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Full text of "Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen"

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ABHANDLUNGEN 



DER 



KÖNIGLICHEIV GESELLSCHAFT DER WISSEIVSCHAFTEN 



zu GÖTTINGEN. 



ZWANZIGSTER BAND 

VOM JAHRE 1875. 



MIT EINEB STEINDBÜCKTAFEL. 



'^ GÖTTINGEN, 

IN DEB DIETEBICHSCHEN BUCHHANDLUNa. 
1875. 



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Vorrede. 



Der vorliegende Bd. XX. der Schriften der Königlichen Ge- 
sellschaft der Wissenschaften zu Göttingen enthält die in dem 
J. 1875 in den Sitzungen derselben vorgetragenen oder vorgelegten 
Abhandlungen. Die der Societät mitgetheilten kleineren Arbeiten 
sind in dem Jahrgange 1875 der „Nachrichten von der KönigL 
Gesellschaft der Wissenschaften und der G.-A.- Universität" ver- 
öffentlicht worden. Es wurden folgende Abhandlungen und klei- 
nere Mittheilungen vorgetragen oder vorgelegt: 
Am 9. Januar. Marx, Zur Anerkennung des Arztes Dr. Daniel Ludwig, 

des Beformators der Fharmacologie und Pharmacie. Bd. XX. 

Marx^ Zur Anerkennung des Arztes und Schulmannes 

Dr. Georg Henisch. Bd. XX. 

Waitz, lieber die Annales Petaviani und Mosellani. Nn. l''^. 

Wieseler, Ueber einige vorgel^te, bisher nicht bekannt 

gewesene geschnittene Steine. Nn. 18. 

Benfejf, Vedisch vrad = griech. f^a^ und psoi. Nn. 33. 

Kohlrausch, Corresp. , Ueber die elastische Nachwirkung. 

Nn. 41. 

Drude, Zwei botanische Mittheilungen. (Vorgelegt von 

Grisebach.) Nn. 49. 

Mittag 'Leffler, Beweis des Cauchy'schen Satzes fflr com- 

plexe Functionen. (Vorgelegt von Schering.) Nn. 65. 



*) Nn. bedeutet »Nachrichten 1875c mit der Seitenzahl. 

a* 



IV VORREDE. 

Am 6. Februar. Wüstenfeld, die Statthalter von Aegypten zur Zeit der 
Chalifen. Bd. XX. 

Benfey , Die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitd- 
und Fada-Texten der Veden, 2te Abhandl. Bd. XX. 
Benfey, Vedisch ridüdära, ridüpö , ridüvrfdhä. Nn. 189. 
Enneper, Bemerkungen Ober die Biegungen einiger flä- 
chen. Nn. 129. 

Husemann, lieber das Rabuteau'sche Gesetz der toxischen 
Wirkung der Elemente, und die Action des Lithiums 
(Vorgelegt von Grisebach.) Nn. 97. 
Merkel^ Ueber die Endigung der sensibeln Nerven in der 
Haut. (Vorgelegt von Henle.) Nn. 123. 
Voss^ lieber eine Fundamentalaufgabe der Flücker^schen 
Geometrie. (Vorgelegt von Fuchs.) Nn. 101. 

Am 6. März. Hübner und Wiesinffer^ Ueber das Verhalten einer schwa- 
chen Säure zum Salze einer stärkeren. Nn. 241. 
Reinke, Ueber Fucus vesiculosus. (Vorgelegt \)ton Gris«^ 
bach.) Nn. 230. 

Bezxenberger ^ Etymologische Mittheilungen. (Vorgelegt 
von Benfey.) Nn. 225. 

Fromme^ Untersuchungen über den Magnetismus von Stahl- 
stücken, (Vorgelegt von Riecke.) Nn. 297. 
JSim^edt, Ueber die Schwingungen eines Magnets unter 
dem dämpfenden Einfluss einer Kupferkugel. (Vorgelegt 
von Riecke.) Nn. 308. 

Schröder, Ueber den specifischen Widerstand der Gas- 
kohle. (Vorgelegt von Riecke.) 

Hühner y Mittheilungen aus dem ehem. Laboratorium. 
Nn. 165. (Burghard über BibrombenzoSsäuren. G 1 a s s- 
ner über JodsulfitoluoL Hüb n er, Bemerkung zu einer 
Abhandlung von Limpricht und Pagel. Ebell über 
Mononitrobenzonaphtylamide etc. Meinecke über Ben- 
zanilid und Brom. Boy es über Xilidin Verbindungen.) 



VORREDE. Y 

KSnigsherger, Corresp. , Beziehnngen zwischen den Perio- 
dicitätsmoduln zweier hyperelliptischen Integrale. Nn. 327. 

Am 1. Mai. Ewald, Die Phonikische Inschrift von Gaul. Nn. 353. 
Wüstenfeld, Die Statthalter von Aegypten zur Zeit der 
Chalifen. 2. Abtheilung. Bd. XX. 
Wieseler, Zur Kunstmythologie Pans. Nn. 433. 
Schubert, Ueber die Ausartungen der Curven 3. Ordnung 
(Vorgelegt von Stern.) Nn. 359. 

ToneUi, Zur Lehre vom Zusammenhange. (Vorgelegt von 
Schering.) Nn. 387. 

Enneper legt vor: Ch. Faä de Bruno: Tables des fonc* 
tions sym^triques de poids XL Nn. 390. 

Am 5. Juni. Waitz , Die Redaction der Lex Wisigothorum von König 
Chindasuinth. Nn. 415. 

Canwentz, Beitrag zur Kenntniss des Stammskelets ein- 
heimischer Farne. (Vorgel. von Grisebach). Nn. 421. 
Lang, Vulkanische Asche von Turrialba (Vorgel. von 
Wohl er). Nn. 397. 

Am 10. Juli. Rieche, Ueber die electrischen Elementargesetze. Bd. XX. 
Husemann, Notiz über die Wirkung der Phenole, inson- 
derheit desThymols (Vorgel. von Grisebach.) Nn. 481. 
Ludwig, Ueber das Rötteken'sche Auge der Actinien (Vor- 
gel, von Ehlers). Nn. 49L 

Fromme, Notiz über das Maximum des temporären Mag- 
netismus beim weichen Eisen. (Vorgelegt von Eiecke.) 
Nn. 600. 

TonelUy Ueber die Potentialfunction in einem mehrfach aus- 
gedehnten Baume. (Vorgelegt von Schering.) Nn. 521. 

Am 7. August, flewfe, Ueber Linsenfasern. Nn. 653. 

Fuchs, auswärt. Mitglied., Ueber die linearen DifFeren- 
zialgleichungen 2. Ordnung, welche algebraische Integrale 
besitzen, und eine neue Anwendung der Invarianten- 
theorie. Nn. 668. 



VI VORREDE. 

Hühner^ Mittheilung aus dem ehem. Laboratorium. Nn. 585. 
(Hübner, Hall und Wattenberg, Zwei Nitrosalicyl- 
säuren und ihre Verwendung zur Bestimmung der Na- 
tur der Wasserstoffatome im Benzol. Taylor, über Nitro- 
und Amidophenyl- und Toluyl-succinimid. 601. Mears, 
Einwirkung des Jodeyans auf Orthodiamidobenzol. 603. 
Hintzmann, Trennung der Para- und Ortho -Bromben- 
zogsäure. 603. Smith, über eine hoch gechlorte Verbin- 
dung aus Toluol. 604. Ders., Einwirkung von Brom 
auf Benzyltrichlorid. 606. Ders.. Para-Brom-meta-Brom- 
ortho-nitro-Benzogsäure. 607,) 

Wehler, Mittheilung, dass Frau Platner 150 Briefe von 
Gauss an ihren Vater, Prof. Gering, der Societat zum 
Geschenk gemacht hat. 

Am 6. Novemb. Wüstenfeld, Die Dynastie der Tuiuniden in Aegypten 
und Syrien. Bd. XXT. 

Fwhs , auswärt Mitgl., Berichtigungen zu seiner Notiz 
über die linearen Differenzialgleichungen zweiter Ordnung 
etc. Nn. 612. 

Benfejf, Beitrag zur Vedanmetrik: Nn. I. Der zweite 
Fuss in elf- u. zwölfsilbigen Stellen. 
WShler, Notiz über den Pachnolith von Grönland. Nn. 609. 
Marmi, Vergleichende Versuche über die giftige Wirkung 
der arsenigen und der Arsensäure, Nn. 614. 
V. Brunn, Die Bildung des Zahnbeins. (Vorgelegt von 
Henle.) Nn. 616. 

Am 4. Decbr. Feier des Stiftungstages der K. Gesellschaft und Jahres* 
bericht. Nn. 629. 

Benfey^ Ueber die syrische Uebersetzung des indischea 
Fürstenspiegels. Bd. XXI. 
Wieseler, Ueber ein Votivrelief. Nn. 635. 



VORREDE. VII 

Die für den November d. J. von der physikalischen Classe 
gestellte Preisfrage hat einen Bearbeiter nicht gefunden. 

Für die nächsten drei Jahre werden von der K. Societät 
folgende Preisaufgaben gestellt: 

Für den November 1876 von der mathematischen Classe: 
Nachdem die von Siemens dargestellten Widerstandsmaaße und Wider- 
Btandsskalen allgemeinere Verbreitung und Anwendung gefunden, und dieselbea 
von Eohlrausch mit großer Sorgfalt und Genauigkeit auf absolutes MaaB 
zurückgeführt worden sind (siehe Poggendorffs Annalen 1873. Supplementband 
YI)y ist es möglich geworden, auch die Stromarbeit nach absolutem Maafie 
genau zu bestimmen. 

Die Königliche Societät verlangt nun eine Untersuchung über Strom- 
arbeit j d. i. über die von den elektromotorischen Kräften durch ihre Wirkung 
auf die strömende EleUricität geleistete Arbeit ^ insbesondere über das VerhaUniß 
und den Zusammenhang derselben mit der vom Strome erzeugten Wärme ^ und 
über die von ihr unmittelbar in der strömenden Elektricität oder mittelbar in an- 
dem im Leiter enthaltenen beweglichen Theüchen erzeugte lebendige Kraft. 

Für den November 1877 von der historisch -philolo- 
gischen Classe: 

Die K Societät verlangt y daß gezeigt werde, was die bildenden und zeichnenden 
Künste bei den Griechen und Italem den Künsten der Nichtgriechen und Nicht-, 
italer verdanken, und hin wiederum, wo sie außerhalb der Griechischen und 
Italischen Länder Wurzel getrieben und wiefern sie einen Einfluß auf die Ent- 
tüickelung der Künste bei Nichtgriechen und Nichtitalem gehabt haben. 

Für den November 1878 von der physikalischen Classe: 

IHe Fragen^ ob und welche besondere Wirkungen auf den thierischen Organismus 
das Äthmen in reinem Sauerstoffgase von der dem gewöhnlichen Luftdruck entspre- 
chenden Dichtigkeit hat, sind durch die bisher hierüber angestellten Untersuchungen 
nicht mit befriedigender Uebereinstimmiung beantwortet; es werden daher neue Un- 
tersuchungen, sowohl an homoiothermen, als awih, so weit thunlich, an poiküothermen 
Thieren geuHinscht, bei denen neben etwa äußerlich am Thier wahrnehmbaren Er- 
scheinungen ganz besonders die Beschaffenheit des Blutes und des Stoffwechsds 
(Kohlensäure-Ausscheidung, Beschaffenheit des Harns) in's Auge eu fassen sind; 
mit Rücksicht auf gewisse Angaben wird die Beinheit des anmwendenden Sauer- 
stoffgases von allen bei dessen Bereitung äwa zugleich auftretenden fremdartigen 



Vm VORREDE. 

Stoffjen sorgfältig jm heachten sein, während eine vidleidit kaum eu verundende^ 
in engen Grenzen zu hütende Beimengung von atmosphärischem Stickstoff dam Sinn 
der Aufgabe nickt entgegentreten würde. 

Die GanciuTenzschriften müssen vor Ablauf des Septembers 
der bestimmten Jahre an die K. Gesellschaft der Wissenschaften 
portofrei eii^esaiidt sein, begleitet von einem veruegelten TJm- 
scUag, welcher den Kamen und Wohnort des Verfassers enthält 
und auswendig mit dem Motto zu versehen ist, welches auf dem 
Titel der Schrift steht. . 

Der für jede dieser Aufgaben aasgesetzte Preis beträgt min- 
destens fünfzig Ducaten. 

* ^ * 

Der Bericht über den dritten Yerwaltungszeitraum der W e- 
dekind'schen Stiftung für dieutsche Geschichte, welcher mit dem 
14. Uäxz 1676 aXsläuE, wird seiner Zeit in den Nachrichten er- 
scheineii. 

Nachdem nun die Gauss' sehen Werke in erster Ausgabe 
ToUendet erschioien sind, hat die K. Gesellschaft in den Nach- 
richten und ausführiicher in öffentlichen Blättern bekannt gemacht, 
dass mit dem 1. Januar 1876 die im Jahre 1862 eröffiiete Sab- 
scription auf diese Werke gesohlossw ist und dass von da an 
der Vertrieb auf dem Wege des Bw^handels zu erhöhten Frfeisen 
eiidaitt 

Band I. entiifilt die Disquisiticmes arithmeticae. 

Band II. höhere Mathematik. 

Band m. Analysis. 

Band IV. Geometrie und Methode der kleinsten Quadiote. 

Band V. mathematische Ph]rink. 

Band VI. Astronomie. 
Von diesen sind im Augenblick nicht vorräthig Bd. II DI und V. — 



VORREDE. IX 

Nur von der Ausgabe^ auf Velin -Schreibpapier sind voll- 
ständige Exemplare vorräthig, von denen aber einzelne Bände nicht 
ausgegeben werden. 

Die K, Gesellschaft ergreift mit Vergnügen diese Gelegenheit, 
ihrem Mitgliede, dem Herrn Professor Schering, für die mühe- 
volle, schwierige Arbeit, der er sich als Eedacteur bei der Her- 
ausgabe dieser Werke unterzogen hat, ihren Dank auszudrücken 
und sich der Hofl&iung hinzugeben, dass er mit gleichem Eifer 
seine einsichtsvolle Thätigkeit auch den neuen Auflagen zuwenden 
werde. 



Das Directorium der Societät ist zu Michaelis d. J. von 
Herrn Marx in der physikalischen Classe auf Herrn Weber 
in der mathematischen Classe übergegangen. 

Die Societät betrauert den Verlust zweier ihrer ältesten 
Mitglieder: Ewald und Bartling. 

Heinrich Ewald Dr. der Theologie und Professor der ori- 
entelischen Sprachen, starb am 4. Mai im 73. Lebensjahre. 

Friedrich Gottlieb Bartling, Professor der Botanik und 
Director des botanischen Gartens, starb am 19. November im 77. 
Lebensjahre. 

Von ihren auswärtigen Mitgliedern und Correspondenten 
verlor die Societät in diesem Jahre durch den Tod: 

Den Professor der Astronomie in Bonn Greheimerath Friedrich 
Wilhelm August Argelander, gestorben am 17. Februar im 
77 J.; 

Den General - Secretär der K. Akademie der Wissenschaften 
in Wien Anton Schrötter, Kitter von Kristelli, gest. am 15. 
April im 73 J.; 

b 



X VORREDE. 

Den Bergrath Theodor Scheerer in Dresden, gest, am 19. 
Jiüi im 62 J.; 

Den Professor der classischen Philologie in Halle, Geheime- 
rath GottMed Bernhardy, gest. am 15. Mai im 75. J.; 

Den Physiker Charles Wheatstone in London, gest. am 
19. October im 73 J.; 

Mit Bedauern sah die Societät aus der Reihe ihrer hiesigen 
Mitglieder den Professor der Mathematik Herrn Ludwig Fuchs 
scheiden, der einem Kufe an die Universität Heidelberg folgte. 



Von der K. Societät neu erwählt wurden 

Zu hiesigen ordentlichen Mitgliedern: 
Hr. Reinhold PoMÜy histor.-philol. Classe. 
Hr. Co/rl Hermcmn Amomdus Schwarz y mathem. Classe. 

Zu auswärtigen Mitgliedern: 
Hr. Alexander Braun in Berlin, (seit 1861 Corresp.) 
Hr. Heinr. Lebrecht 'Fleischer in Leipzig. 

Zu Correspondenten. 
Hr. Ferdinand von Richthof en in BerUn. 
Hr. Ferdinand vmi Hochstetter in Wien. 
Hr. Wyville Thomsmi in Edinburgh. 
Hr. Heinrich Weber in Königsberg, 
Hr. James Clerk Maxwell in Cambridge, 
Hr. August Kimdt in Strassburg. 
Hr. Carl Joh. JMalmstm in Mariestad, Schweden. 
Hr. Eugenio Beltrami in Bologna. 
Hr. Ferdinand Jmti in Marburg. 
Hr. Alexander Conze in Wien. 

Göttingen im December 1875. jP. Wöhler. 



Verzeichniss der MitgKeder 

der 

Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Gröttingen. 

Januar 1876. 



Ehren-Mitglieder. 

Peter Merian in Basel , seit 1862. 

Adolph von Warnstedt in Göttingen, seit 1867. 

Johann Jacob Baeyer in BerKn, seit 1867. 

Freiherr F. H. A. von Wangenheim auf Waake, seit 1868. 

Graf Sergei Stroganoff in St. Petersburg, seit 1870. 

Ignatz von Döllinger in München, seit 1872. 

Michele Amari in Florenz, seit 1872. 

Joachim Barrande in Prag, seit 1873. 

Giuseppe Fiorelli in Neapel, seit 1873. 

Ordentliche Mitglieder. 

Physikalische Classe. 
C. F. H. Marx, seit 1833. 

F. Wöhler, seit 1837. Beständiger Secretär seit 1860. 
A. Grisebach, seit 1851. 

F. G. J. Henle, seit 1853. 

W. Sartorius von Waltershausen, seit 1856. 

G. Meissner, seit 1861. 
£. Ehlers, seit 1874. 

Mathematische Classe. 

W. E. Weber, seit 1831. 

G. C. J. Ulrich, seit 1845. 

J. B. Listing, seit 1861. 

M. Stern, seit 1862. 

E. Schering, seit 1862. (Assessor seit 1860). 

C. H. A. Schwarz, seit 1875. 



XII VERZEICHNISS DER MITQLIEDER 

Historisch -philologische Glasse. 
C. Ho eck, seit 1841. 
G. Waitz, seit 1849. 

H. F. Wflstenfeld, seit 1856. (Assessor seit 1841.) 
H. Sauppe, seit 1857. 

J. E. Wappäns, seit 1860. (Assessor seit 1851.) 
Th. Benfey, seit 1864. 

F. Wieseler, seit 1868. 
H. Brngscb, seit 1869. 
O. Hanssen, seit 1869. 

G. B. Pauli, seit 1875. 

Assessoren. 
Physikalische Classe. 
E. F. G. Herbst, seit 1835. 
C. Boedeker, seit 1857. 
C. von Seebach, seit 1864. 
W. Krause, seit 1865. 
W. Henneberg, seit 1867. 
H. Hübner, seit 1871. 
W. Marmi, seit 1871. 

Mathematische Glasse. 
E. F. W. Elinkerfnes, seit 1855. 
A. Enneper, seit 1865. 
£. Riecke, seit 1872. 

Historisch - philologische Classe. 
A. Fick, seit 1869. 

Auswärtige Mitglieder. 
Physikalische Classe. 
Carl Ernst vonBaerinSt Petersburg, seit 1851. 
Jean Bapüste Dumas in Paris, seit 1851. (Gorrespondent seit 1849.) 
Christian Gottfried Ebrenberg in Berlin, seit 1851. 
Ernst Heinrich Weber in Leipzig, seit 1851. 
Robert Bunsen in Heidelberg, seit 1855. 
Bichard Owen in London, seit 1859. 
Adolf Brongniart in Paris, seit 1860. 
August Wilh. Hofmann in Berlin, seit 1860. 



DER KÖNIGE GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XIH 

H. Hilne Edwards in Paris, seit 1861. 

Hermann Kopp in Heidelberg, seit 1863. (Corresp. seit 1855.) 

Carl Theodor von Siebold in München, seit 1864, (Corrresp. seit 1850.) 

Michel Engine Cbevrenl in Paris, seit 1865. 

Joseph Dalton Hook er zn Eew bei London, seit 1865. 

Theod. Ludw. Wilh. Bischoff in München, seit 1866. (Corresp. seit 1853.) 

Hennann Helmholtz in Berlin, seit 1868. (Corresp. seit 1859.) 

Henri Sainte Ciaire Deville in Paris, seit 1869. (Corresp. seit 1856.) 

Franz von Eobell in München, seit 1870. (Corresp. seit 1861.) 

Ernst Heinrich Carl von Dechen in Bonn, seit 1871. 

Cari Clans in Wien, seit 1873. (Znvor hies. ordentl. Mitgl. seit 1871.) 

Ednard Frankland in London, seit 1873. 

William Sharpey in London, seit 1874. (Corresp. seit 1868.) 

Max von Pettenkofer in München, seit 1874. 

Alex. William Williamson in London, seit 1874. 

James Dwigt Dana in Newhayen, seit 1874. 

Alexander Brann in Berlin, seit 1875. (Corresp. seit 1861.) 

Mathematische Classe. 
U. J. Leverrier in Paris, seit 1846. 
George Biddel Airy in Greenwich, seit 1852. 
Joseph Lionville in Paris, seit 1856. 

E. Enmmer in Berlin, seit 1856. (Corresp. seit 1851.) 

F. E. Nenmann in Königsberg, seit 1856. 
Henri Victor Begnanlt in Paris, seit 1859. 
William Hallows Miller in Cambridge, seit 1859. 
Edward Sabine in London, seit 1862. (Corresp. seit 1823.) 
Richard Dedekind in Brannschweig, seit 1862. (Corresp. seit 1859.) 
Ang. Bobert Eirchhoff in Berlin, seit 1862. 

Heinrich Wilhelm Dove in Berlin, seit 1864. (Corresp. seit 1849.) 

Johann Christian Poggendorff in Berlin, seit 1864. (Corresp. seit 1854.) 

William Thomson in Glasgow, seit 1864. (Corresp. seit 1859.) 

Ferdinand Beich in Freiberg, seit 1864. 

Heinrich Bnff in Giessen, seit 1865. (Corresp. seit 1842.) 

Carl Weierstrats in Berlin, seit 1865. (Corresp. seit 1856.) 

Enrico Betti in Pisa, seit 1865. 

Leopold Eroneckerin Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1861.) 

Carl Nenmann in Leipzig, seit 1868. (Corresp. seit 1864.) 



XIV VERZEICHNISS DER MITGLIEDER 

Francesco Brioschi in Mailand, seit 1870. (Corresp. seit 1869.) 

Arthur Cayley in Cambridge, seit 1871. (Corresp. seit 1864.) 

Carl Ang. Friedr. Peters in Kiel, seit 1874. (Corresp. seit 1851.) 

Charles Hermite in Paris, seit 1874. (Corresp. seit 1861.) 

Ludwig Fuchs in Heidelberg, seit 1875. (Zuvor hies. ord. MitgL seit 1874.) 

Historisch - philologische Classe. 

6. H. Pertz in Berlin, seit 1837. 

Leopold Yon Ranke in Berlin, seit 1861. 

Justus Olshausen in Berlin, seit 1853. 

Christian Lassen in Bonn, seit 1860. (Corresp. seit 1850.) 

Georg Friedr. Schümann in Greifswald, seit 1860. (Corresp. seit 1850.) 

Friedrich Ritschi in Leipzig, seit 1860. (Corresp. seit 1854.) 

Samuel Birch in London, seit 1864. 

Friedrich Diez in Bonn, seit 1864 

Theodor Mommsen in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1857.) 

Richard Lepsius in Berlin, seit 1867. (Corresp. seit 1860.) 

Ernst Curtius in Berlin, seit 1868. (Zuvor hies. ordentL Mitglied seit 1856.) 

George Bauer oft in Washington, seit 1868. 

Franz Miklosich in Wien, seit 1868. 

Ludolf Step ha ni in St. Petersburg, seit 1869. 

Wilhelm von Giesebrecht in München, seit 1871. (Corresp. seit 1863.) 

Carl Hegel in Erlangen, seit 1871. (Corresp. seit 1857.) 

Heinrich von Sybel in Berlin, seit 1871. (Corresp. seit 1863.) 

Johann Nicolaus Madyig in Kopenhagen, seit 1871. 

Rudolph Roth in Tübingen, seit 1872. (Corresp. seit 1853.) 

August Dill mann in Berlin, seit 1872. (Corresp. seit 1857.) 

Sir Henry Rawlinson in London, seit 1872. 

Alfred Ritter von Arneth in Wien, seit 1874. (Corresp. seit 1870.) 

Max Duncker in Berlin, seit 1874. 

Heinrich Lebrecht Fleischer in Leipzig, seit 1875. 

Correspondenten. 

Physikalische Classe. 

E. Eichwald in St Petersburg , seit 1841. 
Robert Willis in London, seit 1844. 
Hermann Stannius in Rostock, seit 1850. 



DER KÖNIGL. GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XV 

Theodor Schwann in Lüttich, seit 1853. 

Wilhelm Dnncker in Marburg, seit 1853. 

L. Zenschner in Warschau, seit 1857. 

Johannes Hyrtl in Wien, seit 1859. 

Nicolai von Eokscharow in St. Petersburg, seit 1859. 

Rudolph Leuckart in Leipzig, seit 1859. 

Alfred Wilh. Yolkmann in Halle, seit 1860. 

F. H. Bidder in Dorpat, seit 1860. 

Carl Schmidt in Dorpat, seit 1860. 

F. C. Donders in Utrecht, seit 1860. 

Joh. Jap. Sm. Steenstrup in Kopenhagen, seit 1860. 

Bernhard Studer in Bern, seit 1860. 

Heinrich Limpricht in Greifswald, seit 1860. (Assessor seit 1857.) 

Ernst Brücke in Wien, seit 1861. 

Emil du Bois Reymond in Berlin, seit 1861. 

Carl Ludwig in Leipzig, seit 1861. 

Archangelo Scacchi in Neapel, seit 1861. 

Quintino Sella in Rom, seit 1861. 

Thomas H. Huxley in London, seit 1862. 

Albert Kölliker in Würzburg, seit 1862. 

Ferdinand Römer in Breslau, seit 1862. 

Charles Upham Shepard in Amherst, Y. St, seit 1862. 

Heinrich Credner in Halle, seit 1863. 

Alexander Ecker in Freiburg, seit 1863. 

Bernhard von Cotta in Freiberg, seit 1864. 

Alvaro Reynoso in Havanna, seit 1865. 

Ferdinand Müller in Melbourne, seit 1867. 

Anton Geuther in Jena, seit 1867. 

A. L. Descloizeaux in Paris, seit 1868. 

Asa Gray in Cambridge, V. St., seit 1868. 

Jean Charles Marignac in Genf, seit 1868. 

Alex. Theodor von Middendorff auf Hellenorm bei Dorpat, seit 1868. 

Adolph Wurtz in Paris, seit 1868. 

August Eekul6 in Bonn, seit 1869. 

Robert Mall et in London, seit 1869. 

Wilhelm Hofmeister in Tübingen, seit 1870. 

Carl Friedrich Rammeisberg in Berlin, seit 1870. 

Adolf Erik Nordenskjöld in Stockholm, seit 1871. 



XVI VERZEICHNISS DER MITGLIEDER 

Anton de Bary in Strassbnrg, seit 1872. 

Eduard Pflttger in Bonn, seit 1872. 

Wilh. Philipp Schimper in Strassborg, seit 1872. 

J. S. Stas in Brüssel, seit 1873. 

Henry Enfield Roscoe in Manchester, seit 1874 

Johann Strttver in Rom, seit 1874. 

Ferdinand von Hochstet t er in Wien, seit 1875. 

Ferdinand von Richthof en in Berlin, seit 1875. 

Wyville Thomson in Edinburgh, seit 1875. 

Mathematische Classe. 
Humphrey Lloyd in Dublin, seit 1843. 
John Couch Adams in Cambridge, seit 1851. 
Thomas C lausen in Dorpat, seit 1854. 
Ludwig Seidel in München, seit 1854. 
Georg Rosenhain in Königsberg, seit 1856. 
Peter Riess in Berlin, seit 1856. 
John Tyndall in London, seit 1859. 
Julius Schmidt in Athen, seit 1862. 
Carl Wilhehn Borchardtin Berlin, seit 1864 
Andreas von Ettingshausen in Wien, seit 1864. 
Wilhelm Gottlieb Hankel in Leipzig, seit 1864 
Philipp Gustav Jelly in München, seit 1864. 
Carl Hermann Knoblauch in Halle, seit 1864 
Georg Gabriel Stockes in Cambridge, seit 1864. 
James Joseph Sylvester in Woolwich, seit 1864. 
Heinrich Eduard Heine in Halle, seit 1865. 
Rudolph Jul. Emmanuel Clausius in Bonn, seit 1866. 
Erik Edlund in Stockholm, seit 1866. 
Georg Quincke in Heidelberg, seit 1866. 
Charles Briot in Paris, seit 1867. 
Benj. Apthorp Gould in Cambridge, V. St., seit 1867. 
Rudolph Lipschitz in Bonn, seit 1867. 
Benjamin Peirce in Cambridge, V. St., seit 1867. 
Siegfried Aronholdin Berlin, seit 1869. 
E. B. Christof fei in Strassburg, seit 1869. 
Luigi Cremona in Mailand, seit 1869. 
Wilh. Theod. Bernhard Holtz in Berlin, seit 1869. 



DER KÖNIGL. GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN. XVH 

George Salmon in Dublin , seit 1869. 

Friedrich Eohlraaschin Wttrzborg, seit 1870. (Assessor seit 1867.) 

Paul Gordan in Erlangen , seit 1870. 

Hermann Grassmann in Stettin, seit 1871. 

Ludwig Scblaefli in Bern, seit 1871. 

Arthur Auwers in Berlin, seit 1871. 

Felix Klein in München, seit 1872. 

Sophus Lie in Christiania, seit 1872. 

August Mayer in Leipzig, seit 1872. 

C. A. Bjerknes in Christiania, seit 1873. 

J. Thomae in Freiburg B., seit 1873. 

Leo Königs berger in Dresden, seit 1874. 

Wilhelm Förster in Berlin, seit 1874. 

Bernhard Minnigerode in Greifswald, seit 1874. (Assessor seit 1873). 

Eugenio Beltrami in Bologna, seit 1875. 

August Kund t in Strassburg, seit 1875. 

Johann Malmsten in Mariestad, seit 1875. 

James Clerk Maxwell in Cambridge, seit 1875. 

Heinrich Weber in Königsberg, seit 1875. 

Historisch - philologische Classe* 

F. E. G. Boulez in Gent, seit 1841. 

Adolph Fried. Heinr. Schaumann in Hannover, seit 1853. 
Job. Gust Droysen in Berlin, seit 1857. 
Wilh. Henzen in Rom, seit 1857. 

G. C. F. Lisch in Schwerin, seit 1857. 

A. R. Rangabö in Berlin, seit 1857. 

B. Ton Dorn in St Petersburg, seit 1859. 
L. P. Gachard in Brttssel, seit 1859. 
Johann Gildemeister in Bonn, seit 1859. 
Franz Palacky in Prag, seit 1859. 
Theodor Bergk in Bonn, seit 1860. 

Carl Bötticher in Berlin, seit 1860. 

Georg Curtius in Leipzig, seit 1860. 

K. Lehr s in Königsberg, seit 1860. 

Giovanni Battista deRossiin Rom, seit 1860. 

Leonhard Spengel in München, seit 1860. 

Heinrich Ludolph Ahrens in Hannover, seit 1861. 



Dnek te DUAakhichflB üair.-BoekdnckertU 
W. Fr. Kiitaer. 



ABHANDLUNGEN 

DEB 

PHYSIKALISCHEN CLASSE 

DEB 

KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN 

ZU GÖTTINGEN. 



ZWANZIGSTER BAND. 



FJiys. Clam. XX. 



Zur Anerkennung des braven Arztes 
Dr. Daniel Ludwig, 

des Reformators der Pharmakologie und Fharmacie. 

Von 
Dr. K F. H. Kairx. 



Vorgelegt in der Sitasnng der EönigL Geselkohall der WisBenBohaften am 2. fiiai 1874. 

ileisst es schon von Lebenden: „aus den Augen aus dem Sinne'', 
um wie viel mehr von Verstorbenen, wenn der ganze Gesichtskreis ein 
anderer geworden. Die Welt glaubt Wichtigeres zu thun zu haben« als 
sich mit Menschen zu beschäftigen, die längst in Staub zerfallen sind, 
und wozu keine äussere Verpflichtung auffordert. 

Durch die unmittelbare Gegenwart werden alle Anlagen und Kräfte, 
Gemüth und Geist, so sehr gespannt, dass in der Regel Neigi^ng und 
Zeit fehlen, sich um Dinge, die nicht mit jener noth wendig zusammen- 
hängen, kümmern zu können. Ein Ereigniss drängt das andere; das 
Unerwartete wechselt mit der Gewohnheit, Freude mit Leid, Belobung 
mit Beschämung, die ruhige Stimmung mit leidenschaftlicher Aufregung, 
die Hoffnung mit der Enttäuschung. Berufsarbeiten, Noth, Sorge gebieten 
eine Concentration der Stunden, der Aufmerksamkeit und Thätigkeit. 
Der Trieb, Neues zu erfinden und auszufahren, das Bedürfniss, einen 
wesentlichen Fortschritt im Erkennen und Schaffen ins Werk zu setzen, 
erhalten Nachdenken, Versuche, Wünsche ebenso in Erregung, wie das 
Verlangen, den mannigfachen Lockungen des Lebens nah und fem, theils 
zu folgen, theils zu widerstehen. 

In dieser steten Unruhe richten sich wohl Blick und Gedanken auf 
glänzende, kommende Tage, nicht aber auf umschattete, vergessene. 

Zeigt so die Mehrheit der Lebenden vorzugsweise Interesse an den 
Vorkommnissen des unmittelbaren Daseyns oder der Zukunft, so gebricht 

A2 



4 K. F. H. MARX, 

es doch auch nicht an Ausnahmen, wo den Empfindungen ffir die ent- 
schwundene alte Zeit innere Hingabe und lebendiger Ausdruck yerstattet 
werden. 

Diejenigen, welche mit Andacht Feste der Erinnerung feiern, sich 
sogar gedrungen fahlen, dem Andenken verehrter Todten Denkmale der 
Liebe zu stiften, oder aus Wissbegierde über die Vergangenheit sich auf- 
zuklären suchen, werden deswegen an der Theilnahme und den Genüssen 
der Gegenwart nicht ärmer, sondern reicher; denn es erschliesst sich ihnen^ 
neben der bekannten Existenz, eine unbekannt gebliebene im bunten 
Spiele von Personen und Zuständen, und verschafft eine Fülle neuer Er- 
werbungen von Ansichten, ürtheilen und Begriffen. 

Dazu kömmt, dass, aus näherem Eingehen in fremde,' unberücksich- 
tigt gebliebene Leistungen und aus anerkennender Würdigung nicht 
gehörig belobter Verdienste, das Verständniss des eigenen WoUens und 
Wirkens, gleichsam als Dank und Lohn für die aufgewandte, freiwillig 
geopferte Mühe, deutlicher hervorkeimt. 

Auffallend ist es, dass die Aerzte jetzt so wenig Neigung zeigen, 
rückwärts zu schauen und vom längst Geschehenen, von der Geschichte, 
Notiz zu nehmen. 

Die Vermuthung, dass die Rückblicke in das eigene Leben und 
Treiben mehr Niederschlagendes als Erfreuendes, mehr Vorwürfe als 
Ermunterungen bieten, und so das genauere Vertrautwerden mit der 
Vergangenheit anderer Personen verleiden, wäre zu hart und beleidigend. 

Hinderungsgründe sind wohl die Bedingungen und Folgen des Be- 
rufs, indem Denken und Thun, vom drängenden Augenblick zur Hülfe- 
leistung in Anspruch genommen, keine Freiheit gestatten nach eigener 
Wahl sich zu beschäftigen; dann, weil die Meisten meinen, das Alte 
wäre hinreichend benutzt und überflüssig, nur das Neueste das Beste; 
und weil sie fürchten, durch eingehende Berücksichtigung der früheren 
Ansichten, für Liebhaber der Gelehrsamkeit, für Bucl^menschen, gehalten 
zu werden, womit gewöhnlich das Vertrauen der Menge auf praktische 
Tüchtigkeit verloren geht. 

Auch macht sich ohne Zweifel die Besorgniss bei Vielen geltend, dass 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 5 

sie selbst durch Anerkennung der Vorzüge des Alten und durch die For- 
derung, dass die Medicin, als Doctrin der Wahrnehmung von Thatsachen, 
nach der Erfahrung sich zu richten habe, nicht als Selbstdenker und wissen- 
schaftliche Forscher, sondern für blosse Empiriker angesehen würden, 
obgleich eine vernünftige Empirie, welche fortschreitende Beobachtung 
und Versuche nicht ausschliesst, geistige Verarbeitung des Ueberlieferten 

begünstigt und bedingt. 

i 

Nun könnte aber ein sorgfältiges Studium der pragmatischen Ge- 
schichte — das Werk des betrachtenden Gedankens, um die Vorgänge 
der Welt nach ihren Ursachen und Wirkungen zu begreifen — mehr als 
Andern, den Aerzten, Nutzen verschaffen, denn es würde sie von der 
drückenden Herrschaft der Tagesmeinungen, von dem Fetischdienste der 
gemachten Götzen und der von Zeit zu Zeit angerühmten Wundermittel 
befreien ; es könnte sie anleiten, den Werth der Hypothesen, dieser vorüber- 
schwirrenden Meteore, von dem der dauernden, sichern, Thatsachen zu 
unterscheiden, nur Bedeutendes zu bewundem, nur dem tüchtig Durch- 
gebildeten zu vertrauen; es könnte sie unterrichten in der Erkenntniss 
der Macht wie der Beschränktheit des Individuums und in der Einsicht, 
wie eine Entdeckung allmälig, bewusst oder unbewusst, aus der andern 
sich entwickelt; auch könnte dasselbe beitragen zur Begründung und 
Befestigung der durch Einflüsse aller Art erschwerten, selbständig erwor- 
benen Beurt^eilungen und Ueberzeugungen, 



Biographische Angaben, wenn auch durch den Mangel der Ueber- 
lieferungen, nur dürftig, sind zur richtigen Ar^ffassung eines berühmt 
gewordenen Individuums ebenso beachtenswerth , wie zur Abschätzung 
dessen Werke. 

Eine Biographie, die volle Darstellung eines Lebens in allen Bezie- 
hungen, ist zu unterscheiden von der Charakteristik, der Zeichnung des- 
selben in wenigen allgemeinen Zügen. 

Jedes Individuum, wie jede geistige Leistung erscheinen, mehr oder 
weniger, als Produkte ihrer Zeit und der Umstände. 



6 K. F. H. MARX, 

Mögen Jene von der Mitwelt wenig verstanden und kaum berücksich- 
tigt werden, indem sie der Zukunft voraneilen ; ihre Wurzeln zogen sie aus 
den gegebenen Verhältnissen, nur die innere Verarbeitung ist Eigenthum. 

Die Beweise des Verdienstes sind meistens darin zu suchen, dass fOr 
die ertheilten Anregungen die Empfänglichkeit Statt fand, und die Ge- 
legenheit zur weiteren Ausbildung nicht versäumt wurde. 

Die unscheinbarsten Einflüsse vermögen, gleich Saamen, als mäch- 
tige Kräfte zu wirken. Aus der winzigen Eichel ersteht der gewaltige 
Eichbaum. 

Lauten auch noch so entgegengesetzt die Meinungen über das Voll- 
brachte und den Vollbringer, die prüfende Zeit bringt endlich den ent- 
scheidenden Spruch zum Abschluss. 

Ein guter Gedanke ist der, welcher herrschendes Dunkel aufhellt, 
ein glücklicher Griff, welcher ein tiefgefühltes Bedürfniss befriedigt. 

Beim Helden und beim Schriftsteller wird nicht gefragt, wie lange, 
sondern was sie gewirkt haben. Schon in einer kurzen Spanne Zeit 
kann ihnen ein unverwelklicher Lorbeer erwachsen. 

Ueber die äussere Geschichte eines Menschen kann Jeder berichten, 
über die intellektuelle Entwicklung nur ein Geistesverwandter, über die 
sittliche nur ein Vertrauter. 

Wird schon in der Beurtheilung Lebender die Wahrheitsliebe auf 
eine harte Probe gestellt, um wie viel mehr in der von Todten. 

Sieht die Schilderung auch aus wie ein Gemälde, so ist es doch 
nur Mosaikarbeit. 



Wer weiss, wie noch jetzt, trotz der verbreiteten Bildung, nicht nur 
das Volk, sondern auch das Heilpersonal mit zäher Gewohnheit an her- 
gebrachten Mitteln und Vorschriften festhalten, der muss ebenso über 
die Kühnheit wie über die Einsicht erstaunen, mit der ein Praktiker vor 
zwei Jahrhunderten auf die Ausscheidung des Verkehrten und Uebet- 
flüssigen im Arzneischatze hinwiess. 

Nach der Schlussfolgerung : post hoc ergo propter hoc, wo die wider- 
sinnigsten Meinungen als Beobachtungen sich breit machen, wurde der 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 7 

Vorrath der Arzneimittel {vÄtj ImQixri, Materia medica) zur UDgeheuerlichen 
Ansammlung der abgeschmacktesten, widerlichsten Dinge, und die Apo- 
theke zum angestaunten Museum von absonderlichen Curiositäten , zur 
privilegirten , hochgefeierten Residenz der wunderlichsten Kostbarkeiten. 

Der Vereinfachung und Verbesserung der officinellen Gegenstände 
wirkten und wirken entgegen angeerbte Vorurtheile, sowie Liebhabereien 
für den überlieferten Hausrath, Rücksichtnahme auf die seltsamsten 
Wünsche, Bedenklichkeiten vor Neuerungen, Angstgefühle vor Beein- 
trächtigung der Interessen , lauter Schwierigkeiten , die nur durch eine, 
vermittelst besserer Erkenntniss gewonnenen, unabhängigen Ueberzeugung, 
ein freigerungenes ürtheil, den Drang hoher Berufspflicht und einer 
treuen Sorge für das allgemeine Wohl überwunden werden können. 

So war es der Fall bei den mit Muth unternommenen und vom Er- ^ 
folge begünstigten Unternehmungen des Daniel Ludwig, die er 
übrigens nur als Rathschläge betrachtet wissen wollte, nicht als Vor- 
schriften ^). 



Daniel Ludwig (gewöhnlich Ludovicus oder Ludovici ge- 
nannt) zu Weimar 1625 geboren , besuchte die dortige gelehrte Schule, 
bis er, gehörig vorbereitet , 16 Jahre alt , 1641 auf die Universität Jena 
sich begab, um Medicin zu studieren. 

Zu diesem Fache hatte er schon frühe Neigung empfunden, weil 
sein Vater, ein Gewürzkrämer, zugleich auch Apotheker- Waaren führte^), 
und der dortige Apotheker, Johannes Zelck, ihm freien Zutritt ^) zu seiner 
Officin gestattet hatte. ^ 



1) ConsilianonPraecepta: Am Schlüsse der Introductio p. 19. zu seiner Pharmacia. 

2) G. W. Wedel bemerkte in der Vita, welche er den Operibus Ludovici vor- 
setzte (Lips. 1712. 8.): Ad medidnam invitabat simplidom consideratio et lustrandi 
occasio apud parentem. 

3) Ludwig bemerkt in der Widmung seiner Inangaral Dissertation de Angina 
(Jenae. 1647* 4): Johanni Zelcken, Pharmacopoeo Vinariensi, fidelissimo, fautori sno 
honoiando. 



8 K. F. H. MARX, 

Unter seinen Jenaischen Lehrern: G- Rolfinck*). G. Moebius^j, P. M. 
Siegel^) hielt er sich besonders an letztern, und als dieser 1642 als 
Physikus nach Hamburg berufen wurde, wollte er ihm folgen. Dasein 
Plan durch die Kriegsereignisse Störung erfuhr, ging er vorerst nach 
Wittenberg in die Vorlesungen von Konrad Victor Schneider ^ und später 
nach Hamburg, wo er sich weiter ausbildete und unter Anleitung Siegels 
praktizirte. 

Nach einem Aufenthalte in Belgien kehrte er nach Jena zurück, 
und schloss sich hauptsächlich an C. Schelhammer ») an, unter dessen 
Decanat er auch 1647 promovirte. 

Im Jahre 1650 liess er sich als Arzt zu Königsberg in Franken 
nieder, an welchem Orte er sich vielen Ruhm erwarb^). 1668 wurde 
er Physikus zu Salzungen, 1662 Landphysikus zu Gotha, 1666 eben- 
daselbst Leibarzt. 1680 starb er, 55 Jahre alt. 



So angelegentlich Ludwig seinem Berufe in Behandlung nicht nur 



4) Werner Rolfinck, der zuerst in Deutschland Harvey's Entdeckung des Blut- 
kreisläufe vertheidigte, war nicht nar ein ausgezeichneter Anatom und genauer Kenner 
der Krankheiten, me solches aus seinem Ordo et Methodus Medicinae specialis her- 
vorgeht, sondern auch der Gründer einer kunstgemässen Chemie, wie dies seine Chi- 
mia in artis formam redacta bekundet 

5) Gottfried Moebius zeichnete sich nicht nur als Physiolog aus durch seine 
fundamenta medicinae physiologica, sondern auch durch sein Compendium über Pa- 
thologie und Diätetik: Epitome institutionum medicarum. 

6) Paul Marquart Siegel (Schlegel) verfasste die berfihmt gewordene Schrift de 
sanguinis motu. 

7) Ueber diesen s. meine Schrift: C. V. Schneider und die Katarrhe. Göttin- 
gen. 1873. 4. 

8) Günther Christoph Schelhammer ragte hervor durch viele eigene gute 
Arbeiten, namentlich aber durch die mit Zusätzen versehene Herausgabe des Buchs 
von Conring: Introductio in artem medicam. Darin bespricht er Ludwig's Pbar- 
made mit den Worten: sie enthalte nichts Falsches oder Geschminktes, sondern 
nur Aechtes und Zuverlässiges: in illo libro nihil falsi, nihil fucati, sed sincera et 
quousque eniti humana experientia potuit vera omnia: Additam. Cap. XL §. 6. 

9) Wedel a. a. 0: ibidem longe lateque innotuit. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 9 

seines Fürsten, sondern der ihm verstatteten Frivatkranken oblag, und 
zwar in der uneigennützigsten, aufopferndsten Weise ^O). so wusste er doch 
auch Zeit zu gewinnen für wissenschaftliche Beschäftigungen, namentlich 
ftlr viele Beiträge zu den Schriften ^^) der Societas Naturae Curiosorum. 

Auf höheren Wunsch verfasste er, ohne seinen Namen, in deutscher 
Sprache ^% 1644, eine Abhandlung von den Feld-Krankheiten und, 1666, 
eine von der Euhr. 

Im Jahre 166715) erschien von ihm die Dissertatio de Volatilitate 
Salis Tartari. 

Sein Epoche machendes Werk: Pharmacia moderne seculo appli- 
canda trat zu Gotha 1671 an das Licht ^^j. Dasselbe besteht aus 3 Dis- 
sertationes, nemlich: 



10) Wedel a. a. 0. sagt: Medici sunt eleemosynarii publid, eminentissimus 
inter hos Ludovici, nuoquam quod par est, ut lucraretur aliqnid quemquam enrans, 
sed ut sanaret. 

11) Ich bemerke ausdrücklich, dass ich diese in den einzelnen Bänden selbst 
einsah und darnach citire, nicht nach der veranstalteten Sammlung der Schriften 
Ludwig's. 

12) J. C. Michaelis, der Herausgeber der Schriften Ludwig's, hatte beide 
Abhandlungen in das Lateinische übersetzt und (Opp. p. 561) bemerkt: Tractatus de 
Morbis castrensibus cum designatione Myrothecii castrensis editus est, cum Gothani 
milites ad expeditionem* Hungaricam tenderent; posterior^ cum Dysenteria per istas 
Provincias grassaretur. 

13) Eine neue Ausgabe kam, wie die erste zu Gotha, 1674 heraus. 

14) Viele Ausgaben folgten zu Amsterdam, Hamburg, Kopenhagen, Leipzig, 
Frankfurt. 

Eine französische, mit einem Gommentar versehene, Bearbeitung hat den Titel: 
Traite du Bon Ghoix des Medicamens, avec la mani^re de bien proc^er a leur com- 
position, avec des Remarques et des Observations sur les efifets qu'ils peuvent pro- 
duire dans diverses esp^ces de Maladies. Und auf der folgenden Seite: Traite du 
bon choix des Medicamens deDanielLudovicus, oommente par Michel EttmuUer* 
Pont-a-Möusson. 1757. 2 Voll. 8. 

Die zweite Diss: Abhandlung von Moderation der Apotheker «Taxe übersetzte 
ins Teutsche Johann Heimreichen. Gotha. Ohne Jahreszahl. 8. (angeblich 1714). 
Die daselbst- gelieferte kurze Biographie Ludwig's scheint ganz nach der von Wedel 
angefertigt. 
PhySs Classe. XX. B 



10 E. F. H. MARX, 

I, De Bemebiorum Selectu, selectorum sufficiente Praeparatione, 
ac Myrothecii contractioris constitutione. 

II, De Taxarum moderatione. 

III, De Privata Bemediorum Dispensationen 

Die Schriften Ludwig's erschienen gesammelt von zwei verschie- 
denen Herausgebern, von J. C. Michaelis^ ^J und G. W. WedeP^) 
in dem gleichen Jahre. 

Da die Octavausgabe Wedel's handlicher ist, so citire ich darnach. 



Die von Ludwig gelieferten Andeutungen, Vorschläge und Berich- 
tigungen zeugen von reifem Nachdenken, scharfem Urtheile und einer 
Fülle von Wissen. Er erscheint stets als Beherrscher seines Gegen- 
standes, der es versteht, ihm die interessantesten Seiten abzugewinnen 
und sie zur Geltung zu bringen. 

Schade, dass dem vortrefflichen, reichen Inhalte die Darstellung nicht 
entspricht; diese ist schwerfallig. 

Schon C. G. Kestner bemerkte, dass die Schriften grösseres Lob 
erreicht haben würden, wenn die Schreibart einfacher und deutlicher 
wäre ^7). 

Ohne Zweifel tr&gt die nichts weniger als anziehende, sondern oft 
verworrene und undeutliche Darstellungs- und Ausdrucksweise die Haupt- 
schuld, dass den in Ludwig's Schriften niedergelegten neuen Gesichts- 
punkten und dem gesunden Gedankensamen die allgemeine Aufnahme und 

15) Francofurti ad Moenum 1712. 4. Er äussert, dass die AnmerkuDgen zur 
Pharmacia von Ludwig herrühren, indem sie handschriftlich, nach seinem Tode, vor- 
gefunden wurden: Annotationes inPharmaciam, quae post mortem ipsius demum ad- 
jectae sunt, ex ejus Manuscripüs collectae: Praefatio Editoris auf der 27. (nicht pa- 
ginirten) Seite. 

16) Lipsiae. 1712. 8. In dem Exemplar der hiesigen Universitäts -Bibliothek 
fehlen die Blätter von Seite 848 bis 981, worin die Abhandlungen de Morbis cas- 
trensibus und de Dysenteria enthalten sind. 

17) Nisi per obscurum illud nimisque frequentibus parenthesibus intricatum 
scribendi genus, nimium quantum deformatae essent (Bibliotheca medica. Jenae. 
1746. 8. p. 257). 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 11 

Verbreitung, nicht in dem Grade, welche sie. der Sache nach, verdienten, 
zu Theil wurden. 

Möglich freilich, dass gerade, der Sache wegen, die unbedingte An- 
erkennung zurückgehalten und unterdrückt wurde, denn weder die Aerzte 
noch die Apotheker mochten wünschen, dass der Glaube sich verbreite: 
das Heilen verlange nicht sowohl gehäufte Mittel, als weise Beurtheilung 
und Respekt vor der Natur. 

Es ist begreiflich, dass die schonungslose Kritik sowie die gegen die 
allgemein herrschende Meinung verstossenden, tadelnden, ja wegwerfenden 
Aussprüche Ludwig's nicht ignorirt bleiben konnten, sondern Aufsehen 
erregen, Stoff zu leidenschaftlichen Diskussionen liefern, Liebe für und 
Hass gegen den Verfasser hervorrufen mussten. 

Wie übrigens gerade die tüchtigsten und berufensten Männer seinen 
in Aussicht gestellten Umgestaltungen nach und nach zustimmten und 
seinen Leistungen den vollen Preis zu spenden wussten, das zeigten, 
vor allen, die Aeusserungen G. E. Stahl's, des tiefen Denkers mit dem 
umfassendsten Wissen, des grössten Arztes und des erleuchtetsten Chemi- 
kers seiner Zeit. 

Dieser sagt: er selbst sey an die Sichtung des Heilungs-Materials 
nicht gekommen; sollte es ihm aber noch möglich werden, so würde er 
in die Fussstapfen des unsterblichen Ludwig treten, welcher 
zuerst muthig über jenes Gebiet sich ausgesprochen und in unvei^leich- 
licher Art den Augias Stall zu reinigen unternommen habe ^^). 



18) Materiam Medicam adbuc aggredi non sustinui. Non su^i Hercules; et 
hujus ipsias jam posteriorum laborum unus fuit, Augiae stabulum purgare. 

Si ego ad hunc laborem me accingere, vel adhuc animum inducerem et per 
reliquas circumstantias yaleremLudovici (cujus unicum in hac re prostat cordatum 
tentamen) yestigiis insisterem (De Mediana Medicinae necessaria. Adscriptio Lucae 
Schroeckio. Halae. 1702. 4. p. 34). 

Vir, qui de materia vere practica, efficacia materiae medicae, non tralatia, 
sed Bolidae experientiae respondente, primus omnium cordate loqui agressus est 
(De impostora Opii. Resp. J. G. Brunschwitz. Halae. 1707. 4. §. 34. p. 21). 

Notum est, quid in immortalem sui memoriam praestiterit Ludo- 

B* 



12 K. F. H. MARX, 

Einer der mit Recht gefeiertsten Repräsentanten der früheren Phar- 
macie und der damit verbundenen Wissens theile, Michael EttmQller, 
bemerkt» indem er Ludwig's Uebersicht, Aufrichtigkeit und unabhän- 
giges Urtheil hervorhebt, dass dessen hohes Verdienst nicht blos darin be- 
stehe, die Vorrathskammern gesäubert zu haben, sondern dass er es auch 
verschmähte, in seiner trefflichen Schrift, Namen der Autoren zu nennen, 
um weder durch deren Lob sich Wohlwollen , noch durch deren Tadel 
in Kleinigkeiten einen Ruhm zu erwerben ^^). 

Er habe es verstanden, unter ähnlich wirkenden Mitteln die geeig- 
netsten hervorzuheben ^^). 

Da der Arzt bei der Ueberfüllung Heilung versprechender Präparate 
in der Wahl zweifelhaft bleibe, sey es ein hoher Vorzug, ihm diese zu 
erleichtern 2*). 

Welchen Werth er auf Ludwig's Pharmazie legte , bewiess er auch 
dadurch, dass er einen ausführlichen Commentar dazu schrieb ^^j. 



Haller, welcher, wie wenige, das wirklich Ausgezeichnete vom 
Scheinbaren zu unterscheiden und die Beförderer der Heilkunde zu wür- 
digen verstand, bezeichnete Ludwig als genievoll, beherzt, vorur- 
theilsfrei ^^) , dessen Ziel es gewesen sey , die unnützen Arzneimittel zu 

vici, et quomodo hoc Augiae stabulum repurgare, animo incomparabili susceperit 
(De infantum aflfectibus. Resp. Chr. Hoenisch. Halae. 1705. 4. Cap. 4. De re- 
mediis ad infantum affectus necessariis. p. 29). 

19) Laureolam in mustaceo quaerere: Collegium Pharmaceuticum in Ludovici 
Pharmaciam. Opera medica theorico-practica. Ed. J. J. Mangetos. Genevae. 1736. 
T. IL fol. p. 103. 

20) Ex pluribus symbolizantibus selectum prudenter instituit: Ebend. 

21) Sub remediorum tanta farragine fluctuat Medicus et dubitat, quid eligere 
debeat? Haue fluctuationem removemus selectu et genuine examine remediorum com- 
positorum: Ebend. 

22) Ebend. M. vergl: S. 9 oben, bei den Ausgaben von Ludwig's Pharmacia, 
die angeführte französische Bearbeitung. 

23) Vir excitati ingenii cordatus et praejudicatis opinionibus purus (Bibliotheca 
practica. T. III. p. 300). 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 13 

verwerfen und die guten so darzustellen, dass sie im Stande wären, die 
besten Wirkungen hervorzubringen^*). 



Ludwig hatte es, nach dem Zeugnisse unpartheiischer Forscher, 
dahin gebracht , für einen zuverlässigen Berather und Führer angesehen 
zu werden, dem es gelungen , Zweckmässiges vorgeschlagen , auf Mängel 
aufmerksam gemacht und Irrthümer nachgewiesen zu haben. 

Man sollte nun glauben, dass F. A. C. Gren in seinem viel be- 
nutzten Buche über Pharmakologie, zumal da, wo er deren Geschichte 
und Literatur abhandelte^^)^ ausführlich über die Wirksamkeit Ludwig's 
sich ausgelassen habe; allein nichts weniger als das. Weder er selbst, 
noch die späteren Bearbeiter der beiden Bände, wissen davon zu reden; 
nicht einmal sein Name wird genannt. 

Dieser Mangel ist ein trauriger Beweiss, wie zuweilen neuere deut- 
sche Autoren in ihrem eigenen Studienkreise die berühmtesten Vor- 
gänger im Vaterlande nicht kennen und zeigen, dass sie weder von Ge- 
rechtigkeit gegen die Landsleute, noch vom Quellenstudium einen Begriff 
haben. 

Nach den zu Rathe gezogenen Verzeichnissen von Scribonius Largus, 
Dioscbrides, Lucius Apulejus, Sextus Placitus, Marcellus Empiricus, Sere- 
nus Samonicus, Macer Floridus, Marbodus, Nicolaus Praepositus, war 
neben guten Substanzen, der Grauen erregende Wust von eckelhaften, 
unwirksamen und verderblichen, einfachen tmd zusammengesetzten, Arznei- 
mitteln zu einer furchtbaren Masse angeschwollen. 

Kein Wunder, dass es endlich einem selbstständig prüfenden und 
gewissenhaften Arzte beikam »bis hieher und nicht weiter« auszurufen 
und es zu wagen, soweit es möglich schien, die Spreu vom Weizen zu 
sondern. 

24) Scopus viro foit medicamenta inutilia rejicere, quae bona sunt, ea ita prae- 
parare, ut Optimum effectum edant (Bibliotheca botanica. T. L p. 563). 

25) Lehrbuch der Pharmakologie, kritisch bearbeitet. Dritte Auflage, be- 
reichert von J. J. Bernhardi und G. F. Bucholz. Halle und Berlin. 1813. 8. S. 
33 - 87. 



U K. F. H. MARX, 

Das Unternehmen war kein leichtes. 

Solange Einbildung und Aberglaube die Kräfte der Mittel bestimmten 
und deren angebliche Wirkungen von der rohen Menge, wie von den 
halbgebildeten besseren Standen, ja selbst von den Aerzten, ohne strenge 
Prüfung vertrauensvoll angenommen und hartnäckig vertheidigt wurden, 
erhielten sich traditionelle Vorurtheile und Gebräuche. 

Daniel Ludwig ging von dem Satze aus: der Arzt solle nicht 
nur schnell, sicher und angenehm , sondern auch mit wenigen und wohl- 
feilen Mitteln heilen ^^). Daher sein selbstbewusstes, kräftiges Ankämpfen 
gegen überflüssige und theure Substanzen, sowie seine offen ausgesprochene 
Vorliebe für einfache, gelind wirkende und einheimische^^. 

Mit den einfachsten und gewöhnlichsten Arzneistoffen, behauptet er, 
vermöge man glücklich zu verfahren, wenn es nur mit richtiger Beur- 
theilung, der Natur der Kranken und den Umständen gemäss geschehe ^S). 

Ein gedrängter Vorrath reiche zur Verordnung vollkommen aus^^). 



Um eine Vorstellung gewinnen zu können von der erdrückenden 
Menge der damals in der Officin vorräthigen und verordneten Arznei- 
mittel, welche Ludwig auszuscheiden hatte, dient vielleicht die folgende 
von mir getroffene kleine Blumenlese. Es gelingt ihr wohl, Manche der 
jetzt lebenden Aerzte mit ihnen unbekannt gebliebenen therapeutischen 
Kräften bekannt zu machen : 



26) Non solum cito, tuto ac jucunde, yemm etiam parvo compendiöseqne curare : 
Praefatio ad Lectorem p. 3. 

27) Notaviinus quod Materia Medica indefinitis fere supervacaneis exundet: exa- 
berantia quoque illa , citra ullum reale commodum , quamplurima incommoda Com- 
parantibus scilicet superfluos labores et expensas, Medicis in delectu pene confasio- 
nem; Aegrotis, quo expensae redeant, mercimoniaque deouo distrahantor, damnnm 
non nnum in bursa vel saoitate, praeter nllam necessitatem creet: Dies. I. De 
Remed. Selectn. p. 20. 

28) Simplidssimis atque vulgaribus aeque felidter cnrari, dommodo cum judicio, 
sacondum subjecti naturam atque conditionem adhibeantui*: Praefatio ad Lectorem p. 6. 

29) Myrothecium parvo constans et compendiosom , at sofficientissimum tan« 
tisper ordinäre: Introductio p. 14. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 15 

Acetam hystericum Seite 320 — Anticolicus liquor 287 — Antihypo- 
chondriaca essentia 305 — Antipodagrica mixtura 193 — Aqua Acovistica 
386 — Aqua apoplectica 404 — Aqua Castitatis 473 — Aqua Chrysu- 
licae 288 — Aqua Dominarum 330 — Aqua gradatoria 288 — Aqua 
Magnanimitatis 451 — Aqua de pulmone vitali 480 — Aqua sanguinis 
Scrophae 480 — Aqua pro Epithemate Cordis 387 — Aqua Spermatis 
ranarum 482 — Aqua Typhorum Cervi 192 — Aqua Vermicularis 306 
— Aqua Virtutum 385 — Aqua Vitae antipestilent. 175 — Aqua Vitae 
Mulierum — Assaireth 122 — Balsamus Catellorum 431 — Balsamus 
hypnoticus 444 — Bezoardicum venereum 220 — Branca ursina 511 — 
Buttleri lapis 84 — Cahurvee emasculans 474 — Calcatrippa 328 — 
Cerberus triceps 112 — Ceroneum 417 — Confectio antiscorbutica 317 — 
Crocus cachecticus 347 — Dianae liquor 369 — Diaphryges pulvis 358 — 
Diarhodon 470 — *Dulech 280 — Electuarium diabelzemar 109 — Elec- 
tuarium papae 183 — Elixirium pneumonicum 55. Elixirium vitae vul- 
gare 385 — Emplastrum antiquartium 654 — Empl. de arietis pelle 
511 — Empl. catagmaticum 510 — Empl. diachalciteos 509 — Empl. 
incognitum 472 — Empl. tetrapharmacon 466 — Essentia bellidis 363 — 
Extractum diasatyrium 476 — Extr. matrisylvae 300 — Fei lucii 343 — 
Gummi Myrmeciorum 420 — Herniaria 502 — Hirudinum Lapilli 423 — 
Hispidula 500 — Hypocistis 504 — Leporis martii oculus 343 — Loch 
de caulibus 335 — Loch de pulmone vulpis 342 — Lyncis lingua 425 — 
Magisterium ungulae alcis 423 — Menstruus sanguis 1059 — Morsuli 
ex caudis cancrorum 278 — Oleum alexipharmacum 163 — OL aranea- 
rum 202 — OL lacertarum 515 — OL scorpionum 203 — Perlarum 
lac 480 — Pilulae aggregativae 101 — PiL de octo rebus 101 — Pil. 
sine quibus 103 — Pinguedo cati sylvestris 431 — Pinguedo muris al- 
pini 431 — Pulvis ad casum 205 — Pulvis pannonicus 189 — Sanguis 
talparum 514 — Serpentum lingua 343 — Spiritus cerebri humani 194. — 
Spiritus secundinarum 344 — Stercus murium 341 — Terra Strigonensis 
212 — Trochisci Ramich 507 — Unguentum Agrippae 131 — Ung. 
diapompholygos 448 — üng, resumptivum 451 — Urina embryonis 278. 



16 E. F. H. MARX, 

Ludwig verstand es ebenso sehr, abzuweisen als festzuhalten; mit 
der Aeusserung des Missfallens Aber Unpassendes und Untaugliches geht 
seine Billigung und Anerkennung des Guten und Heilsamen Hand in Hand. 

Universal-Heilmittel, bemerkt er, gäbe es nicht; so oft auch solche 
ausposaunt und gläubig hingenommen würden, zeige es sich, nach nur 
einiger Prüfung, dass man Schein, eitel Lug und Trug, für Wirklichkeit 
und Wahrheit gehalten habe^o). 

Auf Specifica dürfe kein zu grosser Werth gelegt werden, indem 
sie zu oft den an sie Glaubenden im Stiche Hessen ^^). 

Die chemischen Mittel seyen allerdings äusserst starke, selbst gefähr- 
liche, aber für den Kundigen 3^) höchst wichtige. 

Ueber die Zulässigkeit der Einbringung von Arzneien in die Blut- 
adern müsse erst noch die Erfahrung weiter abgewartet werden S'). 

Verschiedene Bereitungsarten, z. B. die der mannigfachen Lecksäfte 
oder dicken Brustsäfte (Loch, Lochoch, Eclegma) wären entbehrlich 3^). 

Wie sein Niederkämpfen gleichgültiger oder schädlicher Mittel, so 
geschieht seine Vertheidigung unentbehrlicher und kräftiger an so vielen 
Stellen, dass nur auf einen kleinen Theil derselben aufmerksam gemacht 
werden kann. 

Unter den schlafmachenden, schmerzstillenden und mildernden (Epi- 
cerastica) verdiene Opium die erste Stelle 55). 

30) Flures hoc secolo apparuisse Elias, promissis graves, verae universalis Me- 
dicinae Menstruique professores fidelesque doctores, qui non unum solum, sed aliquot 
etiam in numerato quasi habebant promittebantque Universalia. Verum postquam 
hanc Junonem amplecti volebamus, plerumque nubes erat: Diss. I. De Select. Remed. 
in genere p. 48. 

31) Specifica et plane singularia notissimis, cum ad examen yentum est, cedentia: 
Diss. I. De Selectu Rem. in genere p. 24. 

32) Non omnia esse Graeca^ quae legi non possunt: Diss. III. De privat Rem. 
dispensat. p. 602. 

33) Infusorum in veuas certior adhuc expectatur experientia: Diss. L De Pur- 
gant exter. p. 132. 

34) Diss. I. De Selectu Rem. in genere p. 44. 

35) Primum et praestantissimum : Diss. I. De Anodyn. p. 437. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 17 

Beines Vorortheil sey es, dass dasselbe nicht lange fortgesetzt werden 
könne, ohne seine Wirkung einzubflssen oder Nachtheil zu verursachen. 
Seine eigene Erfahrung ^^) habe ihm vielfache Beweise geliefert , dass 
dieses unvergleichliche Mittel, längere Zeit fort gegeben, die grSssten 
Dienste zu leisten vermöge. 

Um die Haut in vermehrte Thätigkeit zu setzen, eigne sich, als Zu- 
satz zu einer andern Arznei, der Mohnsaft ^^. 

Gegen Blutspucken bewähre sich der Samen des Bilsenkrauts in 
geringer Gabe 58). 

Bei schmerzenden Hämorrhoidalknoten verdiene Bilsenkrautöl (oleum 
HyoscyamiJ 39J oder Leinkraut (herba Linariae)*^) Anwendung. 

Mit Abführungsmitteln, ohne gehörige Auswahl, richte man Unheil 
an. Kindern dürften nur milde verordnet werden ^^). 

Uebrigens erwähnt der Verfasser ausser Rhabarbersyrup , Mandelöl, 
lalappe, sogar eine in der Muttermilch aufgelöste Aloepille. 

Obgleich er den drastischen Furganzen, also auch dem Gottes- 
gnadenkraut (herba Gratiolae) nicht hold ist, verwirft er sogar dieses 
nicht ^2). 

Als Freund vaterländischer Arzneimittel empfiehlt er auch die, 
vor einigen Jahren bei uns officinell gewordene, Faulbaumrinde (cortex 
Frangulae'*'')). 



36) De innoada Opiatorum continnatioiie: Mise. Nat. Cor. Dec. L A. 4 u. 5 
1673 u. 74. p. 290. Gent. 1 n. 2. App. p. 189: Attentiores non potaere non de- 
prehendere, quod Opiata perdiu securissime, praesertim süb moderatiori dosi conti- 
nuari queant. 

37) Ob insignem figendi et hinc attemperandi virn: Diss. I. De Diaphoret. 
veget p. 182. 

38) Hyoscyami seinen ad pauea grana in Haemoptysi potest aliquid: p. 661. 

39) Diss. L De Yulnerar. Adstringent. p. 511. 

40) Diss. de Diaph. p. 274. 

41) Diss. I. De ^nrgant. veget. p. 128. 

42) haud penitus contemnenda : Diss. I. De pnrgant. veget. p. 107. 

43) Ebend. p. 99. 

Phys, Clam. XX. C 



18 K. F. H. MARX, 

Auf die Genitalien wirkten zuweilen Abführmittel ganz seltsam ^). 

In Folge des Gebrauchs spanischer Fliegen könne selbst noch nach 
dem Tode Erection Statt ^^ finden. 

lieber die damals angepriesene blutstillende ^flssigkeit stellte 
Ludwig Versuche an und fand, dass das Wesentliche darin Alaun 
war^). 

Gegen Mutterblutfluss habe er den gfinstigsten Erfolg von der 
Zimmtrinde beobachtet ^^). Deren Kraft sey nicht immer die gleiche. 
Ob der Wechsel von der Witterung, oder von andern Einflüssen, bedingt 
werde, das wisse er nicht; allein die Thatsache habe er schon im Laden 
seines Vaters kennen gelernt ♦^j* 

Intensive Aetzmittel wären nicht blos die Alkalien, sondern auch 
die concentrirten Säuren*^). 

Die Spiessglanzbutter tauge deswegen nicht zum Aetzen, weil sie 
auf das Nachbargebilde sich ausbreite ^^). 

Der arsenikalische Magnet ^^) eigne sich nicht zur Erzeugung von 
Fontanellen 52). 



44) De purgantibus singalaria quaedam: Mise. N. G. Dec. 1. A. 9 u. 10. 1678 
u. 79. p. 342. 

45) De tentigine mortuonun : Mise. N. C. Dec. 1. A. 9 u. 10. 1678 u. 79. p. 92. 

46) Circa Hafhiensem stypticum liquorem observationes particulares. Mise. N. 
C. D. 1. A. 9 u. 10. 1678 u. 79. p. 327. 

47) De GinDamomi decocto in mensinm profluvio. Ebend. p. 100. 

48) De periodica nonnnmquam vigoris in Ginnamomo variatione. Ebend. A. 4. 
u. 5. 1673 u. 74. p. 278: Saepiufi olim apud parentem observavi, optimae notae 
allatas cannas saporem nativuin aliquando exuisse fere penitos; librum aeque ac 
crassiorem corticem post aliquot temporis eum spatium recuperasse denuo satis 
vegetum. 

49) Vis escharotica non solum alcalina sed acidis concentratioribns: p. 1022. 

50) Inaequalis interdum extensionis: Dies. I. De Diaret. mineralibus p. 298. 

51) Aus gleichen Theilen Arsenicum crystallicum, Antimonium crudmn und Sulp- 
tor flavum. 

52) Magnes arsenicalis sale pro caustico ad fonticulos excitandos est inconunodus: 
Mise. N. G. Dec. 1. A. 9 u. 10. 1678 u. 79. p. 335. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 19 

Die grosse Zahl der Pflaster müsste vereinfacht werden. Mit 6 ver- 
schiedenen reiche man fast in allen Fällen aus^^). 

Auch enthielten viele derselben unzweckmässige Ingredienzen und 
blieben zu lange liegen ^). 

Gegengifte dflrften nicht allzusehr zusammengesetzt seyn^^). 



Es ist wohl nicht zu viel behauptet, dass, trotz bereits erschienener, 
mannigfacher, verdienstvoller, pharmaceutischer Schriften, wie von An- 
gelus Sala, Arnold Weickhard, Johann Ißudplph Glauber, Johann Schroe- 
der etc., Ludwig ^^) das erste gute Apothekerbuch geliefert, wichtige 
dahin einschlagende Anleitungen ertheilt und Anordnungen getroffen 
habe, welche in späterer Zeit gesetzliche Gültigkeit erlangten. Die we- 
sentlichen Funkte finden sich von ihm besprochen. 

So dringt er auf das Heranbilden und Halten geschickter, vorsich- 
tiger Fharmaceuten ; aus Rücksicht auf die Kranken und den Buf der 
Aerzte dürften nur solche zugelassen werden ^7). 

Die Nothwendigkeit gebiete, über das Material in der Apotheke, so- 
wie über die darin vorzunehmenden Arbeiten, eine Controle zu schaffen, 
um die Versicherui^ zu erlangen, dass nur ächte und gute Waaren, und 
nicht minder richtige Präparate gehalten würden. 

Visitationen durch Sachverständige, von der Obrigkeit angeordnet, 
vermöchten in dieser Beziehung viel Schlimmes zu verhüten 58j. 

Dieselben könnten zu einer bestimmten Zeit oder unerwartet vor- 
genommen werden 5^). 

53) Vix ultra sex forsitan in chirurgicos aliosqae usus in rei veritate reqoirantur: 
Diss. L De Selectu Bemed. in genere p. 74. 

54) Diss. I. De Gordial. Nervln. et. Besolvent. p. 416. 

55) Di^. I. De Diaphoretids vegetabilibus p. 183. 

56) Mit seiner Pharmacia moderne seculo applicanda. 

57) Pharmacopoliorum errores non solum aegrotorom sanitatem, sed Medici 
qxLoqne famam afiOigentes: Introductio p. 17. 

58) äeyeriores Inspectiones insolidom cavent: Diss. II. De Taxar. moder. p. 532. 

59) Obriae inconyenientiis videntur Visitationes Inspectionesque certo tempore 
solennes aut ex insperato superyenientes: Diss. m. Depriv. Remed. Dispens, p. 588. 

C* 



20 K F. H. MARX, 

Um der WillkOhr in der Preisbestimmang und der Habsucht 
zu steuern, bedürfe es einer gesetzlichen, billigen Taxe. Ein Ver-* 
hältniss müsse bestehen zwischen dem Werthe des Einkaufs und Ver- 
kaufs 60). 

Indem Ludwig damals geforderte, unerhörte Preise fflr ganz ge- 
wöhnliche Gegenstände anfahrt, sagt er, dass er mit seiner gelieferten 
Auseinandersetzung nicht beabsichtige, eine feste Taxe zu liefern, sondern 
dass er nur denen, welche mit sehenden Augen blind wären, das Maass- 
lose zeigen wolle ^^). 

Er beneide Keinem seinen Vortheil, Keinem wolle er seine Meinung 
aufdringen; er wäre zufrieden, wenn Viele seiner Rathschläge nicht be- 
dürften, und Einige die gegebenen auf die rechte Weise deuteten ^^). 

Zur Warnung der Uebelthäter fügt er die Bemerkung bei, dass 
Schätze, von übermässigem Gewinne gesammelt, sich selten vererbten ^^). 

Zahlreich sind auch seine selbständigen pharmaceutischen Unter- 
suchungen z. B. über den Geist der Tannzapfen ^^}; über Gewinnung 
des Bosenöls^^); über die Bezoartinctur ^^ ; über Bereitung der Bern- 
steinessenz 6^; über Eeinigung des Zinnober's ^^} ; über Bereitung des eisen- 
haltigen Spiessglanzkalks ^^) etc. 

60) Venditorom et Exemptorum proportio: Diss. 11. De Tazar. Moder, p. 533. 

61) Nee enim, sab relata faactenos determinatione , Taxam quandam condimus, 
sed ExcessuB saltem, quasi per transennam subterversantibus ostendimus: De Tazar. 
Moder, p. 573. 

62) Nemini sumn inyidemus commodum; nemini opinionem nostram obtrudimus. 
Bene sit omnibus, qui forsitan. consilüs hisce non indigent, optime, qui singola dextre 
interpretabnntnr: Autoris praefatio ad Lectorem p. 7. 

63) Bare Gazophylazia excessivis constructa, haeredibus stabilia fmsse : Ebend. p. 53 1 . 

64) Abietis coni, quantom spiritos sea olei, a vulgaris terebinthinae spiritu 
uil dififerentis: Mise. N. C. Dec. I. A. 4 u. 5. 1673 u. 74. p. 272. 

65) Tentamina circa majorem olei rosarum yeri copiam. Ebend. A. 8. 1677. 
p. 109. 

66) De tinetura bezoardica parabiliore. Ebend. A. 4 u. 5. 1673 u. 74. p. 288. 

67) De essentia Succini. Ebend. A. 9 u. 10. 1678 u. 79. p. 102. 

68) De Cinnabari nativa ejusque purificatione. Ebend. p. 337. 

69) De Antimonio martiali compendioso. Ebend. A. 8. 1677. p. 108. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 21 

Unter den von ihm verbesserten Präparaten erhielt sich die wein- 
steinsaure Eisentinktur lange unter seinem Namen ^^j. 



Erscheint die eben abgehandelte Wirksamkeit Ludwig's in der 
Auswahl guter und wohlfeiler Arzneistoffe, wie Präparate, als die haupt- 
sächliche, so darf doch seine sonstige pathologisch-therapeutische Begabung 
und Ausführung nicht unterschätzt werden. 

Von der practischen Medicin hatte er einen hohen Begriff und er 
Hess keine Gelegenheit vorabergehn, ohne auf eine fördernde Weise seine 
Gesinnung wie sein Interesse ffir die Aufgaben und Pflichten seines 
Berufs kund zu thun. 

Nur der Ajzt, sagt er, sey der rechte, welcher die Natur, die Hei- 
lerin der Krankheiten, dann, wenn sie zu schwach sich äussere, unter- 
stütze, sie aber nicht mit täglich gehäuften Mitteln in ihren BemOhungen 
störe oder hindere ^i). 

Schriften aber die Wiederherstellung der Gesundheit sollte man, 
wenn nicht, eine allgemeine Belehrung dazu dränge, nimmermehr in 
deutscher Sprache schreiben, weil aus unrichtiger Beurtheilung dadurch 
leicht Schaden angerichtet werde 7^). 



Ungewöhnliche Vorkommnisse spannten seine Aufmerksamkeit und 
er versäumte nicht sie zu verwerthen, sich und Anderen darüber Auf- 
klärung zu verschaffen. 

Seiner Erfahrung gemäss blieben im 7ten Monate geborne Kinder, 
als unzeitige 75), meistens schwächlich 74-). 

70) Als Tinetora Martis Ludovid. 

71) Qui naturam morboram curatricem tnnc tantum, ubi deficit, juvat, neutiquam 
yero accumulatis indies pharmads in Incta soa tnrbat vel impedit: Praefatio ad lec- 
torem p. 5. 

72) Introductio p. 13. 

73) Septimestris partus sno modo qnasi quidam adhuc abortus est: Mise. N. C. 
Dec I. A. 8. 1677. p. 117. 

74) In perfectionis consnmmatione aliquantoliun defidentes, aut alias debiliores, 
yaletudinarii, breviorisque vitae. Ebend. 



22 K. F. H. MARX, 

Auf die Aussagen in Betreff des Kapitels sinnlicher Befriedigung, 
was und wann etwas dieser Art geschehen oder nicht geschehen sey, 
dürfe nicht viel gegeben werden; sie lauteten höchst seltsam ^^]. 

Während der Geburt seyen bei einer Dame die Schambeine aus- 
einander getreten 7ö). 

Bei der einen und anderen seiner Patientinnen habe er merkwürdige 
Missgeburten beobachtet 7^). 

Erstaunlich blass habe ein Ein^ ausgesehen, welches geboren wurde, 
nachdem die Mutter während der Schwangerschaft am Tertianfieber ge- 
litten 78). 

Einem jungen Mädchen, das wiederkäuete, wären ohne Erfolg bittere, 
Brech- und Laxirmittel beigebracht worden 7^]. 

Leide der Mensch an dieser Verrichtung, so sey das beklagenswerth; 
höre dieselbe aber bei Thieren auf, so wäre es gefahrvoll 80). 



Die Menge der von ihm gelieferten überlegten Rathschläge zur 
Verhütung und Heilung der verschiedenartigsten Uebel zeugen von rei- 
cher Erfahrung und wohlwollender Theilnahme. 

Bei herrschenden ansteckenden Krankheiten dürfe man, ohne gefrüh- 
stückt zu haben, nicht nüchtern bleiben; die Luft müsse man durch 
Essigdämpfe verbessern ^^). 



75) Homo est animal sociabile; et si Bespublicae ex hoc fandamento nascuntur, 
quidni et puellus? faciunt et non dicunt, aeqae ac alii dicant et non ÜEununt. Ebend. 

76) Ossium pubis commissurae non solum diyulsae sunt, verum etiam, uti infe- 
licioribus nonnunquam in fracturis accidit, utrinque seorsim occalnerunt: De dislo- 
catione ossium pabis in partu: Ebend. A. 3. 1672. p. 458. 

77) Miscell. H. C. A. 4 u. 5. 1673 u. 74. p. 293. 

78) Ebend. A. 9 u: 10. 1678 u. 79. p. 341. 

79) De rnminatione humana brutorumque: Ebend. A. 9 u. 10. 1678 u. 79. 
p. 353. 

80) Ut taediosus hie affectus est, ita si in bi*atis cesset., non solum morbi in- 
dicium, sed ipsemet morbus est, saepeque lethalis. Ebend. 

81) De morb. castr. Gap. 3. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 23 

Gegen Verstopfung in hitzigen Krankheiten sey es unzweckmässig 
starke Abführmittel anzuwenden; heilsam erwiesen sich milde, wie 
Molken mit Weinstein 8^). 

Das Blasenpflaster aus spanischen s^] Fliegen eigne sich nicht, bei 
der Gicht. 

Zur Beseitigung des Wasserbruchs bei Erwachsenen, aus äusserer 
Ursache entstanden, wären zertheilende Mittel und schwefelsaures Kali 
von Nutzen ö'*'). 

Als beruhigendes Mittel beim Hodenabscesse verdiene das Bilsen- 
krautpflaster empfohlen zu werden ^ 5). 

Nach dem Platzen eines Lungengeschwürs, einer Vomica, habe er 
von Ruhe und Aderlass guten Erfolg beobachtet^). 



Verschaffen seltne Krankheitsfalle einem Arzte Gelegenheit seinen 
Scharfsinn und sein practisches Talent auf die Probe zu setzen, so ist zum 
Erstaunen, wie, nach den gelieferten Mittheilungen, Ludwig sie bestand. 

Ein Jüngling von 18 Jahren wurde, ohne bekannte Ursache, eines 
Morgens sprachlos, am ganzen Körper gefühllos, bei übrigens ungestörten 
Sinnen, im Bette gefunden. Nachdem, um zunächst die Sprache frei 
zu machen, die Froschadern geöffnet waren, kehrte nicht nur die Sprache» 
sondern auch das Gefühl zurück ^^. 

Bei einem zehnjährigen Mädchen, welchem die Mutter einen Kopf- 
ausschlag durch eine trocknende Salbe vertrieben hatte, kam es zu, einer 



82) Ebend. Cap. 13. 

83) Miscell. N. C. Dec. L A. 9 u. 10. 1678 u. 79. p. 92. 

84) Intra paucos dies et resolyentium quortmdam nervinorum topicorum appli- 
cationem, cessit semper aliquot Arcani dnplicati dosibus: Mise. N. G. D. I. A. 9 
u. 10. 1678 u. 79. p. 348. 

85) Ebend. 

86) Sub quietori vitae genere praeseryatoriaque venaesectioDe : Ebend. p. 344. 

87) Sab mediocri saDguinis proflayio non solum loquela integre, verum etiam 
eadem opera sensus undiquaqne in tantom rediit, ut levis saltem stuporis qualia- 
conque vestigia superessent: Mise. N. C. Dec. I. A. 3. 1672. p. 454. 



24 K. F. H. MARX, 

Lähmung der Aogenlieder^^). Nach vergeblichem Versuche yerfichiedener 
Mittel half Weinsteinöl 89). 

Als das Wirksamste gegen den oft von dem Verfasser beobachteten 
heftigsten periodischen Schmerz der Augenbraunen erwiess sich ihm 
ein anhaltendes Blasenpflaster 9^). 

Ein 7 jähriger Knabe, welcher auf den Oenuss von Mohnsyrup in 
einen 5 tägigen Schlaf verfiel ^^) , gelangte wieder zum vollkommenen 
Wohlseyn92). 

Eltern hatten ihr mit verschlossnem After gebomes , umsonst ope- 
rirtes, Knäblein bereits au%egeben ; nachdem aber wiederholt weit tiefer 
eingeschnitten wurde, stellte sich die natürCche Ausleerung ein ^3). 

Interessant sind die Angaben von Tod durch Schlagfluss während 
des Beischlafs ^^). 

Häufig habe er bei hypochondrischen Personen, ohne dass sie Fett 
zu sich genommen , ein Erbrechen fettiger Massen gesehen ^^). 

Gegen Atrophie der Kinder beobachtete er von der Eisentinctur ^ 
günstigen Erfolg. 

Eine kurz vor der Niederkunft sich einstellende starke Geschwulst 
der äusseren Genitalien könne zwar durch erweichende Mittel, besser aber 
durch einen Einschnitt beseitigt werden ^^. 



88) Ita hie peculiare istud malum snpervenit^ ut Japonensem, aut a media Tar- 
taria quendam in solio sno quasi verecondantem yidere crederem : Mise N. C. Dec. 
I. A. 4 u. 5. 1673 u. 74 p. 295. 

89) Oleum Tartari nigri. 

90) luvamentum percepi e vesicatorio retro autem; ita tarnen ut materia per 
dies aliquot in fluore seryaretur, applicato: Ebend. A. 3. 1672. p. 455. 

91) Jacuit fere per quintiduum: Mise. N. G. Dec. I. A. 8. 1677. p. 113. 

92) integrae valetudini restitutos, citra residuae cujusdam stupiditatis uotam. 
Ebend. 

93) De intestini recta perfecta et profunda coalescentia. Ebend. A. 8. 1672. p. 469. 

94) De apoplectids in venere: Ebend. A. 9 u. 10. 1678 u. 79. p. 851. 

95) De Yomitu .hypoebondriacorum sebaceo: Ebend. A. 3. 1672. p. 456. 

96) Tinctura Vitroli Martis oderMartis tartarisata: Ebend. A. 3. 1672. p. 453, 

97) De hydrope pudendorum in gravidis. Ebend. p. 458. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 25 

Bei einem jungen Menschen ging nach einem Brechmittel ein Spul- 
wurm von ganz ungewöhnlicher Grösse ab^^). 



Die Kunst, Krankheiten in pathologischer und therapeutischer Hin- 
sicht monographisch kurz und treffend zu schildern, offenbarte Ludwig 
bereits in seiner Inauguraldissertation fiber die Bräune 9^). 

Zur Wahl dieses Themas bewog ihn wahrscheinlich die eigene An- 
lage zu diesem Leiden, an welchem er auch in späterer Zeit wiederholt ^^^) 
schwer erkrankte, einmal so sehr, dass er 4 Tage lang nicht das Min- 
deste gemessen konnte ^^i). 

Nach vorausgeschickter guter Definition 102^ g^tgt er auseinander, 
dass Hindemiss im Athmen^^^) gefahrlicher sey, als das im Schlingen. 

Einschnitte leisteten viePö*). 

Um drohende Erstickung zu verhüten, müsse die Luftröhre geöffnet 
werden ^05j, 

Bei völligem Unvermögen zu schlucken, müsse man suchen Etwas 
durch eine Eöhre in den Magen zu bringen und nährende Klystiere 
anwenden ^^6), 

98) Inmbricus teres tres nliias nostrates longns, semivivus: Ebend. A. 5. 
1672. p. 457. 

99) Diss. de Angina, quam sab Praesidio Ghristophori Schelbammeri exerciüi 
gratia proponit Daniel Ludwig. Jenae. 1647. 4. (12 Seiten.) 

100) Wedel (a. a. 0. auf der 9. nicht paginirten Seite) bemerkt: bis terque an- 
gina periculosa decabuit, in abscessum verso tumore. 

101) Er selbst redet davon gelegentlich: Cum ante annos aliquot Cynanche ex- 
quisitissima laboraremus, per quatridumn nil nisi solum aerem intromittentibos, post 
tot tantasquae fancium elatriationes mpto tumore: Mise. N. G. Dec. I. A. 3. 
1672. p. 456. 

102) Angostia fandum seu prindpii gutturis ac gulae, ab Inflammatione ejus 
orta, spiratioms ac deglutitionis difficultatem cum febre continoa inducens. 

103) §. 28: In acutis dbo fädle, respiratione vero nunquam carere possumos. 

1 04) §. 36 : Scarificationes sub maxillis profundiores contomadssimas Anginas solvunt. 

105) §. 38: audacter Asperae arteriae compages dissolvator. 

106) §. 62: Fistula quidpiam in stomachom^ compellatur; clysteres nutrientes 
adhibeantur. 

Physs Glosse. XX. D 



26 K. F. H. MARX, 

Die Schrift über die Ruhr, ursprünglich in deutscher Sprache , zum 
Zwecke allgemeiner Belehrung, von Ludwig verfasst, wurde später, wie 
bereits angegeben, von Michaelis in das Lateinische übersetzt. 

Herrsche diese schlimme Krankheit als Epidemie, so sey Vorsicht 
im Essen und Trinken nothwendig. Besonders wären unreifes Obst, 
nicht gehörig gegornes Bier und blähungtreibende Substanzen zu meiden. 

Es müsse Sorge getragen werden für Warmhalten der Füsse und 
des Unterleibs. 

Zur Verhütung von Nichtärzten angerathene Fuiganzen brächten 
Nachtheil. 

Beim Gefühl von Unruhe in den Därmen solle man massig Ffeffer- 
münzwasser nehmen. 

Wer, gegen sonstige Gewohnheit, mit Schmerzen und Zwang im 
After zu Stuhle müsse, der dürfe nicht ausser Bett bleiben, auch die 
Befreiung davon nicht blos von der Hülfe der Natur erwarten. 

Wo möglich müsse man sich in einer warmen Stube aufhalten. 

Zur Nahrung eigneten sich schleimigte Abkochungen, besonders von 
Gerste. 

Hauptmittel seyen ausser solchen, welche Schweiss befördern, Opiate. 

Ohne Noth dürfe man in den Wohnungen solcher Kranken, zumal 
da, wo deren Ausleerungen sich fänden, nicht verweilen. Leztere seyen 
an abgelegenen Orten unter zu bringen, mit Kalk oder Asche zu bedecken. 

Die gebrauchten Betten, das Weisszeug, die Kleidungsstücke müssten 
sorgfaltig gewaschen werden. 

Bevor die Wohnungen, worin solche Kranke sich befanden, wieder 
bezogen würden , dürfe man nicht unterlassen , sie auszuräuchern und 
sorgfältig zu reinigen. 



Aus den vorstehenden Mittheilungen erhellt wohl zur Genüge, dass 
Ludwig die Wisssensgebiete, welche er vorzugsweise bearbeitete, die 
der Fharmakologie und Fharmacie, zuerst in die rechte Richtung gebracht 
tmd wesentlich gefördert hat; weswegen sein Name nicht der Vergessen- 
heit anheimfallen darf, sondern ehrenvoll erhalten werden muss. 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 27 

Denjenigen, welche als Pfleger und Stimmführer bestimmter wissen- 
schaftlicher Abgränzungen angesehen seyn wollen, kommt zwar, noch 
mehr als den allgemeinen Geschichtschreibem, die Verpflichtung zu, die 
in jenen gelieferten Leistungen und Werke nicht blos der Männer der 
Gegenwart in das gehörige Licht zu stellen , sondern auch schuldige 
Rücksicht zu nehmen auf die längst Verstorbener, und Gerechtigkeit zu 
üben in der Abschätzung eigen thümlicher, nicht genugsam bekannter 
Vorzüge. Da jedoch eine Klage über derartig Unterlassenes nicht leicht 
zu befürchten ist, wird nur zu oft dagegen gefehlt, und Unbekümmert- 
heit um die Vorgänger dem Gerechtigkeitsgefühle, sowie Bequemlichkeit 
in der Forschung der Gründlichkeit vorgezogen. 

Ein Glück ist es, dass die noch so lange unbeachtet gebliebenen 
Verdienste, trotz einer anerkennungslosen Zwischenzeit, in ihrem Werthe 
ebenso wenig etwas einbüssen, als verscharrtes Gold, trotz der ungün- 
stigsten äussern Einflüsse. 

Insofern jedes tüchtige Thun nach Vergeistigung strebt, besteht das 
höchste Lob desselben darin, wenn es noch spät als geistiges Vermächtniss 
gewürdigt und hochgehalten wird. 

Die Reformation, welche Daniel Ludwig begonnen, wird hoffent- 
lich damit endigen, dass die dickleibigen Bücher der Arzneimittellehre 
und der Pharmakopoen ^^7) xa wenigen, aber sicher leitenden. Blättern um- 
gewandelt werden. 

Das Wissen von der Wirkungs- und Anwendungsweise der Arznei- 
substanzen darf kein solches bleiben , um als Gedächtnisslast , nach dem 



107) Hält man diese gemeinschaftlichen Angaben auch künftig für nothwendig, 
so möge man sie, wie früher in einfache (Simplicia, Materia pharmaceutica) und zu- 
sammengesetzte (Praeparata et Gomposita), in Gesetzesvorschrifteü für Apotheker 
und Anleitungen für Aerzte tfaeilen. 

Für den ersten Abschnitt wären die neuesten Mittbeilongen der Naturforscher, 
Materialisten, Chemiker und konstgeübter Pfaarmaceuten zu benutzen, für den zweiten 
nur die zuverlässigsten Ergebnisse von vorurtheilsfireien , allseitig prüfenden und er- 
fahrenen Praktikern. 

D2 



28 K. F. H.MARX, 

Examen, wieder vergessen zu werden, sondern als der nothwendigste, 
werthyoUste Besitz des Arztes für das ganze praktische Leben. 

Um ein derartiger zu seyn und zu bleiben, kann die Auswahl nicht 
streng genug getroffen werden. 

Fasst man das Bemühen Ludwig's, die Apotheken von ihrem unge^ 
gehörigen Ballast zu befreien, die Bearbeitung guter Dispensatorien zu 
ermöglichen, nicht blos von der materiellen Seite auf, sondern auch von 
der, die damit zusammenhängenden Wahnvorstellungen zu bekämpfen 
und zu verjagen, so stellt sich dasselbe weit bedeutender dar; denn der 
erscheint als , Wohlthäter der Menschheit, welcher beiträgt sie von ver- 
kehrten Begriffen und vom Aberglauben, gleichviel welchem, zu erlösen. 



Nachbetrachtung. 

Dass Daniel Ludwig, erst 16 Jahre alt, aoademischer Bürger 
wurde, wird den nicht Wunder nehmen, welcher weiss, dass Moi^agni 
in demselben Alter bereits Doctor der Medicin war. 

Eine Verordnung über Erlangung eines Maturitätszeugnisses fesselte 
damals so wenig an die Schule, als eine über Beendigung der gesetz- 
lichen Studiendauer an die Universität. 

Der Einzelne genoss das beneidenswerthe , unbewusste. Glück sich 
selbst bestimmen und , ohne äussere Controle , .nach eigener Schätzung 
seiner erlangten Kenntnisse, verfahren zu können. 

Je schwieriger es war, solche sich anzueignen, um so eifriger 
musste darnach gerungen werden; dafür aber wurde die mühsam er- 
langte Erweiterung von Wissen und Einsicht , weit eher als bei reichlich 
gebotenen Gelegenheiten, innerstes, dankbar empfundenes Eigenthum. 



. ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 29 

Bei dem früheren geringen Lehrpersonale und dem Mangel der In- 
stitute konnten nur durch angestrengte Benutzung der schwach gebotenen 
persönlichen Anleitungen und der besten Druckschriften, sowie durch con- 
centrirten Fleiss, grössere Hülfsmittel ersetzt werden. 

Da der Kreis der Unterrichts-Qegenstände auf die unentbehrlichen 
beschränkt war, und das Gedächtniss mit flberflüssigen Dingen nicht 
überladen wurde, blieb die Möglichkeit, das Gebotene gehörig in sich 
aufzunehmen und zu verarbeiten, das mit eigenen Augen Gesehene treu 
zu bewahren, selbständig zu beurtheilen, das Material zu beherrschen. 
Der so erreichte Standpunkt der Cultur wurde ein natürlich entfalteter, 
nicht ein im Treibhause gepflegter, kein Artefact. 

Noch im vorigen Jahrhunderte erstanden in England aus ganz be^ 
scheidenen Bildungselementen die geschicktesten Aerzte. Der Aufenthalt 
bei einem Lehrherrn, welcher aber den Schüler immerfort auf die nächsten 
Bedürfnisse hinwiess, diesen zur sorgfaltigen Beobachtung der nicht nor- 
malen Erscheinungen anleitete, ihn in allen Handleistungen sich ver- 
suchen liess und ihm, nachdem derselbe mit Klagen über körperliche Leiden 
bekannt, zu deren Linderung und Abhülfe aufgefordert worden war, 
die Behandlung von Kranken, unter Aufsicht, anvertraute, genügte, um 
eindringende Erwägung der gestörten Gesundheitsbedingungen und richr- 
tige Leitung des Heilgeschäfts zu erzielen. Dieses wurde Lebensauf- 
gabe imd Ejrystallisationskem des Daseyns, an den sich jede andere Unter- 
weisung anschloss. Vorhandene Lücken in der allgemeinen Bildung 
wurden nach und nach durch wissenschaftliche Leetüre ausgefüllt. Je 
mehr in der Jugend die Befriedigung einer umfassenden Belehrung ver- 
sagt blieb, um so lebendiger steigerte sich mit zunehmenden Jahren die 
Sehnsucht nach Erweiterung des Wissens , Vervollkommnung der Be- 
griflFe, sicher leitenden Principien. 

Aus kleinen Verhältnissen gingen tüchtige Männer hervor, welche 
dauernd auf die wesentlichen Punkte der praktischen Medicin ihr Augen- 
merk richteten und ebenso für die Begründung wie für die Erweiterung 
derselben thätig blieben. 

Es ist anders geworden, nachdem man angefangen, weit mehr Inte- 



30 K. F. H. MARX, 

resse für die Wissenschaft als für die Kunst zu zeigen , ja als man den 
Plan verfolgte, die Medicin in die Naturwissenschaft aufgehen zu lassen. 

Man hätte sich freilich von vorneherein sagen müssen, dass es beim 
Heilen nicht bloss auf allgemeine Ansichten und Gedanken ankomme, 
auch nicht auf eine Masse an einander gereihter Vorstellungen und Ein- 
drücke, sondern auf Vervollkommnung in den concreten Beziehungen 
zum kranken Organismus, auf die genaueste Kenntniss aller Dienstlei- 
stungen am Krankenbette, auf scharfe Auffassung und Durchdringung 
der einzelnen Störungen, auf eingeübtes Kunstverfahren, angemessene 
Ausführung der vom Augenblick gebotenen Indicationen, und vor Allem 
auf die Meisterschaft im Individualisiren und die vorsichtigste Auffas- 
sung wie Behandlung jeder Besonderheit. 

Um das Verständniss von der Bedeutung der Medicin zu beweisen, 
wurde zwar verlangt, dass Jeder, der sich ihr zu widmen beabsichtige, 
viele Jahre auf das Studium derselben verwenden und aller ihrer Theile 
gleichmässig sich bemächtigen solle. 

Dabei hätte jedoch bedacht werden müssen, dass mit zu langer 
Studiendauer consequenter Fleiss selten Schritt hält, dass jede neue gei- 
stige Beschäftigung die frühere zurückdrängt, ja nicht selten vei^essen 
macht, dass statt Gründlichkeit Vielwisserei erworben wird, und dass ein 
noch so ausgedehnter Aufenthalt auf der Universität oder in einem Ho- 
spitale keinen Praktiker bildet, denn nur die eigene Verantwortlichkeit 
lehrt überlegtes und gewissenhaftes Thun. wie die Noth Beten. 

Da bei der Mehrzahl die begonnene umfangreiche Ausbildung, nach 
dem Abschiede von der Hochschule, nicht fortgesetzt werden kann, bleibt 
eine Halbheit, gleich einem kunstvoll angelegten Torso, einem Rumpfe 
ohne Kopf oder Arme. 

Eine Vereinigung aller Theile der Medicin in Einer Person ist nur 
theoretisch, für den Unterricht gerechtfertigt; denn die Ausübung aller 
übersteigt, in der Regel, die Fähigkeiten und Kräfte des Einzelnen; auch 
hat der geschickteste Arzt für innere Krankheiten, oft weder Neigung noch 
Geschick zur Chirurgie ; oder er wird durch diese active Behandlung un- 
willkührlich zu Eingriffen verleitet; und ein beschäftigter Chirurg behält 



ZUR ANERKENNUNG DES BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 31 

fQr die Geburtshülfe kein Interesse . weil die Natur die operative Hülfe 
meistens entbehrlich macht. 

Die gesetzlichen Anforderungen der Examina stimmen nicht immer 
mit den eigenen Anlagen , auch nicht mit dem Massstabe der gesell- 
schaftlichen Beurtheilung. 

Den grossartigen Absichten der Ausbildung entsprach wachsend 
der abgeänderte Massstab der Hülfsmittel. Anstatt eines einzelnen Werk- 
meisters kam es zu gedehnten Fabriken des Unterrichts, und zwar nicht 
blos der einzelnen Theile der Medicin, sondern aller mit jener verbun- 
denen Gebiete der Naturforschung. Die mannigfachsten Anstalten er- 
hielten so reiche Sammlungen von StoflFen, Instrumenten, Apparaten etc., 
dass um sie kennen zu lernen und blos mit ihnen umzugehen zu ver- 
stehen, viele Zeit erforderlich wird. 

Die Universität wurde aus einem Freistaate von Liebhabern eigener Nei- 
gungen und Studien zum Conglomeratesouverain er Instituts-Direktoren, von 
denen j^der für sich volle Theilnahme voraussetzt und als Examinator erzwingt. 

Unverkennbar erfahrt jedoch durch die zu grosse Zahl der obliga- 
torischen Besuche in den Anstalten die individuelle Entschliessung eine 
Beschränkung, und, durch das Anhäufen gesonderter Bestrebungen, die 
harmonische Ausbildung von Wissen und Charakter eine Beeinträchtigung. 

Die Freudigkeit der Selbstbestimmung und der moralische Gehalt 
eigener Achtung können durch den Zwang der buntesten Vornehmungen 
und einer widerwillig ausgedehnten Studienzeit nur Einbusse erleiden. 

Anstatt nun inne zu halten mit den Anforderungen an die Studi- 
renden : activ an der Zersplitterung des Fachs sich zu betheiligen, werden 
sie verstärkt, und anstatt die zur glücklichen Ausübung nothwendigen 
Kenntnisse und Uebungen als unerlässliche hinzustellen, werden sie, wenn 
nicht gerade als Nebendinge, doch nicht als die Hauptsache und das Ent- 
scheidende betrachtet. 

Es ist aber die Frage, ob, in Folge der grossartigen Einrichtungen 
und Voraussetzungen weit vorzüglicher als in früherer Zeit, Aerzte sich 
finden, welche, als Meister in der Gesammtkunst , nicht nur die ehemals 
für unheilbar erklärten Krankheiten nun zu heilen vermögen, sondern 



82 K. F. H. MARX, ZUR ANERKENNUNG D. BRAVEN ARZTES DANIEL LUDWIG. 

auch die ganz gewöhnlich vorkommenden der Seele wie des Leibes, 
und die an sich unbedeutend scheinenden, aber immerhin lästigen Fehler 
and Gebrechen, leichter zu verbaten, schneller und sicherer zu heben 
im Stande sind? 

