Leibes sich ziehen, Kleidung andeuten, lässt sich nur vermuten. Bei vier Stücken sind
die Köpfe, wie man deutlich sieht, abgebrochen; bei zweien5) bemerkt man an der Stelle,
wo der Hals an den Körper ansetzt, eine konkave Vertiefung und dabei einige kleine Löcher,
die offenbar zum Einsetzen und Befestigen eines besonders gearbeiteten Kopfes dienten. Die
Roheit der Arbeit ist ganz ausserordentlich und zeigt sich besonders in der Bildung der
Extremitäten. Nur in ein paar Fällen sind die Finger oder Zehen angedeutet, sonst endigen
Arme und Beine in spitzzulaufende formlose Stummel. Auffallend ist das Bestreben, gewisse
Teile des Körpers, besonders Waden und Oberschenkel, ungewöhnlich dick darzustellen.
Auch die Brust ist bei allen sehr entwickelt, aber das Geschlecht bei der Mehrzahl nicht
erkennbar. Weiblich sind ohne Zweifel die sitzenden Figuren , wie die lange Gewandung
und der Halsschmuck andeuten. Bei den anderen ist dies wahrscheinlich. Ausser diesen
Steinfiguren haben sich in demselben Räume noch zwei Terrakottastatuetten gefunden.6)
Die eine (Tafel XI, 1), bei der der Oberkörper vollständig abgebrochen ist, entsprach an
Gestalt und ungefähr auch an Grösse (noch 7 cm hoch) den nackten kauernden Stein-
figuren. Die Hände sind an die Oberschenkel angelegt. Die andere Statuette (Tafel XI, 2),
noch 13 cm hoch, stellt eine nackte, stehende weibliche Figur dar. Kopf und Füsse sind
abgebrochen. Von den Armen, bei denen nicht einmal die Hände angedeutet sind, ist der
linke unterhalb der sehr voll gebildeten Brüste quer über den Leib gelegt, der andere gegen
den Oberschenkel zu abwärts gesenkt. Auch diese Figuren sind von sehr roher Arbeit; der
Thon ist auf der Aussenseite geglättet und glänzend; er zeigt hier rötliche Farbe.
1) Sie sind erwähnt bei Vance a. a. 0. S. 231 u. 234; Vassallo, Monumenti antichi S. 22; Caruana,
Report S. 10, 30 f. (mit Abbildung; danach Taf. X, 2); Perrot III, 305 (und Fig. 230 u. 231 nach Caruana);
Caruana, Antiquities of Hagar-Kim S. 5 f.
2) Taf. X, 2; letzte Figur der unteren Reihe.
3) Taf. X, 2; dritte Figur der unteren Reihe.
4) Taf. X, 2; mittlere Figur der oberen Reihe.
5) Taf. X, 2; erste Figur der oberen Reihe und zweite Figur der unteren Reihe.
6) Erwähnt von Vance (a. a. O. S. 234) und Caruana (Antiquities of Hagar-Kim S. 5), aber noch
nicht abgebildet. Alle diese neun Figuren befinden sich gegenwärtig im Museum von Valetta.
701
Bei der Ausgrabung der Gigantia wurden zwei Köpfe (Tafel XI, 3) entdeckt, welche am
Fuss der Aedicula neben dem konischen Stein lagen.1) Sie sind 17 und 18 cm hoch und
aus dem Stein der Insel gefertigt. Die Arbeit ist eine sehr grobe; so ist der Mund bei
dem grösseren Kopf gar nicht, bei dem kleineren nur oberflächlich durch einen horizontalen
Strich angedeutet. Auch diese Köpfe zeigen ungemein volle Formen , insbesondere beim
grösseren ist das Gesicht von unförmlicher Dicke. Das Haar fällt in ungegliederter Masse
zu beiden Seiten des Kopfes bis unter die Stelle der (nicht sichtbaren) Ohren herab; nur
beim grösseren Kopf sind die Locken durch eingravierte , vom Scheitel nach unten sich
schlängelnde Linien angegeben. Diese Köpfe waren selbständig, nicht als Teile einer Statue
gearbeitet. Der Hals ist bei beiden unten durch eine (beim grösseren Kopf sehr unebene)
Fläche abgeschlossen, auf welcher der Kopf aufrecht steht.
Ausser diesen Köpfen soll noch, wie Caruana (Report S. 8) bemerkt, eine grosse
Büste, die, so viel ich bemerken konnte, aus gewöhnlichem Kalkstein besteht, in der
Gigantia gefunden worden sein (Tafel XI, 4). Sie hat eine Höhe von 0,52 m. Das Gesicht,
das in der Gegend der Backenknochen ungewöhnlich voll und breit gebildet ist, läuft gegen
das Kinn fast spitz zu. Nase und Mund, welch letzterer ursprünglich, wie es scheint,
nur ganz schwach angedeutet war, sind jetzt abgestossen; die Augen, von mandelförmiger
Gestalt, sind stark in die Länge gezogen; in dicker Masse fällt das Haar auf Nacken und
Schultern. Darüber liegt eine eigentümliche Kopfbedeckung, die sich schleierartig rückwärts
bis zum Nacken hinunter erstreckt. Die Ränder derselben sind nach aufwärts gebogen,
wie bei der ganz ähnlichen Bedeckung eines übrigens ziemlich jungen Kalksteinkopfes aus
Cypern (Perrot, Histoire de l'art III fig. 369). Ausserdem trägt die Figur ein Halsband,
dessen Glieder ungefähr rautenförmige Gestalt haben. Am Oberkörper sind noch die Brüste
wiedergegeben, eine Andeutung der Arme fehlt.
Endlich möchte ich noch wegen der ausserordentlichen Roheit der Arbeit an dieser
Stelle ein Relief (Tafel XI, 5) erwähnen, das ich in einem Winkel des Museums von Valetta
auffand. Es ist eine 0,84 m lange und bis 0,38 m breite Platte aus Kalkstein, wie es
scheint Stein von Malta, auf der eine stehende Figur dargestellt ist. Ganz flüchtig sind
die Beine und der Unterleib angedeutet. Zu beiden Seiten des Oberkörpers scheinen ver-
hältnismässig bedeutende Erhöhungen die Brüste (oder die vorgestreckten Arme?) zu mar-
kieren. Besonders grob und eckig ist die Bildung des Kopfes. Die Begrenzung der Stein-
platte nimmt auf die Körperformen Rücksicht. Ueberhaupt scheint das Ganze, wenn auch
als Relief ausgeführt, doch wie eine Statue verwendet und aufgestellt worden zu sein. In
der That steht auch die Platte auf ihrem unteren Ende frei aufrecht.3)
Diese Ueberreste der ältesten Skulptur von Malta haben einen höchst eigentümlichen
Charakter. Am auffallendsten ist das Bestreben , den Körperformen eine unmässige Fülle
und Dicke zu geben, wie es sich besonders bei den Steinfiguren von Hagar-Kim, bei der
*) In sehr ungenügender Weise abgebildet bei La Marmora pl. I p' p"; unsere Photographie (Taf. XI, 3)
nach einer neuen Aufnahme der gleich der Büste Taf. XI, 4 in der öffentlichen Bibliothek von Citta
Vittoria (Rabato) auf Gozo aufbewahrten Originale.
2) Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch eine kleine Steinplatte mit einer eingravierten,
mir unverständlichen Zeichnung, die gleichfalls in der Gigantia am Fuss der Aedicula gefunden wurde
(La Marmora in Monuments inedits a. a. 0. pl. 1 fig. i; d'Avezac, lies d'Afrique pl. 27 fig. 2).
93*
702
kauernden Thonfigur aus demselben Tempel und bei den beiden Köpfen aus der Gigantia
offenbart. Eine entsprechende Erscheinung bieten bekanntlich einige Erzeugnisse der ägii-
ischen Inselkunst. So zeigt sich diese Dicke der Oberschenkel und Gesässteile bei zwei
Marmorfigürchen, die in der Umgebung von Sparta gefunden wurden und welche gleichfalls
hockend oder sitzend gedacht sind.1) Ebenso lässt sich bei einem in Delphi gefundenen
Idol ähnliches beobachten.2) Nun aber erkennt man auch in der stehenden Thonfigur von
Hagar-Kim (Taf. XI, 2) eine gewisse Uebereinstimmung mit dem gewöhnlichen Typus der
ägäischen Inselidole, und weitere Berührungspunkte zu den Statuetten von Hagar-Kim ver-
raten die Marmorfiguren aus der Nekropole von Hagios Onuphrios bei Phästos auf Kreta,
welch letztere gleichfalls der durch die Inselfiguren vertretenen Kultur angehört und durch
ihre Beziehungen zu Aegypten (12. Dynastie) und zu theräischen Funden eine annähernde
chronologische Bestimmung erhält.3) Bei den Statuetten von Phästos sind auch die Beine
bisweilen nur durch spitzzulaufende Stummel angedeutet; bei einer derselben4) scheinen
Rillen, die quer über den Bauch gezogen sind, eine ähnliche Bedeutung zu haben, wie
die horizontalen Linien und Streifen, die über den Leib der grössten (stehenden) Kalkstein-
statuette von Hagar-Kim laufen. Wie bei den Statuetten von Malta, so war auch bei den
kretischen Inselfiguren der Kopf bisweilen gesondert gearbeitet; am Halse der letzteren
bemerkt man dann gleichfalls die eingebohrten Löcher, die zur Befestigung des Kopfes
dienten.5) Ohne Zweifel hat Malta in einem bescheidenen Masse die Einwirkungen der
älteren ägäischen Kultur erfahren; die Reliefspiralen in der Gigantia und in Hagar-Kim
sind offenbar auch darauf zurückzuführen.
Es ist für die Frage, die uns am Schlüsse dieser Abhandlung noch beschäftigen wird,
nicht ganz ohne Interesse, dass in jenen Skulpturen neben den östlichen Kultureinflüssen
auch Aehnlichkeiten mit libyschen Bildwerken sich finden. Nahe Verwandtschaft mit den
Statuetten von Hagar-Kim verraten nämlich auch einige von Flinders Petrie in Oberägypten
gefundene „steatopygische" Figuren, die aus Thon oder Nilschlamm gebildet sind. Zwei von
diesen sind stehend dargestellt; andere kauern, wie zwei der Figuren von Hagar-Kim, mit
auswärts nach rechts gebogenen Unterschenkeln auf dem Boden und haben ausserordentlich
dicke Oberschenkel und starke weibliche Brüste.6) Sie stammen aus den Funden von Ballas
und Naqada, welche eine nichtägyptische und mit der älteren ägäischen verwandte Kultur
zeigen. Es scheint, dass man diese Funde auf eine ältere Bevölkerung libyschen Stammes
zurückführen muss, welche den historisch bekannten Aegyptern in der Besetzung des Landes
vorausging und sich neben ihnen einige Zeit forterhielt. 7) An die lybischen Skulpturen
im westlichen Nordafrika erinnert das an letzter Stelle beschriebene Kalksteinrelief aus
dem Museum von Valetta, dessen Herkunft aus Malta freilich nicht ganz unbedingt
x) Mitteilungen des d. arch. Instituts in Athen XVI, 52 Fig. 1, 2.
2) a. a. 0. VI, 361.
3) A. J. Evans, Cretan pictographs and prae-phoenician script. With an account of a sepulcral
deposit at Hagios Onuphrios 1895 fig. 124 — 132.
4) Evans a. a. 0. Fig. 129.
5) Evans a. a. 0. Fig. 131, 132, 133 (letztere Figur an einem anderen Orte auf Kreta gefunden).
6) Flinders Petrie, Naqada and Ballas S. 13, 34, PI. VI.
7) S. hierüber Hörnes, Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa S. 191 — 195, wo auch von der
Verbreitung der „steatopygischen" Figuren gehandelt ist.
703
feststeht. In demselben zeigt sich eine Darstellungsart, wie sie auf libyschen Stelen und
Felszeichnungen zum Ausdruck kommt.1)
Thongefässe.
Es ist sehr zu bedauern, dass über die zahlreichen in den vorgeschichtlichen Heilig-
tümern Maltas gefundenen Reste von Thongefässen nichts näheres bekannt geworden ist.
Bei den ersten Ausgrabungen in Hagar-Kim wurden solche im südlichen Teil des Haupt-
gebäudes in grosser Zahl gefunden (Archaeologia XXIX, 229). C. T. Newton erzählt in
den Travels and discoveries in the Levant I p. 6 ff., dass er bei seiner Anwesenheit auf Malta
im Jahre 1852 zwei Wagenladungen (two cartloads) von Gefässüberresten aus Hagar-Kim
und Mnaidra ins Museum von Malta habe schaffen lassen, und macht dann über die Be-
schaffenheit dieser Töpferware folgende Bemerkungen : »The pottery I found to be of several
kinds; black wäre of a heavy, brittle kind, made of black earth, and ornamented with rüde
rows of notches or indented triangulär marks; finer black wäre, less brittle and more po-
lished; coarse red wäre, and coarse and fine drab wäre. Some of the finer black and drab
wäre had incised patterns of the rudest kind. All the varieties seem to have been baked
in the fire, and have a polished surface. I sent some specimens to the British Museum.