Nicht geringfügiger ist die Frage, ob es ein Fortschritt sey, dass 
Viele, verwohnt durch das überreiche Unterrichts-Material und die mannig- 
fachsten gleich zu Gebote stehenden, Hülfsmittel, in die nothdürftigen, 
kümmerlichen Beziehungen des bürgerlichen Lebens sich nicht zu schicken 
vermögen; zur Ausführung drängender, aber widriger, UntemehmungeUt 
mit aufopferungsfähiger Hingebung, schwer sich entschliessen; statt selbst- 
vergessener Theilnahme äussere Berechnung kund geben ; für das Grering- 
fügige sich zu vornehm dünken; mehr Sinn für das Gremachte, als für 
das Natürliche zeigen; sich für fertig und durch Bekanntschaft mit den 
neuesten Entdeckungen für bevorzugt halten; in der Auffassung der Er- 
scheinungen leicht das Nächste übersehen, dafür aber das Verschieden- 
artigste überdenken und vornehmen, um »exacte Beobachtungen« zu 
erlangen; sowie durch minutiöse Untersuchungen ihre Kräfte vergeuden; 
die Effectmacherei mit neuen Worten, seltsamen Bezeichnungen und Ein- 
druck machenden Erklärungen nicht verschmähen; ja sogar den durch 
die Erfahrung bewährten Behandlungs-Methoden und Mitteln weniger Ver- 
trauen schenken, als den kürzlich erst vorgeschlagenen und in Mode ge- 
kommenen? 

Sollten, bei genauer Bekanntschaft mit der Noth und den Forde- 
rungen der Tage, sowie bei einer eindringenden, ohne vorgefasste Mei- 
nung, unbefangen vorgenommenen Prüfung, die Antworten keineswegs 
befriedigend lauten, so würde der jetzigen prunkenden, zusammengesetzten, 
naturwissenschaftlichen Medicin eine heilsame Medicin zu verordnen seyn, 
damit sie eine schlichte, einfache, praktische werde. 



Zur Anerkennung 
des Arztes und Schulmannes Dr. Georg Henisch. 

Von 

Dr. K F. E. Marx. 



Vorgelegt in der Sitinng der Eönigl. Gesellschafl der Wissenschaften am 5. December 1874. 

jjLann, wie Conrad Gesner^) durch sich selbst bewiess, aus einem 
Schulmeister ein berühmter Arzt werden, dann wohl auch aus einem 
Arzte ein berühmter Schulmeister. 

In den Kinderstuben muss der Arzt am meisten verweilen, und bis 
von ihnen ein reifes Alter erreicht wird, hat er so anhaltend Anleitung und 
Rath zu ertheilen, damit das Nachtheilige gemieden, das Angemessene 
gethan werde, dass es nicht als Sprung erscheint, wenn er das Verord- 
nen von Heilmitteln mit dem Anordnen heilsamer Lehren vertauscht. 

Im Interesse der Einzelnen wie des Gesammtwohls wäre zu wün- 
schen, dass die gültige Eangliste nicht als hindernde Macht für einen 
Doctor der Medicin wirkte, um statt der hohen Schule die niedrige als 
Berufskreis zu wählen. 

Ein Glück wäre es, wenn für die Anstalten, wo die ersten Funda- 
mente der Bildung, Gesittung und des Geschmackes gelegt werden, die 
Wahl nur auf Männer fiele, welche durch Einsicht, Wissen, Willens- 
stärke und Humanität hervorragen, denn die Eindrücke, welche durch sie 



1) Wie sieb die äussere Lage und Aussiebten eines Pädagogen gegen ehemals 
verbessert haben, das ergiebt sich aus seiner Mittheilung, dass die Stelle ihm keine 
andere Hofifhung gewährte, als gehörig hungern zu können: in publicae scholae an- 
gulam detrusQs aliquamdiu bona diei parte pueros Grammaticae radimenta docebam, 
minimo Interim stipendio, unde nisi esuriturum me satis spes nulla afful- 
geret (Bibliotheca Universalis. Tiguri. 1545. foL p. 180). 
PÄys. CUme. XIX. A 



2 K. F, H. MARX, 

auf Gemüth , Geist, Gesinnung und Character der Jugend hervorgerufen 
werden, sind die tiefsten, entscheidendsten und bleibendsten. 

Eine musterhaft eingerichtete Schule vermag am besten den Sinn 
zu wecken für Verfeinerung und Veredlung der Gewohnheiten, für das 
Rechte und Gesetzliche der Lebenserscheinungen, für das Maass und die 
Bedeutung der Dinge, für Achtung des früher Geleisteten, für die Mu- 
ster der Tugend, der Thatkraft, des schöpferischen Genius, für tiefe Ge- 
fühle und hohe Gedanken, und, bei noch so billiger Beurtheilung der 
Eigenschaften und Vorzüge fremder Nationen, für Begründung wahrer 
Vaterlandsliebe. 



Hat überhaupt die Schule den grössten Einfluss auf das Gedeihen 
und die Zukunft der Lernenden, dann um so mehr, wenn die Lehrer 
mit gründlichen medicinischen Kenntnissen ausgerüstet, ja erfahrene 
Praktiker sind , indem es ihnen dann möglich wird , empfänglichen Ge- 
müthern für das ganze Daseyn die erprobtesten prophylaktischen Re- 
geln zur Erreichung und Behauptung einer gesunden Seele im gesunden 
Körper einzuprägen. 

Da dem Arzte seine Vertrautheit mit der Abschätzung der leiblichen 
Bedingungen, sowie seine Uebung im Individualisiren nach der temporä- 
ren Leistungsfähigkeit, zu gute kommen, so ist er am besten im Stande, 
je nach dem Eindrucke der Constitution, der Beschaffenheit und dem Aus- 
sehen einzelner Theile, sowie nach den charakteristischen Zeichen des 
Befindens, das angemessene Verhältniss der Studien zu bestimmen, irrige 
Annahmen, sowohl in den Anforderungen, als in den Schlussfolgerungen, 
zu berichtigen, bereits begangene Fehlgriffe auszugleichen, und dauernd 
eine Harmonie zwischen wissenschaftlichem Streben und den Reactionen 
des Organismus zu sichern. 

Bei seiner genauen Kenntniss, wann geschont und gewartet, oder 
nachgeholfen und mit Mitteln unterstützt werden muss, dient er als 
Schützling gegen verkehrtes oder gewaltsames Thun, gegen unbillige oder 
nnzeitige Ansprüche. 

Ihm ist bekannt, dass die wohlerzogensten Individuen durch Ge- 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES U. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 3 

hirnreitzung unartig sich benehmen können, und dass die Ursache einer 
auflfallenden Beschränktheit im Begreifen und Behalten, in gehinderter 
oder beschleunigter Entwicklung einzelner Theile und Verrichtungen zu 
suchen ist. 

Die Rückwirkung schädlicher Gewohnheiten, übertriebener Vorneh- 
mungen, sowie die Vernachlässigung angemessener Beschäftigungen auf 
die Entfaltung der Anlagen und des Charakters, versteht der Arzt am 
sichersten abzuschätzen. 

Bleibt seine Beobachtung stets auf den ganzen Menschen gerichtet, 
so wird sein Verfahren als ein naturgemässes , den innern Bedingungen 
entsprechendes, wohlthätig sich bewähren, und es wird im einzelnen 
Falle, wenn nicht genützt, wenigstens nicht geschadet werden. 



Wie weit häufiger, als geglaubt wird, Doctoren der Medicin ihre 
Thätigkeit in der Krankenstube mit der in der Schulstube vertauschten, 
das zeigen folgende blos aus Bremen und deren Nachbarschaft stam- 
mende 2), nemlich 

Tobias Andrea [geb. 1633 f 1685], welcher Professor der Philoso- 
phie am Gymnasio zu Bremen, später zu Franeker, wurde; 

Chr. Fr. Crocius [geb. 1623 f 1673], der am Gymnasio zu Bre- 
men eine Professur der orientalischen Sprachen erhielt; 

C. H. Thulesius.Fgeb. 1771 zu Delmenhorst], der als Präceptor 
des Pädagogii zu Bremen wirkte. 

Wer aber zur Berichtigung seiner Vorstellungen in dieser Hinsicht, 
sowie zu seinem Erstaunen, eine weit grössere Zahl von solchen Aerzten 
kennen lernen will, welche mit ihrem eigentlichen Berufe andere, damit 
verwandte, Fächer verbanden, oder ganz zu diesen übergingen, der findet 
in einem schon vor mehr als 100 Jahren erschienenen Buche von C. W. 
Kestner ^) eine reiche Ausbeute. So z. B. war 



2) M. 8.: H. W. Roter m und, Lexikon aller Gelehrten, die seit der Refor- 
mation in Bremen gelebt haben. Bremen. 1818. Erster Theil. S. 9. 89. 205. 

3) Medicinisches Gelehrten Lexicon. Jena. 1740. 4. 

A2 



4 K. F. H. MARX, 

Th. J. Almeloveen [geb. 1657 f 1712] nicht blos Professor der 
Medicin, sondern auch der Beredsamkeit. 

H. Arnisäus [f 1636] verband mit der Professur der Arzneige- 
lahrtheit die der Philosophie. 

Caspar Bartholin [geb. 1585 f 1629] hielt nicht blos Vorträge 
über die Arzneikunst, sondern auch über schöne Wissenschaften und 
die Theologie. 

Jacob Bartsch [f 1633] war nicht nur Arzt, sondern auch Pro- 
fessor der Mathematik. 

J. J. Becher [geb. 1635 f 1682] erhob sich vom Informator zum 
Arzte, Philologen, Mathematiker, Chemiker. 

Oswald Berns [f 1568] zeichnete sich als Heilkünstler und Schul- 
mann aus. 

Jacob Bordingus [f 1560] brachte es vom Schulmanne zum 
Leibmedicus. 

Olaus Borrichius [geb. 1626 f 1690] ging von der Medicin 
zum Schulunterricht, darauf zur Professur der Philologie, Chemie und 
Botanik über. 

Otto Brunfels [f 1534], der zuerst Theologie trieb, wurde Schul- 
meister und später Physikus. 

Oswald Cr oll [f 1609] zeichnete sich als Arzt, Hofmeister und 
Chemiker aus. 

J. C. Dieterich [f 1669] wurde aus einem Arzte Professor der 
griechischen Sprache. 

Heinrich Fabricius [f 1612] erhob sich vom Doctor der Medi- 
cin zum Rector eines Gymnasiums. 

J. C. Fromann hatte eine Anstellung als Landphysicus und als 
Professor am Gymnasium. 

J. L. Havenreuter [f 1618] bekleidete die Professur der Medi- 
cin, der Logik und Physik. 

Joh. Heinrich [f 1730] nahm statt der Professur der Medicin 
die der orientalischen Sprachen und eine Bibliothek-Stelle an. 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 5 

Joachim Jung [f 1657] wechselte seine Professur der Medicin 
mit der Rectorstelle an einem Gymnasium. 

Michael Kirsten [f 1678] wurde aus einem Arzte Professor der 
Poesie und Physik. 

Adrian Pauli [f 1622] theilte sich in die Professur der Medicin 
und Metaphysik. 

Jacob Tollius [f 1696] war Arzt und Schulrector. 
Hieronymus Tragus (Bock), der Botaniker, [f 1554] lebte als 
praktischer Arzt, Schulmann und Prediger. 



Ohne Zweifel richtet sich hauptsächlich nach den Motiven zur Um- 
wandlung einer Berufsthätigkeit das Ergebniss des Erfolges. Es wird 
darauf ankommen, ob ruhige Ueberlegung oder zufällige Laune, ob freier 
Entschluss oder die Gewalt der Umstände, ob Neigung oder Verzweif- 
lung den Ausschlag geben; und ob im Laufe der Jahre das Innere von 
Zufriedenheit erfQllt oder von Eeue gequält wird; ob der Anforderung 
neugewählter Pflichten Vorwurf oder Segen entspricht. 

Nur durch Liebe zur Sache, voUkommne Hingabe in die übernom- 
mene Thätigkeit, Förderung ihrer verschiedenen Theile, heiteren Gleich- 
muth, nie ermattenden Eifer und tiefempfundene, treue Sorge fQr die 
Pflegbefohlenen, finden die ausgestreuten Saamen des Lehrers einen frucht- 
baren Boden und gehen auf zur Freude der Welt. 



In der neueren Zeit hörte die Vertretung verschiedener Fächer und 
die Cumulation mehrerer Stellen in Einer Person dadurch auf, dass die 
einzelnen Gebietestheile zu sehr anschwollen, und jeder für sich concen- 
trirte Kräfte verlangte. 

Fälle, wo Aerzte, aus reiner Liebhaberei, zugleich einem völlig an- 
dern Wirkungskreise sich widmen, gehören nun zu seltenen Ausnahmen. 

Die Vereinigung getrennter Berufsarten ehemals war mit durch die 
geringen Gehalte geboten, wo nur mehrere zur Fristung der Existenz 
ausreichten. 

Uebrigens bleiben fQr die vom Einzelnen selbst auferlegte Beschrän- 



6 K. F. H. MARX, 

kung in der neueren Zeit nicht ohne Einfluss die erwachten grösseren 
Ansprüche an die Genüsse des Lebens, verlockendere Zerstreuungen, Ab- 
nahme des Fleisses, die Noth wendigkeit der Rücksichtnahme auf das 
zur Mode gewordene encyclopädische Wissen, die geforderte Vertrautheit 
mit mehreren lebenden Sprachen, und die erleichterte Betheiligung an den 
mannigfachen wissenschaftlichen und politischen Vorgängen in den fern- 
sten, jedoch durch Telegraphen, Eisenbahnen, Dampfschiffe nahe ge- 
rückten, Landern. 

Ein Hauptgrund, warum jetzt ein Arzt sich besinnt, Lehrer an ei- 
ner Schule zu werden, ist der, weil die meisten an ihr Wirkenden sehr 
unterrichtet sind, und ohne eine Summe tüchtiger Kenntnisse das Unter- 
nehmen, sich ihnen gleich zu stellen, nicht gewagt werden darf. 



Einer von den Doctoren der Medicin, welche Schulmänner wurden, 
war Georg Henisch*), ein Name, der in den jetzigen Gymnasien 
ebenso unbekannt ist, wie in den ärztlichen Anstalten. 

Aus seinem früheren Leben weiss man nichts weiter, als dass er 
aus Ungarn stammte und 1549 geboren wurde. 

Sein Geburtsort war Bartfelden (Barthfam, Bartpha) ^), eine frühere 
Freistadt in der Grrafschaft Zips, den Aerzten und Kranken als berühm- 
ter Eisensäuerling, wie Spaa oder Pyrmont, von gutem Klange. 

Das auf mehreren Titeln seiner Schriften hinter seinem Namen ste- 
hende B bedeutet aus Bartfelden. 

Der Verschollene muss Deutschland in früher Jugend kennen ge- 
lernt und eine solche Zuneigung zu ihm gefasst haben, dass er dasselbe 
nie wieder verliess. 



4) Auf seiner Grabschrift steht zwar Henish (Dan. Praschii Epitaphia Au- 
gustana Vindelica. 1624, 4. Pars I. p. 180); allein Steinhauer, wie Kupferstecher 
und Setzer , nehmen es mit einem Buchstaben weniger oder mehr nicht sehr 
genau. 

5) Am Schlüsse der Dedication seines Thesaurus Linguae germanicae an die 
Landstände ober und unter der Ens sagt er: Bartphae in Hungaria natus, cujus 
regni quam arcta sit cum Austria vestra conjunctio non prorsus ignoro. 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES U. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 7 

Seine Vorliebe für die neue Heimath spricht sich in seiner warmen 
Bewunderung der deutschen Sprache aus. Diese erklärt er in jeder Bezie- 
hung für die schönste, reichste und vollkommenste; auch widmete er 
sein umfassendstes literarisches Werk, worin er sich darüber aussprach, 
den deutschen Ständen Oesterreichs ^). 

In Basel erwarb er sich 27 Jahre alt, 1576, die medicinische Doc- 
torwürde 7). 

Die bei dieser Gelegenheit von ihm erwähnten Lehrer gehörten zu 
den trefflichsten der Universität, welche, wie es scheint, durch ihre Viel- 
seitigkeit, auf die Richtung seiner Studien einen besondern Einfluss aus- 
übten. 

Theodor Zwinger [f 1588], Professor der Medicin, der Moral- 
philosophie und der griechischen Sprache, erlangte vielen Ruhm durch 
sein Theatrum vitae humanae, sowie durch seine Ausgaben von Pet. de 
Bayro Vade mecum oder Enchiridion de medendis humani corporis malis, 
und dem interessanten Werke des Santes Arduinus de Venenis (m. vrgl. 
meine geschichtliche Darstellung der Giftlehre. Abth. I. S. 56). 

Johann Nicolaus Stupanus [f 1621], Professor der Medicin 
und Logik, verfasste nicht bloss medicinische Schriften, sondern auch 
mathematische, astronomische und historische. Machiavelli's Buch il Prin- 
cipe hatte er in das Lateinische übersetzt. 



Henisch musste, als junger Mann, nicht bloss in seinem gewählten 
medicinischen Berufsfache, sondern als denkender, vielseitiger Gelehrter 
bekannt geworden seyn, denn er wurde als ordentlicher Professor der 



6) Vobis, tam amplae, tarn florentis, tarn conspicuae Germaniae partis proce- 
ribus (in der Dedication seines Thesaurus Linguae germanicae). 

7) In die Matrikel des Collegii medici zu Augsburg, (wovon nachher Mehreres 
mitgetheilt werden soll) hatte er selbst Folgendes geschrieben: Hoc Antographo Geor- 
gius Henisch, Bartfeldensis Pannonius, ut ^yfiikodvvta fido testor, me in Academia 
Basiliensi sub Decurionatu Theodori Zwingen, Philosophi et Medici, Doctorem Me- 
dicum designatum et creatum, osculoque Pacis in Medicam civitatem recep- 
tum a Joanne Nicoiao Stupano, Promotore A 1576 anno aetatis 27. 



8 K. F. H. MARX, 

Logik 8) und Mathematik, angeblich auch der Redekunst ^) in Augsburg 
an einem Institute angestellt, das theils dem Schulunterrichte, theils der 
Wahrung ärztlicher Interessen diente, nemlich am Oymnasium bei St. 
Anna. 

Seine Anstellung geschah zuerst auf ein Jahr als Probe; da diese 
aber über Erwarten gut ausschlug, für beständig. 

Wahrscheinlich waren die äusseren Bedingungen günstig, denn in 
demselben Jahre (1576) promovirte er zu Basel unter dem Rectorate von 
Simon Sultzer und heirathete ^^). 

Seine Ankunft war für die Stadt, welche ihren Stolz fand in Auf- 
rechthaltung der Denk- und Glaubensfreiheit, sowie in Ausbreitung 
tüchtiger Kenntnisse, um so wichtiger, als kurz darauf (1577) ein Mann 
starb, welcher ihr lange Zeit als geistiger Mitstreiter zur hohen Zierde 
gereichte, nemlich der Stadtphysicus Achilles Pyrminius Gasser, Zög- 
ling von Melanchton, berühmter Arzt und Schriftsteller i^), Freund von 

Conrad Gesner. 

Die Schule bei der Kirche zu St. Anna, auf welche Henisch an- 
gewiesen blieb, konnte gleichsam als Mittelpunkt der reformatorischen 
Bestrebungen betrachtet werden i^). 

8) In der Dedication an die Landstände Oestreichs nennt er sich Logices et 
Mathematum Augustae Professor publicos. 

9) In Martin Grusii Schwäbischer Chronik fol. Buch 12. Cap. 37. S. 386 
wird er unter den berühmten Doctores Medicinae als Professor in der Mathesi und 
Oratorie aufgeführt. 

10) Martin Grusius a. a. 0. B. 12. Cap. 22. S. 335 nennt unter den 
dortigen Hochzeiten: Georg Henisch und Regina Wirsungen. Diese war, wie J. 
Brück er vermuthet, die hinterlassene Tochter des berühmten Arztes in Augsburg 
Christoph Wirsung, der 1571 starb (Prolnsio de Medicis Augustanis saecalo XVI 
celebribuB. Bei Historia Vitae Adolphorum Occonum. Lipsiae. 1734. 4. p. 19). 

11) Verfasser der Curationes et Observationes medicae, der Collectanea prac- 
tica etc. Heransgeber der Aphorismen des Hippokrates etc., Geschichtschreiber von 
Augsburg durch sein Quellenwerk: Annales civitatis ac rei publicae Augstburgensis. 
M. vergL: F. Frensdorff, die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg. 
Erster Band. Leipzig. 1865. 8. S. XLIV. 

12) M. vergl. Ph. J. Crophius Kurtze und gründliche Historische Erzehlung 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 9 

Als Luther, noch Augustinermönch, im Jahre 1518 in Augsburg 
sich aufhielt, um sich wegen seiner in Wittenberg angeschlagenen The- 
sen vor dem Cardinal Kajetan zu verantworten (der aber einzig auf Wi- 
derruf bestand) , wohnte er im Karmeliterkloster bei St. Anna und las 
daselbst Messe. 

Schon 1522 wurde darin die evangelische Lehre gepredigt. 

1526 erklärten sich die Besitzer des Klosters, die Karmelitermönche, 
für die Reformation und verliessen dasselbe, nachdem sie es der Hospi- 
talstiftung geschenkt hatten. 

1531 entstand im Kloster eine neue Schulanstalt, das Gymnasium. 

Dadurch, dass die Jesuiten ihr Gymnasium herstellten, hielten es 
die Protestanten für gerathen, das eigene zu vervollkommnen. 

Damit aber auch besser für die leibliche Gesundheit gesorgt wer- 
den konnte, wurde 1582 ein Collegium medicum errichtet ^5) ^ welches 
zugleich als Lehranstalt wirkte ^^). 

Während Henisch dem Gymnasium vorstand, wurde er auch in 
dieses ärztliche Collegium aufgenommen, verwaltete 4 mal das Decanat 



von dem Ursprung, Einrichtung und Schicksalen desGymnasii zu St. Anna und dem 
Leben der darinnen ehemahls lehrenden Professoren und Rectorum, Augsburg. 1740. 
8. — Eugen von Seid a und Landensberg. Historisch-statistische Beschreibung aller 
Kirchen „Schul-, Erziehungs- und Wohlthätigkeits-Anstalten in Augsburg. 2 Bände. 
Ohne Jahrszahl [1826]. Augsburg, 8. 

13) Paul von Stetten (Geschichte der Stadt Augspurg. Frankfurt. 1743. 
4. Th. 1. S. 643) bemerkt: „Es begaben sich die hiesige ächte Augsburgische 
Medici, sonderlich auf Antrieb D. Lucae Stenglings, eines erfahrnen and gelehrten 
Mannes, um sich besser von denen Quaksalbern und andern Betrügern , so sich der 
Artzney-Kunst berühmet, zu unterscheiden, mit Genehmigung des Rahts zusammen 
in ein Collegium, machten auch eine besondere Ordnung und Statuta'^ 

Derselbe (Th. 2. S. 559) fuhrt an, dass im Jahre 1649 auch „die auswär- 
tigen diesem CoUegio einverleibten Aerzte'' aufgeführt werden. 

14) Lucas Schroeck (Hygea Augustana seu Memoria secularis CoUegii Me- 
dici Augustani. Aug. Vindel. 1682. 4. p. 107) hebt hervor: Per elapsi hujus se- 
culi decursum praeter 64 Augustanos 45 aliunde advenientes Doctores nomen suum 
Albo nostro inscripserunt. 

Phys. Glosse. XIX. B 



10 F. K. H. MARX, 

und begann zuerst, vor Allen, im Jahre 1609 die Vorkommnisse und 
merkwürdigen Ereignisse desselben aufzuzeichnen ^5). 



Bedenkt man, dass Henisch, seiner Ausbildung wegen, wie es 
scheint, hauptsächlich in Basel sich aufgehalten, wo eine gewaltige wissen- 
schaftliche und religiöse Bewegung Statt fand, und einem Rufe nach 
Augsburg folgte, wo der Eifer für die Reformation nicht schwächer war, 
und zwar an eine Schule, welche als Gegengewicht gegen die Bestre- 
bungen der Jesuiten dienen sollte, so darf wohl mit einiger Gewissheit 
geschlossen werden, dass er selbst der neuen Lehre angehörte. 

Uebrigens findet sich darüber nirgends ein deutlich ausgesprochenes 
Wort, und ein Zweifel könnte sogar dadurch entstehen, dass er eine 
seiner Druckschriften einem Abte, als seinem gnädigsten Herrn, wid- 
mete ^^), und zur Lebensbeschreibung des Erzbischofs Ivo von Jo. Fronto 
Anmerkungen verfasste ^^). 

Allein es ist nicht zu übersehen, dass dieser Erzbischof zu Char- 
tres, weswegen Carnotensis genannt [f 1115], nicht nur so äusserst fromm 
war, dass ihn der Pabst Pius V. heilig sprach, sondern dass er als einer 
der kenntnissvollsten Männer ^^) seiner Zeit, als ein Wunder der Gelehr- 
samkeit, glänzte. 

Wahrscheinlich ist, dasd Henisch, als ächter Humanist, von 
dem Streite der Partheien sich ferne hielt und, in die' ruhige Schönheit 
der alten Klassiker versunken, ausschliesslich seinen Berufs -Pflichten 
lebte. 



15) L. Schroeck (a. a. 0. p. 108) erwähnt lobend: Actorum mediconim, 
cuneta Ordinem nostrum concementia fideliter eisdem inserendo, fecerat initiam, la- 
bere non minus necessario et proficuo, quam maxime laudando. 

16) In seiner Ausgabe der Poemata Hesiodi: Hulderico a Bathnau, Abbati 
Murbacensi et Luthrensi domino suo clementissimo, mit der Unterschrift: T. Reve- 
rendae Amplitudinis studiosiss. Georgijas Henisch. 

17) Vita S. Ivonis, Carnotensis Episcopi, cum notis Godfridi Henischii. 
In Jo. Frontonis Epistolae et Dissertationes Ecclesiasticae. Hamburg!. 1720. 8. p. 
490—510. 

18) Seine Schriften gab J. B. Souchet 1647 zu Paris in folio heraus. 



u 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 11 

Zur Sicherstellung seines kirchlichen Bekenntnisses dürfte nicht un- 
berücksichtigt bleiben , dass er in seinem Hauptwerke über die deutsche 
Sprache sich vorzüglich an die Bibelübersetzung von Luther hielt ^^). 



Da keine genauen biographischen Mittheilungen über Henisch auf- 
zufinden sind, so können, wie über seinen religiösen Standpunkt, so über 
manches Andere seiner Denk- und Handlungsart, nur Vermuthungen 
geäussert werden. 

Seine Gesinnungen und Ansichten muss man grösstentheils aus den 
Dedicationen seiner Schriften entnehmen. 

Die obwaltende Dunkelheit über seine Abstammung und Jugendzeit, 
sowie über sein Kommen nach Augsburg, berührte schon Crophius^^j 
mit den Worten: »Von seinen Eltern, Geschlechte, Erziehung und Stu- 
dien ist nichts bekannt, und eben so wenig weiss ich anzuzeigen, wie 
er nach Augsburg gekommen, und daselbst Dienste anzunehmen Ur- 
sache gefunden habe«. 

In ähnlicher Weise klagt auch Jacob Brucker ^^a): »So gründlich 
gelehrt dieser Arzt gewesen, so viel Verdienste er sich auf mancherley 
Weise um die Gelehrsamkeit erworben, und so berühmt er dadurch sei- 
nen Namen gemachet hat, so sehr ist doch seine gelehrte Geschichte 
vergessen worden«. 

Bevor Henisch in Basel sich aufhielt, scheint er, nach einer An- 
gabe in der Vorrede seines Enchiridion, welches zuerst in Paris erschien, 
in dieser Stadt gewesen zu seyn; allein nirgends weiter ist eine Andeu- 
tung darüber zu entdecken. 

Wie in unsern, so schreibseligen Tagen, mancher Treffliche und 

19) Sehr richtig heisst es in den Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen des 
Jahrs 1733. Th. 1. Leipzig. 8. S. 366: „Er suchte den wahren Sinn und Ge- 
brauch eines jedweden Wortes aus der deutschen Bibel Luther's zu bestimmen^^ 

20) a. a. 0. S. 169. 

21a) M. 8. dessen Ehrentempel der deutschen Gelehrsamkeit. Augsburg. 1747. 
4, wo auch das Bildniss von G. Henisch sich findet, ein Schwarzkunstblatt von 
Johann Jacob Haid. 

B2 



12 F. K. H. MARX, 

Hochverdiente aus dem Leben scheidet, ohne dass dem Andenken ein 
literarisches Denkmal gesetzt wird, so unterblieb es auch ehemals; die 
Leichenpredigt wurde, zumal in einer politisch unruhigen, von äusserer 
Noth bedrängten, Zeit, für hinreichend erachtet. Es fehlte die Behag- 
lichkeit des Daseyns, um sich viel mit der Erkundigung nach fremden 
Lebensumständen abgeben zu können, und die durch Fanatismus aufge- 
regten Leidenschaften gestatteten keine besonnene Schilderung. 

Uebrigens kömmt es bei einem Schriftsteller weniger darauf an zu 
erfahren, wie er seine Bildung erlangte, als wie er sie verwerthete. Ha- 
ben Mitlebende und Spätere von seinen Verdiensten gesprochen, sind 
diese selbst, gegenwärtig noch, den gelieferten Arbeiten nicht abzuläugnen, 
so gestaltet sich für den Beurtheiler ein hinreichendes Bild zum Ver- 
ständnisse der Persönlichkeit. 



In welchem Umfange und mit welchen Resultaten Henisch die 
Medicin praktisch ausgeübt, schriftstellerisch darüber, noch weiter als in 
seinem Handbuche ^^b), sich geäussert und durch persönlichen Unterricht 
gewirkt habe, kann mit Bestimmtheit nicht ermittelt werden. 

Ausgesagt wird über ^^) ihn, dass er »neben Treibung der 
Artzeney-Kunst« dem Gymnasium als Professor vorgestanden. 

Er selbst nennt sich Arzt ^^) , bezeichnet sich auch als Doctor der 
Medicin ^^). 

Seine Praxis kann nicht gering gewesen seyn, weil sie angeblich ^^) 
den Schuldienst beeinträchtigte. 



21b) Enchiridion Medicinae, Medicamentorum tani simplicium, quam composito- 
rum, in certos titulos distinctam sylvam continens, quoruoi in Pharmacopoliis et me- 
dicinis praecipuus est usus. Basileae. 1573. 8. 

22) Statten a. a. 0. I. S. 826. 

23) So auf dem Titel seiner Ausgabe des Aretaeus: Medicus Augustanus. 

24) Am Ende der Widmung seines Thesaurus an die Stände unterschreibt er 
sich: Artis Medicae D. 

25) Crophius (a. a. 0. S. 43) bemerkt: „Er trat in das CoUegium Medi- 
cum, und practicirte, was aber hernach der Schule manchmal hinderlich wor- 
den ist". 



i 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 13 

Es wird sogar angemerkt ^^) , dass er »stark practicirte« , und 
Kranke bis zu seinem Tode behandelte ^7). Er habe durch seine glück- 
liche Praxis sich einen grossen Beifall und Vertrauen bei der Bürger- 
schaft erworben ^^). 

Dass er, wie in der lauten Beschäftigung als Lehrer, so in der 
stummen ^9), der Heilkunst, in hohem Grade sich ausgezeichnet habe, 
das wird sogar preisend hervorgehoben ^o). 



Bas Handbuch der Medicin, welches Henisch anonym 5^) heraus- 
gab, und das zu Basel 32) gedruckt wurde, ist eine Art Noth- und Hülfs- 
buch. um das zu lehren, wann und wie Arzeneimittel zu gebrauchen 53) 
sind. Ein solches könne, seiner Ansicht nach, nicht kurz 34) genug seyn. 



26) Crophius (a. a. 0. S. 171). 

27) Crophius (a. a. 0. S. 170) führt an: „Er practicirte bis ans Ende". 

28) J. B rucker, Ehren-Tempel S. 179. 

29) Medica ars per me dicatur muta, quae saluberrima dona sua non tarn 
lingua, quam ipso opere distribuit (Lucas Schroeck a. a* 0. p. 99). 

30) So äussert sich L. Schroeck (a.a.O. p. 108): Georgius Henischius, 
Don UDO nomine celebrandus, quem et felicior in medendo solertia et fructuosae 
studiosae juventutis in Annaeano Gymnasio, Matheseos fundamenta publice docendo, 
informatio et utilissima variorum, librorum, tum medicam artem, tum aliarum 
liberalium artium notitiam concernentium , in lucem emissio omnibus bonis aetate 
illa viventibus adprime commendaverat , atque apud posteros etiam nunquam 
morituram famam conciliaverat. 

31) Nicht auf dem' Titel, sondern im Anfange der Dedication an einen Baron 
in Krain nennt er sich Georgius Henischius Bartphanus. 

32) Aus der Vorrede p. 6 geht hervor, dass diese Ausgabe von 1573 der Ab- 
druck ist einer zu Paris erschienenen: Typographo autor fui ut hanc sylvam denuo 
excuteret, cum ejus Lutetiae antea collectae et impressae exemplaria in his locis 
desiderentur. 

33) Ebend. p. 7: habere semper in promptu variorum medicamentorum indi- 
cationibus medicis servientium paratam sylvulam. 

34) Ebend.: Quo minus est, eo animos studiosorum ad ediscendum cvolven- 
dumque magis alliciat et provocet. 



14 F. K. H. MARX, 

Da dasselbe eine grosse Seltenheit ^sj geworden , so scheint es ge- 
boten, den Hauptinhalt anzugeben. 

Die Medicin sey himmlischen Ursprungs; Apollo habe sie für seine 
Erfindung erklärt und der Heiland ^^j sie ausgeübt. 

Ihre Aufgabe bestehe nicht blos darin, für die Wiederherstellung 
der Kranken zu sorgen und die Gesundheit zu erhalten, sondern auch 
die üngestörtheit des Qemüthes und Geistes zu behaupten ^7). 

Gemäss der Sitte des 16ten Jahrhunderts wird eine solche Unzahl 
von Arzneimitteln zusammengestellt, dass eine Auswahl zur Noth wendig- 
keit wird. 

Fast ausschliesslich werden vegetabilische genannt, nur wenige ani- 
malische, und von mineralischen blos Vitriol und Blei. 

Es wird im Einzelnen der Unterschied hervorgehoben zwischen 
milden, massig und stark wirkenden. 

Bei vielen finden sich die Dosen bestimmt. 

Die den Geruch und Geschmack verbessernden Zusätze sind nicht 
übersehen 38j. 

Als Formen der Bereitung kommen genaue Beschreibungen vor 
von der des Juleps, des Zuckerwerkes, der Pillen und Bissen, der In- 
fusion und Abkochung 39). 



35) Auf der hiesigen Universitäts-Bibliothek befindet es sich nicht, auch nicht 
auf der zu Basel, wo es gedruckt wurde. Das Exemplar, welches ich benutzen 
konnte, verdanke ich der gütigen und bereitwilligen Verwaltung der Hofbibliothek 
zu Darmstadt. 

36) Servator noster nihil magis egit, nihil frequentius, quam quod medicinam 
exerceret, cujusdam vulneribus oleum et vinum infundendo, sputo terrae commixto 
Visum restituendo, febricitantes, paralyticos et lepra afi'ectos liberando, aliosque om- 
nis generis morbos curando (Vorrede p. 4). 

37) Necessario animos mentesque hominum curare solet (Ebend.). 

38) So werden z. B. Gewürze als Corrigentien für Aloe angerathen (die Pillen 
heisse man dann pilulae Alefanginae) p. 17; für Rhabarber-Zimmt, für Agaricus 
Ingwer. 

39) p. 41 : Apozema. 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 15 

Unter den die Galle auflösenden '^) Mitteln werden die Wurzeln 
der Quecken und Cichorien angeführt. 

Gegen die schwarze Galle solle man Tamarinden und Citronen- 
syrup gebrauchen, gegen die Verdickung derselben Sauerhonig. 

Den Lungenauswurf befördernde Mittel seyen Eibisch und Fenchel. 

Der Veilchensyrup und der vom Frauenhaar beruhigten Lunge und 
Luftröhre. Gereinigter Zucker mit Stärkemehl bestreut *i), wäre ein an- 
gemessenes Leckmittel. Um Schleim aufzulösen , eigne sich besonders 
Süssholz. 

Als Niesemittel ^2) dienten die Veilchenwurzel, Majoran, Pfeffer, Senf 
und beide Arten Niesewurzel. 

Von Harntreibenden Substanzen ^^) werden Spargeln, Petersilie, ge- 
kochte bittere Mandeln empfohlen. 

Die Menstruation werde befördert durch Feigen mit Mandelöl an- 
gebrüht ^^) , durch die Artemisia , Sabina , den Safran , auch durch Can- 
thariden ^). 

Für Blutreinigende Mittel, welche auch gegen die Lustseuche sich 
bewährten ^^), dürfe man Guajakholz und die Rinde der Wachholderstaude 
halten. 

Die Kräfte würden gehoben ^'^ durch die Wurzeln des Kalmus, 
des Enzians, der Tormentille , durch Campher, Minze, Gewürznelken *8) 
mit Moschus, Hopfen, Siegelerde, Vitriol, Blei ^^), 



40) Praeparantia Humores, quae Digestiva vocant. 

41) Penidium. 

42) Per Nares Purgantia errhinis et caput purgiis destinata (p. 31). 

43) ürinam Proritantia, quae arenulas et lapides rumpunt (p. 27). 

44) Certissimum est ezperimentum p. 26. 

45) Rare, quia vesicam exulcerant p. 26. 

46) Sangoinem a putridis, salsis, serosis et adustis hamoribns mundificantia, 
quae et prosunt morbo Gallico p. 22. 

47) Confortantia morbis frigidis destinata, quae intus et foris adhibentnr p. 34. 

48) Diauthos (p. 37). 

49) Plumbum extrinsecus adhibetur (p. 38). 



16 F. K. H. MARX, 

Bilsenkraut eigne sich zur Herabstimmung, und Opium, um Schlaf 
zu veranlassen ^^). 

Das Vermögen , Wasser auszuleeren ^^) , besässen die Meerzwiebel, 
die Wurzeln der Zeitlose ^^), der Saft aus der Wurzel der Zaunrübe und 
der Springgurke. 

Starke Schleim ausleerende Mittel seyen die Coloquinte ^^), das 
Elaterium und der Lärchenschwamm ^4). 

Beim Purgiren müsse man dreierlei ^^) berücksichtigen: das Geeig- 
nete vorzunehmen, ehe man das Mittel gebrauche; das richtige Mittel zu 
treffen, und die Zufälle, welche darnach eintreten könnten, zu beseitigen. 

Zur Ausscheidung der Galle solle man nehmen die Cassia Fistula, 
Myrobalani, Manna, Sennesblätter, Rhabarber, Aloe, präparirtes Scam- 
monium. 

Das Hervorrufen des Erbrechens ^^) sey oft erforderlich , aber es 
müsse mit grosser Vorsicht ^7) geschehen. 

Man könne es zu Stande bringen durch laues Gersten wasser , Oel 
mit warmem Wasser, die Rinde des HoUunderbaums, Meerzwiebel, Sauer- 
honig, Brechnuss, Niesewurzel ^8). 

Arzneistoffe, welche das Blut an eine bestimmte Stelle zu locken 



50) Quando valde refrigerandum est et Somnus conciliandus (p. 8). 

51) Aquani citrinam purgantia, quae hydropicis conveniunt. 

52) Hermodactyli p. 21. 

53) Trochisci Alhandal p. 19. 

54) Agaricus recens trochiscatus. 

55) In purgando tria consideranda sunt, per quae medicameDta humores sint 
ad expulsionem praeparandi ante cathartici sumtionem; deinde per quae praeparatos 
expellemus; denique quibus remediis corrigemus symptomata, quae post pharmaci 
sumtionem eveniunt (p. 41). 

56) Vomitio est excretio per superiora, facta contentione ventriculi (p. 45). 

57) Habenda ratio conformationis corporis, quia inutilis est vomitio iis, qui 
presse et angusto sunt pectore aut cervice gracili et oblonga, ut et iis qui sunt 
asthmatici, aut qui proni et proclives ad tabem. 

58) üterque helleborus. Sed hodie veremur uti helleboro (p. 24). 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 17 

vermögen, gäbe es nicht; dasselbe sey überall nothwendig, um Wärme 
nnd Leben zu erhalten ^^). 

Wenn die äusseren Hämorrhoidalknoten durch leichte Mittel nicht 
zu entfernen wären , müsse zum Messer und zum Feuer gegriffen ^O) 
werden. 



Nachdem Henisch zu seinen übrigen Amtsgeschäften auch die 
Stadtbibliothek unter seine Aufsicht erhalten und in ihr den griechischen 
Text des Aretaeus, wenn gleich nicht unversehrt, entdeckt hatte, war 
sein Entschluss gefasst, durch Mitbenutzung fremder Codices denselben, 
so vollständig wie möglich, und mit Bemerkungen von ihm begleitet, zu 
veröffentlichen. 

Wer durchdrungen ist von der Bedeutung dieses Arztes für die er- 
theilten Aufschlüsse über Erkennung, Unterscheidung und Behandlung 
der musterhaft geschilderten hitzigen und chronischen Krankheiten , der 
versteht das Verdienst zu würdigen, welches sich der Herausgeber da- 
durch erwarb , dass er , unter den Deutschen ^^) zuerst, den griechischen 
Text mit einem Commentar sehr schön drucken ^^) liess. 

Das Unternehmen war schon dadurch kein leichtes, weil das Ma- 



59) Nailum est medicamentum baemagogum , quod delectu quodam sanguinem 
ad 86 pellectet, quia sanguis tbesaurus est naturae, et quo vita continetur et calor 
(p. 45). 

60) Ferro igne utendum est (p. 27). 

61) Der sprachgelehrte Arzt Jacob Goupyl (Gopil, Goupylus, Joupylus) [f 
1560] hatte zu Paris, nach dort befindlichen Handschriften, den griechischen Text 
1554 in Oetav drucken lassen. 

62) AqetaMV Kccrmadoxog latQ^xa. Aetiologica, Semeiotica et Therapeutica 
morborum acutorum et diutumorum Aretaei Gappadocis. Graece etLatine conjunc- 
tim editaTribus mss. codicibus Yeneto, Bavarico, Augustano collatis. Cum commen- 
tario, quo obscura doctrina de nominibus et parte affecta morborum singulorum cum 
suis signis perspicua methodo illustratur. Autore Georgio Henischio B. Me- 
dico Augustano. Aug. Vindel. 1603. fol. 

(Die Edition von 1627 ist ein blosser Abdruck mit geändertem Titel). 
Phys. Glosse. XIX. C 



18 K. F. H. MARX, 

nuscript, welches auf der Bibliothek zu Augsburg sich befand, lücken- 
haft ^5) war und er sich nach anderweitiger Aushülfe umsehen musste. 



Anstatt nun, dass die Nachfolger in der Bearbeitung des Autors, 
denen, zur Feststellung der Correctheit des Textes und zur deutlicheren 
Erklärung, die fortgeschrittene Wissenschaft, sowie neu erschlossene um- 
fassende Hülfsmittel zu Gebote standen, die ursprüngliche aufgewandte 
Mühe und den geoffenbarten guten Willen dankend hätten anerkennen 
sollen, überboten sie sich im Tadel und in der Ueberhäufung von Vor- 
würfen so sehr, dass es wie ein Wettstreit erscheint, es immer besser 
verstehen und den ersten deutschen Herausgeber in Schatten stellen zu 
wollen. 

Pet. Petit [t 1687] nennt die Uebersetzung höchst unpassend ^^). 

Johann Wigan wirft dem Herausgeber Sorglosigkeit und Unge- 
schicklichkeit vor ö5). 



63) Im Gatalogus Graecorum Godicum qui sunt in Bibliotheca Reip. Augus- 
tanae Vindelicae, Quadruple quam autea auctior. Aug. Vindel. 1595 steht pag. 54: 
Aretaei Gappadocis, de acutis et diuturuis morbis, horumque curatione, capita 
quaedam. Gharta fo. 

In dem äusserst seltenen 1600 in schmal folio erschienenen Bibliothecae in- 
clytae Reip. Augustanae utriusque tum Graecae tum Latinae Librorum et impresso- 
rum et manu exaratorum Gatalogus. Aug. Vindel. heisst es auf der nicht paginirten 
26ten Seite: Aretaei Gappadocis de morbis dignoscendis et curandis libris. Lib. M. 
S. Graece, principio mutilus. 

Ebenso findet sich die Angabe im Gatalogus Bibliothecae amplissimae Reipu- 
blicae Augustanae. Studio et Opera Eliae Ehingen. Aug. Vind. 1633. fol. p. 386. 
LXX: Aretaeus Gappadox de morbis dignoscendis. Msc. Graece, principio mu- 
tilus. 

64) Heni^^chii ahsurdissiraa et ineptissima versio : PetriPetiti in tres priores 
Aretaei Libros Gommentarii, nunc primum editi. Londini. 1726. 4. p. 33. 38. 
49. 86. 

G5) So sagt er (Praef. p. IV): In obeundo suo munere ita segessit, ut summae 
possit, vel incuriae, vel inscitiae, vel utriusque, merito accusari. und p. V: Lati- 
nam quidem Versionem [Junii Pauli Grassi] sine minima emendatione reliqait: Are- 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 19 

H. Boerhaave äussert sich in seiner Ausgabe ^) nicht nachthei- 
lig, sondern erklärt nur in der Vorrede, dass die 50 Verbesserungen, 
welche zu der Edition von Henisch, Jos. Scaliger beigeschrieben, be- 
nutzt worden seyen. 

Desto mehr aber ereifert sich C. G. Kühn ^7) in wegwerfender Zu- 
rechtweisung, auf eine ungerechtfertigte, unerlaubte Weise ^8). 

F. Z. Ermerins stimmt zwar im Ganzen dem geringschätzenden 
Urtheile von Wigan bei, doch berücksichtigt er die Lesarten, welche 
Henisch aus dem Augsburger Codex beifügte ^^). 

Von Dem jedoch, was Kühn für diesen Autor meinte geleistet zu 
haben, ist er, als ungehörig zur Sache, sehr unbefriedigt ^O). 

Von Geschichtschreibern macht Dan. le Clerc [f 1728] dem Her- 
ausgeber den Vorwurf, dass er den Autor nicht nach den Grundsätzen 
der pneumatischen Schule, sondern nach denen des Galen, beurtKbilt 
und ihm auch fremdartige Ansichten zugemuthet habe 7^). 

taei de Gausis et Signis acutonim et diumorum morborum libri quatnor. Cum Mss. 
daobus, Harleyano et Vaticano, contolit: novamque Yersionem dedit Johannes. 
Wigan. Aedis Christi Alumnus. Oxoniae. 1723. fol. 

66) Lugd. Bat. 1635. fol. 

67) Aretaei Cappadocis Opera omnia. Lipsiae. 1828. 8. 

68) In der Einleitung p. XX: Inscium hominem et incurium se gessit. . . Ne 
uno emendavit fere loco . . Commentarii, quos adtezuit, auctorem non illustrant, 
sed res continent, ab Aretaei ingenio alienissimas , quae nonnisi ex stolido capite 
profectae existimari possunt. Einzig der äusseren Ausstattung [übrigens schon von 
Wigan Praef . p. IV hervorgehoben] lässt er Gerechtigkeit wiederfahren : Typi solum lau- 
dem merentur. Hi majusculi sunt, oculisque legeutis grati. Quae ex aliis in tex- 
tum recepta leguntur, minore typo distincta sunt. 

69) Aretaei Cappadocis quae supersunt. Recensuit et illustravit F. Z. Erme- 
rinus. Traj. ad Rhenum. 1847. 4. Aus der Praefatio: Henischianam editionem 
acriter sane reprehendit Wiganus; non tamen immerito. Ego nunc id unum dicam, 
non eam habere, quo se commendet, quum ad Aretaei intelligentiam vix prosit, nisi 
forte excipias unam alteramque lectionem codicis Augustani in margine adjectam. 

70) Ebend.: A. Kühnio ipso hie nihil accepimus; nam quae accedunt, omnia ali- 
ena'^sunt. 

71) Histoire de la Medecine. Amsterdam. 1723. 4. p. 508: II semble n'avoir 

C2 



20 K. F. H. MARX, 

Von Literarhistorikern feilt L. Choulant^) folgendes Urtheil: 
»Der Text ist verschlechtert, die Uebersetzung die des Crassus, der Com- 
mentar bezieht sich kaum auf Aretaus, und ist auch an sich wenig 
brauchbar«. 

Auf eine nachsichtsvolle Beurtheilung des gelieferten griechischen 
Textes mit lateinischer Uebersetzung und Commentar hätte man deswe- 
gen schon hoffen sollen, weil der Bearbeiter, ohne irgend eine Aeus- 
serung von Anspruchnahme eines Verdienstes, sich nur als Arzt und 
Mathematiker, nicht als Alterthumsforscher oder Philologen bezeichnete. 
Die Thatsache, dass es nicht geschah, muss mit Bedauern erfQllen. 

In der Ordnung und nothwendig ist es, Mängel nachzuweisen, Ver- 
besserungen vorzunehmen; aber dieses in unwürdigen Ausdrücken zu 
thun, kann nicht gerechtfertigt werden. 

Auch müsste sich der Kritiker die Mühe geben, den Mann, über 
den er als Richter zu sprechen sich unterfangt, nicht ulos nach Einer 
seiner Arbeiten, sondern im Zusammenhange mit seinen übrig n kennen 
zu lernen, eine Vorstellung von dessen Gesammtthätigkeit zu gewinnen, 
um eine zuverlässige Schätzung des Geleisteten zu erwerben, billige An- 
erkennung zu erlangen und zu einem gerechten Spruche befehigt zu 
werden. 



Dass Henisch unter den mannigfachen vorhandenen griechischen 
Manuscripten gerade den Are t aus auswählte, ist characteristisch für 
ihn als Arzt, und beweist, dass er das Beeile liebte. 

Die Theoreme des Cappadociers sind dünne gesäet; er ist fast so 
einfach wie Hippokrates; als sein einziger Zweck leuchtet die sicher 
leitende, heilsame Belehrung für das Handeln am Krankenbette hervor. 



fait 068 Gommentaires que ponr faire dire ä Aretee des choses anxquelles celoi-ci 
s'a jamais pensS. An lieu d'expliqaer les endroits difficiles de son Auteur, il a tä- 
che de suppiger ce qoi manquoit an texte, pour achever de traiter chaque matiere, 
non pas an sens d'Aretöe, mais ä celui de Galien, ou an sien propre. 

72) Handbuch der Bücherkunde für die ältere Medicin. Zweite Auflage. Leip- 
zig. 1841. 8. S. 85. 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 21 

Es muss durchaus als ein Verdienst bezeichnet werden, dass der 
Herausgeber, in der Periode der wieder erwachten klassischen Literatur, 
dieses Muster der Darstellung von Krankheitsbildern und der Behand- 
lungsmethode seinen Landsleuten, den Aerzten, in der Ursprache zu- 
gänglich machte. 

Wie übrigens Henisch den Werth eines ausgewählten Studiums 
erkannte, so auch den eines angemessenen Lebens. Er erklärt nemlich 
die Nothwendigkeit einer behaglichen Existenz mit dem Bemerken, dass 
derjenige, welcher elendiglich lebe, lebendig täglich sterbe 73j, 



Die weit grössere Thätigkeit unseres Augsburgschen Gelehrten war 
seine nicht ärztliche, und ist es für den Freund der Culturgeschichte 
interessant, auch daraus zu erfahren, mit welchen Hülfsmitteln und auf 
welche Weise man damals den Bedürfnissen geistiger Ausbildung der 
heranwachsenden Jugend, und der nach wissenschaftlicher Einsicht Stre- 
benden, am Ende des 16ten und im Anfange des 17ten Jahrhunderts zu 
genügen suchte. 

Jene Periode ist in ihren einzelnen Beziehungen noch keineswegs 
so erforscht, wie sie es verdient, und liegt die Schuld der noch obschwe- 
benden ungenügenden Kenntniss mit darin, dass die zu jener Zeit er- 
schienenen Bücher jetzt äusserst selten zu erhalten, bei der Verwöhnung 
durch die neueren, weit reichhaltigeren, schön und deutlich gedruckten, 
nicht ohne scientifische Selbstverläugnung und einer Anstrengung der 
Augen zu benutzen sind. 



Gilt die Mathematik als Wissenschaft von der Bestimmung der 
Grössen, so darf Henisch unter ihren Anhängern und Pflegern gezählt 
werden, indem er die reine wie angewandte cultivirte ^% und sich ebenso 
mit Berechnung der Münzen wie der Weltkörper beschäftigte. 

73) In der Dedication seiner Ausgabe des Aretaeas: Non homini satis est vi- 
vere, nisi et commode vivat: cum qui misere vivit, hie non vivat, sed vivus moriatur 
quotidle. 

74) Er schrieb: De numeratione mnltiplici vetere et recenti. Aug. Vind. 1605. 8. 



22 K. F. H. MARX, 

Auf mehreren Titeln seiner Bücher nennt er sich Arzt 75j und Ma- 
thematiker, oder allein ^^) Mathematiker. 

Die Methode der Zahl, sagt er, sey der erste und vorzüglichste Theil 
der menschlichen Weisheit 77). 

Die Arithmetik nähme unter den mathematischen Künsten die oberste 
Stelle ein 78). 

Er ertheilt den Rath: den Erfolg der Tugend und die Uebel des 
Vergnügens zu zählen, um demgemäss alle Fehler zu vermeiden 79). 

Zur Wiedererlangung der Einsicht, welche durch den Fall der er- 
sten Menschen verloren gegangen, könne nur das Studium dieser edlen 
Künste verhelfen ^^). 

Darum wäre auch, wie er versichert, sein angelegentliches Bemühen 
darauf gerichtet gewesen, diese Kenntniss auszubreiten und zu erleich- 
tern 81). 



Darüber bemerkt J. C. Heilbronner Historia Matbeseos UDiversae. Lipsiae. 
1742. 4. p.800: Methodum adhibuit novam, qua doctriDam banc per propositiones 
exposuit. 

De Asse et partibus ejus opusculum. Ebend. 1606. 8. 

Arithmetica perfecta et deroonstrata. Ebend. 1609. 4. 

Hinsichtlich der eben genannten beiden Schriften äussert Heilbronner a. a. 
0. p. 801: Habet in sna Arithmetica id singulare, quod demonstrationes in syllo- 
gismos resolverit. 

Commentarius in Sphaeram Prodi Diadochi. Cui adjunctus estComputus 
EcclesiasticuSy cum Galendario triplici, et prognostico tempestatum ex ortu et occasu 
Stellarum. Ebend. 1609. 4. 

75) So z. B. auf den de numeratione, de Asse. 

76) Auf dem seines Thesaurus Linguae germanicae oder seiner Teutschen Sprach 
und Weissheit: Mathematicus Augustanus. 

77) In der Widmung des Buchs de Asse: sapientiae humanae pars prima et 
praecipua est modus numerationis multiplex. 

78) Ebend.: Artium Mathematum Arithmetica primum locum obtinet. 

79) Ebend.: Numera fructus virtutis et mala voluptatis et omnia yitia vitabis. 

80) Ebend. 

81) Ebend.: Tam liberalem doctrinam non tantum propagare, sed et facilio- 
rem et planiorem reddere magno studio conatus sum. 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 23 

Die Astronomie glänze, unter den übrigen Künsten, gleich dem 
Hesperus unter den Sternen ^). 

Um zu ihrer Verallgemeinerung beizutragen, habe er die Schrift 
von Proclus zu erläutern gesucht ^^). 



Zur Annahme des Gregorianischen Kalenders hat Henisch 
das Seinige treulich beigetragen. 

Nachdem der von Julius Cäsar eingeführte Kalender (der Julia- 
nische) über 1600 Jahre gegolten, wurde er von dem Arzte Aloysius 
Lilius einer sorgfältigen Prüfung unterworfen und verbessert. 

Da die Umänderung der Zustimmung der berühmtesten Mathema- 
tiker sich erfreute, empfahl sie der Pabst Gregor XIII., im Auftrage 
des Tridentiner Conciliums, der Christenheit. 

Auf dem Reichstage von 1582 zu Augsburg erregte diese Angele- 
genheit grosses Aufsehen. 

Die evangelischen Stände weigerten sich auf den Vorschlag einzu- 
gehen. Sie hielten Alles, was vom Römischen Hofe kam, für gefähr- 
lich. Die Danaer, auch wenn sie Geschenke brachten, wurden ge- 
fürchtet. 

Nur in Folge eines beifalligen Gutachtens von Henisch ^) ge- 
schah die Zulassung der Neuerung an einigen Orten. 



82) Aus der Widmnng seines Commentars zum Proclus: Inter caeteras artes 
Astronomia, velut Hesperus inter Stellas, elucet. 

83) Ebend.: Librum quem de Sphaera scripsit, prae caeteris selegi, quem et 
publice jam multos annos in schola praelegerem, et commentariis necessariis illu- 
strarem, tandemque in lucem emitterem : ut et auditorum meorum et aliorum quoque 
exterorum studiis prodessem. 

Dieser berühmte Mathematiker [f 485 nach Chr.] war Nachfolger des Syria- 
nus, weswegen Diadochus genannt. 

M. vrgl.: J. C. Heilbrunner Historia Matheseos, p. 383. 

84) Nach Paul vonStetten (Gesch. von Augspurg Th. 1. S. 659) erkun- 
digte sich Pfalz-Graf Philipp Ludwig, von Neuburg bei dem Bathe zu Augsburg, 
was er in dieser Sache zu thun gesonnen sey, ersuchte ihn auch, den geschickten 



24 K. F. H. MARX, 

Zu welchen Zerwürfnissen in Augsburg die zugelassene Neuerung 
führte, das geht z. B. daraus hervor , dass der anerkannte Arzt und 
Münzkenner Adolph Occo, weil er sich zu jener nicht bequemen wollte, 
seine Stelle als Physicus aufgeben musste 85). 



In der Philosophie beschäftigte sich Henisch mit der des Plato 
und Aristoteles, und hat die darauf Bezug habende Streitschrift des aus 
Constantinopel geburtigen, im 15. Jahrhundert lebenden Mathematikers, 
Gemistus Pletho^^), welcher zu Florenz sich aufhielt, aus dem Grie- 
chischen in das Lateinische übersetzt und anonym herausgegeben. 

Wie Henisch die Uebung, seiner Gegner durch versteckte Fehl- 



Mathematicum Dr. Georg Henisch hierüber zu vernehmen und ihm dessen Mei- 
nung zu entdecken. „Als nun dieser hierüber befraget worden und in seinem auf- 
gesetzten Bedenken gezeiget, dass diese Veränderung nicht ungereimt sey, über- 
schickte der Rath dem Pfalz-Grafen sein Gutachten^'. 

C. J. Wagenseil (Gesch. der Stadt Augsburg. Bd. 2. Augsb. 1820. 8. S. 
223) bemerkt über diese Angelegenheit Folgendes: „Der Magistrat zu Augsburg, 
dem sein geschickter Mathematiker Dr.Georg Henisch wegen des neuen 
Kalenders ein vortheilhaftes Gutachten gestellt hatte, war ganz geneigt, ihn einzu- 
führen, aber es widersetzte sich die evangelische Geistlichkeit^^ „Der Rath erklärte, 
dass zwar die Evangelischen ihre Fest- und Feyertage nach dem alten Kalender be- 
gehen könnten, rücksichtlich der bürgerhchen und Staatssachen aber müsse der neue 
beobachtet werden''. 

35) „Weil er dem Willen des Magistrats, welcher die Annehmung des neuen 
Kalenders als eine politische Sache ihren Bürgern anbefohlen, sich nicht unterwarf, 
sondern die Sache als eine Kränkung der evangelischen Gewissensfreyheit ansah, 
und also ohne Verletzung seines Gewissens nicht nachgeben zu können vermeinte, 
so wurde er, wie einige andere aus dem Rath und den vornehmsten Aemtem, seines 
Physicats 1584 entlassen*' (B rucker Ehren-Tempel S. 95). 

86) Man sehe Acta Philosophorum , das ist: Gründl. Nachrichten aus der Hi- 
storia Philosophica. Halle. 1719. 8. Stück 10. S. 539: Georgii Gemisti Plethouis 
liber de Platonicae et Aristotelicae di£ferentia. Ex graeca lingua in Latinam versus 
a Georgio Chariandro, id est, Heniscbio. Basil. 1574. 4. 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 25 

Schlüsse zu täuschen ^7)^ die Dialektik, ferner die Theorie der Rede- 
kunst 8^) seiner Bearbeitung unterzog, so besonders die Erdkunde. 

Einer eigenen übersichtlichen Auseinandersetzung der wesentlichen 
Punkte ^^) dieser Lehre fügte er das geographische Compendium von 
Pomponius Mela^o) [aus der Mitte des Iten Jahrh. nach Chr.] mit 
verbesserten Lesarten ^^) bei. 

Die Geographie nennt er ^^) das Auge der Geschichte. 



Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass der tüchtige Schulmann, 
dem die Oberaufsicht Über das Gymnasium übertragen war ^^), bei jeder 
dargebotenen Gelegenheit die genaueste Bekanntschaft mit der Ge- 
schichte offenbart, und als Philologe, was Fleiss, Sorgfalt, Kennt- 
niss der Idiome betrifft, den Besten seiner Zeitgenossen ebenbürtig er- 
scheint. 



87) Institutionum Dialecticarum Libri VII et Repetitionum Libri IL Aug. 
Vindel. 1590. 8. 

Sein Vorgänger im Amte, der treffliche Hieronymus Wolf, hatte in einem 
Gutachten überHenisch erklärt: „er sey im Stande, nicht nur die Mathematische 
Wissenschafiften^ sondern auch die Hebräische und Griechische Sprache zu leht'en, und 
die Dialectische Regeln Geometrisch zu beweisen; auch die Jugend im 
Disputiren geschickt zu üben; und seye von ihm und seiner Geschicklichkeit alles, 
was mau nur wünschet, sich zu versprechen'* (bei Crophius a. a. 0. S. 173). 

88) Praeceptionum Rhetoricarum Libri V et Exercitationum Libri II. Ebend. 
1593. 8. 

89) und 90) Epitome Geographiae veteris et novae; Et Pomponius Mela de 
Situ Orbis: Edita in lucem, cum Indice, omnium locorum tarn veterum quam recen- 
tium secundum seriem literarum nomenclaturam, continente, utili ac necessario: 
Georgii Henischii Medici et Mathematici Augustani studio et labore. Aug. 
Vindel. 1577. 8. 

91) Aus der Dedication : Melae libellum, quam vulgo circumfertur, correctiorem, 
adjunximus. 

92) Ebend. 

93) J. Brücke r sagt in seinem Ehren-Tempel (S. 179): „Seinen Fleiss, Ver- 
stand und Redlichkeit y womit er manchem wichtigen Fehler , dem Hieronymus 
Wolf nicht genug begegnen können, abgeholfen, kann man nicht genug erheben'^ 

Phys. Classe. XX. D 



26 F. K. H. MARX, 

Eine bevorzugte Hingabe widmete er nur solchen Schriftstellern, 
welche durch eigenthümliche Schönheit und praktischen Nutzen sich 
auszeichnen. 

Bei seiner Ueberzeugung, dass, erst nach Wiederaufnahme der grie- 
chischen Sprache ^), die elegante Literatur ihr Auferstehungsfest feierte, 
wirkte er, nach besten Kräften, fflr die Erwerbung griechischer Werke 
und die Einführung der griechischen Sprache in den Unterricht 

Er erkor sich, zur Cultur des Verstandes und Gemüthes, den epi- 
schen Dichter Hesiod und flbersetzte die dazu von Johannes Tze- 
tzes veröffentlichten Scholien aus dem Griechischen in das Latei- 
nische ^^). 

Wie hoch Hesiod (geb. in Askra, am Fusse des Helicon in BOo- 
tien im 9ten Jahrh. vor Chr.) gehalten wurde, das beweisst die Sage, 
dass er in Chalcis mit Homer um den Preis des Gesanges gerungen 
habe. 

Henisch bemerkt^, schon die jflngsten Schüler hätten einzelne 
Verse von ihm, gleich heiligen Sprüchen, auswendig gelernt. 

Die Dichtung »Werke ^7) und Tage«, worin Vorschriften über Er- 
ziehung, Thätigkeit, Rechtlichkeit, kluges Benehmen etc. enthalten sind, 
wurde besonders beherzigt. 

Bald nachdem Henisch ^8) die dazu gelieferten kurzen Erklä- 

94) Er sagt in der Widmung seines Aretaeus an die Raths-Mitglieder, welche 
für Anschaffung griechischer Werke und die Einfahrung des Grielbhischen in die Lahr- 
gegenstände gesorgt hatten: Benata Graeca lingua , renasci aut potins restitni cepit 
omnis literatnra elegantior. 

95) Poemata Hesiodi Ascraei, quae extant, omnia, graece, cum varia interpre- 
tatione Latina. Una cum Doctissimis Joannis Tzetzis Grammatici in omnia Poemata 
ejusdem Scholiis, nuncprimum ex Graeco sermone in Latinum conyersis, et in 
lucem editis, a Georgio Henischio B. Basileae. 1574. 8. 

96) In der Dedication seiner Edition: Tantam fuisse Hesiodi authoritatem , ut 
pueri cunabulis egressi versus ipsius ediscere sint soliti, non aliter quam inEcdesia 
^lementa doctrinae Christianae ex vulgo vocatis catechesibus a rudi et nullis adhuc 
disciplinis imbuta juventute memoriae mandantur. 

97) EQya xa$ Hfuga^, Opera et Dies. 

98) Aus der Dedication zu seinem Hesiodus: Cum nuper in Tzetzis Com- 



Z. ANEBKENNÜNQ D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 27 

rangen des angesehenen Grammatikers aus Konstantinopel (im 12ten 
Jahrh. nach Chr.) kennen lernte, beeilte er sich, sie der allgemeinen Be- 
nutzung zugänglich zu machen. 



Für die Stadtbibliothek war es ein Ereigniss, dass Henisch 
die Aufsicht über sie erhielt, denn er Hess es sich nicht blos angelegen 
seyn, Mehrer des Reichs zu werden, sondern er verfasste ganz wahr- 
scheinlich den ersten, nach den Fächern geordneten, Catalog ^^). 

Ob ihm dazu Vorarbeiten vorschwebten, ist eine Frage, denn der 
von ihm zu Stande gebrachte scheint, wenn nicht der erste, überhaupt 
einer der ersten vollständigen einer öffentlichen Bibliothek gewesen zu 
seyn. 

Unbescholtene Gewährsmänner ^^) bezeugen seine Autorschaft. 



mentaria incidisseniy non potui non ea in usitatiorem Latinum sermonem conver- 
tere . . ne videlicet, jnxta proverbiuio, sibi soli et Musis cecinisse videretur. 

Von diesem Polyhistor wird auch eine Schrift de urinis erwähnt (Haller Bibl. 
pract. T. I. p. 318). 

99) Bibliothecae indytae Reip. Augustanae utriusque tum Graecae tum Latinae 
Librorum et impressorum et manu exaratomm Catalogus. Aug. Vindel. 1600. fo- 
lio. obliq. 

100) M. A. Beiserus Iudex Manuscriptorum Bibliothecae Augustanae. 1675. 
4. bemerkt auf der 2ten Seite der Vorrede: Integer totius Bibliothecae Catalogus 
prodüt, primo quidem anno seculi post decimum sexti ultimo vel terminali, nomine 
Collectoris non adscripto, qui tamen fuisse putatur Oeorgius Henischius, 
Medicus et Professor in Oymnasio Mathematices, scripto non uno celebris. 

Joann. Christoph. Wendler (Diss. de meritis Reipublicae Augustanae in 
rem literariam. Jeuae. 1713. 4. §. XI. p. 46) gibt an: Integrum totius Biblio- 
thecae Catalogum primus edidit Augustae 1600. 

Crophius (a. a. 0. S. 172) bemerkt: „Er verwaltete eine Zeitlang die Auf- 
sicht der gemeinen Stadt-Bibliothek, und ist kein Zweiffei i dass das erste gedruckte 
Verzeichniss des BQoher-Vorraths in derselbigen yon Henischen verfertigt seye'^ 

Die Autorschaft wird auch bezeugt yon 0. W. Zapf in seiner Augsburgischen 
Bibliothek. Bd. 2. Augsburg. 1795. 8. 8. 853. 

D2 



28 F. K. H. MARX, 

Vor allen Arbeiten Henisch's drängt zur Bewunderung das gross- 
artige Unternehmen, welches nur durch seinen Tod unterbrochen wurde, 
nemlich sein reichhaltiges, umfassendes Wörterbuch der deutschen 
Sprache loi). 

Die Vorläufer ^^^) in Bearbeitung dieses Gegenstandes, welche Bahn 
brachen, können mit seinem Werke, worin auf die Eigenthümlichkeiten 
unserer vaterländischen Begriffs- und Ausdrucksweise Rücksicht genom- 
men wurde, die Vergleichung nicht aushalten. 

Es muss hervorgehoben werden , dass der Verfasser überall das 
Wort Deutsch mit einem D schreibt und die Bezeichnungsart auf dem 
Titel: »Teutsche Sprache« als Liebhaberei des Setzers zu nehmen ist. 

Die Vorzüge unserer vaterländischen Mundart kann er nicht genug prei- 
sen ; auf dem ganzen Erdboden käme ihr keine gleich in Reinheit, weitläu- 
figem Gebrauche, männlicher Würde, Kürze und anderen Schönheiten ^^^). 

Entgegen diesen Angaben wird von Job. Vogt (Catalogus historico-criticus 
Librorum rariorum, Francof. 1793. 8. p. 232) David Hoeschel als Verfasser 
genannt. Jedoch in dessen Leben von Jacob Brucker (Ehren-Tempel S. 99) ge- 
schieht davon keine Erwähnung. 

101) Teutsche Sprach und Weissheit. Thesaurus Linguae et Sapientiae ger- 
manicae. In quo vocabula omnia Germanica, tam rara, quam communia, cum suis 
Synonymis, derivatis, phrasibus, compositis, epithetis, proverbiis, antithetis, continen- 
tur, et Laiine ex optimis quibusque- antoribus redduntur, ita, ut hac nova et per- 
lücta methodo quilibet cum ad plenam utriusque linguae cognitionem , tum rerum 
prudentiam facile et cito pervenire possit. Adjectae sunt quoque dictionibus pleris- 
que Anglicae, Bohemicae, Gallicae, Graecae, Hebraicae, Hispanicae, Hungaricae, Ita- 
licae, Polonicae. Pars Prima. Studio GeorgiiHenischii B. Medicinae Doctoris, 
et Mathematici Augustani. Augustae Vindelicorum. M. D. C. XVL fol. 

102) Petrus Dasypodius (Haas, Hase, Häslein?) [f 1559 zu Strasburg] 
Dictionarium Latino-Germanicum et vice versa Germanico-Latinum. Argentorati. 
1535. 8. 

Die Teutsch spraach. Alle Wörter, namen und arten zu reden in Hochteutscher 
spraach, dem ABC nach ordentlich gestellt, unnd mit gutem Latein gantz fleissig 
unnd eigentlich vertolmetscht , dergleichen bisshär nie gesähen, durch Josua M aa- 
ler [Pictorius] burger zu Zürich. Tiguri. 1561. 8. (Conrad Gesner schrieb 
dazu eine lateinische Vorrede von 10 Seiten), 

103) Aus seiner lateinischen, 7 Folioseiten füllenden Zuschrift des Werks an 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 29 

Sie sey so rein i^), wie eine keusche Jungfrau. 

Bei ihrer Kürze werde Weitschweifigkeit vermieden ^o^. 

Es konnte nicht fehlen, dass das Urtheil der Sachverständigen i^) 
über dieses Werk äusserst günstig lautete ; auch wurde beifällig bemerkt, 
dass der Inhalt nicht nur die Sprache, sondern auch die Weisheit der 
Deutschen abhandle. 

Der erschienene erste Theil erstreckt sich bis zum Buchstaben H. 

Der Verfasser hoffte, die Fortsetzung bald nachfolgen zu lassen ^^7). 
allein sie unterblieb, weil er zwei Jahre darauf starb. 

Der Verlust war ein empfindlicher, der auch, wie von Morhoi i^^), 
von Vielen beklagt wurde. 



die Oesterreichischen Landstände ober und unter der Ens (florentissimis Archiduca- 
tus Anstriae supra et infra Anasum Ordinibus ac Statibus): inter dulcissimae nos- 
trae patriae laudes non infimam esse hanc judico, quod linguam habet tum dignitate, 
tum praestantia, quam exceptis Hebraea, Graeca, Latina, nulia gens, nulla natio, 
nuUus populus merito sibi vindicare potest. 

104) Ebend.: Quod hujus lingaae encomium unicum sit neminem non videre 
arbitror. Ezcellit tanta puritate, ut sola virgo illibata dicenda sit. 

105) lEbend.: Lingua nostra omnem moram exciudit, nullam prolixitatem ad- 
mittit. Als seltsamer Beweis dient Heintz statt Henricus. 

106) So beisst es in den Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen des Jahrs 
1733. Leipzig. Th. 1. S. 366: „Der Autor hat niclit allein meistentheils das Eng- 
lische, Böhmische, Franzosische, Holländische, Griechische, Ebräische, Spanische, Un- 
garische, Italiänische und Polnische beigefügt, und sonderlich alle Wörter und Re- 
dens-Arten in bewährtem Latein erklärt und zugleich auf die alten Autores dieser 
Sprachen verwiesen, sondern auch die Kenntniss der Wörter mit der Kenntniss der 
Sachen genau verbunden und bei jedem Stamm-Worte dessen Synonyma , Derivata, 
Epitheta, die gebräuchlichsten Bedens-Arten und Sprüchwörter, wie auch die klugen 
Denk-Sprüche aufs sorgfältigste angemercket*^ 

107) Aus der Dedieation an die Stände: Primam hujus laboris partem nunc in 
lucem edimus: alteram si propitium Numen permiserit, non diu dilaturi. 

108) A. 1616 in lucem prodiit G. Henischii, viri docti, liber Thesaurus; 
utinam totus prodiisset, usui haud contemnendo futurus (Polyhistor literarius philo- 
sophicus et practicus. Lubecae. 1714. 4. ed. 2. L. IV. Gap. 4. §. 8. p. 753). 



30 F. E; H. MARX, 

1618 schied Henisch, 69 Jahre alt, aus dem Leben ^o^), nachdem 
er 42 Jahre lang seine amtliche Stelle bekleidet, und dafftr, wie fElr Ver- 
breitung gelehrter Bildung, nach besten Kräften gewirkt hatte ^^^). 



Wer die voranstehenden Blätter mit Aufmerksamkeit durchgelesen, 
wird sich überzeugen, dass sie keiner Rechtfertigung bedflrfen, um einen 
Mann, der durch Wort und That zur Ausbreitung von Kenntnissen und 
edler Bestrebung beigetragen, vor der Vergessenheit zu bewahren. 

Dass diese zu befürchten steht, beweisen die meisten literarischen 
Nachweisungen, in denen man ihn vergebens sucht. 

Bei einem seiner Bücher, wo die späteren Bearbeiter nicht umhin 
konnten, seinen Namen zu nennen, schien es nothwendig, die ihm ge- 
wordene harte Behandlung zu rügen und vor einer ungerechtfertigten 
üblen Nachrede zu warnen. 

Gleich der Art und Weise von Henisch, lebten und wirkten un^ 



109) Es zeugen davon folgende Qrabschriften: 

a) Qeorg. Henish Med. D. 
Dicendi Artes et Mathem 
In Schola Ang. Docnit. A. XLII 
Fideliter. Felidter 
Vix. An. LXK 
Ob. Prid. Cal. Jun. An. MDCXVm 
Labore et Oratia Dei. 
b) Gehört weil: D. Georgen Henisch, der Artzney Doctor und Mathematioo, 
so allhie begraben liegt: und weil: Fraw Begina Wyrsingin seiner ehe- 
lichen Haossfrawen, beider Seel': und ihren Erben und Nachkommen. 
Danielis Praschii Epitaphia Augustana Vindelica. Pars I. 1624. 4. p. 
180 und p. 297. 

110) Paul von Stetten (Gesch. von Augspurg. Th. 1. S. 826) theilt mit: 
„Den 31. May 1618 starbe zu Augspurg der gelehrte Medicus^ Mathematicus und 
Philologus, D. Georg Henisch aus Hungam gebürtig, welcher neben Treibung der 
Artzney-Eunst dem Gymnasio bei St. Anna 42 Jahr lang als Professor vorgestanden, 
und sonderlich in denen mathematischen Wissenschaften und der Griechischen Sprache 
viele geschickte Schüler erzogen, wie er dann auch einer der ersten gewesen, so die 
Teutsche Sprache in bessere Reinlichkeit zu bringen sich bemühet'^ 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 31 

zählige Männer zum Segen ihrer Zeitgenossen , ohne dass ihr Ruf bis in 
die Gegenwart sich erstreckte. Werden ihre Namen nicht zufällig von 
der Fackel der Geschichte beleuchtet, bleiben sie in Nacht gehflllt. 

Unbekannt und unbekümmert mit den Verdiensten längst Verstor- 
bener schreitet man über die Begräbnissstätte der Edelsten und Besten; 
nur wo ein Monument die Aufmerksamkeit auf sich zieht, wird verweilt. 

Da das Wahre und Schöne, was Jene ausgestreut, in die Lebens* 
demente der Menschheit, als Gemeingut» überging, so nimmt Jeder, wenn 
gleich unbewusst, einen Theil davon in sich auf. Der Dank dafür kann 
nur dadurch gezollt werden, dass Jeder, nach seinen Gaben, sich beei- 
fert, das geistige Erbe zu achten und zu vermehren. 



32 F. K. H. MARX, 

Nachträgliche Bemerkungen. 

Es ist gut, dass die Zeit da war, wo Aerzte durch ihre allgemeine 
und gelehrte Bildung zum Schulamte, zum Unterrichte der alten Spra- 
chen, übergehen konnten, denn sobald wird sie nicht wiederkehren. Die 
Meisten jetzt sind froh den Schulsack für immer weggeworfen zu haben, 
von den Begeln der Grammatik erlöst zu seyn, an lateinische und grie- 
chische Klassiker nicht mehr denken zu müssen. 

Da Doctor Lehrmeister bedeutet , so könnte man glauben , dieser 
sonst die Mediciner bezeichnende Titel wäre deswegen als obligatorisch 
aufgehoben worden, weil sie seiner Wortbedeutung nicht mehr, wie frü- 
her, zu entsprechen vermögen. 



Das Publicum hatte ehemals grosse Achtung vor gelehrten Aerzten, 
nun eine geringe. Da es die neumodischen, eleganten, durch CoUegien- 
hefte und Journalartikel gebildete Praktiker vorzieht, so ist nicht zu ver- 
wundern , dass bei den lebenden Aeskulapiden vielseitiges Studium, der 
Rückblick in die Vergangenheit, Benutzung der griechischen und römi- 
schen Schriftsteller, einen horror vacui verursachen. 



Weil Literärgeschichten für ungelesen und langweilig gelten, Jour- 
nale aber für unentbehrlich und unterhaltend, so wird auf den Ruhm, 
in jenen nicht blos als Beherrscher des gewählten Fachs, sondern auch 
als gründliche Kenner der alten Lehrmeinungen, zu glänzen, gerne ver- 
zichtet, wenn die Tagesblätter an Lobeserhebungen der eigenen Person 
nicht sparsam sich verhalten. 



An der möglichen Auferstehung der Autoren darf man zweifeln, 
nicht an der ihrer Werke. Liegen diese auch noch so lange in der 
Zeit vergraben , sind sie vergessen und verkannt — unerwartet können 
sie ans Licht gezogen, gewürdigt und anerkannt werden. 



Unterscheidet sich der Recensent vom Untersuchungs- Richter da- 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISGH. 33 

durch, dass dieser die vita anteacta, jener, isolirt, blos das vorliegende 
Werk berücksichtigt, so begreift es sich, warum so häufig dort die Will- 
kühr, hier das Recht entscheidet. 



Den Grundkräften und Saamen ist bei ihrem Schaffen kein Ver- 
dienst zuzuschreiben, weil dasselbe nicht aus freier Wahl und Selbstbe- 
stimmung, sondern aus ursprünglicher, innerer Nothwendigkeit hervor- 
geht; aber was der Mensch zuerst durch Nachdenken, Versuche. Mühe 
zu Stande bringt, verdient Dank, und zwar nicht nur für das, was er 
gethan, sondern was er veranlasste. Das Forterzeugen des Natürlichen 
ist einfach, dagegen das des Geistigen mannigfach, ja unberechenbar. 



Um den Werth einer älteren Leistung richtig zu bestimmen , ist 
unerlässlich in did Periode ihres Entstehens mit strenger Vorsicht und 
Pietät sich zu versenken, die mitwirkenden eigen thümlichen Verhältnisse, 
die gebotenen H/ilfsmittel und hemmenden Einflüsse zu ergründen und 
gegen einander abzuwägen. Bei der Prüfung im Einzelnen kann man 
nicht objectiv genug und durchaus fern bleiben vom Maassstabe der 
Gegenwart. 



Der Bergmann kehrt oft, nach langer Zwischenzeit, zu verlassenen 
Stollen zurück, nicht weil er glaubt, es habe sich neues Erz erzeugt, 
sondern weil er vermuthet, das vorhandene sey unberücksichtigt geblie- 
ben. Aehnlich verhält es sich mit Untersuchungen des Historikers. 



Berechtigter als die Märtyrer sollten die verkannten Schriftsteller 
an geweihten Stellen Verehrung finden. 



Ohne Beeinträchtigung der kosmopolitischen Gesinnung, der theil- 
nahm vollen Bewunderung fremder Gedanken und Leistungen , ist der 
deutsche Forscher seiner Nation schuldig, jede Verdunklung oder Igno- 
rirung wahrer Verdienste, jede Antastung des guten Namens und der 
Ehre seiner Landesangehörigen, als begangenes Unrecht überzeugend 
Phys. Classe. XX. E 



34 K. F. H. MARX, 

nachzuweisen. Unterlassung und Schonung in dieser Hinsicht mflssten 
wie Verrath am Vaterlande angesehen werden. 



Ein Gelehrter, der in allen Zeiten sich umsah und mit allen Vor- 
stellungen des höchsten Wesens sich vertraut gemacht hat, muss ent- 
schuldigt werden, wenn sein Eifer in Cultivirung einer bestimmten Re- 
lisrion nicht stark erscheint. 



•ö* 



Treiben die Aerzte humanistische Studien , so wird ihr geistiger 
Blick schärfer, ihr Urtheil freier, ihre Stimmung gehobener; durch die 
Bekanntschaft mit dem Schönsten und Gediegensten wird ihr Sinn fei- 
ner, ihr Selbstgefühl edler; durch Erfassen der erlaubten Ziele erhöht 
und befestigt sich ihr Wollen und Können; auch bleiben sie möglichst 
bewahrt vor Oberflächlichkeit, Unwahrheit und der Neigung, blos ein- 
zelne Kunstfertigkeiten auszubilden. Je mehr sich ihnen die Ueberzeu- 
gung erschliesst, dass sie es mit dem Erkennen und Unterstützen des 
rein Menschlichen zu thun haben, entscheidet bei ihnen gefühlvolle 
Ueberlegung, nicht Verlass auf eingeübte Fertigkeiten. Die Entfernung 
von der hohen Gesammtaufgabe des Faches würde sie dem Techniker 
nähern. 



Dem Auge das Durchstöbern vergilbter Schriften, dem Geschäfts- 
manne das Bekanntwerden mit gleichgültigen Gegenständen zuzumuthen, 
scheint ebenso seltsam wie unnütz. Dass es dennoch geschieht, beweisst, 
dass, trotz der herrschenden Gleichförmigkeit in Sitten und Gebräuche^, 
immer Individuen sich finden, welche, unbekümmert um Lob oder Ta- 
del, einzig dem Compasse freigerungener Einsicht folgend, ihren eigenen 
We^ gehen 



In den älteren Büchern entdeckt man mehr, als in den neueren, 
die unverhüllten, selbstständigen Ansichten der Verfasser. Die früheren 
äusserten sich unabhängiger in ihrer Stellung, unumwundener in ihren 
Meinungen, aufrichtiger in ihren Voraussetzungen. Abgesehen davon, 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 35 

dass die neueren, durch den Einfluss der Presse und der geselligen Ver- 
bindungen, ein viel grösseres Material fertiger, gangbarer Lehrsätze und 
Glaubensartikel in sich aufnehmen, wirkt bei ihnen die Rücksichtsnahme 
auf die Beurtheilung in den öffentlichen Blättern, auf herrschende Schul- 
begriffe , auf Liebe und Hass der Fartheien so sehr , dass sie sich zu 
der Farbe und Sprache eines Stimmführers unbewusst bekennen. So 
zeigen sich denn statt der originellen Naturen Metamorphosen, statt der 
eigenen Gedanken modificirte Ueberlieferungen. Indem zugleich nach 
dem Beifall der Menge gerungen und so auf den äusseren Zuschnitt ein 
grösserer Werth als auf den Inhalt gelegt wird, leidet die Darstellung 
an unbefangener Einfachheit, sowie an ausgesprochener persönlicher 
Ueberzeugung. 



Bei der nur zu gerechten Klage der Einsichtsvollen, dass die jetzige 
Generation der deutschen Aerzte um die Geschichte ihres Faches sich 
nicht kümmere, fast nur den äusseren Zweck, nicht die ideelle Auf- 
gabe desselben, die Verlockung deh Egoismus, nicht das Pflichtgefühl 
der Gemeinschaft im Auge habe , bleibt zu fragen , ob die Schuld des 
Versäumnisses und der Bücksichtslosigkeit an ihnen oder an allgemein 
wirkenden Ursachen liege; ob der gleichgültige» getrübte Blick in die 
Vergangenheit in träger Abgeschlossenheit oder in der Verwirrung und 
Noth der Umstände gesucht werden müsse? 

Erscheinen die veranlassenden Vernachlässigungen und Hindernisse 
als unverdiente, vorübergehende, so wird im neuen Reiche, nach erwach- 
tem nationalem Selbstgefühl, bei der Wahrscheinlichkeit eines dauernden 
Friedens, wenigstens bei der Befestigung der staatlichen Verfassung, so- 
wie nach Wiederherstellung der natürlichen Verhältnisse im Leben und 
in der Wissenschaft, sowohl für die Förderung des historischen Studiums, 
als für das Ansehen der Standeswürde, der Anbruch einer besseren Zeit 
zu verkünden seyn. 

Nur bei arger Bedrängniss konnte das kostbare, durch die Gunst 
des Schicksals bewahrte Eigenthum von Jahrtausenden, der Schatz des 
Geschehenen und Gedachten , gering geachtet und so leichtsinnig Preis 

E2 



36 K. F. H. MARX, 

gegeben werden, dass man denken konnte, die Epigonen seyen des Er- 
bes unwürdig geworden. 

Kaum hatte die Cholera aufgehört zu drohen, als sich zu den vie- 
len alten Krankheiten mannigfache neue gesellten, wie Nackenkrampf, 
Diphtherie, Trichinenleiden etc., und als durch furchtbare Schlachten mit 
neu erfundenen Mordmitteln, Wunden und Zerstörungen in einer Zahl 
vorkamen , dass Nachdenken und Bemühung der Heilkundigen so voll- 
auf in Anspruch genommen wurden, dass sie weder Ruhe noch Zeit 
fanden, mit Anderem, am wenigsten mit längst abgethanen Lehren, sich 
zu beschäftigen, um nur den nächsten, dringenden Pflichten mit ganzer 
Hingebung dienen zu können. 

Es war ein Aufgebot durchgreifender Hülfsbedürftigkeit an die 
schaffende Kunst wie an das theilnehmende Gefühl, dem sich Keiner 
zu entziehen vermochte. 

Zum Erstaunen war es nur, dass, trotz dieser ununterbrochenen 
Inanspruchnahme der Kräfte und Empfindungen, bei Tag und Nacht, 
einzelne Theile der theoretischen und praktischen Medicin , mit ebenso 
grossem Geschick als Erfolg, neu begründet, und andere so entwickelt 
wurden, dass sie zur Meisterschaft gelangten. 

Wurde auf diese Weise die Rücksichtnahme auf das Alte zur Un- 
möglichkeit, so zwangen die verschiedenartigsten, ungünstigen, auf ma- 
terielle Vortheile gerichteten Einflüsse und Vorgänge in den gesellschaft- 
lichen Kreisen, wollend, nicht wollend, das gerade Gebotene zu ergrei- 
fen und auf die unmittelbare Gegenwart sich zu beschränken, um, im 
aufgedrungenen Kampfe mit fremdartigen Richtungen und Interessen, die 
eigene Persönlichkeit zu einer gewissen Geltung zu bringen. 

Da das Mitsprechen und die Eingriffe von Unberufenen in medi- 
cinische Dinge an der Tagesordnung waren , das Publicum für Magneti- 
seurs. Homöopathen, Hydropathen etc. schwärmte, suchten viele Jünger 
des Aesculap, von der bevorzugten Werthschätzung technischer Arbei- 
ten angelockt, als kluge Berather oder diensteifrige Specialisten zu glän- 
zen. Für den Vorwurf des einseitigen Treibens entschädigten Lobeser- 
hebungen in öffentlichen Blättern und reichliche Einnahmen. 



L ANERKENNUNG D. ARZTES U. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 37 

Durch Aufsehen erregende Ansichten wurden von den tonangeben- 
den Chorführern die traditionellen Lehren, als hinter der fortschreitendfen 
Zeit zurückgebliebene und unbrauchbare, in Miscredit gebracht; nur die 
von Gönnern angepriesenen Schriften lebender Autoren v^urden für preis- 
würdig erklärt und empfohlen. 

Je mehr man die Hülfsdoctrinen der Medicin als deren wesentliche 
Theile ansah und mit Eifer betrieb, trat eine Entfremdung von den 
herkömmlichen leitenden Regeln ein, und je mehr Misstrauen und Miss- 
achtung des Alten so sich zu benehmen verstanden, dass sie wie Er- 
leuchtung und Vervollkommnung galten, kam es bei den unselbstständigen 
Naturen zum Zweifel an dem erworbenen Wissen und zum Abfall von 
den bewährten Autoritäten. Es wurde nach subjectiv ersonnenen, aber 
gefallenden, Prinzipien verfahren, oder nach specifischen Mitteln gestrebt, 
oder ein Thun beliebt, das sich in Nihilismus auflöste. 

Zu dem Ignoriren oder Verhöhnen ursprünglicher Weisheit und gründ- 
licher Forschung kam die Unsicherheit des politischen Lebens, indem 
man Bevolution im Vaterlande oder Hereinbrechen des lauernden Nach- 
barvolkes befürchtete, und darum blos diejenigen Fähigkeiten und Fer- 
tigkeiten cultivirte , welche man, selbst beim Auswandern in eine an- 
dere Heimath, für zuverlässige Garantien des Fortkommens erachtete 

Der Zustand der trübseligen Periode glich einer beständigen Un- 
sicherheit, Unruhe und Angst, wodurch die Meisten, nur die eigene Er- 
haltung berechnend, gegen die grosse, allgemeine Bestimmung, indiffe- 
rent sich verhielten. 

Ist darum erst unser Vaterland im Innersten beruhigt und befe- 
stigt, wird ohne Unterlass dahin gezielt, Licht zu verbreiten, Vorurtheile 
und Aberglauben zu zerstreuen, Schein von Wahrheit zu unterscheiden, 
so wird ohne Zweifel das Studium der Geschichte der Medicin als 6e- 
dürfniss sich bemerklich machen, starke Wurzeln schlagen und der Be- 
griff von der Hoheit des Standes zur lebendigen That sich gestalten. 

Ganz von selbst aber kann dieser Fortschritt nicht kommen; er 
muss, wie alles Gute, errungen, durch die Freunde des ächten Wissens 
und einer charaktervollen Gesinnung, erkämpft werden. Diese dürfen 



38 K. F. H. MARX, 

nie ermüden, sich selbst immer mehr zu vervollkommnen und tüch- 
tige Genossen zu sammeln, um durch eine geeinigte, feste Ordnung das 
Ziel einer organisch abgeschlossenen, das Heilpersonal ehrenden Kunst zu 
erreichen. 

Bei jeder Gelegenheit müssen sie die Pfleger der Civilisation an die 
Verpflichtung eindringlich erinnern : wach zu bleiben ; Individuen, welche 
sich als Dolmetscher der Naturgeheimnisse ausgeben, und Behauptungen, 
die zur Aufklärung und zum Verständnisse derselben dienen sollen, vor- 
sichtig zu prüfen; durch den Tageslärm und die zufallig gefeierten Ko- 
ryphäen nicht irre zu werden; die blos Nutzen bringenden Thätigkeiten 
nicht zu hoch zu halten; der Willkühr im Rühmen zweifelhafter Unter- 
suchungen durch besonnene Kritik eine Schranke anzuweisen; von Nei- 
dern verdunkelte Verdienste an das Licht zu ziehen; die Wahrheit zu 
vertreten und zu beschützen. 

Den Aerzten muss immerfort an das Herz gelegt werden: den 
Entwicklungsgang ihres Faches nicht zu vernachlässigen; die Quellen 
der Lehrmeinungen und Beobachtungen aufzusuchen, um das längst Be- 
kannte vom angeblich Neuen unterscheiden und Gerechtigkeit üben zu 
können in Anerkennung der Verdienste vergessener oder todtgeschwie- 
gener Wohlthäter; mit den einflussreichen Autoren selbst Bekanntschaft 
zu machen, nicht blos mit Auszügen oder Bearbeitungen ihrer Werke, 
theils um im Stande zu seyn sich ein freies, klares Urtheil über den 
Wechsel der Meinungen und die Bedingungen der gesetzlichen Vorgänge 
zu bilden, theils um die Gesundheit der Beurtheilung einzig in der vol- 
len Würdigung wie Berechtigung der Vergangenheit zu erkennen. 

Nur dadurch, dass die Aerzte mit aufopfernder Anstrengung, vom 
Wahrheitstriebe geleitet, in das innerste Getriebe und in die Annalen 
ihres Berufs dringen, werden sie das gesunkene Ansehen ihres Standes 
heben, Achtung vor sich und von der Welt erlangen. 



Durch die allgemein verbreitete Leetüre und eine Unzahl interes- 
santer Schriften, welche fast Jedem ins Haus gebracht werden, wird das 
Selbstdenken selten, weil für überflüssig gehalten. Um zu gelten, be- 



Z. ANERKENNUNG D. ARZTES ü. SCHULMANNES D. GEORG HENISCH. 39 

darf es nicht des Producirens, sondern blos des ßeproducirens. Ver- 
mittelst reichlicher CoUectaneen, eines guten Gedächtnisses und des Fer- 
tigseyns mit dem Worte, wird, ohne anstrengendes üeberlegen, eindringen- 
des Forschen, sinniges Vergleichen, der Titel: grosser Geist, Genie, tie- 
fer Denker erworben. Dem Wahrheit Liebenden bleibt nur übrig, um 
den zu Theil gewordenen unverdienten Schein zu tilgen, sich viel in 
sich selbst zurückzuziehen und auf das Aeusserste sich zu bemühen, 
dunkle Punkte des Wissens zu erhellen, zweifelhafte Fragen erschöpfend 
zu beantworten, complicirte Untersuchungen zu vereinfachen, für Wider- 
sprüche Ausgleichung und Gesetze zu entdecken. 



Die Weihe reiner Forschung für ,di® Jugend und neue Richtungen 
wird nur durch Verständniss und Anerkennung der Alten und der Ver- 
gangenheit erlangt. 



ABHANDLUNGEN 



DER 



MATHEMATISCHEN CLASSE 



DER 



KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN 

ZU GÖTTINGEN. 



ZWANZIGSTER BAND. 



Mathem. Glosse. XX. 1. 



i 



Ueber die electrischen Elementargesetze 



von 



Eduard Riecke. 

Vorgelegt in der Sitzung der Eönigl. Ges. d. Wiss. am 8. Joli 1876. 

L L Das Ampöre'sche Gesetz. 

1. Verschiedene Formen des Ampereschen 
Elementargesetzes. 

jJie den folg€|nden Betrachtungen zu Grunde liegenden Annahmen 
sind im wesentlichen dieselben, welche C. Neumann bei den im fOnften 
Abschnitte seines Werkes »die elektrischen Kräfte« ausgeführten Rech- 
nungen benützt; gegeben sind zwei leitende Körper A und B welche 
durchflössen sind von irgend welchen galvanischen Strömen. Es soll die 
Wirkung, welche ein Element des Körpers B auf ein Element des Kör- 
pers A ausübt zuerst in der ursprünglichen Form des Ampere'schen Ge- 
setzes aufgestellt und dann auf verschiedene andere Formen transformirt 
werden, welche für eine nähere Erforschung des Gesetzes von Bedeutung 
zu sein scheinen. 

Ebenso wie bei Neumann seien die beiden Körper A und B 
begriffen in irgend welchen Bewegungen und werden mit Bezug hierauf 
folgende Bezeichnungen eingeführt: 

Dvq und Dvj^ seien zwei Volumelemente der Körper A und B; r 
ihre Entfernung; cc^, y^, z^ und a?^, y^^ z^ seien ihre Coordinaten mit 
Bezug auf ein im Räume absolut festes System. 

?o» ^0» 3o ^^^ ?i» 9i» 3i ^^^® Coordinaten mit Bezug auf zwei 
Systeme, deren eines in fester Verbindung gedacht wird mit dem Körper 
A, das andere fest verbunden ist mit dem Körper B, 



4 EDUARD RIECKE, 

i^ und i, seien die Stärken der zu irgend einer Zeit f in den Ele- 
menten Dvq und Dv^ vorhandenen Strömungen, s^ und s^ die Richtun- 
gen derselben. 

"o» ^0' ^0 ^^^ "f ^p ^1 ^^^^° ^^^ Componenten von i^ und t\ 
genommen nach den mit den Körpern A und B fest verbundenen Axen- 
systemen. 

Die Zeit soll, sofern die räumliche Lage der Körper A und B von 
derselben abhängt, bezeichnet werden durch r und zwar specieller durch 
r^, sofern sie als Argument in o?^, y^, z^, durch r^ sofern sie als Argu- 
ment in x^, y ^, z^ auftritt. In so fern andererseits die Strömungen u^, 
t)^, tÜQ und Uj, tij, »1 mit der Zeit sich ändern, werde dieselbe bezeich- 
net durch T, specieller durch T^^ und T^ je nachdem sie sich auf die 
Aenderung von u^, t)^, to^ oder von u^, Dj, to^ bezieht.. 

Die abstossende Wirkung, welche das Volumelement Dv^ auf das 
Volumelement Dv^ ausübt, lässt sich unter diesen Umständen dem Am- 
pereschen Gesetz entsprechen durch folgenden Ausdruck darstellen. 

wo tp die von C. Neumann eingeführte Funktion, welche für den Fall 
beträchtlicher Entfernungen übergeht in \/7; für die XComponente dieser 
abstossenden Kraft ergiebt sich der Werth 

ein Ausdruck der durch eine leichte Umgestaltung in folgenden übergeht 
Bei der weiteren Umformung des letzteren für die X Componente 



ÜBER DIE ELECTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 5 

gegebenen Ausdrucks möge an der Vorstellung festgehalten werden, dass 
der Körper B eine im Räume unveränderliche Lage besitze, der Körper 
A hingegen allein verschiebbar sei in der Richtung der X Axe des im 
Räume festen Coordinatensystems ; unter dieser Voraussetzung können 
dann «2?^, ic^, Q^,, i^ als die 4 unabhängigen Variabelen, durch welche 
die Lage des Elementes Dv^ im Räume bestimmt ist, betrachtet werden. 
Während nemlich im allgemeinen y^, , Q^ , j^, und r^ die 4 Argu- 
mente sind, von welchen die räumliche Lage des Elements Dv^ also auch 
die Entfernung r von dem Elemente Dv^ abhängt, kann in dem Falle, 
dass y^, z^ bei der Verschiebung des Elementes Dv^ konstant bleiben, 
T^ ersetzt werden durch w^, so dass also j^, t)^,, j^,, und x^ als die 4 
unabhängigen Veränderlichen erscheinen. 

Da 

und 

so kann der zweite Term des für die X Componente gegebenen Aus- 
drucks in die Form gebracht werden: 



^ _ Ho ^ _ ?o 


^5o »0 


dsQ lo • c^o «0 ' 


ds — i. 






oder 









*^ U. -T-fifl, -^-öfe/»^ö5;• 



0*0 



6 EDUARD RIECKE, 

Wenn wir ganz dieselbe Transformation aach anwenden auf den drit- 
ten Term des fQr die X Componente gegebenen Ausdruckes, so ergiebt 
sich dann folgender Werth dieser Componente: 



4- 44» 






hier haben e^ und «^ folgende Bedeutungen: 

''<> — ö5o "+- ö)fc ^ öao ' "^1 — 5S + sij; + §ir 

Es ist also, wenn mit «^ und e^^, die Dichtigkeiten der freien Elek- 
tricitäten bezeichnet werden, welche sich in dem betrachteten Augenblick 
in den Elementen Dv^ und Dv^ befinden 

Die weiteren Transformationen beziehen sich auf den Ausdruck 

A) P = 44»i..-,g.g.D«,Dt,, 

welcher das electrodynamische Potential der beiden Elemente Dv und 
JDvj repräsentirt, und beruht auf der Anwendung der Formeln : 

4,- ,• ^.^ — _4,- ,• w,?V__i_2t .• «•(^') 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 



und: 



•«•iä^'ä;- = — ♦«•* — - »0»! 






WO e der Winkel, welchen die Eichtungen s^ und s^ mit einander ein- 
schliessen. Die erste Formel gilt für jedes beliebige ^ . die zweite nur 
ftr den speciellen Werth yt = ^. 

Die Anwendung der ersten Formel führt zu folgendem Ausdrucke 
fflr das elektrodynamische Potential: 



P = 



B) 



+ ^ ]^ ä^L*'n «j. ^ «>». ^ öfc )J • 



Die zweite Formel gibt folgende nur tfbc y> ^ ^r gflltige Darstel- 
lung des Potentiales: 



C) 



EDUARD RIECKE, 



d_ 



_r,t /gnoV»' _L gPoV I an)oV>'\lN 



i^^ 



öfoL «l öjT "^ eih "^ öj. /J 
T öjoL"'»! ö?. "•" e.,. -^ -dh /Jj 



Du, D»i 



Eine Darstellang des Potentiales, welche die drei durch die Aus- 
drücke A, B, C gegebenen als specielle Fälle umfasst erhalten wir, 



1— * 



1+* 



wenn wir die in A gegebenen multipliciren mit -^-, die in C mit -~ 

und die beiden Produkte addiren. Hier ist k eine willkürliche Con- 
stante und es ergiebt sich dann für Ä: = — 1 die Form A, für A: = + 1 
die Form C und für k = — 5 die Form^^B; diese allgemeinste Form 
des elektrodynamischen Potentiales der beiden Elemente Dv^ und Dv^ 
auf einander wird demnach: 



-i±i-A' 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 9 

P = - AUJ,\^.^ - ^=^.4^.11 Dv.Dv, 

-L^A^re,e,Dv,Dv, 

^^ 2 -^ ^i\df, ^ d^ ^ di, r^o -^^i 
4- 1+1 Ate /g°.V* I «».'fr' 1 ^i'^'\nv Dv 

II) f er /ön„v» , ööo?«:! i «M-M^ 

e&L M ör. "*" ÖD. "*" öao Ij 

+ äi^rn"«^ + "ä^r "^ ö». IJ) 

ö^L o\~ör7 "*" ÖD. "*■ ö». /J 

1+ esr«l-ö^ + "ödT + "ärljl 

und für die von dem Element Dv^ auf Dv, ausgeübte X Componente 
ergiebt sich dann mit Hülfe dieses Fotentiales der allgemeinste Ausdruck 
in der Form: 



1 

I- 



X, = - g-4^^.,.-o|gD.ol>t,, -4^..„Hg.|l>.„l>., 



III) 



+ 4A* 



+ 4^, 
Mathm. Glosse. XX. 1. 



■e I . Sf dy>\ ,61. dtf>e^\\ 
.er . dv ey,\ 



Di>,D»i 



B 



10 EDUARD RIECKE, 

die von dem Element Dv^ auf das Element Dv^ in der Richtung der 
F und Z Axe ausgeübten Componenten ergeben sich aus dem vorher- 
gehenden Ausdruck, indem wir Qberall an Stelle der Differentiation nach 
oCq die Differentiation nach y^ und z^ setzen. Ist der Körper A und 
mit ihm das Element Dv^ nicht verschiebbar in der Richtung einer der 
drei im Räume festliegenden Coordinatenaxen, sondern drehbar um eine 
im Räume feste Axe, so treten als die 4 unabhängigen Veränderlichen 
durch welche die Lage des Elementes Dv^ bestimmt ist auf die Coor- 
dinaten ic^, tj^, J^ und der Drehungswinkel y^ und es ergiebt sich dem- 
nach für das Drehungsmoment der Ausdruck: 

Wenn endlich das Element Dv^ während einer kleinen Zeit dt 
irgend welche Verschiebung erleidet, so ergiebt sich die bei dieser Ver- 
schiebung von Dv^ auf Dv^ ausgeübte ponderomotorische Arbeit, wenn 
die Differentiation nach dx^ in dem Ausdrucke III ersetzt wird durch 
die Differentiation nach t^ und der so gebildete Ausdruck noch multi- 
plicirt wird mit dt Diese letztere Arbeit wird demnach, wenn die 

Operation g^ dt bezeichnet wird durch d^ , gegeben durch folgenden 

Ausdruck : 

dT, = -d,P 






ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 11 

Vom mechanischen Standpunkte aus können wir den im Vorher- 
gehenden befolgten Weg zur Transformirung des Ampereschen Gesetzes 
bezeichnen als eine Zerlegung der von dem Element Dv^ auf das Ele- 
ment DVq ausgeübten Wirkung in eine immer grössere Zahl einzelner 
Componenten; es ist einleuchtend dass sich weitere Transformationen 
dadurch ergeben müssen, dass wir einzelne dieser Componenten in ver- 
änderter Combination wieder zu einer Resultanten vereinigen. Gehen 
wir hiebei aus von der unter III gegebenen Form der X Componente, 
so ist dieselbe hier dargestellt durch eine Summe von 5 Kräften; die 
erste derselben hängt ab von dem elektrodynamischen Potential P. 
Was die vier übrigen Kräfte anbelangt, so sieht man sofort dass eine 
gewisse Analogie besteht zwischen der zweiten und vierten einerseits, 
der dritten und fünften andererseits, sofern die zweite und vierte allein 

den Ausdruck »og«'' ^^® dritte und fünfte allein den Ausdruck i\g^ 
enthalten und es liegt somit nahe entweder zu bilden die Resultante aus 
der ersten, dritten und fünften oder aus der ersten, zweiten und 
vierten Componente. 

Nehmen wir die erste der beiden Combinationen und setzen wir 
die Summe der ersten, dritten und fünften der in der Richtung der 
X Axe wirkenden Einzelkomponenten gleich S^ , so haben wir für S^ 
zunächst den Werth : 

ff — ^^ —4A^e i ^ ^ Dv Dv 
^0 — — ä^ ^^ ^ohds.'dx.'^^o'^^i 



4- 4^2 



,Dv,Dv, 



Substituiren wir' för P den in A gegebenen Werth, so wird 



B' 



12 EDUARD RIECKE, 

oder 

oder endlich wenn wir an Stelle der gesammten Strömung i^ wieder die 
Componenten u^, ö^. to^ einführen: 

s.=*^'».|l|-lr.('.l!)-gfe(n^)K-^'. 

Für die gesammte in der Richtung der X Axe wirkende Kraft 
ergieht sich somit der Ausdruck: 

woraus durch Vertauschung von «r^ mit y^ und z^ die entsprechenden 
Ausdrücke für die Componenten Y^ und Z^, Schreiben wir diese Glei- 
chungen in der Form : 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 13 

wodie Werthe von H^, ^Z^ sich unmittelbar aus dem für Sq gegebenen 
Werthe ergeben, so können wir die drei Componenten S^, H^, Z^ ver- 
einigen zu einer Resultante und es lässt sich dann leicht zeigen, dass 
diese Resultante senkrecht steht gegen die Richtung der Strömung s^. 
Lassen wir nemlich die Coordinatensysteme ^^»^0» ^o ^^^ ?o » ^o» äo 
zusammenfallen, so ergeben sich für jene Componenten S^, H^, Z^ fol- 
gende Werthe : 

+*^"".is-fe('.g)-^:fe('.i?)i-i'".i)». . 
+ *^'«.ig-fe(^.i?)-i-:-&(..g)i^.x,". 

wo a^,, v^, Wo die Strömungskomponenten nach den Axen X, Y, Z; 
somit 



14 EDUARD RIECKE, 

Ebenso würde sich natQrlich eine gegen die Richtung der Strömung 
s^ senkrecht gerichtete Kraft von ganz analogem Baue ergeben haben, 
wenn wir zu der Umformung des in Gleichung III gegebenen Werthes 
der X Componente die zweite der angefahrten Combinationen , d. h. 
die Combination der ersten, zweiten und vierten Componente benutzt 
haben würden. 



2. Gesammtwirkung des Körpers B auf ein Volumelement 

des Körpers A. 

Für die X Componente der Wirkung, welche der ganze Körper B 
auf das Element Dv^ des Körpers A ausübt ergiebt sich unter Zu- 
grundelegung derselben Vorstellungen wie im Vorhergegenden der Werth 



V) + 4il*D»,< 



Hier ist: 

Do^ ein Element der Oberfläche des Körpers B und n^ die in dem- 
selben errichtete innere Normale. 

P ist das elektrodynamische Potential des Körpers B auf das Ele- 
ment Dv^ und kann durch folgenden Ausdruck in allgemeinster Weise 
dargestellt werden 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 
P = - A'i,m,^, (If--^' _ S=*4|S.g] D., 



16 






[^^\e,ri>^.] + '4\\e,ri>v,)] 



+ ^4* Dt./ 



+ ^-^A^Dv,< 



+ 5i;-('».S/.V»'') 



oder, wenn wir zur Abkürzung setzen: 



Der in Gleichung V gegebene Werth der X Componente er- 
scheint als eine Summe von 5 einzelnen Kräften, von welchen nur die 
ersten drei abhängig sind von den in dem Körper B ablaufenden galva- 
nischen Strömungen» die beiden letzten von den im Inneren und an der 
Oberfläche des Körpers B stattfindenden Anhäufungen freier Elektricität; 
eine andere Darstellung der ersten drei Kräfte ergiebt sich durch Be- 
nutzung der Formeln IV oder IV^ und dem entsprechend folgende Form 
der X Componente: 



16 



EDUARD ßlECKE, 



B B 

+"'».^«.ie-fe('-.'>.-g-y'-.g)^.i 

B B 

VI) +4^«».D..jg.,i(.-.g)i>„.-5g.ynigi).,j 

B B 

Die drei ersten Terme dieser Componente und die analogen Terme 
der Componenten Y^ und Z^ geben ebenso wie die Elementarwirkun- 
gen selber eine gegen die Stromrichtung $^ senkrechte Resultante. 

Ist der Körper A und mit ihm auch das Volumelement Dv^ drehbar 
um irgend eine Axe, so ergiebt sich für das Drehungsmoment, welches 
von dem Körper B auf Dv^ ausgeübt wird der Werth : 

^0 =-|^-4^^^o-D«« 



Vü) 



+ 4A2I>».< 



fe(».).g^^.)+fe(».j'-.glf.^,) 



- *^'-»'.]'.'-.S-|^^. —'^'•»".S/...g.^.D.. 



WO y^ der Drehungswinkel. 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 17 

Eine ganz analoge Formel giebt schliesslich noch die ponderomoto- 
rische Arbeit welche von dem Körper B auf das Element Dv^ bei 
irgend einer kleinen Verschiebung des Körpers A geleistet wird. 

Wie sich aus den Formeln V, VI, VII ergiebt, kann die Gesammt- 
wirkung, welche der Körper B nach dem Ampereschen Gesetze auf 
das Element Vv^ des Körpers Ä ausübt, zerlegt werden in drei Com- 
ponenten von wesentlich verschiedenem Charakter ; die e r s t e derselben 
erscheint allein als abhängig von den galvanischen Strömungen, 
welche in den Volum elementen des Körpers B vorhanden sind; die 
zweite Componente erscheint als abhängig von den Abscheidungen 
freier Elektrici tat, welche in jenen Volum demente n stattfindet; 
die dritte Componente endlich ist dargestellt durch ein über die Ober- 
fläche des Körpers B hinerstrecktes Integral ; es ist also bei dieser Com- 
ponente die von den einzelnen Volumelementen des Körpers B herrüh- 
rende Wirkung ersetzt durch eine scheinbare Wirkung der Ober- 
flächenelemente, und zwar hängt diese scheinbare Wirkung ab von 
den in den Oberflächenelementen stattfindenden Anhäufungen freier 
Elektricität. Gehen wir zurück auf die Einzelwirkungen der Volumele- 
mente, aus welchen die dritte Componente zusammengesetzt ist, so sehen 
wir, dass diese Einzelwirkungen abhängen von den Ansammlungen freier 
Elektricität, welche an den Grenzen der Volumelente stattfinden würden, 
falls diese Elemente durch isolirende Schichten von einander getrennt 
wären. 

Diejenige Wirkung, welche herrührt von den galvanischen Strömun- 
gen des Körpers B und welche gegen die Richtung s^ der in dem Ele^ 
ment Dv^ vorhandenen Strömung senkrecht gerichtet ist, kann noch in 
anderer Weise dargestellt werden; lassen wir zunächst die Coordinaten- 
systeme (y^^, ^^, j^), (jj^, ^j, gj und (o?, ^, z) zusammenfallen, und be- 
zeichnen wir mit Sq, H^, Z^ die Componenten der in Rede stehenden 
Wirkung nach den Axen j?, y, z, so ergiebt sich aus Formel VI 



Mathem. Glosse. XX. 1. C 



18 



EDUARD RIECKE, 



K = 



+ AA 



^ l~ s^ • ä^ri ös: + *i äi;: + "'i ö^ 



WO «^, »j, 10, und ttj, t>j, Wj die Stromkomponenten in Dv^ und D»j 
nach den Coordinatenaxen j?, y, z\ wenn wir hier für y/ den Werth ^ 
einfahren, so ergiebt sich durch Ausführung der Differentiationen. 

oder wenn wir die von Helmhoitz eingefiihrten Bezeichnungen benützen: 

B B B 

wodurch die Componenten der zur Stromrichtung s^ senkrechten Wir- 
kung auf die von Helmhoitz gegebene Form gebracht sind. 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 19 

8. Die von dem Körper B auf den ganzen Körper Ä aus- 
geübte ponderomotorische Wirkung. 

Denken wir uns den Körper A allein verschiebbar in der Richtung 
der X Axe und verstehen wir unter Xq etwa die dem Schwerpunkte 
desselben angehörige x Coordinate, so ergiebt sich für die gesammte 
Kraft mit welcher der Körper B den Körper Ä in der Richtung der 
X Axe zu verschieben sucht der Werth 



AH 

vm) -4^*sJ/„h|gi>^i>«, 



AB 



Hier hat f^ mit Bezug auf den Körper A ganz dieselbe Bedeutung 
wie /^ für B ; P ist das elektrodynamische Potential der beiden Körper 
auf einander und ist gegeben durch folgenden allgemeinen Ausdruck : 

A ^ 

- '-:^A^s\foe.rDo,Dv^ 

^B 



A B 



Die von dem Körper B auf den Körper A bei irgend einer Ver- 
schiebung des letzteren ausgeübte ponderomotorische Arbeit stellt sich, 
wenn wir entsprechend den zu Anfang gemachten Festsetzungen die 

C* 



so EDUARD RIEGKE, 

Zeit sofern die räumliche Li^e des Körpers A von ihr abhängt durch x, 

und gleichzeitig die Operation ^ dt^ durch d^ bezeichnen, dar durch 
den Ausdruck: 

dT=—8^P 



AB 



Das zwischen den beiden Körpern A und B vorhandene Potential 
setzt sich zusammen aus sehr verschiedenartigen Elementen. In dem 
durch Gleichung VIII' gegebenen Ausdruck desselben ist nur der erste 
Term abhängig von den in den Körpern A und B vorhandenen Strö- 
mungen, alle flbrigen dagegen abhängig von den Ansammlungen freier 
Elektricität, welche im Innern und an an der Oberfläche der Körper 
A und B stattfinden. Bezeichnen wir diese beiden Theile des Foten- 
tiales durch W und F, so dass also 

P = W + F. 

So ist W identisch mit dem von Helmholtz gegebenen Ausdruck 
des elektrodynamischen Potentials. Mit Bezug auf den Fotentialantheil 
jP mag bemerkt werden, dass er sich sehr leicht darstellen lässt mit 
Hülfe der von Helmholtz eingeführten Funktion y?\ es ist nemlich 

und F = 1±^4* j \e, v; Dv, + S/o ^o -Do» j 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 21 

4. Beziehungen zu den experimentellen Thatsachen. 

In den vorhergehenden Abschnitten wurde das Amperesche Gesetz 
aufgelöst in eine Beihe von einzelnen Componenten, und es ergiebt sich 
somit, dass zu dem Nachweis dass das Ampere'sche Gesetz wirklich als der 
mathematische Ausdruck der zwischen zwei Stromelementen wirksa- 
men Kräfte zu betrachten ist. zwei verschiedene Untersuchungen 
erfordert werden. Es wird sich einmal fragen, ob allenjenen Einzel- 
Componenten messbare Wirkungen entsprechen, ob also alle 
jene Componenten wirklich von einem Stromelement auf ein anderes ausge- 
übt werden; und zweitens wird der Nachweis erfordert werden, dass 
jene in dem Ampereschen Gesetze enthaltenen Compo- 
nenten die einzigen Kräfte sind, welche zwischen zwei 
Stromelementen thätig sind, dass also das Amperesche Gesetz 
auch der vollständige Ausdruck der zwischen zwei Strom elementen 
vorhandenen Wirkung ist. Es möge noch untersucht werden, in wie 
weit die zur Zeit vorhandenen experimentellen Thatsachen zur Entschei- 
dung dieser Fragen beizutragen geeignet sind. 

Diese Thatsachen können in drei Gruppen gesondert werden ; die erste 
Gruppe bezieht sich auf die Wechselwirkungen zweier geschlos- 
sener Ströme von unveränderlicher Gestalt, und es sind daher die hieher 
gehörigen Thatsachen in erster Linie repräsentirt durch die von Weber 
in den Massbestimmungen I. Abhandlung beschriebenen Versuche. 

Die zweite Gruppe wird gebildet durch die Versuche über Bota- 
tionen starrer Leiter unter der Wirkung geschlossener 
Ströme, die dritte durch Versuche über Biegung leic ht bewegli- 
cher und dehnbarer Leiter unter der Ein Wirkung geschlos- 
sener Ströme; in dieser dritten Gruppe sind also insbesondere anzu- 
führen die Plückerschen Versuche über die Einwirkung des Magnetes 
auf die positive Entladung in Geisslerschen Bohren. Die von Zöllner 
neuerdings ausgeführten Versuche können als eine Combination der Ver- 
suche der zweiten und dritten Gruppe betrachtet werden. 

Die Versuche der ersten Gruppe entsprechen den Formeln VIII, 
da aber diese Versuche sich nur beziehen auf die Wechselwirkung ge- 



22 EDUARD RIECKE, 

schlossener und gleichförmiger Ströme, so ist durch dieselben nur die 
Existenz des von den Strömungen abhängenden Potentialantheiles W 
bewiesen. Darüber ob der Potentialantheil F existirt oder nicht geben 
diese Versuche keinen Aufschluss , und dasselbe gilt natürlich auch mit 
Bezug auf die Elementarwirkungen selbst, welche in den beiden Poten- 
tialantheilen enthalten sind. Ebenso wenig geben diese Versuche darüber 
Aufschluss, ob die übrigen nicht von einem Potentiale abhängenden 
Wirkungen vorhanden sind, oder nicht, Wirkungen weiche in Formel 
VIII dargestellt sind durch zwei Doppelintegrale, die sich über die Vo- 
lumina der beiden Körper Ä und B hinerstrecken und durch zwei Inte- 
grale, welche je über das Volumen des einen und die Oberfläche des 
anderen Körpers auszudehnen sind. Die beiden ersten Integrale hängen 
ab von den Abscheidungen freier Elektricität , welche in den Volumele- 
menten der Körper A und B stattfinden; die beiden letzteren Integrale 
hängen ab von den in den Oberflächenelementen von A und B abge- 
schiedenen Elektricitäts mengen. Die in den letzteren Integralen ent- 
haltenen Elementarwirkungen eines Volumelementes von A auf ein Vo- 
lumelement von B sind also von der Art, dass sie sich in ihrer Gesamt- 
heit ersetzenr lassen durch scheinbare Wirkungen welche von den Ober- 
flächenelementen des einen Körpers , beziehungsweise den in diesen 
Elementen angehäuften freien Elektricitäten ausgeübt werden auf die 
Volumelemente des anderen Körpers. 

Bei den Versuchen der zweiten Gruppe handelt es sich um die 
Wirkung eines geschlossenen gleichförmigen Stromes auf ein bewegliches 
aber starres Stück eines anderen Stromes ; die in Anwendung kommende 
Formel ist gegeben in VII. Dieselbe reducirt sich aber, wenn sich das 
Potential bei der Drehung nicht ändert, und wenn der Strom in dem 
rotirenden Leiter ebenfalls ein gleichförmiger ist, auf: 



J, = ^A^Dv, 






ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 23 

Da indessen die Rotationsversuche bis jetzt auf Untersuchung der 
qualitativen Verhältnisse sich beschränkt haben, so dürfte aus denselben 
auch nur auf die Möglichkeit geschlossen werden, dass die in dem 
obigen Ausdruck enthaltenen Elementarwirkungen vorhanden sind; ob 
dieselben in Wirklichkeit existiren, bleibt unentschieden. 

Das Resultat der Versuche der dritten Gruppe lässt sich viel- 
leicht in folgender Form darstellen. 

Es ist gegeben ein geschlossener von einem gleich- 
förmigen Strome durchflössen er Kreis A, in welchen an 
irgend einer Stelle ein absolut biegsamer und dehnbarer 
Faden eingeschaltet ist; ausserdem ist gegeben ein ge- 
schlossener gleichförmiger Strom B, Wenn unter diesen 
Umständen die Endpunkte jenes Fadens auf einer magne- 
tischen Kraftlinie des Stromes B liegen, so folgt der- 
selbe dieser zwischen seinen beiden Endpunkten verlau- 
fen den Linie. 

Es steht dieser Satz in vollkommenem Einklang mit dem in Glei- 
chung VI gegebenen Ausdruck für die von dem Körper B auf ein Ele- 
ment des Körpers A ausgeübten Componenten, wenn wir beachten dass 
e^ und f^ 1= sind also die beiden letzten Terme jenes Ausdruckes 
wegfallen; unbestimmt bleibt nur der Werth der Constanten A^, da die 
in Rede stehenden Versuche nur die Richtung nicht die Grösse der auf 
ein Element Dv^ des Körpers A ausgeübten Kraft bestimmen. Die in 
Gleichung VI gegebene Gesammtwirkung erscheint aber in Formel V 
wieder aufgelöst in ihre einzelnen Componenten, und diese Formel kann 
mit dem durch die Versuche der ersten. Gruppe bestimmten Werth des 
Potentiales W nur dann zusammenbestehen, wenn.die Constante -4* den- 
selben Werth besitzt wie in W. Durch die Versuche der dritten Gruppe 
wird also bewiesen , dass die ersten drei der durch die rechte Seite der 
Formel V gegebenen Componenten existiren, also auch die denselben 
entsprechenden Elementarwirkungen. Gehen wir somit zurück auf die 
in Gleichung III gegebene allgemeinste Form der von einem Elemente 
Dvj auf ein Element Dv^ ausgeübten Wirkung 



24 EDUARD KIEGEE, 



+ 4^*. 



— 4^* 



+ 4^* 






Dv^Dv, 



Dv, Dv, 



80 ist durch die Versuche der dritten Gruppe in Verbindung mit denen 
der ersten bewiesen, dass von den Componenten in welche die Gesammt- 
Wirkung in der Richtung der X Axe durch die rechte Seite der obigen 
Gleichung aufgelöst ist, die drei ersten existiren; dann verlangt aber 
das Gesetz der Gleichheit von Aktion und Reaktion auch die Existenz 
der beiden letzten Componenten, d. h. des ganzen auf der rechten Seite 
der Gleichung stehenden Ausdrucks. Da aber dieser Ausdruck nichts 
anderes ist, als eine Transformation des Ampereschen Gesetzes, so leuchtet 
ein, dass durch die Experimente der dritten Gruppe nach- 
gewiesen ist, dass das Amperesche Gesetz in der That als 
Ausdruck der zwischen zwei Elementen Dv^ und Dv^ wir- 
kenden Kraft zu betrachten ist. Es bleibt dann noch die Alter- 
native, ob wir das Amperesche Gesetz als ein nicht weiter zu redud- 
rendes Eiementargesetz betrachten wollen, oder ob wir es zerlegen wollen 
in einzelne Componenten, welche dann möglicherweise ganz verschiede- 
nen Ursachen ihre Existenz verdanken können; eine solche Zerlegung 
würde in allgemeinster Weise gegeben sein durch die Formeln II und III ; 
mit Bezug auf welche noch hinzugefügt werden muss , dass der Werth 
der Constante k vorläufig als völlig unbestimmt zu betrachten sein würde. 
Wenn sich aus dem vorhergehenden ergeben hat, dass das Ampere- 
sche Gesetz als der thatsächliche Ausdruck der zwischen zwei Elementen 
Dvq und Dv^ vorhandenen Wirkung zu betrachten ist, so fragt sich 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 25 

nun ob nicht ausser den Ampere'schen noch andere Wirkungen zwischen 
zwei Elementen Dv^ und Dv^ existiren, ob also die ersteren auch als 
der vollständige Ausdruck der beobachtbaren Wirkungen 
zu betrachten sind. Mit Bezug hierauf können wir bemerken, dass schon 
im Ampereschen Gesetz selbst scheinbar Wirkungen enthalten sind, 
welche zwischen Ansammlungen freier Elektricität einerseits und galva- 
nischen Strömungen andererseits oder zwischen Sammelstellen freier 
Elektricität unter sich stattfinden. Da über die Wirkung ungleichför- 
miger und ungeschlossener Ströme keine experimentellen Thatsachen 
vorliegen, so bleibt vollständig unentschieden, ob nicht in Wirklich- 
keit besondere Kräfte noch zu den Ampereschen hinzu- 
treten, welche von Sammelstellen freier Elektricität aus- 
geübt werden entweder auf Stromkomponenten oder auf 
andere ebensolche Stellen. Soweit sich also das Helmholtzsche 
Gesetz wenigstens in der ihm neuerdings gegebenen Gestalt von dem 
Ampereschen nur durch Hinzufügung solcher Kräfte unterscheidet, sind 
von experimentellem Standpunkte aus keine Einwände gegen dasselbe 
zu machen. 

Was die Versuche der zweiten Gruppe anbelangt, so würden diese 
Versuche für sich allein unentschieden lassen , ob die hierher gehörigen 
Erscheinungen herrühren von den Ampereschen auf die einzelnen Ele- 
mente des rotirenden Leiters wirkenden Kräften oder von einer einzelnen 
Kraft, welche ihren Ursprung der Gleitstelle verdankte ; aber wenn auch 
durch die übrigen Versuche die Existenz jener Ampereschen Kräfte 
bewiesen wird, so ist doch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen dass zu 
den Ampereschen Kräften noch besondere Wirkungen hinzutreten, 
ausgehend von solchen Punkten, in welchen plötzliche Geschwindigkeits- 
änderungen der strömenden Elektricität stattfinden. 

Endlich dürfte auch mit Bezug auf die Versuche der dritten Gruppe 
noch genauer zu untersuchen sein, in wie weit durch dieselben die wir- 
kenden Kräfte in eindeutiger Weise bestimmt sind. Die Existenz lon- 
gitudinaler Kräfte wenigstens ist durch dieselben nicht ausgeschlossen 
und eine vierte Gruppe von Versuchen, welche sich auf diese longitu- 
Mathem, Glosse, XX. 1. D 



26 EDUARD RIECKE, 

dinalen Wirkungen bezieht dürfte vorläufig noch nicht den wfinschens- 
werthen Grad von Genauigkeit besitzen, um sichere Schlüsse auf die- 
selbe gründen zu können. 



IL Das electrpmotorische Elementargesetz und das Gesetz der 

Erhaltung der Energie. 

Die Vorstellungen, welche den Betrachtungen dieses zweiten Ab- 
schnittes zu Grunde liegen, sind im wesentlichen dieselben wie im ersten 
Abschnitte. Das elektromotorische Elementargesetz wird in demselben 
zuerst in einer etwas allgemeineren Form aufgestellt, und es wird sodann 
untersucht werden, welche näheren Bestimmungen noth wendig oder 
genügend sind, wenn dasselbe in Verbindung mit dem Ampereschen 
ponderomotorischen Gesetz dem Princip der Erhaltung der Energie ge- 
nügen soll. 

Die nach der Richtung s^ genommene Componente derjenigen elek- 
tromotorischen Kraft, welche in dem Element Dr^^ hervorgerufen wird 
durch seine relative Bewegung gegen Dv^ kann dem Weber'schen Gesetz 
entsprechend dargestellt werden durch den Ausdruck: 

WO r die Zeit bezeichnet, sofern die räumliche Lage der beiden Elemente 
Dv^ und Dv, von derselben abhängt. 

Eine einfache Transformation vollkommen analog der in I, 1 ausge- 
führten giebt: 






ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 27 

Andererseits ist dieselbe elektromotorische Kraft nach dem F. Neu- 
mannschen Gesetze gegeben durch 

• oder durch 

Wir kombiniren beide Gesetze durch Multiplikation mit -~ und 
— g- und Addition und erhalten dann: 

Ganz analoge Formeln ergeben sich natürlich für die elektromo* 
torische Kraft, welche umgekehrt von dem Element Dv^ durch die in 
demselben vorhandene Strömung i^ hervorgerufen wird in Dv^. 

Ausser den durch die relative Bewegung der beiden Elemente indu- 
cirten elektromotorischen Kräften kommen auch die durch Aenderung 
der Stromintensitäten hervorgerufenen Kräfte in Betracht. Wenn wir 
die Zeit, sofern dieselbe Argument der in Dv^ und Dv^ vorhandenen 
Strömungen ist bezeichnen durch T^ und T^, so ergiebt sich für die 
von dem Element Dv^ in dem Element Dv^ nach der Richtung s^ indu- 
cirte Kraft nach dem Weberschen Gesetze der Werth: 



28 EDUARD RIECKE, 

Fflgen wir zu dieser Kraft noch den Ausdruck qA^^-^Dv^Dv^ 
so erhalten wir eine allgemeinere Darstellung der Componente S\ 

welche für 9 = 1 in die zweite von F. Neumann gegebene Form des 
elektromotorischen Elementargesetzes übergeht. Durch eine ganz analoge 
Formel wird umgekehrt die durch die Stromschwankung in Dv^ in dem 
Element Dv^ inducirte elektromotorische Kraft gegeben. 

Für die gesammte elektromotorische Wirkung welche von dem Ele- 
Dv^ auf das Element Dv^ nach der Richtung s^ ausgeübt wird, ergiebt 
sich somit der Werth: 

Sind, wie diess schon im Vorhergehenden stillschweigend angenom- 
men war, s^ und s^ die Richtungen, in welchen die Strömungen i^ und 
tj in den beiden Elementen Dv^ und Dv^ in Wirklichkeit stattfinden, 
so ist die von sämmtlichen Kräften S^ und S\ während eines kleinen 
Zeitelementes dt geleistete elektromotorische Arbeit bezogen auf die Ein- 
heit der Zeit gegeben durch 



ÜBER DIE ELEKTMSCHEN ELEMENTARGESETZE. 29 

Beachten wir dass die vollständige Differentiation nach der Zeit t, 
sich zusammensetzt aus den 3 partiellen Differentiationen nach r, T^, 
T^ so dass: 

dt ~ dt '^ ÖTo "»" öTi 

so kann die obige Gleichung auf die Form gebracht werden : 



30 EDUARD RIECKE, 

Hier ist dQ die von den elektromotorischen Kräften in der Zeit dt 
geleistete Arbeit, d. h. die in dieser Zeit erzeugte Wärmeenergie. 

Die von dem Elemente Dv^ auf das Element Dv^ ausgeübte pon- 
deromotorische Arbeit ist auf der anderen Seite gegeben durch 

+ * ^" <.'. feig- 1*1 ^.-Oo. 

wobei als hypothetischer Ausdruck der vollständigen zwischen' den Ele- 
menten Dv^ und Dv^ vorhandenen pönderomotorischen Wirkung das 
Amperesche Gesetz zu Grunde gelegt ist. 

Die Formel für die entsprechende von Dv^ auf -Dt?^ ausgeübte pon- 
deromotorische Arbeit ist: 

^ = - k\*^''.<>pA^.i>''\ 

in diesen Gleichungen bezeichnet t^ und r^ die Zeit, sofern die räum- 
liche Lage der Elemente Dv^ und Dv^ von derselben abhängt und ist 
demnach 

Für die Summe der von den elektromotorischen und pönderomo- 
torischen Kräften bei der Bewegung der beiden Elemente geleisteten 
Arbeiten ergiebt sich somit: 

dQ + dT = dP 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 31 

Der von C. Neumann in seinem Werke »die elektrischen Kräfte« 
ausgeführten Untersuchung zufolge muss aber in jedem sich selber über- 
lassenen Systeme die Summe der ponderomotorischen und elektromoto- 
rischen Arbeiten elektrodynamischen Ursprungs für sich allein gleich 
einem vollständigen Differentiale sein ; diese aus dem Frincip der Er- 
haltung der lebendigen Kraft fliessende Forderung kann aber durch den 
oben gegebenen Werth von dQ + dT offenbar nur erfüllt werden, 
wenn die Constanten k' und q beide gleich Null sind, und wir werden 
somit zu folgendem Ausdrucke des elektromotorischen Elementargesetzes 
hingedrängt: 

Ein Gesetz welches auch in die Form gebracht werden kann: 

in welcher seine Beziehung zum Weberschen Gesetze unmittelbar zu 
Tage tritt. 

Dass das Gesetz zu welchem wir hier gelangt sind, identisch ist 
mit demjenigen zu welchem C. Neumann durch seine umfassende und 
scharfsinnige Analyse geführt worden ist, ergiebt sich unmittelbar, wenn 
wir die Componenten der elektromotorischen Kraft 8^, welche von dem 
Element Dv^ in dem Element Dv^ inducirt wird, nach den Axen jcq, 
9o' 80 ^®^ ^^^ ^®^ Korper A fest verbundenen Coordinatensystems be- 
rechnen. Es ergiebt sich, wenn wir diese Componenten bezeichnen 
durch I,, 2),, 3^: 



32 EDUARD RIECKE, 



oder da 



. d (dtp dtp\ ^^ d^ d^ di^ dl. dtp dy\ 

3.* = 4^. [4. ^/^ - y.-, |*.a^)]i)..i).. 

WO dtp = ^.dt 

Die letzteren Formeln sind aber im Wesentlichen identisch mit 
denjenigen, welche C. Neumann auf Seite 205 seines Werkes »die elek- 
trischen Kräfte» gegeben hat. Gegenüber der von C. Neumann durch- 
geführten Untersuchung haben die im vorhergehenden mitgetheilten 
Rechnungen lediglich den Zweck, zu dem von ihm eruirten elektromo« 
torischen Elementargesetze auf einem möglichst einfachen Wege hinzu- 
gelangen und andererseits die Beziehung desselben zu den Gesetzen von 
Weber und F. Neumann hervortreten zu lassen. Dass jenes Gesetz das 
einzige ist, welches mit dem Princip der Erhaltung der Energie sich im 
Einklänge befindet, wenigstens so lange, als das Amperesche Gesetz als 
der vollständige Ausdruck der zwischen zwei Stromelementen vorbände^ 
nen ponderomotorischen Wirkung betrachtet wird, ist das Resultat der 
von C. Neumann von den allgemeinsten Grundlagen aus durchgeführten 
mühevollen Untersuchung. 

Wenn also 

1. Das Amperesche Gesetz als vollständiger Ausdruck der ponde^ 
romotorischen Wechselwirkung zweier Stromelemente betrachtet wird, und 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 33 

2. die Anforderung gestellt wird, dass das Frincip der Erhaltung 
der Energie für je zwei Elemente der Körper A und B gewahrt bleiben 
soll, so wird man mit Nothwendigkeit hingeführt zu dem von Carl Neu- 
mann au%estellten elektromotorischen Elementargesetze. 

In Betreff der Berechtigung der ersten Hypothese kann hingewiesen 
werden auf die Bemerkungen, welche wir am Schlüsse des ersten Theiles 
der vorliegenden Untersuchung gemacht haben. Es bleibt daher nur 
übrig auch die zweite Forderung einer näheren Untersuchung zu unter- 
werfen. Es sind mit Bezug auf dieselbe zwei Alternativen möglich; 
man kann entweder verlangen, dass das Princip der Erhaltung der Energie 
für zwei von galvanischen Strömen durchflossene Leiterelemente -Dv^ und 
Düj unter allen Umständen gelten soll, also auch dann, wenn die 
beiden Elemente zwei grösseren leitenden Körpern A und B angehören, 
oder aber kann man sagen: das Frincip der Energie braucht für ein 
£lementenpaar T>v^ und Dl;^ nur dann erfüllt zu sein wenn 
dasselbe isolirt ist, d. h. jedes Element rings umgeben von einem nicht- 
leitenden Körper. Im erstem Falle würde das C. Neumannsche Gesetz 
in der That die zwischen irgend zwei Elementen stattfindende elektro- 
motorische Gesammtwirkung repräsentiren ; im zweiten Falle dagegen 
können wir folgendes bemerken, wenn zwei Leiterelemente rings um- 
geben sind von nichtleitender Substanz, so ist eine galvanische Strömung 
der Elektricität in denselben nicht denkbar ohne gleichzeitige elektro- 
statische Ladungen, welche durch die Strömung an der Oberfläche und 
im Innern erzeugt werden. In diesem Fall kann also die elektromoto- 
rische Kraft, welche von dem einen Element auf das andere ausgeübt 
wird herrühren einmal von der in Strömung befindlichen Elektricität, 
dann aber auch von den entstehenden oder verschwindenden statischen 
Ladungen. Nun lässt sich die nach dem C. Neumann'schen Gesetze 
stattfindende gesammte elektromotorische Wirkung zerlegen in zwei Com- 
ponenten; die erste derselben ist identisch mit der Weberschen Kraft, 
die zweite hat den Werth 



JS". = — ^A^i 







.yr-s-^.^. 



Mathm. Glosse. XX. 1. E 



34 EDUARD ßlECKE, 

Diese Zusatzkraft zu der Weberschen elektromotorischen Kraft kann 
auf Grund der im ersten Abschnitt eingeführten Bezeichnungen auf die 
Form gebracht werden : 



2:, = -442 



d_( d<fi dtfj\ , 8 l dtp d^\ 



Dv.Dv^ 



oder wenn wir eine Integration über die Oberfläche des Elementes Dt;^ 
in den ersten drei Termen ausführen : 

Wir sehen also dass diese Neumann'sche Zusatzkraft in der Thaf 
nur abhängt von den freien Elektricitäten « welche sich in dem Element 
Dv\^ ansammeln. Wenn also das Princip der Erhaltung der Energie 
nur für zwei physisch isolirte Leiterelemente gelten soll, so kann das 
0. Neumannsche Elementargesetz auch ersetzt werden durch ein anderes 
Gesetz, welchem zufolge die von einem Körper B, welcher Träger irgend 
welcher elektrischer Strömungen ist, auf einen Punkt eines leitenden 
Körpers A ausgeübten elektromotorischen Wirkungen zwei ganz ver- 
schiedenen Ursachen ihr Dasein verdanken; nemlich erstens den 
in B vorhandenen galvanischen Strömungen , zweitens den in £ 
stattfindenden Ansammlungen freier Elektricität. Die von 
den galvanischen Strömen herrührenden elektromotorischen Kräfte be- 
stimmen sich dann nach dem Weberschen Gesetz. Wenn aber ausser- 
dem eine Stelle des Körpers B ein Sammelpunkt freier Elektricität ist, 
so wird von derselben auf irgend einen Punkt des Leiters A eine wei- 
tere elektromotorische Kraft ausgeübt, deren Componente nach der Rich- 
tung Sq gegeben ist durch: 

^ — — 4A^^ ^ ^ Dv 
^0 — *^ dt 'ds'dt -^^0 



ÜBER DIE ELEKTRISCHEN ELEMENTARGESETZE. 35 

wo tj die ganze Menge freier Elektricität bezeichnet, welche an der 
betrachteten Stelle zur Zeit t koncentrirt zu denken ist. 

Es wird also, wenn wir diese Auffassung adoptiren, bei Zugrunde- 
legung des Ampereseben pon(leromotorischen Gesetzes das Princip der 
Energie dadurch gewahrt, dass zu dem Weber'schen elektromotorischen 
Elementargesetz noch eine Zusatzkraft gefügt wird, ausgehend von den 
Stellen , welche Sammelpunkte freier Elektricität bilden. Es leuchtet 
ein« dass man auch umgekehrt das Ampere sehe Gesetz als voll- 
ständigen Ausdruck der ponderomotorischen Wirkungen 
fallen lassen, das Webersche Gesetz als den vollständigen 
Ausdruck der elektromotorischen Wirkungen adoptiren könnte; 
das Princip der Energie würde dann gewahrt werden durch eine Zusatz- 
kraft zu dem Ampereschen Gesetz , welche ihren Ursprung ebenfalls in 
den Sammelstellen freier Elektricität haben würde; eine genauere Be- 
trachtung zeigt, dass diese Zusatzkraft zu dem Ampereschen Gesetze 
aus zwei Componenten bestellen würde, von welchen die eine entspräche 
einer Wirkung der im Elemente Dv^ stattfindenden Ansammlungen 
freier Elektricität auf die Strömung im Elemente Dv^ , die andere um- 
gekehrt einer Wirkung der Strömung des Elementes Dv^ auf die An- 
sammlung freier Elektricität in Dv^, 

Bezeichnen wir durch e^ die ganze Menge freier Elektricität, welche 
sich zur Zeit t im Inneren oder auf der Oberfläche des Elementes Dv^ 
befindet, durch e^ ebenso die freie Elektricität des Elementes Dv^, so 
ergiebt sich für die Componente der Zusatzkraft zu dem Ampereschen 
Gesetz nach der X Axe des im Baume festen Coordinatensystemes der 
Werth 

^^ dt ^Ids^'dxo ^ 

und zwar ist diess die X Componente der von dem Elemente Dv^ auf 
DVq ausgeübten Wirkung. 



ABHANDLUNGEN 



DER 



HISTORISCH -PHILOLOGISCHEN CLASSE 



DER 



KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN 

ZU GÖTTINGEN. 



ZWANZIGSTER BAND. 



Histor.-phüolog. Classe XX. 1, 



Die Quantitätsverschiedenheiten in den Samhitä- und 
Pada- Texten der Veden 

von 

Theodor Benfey. 

Zweite Abhandlang: 

Wortauslautende d i ü in der Sawhitä statt entsprechender Kürzen im 
Pada in der 6ten TSilbe achtsilbiger und in der 8ten und lOten Silbe 

elf- und zwölf silbiger Stollen. 



Vorgelegt in der Sitzung der Königl. Ges. d« Wiss. vom 6. Februar 1875. 

Xill. 
§ 1. 

JJie Dehnung von wortauslautenden a % u des Pada -Textes zu 
ä, f, ü in der Samhitä in der 6ten Silbe achtsilbiger sowie in der 8ten 
und lOten elf- und zwölfsilbiger Stollen , wenn das folgende Wort nicht 
mit einem Vokal und nicht mit mehr als einem (vgl. Iste Abhdlg. 
in Bd. XIX S. 231) Consonanten beginnt, wird im Rigveda-Präti9dkhya (M. 
MüUer'sche Ausg.) Regel 523 ff. (vgl. 433) gelehrt und näher bestimmt. Ob- 
gleich in den drei übrigen Prätigäkhya's nicht in derselben Form, wie in dem 
des Rigveda, vorgetragen findet sie doch auch in denjenigen Veden, zu 
denen diese gehören, ihre Anwendung (vgl. die hieher gehörigen Dehnungen 
in dem Vfijasaneyi-Prätigdkhya III. 96 ff., im Taittiriya-Pr&ti?. III. 8 ff. 
und Whitney zum Atharva-Prdti?. IIL 16.) 

Bei der Zählung der Silben ist nicht der Pada -Text, sondern der 
der Samhit& massgebend; z. B. Rv I. 32, 5 lautet derPada-Text 

skdndhämsi-iva küli^ena vlvriknä 
darin ist das auslautende na in külifena die 9te Silbe und der Stollen 

A2 



4 THEODOR BENFEY, 

zwölfsilbig; jenes ^na würde demnach, wenn der Pada-Text massgebend 
wäre , nicht zu dehnen sein ; allein in der Samhitd wird skändhämsi-iva 
zn skdndhämsiva zusammengezogen; in Folge davon wird jenes ^na in der 
Samhitd zu der achten Silbe in einem elfsilbigen Stollen und sein Vokal 
demnach gedehnt 

skändhämsiva küli9en^ vivrikr^. 
Diese Dehnung ist — abgesehen von den weiterhin anzuführenden 
Ausnahmen — so durchgreifend, dass es genügen wird, sie durch einige 
Beispiele zu belegen. 

1. Dehnung in der 6ten Silbe achtsilbiger Stollen : 
eines a, z. B. Rv. IIL 29, 10 = VS. III. 14 = TS. I. 5. 5. 2. = 
Ath. III. 20, 1 (die drei letzten mit Varianten, welche jedoch nicht 
die Dehnung berühren): 

Rv. Fada: ätha nah vardhaya glrah 

— Samhitä: dthd no vardhayd girah 

Die VS. und TS. lesen rayim statt ^/raA; der Ath. zugleich d(2Aa statt äthä. 
ferner Rv. VIII. 45. 22 = Sv. I. 2. 2. 2. 7 = Ath. XX. 22, 1 
Rv. Fada: abhi tvd vrishabha sut^ 

— SamhitÄ: abhl tvd vrishabhd sutö 

ferner in der VS. XI. 72, d = TS. IV. 1. 9. 3, i. d. in einem nicht im 
Rv. vorkommenden Verse (vgl. VFr. III. 128; TFr. III. 8.) 

Fada: dgne tv&m tara mrldhah 

Samh. : dgne tvdm tara mridhah 
zu lesen tudm, oder nach indischer Weise tuväm (s. §. 3). 
einest z. B. Rv. VIII. 84 (73), 3 = Sv.U. 5. 1. 18. 3 = VS. XIIL 52 

Rv. Fada: nrln pdhi (rinudhi girah 

— Samh.: nrft^h pdhi 9rinudhf girah 
Der Samaveda hat die spätere Form friuuht. 

ferner Rv. V. 24, 3 = VS. III. 26 

Rv. Fada: sdh nah bodhi 5rudhi hdvam. 

— Samh. : sd no bodhi (rudhf' hdvam. 
vgl. auch Rv. V. 9, 5*. 

eines «, z. B. Rv. I. 10, 11 



QÜANTITATSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAJI/HITA- ü. P ADA-TEXTEN ETC. 5 

Rv. Pada: nävyam dyuh prä 6ü tira 

— Samh. : nävyam d yuh prä sü' tira. 

ferner TS, IV, 1. 10. 3 (= VS. XL 82. wo jedoch VL.) 

TSamh. üd vdrca üd H balam 
während der Pada-Text u hat (vgl. TPr. III. 14). Die VS. hat statt üd 
ü die Leseart ätho , vor welchem natürlich statt vdrca der phonetischen 
Regel gemäss vdrco erscheint. Beiläufig bemerke ich, dass in beiden 
Samhitä's vdrca wahrscheinlich dreisilbig mit einem Vokallaut zwischen 
r und c zu sprechen ist, über dessen eigentlichen Klang die vedischen 
Phonetiker nicht übereinstimmen ^). 

2. Dehnung der 8ten Silbe in elfsilbigen Stollen: 
eines a, z. B, Rv. IX. 97, 36 = Sv. IL 2. 2. 10. 3 

Rv. Pada : vardhäya vd'cam jandya püram-dhim. 

— Samh. : vardhdyä vdcaw jandy4 pürawidhim. 

ferner Rv. X. 53, 8 = VS. XXXV. 10 = Ath. XII, 2. 26 (V. L.) 
Rv. Pada: üt tishthata prd tarata sakhdyah 

— Samh.: üt tishthata prd tarattf sakhdyah 

Der Ath. liest statt der beiden ersten Wörter vträyadhvam. 
ferner Rv. X. 180, 1 = TS. III, 4, 11. 4. 

Rv. Pada: Tndra d' bhara däkshinena vdstlni 

— Samh. : TudrÄ' bhara däkshiwenrf vdstlni. 

Dass auch der Pada - Text der TS. ddkshinena, hat , bezeugt deren 
Prdtii?. IIL 10. 

eines i, z. B. Rv. V. 81, 10 

Rv. Pada: grinttä agn^h etdn nd (tishalh 

— Samh. : grinit^ agnir etdri nd ^tishaih 
ferner Sv. L 5. 2. 2. 9 

Sv. Pada: pfvarfm isham krinuhi nah Indra 

— Samh.: pfvarfm isham krinuhf na Indra 
eines u, z. B. Rv. VL 63, 10 



1) vgl Whitney zum Atharva-Prdti^&kbya 8. 67. 66 und meinen AuÜBatz 
,Ueber ri, rl und \f in 'Orient und Occideiit*, III. 25. 



6 THEODOR BENFEY, 

Rv. Pada: bharät-ydjdya vira nü giri dät 

— Samh.: bharädvdjäya vira nü' gir^ dftt. 
ferner Rv. V. 83, 10 

Rv. Pada: ävarshih varshdm üt dm sü gribhdya 
Samh. : ävarshir varshäm üd u sh4' gribhäya. 
3. Dehnung der 8ten Silbe in zwölfsilbigen Stollen : 
eines a, z. B. Rv. I. 94, 1 = Sv. I. 1. 2. 2. 4 

Rv. Pada: ägne sakhy6 md' rishäma vaydm tAva 

— Sawh. : ägne sakhy6 md' rish&ra4 vayäm tava 
Bein, rishama in meiner Ausgabe des Sv. ist Druckfehler. 

ferner Rv. IL 36. 3 = VS. XXVI. 24. 

Rv. Pada: ni barhlshi sadatana ränishtana 

— Samh. : ni barhishi sadatana ränishtana. 

ferner Rv. VIII. 89 (78). 7 = Sv. IL 6. 2. 19. 3 = TS. L 6. 12. 2. 
Rv. Pada: gharmdm nd sS'man tapata suvriktibhih 

— Samh. : gharmdm nd sd'man tapata suvriktibhih 

ferner Rv. L 102, 4 = Ath. VIL 50, 4. 

Rv. Pada: asm&lcam die^m üd ava bhdre-bhare 

— Sawh. : asmd'kam d^fam üd av4 bhdrebhare. 
eines u z. B. Rv. VIIL 27, 9 

Rv. Pada: nd ydd dürd't vasavo nü cid dntitah 

— Samh.: nd ydd dürd'd vasavo nit cid dntitah 
ferner Rv, VI. 18, 8 

Rv. Pada : sdh ydh nd muh6 nd mfthu jdnah bhü't 

— Samh. : sd y6 nd rauh6 nd mfthö jdno bhü't. 
vgl. ähnlich TS. IV. 6. 9. 4. 

4. Dehnung der lOten Silbe in elfsilbigen Stollen: 
eines a z. B. Rv. L 186, 1 = VS. XXXIII. 34. 
Rv. Pada: dpi ydthfi yuvdnah mdtsatha nah 

— Samh.: dpi ydthd yuvdno mdtsathtf no 

ferner Rv. VII. 59. 8 = TS. IV. 3. 13. 4 (wo V. L., jedoch nicht in 
Bezug auf diese Dehnung) 



QÜANTITÄTSVERSCHEEDENHEITEN IN D. SAüf HITÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 7 

Kv. Pada: täpishthena hdnmand hantana täm 

— Samh. : täpishthena hdnmanä hantana tdm 

Die TS. hat statt hanmand die V. L. täpasä, bezüglich der Dehnung 
in hantand vgl. TPr. 3, 10. 
eines • z. B. Rv. III. 54, 22 

Rv. Pada: dhä vi9vd su-mdndh didih» nah 

— Sawth. : ähä vifvd sumdnä didih? nah 
ferner Rv. X. 12, 3 = Ath. XVIII. 1, 32 

Rv. Pada: svdvrik devdsya amrftam yddi göh 

— Samh. : svdVrig devasydmntawi yadf göh. 

Bern. In deväsydmritam ist beim Lesen die Contraction der aus- und 
anlautenden a zu 4 wieder rückgängfg zu machen (vgl. §. 2 und 3). 
eines u z. B. Rv. VI. 18. 8 

Rv. Pada: purd'm cyautnd'ya 5aydth4ya uü cit 

— Sawih. : pura w cyautnd'ya ^aydthdya ntf' cit. 

5. Dehnung der lOten Silbe in zwölfsilbigen Stollen : 
eines a z. B. Rv. II. 34, 9 

Rv. Pada: dva rudrdh a^dsah hantana vddhah 

— Samh. : dva rudrd a^dso hantana vddhah 
femer Ath. VIII. 82, 3 

Samh. : ihalvdgne ddhi dhdray4 raylm 
Der Pada-Text hat dhäraya, und es ist mit Aufhebung der Con- 
traction ihaivd agne zu lesen (vgl. §. 2. 3). 

eines % z. B. Rv. VI 51, 13 = Sv. I. 2- 1. 1. 9 

Rv. Pada: ddvishtham asya satpate kndh< sugdm 

— Saiwh.: ddvishtham asya satpate kridhf sugdm. 

eines u z. B. Rv. VI. 15, 5 = VS XVII. 10 = TS. IV. 6. 1. 2. 
Rv. Pada: ttl'rvan nd yd man ^tafasya nii rd»e 

— Samh.: td'rvan nd yd mann aafasya uü' rdne. 

§. 2. 
Wenn man die Silben in dem uns überlieferten Samhitd-Text so spricht, 
wie dieser sie giebt, dann scheint die Dehnung nicht selten an falscher 
Stelle zu stehen, wie diess schon in einigen der in §. 1. au%eführten Bei- 



8 THEODOR BENFET, 

spielen hervortrat. In solchen Fällen ist, wie diess von den Verfassern 
des Rig-Prdti54khya, derRig- und Väjasaneyi- Annkram ant, sowie Pingala 
bemerkt ist, der Samhitd-Text anders zu lesen, als die Form, in 
welcher er vorliegt, eigentlich fordert. Sie schreiben vor. dass man, um 
die richtige Silbenzahl in unvollständigen Stollen zu erlangen, Vokal- 
contraction6n der Sa^nhitd wieder aufheben — wie diess in mehreren Fällen 
auch von uns im vorigen Abschnitt geschehen ist — und in Consonanten- 
Gruppen, welche ein y oder t? enthalten vor diesen den verwandten Vokal, 
bezüglich % u, lesen soll (vgl. Rig-Prdti?. r. 527. 973. 974, bei Regnier 
IL p. 20; III 193 — 196; speciell p. 193; sowie Weber VS. L p. 
LVII und LIX). 

' Es ist nun aber nicht dem geringsten Zweifel zu unterwerfen, dass 
der Rigveda zu der Zeit, als der Saiwhitd-Textfixirt ward, nicht in dieser 
Weise vorgetragen wurde. Denn wäre diess der Fall gewesen , dann 
würden ihn die Diaskeuasten uns sicher auch in dieser Form überliefert 
haben. So gut wie sie eine Menge andre Inconsoquenzen im Vortrag 
des Rigveda bewahrt haben, würden sie auch iy und uv in den Stellen 
fixirt haben, wo die Vf. des PrÄti^äkhya diese Aussprache zur richtigen 
Lesung des Metrum für noth wendig hielten, wenn sie sie in ihnen von ihren 
Autoritäten gehört hätten; ist diess doch bekanntlich in vielen Fällen 
die überlieferte Aussprache and Schreibweise der Taittirfya - Samhitft ; 
warum hätten die Diaskeuasten der Rigveda sie verschmähen sollen, 
wenn sie sie bei ihren Geranten vorgefunden hätten? 

Hatten die Diaskeuasten des Rigveda die Samhitd desselben aber 
nur in der Form gehört, in welcher sie sie fixirt und uns überliefert 
haben, dann haben sie sie, wie sich auf das stricteste beweisen lässt, 
nicht in einer metrischen Form gehört, sondern in einer Vortragsweise, 
in welcher das Metrum vollständig oder wenigstens fast vollständig ver- 
dunkelt war 

Allein eben diese Diaskeuase scheint wesentlich den Anfang zu 
einer nicht einzig rituellen oder religiösen Benutzung dieser Lieder ge- 
bildet zu haben ; sie eröffnete vielmehr , oder, wenn dieser schon irgend- 
wie eröffnet war, erweiterte den Weg zu einer wissenschaftlichen Be- 



QÜANTITÄTSVEBSCHIEDENHEITENIND. SAJl/HITA- ü. PADA-TEXTENETC. 9 

handlung derselben. Dabei mussten die Versuche ein grammatisches 
Verständniss durch Zerlegung des Sawihitd- Textes in die ihn bildenden 
einzelnen Wörter zu gewinnen, zu manchen andern Vortragsweisen führen, 
bei denen in unzähligen Versen oder wenigstens Stollen das durch die 
überlieferte Vortragsweise verdunkelte Metrum in seiner Gesetzmässigkeit 
wenigstens in so weit hervortrat, dass es sich in seinen Hauptzügen einer 
eindringenden Forschung nicht mehr zu entziehen vermochte. 

Dabei konnte denjenigen, welche sich mit dem verhältnissmässig so 
umfangreichen Bigveda beschäftigten kaum entgehen, dass unter den 
vielen Quantitätsverschiedenheiten überaus häufig Dehnungen in sonst völlig 
regelmässigen Stollen erscheinen, in denen das Metrum fast ausnahmlos 
eine prosodische Länge zeigt, So z. B. fanden sie in achtsilbigen Stollen 
fast stets die 6te Silbe lang, z. B. Kv. L 2. 1' in darf^ , 1* in ^rawk^; 
was lag da näher, als anzunehmen, dass in dem 3ten Stollen desselben 
Verses, dem im übrigen regelmässigen tishdm pdhi frudhi hävam, das 
lange ( in frudhi statt des grammatischen kurzen [grudhi) nur dem Ein- 
fluss des Metrum verdankt werde. Aehnlich verhält es sich mit den 
in diesem Abschnitt zu besprechenden Dehnungen in der 8ten und lOten 
Silbe elf- und zwölfsilbiger Stollen. 

Wenn von diesem Gesichtspunkte aus dieses Resultat ihrer Forschung 
als ein nahe gelegenes erscheinen muss, so giebt es doch Umstände, 
welche das Festhalten desselben sehr erschweren mussten und es ist als 
ein Beweis des sichern Blickes der indischen Forscher anzuerkennen, 
dass sie sich durch alle diese Schwierigkeiten an dem, was sie erkannt 
hatten, nicht irre machen Hessen. 

Unter diesen Umständen nehmen eine hervorragende Stelle ein zu- 
nächst die vielen Fälle, wo die Dehnung wie schon bemerkt, wenn man 
dem Samhitft-Text unverändert folgt, nicht auf die von der Regel vorge- 
schriebene Silbe fällt; ferner eine nicht geringe Zahl von Ausnahmen. 

§. 3. 
Wie sie die Bedeutung des ersten Umstandes wegräumen, ist im 
Allgemeinen schon im vorigen §. angedeutet ; doch müssen wir uns eine, 
Histar.'phüolog. Glosse XX. 1. B 



10 THEODOR BENFET, 

wenn auch nicht erschöpfende, doch etwas mehr eingehende, Darstellung 
und Erläuterung durch einige Beispiele verstatten. 

Die Regeln werden im Rv. -Pr. an zwei Stellen gegeben. Zuerst 
in der Ausgabe von M. M. r. 527 = Regnier zu Pr. VIII. 22 (beson- 
drer Abdruck T. II, p, 20) in unmittelbarem Anschluss an die vorher 
(M. M. 523 — 526) vorgeschriebene Dehnung der 6ten, 8ten und lOten 
Silbe. Hier begegnen sie also dem Einwände, welchen man dem Sam- 
hitd-Texte gegen die Richtigkeit dieser Regeln in den Fällen entnehmen 
könnte, wo er, unverändert ausgesprochen, die Dehnung in einer andern 
Silbe zeigen würde. Sie schreiben vor, wie dieser Text dann im Vor- 
trage zu ändern sei, damit die Dehnung auf die regelrechte Silbe falle. 

Zum zweitenmal erscheinen sie in der Ausgabe von M. M. r. 973 
und 974 = Regnier XVII. 14 (vgl. die dazu gehörigen Erläuterungen 
im besonderen Abdruck III. 193 — 196); hier bilden sie einen Theil der 
Vedenmetrik und lehren , wie man zu verfahren habe , um wo der Sant- 
hitft-Text, unverändert vorgetragen, die richtige Silbenzahl eines Metrums 
nicht ergeben würde, diese durch Veränderung des Vortrags zu erlangen. 

Die Mittel sind an beiden Stellen wesentlich dieselben. Sie be- 
stehen darin, dass zu diesem Zweck 

1., Zusammenziehungen von zwei Vokalen zu einem {ekabhämnäm 
RPr. 527, ekdksharihhAvän 973) , welche den Sandhigesetzen gemäss — 
d. h. im Aus- und Anlaut zusammentreffender Wörter oder Composi- 
tionsglieder — in der Samhitä Statt gefunden haben, wieder rückgängig 
gemacht werden. Als ein Beispiel führt der Scholiast an Rv. X. 103, 
13' = Sv. II. 9. 3. 5. 2. = VS. XVIL 46 = Ath. III. 19, 7. Die 
Satnhitd des Rv. und ebenso der verglichenen, des SV., der VS. und des 
Ath. liest hier 

pr^tä jdyatä nara 

Der Auslaut in jdyatd erscheint im Pada-Text kurz; die Dehnung 
ist aber in Rv-Pr. nicht besonders vorgeschrieben, wie diess z. B, r. 518 
für die des ^td (statt ^td im Pada) in pr^td geschieht. Die Verfasser 
des PrÄti9. haben also angenommen, dass sie kraft der allgemeinen Regel 
Statt gefunden hat. Der Vers , welchem dieser Stollen angehört, ist als 



QÜANTITATSVERSCHIEDENHEITENIN D. SAJtfHITA- U. PADA-TEXTEN ETC. 11 

Anushtubh erkannt, d. h. er besteht aus vier achtsilbigen Stollen. In 
einem achtsilbigen Stollen wird aber, der allgemeinen Begel (§. 1} ge- 
mäss, ein grammatisch kurzer wortlauslautender Vokal gedehnt, sobald 
er die 6te Silbe schliesst und nicht unter die weiterhin (§. 10 — 15) zu 
erwähnenden Ausnahmen fallt, was hier nicht Statt findet Spricht man 
nun den Vers in der Form, wie er in der Sawihitä erscheint, dann bildet 
dieses ^tä die fünfte Silbe und die Dehnung würde dem Prdti?. wi- 
dersprechen. Hebt man dagegen die in pritd vorliegende Contraction 
der beiden Wörter prä itd nach Pr. 527 und 973 wieder auf, und 
spricht demnach 

prä itä jayatä nara 
dann fällt die Dehnung in die 6te Silbe und entspricht der allgemeinen 
Regel. 

Als zweites Beispiel giebt der Scholiast Rv. VI. 12, 4*, wo die 
Sainhitä lautet 

sd'smä'kebhir etäri nä (tlshafr 
dem auslautenden ( in etdri entspricht in Pada f und auch diese Deh- 
nung ist im Ry-Pr. nicht besonders angemerkt, d. h. sie ward von den 
Verfassern ebenfalls als eine der allgemeinen Regel entsprechende be- 
trachtet. Der Vers ist eine Trishtubh d. h. er besteht aus vier elfsil- 
bigen Stollen. In diesen wird regelmässig ein grammatisch kurzer wort- 
auslautender Vokal in der 8ten Sibe gedehnt; allein wenn man dem Samhiti- 
Text folgt, istM nicht die 8te sondern 7te Silbe ; sie wird jedoch zur 8ten sobald 
man die Zusammenziehung sd'smd'kehhir aus, wie die Inder annehmen, 
8dh asmd'kebhir rückgängig macht Wie aber nun nach indischer Ansicht 
zu lesen sei, darüber schweigt der Scholiast, obgleich eine Angabe da- 
rüber nicht ohne Werth und kaum zu umgehen gewesen wäre. Wollte 
man nämlich nach Aufhebung der Ck>ntraction den in der Samhitd herr- 
schenden Sandhi-Regeln folgen, dann hätte man sprechen müssen so 
asmd'kebhir. Ich zweifle sehr, dass die Verfasser des Pr. dem überlieferten 
Vortrag gegenüber eine so völlig verschiedene Aussprache gewagt haben 
würden, kenne jedoch kein Mittel, die von ihnen gewählte mit Sicher- 
heit zu bestimmen. Für uns dagegen ist es nicht dem geringsten 

B2 



12 THEODOR BENFEY, 

Zweifel zu unterwerfen, dass hier, wie in so unzählig vielen Fällen, ein 
Rest des ursprünglichen Vortrags der ältesten Lieder bewahrt ist , in 
denen die den Sandhi-Gesetzen entsprechenden Wortverschlingungen erst 
in selteneren Fällen angefangen hatten hervorzutreten. Man kann daher 
höchstens schwanken, ob in Uebereinstimmung mit der indogermanischen 
Urform sd {= goth. sa, griech. 6) gesprochen ward, oder zwar schon 
sah aber mit so fast völlig unhörbarem Visarga, dass die Recitirer, wel- 
che vor der Zeit der Diaskeuase, insbesondre durch eine immer mächtiger 
werdende Scheu vor Hiatus, die alte Aussprache in ihrer Vortragsweise 
umwandelten, durch ihn nicht abgehalten werden konnten hier, wie in 
vielen ähnlichen Fällen, Contraction eintreten zu lassen (vgl. die Iste 
Abhdlg. in Bd. XIX S. 251 und 246 fF.). Beachtenswerth ist hierbei 
noch , dass die eine oder die andre Aussprache so. sehr gesichert war, 
dass die Recitirer nur zur Contraction getrieben wurden, nicht aber die 
fast allgemeine Regel geltend machen konnten, wonach so asnUH^ hätte 
entstehen müssen. 

Ich will hierbei nicht unbemerkt lassen, dass zu den durch Sandhi 
zu einem gewordenen Vokalen auch die Fälle gehören , wo anlautende 
a hinter auslautendem e oder o in der Samhitd eingebüsst sind. Auch 
dieses ist ein eins werden zweier Vokale, vgl. RPr. 138 ekfbha- 
vati. Auch diese Verbindung darf somit nach r. 527 , 973 zur Er- 
gänzung der Silbenzahl eines Stollens wieder aufgehoben werden und 
diess ist nicht selten geschehen, z. B. stets wo a auf diese Weise im 
Anfang eines Stollens in der Samhitä eingebOsst ist; denn nur dadurch 
kann die Silbenzahl eines so in der Samhita verstümmelten Stollens ver- 
vollständigt werden; vgl. auch Rv. V. 41, 5* in § 12 und Rv. I. 36, 12 
in § 15 unter dsH. Der neueren Forschung gemäss ist ein in dieser 
Weise in der Samhitä eingebüsstes a fast durchweg zu sprechen (vgl. das 
genauere in der Lautlehre). 

2. Das zweite Mittel besteht , ähnlich wie das erste, darin , dass 
die in der Samhitd den Sandhi-Regeln gemäss eingetretene Verwandlung 
von r und u zu bezgl. y und v wieder rückgängig gemacht wird. So 
lautet Rv. I. 161, 11* in der Sa^nhitd: 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIN D. SAJfHITA- Ü.PADA-TEXTENETC. 13 

advätsv asmä akrinotand trinam 
mit Dehnung des grammatischen ^na in akrinotand. Diese Dehnung ist 
wiederum im Rv-Pr. nicht besonders bemerkt, also von den Verfassern 
desselben angenommen, dass sie unter die allgemeine Begel föllt. Das 
Metrum des Verses ist Jagati d. h. vier zwOlfsilbige Stollen; in diesen 
wird ein auslautender Vokal in der lOten Silbe gedehnt; allein in dem 
Samhitd- Vortrag ist ^nä nicht die lOte, sondern erst die 9te Silbe, Jene 
erhält man aber sobald man die Sandhi- Kegel, wonach v in tidvdtsv aus 
u entstanden ist, rückgängig macht. Dann treten an die Stelle der vier 
Silben, welche vdvatsv asmd in der Sa^nhitd bilden, deren fünf. 

3. Wenn die Silbenzahl der Ergänzung bedarf, soll man über- 
haupt y und V, welche in einer Consonantengruppe erscheinen, auf die 
entsprechenden Vokale t, u zurückführen und so eine Silbe gewinnen. 
Das Beispiel, welches der Scholiast in Bezug auf diese Regel anführt, 
findet sich Rv. L 61, 12" = Ath. XX. 35, 12. Es lautet in der Samhitd 

g6r nä pdrva vi radä tira9cd^ 
Auch hier ist die Dehnung des auslautenden d in radd im Prdti9. 
nicht besonders angemerkt, also von den Verfassern desselben für eine 
unter die allgemeinen Regeln fallende genommen. Das Metrum des 
Verses ist Trishtubh und diess wird noch ausdrücklich vom Scholiasten 
zu Präti9. 976 bemerkt; der Stollen müsste also elfsilbig sein und die 
regelmässige Dehnung in der 8ten Silbe eintreten. Allein in der 
Form der Samhitä ist ^dd erst die siebente; sie wird jedoch zur achten, 
wenn man pdrva^ stattzweisilbig, dreisilbig spricht (vgl. jedoch § 4). 

4. Zwar nicht an der ersten Stelle (Rv.-Pr. 527), wohl aber in 
der zweiten (974) wird in Bezug auf die Verwandlung von y und v vor- 
geschrieben, dass jenes, im Fall einer durch sie herbeizuführenden Sil- 
benergänzung, zu iy, dieses zu uv werden, also das Beispiel in 2 udvätsuv 
asmd, das in 3 päruva gelesen werden soll. 

§•4. 
Zu dem vorhergehenden Poragraphen mögen mir einige Bemerkun- 
gen ver stattet sein. 

Was zunächt das erste und zweite Mittel betrifft, so gilt die Zu- 



14 THEODOR BENFEY, 

rückfahrung der Sandhi-Um Wandlungen auf die ursprüngliche Form, der 
deutschen Vedenforschung zufolge, in weit grössrem Umfang als das 
Bv-Präti^. mit Bestimmtheit lehrt. 

Was die Contraction eines ein Wort oder Compositionsglied schlie- 
ssenden ^ mit einem nachfolgend anlautendem Vokal oder Diphthong betrifft, 
so ist sie zwar im Allgemeinen die Regel, erleidet aber so viele Aus- 
nahmen, dass man sieht, dass sie eigentlich nur ungefähr so eintrat, wie 
bei uns die Elision eines auslautenden e vor nachfolgenden Vokalen. 
Manche Wörter giebt es sogar, bei denen die Nicht-contraction so vor- 
herrschend ist, dass man fast vermuthen darf, dass sie in älterer Zeit 
die Regel war, so z. B. bei nd in der Bedeutung ^gleichwie*. Hier 
lasst sich auch vielleicht der Grund erkennen. Denn es hat bekannt- 
lich diese Bedeutung nur, wenn es dem verglichenen Worte nachfolgt; 
es scheint demnach, obgleich es seinen Accent bewahrt, so eng — fast 
enklitisch, wie auch aus einer andren phonetischen Erscheinung (der 
Lingualisirung des n) geschlossen werden darf — mit dem vorhergehen- 
den Wort zusammengesprochen zu sein, dass dadurch eine kleine Pause 
hinter ihm entstand, welche zu neuem vokalischen Einsatz — hiatus — Zeit 
gewährte. Doch erscheint na, wie ich nicht verhehlen darf, mehrfach 
auch in der Bed. nicht* uncontrahirt, Detaillirte Regeln in dieser Be- 
ziehung aufstellen zu wollen, wird bis jetzt um so mehr verfrüht sein, 
da unzweifelhaft das verschiedene Alter der vedischen Lieder, die Ver^ 
schiedenheit der Verfasser, der Oertlichkeit und andere noch dunkle Um- 
stände hier, wie in vielen andern vedischen Fragen, von Einfluss waren. 

Was die in der Samhitft fast durchgreifende Liquidirung auslauten- 
der T, ? betriffst, so ist umgekehrt so gut wie gewiss, dass sie bei me- 
trischem Vortrag fast ausnahmslos wieder aufzuheben ist« £s giebt nur 
wenige Fälle, wo sie mit etwas grössrer Regelmässigkeit Geltung hat; 
so z. B. in der Zusammensetzung zweisilbiger auf % oder u auslautender 
Präfixe mit den zu ihnen gehörigen Verben (wie ddhi, änu)^ seltner, 
wenn sie unzusammengesetzt voranstehen^ ). In jenem Fall hat die innige 

1) Das genauere in Bezug auf die in diesem Abschnitt angedeuteten phoneti- 
sehen Erscheinangen werden die Abbandlangen über die Vedischen Lautgesetze' liefern. 



QÜANTITÄT8VERSCHIEDENHEITEN IN D. SAJlf HITÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 15 

begriffliche Zusammengehörigkeit beider Elemente die engere, hiatuslose, 
Verbindung derselben herbeigeführt , in diesem augebahnt. Wo Liqui- 
dirung sonst in einem Liede häufiger erscheint, ruft sie den Verdacht 
einer verhältnissmässig spätem Abfassung desselben heryor. 

Zu dem einen in § 3 dem Scholiasten entlehnten Beispiele erlaube 
ich mir, des besseren Verständnisses wegen, noch zwei nachzutragen. 
Rv. IV. 18, 3* hat die Samhitä 

nä nd'nu gdny änu nd' gamäni 
Die Dehnung des ü in nif ist im Prätif. nicht besonders bemerkt; 
der Vers ist Trishtubh; damit sie an der regelmässigen Stelle, in der 
8ten Silbe, eintrete, ist ffdni änu (oder ffdniy dnu) auszusprechen. 

Rv. VII. 31, 12* = Sv. II. 9. 1. 11. 3 lautet die SawhitA 

hdrya^väya barhayä sdm dpf n 
Die Dehnung des auslautenden d in harhayd ist wiederum im Prdti9. 
nicht besonders angemerkt; der Stollen mfisste elfsilbig sein, dann würde 
die Dehnung der Regel gemäss auf die achte Silbe fallen; nach der 
Samhitd ist ^yd die 7te Silbe; sie wird jedoch zur Sten durch Vokalisi- 
rung des y in hdryagva, welches den Auslaut des vorderen Gliedes dieses 
Compositums, eigentlich harinafva, bildet; es ist sonach häri-Hifvdya oder 
hdriy^agvdya zu sprechen. 

Was endlich die Regel betrifft, nach welcher man y und v in einer 
Consonantengruppe überhaupt aus metrischen Gründen vokalisiren soll, 
so ist durch die deutsche Vedenforschung festgestellt, dass ursprüngliches 
r und u zwar im Sanskrit vor unähnlichen Vokalen zu y und v geworden ist, in 
denVeden aber gar nicht selten noch die ursprüngliche Gestalt herrschte 
und gewöhnlich nur in so fem eine leichte Umwandlung erlitten hat, 
als mit wenigen Ausnahmen lange f und tl vor Vokalen verkürzt wurden i). 



1) Schon die Declination der Themen auf }, ü bietet für diese Verkfirzmig sehr 
▼iele Beispiele ; hier möge nur eines angeführt werden Rv. I. 43, 6^ lautet in der Samhitd 
sugam meshdya mesbyd. 

Der Stollen gehört einer Gdyatrt an, hat demnach regelmässig 8 Silben und 
ziun Schlnss eine Dipodia iambica. Die Samhitd würde aber nur 7 Silben und als 
Schluss V gewähren, um nach Prdtif . 974 die richtige Silbenzahl zu erhalten» 



16 THEODOR BENFEY, 

Doch herrscht wegen der oben angedeuteten Umstände in den Veden 
keine vollständige Consequenz in Bezug auf die hieher gehörigen Wörter. 
Es giebt nur sehr wenige, bei denen die Aussprache mit t\ u (statt y, v) 
oder mit y, v durchgreifend erscheint , wohl aber ist die eine oder die 
andre die vorherrschende; theils danach, theils und zwar bisweilen noch 
mehr durch die Vergleichung der verwandten Sprachen lasst sich mit Sicher- 
heit oder mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit bestimmen, welche Aus* 
spräche in den hieher gehörigen Wörtern in der Veden zeit die herrschende, 
oder wenigstens vorherrschende war^). 

Beurtheilt man das von dem indischen Scholiasten für diese Regel 
gegebene Beispiel (Rv I. 61, 12^} nach diesem Criterium, dann wird man 
über die Richtigkeit desselben sehr bedenklich. Casus des Thema 
pdrvan erscheinen ausser an dieser Stelle noch 10 mal im Rv. aber an 
keiner derselben wird das v zum Vokal; ausserdem erscheint es in der 
Zusammensetzung fatä-parvan 5 mal nur mit v ; in a-parvän 1 mal ; in sth 
mapärvan 1 mal ; in vxCshaparvan 1 mal ; und in dem aus parvan abge- 
stumpften parva in der Zusammensetzung vi-parva 1 mal. Ferner findet 
sich das davon abgeleitete Adverb, parvafds viermal und ist ebenfalls 
nur mit v (nicht u) zu sprechen; dann erscheint das daraus, jedoch aus der 
Urform 'parvant in der geschwächten Gestalt parvat, abgeleitete pdrvata 
(eig. yon parvan 'Knoten' mit der Bed. 'knotig, knollig', bergig, und als 
Substantiv 'Berg') im Rv. 121 mal und ebenfalls stets nur mit v\ eben 
so erscheint nur v in dem davon abgeleiteten parvatia (Samh. parvatyä) 
einmal und in den Zusammensetzungen mit parvata nämlich, parvata^cyHt 
2ni?ü, parvatärvxidh 2 mal, parvate-shthä' Imal und Indrdparvata 3 mal. 
Demgemäss ist in parvan und den dazu gehörigen Wörtern 153 mal v 



muss man meshye durch Vokalisirung des y dreisilbig machen ; dadurch erhält man 
zugleich den richtigen Stollenschloss wenn man oach indischer Weise meshlye oder, 
wie wir vorziehen, meshXe liest; in letzterem Falle ist nach einer fast allgemein 
menschlichen Neigung das I vor dem folgenden Vokal verkürzt. 

1) Ich verweise in dieser Beziehung für jetzt auf meine Abhandig. über das 
Suffix ya in Bd. XVI (1871), hist.-phil. Cl. S. 91 £f. Genaueres wQrde ich in d^n 
Abhandlungen zur vedischen LautlebrQ geb^n, 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAi/HlTÄ- Ü.PADA-TEXTENETa 17 

(nicht u) zu sprechen; dem gegenüber ist es der neueren Vedenforschung 
gemäss fast so gut wie gewiss dass in der ganzen Vedenzeit nur parvan 
gesprochen ward und fast völlig unglaublich, dass in einem einzigon Fall 
die Aussprache mit Vokal statt v [parua oder paruva) gebraucht wäre. 
Freilich ist es nicht unmöglich, dass in der späteren Zeit, in Folge davon 
dass in nicht wenigen Wörtern und Wortelementen die vokalische und con- 
souantische Aussprache fast in gleicher Zahl, oft in demselben Vers vor- 
kam, sich die Ansicht zu bilden anfing, dass es in vedischer Poesie er- 
laubt sei promiscue, nach dem Bedüriniss des Metrums, bald die eine 
bald die andre Aussprache anzuwenden ; allein wer diesen 61sten Hymnus 
genauer betrachtet, wird sich schwerlich dem Eindruck entziehen können, 
dass er zu den ältesten Liedern gehört, in denen derartige Anschauungen 
schwerlich schon herrschten. 

Wir werden also kaum umhin können , dieses Beispiel schon nach 
dem bisher geltend gemachten Moment als ein irriges betrachten zu 
mQssen. Ob es vom Scholiasten herrührt, oder der alten mündlichen 
Erläuterung des Prdtifdkhya's angehört und in den Schulen überliefert 
war, lässt sich zwar bis jetzt nicht mit vollständiger Sicherheit ent- 
scheiden. Allein ich bin bei meinen Untersuchungen zu der mir höchst 
wahrscheinlichen und durch manche hier zu weit führende Momente 
unterstützten Vermuthung gelangt, dass im Allgemeinen die vom Scho- 
liasten angeführten Beispiele der Schulüberlieferung angehören und zwar 
schon von den Verfassern der Regeln ausgingen. In diesem Fall hätten 
wir hier ein Beispiel dafür — noch viele andre werden uns in Laufe 
unserer Untersuchungen entgegentreten — dass die Verfasser des Frfi- 
tifdkhya durch ihre metrische Forschungen noch keinesweges zu einem 
metrisch richtigen Vortrag der Veden zu gelangen vermochten. 

Wie der Vers richtig zu lesen sei, ist im Wesentlichen erst durch 
die neuere Forschung erkennbar. Diese hat nämlich in sehr vielen 
Fällen nachgewiesen, dass an die Stelle der in der Samhitd erscheinenden 
gewöhnlichen Sanskritformen nicht selten ältere, diesen vorhergegangene 
zu setzen sind. 

Gerade wie hier der Stollen mit yör beginnt, dann 2 Worte — ein 

Histor.'phüol. Glosse. XX. C 



18 THEODOR BENFE^Y, 

einsilbiges und ein zweisilbiges — dann sechs Silben folgen, so auch in Rv. 
I. 181, 8; davon unterscheidet sich I. 180, 5 nur dadurch, dass die drei 
auf das anlautende g&r folgenden Silben durch ein Wort gebildet werden 
und die dann folgenden Silben in der Samhitd zwar nur fünf sind, aber 
die beiden ersten, durch das Woit tangrtfö repräsentirten , nach Pratig. 
974 taugrijfö (nach uns taugriS) zu sprechen sind. 

Vergleichen wie die drei Stollen — 

I. 61,12 g6r nd parva vi radd tira9cä^ 
I. 181,8 gör nä s^ke mänusho dafasyän 
< I. 180,5 gör öheita taugriö (oder taugriyö, Samh. iaugryö) nä 

jivrih 
— so erkennt man, dass die richtige Lesung in allen dreien auf gleiche 
Weise herzustellen ist, femer dass diese Berichtigung innerhalb der 
ersten vier Silben vorzunehmen ist. In diesen ist aber allen drei Stollen 
nur das Wort g6r gemeinsam; darf man diess zweisilbig lesen, dann 
haben alle drei Stollen die richtige Silbenzahl — nämlich 11. und die 
Dehnung des a in radä tritt auf die der Regel entsprechende Silbe : die 8te. 

Diese Berichtigung hat Grassman in seinem Wörterbuch gewählt ; ob 
aber die specielle Veränderung, welche er vorschlägt, zu billigen sei, 
scheint mir sehr, ja mehr als zweifelhaft. Er will nämlich an die Stelle 
von gös die, abgesehen vom Accent, ursprüngliche indogermanische Form — 
das reine Spiegelbild des grieshischen /?o;:oV (ßoog), lateinischen bovis, — 
nämlich gdvas (accentuirt nach Analogie von gävd, gdve, givi, göbhis 
göbhgas, gdnAm) setzen. Dass aber diese noch fflr die vedische Zeit an- 
zusetzen sei, scheint mir kaum annehmbar. Zwar will ich kein Gewicht 
darauf legen, dass, wenn sie ursprünglich an diesen drei Stellen existirt 
hätte, vielleicht an einer derselben deren regelmässige Sandhiform gdvo 
bewahrt sein würde; denn es wäre nicht unnatürlich, wenn in dem das 
Metrum ganz verdunkelnden Vortrag der Recitirer die gewöhnliche, ihnen 
geläufige Sanskritform gör sich an deren Stelle gedrängt hätte. Allein 
der Sprung von der ursprünglichen Form gavas zu der gewöhnlichen gös 
ist zu gross, als dass wir nicht genöthigt wären, eine beide vermittlende 
Form anzunehmen, und die Vergleichung von avocam/a. s. w«, mehreren 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIND.SAJMHITA-Ü.PADA-TEXTENETC. 19 

Casus von maghdvan^ sowie gös selbst machen es höchst wahrscheinlich, 
dass der vedischen Zeit nicht mehr gavas, sondern die vermittelnde Form 
und die daraus hervorgegangene des gewöhnlichen Sanskrit angehören. 

Es ist nämlich unzweifelhaft * dass avocam, vocam u. s. w. für ur- 
sprüngliches avavMam, vavacam u. s. w. = griech. ipspBnov, ipspsna^ später 
dnov^ elnuj pspenor, pepsna, dann pelnop, pfüna^ und bItlop, alna) stehen; 
ebenso maghönas u. s. w. für ursprüngliches maghdvanas u. s. w. 

Dass diese Formen dadurch entstanden sind, dass va in ihnen (in 
avavacam das zweite), wie im Sanskr. so oft, zuerst zu u und dann mit 
dem vorhergehenden a, wie ebenfalls so sehr oft, zu o contrahirt wurden, 
wird eben so wenig zu bezweifeln sein. Wir haben also die Folge 
dvavaccm, ävaücam, dvocam, fnaghavan-, tnaghdün-^ maghön-. Wir dürfen 
also auch in Bezug auf das zu besprechende Wort die Folge gavas , gaüs^ 
gös ansetzen. 

Formen welche zu ^oc^ in avocam u. s. w. gehören kommen 120 mal 
im Rv. vor; allein in allen ist das ^vcf^ einsilbig zu sprechen, also in so 
vielen Fällen nicht eine Spur der ursprünglichen Form avavacam be- 
wahrt. Dadurch wird es wenigstens sehr unwahrscheinlich, dass statt 
der analogen Formen maghön-, gös in den Veden noch die Urform be- 
wahrt sei. 

Allein — kann man hiergegen einwenden — sowohl in Bezug auf 
maghan^ als gös zeigen sich wirklich Stellen , in denen das o in ihnen 
zwei Silben vertritt. 

Freilich steht die Anzahl dieser Stellen in einem solchen Missver- 
hältniss zu denen , in welchen es einsilbig ist, dass man auf den ersten 
Anblick fast, wie oben bei parva daraus schliessen möchte, dass auch 
für sie nicht erlaubt sei , Zweisilbigkeit anzunehmen : maghan- erscheint 
nämlich nur an drei Stellen, in denen das Metrum für ^^Ao^ Zweisilbig- 
keit fordert» nämlich 2 mal in Genetiv Sing, maghönas und einmal im 
Genetiv Dualis maghönos^ während es sich 62 mal einsilbig zeigt ^). Ebenso 
erscheint gös Gen. Si. nur an drei Stellen zweisilbig, während es — 
Abi. und Gen. Sing. — an 37 Stellen einsilbig erscheint^). 

1) Die Stellen findet man bei Grassmann. 

C2 



20 THEODOR BENFEY, 

Allein genauere Erwägung wird uns fiberzeugen , dass hier die 
Sache dennoch ganz anders liegt als bei parva. 

Beachten wir nämlich zunächst, dass o im Sandhi durchweg aus 
der Zusammenziehung von ä und u entsteht; ebenso bisweilen auch im 
einfachen Wort, wie gerade in ^ös, maghon" und den Vokativen aghos, 
bhagos, hhos (aus den nach vedischer Weise gebildeten aghavas, hhagavcis, 
bhavas von aghavant, hhagavant, bhavant), vermittelst ^afl^ für ^ava^; femer dass 
sowohl im Sandhi, als im einfachen Worte fast ausnahmslos ganz so 
behandelt wird als ob es aü wäre — z. B. adhvaryo ä wird adhvaryav 
ä, gerade wie pätu d zu pdtv d; go mit dem % des Locativ Sing, wird 
giüi gerade wie diu mit demselben % zu iixA wird — dann werden wir 
ohne irgend ein Bedenken behaupten ^} dürfen, dass dieses o ursprfinglich 
und selbst noch zu der Zeit, als die Sandhi -Regeln sich ausbildeten, 
nicht sondern a% lautete. Dann ist aber ein so unbedeutender Unter- 
schied zwischen der einsilbigen und zweisilbigen Aussprache dieser Com- 
bination, dass unter dem Druck des Metrums (vgl. d. Iste Abhandlung 
in Bd. XIX S. 233 ff. 2) sich die eine oder die andre mit Leichtigkeit 
geltend machen konnte. In dem einen Fall sprach man mit enger Ver- 
bindung beider Vokale gewissermassen au» in dem andern mit loser ge- 
wissermassen aü. 

Für diese Auffassung spricht aber das Verhältniss der zweisilbigen 
zu der einsilbigen Ansprache in g6s. Unter den 37 Stellen, in denen 
g6s einsilbig zu sprechen ist, sind nämlich nicht weniger als 28, in 
denen es den Schluss eines elfsilbigen Stollens bildet , in welchem das 
Metrum Einsilbigkeit fordert, wie z. B. IV. 22, 4"" 

a mätdrd bharati ^ushmy ft' gör 
worin fushmy für grammatisch fushmf steht und das lange ( wegen des 
folgenden Vokals kurz zu sprechen ist (vgl. ^dkalya bei Pän. VI. 1. 127). 

Auch in Bezug auf die 9 fibrigen Fälle der Einsilbigkeit liesse sich 



1) vgl auch Whitney zu Ath.-Prati^. I. 40. 

2) Beiläufig bemerke ich, dass die dort gegebnen Beispiele far den Einfluss 
des Metrums an einer andern Stelle bedeutend vermehrt werden sollen. 



QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAitfHITA- ü. PADA-TEXTEN ETC. 21 

ein und das andre bemerken, wodurch die Bedeutung des Missverhält- 
nisses zwischen 3 zweisilbigen und 37 einsilbigen noch mehr vermindert 
wflrde. Allein wenn man mit mir die zweisilbigen Fälle gaür die ein- 
silbigen gaiar spricht, ist die Differenz so gering, dass mir weitre Be- 
merkungen in Bezug auf die Fälle der Einsilbigkeit unnöthig scheinen. 

Ebenso sprechen wir natürlich auch maghaunas , maghaunäm naghauni, 
fnaghauni, maghaunis, wo der betreffende Lautcomplex einsilbig ist, da- 
gegen maghaunas, maghaünos in den drei Fällen der Zweisilbigkeit. Grass- 
mann will in letztren Fällen natürlich ebenfalls maghavanas maghavanos 
oder gar mit völlig anomaler Dehnung maghdvanas^ ^nos lesen. Zu der 
letzteren Annahme Hess er sich dadurch bestimmen, dass in diesen drei 
Stellen (Rv. V. 16, 3; 86 3 und IX. 32. I = Sv. L 5. 2. 5. 1, wo je- 
doch V. L.) das Wort den Schluss achtsilbiger Stollen bildet, welcher 
vorwaltend aus einer Dipodia iambica besteht. Doch kann ihm, welcher 
mit den Veden so genau bekannt ist, schwerlich entgangen sein, dass 
neben diesem Schluss noch manche andre erscheinen. Der durch unsre 
Aussprache maghäünah, ^noh entstehende vvv — ist schon von M.Müller 
(in Rig-Veda-Sanhita. The sacred hymns of the Brahmans, translated etc. 
I. p. CXV) hervorgehoben und durch mehrere Beispiele belegt. 

Da demnach das von dem Scholiasten für die Regel angeführte 
Beispiel Rv. I. 61, 12 nicht passt, verstatte ich mir zwei andere an 
dessen Stelle zu setzen : zunächst Rv. I. 161, 11 , welches auch in den 
Scholien zu Rv-Prdti9. ▼• 974 benutzt wird. Dieser Stollen lautet in 
der Samhitä 

^ohyasya yäd dsastanä grihö. 

Er gehört einer Jagati an , muss also 12 silbig sein ; gelesen , wie 
ihn die Samh. darbietet, hat er aber nur 11 Silben; ferner erscheint statt 
des langen Auslauts ä in asastana im Pada dessen Kürze. Diese Dehnung 
ist aber im RPr. nicht besonders aufgeführt, also als eine regelmässige 
aufgefasst; nach dem Samhit&-Text wäre diess aber nicht der Fall; denn 
danach findet sie sich in der 9ten Silbe. Liest man dagegen ohya^ in 
agohyasya zweisilbig agohiasya (oder dgohiyasya), so wird der Stollen voll- 
zählig ~ 12 silbig — und dieDehnupg trifft die regelmässige — die lOte 



22 THEODOR BENFEY, 

Silbe. Da schon in der Einleitung zam Sämaveda p. LIV bemerkt und 
in der Abhdlg. über das Suffix ya (Abhdlgen der Kön. Ges. d. Wiss. 
XVI S. 91 ff.) weiter ausgeführt ist, dass dieses in denVeden fast stets 
%a zu sprechen ist, wie es auch ursprünglich lautete , so erlaube ich mir 
noch auf ein anderes Beispiel aufmerksam zu machen, welches ich in 
der Abhandlung über die indogermanischen Genetive auf ians u. s. w. 
(Abhdlgn XIX. S. 16) besprochen habe, nämlich Rv. I. 162. 19 = VS. 
XXV. 42 = TS. IV. 6. 9. 3. Die Samh. lautet : 

ekas tvdshtur ä9vasy& yi9astä' 
da der Stollen aber elfsilbig sein soll und die ungrammatische Länge 
des auslautenden d in dgvastfd nach der Ansicht des EPr. eine regel- 
mässige (denn sie wird nicht besonders erwähnt), so ist vor diesem d eine 
Silbe zu ergänzen. Nach der Vorschrift des RPr. hätte man nun die 
Wahl ob man tva in tvdshtur ^ oder a>a oder sya in dfvasgd zweisilbig 
lesen will ; denn sie passt für alle drei Fälle und es findet sich in dem 
Pr. keine Stelle, aus welcher man entnehmen könnte, auf welchen hier 
und bei ähnlichen Zweifeln die Vorschrift anzuwenden sei. Der deut- 
schen Vedenforschung ist es gelungen Regeln zu fiuden, welche über die 
Wahl zwar nicht in allen derartigen Fällen, wohl aber in den meisten 
mit Sicherheit oder theils grösserer theils geringerer Wahrscheinlichkeit 
eine Entscheidung zu treffen verstatten. Diese Mittel werden einerseits, 
wie schon angedeutet, dadurch geboten , dass die vokalische Aussprache 
von y und v in einigen Wörtern durchweg oder wenigstens sehr häufig, 
in andern gar nicht oder sehr selten eintritt ; andrerseits durch genauere 
Berücksichtigung des Metrums. An unsrer Stelle würde z. B. das Me- 
trum allein keine volle Entscheidung gewähren. Denn spräche man 
tüashtur {tüvashtur), so würde die metrische Form des Stollens sein 

eine zwar schleppende und nicht sehr häufige, aber doch nach dem heu- 
tigen Stand unsrer Kenntniss der Vedenmetrik nicht abzuweisende. Läse 
man dftiasyä, dann klänge der Stollen 



V ( Vü \ V — 



und von Seiten des Metrums würde gar nichts einzuwenden sein; denn 



QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIN D. SAlffllTA. U. PADA-TEXTEN ETC. 23 

der Jonicus a minore im zweiten Fuss ist auf jeden Fall der zweithäa- 
figste, vielleich ebenso häufig, oder selbst häufiger, als der Choriamb an 
dieser Stelle. Diesen würde uns die dritte Lese weise dfvtmä bieten. 

Wir würden also hier aus dem Metrum keine Entscheidung ge- 
winnen; glücklicherweise aber durch das erste Mittel. Denn weder für 
tva^ in dem Thema tvdshtar noch für ^cva^ in äfva lässt sich eine Voka- 
lisirung ihres v nachweisen, wohl aber ist die Oenetivendung sya — in 
Uebereinstimmung mit ihrem Ursprung (vgl. die erwähnte Abhandlung 
über die Genetive auf lans, ias, ia Bd. XIX. S. 14 ff.) — in den Veden 
noch mehrfach sia {siya) zu sprechen (ebds. S. 16 und 22; mehr Bei- 
spiele wird die vedische Declination liefern). 

§•5. 

Wir haben im vorigen Abschnitt nicht die Frage zu entscheiden 
gewagt, ob in den Fällen, wo y, t? zu vokalisiren ist, bloss i, u, oder 
iy, UV dafür zu sprechen sei. Da die Entscheidung derselben für 
die richtige Aussprache des ganzen Veda von grSsster Bedeutung ist, in 
Bezug auf den hier behandelten Gegenstand aber — die Quantitätsver- 
schiedenheiten — nur eine Nebenrolle spielt, so ist hier auch gar nicht 
der Ort für eine erschöpfende Behandlung dieser Frage. 

Dass nach meiner Ansicht bloss der Vokal, ohne y oder t; dahinter, 
zu sprechen sei, habe ich schon 1848 in der Einleitung zum Sftmaveda 
und später mehrfaeh, insbesondre in der Abhandlung über das Suffix 
jfa (Abhandl. Bd. XVI S. 125 und sonst), theils angedeutet, theils aus- 
geführt, und auch Grassmann so wie andre Vedenforscher haben sich 
für diese Aussprache entschieden. Hier m^e mir verstattet sein, nur 
noch einen bisher nicht hinlänglich gewürdigten Punkt hervorzuheben, 
welcher mir fast dafür zu entscheiden scheint, dass jene Aussprache die 
allein berechtigte sei und die mit hinzugefügtem y und v, welche ohne 
Zweifel dem Einfluss von Volkssprachen , speciell dem Pfili oder ver- 
wandten, zuzuschreiben ist, vielleicht, wenigstens in den als älteste er- 
kennbaren Hymnen, in einem noch viel weiteren Umfang zu entfernen 
ist, als man bis jetzt anzunehmen geneigt sein möchte. 

Die vielen mit dem gewöhnlichen Sanskrit überemstimmenden Um- 



24 THEODOR BENFEY, 

Wandlungen von T zu iy, u zu uv vor Vokalen, welche in allen Veden 
erscheinen, die Schreibart suvitd für su-itd (aber im Pada-Text ungetrennt) 
im Rigveda, Sv., der Vs. und TS., so wie im Ath. (vgl. Rv. V. II, 1 = 
Sv. II. 3. 1. 6. 1 = VS. XV. 27 = TS. IV. 4. 4. 2; Rv. VI. 71, 3 
= VS. XXXIII. 69 = TS. I. 4. 24; Rv. VII. 35, 1 = VS. XXXVI. 
11 = Ath. XIX. 10, 1; Rv, IX. 41, 2 = Sv. II. 3. 1. 3. 2; Rv. X. 
86, 21 = Ath. X. 126, 21; Rv. X. 148, 1 = Sv. L 4. 1. 3. 4); da- 
neben in der VS. V. 5 smt^ in der M&dhyandina Recension, wofür 
aber die K&nva, ebenfalls suvitd liest i) : endlich die häufige Schreibweise 
iy und uv in der TS. , wo die andern Veden y und v haben (vgl. auch 
Sv. I. 3. 1. 5. 6 sudrüvam wo Rv. VII. 32 , 20 sudrväm hat) — aber 
auch umgekehrt blosses y, v, wo in den andern ty, uv (vgl. Weber Ind. 
Stud. XIII. 104 ff.) — zeigen, jiass der Uebergang von T m in iy, uv zur 
Zeit der Diaskeuase in mehreren Fällen existirte und von den Gewährs- 
mäDnern derselben in diesen gesprochen ward ; wir können daraus folgern, 
dass , wo er in der Diaskeuase nicht erscheint , er auch von den Ge- 
währsmännern derselben nicht gesprochen ward, dass demnach im Rig- 
veda in allen den hieher gehörigen Fällen , wo ein y oder v zu vokali- 
siren ist, nicht iy oder uv dafür eintreten darf, sondern nur der ent- 
sprechende Vokal. Diesen haben die Diaskeuasten — nachdem ihre 
Vortragsweise das Metrum ganz verdunkelt hatte — der im Sanskrit herr- 
schend gewordenen Scheu vor Hiatus gemäss, durch Synizese in Ueber- 
einstimmung mit dem Sanskritgebrauch einfach in die entsprechende Li- 
quida übergehn lassen. Wir lesen also unbedenklich in Rv. I. 161, 11 
udvdtsu asmä^ nicht udvdtsuv Mmd und ebenso mitten im Worte z. B. 
Rv. IV. 18, 5\ wo die Samhitd lautet 



1) Ich würde auch die auf den ersten Anblick so sehr einnehmende, auf jeden 
Fall höchst geistvolle, Anffassung von swvrikti als eine Zusammensetzung von su-rildi 
mit hinter u vor dem Vokal ri, wie in suv^üa^ entwickeltem t;, welche im Ptsborger 
Wörterbuch gegeben, wird, anführen , wenn ich nicht fiberzeugt wäre, dass aus Rv. 
I. 116, 1 barMriva prd vHnje stomän 'wie einen Opferteppich streue (ordne) ich 
meine Loblieder aus (an)' mit Entschiedenheit gefolgert werden muss, dass sie irrig 
und die indische Auffassung als su-vxikti von varj die richtige sei. 



QÜANTlTÄTSVEfiSCHIEDENHEITEN IN D. SAJlf HITA- ü. PADA-TEXTEN ETC. 25 

rndram mdtä' yiryen& nyrish^am, 
damit die Dehnung des Auslauts in vtri/end (Pada: viryhna) an die rich- 
tige Stelle — die 8te Silbe des elfsilbigen Stollens — gelange und der 
Stollen seine volle Silbenzahl erhalte 

rndram mdtd' vlriewÄ nfrishfam, 
nicht wie das EPr. 974 vorschreibt 

Tndram md'td virfyend niyrishtem. 
Diese Umwandlung ist, wie bemerkt. Folge des Einflusses von Volks- 
sprachen , welche die gewöhnliche Sprache einiger Recitirer und Ver- 
fasser des Prdti9dkhya waren. 

§. 6. 
Hätten die Verfasser des Rv-Pr. vollen Ernst mit den in 527; 973 ; 
974 gegebenen Regeln gemacht, dann würde auch eine beträchtliche 
Anzahl von Fällen unter der allgemeinen Regel begriffen gewesen sein, 
und keiner besonderen Erwähnung bedurft haben, v. eiche in dem Prdti- 
(dkhya besonders aufgeführt werden, also von ihnen so aufgefasst wurden, 
als ob sie nicht unter die allgemeine Regel gehörten. 

Einer der Art ist schon am Schlüsse des letzten Paragraphen mit- 
getheilt, nämlich Rv. IV, 18, 5*. Der Vers ist als Trishfubh in dem 
Anukrama erkannt, muss also der Regel nach im Stollen elf Silben 
haben; er hat eine nicht grammatische Länge im Auslaute des dritten 
Wortes, welche der Regel nach nur in der 8ten oder lOten Silbe elf- 
silbiger Stollen eintritt. Zählt man nun die Silben in der Samhitä-Ge- 
stalt, dann hat der Stollen nur deren neun. Wendet man aber das in 
527; 973; 974 für unvollzählige Verse vorgeschriebene Verfahren an, so 
erhält man durch Auflösung von virjfiud in viriend zunächst die richtige 
Stelle für die ungrammatische Dehnung — nämlich die 8te Silbe — ; 
ferner durch Zurückführung der Sandhi- Verbindung von nyrishtam auf 
die ursprüngliche Form nivishtam die volle Silbenzahl des Stollens — 
nämlich elf. 

Dass den grossen Kennern des Rigveda, welche das Prdti9akhya 
abgefasst haben, diess entgangen sei, ist nicht anzunehmen; im Gegen- 
theil zeigt die Regel über Dehnung in virj/kuä (R-Pr. 442) recht deut- 
Histor.'philölog. Classe XX. 1. D 



26 THEODOR BENFEY, 

lieh, dass es ihnen bekannt war ; denn sie lehren hier dass vtrykia seinen 
Auslaut ekdkshare pade kshaiptibhävjfe dehnt, d. h. wenn ein einsilbiges 
Wort folgt (hierni), welches seinen Auslaut (hiert) den Sandhiregeln ge- 
mäss vor einem Vokal (hier n) in seine Liquida (hier y) verwandelt 
hat; nach r. 527 wird aber gerade in diesem Fall [kvhaipra — hMvindm) 
die Silbenzahl durch Aufhebung der Liquidirung vervollständigt. 

£s scheint mir, dass sie sich zu ihrer Darstellung dadurch bestimmen 
liessen, dass sie andern Falls gegen die allgemeine Ausnahme, dass keine 
metrische Dehnung vor folgender Position eintrete (r. 465 = VIT. 19 
und dazu Uvata, s. Begnier II, 18) eine Ausnahme zu dieser Ausnahme 
hätten aufstellen müssen, wonach sie bei Auflösung derartiger Consonan- 
tengruppen nicht gelte (das ny in nyiAshiam keine Position mache, 
weil des Wort nixishXam zu lesen sei). Dann wären sie aber wieder ge- 
nöthigt gewesen, eine neue Ausnahme zu dieser Ausnahme aufzustellen, 
nämlich fflr Fälle wie Rv. I. 96, 4^ wo die Samhitft lautet 
viddd gdtüm tinaydya svarvit 

Auch dieser Stollen muss ein elfsUbiger sein, ist aber in der Sam- 
hitd-Form nur zehnsilbig. Zur Vervollständigung der Silbenzahl ist statt 
svofi^, wie fast ausnahmslos, suar^ (in der ST. stets suvar) zu sprechen. 
Dann ist aber das auslautende ya in tdnayäya die 8te Silbe eines elf- 
silbigen Stollens und müsste nach der allgemeinen Regel seinen Vokal 
dehnen, was in der Samhitd nicht der Fall ist. 

Ueberhaupt war ja die Aufgabe der Prdti^dkhya's eine rein prakti- 
sche; in dem hier in Betracht kommenden 7ten Sten und 9ten Capitel 
des R-Pr. kam es einzig darauf an, genau und auf eine dem Gedächt- 
niss leicht fassbare Weise die Quantitätsverschiedenheiten zwischen dem 
Samhitd- und Pada-Text aufzuführen, und es lässt sich kaum verkennen, 
dass das indische Verfahren wenige Hauptregeln zu geben und im übri- 
gen sich der alten empirischen Weise anzuschliessen eher zur Erreichung 
dieses Ziels geeignet war, als eine Häufung von Ausnahmen zu Aus- 
nahmen u. 8. w., welche nur verwirrend gewirkt haben würde. 

Für uns jedoch giebt es keine andre Rücksicht als die Erkenntniss 
der Thatsachen und deren Gründe. Wir betrachten demnach alle Fälle 



QÜANTITÄTS VERSCHIEDENHEITEN IN D. SA JlfHIT A- ü. PÄD A-TEXTEN ETC. 27 

nach Analogie von IV. 18, 5^ als regelmässige, haben sie jedoch — da- 
mit in diesen Abhandlungen alles zu finden sei, was die Prftti^dkhya's 
besprechen — ebenfalls besonders aufgeführt und zwar in demjenigen 
alphabetischen Verzeichniss , welches den XV Abschnitt bilden wird. 
Sie finden sich daselbst unter den Wörtern : dtra, adya, u, xitina , kavyena» 
Jdra, krinutha, ffha^ cakximd , jaya , tantA^ drdvaya, dhdnva und dhanva. 
dhäraya, piprita^ bibhritd, hhaja, bhara, mada, mahaya^ munca^ muncata^ 
yacchata, ruhema, vanuydma, vaha, viryhna, sana. 