Pottery somewhat similar in character has been found in the island of Jersey." Caruana
(Megalithic antiquities of Hagar-Kim S. 4) berichtet endlich, dass im östlichen Gebäude-
komplex N von Hagar-Kim Bruchstücke von Vasen von verschiedenen Formen, teils mit
eingravierten, teils mit reliefartig angebrachten Verzierungen gefunden wurden (vases of
many different forms, some worked with the chisel and some ornamented in relief). Auch
in der Gigantia wurden Funde von Thongefässen gemacht. La Marmora (Temple de Gozo
S. 24) erwähnt insbesondere die Bruchstücke eines ziemlich grossen Gefässes, das auf seiner
Aussenseite eine Verzierung in Relief hatte, die er mit Fischschuppen vergleicht. Im allge-
meinen sind, so viel aus den spärlichen Bemerkungen hierüber hervorgeht, die Thongefässe,
die aus den megalithischen Bauten Maltas stammen, von ziemlich roher Arbeit gewesen;
auch waren die darauf angebrachten Verzierungen von sehr einfacher Art. Die kleinen
Scherben, die man noch zahlreich in den Mauern von Hagar-Kim und besonders von Borg-en-
Nadur herumliegen sieht, zeigen einen sehr unreinen Thon und müssen sehr dickwandigen
Gefässen von grober Arbeit angehört haben. Im Museum von Valetta fand ich kein Gefäss,
das mit Sicherheit auf eine der megalithischen Ruinen von Malta zurückgeführt werden
konnte; bei den im folgenden erwähnten Gefässen weisen die primitive Art der Herstellung
und der Ornamentik oder auch ihre eigentümliche Form sie in eine Zeit zurück, welche der
Periode der megalithischen Denkmäler nicht fernstehen dürfte.
Es befinden sich im Museum zwei Gefässe von sehr grobem Thon, mit der Hand
gearbeitet. Die Aussenseite ist wohl geglättet und hat, wie es scheint, einen Ueberzug von
einem anderen feineren Thon erhalten. Die Verzierungen bestehen aus Ritzlinien und Kerb-
schnitten. Das eine Gefäss (s. Tafel XII, 1), eine 8 cm hohe Schüssel, ist nur mehr zum Teil
erbalten; es ist im unteren Teil zngerundet und steht auf einem Kranz. Die Dekoration
der Aussenseite bilden, wie dies auch auf einigen der von Newton beschriebenen Gefässe
x) Vgl. die Abbildungen bei Tissot, Geographie comparee de la province romaine d'Afrique I,
491—494; Musee d' Alger pl. VI.
704
der Fall ist, einfache Kerbschnitte, während der Raum durch gleichfalls eingeritzte Bogenlinien
eine Art Gliederung erfahren hat. Das andere Gefäss (Tafel XII, 2) ist ein 15 cm hoher
Topf mit abgeplatteter Basis. Die Striche, durch welche die Aussenseite verziert ist, bilden
acht Streifen, welche in ungleichen Abständen nebeneinander sich befinden und vom Rand des
Gefässes nach unten in vertikaler Richtung sich erstrecken. Diese Streifen sind nicht alle
gleich. Bei den einen ist durch zwei parallele vertikale Linien eine Art Stamm angedeutet,
von dem in ganz unregelmässiger Weise verschiedene schiefe, zum Theil sich kreuzende Striche
ausgehen. Bei den andern ist eine einfache Zeichnung dreimal in der Richtung von oben
nach unten wiederholt; diese besteht aus vier bis fünf Strichen, die von einem Punkte aus-
gehen und nach aufwärts divergieren. Es scheint hier dem unbeholfenen Zeichner irgend
ein pflanzliches Motiv vorgeschwebt zu haben. Eine ähnliche Technik, wie diese beiden
Gefässe, verrät ein Stück vom Rand einer Schale (in dem Museum von Valetta). Dieses
hat einen oben spitz zulaufenden henkelartigen Ansatz, der sich frei aus dem Rand erhebt
und auf der Rückseite eine kleine Stütze hat, die in derselben Weise sich nach oben ver-
jüngt und mit eingeritzten Linien verziert ist. Dieser Ansatz erinnert stark an eine Henkel-
form, wie sie auf sikulischen Gefässen der ersten und besonders der zweiten Periode ge-
bräuchlich ist.
In diese Reihe gehören auch die Bruchstücke von grobem, schlecht gebrannten Geschirr,
die Issel1) in der oben erwähnten Höhle Ghar-Dalam ausgrub und die ihn an italienische
Funde des Bronzealters erinnerten. Er bildet insbesondere ein Fragment von einem grossen,
bauchigen Gefäss ab,2) das in seinem oberen Teil eine aus eingeritzten Linien bestehende
Verzierung hatte. Es war hier zwischen zwei Bandstreifen , die beide durch parallele, um
das Gefäss herumlaufende Linien gebildet waren, eine Art Zickzackornament angebracht.
Auf all diesen Gefässen spricht sich ebenso wie auf den Reliefs mancher Steine von
der Gigantia und von Hagar-Kim eine Kunstübung aus, wie sie in mehr oder minder ähn-
licher Weise auch in anderen Ländern eine in den Anfängen begriffene Civilisation charak-
terisiert. Dagegen deutet eine andere im Museum von Valetta befindliche Vase (s. Tafel XII, 3)
auf Einflüsse, die von Osten gekommen sind. Auch diese ist, wie es scheint, mit der Hand
gemacht; der Thon ist sehr grob; auf der Aussenseite zeigt er rote Farbe und eine geglättete,
etwas glänzende Oberfläche. Wie das auf den ältesten kyprischen Vasen und bei denen
von Hissarlik häufig ist, sind hier drei besondere Gefässe zu einem Ganzen vereinigt. Diese
sind in ihrem unteren, kugelförmigen Teile durch runde, kurze Ansätze miteinander ver-
bunden, während der obere cylindrische Teil in zwei Fällen oben geschlossen ist und hier
in konischer Form zuläuft. Das dritte Gefäss ist oben offen; nur hier konnte Flüssigkeit
eingegossen werden; an dem Bauch desselben Gefässes ist auch die für alle drei Gefässe
gemeinsame Ausgussröhre angebracht. Vom oberen Teil der drei Gefässe gehen gleichfalls
drei runde, stangenförmige Ansätze aus, die sich zu einer einzigen Spitze vereinigen. Die
grösste Höhe des Ganzen ist 24 cm.
J) Note sur une caverne ä ossements de l'ile de Malte in Materiaux pour l'histoire positive et phi-
losophique de l'homme II (1865 — 66), 244. Auch J. H. Cooke, The Har-Dalam Cavem, Malta, and its fossi-
liferous Contents in Proceedings of the Royal Society of London LIV, 278 (dazu Bulletino di Paletnologia
Ital. XXI, 42 ff.) erwähnt unverzierte, grobe Thonware, die sich in der Höhle in einer Tiefe von 0,60 bis
0,90 m fand, wahrend die oberen Schichten Scherben von anscheinend punischer Herkunft ergaben.
2) a. a. O. Fig. 60.
705
In denselben Zusammenhang dürfte noch ein anderes, 0,20 m hohes Gefäss mit drei
Mündungen gehören. Die Hauptmündung mit kurzem, weitem Hals befindet sich in der
Mitte; rechts und links davon sind zwei andere kurze Ausgussröhren. Zwischen denselben
war auf jeder Seite ein henkelartiger Ansatz angebracht, an dem ein gleichfalls aus Thon
bestehender beweglicher Ring hing (s. Tafel XII, 4).1)
Im Anschluss an diese Fundstücke, welche wir der ältesten Kultur von Malta zu-
schreiben, sei noch bemerkt, dass im Gegensatz zu Pantelleria Stein Werkzeuge sich auf
dieser Insel bis jetzt nicht gefunden haben. Keine der Notizen,2) welche sich auf das ver-
einzelte Vorkommen von solchen Gegenständen auf Malta beziehen, bringt hiefiir einen
sicheren Beweis.
II. Geschichtliche Stellung der beschriebenen Denkmäler.
Man hat die im vorausgehenden behandelten Altertümer, soweit sie bekannt waren,
bisher fast allgemein den frühesten Bewohnern Maltas, die uns durch die Ueberlieferung
bezeugt sind, nämlich den Phönikern zugeschrieben. An diese dachte schon Houel (IV, 80);
im einzelnen versuchte La Marmora bei seiner Beschreibung der Gigantia den Nachweis zu
führen, dass dieses Gebäude ein phönikischer Tempel sei. Für phönikisch gelten die oben be-
schriebenen Heiligtümer und die mit ihnen in Beziehung stehenden Gegenstände auch den malte-
sischen Lokalforschern Bres (Malta antica S. 130 ff.), Vassallo und Caruana, und so haben die-
selben auch in Perrots Histoire de l'art III, 292 — 307 unter den phönikischen Denkmälern
ihre Stelle gefunden. Wenn nun auch andererseits der phönikische Ursprung dieser Denkmäler
gelegentlich in Abrede gestellt worden ist,3) so erachte ich es doch, nachdem das in Betracht
kommende Material im vorausgehenden Kapitel eine genaue Prüfung und auch eine Ver-
mehrung erfahren hat, für angezeigt, auf diese Frage hier eingehender zurückzukommen.
Um den phönikischen Ursprung dieser Heiligtümer — denn um diese handelt es sich
vor allem — zu beweisen, wurden in erster Linie die Kulteinrichtungen geltend gemacht.
Bei den phönikischen Heiligtümern, wie bei denen von Malta, sagt Perrot (a. a. O.
S. 307), findet sich dieselbe Gewohnheit des Kults unter freiem Himmel, finden sich die-
selben isolierten Pfeiler und an bevorzugter Stelle dasselbe Gottheitssymbol, der konische
Stein. Das ist richtig, aber für die gegenwärtige Frage nicht beweiskräftig. Der Kult
1) Man kann das Gefäss mit dem bei Schliemann, Ilios, Fig. 1177 abgebildeten vergleichen. —
Die beiden von uns zuletzt beschriebenen Gefässe sind als auf Malta gefunden kurz erwähnt und ab-
gebildet bei Caruana, Ancient pottery from the ancient pagan tombs and Christian cemeteries of Malta
pl. IX, 2 u. 3, S. 25.
2) A. Issel, Materiaux pour Thistoire positive de l'homme II (1SG5 — 18GG), 244; H. Fischer, Mit-
teil, der anthr. Ges. in Wien VIII, 148 ; A. L. Adams , Nile valley and Malta S. 196 f. u. 262 ; A. A.
Caruana, Frammento critico della storia di Malta S. 63 f.
3) Auf die Schwierigkeiten, welchen die Zurückführung dieser Denkmäler auf die Phöniker begegnet,
hat seiner Zeit H. Rhind, Archaelogical Journal VIII (1856), 397 ff. hingewiesen. Neuerdings bezeichnen
Evans, Cretan Pictographs S. 129 und Hörnes, Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa S. 191 Hagar-
Kim als ein vorgeschichtliches Gebäude, vergleichen es aber bei dieser Gelegenheit unrichtiger Weise
mit den Talayot der Balearen.
706
unter freiem Himmel, die Verwendung von kegelförmigen, pfeilerartigen und rundlichen
Steinen, die als Zeichen der Gottheit dienen, findet sich auf einer primitiven Stufe bei sehr
vielen Völkern, bei den Phönikern haben sich diese Gewohnheiten nur besonders lange
erbalten. Die Wasserbecken und tabernakelartigen Gehäuse in den Heiligtümern von Malta
erinnern zwar an orientalische Kulteinrichtungen, haben aber zu wenig charakteristische
Form, um einen engeren Zusammenhang begründen zu können. So ist auch die Aehnlichkeit
zwischen einem der monolithen Tische von Hagar-Kim und einem von Perrot S. 304 zum
Vergleich herangezogenen Altartypus, der im eigentlichen Phönikien vorkommt, nur eine
entfernte. Engere Berührungspunkte zwischen den maltesischen Tempeln und den Ein-
richtungen bestimmter phönikischer Kultusstätten nachzuweisen, ist nicht geglückt. La Mar-
mora hat insbesondere Beziehungen zwischen der Gigantia und dem Aphroditetempel von
Paphos zu finden geglaubt. Aber er geht bei Erklärung der Münzbilder, in denen man
eine diesen Tempel betreffende Darstellung zu besitzen glaubt,1) offenbar von falschen Vor-
aussetzungen aus. Was er für die Darstellung einer Aedicula von der Art der in der
Gigantia gefundenen hält, ist als eine Tempelfassade aufzufassen. In anderen Dingen stützt
sich seine Ansicht vom Tempel von Paphos auf Beschreibungen, deren völlige Wertlosigkeit
die neuesten englischen Ausgrabungen dargethan haben.2)
Aehnlich verhält es sich mit den Beweisen, die man aus der Bauweise der Tempel
für deren phönikischen Ursprung hat ableiten wollen. Perrot findet in derselben die Vor-
liebe der Phöniker für grosse Materialien und unregelmässige Bauart wieder und weist bei
Erwähnung der in einen Stein geschnittenen Fensteröffnungen auf die Gewohnheit der phöni-
kischen Baumeister hin, einen einzigen Stein gleich für die Herstellung eines grösseren Ganzen
zu benützen (a. a. 0. S. 294). Aber das sind Eigentümlichkeiten, denen man bei vielen jener
vorgeschichtlichen Bauten, die man als megalithische zu bezeichnen pflegt, begegnet. Es
müssten speziellere Charakteristiken der maltesischen Bauten, wie die Art der Steinsetzung,
die Anlage der Thore, es müssten solche in einen Stein geschnittene Fenster- und Thür-
öffnungen auch bei wirklich phönikischen Werken nachgewiesen werden, um einen gültigen
Beweis zu liefern.