Die Fälle dagegen, welche, wie der schon oben erwähnte Rv. I. 
96, 4^, dann als Ausnahmen zu betrachten sind, hab ich für das erste 
nicht berücksichtigt; vorzugsweise, weil die Beurtheilung derselben ganz 
und gar von einer genaueren Kenntniss der Vedenmetrik bedingt ist. 
So wird sich in einer nächstens zu veröfientUchenden Arbeit ('Beiträge 
zur Vedenmetrik. Ite Abhandlung: Der zweite Fuss der elf- und zwölf- 
silbigen Stollen im Rigveda') ergeben, dass eine Kürze der 8ten Silbe 
dieser Stollen so überaus selten vorkömmt, dass man fast zweifeln darf, 
ob sie überhaupt ursprünglich an dieser Stelle erlaubt war. Dieser 
Zweifel erhält um so grössere Berechtigung, da in vielen — ich glaube 
in den meisten — Fällen, in denen der überlieferte Text bei richtiger Lesung 
eine kurze Silbe zeigt, sich die Entstehung derselben aus einer ursprüng- 
lich langen erklären lässt ; doch wage ich keine Entscheidung dieser Frage 
ehe ich, in gleicher Weise wie die des 2ten, auch die metrischen Formen 
des 3ten Fusses der zwölf- und elf-silbigen Stollen, so wie die des 2ten 
der achtsilbigen vollständig vorgelegt haben werde, was ich in der 
zweiten und dritten Abhandlung jener Beiträge zu thun beabsichtige. 

Ist jener Zweifel berechtigt, dann werden wir, wenn keine bedeu- 
tende Gegengründe in einzelnen Fällen dagegen sprechen, z. B. Rv. I. 
96, 4^ tdnaydyd suarvit lesen; ebenso VII. I, 18^ surabhini (statt surabhim) 
viantu, ja selbst, trotzdem dass auf den zu dehnenden Vokal nicht ein Con- 
sonant, sondern Vokal folgt, I. 36, 16^^ jahi drdv^uah (statt jaAt, in der 
Samh. jahy drdvnah). Doch diese Untersuchung ist, wie gesagt, an einem 
andern Orte vollständig zu führen. 

D2 



28 THEODOR BENFEY, 

§. 7. 

Die neuere Forschung hat festgestellt, dass die Leseweise der Veden 
auch in manchen anderen Fällen, welche den indischen Vedenforschern 
entgangen sind, von dem Texte der SawihitÄ sich zu entfernen hat. 
Durch Anwendung dieser Resultate werden manche Dehnungen zu re- 
gelmässigen, welche die Vf. des Prdti^dkhya besonders erwähnen, also 
als unregelmässige betrachten. So z. B. ist die Endung des Oen. pl. 
dm nicht selten zweisilbig zu sprechen. Dadurch erklärt sich ddhd (für 
adha) in Rv. V. 52, 8« (vgl. RPr. 463). 

Der Samhitd-Text lautet 
Marütdm ddhd mdho 
es ist ein Anushfubh- Stollen, muss also achtsilbig sein, ist aber in der 
Samhitä nur siebensilbig und die Dehnung in ^dhä f&Wt in die 5te Silbe. 
Liest man aber Marütdm viersilbig, so hat der Stollen seine volle Silben- 
zahl und die Dehnung fallt auf die der Regel entsprechende — die 6te — Silbe. 

Ebenso ist die Endung an des Acc. pl. msc. der Themen auf a 
bisweilen zweisilbig zu lesen (vgl. z.B. devd'nVlll. 75(64), 2; X. 12,2). 
Der dritte Stollen in X. 61, 27 lautet nun in der Samhitd 

y6 vdj&» änayatä viydnto 
es ist ein Trishtubh-StoUen , muss also elf Silben haben; in dieser Form 
hat er aber nur zehn und die Dehnung des ^td in dnayatd (Pada : dnayata) 
fällt auf die 7 Silbe; das Prdti9äkhya betrachtet sie demnach als un- 
regelmässig und führt sie besonders auf (in r. 517). Liest man vdljd» 
aber dreisilbig dann wird der Stollen vollzählig und die Dehnung tritt 
auf die regelmässige , die 8te Silbe. 

Ich darf jedoch nicht unbemerkt lassen, dass dasselbe sich auch 
durch eine andre Leseweise ergiebt, welche hier wegen des 4ten Stollens 
vielleicht sogar vorzuziehen ist. Das Pronomen relativum yd ist nämlich 
mehrfach id zu lesen (vgl. ids X. 16. 8 = Ath. XVIII. 3, 53; iäd I. 
61. 11; 13; 15 = Ath. XX. 35. 11; 13; 15; iina L 61, 6 = Ath. 
XX, 35, 6; Rv. VI. 17, 10); liest man demgemäss hier ii statt y^, so ist 
es nicht nöthig vdjd^ dreisilbig zu sprechen; für ü in diesem Stollen 
spricht aber der Umstand, dass im 4ten Stollen, welcher in der Samhitd lautet : 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIND. SAJI/HITA- ü. PADA-TEXTENETC. 29 

y^ sthft" nicetd'ro ämdr&h 
auf jeden Fall i^ gelesen werden muss; auch das folgende sthä\ dessen 
ä ebenfalls eine ungrammatische Dehnung ist (Pr. 502), ist zweisilbig 
zu sprechen, oder hat wenigstens den Werth eines zweisilbigen Wortes ; 
dann erst wird der Stollen vollzählig. 

In der 'Einleitung in die Grammatik der vedischen Sprache' (Ab- 
handlungen XIX. 155 n. ff.) ist nachgewiesen dass, wo die Sawihitfi in 
Uebereinstimmung mit dem phonetischen Gesetz des Sanskrits suvdn^ 
hat, grösstentheils svän^ zu sprechen ist. Unter den angeführten Fällen 
ist auch X. 35. 2^ aufgezählt, wo die Samhitd lautet 
bhadrdm sömah suvdnö adyd' krinotu nah. 

Der Stollen gehört einer Jagatf an, musste also 12 Silben haben; 
nach dem Samhitd-Text gelesen enthält er aber 13 und die Dehnung 
des auslautenden d in adyä' (Pada: adya) fallt in die 9te Silbe. Liest 
man dagegen svänö, dann ist die Silbenzahl des Stollens die richtige — 
nämlich 12 — und die Dehnung tritt der allgemeinen Kegel gemäss 
in die 8te Silbe. Hätten die Verfasser des Prdtif. diese Lesung gekannt, 
oder gelehrt, dann würden sie diese Dehnung in adytt nicht nöthig ge- 
habt haben besonders aufzuführen (in r. 453. 454). 

Ferner ist es jetzt bekannt, dass der in dem Zitterlaut r ruhende 
Vokal sich nicht bloss, wie diess auch von den Indern erkannt ist, hinter 
ihm vor folgenden Consonanten geltend macht, sondern auch, was ihnen 
entgangen zu sein scheint, vor ihm bei vorhergehenden Consonanten. In 
beiden Fällen wird er — was von den indischen Grammatikern nicht be- 
merkt zu sein scheint, wenigstens, soviel mir bekannt, nirgends von ihnen 
angemerkt wird — bisweilen so mächtig, dass er eine metrische Silbe 
bildet. So ist diess z. B. überaus häufig in dem Gottesnamen Indra der 
Fall, welcher dadurch dreisilbig, etwa Inddra zu sprechen, wird (vgl. 
Grassmann Wörterbuch des Rv. S. 214). Wenden wir diese Aussprache 
in Rv. IV. 16, 21 an, dessen erster Stollen in der Samhitä lautet 

nü' sh/utd Indra ntl' gri^tdnä 
und lesen das erste nit, wie es oft gelesen werden muss, zweisilbig, oder 
vielmehr als zwei Wörter nü' u (vgl. Grassm. a. a. O. 746), dann er- 



30 THEODOR BENFEY, 

halten wir fflr den Stollen, welcher als Trishfabh llsilbig sein mflsste, 
in der Samhitd aber nar 9 Silben hat» und die ungrammatische Länge im 
2ten nü (Fada: nü) in der 6ten Silbe, sowohl die volle Silbenzahl als 
auch die regelmässige Silbe — nämlich die 8te — für die Dehnung, so 
dass von diesem Standpunkt aus auch diese Dehnung unter die allge* 
meine Regel föllt und keiner besonderen Erwähnung bedurft hätte< 
Orassmann liest (S. 746) diesen Stollen zwar anders, nämlich 

ntl' u shfutd Indra nA' u grindnd; 
dadurch erhalten wir aber in der 8ten Silbe die so sehr gemiedene Kürze. 
Man könnte dann zwar, mit Anwendung der allgemeinen Regel, u dehnen und 

erhielte dann als zweiten Fuss den ziemlich häufigen — v , oder vor 

diesem — da hier kein Grund zur Dehnung von nü vorliegt — nü lesen, 
wodurch sich der häufigste Fuss — vv— ergäbe; allein, obgleich ich 
die letzte Leseweise, bei welcher die Dehnung ebenfalls an die rich- 
tige Stelle kommen würde, nicht als unzulässig erweisen kann, scheint 
mir doch die zuerst vorgeschlagne 

nü' u sh^utd Indara nü' griitand 
die einfachste und , weil nicht so klaffend (hiatusvoU) , rhythmisch am 
meisten passende. Dass ich nü' u im Anfang schreibe geschieht, weil 
nlT im Anfang eines Stollens stets lang — und zwar selbst vor Position 
(Pr. 465) und Vokalen (vgl. Pr. 174 und Rv. L 132, 4; VIL 19, 11 = 
Ath. XX. 37, 11 und Rv. VIII. 24, 11) — erscheint. 

Schliesslich ist in der Isten Abhandlung Bd. XIX S. 246 ff. darauf 
aufmerksam gemacht, dass der Visarga im Veda nicht selten spurlos 
verschwunden ist und der ihm vorhergehende Vokal mit dem das fol- 
gende Wort anlautenden zusammengezogen wird. Lesen wir demgemäss 
in L 138, 6', wo die Samhitd 

avdr mahd Indra dddnhi frudhf nah 
lautet , mahindra (Pada : mahdh \ Indra) , dann ist der Stollen elfsilbig 
und die Dehnung in ^dhi föllt auf die der Regel entsprechende lOte 
Silbe. Beiläufig bemerke ich, dass M. Müller in der Vorrede zu 
seiner üebersetzung p. CXLVIII dieselbe Silbenzahl durch eine Art 
Synkope oder Ekthlipse, oder, wie er es nennt, Synizese von mahä 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIND. SAJ/HITÄ-Ü.P ADA-TEXTEN ETC. 31 

zu einem einsilbigen Wort herbeiführen will; ich kann mich jedoch von 
der Berechtigung derartige Umwandlungen vorzunehmen nicht überzeugen. 
Sie ist weder durch eine heimische Ueberlieferung noch Analogien in 
der Sawhitd — wie deren mehrere in Bezug auf die spurlose Einbusse des 
Visarga, des Uebergangs von ^ah in d von mir nachgewiesen — gestützt; 
auch lassen sich die Stellen, deren Metrum M. Müller durch diese Le- 
seweise herstellen will , theils auf andre durch Ueberlieferung geschützte 
Weise sprechen, theils gehören sie mit nicht wenigen andern zusammen, 
welche durch die Recitirer corrumpirt sind. 

§. 8. 
Corruption des ursprünglichen Textes ist überhaupt durch Einflüsse, 
welche wir an einem anderen Orte in Betracht ziehen werden, bis zu 
der Zeit der Diaskeuase nicht zu vermeiden gewesen und natürlich in 
nicht wenigen Stellen von dieser selbst in gutem Glauben fixirt. Wären 
wir im Stande sie aller Orten zu erkennen und den Urtext zurückzuführen, 
so würden sich wahrscheinlich auch sonst noch manche Dehnungen als 
regelrechte erweisen, welche die Verfasser des Prdti9äkhya besonders 
angemerkt haben; so z. B. lautet X. 78, 8»-^ 

subhdgd'n no devÄh krinutd surdtndn 

asm&'nt stotrfn maruto vävridhdnä'h. 
Die Dehnung von ^td in krinutd ist Fr. 517 besonders angemerkt; 
denn im Samhitä-Text föUt sie auf die 9te Silbe des Stollens, welcher 
zwölf Silben hat. Trotz dieser 12 Silben wird der Vers in dem Anu- 
krama als Trishfubh bezeichnet und, wie die übrigen drei Stollen und 
der rhythmische Schluss dieses zwölfsilbigen zeigen, mit vollem Recht. Denn 
die übrigen drei sind elfsilbig und der Schluss des zwölfsilbigen ist nicht 
V — V — , wie regelmässig in den 12 silbigen, sondern v , wie regel- 
mässig in den elfsilbigen. Beachten wir nun, dass in ihm no ganz über- 
flüssig ist, da asmä'n im 2ten Stollen vollständig genügt, und seine Bedeutung 
bestimmter hervortreten lässt, so werden wir unbedenklich uns berechtigt 
fühlen, es zu streichen; dann wird der Stollen ein regelmässiger elfsil- 
biger mit der vorherrschenden Cäsur nach der 5ten Silbe und die Deh- 
nung in ^td föUt, der allgemeinen Regel gemäss, in die 8te Silbe. 



32 THEODOR BENFEY, 

Einen wohl unzweifelhaften Fall von Corruption — vielleicht gar 
willkürlicher Aenderung ohne Gefühl für Metrum und Rhythmus — bil- 
det VS. XXVII. 21 = TS. IV. 1 8. 3. Hier lautet die SamhitA 

vdnaspat^ va srijä rärdnas tmdnd dev^shu 

agnfr havydvs, 9amitd' sddaydti 
mit unregelmässiger Dehnung des d in srijä, wo Pada srija hat (vgl. VPr. 
IIL 128; TPr. III. 12). Vergleichen wir^) Rv. IV. 10. 10 a- und b, 
welche lauten 

vanaspat^ va srijöpa devd'n 

agnfr havfh ^amitd' stldaydti, 
so ist die wesentliche Uebereinstimmung unverkennbar. Der Hauptun- 
terschied beruht darin, dass die VS« und TS. noch ein tmdnd devishu zeigen, 
von welchem der Rigveda keine Spur hat. Lösen wir diese beiden Wörter 
ab, so bietet, abgesehen von in Bezug darauf unerheblichen Varianten, 
die VS. und TS. gerade wie der Rigveda zwei elfsilbige Stollen — denn 
dass das hinter vdnaspate abgefallene anlautende a des folgenden Wortes 
dva zu sprechen ist, ist bekannt, schon oben (§. 3.) berührt und wird 
eingehend in der Abhandlung 'über anlautendes a hinter auslautenden 
und e ' behandelt werden. Der erste Stollen unterscheidet sich vom 
Rigveda dadurch, dass er die Leseart sxijd raränas hat, während Rv. 
statt dessen sxijöpa devd'n bietet; der zweite dadurch, dass er das gleich- 
bedeutende havydm statt havis bietet. Es sind das augenscheinlich Va- 
rianten, wie sie sich auch sonst in Versen zeigen, die in dem Rv. und 
einem oder mehreren der andern Veden zugleich erscheinen. Denn wie 
die Diaskeuasten des Rv. den für die zuverlässigsten Autoritäten gehal- 
tenen Recitirem des Rv. folgten, so die der übrigen den Ueberlieferern 
von diesen. Es war aber nichts natürlicher als dass sich in der langen 
Zeit, welche bis zur Diaskeuase verflossen war, theils unabsichtliche theils 
absichtliche Veränderungen der ursprünglichen Fassung bildeten. 

Streichen wir demnach tmdnd devishu in der VS. und TS. dann 
bietet uns deren Leseart 

1) Diese VergleichuDg fehlt in Weber's Ausgabe der TS. 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDBNHEITENIN D. SAMHli- U. PADA-TEXTEN ETC. 33 

vdnaspat^ va 8rijä räränah 
gesprochen 

vänaspate äva srijd rdrdnah 
einen regelrechten elfsilbigen Stollen, in welchem die Dehnung des aus* 
lautenden a von srija der Kegel gemäss auf die 8te Silbe föllt. Welche 
Leseart die bessere sei, will ich hier nicht entscheiden und nur bemerken, 
dass mir manche Momente ffir die der VS. und TS. zu sprechen scheinen. 

Allein, wird man einwenden , die VS. und TS. giebt ja ihre Lese- 
weise als einen ganzen Vers, welcher in der SarvÄnukramawi der VS. 
als ushniff vishamapädA bezeichnet wird (Weber Ausg. der VS. Appendix 
p. LXIX). Danach bestände er, nach der Samh. gelesen, aus einem 
Stollen von 7. einem von 8 und einem von 11 Silben, oder, da statt va 
im ersten ava zu lesen, wäre er vielmehr eine fast regelmässige ushxkih. 
Allein gerade dadurch verräth sich die willkürliche Einschiebung von 
tmänd devishu. Denn alsdann tritt die Dehnung des a in srija an das 
Ende eines (hier des ersten) * Stollens und in dieser Stellung finden sich 
Dehnungen, wie ich schon in den 'Nachrichten von der KOnigl. Ges. d. 
Wiss. u. 8. w. zu Göttingen ' 1874 Nr. 10, S. 244 bemerkt habe, höchst 
wahrscheinlich nur dann, wenn die Länge der ursprüngliche grammatische 
Auslaut war, welcher sich hier bisweilen erhielt; diess ist aber bei srija 
nicht der Fall ; hier ist kurzes a der ursprüngliche Auslaut. Wir können 
also sagen, dass sich trotz der Erweiterung des ursprünglich 11 silbigen 
Stollens zu 2 Stollen von ursprünglich 8 Silben, glücklicherweise die 
Dehnung behauptet hat, um den ursprünglichen 11 silbigen Stollen und 
den willkürlichen Zusatz von imdnd <2^^Att verrätherisch kund zu geben; 
einen ganz ähnlichen Fall bietet TS. I. 8. 3. 1 im Verhältniss zu VS. 
in. 45. Uebrigens sind derartige metrische Differenzürungen ursprüng- 
lich identischer Verse in den verschiedenen Veden keinesweges ganz selten. 
Sie werden ihre Behandlung in den Beiträgen zur Vedenmetrik finden. 

§. 9. 

Dass auch in diesen Quantitätsverschiedenheiten die gedehnte Form 
nicht immer durch das Metrum hervorgerufen , sondern nicht selten die 
ursprüngliche und nur durch das Metrum bewahrte ist (vgl. Iste Abhdl. 

Eistor.- phOol. Glosse. XX. L £ 



34 THEODOR BENFEY, 

Bd. XIX. S. 246),bedarf kaum einer Bemerkung. Da88 diese z. B. in 
Bezug auf adytl (fQr ursprflngliches a-diioiL) der Fall ist, ist schon 
in der Abhdlg über ians u. s. w. Bd. XIX, S. 59. 60 n. bemerkt. Auch 
in arca Rv. III. 54, 2"^, für welches der Pada-Text arca giebt, ist das 
auslautende & nicht metrische Dehnung, trotzdem es der 8ten Silbe 
eines elfsilbigen Stollens angehört, sondern wie me zeigt, die Vedische 
Form für aTcan\\ ebenso in tiradhA (Pada: tiradha) Bv. X. 30, 1 und 
broüä (Pada brava) Rv. X. 39, 5 u. s. w. (vgl. Abhdl. I. S. 262). 

Dass yodhdyä Rv. III. 46. 2 (Pada: yodhdya) für grammatisch yo- 
dhdyas stehe ist ebendaselbst S. 261 bemerkt. 

In diesem Abschnitt auf die hieher gehörigen Erscheinungen näher 
einzugehen würde jedoch zu keiner Entscheidung führen, da in allen 
zu ihm gehörigen Fällen das Metrum unzweifelhaft auch ursprüngliche 
Kürzen zu dehnen vermochte. 

§. 10. 
Von der in §. 1 gegebenen allgemeinen Regel treten folgende Aus- 
nahmen ein: 

1. In der Taittiriya-Samhit& findet keine Dehnung Statt, oder genau 
gesprochen, sie wird wieder aufgehoben, wenn das Wort, welches sie im 
Verse hatte, das Ende derjenigen Abtheilungen, kandikä, eines Anuvdka 
bildet, welche je 50 Wörter umfassen (vgl. Whitney zu TPr. 1. S. 83). 
So z. B. lautet Kv. IX. 96, 11 = VS. XIX. 58 
vlr^bhir äfvair maghdvd bhavä nah 
mit regelrechter Dehnung des auslautenden a in hhava^ weil es der lOten 
Silbe eines elfsilbigen Stollens angehört. In der TS. dagegen, wo dieser 
Stollen n. 6. 12. 1—2 erscheint, lautet er 

viröbhir ä9vair maghävä bhava || 1. || nah || . 
Whitney führt p. 83 als Beispiel I. 3. 6. 1—2 an, wo die TS., 
ebenfalls mit Kürze liest 

t^ te dhä'mäny U9masi || 1 1| gamädhye 
während das TPr. in III. 13 für diese Stelle ufmaH mit Dehnung des 
Auslauts vorschreibt. Whitney schliesst daraus, dass das Prätifäkhya 
die kandikä's ignorire. 



3S^ 

QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIN D. SA2fHITA-ü. PADA-TEXTEN ETC. 53 

In der That wQrde nach der allgemeinen Regel der Auslaut von 
u^asi im unzerrissenen Verse gedehnt sein müssen, da er in die 8te 
Silbe eines elfsilbigen Stollens fallt. Allein der Vers, welchem dieser 
Stollen angehört, entspricht trotz einiger Varianten Rv. L 154, 6 und 
der VS. VI. 3 a. In diesen erscheint aber ufmasi ebenfalls mit kurzem 
Auslaut, und, wie im Rv. Pr. 532 diese Kürze ausdrücklich unter den 
Ausnahmen von der allgemeinen Regel angeführt wird, so fehlt in dem 
VPr. eine Regel für Dehnung dieses t. Sollte demnach eine Grundlage 
der TS. in unzerrissenen Versen existirt haben, in welcher im Gegensatze 
zum Rv. und der V8. dieses t gedehnt gewesen wäre? Der Fall wäre 
dem in Bezug auf vi {§ 15 unter vi) ähnlich, wo wir im Sv. die regel- 
mässige Dehnung finden, während sie im Rv. durch das Präti9. verboten 
ist. Wenn wir in diesen Fällen ein Moment für die Annahme erblicken 
dürfen, dass es Ueberlieferungen gab, in denen nicht diese Ausnahmen, 
sondern die allgemeine Regel galt, dann kann dadurch die schon oben 
(§ 6 zu Ende) angedeutete Berechtigung die allgemeine Regel weiter 
auszudehnen, als die Prdtifdkhya's verstatten, nur noch verstärkt werden. 

§. 11. 

2. Ueberhaupt tritt, wie schon bemerkt, keine Dehnung ein, wenn 
das folgende Wort mit einer Consonantengruppe beginnt, also die vor- 
hergehende auslautende Kürze durch Position den Werth einer metrischen 
Länge erhält. Scheinbare Ausnahmen von dieser Ausnahme sind § 6 
besprochen. Eine, welche auf den ersten Anblick, wie eine wirkliche 
aussieht, bietet dafasydthä Rv. VIII, 20, 24, vorgeschrieben durch Rv. 
Pr. 519. Der Stollen ist achtsilbig und lautet 

yä'bhir da9asydthft krfvim. 
Die Dehnung des a (Pada: dafosyätha) föUt in dessen 6te Silbe, würde 
also regelmässig sein, wenn nicht Position folgte. 

Aber auch hier ist die Ausnahme nur scheinbar. Es giebt drei 
Mittel, sie zu erklären. Zwei derselben scheinen mir hier nicht nöthig 
und es würde zu weit führen, sie hier auseinanderzusetzen. Sie werden 
in den folgenden Abhandlungen über die Quantitätsverschiedenhei- 
ten und in den Beiträgen zur Vedenmetrik hervortreten. Ich beschränke 

£2 



86 THEODOR BENFEY, 

mich daher hier darauf das dritte anzugeben, welches wohl auch allge- 
mein als das richtige anerkannt werden wird. 

Es ist bekannt, dass neben ri nicht selten der Vokal r» erscheint, 
so z. B. rishti und rishtit rifya und rifya, riktha und riktha; auf diesem 
Verhältniss beruht im Wesentlichen auch der üebergang von ri in tri 
in riin tritt ya; ebenso erklärt sich daraus, nicht aus der hier anomalen An- 
knüpfung durch f, das vedische Ptcp. Pf. red. von var nfimlich va-vri- 
vdns^), statt vavxivdns (wie cakriväns, j^ffriväns, dadrivdns^ mamTivdns, 
SMTtvdns). Von dem hier in Betracht kommenden Worte erscheinen 
nun gerade beide Formen krivi und hrlvi und zwar in dem alten 
Vedenglossar dem Naighanfuka IIL 23; ausserdem hat der S&ma- 
veda an den zwei Stellen, in welchen sich dies Wort in ihm findet, 
die Form mit dem blossen Vokal, während derRv. an den entsprechen- 
den Stellen und sonst stets die mit dem Consonanten und i zeigt. Jene 
beide Stellen sind I. 20, 1 = Sv. I. 3. 1. 3. 1 und Rv. 11. 17, 6 = 
Sv. II. 6. 3. 18. 3. Die andern Stellen, in denen krivi im Rv. vor- 
kommt, sind V. 44, 4; VIII. 22. 12; 51 (VAL 3), 8; 87 (76), 1; IX. 
9, 6. In allen ausser der uns beschäftigenden verstattet des Metrum 
beide Leseweisen. In IL 17, 6 entsteht zwar der häufigste Fuss, der 
Choriamb, wenn man die Position durch Lesung von kri^ aufhebt, allein 
auch der bei der Position entstehende Epitritus secundus (zu lesen 

'-v—) ist keines weges selten. Wenn man in krlvirdatt I. 166, 6 

das erste Glied krivis = krivi nimmt, erhalten wir freilich auch eine 
Stelle, wo das Metrum den Consonanten schützt; denn hier ist für den 
Auslaut des vorhergehenden Wortes rddati nachfolgende Position noth- 
wendig, da dessen i der 8ten Silbe angehört und der Stollen zwölfsilbig 
ist, so dass es, wenn nicht Position folgte, hätte gedehnt werden müssen, 
üebrigens ist es bei der Fülle von Inconsequenzen in der Samhitd des 
Rv. die sich mit Leichtigkeit aus der Verschiedenheit der Zeit, des 
Ortes, der Verfasser und endlich Corruptionen erklären, gar nicht noth» 
wendig, eine und dieselbe Aussprache dieses Wortes für alle Stellen, in 
denen es vorkömmt, anzunehmen; auch konnte bei der unzweifelhaft 

1) Grassmann S. 1322 hat irrig vavrivdns (bei ihm vavrvds geschrieben). 



Qu ANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SA JffllTA- ü. PADA-TEXTENETC. 37 

einst sehr ähnlichen Aussprache von n und ri selbst ein und derselbe 
Dichter je nach dem Bedürfniss des Verses bald die eine bald die andre 
gewählt haben. Nach allem diesen dürfen wir wohl unbedenklich an* 
nehmen, dass in unsrer Stelle Rv. VIII. 20, 24 krivim mit Vokal rt zu 
sprechen sei. Dadurch fallt die Position weg und die eingetretene Deh- 
nung des auslautenden ä davor ist eine ganz regelrechte. 

§• 12. 

3. Die Dehnung fehlt femer, wenn in der Samhitd die folgende 
Silbe natura oder positione lang ist (RPr. 523, 525 und 526). 

Bemerkung 1. Wie in § 1 ist auch hier natürlich die Samhit&, 
nicht der Pada-Text massgebend; so z. B. hat Rt. X. 56, 1* der Pada- 
Text in der neunten Silbe te vor dem schliessenden ikam; in der Sam- 
hitfi wird es aber , den Sandhi - Regeln gemäss , zu ta und hindert also 
nicht dass das vorbeigehende u des Pada in der Samhitfi zu ü wird. 
Umgekehrt hat Rv. X. 77, 2 der Pada vavridhuh, die Samhitft aber 
vOvridhtih; das diesem vorhergehende a in nd bleibt demnach kurz; 
doch liegt der GrUnd nicht darin, sondern, wie wir noch in diesem § 
sehen werden, im Metrum« 

Bemerkung 2. Diese Ausnahme wird sich fast durchweg durch 
die genauere Kenntniss der vedischen Metrik erklären. Doch auf eine 
überzeugende Weise kann diess erst in den Beiträgen zur vedischen Me- 
trik geschehen. Ich beschränke mich daher hier auf die Betrachtung 
der zum Präti9dkhya gegebenen Beispiele. 

Für die 6te Silbe in einem 8 silbigen Stollen wird in Pr. 526 an- 
geftlhrt Rv. IX. 67, 30^; da c, weil der Vs puraüshnih ist {cid ist wohl 
darin zu streichen}, auch dazu gehört, füge ich es ebenfalls bei. Sie 
lauten in der Samhitd 

&' pavasva deva Soma | dkhüm cid evd deva Soma || . 
Das auslautende a in deva fällt in die 6te Silbe, ist aber nicht gedehnt, 
weil das folgende so^ natura lang ist. 

Der wirkliche Grund ist, dass hier statt des gewöhnlichen Schlusses 
ein trochäischer oder Epitritus secundus ( — v — v, oder — u— — ) ein- 
getreten ist, was sehr häufig vorkömmt. Eine beträchtliche Anzahl Bei- 



38 THEODOR BENFEY, 

spiele dafür hat M» MfiUer in seiner Uebersetznng des Rigyeda (T. I 
Preface CXVI ff.) gegeben, welche sich noch bedeutend vermehren lassen. 

Ffir die 8te in einem 11 silbigen Stollen wird Pr. 523 gegeben 
Ev. V. 33, 4 

yrfshä samätsu däsäsya näma cit. 

Das auslautende a in ddsasya gehört der 8ten Silbe eines 11 silbigen 
Stollens an, bleibt aber kurz weil das folgende nä9 lang ist. 

Das Metrum dieses Hymnus hat mehrere Eigenthümlichkeiten ; in 
1"" ist der erste Fuss entweder nur dreisilbig oder man muss iö statt 
yö, oder asmdi statt astnai lesen ; in 2^ ist der 2te Fuss nur dreisilbig ; 
ebenso in 5^ und in 7*; zugleich ist in 7^ der Schluss scheinbar vvvv, 
aber in Wirklichkeit v — vv\ denn ir wird, wie ich in den Beiträgen zeigen 
werde, sehr häufig lang gebraucht Elfsilbige Stollen haben aber sehr häufig 
als 2ten Fuss nur 3 Silben und zugleich als Sten v — t?-" . Diesen 
Versbau hat, um hier nur ein Beispiel zu geben, fast der ganze Ute 
Hymnus des lOten Mancfala. 

In diesem ist das Metrum von l'''*, 2**, 3*-*'*,4** und 5^ 

f/f/f/ff I «V— I V— V — , 
das von 1\ 2'-*i), S\ 4* 

nntfff I I ^ — V — ; 

das von 4*, 5* 

ff ff ff tt I V I V—V-; 

das von 4^^, 5* 

ftffftff 1 ^^ — I V — v-^; 
endlich das von 4^ 

ff ff ff ff I —1^— I v^— V-" . 

Hierauf jetzt näher einzugehen, ist weder dienlich noch nöthig; 

denn erschöpfen liesse sich diese Aufgabe hier doch nicht, und die 2 

Beispiele scheinen wohl hinlänglich genflgend, um zu erkennen, dass wir 

in dem besprochenen Stollen V. 33, 4 das treue Abbild von X. 77, 4^ 



1) 2^ ist der oben Bern, 1 erwähnte Stollen und man erkennt nun waram das 
a in na kurz ist, 



QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAJfHITÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 39 

und 6^ haben, dass also das auslautende a in däsdsya nicht gedehnt ist, 
weil der Schluss dieses Stollens eine iambische Dipodie sein soll. Wohl 
vollständig entschieden wird diese Auffassung durch die Vergleichung 
von X. 23, 2^ wo derselbe Schluss in einem Verse erscheint, dessen drei 
flbrige Stollen. zwölfsilbig sind, also die letzte Silbe von däsdsya mit dem 
folgenden nä'ma dt unzweifelhaft eine Dipodia iambica bildet. Dieser 
Schlussfuss erklärt zugleich, warum auch das auslautende a in nä'maj 
trotzdem es der lOten Silbe in einem elfsilbigen Stollen angehört, nicht 
gedehnt ist Diese letztere Ausnahme wird im Kv. Pr. 529 gelehrt. 

Für die Ste Silbe in einem zwölfsilbigen Stollen wird zu Frätif. 
523 als Beispiel Rv. IV. 33, 1 gegeben 

prd ribhübhyo ddtäm-iva vd'cam ishye 

Diess ist so wenig hieher passend, dass man seine Verwendung kaum 
zu begreifen vermag. Zählt man die Silben so wie sie in der SamhitA 
geschrieben oder gedruckt erscheinen , dann enthält der Stollen freilich 
12 und das auslautende a in iva gehört der 8ten an. Sollten aber die 
indischen Vedenforscher gegen diese Zählung nicht dadurch stutzig ge- 
worden sein, dass der Anukrama für den Hymnus Trishfubh (vier elf- 
silbige Stollen) als Metrum angiebt und dieses auch in allen flbrigen 
Stollen — 43 an Zahl — unzweifelhaft erscheint? Sollte ihnen wirklich 
entgangen sein, was bei uns jetzt allbekannt, dass auslautendes gramma- 
tisches ä oder ä mit folgendem anlautenden n &st ausnahmslos nur eine 
Silbe bildet, zumal dieses auch in diesem Hymnus in Vs. 5^ 9^ 10^ 
11^ geschieht und nur in 3^ 4 vor n bleibt, aber zugleich nasalirt wird? 
Lesen wir demgemäss die ersten beiden Silben pra ii9 als eine, etwa 
wie im späteren Sanskrit und schon in der TS. (vgl. T-Fr. X. 8) und 
im Ath. (Ath. Fr. lll. 46} ar, dann lautet der Stollen 

prirbhübhyo dd'tamiva vä'cam ishye 
ist also, gleich den übrigen in diesem Hymnus , elfsilbig und a in i m 
gehört nicht derSten sondern 7ten Silbe an \ vvv — |i; . 

Fdr die lOte Silbe in einem elfsilbigen Stollen wird im Prdti9dkhya 
(525) V. 41, 5^ als Beispiel gegeben : 
rdyä ^sh6 vase dadhita dhfh 



40 THEODOR BENFEr, 

Um elf Silben heraus zu bringen , muss man entweder rdiä lesen , was 
schwerlich verstattet ist — da unter den sehr vielen Stellen, in denen 
Casus von rai vorkommen , höchstens zwei sind , in denen vielleicht t 
statt y zu sprechen ist — oder, wie fast immer, das hinter e einge- 
bfisste ursprflnglich anlautende a in ävase wieder herstellen. Dann tritt 
das auslautende a in dadhita in der That in die lOte Silbe und der 
Stollen ist der Zahl nach elfsilbig. Nicht aber dem Bau nach; er ist 
augenscheinlich nach Analogie der eben angeführten Stollen in Rv. X. 77, 
p.b.d^ 2*-«-, S*-"* 4** und 5*^ gebaut, die übrigens ziemlich häufig auch 

sonst in den Veden wiederkehrt ; er ist also zu lesen — v |tw — \v—v—, 

so dass dieses a der 3ten Silbe der schliessenden Dipodia iambica an- 
gehört und darum kurz sein muss. Beiläufig bemerke ich , dass auch in 
5', 12^ 15"^ und 19* dieses Hymnus der 2te Fuss dreisilbig ist, jedoch 
ohne iambische Dipodia, sondern, wie vorwaltend in den 11 silbigen Stollen, 

mit Bacchius [v ) im Schlussfuss. Diess hängt damit zusammen, 

dass überhaupt elf- und zwölfsilbige Stollen nicht selten in demselben 
Verse erscheinen. 

Als Beispiel für die lOte Silbe in einem zwölfsilbigen Stollen wird 
endlich Rv. VIII. 97 (86), 15' gegeben. Dieser Vers ist augenscheinlich 
spät; denn im 4ten Stollen ist vifvdpsnya mit y zu sprechen, während 
es in den drei übrigen Stellen, in denen dieses Thema im Rv. vorkommt 
II. 13, 2; VIL 42, 6 (wo der Genetiv vicvdpsniasia zu sprechen ist) 
und VIL 71, 4, der herrschenden Analogie gemäss , mit Vokal statt y, 
vip)dpsnia lautet; eben so ist in diesem Verse sprihayd'yya zu sprechen: 
ebenfalls gegen die herrschende Analogie und gegen die beiden übrigen 
Stellen (VI. 7, 3; 16, 12), wo es xidtiii^ spxihayd'yia lautet Ferner wird 
er in der Anukrama als Jagati bezeichnet, hat aber in allen vier Stollen 
den Schlussfuss einer Trishtabh; der erste Stollen hat zwar in der SainhitA, 
wie es die Jagati fordert, 12 Silben; der zweite aber hat 13 und der 
dritte und 4te 11 Silben, wie für dieTrishfubh vorgeschrieben. Ich könnte 
demnach den Vs als einen corrupten betrachten und jede weitere Dis- 
cussion desselben aussetzen; allein wenn gleich er auch spät ist, so hat 
man doch auch später richtige Verse gemacht, und zwar, wenigstens vor- 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAMHTÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 41 

waltend, mit der in dieser Zeit geltenden Aussprache; die Corruptionen 
treffen ferner nur die beiden ersten Stollen und, wenn man bedenkt, dass 
sich EinSchiebungen gar nicht selten in den Veden erkennen lassen und 
hier nur solche anzunehmen sind, die sich fiberaus leicht eindrängen — 
zumal zu einer Zeit, wo der Vortrag so eigenthümlich war, dass dadurch 
das Metrum ganz verdunkelt ward — , nämlich Epitheta, so möchte es 
wohl erlaubt sein, die beiden Wörter, citra im ersten Stollen und bhüri 
im 2ten als Einschiebsel zu betrachten und statt des Samhitä -Textes 

tan ma fit&m Indra (dra citra p&tv 

ap6 n& vajrin duritd'ti parshi bhü'ri | 
zu lesen und auszusprechen: 

tan ma ritdm Indara 9dra pätu 

apö n& vajrin duritd'ti parshi. 
Dann sind diese beide Stollen gleich wie die folgenden ächte elfsilbige 
und der Sinn ist wesentlich derselbe, nur dass zwei unnöthige Epitheta 
fehlen. Allein die Wiederherstellung des Metrum im ersten Stollen kann 
auch mit Bewahrung von citra durch eine andere Aenderung gewonnen 
werden, welche auch von Seiten des Sinnes zu empfehlen wäre. Die ge- 
gebene Umwandlung giebt den Sinn ' dieses mein Opfer, o Held Indra! 
möge schützen ! wie über Fluthen, o Blitzschleudrer ! ftlhre uns fiber Ge- 
fahren hinweg'. Statt mein hätte man lieber mich; denn 'schütze' 
ohne Object steht sehr luftig da. Sollte man es wagen dürfen, anzu- 
nehmen, dass die lalte feine Aussprache mit der Svarabhakti d. h. dem 
Nachklang eines leisen Vokals hinter r vor den meisten Consonanten, 
also etwa mar^tdm für die späte grobe martdm, von den Becitirem so 
verändert sei — was sicherlich leicht geschehen konnte — dass sie wie 
ma mit folgendem ri klang? dann würde sich ergeben, dass das ma xitdm 
der Samhitd nicht , wie bei Zweisilbigkeit von ma li^ anzunehmen war, 
für grammatisches me xitäm stehe, sondern für ursprüngliches mA ritdm, 
in welchem die alte einsilbige Aussprache durch die Recitirer unbewusst 
oder vielleicht mit Bewusstsein in eine zweisilbige umgewandelt war. 

Bei dieser Annahme würde ctfra beizubehalten sein, eben so die Schreib- 
weise ma xitdm (da in der Rv-Samh. auslautendes d vor ri bekanntlich 
Histar.'philolog. Glosse XX. 1. F 



42 THEODOR BENFEY, 

kurz wird) und Indra; aber auszusprechen würde sein 

tin martäm Indra 9tira citra pdtu 
und zu übersetzen 

'Dieses Opfer o Indra, Held glänzender, soll mich schützen I' 

Möge man aber jene Ausstossung oder diese Aussprache wählen, in 
beiden Fällen — und einer ist sicherlich anzunehmen — erhalten wir 
statt des zwölfsilbigen einen elfsilbigen Stollen und das auslautende a in 
citra steht nicht in der löten Silbe eines 12 silbigen sondern in der 9ten 
eines elfsilbigen Stollens, würde also gar nicht zu dehnen sein. 

§ 13. 

Ueberblicken wir den vorigen § so wird man nicht verkennen, dass in 
den zum Rv-Pr. angeführten Beispielen die Kürzen, durch welche die 3te 
Ausnahme der Regel belegt wird, sich nicht aus der nachfolgenden Länge, 
sondern aus andern, nämlich metrischen, Gründen erklären. Dennoch 
habe ich mit gutem Grund in der 2ten Bemerkung daselbst ein fast 
gebraucht. Denn es finden sich in derThat auch hieher gehörige Stellen, 
welche ich wenigstens bis jetzt nicht aus andren Gründen zu erklären 
vermag. Da sie in den Beiträgen zur Vedenmetrik vorkommen werden, 
will ich mich hier einer Aufzählung derselben enthalten und beschränke 
mich für jetzt darauf eine hervorzuheben, nämlich Rv. I. 147, 4^ 

mdntro guru^ pünar astu so asmd 
wo das auslautende u in astu vor dem nachfolgenden so nicht ge- 
dehnt ist, trotz dem es die 8te Silbe eines elfsilbigen StoUens schliesst; 
vgl. auch VI. 1, 4* und Sv. II. 9. 2. 12. 3*, in einem nicht imRv. vor- 
kommenden Verse. 

Sollen wir es wagen — gestützt auf die im folgenden § zu er- 
wähnenden Ausnahmen von dieser Ausnahme (vgl. auch § 6} — in der- 
artigen Fällen die Quantität in dem Versuche die ursprüngliche Aus- 
sprache der vedischen Hymnen wiederherzustellen zu ändern? Ich habe, 
bis jetzt wenigstens , wo ich noch nicht im Stande bin alle Fälle zu 
übersehen, nicht den Muth dazu. 

§. 14. 

a. Die erste Ausnahme zu der Sten Ausnahme in § 12, wo also. 



QüANTITÄTSVERSCmEDENHEITENIND. SAJIfHITA-U.PADA-TEXTENETC. 43 

trotz der Länge der folgenden Silbe, der allgemeinen Kegel gemäss, der 
grammatisch auslautende Vokal eines vorhergehenden Wortes gedehnt 
wird, bilden die Fälle, wo no oder nas (letzteres mit folgendem Conso- 
nanten) für grammatisches nah folgt (RPr. 524). Es sind im Et. deren 
nur wenige und ich will sie desshalb alle aufzählen. 

In der 8ten Silbe eines elfsilbigen Stollens Rv. X. 59, 4* 
dyübhir hitö jarimA' sü' no astu 
(Pada: su). Ferner Rv. VI. 44, 18* 

Tndra sürfn krinuhf smA no ardhdm 
(Pada: stna). 
In der Sten eines zwölfsilbigen Rv. VIII. 18. 10« = Sv. I. 5. 1. 1. 7«. 
A'dityAso yuyötanA no &»hasah 
(Pada: ywfötana). 
Diese drei Fälle bilden Gegenstacke zu dem in § 13 erwähnten 
Fall aus Rv. I. 147, 4« (vgl. auch, unter b, IIL 63, 5; VIU. 21, 7). 

In allen übrigen tritt die Dehnung in der lOten Silbe elfsilbiger 
Stollen ein ; sie dient also dazu den regelmässigen Schluss dieser Stollen 
v^— herbeizuführen. So zunächst Rv, V. 57, 8» = 58, 8» 
hayö ndro mAruto mriMtd nas | tuvi^ 
(Pada: mtüata). 

ferner Rv. L 186, V = VS. XXXHL 34« 
Api yAthA yuvAno mdtsathA no | vi^ 
(Pada: mdtsathä). 
vgl. noch Rv. n. 27, 6« 

tönädityä ddhi vocatA no | yaccha^ 
(zu lesen tSna ädityd u. s. w.; Pada: vocatä). 
Rv. VII. 47, 4« 

t^ sindhavo vArivo dhAtanA no | yA^ 
(Pada: dhdtanä). 

Rv. VII. 48, 4« 

nd' devaso vArivah kartauA no | bhA^ 
(Pada: kartana). 

Rv. VII. 86, 5* 

F2 



44 THEODOR BENFEY, 

äva drugdhftni pltryd srijä nö | Va 
(zu lesen pttriä und no I äva oder .vielmehr, worflber an einem an- 
dern Orte, nah | äva. Pada: srijä). 
Rv. VIII, 48. W 
trä'tfiro devä Adhi vocatft no | mft' 
(Pada: vocatäj. 

endlich Rv. X. 84. 14» 
mitrim krinudhvam khälu mri/dtä no | md' 
(Pada: mriläta). 
Bemerkung: drei jedoch nur scheinbare Ausnahmen zu dieser 
Ausnahme siehe § 15 unter abhi, jä'su, pdhi. 

b. Femer bilden Ausnahmen einige einzelne Fälle, welche RPr. 
besonders anfährt, ich aber sogleich hier zusammenstellen will, weil sie 
denen unter a, wesentlich gleich sind. 
Rv. IIL 63, 5^ 

Tndra bhrdtar ubhaydtrd te drtham 
Pada: ubhaydträ; Auslaut gedehnt trotz der folgenden langen Silbe 
(RPr. 522); der Fall (Dehnung der 8ten Silbe) ist den dreien unter a, 
analog; da jedoch das Suffix tra unzweifelhaft ursprünglich trä lautete, 
so könnte hier auch die ursprüngliche Länge durch das Metrum geschützt 
sein, so dass es keine Ausnahme wäre. Entscheiden lässt sich diese 
Frage jedoch nicht; denn diess ist die einzige Stelle, in welcher ubhatfdira 
im Rv., und ich glaube in den Veden überhaupt, vorkömmt. Vielleicht 
ist auch beachtenswerth dass die Dehnung vor te eintritt, vgl. weiterhin 
Rv. Vin. 21, 7. 

Rv. X. 18, 14« 
pratfcim jagrabhd vd'cam 
(Pada jagrabha). Dehnung der 6ten Silbe in einem 8 silbigen Stollen 
trotz der folgenden Länge (RPr. 520). Da der achtsilbige Stollen in 
Bezug auf seinen Schluss in den Veden noch eine grosse Mannigfaltig- 
keit zeigt, speciell auch die Form vv — v mehrfach erscheint (vgl. M. 
Müller, Translation, Preface CXVIII) , so ist man eigentlich nicht voll- 
ständig berechtigt diese Dehnung , durch welche die Form v v ent- 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IND.SAJIfHITÄ- Ü.PADA-TEXTEN ETC. 45 

steht, als eine metrische zu betrachten ; allein es ist doch beachtenswerth, 
dass sie — abgesehen davon, dass sie verhältnissmässig schon oft in den 
Veden vorkömmt (vgl. auch M. Müller a. a. O. CXX) — gerade die- 
jenige ist, welche in der sskritischen Form des vedischen Anushfubh, 
dem gewöhnlichen ^loka, im Isten und 3ten Stollen die vorherrschende 
ist; ausserdem ist im Xten Maniala des Bv. unzweifelhaft vieles, was 
eine verhältnissmässig späte Zeit verräth. 

Rv. VIII. 21, 7 

ütf abhüma nahl nd' te adrivah. 
Hier ist nu in der 8ten Silbe eines 10 silbigen Stollens gedehnt, 
trotz dem eine lange Silbe [te wie oben in IIL 53, 5*) folgt (RPr. 458). 

Rr. V. 31, 13* 

yö cäkänanta c&känanta nd' t^ 
hier ist nü in der lOten Silbe eines 11 silbigen Stollens trotz der fol- 
genden Länge gedehnt (vgl. die Stellen in a, von Rv. V. 57, 8 an und 
RPr. 458). 

Ebenso in der lOten Silbe Rv. VI. 22, 5* = Ath. XX. 36. 5* 

Tndram v^pf vdkvarl ydsya nü' gfh (R. Pr. 458). 
Ferner Rv. IV. 26. V (vgl. RPr. 502) 

ahdm kavlr U9dnd pd^yatd mä 
Auch hier ist ^td in pdgyatd die lOte Silbe eines elfsilbigen Stollens und 
trotz der folgenden Länge aus demselben Grunde gedehnt wie nü in den 
beiden vorhergehenden und anderes in den 9 letzten Stellen in a. 

Rv. X. 83. 7* (RPr. 461) 

abhl pröhi dakshinatö bhavd me 
Im Ath. IV. 32, 7, wo dieser Vers wiederkehrt, erscheint statt 
me die Variante no (statt nah) , so dass die Dehnung von grammatisch 
hhavd (vgl. Wh. ad Ath. Pr. IIL 16) nach Ausn. a eintritt. 

Rv- X. 12, 3 = Ath. XVIIL 1. 32 (RPr. 495; im Ath-Pr. II. 
16. S. 134, 2, ß hinzuzuffigen) 

svd vrig devdsyämrltam yddl göh 
(Pada : yrfrf»'). Ich glaube es ist devdsya amritam zu lesen, nicht 
stiä'vriff; sonderbarerweise wird diess Wort imPada auch nicht getrennt. 



46 THEODOR BENFEY, 

§. 16. 

4. Endlich findet sich eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Aus* 
nahmen von der allgemeinen Regel sporadisch. Bei ihrer AufFflhrang 
folge ich dem Vorgang Regniers, indem ich» wie dieser, ein alphabeti- 
sches Verzeichniss der Wörter gebe, deren Auslaut gegen die Hegeln 
überhaupt oder in bestimmten Stellen im Bigveda nicht gedehnt wird. 
Leider hat mir meine Zeit bis jetzt nicht erlaubt, auch die Ausnahmen 
in der Taittiriya-Samhitd und im Atharva-Veda zusammenzusuchen. Ich 
gebe also nur diejenigen, welche den ihnen mit dem Rigveda gemeinsa- 
men Versen angehören und einige, welche mir zuföllig aufstiessen« Wären 
diese Veden in dieser Beziehung yon grosser Wichtigkeit, dann wOrde 
ich die MQhe nicht scheuen, sie noch jetzt zu sammeln. Allein wie denen, 
welche sich mit den Veden beschäftigen, nicht entgangen sein wird, ist 
diess überhaupt für die nicht dem Ry. entlehnten Verse nicht der Fall und 
so möge diese Ergänzung für eine etwas freiere Zeit aufgespart werden. 

Ich werde die Wörter zum leichteren Nachweis mit fortlaufenden 
Zahlen versehen. 

1. anudrfcya oder aiiudf<;ya 

TS. I. 1. 9. 3, X* 

täm dhf räso anudrfcya yajante. 
Das auslautende ya bildet 8 in 11. 

Der Vers erscheint auch VS* I. 28 mit der Variante anudifya und 
ausserdem mit u hinter dem anlautenden f4m, wodurch das Metrum um 
eine Silbe zu gross wird. 

2. ang& 

Rv. VI. 72, 5* (RPr. 631) 

(8 in 11) Tndrftsomft yuvam angä tdrutram. 

3. abhf (RPr. 529). 

a. Ry, X. 149, 4^ wo die Safnhitä lautet: 
pätiriva jäyd m abhi no ny etu. 

Diess soll nicht eine Ausnahme von der allgemeinen Regel sein, 
sondern von der Ausnahme in § 14 a. Mechanisch gezählt gehört der 
Auslaut von abhi in der That der 8ten Silbe eines elfsilbigen Stollens 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIND. SAJfHITA- ü. PADA-TEXTENETC- 47 

an; aber dieser Stollen erscheint in einer Trishtabh, deren regelmässigen 

Schlass t; ^bildet. Diesen erhalten wir, wenn wir, dem in denVeden 

fast durchgreifenden Gesetz gemäss, den Sandhi in ny ita wieder auf- 
heben und ni etu lesen ; die vollständig reine und vorherrschende Form des 
Trishtabh-Stollens gewinnen wir aber erst durch die schon in der ersten 
Abhdlg. (Bd. XIX. S. 248) besprochene Umwandlung von pdtiriva (für 
pätikr4va) in pättva. 

Der Stollen ist dann zu lesen 

pätiva jdyd'm abhl no nl etu | v — v — | —vv — | t? — v 
und der Auslaut von abhi fallt nun in die 7te Silbe, war also der Deh- 
nung überhaupt unfähig. 

b. Eine wirkliche Ausnahme von der allgemeinen Begel würde Rv. 
VIII. 23, 26^ (£Pr. 531), bilden, wo das % in der 6ten Silbe eines 8 sil- 
bigen Stollens ungedehnt bleibt: 
mahö vf9vd^ abhi shatö 
allein wir haben schon § 14 auf die Mannigfaltigkeit des 2ten Fusses in 
den 8 silbigen Stollen aufmerksam gemacht und der hier erscheinende 
^f^^ — ist keinesweges selten (vgl. M. Müller Translation, Pref. CXV). 

In allen andern Fällen — abgesehen von § 14, a — folgt abhi der 
aUgemeinen Regel, vgl. z.B. Rv. V. 9, 7*; IX. 101, 3 = Sv. II. 1. 1. 18. 3. 

4. ayadyä'ni (RPr. 528) nur in Rv. VI. 66, 4^ 
antdh sänto 'vady&'ni pundnd'h. 

Mechanisch gezählt gehört der Auslaut von avadtfä'ni der 7ten, nicht 
der 8ten Silbe an. Da dieser Stollen aber im Pr. als Ausnahme zu der 
allgemeinen Regel angeführt wird, so haben ihn die Verfertiger desselben 
so gelesen, dass er in die 8te fallt, d. h. sie lasen ihrer Regel (vgl. § 3) 
gemäss 'vadiä'ni, oder avadtfä'ni. Wir wissen jetzt, dass dem fast durch- 
greifenden Gesetz gemäss das anlautende a^ wieder hergestellt werden 
muss, zumal da avadya zu den Themen gehört, in denen im Rv. stets y, 
nie i zu lesen ist (das Thema erscheint unzusammengesetzt und in 
den Zusammensetzungen avadyagohana ^ avadyahhi, mitköavadyapa , ana" 
vadyd, anavadyärüpa, guhddavadya 31 mal). 

Wir lesen diesen Stollen also 



48 THEODOR BENFEY, 

antdh sdnto avadydm punftnft'h 
80 dass in der That die regelmässige Dehnung (in 8 in 11) fehlt. Sollte 
diess Folge davon sein, dass in der Vortragsweise der Recitirer, wie sie 
in der Samhit& vorliegt, das i der 7ten Silhe angehörte? 

5. avri (R-Pr. 539) nur in Rv. IV. 55. b^ 

deväsya trdtiir avri bhägasya. 
Der Fall ist ähnlich, wie der vorige. Das t gehört« mechanisch ge- 
zählt, der 7ten Silbe an, muss aber, wie dort, von den Verfassern des 
Prdti9. als zur 8ten gehörig betrachtet sein ; wie sie diese herausgebracht 
haben, wage ich kaum näher zu bestimmen ; sie wandten wahrscheinlich 
die Regel in § 3 an; nur weiss ich nicht wie; denn aüri konnten sie 
gewiss nicht, und atmri schwerlich sprechen. Wir sprechen avari ent- 
weder mit phonetisch entwickeltem a, wie in Indara für Indra (§ 7), 
oder mit aus dem ursprünglichen a-t^ar-i bewahrtem. Die unregelmässige 
Bewahrung der Kürze in der Sten Silbe Hesse sich in derselben Weise, 
wie im letzten Fall, natürlich ebenfalls nur mit Wahrscheinlichkeit, 
erklären. 

6. asanäma (R-Pr. 534) nur in Rv. VIII. 25, 22« 

(8 in 12) rätham yuktäm asanäma sushft'mani. 

7. asi (R-Pr. 532) Die Ausnahme betrifft zwei Fälle: Rv. IL 1, 5* 

(8 in 12) tvdm narä'm (drdho asi purüväsuh 

Scheinbar ist i in asi in der 7ten Silbe. Die Vf. des Pr. lasen 
(nach § 3) tuvdm, wir lesen tudtn, dadurch kömmt es in die 8te. Die un- 
regelmässige Bewahrung der Kürze würde sich wie in avri fassen lassen. 

•Femer Rv. V. 9, 4« 

(6 in 8) purü' yö dägdhä'si vänä. 

Der Mangel der Dehnung lässt sich wie in abhi aus der Mannig- 
faltigkeit des 2ten Fusses in 8 silbigen Stollen erklären , zumal da der 
hier eintretende — vv— nicht selten erscheint (vgl. M. Müller Transla- 
tion Pref. CXXI). 

8. astl (R-Pr. 529) nur Rv. I. 36, 12» 

räyäs pürdbi svadhdvö 'sti hi te 



QÜANTITÄTS VERSCHIEDENHEITEN IN D. SA JZHITA- U. PADA-TEXTEN ETC. 49 

In diesem Samhitd-Text ist ^sti in der That die 8te Silbe; allein 
der Stollen hat weder 11 noch 12 Silben und doch müssen ihn die Yf. 
des Frdti?. für einen 11- oder 12 silbigen genommen haben ; sonst hätten 
sie dieses i in ästi nicht als eine Ausnahme von der allgemeinen Regel 
betrachten können. Einen elfsilbigen konnten sie zwar dadurch heraus- 
bringen, dass sie der in § 3 erwähnten Vorschrift gemäss, statt svadhdvo^ 
viersilbig suvadhävo lasen; dann würde aber das i von ästi in die 9te 
Silbe gerathen sein und der Mangel der Dehnung wäre nicht gegen die 
allgemeine Regel. Sie lasen sicherlich aber zugleich das hinter o einge- 
büsste a (s. §. 3), nämlich: 

räyds pdrdhi suvadhävo ästi hi te ; 
dann trat das i in die lUte Silbe eines 12 silbigen Stollens und hätte 
der Regel gemäss in der That gedehnt werden müssen. 

Allein diess Verfahren war sicherlich nicht richtig. Dem heutigen 
Stand der Vedenforschung gemäss ist zwar das ä in dsti unzweifelhaft 
zu lesen; dagegen dürfen wir nicht wagen, das erste v in svadhdvo zu 
vokalisiren ; denn svadha in allen Casus, eben so svadhä'vant, svadhä'van, 
svadhd'vart, anushvadhäm und svadhäpati haben allenthalten — und zwar 
in 129 Fällen — die Liquida, nirgends statt ihrer den Vokal u. 

Es ist demnach zu lesen 

rdyas pürdhi svadhdvo dsti hl te |t; |t?t; — 

und darin tritt i in dsti in die 9te Silbe, verstösst also nicht gegen die 
allgemeine Regel. Nun tritt zwar hi in die lOte eines elfsilbigen Stollens, 
allein dessen i — könnten wir mit den Indern sagen — wird wegen der 
folgenden Länge (nach § 12 Ausn. 3) nicht gedehnt. Doch ist die rich- 
tige Erklärung auch hier anders zu fassen. 

Es ist schon gelegentlich bemerkt und wird in den Beiträgen zur 
Vedenmetrik eingehend behandelt werden , dass elf- und zwölfsilhige 
Stollen oft in demselben Verse vorkommen; vgl. z. B. Rv» VIL 96, 2*, 
wie der besprochene Stollen, ebenfalls in einem Prdgdtham Bdrhatam 
und zu lesen 

sd' no bodhi avitrf marütsakhd | vv | v — v — \ 

ferner VIII. 46, 15 (vgl. RPr. 892), zu lesen 

Histor.'phüol Glosse. XX. t G 



50 THEODOR BENFEY, 

y&it r^knas tanüe dadir vdsu v j — vv — | i; — v — 

und sonst vielfach, so dass auch in dem besprochenen die Elfsilbigkeit 
nichts auffallendes hat Auffallender könnte der metrische Schluss vv — 
scheinen; dieser erscheint aber überaus häufig in elfsilbigen Stollen, so 
z. B. Rv. VI. 24. 3« 

ynkshdsya nü te puruhüta vayd' vv \ — vv — \ vv — 

ferner VI. 24, 7« 

vriddhäsya cid vardhatäm asya tanü'h 1; — | —v | w — 

femer Rv. VI. 67, 11* 

dhrishnüm yÄd rdne vrfshanam yunäjan v \ — w — | vv — 

VI. 68, 7* 

prä sadyö dyumnd' tirdte täturih v | — vv — | vv — 

und mit, wie so häufig (vgl. § 12], nur drei Silben im 2ten Fuss VI. 
24, 3*; zu lesen 

dksho na cakrloh 9dra brihdn v — | v | vv — 

und viele andre, z. B- I. 103, 4*; 117, 22^ 121, 9*; 15*; 126, V; 141, 
12\ 167, 2«; 5^ 173, 8*; 186, 2^ II. 20, 1*; l''; 29, 1*; 30, 6*. 

Dieser Auseinandersetzung gemäss ist in dem Mangel der Dehnung 
des t in asti kein Verstoss gegen die allgemeine Regel zu erkennen. 

9. asya (RPr. 530) nur ein Fall, Rv. X. 132, 3* 

sdm V dran ndkir asya maghd'ni 
zu lesen 

(8 in 11} sdm u ftran ndkir asya maghd'ni. 
Vielleicht nicht gedehnt aus demselben Grund wie in asi und den 
analogen Fällen. 

10. ft'ynshi (RPr. 632) nur ein Fall Rv. IV. 4, 7« 
(8 in 11) pfprishati svd ä'yushi durond. 

11. Indra (RPr. 529) nur ein Fall Rv. VIII. 52 (VÄl. 4), V 
(8 in 12) ydthd tritd chdnda Indra jüjoshasi 

Die Vdlakhilya enthalten zwar viele Anomalien, allein schon in der 
Abhandlung über die indogerm. Genetivendungen ians u. s. w. (Abhandl. 
XIX. S. 21) habe ich auf die Häufigkeit des Mangels der Dehnung im 
Vokativ Sing, aufmerksam gemacht; vgl. noch unter deva, pavamdna 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAJffllTÄ-Ü.PADA-TEXTENETC. 51 

prithivi, varuna, vasavdna, samidhäna, Sarasvati, Soma, haryagva. Hinter 
jedem Vokativ tritt eine kleine Pause ein, welche dem auslautenden 
Vokal desselben die Dauer einer Länge verschafft , fast gerade wie am 
Ende eines Stollens. Uebrigens ist zu dem a. a. O. angefahrten Vokativ 
mit gedehntem Auslaut noch mishdbhd Rv. VIII. 45, 38 zu ffigen. 

12. fnvasi (R-Pr. 531), nur ein Fall Rv. VIII 13, 32» 
f8 in 12) vrlshd yajnö yäm invasi vrishd hdvah. 

Der Vokal rt scheint in den Veden, wegen des r-Elements bisweilen 
Position zu machen; genaueres dardber in den Beiträgen zur Metrik 
und in der Lautlehre; vgl. auch § 11. 

13. Iva (RPr. 530; 533; 534); in drei Fällen; 
Rv. VI. 16, 38', = Sv. IL 8. 2. 18. 2» 

(6 in 8) üpa cchdyd'miva ghrlner 
vielleicht wie das auslautende ^i in invasi aus dem n in ghiiner zu erklären. 

(8 in 11) Rv. IV. 57, 2« = TS. L 1. 14. 3 

madhu9cütam ghritdmiva süpütam. 

(8 in 12) Rv. X. 25, 4* 

dhdrdyd camasä'^'iva vivakshase. 
Das letzte Wort bildet den Refrain des 4ten , wie vi vo mdde des 
3ten Stollens und wir finden Bewahrung der Kürze vor erstrem noch 
in X. 21, 8* (vgl. jdmishu) und vor letzterem in unserm Hymnus X. 
25, 2"^ (siehe mäma) und X. 24, T (vgl. dhäraya und ronyost). Trennt 
Ynan die beiden Refrain ab, so hat der Vers vier achtsilbige Stollen 
und es sieht demnach fast aus, als ob die beiden Refrain nicht als 
zum eigentlichen Vers, sondern als Zusätze betrachtet sein. Doch darf 
ich nicht bergen, dass in unserm Hymnus X, 25, 7^ die allgemeine Re- 
gel — Dehnung — vor dem Refrain [md' no duhfämsa Igatd vivakshase) 
beobachtet ist; allein Inconsequenzen sind in den Veden häufig. 

14. ishanyasl (RPr. 534) ein Fall, Rv. X. 99, 1' 
(8 in 11) kdm naf citrdm ishanyasi cikitvd'n. 

16. IhÄ (RPr. 531) ein Fall Rv. VH. 35, 6^ = Ath. XIX. 10, 6* 

(8 in 11) q&m nas tvdshfd gnd'bhir ihd ^riitotu. 
Vielleicht wie in iva vor gkriner aus dem ri in ^ri^ zu erklären. 

G 



52 THEODOR BENFEY, 

[fraya mit auslautendem ä findet sich bei M. MfiUer in' beiden 
Ausgaben Rv. VIII. 96 (85), IP, ist aber in {rayä zu verwandeln, wie 
auch Aufrecht hat]. 

16. u (RPr. 355) ein Fall Rv. X. 161. 4^ = Ath. III. 11, 4 
(8 in 11) (^t&m hemantdn chatam u vasantd'n. 

Lag in der Aussprache des auf u folgenden v etwas wodurch die 
Dehnung unnöthig ward? 

17. Uta (RPr, 529) 

Das Beispiel, welches im RPr. angeführt wird, nämlich Rv. II. 27, 14* 
ddite mitra värunota mri/a 
hat das ^ta nur dann unregelmässiger Weise ungedehnt, wenn man mit 
Aufbebung des Sandhi vdruna utd liest. Dann hat nämlich der Stollen 
12 Silben und dieses ta bildet die lOte. Allein der ganze Hymnus be- 
steht ohne Ausnahme aus 11 silbigen und zwar, wie selten in einem so 

langen — er hat 17 Verse — , regelmässig schliessenden {v ^) Stollen — 

d. h. diesen fürs erste auslassend — aus 67. Diesen 67 gegenüber 
dürfen wir schwerlich wagen, hier einen zwölf silbigen, man möchte fast 
sagen, einzig um noch eine Ausnahme von der allgemeinen Regel zu 
erhalten, anzunehmen. Wäre die Annahme nothwendig, dann würde 
sich der Mangel der Dehnung, wie in ihd und den analogen aus dem rt 
in mrila erklären lassen. 

Allein sie ist nicht nothwendig, ja allen übrigen Stollen dieses Hym- 
nus gegenüber fast völlig unzulässig. Man könnte nun zunächst einen 
elfsilbigen Stollen mit dem schon erwähnten ziemlich häufigen Schluss 
vv — hier sehen wollen. Diese Auffassung würde ich wählen, wenn sie 
nicht durch die sonst durchweg regelmässigen Schlüsse in diesem Hym- 
nus unwahrscheinlich würde. Die einzig richtige gewährt eine Bemerkung, 
deren Berechtigung ich jedoch erst in den Beiträgen zur Vedenmetrik er- 
weisen werde, nämlich dass der Vokal r» in der Vedenzeit bald kurz 
bald lang gebraucht wird, speciell in dem Verbum mrid (mril) aber, 
dessen Ursprung aus mxish-dhä gemäss (vgl. 'Jubeo und seine Verwandte* 
in den Abhdlgen XVII. S. 22), fast durchgehends lang. Der Beweis 
ergiebt sich aus grammatischen Regeln (z. B. Nicht-Dehnung von xi 



QU ANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SA JtfHITÄ- ü. P ADA-TEXTEN ETC. 5 S 

wo a, »\ u gedehnt werden), Differenzen (z. B. im Genetiv Plur. von 
Themen mit auslautendem n) , und dem Metrum einer ausserordentli- 
chen Menge von Vedenstellen (vgl. z. B. die im RP. 529 dicht neben 
der hier besprochenen erwähnte Rv. X, 128, 8®, welche unter harya^va 
besprochen werden wird). 

Wir betrachten also den im Pr. angeführten Stollen IL 27, 14* 
als einen ganz regelrechten, dessen ^ta in uta^ weil die neunte Silbe 
bildend, nichts weniger als einen Verstoss gegen die allgemeine Regel 
enthält. 

Diess ist der einzige Fall, welcher von den indischen Forschern für 
ihre Ausnahme von ihrem Standpunkte aus geltend gemacht werden konnte. 

Beiläufig bemerke ich, dass es noch einen Fall giebt, in welchem 
wir von unserm Standpunkt aus eine Dehnung des a erwarten würden; 
nämlich Rv. VIII. 70 (59), 5^ = Sv. I. 3. 2. 4. 6 = Ath. XX. 81, 1 
und 92. 20 

9atäm bhd mir utd syuh. 
Es ist nämlich ein achtsilbiger Stollen und um diese Zahl zu gewinnen 
ist siuh zu lesen, mit Bewahrung des ursprünglichen Charakteristikums 
des Potentials i (statt des spätem y\ wie gerade vorwaltend in dem von 
as^). In Folge davon wird das a von utd Auslaut der 6ten Silbe eines 
8 silbigen Stollens und hätte der allgemeinen Regel gemäss gedehnt werden 
müssen. Allein die Inder, wie wir § 6 gesehen haben, nehmen an, 
dass in solchen Fällen die Ausnahme in § 11 gelte, wonach vor einer 
Position nicht gedehnt wird, und betrachten die Fälle, in denen gegen 
diese Ausnahme gedehnt wird, nicht als Folgen der allgemeinen Regel, 
sondern als Ausnahmen zu dieser Ausnahme. 

Kaum erwähnenswerth ist der Fall Rv. X. 85, 10^ = Ath. XIV. 
1, 10. in M. MfiUer's und Aufrecht's Drucken 

dyaür asid utd chadih 
da diaür zu lesen, so ist a in utd ebenfalls die 6te Silbe in einem 8sil- 



1) vgl. ,Ueber die Entstehung des Potential u, s. w/ im XVIten Bd, der Ab- 
handlungen, insbesondre S. 170 ff. und Grassmann, Wtbch. S. 150. 



54 THEODOR BENFEY, 

bigen Stollen. Allein es ist nach dem RPr. ^) cchadih zu schreiben; folgt 
also Position. 

18. üpa (RPr. 532) vier Fälle; betreffen alle die lOte Silbe 11 sil- 
biger Stollen, nämlich Rv. IV. 16, P = Ath. XX. 77, 1; zu lesen 

drdvantu asya haraya^) üpa nah 

Rv. IV. 21, V = VS. XX. 47; zu lesen 

Ä' yÄtu Indro ävasa') üpa na 

Rv. VII. 92. P = VS. VII. 7 = TS. I. 4. 4 und IL 4. 2. 1. 

a vdyo bhüsha 9ucipä üpa nah 

Rv. VII. 93, 6* 

imd'm u shü sömasutim üpa na. 
Alle vier Beispiele sind entschiedene Ausnahmen von der Haupt- 
regel; aber um so auffallender, da nach § 14 gerade vor dem hier in 
allen vier Fällen folgenden nahy selbst wenn es schwer ist (no, nas mit 
folgendem Consonanten]. die allgemeine Regel beobachtet wird. Es liegt 
hier eine der stärksten Inconsequenzen im Text des Veda vor. Es ent- 
steht dadurch der zwar mehrfach vorkommende, aber doch im Verhält- 

niss zu dem gewöhnlichen [v ^), welcher durch die hier regelmässige 

Dehnung eingetreten wäre, seltene Schluss (w— ). Wenn dies wirklich 
die ursprüngliche Aussprache, d. h. die der Verfasser selbst, war, dann 
hätten sie hier die entschiedene Absicht gehabt den regelmässigen Schluss 
zu vermeiden. Dafür vermag ich zwar keinen Grund zu erkennen; 
allein in Bezug auf die Constitution der Vedentexte müssen wir bis jetzt 
und vielleicht noch lange auf die Möglichkeit alle Erscheinungen des- 
selben begründen zu können, Verzicht leisten. 

19. u^masl (RPr. 532). Der einzige hieher gehörige Fall ist Rv. 
I. 164. 6» = VS. VI. 8 = TS. I. 3. 6. 2 (beide letztere mit Varianten); 
zu lesen 

(8 in 11) \Ü vftm vd'stüni U9ma8i gamddhyai. 



1) vgl 'Einleitung in die Grammatik der ved. Spr.' in Bd. XIK. 148. 

2) wahrscheinlich haraya worüber in den 'Betträgen zar Vedenmetrik^ 

3) wahrscheinlich 6oase zn lesen, worQber a. a. 0. 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SA JfHITA- ü. PADA-TEXTEN ETC. 56 

Das Verhältniss der TS. ist in § 10 besprochen. 

20. nshäsi (RPr. 522) in zwei Fällen; im ersten 8 in 11, im 
zweiten 8 in 12. ^ 

Kv. VII. 3, 5*: täm id doshä' täm ushäsi yävishfham 

und Rv. VIII. 22, 14'; tdV id doshd' td' ushäsi 5ubh4s pdtf. 

21. ftrnnU (RPr. 528) nur ein Fall, Rv. IX. 91, 4* 
(8 in 11) pundnd inda tinyuhi vi vdjdn. 

22. kir&sl (RPr. 532) ein Fall Rv. VIII. 49 (V&l. 1), 4« 
ii yäthd mandasänäh kird'si nah. 

Der Verstoss gegen die allgemeine Regel ist nur scheinbar. Bei 
mechanischer Zählung föllt zwar das auslautende i vpn kird'si in der 
That in die lOte Silbe eines elfsilbigen Stollens ; allein dieser elfsilbige^ 
Stollen ist der 7te einer Pragdtha- Strophe und vertritt demnach eigent- 
lich einen zwölfsilbigen , wie denn im ganzen übrigen Hymnus der 7te, 
gleich wie der 3te und 5te, der Regel gemäss, durchweg 12 silbig sind. 
Dass er einen zwölfsilbigen in der That vertreten soll, zeigt auch der 
metrische Schluss, welcher, wie in den zwölfsilbigen regelmässig, durch 
eine iambische Dipodie [kird'si vah) gebildet ist. Statt der 8 Silben der 
beiden ersten Füsse erscheinen also hier , wie nicht selten (vgl. für jetzt 
§ 12 und S. 49), nur 7 ; ob wir von diesen nur drei (statt vier) dem ersten oder 
zweiten Fuss zuzutheilen haben, will ich noch nicht entscheiden; mir 
scheint dass hier der erste mangelhaft ist; genauer werde ich darflber 
zwar erst in den Beiträgen handeln; doch vorausgesetzt, dass meine 
Lesung richtig, wfirde das Metrum sein 

— v— I — u I t; — V — 

darin ist die Silbe, welche das auslautende i in kir^si enthält, die Kflrze 
des letzten Jambus und vertritt also die Ute Silbe eines 12 silbigen 
Stollens. 

23. krinahi bildet Ausnahmen , nach der Bestimmung des RPr. 
529, wenn ihm ein zweisilbiges Wort vorhergeht. Hieher gehören zwei 
FäUe, beide 8 in 11; nämUch Rv. VI. 44, 9« 

vdrshiyo vdyah krinuhi q&dhhih 
und Rv. VII. 25, 2« 



56 THEODOR BENFEY, 

äri tarn ^ämsam krinuhi ninitsöh. 
Bemerk. 1. Die allgemeine Regel tritt dagegen ein Rv. VII. 25, 2* 

(8 in 11) jahi vrlshnyÄni kriwulu pdracah, 
wo ein dreisilbiges Wort vorhergeht. Natürlich ist diese Bestimmung 
nach der Silbenzahl des vorhergehenden Wortes nicht der Grund , son- 
dern nur ein äusseres Zeichen der Ausnahme. 
Bern. 2. In Rv. IV. 22, 9^ 

asm^ varshish^ha krinuhi jy^shfhä 
fehlt die Dehnung trotz dem dass das % der 8ten Silbe angehört, weil 
die folgende (vgl. § 11) mit einer Consonantengruppe anlautet. Dies 
Gesetz bleibt hier auch bei richtiger Lesung in Geltung. Denn es ist 
nicht, statt jyishtha wie Grassmann (Wörterbuch S. 503) angiebt, jleshtha^ 
sondern jydishtha zu lesen (vgl. bei ihm selbst ddXshtha für dishtha S. 
638, dhaishtha für dhishtha S. 696), d. h. die organischere Form des 
Superlativs bewahrt. 

24. gopfthyäya (RPr. 534) ein Fall, nämlich Rv. X. 95, IP 

jajnishd ittha gopi'thydya hl. 
Es ist goptthi&ya , oder nach indischer Weise gopiihiy&ya , zu lesen 
und dass die Inder so gelesen haben, zeigt eben die Aufnahme dieses 
Wortes unter die Ausnahmen ; denn nur durch diese Lesung kömmt 
das auslautende a desselben in die lOte Silbe eines elfsilbigen Stollens. 
Allein sie beruht, wie die von kirä'si und a. a., auf Verkennung des Me- 
trums ; auch hier enthalten die beiden ersten Ffissen nur 7 Silben — wie 
in demselben Hymnus auch 6*; 9^; 10* und 13* — ; der 3te Fuss ist 
eine Dipodia iambica, d. h. der ganze Stollen vertritt nicht einen elf- 
silbigen, sondern zwölfsilbigen, gemäss der so häufig — in diesem Hym- 
nus in 12* — eintretenden Verbindung beider. Das Metrum ist also 

— vv — I I V — v-^ 

ähnlich dem § 12 aus X. 77 erwähnten. Ob der mangelhafte — drei- 
silbige — Fuss der erste oder zweite ist, will ich, wie bei kirä'si noch 
nicht entscheiden. Doch neige ich mich hier zu der Annahme, dass 
der 2te mangelhaft sei und diess ist in den meisten Fällen der Art das 
Wahrscheinlichere; ich skandire demnach: 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAMHIÄ- V. PÄD A-TEXTEN ETC. 57 

jajmsha it- | thd' gopf- | thidya hi. 
Die Kürze des auslautenden a ist also auch hier Folge davon , dass 
es der ersten Silbe des letzten Jambus angehört; vgl. cdranti. 

25. Cäranti (RPr. 531) nur ein FallRv. VI. 47, 31« = VS. XXIX. 
57 = TS. L 4. 6. 7 = Ath. VI. 126. 3 (V. L). 

sdm ä9vaparnd9 cdranti no ndro 
Der Fall ist eine Ausnahme zu § 14, a, aber wesentlich dem vo- 
rigen gleich. Auch in diesem Hymnus sind 12 silbige Stollen in demsel- 
ben Verse mit elfsilbigen verbunden, nämlich 18*^*; 29^; 30* und 31®. 
Ebenso enthalten mehrere Stollen nur 7 Silben in den beiden ersten 
Füssen, nämlich 28"" und 31^ entschieden, andre zweifelhaft. Im vor- 
liegenden Stollen sind beide Abweichungen von der allgemeinen Regel 
der Trishtubh wieder verbunden. Ich skandire 

sdm d^vapar- 1 ftd9 cdran-|ti no ndro|v — v — | — v — \v — v — 

26. cfketa (RPr. 532) ; nur ein Fall. Rv. IX. 102. 4' (= Sv. I. 2. 
1. 1. 5, wo aber eine V. L. durch welche die Anomalie, wenn eine 
anzuerkennen wäre, wegfallen wflrde) 

aydm dhruvö raylnd'm dketa ydd. 
Die Verfasser des Prdti?. haben, wie oft, nur mechanisch gezählt und 
dadurch das auslautende a in dketa als der lOten Silbe eines elfsilbigen 
Stollens angehSrig betrachtet. Allein es ist der 3te Stollen einer Ushnih. 
welcher regelmässig — und so auch in diesem Liede — 12 Silben ent- 
hält. Erst die europäische Vedenforschung hat erkannt, dass die Endung 
des Genetiv pl. am sehr oft zwei Silben vertritt und das ist auch hier 
der Fall. Dadurch tritt jenes auslautende a in die llte Silbe, d. h. die 
erste des schliessenden Jambus und muss kurz sein. 
Der Sdmaveda liest ciketad ä\ 

27. cetatl (RPr. 532) nur ein Fall Rv. IX. 106. 2« = Sv. IL 1. 1. 17. 2 
(S in 11) s6mo jaftrasya cetati ydthä vid^. 

28. J&mfsha (RPr. 532) nur ein Fall, Rv. X. 21, 8* 
(8 in 12) gdrbham dadhäsi jdmfshu vfvakshase. 

Die Kürze ist vor dem Refrain bewahrt, vgl. unter iva zu Rv. X. 25, 4^. 

29. J&'su (RPr, 532); nur ein FaU Rv. VII. 46, 2* 
M^tar.'phüölag, Glosse XX. 1. H 



58 THEODOR BENFET, 

andmiYÖ rudra jft'su no bhava. 
Es ist diess, bei mechanischer Silbenzählung, zwar nicht eine Ausnahme 
zu der allgemeinen Regel, sondern vielmehr zu der Ausnahme von der 
3ten Ausnahme (vgl. § 14, a). Denn bei dieser mechanischen Zählung ist 
das auslautende u in der 8ten Silbe eines elfsilbigen Stollens und mOsste 
nach § 14 vor no, trotz des Diphthongs in diesem, gedehnt werden. 
Allein diese mechanische Zählung entspricht, wie so oft, nicht der durch 
das Metrum gebotenen. Die drei ersten Verse dieses Liedes sind näm- 
lich, wie die Inder richtig erkannt, Jagatfs; elf Stollen derselben sind 
entschieden ganz regelmässig; der vorliegende wäre der einzige unr^el- 
massige. Die neuere Forschung hat aber festgestellt, dass, wie Indra 
häufig dreisilbig, etwa Indara, so auch rudra sehr oft rudara zu lesen 
ist (vgl. Grassmann Wtbch. S. 1174 fF.); wendet man diese Lesung auch 
hier an, so wird auch dieser Stollen ein regelmässiger zwölfsilbiger, 
schliessend mit Dipodia iambica und das auslautende u fällt nicht in die 
8te sondern 9te Silbe, die erste der Dipodia, muss also kurz bleiben: 
V \ VW — \ V — V— (. 

30. Jfgh&msasi (ßPr. 528) ein Fall Rv. VH. 86, 4* 
(8 in 11) ydt stotd'ram jighdmsasi säkhflyam. 

31. i&masi (RPr. 533) ein Fall Rv. VIL 6, 4* 
(8 in 11) yö apdcin6 tämasi mddantih. 

32. tlrasi (RPr. 533) ein Fall, Rv. IV. 6, 1* 
(8 in 11) prd vedhdsa9 cit tirasi manfshd'm. 

33. dad&ta (RPr. 530) ein Fall, Rv. VIII. 71 (60), 13* 
agnfr ishd'm sakhyö daddtu nah 

ist, wie schon so viele, nur scheinbar eine Ausnahme. Die Inder haben 
nach § 3, 3 sakhiyi gelesen; dadurch ist das u von daddtu in der lOten 
Silbe eines elfsilbigen Stollens und hätte nach der indischen Fassung 
gedehnt werden mflssen. Allein der Stollen ist der 5te einer Pragätha- 
Strophe und dieser ist regelmässig zwölfsilbig, mit einer iambischen Di- 
podie als Schlussfuss. Die neuere Forschung hat aber, wie schon be- 
merkt, festgestellt, dass die Endung des Gen. PL dm sehr häufig zwei- 
silbig erscheint. Wenden wir nun diese Lesung hier an, so wird der 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SA JfflITÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 59 

Stollen zwölfsilbig und die Silbe ^tu die Ute, oder erste des letzten 
Jambus, muss also kurz sein. 

34. dadMtn (RPr. 530, vgl. 162) ein Fall, Rv. V. 51, IP 
svasti püshd' äsuro dadhdtu nah. 

Der Anukrama schwankt ob Vers 11 — 13 dieses Liedes Trishfubh oder 
Jagati, d, h. 4 X 11 . oder 4 x 12 Stollen habe. Im erstren Fall 
wQrde tu die lOte Silbe eines elfsilbigen Stollens sein. Es sind aber 
alle drei Verse regelmässige Jagatf s mit schliessender iambischer Dipodie ; 
in allen ist das svasti geschriebene Thema, wie fast immer suasH zu 
lesen; dadurch wird ^tu die Ute Silbe, d. h. die erste des letzten Jam- 
bus und muss kurz bleiben. 

Dieses Schwanken in diesem allereinfachsten Fall zeigt recht deut- 
lich, wie wenig man selbst zu der Zeit der schliesslichen Redaktion des 
RPr. vom Vedenmetrum erkannt hatte. In diesem besonderen Fall ist 
noch beachtenswerth, dass die Verfertiger des Rv*Pada das unzweifelhaft 
aus SU und asti zusammengesetzte ^o^f^ nicht (durch avo^raAa) zu theilen 
wagten: in dem so häufig gebrauchten Wort hatte sich die Aussprache 
mit der Liquida gewiss schon lange so sehr fest gesetzt, dass die Fada- 
Verfertiger die Zusammensetzung nicht mehr erkannten. 

35. dadhimahi (RPr. 531) ein Fall. Rv. VII. 40, 1^ 
(8 in 11) prdti stömam dadhimahi turd'ndm. 

36. didblsheya (RPr. 530) ein Fall. Rv. VII. 32, 18» = Sv. I 4. 
1. 2. 8 = Ath. XX. 82. 1 

(8 in 12) stotä'ram fd didhisheya radAvaso. 

37 divf (RPr. 533) ein Fall, Rv. IV. 35, 8^ 

(8 in 11) fyend'iv^d ädhi divl nishedä. 

38 didihf (RPr. 528); diese Ausnahme findet nur Statt Rv. VIII. 
60 (49). 6» 

(8 in 12) 96cd (ocisbtha didihf Yiq6 mdyo. 
Dagegen gilt die allgemeine Regel Rv. III. 54, 22 

(10 in 11) ähd v{9vä sumänd dtdihf nah. 
40. deva (RPr. 531) ein Fall, Rv. X. 93, 9' 

kridhf no ahrayo deva savitah 

H2 



60 THEODOR BENFEY, 

Mechanisch gezählt ist der Auslaut von deva in der That der Schluss 
der 8ten Silbe eines elfsilbigen Stollens; allein das Metrum dieses Stol- 
lens ist schwerlich richtig aufgefasst. Die Silben des ganzen Verses 
sind mechanisch gezählt 40, nämlich ll-f-T + S + G-f-S. Die 
Silbenzahl des 2ten und 4ten Stollens ist aber sehr unregelmassig ; nach dem 
schon erwähnten Gesetz, wonach die Endung <itn des Gen. pl. sehr oft 
zweisilbig ist, so wie durch die regelrechte Aufhebung des Sandhi 
in ny ishäm in dem 4ten Stollen ergeben sich aber auch fQr diesen und 
den 2ten 8 Silben. So gelangen wir zu einem Verse von 11 und 4x8 
Silben; ein solcher ist mir aber bis jetzt noch nicht vorgekommen und 
ich neige mich desshalb zu der Vermuthung, dass savitdh im Isten 
Stollen ein Zusatz ist« wie sich davon eine Menge insbesondre durch 
die Varianten zwischen der VS. und TS. nachweisen lassen. In diesem 
Falle wäre der Vers die sehr beliebte Parikti. d. i. 5 x 8. Doch wiU ich 
nicht bergen, dass man gegen diese Annahme vielleicht dadurch schwan- 
kend werden könnte, dass dieser Vers (der 9te) auf eine Prastdrapankti 
(d. i. 12 -|- 12 -|- 8 4- 8) folgt und eine eben solche hinter sich hat. 
Es ist diess jedoch kein erheblicher Einwand; denn hinter dem letzteren 
Verse (dem lOten) folgt auch ein Vers eines andern Metrums; dann ist 
der 12te wieder wie 11; der 13te wieder ein andres Metrum; der 14te 
wieder wie 12; der 15te wieder ein andres Metrum; — vgl. Qbrigens 
auch unter Indra. 

41. db&raya (RPr. 530) ein Fall, Rv. X. 24. V 
(8 in 12) asmö raylm nl dhdraya vi vo mäde 

Die letzten vier Silben sind Refrain (vgl. bei iva und jämishu). 

42. dh&va (RPr. 531) ein Fall, Rv. IX. 86, 48* 

(8 in 12) dvyo vd're pari dhäva mddhu priyäm. 

43. D&'ma (RPr. 529). 

Die beiden hieher gehörigen Stellen, Rv. V. 33, 4* und X. 23, 2* 
sind in § 12 vollständig erörtert; die Bewahrung der Kfirze im Auslaut 
ergab sich als Folge der schliessenden iambischen Dipodie, in welcher 
^ma die Kürze des letzten Jambus bildet. 



QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIND. SAJfHITA- ü. PADA-TEXTENETC. 61 

44. nf (RPr. 533) ein Fall. Rv. X. 84. 7* = Ath. IV. 31, 7 

(8 in 11) pdrdjit&so dpa nf layantdm. 
Der Mangel der Dehnung erklärt sich vielleicht daraus dass Prä- 
position und Verbum von einigen Recitirern für unzertrennlich verbunden 
gehalten wurden, wie in der TS., wo IL 6. 6. 1; V. 1. 1. 4 u. sonst 
(Weber Ind. St. XIII. 45) ^) nildyata im Pada nicht getrennt wird. Der 
Grund der Nichttrennung wiederum liegt, wie sehr oft, darin dass man 
nicht wusste, wie zu trennen sei, ob die Präposition ni und das Verbum 
U sei, oder die Präposition nis und das Verbum ay [%) , wobei nir ay zu 
nil ay geworden sei (s. Siddh. K. Bl. 119. a. in Böhtlingk Pdn. zu VIII. 
2. 19, Bd. II. S. 362). Hatte der Recitirer nun , auf dessen Autorität 
sich die Diaskeuasten verliessen, der letzteren Ansicht gemäss vorgetragen, 
also nil-ayantäm, so war % gar nicht der Auslaut und durfte also der 
herrschenden Regel gemäss nicht gedehnt werden. Die Pada-Verfertiger 
folgten alsdann zwar der erstren Ansicht und trennten dem gemäss ni 
layantdm, aber die in der Samhitd der Diaskeuase überlieferte Kürze 
stand schon ein für allemal fest. 

45. nü (RPr. 533) ein Fall, Rv. I. 172, 3' 
(6 in 8) trinaskandäsya nü vi9ah. 

pänca (RPr. 531). Es könnten drei, vielleicht vier Fälle hieher 
gezählt werden, aber alle vier mit Unrecht. 

Der erste scheint in der Schule als Beispiel gedient zu haben; er 
wird von Uvato zu der Stelle des Prdti?, angeführt, aber von ihm selbst 
als unrichtig bezeichnet. Sein Grund ist zwar vom indischen Stand- 
dunkt aus nicht triftig, allein die Richtigkeit des Beispiels ist dennoch 
sehr zweifelhaft. Er findet sich Rv. I. 89, 10« = VS. XXV. 30 = 
Ath. VII. 6, 1 

Yi<}\e devd' A'ditih pänca jänfih. 
üva/a tadelt das Beispiel (s. M. Müller zu der angeführten Stelle des 



1) Beiläufig bemerke ich, dass die im Petersb. Wtbch unter U mit Präpos. ni 
Bd. VI. S. 551 für TS. V. L 4. 3 angegebene Form anüäyata (siel) irrig ist (s. 
Web. Ausg.). 



62 THEODOR BENFEY, 

Pr4ti9.), weil man, um ^ca in die lOte Silbe zu bringen, vtfve dreisilbig 
lesen müsse, d. h. nach indischer Weise (s. § 3 ff.) vifuve. Allein vom 
indischen Standpunkt aus steht dieser Lesung (nach Prftti9. 527; 974) 
nichts entgegen , und ich glaube , dass die , welche diess Beispiel auf- 
stellten, sie und es für richtig hielten. Für uns dagegen ist die Drei- 
silbigkeit von vifve unannehmbar ; denn das Thema vifva, welches im Rv. 
einfach, in weiteren Ableitungen, und Zusammensetzungen unzähligemal 
vorkömmt (s. Grassmann Wtbch S. 1297 — 1306), hat auch nicht an 
einer einzigen Stelle Dreisilbigkeit, sondern ist stets nur mit t; zu spre- 
chen. Dadurch wird ^ca unbedingt zur 9ten nicht zur lOten und zwar 
eines elfsilbigen, nicht aber zwölfsilbigen Stollens. Es ist hier also kein 
Verstoss gegen die Regel zu erkennen, sondern — in Uebereinstimmung 
mit der Anukr. und mit den übrigen dieses und der beiden vorherge- 
henden Verse — ein elfsilbiger Stollen, welcher aber nicht den gewöhn- 
lichen Schluss hat v ^, sondern vv — . Derselbe Schluss wird vermittelst 

jändh oder jänän auch herbeigeführt inl. 173, 8* ( v\w \vv — ) 

II. 20, 2^ {v-v— I v—v— I w—); III. 46, 2* {v—v— \ —w— \ w—) 

V. 33, 2* ( v—\—v \w—); VI. 10. 5* {v—v—\ v—\w—) 

11, 4* ( V- I w I w— I ); VI. 20, V ( v—\w | w— ) 

49, 15» (— i;— t; | vv \ vv—); 51, 11* ( v— | vv | vv—); 

67, 3® ( I — vv — \ vv — ). Grassmann will in alllen diesen 

Stellen, um den gewöhnlichen Schluss (v ) herauszubringen , jaWA, 

jd'ndn, oder gar jdnnäh, jänndn lesen. 

Ich kann derartige Kühnheiten um so weniger für gerechtfertigt 
halten, da die Zahl dieser Stellen einmal nicht unbeträchtlich ist, jdna 
mit entschieden kurzem ä in der ersten Silbe gerade hinter pmca sich 
nicht selten findet (z. B. VIII. 32, 22), ferner der gewöhnliche Schluss 

der elfsilbigen Stollen (y ^) keinesweges der einzige ist und endlich 

gerade der hier auftretende auch sonst und zwar keinesweges so sehr 
selten vorkömmt. Man vgl. S. 60. Genaueres s. in den Beiträgen zur 
Vedenmetrik. 

Das Metrum des Beispiels ist also — | vv | vv — . 

Das zweite Beispiel schlägt M. Müller am angeführten Orte vor, 



QÜANTITlTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAJfHITÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 63 

weil er und Regnier das eben besprochene zufällig im Kv. nicht finden 
konnten. Es ist Rv. VI. 51, IV, und schon oben erwähnt: 

ptishä' bhägo dditih pänca jänfih 
und passt noch viel weniger, da hier durch keine Kunst das ^ca in die 
lOte Silbe eines 12 silbigen Stollens gebracht werden kann ; das Metrum 
ist wesentlich wie im Isten Beispiel 

'V — I vv I vv — 

Ein eben so gutes, oder vielmehr schlechtes wfirde der ebenfalls 
schon erwähnte 4te Stollen in Rv. VII. 11, 4 sein 

anjänte suprayisam pdnca jdnäh. 
Ein andres Beispiel ist von Uvato an die Stelle des von ihm ge- 
tadelten ersten gesetzt. Es findet sich Rv. X. 93, 14"^ 

(6 in 8) y6 yuktvä'ya pänca 9atd' 
und bildet vom indischen Standpunkt aus in der That eine Ausnahme. 
Allein nicht so für uns. Denn es ist hier, wie nicht selten in 8 silbigen 
Stollen, als Schlussfuss — vv— eingetreten (vgl. M. Müller, Translation» 
Preface p. CXXI) 

47. payamäna (RPr. 534) zwei Fälle Rv. IX. 79, 3* 
(8 in 12) s6ma jahl pavamäna durddhyäh 

zu lesen durddhiah. Ferner IX. 79, 5^ 

(8 in 12) nfdamnidam pavamäna nl tftrisha 
vgl. unter Indra S. 50. 

48. päti (RPr. 532) ein Fall Rv. X. 1, 3* 

(8 in 11) jätö brihänn abhi pdti tritfyam. 
In den Beiträgen zur Vedenmetrik wird sich wohl als unzweifelhaft 
herausstellen, dass das consonantische Element in dem Vokal ri mehr- 
fiich noch consonantisch in den Veden wirkte; vgl. auch oben unter 
iAd S. 51 und weiterhin unter prd, mäsva; auch X. 2, 7® 

pänthäm Änu pravidvd n pitriyAnam 
wo das Metrum des 2ten Fusses, welches, wenn man pi^ in pitii9 kurz 

liest, die sehr bedenkliche Form v v hat, die ziemlich häufige 

i; erhält, sobald man dem ^tri Positionskraft zuerkennt In 

unserm speciellen Falle ist es ausserdem bekannt, dass tiitfya für 



64 THEODOR BENFEY, 

älteres tri-ttya steht. Eingehend behandle ich diesen Gegenstand in 
der vedischen Lautlehre unter Vokal ri. 

49. pähi (RPr. 534) ein Fall Rv. III. 31, 20« 

Tndra tvdm rathirdh pdhi no rishö. 
Wiederum, wie in abhi.jä'su, vom indischen Standpunkte aus eine 
Ausnahme nicht zu der Regel, sondern zu der Ausnahme in § 14, a; 
jedoch irrig. Bei mechanischer Zählung ist zwar das % von pähi in der 
That in der achten Silbe eines elfsilbigen Stollens; allein tvdm ist in 
der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle noch tudm zu lesen und 
der Schluss des Stollens ist augenscheinlich die iambische Dipodia, so 
dass keinem Zweifel zu unterwerfen, dass dieser Stollen als ein zwölf- 
silbiger aufzufassen ist, in welchem die Silbe ^hi also die 9te ist. Es 
ist zwar auffallend , dass das der einzige zwSlfsilbige in diesem ganzen 
langen Hymnus ist; allein bei der so häufigen Vermischung von elf- 
und zwölfsilbigen Stollen liegt darin kein Grund g^;en diese Auffassung ; 
wohl aber mag es die Verfasser des Pr&ti^. entschuldigen , wenn sie die 
Aussprache tuvdm, trotz ^^gel 974, hier nicht anzunehmen wagten; zeigt 
aber zugleich, wie gering ihre Bekanntschaft mit der Vedenmetrik war. 

50. pitäri (RPr. 633) ; ein Fall. Rv. X. 61. 6* 
(8 in 11) kä'mam krinvänö pitäri yuvatyÄ'm. 

51. pnraprt^ät&sya (RPr. 529) ein Fall, Rv. X. 61, 13* 
(8 in 11) vidät puruprajdtäsya gühd yät. 

52. prithiYi (RPr. 533) zwei Fälle Rv. V. 66, 5' 
(6 in 8) täd ritäm prithivi brihdc; 

ferner Rv. I. 22, 15' = VS. XXXV. 21 = Ath. XVIII. 2. 19 

(6 in 8) syond' prithivi bhava 
zu lesen sionä' {siyond'); vgl. unter Indra; für den ersten Fall vergleiche 
man auch unter pdti, 

53. pr& (RPr. 532). Unter der grossen Menge von Stellen, in 
denen prd vorkömmt — drei mehr als in M. Mfiller's Index , nämlich 
I. 40, 3 zweimal und VII. 94, 8 — giebt es nur eine , die zum Prati9. 
angeführte, welche die Inder im Auge gehabt haben kOnnen, nämlich 
Rv. VIII. 81 (70), 6* 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. S AJtf HITA- ü. PADA-TEXTEN ETC. 65 

(6 in 8) abhi savyöna prä inri9a. 

Er erklärt sich wenn wir mri^ Positionskraft zuschreiben , vgl. 
unter päti. 

Einen zweiten könnte auf den ersten Anblick Rv. X. 97, 13* = 
VS. XII. 87 = TS. IV. 2. 6. 4 zu bilden scheinen 
s&k&m yakshma prä pata. 

Nicht aber bei den Indern; denn bei deren mechanischer Zählung 
würde prd die 5te Silbe eines 7 füssigen Stollens sein und sie hätten 
ihn als mangelhaften bestehen lassen müssen. Wir würden — mehr 
vom Metrum als der Silbenzahl geleitet — entweder sdkäm yaksh9 als 
Vertreter von vier Silben betrachten , oder vielleicht gar wagen iaksh^ 
zu lesen , und dadurch die Silben zahl — acht — vervollständigen ; dann 
würde prd die 6te Silbe eines 8 silbigen Stollens werden; allein der 
Mangel der Dehnung würde sich dadurch erklären, dass die achtsilbigen 
Stollen oft mit — v«— schliessen (vgl. M. Müller Transl., Pref. CXXI). 

54. pradfvl (RPr. 533) zwei Fälle Rv. III. 46, 4« 
(8 in 11) Tndraw sömdsah pradivi sut&'sah 

und Rv. VI. 21, 8*^ 

(8 in 11) tvam hy S>pih pradfvi pitriwd'm; 
es ist nämlich tudm und hi dpih zu lesen. 

55. bhava ein Fall, TS. I. 5. 6. 3^ 

(8 in 12) utd trdtd' 9iv6 bhava vardthyäh. 
So Webers Ausgabe und die von Whitney gebotenen Hülfsmittel, 
da er zu TPr. III. 8 (S. 91 Z. 9—12) diese Stelle nicht unter denen 
mit Dehnung (bhavd) anführt. Im Rv. V. 24, 1 und VS. III, 25, wo der 
Vers ebenfalls sich findet, erscheint, der Regel gemäss, bhavd; Sv. L 5. 
2. 2. 2 hat die V. L. bhuvo (für bhuvas) statt dessen. Sollte TS. nicht 
auch in bhavd zu ändern sein? 

56. bbayantn (RPr. 529) ein Fall, Rv. V. 51, 12* 
svastäye ädityä'so bhavantu nah 

aber irrig gefasst, vgl. unter dadhdtu; wie dort ist auch hier suastdye 
zu lesen ; der Stollen ist zwSlfsilbig mit schliessender iambischer Dipodie, 
in welcher ^tu die Ute Silbe, d. h. die Kürze des letzten Jambus ist. 
Mstor.'phüoL Glosse. XX. 1. I 



\ 



66 THEODOR BENFEY, 

57. mädhu (RPr. 533) ein Fall, Bv. VIIL 26. 20^ 
(6 in 8) an no vdyo mädhu piba. 

Der Schlussfuss des 8 silbigen Stollens ist wie oft vvv—{ygl. M, 
Müller Transl. Pref. CXV). 

58. mäma (RPr. 533) ein Fall, Rv. X. 25. 2* 
(8 in 12) ddhä kä'md imö mäma vi vo mdde. 

Der Mangel der Dehnung erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass 
der folgende Fuss den Refrain bildet; vgl. unter jämisku. 

59. märtasya. Aus dem Commentar des Uva/a zu RPr. 528 (vgl. 
M. Müller zu dieser Regel und Regnier's Ausg. des RPr. Bd. II. 22. n.) 
geht hervor, dass, wie in den Ausgaben des RPr. von Regnier und M» 
Müller . so auch in dem Texte , welcher üvafa vorlag , nicht märtasya, 
sondern vd'tasya gelesen ward. 

Es giebt nur einen Fall, in welchem in vÖLtasya der allgemeinen 
Regel gemäss vielleicht der Auslaut hätte gedehnt werden müssen, aber 
in dem Samhitä-Text kurz geblieben ist. Es ist diess Rv. X. 22^ 4^ 

yujänö djvd vd'tasya dhünl. 
Als Metrum des Verses, welchem dieser Stollen angehört, wird im Sar* 
vftnukrama, gleich wie für die drei vorhergehenden, so wie für den 6ten, 
Sten, und lOten bis 14ten Purastädbrihati angegeben, d. h. vier Stollen, 
der erste von 12, die drei folgenden von 8 Silben (RPr. 905); allein 
der häufige Wechsel von 12 und 11 silbigen Stollen hat sich in diesem 
Hymnus so sehr geltend gemacht, dass der 12 silbige nur im Sten und 
Uten Verse erscheint, dagegen im Iten, 2ten, 6ten, 8ten, lOten, 
12ten. ISten und 14ten elfsilbige. Der 4te ist der hier zur Sprache 
kommende. 

Augenscheinlich haben die Verfasser des Prdti?. , welche vd'tasya 
als Ausnahme von der allgemeinen aufstellten, diesen Stollen, welcher, 
mechanisch gezählt, nur 10 Silben darbietet, durch Anwendung von r. 
973; 974 zu einem der Regel der Purastddbrihati entsprechenden zwölf- 
silbigen vervollständigt, indem sie 

yujdnö äfuvä vd'tasiya dhüni 
lasen. Darin ist das auslautende a in vä'tasiya die lOte Silbe eines 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAilfHITA. ü. PADA-TEXTENETC. 67 

12 silbigen Stollens und hätte der allgemeinen Eegel gemäss gedehnt 
werden müssen, würde also in der That eine Ausnahme bilden. 

Allein der Verfasser der Chandonukramawi^) betrachtete den Vers, 
wesentlich der mechanischen Zählung gemäss (d. h. 10 -|- 8 -f- 8 + 8 
nur mit mit Aufhebung des Sandhi in stoshy ddhvanah, d. h. Wieder- 
herstellung des ursprünglichen stoshi ädh^), als einen 34 silbigen, speciell 
entweder als eine um zwei Silben vermehrte [svardj] Anushfubh (d. h. 
10 + 8 + 8 -f- 8 statt 4 x 8), oder als eine um zwei Silben ver- 
minderte {viräj) Brihati (d. h. 10 + 8 + 8+8 statt 12 + 8 + 8+8 
d. i. statt einer Satobrihati) ^). In diesem Fall ist das auslautende a in 
vä'tasya zwar in der 8ten Silbe, aber eines zehnsilbigen Stollens, und 
eine Dehnung nicht verstattet. 

Das Beispiel ist demgemäss, wie Uvafa sich ausdrückt, anarthakam 
'nicht dem Zwecke entsprechend', *werthlos'. 

Man suchte demnach nach einem anderen und glaubte dieses in 
dem Worte mdrtasya in Kv. VIII. 11, 4^ gefunden zu haben. Der 
Stollen lautet sammt dem vorhergehenden 
anti cit säntam äha 
yajnäm martasya ripöh. 
Der Vers« welchem diese beiden Stollen angehören, wird als eine Oäyatri 
gefasst, d. h. soll der Regel nach aus drei acbtsilbigen Stollen bestehen. 
Diese Zahl erhält man, wenn man — der Vervollständigung wegen — mdr- 
tasiya liest; dann tritt das auslautende a desselben in die 6te Silbe eines 
8 silbigen Stollens und hätte gedehnt werden müssen. Der Mangel 
der Dehnung würde eine Ausnahme von der allgemeinen Kegel bilden. 

1) Sie wird demselben Qaunaka zugeschrieben, welcher auch für den Verf. des 
RPr. gilt (vgl. M. Müller, A history of ancient Sanskrit Literature p. 216 u. 218 
u. sonst). Wenn er demgemäss für den gesammten Inhalt beider Werke verant- 
wortlich zu machen wäre, würde er in dem zu besprechenden Falle in auffallendem 
Widerspruch mit sich selbst stehen. Allein einerseits ist die Verfasserschaft keines- 
weges ganz sicher und andrerseits ist das Prätigäkhya zu der Gestalt, in welcher 
es uns vorliegt, erst nach und nach gelangt und eine Verbindung von Arbeiten ver- 
schiedener Zeiten und Männer. 

2) s. üva^a hei M. Müller zu Pr. 528 p. CLXXHI. 

12 



68 THEODOR BENFEY, 

Diese Auffassung konnte dem Gewissen der indischen Forscher, 
welche bei den Metren fast nur die Silbenzahl berücksichtigten , von 
ihrer rhythmischen Gestaltung fast noch gar nichts erkannt hatten, voll- 
ständig genügen; allein völlig eben so berechtigt würde vom indischen 
Gesichtspunkt diejenige Auffassung vonRv. X. 22, 4^ sein, nach welcher 
vd'tasya eine Ausnahme von der Regel bilden würde. Wir müssten 
also, wollten wir wie die Inder verfahren , sowohl vd'tasya als mdrtasya 
als Ausnahmen aufstellen und annehmen, dass die Verfasser des Prdti9. 
eines übersehen hätten; eine Annahme, welche bei der wunderbaren 
Sorgfalt, welche vor allem das Rv.-Prdtif. auszeichnet, so gut wie un- 
denkbar ist. Es ist mir daher kaum zweifelhaft, dass sie mdrtasya nicht 
im Auge hatten, dass sie in dem Stollen, welchem dieses Wort angehört, 
vielmehr, wie diess gerade in der Gäyatri oft vorkommt, einen sieben- 
silbigen Stollen sahen; und dazu liessen sie sich wohl durch den vor- 
hergehenden bestimmen, welcher ebenfalls siebensilbig ist und durch 
keine Kunst in einen achtsilbigen verwandelt zu werden vermag. Da- 
gegen sehe ich keinen Grund, weswegen diejenigen, welche in JC. 22, 4* 
den ersten Stollen einer PurastddbrihatI sahen, — und dafür sprechen 
die drei vorhergehenden und mehrere oben angegebene folgende Verse 
des Liedes — nicht die indischen Mittel hätten anwenden sollen, durch 
Vielehe die nöthige Zwölfzahl vervollständigt werden konnte. So wie 
sie sich aber dazu entschlossen, bildete der Auslaut von vatasya in seiner 
Kürze in der That eine Ausnahme von der Regel. Wir glauben dess- 
halb, dass die Veränderung von vä'tasya in mdxtasya völlig irrig ist. 

Eine andre Frage ist aber, ob die Inder ein Recht zu dieser Ver- 
vollständigung von unserm heutigen Gesichtspunkt aus hatten. Wir 
räumen zwar ebenfalls der Silbenzahl eine grosse Bedeutung ein, aber 
eine noch grössere dem rhythmischen Bau der vedischen Verse, und 
hier sprechen eine grosse Menge von Analogien — welche theilweis 
schon angedeutet sind, aber erst in den Beiträgen zur Vedenmetrik ge- 
nauer erörtert werden können — dafür, dass beide hier besprochene 
Stollen, sowohl X. 22, 4*, als VIII. 11, 4^, unverändert zu bewahren 
sind; dafür entscheidet für die erstere Stelle auch der Umstand, dass 



QÜANTITÄTS VERSCHIEDENHEITEN IN D, SAMUTÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 69 

äfva in den unzähligen Stellen in denen es vorkommt, stets zweisilbig, 
nie dreisilbig zu lesen ist (vgl. S. 23). 

In Bezug auf X. 22, 4'' ist ausserdem schon bemerkt, dass in dem 
ganzen Liede die ersten Stollen nur zweimal zwolfsilbig, sonst immer elf- 
silbig sind; wir haben aber schon mehrfach darauf hingewiesen, dass 
sowohl in zwölf- als elfsilbigen Stollen nicht selten die beiden ersten 
Fasse nur aus sieben (statt 8) Silben bestehen; endlich giebt es keines- 
weges wenige Beispiele, in denen elfsilbige Stollen vv-^ schliessen vgl. 

S. 50 und 62. Das Metrum von X. 22, 4* ist sonach t? \w — . 

Ueber die Art, wie es zu lesen ist, kann ich erst an einem andern 
Orte mich aussprechen. 

Was VIII. 11, 4^ betrifft, so ist, ähnlich wie in den elf- und zwölf- 
silbigen Stollen , auch in der Gdyatri nicht selten der vordere Fuss um 
eine Silbe zu kurz und der hintere hat, wie schon erwähnt, mehrfach 
die Form — vv — . Beide Stollen dieses Verses sind fast ganz gleich 
gebaut; der erste — v — | — vvv, der zweite | — vv — . 

6Q. mä'nnshasya (RPr. 534) ein Fall Rv. I. 121, 4^ 
(8 in 11) äpa druhö mfi'nushasya düro vah. 

61. Tnäsva (RPr. 532) ein Fall Rv. IX. 93, 5* 

(8 in 11) nü' no rayim üpa m&sva nriväntam. 
Vermuthlich macht nrP Position (vgl. unter invasi und päti). 

62. mÜrdMni (RPr. 532), ein Fall Rv. VII. 70. 3^ 
(8 in 11) nl pärvatasya mtirdhani sädantfi. 

\yata hat M. Müller in beiden Ausgaben Rv. VIIL 57 (V&l. 9), 3^- 
Aufrecht hat richtig t/dtä]. 

63. raksha RPr. 530) ein Fall Rv. X. 53, 6^ 

(8 in 11) jyötishmatah pathö raksha dhiyä' kritd'n. 

Im RPr. wird bemerkt, dass dieser Mangel der Dehnung nur vor 
dhiyä' erscheine. Diess setzt einen oder mehrere Fälle voraus, wo raksha 
der Regel folgt. Es giebt nur einen, nämlich Rv. X. 87, 20^ ;= Ath. 
Vni. 3, 19. 

Dieses Gegenbeispiel konnte Uva/a sonderbarer Weise nicht finden ; 
auch bei M. Müller fehlt es noch und Regnier glaubte sogar, es gebe. 



70 THEODOR BENFEY, 

keins. Ich erwähne dieses nur, um darauf aufmerksam zu machen, um 
wie viel besser die alten Vedenforscher im Veda bewandert waren, als 
ihre späten heimischen Commentatoren. 

64. räjasi (RPr. 533) ein Fall Rv. X. 82, 4« = VS. XVIL 28 
(= TS. IV. 6. 2. 2, wo aber V. L.) 

(8 in 11) asü'rte sd'rte räjasi nishatte. 

65. ränyasl (RPr. 531) ein Fall, Rv. VIII. 12. 18« = Ath. XX. 111, 3 
(8 in 12) ukth6 v& yäsya rdwyasi sam indubhih. 

Dieses Lied ist im Metrum Ushwih gedichtet, d. h. der Vers be- 
steht aus drei Stollen, deren beide erste acht Silben enthalten, der 
dritte 12. Es tritt darin die Besonderheit hervor, dass stets (mit zwei 
sehr unwesentlichen Ausnahmen) drei Verse mit denselben Wörtern en- 
den und mit einer, wahrscheinlich zu ändernden, Ausnahme diese Wörter 
durch Cäsur von den vorhergehenden 8 Silben getrennt sind, also Re- 
frains bilden; so enden Vers. 1. 2. 3 tarn Imahe; Vers 4. 5. 6 va- 
väkshitha; Vers 10. 11. 12 mimita it; Vers 13. 14. 15 ritäsya tfdt\ 
16. 17. 18 sdm indvbhih ; Vers 19. 20. 21 vtf Snafüh (zu lesen vi änafuh) ; 
Vers 25. 26. 27 vavakshatuh; Vers 31. 32. 33 prä'dhvarö (zu lesen prd 
adhvari). 

Etwas abweichend sind Vers 7. 8. 9, wo 7 dvardhayat, 8 und 9 
prd vavridhe schliessen, und Vers 22. 23. 24, wo die beiden ersten sdm 
öjase schliessen, der dritte sdm öjasah (wahrscheinlich zu öjase zu ändern). 

Vers 28. 29. 30 haben die Cäsur nicht vor den letzten vier Silben, 
sondern schliessen bhüvandni yemire ; vergleichen wir aber Vers 29 
yddd te md'rutlr vlfas 
tübhyam Indra niyemirö 
d'd it te vf9Va bhüvandni yemire 
80 scheint kaum zweifelhaft, dass statt bhüvandni yemire zu lesen ist 
bhüvand ni yemire. 

Wir dürfen danach sagen , dass dieser Hymnus eigentlich in 11 
Trica's von 3 Stollen zu 8 Silben mit einem viersilbigen Refrain zerfHUt; 
der Refrain aber scheint, wie unter iva (vgl. mdma) bemerkt, bisweilen nicht 
als Theil des vorhergehenden Stollens betrachtet zu sein (vgl. unter iva). 



QüANTITÄTSVEßSCHIEDENHEITENIND.SAJlffllTÄ.Ü. PADA-TEXTEN ETC. 71 

Doch wie am a. a. O. will ich auch hier nicht bergen, dass die Dehnung 
in unserm Hymnus in Vers 2* {avithä) und Vers 22 {anüshaid) vor dem 
Refrain der Eegel gemäss eingetreten ist, was vielleicht als eine der 
vielen Inconsequenzen in der Samh. zu betrachten ist. 

66. yaranta (EPr. 532) ein Fall Rv. II. 24, 5^ 
mädbhih (arädbhir düro varanta vah. 

Mechanisch gezählt ist das auslautende ^ta in der That die lOte 
Silbe eines 11 silbigen Stollens; allein der ganze Vers ist mit vollem 
Recht, wie fast der ganze Hymnus, in der Anukr. als Jagati bezeichnet 
und dass auch dieser Stollen so zu fassen ist zeigt der Schluss, welcher 
in varanta vah eine regelmässige iambische Dipodie darstellt Die beiden 
ersten Füsse haben, wie so oft nur 7 statt 8 Silben; die sieben letzten 
Silben haben genau denselben Rhythnus, wie der in § 12 erwähnte 
X. 77, 4^ 

67. yarnna (RPr. 533). 

Hieher gehören jedenfalls drei Fälle; fraglich ist ein vierter. Die 
drei ersten sind Rv. I. 24. 14' = TS. I. 5. 11. 3 

(8 in 11) ava te h6lo varuna ndmobhir; 
femer Rv. VII. 86. 3* 

(8 in 11) pricch^ tad eno varuna didrikshu 
eigentlich didxCkshuh (s. Erste Abhdlg Bd. XIX S. 249); 
endlich Rv. VIII. 27, V 

(8 in 12) sutdsomäso varuna havämahe. 
Fraglich ist ob hieher zu rechnen Rv. II. 28, 6' 

apö sü myaksha varuna bhiydsam mdt. 
Folgen wir der Samhitd und bestimmen das Metrum bloss nach der Sil- 
benzahl, dann bildet ^na freilich die 8te Silbe eines 12 silbigen Stollens 
und der Mangel der Dehnung ist gegen die Regel. Allein der ganze 
Hymnus ist in Trish^ubh und so sind auch die übrigen 3 Stollen dieses 
Verses nur elf silbig; der Schlussfuss vv — v ist ebenfalls auffallend und 
wir werden dadurch berechtigt, wenn eine leichte Umwandlung diese 
Unregelmässigkeit wegschafft, sie nicht von der Hand zu weisen. 

Das Thema bhtyäs ist aus hhi durch Affix as entstanden; seine Ur- 



72 THEODOR BENFEY, 

form war demnach hhidi;, dann, mit Verkürzung vor dem folgenden Vokal, 
bJads und endlich der spätren Aussprache gemäss hhiyas Es ist nun 
zwar keine Frage, dass hhiyds der organischeren Form näher steht als 
bhyds ; allein es ist keinem Zweifel zu unterwerfen, dass zu der Veden- 
zeit die Liquidirung liquidirbarer Vokale vor nachfolgenden unähnlichen 
schon oft eintrat. Speciell ist das aus diesem Nomen entstandene Ver- 
bum schon im Rv. IL 12, 1 entschieden bhyas gesprochen und erscheint 
auch so im Samhitd - Text ; eben so im Sv. I. 4. 2. 4. 2. Auch im 
Naighan^uka, dem Nirukta und Dhdtupäfha wird es nur hhyas geschrieben. 
Die dazu gehörigen zusammengesetzten Nomina, ud-hhyasd und sva^bhycisi 
erscheinen im Ath. XI. 9, 17 und zwar entschieden mit y zu sprechen« 
hhiyas selbst ist zwar im Rv. an 13 Stellen zweisilbig zu sprechen; an 
einer aber entschieden bhyds, nSmlich Rv. IX. 19, 6 und ich nehme 
darum keinen Anstand, diese Aussprache auch fQr unsre Stelle vorzu- 
schlagen. Wie leicht unter dem Druck des Metrums, dem Einfluss des 
Accents, durch welchen i in die schwächste Stelle gerieth, durch die 
Analogie des Verbums bhyas und schon an und für sich durch die im Sans- 
krit frfih begonnene Feindschaft gegen den Hiatus Synizese von ia zu 
ya an einzelnen Stellen eintreten konnte, bedarf wohl kaum einer weit- 
läuftigen Ausführung (vgl. übrigens meine Abhdlg über das Suff, ia in 
Bd. XVI S. 91 ff.). 

Lesen wir demgemäss bhydsam, so erhalten wir einen elfsilbigen 
Stollen und die Silbe ^na ist von einer Position gefolgt, also die Dehnung 
nicht verstattet. 

In Bezug auf die übrigen Fälle vgl. man das über die Vokative 
unter Indra bemerkte. 

68. TaYrltyäma (RPr. 528) ein Fall Rv. VII. 27, 5* 
(8 in 11) Ü te mäno vavritydma maghd'ya. 

69. yasayäna (RPr. 530) ein Fall Rv. X. 22, 15 
(8 in 11) mtk rishaityo vasavftna vdsuh sdn. 

Vokativ vgl. unter Indra. 

\vaha hat M. Müller in beiden Ausgaben und ebenso Aufrecht in 
Rv, III. 25, 2« in 



QÜANTITATSVERSCBDEDENHEITBNIN D. SAJfHITA- U. PADA-TEXTEN ETC. 78 

s& no devft 6h& vaha puruksho; 

^a als Auslaut von vaha ist 8 in 11 und müsste gedehnt sein. 

Das Prätif. kennt diese Ausnahme nicht Denn Begel 456 gehört 
nicht hieher; es ist daher schwerlich Missverständniss derselben, sondern 
sicherlich Fehler, wie oben iraya und yäta bei M. M., und in vahd zu 
corrigiren]. 

70. Yabasl (RPr. 533) ein Fall Rv. VIII. 60(49), 15« = Sv. I. 
1. 1. 5. 2. 

(8 in 12) ätandro havyä' vahasi havishkrita. 

71. yä'tasya, s. unter martasya. 

72. YäTrldliailta (RPr. 528) ein Fall Rv. X. 93, 12^ 
dyutädydmdnam v&vridhanta nrind'm. 

Das Metrum des Verses ist, der indischen Annahme gemäss, Prastära- 
pankti d. h. es besteht aus vier Stollen, deren beide erste je 12 Silben 
enthalten sollen, die beiden folgenden 8 (RPr. 919). Demgemäss nah- 
men der Scholiast Uvate und sicher auch die Verf. des Frdti9. an, dass 
der vorliegende Stollen 12 Silben enthalten müsse und um sie heraus- 
zubringen, griffen sie zu dem gewöhnlichen Mittel statt dyutdd^ zu lesen 
diyutidP (vgl. §. 2. 3). Dadurch kömmt das auslautende a von vAvxi-^ 
dhanta in die lOte Silbe eines 12 silbigen Stollens und hätte gedehnt 
werden mflssen. Der Mangel der Dehnung würde also eine Ausnahme 
bilden. 

Allein wir haben schon bemerkt, dass elfsilbige und zwOlfsilbige 
Stollen überaus häufig wechseln und dieses geschieht gerade in unserm 
liiede in den ebenfalls als Prastarapankti gefassten Versen 1 in a und b» 
ebenso in 4 in a und b und in 14 in a; es ist also kein Grund den 
zu besprechenden Stollen nothwendig zwölfsilbig zu machen. In den 
eben erwähnten 5 elfsilbigen Stollen ist femer der Schlussfuss der regel- 
mässige der elfsilbigen v ^; wir dürfen denselben demnach auch in 

dem vorliegenden erwarten. Ich habe nun schon gelegentlich bemerkt 
(S. 52), dass xi in den Veden auch lang gebraucht wird ; insbesondre ist diess 
überaus häufig bei dem Genetiv nrinA'm der Fall (vgl. Grassmann Wtbch. 
S. 750), welcher ja auch im gewöhnlichen Sanskrit beide Formen nrin^m 
Histor.'phüölog. Glosse XX. I. K 



74 THEODOR BENFEY, 

und mfnäm hat (Pdn. VI. 4. 6). Demgemäss hat der Stollen das regel- 
mässige Metrum eines elfsilbigen 

V I '-V— I V 

in welchem das in Frage kommende auslautende a der 9ten Silbe ange- 
hört und gar nicht gedehnt werden darf. 

73. yf (RPr. 533) vier oder, wenn man den zweimal erscheinenden 
doppelt zählt, fünf Fälle , zunächst Rv. I. 62, 5* 

(10 in 12) grinänö dngirobhir dasma yf var. 

Vielleicht ist an die Stelle des gewöhnlichen Schlusses der schon 
mehrfach bemerkte vv— getreten; vgl. jedoch das zu dem 4ten Fall 
zu bemerkende ; 

ferner Rv. VII. 59, 2« = VII. 27, 16» 

(8 in 12) prd sä kshäyam tirate vi mahf r isho ; 

dann Rv. IX. 97, 38^ (= Sv. II. 6. 1. 4. 2) 
(8 in 11) 6hh6 aprft rödasi vf shä uvah 

Sv. hat aber der Regel gemäss vf, gedehnt. 

EndUch Sv. I. 4. 1, 3. 9 = VS. XIII. 3 = TS. IV. 2. 8. 2 
= Ath. IV« 1. 1; Sv. 6atä9 ca yönim äsata9 ca vi vah. 

Dass vi vah in meiner Ausg. nur durch Druckfehler verbunden ist« 
habe ich im Druckfehlerverzeichniss bemerkt; ich füge hier hinzu, dass 
es im Mscpt des Pada- Textes £JH. 2130 entschieden getrennt ist; 
wahrscheinlich auch in dem der Berliner Bibliothek; doch habe ich das 
nicht notirt. Im Ath. ist in Roth und Whitney's Ausgabe vi getrennt, 
also fand die Trennung wohl auch im Pada -Text Statt. In der TS. 
aber ist vivah als ein Wort gefasst (vgl. Weber's Ausg. a. a. O. und Ind. 
St. XIII. 45). Wie es in der VS. damit steht, lässt sich aus Weber's 
Ausgabe nicht entscheiden, da in ihr nach der alten Weise die Präposi- 
tionen mit dem Verbum stets verbunden sind. 

Die Verbindung mit vah in der TS. erinnert an das was unter 
ni bemerkt ist; sollte nicht, wie in Bezug auf dieses, auch in Bezug 
auf das Verhaltniss von vt zu var ein Zweifel unter den Recitirem der 
Veden bestanden haben und wie bei ni so hier auch bei vi der Mangel 
der Dehnung daraus zu erklären sein? Ich wage nicht die Frage zu 



QUANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D. SAJIf HITÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 75 

entscheiden — denn als vedischer Aorist des Causale liess es sich schwer- 
lich fassen, da dieser gerade tlvar gelautet haben würde; auch würde 
dann keinAccent haben eintreten können; doch giebt es Anomalien ge- 
nug in den Yeden, um selbst diese oder eine andre ungrammatische 
Auffassung in der Zeit der Corruption für nicht unmöglich zu halten. 
Wie man übrigens über diesen Fall urtheilt, so wird man auch vi vah 
im ersten Fall Rv. I. 62, 5^ aufzufassen haben. 

74. Tlmad&sya (RPr. 630) ein Fall. Rv. X. 23. 7* 
tdva cendra vimaddsya ca risheh. 

So wie der Santhitd-Text vorliegt, fallt in derXhat das auslautende 
a in die 8te Silbe eines elfsilbigen Stollens und hätte also gedehnt wer- 
den müssen. Allein die neuere Forschung hat unzweifelhaft festgestellt, 
dass auslautendes a mit folgendem anlautenden n zu einer Silbe wird 
(vgl. Grassmann Wtbch. Vorr. S. VII); so ist hier ca risheh nur Re- 
präsentant von zwei Silben, und um die Zahl von 11 Silben vollzu^ 
machen, ist der obigen Regel gemäss (s. § 2. 3) die Contraction in cendra 
wieder aufzuheben und zu lesen 

tdva ca Indra viniadäsya cdrsheh 
dadurch erhält der elfsilbige Stollen erst eine rhythmische und regelmässige 
Form VW — j vvv — | v — - — und das in Frage kommende auslautende 
a fällt in die 9te Silbe, durfte also gar nicht gedehnt werden. 

75. Tisbtäpl (RPr. 532) ein Fall, Rv. IX. 107, U« (= Sv. I. 6. 
3. 3. 8) 

samudrdsyd'dhi vishtdpi manishi^io. 
Das auslautende i steht in der 8ten Silbe eines zwölfsilbigen Stollens 
und ist demgemäss eine Ausnahme von der Regel. Aber ist die Lesart 
richtig? Der Sdmaveda hat statt dessen vishtdpe. Das Thema vishtdpa 
ist eben so gut belegt, wie vishtäp, und es ist gar nicht unwahrschein- 
lich , dass zu der Zeit der Corruption , welche nicht zum wenigsten aus 
dem das Metrum verdunkelnden Vortrag hervorging, durch Einfluss der 
beiden Stellen Rv. VIII. 97 (86), 5 und IX. 12, 6 = Sv. II. 5. 1. 4. 
6, welche samudrdsyd'dhi vishtdpi haben , die letztere, das Metrum schä- 
digende, Form an die Stelle von vishtdpe gekommen ist. 

K2 



76 THEODOR BENFEY, 

76. Tihl (RPr. 533) ein Fall Rv. II. 26, 2* 

(8 in 12) ydjasva vira prd vihi manftyatö. 

77. TOCenuilll (RPr. 534) ein Fall Rv. I. 167. 10* 
(8 in 11) y^yäm 9v6 vocemahi samaryö. 

Die Verfasser des Pr&ti^. haben statt fvö (nach der R^el in § 2. 8) 
fuvö gelesen; sonst würde Hi die 7te Silbe sein und keine Ausnahme 
von der allgemeinen Regel bilden. Da fvds mehrfach zweisilbig zu lesen 
ist (s. Grassmann, Wtbch. S. 1434), so lesen auch wir ähnlich fuö. Die 
Unregelmässigkeit erklärt sich wohl wie in avri (S. 48). 

78. (^atäsya (RPr. 532) ein Fall Rv. I. 43. 7* 
ni dhehi ^at^ya nrind'm. 

Es giebt zwei Möglichkeiten den Mangel des Dehnung zu erklären; 
entweder wirkte nrt^ wie eine Position (vgl. S. 69, 61), oder der Schlussfuss 
des achtsilbigen Stollens ist, wie oft (M. Maller Transl. , Pref. GXXI), 
— vv — ; auch der vorhergehende sowohl als der folgende haben von 
der gewöhnlichen Form abweichende Schlussfflsse ; jener vvvv (vgl. M. 

Müller ebds. CXV), der folgende vv (ebds. CXVIII), und ich neige 

mich desshalb zu der zweiten Erklärung. 

79. Qrömatena (RPr. 534) ein FaU Rv. VIIL 66 (55), 9« = Ath. 
XX. 97. 3 

(8 in 12) k^no nü kam 9römatena nd (Ufruve. 

80. sakhyäYt^ (RPr. 534) siebenmal, aber in einem Refrain, 
also eigentlich nur einmal, Rv. I. 101, 1 — 7, wo Vers 1 = Sv. I. 4. 
2. 4. IL 

(8 in 12) marütvantam sakhy&'ya hav&mahe. 
Die Verfasser des Prdt haben sdkhiyÖLya (^1. § 2. 3) gelesen, sonst 
hätte das auslautende a in der 7ten, nicht der 8ten Silbe gestanden. 
sakhyd gehört zu den Themen, welche, wie fast alle auf ya, überaus 
häufig noch die ursprüngliche Zweisilbigkeit des Sufßxes haben (vgL 
über das Suffix ia in den Abhdlgen XVI. S. 111 und Orassmann Wtbch 
S. 1442 — 43); wir lesen demnach sakhÜLya. 

81. s&danäya (RPr. 529) ein Fall Rv. X. 93, 5* 

(8 in 12 oder 11) sti'ry&md'sd sddanäya sadhan7ä\ 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITENIND. SAJfHITÄ. U. PÄD A-TEXTEN ETC. 77 

Wenn^ sadhatM zu lesen (vgl. Grassmann Wtbch 1463], dann ist der 
Schlussfass vvv — . Doch ist wahrscheinlich — denn ich bezweifle sehr, 
dass die Jagati mit diesem Fuss schliessen darf — hier die hänfig ein- 
tretende Synizese von i zu y (vgl. die Abhdl. Aber Suffix ia a. a. O. 
S. 129) anzunehmen ; dann liegt hier, wie so oft, statt des zwölfsilbigen, 
lein elfsilbiger Stollen mit dessen regelmässigem Schluss v vor. 

82. S&dma (RPr. 532) ein Fall Rv. I. 173. 3' 

(8 in 11) näkshad dhötä pari sädma mitä' yan. 

83. samldhäna (RPr. 531) ein Fall Rv. X. 150. 2^ 
(8 in 12) märt&sas tvä samidhäna havdmahe. 

Bem. 1. Das Präti^. bestimmt die Ausnahme von samidhdna durch 
Hinzufflgung eines davor gesetzten tvd, wie es in dieser Stelle erscheint. 
Danach sollte man antiehmen. dass es auch einen Fall gäbe, wo sami- 
dhäna der allgemeinen Regel folgte. Einen solchen Fall giebt es nicht, 
wie denn auch der Scholiast hier mit Recht kein Gegenbeispiel an- 
führt; wohl aber kömmt samidhdna noch einmal vor ebenfalls mit 
kurzem Auslaut, aber an einer Stelle, wo er nicht gedehnt werden durfte, 
nämlich Rv. IV. 6, 11 in der 9ten Silbe eines elfsilbigen Stollens. 
Sollte einer der Verfasser dennoch diese Stelle im Auge gehabt haben 
und also durch jenen Zusatz haben sagen wollen: 'eine Ausnahme von 
der allgemeinen Regel bildet samidhdna nur wo ihm tvd vorhergeht, nicht 
das andre*. Es wäre diess in der That unnütz und widerspricht der sonst 
in dem RPr. herrschenden Methode; vielleicht aber ist es ein Ueber- 
bleibsel einer früheren, welches die schliessliche Redaktion nicht entfernt 
hat. Vielleicht jedoch ist auch eine Ausnahme in einem praisha gemeint 
(vgl. RPr. 58 und Regnier zu I. 14. 57. T. I. p. 58). 

Bem. 2. vgl. unter Indra. 

84. SaraSYati (RPr. 531) zwei Falle. Rv. VII. 95, 5* und 6*; 
der erste lautet 

(8 in 11) prdti stömam Sarasvati jushasva; 
der zweite 

(8 in 11) aydm u te Sarasvati vdsishtho; 
vgl. unter Indra. 



78 THEODOR BENFEY, 

85. sastu (RPr. 584) ein Fall Rv. VII. 55, 5» = Ath. IV. 5. 6 
(6 in 8) sdstu mä'td sästu pitd". 

Der ach tsilbige Stollen schliesst, wieso oft — vv-^ (vgl. M. Malier« 
Transl. Pref. CXXI). 

Ath. hat sväptu statt sästu. 

86. sabäsränl (RPr. 534) zwei Fälle; erstens Rv. VII. 32, 5« = Sv. 
II. 7. 3. 4. 2 

(8 in 12) sadydf cid ydh sahäsrdni fatä' dddat; 
femer Rv. VIII. 61 (50). 8» 

(8 in 12) tvam pnrü' sahdsrdni 9atd'ni ca 
(zu lesen tudm). 

87. (säsahyäma (RPr. 523) ein Fall Rv. I. 132, 1^ 
(8 in 12) rndratvotdh sdsahy&ma pritanyatö. 

pxi9 wirkt wahrscheinlich wie eine Position (vgl. zu päti). 

88. ^t« (RPr. 531) ein Fall Rv. II, 20. V 

(10 in 11) vaydm te vdya Indra viddhf shü nah. 
Der Stollen ist ein elfsilbiger, aber mit dem schon mehrfach 
bemerkten (vergl. z. B. unter pdnca) Schluss vv — ; ganz ebenso 
schliesst auch der 2te Stollen. Das Metrum des Halbverses ist 
V V I V — V — \ vv — II vv — V I ^v— I vv — II . 

89. SÜmaUläya (RPr. 530) ein Fall Rv. IV, 3, 7^ 
(8 in 11) kdd rudrä'ya sümakhdya havird^. 

90. SUVltä'ya (RPr. 531) ein Fall Rv. VI. 40. 3* 
(8 in 11) Tndrä' yfihi suvit&'ya mahö nah. 

91. srija (RPr. 530) ein Fall Rv. III. 16, 6« 

(8 in 12) sam rdyd' bhd'yasfi srija mayobhün&. 

92. soma (RPr. 532) ein Fall Rv. IX. 110, 2» = Sv. L 5. 1. 5. 6 
(8 in 12) änu hl tvä sutäm soma mdddmasi 

vgl. unter Indra. 

93. smasl (RPr. 532) ein Fall Rv. VIIL 18. 19« 
(8 in 12) yushmä id vo äpi shmasi sajätye 

(zu lesen sajdtie). 

94. sväptu s. unter sdstu. 



QÜANTITÄTSVERSCHIEDENHEITEN IN D, SAJJfHITÄ- ü. PADA-TEXTEN ETC. 79 

95. banati (RPr. 533) ein Fall Rv. VI. 29, 6* 
(8 in 11) purü' ca vritrd' hanati nl däsyün. 

96. har^a^^ya (RPr. 529) ein Fall Rv. X. 128, 8« = TS. IV. 7. 
14. 4 = Ath. V. 3, 8 

B& nah praj&'yai harya9va mriZaya. 
Der Anslaut von haryagva befindet sich in der That in der 8ten Silbe 
eines elfsilbigen Stollens, sobald man es dreisilbig liest wie es sich im 
Texte findet. Der Mangel der Dehnung liesse sich dann entweder da- 
durch erklären, dass das folgende mrP Positionskraft hat, oder nach 
Analogie von Indra, wo man vergleiche. Allein das Thema häryafva ist 
durchweg hariafva zu sprechen (s. Grassmann Wtbch. S. 1653) ; in diesem 
Fall gehört der Auslautvocal der 9ten Silbe an und ist nicht zu dehnen ; 
der Stollen wäre nun ein zwölfsilbiger unter elfsilbige gemischt, wie in 
7'•^ Dass aber der Vokal rf in dem Verbum mrid in den Veden fast immer 
lang gebraucht wird, ist schon oben unter Uta angedeutet und damit er- 
halten wir "in dem vorliegenden Stollen einen zwölfsilbigen mit regel- 
mässigen Schlussfuss und dem Metrum v — v — j — vv — | v — v — . Im 
Atharva tritt an seine Stelle ein regelmässiger elfsilbiger durch die V. L. 
mrida statt mxilaya. 

Beiläufig bemerke ich dass im Isten Stollen 
uruvydc& no mahishah (ärma yamsad 
urvydcä zu sprechen ist, gerade wie in der TS. tu oder nü mit folgenden 
vai oder vavä sich zu tvai nvai u. s. w. zusammenziehen (vgl. TPr. V. 13) ^) 
und im Rv. suvänä fast durchgehends svänd zu lesen ist (vgl. 'Einleitung 
in die Grammatik der vedischen Sprache' in den AbhandL Bd. XIX. 
S. 154 flFO- 

97. hf (RPr. 533) vier Fälle, erstens Rv. II. 14, 3* 
(8 in 11) y6 gd' uddjad dpa hl valdwi vdh; 

femer V. 2, 4« 

(10 in 11) nd td' agribhrann djanishta hl shdh; 
dann V. 2, 7^ 



1) Das einzige von Whitney zu TPr. V. 13 für tu vavd gegebene Beispiel ist irrig d- 
tirt; es muss beissen VIT. 5. 7^ Es findet sich jedoch noch ein zweites TS. 11. 1. 5. 4* 



80 THEODOR BENFEY, 

(10 in 11) yü'pdd amnoco dgamishta hi shäh; 
endlich V. 2, 8» 

(8 in 11) hrinty&mino dpa hi mdd afyeh. 

§. 16- 

In den im vorigen § aufgeführten Ausnahmen itst die Berechtigung 
zur Aufstellung derselben bei nicht wenigen von mir angezweifelt Rech- 
nen wir diese ab, so bleiben von den 97 Nummern nur 42, also noch 
nicht einmal die Hälfte übrig, oder von den 117 Stellen, in denen diese 
Ausnahmen sich finden würden, nur 50, angeführt unter anudifya oder 
antidrifya, axi^ä, asanäma, d'yushi, iva, ishanyasi, ugmasi, ushdsij ürnuhi^ 
krinuhi^ cetati. jighdmsasi^ tdmasi, tirasi, dadhimahi, didhisheya, divi, didiht, 
dhdva, nü, pitari, puruprajdtdsya , pradivi, mänushasya^ mürdhdni, raksha. 
rdjasi, vavrityäma, vahasij vi, vihi, p-ömatenüy sakhyaya, sadandya, sddma^ 
sahasrdm, sümakhdya, suvitä^ya, sxija, smasi, hanati, hi. 

Selbst unter diesen hätten aber vielleicht noch einige angezweifelt 
werden können; doch sind schon ursprüngliche Inconsequenzen in den 
Veden als Folge der verschiedenen Zeiten und Verfasser, denen sie ihren 
Ursprung verdanken, unzweifelhaft anzuerkennen und für weitere Zweifel, 
welche sich aufdrängen mochten, ergaben sich doch keine derartige Ana- 
logien, wie sie sich zur Stütze der vorgebrachten darboten« So z. B. 
wird es jedem auffallen, dass unter den von mir nicht angezweifelten 
Fällen so viele Wörter mit auslautendem t sich befinden; nämlich unter 
den eben aufgezählten 42 nicht weniger als 25, also weit über die 
Hälfte; es drängt sich da unzweifelhaft wohl mit Recht die Frage auf: 
liegt in dem Vokal % etwas, oder wurde er in der Vedenzeit so gespro- 
chen, dass er in der üäsur wie ein schweres (d. h. natura oder positione 
langes) t gelten konnte? Ich kann die Frage vom sprachlichen Stand- 
punkte aus nicht entscheiden, da mir die vedischen Lautgesetze keine 
Analogien dafür gewähren und habe desshalb alle hieher gehörigen 
Fälle unangezweifelt gelassen. 



Nachtrag. S. 36 Z. 9 füge man hinzu: So auch TS. L 7. 10. 1 jägriyama 
statt jägriyama und vielleicht Rv. X. 32, 9 kriyäma. 



Die Statthalter von Ägypten 

zur Zeit der Chalifen. 

Von 

F. Wüstenfeld. 



Vorgetragen in der Sitzung der Eönigl. Ges. d. Wiss. am 6. Febr. 1875. 



Als ich vor dreissig Jahren die Ehre hatte, der Königl. Gesellschaft 
die Geschichte der Gopten vorzulegen ^), war es meine Absicht, alsbald 
zur Ergänzung derselben auch eine Geschichte der Statthalter von 
Ägypten folgen zu lassen, indess war damals das Material hierfür noch 
nicht ausreichend vorhanden und es hätte nach Handschriften noch nicht 
viel mehr als die blossen Namen derselben und ihre Reihenfolge festge- 
stellt werden können. Herr Prof. Ewald hatte schon vorher die 
Geschichte der Eroberung Ägyptens durch die Araber nach Ibn Abd el- 
Hakam bekannt gemacht^) und sie wurde dann auch von Weil in seiner 
Geschichte der Chahfen ziemlich ausführlich behandelt; bei diesem tritt 
aber in der Folge Ägypten immer mehr in den Hintergrund und nur 
die wichtigsten dort vorkommenden Begebenheiten werden dann noch 



1) im dritten Bande der Abhandlungen der E. Ges. d. Wiss. 1845 und separat 
abgedruckt. 

2] in der Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. Bd. 3. H. 3. 1840. 



meistens in den Noten, erwähnt. Jetzt liegen die vorzüglichsten Quellen- 
schriftsteller für die Geschichte von Ägypten gedruckt vor, nämlich 

Macrlzl (gest. 845) ,btril v^UT Bulak 1270 (1853). 

Abul-Mahäsin, (gest. 874), Annales, ed. Juynboll. Lugd Bat. 1855. 

Sujiltl (gest. 911) ^yo\^ ^^y*^ v^^ Cairo. 

Durch Zusammentragung der darin enthaltenen Nachrichten in meist 
wörtlicher Uebersetzung und mit Benutzung einiger anderen Hülfsmittel 
ist die nachfolgende zusammenhängende Darstellung versucht worden, 
deren erste Abtheilung die Zeit von dem zweiten Chalifen Omar bis 
zum Untergange des Omeijaden-Reiches oder die Jahre 17 bis 132 der 
Hi'gra umfasst. 



1. Abtheilung. 

• Yon Omar I. bis Marwän 11. 

'Amr ben el-'Afi, aus einer angesehenen Familie der Knreisch 
zu Mekka, hatte an ihren Handelsreisen nach Palästina Theil genommen 
und war von dort auch einmal in Begleitung eines Christlichen Mönches, 
dem er das Leben gerettet hatte, nach Alexandria gekommen ^) ; er ge- 
hörte zu denen, welche wegen der Zwistigkeiten, die bei Muhammeds 
Auftreten entstanden, nach Habessinien auswanderten, ohne schon für 
ihn und seine Lehre Parthei genommen zu haben; dort bekannte er 
sich offen zum Islam, kam aber erst im J. 8 d. H. nach Medina zurück, 
wurde von Muhammed mit mehreren wichtigen Streifzügen und Sen- 
dungen betraut und befand sich bei dessen Tode in 'Om^, wo er die 
neue Lehre eingeführt hatte ^). AbuBekr übertrug ihm den Befehl über 
ein Corps, welches nach Syrien auszog und er hatte unter Omars Regierung 
einen Hauptantheil an der Eroberung von Palästina. Auf der Bückkehr 
von Jerusalem, wohin sich Omar selbst begeben hatte« in dem Lager 
bei el-fGrdbia nicht weit von Damascus bat Amr den Chalifen um eine 
geheime Unterredung und drang dann in ihn, ihm ein Corps anzuver- 
trauen und die Erlaubniss zu einem Zuge nach Ägypten zu geben, um 
dies Land zu erobern. Omar liess sich nach langem Weigern endlich 
fiberreden und übergab ihm 3500 bis 4000 Mann, sämmtlich vom Stamme 
'Akk, jedoch mit der Bedingung, dass er seinen weiteren Verfügungen 
unbedingt Folge leisten müsse. »Wenn dir, sagte Omar, mein Schreiben, 



1) Vergl. meine Geschichte der Gopten. S. 50. 

2) Vergl. mein Register zu den genealog. Tabellen. S. 71. 
Hist.'pUl. Glosse. XX. 2. A 



2 F. WÜSTENFELD. 

welches dir bald nachfolgen wird, den Befehl zur Rückkehr bringt und 
du hast den Boden Ägyptens noch nicht betreten, so kehrst du um, 
hast du aber die Gränze schon überschritten, so ziehe in Gottes Namen 
weiter.« 

In Medina angekommen fand derChalif nur bei wenigen der älteren Ge- 
ehrten Muhammeds die Billigung dieses kühnen Wagnisses, die meisten, 
besonders 'Othmän, riethen davon ab, und aus Besorgniss vor dem Misslingen 
und vor dem Verluste eines so vortrefflichen Corps von Gläubigen schickte 
er den 'Okba ben 'Amir el-Guhenl mit einem Briefe an Amr ab, um ihn 
zurückzurufen. 'Okba traf ihn noch diesseits der Gränze bei Rafah, 
Amr nahm ihm aber den Brief nicht ab, da er den Befehl zur Umkehr 
darin zu finden erwarten musste« sondern marschirte noch etwas weiter 
bis zu einem Orte zwischen Rafah und el- Arisch, welcher, wie er sich 
sagen Hess, bereits zu Ägypten gehörte. Nun Hess er den Boten rufen, 
öff'nete den Brief und theilte den versammelten Muslim den Inhalt mit 
und forderte sie dann auf« da sie die Gränze überschritten hätten, vor- 
wärts zu gehen. 

Sobald Gureih ben Mini gen. eUMukaukas, der Griechische Statt- 
halter in Alexandria, von dem Anzüge Amr s Nachricht erhielt, eilte er 
nach der Festung Babylon ^) nicht weit von Memphis und brachte eiligst 
eine Armee zusammen, welche er Amr entgegenschickte. Der erste Ort, 
wo die beiden Heere zusammenstiessen, war bei eUFaramd, Abdallah 
ben Omar, der Sohn des ChaHfen, damals kaum 24 Jahre alt, comman- 



1) Bei den Arabern Bäbliün, B&b el-j6n, Bäb Aljftn oder bloss el-Jüna. Sie 
lag hart am Ufer des Nil, nach welchem auf der Westseite das sog. eiserne Thor 
hinausführte, wo tbeils durch eine aus dreissig SchifiEen bestehende Brücke, theils 
durch eine Fähre die Verbindung mit der gegenüberliegenden Nilinsel, später Raudha 
genannt, unterhalten wurde. Dort stand auch der alte Nilmesser, von welchem 
Macrtzi im J. 820 (1417) noch die üeberreste sab. Vor der Festung breitete sich 
eine weite Ebene aus bis an den Berg el-Mukattam, welche mit schönen Gärten, 
Bäumen und Beben bedeckt war, in deren Mitte die so gen. Ldchterburg cacr d- 
schama' hervorragte, in welcher die Römischen und Griecliischen Statthalter, wenn 
sie aus Alezandria hierher kamen, zu residiren pflegten. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 3 

dirte hier wie in allen folgenden Treffen unter Amr den linken Flügel, 
Abdallah ben Sa'd ben Abu Sarh den rechten; die Griechen leisteten 
fast einen Monat lang heftigen Widerstand, bis sie mit Hülfe der Gopten 
zurückgedrängt wurden, welche sich von dem Griechischen Joche zu be- 
freien hofften, zumal da ein Bischof von Alexandria, Benjamin i), ihnen 
verkündet hatte, dass die Herrschaft der Griechen zu Ende sei, sie 
möchten zu Amr übergehen. Der erste, welcher bei dem Sturme auf 
das Thor in die Festung Faramä eingfedrungen war, hiess Sameifa' 2) ben 
Wdla el-Sabäl. Amr rückte nun mit leichter Mühe bis el-Kaw45ir5) 
vor, wo er ein Lager aufschlug, und erschien dann bald vor Bilbeis, wo 
die Griechen sich wieder fast einen Monat lang tapfer vertheidigten, 
bis sie auch hier weichen mussten. Sie suchten darauf noch einmal bei 
Umm Dunein, später el-Maks genannt und am Nil gelegen, sich fest zu 
setzen und da ihr Widerstand ein hartnäckiger und langdauemder war, 
sah Amr sich genöthigt, von demChalifen sich Verstärkung zu erbitten, 
welcher ihm auch 4000 Mann nachsandte. Mit ihrer Hülfe wurden die 
Griechen hier geschlagen und zogen sich in die Festung Babylon zurück, 
welche Amr nun zu belagern anfing. Um weitere Erfolge zu erreichen, 
waren aber seine Kräfte wiederum nicht gross genug und er mUsste 
abermals von Omar Hülfe verlangen, welcher dann noch 4000 Mann 
schickte unter vier Anführern, deren jeder, wie Omar ihm schrieb, noch 
für tausend Mann zu rechnen sei; sie waren: el-Zubeir ben el-Awwdm, 
der mit seinem Corps unter den Hauptleuten Busr ben Artd und 'Omeir 
ben Wahb el- Gumahi, über Dakahla, vier Parasangen von Dimj&t 
(Damiette) marschirte, el- Mikdäd ben el-Aswad, 'Obdda ben el-^ftmit 
und Maslama ben Muchallad oder, statt des letzteren, Chäri^a ben Hu- 
dsftfa. — Als die Belagerung sich in die Länge zog, selbst nachdem eine 
Verschanzung (Chandak) durch Verrath bei einem Ueberfalle von 

1) vermuthlich der Patriarch dieses Namens; s. Geschichte der Gopten, S. 51; 
im Arabischen verschrieben Abu Majämtn* 

2) verschiedene Lesarten: Sameika', Asmeika*. 

3) so in dem Gothaer Codex des Sujüti und j&cüt IV. 197; in dem Bulaker 
äuj^ti I- 52, 1 el-Kawähir. 

A^ 



4 F. WÜSTENFELD. 

fanfhundert Beitern, die Chari^a anfahrte, genommen war, erklärte el« 
Zubeir endlich, er wolle sich aufopfern und in die Festung einzudringen 
suchen in der Hoffnung, dass dann Oott den Muslimen den Sieg ver- 
leihen werde. Er hatte eine Mauerlücke bemerkt an der Stelle, wo 
später das Haus des Abu ^älih el-Harrdni stand neben dem Badehause 
des Ihn Nafr el-SarrA'g am Bäder-Markt; hier richtete er eine Leiter 
an die Mauer und befahl seinen Leuten, wenn sie sein »Allah akbara 
hörten, insgesammt diesen Ruf zu erwiedern. £r kam unbemerkt hin- 
auf mit dem Schwerdt in der Hand und sowie sein Ruf erschallte, 
stimmten aussen die Seinen darin ein und drängten sich, wer ihm zuerst 
nachfolgen solle, so dass sie Amr zurückhalten musste, um die Leiter 
nicht zu zerbrechen. Nachdem so etliche ihm gefolgt waren» unter denen 
als der erste Mfilik ben Abu Salsala el-Azdl namentlich aufgeführt wird, 
zweifelten die erschreckten Belagerten nicht, dass schon ein ganzes Corps 
eingedrungen sei und zogen sich zurück, so dass Zubeir zum Thore ge- 
langen, dasselbe öffnen und die Aussenstehen^en einlassen konnte. 
Auch Schurahbil ben Hasana el-Murddl war an einer anderen Stelle 
mittelst einer Leiter in die Festung gelangt. Auf dem linken Flügel 
hatte Mubarrih ben Schihdb el-J4fi'l oder el-Ru'einl commandirt. 

Mukaukas hatte sich bei Zeiten mit den angesehensten Gopten auf 
die Nilinsel begeben, die Brücke abbrechen lassen und dem Griechen 
el-Mandakür ^) ben Kurkub, den die Araber el-A'rag oder in der De- 
minutiyform el-O'eiri^ nennen, das Commando in der Festung übertragen, 
welcher nun ebenfalls mit Hülfe der Schiffe, die auf der Flussseite bereit 
lagen, sich auf die Insel zurückzog, so dass die Einnahme nach einer 
siebenmonatlichen Belagerung erfolgte. Mukaukas wünschte jetzt Frieden 
zu schliessen und schickte Abgeordnete an Amr und liess ihm vorstellen, 
dass die Griechen grössere Streitkräfte herbeizögen, welche mit der 
kleinen Schaar der Araber leicht würden fertig werden, denen dann bei 
der inzwischen eingetretenen Ueberschwemmung des Nil der Rückzug 
abgeschnitten sei, so dass sie alle in Gefangenschaft gerathen würden. 



1) Verschiedene Lesarten: Mandsakür, Mandsafur, Mandakul. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 5 

Amr hielt die Gesandten zwei Tage bei sich zurück, so dass Mukaukas 
schon anfing für ihr Leben besorgt zu werden; Amr hatte aber nur die 
Absicht, dass sie das Leben und Treiben und den Geist seiner Krieger 
kennen lernen sollten, und er entliess sie mit der Erklärung, dass zwischen 
ihnen nur drei Möglichkeiten beständen: »entweder ihr nehmt den Islam 
an und werdet als unsere Brüder behandelt, oder ihr bezahlt die Kopf- 
steuer und seid unsere Untergebenen, oder wir setzen den Krieg fort 
und fiberlassen Gott die Entscheidung.a Mukaukas war zwar nicht 
Willens sich sogleich zu unterwerfen, aber er sah doch ein, dass er es 
mit einem Gegner zu thun habe, der nicht nachgeben werde, und bat 
Amr,. Abgeordnete zu ihm zu schicken, mit denea er die Friedensbedin- 
gungen feststellen könne. Zehn Gesandte setzten nun nach der Insel 
über, an ihrer Spitze stand als Wortführer 'Ob&da ben el-^ämit, welcher 
durch seine schwarze Farbe und seine Grösse von zehn Spann einen im« 
ponirenden Eindruck machte und welchem Amr einschärfte, auf einer 
von den drei Bedingungen zu beharren. Als sie eingeführt wurden und 
'Obäda vortrat, fürchtete sich Mukaukas vor ihm und sagte: »Entfernt 
diesen Schwarzen und lasst einen andern vortreten, der mit mir rede.a 
Da erwiederten die anderen : »Dieser Schwarze ist der klügste und beste 
von uns und an unsere Spitze gestellt, seinem Rathe folgen wir und 
ihm, nicht uns hat der Emir seine Befehle gegeben.« Mukaukas bat 
dann, dass 'Obdda sanft mit ihm rede, um seine Furcht vor ihm nicht 
zu vermehren, und es entstand ein langes Zwiegespräch, in welchem 
Jeder von beiden seine Ansicht festzuhalten und zu vertheidigen suchte, 
bis Mukaukas, da 'Obäda in nichts nachgeben wollte, sich an seine Um- 
gebung wandte und ihr anrieth sich zu unterwerfen. Allein die Griechen 
erklärten, dass sie lieber in den Tod gehen würden, entliessen die Ge- 
sandten und hoben jede Verbindung zwischen der Insel und der Festung 
auf. 

Die Muslim fingen nun die Feindseligkeiten wieder an und tödteten 
eine Menge von Griechen und Gopten, die sich in der Festung befanden, 
und machten andere zu Gefangenen, während alle Schiffe nach der 
Insel gebracht wurden und die Muslim sich alsbald ringsum von Wasser 



6 F. WÜSTENFELD. 

umgeben und von aller Communication abgeschnitten sahen, da die jähr« 
liehe Nilflberschwemmung eingetreten war. Mukaukas fuhr unterdess 
fort den Gopten zuzureden sich in Güte zu unterwerfen, ehe sie mit 
Gewalt gezwungen wflrden und noch härteres erfahren müssten, bis sie 
endlich einwilligten sich zu ergeben und die Kopfsteuer zu bezahlen. 
Nun aber wollten Amr's Begleiter nicht mehr hierauf eingehen, sondern 
bestanden darauf, das ganze Land zu erobern und Alles als Beute zu 
betrachten. Indess Amr verwies sie auf den Befehl des Chalifen und 
es wurde Friede geschlossen unter der Bedingung, dass jeder Erwachsene« 
mit Ausnahme der Greise, Frauen und Kinder, jährlich zwei Dinare 
Kopfsteuer bezahlen und die Muslim im ganzen Lande einzeln oder 
mehrere zusammen eine freie gastliche Aufnahme für drei Tage finden, 
sonst aber keinen Ansnruch auf Länderbesitz oder das Vermögen der 
Einwohner machen sollten. Für die Griechen, deren eine grosse Anzahl 
besonders in Alexandria und der Umgegend ansässig war, hatte Mukaukas 
ausbedungen, dass es ihnen freistehen solle, ungehindert das Land zu 
verlassen, oder, wenn der Griechische Kaiser seine Einwilligung gäbe, 
unter denselben Verhältnissen wie die eingeborenen Gopten zu bleiben. 
Er berichtete hierüber, wie über alles Vorgefallene an den Kaiser, doch 
dieser missbilligte sein ganzes Verfahren und machte ihm Vorwürfe, 
dass er es nicht mit den 12,000 Arabern habe aufnehmen können, denn 
wenn die Gopten keine Lust hätten den Krieg fortzusetzen und lieber 
Tribut bezahlen wollten, so habe er doch über 100,000 Griechen unter 
seinem Befehle, mit denen er die Araber hätte bekämpfen und entweder 
sterben oder siegen müssen. Als Mukaukas dies Schreiben des Kaisers 
empfing, sagte er zu den ihn umgebenden Griechen: »bei Gott! diese 
Araber sind bei ihrer geringen Anzahl stärker und mächtiger als wir 
mit unserer Menge; ein Mann von ihnen ist soviel als Hundert von uns« 
denn sie suchen den Tod, der ihnen lieber ist als das Leben; Jeder 
von ihnen dringt kämpfend vorwärts, sie haben gar kein Verlangen in 
ihre Heimath zu den Ihrigen zurückzukehren; für Jeden, den sie von 
uns tödten, erwarten sie einen grossen Lohn und sagen, wenn sie ge- 
tödet würden, so kämen sie ins Paradies; sie haben keinen Wunsch in 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 7 

dieser Welt, wenn ihre nächsten Bedarfnisse an Nahrung nnd Kleidung 
befriedigt sind. Wir dagegen scheuen den Tod und lieben das Leben 
und seine Freuden; wie können wir gegen sie Stand halten? Ich sage 
euch, dass ich den mit den Arabern geschlossenen Frieden nicht brechen 
werde, und bin überzeugt, dass ihr schon bald einsehen werdet, dass ich 
recht habe, dass ihr wünschen werdet, mir gefolgt zu sein und dass ich 
die Verhältnisse richtiger beurtheile als der Kaiser. Sollte denn keiner 
von euch damit zufrieden sein, dass er für zwei Dinare jährlich für sich, 
seine Habe und seine £ander in seinem Hause in Sicherheit leben 
kann?a — Er begab sich dann zu Amr und sagte ihm, dass der Kaiser 
sein Verfahren missbilligt und befohlen habe, den Krieg fortzusetzen; 
er aber wolle sein Wort halten, indem er sich von den Griechen los- 
sage; er habe nur drei Wünsche: erstens, dass der Vertrag mit den 
Gopten nicht gebrochen und er selbst mit ihnen in Verbindung gelassen 
werde; zweitens, dass in der Folge mit den Griechen kein Friede ge- 
schlossen werde, bis sie alle zu Sklaven gemacht und ihr Vermögen als 
Beute erklärt sei, denn so verdienten sie es; drittens, dass er, wenn er 
stürbe, in der Kirche zu Abu Hanas^) in Alexandria begraben würde. 
Amr gestand dies zu und machte seiner Seits die Bedingung, dass die 
beiden Brücken zwischen der Festung Babylon und der Insel wieder 
hergestellt würden und alle Haltestellen, Hospize, Märkte und Brücken 
zwischen der Festung und Alexandria bestehen blieben, was auch ge- 
schah, und so wurden die Gopten die Bundesgenossen und Helfer der 
Muslim. 

Während alle diese Unterhandlungen stattfanden, hatte Amr meh- 
rere Gorps abgeschickt, um das Land zu unterwerfen ; Ghdri'ga ben Hu- 
dsÄfa ging nach el-Fajjdm, Oschmunein, Ichmim, den BascharM und 
den Dörfern von el-^a'ld; 'Omeir ben Wahb. wandte sich nach Tinnis, 
Dimjdt, Tdna, Damira, Schatd, Dakahla, BanÄ und Bdgir, 'Okba ben 
*Amir oder Wardän nach den übrigen Dörfern des Unterlandes; und 
wiewohl diese Gorps einzeln wohl kaum über 1000 Mann stark sein 



1) ^j**-;^^t, L^^^fi^^'i cr-^. (lies cr^^-) St. Johannes. 



8 F. WÜSTENFELD. 

konnten, sq fanden sie doch nirgends Widerstand, nirgends kam es zum 
Kampfe und überall wurde mit der Coptischen Bevölkerung unter den- 
selben Bedingungen der Kopfsteuerzahlung, wozu noch einige Natural- 
lieferungen kamen, der Friede geschlossen. Darüber waren nach der 
Einnahme von Babylon fünf bis sechs Monat ^) verflossen und nachdem 
Amr seine Truppen wieder vereinigt hatte, setzte er im zweiten 'Gumfidä 
des J. 19 (Juni 640) seinen Zug gegen Alexandria fort. Lakit ben 'Adi 
el-Lachmi führte immer die Truppe in der Armee, welche vorzugsweise 
dazu verwandt wurde, den Feinden einen Hinterhalt zu legen. 

Die Griechen hatten indess bedeutende Verstärkungen erhalten und 
stellten sich dem weiteren Vormarsch der Araber entgegen. Während 
Amr mit dem Hauptcorps bei dem Dorfe Tarnüt^) stand, sandte er den 
Scharlk ben Sumeij el-Guteifl mit der Vorhut vorauf; er stiess auf eine 
Abtheilung der Griechen, die ihn zurückdrängte bis zu einem Hügel 
(kam), der nach ihm den Namen Küm Scharik erhielt, wo er sich ver- 
theidigte. Als er aber bemerkte, dass die Griechen ihn einzuschliessen 
versuchten, befahl er dem Abu Nd'ima M&lik ben Nd'ima el^adefi, der 
einen ausgezeichneten Fuchs ritt, sich von dem Hügel herab durch die 
Griechen durchzuschlagen; sie verfolgten ihn zwar, konnten ihn aber 
nicht einholen, und er brachte Amr die Meldung von der misslichen 
Lage der Seinen, worauf dieser sogleich vorrückte, so dass die Griechen 
sich zurückzogen. Die beiden Heere stiessen dann bei Suiteis') auf 
einander, die Griechen wurden nach heftiger Gegenwehr in die Flucht 
geschlagen, stellten sich aber nochmals bei el-Kirjaun, einem Orte nicht 



1) Nach einer anderen Nachricht nur zwei bis drei Monat, was ofiEenbar zu 
wenig ist. 

2) T€Q€vov9$g zu JacAt's Zeit ein grosses Dorf am Nil mit Marktplätzen, einer 
Hauptmoschee, einer grossen verCallenen Kirche, Zuckerrohrpressen und vielen schönen 
Gärten; der grösste Theil der Früchte, welche nach Alexandria gebracht werden, 
kommt von hier und die Einwohner erreichen ein ungewöhnUch hohes Alter. Vergl. 
hierzu und zu den folgenden Orten Et. Quatremerej memoires geogr. et bist, 
sur rfigypte. 

3) Bd de Sacy zu Abdallatif, pag. 665 Sunteis; yergl. aber Jacüt s. v. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 9 

weit von Alexandria, von welchem ein Nilarm den Namen hat, wo vier- 
zehn Tage lang gekämpft wurde; Amrs Sohn Abdallah commandirte 
hier die Vorhut und wurde schwer verwundet, Amr's Freigelassener 
Warddn trug die Fahne. Am Entscheidungstage betete Amr das Gebet 
der Furcht aus dem Koran Surn IV. 102, die Muslim richteten unter 
den Griechen ein grosses Blutbad an, schlugen sie vollständig und ver- 
folgten sie bis unter die Mauern von Alexandria. 

Auf dem ganzen Marsche hatten es die Einwohner von Bilhib, 
Cheis, Sachd (bei diesen beiden Orten focht besonders Chdri'ga ben Hu- 
dsdfa mit seinem Corps), Suiteis und Kartasä mit den Griechen gehalten 
und ihnen Hülfe geleistet, sie wurden desshalb zu Gefangenen gemacht 
und als Sklaven nach verschiedenen Gegenden von Arabien, besonders 
nach Medina geschickt, indess der Chalif schenkte ihnen die Freiheit 
und entliess sie wieder in ihre Heimath unter denselben Bedingungen 
wie die übrigen Gopten. 

Alexandria war sehr stark befestigt, es hatte viele Thürme, die sich 
gegenseitig deckten und die Araber mussten sich zu einer regelmässigen 
Belagerung entschliessen, konnten aber nur die Seite von Hulwa bis zur 
Ferser-Burg und was darüber hinauslag einschliessen, so dass die See- 
seite ganz offen blieb ; dagegen fanden sie bei den Gopten eine allseitige 
Unterstützung, die sie mit Lebensmitteln und Futter versorgten. Nach- 
dem die Einschliessung schon zwei Monate gedauert hatte, und bei den 
Arabern einige Sorglosigkeit eingetreten war, machten die Belagerten von 
der Seeseite her unter dem Schutze der Festung einen Ausfall, wobei 
zwölf Muslim getödtet wurden i). 

Der Kaiser Heraclius war sehr besorgt und hatte einmal geäussert : 
»wenn Alexandria verloren geht, so ist es mit den Griechen zu Ende«; 



1) Ein ander Mal waren die Araber schon in die Festung eingedrungen, wurden 
dann aber wieder hinausgeworfen bis auf vier Mann, unter denen sich Amr selbst 
und Maslama befanden, die sich zu weit vorgewagt hatten und von den Ihrigen ab* 
geschnitten wurden. Sie flüchteten sich in ein Badehaus, wo sie erfasst wurden; da 
man sie aber nicht kannte, bot man ihnen an, sie gegen gefangene Griechen auszu- 

Hist.'pha. Glosse. XX. 2. B 



10 F. WÜSTENFELD. 

er meinte die Oriechische Kirche, denn seit dem Verluste von Syrien 
war die Hauptkirche der Griechen in Alexandria. Er liess desshalb 
grosse Rastungen machen und die Nachricht verbreiten, dass er sich selbst 
an die Spitze der Armee stellen wolle, — da starb er plötzlich (im 
Februar oder März 641), nachdem die Belagerung bereits fünf Monate gedauert 
hatte, und sowie sein Tod die Muslim von einer grossen Besorgniss be- 
freite, ebenso sank den Griechen der Muth und viele, die schon auf 
dem Marsche waren um mit der Flotte überzusetzen, kehrten um. 

Indess zog sich die Belagerung noch sehr in die Länge, bis der 
Chalif ungeduldig und unwillig über die Zögerung einen allgemeinen 
Sturm befahl, es solle dazu ein Freitag gewählt werden. Amr stellte 
den 'Obäda ben el-^dmit an die Spitze der Stürmenden, nachdem er 
seinen eigenen Turban an dessen Lanzenspitze befestigt hatte, und 
Alexandria fiel Freitags am 1. Muharram des J. 21 (10. December 641} 
neun Monate nach dem Tode des Heraclius in die Hände der Muslimen ^). 
Mu äwia ben Hudeig brachte die frohe Botschaft mündlich dem Chalifen 
nach Medina und Amr liess einen schriftlichen Bericht nachfolgen. 



wechseln, was Amr ablehnte; dann schlug man ihnen einen Zweikampf mit einem 
Griechen vor, den Maslama nach einem edlen Wettstreit mit Amr annahm, und 
nachdem er seinen Gegner besiegt hatte, wurden sie in Freiheit gesetzt. Macrtzf 
Th. 1. S. 164 fg. Ich erwähne dies nur in einer Note, weil ich es mehr als alles 
andere für eine romanhafte Ausschmückung halte. 

1) Diese bestimmte Angabe leidet nur an der Schwierigkeit, dass der 1. Mu- 
harram 21 nicht ein Freitag, sondern ein Dienstag war; setzt man den Tod des 
Kaisers in den Monat März, so stimmen die neun Monate genau. Rechnet man die 
einzelnen festen Zeitbestimmungen bei den verschiedenen Belagerungen zusammen 
und nimmt die unbestimmt gelassenen Zwischenzeiten nach einer muthmasslichen 
Schätzung hinzu, wobei besonders die Verhandlungen mit den Griechen und die 
mehrmaligen Benachrichtigungen an, und die Antworten und Befehle von dem Chalifen 
in Medina zu berücksichtigen sind, worüber jedesmal einige Wochen vergingen, so 
wird man finden, dass dadurch fast vier Jahre, welche von dem Aufbruche aus dem 
Lager bei Damascus im Anfange des J. 17 bis zur Eroberung von Alexandria am 
1. Muharram 21 verflossen sind, wirklich ausgefällt werden. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 11 

Die Griechen flohen zu Wasser und zu Lande und nachdem Amr 
1000 Mann als Besatzung in der Stadt zurückgelassen hatte, setzte er 
die Verfolgung zu Lande fort. Jetzt kamen die Griechen vom Meere 
zurück und nahmen Alexandria wieder in Besitz, Amr kehrte um und 
eroberte die Stadt zum zweiten Male durch den Verrath einer Schild- 
wache, welche das Thor öffnete. Die damalige Bevölkerung der Stadt 
wird auf 600,000 Einwohner angegeben, unter denen 200,000 Griechen 
und 40,000 Juden, nachdem bereits 70,000 Juden vor der Einnahme 
die Flucht ergriffen hatten. Die Mehrzahl der Muslimen verlangte von 
Amr, dass er die Stadt preisgeben und das Vermögen der Einwohner 
unter die Sieger vertheilen solle; allein der Chalif, bei welchem Amr 
desshalb anfragte, verweigerte dies, und wiewohl die Stadt nicht durch 
vertragsmässige Uebergabe, sondern mit Gewalt eingenommen war, wurde 
ihr doch nur die gewöhnliche Steuer von zwei Dinaren für jeden Er- 
wachsenen auferlegt und danach jährlich 600,000 Dinare erhoben. 

Nach dieser zweiten Einnahme von Alexandria und der Vertreibung 
der Griechen leistete das übrige Land nirgends mehr einen bedeutenden 
Widerstand, da in Oberägypten keine befestigten Städte mit fremder 
Besatzung waren und die Gopten sich gutwillig den Bedingungen der 
Sieger unterwarfen, und bald stand ganz Ägypten in der Breite von 
Aila bis Barca und in der Länge von el- Arisch bis Uswdn (Suw6n, 
Syene) unter Muslimischer Herrschaft. 

Amr wünschte seinen bleibenden Aufenthalt in Alexandria zu 
nehmen und fing an sich in dem Schlosse einzurichten und seinen Corps- 
führern Mu'dwia ben Hudei'g el-Tuglbf, Abu Dsarr und anderen beson- 
dere Wohnungen anzuweisen und die verlassenen Quartiere an die Truppen 
zu vertheilen. Indess der Chalif war damit nicht einverstanden, weil 
er nicht für die .Regenzeit durch die Überschwemmungen des Nil 
die Verbindung mit seiner Armee abgeschnitten sehen wollte, ebenso wie 
Sa'd ben Abu Wakkä^ nach der Einnahme von MaddXn von jenseits des 
Tigris in die Gegend von Kufa und der Anführer der Bayrischen 
Truppen für den Winter nach Ba9ra zurückkehren musste. Amr ]iess 
also nur eine Grenzwache unter dem Befehle des Abdallah ben Hudsdfa 

B* 



12 F. WÜSTENFELD. 

in Alexandria und zog sich nach Babylon zurück, wo sein Zelt (fustdt) 
stehen geblieben war, weil während der Belagerung Tauben darauf ge- 
nistet hatten, die er beim Abzüge nicht hatte stören wollen, und er liess 
hier neben der Festung Babylon den Grund zu einer Stadt legen, welche 
davon den Namen el-Fustät erhielt. Hier blieb für die Folge der Sitz der 
Regierung, der Name des Landes Micjr wurde auf diese Hauptstadt 
übertragen, welche dann nach mehrmaliger Erweiterung erst im J. 358 
(Chr. 969) bei einer wiederholten Vergrösserung el-K&hira (Kairo) ge- 
nannt wurde. 

Amr ernannte vier Bauaufseher: Mu'äwia ben Hudei'g, Scharlk ben 
Sumeij, Amr ben Mucharram el-Chauldni und Gabrll ben Bäschira el- 
Ma'dfirf; diese steckten die Strassen und Quartiere der Stadt ab und 
vertheilten sie nach den Stammen unter die Soldaten. Ein Platz, auf 
welchem Cuteiba ben Kulthilm el-Tu'gibl zur Zeit, als bei der Belage- 
rung von Babylon das Lager dort stand, eine Bude errichtet hatte, worin 
er Waaren feil hielt, wurde für den passendsten gehalten, um dort eine 
Moschee zu bauen; Cuteiba war auch gern bereit den Platz zu räumen 
und bekam dafür eine Beihestelle unter seinen Stammesgenossen Banu 
Sdm von Tu'gib, und noch im J. 21 wurde die Moschee aufgeführt. Sie war 50 
Ellen lang und 30 Ellen breit und 80 Männer aus der Begleitung Muhammeds, 
darunter el-Zubeir ben el-'Awwdm, el Mikdäd ben el-Aswad, 'Obada ben 
el-Cdmit, Abul-Dardä, Abu Darr el-Giffirl, Abu Nadhra el-Gifdri und 
Nubeih ben Cuwdb, waren zusammengetreten, um die Eabla, die Rich- 
tung nach Mekka beim Gebet, zu bestimmen. Aber einen erhöhten 
Minbar oder Pult zum Vorlesen des Kordn musste Amr auf Befehl des 
Chalifen wieder abbrechen lassen, weil er nicht wollte, dass die gläu- 
bigen Zuhörer niedriger stehen sollten. Die Nachrichten über die ver- 
schiedenen Veränderungen, Erweiterungen und Verschönerungen dieser 
Moschee des Amr sind von den Geschichtschreibern sorgfaltig gesammelt 
und sie ist noch jetzt die Hauptmoschee von Kairo. Sie lag ursprüng- 
lich ganz frei und dem Haupteingange gegenüber stand die Wohnung 
Amr's, die Strasse dazwischen war nur sieben Ellen breit. 

Amr machte alsbald einen Bericht an den Chalifen über die grossen 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 13 

Vorräthe der Landbebauer und über die unermesslichen Reichthümer 
der Ägypter, und wie bedeutend diese sein mochten, geht schon aus dem 
einen Beispiele hervor, dass das Vermögen eines Gopten, welcher über- 
führt wurde den Griechen die Schwächen der Muslim verrathen zu haben, 
in dem Betrage von dreizehn Millionen Dinaren eingezogen wurde. An- 
fangs war Omar zu grosser Milde geneigt und befahl Amr, die Acker- 
bauer in aller Weise zu schonen, nichts von ihrem Eigenthum zu ver- 
kaufen, um sie nicht in Noth zu stürzen oder sie zum Ungeliorsam und 
zur Rache zu reizen, im Gegentheil solle er ihre Aecker beschützen und, 
wenn nöthig, ihnen durch Zufuhren helfen, um sie zu beruhigen, wer 
aber sich einer Ungerechtigkeit gegen sie schuldig mache, der werde er- 
fahren, was es heisse, seinen Befehlen nicht Folge zu leisten ^). Amr 
war desshalb nachsichtig in der Beitreibung der massigen Kopfsteuer 
und die Einnahme betrug im ersten Jahre eine Million, dann vier und 
in der Folge acht Millionen Dinare. Dazu kamen einige Naturalliefe- 
rungen an Getreide, Oel und Honig und für die Wohlhabenden eine 
geringe Vermögenssteuer, wobei indess mit einiger Strenge verfahren 
wurde, indem auf Verheimlichung von Schätzen die Confiscation und 
Todesstrafe stand ^), Ausserdem musste an die Muslimische Armee die 



1) Codex Gothan. Nr. 325 u. 367 : üJl«« ^\ J^l ^^^ o^ ^j^ o^ f^ r)^ ^ /^ 
^Jil2^\ ^ ^ liiXy«. ^Jö v3to äU> ;?ulc v.^. e;h>^' o' ^ Z"^- ^^ v^l^' ^^ ^ 

XJU--^ ^UJLc v,.^. (^jy^ljXI qI «j^ /^^^ v^l^ (as^Lx^ La J-aojI y^Sö <Aju Lot &Ad &9^, Lt^ 

^^yJSl\ jJLjijywMj jj^p f)Si\ j^^ 2u^\ er ^iS^ ^]y^ )uyaA »h^i^ L^l ^y^d^ \ö\^ ^jyol^ jüü 

2) Es war zur Anzeige gebracht, dass ein Gopte Namens Petrus seine Schätze 
verborgen habe; Amr liess ihn vorfordem und da er hartuäckig leugnete, wurde er 
ins Gefängniss gesteckt. Amr hörte sich dann um, ob Petrus wohl nach irgend 
Jemand gefragt habe, und erfuhr, dass er sich nach einem Mönche in ei-Tür (Sinai 
Kloster) erkundigt habe. An diesen schrieb nun Amr: »schicke mir, was du bei 
dir hast», und versiegelte den Brief mit dem Siegelringe des Petrus, den er ihm 
hatte vom Finger abziehen lassen. Der Bote brachte dann eine Syrische Kanne zu- 



U F. WÜSTENFELD. 

Bekleidung geliefert werden, jeder Krieger erhielt jährlich wollenes 
Unterzeug, einen Burnus, Beinkleider und ein Paar Schuh. 

Da aher der Wohlstand Ägyptens darauf beruhte, dass die Canäle, 
Dämme und Brücken immer in gutem Zustande erhalten blieben, so 
mussten fär diesen Zweck 120,000 Arbeiter mit Hacken, Schaufeln und 
anderen Geräthschaften Winter und Sommer unterhalten werden. Auch 
ging Amr von dem richtigen Grundsätze aus, dass, je weniger er die 
Bewohner durch Steuern bedrucke, umsomehr sich ihr Wohlstand heben 
und um so eher ein gutes Verhältniss zwischen ihnen und den Siegern 
hergestellt werden würde, was diesen indirect wieder zum Vortheil ge- 
reichen müsse. Daher kam es, dass von den bedeutenden Einkünften 
verhältnissmässig nur wenig in den Staatsschatz nach Medina abgeliefert 
werden konnte, und der habgierige Chalif drückte dann auch bald genug 
seine Verwunderung darüber aus, dass ein so reiches Land, wie ihm 
Ägypten immer gepriesen sei, nur einen so geringen Ertrag liefre, und 
Amr reiste zweimal nach Medina, um sich persönlich über seine Ver- 
waltung zu rechtfertigen. 

Auch für die bürgerliche Ordnung hatte Amr dadurch gesorgt, dass 
er bei Zeiten einen Cddhi anstellte. Er hatte dazu den Keis benAbul- 
'A9i bestimmt, der Chalif wollte aber die Stelle dem Ka'b ben Jasdr 
ben Dhinna el-'Absi übertragen^), welcher schon vor Muhammed die 
Streitigkeiten der Araber geschlichtet hatte; da indess dieser ablehnte, 



rück, welche mit Zinn zngelöthet war, und als sie geöffnet wurde, fand sich darin ein 
Blatt mit der Aufschrift: »euer Geld befindet sich unter dem grossen Wasserbehälter.» 
Nun wurde in der Wohnung des Petrus der Wasserbehälter abgelassen und die 
Steinplatten im Grunde aufgehoben, und man fand darunter 52 Irdabb (grosses 
Maass für trockne Sachen) gemünztes Gold, d. i. über zwölf Millionen Dinare. Amr 
liess dem Petrus am Eingange der Moschee den Kopf abschlagen und aus Angst, 
dass es ihnen ebenso ergehen möchte, brachten nun die Gopten ihre Schätze zum 
Vorschein. 

1) Dies kann aber nicht erst im J. 24 geschehen sein, wie Sujüti berichtet, 
da Amr in diesem Jahre in Ägypten nichts mehr zu sagen hatte und Omar schon 
im J. 23 gestorben war. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 15 

so erhielt das Amt der Sohn des erstgenannten, Othmdn ben Keis ben 
Abul- A?! Zum Aufseher über die öffentlichen Märkte und zum Ein- 
nehmer der davon zu erhebenden Abgaben hatte Amr den Ch&lid ben 
Thfibit el-Fahmi ausersehen, welcher aber dies Amt ausschlug, worauf 
Schurahbü ben Hasana dazu bestellt wurde ^). — Die Aufsicht über die 
Mühlen wurde Maslama ben Muchallad übertragen^) — Chdri'ga ben 
HudsAfa war Oberst der Leibwache und nach ihm el-Sälb ben HischAm, 
welcher diesen Posten bis zum J. 40 bekleidete. 

Ungeachtet der grossen Verdienste, welche sich Amr schon durch 
die erste Anregung des Planes zur Eroberung von Ägypten und dann 
noch mehr durch die Ausführung desselben erworben hatte und unge- 
achtet er hierauf diesen Plan weiter verfolgt und weit über die Gränzen 
von Ägypten hinaus Barca, Tripolis und einen grossen Theil von Nord- 
africa theils selbst, theUs durch seine Unterfeldherm unterworfen hatte, 
konnte er es nur mit Mühe erreichen, dass er nicht ganz abgesetzt 
wurde; er behielt nur Unterägypten, und die Verwaltung von Ober- 
ägypten, el-^a'ld5), wurde dem 

Abdallah benSa'd ben Abu Sarh ben el-Hdrith el-Amir£ über- 
tragen. Nicht lange nachher in den letzten Tagen des Jahres 23 (An- 
fangs October 644) wurde Omar ermordet und sein Nachfolger 'Othmdn 
liess Amr nur noch kurze Zeit auf seinem Posten, dann übertrug er dem 



1) So Sujuti n, 86; nach anderen dagegen soll Schurahbfl schon im J. 18 
an der Pest von Emmaus gestorben sein. Nawawi pag. 312. Ibn el-Athtr, 
asad el-gäba U. pag. 391. 

2) Sujütf a. a. 0. macht die nähere Bezeichnmig ^jM^äLSt i^;^]^ »die Mahlen 
von el-Balcas«. In dem Verzeichniss der Ägyptischen Ortsnamen Cod. Goth. Nr. 258 
werden in der Provinz el-Scharkija zwei besondere Orte el-Taw&h!n »die Mühlen» 
aufgeführt, eine mit dem Beisatz Ji^Ji\ »bei Ikräsch«; derselbe Ort wird in dem 

Verzeichniss von de Sacy zu Abdallatif pag. 606 erwähnt und daneben el- 
Taw&htn im Gebiete von Fäcüs. 

3) Es wurde in drei Districte getheilt, der südliche reichte von Usw&n bis 
Jchmim, der mittlere von Jchmtm bis el-Bahnasa und der nördliche von hier bis 
in die Nähe von Fustät. 



16 F. WÜSTENFELD. 

Abdallah, der sein Milchbruder war, die Regierung von ganz Ägypten. 
Das betreffende Schreiben des Chalifen traf ihn in Schadmdh oder 
Müscha (Damdscha), einem Dorfe bei el-Fajjdm; er liess unter die Be- 
wohner des benachbarten Dorfes Atwdb ^) Geschenke austheilen und diese 
führten ihn im Triumphe nach Fustät, wo Amr sein Amt niederlegen 
musste. 

Bald darauf im J. 24 erschien eine Griechische Flotte vor Alexan- 
dria und es brach ein Aufstand der Griechischen Bevölkerung aus. Als 
Veranlassung wird Folgendes erzählt: Talamä, Ortsvorsteher von Ichnä 
in der Nähe von Alexandria, kam zu Amr und verlangte von ihm zu 
wissen, wie viel Kopfsteuer ein Jeder bezahlen solle, wonach er sich 
ein far allemal zu richten habe. Amr erwiederte, indem er auf die 
Mauer einer Kirche zeigte: »und wenn du mir einen Berg Goldstücke 
von der Grundmauer bis ans Dach gäbest, würde ich doch nicht sagen, 
dass es genug sei; ihr seid unsere Schatzkammer, brauchen wir viel, so 
nehmen wir viel, brauchen wir wenig, so nehmen wir wenig.« Hierüber 
aufgebracht reiste Talamd nach Griechenland und vermochte den Kaiser 
Konstantin eine Armee in 300 Schiffen unter Anführung des Eunuchen 
Manuel nach Alexandria zu schicken. Bei ihrer Ankunft erhob sich die 
Griechische Bevölkerung und da der inzwischen zum Statthalter ernannte 
Abdallah nicht fähig war den Aufstand zu unterdrücken und die Grie- 
chische Armee hinauszuwerfen, wandten sich die Gopten an den Chalifen 
Othmän mit der Bitte, Amr ben el- Aci wieder an die Spitze der Re- 
gierung zu stellen, was eben so sehr für sein tüchtiges Feldherrntalent, 
als für die Milde seiner Verwaltung spricht. Während dann Abdallah 
in Fustdt blieb, rückte Amr zu Wasser und zu Lande gegen Alexandria 
vor und als Chdri'ga ben Hudsdfa zur Eile drängte, ehe die Griechen 
sich sammeln könnten, da man nicht sicher sei, dass ganz Ägypten sich 
erhebe, erwiederte Amr: »ich will sie gewähren lassen, bis sie zu mir 
heran kommen, dann sollen sie erfahren, mit wem sie es zu thun haben ; 
erst mögen sie sich selbst unter einander zur Last fallen.« Der aus 



1) 80 Jäcüt I, 312; oder nach Macrizf I. 299, 8 v. u. Atw&f. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 17 

Alexandria ausrückenden Armee schloss sich die Griechische Land- 
bevölkerung an, überall wo sie durch ein Dorf kamen, tranken sie den 
Wein aus, verzehrten die Lebensmittel und stahlen, was ihnen vorkam. 
Erst als sie nach Nakjtis^) kamen, stellte sich Amr ihnen entgegen; die 
Griechen sandten vom Wasser her einen Pfeilregen gegen die Muslim, 
wobei selbst Amrs Pferd am Halse verwundet wurde, so dass er absitzen 
musste. Dann stiegen sie aus den Schiffen und vereinigten sich mit den 
Truppen auf dem Lande und überschütteten die Muslim mit Pfeilen, bis 
sich diese bei einem Gesammtangriffe zurückziehen mussten; selbst 
Scharik ben Sumeij mit seinem Renner ergriff die Flucht. Während 
dann die Griechen sich in Colonnen formirten, forderte ein Griechischer 
Oberst zu Pferde in goldener Rüstung zu einem Zweikampfe heraus und 
Abu Madshi'g Haumal vom Stamme Zabid stellte sich ihm entgegen. 
Nachdem sie längere Zeit mit den Lanzen gekämpft hatten, warf der 
Oberst die seine weg und zog sein Schwerdt, und Haumal that ein 
Gleiches; Amr rief ihn bei Namen: »Abu Madshijg;« um ihn anzufeuern, 
und er antwortete: »zu Befehl«; die Truppen standen in Reihe und Glied 
am Ufer des Nil. Der Zweikampf mit Schwerdtern dauerte nun eine Stunde 
lang, bis bei einem erneuten Angriffe des Griechen, dem Haumal mit 
seinem schlanken Körper gewandt auswich, dieser zugleich ein Messer 
aus seinem Gürtel zog und es seinem Gegner in die Kehle rannte, so 
dass er tödlich getroffen vom Pferde sank ; Haumal stürzte sich auf ihn, 
zog ihm die Rüstung ab und trug sie als Beute davon. In diesem Augen- 
blicke griffen die Muslim wieder an, schlugen die Griechen in die Flucht 
und verfolgten sie bis nach Alexandria hinein, wo Amr befahl den Kampf 
einzustellen, und an der Stelle, wo dies geschehen war, wurde nachher 
die danach benannte »Moschee des Erbarmens« errichtet. Manuel hatte 
in dem Kampfe das Leben verloren. Talamä wurde gefangen genommen 



1) So ist der von Weil, Gesch. der Chalifen Bd. I. 158 zweifelhaft gelassene 
Name zu lesen nach Jäcüt IV, 810 und dem Verzeichniss der Ägyptischen Orts- 
namen Cod. Gothan. Nr. 258 in der Provinz Oazirat beni Nagr, jedenfalls yom mit 
Nun nach dem Alphabet; bei Macrizi I. 167, 3 v. u. 168, 12 v. u. NaQüs. 
mst.-phil Glosse. XX. 2. C 



18 F. WÜSTENFELD. 

und Amr's Umgebung verlangte seinen Tod, er aber erwiederte: »ich 
schenke ihm die Freiheit, er mag dann mit einem anderen Heere wieder- 
kommen.« Er wurde mit Armspangen, einer Krone und einem Purpur- 
mantel bekleidet und so entlassen. Er h&tte jetzt gern die Kopfsteuer 
bezahlt und als ihm Jemand sagte: »du kannst ja zum Kaiser gehen«, 
entgegnete er: »dann lässt er mich tödten, ich bin Schuld an dem Tode 
so vieler meiner Landsleute.a 

Amr liess jetzt die Mauern der Stadt zerstören, wie er geschworen 
hatte, dass sie von allen Seiten zugänglich sein solle, wie das Haus einer 
H . . . ; dann aber trat er freiwillig wieder ab und kehrte nach Medina 
zurück, da er auf das Anerbieten des Chalifen, den Oberbefehl über die 
Truppen zu bebalten ohne zugleich die Verwaltung des Landes zu haben, 
nicht eingehen wollte, indem er sagte: das wäre so, als wenn ich die 
Kuh an beiden Hörnern festhielte und ein anderer melkte sie. Dies 
geschah im J. 25. — Nach einigen war Mukaukas vor diesem Auf- 
stande gestorben, nach anderen erlebte er ihn noch, hatte sich aber nicht 
daran betheiligt und wurde von den Muslim unbehelligt gelassen. 

In demselben Jahre drang Abdallah weiter in Africa vor, unter ihm 
dienten Abdallah ben Omar, Abdallah ben el-Zubeir und Abdallah ben 
Amr ben el- A9i. Es wurde unermessliche Beute gemacht, sodass davon 
ein Reiter 3000, ein Fusssoldat 1000 Mithkdl Gold (Ducaten) erhielt; 
ein bleibender Erfolg wurde indess nicht erreicht. — Im J. 27 unter- 
nahm er einen neuen Feldzug nach Nordafrica gegen Oregorius, welcher 
getödtet wurde; die Araber gingen dann weiter vor und einige sollen 
jetzt schon nach Spanien hinüber gesetzt sein. Im nächsten Jahre unter- 
stützte Abdallah den Mu dwia bei der Eroberung von Cypern und im J. 
31 zog er gegen die Neger in Nubien, wo er bis Dongola vordrang und 
eine Schlacht lieferte, in welcher der Anführer Mu dwia ben Hudeig ein 
Auge verlor, Indess war der Erfolg nur der, dass ein Vertrag geschlossen 
wurde, wonach Abdallah gegen eine gewisse Anzahl Nubischer Sklaven 
eine Quantität Weizen und Linsen liefern wollte. Wichtiger war der 
Kampf gegen eine Flotte des Kaisers Konstantin, welche aus 700 oder 
gar 1000 Schiffen bestehend im J. 34 vor Alexandria erschien, denen die 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 19 

Muslim nur 200 Schiflfe entgegenfahren konnten. Nachdem sie die 
grossen und kleinen Pfeile verschossen hatten, griffen sie zu Steinen, 
und als auch diese zu Ende waren, enterten sie die feindlichen Schiffe 
und kämpften mit dem Schwerdte, bis die Griechen in die Flucht ge- 
schlagen waren. Von der grossen Anzahl von Masten (9awdri), welche 
hier vereinigt waren, erhielt diese Seeschlacht den Namen Dsul-fawäri. 
Allen diesen Erfolgen mag es zuzuschreiben sein, wenn Abul-Ma- 
häsin und Makrizi die Eegierung des Abdallah eine lobenswerthe nennen, 
denn auf der anderen Seite gab er in ßezug auf die Verwaltung dem 
Verlangen des Chalifen nach einer grösseren Einnahme willig nach und 
bedrückte die Gopten mit übermässigen Abgaben, die er auf 14 Millionen 
steigerte, während sie unter Amr ben el-'Äfi nur 12 Millionen betragen 
hatten, und als sich Othmän gegen diesen darüber äusserte : »die Camelin 
giebt jetzt mehr Milch als früher« , erwiederte Amr : »ja ! aber zum 
Schaden ihres Jungen«. Die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölke- 
rung, welche noch durch Sektirer und sonstige Gegner Othmdns geschürt 
wurde, veranlasste den Abdallah im Ra'gab des J. 35 (Jan. 656) nach 
Medina zu reisen, um sich selbst mit dem Chalifen zu berathen, nach- 
dem er den 'Okba ben 'Amir el-Gruhenf oder el-SäSb ben Hischäm el- 
'Ämirf zu seinem Stellvertreter und den Suleim ben Itr el-Tu'gibl zum 
Steuerverwalter eingesetzt hatte. Drei Monate nachher lehnte sich Mu- 
hammed ben Abu Hanifa gegen 'Okba auf, vertrieb ihn ausFustät, wie- 
gelte das Land auf, erklärte Othmän für abgesetzt und suchte durch 
alle schlechten Mittel dieOemüther gegen ihn aufzureizen. Die jüngeren 
Anhänger Othmdns, darunter Mu'awia ben Hudei'g, Chdri'ga ben Hudsdfa, 
Busr ben Abu Artd, Maslama ben Muchallad und viele andere, sprachen 
sich offen dagegen aus und sandten einen Bericht über das Vorgefallene 
an Othmdn, welcher dann den Sa'd ben Abu Wakkd? abordnete, um die 
.Streitigkeiten zu schlichten. Allein die Aufrührer zogen ihm entgegen, 
stiessen sein Zelt über den Haufen und misshandelten ihn, bis er um- 
kehrte und sich wieder davon machte^. Nicht besser ging es dem Ab- 
dallah ben Sa'd, als er zurückkam ; auch ihm verwehrten sie den Eintritt 
in die Stadt, er musste sich zurückziehen und begab sich nach 'Ascalon 



20 F. WÜSTENFELD. 

oder Bamla^). Jetzt brachte Muhammed ben Abu Hudseifa eine Schaar 
von sechshundert Reitern zusammen, angeführt von Abd el-Rahman ben 
'Odeis el-Balewl, aber unter der Oberleitung von Muhammed ben Abu 
Bekr; sie zogen nach Medina^) und verlangten von dem Chalifen die 
förmliche Absetzung des Abdallah ben Sa'd und die Ernennung des 
Muhammed ben Abu Bekr zum Statthalter von Ägypten. 'Othmdn, auch 
von anderen Seiten sehr bedrängt, gab nach einigem Str&uben hierzu 
seine Einwilligung, indess auf dem Bückwege bei dem Orte Himmi9 
griff diese Schaar einen Postreiter auf, in welchem sie Warsch, einen Diener 
des Othmdn erkannten und bei dem sie bei der Durchsuchung ein 
Schreiben fanden, von dem Staatssecretär Marwän ben el-Hakam im 
Namen des Chalifen geschrieben und mit dessen Siegel versehen, worin 
er dem Abdallah, von dessen Vertreibung er nichts erfahren hatte, den 
Befehl ertheilte, Muhammed ben Abu Bekr und seine Begleiter aus dem 
Wege zu schaffen. Voll Erbitterung kehrten sie nach Medina zurück; 
der Chalif leugnete von der Abfassung jenes Schreibens Kenntniss ge- 
habt zu haben und verweigerte jede Genugthuung; er wurde von den 
Ägyptiern, denen sich die Empörer aus Kufa und Bagra angeschlossen 
hatten, mehrere Wochen belagert, dann drangen sie in seinen Pallast 
ein und Aswad ben Hamrdn^) versetzte ihm den Todesstoss, fiel aber 
auch sogleich unter den Streichen der Vertheidiger. Hiernach haussten 
die Ägyptier in Medina ärger als Perser und Griechen und plünderten 
den Pallast des Chalifen und dann auch die reichgefüllte öffent- 
liche Schatzkammer rein aus. Dies geschah am 18. Dsul-Hi'gga des J. 



1) wo er im J. 36 gestorben ist. 

2) Nach Mas'üdi T. 1. pag. 338 (Bulak.) wären sie damals nicht nach Medina 
hineingekommen, sondern während sie in dem Wädi Chuschub eine Tagereise von 
der Stadt lagerten, sei 'Ali ben Abu Tälib von dem Chalifen zu ihnen geschickt 
und habe mit ihnen die Unterhandlungen geführt. 

3J Abu Bnmän Aswad ben Hamrän gen. Hammär (Eseltreiber) vom Stamme 
Eanda; nach anderen hiess der Mörder Sudan benBümän el-Muradi, der durch seine 
röthliche Farbe und blauen Augen kenntlich war, oder Kinana ben Bischr ben 
Gajjäth el-Tugtbi. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 21 

35 (17. Juni 656); drei Tage lang bUeb Othmfin unbeerdigt liegen und 
fflnf Tage war Medina ohne Chalifen. Die Ägyptier wollten 'Ali ben 
Abu Tälib wählen, aber er zog sich vor ihnen zurück; die Kufaner, 
welche an dem Aufstande Theil genommen hatten, wollten el-Zubeir 
ben el-Awwdm zi^m Chalifen ausrufen, konnten ihn aber nicht finden; 
die Ba9raner wandten sich an Talha ben Obeidallah, der gab ihnen eine ab- 
schlägige Antwort. Nun beriethen sie sich untereinander und beschlossen, 
keinen von diesen dreien zu nehmen, sondern sie gingen zunächst zu 
Sa'd ben Abu Wakkd9 und als auch dieser ablehnte, zu Abdallah ben 
Omar, der ebenfalls nicht wollte. Da kamen sie endUch wieder zu 'AU 
und drangen in ihn, bis er das Chalifat annahm. 

Als die Nachricht von der Ermordung Othmdns nach Ägypten kam, 
trugen seine Anhänger dem Mu'dwia ben Huderg den Oberbefehl an 
unter der Bedingung Othmäns Blut zu rächen. Sie sammelten sich in 
el-^a'id und Ihn Abu Hudseifa sandte ihnen ein Keitercorps entgegen, 
das aber in die Flucht geschlagen wurde. Ihn Hudei'g wandte sich 
dann zunächst nach Barka und kam von hier nach Alexandria zurück, 
während Ibn Abu Hudseifa ein neues Corps zusammengebracht hatte; 
bei Charibtd in der Nähe von Alexandria kam es zur Schlacht, die 
Ägyptier wurden abermals geschlagen und die Anhänger Othmäns setzten 
sich in Charibtd fest. 

Nun hatte auch Mu'dwia ben Abu Sufjdn in dem beginnenden 
Kampfe mit 'Alf um das Chalifat sein Augenmerk auf Ägypten gerichtet; 
er eilte dorthin und lagerte bei Salmunt in der Nähe von 'Ain Schams 
(Heliopolis) ; Ibn Abu Hudseifa ging ihm aus Fustdt entgegen um ihn 
am weiteren Vordringen zu hindern, es kam indess nicht zum Kampfe, 
sondern zu einem Vergleiche, dass man die Feindseligkeiten einstellen 
und gegenseitig Bürgen für die Erhaltung eines guten Einvernehmens 
stellen wolle. Ibn Abu Hudseifa ernannte el-Hakam ben el-(^alt zu 
seinem Stellvertreter in Ägypten und stellte sich selbst als Bürgen zu* 
gleich mit Ibn 'Odeis und einigen anderen, die an der Ermordung 
Othmdns Theil genommen hatten, und sie gingen mit Mu'dwia nach 



22 F. WÜSTENFELD. 

Syrien. Als sie nach Ludd ^) kamen, liess sie Mu'fiwia ins Gefangniss 
werfen und reiste weiter nach Damascus ; sie entkamen zwar, allein der 
Emir von Palästina liess sie verfolgen und, als sie eingeholt wurden, 
tödten im Dsul-Hi'gga 36 (Mai 657),2) 

Unterdess hatte 'Ali den Keis ben Sa'd ben 'Obäda zum Statthalter 
von Ägypten ernannt, welcher, als er nur mit sieben Begleitern in Fustät 
eintraf, sofort in die Moschee eilte, seine Ernennung durch 'All vorlas und 
einen Vortrag hielt, an dessen Schlüsse er aufforderte 'AU zu huldigen, 
was auch sogleich geschah. Mit Umsicht suchte er dann zunächst mit 
den Anhängern Othmäns, welche in Charibtd schon etwa 10,000 Mann 
unter Anführung des Jazid ben el-Hdrith el-Mudli'gf versammelt hatten, 
dadurch auf einen guten Fuss zu kommen, dass er ihnen Geschenke 
machte und einige Abgeordnete von ihnen sehr ehrenvoll empfing, und 
nachdem 'Amr ben el-'Afi und Mu'dwia ben Abu Sufjän sich vergebens 
bemüht hatten ihn zu vertreiben, um sich selbst in den Besitz von 
Ägypten zu setzen, machte ihm Mu'dwia sogar das Anerbieten» dass, wenn 
er auf seine Seite treten und sich gegen 'Ali und die Mörder Othmdn's 
erklären würde, er seinen Posten in Ägypten behalten und später sein 
Stellvertreter in 'Irdk . werden solle, sobald er seinen Kampf gegen 'All 
glücklich beendigt habe. Keis ging anscheinend auf diese Verhandlungen 
ein, weil ihm Mu'fiwia mit seiner Armee in Syrien viel näher stand, als 
'All, indess wusste er durch List und Schlauheit einer bestimmten Er- 
klärung auszuweichen, bis Mu'äwia selbst das Gerücht verbreiten liess. 



1) Lydda zwischen Jerusalem und Ramla. 

2) Sujütl berichtet nach Tabari denHergaog etwas anders: Als Abdallah ben 
Sa'd bei seiner Rückkehr aus Medina von Fustät zurückgevdesen wurde, erfuhr ^r 
auf dem Rückwege, dass Othmän ermordet sei, und begab sich nach Syrien zu 
Mu'äwia und berichtete ihm, wie es ihm ergangen sei und dassMuhammed ben Abu 
Hudseifa sich der Regierung in Ägypten bemächtigt habe. Mu'äwia eilte dann mit 
Amr ben el-^Agi dorthin, sie konnten aber nichts ausrichten, bis Ibn Abu Hudseifa 
mit 1000 Mann nach el-' Arisch vorging und sich darin verschanzte; *Amr schloss 
sie ein und stellte die Belagerungsmaschinen auf; Ibn Abu Hudseifa machte mit 
dreissig seiner Begleiter einen Ausfall, wobei sie sämmtlich getödtet wurden. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 23 

dass er mit ihm iu Verbindung getreten sei und zwischen ihnen heim- 
lich ein Briefwechsel stattfände. Die Spione 'Alfs meldeten diesem so- 
gleich, was sie gehört hatten, und Muhammed ben Abu Bekr und Ab- 
dallah ben Gra'far Hessen nicht ab in 'Alf zu dringen, bis er Keis ben 
Sa'd aus Ägypten zurückrief, i) Seine Uneigennützigkeit in der Ver- 
waltung zeigte sich unter anderen dadurch, dass er in Fustät der Moschee 

1) Keis merkte sehr wohl, dass er bei 'Ali angeschwärzt sei, und erhielt ihm 
seine Anhänglichkeit; ebenso wusste 'Alf, dass er an ihm einen treuen Anhänger habe 
und bereute es später sehr ihn nicht auf seinem Posten in Ägypten gelassen zu 
I^aben; er übertrug ihm das Gommando über die Avantgarde seiner Armee gegen 
Mu'äwia namentlich in der Schlacht bei Qififin. Auch unter el-Hasan stand er an 
der Spitze eines Corps von 5000 Mann, welche sich aus Trauer über 'Alfs Tod die 
Köpfe geschoren hatten, und als auch el-Hasan fiel und dessen Truppen zu Mu'äwia 
übergingen, weigerte sich Keis diesem zu huldigen und redete sein Corps an: »Was 
wollt ihr? Wenn ihr wollt, so kämpfe ich mit euch aufs äusserste, bis wir als die 
ersten sterben ; oder wenn ihr lieber wollt, so werde ich für euch eine sichere Ca- 
pitulation erwirken.« Sie wählten das letztere, und nachdem dies geschehen war, 
zog sich Keis nach Medina zurück, wo er im J. 59 gestorben ist — Aus der Reihen- 
folge der Begebenheiten, besonders aus der Erwähnung der Schlacht bei ^iffin geht 
deutlich hervor, dass mehrere bestimmte Zeitangaben bei Macrtzi Bd. n. S. 300 
falsch sind; er setzt die Schlacht bei Charibta auf den 1. Bamadhän 36 (21. Febr. 
657), die Ankunft Mu'äwia's bei Salmunt in den Schawwäl und die Verwaltung des 
Keis in Ägypten vom 1. Babf I. bis 5. Bagab 37 (17. Aug. bis 17. Dec. 657) und 
bemerkt noch besonders, dass seine Ernennung vom 4. Qafr 37 datirt gewesen sei. 
Nun steht aber fest, dass bei Qiffin vom 1. bis 13. ^eSr 37 (19—31. Juli 657) ge- 
kämpft wurde und es ist nicht wahrscheinlich, dass 'Ali in diesen critischen Tagen 
über die Besetzung der Statthalterstelle in Ägypten verfügt, und noch weniger, dass 
er einen so bewährten Freund und tüchtigen Anführer wie Keis vom Schlachtfelde 
fortgeschickt habe. Wenn aber Sujüti das Anstellungsdecret des Keis genau ein 
Jahr früher als Abul-Mahäsin vom 4. Qafr 36 (3. August 656) datirt sein lässt, so 
ist das zu früh, weil da erst sechs Wochen seit der Ermordung Othman's verflossen 
waren, ein Zeitraum, welcher für die Ereignisse, die sich in Ägypten zutrugen, zu 
kurz ist; Sujüti sagt aber selbst: »Keis kam nach Medina zurück, begab sich hier- 
auf zu 'Ali, entschuldigte sich bei ihm und nahm dann Theil an der Schlacht bei 
Qiflin.« Seine Verwaltung in Ägypten muss desshalb in die zweite Hälfte des J. 36 
(erste Hälfte d. J. 657) gefallen sein. 