Man hat sich endlich auf phönikische Inschriften berufen, welche in den Tempeln
von Malta gefunden worden sein sollen. Gewiss würde wenigstens die Benützung, wenn
auch nicht die Errichtung der Gebäude von Borg-en-Nadur durch die Phöniker hinreichend
bewiesen sein, wenn wirklich, wie bisher behauptet wurde, die phönikisch-griechischen Weih-
inschriften an Melkart-Herakles in diesen Ruinen gefunden worden wären. Es ist aber oben
(S. 690) bemerkt worden, dass eine genauere Angabe, wo auf Malta diese Inschriften gefunden
worden sind, nicht mehr gegeben werden kann. Caruana3) macht auf eine weitere phönikische
Inschrift aufmerksam, welche im Hinterraum des südlichen Gebäudes der Gigantia von ihm
entdeckt wurde. Es sind nur wenige, anscheinend phönikische Buchstaben, welche auf der
breiten Fläche einer aufrechtstehenden Platte (des östlichsten der auf dem Plan mit x bezeich-
neten Steine) eingekratzt sind. Man glaubt noch, aber keineswegs mit Sicherheit die Buch-
staben J? • Dnn wahrnehmen zu können. Trotzdem diese Schriftzeichen, die an einer sehr wohl
x) S. u. a. Babelon, Catalogue des monnaies grecques de la Bibliotheque nationale de Paris. Les
Perses Achenaenides. Cypre et Phenicie. S. 115 — 122.
2) Journal of Hellenic studies IX (1888), 193 ff.
3) Antiquities of Hagar-Kim S. 10.
707
sichtbaren Stelle angebracht sind, erst am 18. August 1885 entdeckt wurden, konnte ich
doch nicht den Eindruck gewinnen, als handle es sich um eine moderne Fälschung. Im
übrigen wird der phönikische Ursprung der Gigantia auch durch die Existenz eines solchen
phönikischen Graffitos in keiner Weise bewiesen. Wenn Caruana neuerdings (Frammento
critico della storia di Malta S. 164) behauptet, dass auch die phönikische Tempelinschrift
der Gauliter (C. I. Sem. I n. 132) unter den Ruinen der Gigantia gefunden worden sei, so
haben meine persönlichen Erkundigungen wenigstens soviel ergeben, dass diese Inschrift mit
diesem megalithischen Tempel in keiner Beziehung steht.
Es gibt kein zuverlässiges Merkmal, welches die Zurückführung dieser maltesischen
Monumente auf die Phöniker gestattete, dagegen drängt sich eine Reihe von Erwägungen
auf, aus denen klar hervorgeht, dass sie nicht phönikisch sein können. Die vorher be-
schriebenen Figuren und Köpfe, welche sich in Hagar-Kim und in der Grtgantia gefunden
haben, tragen nicht das geringste an sich, was an phönikische Herkunft erinnern
könnte. Sie haben einen ganz fremdartigen Charakter. Vollständig im Widerspruch mit
phönikischen und orientalischen Eigentümlichkeiten steht dann auch die Anlage der Heilig-
tümer von Malta. Wir sind nur bei wenigen phönikischen Tempeln über deren ursprüng-
liche Gestalt unterrichtet, aber das Bekannte genügt, um über den typischen Grundriss
solcher Heiligtümer zu orientieren. Der wesentliche Bestandteil des phönikischen Tempels
ist ein einziger grosser Hof, an den bisweilen noch ein besonderer Opferraum oder eine oder
mehrere Zellen angefügt sind; der Grundriss dieses Hofes ist fast stets viereckig oder viel-
mehr rechteckig. Diese Tempelform haben die Phöniker im Mutterlande und auf Cypern
angewendet:1) sie haben aber auch in ihren westlichen Kolonien an der alten Form fest-
gehalten. Der Tempel des Baal-Saturnus in Dugga,2) der zwar erst zur Zeit des Kaisers
Septimius Severus, aber wie die Funde beweisen, an der Stelle einer alten punischen Kult-
stätte erbaut war, bestand aus einem rechteckigen, von Säulenhallen umgebenen Hof, an
den im Osten eine Vorhalle, im Westen drei zellenartige Räume stiessen. Ganz ähnlich, nur
einfacher, war ein anderer Tempel von Dugga,3) und nach demselben Prinzip war, wie aus
den erhaltenen Nachrichten hervorgeht, im römischen Karthago das grosse Heiligtum der
ursprünglich punischen Göttin Juno Caelestis angelegt.*) Das Heiligtum des Saturnus Baal-
cai'anensis endlich, das auf der Höhe des Djebel Bou-Kournein bei Tunis sich befand, war
nur ein mit einer Mauer umgebener Temenos, in dessen Mitte sich der Opferaltar erhob.5)
Gegenüber den charakteristischen Merkmalen der phönikischen Heiligtümer zeigen die
oben beschriebenen Tempel auf Malta im ganzen ungefähr halbkreisförmige Gestalt; sie
zerfallen in mehrere Innenräume; im ganzen Grundriss herrscht die Bogenlinie, die Ellipse
vor. Es bestehen also tiefgreifende Unterschiede. Es ist nun nicht einzusehen, warum die
Phöniker auf Malta ihre Heiligtümer nicht nach der heimischen Weise angelegt haben
*) S. u. a. Pietschmann, Geschichte der Phönizier S. 200—202.
2) Carton, Le sanctuaire de Baal-Satume ä Dougga in Nouvelles Archives des Missions scientifiques
VII (1897), 367 ff.
3) Carton, Un edifice de Dougga en forme de temple phenicien in Memoires des antiquaires de
France 1895 S. 52— (iO.
*) Cagnat in Rev. archeol. XXIV (1894) S. 191 f.
5) Toutain, Le sanctuaire de Saturnus Baalcaranensis in Melanges d*archeol. et d'histoire 1892 S. 1 ff.
Abh. d. I. Cl. .1. k. Ak. (1. Wisa XXI. Bd. III. Abth. 94
708
sollen; haben sie doch auch in Afrika noch in römischer Zeit den alten Tempeltypus bewahrt.
Diese Schwierigkeit lässt sich nicht anders erklären, als durch die Annahme, dass die malte-
sischen Tempel eben nicht unter phönikischem Einfluss entstanden sind.
Auch die Bauweise, weit entfernt, einen Zusammenhang zwischen den Denkmälern
von Malta und den Phönikern zu begründen, verbietet vielmehr für jene phönikische Werk-
meister anzunehmen. Wir wissen allerdings verschwindend wenig von phönikischer Architektur.
Aber soweit wir die phönikischen Denkmäler und die phönikische Kulturentwicklung über-
haupt kennen , müssen wir uns doch von einem phönikischen Bauwerk ein ganz anderes
Bild machen, als es uns jene Tempel von Malta gewähren. Wenn wir die letzteren als
phönikisch betrachten, können die ältesten unter ihnen nicht in eine frühei*e Zeit als das
Ende des zweiten Jahrtausends gesetzt werden. Sie fallen dann in eine Zeit, wo die phöni-
kische Kultur bereits ganz entwickelt und wo der gewinnreiche Handel mit den West-
ländern in vollem Gange war. Wir haben zwar keine phönikischen Baudenkmäler, welche
in diese entlegene Zeit zurückreichen, immerhin ist es ganz undenkbar, dass zu einer Zeit,
wo die phönikische Kultur sich an dem Vorbild der assyrischen und ägyptischen bereits
fertig ausgebildet hatte, sie noch Werke von so ursprünglicher Roheit, wie die Bauwerke
auf Malta zum Teil es sind, geschaffen haben sollte, dass, während sonst auf phönikischen
Erzeugnissen in den Ländern des Ostens und des Westens ägyptisierende Ornamente in Hülle
und Fülle wiederkehren , man sich hier mit ein paar armseligen Spiralen und jenem so
primitiven Punktornament begnügt haben sollte. Perrot erklärt diesen Unterschied durch
die Aermlichkeit und die Unbeholfenheit der phönikischen Kolonisten von Malta, woran
wieder die Abgelegenheit der Insel und der Mangel an lebhaften Beziehungen zu den Kultur-
ländern des Orients die Schuld trage. Nun aber ist gerade von der phönikischen Kolonie
von Malta bezeugt, dass sie infolge des lebhaften Handelsverkehrs sehr rasch wohlhabend
und berühmt wurde,1) so dass sie sogar selbst wieder in Afrika in früher Zeit eine Pflanz-
stadt gründete.2) Mit diesen Thatsachen ist der Kulturzustand, wie er aus den betrachteten
Denkmälern von Malta sich ergibt, nicht vereinbar. Mag man immerhin annehmen, dass
die phönikische Kultur auf den Küsten des Westens nicht auf derselben Höhe stand, wie in
den Städten des Mutterlandes und Cyperns, ein solcher Abstand, wie wir ihn bei Zurück -
führung der Monumente von Malta auf die Phöniker annehmen müssten, ist nicht denkbar.
Vor allem bliebe die vollständige Ausserachtlassung der heimischen orientalischen Kunst-
formen unerklärt. Eine weitere Erwägung kommt hinzu. Bei den Bauten von Malta,
besonders bei den Tempeln, lässt sich eine lange Entwicklung verfolgen. Von den rohen
Steinsetzungen und den einfachen Einfriedigungen schreitet man fort zu Anlagen von typisch
ausgeprägtem Grundriss und einer sehr eigenartigen Bauweise. Letztere steht in engster
Beziehung zu dem Material, das der Boden liefert. Sie ist im Lande selbst allmählich ent-
standen und nicht von aussen her als etwas fertiges importiert worden. Wir können sie
nur einer schon seit den frühesten Zeiten auf den Inseln ansässigen Bevölkerung, aber nicht
orientalischen Kolonisten, die bereits mit einer ausgebildeten und in sich geschlossenen Kultur
auftraten, zuschreiben.
*) Diodor V. 12.
2) Stephan. Byzant. s. v. "Ayolla; Movers, Die Phönizier II, 2 S. 353.
709
Perrot kommt im 4. Bande der Histoire de l'art S. 375 f. noch einmal auf die Frage
nach den Erbauern der Tempel von Malta zurück. Er vergleicht diese Gebäude mit primi-
tiven Heiligtümern, welche sich in Palästina und besonders im Ostjordanland und in Moab
gefunden haben. Diese sind rohe Steinsetzungen aus wenig oder gar nicht bearbeiteten
Steinen, welche einen kreisförmigen (auch elliptischen) oder auch einen viereckigen Raum
einschliessen , in dessen Mitte sich das Idol in Form eines aufgerichteten Steines erhebt.
Perrot führt insbesondere einen Fall an, wo an einen ovalen Hof ein kleinerer kreisförmiger
Raum mit dem heiligen Stein in der Mitte angebaut ist, und findet in einer solchen Anlage
das Urbild der Tempel von Malta. Im ganzen und grossen, meint er, träfe man hier wie
dort das gleiche Arrangement: nämlich Kurvenlinien, welche den geheiligten Platz ein-
schliessen, die Stellung des Idols in einem abgesonderten Raum, einer Art Kapelle, und da-
neben einen geräumigeren Hof. wo das Volk sich versammeln konnte, alles unter freiem
Himmel. Man könnte die Zahl der von Perrot angeführten Analogien zwischen den mega-
lithischen Denkmälern Palästinas und Maltas noch vermehren und noch hinweisen auf die
dolmenartigen Tische, welche sich sehr zahlreich neben und in den Steinkreisen Palästinas
finden, sowie auf das Vorkommen von isolierten aufgerichteten Steinen. Perrot führt diese
Aehnlichkeiten an, um die von ihm behauptete phönikische Herkunft der Bauten von Malta
zu begründen. Aber dem gegenüber wird man ohne weiteres geltend machen können,
dass es ganz unwahrscheinlich ist, dass die tyrischen Kolonisten die Form jener bäuerlichen
Heiligtümer des Binnenlandes auf Malta eingebürgert haben sollten, und nicht die oben von
uns beschriebene Tempelform, welche zur Zeit der Kolonisationsfahrten in den phönikischen
Seestädten jedenfalls schon ausgebildet war. Ueberhaupt berechtigen diese Aehnlichkeiten
noch nicht, einen Zusammenhang zwischen den megalithischen Monumenten von Malta und
dem syrischen Binnenlande anzunehmen. Denn einerseits ist zuzugeben, dass diese Beziehungen
ziemlich unbestimmt sind; andererseits wird man aus dem Vorkommen von solchen gleich-
artigen Aeusserungen einer primitiven Kultur nur dann mit Wahrscheinlichkeit auf direkte
Beziehungen schliessen dürfen, wenn die verglichenen Denkmäler in Gegenden sich finden,
zwischen denen in einer frühen Kulturperiode ein Verkehr auch aus geographischen Gründen
leicht möglich und wahrscheinlich war.
Die Denkmäler von Malta und Gozo weisen statt nach Osten in viel deutlicheren
Beziehungen nach Westen, über Pantelleria1) hinweg nach den Inseln und Küsten des
westlichen Mittelmeeres, nach Sardinien,2) den Balearen3) und dem südöstlichen
Spanien.*) Auf solche Zusammenhänge hat zuerst A. de La Marmora, der Erforscher der
sardischen Altertümer, der auch die Beschreibung der Gigantia geliefert hat, aufmerksam
gemacht;5) erst neuerdings hat E. Hübner in seinem Buche „La Arqueologia de Espana" 6)
') Ueber die vorgeschichtlichen Denkmäler dieser Insel s. Orsi in den Monuinenti antichi dell'
Accademia dei Lincei IX (1900), 44-1» — 510 u. meinen Aufsatz in den Mitteilungen d. deutschen arch.
Instituts Rom 1898 S. 367 ff.
2) A. de La Marmora, Vovage en Sardaigne II (1840); Perrot, Histoire de l'Art IV.
3) E. Cartailhac, Monuments primitifs des iles Baleares 1892.
*) H. et L. Siret, Les premiers ägea du metal dans le Sud-Est de l'Espagne 1887; L. Siret in L Anthro-
pologie III (1892), S. 385 ff.
5) Temple de Gozo a. a. 0. S
6) Zitiert bei Cartailhac a. a. 0. S. 10.
Ol '
710
die Denkmäler der Balearen mit denen von Gozo und Pantelleria verglichen, ohne indes
auf irgend welche Einzelheiten einzugehen.
Die vorgeschichtlichen Denkmäler, die hier zum Vergleich herangezogen werden, re-
präsentieren im allgemeinen eine der älteren Bronzeperiode angehörige Civilisation, wenn
auch nicht geleugnet werden kann, dass viele derselben auf Sardinien und den Balearen noch zu
einer Zeit errichtet wurden, da sich schon phönikische oder karthagische Niederlassungen an
der Küste befanden. Die Nuraghen in Sardinien verweist Montelius, Orient u. Europa I, 180
in das Bronzealter, das nach ihm auf Sardinien um circa 1000 v. Chr. endigte. Daran wird
man wohl, wenn auch mit der eben gegebenen Einschränkung, festhalten können. Die
vorgeschichtlichen Steinbauten der Balearen sind schon wegen ihrer Aehnlichkeit mit den
sardinischen derselben Epoche zuzuschreiben. Gräbergrotten dortselbst, die ihrerseits mit
den megalithischen Grabbauten (Navetas) der Balearen Berührungspunkte haben, zeigen die
engsten Beziehungen zu provenzalischen Gräbern aus dem Beginn des Bronzealters oder
dem Kupferalter (Cartailhac a. a. O. S. 48 ff., Montelius a. a. O. S. 59 f.). In die frühere
Bronzezeit weisen auch die einzelnen prähistorischen Fundgegenstände, die auf diesen Inseln
bekannt geworden sind (Cartailhac a. a. O. S. 53 — 69). Den Anfängen der Metallzeit
gehören gleichfalls die von uns zum Vergleich herangezogenen prähistorischen Fundstätten
des südöstlichen Spaniens an. Was Pantelleria betrifft, so ist die dortige Kultur neolithisch :
es zeigt sich noch keine Spur von Metall; indessen verraten mehrfache Beziehungen zur
zweiten sikulischen Periode, die ihrerseits bereits mykenische Einflüsse zeigt, dass man auf
Pantelleria noch auf dem Kulturzustand des Steinalters verharrte, während die anderen Inseln
des westlichen Mittelmeeres schon zu einer höheren Stufe vorgeschritten waren.
Es sind fast ausschliesslich die vorgeschichtlichen Bauten dieser Gegenden, an denen
Beziehungen zu Malta hervortreten, und so möge zuerst auf gewisse Gewohnheiten in der Ent-
werfung des Grundrisses und in der Zusammenfügung der Materialien hingewiesen werden,
welche den Baumeistern von Malta und denen der bezeichneten Länder des westlichen Mittel-
meergebietes gemeinsam sind. Im Grundriss der Gebäude treffen wir bei diesen überall eine
auffallende Vorliebe für die Bogenlinie, für den Kreis und die Ellipse, welche besonders
auf Sardinien und den Balearen stark hervortritt. In der Verwendung von grossen, wenig be-
arbeiteten Steinen beobachtet man auf Sardinien und besonders auf den Balearen eine ähnliche
Uebung wie auf Malta: da trifft man oft monolithe Pfeiler, grosse Decksteine, sowie die Ge-
wohnheit, den unteren Teil einer Mauer durch aufrecht gestellte Steinplatten zu bilden.1)
Einer besonderen Hervorhebung bedarf die Bedeutung, welche dem Ueberkragungssystem
bei den ältesten Bauten all dieser Länder zukommt. Auf Malta haben nur die Bauten von
Mnaidra und Hagar-Kim überkragende Lagen; auch ist man dort, so viel wir wissen, nicht
zur Konstruktion eines vollständigen falschen Gewölbes gelangt. Eine grössere Rolle spielt
dieses System auf der Malta benachbarten Insel Pantelleria. Die Gewölbe der in den
dortigen vorgeschichtlichen Grabbauten (Sesi) sich findenden Kammern sind zwar oft in
ganz systemloser und zufälliger Weise zusammengesetzt, weisen aber auch in einzelnen
Fällen die Form eines durch Ueberkragung der unbearbeiteten Steine gebildeten Spitzbogen-
J) Letztere Eigentümlichkeit auch bei den noch öfter zu erwähnenden Kuppelgräbern von los
Miliares in der Provinz Almeria im südöstlichen Spanien, die „aus dem Schluss des Steinalters oder
richtiger aus dem Kupferalter " stammen: Montelius, Der Orient und Europa I, 50.
711
gewölbes auf.1) Jünger ist ein tholosartiges Gebäude dortselbst mit sebr regelmässigem
falschen Gewölbe, das in den Abhang eines Hügels hineingebaut ist und dazu dient, die
aus dem Felsen hervorströmenden heissen Dämpfe zu fassen; aber es zeigt doch ebenso wie
die zahlreichen Zisternen von Pantelleria aus späterer Zeit, dass diese Art des Gewölbebaues
dort seit altersher eingebürgert war.2) Wie häufig dieselbe auf Sardinien und den Balearen
angewendet wurde, ist bekannt. Desgleichen begegnet man ihr im südlichen Teil der Pyrenäen-
halbinsel, besonders in den Kuppelgräbern von los Miliares in der Provinz Almeria.3)
Wichtiger aber sind die Aehnlichkeiteu, welche zwischen einzelnen Bauwerken bezw.
Gattungen von solchen auf Malta und im westlichen Mittelmeergebiet konstatiert werden
können. In den Ruinen der alten balearischen Städte hat Cartailhac ein Gebäude vor-
gefunden, das er als edifice principal bezeichnet. Dasselbe beschreibt in seinem Grund-
riss einen mehr oder weniger regelmässigen Halbkreis, zu dem die meistens geradlinige
Frontmauer die Stelle des Durchmessers vertritt. In einem Fall (Fig. 14)4) ist diese Mauer
in derselben Weise konkav gebogen, wie dies bei der Front der Tempel von Malta der
Fall ist. Der Eingang war allem Anschein nach in der Mitte der Front,5) so dass in den
äusseren Begrenzungslinien der Tempel von Malta (s. Fig. 18)°) und das Hauptgebäude der
balearischen Städte ungefähr denselben Grundriss zeigen. Die Frontmauer des letzteren ist
bald durch gewöhnliche Steinschichtung, bald wie die Front von Hagar-Kim und Mnaidra
durch aufrecht gestellte und wohl aneinandergefügte Steinplatten gebildet.7) Auch die halb-
kreisförmige Umfassungsmauer besteht auf ihrer Aussenseite und öfter noch auf ihrer Innen-
seite aus breiten, aufrecht gestellten Platten. Zwischen diese sind in Zwischenräumen
starke, pfeilerartige Steine eingefügt, welche quer durch die Dicke der Mauer gehen und
ungefähr in radialer Stellung etwas in das Innere des halbkreisförmigen Raumes vor-
springen. Es kehrt also hier dasselbe Prinzip wieder, das wir für die vorgeschichtliche
Architektur von Malta charakteristisch gefunden haben und das darin besteht, einer aus
aufrecht gestellten Platten konstruierten Mauer durch Einordnung von pfeilerartigen Steinen
Festigkeit zu geben. Auf den vertikalen Platten und Pfeilern, welche den unteren Teil der
Innenwand bilden, bemerkt man an den besser erhaltenen Stellen, wie bei einigen Apsiden
von Mnaidra und Hagar-Kim, noch ein paar Lagen, welche übereinander gegen das Innere
vorkragen (s. bes. Cartailhac a. a. 0. pl. 19). In der Mitte dieser Räume steht nun, fest
in den Boden eingepflanzt, eine hohe Platte, auf welcher eine andere horizontale Platte von
rechteckiger Form ruht, so dass das Ganze etwa die Form eines T hat. Diese gewaltigen
Tische,8) die man früher als Altäre erklärt hat, dienten nach der Ansicht Cartailhacs, ebenso
wie andere monolithe Pfeiler, die im Innern dieser Räume noch vorhanden sind, dazu, die
Decke zu stützen; diese aber sollte, nach den vorhandenen Ansätzen zu schliessen, in einem
J) Orsi, Pantelleria Fig. 35.
~2) S. hierüber meinen Aufsatz in den Mitteilungen des deutschen archäol. Instituts in Rom 1898
S. 391 u. 385 ff.
3) Montelius a. a. 0. S. 50 ff.
*) Nach Cartailhac a. a. 0. Fig. 15.
5) Es scheinen allerdings auch Fülle vorzukommen, wo sich in der Frontmauer zwei Eingänge öffnen.
6) Fig. 18 stellt die Peripherie des südlichen Gebäudes der Mnaidra dar.
") S. Cartailhac a. a. 0. pl. 15 u. bes. pl. 20.
8) Bei einem derselben (von Talati-de-Dalt) ist der vertikale Stein 3.10 m hoch und (),G0 m dick,
die horizontale Platte 4,10 m lang. 1,50 in breit und 0,60 m dick.
712
durch Ueberkragung hergestellten Gewölbe bestanden haben. Mir ist es nicht wahrscheinlich,
dass einmal ein solches Dach bestand. Weder die Wände, noch auch insbesondere der
zentrale Pfeiler mit der horizontalen Platte machen, nach Cartailhacs Abbildungen zu urteilen,
den Eindruck, als ob sie stark genug gewesen wären, den bedeutenden Druck eines so
massiven Daches auszuhalten. Es gibt Gewölbepfeiler in anderen balearischen Bauten (den
Covas, Talayots und Navetas), aber diese haben eine andere, mehr zweckentsprechende und
grössere Festigkeit verbürgende Form. Pfeiler, wie sie dort aus mehreren übereinander-
gelegten runden Blöcken errichtet sind, wären ungleich einfacher herzustellen gewesen und
hätten einen viel sichereren Stand gehabt.
Ferner sollte man annehmen, dass beim Einsturz des Gewölbes die horizontalen Platten
dieser mittleren Pfeiler immer hätten das Gleichgewicht verlieren müssen. So aber haben
bei der Mehrzahl dieser Monumente die horizontalen Platten noch ihre Lage behalten.
Endlich deuten verschiedene Umstände darauf hin, dass dieser T-förmige Aufbau überhaupt
nicht irgend einen architektonischen Zweck erfüllte. In einem Gebäude finden wir nämlich
denselben nicht in der Mitte, sondern an der Wand errichtet; sodann fällt auf, dass Pfeiler
und horizontale Platte immer auf allen Seiten sehr sorgfältig, am besten unter allen Steinen
des Gebäudes, bearbeitet sind, während man sonst vielfach die Materialien ganz rauh ge-
lassen hat. Allem Anschein nach hatten diese T eine selbständige Bedeutung und waren
sie es, derentwegen das ganze Gebäude errichtet worden war. Wir haben oben die ent-
sprechenden Anlagen auf Malta für Heiligtümer erklärt und stehen nicht an, das auch
in diesem Falle zu thun. Sehr gut stimmt zu dieser Auffassung der Umstand, dass Cartailhac
in jeder der von ihm untersuchten Städte nur ein solches Gebäude gefunden hat. Wie im
Tempel auf Malta den vornehmsten Platz in der Mitte gegenüber dem Eingang ein tisch-
artiger Aufbau einnahm, so finden wir einen solchen, wenn auch anders konstruiert, auch
hier. Und wie die Tempel von Malta, so stellten auch die auf den Balearen offene Räume
dar. Die wenigen überkragenden Lagen, welche auf den aufrecht gestellten Platten ruhen,
zwingen weder hier noch dort, eine Ueberdeckung des ganzen Raumes anzunehmen.1)
Wir haben gesehen, dass die konkave Fassade der maltesischen Heiligtümer gelegentlich
zu einer halbkreisförmigen Einfassung erweitert gewesen zu sein scheint, welche eine
Art Vorhof darstellte.2) Auch sonst begegneten an der Aussenseite kleine halbkreisförmige
Steinsetzungen.3) Aehnliche offene halbkreisförmige Einfriedigungen, augenscheinlich für den
Totenkult bestimmt, bemerkt man nun auch vor dem Eingang in ein Kuppelgrab von los
Miliares in Südostspanien4) und vor den Gigantengräbern in Sardinien.5)
Bisweilen verliert bei den letzteren Gräbern der halbkreisförmige Vorhof seine selb-
ständige Bedeutung und kommt nur in der bogenförmigen konkaven Fassade des Grabbaues
:) Ein halbkreisförmiges Gebäude von anderer Art mit konkaver Fassade s. Cartailhac Fig. 27. —
Hier sei auch auf ein kreisförmiges Gebäude (Cartailhac Fig. 16) hingewiesen , in dessen Innerem sich
ein bogenförmiger Mauerzug findet, der einer Apsis angehört zu haben scheint.