24 F. WÜSTENFELD. 

gegenüber ein Haus hatte bauen lassen und als nach seiner Absetzung 
darauf hingedeutet wurde, dass es sein Eigenthum sei, sagte er: »Ich 
habe keinen Antheil daran, das Haus ist von dem Gelde der Muslim 
gebaut und zur Wohnung für die Statthalter bestimmt.« 

Zu seinem Nachfolger wurde Muhammed ben AbuBekr ernannt, 
welcher bei seiner Jugend (er war kaum 26 Jahre alt,) den Gegnern in 
Ägypten nicht gewachsen war; Keis soll mit ihm, als sie sich ablösten, 
zusammengetroffen sein und sich gegen ihn über sein Verfahren gegen 
Mu'fiwia und wie er ihn immer zu täuschen gewusst habe, ausgesprochen 
haben; Muhammed glaubte ihm nicht, that von allem das Gegentheil 
und liess sich bald ganz von den Anhängern Mu dwia's leiten. Sobald 
daher AU nach der Schlacht bei ^iffin sich wieder etwas mehr mit den 
auswärtigen Angelegenheiten beschäftigen konnte und von den Vorgängen 
in Ägypten Kenntniss erhielt, liess er den 

Mdlik ben el-Hdrith gen, el-Aschtar, welcher nach jener 
Schlacht auf seinen Posten als Statthalter von Mesopotamien zurückge- 
kehrt war, aus Na9ibin (Nisibis), wo er sich aufhielt, nach Kufa zurück- 
kommen und nachdem er ihm die Lage der Dinge auseinander gesetzt 
hatte, erklärte er ihm, dass er der einzige sei, dem er die Verwaltung 
von Ägypten übertragen könne, da er klug und umsichtig die nöthige 
Strenge mit Milde zu vereinigen wisse ^). Während dann el-Aschtar die 
Vorbereitungen zur Abreise machte, setzten Mu'äwia's Freunde diesen in 
Kenntniss von seiner Ernennung, und da Mu'dwia wohl wusste, dass er 
an el-Aschtar einen gefahrlichen Gegner seiner Absichten auf Ägypten 
bekommen würde, schrieb er an el-Chdnsir, den Steuereinnehmer in 
Culzdm (oder el- Arisch), wo el-Aschtar passiren musste, dass er ihm für 



l) Einige Geschichtscbreiber lassen el-Aschtar unmittelbar auf Keis folgen, es 
ist aber nicht wahrscheinlich, dass bei dessen Abberufung nicht sogleich sein Nach- 
folger ernannt und Ägypten mehrere Monate ganz ohne Statthalter geblieben sei; 
nur muss man dabei annehmen, dass Abul-Mahäsin (Bd. I. S. 120, 4 v. u.) eine 
falsche Angabe mache, dass auch Muhammed ben Abu Bekr bei QifFin zugegen ge- 
* wesen sei, woTon auch die übrigen nichts erwähnen. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 25 

seine Lebenszeit die von ihm zu erhebenden Steuern schenken wolle, 
wenn es ihm gelänge, el-Aschtar aus dem Wege zu räumen. Als nun 
el-Aschtar nach Culzum kam, lud ihn der Einnehmer zu sich ein und 
setzte ihm Speisen vor und ein Getränk von vergiftetem *Honig, nach 
dessen Genuss el-Aschtar augenblicklich starb. el-Chänsir gab Mu'äwia 
sogleich Nachricht hiervon und Amr ben el- A^i soll dazu geäussert 
haben: »Allah hat im Honig eine ganze Armee.« — Es blieb 'Alf nun 
nichts übrig, als Muhammed ben Abu Bekr auf seinem Posten zu lassen, 
ja er bestärkte ihn noch in seiner unsinnigen und grausamen Verfolgung 
der Othmänier, so dass es Mu'dwia um so leichter wurde, diese ganz 
auf seine Seite zu ziehen. Nachdem er sich nämlich mit Amr ben el- 
'A9i, Habib ben Maslama, Busr ben Abu Artd, el-Dhahhdk ben Keis 
und anderen seiner Corpsführer in Syrien berathen hatte, richtete er 
ein Schreiben an Maslama ben Muchallad und Mu'äwia ben Hudei'g, 
sprach ihnen Muth ein und stellte seine Unterstützung in Aussicht. Diese, 
welche sich längst von Muhammed ben Abu Bekr ganz losgesagt hatten 
und mit 10,U00 Mann bei Charibtä standen, antworteten auch sogleich, 
dass er ihnen eiligst Hülfe senden möchte, und Mu'awia schickte Amr 
mit 6000 Mann nach Ägypten, die sich mit den Othmdniern vereinigten. 
Jetzt verlangte auch Muhammed von 'Ali Verstärkung, erhielt aber statt 
derselben nur den Befehl, mit seiner ganzen Macht vorzugehen. Er er- 
liess desshalb, nachdem er noch Mu'dwia ben Hudei'g und Amr in einem 
verächtlichen Schreiben recht gegen sich aufgebracht hatte, einen Aufruf 
an seine Anhänger, sich unter dem Befehl desKinäna benBischr gegen 
den Feind zu vereinigen, es fanden sich aber nur 2000 Mann zusammen, 
mit denen Muhammed ausmarschirte. Amr traf zuerst auf die von Ki- 
ndna geführte Vorhut, welcher ein Corps nach dem anderen ausschwärmen 
liess, so dass sich Amr zurückziehen und von Mu'dwia ben Hudei'g Ver- 
stl^rkung verlangen musste. Dieser ging nun vor und umzingelte Kindna, 
welcher, als er dies bemerkte, seine* Leute absitzeii liess, sie mit einem 
Koranspruch ^) in den Kampf führte und sich vertheidigte, bis er, nach- 



1) Sure 3 Vers 139: Kein Mensch kann sterben ausser nach dem Willen 
Hüt.'phil Glosse. XX. 2. D 



26 F. WÜSTENFELD. 

dem sie unter den Syrern ein grosses Blutbad angerichtet hatten, ge- 
tödtet wurde. Als Muhammeds Begleiter dies sahen, suchten sie das 
Weite, er selbst stieg vom Pferde und suchte zu Fuss davon zu kommen, 
bis er in einer Kuine einen Versteck fand. Arar hielt seinen Einzug in 
Fustdt, während Muäwia die Verfolgung fortsetzte; als er von vorüber- 
ziehenden Gopten den Versteck erfuhr, zog er den vor Durst fast ver- 
schmachtenden heraus und schleppte ihn nach Fustät, wo Muhammeds 
Bruder Abd el-Rahman ben Abu Bekr, der in Amr's Gefolge war^ ihn 
durch dessen Verwendung zu retten suchte. Amr befahl auch Mu'äwia, 
den Muhammed zu ihm zu fuhren, er kehrte sich aber nicht an diesen 
Befehl und zeigte sich unerbittlich; er Hess ihn in den Cadaver eines 
Esels stecken und so verbrennen. Dies geschah am 14. Cafr 38 (22. Juli 
658) und damit erreichte 'Alfs Herrschaft in Ägypten ein Ende. Er 
wollte zwar noch einen Versuch machen Ägypten wieder zu gewinnen 
und erliess in Kufa ein allgemeines Aufgebot, es fanden sich indess nur 
2000 Mann zusammen, welche er unter dem Befehle des Mdlik ben 
Ka'b absandte, und welche ihren Weg durch den District Hismd^) nahmen. 
Da aber bald darauf nähere Nachrichten über Muhammeds Tod und den 
Stand der Sachen in Ägypten bei ihm eingingen und er fürchtete, dass 
seine Truppen von den Syrern würden erreicht werden, ehe sie nach 
Fustdt kämen, schickte er dem M&lik einen Eilboten nach und Hess ihn 
zurückkommen. 



Gottes, wie es in dem Schicksalsbucbe bestimmt ist; wer den Lohn in dieser Welt 
haben will, dem werden wir ihn darin geben, wer aber den Lohn im anderen Leben 
haben will, dem werden wir ihn darin geben und die Dankbaren werden wir ge- 
nügend belohnen. 

1) Lm^ im Text bei Äbul-Mahäsin l. pag. 126, 15 bedeutet nichts, die VariaDte 

LmI^ gäbe den Sinn: »er marschirte fünf Tage«; ich vermuthe, dass nach der Vo- 

calisation des ersten Uj^ für ^c^^^^^ zu lesen ist, der Gränzdistriet zwischen Syrien 

und Arabien am rothen Meere; denn da 'Ali's Truppen nicht durch Syrien und 
Palästina, wo Mu'awia stand, marschiren konnten, so mussten sie von Arabien aus 
durchzukommen suchen, und das Corps war bis Hisma gekommen, als es den Befehl 
zur Umkehr erhielt. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 27 

'Amr ben Abul-'A9i wurde hierauf von Mu'äwia förmlich zum 
Statthalter von Ägypten ernannt, das Anstellungsdecret datirte vom I. 
Kabf 38 (August 658) und zum Lohn seiner aufopfernden und erfolg- 
reichen Dienste erhielt er die Einkünfte des Landes für sich, nach Ab- 
zug der Besoldung der Truppen und der Verwaltungskosten. Aber er 
sollte Mu'dwia noch einen anderen ungleich grosseren Dienst leisten, in- 
dem er in seinem Streite mit Alf um das Chalifat von ihm zum Schieds- 
richter erwählt wurde. Nachdem er seinen Sohn Abdallah, oder den 
Chdri'ga ben Hudsäfa, zu seinem Stellvertreter in Ägypten während seiner 
Abwesenheit ernannt hatte, begab er sich in Begleitung von 400 Mann 
nach Adsruh eine Meile von el-Garba in der Gegend von el-Balkd an 
der Syrisch- Arabischen Gränze, wo er Verabredetermassen mit Abu Mdsä 
el-Asch'arf, dem Schiedsrichter 'Alfs mit einer gleich grossen Escorte, 
im Ramadhan 38 (Febr. 659) zusammentraf. Wenn es nun auch hier 
nicht zu einer endgültigen Entscheidung kam, weil ^Alf sie nicht aner- 
kannte, so erreichte doch Amr soviel, dass Mu'awia in Syrien und Ägypten 
als Chalif ausgerufen wurde. I— Gerade zwei Jahre nachher verschworen 
sich drei fanatische Chdri'giten, dass jeder von ihnen eines der damaligen 
Oberhäupter der Muslim ermorden wolle: Abd el-Rahman ben Mulgam 
el-Murädf den 'Alf, el-Burak ben Abdallah el-Tamimf den Mu'äwia 
und Amr ben Bukeir el-Tamimf^) den Amr ben el-A9i. und sie 
verabredeten, dass sie die That an ein und demselben Tage 
Freitags den 15. Ramadhdn 40 (22. Januar 661) ausführen wollten. 
Alf allein wurde tödlich getroffen und starb zwei Tage darauf den 17. 
Ramadhdn^); Mu'dwia wurde nur leicht verwundet und Amr kam ganz 
unversehrt davon, weil er an jenem Tage wegen Unpässlichkeit das Haus 
nicht verliess und Chdri'ga ben Hudsdfa beauftragt hatte, statt seiner das 
Gebet in der Moschee zu halten, welcher hier von dem Mörder, der ihn 



1] Abul-Mahasin und Macrizi nennen statt der beiden letzten mit einfachen 
Namen Keis und Jazid und Macrizi setzt hinzu, dass alle drei vom Stamme Lachm 
gewesen seien. 

2) Daher bei vielen die falsche Angabe, dass das Attentat Freitags den 17. 
Ramadhan stattgefunden habe, während der Freitag auf den 15. fiel. 



28 F. WÜSTENFELD, 

für Amr hielt, erstochen wurde. — In demselben Jahre hatte Amr den 
Schdrik ben Sumeij gegen den Berberischen Stamm Lawdta gesandt und 
nach ihrer Besiegung mit ihnen Frieden geschlossen; sie empörten sich 
aber bald darauf wieder und 'Okba ben Ndfi' musste sie im folgenden 
Jahre aufs neue bekriegen. Derselbe unternahm auch einen Zug gegei\ 
die Hawwdra und Schdrik gegen die Labda, welche im J. 43 unterworfen 
wurden. 

Im J. 42 war der Cddhi Othmdn ben Keis, welcher das erste Gast- 
haus in Fustat hatte bauen lassen, abgesetzt und seine Stelle erhielt ffir 
die nächsten zwanzig Jahre Suleim ben *Itr el-Tu^bi, ein durch seine 
Frömmigkeit allgemein geachteter Mann, der mit Amr aus el-Gfibia aus- 
gezogen war; er war der erste, welcher seine Erkenntnisse schriftlich 
abgab und ist im J. 75 gestorben^). Amr starb 90 Jahre alt in der 
Nacht des Festes der beendigten Fasten d. i. 30. Ramadhdn 43 (5. Jan. 
664); sein Sohn Hess die Leiche in die Moschee bringen, sprach hier 
zuerst das Leichengebet, woran alle schon zur Festfeier Versammelten 
Theil nahmen, und Hess das Festgebet dahinterher folgen. Seinen Nach- 
lass von 70 Buhdr (rindslederne Säcke) voll Dinare, jeder zwei Irdabb 
enthaltend, wollten seine beiden Söhne Adallah und Muhammed nicht 
annehmen, weil zuviel unrecht erworbenes Gut darunter sei; Mu'dwia 
aber, als er davon hörte, war sogleich zur Annahme bereit. Amr hatte 
seinen Sohn Abdallah zu seinem Nachfolger bestimmt, er behielt aber 
den Posten nur wenige Wochen, bis der Chalif seinen Bruder 

'Otba ben Abu Sufjdn zum Statthalter von Ägypten ernannte, 
welcher daselbst im Dsul-Ca'da 43 (März 664) eintraf; derselbe kehrte 
aber schon nach einigen Monaten nach Damascus zurück, nachdem er 
den Abdallah ben Keis ben el-H&rith zu seinem Stellvertreter eingesetzt 
hatte. Dieser erregte alsbald durch seine Härte die allgemeine Unzu- 
friedenheit, und 'Otba sah sich genöthigt seinen Posten wieder einzu- 
nehmen, hielt aber bei seiner Ankunft in Fustdt eine derbe Ansprache 



1) Nach Äbid'MaMsin I, 214 wäre dieser der erste Cadhi von Ägypten ge- 
wesen und im J. 39 angestellt. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 29 

an die Einwohner, welche sie zur Ruhe brachte. Nach einiger Zeit 
schickte er den 'Alkama ben Jazid als Präfecten nach Alexandria in 
Begleitung von 12,000 geborenen Arabern, welche dort ihren bleibenden 
Aufenthalt nehmen sollten, und er selbst folgte ihnen im Dsul-Ca'da 44 
nach, um ebenfalls dort zu bleiben; er starb dort aber schon in dem- 
selben Monate (Febr. 665). Er hatte 

'Ocba ben 'Amir el-Guhenl zu seinem Nachfolger ernannt, 
welcher auch von Mu'dwia bestätigt wurde. 'Ocba war viel in nächster 
Nähe des Propheten gewesen, hatte ihn auf seinen Zügen begleitet und 
öfter dessen Camel am Zügel geführt; er hatte daher mehrere besondere 
Aussprüche Muhammeds selbst gehört und nahm sie in die Sammlung 
des Koran auf. welche er veranstaltete und welche von der durch Oth- 
mdn sanctionirten abwich; durch ihn sind die beiden letzten Suren des 
Koran 113 und 114 bekannt geworden, auch war er in dem religiösen 
Ceremoniell und in den juristischen Satzungen sehr bewandert und selbst 
Dichter. — Nachdem er bereits zwei Jahre im Amte gewesen war, fand 
sich Muäwia veranlasst, den Maslama ben Muchallad, der sich bei ihm 
in Damascvs aufgehalten hatte, zum Statthalter von Ägypten zu er- 
nennen, jedoch sollte 'Ocba vorläufig nichts davon erfahren. Er erhielt 
also den Befehl eine Expedition zur See nach Rhodus zu unternehmen 
und Maslama begleitete ihn nach Alexandria unter dem Scheine, als 
wenn er daran Theil nehmen werde, nachdem er aber abgesegelt war, 
übernahm Maslama die Regierung und als 'Ocba dies erfuhr, sagte er: 
»wenn auch abgesetzt, führe ich doch den Krieg weiter.« Er war der 
erste, welcher auf Muslimischen Schiffen Flaggen aufziehen liess^). Seine 
Entfernung erfolgte am 20. des I. Rabf 47 (20. Mai 667) und 2) 

Maslama ben Muchallad vereinigte in sich alle Regierungs- 
zweige, Cultus, Verwaltung und Krieg, und leitete den letzteren zu Wasser 



1) Er starb im J. 58 und wurde auf dem Karäfa begraben. 

2] Sujüti lässt hier vom J. 47 bis 50Mu'äwia ben Hudei'g als Statthalter von 
Ägypten folgen, derselbe war aber gewiss nur Gommandeur der Leibgarde unter 
mehreren Statthaltern und einige Jahre selbständiger Corpsführer in Magrib. 



30 F. WÜSTENFELD. 

und zu Lande. Er war die Haupttriebfeder, dass im J. 49 von Damascus 
aus ein Feldzug gegen Konstantinopel unternommen wurde, wiewohl 
er nicht selbst daran Theil nahm. Da umgekehrt fortwährend Landungen 
der Griechen in Ägypten zu besorgen waren, so wurde eine besondere 
Küstenwache errichtet und der Oberbefehl über dieselbe im J. 51 dem 
Chdlid ben Thdbit el-Fahml übertragen, und wirklich erschien im J. 53 
eine Griechische Flotte vor Beryllos, gegen welche die Muslim harte 
Kämpfe zu bestehen hatten, worin viele ihren Tod fanden, unter anderen 
Wardän, der Freigelassene des Amr ben el- Aci, und 'Aids ben Tha laba 
el-Balewi, welcher bei der Huldigung unter dem Baume bei el-Hudei- 
bia zugegen gewesen war; der eben genannte Chdlid wurde im J. 54 
von Maslama an die Spitze eines Corps gestellt, welches einen Feldzug 
nach Africa unternahm. 

Da an den Aussenseiten von Fustät sich auch Gopten angesiedelt 
hatten, so entstand für sie das Bedürfniss einer Kirche und Maslama 
ertheilte die Genehmigung zum Bau einer solchen hinter der Brücke, 
und als die Muslimischen Soldaten darüber ihren Unwillen zu erkennen 
gaben, sagte er: »sie bauen nicht in eurem Bezirk, sondern aussen auf 
ihrem Grund und Boden«; womit sie sich beruhigten. — Maslama Hess 
die Moschee Amr's abbrechen und neu aufführen mit einem Thurme und 
er war der erste, welcher den Thurmbau bei den Moscheen einführte, 
und alle erhielten Thürme mit Ausnahme derjenigen in den Quartieren 
der Chauldn und Tu'glb. — Die ihm übertragene Kegierung von Africa 
trat er nicht selbst an, sondern schickte dahin im J. 55 einen Frei- 
gelassenen Abul-Muhd'gir Dindr, welcher bis Tilims&n vordrang. 

Im J. 59 hatte der Chalif seinen Neffen Abd el-Rahman ben Ab- 
dallah el-Thakefi[ gen. Ibn Umm el-Hakam, da seine Mutter Timm el- 
Hakam die Schwester des Ghalifen war, zum Emir von Kufa ernannt, 
er wurde aber wegen seines schlechten Betragens gegen die Einwohner 
von dort weggejagt, und als er nach Damascus zurückkam, sagte sein 
Oheim, der Chalif: »ich werde dir eine bessere Provinz geben«, und er- 
nannte ihn zum Statthalter von Ägypten. Auf dem Wege dahin kam 
ihm Mu awia ben Hudeig, der sich schon im J. 50 als Eroberer von 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 31 

Magrib einen Namen gemacht hatte» auf zwei Stationen von Fustät ent- 
gegen und verwehrte ihm die Weiterreise mit den Worten: »kehre zu 
deinem Oheim zurück, du sollst bei uns nicht ein solches Leben an- 
fangen, wie du es in Kufa geführt hast.« Nach einiger Zeit kam Ihn 
Hudeig nach Damascus und traf bei dem Chalifen dessen Schwester 
Umm el-Hakam, die Mutter des von ihm in Ägypten zurückgewiesenen 
Abd el-Rahman. Als der Chalif seiner ansichtig wurde, rief er ihm 
entgegen: »sieh da! da ist ja Mu'dwia ben Hudei'g.« Darauf erwiederte 
Umm el-Hakam: »Der Mensch ist eines freundlichen Grusses nicht 
werth ; von Ihm zu hören ist noch besser, als ihn zu sehen.« Nun ent- 
gegnete ihr Ihn Hudei'g: »MitErlaubniss, Umm el-Hakam! du bist ver- 
heirathet gewesen, aber nicht in einer angesehenen Familie, und du hast 
einen Sohn geboren, der aber nichts von Anstand weiss; du möchtest 
diesen Nichtsnutz gern zu unserem Statthalter gemacht sehen, dass er 
bei uns ein solches Leben führen könnte, wie er es in Kufa geführt 
hat ; so etwas würde Allah nicht ansehen können, und wenn es geschähe, 
würden wir deinen Sohn durchprügeln, dass er davon laufen sollte, auch 
wenn der hierneben sitzende darüber ungehalten würde.« Der Chalif 
brach gegen seine Schwester gewandt das Gespräch ab: »genug davon!« 
Im J. 60 ernannte Maslama den Obersten seiner Leibwache* und 
Cddhi el-Sfiib ben Hischdm zu seinem Stellvertreter in Fustät und sie- 
delte nach Alexandria über; hier traf ihn die Nachricht von dem im 
Ra'gab (April 680) erfolgten Tode des Chalifen Mu'dwia und von der 
Thronbesteigung seines Sohnes Jazid, welcher ihn in seinem Amte be- 
stätigte und ihm befahl die Huldigung für ihn entgegen zu nehmen. £rer- 
theilte dann wiederum el-Saib den Auftrag, die Einwohner und die Truppen 
in Fustät huldigen zu lassen und dieser fand keinen Widerstand ausser 
bei Abdallah ben Amr ben el- A?!, welcher sich weigerte. el-SfiXb be- 
richtete hierüber an Maslama, welcher dann die Aufforderung wieder- 
holte, und da el-Sdib mit Güte nichts ausrichten konnte, sandte Maslama 
den 'Abis ben Eabf a el-Murddl i) nach Fustdt. Auch jetzt noch weigerte 



1) nach anderen: 'Abis ben Said el-Catifi. 



32 F. WÜSTENFELD. 

sich Abdallah vor ihm zu erscheinen, als aber 'Abis Ernst machte und 
Feuer herbeischaffen liess, um sein Haus in Brand zu stecken, kam er 
und huldigte. Maslama kam dann im Anfange des J. 61 aus Alexan- 
dria zurück und übertrug dem 'Abis ausser der Commandantur auch die 
Stelle eines Cädhi, und nachdem er ihn auch zu seinem Nachfolger be- 
stimmt hatte, starb Maslama am 26. Ra^ab 62 (9. April 682), der Chalif 
aber ernannte zum Statthalter 

Sa'id ben Jazid ben 'Alkama el-Azdi, welcher am 1. Ba- 
madh&n 62 (14. Mai 682) in Fustät eintraf. Zu seiner Begrüssung waren 
ihm die Bewohner der Stadt mit den angesehensten Männern an der 
Spitze entgegen gegangen, sie scheinen aber mit der Ernennung nicht 
sehr zufrieden gewesen zu sein, denn als sie ihn trafen, sagte 'Amr ben 
Mucharram el-Chaul&nl, dem er vermuthlich zu jung schien: »Verzeihe 
Gott dem Emir der Gläubigen! sind nicht unter uns Hundert junge 
Männer wie du, von denen er einem die Regierung über uns hätte über- 
tragen können?« Sie begleiteten ihn dann zwar in die Stadt, behielten 
aber einen Hass und eine Abneigung gegen ihn, die ihm seine sonst 
schon schwierige Stellung noch schwieriger machte. Denn der Berbern 
Häuptling Kusila ben Lamram ^), welcher sich zum Islam bekannt und 
unterworfen hatte, war wieder abgefallen und brachte den Muslimen 
schwere Niederlagen bei, wodurch Sd'id mehrmals genöthigt wurde, sich 
selbst nach Barca zu begeben. Von der anderen Seite drängten die 
Anhänger des Abdallah ben el-Zubeir, und als der Chalif Jazid am 15. 
des I. Rabf 64 (11. Nov. 683) plötzlich starb und sein schwacher Sohn 
Mu'dwia den Thron bestieg, in Arabien aber Abdallah zum Chalifen aus- 
gerufen wurde, erklärten sich auch die Ägyptier nothgedrungen für diesen, 
Sa'id ben Jazid musste seinen Posten verlassen und der von Abdallah 
ernannte Statthalter 

Abd el-Rahman ben 'Otba ben Gahdam hielt im Scha'bän 
(April 684) mit einem grossen Gefolge von Chawärig seinen Einzug in 



I) so buchstabirt die beiden Namen Ibn d-Äthir, asad elrgäba III, 431; bei 
anderen Euseila und Lamzam oderLamlam; yer^. Ibn d-AthiTy Ghron. IV. p. 90. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 33 

Fustdt. Er war klug genug, 'Abis in seiner Stellung als Anführer der 
Leibwache und als Cddhi zu lassen, um sowohl die Truppen, als auch 
die Bevölkerung, die im Herzen doch ihre Anhänglichkeit an die Omei- 
jaden bewahrte, für sich zu gewinnen. Indess dauerte dieser Zustand 
nicht lange, denn bereits war Mu^dwia nach einer Regierung von kaum 
drei Monaten gestorben oder vergiftet und bald nachher bemächtigte 
sich Marwdn ben el-Hakam des Chalifats in Syrien. Er sandte seinen 
Sohn Abd el- Azfz mit einem Corps nach Eila, um den weiteren Zuzug 
von Truppen aus Arabien zu verhindern und von hier in Ägypten ein- 
zudringen, und Ibn Qahdam verschanzte sich vor Fustdt östlich von dem 
Kardfa Berge hinter einem in Zeit von einem Monate aufgeworfenen 
Walle. Bald folgte Marw&n selbst|mit einer grösseren Armee nach und 
drang bis 'Ain Schams vor; IbnGrahdam ging ihm entgegen, eine zwei- 
tägige Schlacht, die von beiden Seiten viele Opfer kostete, wurde erst 
dadurch entschieden, dass Amr ben Sa'id ben el- A^t mit dem Beinamen 
el-Aschdak mit einem Corps Syrer den Feind umging und im Rücken 
angriflF, wodurch Ibn txahdam zur Flucht gezwungen wurde ^), worauf 
Marwdn am 10. Dumddd I. 65 (23. Decbr. 684) in Fustdt einzog. Auch 
die Arabischen Truppen mussten jetzt huldigen und thaten dies mit Aus- 
nahme von 80 Mann vom Stamme Ma'fifir, welche ihrem Eide für Ibn el- 
Zubeix nicht untreu werden wollten; sie wurden sämmtlich am 15. txu- 
mddä II. (27. Jan. 685) enthauptet, nachdem sie wahrscheinlich sich offen 
aufgelehnt hatten, denn an demselben Tage starb Abdallah ben Amr 
ben el-'A^i und seine Leiche konnte wegen einer Revolte der Truppen 
gegen Marwdn nicht nach dem Begräbnissplatze am Karfifa geschafft, 
sondern musste in seinem Hause beigesetzt werden. Auch Okeidir ben 
Hamäm, Anführer des Corps vom Stamme Lachm und einer der Mörder 
des Chalifen Othmdn, wurde enthauptet. Marwdn hatte gegen ihn den 
1) Es ist wenig glaublich, dass nach anderen Nachrichten ein Friede geschlossen 
sei, wonach Marwan als Ghalif anerkannt werden und Ibn trahdam seinen Posten be- 
halten und eine gewisse Summe und die fibliche Ehrenkleidung bekommen sollte. 
Von einer späteren Entsetzung desselben ist nicht die Rede, im Gegentheile wird 
seine Verwaltungszeit nur auf neun Monate angegeben und sein Vermögen wurde 
eingezogen und unter das Volk vertheilt. 

Hist'phil Glosse. XX. 2. E 



84 F. WÜSTENFELD. 

Argwohn, dass, wiewohl er sich jetzt unterworfen hatte, er doch wieder 
abfallen würde, und brachte einige Syrische Soldaten auf, welche ihn 
anklagen mussten, einen von ihren Leuten getödtet zu haben. Er liess 
ihn desshalb zu sich rufen und da allgemeine Straflosigkeit zugesichert 
war, ging Okeidir, ohne etwas böses zu ahnen, zu ihm ; er wurde sofort 
festgenommen, die Zeugen verhört, nach kurzem Process das Todesurtheil 
gesprochen und auf der Stelle vollzogen. Sobald dies ruchbar wurde, 
riefen seine Soldaten: »Okeidir ist ermordet!« sie eilten ihre Waffen an- 
zulegen und es rotteten sich über 8000 Mann vor Marwdns Wohnung 
zusammen, dieser liess das Thor schliessen, die Soldaten gingen nach 
und nach wieder auseinander und Okeidirs Blut blieb ungerächt. — Den 
'Abis ben Sa'id, welcher weder lesen noch schreiben konnte, hatte Mar- 
wdn zu sich rufen lassen und fragte ihn: »Hast du den Koran gelernt?« 
— Nein ! — »So bist du wohl in den Verordnungen bewandert?« — 
Nein! — »Aber wonach giebst du denn deine Urtheile ab?« — Ich ent- 
scheide nach dem, was ich weiss, und frage nach dem, was ich nicht 
weiss. — »Da bist du der rechte Cädhi.« — Er liess ihm dies Amt, 
nahm ihm aber den Befehl der Leibgarde und ernannte Amr ben Sa'id 
zum Obersten derselben, und nachdem er seinen Sohn 

Abd el-'Aziz zum Statthalter eingesetzt und dann zum Abschiede 
ihm ein mildes Regiment empfohlen hatte, brach er am 1. Ra'gab (11. 
Februar 685} auf und kehrte nach Damascus zurück, wo er aber schon 
am S.Kamadhdn (13. April) ^) von seiner eigenen Frau umgebracht wurde. 
Ihm folgte sein Sohn Abd el-Malik, welcher seinen Bruder Abd eJ-Aziz 
als Statthalter bestätigte. — Gleich im J. 66 brach in Ägypten die Pest 
aus, welche viele Opfer forderte 2), ungleich verheerender war aber die 
Epidemie, welche im J. 69 von Bacra anfing und im J. 70 sich über 

1) desshalb kann er nicht erst am 1. Ramadhän von Fustät abgereist sein, 
wie Macrlzi I, 302 berichtet. 

2) Man zählte bis dahin seit dem Erscheinen des Islam fünf Pest-Epidemien: 
die erste noch zu Muhammeds Zeit; 2. die von Emmaus im J. 18; 3. in Eufa unter 
Abu Müsä el-Asch'ari ums J. 40; 4. ebenfalls in Eufa zur Zeit des Mugira ben 
8chu*ba ums J. 50; 5. die Pest, in welcher Zijäd ben Abthi im J. 53 starb. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 35 

Ägypten verbreitet; es sollen ihr täglich 70,000 Menschen erlegen sein; 
an Verlusten in einzelnen bekannten Familien von Ba^ra werden ange- 
geben: 70 bis 80 Kinder des Anas ben Mdlik, 40 Kinder des Abd el- 
Rahman ben Abu Bakra; die Zahl der hingerafften Heirathsfähigen be- 
trug 20,000. — Um ihr zu entgehen verliess Abd el-'Aziz Fustät und 
begab sich nach dem zwei Parasangen davon gelegenen Hulwdn; dort 
stand ein von zahlreichen Mönchen bewohntes Kloster bei dem Dorfe 
Tarn weih dicht am Nil, und die Lage und gesunde Luft gefiel ihm 
so sehr, dass er hier seinen bleibenden Aufenthalt nahm und den Ort, 
den er den Gopten für 20,000 Dinare abkaufte, durch prächtige Neu- 
bauten vergrösserte, so dass er seine Leibwache und die ersten Beamten 
aufnehmen konnte ; auch Moscheen wurden errichtet und schöne Gärten 
und Palmen- und Rebenpfianzungen angelegt Hier liess er auch im 
J. 76 die ersten Münzen mit Muhammedanischen Gepräge schlagen. 
Als besondere Veranlassung hierzu wird folgendes erzählt: Eine Zuschrift 
des Chalifen an die Griechen begann mit dem Koranverse »Sprich : Allah 
ist einer«, und mit der Erwähnung des Propheten, dann folgte das Da- 
tum. Darauf hatte der Griechische Kaiser erwiedert : »Ihr fanget eure 
Briefe immer so und so an, lasset das gut sein, sonst werdet ihr auf 
unseren Münzen euren Propheten in einer Weise erwähnt finden, die 
euch unangenehm sein wird.« Das verdross den Chalifen, er liess den Gi^- 
lehrten Chdlid ben Jazid ben Mu'&wia rufen und fragte ihn um Rath, 
was dabei zu thun sei; dieser erwiederte: verbiet ihre Dinare und lass 
selbst Münzen schlagen, auf denen der Name Allah's ausgeprägt ist. 
Dann fragte der Chalif auch bei seinem Bruder Abd el- Aziz an, welcher 
ihm denselben Rath ertheilte und dann sofort Gold- und Silbermünzen 
schlagen liess. — Im J. 72 hatte Abd el- Aziz eine Expedition zur See 
gegen Abdallah ben el-Zubeir ausgerüstet, über deren Erfolg indess nichts 
näheres bekannt ist. — Das Commando über die Besatzung von Alex- 
andria, welche hier die Grenzwache bildete, war dem Kureib ben Abraha 
el-Afbahi übertragen, einem Veteranen, welcher mit Amr aus el-Gdbia 
ausgezogen war; er starb im J. 78. — Im J. 84 wurde Jj&d benGanm 
el-Tu'gibl zum Commandanten von Alexandria ernannt. 

E* 



36 F. WÜSTBNFELD. 

Abd el-'Aziz war zum Nachfolger seines Bruders Abd el-Malik im 
Chalifat bestimmt. Als nämlich 'Amr ben Sa'id ben el- Ayi, nachdem 
er Mu9'ab ben el-Zubeir geschlagen hatte, nach Damascus zurückkam, 
hatte er zu verstehen gegeben, dass er Marwdn's Nachfolger werden 
würde und Marwdn hatte hierüber gegen den alten Dichter Hassdn ben 
Thabit seine Besorgniss geäussert, welcher darauf erwiederte, er werde 
ihm 'Amr gegenüber schon Genugthuung verschaffen. Am Abend, als 
der Hof bei dem Chalifen versammelt war, erhob sich Hassdn und sagte : 
»Ich habe in Erfahrung gebracht, dass manche Leute meine Meinung 
über die gesicherte Erbfolge zu erfahren wünschen, steht auf und hul- 
digt dem Abd el-Malik und nach ihm dem Abd el-'Aziz W Sie huldigten 
alle bis auf den letzten Mann. In der Folge wünschte aber Abd el- 
Malik, dass seine Söhne el-Walid und Suleimdn ihm folgen sollten und 
er hatte mehrmals darüber mit Abd el- Az£z unterhandelt, welcher aber 
nicht zurücktreten wollte. Im J. 84 machte Abd el-Malik dieserhalb 
einen neuen Versuch und schickte den 'Amir ben Scharähil el-Scha'bf 
nach Ägypten um Abd el-'Azlz zum Verzicht zu bewegen, und da auch 
dies nicht zu dem gewünschten Ziele führte, ging der Chalif zu der 
Drohung über, dass er ihm die bis dahin genossenen Einkünfte von 
Ägypten abliefern solle. Nun schrieb ihm Abd el- Aziz : »Wir beide 
haben ein so hohes Alter erreicht, wie noch keiner aus unsrer Familie, 
und wir wissen nicht, zu wem von uns der Tod zuerst kommen wird; 
wenn du willst, dass mir der Rest meines Lebens verbittert werden 
soll und der Tod mich erst erreicht, nachdem du schon heimgegangen 
bist, so führe dein Vorhaben aus.« Dies stimmte Abd el-Malik zur 
Nachgiebigkeit und er sagte zu seinen Söhnen nur: »Wenn Allah euch 
das Chalifat will zu Theil werden lassen, so kann es kein Mensch euch 
streitig machen.« Und Abd el- Aztz stai'b dann auch vier Monate früher 
als Abd el-Malik Montags den 12. Gumädä I. 86 1) (11. Mai 705) an 



1) Nach dieser Angabe bei Sujuti U, 6 stimmen Wochentag und Datum 
zusammen, nicht nach anderen am 13. od. 16/GumadäI. oder an einem dieser Tage 
im J. 85. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 87 

der damals wieder in Ägypten verbreiteten Pest, der achten im Islam. 
Um ihr zu entgehen, hatte er sich wieder nach Hulwdn begeben und 
Ihn Hudeig beauftragt, ihm tSglich Aber die Todesfalle und andere Vor- 
kommnisse in Fustfit Nachricht zu geben. Eines Tages fragte er den 
Boten: wie ist dein Name? er antwortete: Abu Tälib. Darüber wurde 
er aufgebracht und sagte: ich habe dich nach deinem Namen gefragt und 
du nennst mir deinen Vornamen; wie ist dein Name? nun antwortete 
er: Mudrik (d. i. am Ziele angelangt). Abd el-'Aziz nahm dies als eine 
schlechte Vorbedeutung auf und erkrankte auch bald nachher; der Dichter 
Nu9eib besuchte ihn noch und erhielt fflr einige Verse, die er auf ihn 
dichtete, 1000 Dinare; er starb aber gleich darauf. 

Nachdem 'Abis im J. 68 gestorben war, erhielt Baschfr ben el-Nadhr 
el-Muzenf die Stelle eines Cddhi und diesem folgte Abd el-Rahman ben 
Hu^eira el-Chauldnf , dem auch die Verwaltung der Staatseinkünfte fiber- 
tragen wurde ; seine Einnahme von dem Amte ^Is Cädhi betrug jährlich 
1000 Dinare, die er zu Almosen verwandte. Nach seinem Tode im J. 
83 folgte ihm Mälik ben Schardhil el-Chauldni und als dieser starb, 
wurde Jünus ben 'Atija el-Hadhrami zum Cädhi und Obersten der Leib- 
wache ernannt bis zum J. 86, dann kam auf kurze Zeit seines Bruders 
Sohn Aus und nach diesem erhielt Abd el-Rahman ben Mu'fiwia ben 
Hudei'g el-Kindi beide Stellen. — Im J. 85 oder in einem der drei 
nächsten Jahre starb Abdallah ben el-Härith ben Giz el-Zabidf, in Ägypten 
der letzte ^) von denen, welche noch den Propheten Muhammed gesehen 
und gehört hatten, und die Ägyptier kannten von ihni zwanzig Ausspruche 
desselben. 2) 

1) So sagt Sujüti ausdrücklich und wenn daher über Sufjän bep Wahb el- 
Chanläni, welcher auch Traditionen von Muhammed überlieferte und die Feldzüge 
in Ägypten mitmachte, berichtet wird, er sei im J. 91 gestorben, so ist dies viel- 
leicht ein Fehler für 71. Dagegen starb Tubei ben 'Amir el-Himjarf, welcher ein- 
mal dem Propheten als Wegweiser gedient hatte, aber den Islam erst nach dessen 
Tode annahm, erst ini J. 101 in Alexandria. 

2) Sujüti fuhrt über 300 Personen mit Namen auf, welche Muhammed ge- 
kannt hatten und mit nach Ägypten gezogen waren, und auf die meisten derselben 
wurden Traditionen von ihm zurückgeführt. 



38 F. WÜSTENFELD. 

Der Chalif ernannte seinen jüngeren Sohn 

Abdallah ben Abd el-Malik^) zum Statthalter von Ägypten; 
er war erst 28 Jahr alt, hatte aber schon mehrere Feldzüge unter- 
nommen und im J. 84 Ma99i9a erobert ; er hielt seinen Einzug in Fustät 
Montag 2) den 11. Gumddd II. 86 (9. Juni 705). Sein Vater hatte ihm 
empfohlen, an der milden Regierung seines Oheims ein Beispiel zu nehmen, 
er aber wechselte sogleich alle Yerwaltungsbeamten und seinen Hofstaat 
und liess sich die grössten Bedrückungen und Ungerechtigkeiten durch 
Erpressung von Abgaben zu Schulden kommen. Er verbot den Gopten, 
den Burnus zu tragen und führte die Neuerung ein, dass alle Registra- 
turen und Steuerrollen, welche bis dahin in Coptischer Sprache geführt 
waren, Arabisch geschrieben werden mussten. Als der Chalif am 15. 
Schawwdl 86 (9. Oct. 705) starb und sein ältester Sohn el-Walid zur 
Regierung kam, bestätigte dieser seinen Bruder im Amte. Im J. 87 
herrschte in Ägypten eine Noth und Theurung, wie man sie vorher nicht 
gekannt hatte, aber das hielt ihn nicht ab, sein bisheriges Verfahren 
fortzusetzen; er nahm von den Verwaltern Geschenke an, so dass diese 
ungestraft das Volk mit Abgaben bedrücken konnten, als dies indess all- 
gemein bekannt wurde und auch der Chalif davon Kenntniss erhielt» 
liess er ihn nach Damascus vorfordern und er begab sich im Cafar 88 
dahin, nachdem er den Abd el-Rahman ben Amr ben Cahzam el-Chau- 



1) Bei Sujüti U. pag. 7, 5, auch in der GöttiDger und Gothaer Handschrift, 
findet sich hier erst noch die sinnlose Zeile : »Nach seinem (Abd el-'Aziz) Tode 
wurde Abd el-Malik zum Statthalter ernannt und blieb einen Monat weniger einen 
Tag, dann wurde er abgesetzt und ernannte seinen Sohn Abdallah ben Abd el-Malik 
zum Statthalter.« Ein Sinn würde entstehen, wenn man die Auslassung eines Namens 
annähme: »Nach seinem Tode ernannte Abd el-Malik den N. N. zum Statthalter, 
er blieb einen Monat — und er (der Chalif) ernannte u. s. w. Allein die Zwischen- 
zeit von einem Monate wird damit verflossen sein, dass die Nachricht von Abd el« 
'Aztz Ableben von Hulwän nach Damascus kam und sein Nachfolger die Reise von 
Damascus nach Fustat machte. 

2) Es muss Dienstag heissen, wenn der Wochentag mit dem Datum für das 
Jahr 86 zusammenstimmen solL 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 39 

lauf zu seinem Stellvertreter ernannt hatte. Er kehrte zwar nach kurzer 
Zeit zurück, liess auch noch im J. 89 an der Hauptmoschee einen Bau 
ausfahren, indem das Dach erhöht wurde, da er sich aber nicht besserte, 
wurde er im J.'OO ganz abberufen. Er nahm alle seine erpressten 
Schätze und die Geschenke mit sich, um sich nach Damascus zu be- 
geben, indess am Jordan angekommen, wurde er auf Veranstaltung des 
Ghalifen umzingelt, aller seiner Habe beraubt und nach Damascus 
geführt. 

Abdallah hatte den Ihn Hudeig von seiner Stelle als Cddhi ent- 
heben wollen, scheute sich aber doch, dazu einen nichtigen Vorwand 
zu gebrauchen, da er ihm keine Schuld oder Vernachlässigung seines 
Dienstes vorwerfen konnte, bis er ihn endlich doch nach Alexandria 
schickte, um den Befehl über die Grenztruppen zu übernehmen. An 
seine Stelle trat Imran ben Abd el-Bahman ben Schurahbil als Cädhi 
und Oberst der Leibwache, und als er sich mit diesem im J. 89 über- 
warf, übertrug er den Posten an Abd el-Ald ben Chdlid ben Th&bit 
el-Fahml. 

Der von el-Walid ernannte neue Statthalter 

Curra ben Scharik el-'Absl traf Montag i) den 13. Rabf I. 
90 (30. Jan. 709) in Fustdt ein, entliess den Cddhi Abd el-A14 und 
setzte Abdallah ben Abd el-Bahman Ibn Hu'geira an seine Stelle, und 
für diesen wieder im J. 93 den 'Jjddh ben Adallah el-Azdl. Curra war 
ein ungerechter, gewaltthätiger und ruchloser Mensch. Die Verwalter 
in den Provinzen hatten dem Chalifen gemeldet, dass die Schatzkammern 
so überfüllt wären, dass sie die Abgaben nicht mehr fassen könnten; er 
befahl also, von dem Gelde Moscheen zu bauen, und in Fustdt wurde 
an der Stelle der alten Griechischen Burg am Thore el-Beihdn dem 
Cdlüs-Platze gegenüber die sogen. Elephanten Moschee 2) errichtet. Im 
Scha'bdn 92 wurde auch mit dem Neubau der Moschee 'Amr's begonnen 



1) Dieser Wochentag stimmt nicht zu dem Datum. 

2) Sujüti n, 7. Wenn dagegen Macrizi 11, 289 sagt, diese Mochsee sei 
im J. 478 erbant, so wird dies auf einen Neubau derselben zu beziehen sein. 



40 F. WÜSTENFELD. 

unter Aufsicht des Jahjd ben Handhala; während des Baues wurde der 
(Gottesdienst in der so gen. Honighalle Keisarijat el-^asal gehalten. 
Wenn die Arbeiter Abends aufhörten, liess Curra Wein in die Moschee 
bringen und Musikanten kommen, und zechte die Nacht durch» indem 
er sagte: »am Tage für sie, die Nacht für mich.« Die Vollendung der 
Moschee erfolgte im Bamadh&n 93 und im J. 94 wurde darin noch- ein 
eiserner Minbar aufgestellt. 

Die Bedrückungen der Statthalter fanden unter el-Walid in allen 
Provinzen statt, da er sie b^ünstigte und darin mit seinem eigenen 
Beispiele voranging, so dass Omar ben Abd el-Aziz einmal sagte: »el- 
Ha^gd'g in Irak, el-Walid in Syrien, Curra in Ägypten, Othmän ben 
Hajjän in Medina und Chdlid el-Gasri in Mekka, o Gott! die ganze 
Welt ist voll von Tyrannei und Unrecht, gieb den Menschen Ruhe !« — 
Curra starb am 24. Rabf L 96 (7. Dec. 714), die Nachricht kam an 
demselben Tage wie die von dem Ableben des Ha'gjs^ä'g ^) nach Damascus 
und el-Walfd entblödete sich nicht, als er dies mit entblösstenr und mit 
Staub bestreutem Haupte öffentlich ankündigte, hinzuzufügen: »o Gott! 
ich lege für beide eine Fürbitte ein, die ihnen nützen möge!« Omar ben 
Abd el-'Aziz wurde hierdurch so aufgebracht, dass er ausrief: «seht 
diesen Elenden! möge Gott die Fürbitte Muhammeds für ihn nicht er* 
hören und ihn zu den beiden anderen gelangen lassen !« el-Walid starb 
dann kaum drei Monate nachher, nachdem er noch den von Curra zum 
Statthalter eingesetzten 

Abd el-Malik ben Rifä'a el-Fahmf im Rabf II. bestätigt 
hatte, welcher auch unter Walid's Nachfolger Suleimän im Amte blieb. 
Er war ganz das Gegentheil seines Vorgängers, gottesfürchtig, gerecht 
gegen die Unterthanen, unbestechlich, und er liess sich keinen Eingriff 
in ihr Vermögen zu Schulden kommen, denn er pflegte zu sagen : »Wenn 
die Geschenke zur Thür eintreten, geht die Redlichkeit zum Fenster 



1) Abul-Mahasin, welcher dies Th. I. S. 242 dem Jüsnf ben Eizugli Ihn 
el-6auz{ nadierzäUt, sagt aber selbst S. 256, dass Ha^ä^ schon im J. 95 gestorben 
sei, worin auch sonst alle übereinstimmen. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 41 

hinaus.« Leider! hatte der von Suleimdn ernannte Steuerdirector Usdma 
ben Zeid el-Tanüchf nicht dieselben Gesinnungen, und die Bedruckungen 
der Coptischen Unterthanen wurden immer unerträglicher ^). Der Chalif 
hatte ihm die Weisung gegeben : »Melke die Milch, bis sie zu Ende ist, 
und zapfe das Blut ab bis auf den letzten Tropfen«, und Usdma folgte 
dieser Weisung nur zu gut, so dass der Chalif selbst sich darüber wun- 
derte, aber ihn entschuldigend sich einmal äusserte: »Dieser Usäma 
nimmt doch keinen Dinar und keinen Dirhem als Bestechung«, worauf 
ihm Omar ben Abd el- Azlz entgegnete: »Ich kann dir einen bezeichnen, 
der noch viel schlechter ist als Usäma und auch keinen Dinar und keinen 
Dirhem als Bestechung annimmt.« — Und der wäre? fragte Suleimdn. 
— »Iblis, der Feind Gottes«, erwiederte Omar, worauf der Chalif erzürnt 
aufstand und die Sitzung verliess. — Oberst der Leibwache war Abd 
el-Malik's Bruder, el-Walid ben Rifd'a, und an die Stelle des im J. 98 
entlassenen Cddhi Jjddh trat wieder- sein Vorgänger Ihn Hu'geira. — 
Ungeachtet seiner humanen Gesinnungen, in denen er bis dahin mit 
Omar übereingestimmt hatte, wurde Abd el-Malik doch gleich nach 
dessen im ^afar 99 (Sept. 717) erfolgten Thronbesteigung abgesetzt und 
Ajjüb ben Schurahbil el-A9bahi nahm im folgenden Monate 
seine Stelle ein. £r ernannte zu Bichtem Gafar benBabfa, Jazid ben 
Abu Habfb, Obeidallah ben Abu Ga'far und Abdallah ben.Hudsdfa und 
zum Obersten der Leibwache el-Hasan ben Jazid el-Ru'einl. Die Ge- 
halte der Beamten wurden vermehrt und auf Befehl des Chalifen die 
Weinschenken ausgeräumt und abgebrochen ; unter die Muslimen wurden 
25,000 Dinare vertheilt zur Bezahlung ihrer Schulden und ihnen wurden 
noch manche andere Vergünstigungen zuTheil, aber zum Nachtheil der 
Coptischen Bevölkerung, da Omar als Chalif seine Ansichten geäftdert 
hatte und Ägypten als ein mit Gewalt erobertes Land betrachtete, an 
welchem die bisherigen Besitzer kein Recht mehr hätten. Diese konnten 
daher Ländereien unter sich nicht weiter vererben, sondern mussten sie 
an die Muslimen abtreten; auch schrieb Omar dem Steuerverwalter 



I) Vergl. die Geschichte der Gopten. S. 55. 
mst.'phü. Glosse. XX. 2. 



42 F. WÜSTENPELD. 

Hajjän ben Schureih, die Kopfsteuer der verstorbenen Gopten in den 
Dörfern den Ueberlebenden aufzulegen, weil die Steuer auf den Dörfern 
laste und durch einen Todesfall nicht verringert werden dürfe. Der 
Besuch der Bäder wurde den Gopten verboten. Im Uebrigen herrschte 
Becht und Gerechtigkeit im Lande und die Zustände Ägyptens besserten 
sich etwas. Leider! nicht für lange Zeit, denn schon am 25. Ba^ab 
101 (11. Febr. 720) starb der Ghalif Omar plötzlich, und AjjAb, der von 
dessen Nachfolger Jazid bestätigt war, überlebte ihn nur anderthalb 
Monate bis zum 11. Bamadhdn und der neue von Jazid ernannte Statt- 
halter 

Bischr ben ^afwän el-Kalbf soll schon am 17. Bamadhftn 
101 (l. April 720) in Fustdt eingetroffen sein. Er machte Schu*eib ben 
el- Hamid el-Balewi zum Obersten der Leibwache. Um diese Zeit er- 
schien eine Griechische Flotte vor Tinnis ohne einen besonderen Erfolg 
zu erreichen. Der Ghalif entzog den Beamten wieder die von Omar be- 
willigte Zulage und ordnete eine neue, die vierte, Aufnahme zum Behuf 
der SteuerbeschreibuDg an. — In Africa hatte Jazid ben Abu Muslim 
nach der Entlassung des Muhammed ben Jazid den Oberbefehl erhalten 
und glaubte ebenso rücksichtslos gegen die Eingeborenen, die sich zum 
Islam bekehrt hatten, handeln und sie bedrücken zu können, wie es 
sein früherer. Vorgesetzter el-Ha^ä^, dessen Secretär er gewesen war. 
in 'Irdk gethan hatte. Allein die Africaner waren nicht so gutwillig, 
und nachdem sie ihm wiederholt Vorstellungen gemacht hatten, er aber 
nicht nachgeben wollte, fielen sie über ihn her und brachten ihn um, 
setzten dann den entlassenen Muhammed, der noch bei ihnen war, wieder 
ein und machten einen offenherzigen Bericht an den Ghalifen mit dem 
Bemerken, dass sie sich keineswegs seiner Botmässigkeit entziehen wollten, 
dass sie aber Jazid mit einer so rücksichtslosen Willkühr behandelt 
habe, wie es Allah und die Muslimen nicht gutheissen könnten. Der 
Ghalif missbilligte auch das Verfahren Jazids und bestätigte Muhammed. 
aber schon nach einigen Tagen hielt er es für besser, Bischr ben ^afwftn 
den Oberbefehl in Africa zu übertragen und auf dessen Empfehlung 
dessen Bruder 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 43 

Handhala ben Qafwdn zum Statthalter von Ägypten zu er- 
nennen, welcher im SchawwÄl 102 (April 721) diese Stelle antrat; es 
wird ihm eine gut geordnete Verwaltung nachgerühmt, während die 
Amtsführung seines Cddhi Jahjd ben Meiratln el-Hadhraml (102 — 114) 
viel zu wünschen übrig liess. Im J. 103 begab er sich nach Alexan- 
dria und liess 'Ocba ben Maslama el-Tu'gibi als seinen Stellvertreter in 
Fustdt zurück. Die Bedrückungen der Coptischen Christen nahmen jetzt 
immer mehr zu, der Steuerverwalter Obeidallah ben el-Habhäb zeichnete 
sich besonders durch sein grausames Verfahren aus und der Chalif Jazid 
befahl im J. 104 alle Götzen zu zerstören und die Heiligenbilder zu 
vernichten und sie wurden in Ägypten ebenso wie in anderen Ländern 
gänzlich ausgerottet i). — AlsJazid im J, 105 starb und ihm sein Bruder 
Hischäm folgte, setzte dieser den Handhala ab und schickte seinen jün- 
geren Bruder 

Muhammed ben Abd el-Malik als Statthalter nach Ägypten, 
welcher dort Sonntags den 11. Schawwäl 105 (12. März 724) eintraf und 
Haf9 ben el-Walid el-Hadhraml zum Obersten der Leibwache ernannte. 
Aber wenige Tage nachher brach wieder die Fest aas, Muhammed flüch- 
tete sich nach Oberägypten, kam indess von dort bald zurück und ver- 
liess Ägypten ganz, nachdem er kaum einen Monat dort gewesen war; 
er begab sich nach dem Jordan und bat Hischfim um seine Entlassung, 
welcher an seine Stelle 

el-Hurr ben JAsuf, einen Verwandten aus einer Seitenlinie der 
regierenden Familie, zum Statthalter machte, der am 3. Dsul-Hi'gga 105 
(4. Mai 724) in Fustdt einzog. Unter dem Drucke des Verwalters Ibn 
Habhdb erreichten die Bedrängnisse der Christen einen solchen Grad, 
dass im J. 107 ihre erste grössere Erhebung erfolgte, besonders in den 
Districten Banu-Dimi, Curbeit, Taräbia und dem grössten Theil von el- 
^auf. el-Hurr verlegte seinen Wohnsitz auf drei Monate nach Dimjät, 
um von hier aus den Aufstand zu unterdrücken, kam dann auf einige 



1) Vergl. Geschichte der Gopten. S. 53 fg. 



44 F. WÜSTENFELD. 

Tage nach Fustdt znrfick, begab sich darauf zum Chalifen nach Damas- 
cus, nachdem er Haf9 ben el-Walid zu seinem Stellvertreter ernannt 
hatte, und kehrte im Dsul-Ca'da auf seinen Posten zurfick. Der Nil 
hatte in diesem Jahre seinen Lauf verändert und war von der Stadt 
Fustdt weiter zurQckgewichen, so dass das alte Flussbett bebaut werden 
konnte. el-Hurr hatte angefangen eine bessere Verwaltung einzuführen, 
gerieth aber darüber mit Ibn Habhilb in Zerwürfniss und bat desshalb 
genall ein Jahr nach seiner Rückkehr im Dsul-Ca'da 108 (März 727) um 
seine Entlassung, worauf 

Haf? ben el-Walfd, wiewohl ungern, wirklicher Statthalter wurde. 
Er war einer der ältesten Emire, bei den Omeijaden sehr angesehen und 
bei der Bevölkerung beliebt, aber schon nach zwei oder drei Wochen, 
am 10. oder am letzten Dsul-Hi'g^a wurde er auf die Beschwerde des 
Ibn Habhdb und einiger nichtswürdigen Personen wieder enthoben und 

Abd el-Malik ben Kifä'a zum zweiten Male auf diesen Posten 
berufen. Er kam aus Syrien schon krank am 18. Muharram 109 (9. 
Mai 727) in Fustdt an. nachdem ihn sein Bruder el-Walid seit dem ersten 
des Monats vertreten hatte; er erholte sich auch nicht wieder und starb 
schon fünfzehn Tage nachher, worauf dieser 

el-Walfd ben Riffi'a von dem Chalifen bestätigt wurde. Er 
ernannte Abdallah ben Sumeir el-Fahml zum Obersten, ertheilte aber 
bald nachher dessen Stelle dem Abd el-Rahman ben Chdlid el-Fahmi. 
Als Cddhi trat im J. 114 el-Chijdr ben Chdlid el-Mudli^ ein, welcher 
sich die allgemeine Zufriedenheit erwarb, aber schon im folgenden Jahre 
starb, worauf Tdba ben Namir el-Hadhraml (bis 121) eingesetzt wurde. 
Da dieCopten sehr streng an ihrem Christenglauben festhielten und die 
Ausbreitung des Islam in Ägypten keine Fortschritte machte, liess Ibn 
Habhdb um diese Zeit 5000 Araber vom Stamme Keis aus Arabien nach 
Ägypten übersiedeln, welche sich in dem flachen Lande (el-hauf) östlich 
von Fustdt niederliessen. Nicht lange nachher wurden die Gopten von 
ihrer grössten Plage befreit, indem der Chalif den Ibn Habhfib als Statt- 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 45 

halter nach Africa schickte. Nur auf diese Weise war es möglich, dass 
der milder gesinnte Walld sich längere Jahre auf seinem Posten halten 
konnte, und seine Nachgiebigkeit ging so weit, dass er den Gopten ge- 
stattete, nicht weit von el-HamrA die Kirche des Bu Mind zu bauen i), 
wodurch freilich auf der andern Seite wieder die Unzufriedenheit der 
Muslim veranlasst wurde, so dass Wuheib el-Jah9ubf im J. 117 einen 
Versuch machte, einen Aufstand zu erregen. Es wurde auch als eine 
Strafe für diese Begünstigung der Gopten angesehen, dass el- Walld we- 
nige Tage nachher erkrankte und sein Lager nicht wieder verliess, bis 
er Dienstag den 1. Gumdda IL 117 (28. Juni 735) starb, nachdem er 
den oben erwähnten Obersten ^ 

Abd el-Rahman ben Ghdlid zu seinem Stellvertreter ernannt 
hatte, welcher noch in demselben Monate von dem Ghalifen als Statt- 
halter bestätigt wurde und seine bisherige Stelle als Oberst an Abdallah 
ben Baschschdr el-Fahm£ übertrug. Die Griechen machten um diese 
Zeit mehrere Versuche an verschiedenen Punkten von Ägypten zu lan- 
den, belagerten sogar den Ort TarA'ga im Gebiete von Alexandria und 
führten viele Gefangene mit sich fort. Abd el-Rahman war bei seinem 
milden Gharacter einer kräftigen Führung der Geschäfte nicht gewachsen, 
und da er wahrscheinlich auch von anderer Seite sich beeinflussen liess 
und in den Verdacht eines heimlichen Einverständnisses mit den'Abbasiden 
kam, welche jetzt in mehreren Provinzen des Beiches mit ihren Ab- 
sichten, den Sturz der Omeijaden herbeizuführen, immer offener hervor- 
traten, so wurde er nach einer Begierung von sieben Monaten und fünf 
Tagen ^) entlassen und der Ghalif Hischdm berief 



1) Vergl. Geschichte der Copteo. S. 119. 

2) so nach Abul-Mahäsin und Macrizi and es wärde danach das Jahr 
118 ganz ausfallen, da sogleich 119 folgt; es wird desshalb heissen müssen: ein 
Jahr 7 Monate und 5 Tage. Sujüti weicht ganz ab und hat für Bischr 101 — 103; 
Handhala bis 105; Muhanamed ben Abd el-Malik; el-^urr; HafQ bis 108; Abd el- 
Malik ben Rifä'a 109; el-Walid bis 119; Abd el-Rahman ben Cbalid 7 Monate; 
Handhala 120. 



46 F. WÜSTENFELD. 

Handhala ben Qafwdn zum zweiten Male, welcher am 5. Mu- 
harram 119 (12. Jan. 737) sein Amt antrat und 'Jjddh ben Heirama 
el-Kalbl zum Obersten der Leibwache ernannte. Im J. 121 bat der 
C&dhi Tdba um seine Entlassung und auf die Anfrage selbst seinen 
Nachfolger zu bezeichnen, schlug er dazu seinen Secretär Cheir ben 
Nu'eim el-Hadhrami vor, welcher den Posten bis zum J. 128 bekleidete. 
In demselben J. 121 brach wegen zunehmender Steuerbedrückung wie- 
der eine Empörung gegen die Einnehmer aus, welche Handhala mit 
Waffengewalt unterdrücken musste, wobei viele Gopten umkamen. — 
Zeid ben 'Ali Zein el- Abidin, welcher sich in Kufa im J. 122 empörte, 
erlag in dem Strassenkampfe ; sein Haupt wurde zuerst nach Damascus, 
dann auch nach Fustät gebracht, wo es Handhala zur Abschreckung 
öffentlich umhertragen liess. Am 7. Rabf IL 124 (18. Febr. 742) wurde 
er seiner bisherigen Stelle enthoben und als Statthalter nach Africa und 
dann nach Spanien gesandt. Ihm folgte 

Haff ben el-Walid zum zweiten Male, anfangs nur als Statt- 
halter, aber Freitags den 13. Scha'bän (22. Juni) wurde ihm auch die 
Steuerverwaltung übertragen. Er machte 'Ocba ben Nu'eim el-Rueinl 
zum Obersten der Leibwache, Jahjd ben Amr el-'Ascaldni zum Staats- 
secretär und 'Isä ben Amr zum Aufseher über sämmtliche Hofdiener. 
Es herrschte in dem Jahre eine grosse Hitze in Ägypten, die durch 
Mangel an Regen noch fühlbarer wurde, und als Haff eines Tages in 
dem öffentlichen Gebete um Regen gebeten hatte, war er kaum auf seinen 
Sitz zurückgekehrt, als er die Nachricht an dem am 6. Rabf L 125 
(7. Jan. 743) erfolgten Ableben des Chalifen Hischdm erhielt. Sein 
Nachfolger el-Walid ben Jazid bestätigte Haf9 in seinen beiden Aemtern. 
bis er ihm am 22. Schawwdl die Verwaltung abnahm und an 'Isa ben 
Abu 'A\& übertrug. Haff begab sich dann in Person zum Chalifen, 
nachdem er 'Ocba ben Nu'eim zu seinem Stellvertreter eingesetzt hatte, 
und während er in Damascus war, wurde el-Walld am 24.&um&dd IL 
126 (16. April 744) von seinem Vetter Jazfd ben el-Walld ermordet, welcher 
das Chalifat übernahm und Haf9 eilig nach Ägypten zurückbeorderte, 
um dort die Truppen huldigen zu lassen. Indess starb Jazid schon am 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 47 

7. Dsul-Hi^^ desselben Jahres (20. Sept. 744), nachdem Marwdn ben 
Muhammed ben Marwdn bereits von mehreren Städten als Chalif aner- 
kannt war, und dieser erklärte dann auch bald darauf den Ibrahim 
ben el-Walld, der als nächstberechtigter das Chalifat angetreten hatte, 
für abgesetzt. Haf? war noch von Ibrahim bestätigt, wollte aber 
unter Marwän nicht weiter dienen und bat um seine Entlassung, 
worauf 

Hassdn ben 'Atdhia el-Tu'gibi zum Statthalter von Ägypten er- 
nannt wurde. Dieser hielt sich damals in Damascus auf und ernannte 
den Cheir ben Nu'eim zu seinem Stellvertreter bis zu seiner Ankunft in 
Fustfit, welche am 12. Gum&dä IL 127 (21. März 745) erfolgte. Er 
wollte alsbald die von Haff erhöhten Besoldungen der Beamten und den 
Sold der Truppen verkürzen, darüber kam es zu einem Aufstande, sie 
rückten vor die Moschee, erklärten nur Hafg als Statthalter haben zu 
wollen und verlangten sogar die Absetzung des Chalifen Marw&n. Sie 
belagerten Hassan in seiner Wohnung, zwangen ihn endlich die Stadt 
zu verlassen, und vertrieben auch den von Marwdn im Amte belassenen 
Steuerverwalter 'Is&. ben Abu 'At&. Dies geschah am letzten des Gu- 
mddd II. (7. April) und 

Haf? ben el-Walid übernahm mit Widerstreben zum dritten 
Male die Statthalterschaft. Zwei Monate nachher kam Handhala ben 
Qafwdn, der sich aus Africa hatte zurückziehen müssen, lagerte bei&iza 
westlich von Fustdt und blieb hier ohne den Nil zu überschreiten, bis 
er von Marwdn seine Ernennung zum Statthalter erhielt. Jetzt wollte er 
seinen Eintritt in die Stadt erzwingen, wurde aber von der Besatzung 
zurückgewiesen, und als er auf die Ostseite übersetzte, fand er auch hier 
einen kräftigen Widerstand, und nach einem Kampfe, der sich daraus 
entspann, musste er die Flucht ergreifen. Marwdn liess für den * übrigen 
Theil des Jahres die Ägyptier in Buhe, indess am 1. Muharram 128 
(3. Oct. 745) erklärte er Haf; für abgesetzt und ernannte 

el-Hauthara ben Suheil el-Bähill zum Statthalter, welcher 
Mittwoch Nachts den 12. Muharram mit einem Corps von 7000 Heitern 
vor Fustdt erschien. Die Ägyptier wollten ihm den Eintritt in die Stadt 



48 F. WÜSTENFELD. 

verwehren, da aber Haff nicht damit einverstanden war und davon ab- 
rieth, fingen sie an mit Hauthara zu unterhandeln, und nachdem er ihnen 
völlige Straflosigkeit zugesichert hatte, ging Haff mit den ersten An- 
führern zu ihm hinaus. Er liess sie sogleich festnehmen und in Ketten 
legen, fuhr die Soldaten mit einer drohenden Strafrede an, so dass sie 
Reisaus nahmen, und hielt dann mit dem Steuerverwalter 'Isä ben Abu 
'Atk seinen Einzug. Hierauf liess er die Anstifter des Aufstandes ver- 
folgen und ihnen, als sie alle ergriffen waren, die Köpfe abschlagen. 
Dies Schicksal traf auch Rajgä ben el-Uscheijim, einen der Ägyptischen 
Grossen, und endlich auch Haff Dienstag den 3. Schawwäl 128 (28. 
Juni 746). Hauthara setzte den Cddhi Cheir ab und übertrug seine 
Stelle dem Abd el-Rahman ben Sdlim el-Geischdnl, und blieb dann in 
Ägypten, bis ihn Marwfin im Gumdda IL 131 abrief, um ihn gegen die 
Parteigänger der 'Abbasiden in Choräs&n zu schicken, und nachdem er 
den Hassan ben 'Atdhia zu seinem Stellvertreter eingesetzt hatte, verliess 
er am 10. Ragab (5. März 749) Fustät, wo sein von Marwän ernannter 
Nachfolger 

el-Mugira ben Obeidallah el-Fazäri am 16. oder 24. des- 
selben Monats eintraf, welcher seinen Sohn Abdallah zum Obersten der 
Leibwache machte. Nach kurzem Aufenthalte, während dessen er sich 
durch seine Milde allgemein beliebt gemacht hatte, begab er sich nach 
Alexandria, indem er dem Abul-Garräh Bischr ben Aus seine Geschäfte 
übertrug, kehrte indess nach einiger Zeit zurfick und starb Sonnabend 
den 12. Gumadä I. 132 (27. Dec. 749), nachdem er seinen Sohn el-Walid 
ben el-Mugira zu seinem Stellvertreter ernannt hatte. Diesen wollten 
aber die Ägyptier nicht anerkennen und setzten den Abdallah ben Abd 
el-Rahman ben Mu^wia ben Hudei'g zum Obersten ein, bis die Be- 
fehle des Chalifen Marwfin eintreffen wQrden, und el-Walld verliess des- 
halb Fusm am 15. Gumädä IL, als die Ernennung des bisherigen 
Steuerverwalters 

Abd el-Malik ben Marwän ben Mdsd el-Lachml zum 
Statthalter eintraf, so dass er beide Amter in sich vereinigte. £r 



) DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIPEN. 49 

'J>- wählte erst seinen Bruder Marwdn, dann den Ikrima ben Abdallah el- 

^ Chauldni zum Obersten der Leibwache und fahrte die für Ägypten neue 

D' Einrichtung der erhöhten Pulte, Minbar, in den Moscheen ein, da bis 

^ dahin der Vorbetende mitten in der Versammlung gestanden hatte, 

ie Nicht lange nachher empörten sich, die Gopten in der Gegend von Sa- 

n mannüd unter Anführung eines gewissen Johannes, sie wurden aber in 

die Flucht geschlagen und viele getödtet. Hiernach erhob sich 'Amr 
I. ben Suheil ben Abd el-'Aziz ben Marwän, ein entfernter Verwandter 

1 des Chalifen, um sich selbst zum Herrscher emporzuschwingen ; er 

sammelte um sich eine Schaar vom Stamme Keis in der östlichen Ebene 
; und Abd el-Malik sandte ein Corps gegen ihn aus, indess kam es nicht 

1 zu einem Gefechte, und mittlerweile war der Chalif Marwdn von Abu 

Müsd el-ChorAs4nf, dem Feldherrn der 'Abbasiden, geschlagen und ver- 
trieben und kam als Flüchtling nach Fustät, das er Dienstag den 21. 
Schawwdl 132 (2. Juni 750) betrat. Er fand die Bewohner der östlichen 
Ebene, von Alexandria, Oberägypten bis Uswdn schon in schwarzer 
Kleidung zum Zeichen ihrer Anhänglichkeit an die 'Abbasiden, und 
nachdem er den Nil überschritten und seine Truppen nach Glza über- 
gesetzt hatte, wo er die beiden Brücken und das sog. goldene Haus der 
Familie Marwdn verbrannte, sandte er ein Corps nach Alexandria, in 
dessen Nähe bei Kirjaun ein Treffen stattfand. Jetzt erhob sich auch 
die Coptische Bevölkerung von Raschid (Rosette), die aber noch von den 
unter el-Nu'män ben Nas'a gegen sie geschickten Truppen in die Flucht 
geschlagen wurde. Auch nach Oberägypten wurde noch ein Corps aus- 
gesandt, unterdess war aber die Syrische Armee unter Qdlih ben 'Alf 
mit seinen Unterfeldherrn Abu 'Ann Abd el-Malik ben Jazid und 'Amir 
ben Ismä'll el-Hdrithl zur Verfolgung Marwdns nachgekommen und la- 
gerte am 18. Dsul-Hi'gga 132 vor Fustdt, welches noch von Mu'dwia 
ben Bhueira ben Reisän vertheidigt wurde. Von einer Reiterschaar 
Marwdns, die hier in die Flucht geschlagen war, wurden einige ge- 
fangen genommen, und diese verriethen dessen Versteck zuBd^ir in der 
Nähe von 'Giza; Qalih brach sogleich dahin auf und überfiel ihn bei 
Nacht, Marwdn entkam noch, wurde aber auf der Flucht von seinen Ver- 
Hist.'phil Glosse. XX. 2. G 



50 F. WÜSTENFELD. 

folgern durchbohrt und starb auf der Stelle Freitag den 21. Dsul-Hi'glB^a 
132 (31. Juli 750). Qdlih hielt seinen Einzug in Fustdt Sonntag den 8. 
Muharram 133 (16. Aug.), der letzte Statthalter Abd el-Malik, welcher 
sich den 'Abbasiden nicht sehr abgeneigt bewiesen hatte, wurde begnadigt, 
dagegen zwei seiner Vorgänger, Hassin ben 'Atdhia und Hauthara ben 
Suheil wurden hingerichtet. So ging die Herrschaft der Omeijaden im 
Orient zu Ende. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 51 



Uebersicht der Chalifen und Statthalter. 

Omar ben el-Chattab 13—23. 

Amr ben el-'Ä?! 18—24. S. 1 

Otbman ben 'Affän 23—35. 

Abdallah ben Sa'd ben Abu Sarh 24—36. 15 

Ali ben Abu Tälib 35—40. 

Keis ben Sa'd ben 'Obäda 36. 22 

Mubammed ben Abu Bekr 37—38. 24 

el-Aschtar Malik ben el-Harith. 24 

Mu'äwia ben Abu Sufjän (38) 40—60. 

Amr ben el-'Aci 38—43. 27 

'Otba ben Abu SuQän 43—44. 28 

'Ocba ben 'Amir 44—47. 29 

Maslama ben Mucballad 47—62. 29 

Jazid ben Mu'äwia 60—64. 

Sa'id ben Jazid ben 'Alkama 62—64. 32 

Abdallah ben el-Zubeir 64. 

Abd el-Rahman ben 'Otba ben Gahdam 64—65. 32 

Mu'äwia ben Jazid 64. 

Marw&n ben el-Hakam 64 — 65. 

Abd el-'Aziz ben Marwän 65—86. 34 

Abd el-Malik ben Marwän 65—86. 

Abdallah ben Abd el-Malik 86-90. 38 

el-Walld ben Abd el-Malik 86—96. 

Curra ben Schartk el-'Absi 90—96. 39 

Abd el-MaUk ben Rifä'a el-Fahmi 96—99. 40 

Suleimän ben Abd el-Malik 96—99. 

Omar ben Abd el-'Aztz 99—101. 

Ajjub ben Schurahbil el-Acbahi 99-101. 41 



Jaztd ben Abd el-Malik 101—105. 

Bischr ben Qafwän el-Kalbi 101—102. S. 42 

Handhala ben QafwÄn 102—105. 43 

Hiscbäm ben Abd el-Malik 105—125. 

Muhammed ben Abd el-Malik 105. 43 

el-Hurr ben Jüsuf 105—108. 43 

Hafg ben el-Walid 108. 44 

Abd el-Malik ben Rifä'a 109. 44 

el-Wal!d ben Rifä'a 109—117. 44 

Abd el-Rahman ben Chalid 117—118. 45 

Handhala ben Qafwän 119—124. 46 

Hafg ben el-Waltd 124—127. 46 

el-Waltd ben Jazld 125—126. 

Jaztd ben el-Walid 126. 

Ibrahtm ben el-Walid 126. 

Marwan ben Muhammed ben Marwän 126 »132. 

Hassan ben 'At&hia el-Tu^bl 127. 47 

Hafg ben el-Walid 127. 47 

el-Hauthara ben Suheil el-BähUl 128—131. 47 

el-Mugira ben Obeidallah el-Fazfirl 131—132. 48 

Abd el-Malik ben Marwän el-Lachmi 132. 48 



lieber ein Votivrelief aus Megara. 

Von 

Fr. Wieseler. 

Vorgelegt in der Sitzung der Königl. Ges. d. Wisa. am 11. Jnli 1874. 

Uas auf der beigefflgten Tafel abgebildete Relief fand ich im Jahre 
1873 im Besitz des Russischen Gesandten zu Athen, Herrn von Saburoff, 
aber dessen interessante Sammlung ich in dem archäologischen Berichte über 
meine Reise nach Griechenland, S. 34 fg. des besonderen Abdrucks aus 
den Abhandlungen der K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 
Bd. XIX, vom J. 1874, einige Mittheilungen gemacht habe. Herr von 
Saburoff wünschte, als er die Freundlichkeit hatte mir während meines 
Aufenthalts in Athen das Original zu zeigen, dass ich mich einer Er- 
klärung der bildlichen Darstellung, deren Wichtigkeit seiner Einsicht 
nicht entgangen war, unterziehen möge, und liess mir zu diesem Behufe 
einen Gypsabguss überschicken. Nach diesem ist das Relief von O. Pe- 
ters in Göttingen genau gezeichnet und in Leipzig mit zuweilen etwas 
zu scharfer Ausführung und einem Irrthum*) lithographirt. 

Dasselbe ist aus Marmor, dessen Art ich nicht genauer angeben 
kann, indem mir nur soviel erinnerlich ist, dass es sich nicht um jenen 
weissen Muschelstein {Xt&os ^coyxt'^s) handelt, welchen nach Pausanias 
die Megarer allein besassen^). Seine grösste Höhe beträgt 0,40, seine 
stärkste Breite 0,48, seine Dicke an der Einfassung wechselt zwischen 
0,4, 0,5, 0,6. Die Erhaltung lässt wenig zu wünschen übrig, indem 
ausser den geringen, die Erklärung des Dargestellten nicht beeinträchti- 
genden gewaltsamen Beschädigungen, über welche die Abbildung genü- 
gende Auskunft giebt, nur hie und da von einer gewissen Verwaschen- 
Histor." philolog. Classe. XX. 3. A 



2 FRIEDRICH WIESELER, 

heit der Figuren die Rede sein kann. Darstellung und Form erinnern 
zunächst an gewisse Votivreliefs mit einer Grotte und Gottheiten des 
Gedeihen gebenden SQsswassers und diesen eng verbundenen darin oder 
auch daran, zu denen auch ein erst jüngst durch Beschreibung be- 
kannt gewordenes, ebenfalls in der Sammlung des Herrn, von Saburoff 
befindliches und aus Megara stammendes gehört^). 

Auch das vorliegende Relief ist sicherlich als ein votives zu be- 
trachten. Da sich an ihm keine Spur findet, welche darauf hindeuten 
könnte, dass es durch irgend eins der bei ähnlichen Reliefs in Anwen- 
dung gebrachten mechanischen Mittel besonders befestigt gewesen wäre^), 
so hat man wohl anzunehmen, dass es in eine flache Nische von wesentlich 
derselben Grösse und entsprechender Form eingelassen war, wozu auch 
das passt, dass die Rückseite ganz unbearbeitet geblieben ist. 

Uebrigens weicht das in Rede stehende Relief von den mehr oder 
weniger ähnlichen nicht bloss hinsichtlich der figürlichen Darstellung ab, 
welche auch bei diesen hie und da wechselt, aber nie so reich an inte- 
ressanten Figuren ist, sondern — was ganz besonders beachtenswerth — 
auch in Betreff der Form. 

Während mehrere der in gegenständlicher Beziehung ähnlichen Re- 
liefs, unter ihnen namentlich auch die, welche selbst hinsichtlich der 
Form im Allgemeinen eine gewisse Aehnlichkeit haben, oben und an 
den Seiten mit einer Einfassung versehen sind, durch welche natürliches 
Felsgestein deutlich dargestellt ist, zeigt sich hier die Einfassung an den 
betreffenden Stellen nicht minder deutlich als die einer Schale der Kamm- 
muschel charakterisirt. Das ganze Werk macht durchaus den Eindruck 
einer solchen Muschelschale, deren nach unten gerichtetes Schloss hori- 
zontal abgeschnitten ist, nur dass dieselbe im Inneren nicht gewölbt, 
sondern flach und glatt ist. So viel wir uns erinnern, steht es hinsicht- 
lich der Form unter den Votivreliefs einzig da, und nicht bloss unter 
diesen, sondern unter allen erhaltenen selbständigen Marmorreliefs. Zu- 
nächst kommen ihm einige Stirnziegelreliefs aus Terracotta ^). Daran 
schliessen sich andere jüngst eindringlich behandelte Werke desselben 
und noch mehr anderen Materials, Griechische und Römische, unter 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 3 

diesen namentlich mehrere Grabdenkmäler, welche ausnahmsweise ganze 
Figuren aus dem Kreise der Götter und Verstorbenen , häufiger Porträt- 
büsten der Verstorbenen auf einer Muschelschale in Eelief zeigen^. 

In den betreffenden Beispielen hat die Muschel nicht selten sym- 
bolische Beziehung, nämlich auf Aphrodite, nicht bloss in denen aus 
früheren, sondern auch in denen aus späterer Zeit 7). Doch findet sich 
unter den nicht eben zahlreichen Beispielen aus früherer Zeit eins, in 
welchem der Kopf Silens in der Muschel vorkommt 8). Nimmt man 
also auch hier symbolische Beziehung an, so muss dieselbe eine andere 
sein. Für die spätere Zeit kommt man aber mit der Annahme symbo- 
lischer Beziehung der Muschel in der Mehrzahl der betreffenden Fälle 
nicht durch, und wir unseren Theils sind der Ansicht, dass dieser Umstand 
nicht sowohl auf Gedankenlosigkeit und Willkür beruhe, als darauf, dass 
allmälich die Muschel, entsprechend dem Schilde, ganz beziehungslos 
namentlich zu Porträtbüsten verwandt wurde. Zu dieser Annahme wird 
man wie mit Gewalt gedrängt, wenn man darauf achtet, dass an den 
Römischen Grabdenkmälern Muschelbilder und Schildbilder durchaus 
gleichstehen ^). Wie die Schildbilder ohne Zweifel auf Griechischen 
Brauch zurückgehen, so möchten wir wenigstens es nicht in Abrede 
stellen, dass Muschelbilder ohne irgendwelche Beziehung schon früher 
in Griechenland vorgekommen seien. Was das in Rede stehende Sabu- 
roff*sche Relief betrifft, so liegt es auf der Hand, dass auch für seine 
Form die Muschel , aus welcher Aphrodite hervorging , in keiner Weise 
veranschlagt werden kann. Dennoch ist es nicht unmöglich, dass bei 
ihm die Muschelform Bedeutung haben soUe. Die hinsichtlich der Dar- 
stellung zunächststehenden Reliefs zeigen als Localität in der Regel eine 
Hohle. Erinnert man sich nun daran, dass die Griechischen Worte für 
Muschel, xoyx^ und xdyxog^ zur Bezeichnung von hohlen oder gewölbten 
Gegenständen dienen, dass den Wölbungen in der Architektur die deco- 
rative Charakteristik der Muschel gegeben wird, dass endlich in Byzan- 
tinischer Zeit die muschelformig gewölbte Decke über dem Altar christ- 
licher Kirchen gradezu xoyxij heisst, so wird wenigstens gefragt werden 
dürfen, ob der muschelfESrmige Band des Saburoff'schen Reliefs, entspre- 

A* 



4 FRIEDRICH WIESELER, 

chend der Felseinfassung ähnlicher, etwa zur Andeutung einer Höhle 
dienen solle, oder ob der Künstler sich damit begnflgt habe, auf eine 
solche lediglich durch die aus dem Felsen gehauenen Sitze und das rohe 
Felsstück unten links vom Beschauer hinzudeuten. Wem jenes wahr- 
scheinlich dünkt, der wird vielleicht auch geneigt sein, die Muschel, in 
welcher sich der oben erwähnte Silenskopf befindet, als Andeutung einer 
Grotte zu fassen ^% was uns inzwischen viel misslicher erscheint. 

Es ist vielleicht nicht blosser Zufall, dass die ältesten Beispiele der 
Reliefs in Muschelform in Werken aus Terracotta bestehen. Auch das 
Original des vorliegenden, vermuthlich nicht nur in diesem einen Exem- 
plare vorhandenen, könnte aus Thon gewesen sein. Dass zu Megara. des- 
sen Landschaft sich durch die Güte seines Thons auszeichnete, viel in 
diesem Stoffe gearbeitet wurde, ist bekannt ^^). 

Die Reliefhöhe der dargestellten Figuren ist nicht durchaus dieselbe. 
Am Meisten springt die gerade in der Mitte sitzende, welche auch dem 
Range nach die Hauptfigur ist, hervor, am Wenigsten das linke Bein der 
rechts von dieser sitzenden Figur, welches kaum sichtbar wird, obgleich 
im Uebrigen diese Figur nicht zu denen von der mindesten Reliefhöhe 
gehört; dann das fackeltragende Weib links von ihr, die obere Partie der 
halbsitzenden halb liegenden Figur unten zumeist nach links vom Beschauer 
und ganz besonders die des Kopfs, oder richtiger der Maske , mit Stier- 
hörnern und Stierohren, während deren Bart naturgemäss weiter ausladet 
und die Platte, auf welcher die Maske steht oder zu stehen scheint, 
noch weiter als selbst die Figur in der Mitte. Diese Verschiedenheit 
der Reliefhöhe führt in Verbindung mit dem Umstände, dass mehrere 
Figuren ganz oder vorzugsweise von vorn dargestellt sind, zu der An- 
nahme, dass das Werk verhältnissmässi'g späten Datums sei. Wir müs- 
sen es dahin gestellt sein lassen, ob es dem vierten oder dem dritten 
Jahrhundert v. Chr. angehört. 

Die Composition ist wesentlich symmetrisch. Um die Maske auf 
dem Tische, welche den Mittelpunkt bildet, reihen sich in etwas mehr 
als einem Halbkreise anscheinend sieben vollständige Figuren, von denen 
wiederum eine, nämlich die eben schon als die vornehmste bezeichnete, 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 5 

grade die Mitte einnimmt. Dabei ist fibrigens die Symmetrie keineswegs 
eine ängstliche oder gesuchte. Obgleich die Figuren im Halbkreise vor- 
zugsweise sitzende Stellung haben, findet man doch auch eine stehende, 
eine im Sitzen sich anlehnende und eine, deren Haltung zwischen Sitzen 
und Liegen die Mitte hält. Wäre die Figur in der Mitte auch ihrem 
unteren Theile nach mehr in der Vorderansicht gegeben, ferner die Fi- 
gur rechts von der in der Mitte sitzenden auch nur ähnlich in der Vor- 
deransicht, wie die stehende links von dieser, die rechts von jener aber 
in der Seitenansicht wie die links von der stehenden, so würde nicht 
nur die Symmetrie zwischen beiden Seiten, sondern auch die Raumaus- 
füUung auf der linken eine vollständigere geworden sein. Während drei 
der sitzenden Figuren Sessel haben, die, wenn auch aus dem lebendigen 
Felsen, doch bis zu einem gewissen Grade durch Kunst hergestellt 
zu denken sind, ja für das unter jenen befindliche Weib unten rechts 
in der Ecke auch ein besonderer Fussschemel gearbeitet ist, fehlt die 
Andeutung solcher Sessel bei den beiden anderen, denen auf der Seite 
links vom Beschauer, obgleich doch bei der im Profil dargestellten männ- 
lichen Figur der Umstand, dass gar kein Sitz, selbst nicht einmal einer 
aus rohem Felsen, angedeutet ist, wenigstens auf einem Werke der Sculp- 
tur Befremden erregen kann, zumal wenn man beachtet, dass der halb- 
liegenden Figur auf derselben Seite ein Felsstück zur Unterlage gegeben 
ist. Man soll sich ohne Zweifel jene beiden Figuren als auf einem rohen 
Felsstück sitzend denken. Wenn nun hierin auch eine gewisse Incon- 
sequenz zu Tage tritt, so ist es doch keinesweges von vorn herein für 
unwahrscheinlich zu halten, dass durch die Verschiedenheit der Gegen- 
stände, auf denen die Figuren sitzen oder liegen, auch Verschiedenheit 
des Wesens und der Beziehung angedeutet werden soll. Noch klarer er- 
hellt die Bedeutsamkeit hinsichtlich der halb sitzenden , halb liegenden 
Stellung der einen Figur. Auch die Eichtung und eigenthümliche Hal- 
tung des angelehnt dasitzenden Weibes oberhalb dieser Figur werden 
schwerlich allein auf den gegebenen Kaum und dessen Ausfüllung zurück- 
zuführen sein Dass dasselbe für das Stehen der Fackel trägerin gilt, 
kann gar keinem Zweifel unterliegen. Endlich wird auch der Umstand, 



6 FRIEDRICH WIESELER, 

dass die Figur in der Mitte eich, namentlich mit dem unteren Theile 
des Körpers, nicht nach ihrer Linken sondern nach ihrer Bechten hin- 
wendet und die rechts von ihr sitzende ihr zugekehrt ist, auf einem 
besonderen Grunde beruhen. 

Die meisten Figuren sind, ausser durch Bekleidung und Attri- 
bute, auch durch die Geberde und die Bildung des Körpers, namentlich 
des Kopfes, charakterisirt. Nur in Betreff der beiden sitzenden 
Weiber findet dieses nicht statt, da die Verhüllung des Hinterkopfes 
mehreren Göttinnen zukommt and die Weise, wie die Rechte an den 
Schleier gelegt wird, ganz irrelevant ist ^^). Dieselben sehen sich, obgleich 
die Haltung des linken Armes nicht ganz dieselbe ist, im Wesentlichen 
so gleich, dass man sie für Darstellungen von Wesen ganz derselben 
Art zu halten geneigt sein könnte. Und doch liegt es auf der Hand, 
dass das nicht der Fall sein kann. Ihre Deutung wird aus der Erkennt- 
niss des Götterkreises, um welchen es sich hier handelt, im Allgemeinen 
und aus dem Platz, den sie einnehmen, im Besonderen geschöpft werden 
müssen. 

Was nun die Beziehung der Darstellung im Allgemeinen anbetrifft, 
so ist es wohl klar, dass dieselbe nicht eine Handlung, sondern eine 
Zusammenstellung von göttlichen Wesen enthält, die im Cultus ver- 
einigt waren oder ihrem Wesen und Wirken nach zusammengehörten. 

Wir betrachten zuerst die bärtige Maske mit Stierhömern und 
Stierohren in der Mitte. Es ist der Beziehung nach derselbe Gegen- 
stand, welchen wir ebenso als Maske oder auch als Kopf öfters auf den 
entsprechenden Relief dargestellt finden, welche Grotten Fans, der 
Nymphen u. s. w. zur Anschauung bringen, meist innerhalb der Grotte, 
aber auch dicht an derselben, theils mit den thierischen Hörnern und 
Ohren, einige Male auch mit dem Vordertheile des Stierkörpers, theils. 
aber seltener, in vollkommen menschlicher Bildung. Ueberall handelt 
es sich um Acheloos, den hervorragendsten und heiligsten unter den 
Flussgöttem, der von Dodona her bei allen Griechen Verehrung hatte 
und als Bepräsentant der Flüsse und alles trinkbaren Wassers galt^^). 
Während aber der Kopf oder die Maske sonst regelmässig an dem 



UEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARÄ. 7 

lebendigen Felsen angebracht oder auf rohem Gestein aufgestellt erscheint, 
erblicken wir diese hier auf einem Tische stehend. Der Tisch vertritt 
die Stelle eines Altars ^^). Daraus erhellt, dass man im Irrthum war, 
wenn man die »bärtige Maske« auf verwandten Reliefs als »Andeutung 
der Quelle« fasste^^). Sie ist vielmehr als Cultusbild des Acheloos zu 
betrachten, der als höchster Schalter und Walter über das süsse, Ge- 
deihen verleihende Wasser in den Nyraphengrotten verehrt wurde, nicht 
allein von Menschen, sondern auch von untergeordneten göttlichen und 
halbgöttlichen Wesen ^^j. Der meist roh ausgeführte Altar, welchen 
die betreffenden Reliefs ausser dem Kopfe oder der Maske, dann und 
wann auch ohne diese, zeigen, wird, wenigstens wo jenes der Fall ist, 
ebenfalls an erster Stelle dem Acheloos zuzuschreiben sein ^^). 

Die beiden im Besitz des He)rrn von Saburoff befindlichen Reliefs 
sind für den Erweis des Umstandes, dass der Kopf oder die Maske auf 
allen betreffenden Reliefs ganz dasselbe Wesen betrifft und dieses nicht 
etwa als der Flussgott der bezüglichen Landschaft, sondern als Acheloos 
zu fassen ist, von ganz besonderem Belange. Die Megaris hatte keinen 
eigentlichen perennirenden Fluss, sondern nur Giessbäche, die im Som- 
mer versiegten und vielleicht meist nicht einmal individuelle Namen 
führten ; wenigstens ist uns nur der Name eines derselben überliefert, 
des Apis oder lapis, welcher die Gränze zwischen Megaris und Attika 
bildete ^^). Dass ein solcher Giessbach nicht in einem der Köpfe oder 
Masken jener beiden Megarischen Reliefs zu suchen sein wird, liegt 
wohl auf der Hand. Dagegen ist der Cult des Acheloos für die Megaris 
ausdrücklich bezeugt, und zwar so, dass man deutlich sieht, derselbe 
habe auch den Cult der einheimischen Nymphen mit vertreten. Als der 
Tyrann Theagenes sein berühmtes Brunnenhaus anlegte, leitete er das 
von den Bergen oberhalb der Stadt Megara herab zu dem Platze Rhus 
hin fliessende Wasser in jenen Röhrenbrunnen und errichtete gewisser- 
massen zur Entschädigung und Sühne an jenem Platze dem Acheloos 
einen Altar, wie Pausanias berichtet ^^). Dieses Wasser ist gewiss das- 
selbe, von welchem der Perieget an der Stelle, wo er von dem Brunnen- 
hause besonders handelt ^^), angiebt, dass es das der Sithnides genannten 



8 FRIEDRICH WIESELER. 

Nymphen sei. Neue Forscher glauben das Wasser dieser Nymphen in 
der noch jetzt etwa achthundert Schritt von dem östlichen Burghfigel 
heifvorsprudelnden Quelle, welche sie als am Platze Bhus befindlich be- 
trachten, wiedererkennen zu können ^^). Fausanias erwähnt diese Quelle 
gar nicht besonders. Wer seine Worte an der Stelle über den Platz 
Rhus genauer erwägt, wird zugeben, dass er an mehrere, von verschie- 
denen einzelnen Stellen des Gebirges herabfliessende Quellbäche dachte. 
Dieses hiess im Allgemeinen Geraneia. Nun hören wir in der That 
durch Alkiphron^^) von »Wasserquellen« in der Mehrzahl, welche »die 
Felsen der Geraneia träufelna. Man sieht aus der betreffenden Schrift- 
stelle, dass diese Wasser allgemeinere Beachtung gefunden hatten. Es 
ist wohl unzweifelhaft, dass grade sie den Sithnides gehörten. Wahr* 
scheinlich wurde diesen auch die noch jetzt vorhandene Quelle zuge- 
schrieben. Die drei Nymphen, welche wir auf dem anderen Megarischen 
Relief des Herrn von Saburoff dargestellt finden, sind mit Sicherheit als 
jene Sithnides zu betrachten, wenn auch die Darstellung ursprünglich 
für die Athenischen Nymphen entworfen ist. Der Umstand, dass sie 
hier mit der Acheloosmaske verbunden sind, entspricht ganz ihrer Ver- 
tretung durch den von Theagenes errichteten Altar des Acheloos. Sicher- 
lich galten auch die Sithnides zu Megara wie die Athenischen Nymphen 
nach Piaton ^3j als Töchter des Acheloos. 

Die Figur, welche man grade oberhalb der Acheloosmaske in der 
Mitte der in vollständiger Gestalt vorgestellten Götter 2*) erblickt, er- 
kennt man an der Bildung des Kopfes, an der Weise der Bekleidung 
und in Verbindung damit an dem Septer, das ausser ihr keiner 
anderen Gottheit gegeben ist, auf den ersten Blick als Zeus. 

Dieser wurde in der Megaris hoch verehrt, wo er selbst als Vater 
des Heros Eponymos der Hauptstadt galt^^}. Auf dem östlichen höheren 
Hauptzuge der Geraneia stand ein Tempel des Zeus Aphesios , d. L 
des Regengebers, der hier ganz besonders in Betracht kommt^). In der 
Hauptstadt selbst war das angesehenste Heiligthum des Gt)ttes das 
Olympieion, welches in der Einsattelung zwischen den beiden Burghflgeln 
nahe dem nordwestlichen Fusse des östlichen lag^^. Ausserdem befand 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 9 

sich auf der östlichen Akropolis, welche die Karia hiess, noch ein 
anderer Tempel ^es Zeus piit dem Beinamen Konios, welcher, wenn er 
sicher steht, den Stauberreger bezeichnet und so eine Eigenschaft des 
Zeus betrifftt welche der des Aphesios gewissermassen entgegengesetzt 
iat^^). Für das vorliegende Relief ist natürlich zunächst an Zeus in 
der ihm auch als Olympios zukommenden Eigenschaft als Regengeber 
zu denken, in welcher er auch als Vater der Nymphen und Flussgötter galt. 

Die rechts von der des Zeus folgende männliche Figur kennzeichnet 
sich durch die trotz der sonstigen Verwaschenheit des Kopfes doch 
deutlich wahrnehmbaren Bockshörner über der Stirne des normal ge- 
bildeten Menschengesichts bei auch sonst vollkommener mj?nschlicher 
Bildung als Fan. Zu diesem passt auch besonders gut der Stab, auf 
dessen oberes Ende die Figur in gemachlicher Ruhe beide Hände legt; 
wenn auch das untere Ende nicht zum Vorschein kommt, also unent- 
schieden bleibt, ob ein eigentliches Pedun^ gemeint sei oder eine Keule 
mit dünnem Stiele oder eine Art von langem Knotenstock; denn auch 
dieser steht dem Fan zu, welcher nicht nur Hirt und Jäger, sondern 
auch eiliger Bote und wirksamer Geleiter ist ^^). Die Ohren sind durch 
das Haar verdeckt. Man hat sich dieselben also als verhältnissmassig 
klein, als oben gespitzt oder als vollkommen menschlich zu denken ^^). 
Auch ein Schwänzchen könnte durch das Gewand den Augen des Be- 
schauers entzogen sein; doch soll es von diesem vermuthlich gar nicht 
yprausgesetzt werden 3^). Die ver^ältnissmässig kräftige und muskulöse 
Körperbildung entspricht wesentlich derjenigen, in welcher uns der 
jugendliche Fan auf Arkadischen, Sicilischen und unteritalischen Münzen, 
so wie in einigen Marmorsculpturen entgegentritt. Dass für den mensch- 
lich gestalteten ein Zeuggewand, welches selbst bei dem halbthierisch 
dargestellten vorl^ommt, besonders gut pi^st, bedarf ^aum der Bemer- 
kung ; eher etwa der Umstand , d^s jenes trotzde^ auf Marmorwerken 
grade bei solchen Fansfiguren nicht gefunden wird un4 dem Fan in 
dem vprliegendeQ Falle vermuthlich auch deshalb gege:be9 ist, um 
ihn als 4en übrigen in Menschengestalt ^vgesteütfin Gottheiten gleich- 
artig zu bezßichnen ^). 

Histor.-phüol Glosse. XX. 3. B 



10 FRIEDRICH WIESELER, 

Für die Megaris ist uns der Cult Pans von Seiten der Schriftsteller 
nicht ausdrücklich bezeugt. Indessen fehlt es nicht au einer Schrift- 
stelle fiber ein Bild Pans in der Landschaft, welches diesen» dessen 
Verbindung mit Zeus uns namentlich aus Arkadien bekannt ist^^), als 
auch in der Megaris dem höchsten Gott gesellt bekundet: wir meinen 
die, in welcher Pausanias berichtet, dass sich auf der Höhe der Oeraneia, 
wo der Tempel des Zeus Aphesios stand, Bilder der Aphrodite, des 
ApoUon und des Pan befanden ^^). Hier war Pan sicherlich zunächst 
nur als Berggott aufgestellt; auch Aphrodite und ApoUon wurden be- 
kanntlich auf Höhen verehrt. Auf dem vorliegenden Relief erscheint 
Pan ohne Zweifel vorzugsweise wegen seiner Beziehung zu dem Sfiss- 
wasser und dessen Repräsentanten s^. Diese bestehen aber in der Me- 
garis hauptsächlich in Bergwassern. Dass Pan in der Megaris wie an- 
derswo in Griechenland als an den Quellgrotten hausend gedacht wurde, 
erhellt aus dem anderen, oben erwähnten Saburoffschen Relief. In Ver- 
bindung mit Zeus finden wir ihn aber neben Repräsentanten des Sflss- 
wassers nur noch einmal: auf einem im Britischen Museum aufbewahrten 
Relief aus späterer Zeit, dessen Herkunft leider nicht bekannt ist^^). 

Wie wichtig die Darstellungsweise Pans auf dem vorliegenden Re- 
lief ffir die Kunstmythologie in historischer Hinsicht ist, haben wir an- 
derswo dargelegt 57J. 

Indem wir jetzt zunächst zu den mit Attributen versehenen Fi- 
guren auf der rechten Seite fibergehen, wird es zweckmässig sein, mit 
der sitzenden männlichen zu beginnen. 

Diese bärtige, bekränzte, mit langem Chiton und darüber geschla- 
genem Himation bekleidete Figur hält in der Hand des ausgestreckten 
rechten Arms eine Schale , im linken Arm ein Füllhorn ; denn an ein 
solches, nicht aber an ein Trinkhom, wird man doch zu denken haben, 
trotzdem dass die entscheidende Zuthat der dem Hörn entquellenden 
Früchte oder Blumen nicht vorhanden ist. 

In Hinsicht auf die Bekleidung und das Attribut des Füllhorns 
wird nun Mancher vielleicht geneigt sein, die Figur auf den Zeus Ghthonios 
oder Pluton zu beziehen, dem ja wiederholt im Gegensatz g^en den 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 11 

oberweltlichen Zeus ausser dem Himation der Chiton gegeben wird und 
nach dem Dafürhalten eines namhaften Alterthumsforschers grade »ein 
Füllhorn, das seinen Inhalt verbirgt, nicht oben vordringen lässt.a be- 
sonders zusteht. Aber auf diesen Umstand ist sicherlich nichts zu 
geben ^^). Was soll ferner die Schale, die, da sie nur dieser Figur zu- 
getheilt ist, offenbar eine besondere Bedeutung hat, nicht aber das ge- 
wöhnliche Zeichen einer Gottheit des Cultus ist, der allerdings dem 
Pluton nicht abgesprochen werden kann ^^)? Wenn nun auch der Kranz, 
insofern als derselbe für einen Myrtenkranz gehalten werden kann, für 
einen Pluton wohl passen würde *0) , so spricht doch gegen diesen, abge- 
sehen von dem vielleicht jetzt nicht mehr in Betracht kommenden Um- 
stände, dass von einem Cult dieses Gottes zu Megara bisher keine 
Spur nachgewiesen ist*^), der noch schwerer ins Gewicht fallende, dass 
er in keiner unmittelbaren Beziehung zu dem Sflsswasser steht. 

So wird man etwa an Dionysos denken wollen; und es läast sich 
in der That nicht leugnen, dass für diesen sich Mehreres sagen lässt. 
Zuvörderst gehörte er nicht allein zu den Göttern, deren Verehrung für 
Megara bezeugt ist ^^), sondern er stand auch in dem engsten Verhältniss 
zu dem Leben und Gedeihen spendenden Wasser und den Gottheiten, 
welche sich unmittelbar auf dieses beziehen "^3] . Dann passt auch die 
Gewandung, da grade der bärtige Dionysos besonders oft mit dem langen 
Chiton vorkommt, sowie die Bekränzung, namentlich wenn man sie als 
in Lorbeer bestehend betrachtet. Anders aber steht es mit den beiden 
wichtigeren Attributen, Füllhorn und Schale. Jenes konnte dem Dionysos 
recht wohl gegeben werden, ist indessen in den Bildwerken, die auf 
uns gekommen sind, bei demselben mit Sicherheit nur ausserordentlich 
selten nachzuweisen**). Was die Schale betrifft, so könnte man etwa 
sagen, dass sie neben dem vegetabilischen Segen, auf welchen sich das 
Hörn bezieht, noch ganz besonders das durch künstliche Bereitung her- 
gestellte Nass andeuten solle, welches als die vorzüglichste Gabe des 
Gottes betrachtet wurde. Doch wäre das immer eine Art von Tautologie, 
da man ja die Andeutung dieser Gabe in Form einer Traube gewiss 
nicht weniger als die anderer Früchte in dem Füllhorn vorauszusetzen hat« 

B* 



12 FRIEDRICH WIESELER, 

In der That ist es grade diese Schale neben dem Füllhorn und die 
Art und Weise wie sie gehalten wird , welche uns in Verbindung mit 
dem Umstände, dass wir für den Dionysos eine, wenn auch bärtige, dodi 
blühendere und jugendfrischere Gestalt beanspruchen möchten, veranlasst, 
an ein anderes göttliches Wesen zu denken, welches übrigens dem Dio- 
nysos ausserordentlich nahe steht ^^). 