2) Bei der Gigantia s. o. S. 654 und bei Mnaidra s. o. S. 664.
3) Bei Mnaidra s. o. S. 664 und Hagar-Kim s. o. S. 667.
*) Montelius, Orient und Europa I, Fig. 53.
5) Die Gigantengräber sind im wesentlichen mit den Nuraghen gleichzeitig; s. hierüber La Marmora,
Voyage en Sardaigne II, 21 ff.; Atlas pl. III u. IV; Perrot, Histoire de Fart IV, 55. Unsere Fig. 17
nach Baux et Gouin in Materiaux pour l'histoire primitive de l'homme 1S84 S. 201 Fig. 117.
713
zum Ausdruck (Fig. 17). In dieser Form gleichen dann diese Gräber ganz den grossen
Grabbauten auf den Balearen, welche Navetas genannt werden (Fig. 15 u. 16),1) und weiterhin
zeigt sich eine unverkennbare Aehnlichkeit zwischen diesen und dem Grundriss der Heiligr-
tümer von Malta und den Balearen, wenigstens was die äusseren Begrenzunsslinien anlangt.
Fig. 15.
Fig. 16.
Fig. 14.
CHZ3
/
—'—•-_
1 : 30D.
1 : 300.
1 : 300.
Fie. 17.
Fig. 18.
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O
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V ' '-n'
15
m
1 : 300.
1 : 400.
Ein Blick auf unsere Fig. 14, 15j 16, 17 und 18 macht es deutlich, wie ganz das gleiche
Motiv auf Malta, Sardinien und den Balearen im Grundriss von Heiligtümern
und Grabanlagen Verwendung gefunden hat, so dass es ausgeschlossen ist, hier an zu-
fällige Uebereinstimmung zu glauben.
') Fig. 15 u. 16 nach Caitailhac Fig. 22 u. 23. Ueber die Navetas handelt Cartailhac a. a. 0. 33 — 37.
714
Weitere Aehnlichkeiten zwischen Malta und den westlichen Mittelmeerländern zeigen
sich in den Kultgegenständen. In Sardinien begegnen auch in konischer Form be-
arbeitete Steinpfeiler, wie solche in Hagar-Kim und in der Gigantia sich gefunden haben.
Besonders treten sie bei den Gigantengräbern auf. Dass sie sakrale Bedeutung hatten, geht
schon daraus hervor, dass auf einigen, wie auf denen von Tamuli, Weiberbrüste, aus dem
gleichen Stein gemeisselt, dargestellt sind.1) La Marmora2) erwähnt ein Perda Lunga ge-
nanntes Monument, das er im Bergland des mittleren Sardiniens untersucht hat: Inmitten
eines mit Steinplatten belegten Raumes, der von einem Steinkreis umschlossen war, stand
zwischen zwei niedrigeren unbearbeiteten Pfeilern ein über 6 m hoher Stein, dem man durch
Bearbeitung eine konische Form gegeben hatte. Im Hinblick auf die vorher erwähnten
konischen Steine dürfte man auch diesen ebenso wie die ihm zur Seite gestellten Pfeiler für
Idole halten und damit die für einen gleichen Zweck bestimmten isolierten Pfeiler in einigen
Räumen von Hagar-Kim vergleichen.3) Aehnliche Kultgebräuche lassen auch die Gräber
von los Miliares erkennen. Bei mehreren derselben bemerkte man vor dem Eingang eine
ebene Fläche oder eine Art Terrasse und kleine Räume , die aus Steinplatten oder aus
anderen Steinen errichtet waren und Reihen kleiner aufrecht stehender Steine von rundem
oder vierseitigem Grundriss enthielten, von der Form eines abgeschnittenen Kegels, einer
Spitze oder einer Tonne.4)
In der Anlage der Befestigungen und Wohnstätten trifft man gleichfalls im westlichen
Mittelmeergebiet ähnliche Gewohnheiten wie auf Malta. Die auf dieser Insel vorgefundenen
Bauten von fortifikatorischem Charakter waren Türme und in Kurven verlaufende
Mauerzüge mit turmartigen Anlagen. Das erinnert allerdings nur entfernt an ein Befestigungs-
system, das auf Sardinien in den Nuraghen eine grossartige Entwicklung in vorgeschichtlicher
Zeit erfahren hatte, und in denselben Zusammenhang könnte sich eine von Sir et5) beschriebene
kleine Befestigung zu Campos am Rio Almanzora im südöstlichen Spanien einreihen. Letztere
besteht aus einer Umfassung, die im allgemeinen trapezförmigen Grundriss hat6) und au
den drei sichtbaren Ecken einen rektanguläreu und zwei runde Halbtürme bildet.7) Viel
bemerkenswerter sind die Uebereinstimmungen in der Gestalt der gewöhnlichen Wohn-
stätten. Die Fundamente der Hütten, welche Orsi in der vorgeschichtlichen Niederlassung
von Mursia auf Pantelleria aufgedeckt hat, lassen zwar in der Regel auf rektangulären
Grundriss schliessen. In einem Fall aber begrenzte eine Mauer mit zum Teil doppelter
Fassade einen etwa 6 m langen und 2 — 3 m breiten, unregelmässig elliptischen Raum, der
auf einer Seite ziemlich weit offen war;8) auf der Aussenseite war ein kleiner Anbau mit
J) La Marmora a. a. 0. S. 10—20.
2) a. a. 0. S. 2 f.
3) Auch sonst finden sich nicht selten in Sardinien alleinstehende aufgestellte Steine ebenso wie
in Malta im Lande zerstreut, deren Zweck zweifelhaft ist (La Marmora a. a. 0. S. 1 — 9).
*) Montelius a. a. 0. S. 52 Fig. 55—57.
5) Les premiers äges du metal dans le Sud-Est de l'Espagne S. 53 ff. Atlas pl. IX. Die Ansiedlung
von Campos gehört der Uebergangszeit von der Stein- zur Bronzezeit an.
6) Von dieser äusseren Umfassung wird noch eine innere von ungefähr länglich runder Gestalt
'eingeschlossen.
7) Auch bei der vorgeschichtlichen Befestigung von Mursia auf Pantelleria merkt man deutlich die
Tendenz, bogenförmige Mauerzüge und turmartige Vorsprünge anzubringen (Rom. Mitteil. 1S9S S. 371).
8) Orsi, Pantelleria, Fig. 8.
715
der Feuerstelle. Eine solche Anlage entspricht ziemlich genau den ovalen Einfriedigungen,
aus welchen sich die Ansiedlungen auf dem Corradinohügel zusammensetzen. In grösserer
Zahl finden sich die Reste von elliptischen und länglichen, aber doch in Kurvenlinien an-
gelegten Wohnstätten beisammen in einigen der von Siret untersuchten prähistorischen
Niederlassungen südwestlich von Cartagena in Spanien. In Parazuelos1) ist eine Gruppe
von Hütten, deren Fundamente meist in mehr oder minder gekrümmten Linien verlaufen,
an beiden Seiten einer Mauer angebaut. Zum Teil sind sie durch Eingänge miteinander
verbunden; im Innern waren bisweilen kleine Bänke aufgemauert, neben denen man Asche
und Küchenabfälle fand.2) Die Mauern, die nur noch in ganz geringer Höhe erhalten
waren, hatten, wie so oft auf Malta, doppelte Fassade; der Zwischenraum war mit Erde
und kleinen Steinen ausgefüllt. Noch mehr gemahnt die Ansiedlung von Ifre3) an die
Wohnstätten, die wir in den Ruinen auf dem Corradinohügel und den vor dem Tempel-
gebäude von Hagar-Kim gelegenen (N auf Plan IV) erkennen. Innerhalb eines durch Fels-
abstürze und starke Mauern geschützten festen Platzes sind hier die länglich runden, sehr
unregelmässig geformten Räume aneinander angebaut. Die grössten dieser Räume oder Hütten
haben eine grösste Länge von 8 — 9 m, eine grösste Breite von 4 m. Es begegnen aber,
wie auf Malta, auch auffallend kleine Räume und solche, die auf allen Seiten geschlossen
sind. In dem ähnlich befestigten prähistorischen Dorf von Zapata*) konnte Siret ausser
mehreren gekrümmten Mauerzügen noch den Grundriss eines länglich runden Hauses von
9 m Länge feststellen , das an einen Felsblock angebaut war und durch einen Gang betreten
wurde. Neben länglich runden Hütten hatten sich auf den maltesischen Inseln auch Reste,
die auf die Existenz von kreisrunden und halbkreisförmigen Wohnstätten schliessen liessen,
vorgefunden.5) Was diese anlangt, so sei darauf verwiesen, dass in Sardinien in der Nähe
der Nuragheu öfter kleine kreisrunde Gebäude vorkommen, die gewöhnliche Wohnungen oder
Hütten gewesen zu sein scheinen,6) und in und bei der Niederlassung von Gatas in Spanien
fand man ausser den in der Regel rektangulären Anlagen auch die Reste von zwei halb-
kreisförmigen Hütten, deren Fundamente durch aufrechtgestellte Platten gebildet waren.7)
Ich beschliesse hieinit diese Vergleichung. Mögen auch einige Aehnlichkeiten, die
sich ergeben haben, zufällig sein, die Thatsache bleibt sicher bestehen, dass in vorgeschicht-
licher Zeit eine enge Verbindung zwischen der Maltagruppe und den Inseln und Küsten
des westlichen Mittelmeerbeckens vorhanden war. Diese Verbindung erscheint um so wahr-
scheinlicher und gewinnt an Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass die von Malta nicht
sehr weit entfernte Insel Pantelleria in ihren vorgeschichtlichen Altertümern, abgesehen
1) Siret, Les pvemiers äges du metal dans le Sud-Est de l'Espagne S. 45 fl'.; Atlas pl. 6. Die An-
siedlung von Parazuelos zeigt den Uebergang von der Verwendung des Steins zu der des Metalls (Kupfer).
2) Bänke sind bisweilen auch in den Wohnstätten auf Malta angebracht.
3) Siret a. a. 0. S. 85 ff. ; Atlas pl. 17; hier ersetzt der Gebrauch des Kupfers und der Bronze bereits
zum grossen Teil den des Steins.
*) Ungefähr gleichzeitig mit Ifre; Siret a. a. 0. S. 101 ff.; Atlas pl. 19.
5) s. o. S. 694 f.
6) Perrot, Histoire IV, 37.
7) Siret a. a. 0. S. 173; Gatas gehört derselben Periode an, wie Ifre und Zapata.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 95
716
von den bereits erwähnten Beziehungen noch eine Reihe weiterer höchst bemerkenswerter
Uebereinstimmungen mit Sardinien, den Balearen und dem südöstlichen Spanien aufweist.1)
Es schliessen sich also die vorgeschichtlichen Denkmäler von Malta und Pantelleria
mit denen von Sardinien, den Balearen und dem südöstlichen Spanien zu einer gewissen
Einheit, zu einem durch zahlreiche Wechselbeziehungen verknüpften Kulturkreis zusammen.
Man kann hier fast von einer westmittelländischen Inselkultur sprechen, welche sich ent-
wickelt hatte, lange bevor die Phöniker diese Küsten berührten, wenn sie auch teilweise,
wie auf Sardinien und den Balearen, neben der phönikischen sich noch lange forterhalten
hat. Die Hauptsitze derselben sind wohl neben dem südöstlichen Spanien die Balearen und
Sardinien gewesen. Von da hat sie, wie nach dem südlichen Frankreich2), nach den Inseln
zwischen Sizilien und Afrika übergegriffen. Man wird nicht umhin können, einen nicht
ganz unbedeutenden Seeverkehr zwischen der Bevölkerung dieser Inseln und Küstengebiete
anzunehmen. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass die starke östliche Meeres-
strömung in dem westlichen Mittelmeerbecken eine Fahrt von den westlichen Küsten und
Inseln her durch die sizilische Meeresstrasse, in der Pantelleria und Malta liegen, sehr be-
günstigt. Dass dieser ganze westmittelländische Kulturkreis eine starke Beeinflussung von
Osten her erfahren hat, dass er unter der Einwirkung der älteren ägäischen, wie später
1) Hier kommen vor allem die Sesi genannten turmartigen Grabbauten in Betracht, welche schon
oft mit den Nuraghen Sardiniens und den Talayot der Balearen verglichen worden sind. Die Sesi gleichen
diesen nicht nur in der äusseren Gestalt des abgestumpften Kegels, sondern auch in der massigen Anlage,
in der runden Form der durch Ueberkragung gewölbten Innenräume, in der Gestalt der Eingänge und
der Korridore, die von aussen hereinführen. Auch bei einigen Talayot beobachtet man dieselbe archi-
tektonische Eigentümlichkeit wie bei einem Teil der Sesi, dass sie nämlich nicht auf einmal gebaut
worden sind, sondern dass man zuerst nur den mit einer besonderen Fassade versehenen inneren Kern
angelegt und diesen dann mit einem äusseren Mantel umkleidet hat. (Vgl. Cartailhac, Monuments
primitifs des iles Baleares S. 29, der die bei diesen Talayot beobachtete Eigentümlichkeit noch auf eine
andere weniger einfache Weise erklärt). Endlich hatten wenigstens die Talayot (und vielleicht ursprünglich
auch die Nuraghen) mit den Sesi die Bestimmung gemein, als Gräber zu dienen. Die Unterschiede be-
stehen darin, dass die Nuraghen und Talayot in der Regel viel grösser und höher als die Sesi sind, dass
sie nur einen Eingang und nur ein grosses Gemach in jedem Stockwerk haben, während bei den Sesi
die Innenräume viel kleiner sind und hier meist mehrere nur von aussen zugängliche Gemächer auf dem-
selben Niveau beieinanderliegen. Auch ist die Bauart der Sesi eine viel rohere; doch darf man hiebei
nicht vergessen, dass sie eine sehr ärmliche und zurückgebliebene Kultur repräsentieren. Orsi macht
ausserdem auf zahlreiche Berührungspunkte zwischen dieser Kultur von Pantelleria und den von Siret
untersuchten Ansiedlungen im südöstlichen Spanien aufmerksam: An manche der letzteren erinnert die
Gestalt der viereckigen Hütten in dem vorgeschichtlichen Dorfe von Mursia auf Pantelleria (Orsi, Pan-
telleria 459); die neolithische Keramik von Pantelleria bietet viele Aehnlichkeiten mit der spanischen
(Orsi a. a. 0. 459, 471); dazu kommen Uebereinstimmungen in einzelnen Geräten (Orsi a. a. 0. 471
Anm. 1 und 462 Anm. 1).
2) Ueber Aehnlichkeiten zwischen Gräbern auf den balearischen Inseln und solchen im südlichen
Frankreich (Arles) s. Montelius, Orient und Europa S. 59 f.; weiter siehe über Beziehungen zwischen den
Balearen und Südfrankreich in vorgeschichtlicher Zeit Cartailhac, Monuments primitifs des iles Baleares
S. 18 Anm. 1 u. S. 49 ff. und Anthropologie IV, 112. — Dagegen haben die vorgeschichtlichen Denkmäler
von Corsica (s. Mortillet, Monuments megalithiques de la Corse in Nouvelles archives des missions scienti-
h'ques III (1892), 49 ff.) mit den Monumenten Sardiniens und der Balearen nichts zu thun; s. auch Mon-
telius, Orient und Europa I, S. 17.
717
der mykenischen Kultur gestanden hat, ist jetzt zweifellos1). Was Malta im besonderen
anlangt, so haben wir Beziehungen zur älteren ägäischen Kultur oben (S. 702, 704 f.) bei
Betrachtung einiger Figuren und Thongefässe erkannt; an ältere ägäische Motive erinnert
auch das Pflanzenornament auf dem skulpierten Altar von Hagar-Kim a). Auf mykenische
Einflüsse deutet ferner das Vorkommen der Spirale in der Ornamentierung3) und die An-
wendung der Ueberkragung in der Architektur. Mit der gewöhnlichen Form der mykeni-
schen Altäre zeigen einige der monolithen Altartische von Hagar-Kim4) Aehnlichkeit. Nach
Osten weisen endlich auch die konischen Steine und andere Baetyle.
Durch diese Beziehungen zum Osten und zum Westen wird auch angedeutet, in welche
Zeit die vorgeschichtlichen Altertümer von Malta gehören. Die späteren unter ihnen ragen
wohl noch in die Periode hinein, da die Phoeniker anfingen, sich auf Malta niederzulassen5);
andrerseits dürfte keines dieser Denkmäler in das Steinalter zurückgehen. In den meisten
Fällen, wo bei den vorgeschichtlichen Bauten von Malta der Stein bearbeitet ist, scheint es,
dass dies unter Anwendung metallener Werkzeuge geschehen ist. Es mangelt überhaupt
bis jetzt jeder Beweis dafür, dass es auf Malta je eine reine Steinkultur gegeben hat, und
es ist nicht unmöglich, dass diese Stufe hier gänzlich fehlt, wie das beispielsweise auch auf
den Balearen der Fall ist6). Somit gehören die Denkmäler, die uns hier beschäftigt haben,
dem Bronzealter an; sie dürften wohl einen Zeitraum umfassen, der etwa am Ende des
dritten Jahrtausends v. Chr. beginnend auch das zweite noch vollständig in sich begreift.
Schliesslich möge noch die Frage gestreift werden, woher das Volk, das die betrach-
teten Denkmäler auf Malta hinterlassen hat, eingewandert sei. Es scheint, als ob diese
Frage nicht von der andern zu trennen ist, woher auch die übrigen Inseln des westlichen
Mittelmeers ihre Bevölkerung erhalten haben. Ebenso wie im Osten allem Anschein nach
in sehr früher Zeit libysche Stämme sich auf Kreta niedergelassen haben7), so sind auch
ohne Zweifel verschiedene von den Inseln des Westmeers in vorgeschichtlicher Zeit das Ziel
J) Ueber Beziehungen zwischen Spanien und der ägäischen Inselkultur s. Siret, Premiers äges du
metal dans le Sud-Est de l'Espagne S. 32, 57 und pl. VI, IX und L' Anthropologie 1892, S. 387, 399;
A. J. Evans, The eastern question in anthropology in Report of the meeting of the British association
for the advancement of science at Liverpool 189G S. 911. Ueber mykenische Kultureinflüsse auf Sardinien
s. Ed. Meyer, Gesch. d. Altertums II § 134 und A. J. Evans a. a. 0. S. 921, über solche auf den Balearen
P. Paris in Revue archeol. III, 30 (1897) S. 138 ff., im südöstlichen Spanien P. Paris in Comptes rendus
de l'acad. des inscr. 1899 S. 436 f. — Die Gewölbekonstruktionen der Nuraghen, Talayot, Navetas und
Covas sind sicher nicht ohne mykenischen Einfluss entstanden.
2) S. A. J. Evans a. a. 0. S. 911.
3) Danach ist meine obige Bemerkung (s. S. 702) zu berichtigen.
4) Hier sind besonders diejenigen zu nennen, die sich jetzt in Raum B von Hagar-Kim befinden;
s. o. S. 668 mit Taf. VII, 1 ; auch der von mir o. S. 658 Fig. 7 abgebildete Tischfuss hat Aehnlichkeit
mit der gewöhnlichen Form der mykenischen Altäre (s. z. B. die Abbildung bei Perrot, Hist. de l'art
VI, 658).
5) In Hagar-Kim fand sich ein jetzt im Museum von Valetta aufbewahrtes weibliches Thonfigürchen,
das in der Weise der sog. kyprischen „Schneemanntechnik* gearbeitet ist. Es ist 5J/2 cm hoch; der
linke Arm ist an die Brüste angelegt; der rechte Arm, der jetzt abgebrochen ist, war vorgestreckt; der
untere Teil der Figur ist säulenförmig. Leider wissen wir über die Fundumstände nichts näheres, sodass
sich keine bestimmten chronologischen Schlüsse ziehen lassen.
6) Cartailhac a. a. 0. S. 54.
7) A. J. Evans in Journal of Hellenic studies XVII (1897), 872 ff.
95*
718
libyscher Einwanderung gewesen. Ich möchte mich indessen hier nur auf die zwischen
Sizilien und Afrika gelegenen Inseln, nämlich auf Malta und Pantelleria, beschränken. Auf
beiden Inseln kann in einer so entlegenen Zeit und unter primitiven Kulturverhältnissen
eine Einwanderung nur von Afrika oder Sizilien aus erfolgt sein. Bei Pantelleria spricht
schon die geographische Lage dafür, dass es seine erste Bevölkerung von Afrika erhalten
hat. Die Insel liegt nämlich der afrikanischen Küste näher als der sizilischen. Von Pan-
telleria aus erblickt man mühelos mit freiem Auge Cap Bon und Ras Kabudiah; an der
Afrika zugewendeten Küste hat man auch die einzigen Denkmäler der vorgeschichtlichen
Bewohner Pantellerias gefunden. Was Malta anlangt, so würde die Nähe Siziliens der An-
nahme einer Einwanderung von dieser Insel günstig sein; andererseits ist zu berücksichtigen,
dass gerade der Meeresteil zwischen Sizilien und Malta ziemlich stürmisch ist. Es fragt
sich nun, ob ähnliche Monumente, wie sie die vorgeschichtlichen Bewohner von Malta oder
Pantelleria hinterlassen haben, in Sizilien oder in Afrika vorkommen. In dieser Hinsicht
muss bemerkt werden, dass gerade so charakteristische Altertümer, wie die vorgeschichtlichen
Bauwerke von Pantelleria und Malta es sind, in Sizilien und auch in Italien fast ganz fehlen1).
Dagegen bieten die megalithischen Denkmäler Nordafrikas, von denen hier ihrer
Lage nach besonders die von Tunesien in Betracht kommen, eine Reihe von Berührungs-
punkten2). Man kann diese Denkmäler, die zum grössten Teil sepulkrale Bestimmung
hatten, nur dem libyschen Stamm zuschreiben. Die Hauptmasse derselben gehört der
Metallzeit an ; Steinwerkzeuge sind, wie es scheint, nur ziemlich selten in oder bei den Dolmen
Nordafrikas zum Vorschein gekommen. Dagegen sind viele von diesen ohne Zweifel noch
während der punischen oder römischen Periode errichtet worden. Offenbar sind die Typen,
von denen wir hier zu sprechen haben, viele Jahrhunderte hindurch mehr oder minder
unverändert in Gebrauch gewesen.
Die eigenartigsten Denkmäler, welche die vorgeschichtliche Bevölkerung von Pan-
telleria hinterlassen hat, sind die Sesi genannten turmartigen Grabanlagen, die in ihrer
äusseren Form abgestumpften Kegeln gleichen und im Innern kleine, gewölbte, durch einen
niederen Korridor zugängliche Kammern enthalten. Grosse Aehnlichkeit mit diesen bieten
*) Was Italien betrifft, so finden sich nur in der Terra d' Otranto Dolmen, Menhirs und massive
turmartige Bauten. Auf Sizilien sind soviel ich weiss die einzigen Bauwerke, die eine Parallele zu denen
von Malta gewähren, die Befestigungswerke des Monte Finocchito, welche stark an die von Borg-en-Nadur
(s. o. S. 687) erinnern. Auch auf dem Monte Finocchito sind es zwei halbkreisförmige Bastionen, die
durch eine Zwischenmauer verbunden den Zugang zu dem Plateau, auf dem die alte Sikelerstadt lag,
sperrten. Ich möchte diese Werke im Hinblick auf die äusserst primitive Bauart und die grosse Rolle,
welche turmartige Anlagen unter den vorgeschichtlichen Bauten der westlichen Mittelmeerländer spielen,
doch für bedeutend älter halten, als Orsi (Bull, di Paletnol. Ital. XXIII, 1S97, S. 179 ff.) anzunehmen
geneigt ist, der in ihnen bereits griechischen Einfluss erkennt.
2) Die Litteratur über diese Denkmäler ist in verschiedenen Zeitschriften sehr zerstreut; eine kurze
Uebersicht über das in Betracht kommende, noch lange nicht genügend bekannte Material bei Tissot,
Geographie comparee de la province Romaine dAfrique I, 498 ff. — Die megalithischen Ueberreste in
Tripolitanien, besonders die sog. Senam (am eingehendsten behandelt von H. S. Cowper, The Hill of the
graces, London 1897) können für die vorliegende Frage kaum in irgend einer Weise herangezogen werden.
Sie sind noch sehr wenig erforscht und stammen aus einer viel späteren Zeit als die vorgeschichtlichen
Denkmäler von Malta. Doch sei bemerkt, dass auch hier auf den Steinen sich bisweilen eine Verzierung
findet, die mit dem Punktornament von Malta wenigstens verwandt ist (Cowper a. a. 0. S. 167 f.).
719
nun aber massive Grabbauten, die sich in Tunesien gefunden haben, und zwar besonders
die von Enfida, welche nahe der Ostküste südwestlich gegenüber von Pantelleria liegen1).
Diese haben im unteren Teil, der die aus Platten konstruierte Grabkammer birgt, zylin-
drische Form; der obere Teil läuft, indem die einzelnen Steinschichtungen wie Stufen hinter-
einander zurücktreten, in der Form eines sehr niedrigen abgestumpften Kegels zu; in die
Grabkammer führt von der Peripherie aus ein Gang. Es findet sich so an der Pantelleria
gegenüberliegenden afrikanischen Küste ein Gräbertypus, der als unmittelbare Vorstufe zu
dem auf jener Insel vorkommenden angesehen werden muss2), während Sizilien zu diesen
Denkmälern von Pantelleria keine Entsprechung aufweist3). Man ist demnach, zumal wenn
man auch die oben geltend gemachten geographischen Momente in Betracht zieht, zu
der sicheren Annahme berechtigt, dass Pantelleria von Afrika aus seine früheste Bevölkerung
erhalten hat.