Wir wissen, dass Euphranor eine statuarische Darstellung des Bonus 
Eventus, d. i. des Griechischen Daimon Agathos oder Agathos Dai- 
mon, wie man später sagte, verfertigte, welche in der Rechten eine Schale, 
in der Linken eine Aehre und Mohnstengel hielt ^. Dieselben Attri- 
bute findet man auch in den späteren Darstellungen dieses Wesens nicht 
selten ^^). Dagegen tritt uns Agathos Daimon inschriftlich bezeugt auf 
einem Attischen Relief, mit Wahrscheinlichkeit auch auf einem Vasen- 
bilde in der Bildung eines bärtigen Greises mit langem Chiton und Hi- 
mation ein Füllhorn im linken Arme haltend entgegen ^^). Bärtig, aber 
bis auf ein leichtes über die Arme geschlagenes Gewand nackt, steUt ihn 
Vermuthlich ein geschnittener Stein mit Füllhorn im linken Arme und Schale 
in der rechten Hand dar ^^). Auch andere spätere Bildwerke zeigen den ju- 
gendlichen, meist nur mit einem Obergewande, nie auch mit einem Unterge- 
wande bekleideten Bonus Eventus mit dem Füllhorn im linken Arm und 
der Schale in der rechten Hand. Dass das Füllhorn habituelles Attribut 
des Agathos Daimon war, bezeugt Comutus^^). Während es sich ohne 
Zweifel auf das Verleihen tellurischen Segens bezieht, ist das Attribut der 
Schale minder klar. Fest steht inzwischen, dass sie nicht zur Entgegennahme 
einer Spende dienen soll. Sie kann nun entweder eine Spende von 
Seiten des Agathos Daimon, oder die Austheilung der Gaben desselb^ 
andeuten. Dass Schutzgottheiten spendend dargestellt werden, ist nichts 
Seltenes ^^). Doch kennen wir keine Darstellung, durch welche das Spen- 
den für den Ag, Daimon unseres Reliefs sicher bezeugt w&re^). Wohl aber 
giebt es mehrere, welche der anderen Auffassungsweise das Wort reden. 
Als die Gabe, welche zunächst durch die Schale bezeichnet wird, kann 
man aber schon nach dem oben über die Schale neben dem Füllh(Hm 
Bemerkten nicht etwa geneigt Sein, sich den ungemischten Wein zu 



UEBER EIN VOTIVRELBE*' AUS MEGARA. 13 

denken, dessen Trunk als Beweis der Macht des guten Gottes betrachtet 
wurde ^^). Diese Erklärungsweise ist auch deshalb nicht zulässig , weil 
sie auf alle diejenigen Fälle nicht passt, in welchen keine zur Aufnahme 
Ton Wein geeignete, sondern eine flache Schale deutlich dargestellt ist ^). 
Ja es fehlt nicht an Bildwerken, die auf der vom Bonus Eventus hinge- 
haltenen Schale oder Platte Früchte liegend zeigen 55^. Das kann für 
die Beziehung der Schale nicht etwa nur als Ausnahmsfall betrachtet 
werden. Im Gegentheil wird man sagen wollen, dass, wie das Füllhorn 
manchmal, so die Schale meist ohne Andeutung des Inhaltes dargestellt 
ist. Die Darstellung des Hinhaltens der Schale genügte zur Andeutung 
des Umstandes, dass man sich eine Gabe auf derselben zu denken 
habe. Ein Wesen wie Agathos Daimon konnte man sich ja nicht leere 
Schalen darbietend denken. Nicht selten findet man den Bonus Eventus 
ohne Schale in der Bechten, den Gegenstand, welchen er verleiht, un- 
mittelbar mit dieser Hand fassend ^^). Die Schale steht also im engsten 
Zusammenhange mit dem Füllhorn. Dieses bezeichnet den ganzen un- 
erschöpflich reichen Segen, über welchen die Gottheit zu schalten 
hat; die Schale bezieht sich auf einen Theil dieses Segens, der an 
Sterblich^ verliehen wird 5^). 

Die Bekränzung wird man gewiss nicht g^en den Agathos Daimon 
veranschlagen wollen, wenn dieselbe auch auf den wenigen zunächst- 
stehenden bildlichen Darstellungen fehlt ^^) und es schwer halten dürfte, 
eine genauere Bestimmung und Erklärung des Kranzes mit Sicherheit 
zu geben ^^). Ebenso wird man schwerlich einen Anstoss daran nehmen, 
dass uns der Cult des Agathos Daimon für die Megaris nicht ausdrück- 
lich bezeugt wird, zumal da derselbe für das benachbarte und beein- 
flussende Attische Land feststeht und der Cult der Tyche in Megara 
nicht fehlt«o). 

Fragt man endlich noch, wie dieser Gott in eine Keihe von Gott- 
heiten kam, die zu dem Süsswasser in Beziehung stehen, so geben wir 
Vohl die einfachste und befriedigendste Antwort durch die Erinnerung 
an das Gebet Varro's: nee non deam precor Lympham ac Bonum Even- 



14 FRIEDRICH WIESELER, 

tum« quoniam sine aqua omnis arida ac misera agricultura, sine successa 
ac Bono Eventu frustratio est, non cultura^^]. 

Wenden wir uns jetzt zu den beiden Frauengestalten, welche neben 
der männlichen mit dem Fallhorn dargestellt sind, so würden wir, wenn 
in dieser Pluton oder Dionysos zu erkennen wäre, in Betreff jener zu- 
nächst an Demeter und Kora zu denken haben ^^). Nun aber, da wir 
in der männlichen Figur den Agathodämon erkennen müssen, stellt sich 
die Sache schon von vornherein ganz anders. Wir haben für die Er- 
klärung des Weibes, welches links von diesem sitzend dargestellt ist, we- 
sentlich nur den Platz, welchen es einnimmt, zu veranschlagen, während 
bei der Deutung des anderen Weibes ausser den mehr als eine Be- 
ziehung zulassenden Fackeln noch einige andere Umstände massge- 
bend sind. 

Was nun den Platz des an erster Stelle erwähnten Weibes be- 
trifft, so kommt hinsichtlich desselben ein Doppeltes in Betracht, näm- 
lich dass das Weib unten in der Ecke des Reliefs und dass es grade 
neben dem Agathos Daimon sitzt. Ein solcher Platz unten ist auf Grie- 
chischen Werken, namentlich den Vasenbildern, nicht selten den Figuren, 
welche das Local repräsentiren , gegeben ^3). Danach könnte man etwa 
an die Repräsentantin der Stadt oder des Landes Megara denken. Dass 
diese auch so wie die betreffende Figur dargestellt werden konnte, un- 
terliegt keinem Zweifel ^^). Indessen werden wir weiter unten einer an- 
deren Figur oder gar zweien begegnen, die als Localbezeichnungen zu 
fassen sind, aber viel wesentlicher in die Darstellung gehören. Auch 
deshalb wird es zweckmässig sein, einen anderen W^ zur Erklärung 
einzuschlagen, der ausserdem ein noch näher liegender ist. Da die 
Figur zur Seite . des Agathos Daimon und , ebenso wie dieser , sitzend 
dargestellt ist, wird man seine Genossin Agathe Tyche zu erkennen 
haben; auch ganz abgesehen davon, dass Tyche zu Megara ein Heilig- 
thum hatte 6^). Dass auf diese die Bekleidung vollkommen passt, bedarf 
keines Nachweises ^^). Eher könnte man an dem Fehlen der habituellen 
Attribute der Tyche Anstoss nehmen. Aber derselbe Umstand findet 
sich auf dem schon oben erwähnten Attischen Relief, welches Agathos 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 15 

Baimon und Agathe Tyche neben einander stehend vorstellt. Da beide 
Wesen in innigstem Zusammenhange standen, so hat man sich begnügt, 
das eine, und zwar das männliche, durch die beiden gemeinsamen habi- 
tuellen Attribute zu bezeichnen ^7), 

Die weibliche Figur mit den Fackeln kann in Betracht dieser — 
um anderer ferner liegenden Möglichkeiten zu geschweigen — entweder 
als Kora^^) oder als Artemis (bezw. Hekate oder Selene) gefasst werden. 

Kora konnte allerdings recht wohl mit Agathos Daimon und Agathe 
Tyche verbunden werden ^^). Aber es sieht gar nicht so aus , als ob 
das fackeltragende Weib mit den beiden sitzenden Gestalten an der 
linken Seite des Reliefs eine engere Gruppe bilden sollte. Kora wflrde 
femer an sich viel besser in die Darstellung passen als Fluten ^O). 
Allein es wOrde sehr befremdlich sein, wenn nur sie, nicht auch 
Demeter dargestellt wäre, zumal auf einem Megarischen Relief, da De- 
meter grade im Culte zu Megara so hoch stand, dass bei Fausanias nur 
sie, nicht auch die Tochter, erwähnt wird 7*). 

Ganz anders verhält es sich mit der Artemis. 

Wir finden diese nach Fausanias als Soteira in der S'tadt Megara, 
so wie in der zur Landschaft Megaris gehörenden Stadt Fegae (Fagae) ^^) ; 
als Agrotera neben Apollon Agraios in der Stadt Megara 7^) imd, ohne 
weiteren Beinamen, in einem ebenda belegenen Heiligthume verehrt, 
welches auf Agamemnon zurückgeführt wurde ^^). Der letzten Artemis 
steht zunächst die Iphigeneia, der Sage nach Agamemnons Tochter, 
deren Heroon in der Stadt Megara war. Hesiod hatte gedichtet, dass 
Iphigeneia nicht gestorben, sondern nach dem Willen der Artemis He- 
kate sei; nach Herodot erklärten die Taurer selbst, die Jungfrau, wel- 
cher sie die Schiffbrüchigen opferten, sei die Jungfrau Iphigeneia, Aga- 
memnons Tochter 7^). Dasselbe gilt von der IphinoS, der Tochter des 
Gründers der Stadt und des Heiligthums der Artemis Agrotera und des 
Apollon Agraios, Alkathoos, bei deren Grabe in M^ara die Mädchen 
vor der Hochzeit Spenden und Haaropfer darbrachten, wie auch die 
Töchter der Delier einst der Hekaerge und Opis zu Ehren sich das 
Haar abschnitten ^^j. Die Artemis , deren Tempel von Agamemnon ge- 



16 FRIEDRICH WIESELER, 

gründet sein sollte, ist. wie die Iphigeneia, mit der Tauropola un4 
Hekate zusammenzustellen. Sicherlich ist die betreffende Artemis nicht 
verschieden von der Orthosia, über welche wir durch ein Epigramm hören ^« 
Von Megara her ward Artemis unter dem Beinamen Orthosia auch In 
Byzanz verehrt. Hier hatte sie als solche einen eigenen Tempel 7^}. 
Das wird auch in Megara der Fall gewesen sein, und so dürfen wir 
wohl den oben erwähnten Tempel der Artemis ohne besonderen Beinamen 
als den der Orthosia betrachten« Dagegen spräche nicht die Verehrung 
an anderen Stätten, welche man nach dem Epigramm angenommen hat, 
selbst wenn dieses mit Recht geschehen wäre 7^). Wenn der Verfasser 
des Epigramms bezüglich der von ihm erwähnten Artemis von dem 
Fackelattribut ganz schweigt, so lässt sich daraus wohl schwerlich der 
Schluss ziehen, dass sie dieses in der That entbehrt habe. Jedenfalls 
war auch sie Mondgöttin und Wassergöttin. Beide Eigenschaften hatte 
aber auch die Artemis Soteira. Dass diese als Mondgöttin galt, erhellt 
nicht bloss aus dem in der Legende berichteten Umstand, dass die Göttin 
bei dem Einfall eines Streifcorps der Perser Nachtdunkel bewerkstelligt 
habe^^). Für ihre Beziehung zum Wasser spricht, wenn wir uns nicht 
täuschen, der Umstand, dass sie zu Fegae, der Quellstadt, verehrt 
wurde 8^) und auch das doch sicher ihr gehörende Heiligthum in der 
Stadt Megara, in welchem ihr von Strongylion verfertigtes Erzbild stand, 
nicht fem von dem berühmten Quellgebäude des Theagenes lag. 

Nun kennen wir das eherne Bild der Artemis Soteira, welches 
nach Fausanias von Strongylion für den Tempel zu Megara gearbeitet und 
für den zu Pagae in ganz gleichem Schema wiederholt wurde, durch 
Münzen von Megara und von Pagae. Es zeigt uns die Göttin mit je 
einer Fackel in den Händen , aber in der hochaufgeschürzten Tracht 
und mit Kothumen, nach rechts ausschreitend mit vorgesetztem linken 
Beine 82). Aus dem Schweigen des Periegeten über das Vorhandensein 
cdnes zweiten Bildes der Artemis Soteira zu Megara folgt aber mit 
nichten, dass ein solches fiberall nicht dagewesen sei, namentlich eins 
von dem Aussehen der fackelhaltenden Figur auf dem in Bede stehen- 
den Relief. D^ese macht ganz den Eindruck eines Gultusbildes ^^). Auch 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 17 

das von Strongylion herrQhrende Bild kann allerdings ein solches ge- 
wesen sein. Allein das verschlägt durchaus nichts. Da Pausanias das 
betreffende Heiligthum zu Megara als „alt" bezeichnet und nach dem 
von ihm Berichteten auch sonst noch wahrscheinlich ist, dass jenes schon 
vor dem zweiten Perserkriege vorhanden war 84), so wird doch schon vor 
Strongylion ein Cultusbild dagewesen sein. Diente also das Werk die- 
ses Erzgiessers zu Cultuszwecken , so haben wir sicherlich den öfters 
vorkommenden Fall jüngerer Umgestaltung des alten Cultusbildes 85) 
vorauszusetzen. Weiter wQrde dann anzunehmen sein« dass der Ver- 
fertiger unseres Reliefs, da dieser sicherlich nicht vor Strongylion lebte, 
das ältere Bild entweder seiner grösseren Heiligkeit wegen oder deshalb 
nachbildete, weil in Votifreliefs ähnlicher Beziehung, die aus der Zeit 
vor Strongylion stammten, das ältere Bild zur Darstellung gebracht war. 
Freilich mögen auch die Cultusbilder der Orthosia und der Agrotera 
das Fackelattribut gehabt haben; aber diese — auch das der Orthosia, 
welche in dem vorerwähnten Epigramme ausdrücklich als ,, pfeilfrohe'' 
bezeichnet wird — waren gewiss ausserdem mit Bogen und Pfeil ver- 
sehen. 

Wenn es hienach recht wohl möglich erscheint, dass das in Rede 
stehende Bild auf Artemis Soteira zu beziehen sei, so wird doch durch 
die obige Annahme schwerlich in vollkommen genügender Weise erklärt 
werden können, warum der Urheber des vorliegenden Reliefs nicht viel- 
mehr das berühmte Bild Strongylions wiedergab, welches doch dem Stile 
nach zu dem übrigen Figuren viel besser passte. In der That macht 
der eben angedeutete Umstand der Stilverschiedenheit eine bedeutende 
Schwierigkeit, wenn man glauben soll, dass die fackeltragende Gottheit 
den sechs anderen im Halbkreise dargestellten wesentlich gleichstehe. 
Es fehlt allerdings nicht an Reliefs mit Figuren von verschiedenem 
Stile ^^). Dass aber das vorliegende in dieselbe Kategorie gehöre , hat 
unseres Erachtens keine Wahrscheinlichkeit. Man wird also wohl an- 
nehmen müssen, dass die Figur nicht eigentlich zu den sechs anderen 
im Halbkreise dargestellten gehört, dass sie als das Idol der an dem 
dargestellten Orte zugleich mit Acheloos verehrten Artemis zu betrachten 
Hist-philolog. Glosse. XX. 3. C 



18 FRIEDRICH WIESELER, 

ist, während die anderen sechs GOtterfigoren nicht eigentliche Coltos- 
bilder sind. 

FOr diese Annahme spricht anch das niedrige Belief der Figur, 
welches anf eine Stelle im Hinteigrunde hindeutet, woffir auch der 
Umstand angeführt werden kann, dass keine andere Figur durch eine 
neben ihr befindliche so stark verdeckt wird wie Artemis durch den 
Daimon Agathos. Wenn Jemand einwenden wollte, dass der Verfertiger 
des Reliefs besser gethan haben würde, das Cultusbild grade mitten 
zwischen die sechs anderen Figuren zu stellen, so ist dagegen zu sagen, 
dass er gewiss dem Zeus jenen Platz mit Absicht gelben hat, nament- 
lich auch deshalb, weil er ihn als mit Fan in einer engeren Gruppe 
vereinigt darstellen wollte. Dieser Umstand, der erst jetzt sich mit 
grösserer Klarheit herausstellt, da man nach der Richtung des Gesichtes 
Fans auch auf eine nähere Beziehung dessen zu Artemis, wie sie sonst- 
her zur Genüge bekannt ist s^), schliessen könnte, ist um so wahrschein- 
licher und beachtenswerther, als wir schon eine engere Gruppe von je 
zwei im Halbkreis angebrachten Figuren kennen gelernt haben und 
bald wiederum eine solche anzuerkennen haben werden. Damit hängt 
es auch zusammen, dass der Verfertiger des vorliegenden Bildwerks 
den unteren Theil der Figur des Zeus (welchen er übrigens auch des- 
halb im Profil ausführte, weil bei einer Darstellung in der Vorderan- 
sicht das Relief zu hoch geworden sein würde) nach dem Fan hin- 
richtete. Allerdings hätte das Cultusbild durch ein besonders ausge- 
führtes Postament noch deutlicher bezeichnet werden können; aber unum- 
gänglich nöthig war das nicht ^^) ; auch hatte der Künstler wohl seine 
Gründe, die betreffende Figur nicht kleiner darzustellen, wodurch 
die Gomposition an Ebenmässigkeit verloren haben würde. Dass 
Artemis-Hekate und Selene auch sonstwo in Grotten verehrt wurden, ist 
bekannt ^^). 

Betrachten wir jetzt die halbsitzende, halbliegende unbärtige jugend- 
liche männliche Figur unten zumeist nach links, so würde dieselbe, wenn 
es sicher stände, dass sie einen der angeseheneren Götter der Megaris 
darstellen solle , nur auf AppoUon oder auf Dionyses bezogen werden 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS ME6ARA. 19 

können. Allein gegen- beide, nmmentlich gegen den ersteren, würden 
sich schon in Betreff der Dmrstellungsweise die gewichtigsten Bedenken 
erheben. Zndem spricht der Plata, welchen die Fignr einnimmt, fftr ein 
Wesen ganz anderer Art, n&mlich eine Localgottheit, nnd auf diese passt 
auch der aufschauende Blick, wenn derselbe nicht etwa pur auf eine 
der dargestellten Figuren besonders gerichtet sein soll, so wie die halb- 
liegende Stellung vortrefflich. So denkt man wohl zunächst an einen Be- 
prfisentanten des Berges, an welchem sich die Grotte befindet, oder eines 
Wassers, welches der Gegend angehört und von dem Berge herabströmt, 
vielleicht des Berg- und Bergwassergottes zugleich. Dass ausser dem 
Acheloos auch noch ein Wassergott dargestellt werden konnte, zeigt eine 
Abtheilung des Bildwerks an ' dem uns aus Fausanias bekannten Altar 
des Amphiaraos zu Oropos^^). Einem solchen Wesen steht auch die 
Behandlung des Haares und des Kopfes flberhaupt, so wie die Bekleidung, 
welche wir an der betreffenden Figur unseres Reliefs finden, wohl an^^}. 
Ein Berggott, welcher fliessendes Wasser entsendet, lässt sich nun in 
der That fOr die Landschaft Megaris nachweisen: der jener Berge 
über der Stadt Megara , von denen Fausanias berichtet , • dass das 
von ihnen herabfliessende Wasser dem Flatze Rhus den Namen ge- 
geben habe^^). 

Was schliesslich das Weib anbetrifft, welches oberhalb der eben 
besprochenen männlichen Figur angelehnt und nach rechts geneigt da- 
sitzt, so ist dasselbe so dargestellt, dass an ein mit Fan besonders eng 
verbundenes Wesen nicht wohl gedacht werden kann. Dag^en machen 
Platz und Richtung der Figur eine Zusammengehörigkeit von ihr 
und jener männlichen wahracheinlich. Diese Annahme empfiehlt sich 
auch dadurch, dass sie uns auf dieser Seite des Reliefs eine in 
ähnlicher Weise enger verbundene Gruppe bietet, wie wir sie auf 
der anderen grade gegenüher und dann wiederum in der Mitte erkannt 
haben. 

Wenn nun ein zu dem Beiggott ganz besonders passendes , mit ihm 
in der engsten Verbindung stehendes Wesen des specifisch Megarischen 
Mythus und Cultus zu suchen ist, so wird man keine besondere Mfihe 

C* 



20 FRIEDRICH WIESELER, 

haben ein solches zu finden. Keins passt offenbar so, wie eine Reprä- 
sentantin der Sithnidischen Nymphen. Dass für eine solche 
das Sitzen in der erwähnten Haltung oberhalb des halbliegenden Grottes 
des Berges, von welchem das Wasser herabfliest, sehr wohl veran- 
schlagt werden kann, bedarf keiner weiteren Bemerkung. Die voll- 
ständige Bekleidung entspricht durchaus dem Griechischen , namentlich 
Attischen Gebrauch. Auch die Verhüllung des Hinterhauptes kann 
keinen Anstand erregen, da sie bei jungfräulichen Gottheiten mehrfach 
gefunden wird, ohne dass sie eine besondere Beziehung hätte ^^), und 
derjenige, welchem die betreffende Figur als nicht jungfräulich erscheinen 
sollte, eben an jene Sithnis denken könnte, die der Sage nach von Zeus 
Mutter des Megareus war; wie denn in der That die Annahme, grade 
jene sei hier berücksichtigt, auch an sich Vieles für sich hat 

Dass auch sonst Berggott und Bergnymphe zusammen dargestellt 
sind, ist bekannt ^^). 



Anmerkungen. 

*) Der Lrrthum des Lithographen betrifft das, was hinter dem rechten Unter- 
beine Pans zum Vorschein kommt. In dem Gypsabgusse ist nur das linke Knie, 
welches der unterhalb des rechten Unterbeins zum Vorschein kommenden Partie des 
linken Unterbeins naturgemäss entspricht, zu erkennen. 

1) Vgl. Pausanias I, 44, 9, auch Hesychios u. d. W. iTon^ffc, und H. Bein- 
ganum „Das alte Megaris", Berlin 1825, S. 40 fg. 

2) Von den betreffenden Reliefs sind einige nebst einem Vasenbilde, das 
einen bärtigen Kopf an der Spitze eines Felsens zeigt, abbildlich mitgetheilt und 
behandelt in Panofka's Aufsatz „Ueber den bärtigen, oft hermenähnlich gestützten 
Kopf der Nympfenreliefs*' (Abhandl. der Akad. der Wissensch. zu Berlin, Jahrg. 
1846); dann hat Ad. Michaelis die ihm bis zum J. 1863 bekannt gewordenen in 
der den Annali d. Inst. arch. Vol. XXXV, p. 292 fg. einverleibten gediegenen Ab- 
handlung: n dio Pan colle Ore e con Ninfe su rilievi TOtiyi greci, zusammenhän- 
gend besprochen. Einzelne entweder übersehene oder neu aufgefundene sind yer- 



UEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 21 

zeichnet von Schöne „Griech. Reliefs aus Athen« Sammlungen" S. 58, Matz im Bull, 
d. lust. arcb. 1870, S. 68 und in den Götting. geh Anz. 1873. S. 334, endlich in 
meinem „Arch. Bericht" S. 28. Hierher gehört auch wohl das „Bruchstück eines 
Votifreliefs an Fan und die Nymphen" im Häuschen hinter dem Erechtheion, bei 
Heydemann „Die ant. Marmorbildwerke zu Athen" n. 533 und das allerdings etwas 
abweichende Basrelief votif de style grec archaique, tres-degrade bei Fröbner Notice 
de la sculpt ant. du Louvre Vol. I, n. 289, wo die petite elevation doch wohl als 
der rohe Altar (wie die „verhältnissmässig kleine Erhöhung" auf dem von Schöne 
a. a. 0. beschriebenen Relief zu Rovigo) und die tete de taureau über dem orifice 
einer fontaine an einem rocher als die Acheloosmaske zu fassen ist. Ueber zwei 
der schon früher bekannten, in der Epborie der Alterthümer im Gultusministerium 
aufbewahrten Reliefs kann jetzt auch Heydemann n. 737 und 779 verglichen 
werden. 

3) üeber Aufstellung und Befestigung von Votifreliefs aus Stein ist in neuerer 
Zeit wiederholt gehandelt, vgl. Kekule „Die ant. Bildw. im Theseion zu Athen" n. 1 92, 
Schöne a. a. 0. S. 37, Matz a. a. 0. S. 347, Heydemann a. a. 0. zu n. 554 und 
737, auch meine Bemerkungen in den Götting. Nachrichten 1873, S. 531 und 1874 
S. 607 fg. 

4) Der Form nach steht am Nächsten das von Schöne a. a. 0. Taf. XXVHI^ 
n. 117 abbildlich mitgetheilte Relief. 

5) Von den betreffenden Stirnziegeln sind mir augenblicklich nur vier mit je einem 
Kopf verzierte erinnerlich, von denen das längst bekannte Paar früher dem Vicomte 
de Beugnot gehörte, der dritte im K. Museum zu Berlin und der vierte im Museum 
Fol zu Genf sich befinden. Ueber das an erster Stelle erwähnte Paar berichtet 
J. de Witte Descr. de la collect, d'antiquites — Beugnot p. 97 fg., n. 231: Antefixe. 
Au milieu d'une espece de coquille on voit une tete de Silene barbu u. s. w. und 
p. 98, n. 232 : Antefixe. Au milieu d'une espece de coquille est une tete de femme 
de fage, omee d'un diademe u. s. w. Das Berliner Exemplar, aus Caere stammend, 
mit einem weiblichen Kopf, „eingebettet in einer breiten muschelformig verzierten 
Umrahmung^', ist besprochen und herausgegeben von Adler in der Arch. Ztg. 1871, S. 1 fg. 
u. Taf. 41. Das vierte Stück ist abbildlich mitgetheilt in dem eben erschienenen Werk: 
Le Musee Fol, T. I, pl. XXI. Im Texte p. 47 wird freilich nicht gesagt, dass es 
sich um einen Stimziegel handele, wohl aber, dass die dargestellte tete est repre- 
sentee comme encadrSe dans une coquille marine. Zu diesen eigentlichen Stirn- 
ziegeln halte man das von J. de Witte Notice sur les vases peints et ä reliefs 
du Mus. Napoleon DI, n. 33, S. 285, verzeichnete petit vase a goulot et ä une anse, 
en forine d'antSfixe appliqu^ sur une coquille. Une tete de Venus entouree de 
fleurs et de; feuillages dScore l'ant^fixe. Es fehlt zudem nicht an nahestehenden 



22 FRIEDRICH WIESELER. 

StirnziegeiH , deren EinfiiBBiiiig jedoch nicht dentlicfa auf eine MoachelaclMla 
hinweist. 

6) S. Stephani Comte rendn de la comm. imp. arch. de St Petenboaif poar 
1870 et 1871, namentlich p. 129—140. 

7) Auch der weibliche Kopf an den Tier erwähnten StimziegeUi ist wohl anf 
Aphrodite zu beziehen, deren Kopf auch sonst an jenen yorkommt, Tgl. Gampana 
Ant. op. in plast. taT. XI, J. de Witte Cat Durand n. 1746 {g.y wie denn auch an 
einem Stimziegel Venus und Eroten in ganzen Figuren angebracht sind, Tgl. Gompte 
rendu p. 1870. 1871, Tal III, n. 8. Der im Mus. Fol wird schon im Text p. 47 
dieser Göttin zugesprochen. 

8) Der in Anm. 5 erwähnte Mher Beugnot'schen Stirnziegel, nach de Witte 
a. a. 0.« dessen Angabe Stephani a. a. 0. p. 139, A. 1 sicherlich aus ungenfigeudem 
Grunde im Frage stellt 

9) An dem Gebäude auf dem Monumente der Aterier in den Mon. ined. d. 
Inst. arch. V, t. 8 findet man eine Musdiel mit einer Mädcbenbfiste darin, inmitten 
sweier Ton je einem Kranz umgebenen Medaillons mit Kinderbüsten. — Ueber 
Schildbilder: 0. Jahn Die Lauersforter Phalerae S. 8 fg., G. Friederichs Berlins 
ant. Bildwerke I, n. 838, J. Marquardt Rom. PriTatalterthfimer I, S. 248 fg. Neben den 
sahlreicberen runden oder auch OTalen Schildbildem finden sich auch solche in der 
Form der Pelta. Ein interessanter selbständiger dipeus mit der Porträtbuste des 
Claudius Drusus in Clarac*s Mus. de sculpt. II, pl. 162, n. 322 ist unten ähnlich 
abgeschnitten und zum Aufsetzen eingerichtet, wie die in Anm. 6 erwähnten Stirn* 
Siegel und das in Bede stehende Saburoff'sche Marmorreliefl 

10) Dass Silen ein Wasserwesen ist und in Grotten haus't und Tcrkehrt, ist 
bekannt, Tgl. Welcker Gr. Götterlehre ni, S. 147 fg. — Auf einem Stich des Meisters 
mit dem Würfel nach Baphael ist Pan mit einer Nymphe in ganzen Figuren 
innerhalb einer Kammmuschelschale dargestellt. Ob nach irgend einem antiken 
Bildwerke? 

11) S. Reinganum a. a. 0. S. 88 fg. 

12) Auch für die Griechischen Grabsteine, auf denen diese auch sonst nicht 
seltene Geberde so häufig Torkommt , wird ihr schwerlich ein symbolischer Sinn 
unterzulegen sein, obgleich diese Ton Perranoglu „Die Gräbst, der a. Griechen^' 
8. 46 geäusserte Ansicht noch jüngst tou Dütschke Ant Bildw. in Oberital. I, S. 2, 
n. 2 gebilligt worden ist. 

13) Ueber das herTorragende Ansehen des Acheloos Tgl. Welcker Gr. Gotterl. 
m, S. 44 fg., nhw seine bildlichen Darstellungen 0. Jahn Arch. Ztg. 1862, S. 320 
%.i 330. — Nicht ganz so bestimmt urtbeilt in Betreff der Anerkennung des 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 23 

Acheloos nwk Stephan! „Die SchlaogeDfuttemng der Orphischen Mysterien'', Peters- 
burg 1873, S; 22. 

14) YgL K. Bötticher Tektonik der Hellenen Bd n, S. 265 %., 0. Jahn Arch. 
Ztg. XXV, 1867, S. 79. Das Cnltnsbild steht auf dem Tische anch Denkm. d. a. 
E. n, 50, 626b, Ant di ErooL IV, p. 85 = Bötticher Baomcoltus Taf. 12, Gerhard 
Ant. Bildw. Taf. LXXVI (der S. 313 mit Unrecht von einer „Lade*' spricht), anf 
den Medaillons in D. a. K. II, 61, 783 nnd Roman Med. in the Brit Mas. by H. 
A. Gmeber, ed. by B. St. Poole, pl. XX, n. 1, sowie auf dem im Text zu den D. 
a. K. an letzterer Stelle angeführten Relief. 

15) So noch Michaelis a. a. 0. S. 333, anch S. 317, Friederichs Berlins ant 
Bildw. I, n. 892, Kekule Thes. n. 192, S. 80. Ich bemerkte schon im Text zu D. 
a. E. II, 555, dass die Beziehung auf das Gultusbild einer Flussgottheit wahr- 
sdieinlicher sei. Dass der Kopf oder die Maske sich daneben auch auf eine Quelle 
beziehen können, soll nicht in Abrede gestellt werden; nur dass man in jenem 
keine directe Andeutung dieser finden dar! Es bedarf kaum der Bemerkung, 
dass der Ausdruck ir^V^c i^ devdev nicht von einem solchen Quellhaupt (Welcker 
Gr. Götterlehre III, S. 49) zu verstehen ist. 

16) Nach Schöne a. a. 0. S. 58 zu n. 117 erhebt auf dem zu Rovigo befind- 
lichen Exemplar der auf die Maske zuschreitende Hermes „die Rechte wie adorirend." 
iSoll nicht auch der Hermes auf dem in Pittakis *^QX. ^9>ff»« 18, 389 ungenügend ab- 
gebildeten Relief (Michaelis a. a. 0. p. 312, G, und p. 332) und der auf dem Relief 
der Wäscher von Athen (Michaelis a. a. 0. p. 325 fg.) dieselbe Geberde machen? 
Auf dem Weihrelief des Telephanes (Ann. d. Inst. XXXV, tav. L, n. 3) legt Hermes 
die Rechte auf das Haupt der bärtigen Maske; auf einem anderen „packt" derselbe 
Gott das betrefifende Wesen, welches in diesem Falle nicht nur durch eine gehörnte 
Maske, sondern auch mit dem Vordertheil seines Stierkörpers dargestellt ist, „am 
linken Home'* (Matz, Göttinger gelehrte Anz. 1873, S. 334). Vermuthlich han- 
delt es sich auch hier um Geberden der Adoration, die ich inzwischen nicht nach- 
zuweisen vermag. Etwas Anderes, aber der Beziehung nach Gleichartiges, ist es, 
wenn anf einem Väsenbilde in Gerhardts Ges. Abhandl. Taf. LXIV, n. 5 ein Jüngling 
einer Herme wie es seheint den Bart streichelt Vgl. Plinius Nat. bist. XI, 251: 
Antiquis Graedae in supplicando mentum attingere mos erat. Bei der Aehnlichkeit 
der Gebräuche bei dem Gebete mit denen bei dem Eidschwure darf wohl darauf 
aufmersam gemacht werden, dass bei diesem das Götterbild (lustin. XXIV, 2) oder 
der heilige Baum oder der Altar gefasst wurde (C, Fr. Hermann^s Lehrb. d. gottesd. 
Alterth. d. Gr. §. 22, A. 9 der zw. Aufl. von E. B. Stark). 

17) Michaelis denkt a. a. 0. p. 822 und 333 nur an einen Altar Fans und 
der Nymphen, oder Paus allein. 



24 FRIEDRICH WIESELER, 

18) Scylax Pcripl. § 55, vgl. Stephanns Byzant a. d. W. ^lani^i %aqadqa 
^Atwt^ elg Miyaqa dnctyiwifa, ig KalUfäaxog *Eudlf[. Bei dem TermeiDtlichen Skylax 
bietet die Handschrift a. a. 0. und in §. 57, wo der Name wiederholt yorkommt: 
'jin$dog^ was Berkel nach Stephanos corrigirte. Indessen wäre es nicht unmöglich, 
dass beide Formen neben einander hergingen. Ueber Aehnliches: 6. Cortias Grunds, 
der 6r. Etymol. II, 8. 149 der ersten Aufl. Jedenfalls aber steckt in dem Ausdruck 
*Ianidog tuiqag an der zweiten Stelle des Skylax ein Fehler; denn Gronov^s Versuch, 
Xoiqag zu erklären, ist sicherlich als verunglückt zu betrachten. Gewiss war %aqadqag 
geschrieben. Auch an dem dnäyavtfa bei Stephanos nehme ich Anstoss. Wäre 
etwa dnoX^YOVfta zu lesen? 

19) Pausan. I, 41, 2. — Durch eine andere Stelle dieses Periegeten, VI, 19, 
12 fg., erfahren wir, dass die Megarer eine Ghrnppe von mit Gold verzierten Figuren 
aus Gedemholz durch den Dontas, Schüler von Dipoenos und Skyllis arbeiten Hessen, 
welche den Kampf des Herakles gegen den Acheloos darstellte. Sollte sich diese 
Gruppe, welche später in das Schatzhaus der Megarer zu Olympia geweiht wurde, 
nicht auf jene Wasserableitung durch Tbeagenes beziehen? 

20] Pausan. I, 40, 1. 

21) A. von Velsen in Gerhardts Arch. Anz. 1853, S. 379, und Bursian Geogr. 
von Griechenland Bd I, S. 374 u. 376. Vgl. ausserdem über die Wasserleitungen 
zu Megara: Reinganum a. a. 0. S. 70 und 127 fg. und Boeckh. zu Corp. Inscr. Gr« 
n. 1801, Vol. I, p. 569. 

22) Aldph. Epist EI, 45, 2. 

23) Plat. Cratyl. p. 242 D. 

24) Juppiter hier in der Mitte, wenn das stehende Weib mitzuzählen ist, noch im 
strengeren Sinne als auf der Buntwirkerei der Arachne nach Ovid. Metam. VI, 72 
(vgl. Stephani Compte rend. de la comm. imp. archtol. pour Tann. 1872, p* 
93, Anm.) und auf dem Pompejan. Wandgemälde in Ann. d. Inst. arch. VoL VI, t. 
d'agg. A, 2. 

25) Pausan. I, 40, 1. Vgl. auch Etymol. Magn. u. d. W. r§Qd>ßM. 

26) Pausan. I, 44, 13. Der Cult ist von Megara oder Argos nach Byzanz 
verpflanzt, vgl. Frick „Byzanz" in Pauly^s Realencyclopädie Bd I, Abth. 2, 3. 2604, 
d. zw. Aufl. Ueber die Beziehung des Epithetons: E. Curtius Peloponnesos 11, 
S. 505 fg. und Welcker Gr. Götterl. II, S. 195. 

27) Pausan. I, 40, 3, Bursian a. a. 0. 

28) Vgl. Pausan. I, 40, 6. Das Epitheton K6v$og ist übrigens so absonderlich und 
steht so vereinzelt da, dass wohl die Frage erlaubt ist, ob nicht ein Schreibfehler 
anzunehmen sei. Da Apollon als Jit/y^oc, Kvr§tog, KvwBiog verehrt wurde und auch 
Zeus unter den Beinamen Kvvm^svg (Pausan. V, 23, 5 und Lycophr. 400 nebst den 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 25 

Schol. u. Tzetz.) Torkommt, liegt es nahe, an Kvy^g zu denken. Auch so würde es 
sich um eine Eigenschaft des Zeus, die dem Regenverleihen gradezu entgegengesetzt ist, 
handeln, wenn Welcker's Ansicht (Gr. Götterl. I, S. 464, u. II, S. 187), dass jene 
Epitheta auf den Siriushund zu beziehen seien, das Richtige träfe. Indessen können 
die Epitheta auch nur einfach auf eine Jagdgottheit hindeuten, was namentlich hin- 
sichtlich des Zsvc Kvpa$^€vg wahrscheinlicher ist, auch nach £. Curtius' Annahme 
a. a. 0. I, S. 383 u. 399. Ausserdem lässt sich aber Köptog bei Pausanias noch 
auf eine andere Art verändern , welche fast ebenso leicht ist und ein allbekanntes 
und der Bedeutung nach passenderes Epitheton des Zeus ergiebt. War ursprünglich 
X0ONIO2 geschrieben, so konnte der wegen des folgenden O statthabende Ausfall 
des & unschwer jene handschriftliche Lesart veranlassen. Zeus Ghthonios, der be- 
kannte Genosse der Demeter (Welcker Gr. Götterl. 11, S. 487 fg.) passt auf die 
Karia, wo ja t^g J^fHjtQog td nalotfAevop fifyoQOp sich befand, ganz vortrefflich. 
Es kommt hinzu, dass wir, wenn diese Herstellung gebilligt wird, für Megara einen 
Pluton bezeugt haben, dessen Vorhandensein an diesem Orte um so wahrscheinlicher 
ist, als er in Byzanz verehrt wurde (Dionys. Byzant Anapl. Bospori fr. 10 u. 11 
nach der Bearbeitung von Frick, Wesel 1860, p. 14 fg., fr. 9 u. 10 nach C. Müller 
Geogr. Gr. min. Vol. II, p. 22 fg., nach der Ausg. von Wescher XIV, p. 7) und selbst unter 
den zwölf Göttern am sogenannten Hieron vorkommt (schol. ApoUon. Rhod. Arg. H, 
631). Oder wollte etwa Jemand, der so eben, da diese Schrift zum Drucke kommt, 
laut gewordenen Ansicht von E. Lehrs Popul. Aufsätze aus dem Alterth., zw. Aufl., 
8. 298 beipflichtend, dafür halten, dass unter 2^vg x^^^*^^ S^ lücht Hades gemeint 
sei, sondern Zeus in seiner Eigenschaft als auf die Erde wirkender Gott? — Der Zeus 
nebst den Musen von der Hand des Lysippos in einem Tempel zu Megara nach 
Pausan. I, 43, 6 kann für uns nicht in Betracht kommen. 

29) Mit einem Enotenstock oder Enüttelstab erscheint selbst der bocksbeinige 
Pan, z. B. auf der Vase aus der Erimm bei Stephani Vasensamml. d. KaiserL 
Ermitage n. 1988, a. Wenn nach Mionnet Descr. de med., Suppl. T. IV, p. 281 
fg., n. 58 auf dem Revers einer unter Septimius Severus geschlagenen Bronzemünze 
von Megalopolis Pan marchant, la main droite sur une haste, et le pedum dans la 
gauche dargestellt ist, so denkt man betrefis der „haste'' doch wohl eher an einen 
Stab als an die Lanze des Jägers, wenn auch Jagdspeer und Pedum nebeneinander 
dargestellt sein könnten, wie z. B. auf dem Gemälde in Gerhard's Apulischen Vasen- 
bildem Ta£ £, n. 3 Pan neben der kurzen Keule zwei Speere hat. Vgl. den 
keulenähnlichen Stab der Artemis auf der unter Commodus geprägten Bronzemünze 
von Ikaria bei Dumersan Descr. d. med. du Gab. Allier pl. XVI, n. 8 = Denkm. d. 
a. Kunst U, 15, 161, nebst Text. 

30) Selbst bei den noch zarteren jugendlichen Darstellungen Paus in Marmor 
Histor.'philol Classe. XX. 3. D 



26 FRIEDRICH WIESELER, 

zeigen sich spitze Ohren. So an dem Kopf im Vatican bei Gerhard Ant. Bildw. 
Taf. GGCXIX, 6 (Arch. Nachlass aus Rom, S. 111 fg., A. 81); an den beiden sta- 
taarischen Werken des Mdaqnoq KotSüovr^q Kiqdmv im Brit. Mus., welche zuletzt 
besprochen sind von Gh. Newton A Guide to the Graeco-Roman sculptures, London 
1874, n. 188 u. 100; an dem Kopf im Lateran. Mus. bei Benndorf und Schöne n. 
277, welche bemerken, dass die spitzen Ohren, ebenso wie die sich dem Haar 
anschmiegenden Hörner, mit dem sichtlichen Bestreben gebildet seien, das Auffällige 
zu vermeiden. Hinsichtlich des Münchener von Winckelmann Mon. ined. n. 59 en 
üace abbildlich mitgetheilten Kopfes spricht Brunn Glyptoth. König Ludwigs n. 102, 
S. 132 von spitzen Obren. Aber Winckelmann bemerkt p. 73, UI ausdrücklich, dass 
der oberste Theil durch das Haar verdeckt und dessen Bildung nicht zu erkennen 
sei, und damit stimmt überein die Abbildung in Profil bei Piroli Mus. Napol. U, 20, 
die in der neueren Ausgabe der D. a. K. U, 42, 523 wiederholt werden wird. Da- 
gegen findet man rein menschliche Ohren an der Statue bei Fröhner Louvre, sculp. 
ant. n. 260 (Gomment. de Pane u. s. w. p. 15). Auch der von Gonze Her.- u. 
Gött.-Gestalten S. 40 erwähnte Kopf der Villa Borghese zeigt keine thierischen. 
Ohren. 

31) Das Schwänzchen fehlt den in Rede stehenden Pansgestalten meist, selbst 
auf den bemalten Vasen. In dem Register zu Heydemann^s Werk über die Vasen- 
Sammlungen des mus. naz. zu Neapel finden wir auf S. 914 unter den neunzehn 
„menschlich gebildeten" Panen nur drei „mit Satyrschwanz" aufgeführt, denen 
übrigens nach der Abbildung in der El. d. mon. ceramogr. II, 103 A, wo auch die 
Herausgeber im Text den Schwanz ausdrücklich erwähnen, noch der Pan auf der 
Vase St. Angelo n. 31 hinzugefügt werden muss. 

32) Von den Schriftstellern wird, so viel mir erinnerlich ist, bei Pan nur Fell- 
bekleiduDg erwähnt, die ihm als Hirten und Jäger recht eigentlich zukommt: vsßqiq 
4f noQÖaX^y von Gornutus de nat. deor. p. 150 ed. Osann., die Nebris (stellata), von 
Servius zu Vergil. Georg. U, 31, pellis grata tenerae de corpore damae, bei Silius 
Italiens Pun. XUI, 334 fg«, zuerst das Fell des Luchses, von dem Verf. des Hymn. 
Homer. XIX^ 23 fg. Auf den bemalten Vasen finden sich bei den jugendlichen 
menschlich gebildeten Panen Fell- und ZeuggewaDdung. Einmal (s. Gerhard Ant. 
Bildw. Taf. XLIV) hat von zwei Figuren die eine jene, die andere die&e, ohne 
Zweifel bloss der Abwechselung wegen, nicht etwa zur Unterscheidung des Pan von 
einem Pan. In den Marmorwerken überwiegt entschieden die Felltracht. Ein jugend- 
licher, nicht satyresker Pan mit Menschenbeinen, der ein Zeuggewand hätte, ist mir 
nicht bekannt. Betrefis der bocksbeinigen in ein weites Gewand eingehüllten Pane, 
welche in mehreren statuarischen Wiederholungen vorhanden sind (R. Kekul6 „Die 
ant. Bildw. im Thes. zu Athen" n. 48, Burkhardt „Der Cicerone" H, S. 480 der ersten 



ÜEBEß EIN VOTIVfiELIEF AUS MEGARA. 27 

Aufl., ArchäoL Bericht über meine Reise nach Griechenland S. 124 — auch eine nur 
im Bru8tbilde ausgeführte Darstellung auf einem durch Photographie bekannten ge- 
schnittenen Steine des Brit. Mus. gehört sicherlich in diese Kategorie — )^ hat sich 
herausgestellt, dass die Tracht des am Meisten bekannten Exemplars (D. a. K. 
n, 43, 532) von Fell, nicht von Zeug ist. Einen Mantel aus Fell hat ebenfalls die 
aus Villa d'Este in das Capitolin. Mus. gebrachte entsprechende Statue bei Clarac 
Mus. de sc. IV. 1736, L, und P. Righetti Descr. del Campidoglio Vol. I, tCLXXVUI, 
welche, zumal da sie von Pentelischem Marmor ist, sicherlich aus Attika stammt. 
So kann auch sonst, was wie Zeug aussieht, gegerbtes Fell sein sollen. Doch wäre 
es zuweit gegangen, wenn man Zeugbekleidung ganz in Abrede stellen wollte. Conze 
bemerkt hinsichtlich eines Pan in der Mardana zu Venedig (Arch. Ztg. 1873, S. 86, 
n. 121), derselbe trage nicht ein Fell, sondern eine Ghlamys, die den Körper vom 
ganz frei lasse, indem er hinzufügt, diese Tracht weise nach Attika, ein Ausspruch, 
der mir freilich so allgemein hin bedenklich erscheint. Fast durchweg handelt es 
sich bei den verschiedenen Pansgestalten nur um ein Obergewand, inlßXfjf$a. 
Ausnahmen finden sich in der Reliefdarstellung an der Marmorvase im Campo Santo 
zu Pisa bei Lasinio tav.LXI, Gerhard Ant. Bildw. T.XLV, n. 123, Dütschke A. Bildw. 
'Oberitaliens I, n. 123, wo der bocksfüssige Pan „mit einem ziemlich enganliegenden 
kurzen Chiton mit kurzen Aermeln^' erscheint, und, in auffallender Weise, an der 
männlichen und der weiblichen Pansherme des Lateran. Mus., deren Gesichtstypus 
auf den des ziegennasigen und bocksbeinigen Pan zurückgeht (Garrucci Mus. Lateran, 
tab. XXVI, 1 u. 2, und Benndorf u. Schöne a. a. 0. n. 181. 188, S. 105 fg.). 

33) Vgl Pausan. VUI, 30, 2 und 38, 4. 

34) Vgl. Pausan. I, 44, 13. 

35) lieber Paus Verbindung mit Quellen, Bächen, Flüssen und deren Gottheiten: 
Michaelis Ann. a. a. 0. p. 317 fg., wo auch das Heiligthum des Gottes in der Nähe 
des Flusses Erathis bei Sybaris (Schol. z. Theocrit. V, 14) und die Panisken als 
Brunnenfiguren (Bronzi d. Ercol. 11, 47, Gerhard Ann. d. Inst. III, Rapp. Volc. A. 
290] hätten erwähnt werden können. Die Beziehung des Gottes zum Wasser rührt 
gewiss nicht bloss von seinen gewöhnlichen Aufenthaltsörtern (unter denen auch die 
ihm besonders genehmen Grotten, abgesehen von den Tropfsteinhöhlen, Ovid. Met. 
XrV, 514 fg., dann und wann Wasser enthielten , wie denn aus der besonders be- 
rühmten von Caesarea Panias nach Stephan. Byzant. u. d. W. Hav^äq der Jordan 
hervorfliessen sollte), seiner Thätigkeit als Fischergott und seiner Eigenschaft als 
Befruchter im Allgemeinen her, sondern sie stellt sich für den Ursprung und dann 
wieder für die spätere Zeit als eine viel engere heraus. Vgl. Comutus de nat. deor. 
c. XXVII> p. 149 ed. Osann., nebst den hier p. 328 beigebrachten Stellen. Belehrend 
ist in dieser Hinsicht namentlich die Vergleichung der Artemis-Selene als Wasser^ 



28 FRIEDRICH WIESELER, 

göttin. Auch die Genealogie Silens als Sohn Pans und die enge Verbindung, in 
welche man später beide Götter setzte (Parmet a. a. 0. p. 46, meine Comm. de 
Pane u. s. w. p. 23, ann. 11) gehört hierher. Eine interessante Gruppe des Palazzo 
Corsini al Prato zu Florenz, in welcher Silen und Pan als Brunnendecoration am 
Wasser erscheinen, haben wir so eben durch Dütschke Ant. Bildw. in Oberitalien, 
II, S. 109, n. 166 kennen gelernt. 

86) Das andere Relief, auf welchem Pan dem Zeus gegenüber und in der Mitte 
Ton beiden drei Wassernymphen dargestellt sind, ist ein spät Griechisches oder 
Römisches Werk unbekannter Herkunft, welches sich im Britischen Mus. befindet; 
vgl« Michaelis in der Arch. Ztg. 1867, S. 6 fg., Anm. 24. 

37) Vgl. des Verf.s Au&atz „Zur Kunstmythologie Pans" in den Nachrichten 
Ton d. E. Ges« d. Wissensch. zu Göttingen, 1875, S« 435; s. auch S. 465, Anm. 19. 

38) Die Ansicht, dass ein „kahles" Füllhorn für Pluton besonders bezeichnend 
sei, rührt von Welcher her, Tgl. A. Denkm. II, S. 86 fg. u. in, S. 305 fg., Gr. Göt- 
terL II, S. 484 fg. Die von Welcker nur nach Beschreibung veranschlagte sehr in- 
teressante Vulcentische Eyliz, auf welcher Pluton mit leerem Füllhorn erscheint, ist in 
den Mon. ined. d. Inst. arch. VI, 58 abbildlich mitgetheilt und von Em. Braun in den 
Ann. 1853, p. 111 fg. besprochen. Die beiden in den A. Denkm. III, S. 305 fg. z. 
Taf. XIX, 1 u. 2 auf den Pluton mit kahlem Füllhorn bezogenen Vasenbilder gehen 
nach Preller Ber. d. E. Sachs. Ges. d. Wissensch. 1855, S. 23 fg. zu Taf. II vielmehr 
den Dionysos an. Vgl. auch Michaelis Ann. d. Inst. XLI, p. 204 fg. Auf dem von Welcker 
an erster Stelle erwähnten Vasenbilde (Denkm. d. a. E. II, 9. 110) wird die Figur 
mit vollem Füllhorn jetzt mit Wahrscheinlichkeit auf den Agathodämon bezogen. 
Dagegen hat Welcker selbst in den A. Denkm. V, 1864, S. 363 auf zwei Vasenge« 
mälden einen Hades-Pluton mit einem Füllhome, de^en Inhalt vordringt, angenom- 
men und wenn es uns auch keinesweges sicher zu stehen scheint, dass in der be- 
treffenden Figur Pluton gemeint ist, so ist doch jüngst ein unzweifelhaftes Beispiel 
aus dieser Gattung der Eunstfibung auf einem rothfigurigen Vasenbilde archaischen 
Stils, welches Pluton mit vollem Füllhorn zeigt, durch Beschreibung (Heydemann 
„Die Vasensamml. d. Mus. Nazion. zu Neapel'' n. 3091) und Abbildung (Förster 
„Der Baub u. die Rückkehr der Persephone'' , Taf. II) bekannt geworden. Was es 
mit der Figur mit Füllhorn auf dem von Müller Descr. des Antiq. du Mus.-Thor- 
valdsen^ Sect. I et 11, p. 49, n. 12, beschriebenen Vasengemälde , welche dieser als 
Dionysos-Hades, Welcker A. D. V, S. 363, A. 7 als Hades -Pluton fasst, far eine 
Bewandtniss habe, ob sie nicht etwa den Dionysos angehe und ein Trinkhom statt 
des Füllhorns zu erkennen sei, müssen wir dahingestellt sein lassen. Andere später 
zur Eunde gekommene, dem Gebiete der Sculptur angehörende bildliche Darstellungen 
Pluto's mit dem Füllhorn anlangend, so hören wir durch Gooze zwar nicht im Arch. 



UEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 29 

Anz. 1867, S. 98*, wohl aber im Text zu den Her.- n. Gött-Oestalten , 8. 12, dass 
dieses bei der Statue des Mus. zu Catajo „voll mit Frücbten'^ ist, und finden wir 
dasselbe in der Beliefdarstellung des Lateran. Mus. bei Benndorf u. Schöne n. 460"*" 
n. Taf. XIV oben abgebrochen. — Dass auch bei anderen mythischen Wesen auf 
den Bildwerken nicht so gar selten das leere Ftillhom anstatt des Tollen vorkommt, 
liesse sich leicht durch Beispiele erweisen. Dm so mehr wundert es uns, dass Brunn 
in den Sitzungsber. d. philos. -histor. Kl. d. E. Bayer. Akad. d. Wissensch. 1875, I, 

3, S. 339 an dem leeren Füllhorn, welches dem Nil auf der sogenannten Tazza 
Famese gegeben ist, solchen Anstoss nehmen konnte, dass er dasselbe als Kriterium 
der Unechtheit jenes Werkes der Glyptik veranschlagte. — Was die Zeit, seit wel- 
cher dem Unterweltsgott das Füllhorn in der Kunst gegeben wurde, anbetrifft, so 
ist darauf hinzuweisen, dass die Ansicht, nach welcher der Name nXovuiav daher 
rührt, an in t^c T^i xdtmdsv dviexa^ 6 nlaStog, sich jetzt allerdings zuerst in Piatons 
Eratylos p. 409, a. e, ausgesprochen findet, dass aber jener Name viel früher nach- 
weisbar ist und recht wohl angenommen werden kann, dass die Deutung bei Piaton 
nicht erst von diesem herrühre. Wenn Lehrs a. a. 0. S. 297 ganz anders ur- 
theilte, so erinnerte er sich nicht daran, dass nach lamblichus de Pythagor. vita 
G. XVn, §. 122 fg. schon Pythagoras den Namen Pluton kannte, der ihn freilich an« 
ders, aber sehr unwahrscheinlich deutete, und bedachte nicht, dass derselbe mehrfach 
im Cultus an Stätten vorkommt, an welchen er nicht wohl erst aus der Zeit des 
Sophokles herrühren kann. Oder liesse sich — um nur Eins anzuführen — das für 
den Pluton zuByzanz, dessen Tempel schon von Philipp 11 zerstört wurde, und den in 
Hieron am Bosporos annehmen, auch vorausgesetzt, dass beide dem Zeus Ghthonios 
von Megara entsprachen (Anm. 28)? 

39) Anders verhält es sich mit dem Hades, vgl. Welcker Gr. Götterl. U. S. 
485. — Die Trinkschale in der r. Hand des Pluton auf dem Yasenbilde in Mon. d. 
Inst. VI, 58 kann natürlich nicht in Betracht kommen. Auf dem Relief in den D, 

4. a. K. n, 7, 76 und bei der Statue ebenda Taf. LXVH, 853 rührt die Schale von 
den modernen Ergänzem her. 

40) Der Pluton der jüngst bekannt gewordenen Vase des Mus. naz. zu Neapel 
gilt als myrtenbekränzt y für welchen Umstand von Heydemann a. a. 0. auf 0. Jahn 
Telephos und Troilos S. 89, 100 verwiesen wird. 

41) Was zuerst oben in Anm. 28 versucht ist. — Dass dem nXavuiSg als 
äudn^ &$M Btvsna fiotQtjg in dem Epigramme an einem zu Megara gefundenen Grab- 
stein (Corp. Inscr. Gr. n. 1057), Dank ausgesprochen wird, beweist natürlich nichts. 

42) Vgl. Pausan. I, 40, 5, und besonders 48, 5, sowie Boeckh z. Corp. Inscr. 
Gr. n. 1052, 6, Vol. I, p. 921. 



30 FRIEDRICH WIESELER, 

43) S. Welcker GötterL I, S. 440, II, 586 fg. 612, UI, 50; Stephani Compte t. 
p. 1868, p. 116, 122, 135, 138. 

44) Während selbst iStephani früher das Füllhorn bei Dionysos öfter entweder 
mit Bestimmtheit annahm (Compte r. de la comm. imp. arcb. de St. Petersb. ponr 
1859, p. 105, Anm. 2), oder doch die Entscheidung, ob das Hörn bei diesem Gotte 
für ein Füllhorn oder ein Trinkhorn zu halten sei , dahingestellt sein liess (Vasen- 
samml. der Ermitage n. 71 u. 120), hat er späterhin (Compte r. pour 1869, p. 
180 fg.) bemerkt y dass bei Dionysos in den älteren Vasengemälden nur ein grosses 
Rhyton vorauszusetzen sei, das Füllhorn aber in den späteren vorkomme. Dem er- 
sten Tbeile dieser Bemerkung schliesse ich mich nach eigenen Untersuchungen an, 
während ich, was den anderen betrifft, eher die mindere Bestimmtheit, mit welcher 
Stephani jetzt die von Preller an der oben in Anm. 38 angeführten Stelle behandelten 
Beispiele als genügend sicher stehend betrachtet, billigen kann, als die Sicherheit, 
mit welcher jener auf der von ihm a. a. 0. herausgegebenen Vasenscherbe bei dem 
Dionysos ein Füllhorn voraussetzt Mir scheint es sich hier ebensowohl um ein 
Trinkhorn zu handeln, wie auf dem Vasenbilde in den D. a. K. II, 23, 366, und 
dem in dem Catal. of the Gr. and Etr. Vases in the Brit. Mus. Vol. II, n. 1322 
verzeichneten, öfters abgebildeten (auch in der Arcb. Ztg. 1865, Taf. CCII, 2). Dia 
zuletzt von Welcker, Preller und Michaelis a. a. 0. besprochenen Darstellungen des bär- 
tigen Gottes mit Füllhorn, welcher von Herakles getragen wird, bedürfen noch einer ge* 
naueren Aufklärung. Dass der Epheukranz, mit welchem der getragene Gott auf 
dem von Preller bekannt gemachten ^ in der neuen Ausgabe der D. a. E. II, 37, 
432, c, wiederholten Vasenbruchstücke, versehen ist, auch auf den als Dionysos ge« 
fassten Pluton bezogen werden kann, bedarf kaum der Bemerkung. — Ver- 
muthlich handelt es sich bei einigen anders bezogenen Darstellungen eines Enabeu 
mit dem Füllhome in Münztypen und in einer berühmten Marmorgruppe um Dio* 
nysos oder lakchos Plutodotes, worüber ich in der neuen Ausgabe der Denkm. d. a. 
Kunst zu II, 8, 99, a, sprechen werde. Eine längst bekannte und richtig gedeutete, 
Münze von Nysa in Earien zeigt den Knaben Dionysos auf einem Füllhome sitzend 
(Denkm. d. a. Kunst II, 35, 416). Mit den vonClaracIV, 678 D, 1641 B und 694, 
1596 hiehergezogenen Marmorwerken steht es sehr misslich. Sollte die letztere 
Statue etwa auf einen Satyr zu beziehen sein? Die Statue eines Satyrs mit Füll- 
horn, der mit Dionysos gruppirt ist, giebt Clarac IV, 693, 1635 A. Auch in der 
Villa Ludovisi befindet sich ein Satyr mit dem Füllhorn (Burckhardt „Der Cicerone'^ 
II, S. 477 d. ersten Ausg.). Dieses kommt auch bei Pan vor, z. B. an der Statuette 
bei Eduard Freih. von Sacken „Die ant. Bronzen des K. K. Münz- u. Ant. Cab. in 
Wien'^ Taf. XXIX, fig. 7, wo schwerlich an eine Fackel (Sacken u. Kenner „Die Samm- 
lungen d. K. K. Münz- u. Ant. -Gab.*' S. 283, n. 515) zu denken ist. Die liegende 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 31 

Statae im Louvre D. a. E. II, 32, 360 stellt sicherlich den Dionysos dar, aber nicht 
mit einem Füllhorn, nach Fröhner a. a. 0. n. 228. Die Gemmendarstellung in den 
D. a. E. II, 2, 28 (der früheren Ausgabe, II, 69, 870 der nächstens erscheinenden) wage 
ich nicht zu veranschlagen, da, wenn sie auch den Dionysos angehen (wie Overbeck 
Eunstmythol. I, 1, S. 207 nach meinem Vorgänge anzunehmen geneigt ist), dieser 
doch wohl als Dionysos Pluton zu fassen sein wird , so dass es unbestimmt bleibt, 
ob das Füllhorn auf den Dionysos, oder ob es auf den Pluton zu beziehen ist. 

45) S. Stepbani Tit. 6r. P. V, in dem Ind. schol. in Univ. Dorpat. per semestr. 
prius a. MDCCCL habend., p. 23. 

46) Vgl. Plinius Nat. Eist. XXXIV, 77. Welche Attribute der Daimon Agathos 
des Praxiteles (Plin. N. H. XXXVI, 23) hatte, erfahren wir nicht: vermuthlich Schale 
in der rechten Hand und Füllhorn im linken Arme. Vgl. Anm. 67. 

47) lieber die späteren Darstellungen des, wie Th. Mommsen in Gerhard's Arch« 
Anz. 1860, S. 74'*' fg. nach Inschriftsteinen gezeigt hat, keinesweges bloss als die 
Gottheit des Erntesegens, sondern als Gottheit des guten Glücks überhaupt zu fas- 
senden Bonus Eventus (wie er namentlich auf Münzen , auch auf einem zuletzt von 
Aldenhoven Ann. d Inst. arch. XLI, p. 129 besprochenen Relief aus Lapis Lazuli, 
wenn die betrefifende Inschrift wirklich antik ist, genannt wird, während er auf einer 
unter der Salonisa geprägten Münze von Ephesos als tö ^jiya&dv twy ^Efcatmp be- 
zeichnet wird, Eckhel Doctr. anm. II, p. 516, Mionnet Descr. d. m^d. III, p. 123, 
465) vgl. man, ausser Moreau de Mantour sur le dieu Bonus Eventus et sur les 
m^dailles qui concernent son culte in den Mem. de l'Acad. des Inscript. T. II, p. 
448 fg., Ballhorn de Bono Eventu veterum deo, Hanover. MDCGLXV, Hasche Lex. 
univ. rei num. T. I, u. s. W. und Eckhel a. a. 0., besonders T. V, p. 303: E. A. 
Böttiger Griech. Vasengem. I, S. 211 fg., Hirt Bilderbuch 'für MythoL, Archäol. u. 
Eunst S. 106, Müller Hdb. d. Arch. §. 398, A. 2, Creuzer zur Gemmenkunde S. 
49 fg., meine Denkm. d. a. E. II, 73, 942—944 (mit 943 stimmt überein die Silber- 
münze des Titus bei Cohen I, p. 342, n. 9), E. Friederichs in der Arch. Ztg. 1860, 
S. 5 fg. und in Berlins ant. Bildw. U, S. 448. Mehrere Darstellungen auf geschnit- 
tenen Steinen und Pasten haben Toelken Erkl. Verz. d. ant. vertieft geschn. Steine 
d. E. Preuss. GemmcDs. S. 232, n. 1355—1365 und L. Müller Descr. d. IntaiU. et 
Cam. ant. du Mus. - Thorvaldsen , Copenhague 1847, p. 77, n. 610—617 verzeichnet. 
Eine Silbermünze des Galba mit dem Eopf des B. £., hat der Duc de Blacas in der 
Rev. num. Fr. 1862, pl. VIII, n. 24 herausgegeben. Dieser B. E. steht aber sicher- 
lich in Beziehung auf Eriegsglück, eine Beziehung, welche auf einem mir nicht zu- 
gängUchen, von Aldenhoven a. a. 0. angeführten Gemmenabdruck (Cades XVII, 66) 
dadurch noch besonders angedeutet zu sein scheint, dass dem mit Schale und Aehren 
versehenen Jüngling eine Victoria auf die Hand gegeben ist. Aehnliche, so zu sagen 



32 FRIEDRICH WIESELER, 

militärische Beziehung hat der zu den Fassen des B. E. stehende Adler anf dem 
Achatonyz bei Toelken a« a. 0. n. 1361. Interessant ist die in H. Hoffinann's Gatal. 
des med. Rom. de fea M. le marquis de Moustier auf pl. IV, n« 2029 zuerst ab- 
bildlich mitgetheilte Bronzemänze des Pescennius Niger, deren Revers innerhalb der 
Umschrift BONI EVENTYS eine Tollständig bekleidete weibliche Figur zeigt, welche 
mit der Rechten eine Schiissel mit Früchten hebt und hinhält und in der gesenkten 
Linken zwei Aehren hat. Der Beschreiber hat p. 129, n. 2029 weder richtig ge- 
deutet noch genau gesehen, wenn er sagt: La Foi debout a gaucfae, tenant une 
couronne et deux epis. Als Fides publica fassen von Sacken und Kenner Samm]. 
d. K. K. Münz- u. Ant.-Cab. zu Wien S. 439, zu n. 575 — 578 auch die auf gesdm. 
Steinen vorkommende Figur eines Weibes mit „Fruchtschale und Aehren'S neben 
welchem ein Mal ein Adler mit Kranz im Schnabel, ein anderes Mal eine Ameise 
erscheint. Die Uebereinstimmung mit dem Typus jener Münze, dann insbesondere 
auch der Adler (welcher hier deutlich auf Sieg in Beziehung gestellt ist) machen es 
wahrscheinlich, dass die Darstellungen auf den bonus eventus gehen sollen. Die 
weibliche Figur, welche mehrere Deutungen zulässt, thut man wohl gut zunächst 
als Fortuna oder als Geres zu fassen, für welche letztere die Ameise besonders 
spricht 

48) Das Relief ist schon von Stephaui (Jompte rendu pour 1859, p. 111 er* 
VTähnt , der auch eine Zeichnung desselben herausgeben wollte. Jetzt ist es besser 
als in der ^JIqx. ^Equ^k. n. 742 abgebildet in R. Schöne's Gr. Rel. Taf. XKVI, n. 109 
und wird danach in der neuen Aufl. der D. a. K. U, Taf. LXXIII wiederholt werden. — 
Das Yasenbild ist das schon oben in Anm. 38 gelegentlich angeführte, dessen be- 
treffende Figur in Conze's Her.- u. Gott. -Gest. Taf. X, 2, nach S. 12 zu schliessen 
wohl nur aus Irrthum als Pluton gegeben ist. lieber die Beziehung auf den Agathos 
Daimon vgl. Stephani Gompte r. pour 1859, p. fg. und von Leutsch's Philol. Anz. 
n, 1870, S. 525. Stephani hält a. a. 0. für wahrscheinlich, dass auch eine Figur 
auf dem bekannten Sarkophag von Wiltonhouse (D. a. K. II« 10, 117) den Agathos 
Daimon darstelle, welche, jetzt darch Zeichnung und Beschreibung genauer bekannt, 
von R. Förster Raub u. Rückkehr d. Perseph. S. 267 für Dysaules, von H. Brunn 
in den Sitzungsber. der K. Bayer. Akad. 1875, I, phil. bist. Gl. 1 , S. 25 für „eine 
beim Landbau beschäftigte Nebenfigur^' gebalten wird. Der sichere Agathos Daimon 
des an erster Stelle aufgeführten Reliefs hat weder das Füllhorn im linken Arme, noch 
ein Scepter in der rechten Hand, das allerdings bei Agathos Daimon sonst nicht 
nachweisbar ist, aber doch schwerlich gegen diesen veranschlagt werden kann. Es 
findet sich nebst dem Füllhorn auch bei der älteren Darstellung des Genius publicus 
in der Gestalt eines bärtigen Mannes , während die jüngere jenen als Jüngling mit 
Füllhorn und Schale giebt (Preller Rom. Mythol. S. 569 d. ersten Ausg.). 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 33 

49) Es ist die Rede von dem sogenannten „Juppiter Dapalis" anf dem Ghal- 
oedon bei Toelken Erkl. Yerzeicbn. Cl. II, Abtb. 2, n. 89. Dass die Figur einen 
spitzen Bart hat, überall den Eindruck eines archaisirenden Werkes macht , thut 
der von uns gemuthmassten Beziehung auch nicht im Mindesten Eintrag. 

50) Comut. de nat. deor. a XXVII, p. 155 ed. Osann. 

61) Freilich ist dieser Umstand von den Erklärem alter Bildwerke lange nicht 
genügend beachtet Ein eigener betreffender Aufsatz ist von mir seit Jahren vor- 
bereitet. Vgl. einstweilen die Bemerkungen zu D. a. E. 11, n. 226. 

52) Darstellungen des libirenden Bonus Eventus lassen sich durchaus niclit in 
Abrede stellen (vgl. z. B. Hirt a.a.O. Taf. XIII, n. 16 und die Gemmen bei Toelken 
a. a. 0. n. 1858 u. 1359, wo ein brennender Altar an der rechten Seite des Gottes 
zu sehen ist), obgleich es in manchen Fällen so gut wie unmöglich ist, bei so kleinen 
Gemmenbildem zu entscheiden, (namentlich auch, wenn die Figur in Vorderansicht 
gegeben ist), ob es sich um ein Ausgiessen der Schale oder um ein Hinhalten der- 
selben handelt. Dagegen glaube ich — um dies nebenbei zu bemerken — keines- 
weges, dass, wie Toelken zu n. 1364 meint, B. E. ein turibulum, oder, wie derselbe 
zu n. 1365 annimmt, dass jener einen Opferkuchen halte. Allein, wer da bedenkt, 
dass das Spenden aus der Schale für die individueUen Genien habituell ist, deren 
Bedeutung und Darstellungsweise denen des B. E. so nahe steht (vgl. z. B. D. a. E. 
n, 73, 944, wo Toelken z. n. 1379 anstatt des von mir vorausgesetzten Bonus 
Eventus den Genius des Römischen Volkes erkannt wissen will), der wird sich wohl 
zu der Annahme entschliessen, dass das Spenden erst von den Genien auf den B. E. 
fibertragen sei. Hinsichtlich jener ist aber zu beherzigen, was Welcker Or. GötterL 
in, S. 213 bemerkt hat. 

53) Vgl. Philochoros Athen. H, 7 und weitere Anfuhrungen bei Stephan! Compte 
r. 1859, p. in, G. 1 und in E. Fr. Hermann's Lehrb. d. Gr. Privatalterth. , zw. 
Aufl. von Stark, §. 28, Anm. 18 fg. — An das, was Plutarch Sympos. Qu. VIII, 
10, 3 berichtet, möchten wir weniger erinnern. Die Beziehung auf den Wein über- 
haupt tritt namentlich bei den Münz- und Gemmenbildem des Bonus Eventus be- 
sonders hervor. Auf dem Hyacinth der Thorwaldsen'schen Sammlung bei L. Maller 
a. a. 0. n. 617 findet man ausser einem Weinstock hinter ihm sogar eine Amphora 
vor ihm auf dem Boden stehend. 

54) Auf dem Saburoff^schen Relief könnte die etwas abgeriebene Schale (die 
ursprünglich vielleicht mit einem kleinen Omphalos versehen war) an sich immerhin 
als für ein Nass bestimmt gelten. Indessen fehlt es auf den Bildwerken nicht an 
ähnlichen Schalen, auf denen Früchte liegen, vgl. z. B« Denkm. d. a. E. H, 8, 91. 

55] So in der Berliner Bronze bei Friederichs a. a. 0. n. 2009, auf* dem Pa- 
riser Nicolo bei Chabouillet Catal. gSner. et rais. des camees et pierres grav. de la 

Histar.'phüolog. Glosse XX. 3. E 



34 FRIEDRICH WIESELER, 

Biblioih. imp. p. 235, n. 1738, vgL auch die oben in Anm. 47 an Schlass angef. 
Münze des Pescennias Niger , sowie die eben dort angef. Wiener Gemme and die 
bei Toelken a. a. 0. n. 1362 fg. nnd L. Müller a. a. 0. n. 615. 

56) VgL z. B. Denkm. d. a. E. 11, 73, 943, und Wiczay'e Mus. Hedenrar. n. 
4012, t. XVI, fig. 353, nnd mdirere Darstellungen auf Gemmen bei Toelken und L. 
Müller a. a. 0. 

57) Vgl. ComutuB de nat. deor. p. 154 Osann: ^u^a&d^ di dtUftmy — o MotffMO^ 

nal d^afjkeQiC^i td imßdUoVj dya&i^ d^a^Qitiig indqxmv, — Sicherlich ist die 
mit der Rechten hingereichte Schale bei derTyche auf Attischen Bildwerken (Schöne 
Gr. ReUefs Taf. XXVI, n. n. 107, und Beule Monn. d*Athenes p. 295, Tgl. Schöne 
S. 54), auf denen die Göttin auch das Füllhorn im linken Arme hält, ganz ebenso 
zu erklären. 

58) Auf dem Berliner geschnittenen Steine (Anm. 49) hat die ?on uns für Bonus 
Eventus gehaltene Figur nach Toelken a. a. 0. eine Binde ums Haupt. Ebenso der Bonns 
Eventus auf dem Plasma bei L. Müller a. a. 0. und der Kopf auf der in Anm. 47 
angeführten, in d. neuen Ausg. d. D. a. K. H, 944, d. wiedergegebeneii Münze 
des Galba. 

59) Am Besten würde fiir den Agathodämon als cmt^q t£v olusimv nachComut. 
a. a. 0. p. 154 wohl der Lorbeerkranz passen. Den Bonus Eventus der Römischen 
Zeit findet man hie nnd da fichtenbekränzt (Friederichs Berl. ant Bildw. II, a. a. 
O.), ebenso wie die ihm entsprechenden Laren (Friederichs a.a.O. S. 440, n. 2011). 

60) Vgl. Pausan. I, 43, 6. 

61) Varro de re rust. I, 1, 6; vgl. Welcker Gr. Götterl. HI, S. 211. 

62) Dass in den Gruppen von Demeter und Eora jene sitzend , diese stehend 
dargestellt ist, und zwar grade mit dem Fackelattribut, findet sich nicht selten, 
vgl. D. a. E. n, 10, 112 (Gerhard Ges. Abhdl. Tat LXXI, n. 1), Compte rendu p. 
1859, pl. n (Gerhard a. a. 0. T. LXXVII), Welcker A. Denkm. HI, Taf. XXm, 1, 
das mehrfach herausgegebene Relief der Athen. Wäscher (Michaelis Ann. XXXV, 
p. 312 D und p. 327 fg., auch in der Arch. Ztg. 1861, n. 204, S. 120), das zweimal 
in der Arch. Ztg. 1852, Taf. XXXVIH, 3 und 1863, Taf. CXXVU, 6, abgebUdete 
Ara-Relief, für welches auch Conze 1863, S. 97 das Stehen der Eora bezeugt, ein zu 
Catajo befindliches Attisches Relief (Conze Arch. Anz. 1867, S. 94'*'), endlich die Attische 
Münze bei Beul6 Monn. d. Ath. p. 202, nach 0. Jahn in der Arch. Ztg. 1864, S. 133. 

63) Belege bei Schlie „Zu den Eyprien'' Waren 1874, S. 32, A. 4. 

64) Vgl. z. B. die QHBA auf der Eadmosvase bei Welcker A. Denkm. HI, 23, 1. 

65) S. Anm. 60. Tansanias berichtet, dass das Bild der Göttin von Praxiteles war. 

66) Wir wollen nur bemerken, dass die Bekleidung ganz der der Agathe Tyche 



UEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEG/IRA. 35 

auf dem in Anm. 48 erwähnten Relief entspricht, auf welchem auch daa Fassen des 
Scheiergewandes mit der Rechten vorkommt. 

67) Ob dasselbe auch in der Gruppe des Praxiteles (Anm. 46) statthatte, 
scheint uns zweifelhaft, durchaus wahrscheinlich aber, dass jener der Agathe Tyche 
das Fiillhom in den linken Arm und die Schale auf die Hand des ausgestreckten 
rechten Armes gab. Ganz so finden wir es bei zwei Attischen bildlichen Darstellungen 
der Tyche y von welchen die eine die Göttin sitzend, die andere dieselbe stehend 
zeigt. Tgl. Schöne Griech. Rel. Taf. XXVI, n. 107, und Beule Monn. d'Athenes p. 
295, nebst Schöne's Bemerk, auf S. 54. 

68) Auch Kora erscheint auf Griechischen Bildwerken mit zwei aufrecht ge* 
haltenen, in dem Epigramm im Corp. Inscr. Gr. n. 2388 ausdrücklich bezeugten 
Fackeln, wie sie bei der Artemis und Hekate regelmässig vorkommen. Soll aber 
Kora genauer bezeichnet werden, so wird ihr eine gesenkte und eine aufrecht ge« 
baltene Fackel gegeben (so auf der Eadmosvase und anderen Vasenbildem, vgl. 
Welcker A. D. HI, S. 389 und Gerhard Ges. AbhandL II, S. 392, Anm. 150, und 
auf dem schon oben in Anm. 62 angef. Relief zu Catajo) was sich auch in Be- 
treff der Hekate (vgl. J. H. Voss zu Hymn. auf Demeter VI. 52), und der Eileithyia 
(vgl. Text zu D. a. K. n, 729 der zweiten Ausg.) findet — , oder sie hält beide 
Fackeln gesenkt, z. B. auf der Attischen Ära, deren Abbildungen auch in Anm. 62 
angeführt sind, und auf der Ath. Münze bei Beule Monn. d'Ath. p. 198, wo sicher- 
lich nicht eine Priesterin gemeint ist), — was ebenfalls bei der Hekate Torkommt» 
vgl. z. B. Denkm. d. a. E. U, 71, 886 u. 887 und 70, 885 der neuen Ausg. 

69) Tyche zu Sparta im Cult verbunden mit Demeter und Kora: Corp. Inscr. 
Gr. n. 1462. Das bei Pausan. IX, 39 zu Lebadea erwähnte OMf/ia ^/offtovoc te 
*uiya^i nal Tvx^g wage ich nicht für eine Cultverbindung dieser beiden mit Demeter 
und Kora zu veranschlagen, da jene wesentlich nur in Beziehung zum Orakel ge* 
standen zu haben scheinen. Noch weniger möchte ich darauf hinweisen, dass im 
Homer. Hymn. in Cer. 420, vgl. Pausan. IV, 30, 3, Tyche als Okeanide neben der 
Persephone vorkommt 

70) Persephone-Eora, die auf feuchter Au mit den Okeaniden Blumen pflückende, 
die das Wachsthum der Pflanzen durch Feuchtigkeit befördernde, steht einer iVt;f»7f 
iftm^ta (Biagi Mon. Gr. etLat. p. 615) wesentlich gleich. Vgl.Mythogr. Vat.ni, 7, 4: 
per Proserpinam humor terram fecundans figuratur. Auch in ihrer Beziehung zum 
Monde liegt die zur Feuchtigkeit, ebenso wie bei der später mit ihr ganz ver- 
schmolzenen Artemis-Hekate. Dass Herkyna, der Sage nach Gespielin der Eora, von 
dieser nicht verschieden ist, wird mit Recht angenommen, vgl. Welcker Gr. Götterl. 
I, S. 489. Wie neben dem Quelibache Herkyna ein Tempel der Herkyna stand 
(Pausan. IX, 39, 2), so muss, nach S. Justini Apolog. I, C. 64, p. 53, 25 fg. ed.. 



36 FRIEDERICH WIESELER. 

alt. Braun, zu schliessen, td ndmlov %^q XtyofAipiig Ko^^g mehrfach inl %atg wv 
vdatmv ntfyatg aufgebtellt gewesen sein. 

71) Dass übrigens Kora auch zu Megara neben Demeter yerehrt wurde, erhellt 
doch wohl schon aus dem Culte zu Byzanz, über welchen zu vergleichen Dionys. 
Byzant Anapl. Bospori fr. 9 nach G. Müller Geogr. 6r. min. Vol. II, p. 23, fr. 
10 nach Frick, der freilich mit Gillius p. 15 annimmt, Proserpina sei keine andere 
als Hekate OmfSq>6qog (s. Anm. 84), und XIII nach Wescher. 

72) Pausan. I, 40, 2; 44, 7. 

73 Pausan. I, 41, 4. 5. — Frick in Pauly's Realencyclop. Bd I, Abth. 2, S. 2614 
d. zw. Aufl. hält die A. Diktynna am Bosporos für eine Specialisirung der Megari- 
sehen ^A, ^AYQOttqa mit Bezug auf den Fischfang. Indessen ist es bedenklich, ohne 
dringende Noth Umwandlung des Beinamens vorauszusetzen. Besser ist es jedenfalls, 
den Gedanken an den Zusammenhang mit der Megar. Agrotera ganz aufzugeben. 
A. Diktynna, die als Göttin des Fischfangs der Text in Wescher's Ausg. d. Dionys. Byz. 
LVI ausdrücklich erwähnt, scheint, nach der Lage ihres Heiligthums (Dionys. Byz. 
Anapl. fr. 34 u. 35 Müller, 36 u. 37 Frick) zu schliessen, zudem auch Hafengottheit 
und Schirmerin der SchifiEahrt gewesen zu sein. Ihr Dienst kann recht wohl durch 
die Argiver (Antonin. Liber. Transf. XL) in die betreffende Gegend gebracht sein. 

74) Pausan. I, 42, 1. Dienst der Artemis-Iphigeneia und auf Iphigeneia be- 
vügliche Sagen von Megara aus in Chrysopolis, Byzanz gegenüber: K. 0. Müller 
„Dorier'* I, S. 385, Frick zu Dionys. Byzant. Anapl. fr. 65, p. 36. 

75) Herodot. IV, 103. 

76) Pausan. 1, 43, 4. 

77] Vgl. Corp. Inscr. Gr. n. 1064. Das Epigramm befindet sich an der Basis 
der Statue einer Priesterin der Göttin. 

78) Vgl. Herodot. IV, 87, wo freilich nur i ßmfkdg t^g "OQ&matiig *AQt4fjkidog 
erwähnt wird, aber ohne Zweifel auch ein Tempel der Göttin vorhanden war, vor 
welchem der Altar gestanden haben wird. 

79) Die betreffenden Worte lauten im Zusammenhang so : 

^ACofAipij xovQ^P Afjtmtda etox^cc$Qav 
"AQUfiiP ^Oq&maifpf^ noleoig ncQl tstxBa ndvta 
tXfk IsQ^ti iyd *AaxXfjmdg. 
Boeckh bemerkt dazu Vol. I, p. 561: „Sacerdos haec dicitur Dianam venerari n6l€o$g 
n€Ql tsix^a ndvta^ in toto circuitu urbis: igitur variis Diana locis videtur sacra 
habuisse'^ Ich weiss nicht, ob er nicht selbst nur an das Innere der Stadt dachte. 
Dass die Orthosia wenigstens auch — wir unseres Theils meinen: allein — in 
der Stadt Megara verehrt wurde, kann allerdings wohl keinem Zweifel unterliegen. 
Bätte man aber die betreffenden "Worte von dem Local der Verehrung zu verstehen, 



UEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 37 

80 irfirde dieses ausserhalb der Stadt Toranszusetzen sein. Man hätte dann wohl 
zunächst an Artemis, die als Schützerin an den Thoren der Stadt aufgestellt ge- 
wesen wäre, zu denken. Allein die Beziehung der Worte auf das Local der Ver- 
ehrung hat in sprachlicher Hinsicht durchaus nichts für sich, und in sachlicher be- 
fremdet das hinzugefugte ndrta. Sollte nicht Asklepias Ton sich sagen , dass sie 
die Artemis höher halte als alle Burgen der Stadt? Vgl. etwa Oppian. 
Halieut. V, 45 : ßaa^X^ig, Y>Av>nMx tslx^a yat^g. 

80) Pausan. I, 40, 2: Tgl. I, 44, 6. Die Ton den Pfeilen der Perser herrühren- 
den Löcher und Vertiefongen an dem Felsen, welchen der Perieget erwähnt, hat 
Gell. Itin. p. 6 noch gesehen. 

81) Ich sehe allerdings, dass, wie Forchhammer Halkyonia (Berlin 1857, S. 14), 
so auch Bursian Geogr. von Griechenland I, S. 381, 3 der Ansicht ist, der Name 
Siirccl sei ursprünglich nicht von n^r^^ sondern von ndyog herzuleiten; kann aber 
derselben mit nichten beistimmen. — Mit dem Megarischen Jliiyal hängt gewiss der 
gleichnamige Ort bei Byzanz (Photios' Lex. u. d. W. Hiirat) zusammen. 

82) YgL für Megara: Neumann Num. vet. ined. T. I, t. YII, n. 4; für Pagae: 
Sestini Mus. Hedervar. t. XI, n. 3 und bes. Fr. Streber Numism. nonn. Gr. ex Mus« 
Beg. Bavariae hactenus minus accurate descr., in Abb. d. philos.-philol. El. d. K. 
Bayer. Akad. d. Wissensch. B. I, t. II, n. 2 = D. a. K, II, 16, 174 a, welcher S. 
177 fg. die früher falsch gedeutete, zuletzt noch von Stephani im Compte rend. p. 
Tann. 1869, p. 53, A. 3 besprochene Figur zuerst richtig bezogen hat. 

83) Das Bild hat hinsichtlich der Gewandung und des'Umstandes, dass die 
Füsse nicht unter demselben hervortreten, grosse Aehnlichkeit mit der sogen. Hestia 
Giustiniani (D. a. K. II, 30, 338, a) und der von Münzen der bekannten Leukadi- 
schen Artemis (D. a. K. II, 16, 175 u. 175, a), sowie dem der Aphrodite von 
Aphrodisias; II, 26, 285, d, auch wie es scheint, dem der ebenfalls mit zwei Fackeln 
versehenen Artemis Tauropolos von Amphipolis II, 16, 177. — Hinsichtlich der 
Gewandung und der Fackeln vgl. auch die Gultusbilder der Zerynthischen Hekate auf 
dem jetzt in Berlin befindlichen, in der Collez. di tutte la antichitä sei Mus. Naniano 
di Yenezia unter n. 234 abgebildeten Relief der Artemis auf dem Wandgemälde in 
den Denkm. d. a. K. I, 44, 206, und auf dem Relief im Vatican. Mus. n. 123, 
welches in der neuen Ausgabe d. Denkm. Bd. II, Taf. XV abbildlich mitgetheilt 
werden wird. 

84) Wie wäre man dazu gekommen, das Bild der Artemis Soteira von Stron- 
gylion in dem „alten Heiligthum'^ aufzustellen, wenn dieses nicht der Artemis gehört 
hätte. Yermuthlich hatte diese auch schon früher den Beinamen Soteira. Wir finden 
auch sonst, dass dieser durch Legende eine besondere Beziehung erhielt (Welcker 
Gr. Götterl. 11, S. 396). — Frick ist in der Realencyclop. a. a. O.S. 2614 der Ansicht, 



38 FRIEDRICH WIESELER. 

daiB Artemis auf Münzen von Byzans inscbrifÜich all Bt^Comd^ Smutga bezeicknet 
werde in Beziehung auf die Zurfickscfalagaog eines nächtlichen Ueberfalls der Make- 
doöier unter Philipp, worüber Hesychins Mtlesios in C. Müller's Fragm. histor. Gr. 
4, 27, p. 151 berichtet, und erinnert dabei an die Artemis Soteira von Megara. 
Ich will nicht betonen, dass Hesychins ausdrücklich die Hekate bezeichnet, sowohl 
durch die Angabe, dass jene Zurfickschlagung in Folge nächtlichen Hundegehella 
und der Erscheinung von Feuerwolken stattgehabt habe, als besonders auch dadurch, 
dass er angiebt, die Byzantier hätten zum Dank dafür Xmikttad^tfo^ov "^Endtqq äyalika 
geweiht. Aber ich habe, trotz aller aufgewandten Mühe, in den mir zugänglichen 
numismatischen Werken keine Spur auch nur von einer solchen Münze auffinden 
können. Sollte dennoch die*Angabe Frick's in dieser Beziehung wahr sein, so würde 
ich weit eher glauben, dass die Artemis Soteira yon Megara nach Byzanz verpflanzt 
sei, und das doch wohl schon vor dem Perserkriege. 

85) Vgl. 0. Jahn Nuov. memor. d. Inst arch. p. 23. 

86) Man Tgl. — um yon anderen zu schweigen — namentlich das bekannte 
Relief im Louyre bei Glarac Mus. de sc pl. 200, n. 26. 

87) Pan und Artemis in Standbildern vereinigt: Pausan. U, 2, 40, und sonst 
auf Bildwerken: Gerhard Apul. Vasenbild. S. 7, Anm. 6 zu Taf. VI. Pan bei 
Hekate: Denkm. d. a. K. U, 71, 893 b, und Oötting. Nachricht. 1875, S. 640. Pans 
Verbindung mit Selene: Welcker Griech. Götterl. I, S. 456 %., und besonders Dilthey 
in der Arch. Ztg. 1873, S. 73 fg. 

88) Namentlich da man voraussetzen kann, dass man sich das Bild der Artemis 
auf dem lebendigen Felsboden aufgestellt denken soll Ebenso verhält es sich z. B. 
auf dem in Anm. 83 erwähnten Vatican. Belief. 

89) Besonders bekannt ist die Verehrung in einer Grotte von der Zerynthischen 
Hekate auf Samothrake und in ThrakieUi worüber ich soeben in den Götting. Nach- 
richten 1875, S. 635 fg. zur Erk^rung des in Anm. 83 erwähnten früher Nani'schea 
Beliefs gehandelt habe. Dass aber Hekate auch anderswo als in Grotten hausend 
gedacht wurde, erhellt aus Hom. Hymn. in Ger. 25 und ApoUon. Rhod. Arg. HI, 
1213. Selene in einer Höhle verehrt nach Porphyrios de antr. Nymph. 20, und 
zwar zusammen mit Pan Lykaios. — Dureh den Umstand, dass es sich auf dem in 
Rede stehenden SaburofTschen Relief um ein Cultusbild der Artemis handelt 
(welches, auch wenn es nicht das in dem „alten Heiligthum'' zu Megara vorauszu- 
setzende der Soteira selbst ist, doch nicht bloss am Meisten diesem zu entsprechen 
sdieint, sondern auch am Wahrscheinlichsten auf dieselbe Göttin bezogen werden 
dürfte), erklärt es sich auch, warum die betreffende Figur stehend dargestellt ist. Denn 
obgleich Darstellungen, welche die mit zwei Fackeln versehene Artemis oder Hekate 
sitzend zeigen, dann und wann vorkommen (z. B. Denkm. d. a. K. II, 14, 149, 



ÜEBER EIN VOTIVRELIEF AUS MEGARA. 39 

Exped. sdentif. de Moree HI, 43 = Schöne Gr. Rel. T. XXYI, d. 108, Compte 
rendu de la comm. arch. p. 1859, pl. I = Gerhard Ges. Abhandlung. Taf. LXXTV), 
ist doch — mir wenigstens — ein sicheres Cultnsbild, das jene Göttinnen in einer 
der gewöhnlichen Weisen (nicht auf einem Thiere) sitzend zeigte, unbekannt. 

90) Pausan. I, 34, 2. — Einen Berg- oder Felsengott, der zugleich Wasser 
entsendet, zeigt uns der Pariser Actaeonssarkophag (Clarac Mus. de sculpt. T. II, pl. 
114, 67). Zur Erklärung des betrefienden Reliefs: Pausan. IX, 2, 3. Vgl. auch 
Clarac pl. 216, n. 31. Sonst dienen zur Bezeichnung von Bergwassem meist Nymphen, 
die auf dem Berge gelagert erscheinen. 

91) Genaueres hierüber in dem Aufsatze „Einige Bemerkungen über die Dar* 
Stellung der Berggottbeiten in der classisehen Kunst^% welchen man in den Götting. 
Nachrichten, 1876, Sitzungsber. vom achten Januar, finden wird. Aus diesem ¥drd 
auch erhellen, wie wichtig das vorliegende Relief für die Darstellungen der Berg- 
gottheiten überhaupt ist. 

92) Pausan. I, 41, 2, vgl. I, 40, 1. — War das oben im Texte Angedeutete 
der Grund, aus welchem der Künstler den Berggott zur Darstellung brachte, so ist 
dieser nicht einmal als blosse Localpersonification zu .betrachten , wie so häufig auf 
späteren Reliefs. 

D3) Auch die von mir unter Beistimmung von Michaelis Ann. d. Inst. XXXV, 
p. 333 auf Aglauros bezogene, noch stärker verhüllte weibliche Figur des in D. a. 
K. II, 43, 544 (545) abgebildeten Reliefs, wird wie von E. 0. Müller, so von Frie- 
derichs Berl. ant. Bildw. I, S. 217, n. 393 als „Nymphe^' gefasst. Dass von Seiten 
der Bekleidung dieser Erklärung nichts im Wege steht, ist zuzugeben. Sonst finden 
wir Nymphen dann und wann mit einem Eopftuche versehen, vgl. Jahn Arch. Beitr. 
S. 64, A. 38, sowie die „Nymphe des Berges" auf dem Pompejan. Wandgemälde in 
der Arch. Ztg. 1843, Taf. V, n. 2 (Heibig Wandgem. der vom Vesuv versch. Städte 
Campaniens n. 340), auch n. 823 bei Heibig. 

94) Vgl. Jahn Arch. Beitr. S. 61 fg. (dessen Beispielen von Endymionreliefs 
auch das in Woburn Abbey^marbles pl. IX hinzugefügt werden kann] und Heibig 
a. a. 0., n. 821—823. 



Die Statthalter von Ägypten 

zur Zeit der Chalifen. 
Von 

F. Wüstenfeld. 



2. Abtheilung. 
Von Abul-^Abbäs el-Saffäh bis el-Musta'in. 



Vorgetragen in der Sitzung der Eönigl. Ges. d. Wiss. am 1. Mai 1875. 

Nachdem Abul-'Abbds el-Saffäh am 13. Rabf L 132 (30. Oct. 749) 
in Kfifa zum Chalifen ausgerufen war, tobten zwar in den Asiatischen 
Provinzen die Stürme, welche den Wechsel der Dynastien begleitet hatten, 
noch lange Zeit nach» in Ägypten aber vollzog sich die Umwandlung 
nach dem Tode Marwäns rascher und es kamen nur noch vereinzelte 
Versuche vor, sich gegen die neue Regierung zu erheben, da die Ver- 
wandten und Anhänger der Omeijaden in steter Verfolgung bald sämmt- 
lich aus dem Lande vertrieben oder gefangen genommen und getödtet 
wurden. Der Sieger 

Cälih ben 'Ali, ein Oheim des ersten Abbasiden Chalifen, erhielt 
noch in demselben Monate seines Einzuges in Fustdt (Muharram 133) 
die Bestätigung als Statthalter und schickte eine Gesandtschaft von ange- 
sehenen Männern an Abul-'Abbds, um ihm die Huldigung der Ägyptier 
zu überbringen. Unter den Mitgliedern der Familie der Omeijaden, 
ERst-phil Glosse. XX. 4. A 



2 F. WÜSTENFELD. 

welche gefangen genommen wurden, befanden sich 'A9im ben Abu Bekr 
ben Abd el-'Azlz ben Marwdn, sein Bruder Amr, seine drei Söhne Abd 
el-Malik, Abdn und Maslama, Amr ben Suheil ben Abd el- Aziz und 
dessen fünf Söhne Jazid, Marwän, Abän, Abd el-Aziz und el-A9bag; sie 
wurden nach Calansuwa, einer Festung in Palastina nahe bei Bamla, 
geschleppt und hier mit mehreren anderen Omeijaden hingerichtet. Ihr 
Vermögen liess ^älih als Sold unter die Soldaten und an deren Familien 
und als Unterstützung an Waisen, Arme und Pilger vertheilen. Die- 
jenigen, welche während des Kampfes ihre besondere Anhänglichkeit an 
die neue Dynastie bewiesen hatten, erhielten zur Belohnung Grundbesitz 
in Bulak , in den zu der Stadt Ahnäs auf der Südseite des Nil nicht 
weit von Fustät gehörigen Dörfern und an anderen Orten. Jazid ben 
Häni el-Kindl wurde Oberst der Leibwache; der bisherige Cddhi Abd 
el-Eahman ben Sdlim wurde zum Steuerverwalter befördert und an seine 
Stelle trat wieder sein Vorgänger Cheir ben Nu'eim als CAdhi ein. — 
Schon am 1. Scha'bän 133 würde ^dlih von dem Chalifen abberufen, 
um das Commando in Palästina zu übernehmen;' er nahm den begna- 
digten ehemaligen Statthalter Abd el-Malik ben Marwdn als Gefangenen 
mit sich und eine Anzahl angesehener Agyptier, welche in dem Gefolge 
des Chalifen Dienste nehmen sollten, und da ihm die Wahl seines Nach- 
folgers freigestellt war, bestimmte er dazu den Corpsführer 

Abu 'Aun Abd el-Malik ben Jazid. In der Ebene vor^ustdt 
auf einem Platze, welcher el-hamrd und zum Unterschied von gleichna- 
migen Orten eUhamrä el-kufwd »der entferntere rothe Weg« hiess, hatten 
schon gleich nach der ersten Eroberung die Soldaten von den Stämmen 
el-Azrak, Bübil und Jaschkur angefangen einige feste Häuser zu bauen, 
welche den Namen eUAskar »das Lager« erhielten, sie waren aber in 
der Folge wieder zerstört und an dieser verödeten Stelle hatten ^'älih 
und Abu 'Aun bei ihrer Ankunft wieder ihr Lager aufgeschlagen und 
letzte;rer wieder einige Gebäude aufführen lassen, welche er selbst be- 
wohnte. Als ^dlih Fustdt verliess, wurde der grösste Theil jener Ge- 
bäude wieder abgerissen, indess blieb seine eigene Wohnung stehen, 
hier pflegten in der Folge die Statthalter zu residiren, das Quartier be- 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 3 

hielt den Namen el-Askar unb wurde nach und nach durch Anbauten 
mit der Stadt Fustät verbunden. — Im J. 135 dankte der Cädhi Cheir 
ben Nu'eim ab aus folgender Veranlassung. Ein Soldat hatte sich an 
einem Manne thätlich vergriffen und dieser verklagte ihn bei dem Cädhi, 
konnte aber sofort nur einen Zeugen stellen ; der Soldat wurde desshalb 
festgenommen, bis der Kläger einen zweiten Zeugen herbeigerufen haben 
würde. Abu 'j\nn verfügte aber die sofortige Freilassung des Soldaten 
und Cheir forderte desshalb seine Entlassung, blieb zu Hause, hielt keine 
Gerichtssitzungen mehr und weigerte sich der besonderen Aufforderung 
des Statthalters sein Amt zu behalten Folge zu leisten, wenn nicht der 
Soldat wieder eingeliefert würde. Da dies nicht geshah, blieb er bei 
seinem Entschlüsse und wurde dann nur noch ersucht, seinen Nachfolger 
zu bezeichnen, und er schlug dazu seinen Secretär Gauth ben Suleimdn 
vor, welcher dann auch zum Cddhi ernannt wurde. 