Auf Malta sind nun zwar keine Grabbauten nachgewiesen, die an die Megalithen
Nordafrikas erinnern; der leicht auszuhöhlende Felsen hat wohl schon in den ältesten Zeiten
die Bevölkerung auf andere Grabformen hingewiesen. Dagegen hat das architektonische
Motiv, das den afrikanischen Dolmen zu Grunde liegt, auch bei den vorgeschichtlichen
Bauten von Malta reiche Verwendung gefunden. Hier bieten die Steintische und die kleinen
Rezesse und Nischen, deren Wände aus vertikalen Platten bestehen und die mit anderen
grossen Platten überdeckt sind, wenigstens in ihrer äusseren Form Vergleichungspunkte dar.
Ja es scheint sogar, als ob es in Nordafrika wie in Malta Heiligtümer gegeben habe, deren
wichtigster Teil ein hoher tischähnlicher Aufbau gewesen ist. So lässt sich wenigstens eine
bei der megalithischen Nekropole von Sigus in der Provinz Constantine befindliche, Redjee
Safia genannte Anlage auffassen, die man als Rest eines einheimischen Heiligtums ansprechen
darf, wenn sie auch in ihrer gegenwärtigen Gestalt erst aus römischer Zeit stammt4). Frei-
stehende Pfeiler, die ursprünglich alle durch darübergelegte steinerne Querbalken verbunden
waren, begrenzten hier eine längliche Plattform, innerhalb deren drei andere Pfeiler aus
behauenen Blöcken sich erheben, über welchen eine unbearbeitete grosse Platte ruht. Man
hat letztere als Altar bezeichnet, aber der Umstand, dass sich ihre Oberfläche mehr als
2 Meter über dem Boden befindet, spricht dagegen. Dieser tischähnliche Aufbau scheint
vielmehr selbst der Gegenstand der Verehrung gewesen zu sein.
1) Kurz beschrieben von Hamy in Comptes rendus de l'Academie des inscriptions 1896 S. 244. —
Orsi, der auch die vorgeschichtlichen Bewohner Pantellerias von Afrika herleitet, vergleicht (Pantelleria
S. 500) mit den Sesi passend einige der von Carton (Decouvertes epigr. et archeol. faites en Tunisie.
Paris 1895, Fig. 136, 137, 143, 144) beschriebenen Dolmen vom Djebel Gorra. Die Parallele mit denen von
Enfida ist schlagender.
2) Ihre weitere architektonische Ausgestaltung verdanken die Sesi wohl anderen Einflüssen, s. o.
Sp. 716 Anm. 1. — Bemerkt sei noch, dass in den Sesi ebenso wie in so vielen libyschen Gräbern die
Toten in zusammengeschobener Lage beigesetzt wurden (Orsi, Pantelleria Sp. 484).
3) Die Beziehungen zwischen Pantelleria und Sizilien, die sich in einzelnen Fundgegenständen,
besonders in der Keramik, äussern, sind augenscheinlich auf kommerziellen Verkehr zurückzuführen.
4) Recueil des notices et mem. de la societe archeol. de Constantine XXIV (1886—87), 108 f., 119 ff.
und PI. XIII; Association franc. pour l'avancement des sciences. 10e session. Alger 1881 S. 1149; Mate-
riaux pour l'hist. primit. de l'homme 1878 8. 29; dazu C. I. L. VIII, 2 add. n. 10859 und VIII Supplem.
Pars II. n. 191120.
720
Die zahlreichen ovalen Höfe und Einfriedigungen, welche in den Heiligtümern von
Malta vorkommen, lassen an die runden Steinsetzungen denken, welche in Afrika um die
Grabkammern herum einen anscheinend geweihten Raum abschliessen, bisweilen aber auch
ohne die letzteren aufzutreten scheinen. Wie in diesen ovalen Räumen auf Malta bisweilen
ein pfeilerartiger Stein als Idol sich erhob, so begegnen auch in Afrika Kreise aus aufrecht
gestellten Steinen, innerhalb deren ein anderer menhirartiger Stein steht1). Vielleicht darf
man hier gleichfalls an Heiligtümer denken, wie man sakrale Bedeutung auch wohl bei den
pfeilerartigen mit eingegrabenen schalenförmigen Vertiefungen versehenen Steinen vermuten
muss, die in Algerien in viereckigen oder rektangulären Einfassungen, und zwar in einer
Ecke derselben, stehen1). Auch sonst kommen isolierte aufrechtgestellte Steinpfeiler in
Nordafrika teils bei den Gräbern, teils wie auf Malta für sich allein vor.
Von den Befestigungen und Wohnstätten der alten Libyer scheint sich wenig erhalten
zu haben, aber wir hören von Zufluchtsstätten, deren Mauern aus hohen vertikalgestellten
Steinplatten bestehen3), von runden Türmen in der Nähe der megalithischen Nekropolen*),
von runden, elliptischen oder auch rektangulären Konstruktionen, die Reste von Hütten ge-
wesen zu sein scheinen5), lauter Dinge, die mehr oder minder an die beschriebenen Bauten
auf Malta erinnern.
Die im Vorstehenden aufgeführten Aehnlichkeiten zwischen den vorgeschichtlichen
Bauwerken von Nordafrika und Malta sind allerdings ziemlich unbestimmter und allgemeiner
Natur, aber man wird zugeben, dass die afrikanischen Denkmäler wenigstens Grundformen
und Elemente repräsentieren, aus denen sehr leicht unter Einwirkung lokaler und fremder
Einflüsse derartige Bauten entstehen konnten, wie sie auf Malta vorhanden sind. Wenn nun
solche Beziehungen zwischen Malta und Nordafrika bestehen, während andrerseits die vorge-
schichtlichen Baudenkmäler von Malta so gut wie keine Berührung mit Sizilien und Italien
aufweisen, so ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass das Volk, welches dieselben
errichtet hat, von Afrika gekommen ist6).
Es stellt sich also die älteste Geschichte von Malta ungefähr in folgender Weise
dar: In einer nicht mehr bestimmbaren Zeit, etwa zu Beginn der Metallzeit, sind libysche
Stämme aus Afrika auf Malta eingewandert und haben dort in einfachen runden Stein-
setzungen die ältesten Spuren ihrer Heiligtümer und Wohnstätten hinterlassen. Während
einer eine Reihe von Jahrhunderten umfassenden Entwicklung bildete sich eine eigenartige,
') Letourneux im Archiv f. Anthropol. II, 311 Fig. 76. Eine ähnliche Anordnung verrät sich in
einer Gruppe von konisch gestalteten Menhirs zu Mzora im nördlichen Marocco, wo ein 6 m hoher auf-
rechtgestellter Stein von einer Anzahl niedrigerer umgeben ist (Tissot, Geographie comparee de la Maure-
tanie Tingit. in Memoires presentes ä l'Acad. des inscr. Ie serie t. IX, 1 p. 315).
a) Letourneux a. a. 0. S. 313, Fig. 82, 83, 84. Diese Vertiefungen erinnern an solche, die in Steinen
der Tempel von Malta angebracht sind (s. o. S. 684).
3) Tissot, Geogr. comparee de la prov. Rom. d'Afrique I, 498 f.
4) Carton, Decouvertes epigr. et archeol. en Tunisie S\ 363 und 366; vgl. Diodor III, 49 über die
Türme der libyschen Häuptlinge.
5) Carton a. a. 0. S. 354.
6) Movers, Die Phoenizier II, 2 S. 95 sieht in dem Umstand, dass Ovid in der Fast. III, 567 ff.
erzählten Sage dem König von Melite den libyschen Königsnamen Battus gibt, einen Hinweis auf die
libysche Abstammung der Urbevölkerung von Malta. Diese Sage ist aber wahrscheinlich von Ovid ganz
oder zum Teil erfunden; s. Meltzer, Geschichte der Karthager I, 119 f.
721
wenn auch immer noch ziemlich tiefstehende Kultur aus, auf welche in vormykenischer und
mykenischer Zeit ägäische Einflüsse bis zu einem gewissen Grade eingewirkt haben und die
andererseits auch enge Beziehungen zu den Inseln und Küsten des westlichen Mittelmeers
verrät. Mit Sardinien, den Balearen und dem südöstlichen Spanien ist die Maltagruppe in
den Jahrhunderten, welche der Kolonisierung der westlichen Mittelmeerländer durch die
Phoeniker voraufgehen, durch zahlreiche Wechselbeziehungen verbunden ; sie bildet mit jenen
Inseln und Küsten zusammen in dieser Periode ein besonderes Kulturgebiet. Auch als die
phoenikische und später die karthagische Seeherrschaft und Kolonisation grössere Ausdeh-
nung gewann, hat sich wie es scheint in den grösseren Gebieten, wie auf Sardinien und den
Balearen, die alte Kultur noch lange bei den eingeborenen Stämmen erhalten. Auf den
kleineren Inseln aber ist die einheimische Bevölkerung sicher schon früh in der Zahl der
phoenikischen Ansiedler aufgegangen. Dieser Prozess muss sich auf Malta und Gozo schon
lange vollzogen haben, ehe diese Inseln (im 6. Jahrhundert vor Chr.) ein Teil des kartha-
gischen Reiches wurden. Wir besitzen keine bestimmten Nachrichten über die Zeit, in der
die phoenikischen Kolonien auf Malta gegründet wurden. Aus der Ueberlieferung, welche
die Entstehung derselben an die phoenikischen Handelsfahrten nach Spanien anknüpft1),
lässt sich ein einigermassen bestimmter Zeitansatz nicht gewinnen. Einen besseren Anhalts-
punkt gibt die Angabe2), dass die Melitaeer, worunter offenbar die phoenikischen Ansiedler
auf Malta zu verstehen sind, die Stadt Achulla an der tunesischen Küste gegründet haben.
Das muss, wie schon Movers3) betont hat, geschehen sein, ehe Malta karthagische Besitzung
wurde und überhaupt ehe die karthagische Seemacht ihren Aufschwung nahm, also wohl
noch vor dem Beginn des 7. Jahrhunderts. Andererseits folgt aus der Thatsache der Grün-
dung von Achulla, dass damals die phoenikischen Ansiedler auf Malta und Gozo eine ge-
wisse Bedeutung und Macht besassen und also ohne Zweifel die eingeborene Bevölkerung
auf diesen Inseln schon vollständig unterworfen und sich assimiliert hatten. Es hatte also
jedenfalls noch vor der Zeit, in welche die Gründung von Achulla fällt, die Kultur, die
durch die von uns geschilderten Denkmäler repräsentiert wird, ihr Ende erreicht.
Am Schlüsse dieser Arbeit nehme ich Veranlassung, den Verwaltungsbehörden auf
Malta für die Unterstützung, welche sie auf Grund der mir durch das bayerische Staats-
ministerium vermittelten Empfehlungen meinen archäologischen Forschungen zu Teil werden
Hessen, den gebührenden Dank auszusprechen, besonders dem überaus gefälligen Vorstande
der öffentlichen Bibliothek von Valetta, Monsignore Mifsud. Ich gedenke ferner des liebens-
würdigen Entgegenkommens, das mir so viele Private auf Malta wie Herr P. Emmanuele
Magri S. J., Herr Advokat Portelli-Carbone aus Valetta und mein bayerischer Landsmann,
der gegenwärtige deutsche Konsul auf Malta, Max Freiherr von Tucher, bei meinen Arbeiten
bewiesen haben. Zu ganz besonderem Danke aber fühle ich mich der trefflichen Kennerin
maltesischer Altertümer, Frau L. Strickland aus Malta, verpflichtet, die mir nicht nur ihre
wertvolle Sammlung phoenikisch-maltesischer Fundgegenstände in liberalster Weise zum
Studium zur Verfügung stellte, sondern auch meine in gegenwärtiger Abhandlung darge-
stellten Untersuchungen in mannigfacher Weise gefördert hat.
J) Diodor V, 12; vgl. V, 35.
2) Stephan. Byzant. (ed. Meineke p. 152) s. v. vA%o/./.a.
3) a. a. 0. II, 2, 353.
722
Nachträge.
Ueber die Bedeutung der tischähnlichen Aufbauten in den vorgeschichtlichen
Heiligtümern von Malta.
Ich habe oben (S. 683) die zahlreichen tischartigen Aufbauten, die sich in den Heilig-
tümern von Malta finden, vermutungsweise als Gegenstände der Verehrung bezeichnet, ohne
beim Mangel an geeigneten Parallelen weiter auf ihre Bedeutung einzugehen. Nun aber
erfahren durch die nach Abschluss meiner Arbeit erschienene Untersuchung von Arthur
J. Evans, Mycenaean tree and pillar cult and its mediterranean relations (Journal of Hellenic
studies XXI, 1901, 99 ff.), welche eine Reihe schätzbarer Aufschlüsse über die ältesten Kult-
formen in den Mittelmeerländern bietet, auch die eben genannten Eigentümlichkeiten der
maltesischen Heiligtümer eine Beleuchtung. Im mykenischen Kult erscheinen Bäume und
Steinpfeiler als Sitz der Gottheit; die mykenischen Heiligtümer hatten, soviel aus den bild-
lichen Darstellungen hervorgeht, zum Teil wenigstens die Gestalt von kleinen dolmenartigen
Kammern, in denen ein das Baetyl darstellender Pfeiler bald frei aufrecht steht, bald auch
als Stützpfeiler für die Decke dient. Evans (a. a. 0. S. 196 ff.) findet nun in den Heilig-
tümern von Malta die Spuren eines dem mykenischen entsprechenden Kults wieder. Par-
allelen bieten ihm die isolierten pfeilerartigen Steine, die dort in den Apsiden standen oder
noch stehen und die ich oben (S. 683 f.) bereits als Symbole der Gottheit erklärte. Bis-
weilen steht nach der Auffassung von Evans der Pfeiler, welcher die Gottheit verkörpert,
in den Heiligtümern von Malta auch in einer dolmenartigen Zelle, deren Deckplatte er
tragen hilft. Als Beispiel einer solchen Zelle dient ihm die Einrichtung der westlichen
Nische des von uns mit H bezeichneten Rezesses von Mnaidra1). Ob der runde Pfeiler, der
hier die horizontale Platte trägt, wirklich sakrale Bedeutung hatte, soll nicht weiter erörtert
werden ; dagegen erscheint es mir jetzt sicher, dass die verschiedenen tisehartigen Aufbauten
und tabernakelartigen Gehäuse in den Heiligtümern von Malta sich aus der Form der Grab-
kammer oder des Dolmens entwickelt haben. Ursprünglich empfing der heroisierte Ver-
storbene, der in einer solchen Grabkammer begraben lag, dort seine Verehrung. Daraus
entwickelte sich dann die Vorstellung, die Steinkammer selbst als Wohnstätte eines gött-
lichen Wesens anzusehen, als welche sie dann Verehrung empfing2). Indem nun aber all-
mählich der Gedanke an die Grabkammer zurücktrat, so veränderte sich auch die Gestalt
des Heiligtums. Man legte besonderes Gewicht auf den augenfälligsten Teil des Dolmens,
die grosse Deckplatte, und so kam es, dass nicht selten, wie dies besonders in den Heilig-
!) Was die auch von Evans erwähnte zweite horizontale Platte angeht, welche hier gegenwärtig
über der unmittelbar auf der runden Stütze aufruhenden liegt, so bin ich (s. o. S. 658) durch ihre mehr
zufällige Lagerung und durch die Einrichtung der ähnlichen Nische D im nördlichen Gebäude der
Mnaidra (s. o. S. 661) zur Ansicht geführt worden, dass sie ursprünglich im Hintergrunde über der andern
Platte aufrecht stand.
2) Diesen Gedanken spricht Evans unter Bezugnahme auf primitive indische Heiligtümer a. a. 0.
S. 186 aus.
723
tümern von Malta der Fall ist, die Gegenstände der Verehrung mehr oder minder tisch-
ähnliche Gestalt annahmen. Eine ganz analoge Erscheinung treffen wir in Libyen. Der
tischähnliche Aufbau in dem oben (S. 719) erwähnten Heiligtum von Redjee Safia hat die
grösste Aehnlichkeit mit einem gewöhnlichen Dolmen: die grosse horizontale Platte ist ge-
blieben, die sonst durch aufgestellte Platten gebildeten Wandsteine aber sind verschwunden
und die Platte wird durch freistehende Pfeiler getragen. Auf den ßalearen endlich dient
in den von uns vorher (S. 711 f.) besprochenen Heiligtümern als Baetyl einfach eine grosse
horizontale Platte, welche auf einer anderen vertikal gestellten aufruht1).
Die dolmenartige Steinkammer kann aber auch, indem man von ihrer ursprünglichen
Bedeutung abstrahiert, als Aufbewahrungsort für ein Steinidol benützt werden1). Mit dieser
Bestimmung tritt sie in den Heiligtümern von Malta unter der Form der tabernakelartigen
Gehäuse auf, in denen ich schon oben (S. 683) einen Aufbewahrungsort für Kultgegenstände
sah, wenn sich auch ein direkter Beweis nicht mehr erbringen lässt. Auch manche der
mit grossen Steinplatten überdeckten Nischen sind wohl auf dieselbe Weise zu erklären
(s. o. S. 683 Anm. 1).
Wenn nun auch der Kult, dem die Heiligtümer von Malta dienten, ohne Zweifel aus
dem Totenkult erwachsen war, so glaube ich doch nicht, dass diese Heiligtümer auch wirk-
lich, wie Evans (a. a. 0. S. 200) annimmt, Begräbnisstätten von Toten gewesen sind,
die hier göttliche Verehrung genossen. Der einzige in einem dieser Tempel (Hagar-Kim)
gefundene menschliche Schädel, zu dem vielleicht auch die andern wenigen dort ausge-
grabenen menschlichen Gebeine gehört haben, dürfte von einer relativ jungen Bestattung
herrühren (Caruana, Megalithic antiquities of Hagar-Kim S. 7) und die verschiedenen dolmen-
artigen Anlagen in den Heiligtümern scheinen alle von Anfang an offen und nicht, wie man
das bei einem wirklichen Grabe erwarten sollte, auf allen Seiten geschlossen gewesen
zu sein.
Die Aehnlichkeiten, welche die Heiligtümer von Malta mit den mykenischen zeigen,
wird man, wenn auch unleugbar Malta von der ägäischen Kultur beeinflusst worden ist,
doch nicht auf Einwirkung von dieser Seite her zurückführen dürfen. Die eben bespro-
chenen Einrichtungen der maltesischen Heiligtümer weisen vielmehr, wie wir das oben
(S. 719) schon angedeutet haben, nach Libyen, wo die dolmenartige Steinkammer die von
jeher bei der einheimischen Bevölkerung übliche Grabform war und der von einem Stein-
kreis umgebene Dolmen offenbar auch die älteste Form des Heiligtums repräsentierte3).
a) Ebenso sind wohl auch die dolmenartigen „Altäre" in Palästina aufzufassen, von denen Perrot,
Histoire de l'art IV, 377—378 handelt.
2) Dies wird gleichfalls von Evans a. a. 0. S. 186 hervorgehoben, der indische Parallelen anführt.
3) Evans, der die vorgeschichtlichen Heiligtümer auf Malta selbst im Jahre 1897 untersucht hat,
erklärt in dem kurzen denselben a. a. 0. S. 192 — 196 gewidmeten Abschnitt diese Gebäude gleich mir mit
Entschiedenheit für nichtphoenikisch. In höherem Grade wie ich betont er die Beziehungen zu Sizilien
während der 2. sikelischen Periode, besonders in der Keramik (vgl. übrigens meine Bemerkung o. S. 704).
Er erwähnt in dieser Hinsicht ausser einem Gefäss mit ähnlichen Verzierungen, wie sie auf dem von
mir Taf. XII, 1 abgebildeten sichtbar sind, Scherben von Buccherogefässen mit Punktverzierung, die er
bei den Ruinen sammelte. Diese Beziehungen zeigen, dass Malta ebenso wie Pantelleria (s. o. S. 71()
und 719 Anm. 3) in dieser Periode mit Sizilien einen beschränkten Handelsverkehr unterhielt.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth. 96
724
Zu S. 698 f.
Eine sehr gute Parallele zu den oben S. 698 f. beschriebenen glockenförmigen
Aushöhlungen bei den Ruinen von Borg-en-Nadur bieten die von G. Bonsor bei Carmona
nordöstlich von Sevilla entdeckten Silos, welche dem frühen Bronze- oder dem Kupferalter anzu-
gehören scheinen *). Einige standen durch kleine in die Wände gebrochene Oeffnungen miteinander
in Verbindung, geradeso wie die auf dem Mtarfahügel bei Cittä-Vecchia auf Malta gefundenen
(s. o. S. 699 Anm. 2), die ich oben einer späteren Zeit zuzuweisen geneigt war. Es scheint,
dass diese spanischen Silos ursprünglich die Kellerräume von darüber befindlichen primitiven
Hütten bildeten. Sie enthielten u. a. Steinwerkzeuge und verschiedene Gegenstände, die nur von
vorgeschichtlichen Wohnstätten herrühren konnten. Doch zeigen häufige Funde von nicht
selten zerbrochenen menschlichen Gebeinen, dass diese Silos gelegentlich auch als Ossuarien
benützt wurden.
x) Bonsor, Les colonies agricoles preromaines de la vallee du Betis in Revue archeol. 1899 II
S. 156 ff., 232 ff., 285 f.
725
Verzeichnis der Tafeln.
Taf. I, 1. Gigantia: Südostecke des südlichen Gebäudes; rechts bemerkt man den Eingang in das-
selbe; s. o. S. 648 ff.
Taf. I, 2. Gigantia: Durchgang vom Vorderraum A in den Hinterraum B des südlichen Gebäudes;
im Hintergrund die Stufe, über welche man in die erhöhte Nische C gelangt; s. o. S. 650.
Taf. II, 1. Gigantia: Nördliche Apsis des Vorderraums A im südlichen Gebäude; s. o. S. 648 Anm. 4.
Taf. II, 2. Mnaidra: Nördliche Apsis des Vorderraums E im südlichen Gebäude; s. o. S. 657 Anm. 1.
Taf. III, 1. Mnaidra: Nebenraum F im südlichen Gebäude; s. o. S. 658 Anm. 1.
Taf. in, 2. Mnaidra: Vorderraum E im südlichen Gebäude; rechts sieht man den Durchgang von E
nach J (s. o. S. 659), links die Fensteröffnung, die von E nach H führt; s. o. S. 658.
Taf. IV, 1. Mnaidra: Tisch der Nische K des südlichen Gebäudes; s. o. S. 659.
Taf. IV, 2. Mnaidra: Die Umfassungsmauer des südlichen Gebäudes von der Südseite aus gesehen;
s. o. S. 659.
Taf. V, 1. Mnaidra: Frontmauer und Eingang des südlichen Gebäudes; s. o. S. 660.
Taf. V, 2. Mnaidra: Nördliche Apsis des Hinterraums B im nördlichen Gebäude mit dem tischähn-
lichen Aufbau in Nische C; s. o. S. 661.
Taf. VI, 1. Hauptgebäude von Hagar-Kim: Apsis im östlichen Teile von B; s. o. S. 667.
Taf. VI, 2. Hauptgebäude von Hagar-Kim: Nische L auf der Aussenseite des Gebäudes; s. o. S. 668
Anm. 2.
Taf. VII, 1. Hauptgebäude von Hagar-Kim: Nische y und Tische im westlichen Teil von B; zwischen
den beiden Tischen bemerkt man den Eingang in C; s. o. S. 668.
Taf. VII, 2. Hauptgebäude von Hagar-Kim: Südfront mit dem Haupteingang; s. o. S. 671 f.
Taf. VIII, 1. Das nördliche Nebengebäude W von Hagar-Kim, von Süden gesehen; s. o. S. 673.
Taf. VIII, 2. Oestliche Gebäudegruppe auf dem Corradinohügel: östliche Apsis von B; s. o. S. 691.
Taf. IX, 1. Aufgerichteter Stein auf Gozo; s. o. S. 685.
Taf. IX, 2. Torri-ta-Gauhar; s. o. S. 685.
Taf. X, 1. Mauer von Borg-en-Nadur; s. o. S. 688 Anm. 1.
Taf. X, 2. Kalksteinstatuetten von Hagar-Kim; s. o. S. 700.
Taf. XI, 1 u. 2. Terrakottastatuetten von Hagar-Kim; s. o. S. 700.
Taf. XI, 3. Kalksteinköpfe aus der Gigantia; s. o. S. 701.
Taf. XI, 4. Kalksteinbüste in der Bibliothek von Citta Vittoria auf Gozo; s. o. S. 701.
Taf. XI, 5. Relief in dem Museum von Valetta; s. o. S. 701.
Taf. XII, 1—4. Thongefässe im Museum von Valetta; s. o. S. 703—705.
Von den in diesen Tafeln gegebenen Photographieen ist eine Taf. X, 2 in Caruanas Report on
the Phoenician and Roman antiquities of Malta bereits publiziert; Taf. III, 2 und VII, 2 sind nach Photo-
graphieen hergestellt, die ich bei dem Photographen Ellis in Valetta käuflich erworben habe; alle
übrigen sind nach meinen eigenen Aufnahmen hergestellt.
726
Verzeichnis der Pläne.
I. Gigantia; nach dem von La Marmora, Monuments inedits I, pl. II publizierten Plan; s. o. S. 647 ff.
IL Mnaidra; nach meiner Aufnahme; s. o. S. 657.
III. Hauptgebäude von Hagar-Kim; nach Caruana, Megalithic antiquities of Hagar-Kim pl. II;
s. o. S. 665.
IV. Gesamtplan von Hagar-Kim; nach Caruana a. a. 0. pl. I; s. o. S. 672.
V. It-torri-tal-Mramma; nach meiner Aufnahme; s. o. S. 679.
VI. Oestliche Gebäudegruppe auf dem Corradinohügel; s. o. S. 691 f.
VII. Westliche Gebäudegruppe auf dem Corradinohügel; s. o. S. 693. — Plan VI und VII
nach den in der Bibliothek von Valetta deponierten handschriftlichen Plänen von F. Vassallo;
s. o. S. 691.
jtlbert SlTayr, Denkmäler von Malta.
TAFEL I
A ■ ,
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h. d. I. Cl. d. k Ak. d. Wiss. XXI. Bd. III. Abth.
TAFEL II
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BINDINGSECT. MAY 11981
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182 nich. Philosophisch-
M8175 Historische Abteilung
Bd . 21 Abhandlungen
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