Beim Ausbruche der Pest verliess Abu 'Ann Fustdt und zog sich 
nach der Anhöhe der Banu Jaschkur in el-Askar zurück, (wo später die 
Tulunische Moschee erbaut wurde,) nachdem er dem- Obersten der Leib- 
wache Ikrima ben Abdallah ben Amr ben Cahzam seine Ämter über- 
tragen hatte; nach dem Aufhören der Pest kam er zurück, begab sich 
aber im J. 135, indem er neben 'Ikrima als obersten Regierungsbeamten 
den 'Atd ben Schurahbil zum Steuerverwalter ernannte, nach Dimjät, um 
der Gegend von SamannAd näher zu sein, wo die unruhigen Gopten 
wieder einen Aufstand machten, den er mit Waffengewalt unterdrücken 
musste. Hier traf ihn ein Schreiben des Chalifen, welches ihm meldete, 
dass er 

^dlih ben 'Ali wieder zum Statthalter von Ägypten, zugleich auch 
von Palästina und Magrib ernannt habe, welcher am 5. ßabi* II. 136 
ankam und 'Ikrima in seiner Stelle als Obersten in Fustät bestätigte, 
für el-'Askar aber den Jazid ben Hdni zum Obersten der Leibwache 
einsetzte. Zugleich hatte der Chalif eine grosse Armee gesandt, welche 
nach Africa marschiren sollte; Cdlih übertrug dem Abu 'Ann das Com- 
mando und dieser zog im Gumädd II. damit ab, während in Alexandria 
Schiffe ausgerüstet wurden, um nach Barca zu segeln. Da starb el- 

A* 



4 F. WÜSTENFELD. 

Saffäh erst 33 Jahre alt im Dsul-Hi^a 136 (Juni 754) an den Blattern, 
nnd sein Bruder Abdallah Abu Gafar el-Man9Ür bestätigte ^älih, gab 
ihm aber Befehl, Abu 'Ann aus Africa zurückzurufen, welcher dann auch, 
nachdem er sich noch elf Tage^) in Barca aufgehalten hatte, mit seiner 
Armee wieder in Fustdt eintraf. Von hier schickte ihn Cälih nach Fa* 
lästina, um gegen die Chari'giten zu kämpfen, und er brachte ihnen 
solche Niederlagen bei, dass er 3000 Köpfe nach Fustdt sandte. Dann 
reiste Q'älih selbst ab, um sich nach Palästina zu begeben, nachdem er 
seinen Sohn el-Fadhl als seinen Stellvertreter eingesetzt hatte; er kam 
von Bilbeis noch einmal zurfick und verliess dann am 4. Bamadhdn 137 
(21. Februar 745) Ägypten für immer. Er traf in el-Faramd mit 

Abu 'Ann zusammen und übergab ihm die Regierung, und dieser 
zog am 26. Bamadhdn in Fustdt ein; er bestätigte Ikrima als Obersten 
und fibertrug 'Atd ben Schurahbfl die Verwaltung. Der Cddhi Grauth 
ben Suleimdn hatte mit ^dlih Ägypten verlassen und es wurden dem 
Abu 'Ann drei Personen vorgeschlagen, aus denen er einen Nachfolger 
wählen solle: Heiwa ben Schureih, Abu Chuzeima Ibrahim ben Jazid 
el-Himjarl und Abdallah ben 'Ajjdsch el-Fitjdnl (oder el-Grassdnl). Abu 
Chuzeima befand sich damals in Alexandria und wurde von dort herbei- 
gerufen, dann erschienen alle drei zugleich bei Abu 'Ann, welcher in 
einer Versammlung mit Heiwa ben Schureih die Verhandlungen begann 
und, als er ablehnte, das Schwerdt und die Henkerdecke (auf welcher 
die zum Tode Verurtheilten geköpft werden), zu bringen befahl. Als 
Heiwa dies sah, zog er einen Schlüssel hervor und sagte: Dies ist der 
Schlüssel zu meinem Hause, ich wünsche nichts mehr, als mich in das- 
selbe zurückziehen zu dürfen, um meinem Gott zu dienen. Da sie sahen, 
dass er fest entschlossen war, liessen sie von ihm ab, und er fügte 
dann nur noch hinzu, dass sie den beiden anderen nichts über die Art 
und Weise, wie er abgelehnt habe, sagen möchten, damit sie es nicht 
ebenso machten wie er. Nun wurde Abu Chuzeima herein beschieden, 
und ihm die Stelle als Cddhi angetragen, und als auch er ablehnte, wurde 



1) Macrtzl I. 306, 16; nicht elfMonate, wie beiAbul-Mahasin I. 367. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN: 5 

mederum befohlen, för ihn das Schwerdt und die Henkerdecke herbei- 
zuholen, da war er schwach genug nachzugeben und erklärte sich zur 
Annahme bereit. Er hatte bisher die Profession eines Riemer betrieben 
und Halfter verfertigt und verkauft. Als er nun einst zu Gericht sass, 
ging ein Mann vorüber, der ihn früher in Alexandria gekannt hatte, und 
verlangte Abu Chuzeima zu sprechen ; dieser stand auf und der Fremde 
redete ihn an: ich habe eine Halfter für mein Pferd nöthig, worauf 
Abu Chuzeima wieder in seine Wohnung ging, eine Halfter herausholte 
und sie ihm verkaufte ; dann setzte er sich wieder zum Gerichte nieder. 
— In diesem Jahre starb der Cddhi Husein ben Nu'eim ben Murra 
el-Hadhraml und im J. 139 der Rechtsgelehrte Chdlid ben Jazid Abu. 
Abd el-Rahman el-Gumahl. — Am 15. Rabf I. 141 berief der Chalif 
den Abu 'Aun nach Jerusalem, wo er sich damals aufhielt, und behielt 
ihn auf seinen weiteren Feldzügen in seiner Nase. 'Ikrima, welcher 
interimistisch die Regierung führte, wurde von dem Chalifen durch 

Miisä ben Ka'b ben 'Ojeina el-Tamiml ersetzt, welcher am 
15. Rabi II. nach Fustdt kam. Er war in Choräsdn schon seit dem 
J. 117 mit AbuMüsä für die Sache der Abbasiden sehr thätig gewesen« 
hatte dabei viele Mühen und Entbehrungen ertragen und war sogar in 
die Gefangenschaft des Omeijaden Statthalters Asad ben Abdallah el- 
Casrl gerathen, welcher ihm das Kopfzeug eines Esels anlegen und die 
Zähne ausbrechen Hess, dann ihm aber die Freiheit schenkte. Er stand 
bei el-Man9tlr in hohem Ansehen und war zum Obersten der Leibwache 
bef5rdert, und nachdem er nun in die glänzende Stellung in Ägypten 
gekommen war, äusserte er: »Als ich noch Zähne hatte, fehlte mir das 
Brod, jetzt da ich Brod habe, sind die Zähne fort.« Er behielt 'Ikrima 
als Obersten und nahm seinen Wohnsitz in el-'Askar, wo das Militär 
lag, es war ihm aber lästig, dass die Officiere Morgens imd Abends sich 
bei ihm meldeten, wie es bisher bei den Statthaltern geschehen war, 
und er führte desshalb die Ordnung ein, dass sie nur in wichtigen An- 
gelegenheiten zu ihm kommen sollten, so dass nun Niemand mehr zu 
ihm ging, der nicht ein besonderes Anliegen hatte und desshalb um 
Audienz bat. Es mochte dies eine Folge seiner Kränklichkeit sein 



6 F. WÜSTENFELD. 

und er war überhaupt ungern nach Ägypten gegangen, desshalb rief 
ihn der Chalif nach sieben Monaten zurück, schrieb ihm aber, es solle 
dies kein Zeichen seiner Ungnade sein, sondern er habe gehört, dass ein 
Mann Namens Mdsa in Ägypten würde ermordeyt werden, und er wünsche 
nicht, dass grade er dies sein solle. Nachdem also Mdsä seinem Nefien 
Chälid ben Habib das Commando über die Truppen und dem Naufal 
ben el-Furdt die Verwaltung übertragen hatte, verliess er am 24. Dsul- 
Ca'da (28. März) Ägypten und begab sich zu el-Manjür, starb aber kurze 
Zeit darauf. — In demselben Jahre starb auch der berühmte Traditions- 
lehrer 'Okeil ben Chdlid Abu Ch&lid el-Ailf in Äegypten. — Mdsä's 
Nachfolger 

Muhammed ben el-Asph'ath ben 'Ocba el-Chuzd*i kam 
Montag d. 6. Dsul-Hi'g'ga 141 (9. April 759) nach Fustdt und machte 
erst el-Mahd'gir ben Othmdn el-Chuzä*i, darauf Muhammed ben Mudwia 
el-Kald'i zum Obersten der Leibwache. Der Chalif Hess an Naufal den 
Befehl ergehen, die Pacht der Einkünfte an Ibn el-Asch'ath abzugeben, 
wenn dieser wollte, und darüber den Contract mit ihm abzuschliessen 
und einzusenden; wenn er nicht wollte, solle Naufal die Pacht behalten. 
Ibn el-Asch'ath schlug es aus, begab sich aber dadurch eines grossen 
Theils seines Einflusses ; denn wenn Naufal sich in die Bureaus begab 
und dann Ibn el-Asch'ath diesen und jenen sprechen wollte und nach 
ihm fragte, hiess es : »er ist bei dem Steuerverwalter,« und Ibn el-Asch'ath 
bereute es, ihm die Pachtung überlassen zu haben. — Er rüstete alsbald 
ein Heer aus, welches nach Africa marschirte, wo weder die Berbern, 
noch die flüchtigen Omeijaden, noch die Chari'giten Anhänger 'Alfs die 
Oberhoheit des Chalifen anerkannten. Da aber dies Heer in die Flucht 
geschlagen wurde, sah sich Ibn el-Asch'ath genöthigt am 10. Dsul- 
Hig'ga 142 sich selbst nach Alexandria zu begeben, indem er dem 
Obersten seiner Leibwache, Muhammed ben Mu'dwia, die Regierung 
übertrug. Aber schon im Anfange des J. 143 erhielt er ein Schreiben 
des Chalifen, welches ihn von seinem Posten abrief. Sein Nachfolger 

Humeid ben Cahtaba ben Schabib el-Tdlj traf aber erst 
Freitag d. 6. Ramadhdn (19. Dec. 760) in Fustdt ein mit einer Armee 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 7 

von 20,000 Mann, denen im folgenden Monate noch ein anderes Corps 
folgte. Von diesen sandte er 6000 Beiter unter Anführung des Abul- 
Ahwa? el-'Abdl nach Africa, um die Chari'giten, an deren Spitze Abul- 
Chattäb el-AnmAti stand, zu bekriegen; er wurde aber bei Barca, wo 
die beiden Heere auf einander stiessen, geschlagen, und nun eilte Humeid 
mit Verstärkung herbei, überfiel el-Anmdtl bei Surt, zwischen Barca 
und Tripolis, und tödtete ihn und eine Menge seiner Anhänger, worauf 
er nach Fustdt als Sieger zurückkehrte. — Der Cädhi Abu Chuzeima 
hatte um seine Entlassung gebeten und sie erhalten, und sein Vorgänger 
Gauth war im J. 144 wieder zum C&dhi ernannt, Hess aber seine Stelle 
durch Abdallah ben BilÄl el-Hadhrami versehen, so lange er noch bei 
dem Chalifen in 'Irak blieb, und selbst als er wieder nach Ägypten 
kam, bestätigte er Abdallah als seinen Stellvertreter, und nachdem dieser 
gestorben war und Gaut nach 'Irak zurückzukehren wünschte« musste 
Abu Chuzeima wieder eintreten. Als 'Ali ben Muhammed ben Abdallah 
ben Hasan nach Ägypten kam, um für seinen Vater, gen. el-Nafs el- 
zakija, der sich in Medina empört hatte, Anhänger zu gewinnen, hatte 
Humeid eine geheime Unterredung mit ihm , worauf 'AU sich wieder 
entfernte; dies wurde aber doch dem Chalifen hinterbracht, welcher sehr 
aufgebracht wurde und 

Jazid ben Hätim ben Cabi9a el-Muhallabi mit Courier- 
pferden nach Fustdt sandte, wo er Montag d. 16. Dsul-Ca'da 144 (15. 
Febr. 762) eintraf, worauf Humeid am 21. d. M. von dort abzog. Jaztd 
bestätigte Abdallah ben Abd el-Rahman ben Mu'dwia ben Hudei'g als 
Obersten der Leibwache und Mu'fiwia ben Marwdn ben Mtisä ben Nu^eir 
als Steuerverwalter. Er war ein Freund der Dichter und ist von ihnen 
in vielen Gedichten besungen. Zu seiner Zeit gewannen die Nachkom- 
men der Familie 'Ali's immer mehr Anhänger in Ägypten, es entstand 
eine allgemeine Bewegung und es war nahe daran, dass dort ein Gflied 
dieser Familie, 'AU ben Muhammed ben Abdallah, zum Chalifen ausge- 
rufen wäre; da brachte im Dsul^-Hi'g'ga 145 ein Eilbote den Kopf des 
Ibrahim ben Abdallah ben Hasan, der sich in Bafra gegen el-Man^dr 
empört hatte, nach Fustdt ; er wurde mehrere Tage in der Moschee auf- 



8 F. WÜSTENFELD. 

gesteckt, und damit verloren die Aliden den Muth zum weiteren Vor- 
gehen. Wegen dieser Unruhen hatte Jazid die Pilgerreise verboten, im 
J. 147 stellte er sich aber selbst an die Spitze der Pilgercaravane, in- 
dem er far die Zeit seiner Abwesenheit dem Obersten Abdallah ben 
Abd el-Rahman die Regierung übergab. — Um diese Zeit starb Amr 
ben el-Hfirith ben Ja'cdb Abu Omeija el-An^dri, der beste Tradions- 
kenner seiner Zeit. — Nach seiner Rückkehr sah sich Jazfd genöthigt, 
eine Armee nach Habessinien zu schicken, wo wieder ein Chari^t sich 
angelehnt hatte; dieser wurde geschlagen und getödet und sein Kopf 
erst nach Fustdt, dann nach Bagdad gebracht. Zur Belohnung erhielt 
Jazid im J. 149 die Statthalterschaft von Barca zu der von Ägypten, 
eine Vereinigung, welche vorher noch nicht stattgefunden hatte. Im 
folgenden Jahre erhoben sich die Gopten von Sach& in dem See-Districte, 
schlugen das gegen sie ausgesandte Heer in die Flucht und vertrieben 
die Steuererheber ; sis zogen dann nach Schabrä Sanbfit und die Einwohner 
von Bascharüd, Arisia und Nu'gdm vereinigten sich mit ihnen. Jazid 
ben Hdtim stellte den Na9r ben Habib el-Muhallabi an die Spitze der 
Einnehmer und eines Corps, das er aus Fust&t zur Hülfe schickte, aber 
die Gopten umzingelten sie und todteten eine Menge derselben, und 
wiewohl die Muslim Feuer zwischen die Gopten warfen, mussten sie sich 
doch zurückziehen und kamen in voller Flucht nach Fustdt. Indess 
wurde der Aufstand nachher unterdrückt und es folgten nur um so grössere 
Bedrückungen.^) — Im Rabf II. 152 2) wurde Jazid als Statthalter nach 
Africa versetzt und an seine Stelle in Ägypten kam der genannte Oberst 
Abdallah ben Abd el-Rahman benMu'äwia ben Hudei'g 
den 17. Rabf IL, welcher aber auch seine bisherige Stelle als Oberst 
behielt und keinen anderen ernannte. Schon sein Gross vater Mu'dwia 
hatte sich als treuen Anhänger der Omeijaden bewährt und sein Vater 



1) Vgl Geschichte der Gopten. S. 57. 

2) So Macrizi I. 307; nicht im Rabi' I. wie AbuUMahäsin I, 393, da 
sonst die von beiden auf 7 Jahre und 4 Monate angegebene Regierangszeit nicht 
zutrifft. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 9 

und er selbst hatten in deren Diensten hohe Posten bekleidet und waren 
von el-Sa£fäh nur durch die Fürsprache seines Oheims Suleimän ben 
'Ali begnadigt und dem Schicksale ihrer Parteigenossen entgangen. Ab- 
dallah war der erste, welcher in schwarzer Kleidung auftrat, um das 
Kanzelgebet für die Chalifen zu sprechen. — Im J. 152 starb in Unter- 
ägypten der Traditionslehrer Jilnus ben Jazid el-Aili. — Im J. 154 
begab sich Abdallah zu el-Man^iir nach Bagdad, indem er seinem Bruder 
Muhammed die Regierung übertrug. Kurz vorher war der Cadhi Abu 
Chuzeima Ibrahtm ben Jazid el-Himjari gestorben und der Chalif fragte 
Ihn Hudei'g, wen er a« seine Stelle zu setzen denke, und er nannte 
AbuMa'ddn el-Jahfubi; der Chalif wandte ein,^ dass dieser taub sei und 
sich nicht dazu eigne, worauf Ibn Huderg den Abdallah ben Lahfa 
vorschlug ; dieser erhielt die Bestätigung und war der erste Cädhi, welcher 
für Ägypten von dem Chalifen ernannt war und als Besoldung monatlich 
dreissig Dinare erhielt. — Ibn Hudei'g kehrte am Ende des Jahres zu- 
rück und starb einige Wochen nachher am 1. ^afar 155 (12. Jan. 772). 
Ihm folgte sein Bruder 

Muhammed ben Abd el-Eahman, welcher el-Abbäs ben Abd 
el-Rahman ben Meisara zum Obersten seiner Leibwache ernannte. Man 
war mit seiner Regierung sehr zufrieden und er lies es sich besonders 
angelegen sein, das Heer, welches für Jazid ben Hätim zur Eroberung 
von Magrib ausgerüstet wurde, mit Pferden, Waffen und allen nöthigen 
Bedürfnissen zu versehen und für den Sold der Truppen zu sorgen. 
Indess erkrankte Muhammed nach einiger Zeit, er konnte sein Lager 
nicht mehr verlassen und starb in der Mitte des Schawwäl 155. Jazid 
hatte unterdess die Rebellen geschlagen und ihre beiden Anführer Abu 
'Ad und Abu Hdtim getödtet, und sandte noch einen Boten ab, um 
Muhammed davon Nachricht zu geben, die er dann weiter an den Cha- 
lifen befördern sollte; aber der Bote fand ihn nicht mehr am Leben, 
er war wenige Tage vorher gestorben. Der von ihm mit den Regierungs- 
geschaften beauftragte 

Mtisä ben 'Oleij ben Rabäh el-Lachmi wurde von dem 
Chalifen als Statthalter bestätigt und machte Abul-^ahbä Muhammed 
mst-pMl Glosse. XX 4. B 



10 F. WÜSTENFELD. 

ben Hassan el-Kalbi zum Obersten der Leibwache. Seine Regierung 
verlief ruhig, bis die Gopten von Balhib im J. 156 sich empörten und 
mit Waffengeivalt wieder unterworfen werden mussten, wobei viele von 
ihnen getödtet wurden; dann trat wieder eine allgemeine Ruhe ein. 
Müsa war sehr wohlwollend und herablassend gegen die Unterthanen, 
er pflegte zu Fuss in die Moschee zu kommen, indem sein Oberst eine 
kurze Lanze in der Hand voranschritt, und wenn dieser die Leute in 
Reihen geordnet hatte, wandte er sich zu Mdsd mit den Worten: »er- 
barme dich des Volks.« Dann sprach er das Gebet und hielt nach dem- 
selben öfter noch Vorträge über Aussprüche des Propheten, die von 
Zuhörern nachgeschrieben wurden, so dass er ein Hauptglied in der Kette 
der Ägyptischen Überlieferer geworden ist, ebenso wie der im J. 158 
verstorbene Heiwa ben Schureih ben Qafwdn el-Tugibl, der auch als 
Rechtskundiger in Ansehen stand. — Als der Chalif am 6. Dsul-Hi'gga 
158 (7. Oct. 775} starb, bestätigte sein Sohn el-Mahdi den Müsd im 
Amte, bis er ihn am 17. Dsul-Hi'g'ga 161 entliess und 

Isä ben Locmfin ben Muhammed el-&umahi an seine 
Stelle setzte, welcher aber schon nach fünf Monaten am 18. tjumfidä 
I. 162 {12. März 779) wieder abgerufen wurde. Sein Nachfolger 

Wddhih, ein Freigelassener des Chalifen el-Man^Ar, traf am 24. 
Gumädd I. ein, ernannte Müsa ben Zarik zum Obersten der Leibwache, 
blieb aber nicht einmal vier Monate bis zum Ramadh^, wo er wegen 
grosser Härten, deren er sich schuldig machte und worüber bei dem 
Chalifen Klage geführt war, abgesetzt und zum Postdirector von Ägypten 
gemacht wurde. Als solcher war er bei seiner Hinneigung zu den 
'Aliden dem Idris ben Abdallah auf seiner Flucht nach Magrib behülflich 
und als der Chalif dies erfuhr, liess er ihn aufsuchen, umbringen und 
ans Kreuz heften. Dies geschah im J. 169, nur ist zweifelhaft, ob der 
Chalif el-Mahdi oder el-H4di war. — Der nächste Statthalter 

Man9ilr ben Jazid ben Man9iir el-Ru'einl, ein Vetter des 
Chalifen el-Mahdi, trat seine Stelle am 11. Ramadhdn 162 (2. Juni 779) 
an und wechselte in der kurzen Zeit seiner Regierung dreimal die Person 
des Obersten seiner Leibwache, indem er zuerst H&schim ben Abdallah 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 11 

ben Hudei'g, dann Abd el-A'ld ben Sa'd el-'Geischdnf. dann 'Assdma ben 
Amr dazu wählte, bis er selbst nach zwei Monaten abberufen wurde. 
Ihm folgte 

Abu ^dlih Jahjd ben Dawiid gen. Ihn Mamdtld, von Tür- 
kischer Abkunft und in Choräsfin geboren, ein Mann von Klugheit, 
Umsicht und grosser Willenskraft, aber auch von unerbittlicher Strenge, 
die sich bis zu blutdürstiger Grausamkeit steigerte. Der Chalif el-Man9dr 
pflegte von ihm zu sagen: »er fürchtet mich, aber er fürchtet Gott 
nicht.« — Als er nach Ägypten kam, war das Eeisen im Lande sehr 
gefahrlich, da die Wege besonders in el-Hauf durch Räuber meistens 
aus Keis und den Stämmen von Jemen unsicher gemacht wurden; er 
fing also damit an, gegen diese einzuschreiten, und liess eine grosse 
Anzahl derselben hinrichten. Dann ging er so weit» dass er verbot, die 
Thore, Hausthüren und Weinbuden zu schliessen, da es nach seiner 
Meinung keine Diebe geben sollte, und man sah sich genöthigt, Tücher 
und Netze davor auszuspannen, um nur des Nachts den Hunden den 
Eingang zu verwehren. In den Badehäusern mussten die Wächter ab- 
geschafft werden und er liess bekannt machen, wem etwas abhanden 
komme, dem werde er es aus seiner Tasche ersetzen. Wenn nun Jemand 
ins Bad gehen wollte, legte er in dem Garderobe-Zimmer seine Kleider 
ab, sprach dann für sich: »o Abu ^dlih! hüte meine Kleider!« dann 
badete er, und wenn er in aller Ruhe damit fertig geworden war, kam 
er heraus und fand seine Kleider so, wie er sie hingelegt hatte, Niemand 
hatte gewagt sie anzurühren. Dabei war aber das Gefühl der Sicherheit 
kein wohlthuendes, man fürchtete sich mehr als vorher, da andere Vor- 
schriften , auf deren Befolgung mit gleicher Strenge geachtet wurde» 
höchst lästig und drückend waren und ihre Nichtbefolgung mit der här- 
testen Strafe, ja mit dem Tode geahndet wurde. Die Vornehmen, Rechts- 
gelehrten und Beamten mussten lang herunterhängende Mützen tragen 
und darin ohne Mantel jeden Dienstag und Donnerstag vor ihm er- 
scheinen. Die Ägyptier fühlten sich daher im Herzen sehr erleichtert, 
als er am 1. Muharram 164 (6. Sept. 780) abgesetzt wurde. Während 
seiner Regierung im J. 163 starben der Rechtsgelehrte Jahjd ben Ajjüb 

B* 



12 F. WÜSTENFELD. 

el-Gdfiki und Othmdn ben el-Hakam el-Oudsdmi, welcher die Lehre 
Mdlik'8 in Ägypten eingeführt hatte. — Der Nachfolger des Abu Q&lih 

Sfilim ben Sawdda el-Tamimi traf am 12. Muharram ein; 
mit ihm kam Abu Catifa Ismd'il ben Ibrahim als Steuerverwalter und 
zum Obersten der Leibwache wählte er el-Achdhar ben Marwdn; der 
Cfidhi Ibn Lahfa wurde abgesetzt und Ism&^il beu Sumei' el-Kufi kam 
an seine Stelle, der sich bei der Bevölkerung allgemeinen Beifall erwarb, 
nur folgte er der Lehre das Abu Hanifa, welche damals noch nicht sehr 
bekannt war, und als der Rechtsgelehrte el-Leith ben Sa'd hierüber an 
den Chalifen berichtete, wurde er wieder entlassen und Gauth ben Su- 
leimdn musste das Amt wieder übernehmen. — Das eine Jahr der Re- 
gierung Sfilim's war durch viele Umstände für Ägypten und Magrib ein 
sehr bewegtes; er selbst sandte Truppen von Fustdt zur Hülfe nach 
Barca, sie kehrten aber von dort zurück, ohne dass es zum Kampfe ge- 
kommen war, als bekannt wurde, dass die Parteien in Spanien sich 
gegenseitig bekriegten. 

Ibrahim ben Q&lih ben 'AU ben Abdallah ben el-Abb&s, ein 
Sohn des ersten Abbasiden Statthalters von Ägypten, kam nach Fustdt 
am 11. Muharram 165 (5. Sept 781); er nahm seinen Wohnsitz in der 
gewöhnlichen Residenz in el-Askar, baute sich aber dann noch ein 
grosses Haus in dem Quartier el-Maukif Oberst der Leibwache wurde 
wieder 'Assdma ben Amr. Zu seiner Zeit lehnte sich Dihja ben Mu9ab^) 
ben el-A9bag ben Abd el- Aziz ben Marwdn im offenen Kampfe auf, 
nachdem er zu Ahnds und Buweit bei BAfir-Cilridas in el-^a'id sich 
einen grossen Anhang verschafft und sich selbst zum Chalifen ernannt 
hatte. Ibrahim, der ihm mit einer Armee entgegen ging, musste sich 
vor ihm zurückziehen und beachtete den Aufstand sowenig, dass er sich 
immer weiter ausbreitete, bis Dihja den grössten Theil von el-Q^'id sich 
unterworfen hatte und nahe daran war, ganz Ägypten für sich zu ge- 
winnen. Der Chalif war hierüber sehr aufgebracht, gab Ibrahim in 
schimpflicher Weise seine Entlassung und sandte 

1) So Ibn Coteiba pag. 184. Ibn Doreid pag. 48. Jacüt I. 410 und 
766; dagegen Macrizi I. 307 und Abul-Mahasin I. 442 v^*a«ll el-Mu'cab. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 13 

MAsA ben Mu9'ab ben el-Rabf el-Ghath'ami als Statthalter 
nach Ägypten. Er traf am 7. Dsul-Hi'gga 167 (1. Juli 784) vor Fustdt 
Ibrahim schon im Abzüge begriffen, nahm ihn aber mit sich zurück in 
die Stadt, förderte ihm und seinem Verwalter auf Befehl des Chalifen. 
eine Strafe von 360,000 Dinaren ab und liess ihn dann nach Bagdad 
abführen. Müsd schritt sogleich mit der grössten Härte ein: erforderte 
von jedem Acker das Doppelte der bisherigen Steuer, eine Abgabe von 
einem Dirham von den Landbewohnern, die zu Markte kamen, und 
eben so viel von ihren Lastthieren und liess sich bei richterlichen Entschei- 
dungen bestechen. Die Abneigung vor ihm war eine allgemeine; ein- 
mal hatte er in dem Kanzelgebete die Koranverse Sura 18, 28 gelesen: 
»siehe! wir haben den Ungerechten ein Höllenfeuer bereitet, dessen 
Rauch sie rings umgiebt«; da sprach der damals hundert Jahre alte 
Kechtsgelehrte el-Leith ben Sa'd dazwischen: »o Gott! behüte ihn nicht 
davor!« > — Selbst die Soldaten wandten sich von ihm ab und lehnten 
sich ge^en ihn auf, die Keis und Jemeniden wollten für ihre hingerich- 
teten Cameraden Bache nehmen und setzten sich deshalb mit der Be- 
satzung von Fustdt ins Einvernehmen. Er sandte hierauf ein Corps 
gegen Dihja, um ihn zu unterwerfen, und rückte endlich selbst mit der 
ganzen Besatzung aus, um die Keis und Jemeniden zum Gehorsam zu 
bringen ; als er aber auf sie stiess, ergriff seine ganze Armee die Flucht 
und liess ihn allein im Stich, er wurde getödtet und Niemand redete 
auch nur ein Wort darüber, und auf diesen Miisd wurde also die oben 
S. 6 erwähnte Ahnung el-Man9dr's bezogen. Dies geschah am 7. 
Schawwdl 168 (22. April 785). Einige Wochen vorher im Gumdda IL 
war der Gddhi Gauth ben Suleimdn gestorben. Als Beispiel seiner Be- 
reitwilligkeit zu helfen, wird erzählt, dass eine Frau aus der Umgegend 
ihm beg^nete, als er sich in die Moschee begeben wollte ; sie trug ihm 
ihre Klage vor, er stieg vom Pferde ab, schrieb ihr den Bescheid auf 
und ritt dann weiter. Die Frau kehrte zurück, indem sie sagte: bei 
Gott ! deine Mutter hat Becht gehabt, als sie dich Gauth (Hülfe) nannte, 
du bist Hülfe, sobald man nur deinen Namen nennt. — Er war der 
erste Cddhi, welcher an jedem Neumond mit den Notaren zu der öffentlichen 



14 F. WÜSTENFELD. 

Sitzung aafritt. Sein Nachfolger el-Mufaddhal ben FudhAla ben 'Obeid 
el-Fitjdni (Kitbdnl), ein vortrefflicher, wohlwollender Mann, war der erste 
Cädhi, welcher ausführliche ProtocoUe aufnehmen liess. Der von Müsd 
bei seinem Auszuge aus Fustdt als Stellvertreter zurückgelassene Oberst 

'Assdma ben Amr ben 'Alcama eUMa'äfiri erhielt die Be- 
stätigung des Chalifen als Statthalter. Er fing seine Kegierung damit 
an, dass er nach el-^a'id gegen den aufständigen Dihja ein Heer schickte 
unter Anführung seines Bruders Bakkär ben Amr, dieser forderte den 
feindlichen Anführer Jüsuf ben Nu9eir zum Zweikampfe heraus, sie 
stiessen sich gegenseitig die Lanze in die Seite, so dass sie beide todt 
auf dem Platze blieben, wonach auch beide Heere die Flucht ergriffen. 
Dies ereignete sich im Dsul-Hig'ga 168 und wenige Tage nacher erhielt 
'Assdma die Nachricht, dass 

el-Fadhl ben Cdlih ben 'AH el-'Abbdsl zum Statthalter 
ernannt sei, welcher ihn indess zugleich beauftragte, die Geschäfte noch 
bis zu seiner Ankunft fortzuführen. . Noch ehe el-Fadhl von Bagdad 
abreiste, starb der Chalif el-Mahdi am 1. Muharram 169 (14. Juli 785), 
sein Sohn MAsd el-Hddi bestätigte el-Fadhl und dieser traf am letzten 
Muharram in Fustdt ein und 'Assdma trat in seine frühere Stelle als 
Oberst zurück. Um dem Aufstande Dihja's ein £nde zu machen, der 
sich schon über el-Hauf und den See-District verbreitet hatte, sandte 
el-Fadhl gleich nach seiner Ankunft die frischen Truppen, welche er 
aus Syrien mitgebracht hatte, gegen ihn; Dihja wurde in mehreren 
Treffen in die Flucht geschlagen, endlich gefangen genommen und nach 
Fustdt gebracht und im Dumddä II. enthauptet; sein Kopf wurde dem 
Chalifen zugeschickt und sein Körper ans Kreuz geheftet. el-Fadhl 
rühmte sich dieser Erfolge und äusserte sich darüber: »Mir kommt vor 
allen anderen die Regierung von Ägypten zu, ich habe dem Dihja Wider- 
stand geleistet, ihn in die Flucht geschlagen und getödtet, woran alle 
meine Vorgänger verzweifelten; fast hätte er seinen Zweck erreicht, 
weil die Sache schon so lange dauerte und alle sich ihm anschlosseUi 
wenn ich ihm nicht widerstanden hätte.« Fast scheint es, als wenn der 
Chalif, welchem diese Aeusserungen hinterbracht waren, besorgt gewesen 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 15 

wäre, el-Fadhl könnte sich selbst unabhängig machen wollen, denn un- 
erwartet traf diesen gegen das Ende des Jahres die Nachricht, dass er 
seiner Stelle enthoben sei, bei deren Empfang er unverhohlen aber zu- 
spät seine Reue darüber ausdrückte, Dihja getödtet zu haben. — Der 
C&dhi el-Mufaddhal war abgesetzt und Abu Tdhir el-A'ra'g Abd el- 
Malik ben Muhammed el-An9äri an seine Stelle gekommen, mit dessen 
Amtsführung man sehr zufrieden war. 

'AH benSuleimdn ben 'All el-'Abbdsl, ein Vetter und Nach- 
folger des vorigen Statthalters, traf noch vor dem Schlüsse des J. 169^) 
in Fustät ein. und ernannte Abd el-Rahman ben Müsä, dann aber el- 
Hasan ben Jazid el-Kindi zum Obersten der Leibwache. Nicht lange 
nachher kam die Nachricht von dem am 15. Rabf I. 170 (14. Sept. 786) 
erfolgten Ableben des Chalifen el-Hddi und der Thronbesteigung seines 
Bruders UärAn el-Raschid, welcher 'Ali als Statthalter bestätigte. Er 
zeichnete sich durch Gerechtigkeit und Leutseligkeit gegen die Unter- 
thanen aus, wenn schon Lustbarkeiten und Weingelage verboten wurden, 
nur gegen die Gopten verfuhr er zu hart dadurch, dass er ihre neuer- 
bauten Kirchen wieder zerstören liess ; sie hatten ihm für die Erhaltung 
derselben 50.000 Dinare geboten, allein er liess sich nicht bewegen, seinen 
Befehl zurückzunehmen. 2) Auf der anderen Seite machte er sich durch 
tagliche Spenden bei der Muhammedanischen Bevölkerung so beliebt, 
dass sie ihm ihre Anhänglichkeit deutlich zu erkennen gab, und dies 
regte in ihm den Gedanken an, nach der Chalifenwürde zu streben. 
Er war unvorsichtig genug, sich darüber zu äussern, und da ein Emir 
aus seiner Umgebung dies dem Chalifen hinterbrachte, ward dieser so 
aufgebracht, dass er sogleich seine Absetzung beschloss, welche am 26. 
Rabf I. 171 (14. Sept. 787) erfolgte, worauf 

Mdsa ben 'Isd ben Mdsä el-'Abb&si zum Statthalter ernannt 
wurde, der unter el-Man9iir und el-Mahdi lange Zeit Statthalter von Mekka 



1) Abul-Mahäsin I. 456 »im Schawwäl 169c kann nicht richtig sein, weil 
dadurch seine eigene Chronologie yerrückt wird. 

2) Yergl. Geschichte der Gopten. S. 57 fg. 



16 F. WÜSTENFELD. 

undMedina und unter dem letzteren auch Statthalter von Jemen gewesen war. 
Er nahm erst seinen Bruder Ismä'il, dann aber den alten 'Assfima ben Amr 
zum Obersten der Leibwache. Den Christen zeigte er sich dadurch gewogen, 
dass er ihnen nach eingeholtem Gutachten der beiden ältesten Rechts- 
gelehrten el-Leith ben Sa'd und Abdallah ben Lahfa gestattete, die auf 
Befehl seines Vorgängers zerstörten Kirchen wieder aufzubauen, freilich 
zum Verdruss der Muslimen, doch wusste er sich auch diese durch sein 
frommes und herablassendes Wesen geneigt zu machen. Sein Gefühl 
fflr Naturschönheiten sprach sich eines Tages aus, als er bei der Renn- 
bahn ganz in den Anblick der herrlichen G^end am Nil versunken ge- 
fragt wurde, wonach er sähe und erwiederte: »Ich sehe eine Rennbahn, 
Palmenhaine, einen Park mit Bäumen, stille Wohnungen, lebendige 
Häuser, einen Todtenacker, einen murmelnden Fluss, Fruchtfelder, Vieh- 
weiden, einen Pferdeanger, einen Fischer, einen Jäger, einen Schiffer, 
einen Cameltreiber, eine Sandfläche, eine Ebene, einen Berg, dass alles 
auf weniger als einer (Arabischen) Meile ins Gevierte. — Am 14. Rama- 
dhAn 172 (15. Febr. 789) wurde er von dem Chalifen abberufen, um erst 
in Kufa, dann in Damascus unter schwierigen Verhältnissen die Statt- 
halterschaft zu übernehmen ; später kam er nach Ägypten zurfick. Sein 
Nachfolger 

Maslama ben Jahjd ben Curra el-Ba'geli aus Choräsdn ge- 
bflrtig, der bisher in der Armee der Abbasiden eine hohe Stelle bekleidet 
hatte, kam mit einem Corps von 10,000 Mann nach Ägypten und machte 
seinen Sohn Abd el-Rahman zum Obersten der Leibwache. In der kur- 
zen Zeit seiner Regierung waren viele Unruhen in Ägypten, besonders 
in el-Hauf , und er musste auch eine Armee nach Alexandria führen, 
um die Gränze gegen Einfalle zu schützen, welche von Magrib her 
drohten. Maslama wurde aber schon am 5. Scha'bdn 173 (29. Dec. 789) 
wieder abberufen und durch 

Muhammed ben Zuheir el-Azdi ersetzt, welcher erst Dank 
ben el-'Ald, dann Habfb ben Ab&n el-Bageli zum Obersten der Leib- 
wache und Omar ben Geilän zum Steuerverwalter machte. Der letztere 
bedrückte die Unterthanen durch Abgaben auf solche Weise, ^ass er 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 17 

alle gegen sich aufbrachte, selbst die Soldaten lehnten sich gegen ihn 
auf und belagerten ihn in seiner Wohnung, ohne dass der Statthalter 
sich seiner annahm und ihn zu schützen suchte. Dadurch verlor Omar 
seine Macht und sein Ansehen, und seine Befehle an die Truppen wurden 
gar nicht beachtet. Als der Chalif hiervon Nachricht erhielt, war er 
sehr ungehalten, dass Muhammed ihn ganz im Stiche liess und zu seinem 
Schutze gar nichts that, und schickte ihm am letzten Tage des J. 173 
seine Entlassung, liess ihn zu sich kommen und empfing ihn mit einem 
derben Verweis, nahm ihn dann aber in die Zahl seiner Corpsführer 
wieder auf. — In Alexandria starben in dem abgelaufenen Jahre die 
beiden Malikitischen Rechtsgelehrten Sa'd ben Abdallah ben As'ad el- 
Maafiri und Tuleib ben Kämil el-Lachmf aus Spanien. — Als Statt- 
halter von Ägypten kam 

Dawüd ben Jazid ben Hätim el-Muhallabi am 14. Muhar- 
ram 174 (3. Juni 790) nach Fustät und brachte den früheren Statthalter 
Ibrahim ben ^älih als Steuerverwalter mit; 'Ammdr ben Muslim el-Tdij 
wurde zum Obersten der Leibwache befördert. Um die Ruhe in Ägypten 
leichter wieder herstellen zu können, liess Dawtld die Truppen, welche 
an der Auflehnung gegen Omar ben Geilän Theil genommen hatten, 
nach Magrib abmarschiren ; ein Theil derselben schiffte sich ein, um 
die Reise zur See zu machen, und gerieth in die Gefangenschaft der 
Franken. — Sonntag d. 15. Rabf 174 (1. August 790) starb der ehe- 
malige Cfidhi Abdallah ben Lahi'a ben 'Ocba el-Hadhramf in dem Alter 
von 96 Jahren, und am Tage von 'Arafa d. i. den 9. Dsul-Hi'gga Bekr 
ben Mudsar ben Muhammed ben Hakim 72 Jahre alt. — Der Cfidhi 
Abu Tähir hatte im J. 174 um seine Entlassung gebeten und auf 
seinen Vorschlag wurde sein Vorgänger el-Mufaddhal wieder angestellt. 
Dawüd erhielt von dem Chalifen den Befehl, die Ägyptier seinem da- 
mals füni^ ährigen Sohne Muhammed el-Amin als seinem nächsten Nach- 
folger huldigen zu lassen, während er vorher bereits dem um einen 
Monat älteren Abdallah el-Mdmdn die Nachfolge zugesichert hatte ; später 
kehrte Härün selbst dies Verhältniss wieder um und daraus entstand 
nach seinem Tode der Streit um die Thronfolge zwischen den beiden 
mst'phü. Glosse, XX. 4. C 



18 F. WÜSTENFELD. 

Brfidern. — Sonst herrschte während der Regierung Dawiid's Ruhe im 
Lande , er wurde aber am 6. Muharram 175 (16. Mai 791) von dem 
Chalifen abberufen ^) und der frühere Statthalter 

Müsä ben Isd el-'Abbäsi wiedereingesetzt. Dieser schrieb Ton 
Bagdad aus an den Emir 'Ass&ma ben Amr die Regierungsgeschäfte bis 
zu seiner Ankunft zu übernehmen, danach traf Nagr ben Kulthdm als 
Steuerverwalter ein und am 7. ^afar folgte Müsä nach. Im Scha'bftn 
starb der Rechts- und Traditionsgelehrte el-Leith ben Sa'd Abul-Härith 
el-Fahmi, Imdm von Ägypten und Cädhi in Fustdt. — Es währte nicht 
lange, so stieg in MAs& der Gedanke auf, sich gegen den Chalifen auf- 
zulehnen, und als Häriin dies erfuhr, rief er aus : bei Gott ! ich werde 
ihn absetzen und einen von meinem Hofe, der von der niedrigsten Abkunft . 
ist, an seine Stelle setzen. Der Barmakide Ga'far ben Jahja» welcher 
zugegen war, bestärkte ihn in diesem Gedanken und in dem er sich 
umwandte, sah er den Omar ben Mihrdn, Privatsecretär der Cheizurdn, 
Mutter des Chalifen, vorbeikommen, einen Mann von hässlichem Aeussem, 
mit grober Kleidung angethan, er ritt auf einem Maulesel und hatte 
einen Sklaven hinten aufsitzen. Ga'far ging zu ihm hinaus und fragte 
ihn : willst du Statthalter von Ägypten werden ? er antwortete : o ja ! So- 
gleich wurde seine Ernennung ausgefertigt, er reiste ab und kam nach 
Fust&t auf einem Maulesel, hinter ihm sein Sklav Abu Durra auf einem 
anderen Maulesel mit dem Gepäck. Er begab sich nach der Wohnung 
des Mdsä und setzte sich in die hinterste Reihe der versammelten 
Leute, und als diese auseinander gegangen waren, fragte ihn Mdsa, 
der ihn nicht kannte: hast du ein Anliegen? da überreichte er ihm 
das Schreiben des Chalifen und als es Mdsd gelesen hatte, rief er 
aus : Verfluche Gott den Pharao , wo er sagt : bin ich nicht König von 
Ägypten? u. s. w. (Sura 43, 50). Dann übergab er ihm die Regierung, 
Omar ordnete die Angelegenheiten des Landes und kehrte hierauf nach 
Bagdad zurück, indem er MAs& an seinem Platze Hess. Einige Geschieht^ 



1) Anfang und Ende seiner Regierung geben Macrizi und Abul-Mahäsin 
übereinstimmend wie oben an, beide rechnen aber die Dauer auf ein Jahr und einen halben 
Monat, während ein Jahr weniger Vs Monat noch um einige Tage zuviel sein wurde. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 19 

Schreiber sind der Meinung^ der Chalif habe dies gethan, um Miisa zum 
Besten zu haben, andere geben an, dass Ga'far ben Jahjd selbst zum 
Statthalter ernannt sei und den Omar als Steuerverwalter abgeschickt 
habe, noch andere, dass Ibrahim ben ^dlih den Omar als seinen Stell- 
vertreter habe voraufreisen lassen; gewiss ist, dass 

Ibrahim ben ^dlih im ^afar 176 (Juni 792) zum zweiten Male 
zum Statthalter von Ägypten' ernannt wurde und Miisä abtreten musste. 
Ibrahim hatte in der Zwischenzeit zwischen seiner ersten und zweiten 
Anstellung in Ägypten die wichtigen Posten als Statthalter von Syrien 
und Palästina unter el-Mahdi und von tzazira unter el-Hädi bekleidet 
und da er nicht sogleich seine neue Stelle antreten konnte, beauftragte 
er 'Assdma ben Amr mit der interimistischen Leitung der Geschäfte und 
Na9r ben KulthAm kam wieder am 1. Rabf I. 176 als Steuerverwalter 
nach Fustdt. 'Assdma starb aber am 22. Rabf IL , worauf Biih ben 
Zinbd' ein Enkel des gleichnamigen Wezirs des Chalifen Abd el-Malik 
ben Marwdn, die Regierung Übernahm, bis Ibrahim am 15. Oumddd !• 
eintraf; aber auch er starb schon am 3. Scha'bdn und sein Sohn Cdlih ben ' 
Ibrahim führte mit Unterstützung des Obersten Chdlid ben Jazid die 
Geschäfte, bis der vom Chalifen ernannte 

Abdallah ben el-Musajjab benZuheir el-Dhabbi am 19. 
Ramadhfin ankam. Er machte Abul-Mukls zum Obersten seiner Leib- 
wache. — Im ^afar 177 wurde der Cddhi el-Mu&ddhal entlassen und 
Muhammed ben MasrAk el-Kindi aus Kufa kam an seine Stelle. — Schon 
am 1. Ra'gab 177 (12, Oct. 793) wurde Abdallah wieder abgesetzt, und 

Ishdk benSuleimdn ben 'Ali el-'Abbdsi trat an seine Stelle, 
welcher dem Muslim ben Bakkdr el-'OkeiU den Befehl über die Leib- 
wache übertrug. Ishdk tadelte die bisherige Verwaltung, war mit dem, 
was seine Vorgänger genommen hatten , nicht zufrieden , und drückte 
die Landleute mit vermehrten Abgaben in einer Weise, dass die allge- 
meine Unzufriedenheit endlich unter den Keis und Cudhd'a in el-Hauf 
in offenen Widerstand gegen die Steuererheber überging. Er bekriegte 
sie zwar und tödtete eine jg^rosse Menge der Grundbesitzer und ihrer 
Angehörigen, konnte aber doch des Aufstandes nicht ganz Herr werden 

C* 



20 



F. WÜSTENFELD. 



und macht desshalb einen Bericht an den Chalifen Hdrdn, in Folge 
dessen er jedoch im Ra^ab 178 abgesetzt und der seitherige Statthalter 
von Palästina 

Harthama ben A'jan mit einem grossen Heere nach Ägypten 
gesandt wurde, wo er am 2. Scha'bfin ankam. Die Bewohner gingen 
ihm entgegen, erklärten ihre Unterwürfigkeit und er stellte den früheren 
Zustand wieder her und machte seinen Sohn Hdtim zum Obersten. 
Dieser rasche Erfolg, welcher allein dem ihm vorangehenden Rufe einer 
durchgreifenden Thatkraft zu danken war, scheint den Chalifen veran- 
lasst zu haben, auch auf einem anderen sehr bedrohten Punkte des 
Reiches diese Eigenschaft zu erproben, denn schon am 12. Schawwdl des 
Jahres erhielt er seine Ernennung zum Statthalter von Africa, wohin er 
mit seiner Armee aufbrach, indem 

Abd el-Malik ben Cdlih ben 'AH el-'AbbAsl die Statthal- 
terschaft von Ägypten übertragen wurde. Er kam aber gar nicht dahin, 
sondern hatte den früheren Statthalter Abdallah ben el-Musajjab, wel- 
cher dort geblieben war, zu seinem Stellvertreter ernannt, und der 
Chalif machte schon am letzten Tage des Jahres 178 (26. März 795) 
die Ernennung rückgängig und ersetzte ihn durch seinen eigenen Bruder 

Obeidallah ben el-Mahdi el-'Abb&sf mittelst Decret vom 
Montag d. 13. Muharram 179, welcher Abdallah ben el-Musajjab als 
Stellvertreter behielt, bis er selbst am 11. Rabf I. in Fustät eintraf und 
anfangs Mu'äwia ben Curad, dann 'Ammär ben Muslim zum Obersten 
der Leibwache ernannte. Um diese Zeit hatten die Christen in Spanien 
und Frankreich durch Abd el-Karim ben Mugith , den Feldherm des 
Omeijaden el-Hakam ben Hischdm, mehrere bedeutende Niederlagen 
erlitten, und um sich zu rächen und den weiteren Zuzug von Muslimi- 
schen Truppen aus dem Orient zu hindern, wollten sie einen plötzlichen 
Einfall in Ägypten machen und landeten bei Alexandria. Desshalb be- 
gab sich Obeidallah selbst dahin, indem er dem Ihn Musajjab wieder 
die Stellvertretung übertrug, und hinderte die Feinde am weiteren Vor- 
dringen, so dass sie mit Schimpf und Schande wieder abziehen mussten. 
Nach einiger Zeit kehrte er zurück und wurde im Ramadhdn des Jahres 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 21 

von Hänln abberufen, verliess aber Ägypten erst am 2. Schawwäl nach- 
dem sein Nachfolger 

MAsdben 'Isa, welcher zum dritten Male Statthalter wurde, seinen 
Sohn Jahjä ben Mdsä am 3. Ramadh&n voraufgeschickt hatte, während 
er selbst am letzten Dsul-Cada 179 (14. Febr. 796) nachfolgte. Er 
stellte die Kühe im Lande besonders unter den Keis und den Jemeni- 
schen Stämmen in el-Hauf wieder her, blieb aber kaum zehn Monate 
im Amte, worauf er an den Hof des Chalifen zurückgerufen und 

Obeidallah ben el-Mahdi am 7. Gumddä 180 (18. Aug. 796) 
zum zweiten Male zum Statthalter eingesetzt wurde. Er schickte den 
Dawüd ben Hubeisch (oder Hubäsch) als Stellvertreter voraus und folgte 
am 4. Scha'bän nach. In diesem Jahre war ein heftiges Erdbeben, 
durch welches unter anderen die Spitze des Minaret von Alexandria 
heruntergestQrzt wurde. — Im J. 181 starb der Cddhi und Traditions- 
gelehrte el-Mufaddhal ben Fudhdla ben Obeid el-Ru'einl. Obeidallah 
blieb bis zum 3. Ramadhdn 181 (29. Oct. 797), dann kam 

Ism&'il ben CJ&lil^ ben 'Ali el-'Abbdsf, dessen Stellvertreter 
'Ann (oder 'Auf) ben Wahb el-Chuzfi'l am 7. Ramadhän die Regierung 
übernahm , bis er selbst am 15. des Monats eintraf. Er machte erst 
Suleimän ben el-Cimma el-Muhallabi, dann Zeid ben Abd el-Azfz el- 
Hassdni zum Obersten seiner Leibwache und suchte durch eine kräftige, 
aber auch weise Regierung die Ordnung im Lande herzustellen; er war 
ein in den Wissenschaften bewanderter Mann und ein ausgezeichneter 
Redner. Er blieb bis zum Oumddd IL 182, dann kam am 16. dieses 
Monats 

Ismd'il ben 'Isä ben Mdsä el-Abbdsi bis zum Ramadhdn des 
folgenden Jahres ^) , wo er an den Hof des Chalifen zurfickgerufen und 
durch 

el-Leith ben el-Fadhl el-Abiwardl ersetzt wurde, welcher 
am 5. Schawwdl 183 ^) (9. Nov. 799) in Fustdt eintraf und seinen Bru- 



1) Macrizi I. 309 hat hier beide Male die Jahreszahl 183 ausgelassen, und 
nach seiner Darstellung würde 182 zu verstehen sein, da er el-Leith's erste Reise 
nach Bagdad in das J. 183 setzt; allein die Erwähnung des Monats Schawwal zwi- 



22 F. WÜSTENFELD. 

der 'Ali ben el-Fadhl ^) zum Obersten der Leibwache ernannte. £r ord- 
nete die Verhältnisse des Landes und sammelte die Steuern ein, und 
nachdem er davon den Truppen ihren Sold bezahlt und seinen Bruder 
'Ali zu seinem Stellvertreter eingesetzt hatte, packte er den Überschuss 
zusammen und reiste am 7. Bamadhän 184 ab, um ihn mit anderen 
Geschenken dem Chalifen zu aberbringen und ihm Rechnung abzulegen; 
am Ende des Jahres kehrte er wieder zurück. Im folgenden Jahre 
machte er es dann ebenso, indem er dem Häschim ben Abdallah Ibn 
Hudei'g die Geschäfte übertrug; er reiste am 21. Bamadhfin 185 ab 
und kam am 14. Muharram 186 zurück. Auch der Cddhi Muhammed 
ben Masrük, mit dessen Amtsführung man wegen seines Stolzes und 
Hochmuthes nicht zufrieden war, hatte im J. 184 eine Reise nach 'Irdk 
unternommen und seine Geschäfte an Ishdk ben el-Furdt el-Tu^bi über- 
tragen; der Chalif war indess damit nicht zufrieden und ernannte im 
Qafar 185 Abd el-Rahman ben Abdallah ben el*-Mu^abbar, einen Nach- 
kommen des Chalifen Omar ben el-Chattäb, zum Cddhi; dieser war der 
erste, welcher die Namen der Notare in einer Liste eintragen Hess. — 
Die Bedrückung der Steuerbeamten und vielleicht noch mehr der Un- 
wille darüber, dass ihr sauer erworbenes Geld jährlich aus dem Lande 
weggeführt wurde» trieb die Bevölkerung von el-Hauf wieder zum Auf- 
stande ; sie rückten gegen Fustfit vor und nachdem el-Leith die R^erung 
an Abd el-Rahman ben Mdsd ben 'Ali ben Rab&h übergeben hatte, zog 
er ihnen am 28. Schab&n (1. Sept. 802) mit 4000 Mann entgegen, die 
aber beim Zusammentreffen am 12. Ramadhdn die Flucht ergriffen und 
el-Leith mit etwa 200 Mann im Stiche liessen. Mit diesen machte er 
aber doch noch einen Angriff, schlug die Aufständigen bei el-Gubb^) 



sehen den beiden Bamadhän setzt voraus, dass dazwischen auch ein ganzes Jahr 
verflossen sein muss. 

1) Bei Macrizf steht »sein Bruder el-Fadhl ben 'Ali« und da dies nicht 
angeht, meint der Herausgeber in einer Randbemerkung es mässe »sein Vater« 
heissen; die Umstellung der Namen hebt die Schwierigkeit leichter. 

2) Gubb 'Amira nicht weit von Fustat an der Hauptstrasse, wo sich die Pilger 
und Truppen beim Auszuge sammeln und ordnen. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 23 

und verfolgte sie bis Geifa^) und sandte achtzig Köpfe derselben nach 
Fustät. Die Landleute Hessen sich indess durch diesen Misserfolg nicht 
entmuthigen und sobald el-Leith umgekehrt war, rotteten sie sich wieder 
zusammen und verweigerten die Abgaben. Dadurch sah sich el-Leith 
genöthigt, sich selbst im Muharram 187 nach Bagdad zu begeben, um 
von demChalifen eine grössere Armee zu fordern, da er ohne eine solche 
die Steuern nicht beitreiben könne. Härtin wollte sich darauf nicht 
einlassen, zumal da Mahfddh ben Suleim^) sich ei^bot, die Steuern in 
Pacht zu nehmen und bis auf den letzten Dirhem ohne Peitsche und 
Stock zu erheben. Der Chalif ernannte ihn zum Steuerverwalter und 
el-Leith kehrte mit ihm nach Ägypten zurück. Im Dumadä II. 187 
Hess ihn Hfirtin wieder nach Bagdad kommen, wo er bald darauf einen 
entscheidenden Antheil an der Vernichtung der Barmakiden hatte, und 
am 26. des Monats (20. Juni 803) übernahm 

Ahmed ben Ismä'il ben 'Ali el-'Abbäsi die Regierung und 
Verwaltung von Ägypten, welcher Mudwia ben ^urad zum Obersten 
der Leibwache machte. Um diese Zeit waren in Tripolis ernste Unruhen 
ausgebrochen. Ibrahim ben el-Aglab. welcher im J. 184 von H&rdn 
zum Statthalter von Africa ernannt war, sofort aber sich als unum- 
schränkter Herrscher benahm, hatte nach Tripolis schon verschiedene 
Präfecten geschickt, gegen welche das Volk sich fortwährend auflehnte, 
so dass er sie absetzen und immer andere einsetzen masste. Als er 
endlich den SuQän ben el-Madhd zum vierten Male hinsandte, verab- 
redeten sich die Einwohner ihn zu vertreiben und zu zwingen nach 
Keiruwdn zurückzukehren. Sie rückten also vor seine Wohnung, er 
griff zu den Waffen und setzte sich mit einigen Leuten, die er bei sich 
hatte, zur Wehre, indess trieben sie ihn aus dem Hause und er zog 
sich immer noch kämpfend in die Moschee zurück ; nachdem aber mehrere 



1) Ein Städtchen an derselben ' Strasse , die erste Station von Fustät in der 
Nähe von Bilbeis. 

2) Macrizi I. pag. 81; dagegen pag. 309 Suleimän. 



24 F. WÜSTENFELD. 

der Seinen getödtet waren, gab er nach und erhielt freien Abzug. Dies 
geschah im Scha'bdn 187, als er 27 Tage dort gewesen war, und die 
Besatzung von Tripolis wählte den Ibrahim ben Sufj&n el-Tamlmf zum 
Präfecten. Dann kam es aber auch zwischen den Abnd^) zu Tripolis 
und den Banu Kindna und Banu Jtisuf zu Streitigkeiten und Kämpfen, 
so dass die ganze Stadt verwilderte, und Ibrahim ben el-Aglab sah sich 
genöthigt, den Statthalter von Ägypten Ahmed ben Ismd'fl um Hülfe 
zu bitten. Dieser sandte ihm ein Corps, .welches den Befehl erhielt, 
die Banu Kindna, el-Abna und Banu Jdsuf nach Keiruwdn zu fahren, 
und als sie hier eingebracht wurden, sollten sie sämmtlich umgebracht 
werden; sie baten um Gnade und wurden unter dem Versprechen, sich 
in Gehorsam zu unterwerfen, wieder freigelassen. — Ahmed ben Ismd'il 
blieb bis zum 18. Scha'bän 189 (20. Juli 805) auf seinem Posten, dann 
wurde er abgerufen und 

Obeidallah ben Muhammed ben Ibrahim el-'AbbÄsl gen. 
Ihn Zeinab zum Statthalter ernannt, welcher sich durch Lahfa ben 
'IsÄ (oder Miisd) ben Lahfa el-Hadhrami vertreten liess, bis er am 15. 
Schawwäl eintraf; er ernannte erst Ahmed ben Miisd el-'Udsri, dann 
Muhammed ben ^Assdma zum Obersten der Leibwache. Ein Jahr nach- 
her setzte er Hdschim ben Abdallah Ihn Hudeig zum Stellvertreter ein 
und kehrte am 18. Scha'bdn 190 nach Bagdad zurfick, wo ihn Hdrdn 
unter seine Corpsfahrer aufnahm, und sein Nachfolger 

el-Husein ben Gamtl kam Donnerstag den 10. Ramadhfin (30. 
Juli 806) nach Fustdt und ernannte el-Kdmil el-Hundi, dann Mu&wia 
ben ^urad zum Obersten. Nachdem ihm der Chalif Mittwoch d. 7. 
Ragab 191 auch die Verwaltung übertragen hatte, fing er an, die Unter- 
thanen mit Abgaben zu bedrücken, so dass die Bewohner von el-Hauf 
in dem See-District sich auflehnten und sich weigerten die Steuern zu 
bezahlen. Abul-Nadd brachte in Eile gegen tausend Mann zusammen, 
welche die Wege unsicher machten, wandte sich von dort nach Medina 



1) So heissen die Nachkommen des Sa'd ben Zeidmenät ben Tamtm; vergl. 
die genealog. Tabellen L 12 und Begister miter el-Abna. 



DIE STATTHALTER VQJf iiSYPTEN ZUR ?EIT DER CHALIFEN. g^ 

iwd fiberfiel einige Dörfe): von Syrjien ; mit ihm vereinigte sich eine grossie 
Menge von Gudsdm und anderen Stammen, welche durch Flandern und 
Morden die ärgsten Gräuel verübte. Als HärAn hiervon Nachricht er- 
hielt, schickte er vpn Bagdad ein Heer unter Jahjä ben Mu'äds ab, um 
sgie zu bekämpfen. Gleichzeitig sandte el-Husein ben Gamil eine Armee 
unter Ab4 el-Azlz ben el-Wazir ben Q&hi el-Garawl^) von Fustdt ab; 
dieser stiess bei Eila auf Abul-Nadd, schlug ihn in die Flucht und 
brachte ihm eine grosse Niederlage bei. Unterdess waren auch die 
Truppen des Chalifen im Schawwdl 191 nach Bilbeis gekommen, wo 
die Bewohner ohne Anführer waren und sich beeilten, ihre Unterwfirfig- 
)ceit zu' bezeigen und die ihnen auferlegten Abgaben vollständig zu be- 
zahlen, worauf die Truppen wieder nach Bagdad abzogen. — Im J. 191 
starben der Malikitische Rechtsgelehrte Abd el-Rahman ben el-Cdsim 
][)en Chälid el- Atekf und der Koranleser Abu Sa'id Qikldb ben Schuneina. 
— el-Husein bemühte sich jetzt den Frieden im Jiande herzustellen, 
wurde aber am 12. Rabf II. 192^) abberufen und sein Nachfolger 

Mälik ben Dalham ben TsA (oder 'Omeir) el-Kalbi kam 
Donnerstag den 22. Rabf II. nach Fustdt. Jahjä ben Mudds hatte in- 
^wichen ^ie Verfolgung ä»9 Abul-]Kadd &xtgeset9t, ihn gefangen genomr 
TBfien i;nd nach Bagdad geführt, wo ihn der Chalif umbringen liess; dann 
kehrte Jahjä nach Ägypten zurück, um die Beruhigung des Landes zu 
l^oUeijiden, und schrieb an die Bewohner der aufständigen Gegenden von 
el-Hauf, dass sie nach Fustdt kommen sollten, wo er den neuen Stattr 
j^tei Mdlik ihnen vorstellen und einführen wolle. AI9 die Häuptlinge 
4ßr Keis und der Jemenischen Stämme von el-^auf in die Stadt ein- 
gezogen waren, liess Jahja die Thore schliessen, die Häuptlinge festr- 
nehmen und in Fesseln legen, und führte sie mit sich fort. Dies ger 



1) D. i. von 'Gard ben 'Auf vom Stamme 'Gadsam; vergl. die genealog. Ta- 
bellen 9, 20 und unten bei 'Abdaweih im J. 215. 

2) So Macrizi I. p9^. 310; dagegen pag. 80 find Abul-Mah&sin I. 54Q 
im Rabi' I., was nicht richtig sein kann, da dieser selbst angießt, el-Husein sei ein 
Jahr sieben Monate und einige X^e im Amte gewesen. 

mst'phü. Glosse. XX. 4. D 



S6 F. WÜSTENFELD. 

schab am 15. Ila)B;ab. — Mdlik ernannte den Muhammed ben Tdba 
ben Adam el-Audf zum Obersten der Leibwache und blieb in seinem 
Amte, bis er Sonntag d. 4. ^afar 193 (27. Nov. 808) abgesetzt ^) und 

el-Hasan ben el-Tachtdh (oder Bahbäh) ben el-Tach- 
takän zum Statthalter ernannt wurde, welcher sich durch el-'Ald ben 
'A9im el-Chauläni vertreten Hess, bis er selbst Dienstag d. 4. Rabf I. 
nach Fustdt kam; er machte nach einander erst Muhammed ben trald, 
dann ^&lih ben Abd el-Karim, dann Suleimdn ben Gdlib ben Gabril 
zum Obersten der Leibwache. Als Härün am 3. IGrumddd IL 193 (24. 
März 809) gestorben war und die Thronbesteigung el-Amin's in Fustdt 
bekannt wurde, empörte sich ein Theil der Besatzung und es entstand 
ein Kampf, in welchem von beiden Seiten eine Anzahl das Leben ver- 
lor, bis endlich die Ruhe wieder beigestellt wurde. el-Hasan liess die 
Steuererträgnisse sammeln und schickte sie dem Chalifen zu, allein in 
Ramla wurde die Escorte überfallen und ihr alles Geld abgenommen. 
Nicht lange nachher erhielt el-Hasan die Nachricht von seiner Entlassung 
und nachdem er den 'Auf ben Wuheib zum interimistischen Statthalter 
und Muhammed ben Zijdd el-Keisf zum Steuerverwalter eingesetzt hatte, 
verliess er Fust&t am 22. Rabf L 194 (3. Jan. 810) und kehrte über 
Hi^dz nach Bagdad zurück, da der Weg durch Syrien zu unsicher war. 
Sein Nachfolger 

Hdtim ben Harthama ben A'jan marschirte von Bagdad mit 
1000 Mann zunächst nach Bilbeis, wo er ein Lager bezog und die Be- 
wohner von el-Hauf zu verfolgen anfing; sie kamen aber zu ihm, baten 
um Frieden und versprachen die Steuern zu bezahlen. Die Einwohner 
von Natw und Tumeij^) hielten indess dies Versprechen nicht, sondern 



1) Abul-Mahäsin I. 543 fährt als Grund der Absetzung an, dass Mälik 
sich geweigert habe, den Befehlen el-Amin's im Anfange seines Ghalifats nachzu* 
kommen, in Ägypten seinen Sohn Müsi als seinen Nachfolger anerkennen zu lassen; 
dies kann nicht richtig sein, weil el-Amtn erst im 'Gumäd& II. 193 zur Begieniug 
kam und Abul-Mahäsin I. 646 selbst angiebt, dass Malik's Nachfolger el-Hasan 
noch von Härün el-Raschid ernannt sei. 

2) Jiicüt nennt Tatä und Tumeij als einen District in el-Hauf. 



, DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 27 

lehnten sich auf und Hdtim sah sich genöthigt ein Corps gegen sie zu 
schicken, welches sie in die Flucht schlug und gegen hundert Gefangene 
als Geissein mit nach Bilheis brachte, mit denen Hdtim am 4. Schaw- 
w41 194 seinen Einzug in Fustdt hielt. Zum Obersten der Leibwache 
ernannte er zuerst seinen Sohn, dann 'Ali ben el-Muthannd, dann 
'Obeidallah el-Tarsüsf. — Inzwischen war der Cddhi Abd el-Rahman 
ben Abdallah schon im Gumdda IL 194 abgesetst und Cdsim (Hdschim) ben 
Abu Bekr el-Bekrl, ein Nachkomme des Chalifen Abu Bekr, an seine Stelle 
getreten, welcher den Grundsätzen des Abu Hanifa folgte. — Das Land 
beruhigte sich allmälich und er erbaute den sogen, »Thurm in der Luft« 
cubbat eUhawd an der Seite des Berges Mukattam, wo später das Besi- 
denzschloss errichtet wurde. Hdtim wurde im Gumddä IL 195 abge- 
setzt und el-Amin ernannte 

G&bir ben el-Asch'ath ben Jahjä el-Tfiij zum Statthalter, 
welcher, nachdem er Jahjd ben Jazid el-Murddi zum interimistischen 
Vorbeter bestellt hatte, am 25. Oumddd IL in Fustdt eintraf. — Als 
der C&dhi Cdsim am 1. Muharram 196 starb, übertrug Gdbir dessen 
Amt an Ibrahim ben el-Bakkfi. — Der Bruderkrieg zwischen el-Amfn 
und el-Mdmdn hatte bereits den Höhepunkt erreicht, el-Amln's Stern 
fing an zu sinken, da Tdhir ben el-Husein den grössten Theil der Asia- 
tischen Provinzen für el-Mdmün gewonnen hatte. Jetzt glaubten auch 
die Ägyptier für el-M&mdn Partei nehmen zu müssen^- el-Sarij ben el- 
Hakam stellte sich an ihre Spitze und erklärte el-Amin für abgesetzt. 
Gdbir suchte zwar für diesen noch ein Corps zusammen zu bringen, mit 
welchem er el-Sarij entgegen zog und ein Treffen lieferte; er wurde 
aber in die Flucht geschlagen und in schimpflichster Weise aus Ägypten 
vertrieben, welches er am 21. Gumddä IL 196 verliess. el-Mdmdn er- 
nannte dann im Bagab desselben Jahres 

'Abbdd ben Muhammed ben Hajjdn el-Balchf mittelst 
eines Schreibens von Harthama ben A'jan, dessen Landgüter in Ägypten 
'Abbdd verwaltet hatte, zum Statthalter und Hubeira ben Hdschim Ibn 
Hudei'g wurde bei ihm Oberst der Leibwache; der Cddhi Ibrahim ben 
el-Bakkd wurde entlassen und an seine Stelle trat Lahf a ben 'Isä el- 

D* 



28 F. WÜSTENFEiift. 

Hadhraml. — 'Abbdd war gegen die UnterthaCien milde gesinnt, in den 
Begierungsgeschäften bewandert und ifli Krtegi^wesen erfahren. Beim 
Antritt seines Amtes war die allgemeine Stlälmung noch für el-Amin, 
er wusste aber bald die Leute auf seine Seite zu ziehen und er war 
nahe daran, dass ganze Land ffir el-M&mtln zu gewinnen, wenn sidh 
nicht die Bewohner von el-Hauf hätten abwendig machen lassen. Als 
nämlich el-Amin von 'Abbäd's EiUännung Nachricht erhielt, schrieb er 
an Rabfa ben Keis, den Häuptling der Keis in el-Hauf, und fibertrug 
ihm die Statthalterschaft; zugleich schrieb er an mehrere angesehene 
Ägyptier, dass sie ihn unterstatzen sollten, und sie traten auch für el- 
Amin ein, erklärten el-Mdmün für abgesetzt und zogen gegen 'Abb^ 
heran, Vtrelcber sich iti Fust&t rerschanzte. Er lieferte den Aufständigta 
mehrere Treffen, wurde aber endlich gefangen genommen und zu el- 
Amin geführt, der ihn im ^afar 198 tddten liess. Diese Angabe bei 
Abul-Mahäsin I, 561 ist aber desshalb ungenau, weil el-Amfn selbst 
schon am 25. Muharram 19S (25. Sept. 718) ermordet wurde; richtig 
mag sein, dass 'Abbäd im Qafar gefangen genommen wurde, ehe Mfimün ihm 
Hülfe schiken konnte. — Den Streit zwischen den beiden Brüdern be- 
nutzend, machten die Griechen um diese Zeit einen Versuch in Dimjät 
zu landen, welcher aber weiter keine Folgen hatte. — Im J. 197 starben 
Othmdn ben Sa'id gen. Warasch, der erste Koranleser seiner Zeit iti 
Ägypten , und der Malikitische Rechtsgelehrte Abdallah ben Wahb ben 
Muslim el-Fibrl. — Inzwischen war el-Mämün zur Alleinherrschaft ge- 
langt und ernannte 

el-Muttalib ben Abdallah ben Mdlik el-Chuzä'i zum 
Statthalter, welcher von Mekka am 15. Babf I. in Fustdt eintraf. Zu 
gleicher Zeit ward .der Cddhi Lahfa entlassen und der aus 'Irdk einge- 
troffene el-Fadhl ben Odnim eingesetzt, welcher, als er etwa ein Jahr im 
Amte war, sich mit el-Muttalib überwarf und desshalb abgesetzt wurde, 
worauf Lahfa wieder als Cddhi eintrat. el-Muttalib bestätigte Hubeira 
ben Hdschim Ibn Hudei'g als Obersten der Leibwache, verlieh aber nach 
kurzer Zeit diesen Posten dem Muhammed ben 'Assdma, dann dem Abd 
el-'Aziz ben el-Wazir el-Oarawi, dann dem Ibrahim ben Abd el-Saldm 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALEFEN. 29 

el-Chazd'f, zuletzt wieder dem Hubeira. Der Grund dieses häufigen 
Wechsels in der Zeit von 7% Monaten waten die beständigen Unruhen 
und Kämpfe in Ägypten, die yon el-Amin's Parteigängern auch nach 
dessen Tode noch fortgesetzt wurden, und ungeachtet der Strenge, mit 
welcher el-Muttalib verfuhr, scheint er doch bei el-Mämiin in den Ver- 
dacht gekommen zu sein, dass er es mit seinen Gegnern halte, denn 
el-Mdmdn ernannte plötzlich 

el-'Abbäs ben Mdsd ben 'Isd el-'AbbäsI zum Statthalter, 
welcher seinen Sohn Abdallah als seinen Stellvertreter voraufschickte in 
Begleitung von el-Husein (Hasan) ben 'Obeid ben LAt el-Anf&ri und 
Muhammed ben Idris el-Schäfi'f ^), und sobald sie am 26. Schawwäl 198 
(19. Juni 814) in Fustät eintrafen, begaben sich Abdallah und el-Husein 
zu el-Muttalib, nahmen ihn fest und führten ihn ins Geflängniss ab. 
Abdallah schritt dann mit aller Strenge ein, wodurch die Erbitterung 
nur immer mehr zunahm, und da selbst die Besatzung mit dem Volke 
getneinschaftliche Sache machte, musste Abdallah mit bewaffiieter Macht 
entgegen treten, und es kam mehrmals zu blutigen Kämpfen; zudem 
verweigerte el-Husein den Truppen die Auszahlung des Soldes und 
drohte ihnen, weil sie sich gegen Abdallah thätlich widersetzt hatten. 
Als el-Husein dann seine Bedrückungen noch steigerte und das Volk 
durch Drohungen einzuschüchtern suchte, rottete es sich zusammen, 
Abdallah ging ihm entgegen, es kam zum Kampfe, er wurde in die 
Flucht geschlagen und aus Fustät vertrieben. Nach anderen soll Ab- 
dallah schon am Opfertage d. i. 10. Dsul-Hi'g'ga 198 in einem Kampfe 
gegen die Besatzung das Leben verloren haben. Nun zog der Haufen 
zu el-Muttalib, holte ihn aus dem Gefangnisse und setzte ihn am 14. 
Muharram 199 wieder als Statthalter ein. Als el- Abbäs ben Mdsä er- 
fuhr, wie es seinem Sohne ergangen sei, kam er selbst nach Ägypten, 
lagerte bei Bilbeis und forderte die Keis auf, ihm Beistand zu leisten; 
er reiste zu diesem Zweck selbst in el-Hauf umher und nach Tinnis 



1) So Abnl-Mahäsin I. 569; dagegen sagt Ibn Challikän Nr. 569, dass 
el-Sch&fi'i im J. 199 oder erst 201 nach Ägypten gekommen sei. 



30 F. WÜSTENFELD. 

zu el-Garawi, kehrte krank nach Bilbeis zurück und starb dort am 16. 
Gumädd II. 199 (1. Febr. 815); man vermuthet, dass el-Muttalib ihn 
habe vergiften lassen. el-Mdmiin sah sich jetzt genöthigt, 

el-Muttalib zu bestätigen i), welcher ein mildes Regiment führte, 
reichliche Geschenke austheilte und sich die Truppen und die Bevölke- 
rung geneigt zu machen wusste, so dass seine Macht sich befestigte und 
er die Anhänger des 'Abbds und Abdallah aus Ägypten vertreiben 
konnte; er hatte erst Ahmed ben Darä, dannHubeira ben H^chim zum 
Obersten der Leibwache ernannte. Sobald aber el-Mdmdn das Chalifat 
vollständig in Händen hatte, sandte er am 1. Ramadhdn 200 (3. 
April 816) 

el-Sarij ben el-Hakam ben Jüsuf, aus Balch vom Volks- 
stamme el-Zutt gebürtig, mit einer grossen Armee nach Ägypten, welcher 
sich el-Muttalib nicht gewachsen fühlte, um ihr mit Erfolg Widerstand 
leisten und seine Absetzung vereiteln zu können ; indess fragte er erst 
seine Anhänger um Rath und diese fiberredeten ihn Stand zu halten und 
es auf einen Kampf ankommen zu lassen. Er sammelte also ebenfalls 
ein grosses Heer , der grösste Theil der Ägyptischen Truppen eilte ihm 
zu Hülfe, es wurden mehrere Treffen geliefert, in denen von beiden 
Seiten viele das Leben verloren, bis el-Muttalib mit seinen Anhängern 
in die Flucht geschlagen wurde, Ägypten verliess und sich nach Mekka 
wandte. Die Besatzung und Bevölkerung von Fustdt leisteten noch 
einigen Widerstand, bis el-Sarij mit ihnen Frieden schloss und in die 
Stadt einzog. Er wählte Muhammed ben 'Assäma zum Obersten der 
Leibwache und fing damit an, die Verhältnisse des Landes zu ordnen 
und das Volk zu beruhigen, als plötzlich am 1. Rabf I. 201 die Truppen 
sich gegen ihn auflehnten und mehrere Gefechte vorfielen, bis er von 
el-Mdmün abgesetzt wurde. Einige berichten, er habe selbst um seine 



1) Abul-Mah&sin L 561 fügt als Onmd hinzu: »weil el-Mamün in dem 
Kampfe gegen seinen Bruder el-Amln zu sehr beschäftigt war«, als wenn dieser da- 
mals noch am Leben gewesen wäre, während el-Mämün nur noch den Rest der An-^ 
häDger desselben za unterwerfen hatte. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 31 

Entlassung gebeten, wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und 
den Truppen und der Bevölkerung, andere, er sei auf Befehl des Gha- 
lifen von den Truppen festgenommen und ins Geföngniss gebracht. 
Sein Nachfolger 

SuleimÄn ben Gälib ben Grabrll eUBa^ell übernahm die 
Regierung Dienstag den 4. Rabf I. (30. Sept. 816) und machte Abu 
Bekr ben Gundda ben Isd el-Ma'dfirl zum Obersten, da dieser aber 
gegen die Ägyptier zu streng verfuhr, setzte ei el-'Abbds ben Lahfa 
el-Hadhrami an seine Stelle. Nach einiger Zeit revoltirten die Truppen 
abermals und es kam zu mehreren blutigen Treffen, die damit endigten« 
dass Suleimdn am 1. Scha'bdn 201 entlassen und sein Vorgänger 

el-Sarij ben el-Hakam aus dem Gefangnisse geholt, mit dem 
vom Chalifen gesandten Ehrenmantel bekleidet und am 12. Scha'bdn (4. 
März 817) wieder in sein Amt eingesetzt wurde. Suleimän begab sich 
zu Mämün, welcher ihn bald nachher gegen Babek el-Churrami sandte 
bei dessen erstem Auftreten in Adserbeigän. Oberst der Leibwache 
tmter el-Sarij war zuerst Muhammed ben Osdma, dann el-Hdrith ben 
Zur'a, über den sich die Truppen beschwerten, wesshalb er seinen eige- 
nen Sohn Meimün an dessen Stelle setzte, ihm folgte Abu Dsikr ben 
el-Muchärik, dann nach einander seine Brüder ^älih, Ismd'il und Dawdd. 
Dieser häufige Wechsel war die Folge seiner Nachgiebigkeit gegen die Bevöl- 
kerung, welche er zufrieden stellen wollte, bis seine Macht hinlänglich be- 
festigt war; dann fing er an, seine frflheren Gegner zu verfolgen, von denen 
er einige gefangen setzte, andere vertrieb, so dass das Land nach und 
nach ruhig wurde. Nur die Bewohner von el-Hauf setzten den Wider- 
stand fort und viele derselben bflssten dafür mit dem Leben. — Ln 
J. 204 starben in Ägypten vier berühmte Gelehrte: der Malikitische 
Gddhi Ishdk ben el-Furät Abu Nu'eim el-Tu'gibi; Maskfn gen. Aschhab 
ben Abd el- Aziz Abu Amr el- Ämirl, erster Malikitischer Rechtsgeiehrter 
seiner Zeit; am 1. Ra)^ab der Imdm Muhammed ben Idris el-SchM'l, 
Stifter der Sch&fi'itischen Sekte, und im Dsul-Ca'da der Cddhi Lahfa 
ben Isä, an dessen Stelle el-Sarfj auf den Wunsch der Einwohner den 
Koranleser Ibrahim ben Ishäk, welcher wegen seiner Rechtschaffenheit 



82 F. WÜSTENFELD. 

allgemein beliebt war, zum C&dhi ernannte; indess bat er bald darauf 
wegen einer Sache, die ihn verdross, um seine Entlassung, und Ibrahim 
ben el-Garr&h trat in seine Stelle. Er war ein Anhänger des Abu 
Hanifa und führte sein Amt ohne Tadel, bis sein Sohn aus Irak kam, 
wo sich sein Benehmen änderte und seine Bechtsspr&che schlechter 
wurden. el-Sarij starb am 30. (Grurnddä L 205 (11. Nov. 820) und am 
folgenden Tage übernahm sein Sohn 

Abu Na5r Muhammed ben el-Sarij die Regierung, welcher 
euerst Muhammed ben Cftbis, dann seinen eigenen Bruder ObeidaUah 
zum Obersten der Leibwache ernannte. Er wusste mit Einsicht und 
Klugheit die Ordnung im Lande herzustellen, verfuhr aber auch gegen 
die Widerstrebenden mit unnachsichtlicher Strenge. Schon vor seinem 
Begierungsantritt war der alte Parteigänger Abd el- Aziz ben el-Wazir 
el4>arawl in Unterägypten wieder au%etaucht und hatte sogar mit Hülfe 
der Flüchtlinge, die aus Spanien gekommen waren, Alexandria in Besitz 
genommen und den Gehorsam aufgesagt. Muhammed rüstete eine Armee 
aus, die er ihm entgegenschickte, folgte bald selbst nach und liefert^ 
ihm mehrere Schlachten. Da erkrankte er, verliess sein Lagar i^icbkt 
wieder und starb am 8. Scha'bdn (6. Jan. 822) und sein Bruder 

ObeidaUah ben el-Sarij empfing als sein Nachfolger am folf- 
gaiden Tage die Huldigung der Truppen, Er ernannte Muhammed ben 
'Oeba el-Ma'dfirl zum Obersten seiner Leibwache und setzte den Hn^ 
gegen Abd el-Aziz el--Darawi fort, dabei kam ihm aber der Gedanke, 
sieh unabhängig zu machen, dem Chalifen den Gehorsam zu kündigen 
xmd die Einkünfte des Landes für sich selbst zu sammeln. Als el* 
BCftmün hiervon Nachricht erhielt, liess er Abdallah ben T!&h}i zu sich 
kommen und trug ihm die Statthalterschaft von Ägypten an mit dem 
Auftrage die Kebellen zu unterwerfen; Abdallah erwiderte: dein Wune^ck 
ist mix Befehl und ich hoffe, dass Allah dem Emir der Gläubigen alle 
gUlten Wünsche erfüllen wird. Der Chalif liess hierauf eine Fahne ent* 
fidten, auf welcher Abdallah's Beinamen standen, den^n er noch el- 
Mangdr »der sißgreiche« hinzufügte, damit wurde er nach seiner Wol^nung 
begleitet, indaiy^ zux Auszeichnung noch der Kammerherr el-Fadhl ben 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 33 

el-Rabf voraufritt. Dann zog Abdallah mit seiner Armee von Bagdad 
aus bis in die Nähe von Fustät, wo Obeidällah ben el-Sarij sich zum 
Kampfe gerüstet, seine Truppen geordnet und einen Graben hatte an- 
legen lassen; er kam indess aus der Festung heraus, stellte sich Abdal- 
lah entgegen und die beiden Heere kämpften eine volle Stunde mit 
grosser Hartnäckigkeit, bis Obeidällah sich zur Flucht wandte. Abdal- 
lah verfolgte ihn, ein grosser Theil der Fliehenden kam in dem Graben 
um, Obeidällah erreichte mit einem kleinen Haufen die Stadt und schloss 
sich darin ein. Bei der nun folgenden Belagerung wurde die Einschlie- 
sung so streng ausgeführt, dass im Innern bald grosse Noth entstand 
und Obeidällah bat endlich um Frieden, wollte aber noch einige Be- 
dingungen machen. Er sandte zu dem Zwecke tausend Sclaven und 
Sclavinnen, von denen jeder und jede tausend Dinare in einem seidenen 
Beutel trug, bei Nacht ins feindliche Lager, allein Abdallah wies sie 
zurück und schrieb ihm: Nicht einmal bei Tage würde ich deine Ge- 
schenke annehmen, viel weniger bei Nacht, »habt vielmehr selbst an 
euren Geschenken eure Freude u. s. w.« (Koran, Sura 27, 36). Obei- 
dällah musste sich nun bedingungslos ergeben, die aufgehäuften Schätze 
abliefern und am letzten ^afar 211 (10. Juni 826) der Regierung ent- 
sagen. 

Abdallah ben Tfihir hielt seinen Einzug in Fustfit Dienstag 
den 2. Rabf I. 211 (12. Juni 826); über Obeidällah wurde die förmliche 
Absetzung verfügt und er begab sich am 15. Gumddd nach Bagdad zum 
Chalifen, welcher ihn begnadigte. Nachdem die Ruhe in Ägypten einiger- 
massen wieder hergestellt war, begann Abdallah die Reorganisation des 
Heeres und ernannte zuerst Mu'dds ben 'Aziz, dann 'Abdaweih ben 
Gabala zum Obersten seiner Leibwache. Der Cädhi Ibrahim ben el- 
Garrdh wurde entlassen und begab sich nach 'Irdk, wo er gestorben ist; 
an seine Stelle kam 'Isd ben el-Munkadir mit einer monatlichen Be- 
soldung von 4000 Dirhem u^d einem einmaligen Geschenke von tausend 
Dinaren. Abdallah rüstete sich dann zu einem Zuge nach Alexandria, 
wohin er am 1. ^afar 212 (2. Mai 827) aufbrach, indem er das Amt des 
Vorbetens in Fustdt an 'Isd ben Jazld el-Galddi übertrug. 
Hi8t.'pha. Glosse. XX. 4. E 



34 F. WÜSTENFELD. 

Hier wird es nöthig, die Geschichte von Alexandria im Zusammen- 
hange nachzuholen^), welches fiber 10 Jahre der Botmässigkeit der 
Statthalter von Ägypten fast gänzlich entrQckt war. 

Nachdem el-Hakam ben Hischäm den Anfstand der Bewohner der 
Vorstädte von Cordova im J. 182 unterdrückt und sie grösstentheils ver- 
trieben hatte, kamen* mehr als 10,000 derselben zu Schiffe nach Alex- 
andria, der Statthalter erlaubte ihnen aber nicht, dass sie die Stadt be- 
treten durften, sondern sie blieben in der Ebene vor derselben, und die 
Städter, welche Waaren an sie verkaufen wollten, mussten zu ihnen hin- 
ausgehen. Von hieraus scheinen die Andalusier zuweilen Untemeh* 
mungen zur See gemacht zu haben. Im J. 199 versuchte der von dem 
Statthalter el-Muttalib entlassene Oberst der Leibwache , Abd el-'Aziz 
el-Garawl, die Bevölkerung von Tinnls aufzuwiegeln und el-Muttalib 
sandte desshalb ein Corps nach Alexandria unter dem Befehle des 
Muhammed ben Hubeira Ibn Hudei^, welcher einen älteren Ver- 
wandten, Omar ben Abd el-Malik Ibn Hudei]^ gen. Omar ben 
Malak, zum Stellvertreter nahm. Hiermit war indess el-Muttalib 
nicht einverstanden, sondern ernannte nach drei Monaten seinen eigenen 
Bruder el-Fadhl ben Abdallah zum Befehlshaber von Alexandria. Jetzt 
schrieb Abd el- Aziz el-Garawf an den abgesetzten Omar und forderte 
ihn auf, einen Angriff auf Alexandria zu machen und ihn zum Herr- 
scher auszurufen; Omar seinerseits sandte zu den Andalusiern und 
suchte sie zu bewegen, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen und 
el-Fadhl zu vertreiben. Sie gingen darauf ein, vertrieben el-Fadhl und 
huldigten dem Garawf. Nun aber stürzten sich die Einwohner von 
Alexandria auf die Andalusier, trieben sie wieder hinaus, tödteten eine 
Anzahl und schlugen die übrigen in die Flucht, so dass sie sich auf 
ihre Schiffe zurückzogen, und setzten el-Fadhl wieder ein. Indess ent- 
liess el-Muttalib seinen Bruder und übertrug im Ramadhfin 199 den 
Befehl an Ishdk ben Abraha ben el-Cab^, darauf an Abu Bekr ben 
Gunäda el-Madfirl; während dann aber el-Muttalib mit el-Sarij um die 
Herrschaft kämpfte und letzterer den Sieg davon trug, überfiel Omar 



1) Vorzüglich nach Macrlzi I. 172. 



DIE STATTHALTEB VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 35 

beu Malak den Aba Bekr, vertrieb ihn aus Alezandria und rief el- 
Garawl zum Herrscher aus. Die Andalusier kamen auch herbei und 
liessen sich allerlei Schlechtigkeiten zu Schulden kommen, so dass Omar 
ihnen befahl, sich auf ihre Schifie zuriickzuziehen, was ihnen sehr be- 
schwerlich fiel. Um dieselbe Zeit tauchte in Alexandria eine Sekte 
auf, welche Cufiten genannt wurde; sie lehrten freilich Gerechtigkeit zu 
üben, thaten aber das Gegentheil und widersetzten sich den Befehlen 
des Herrschers. An ihrer Spitze stand ein Mann Namens Abu Abd 
el-Bahman el-^üfi, sie machten mit den Andalusiern gemeinsame Sache 
und riefen die Lachm, den mächtigsten der Arabischen Stämme in der 
Gegend von Alexandria, zu Hülfe. Da wurde Abu Abd el-Rahman bei 
Omar wegen einer Frau verklagt und Omar entschied gegen ihn, dar- 
über aufgebracht begab er sich zu den Andalusiern und brachte zwischen 
ihnen und den Lachm ein Bündniss zu Stande. Indess besorgten die 
Andalusier, dass Omar an ihnen Rache nehmen wurde, und um ihm 
zuvor zukommen, zogen sie 10,000 Mann stark vor seine Burg und belager- 
ten sie; er fürchtete, dass er sich nicht wurde darin halten können und dass 
sie mit Gewalt eindringen und ihm in seiner eigenen Wohnung Schimpf 
anthun möchten. Er nahm desshalb noch ein Bad, liess sich salben, zog 
einen Todtenmantel an und befahl dann seinen Leuten, dass sie ihn hin- 
austreiben sollten; dies geschah und er sturtzte sich in den Kampf, bis 
er getödtet wurde. Nun stellten sich seine nächsten Verwandten einer 
nach dem anderen an die Spitze ihrer Getreuen, zuerst sein Bruder 
Muhammed ben Abd el-Malik gen. Gajds, dann Abdallah el-Battdl ben 
Abd el-Wdhid Ibn Hudei'g, dann dessen Brüder Abu Hubeira el-Hdrith 
und Hudei'g ben Abd el-W4hid; sie alle wutden getödtet, worauf das 
Volk sich entfernte. Dies geschah im Dsul-Ca'da 199. 

Bald nachher lockerte sich das Bündniss zwischen den Lachm und 
den Andalusiern, sie geriethen unter einander in Streit, die Lachm 
wurden in die Flucht geschlagen, die Andalusier machten sich im Dsul- 
Hi'g'ga 2^u Herren von Alexandria und ernannten Abu Abd el-Rahman 
2um Begenten. Er verübte durch Rauben und Morden unerhörte Schand- 
thaten, wesshalb ihn die Andalusier wieder absetzen und einen der 

E* 



36 F. WÜSTENFELD. 

ihrigen, el-Kin&ni mit Namen, znm Oberhaapte wählten. Hierauf fingen 
die Banu Mudli'g mit den Andalusiern Krieg an, wurden aber von ihnen 
besiegt und in die Flucht geschlagen« so dass sie nicht in das Gebiet 
von Alexandria zurückkehren konnten, bis der Statthalter el-Sarij sich 
ins Mittel legte und ihre Rflckkehr bewirkte. 

Als Abd el-'Aziz el-tjrarawi die Nachricht von der Ermordung des 
Omar ben Malak erhielt, kam er mit 50,000 Mann herbei, belagerte die 
Festung von Alexandria und bedrängte die Besatzung sehr; dann erfuhr 
er aber, dass el-Sarij ben el-Hakam ein Corps nach Tinnfs abgeschickt 
habe und er kehrte im Muharram 201 dahin zurück» worauf die Anda- 
lusier sich wieder für el-Sarij erklärten. Während alsdann die Ägyptier 
dem Chalifen el-M&mün den Gehorsam kündigten und Ibrahim ben el- 
Mahdi zum Chalifen ausriefen, kam el-Garawi wieder nach Alexandria 
und belagerte die Andalusier, bis sie Frieden schlössen, die Stadt Über- 
gaben und ihn als Herrscher anerkannten. Hieraufbrach er nachFustftt 
auf» lieferte el-Sarij eine Schlacht, in welcher dessen Sohn fiel, kehrte 
aber dann nach Alexandria surück, weil die Andalusier seinen Präfecten 
vertrieben, ihn selbst für abgesetzt erklärt und el-Sarij wieder anerkannt 
hatten. Auf dem Marsche dahin im Ramadh&n 203 (März 819) stellten 
sich ihm die Copten, welche von den Banu Mudli^ unterstützt wurden, 
mit einer Armee von 20,000 Mann entgegen, er trieb sie aber in die 
Flucht und schickte seine Truppen nach Alexandria, welches sie ein- 
schlössen, während el-Sarij mit den aufständigen Bewohnern von el- 
^a'id beschäftigt war. Dann kam el-Garawi zum vierten Male selbst 
nach Alexandria, stellte die Wurfmaschinen auf und beschoss die Stadt 
sieben Monate lang vom 1. Scha'bdn 204 bis zum letzten ^afar 205 
(21. Jan^ bis 14. August 820), wo er durch ein Stück eines Wurfge- 
schosses getroffen und auf der Stelle getödtet wurde. Sein Sohn 'Alf 
trat an seine Stelle und die Feindseligkeiten gegen die Andalusier hörten 
nicht auf bis Abdallah ben Tdhir von el-Mdmdn als Statthalter nach 
Ägypten geschickt wurde, welcher Obeidallah ben el-Sarij absetzte, am 
1. Qafar 212 (2. Mai 827) aus Fustfit abmarschirte und mit seinen Per- 
sischen Officieren aus Chordsdn vor Alexandria erschien. Nachdem die 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 37 

Belagerung vierzehn Tage gedauert hatte, kamen die Einwohner heraus 
um sich zu unterwerfen und auch die Andalusier schlössen Frieden 
unter der Bedingung, dass sie freien Abzug hätten; sie verpflichteten 
sich auch auf ihren Schiffen weder einen eigenen, noch einen flQchtigen 
Sklaven mitzunehmen, und wer es thäte, solle der Todesstrafe verfallen 
sein. Als sie dann abfahren wollten, liess Ihn Tahir die Schiffe unter- 
suchen, und da sie mehrere fanden, welche den Vertrag nicht gehalten 
hatten, sollten ihre Schiffe verbrannt werden, indess wurden sie auf vieles 
Bitten frei gegeben und segelten unter Anführung des Abu Haff Omar 
ben Tsd nach der Insel Greta und eroberten sie. 

Im Gumädd IL 212 kehrte Ibn Tdhir nach Fustdt zurück und be- 
kam hier von dem Chalifen den Befehl, die dortige alte Moschee zu 
erweitern und sie erhielt den doppelten Umfang. Es waren ihm sämmt- 
liehe Einkünfte von Ägypten fiberwiesen, die sich auf drei Millionen 
Dinare beliefen, er vertheilte sie aber zu mildthätigen Zwecken. Er 
war Gelehrter und ein grosser Freund und Gönner der Dichter und 
hatte immer mehrere derselben in seinem Gefolge. Eine nur in Ägypten 
vorkommende Sorte Melonen soll von ihm den Namen 'AbdalU bekom- 
men haben, vermuthlich weil er sie durch die Vermischung von zwei 
Sorten züchtete. Wohl nicht ganz ohne Grund hatte ein Bruder des 
Chalifen bei ihm den Abdallah . ben Tdhir in den Verdacht zu bringen 
gesucht, dass er zu der Partei der Aliden hinneige; Mdmün wollte dem 
keinen Glauben schenken, schickte aber auf wiederholte Vorstellungen 
einen gewandten Mann nach Ägypten, welcher Ibn Tdhir ausforschen 
sollte. Der Abgesandte wusste zum Schein zunächst einige hochgestellte 
Personen in Fustdt dafür zu gewinnen, dass el-Cdsim ben Ibrahim Ta- 
bdtabd zum Chalifen ausgerufen werden solle, und suchte dann sich bei 
Ibn Tdhir Zutritt zu verschaffen und ihn, nachdem er sich wegen 
einer wichtigen Mittheilung völlige Sicherheit für sich hatte versprechen 
lassen, zu überreden ihrem Plane beizutreten. Allein Ibn Tdhir blieb 
fest und nur sein Versprechen schützte den Abgesandten, der aber so- 
fort aus Ägypten verwiesen wurde und der Chalif war sehr befriedigt 
durch diese Wendung. Nachdem die Rebellen unterdrückt, das Land 



38 F. WÜSTENPELD; 

beruhigt und die Verhältnisse geordnet waren, ernannte Abdallah den 
'isä ben Jazid el-Galüdl zu seinem Stellvertreter als Vorbetender und 
verliess Ägypten am 25. Ra'gab 212 (21. Oct. 827) auf 4em Seewege; 
in der Nähe von Bagdad kamen ihm eWAbbds, der Sohn, el-Mu'ta9im, 
der Bruder des Chalifen und die WQrdenträger des Reiches entgegen 
und er hielt seinen Einzug in Bagdad, indem die Sieger von Syrien 
und Ägypten, wie Ibn Abul-Gamal, Ibn Abu Askar und andere ihm vor- 
angingen ; der Chalif empiGing ihn mit allen Ehrenbezeugungen und über- 
trug ihm in der Folge die Statthalterschaft von Chordsdn und andere 
Provinzen, bis er 48 Jahre alt im J. 230 starb. 

Isd ben Jazld el-Galüdl, wiewohl nur Stellvertreter des Ab- 
dallah ben Tdhir und als solcher von el-Mämdn bestätigt, vereinigte in 
sich alle Begierungsgewalten , bezog den Palast der Statthalter in el- 
'Askar und ernannte seinen Sohn Mjihammed zum Obersten der Leib- 
wache und den Ishäk ben Mutawakkil zum Untersuchungsrichter. Auch 
als der Chalif den Abdallah seines Postens als Statthalter von Ägypten 
enthob und am 11. Dsul-Cada 213 seinen eigenen Bruder el-Muta^im 
Muhammed ben Härün el-Raschid die Stelle übertrug« liess dieser den 
'Isd in seinem Amte, übertrug aber die Steuerverwaltung an Cfilih ben 
Schfrazäd. Dieser fing das alte System der Bedrückung wieder an, ver- 
mehrte die Abgaben und liess sich allerlei Ungerechtigkeiten zu Schulden 
kommen; darüber empörte sich die Bevölkerung von el-Hauf und die 
Keis und Jemeniden rotteten sich zusammen, an ihrer Spitze Abd el- 
Saldm und Ibn GaLis. 'Isä schickte seinen Sohn Muhammed mit einem 
Corps dem ^dlih zu Hülfe, er wurde aber bei Bilbeis mit grossem Ver- 
luste im Cafar 214 in die Flucht geschlagen, so dass er selbst kaum 
das Leben rettete, und als eI-Mu'ta9im hiervon Nachricht erhielt, gab 
er 'Isä. seine Entlassung und ernannte 

'Omeir ben el- Walld el-Tamimi el-Badsagisf am 17. ^afar 
zum Statthalter, welcher seinen Sohn Muhammed zum Obersten der 
Leibwache machte. Kaum hatte er die Regierung übernommen, so er- 
hoben sich die früheren Aufständigen wieder und er zog ihnen selbst 
mit einer Armee entgegen, in welcher sich auch sein Vorgänger is^ 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 39 

ben Jazid befand. Nach mehreren blutigen Gefechten, die zu keiner 
Entscheidung geführt hatten, erfocht 'Omeir am 16. Rabl II.i) einen 
grossen Sieg, fiel aber bei der Verfolgung des Feindes in einen Hinter- 
halt und wurde getödtet, und 

'Isd ben Jazid trat wieder an seine Stelle. Er setzte den Krieg 
gegen die Rebellen und Wegelagerer fort, sammelte seine Truppen, zog 
ihnen entgegen und traf sie bei Munjat Matar oder el-Matarija in der 
Nähe von 'Ain Schams, erlitt hier aber im Ba'gab 214 eine furchtbare 
Niederlage und musste sich nach Verbrennung seines Gepäckes nach 
Fust&t zurückziehen. Als el-Mfimün dies erfuhr, liess er seinen Bruder 
Mu'tafim rufen und forderte ihn auf, selbst nach Ägypten zu gehen und 
den Aufstand zu dämpfen; er brach dann mit 4000 Türkischen Soldaten 
von Bagdad auf und kam in Eilmärschen nach FustSt. welches von den 
Keis und den Jemeniden eingeschlossen gehalten wurde. Ehe er die 
Stadt betrat, griff er sie an, schlug sie in die Flucht, tödtete ihre An- 
führer und verfolgte sie, wobei noch eine grosse Zahl den Schwerdt- 
streichen erlag. Dies geschah im Scha'bdn und am 21. des Monats 
(24. Oct. 829) hielt Mu'ta5im seinen Einzug in Fustfit, wo 'Isd und alle 
Ägyptischen Grossen sich zu seinem Dienste stellten. Er nahm seinen 
Wohnsitz in dem Palaste von el-Askar; in seinem Gefolge befand sich 
unter anderen auch Ahmed ben Abu Duwdd, der Ober-Cddhi von Bagdad, 
auf dessen Betrieb der Cddhi Isd ben el-Munkadir seine Entlassung 
nehmen musste, und Ägypten blieb mehrere Jahre ohne Cädhi. Nachdem 
el-Mu'tafim die Ruhe und Ordnung im Lande wieder hergestellt hatte, 
zog er am 1. Muharram 215 (28. Febr. 830) mit seinen Türken wieder 
ab, indem er eine grosse Menge von Gefangenen mit sich nahm, welche 
in dem kläglichsten Zustande barfuss vor den Reitern hergehen mussten. 
Tsd ben Jazid war abgesetzt und an seine Stelle kam 

'Abdaweih ben Gabala als Statthalter, welcher den Palast in 



1) Mit der Angabe bei Abul-Mahäsin I. 625 »am 16. Rabi' I.« ist die 
andere, dass er gerade zwei Monate im Amte gewesen sei, im Widerspruch, und 
bei der Zeitbestimmung »Dienstag d. 13. Rabi' I.« trifft auch der Wochentag nicht 
mit dem Datum zusammen. 



40 F. WÜSTENFELD. 

eWAskar bezog und seinen Sohn zum Obersten der Leibwache und 
Ishdk ben Ismä'tl ben Hammfid zum Untersuchungsrichter machte. Er 
bemühte sich im Sinne el-Mu'ta9im's fortzufahren die Verhältnisse des 
Landes zu ordnen, wurde aber schon sehr bald wieder darin unterbrochen, 
indem die Bewohner von el-Hauf abermals sich auflehnten ; diesmal ge- 
lang es ihm indess, sie nach einigen Kämpfen wieder zu unterwerfen. 
Dann erschien der Präfect von Barca, el-Afschin Heidar ben Kdwds el- 
^afedi am 3. Dsul-Hi'g^a in Fustät und in seiner Begleitung 'Ali ben 
Abd el-'Azlz el-Garawt, ein Sohn des früheren Rebellen, welcher vor- 
mals als Anführer der Aufständigen bei Schattanauf eine Tagereise von 
Fustat die Regierungstruppen unter Ahmed ben el-Sarij in die Flucht 
geschlagen hatte; er wollte jetzt sein Vermögen herausfordern, allein 
'Abdaweih gab ihm nicht nur nichts, sondern liess ihn umbringen ^), und 
el-Afschin kehrte nach Barca zurück. Indess wurde 'Abdaweih unmit- 
telbar nachher von el-Mu'ta9im abgesetzt und am 1. Muharram 216 
(18. Febr. 731) kam an seine Stelle 

'isd ben Man9iir ben Müsä el-Rdfi'i, welcher Abul-Mugith 
Jünus ben Ibrahim zum Obersten der Leibwache machte. Schon im 
Dumädd I. brachen die Unruhen in Unterägypten in den Seedistricten 
wieder aus und diesmal verbanden sich auch die Gopten mit den Ära- 

A 

bischen Rebellen und rückten gegen Fustfit vor. Isä sammelte alle 
seine Truppen, war aber gegen die Übermacht zu schwach und musste 
sich zurückziehen; selbst in Fustät konnte er sich nicht halten, da er 
wegen seines anstössigen Lebenswandels auch bei den Einwohnern ver- 
hässt war, und er wurde sammt dem Steuerverwalter mit Schimpf aus 

1) Nach dem Lob&b geschah dies schon im Monat Dsul-Ga'da. Sein Bruder 
Abu 'AU el-Hasan ben Abd el-'Aziz el-Garawi, ein ausgezeichneter Traditions- und 
Rechtsgelehrter, wurde damals aus Fustat entfernt und nach Bagdad gebracht, wo 
er im J. 257 gestorben ist. Lobab: ^ ^U ^ vJ^ ^ ^^ ^t xmaJÜI »lX^ Iß^J^^ 

J^j^ kS^ ^ iß >^ J^ *A^' v)^ ^*^ ü^'j»^' i' j*^ er J^ LS5j4l Jjl>ö Qiy^jiJ ^ 
^ J^ «^I^ cij^ L^ ^1(5 qUp- ^y ^^x^^j^iu^j^ ^^ ^ e^J^t ^^j rov iu-- 

c-rto ÄJuM BJuüüt ^ ^ JJ3 jjjjJt Juxt 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 41 

der Stadt gejagt und ihm der Gehorsam gekOndigt. Nun kam Mitte 
Gumddd n. el-Afschfn aus Barca, um den Aufstand zu unterdrücken; 
zu ihm begab sich Isä und fflhrte ihm die wenigen Streitkräfte zu, die 
er noch bei sich hatte. Sie zogen dann im Schawwdl den Sebellen ent* 
g^en, schlugen sie und machten viele Gefangene; darauf marschirte 
el-Afschin nach el-Hauf und trieb sie auch hier zu Paaren. Indess 
währten die Unruhen noch das ganze Jahr hindurch und der Chalif el- 
Mdmün entschloss sich zuletzt selbst nach Ägypten zu gehen. Er brach 
in der Mitte das Dsul-Hi^a von Bagdad auf und kam am 5. Muhar- 
ram 217 (11. Febr. 832) in Fustdt an; er war gegen Isd sehr aufgebracht 
und mass ihm und den Verwaltern alle Schuld an der Empörung bei, 
er liess ihm die Fahne abnehmen, zur Strafe weisse Kleidung anziehen und 
setzte ihn ab ; darauf wurde 'Abdüs el-Fihri, welcher einen hervorragenden 
Antheil an dem Aufstande genommen hatte, vorgefahrt und ihm der 
Kopf abgeschlagen. Zum Cddhi wurde Jahjd ben Aktham ernannt, welcher 
mit aus Bagdad gekommen war, er versah das Amt aber nur drei Tage. 
Der Chalif hatte seinen Wohnsitz in der »Burg in der Luft« ge- 
nommen, fühlte sich aber sehr enttäuscht über die ihm so sehr gerühmte 
Schönheit der Aussicht und der ganzen Umgebung. Er äusserte dess- 
balb gegen den Gelehrten Sa'id ben 'Ofeir, welcher bei ihm erschienen 
war: »Verfluche Gott den Pharao, wo er sagt: bin ich nicht König von 
Ägypten ? (Kordn, Sura 43, 60) wenn er nur IrAk und seine fruchtbaren 
Gegenden gesehen hätte !a Sa'id erwiederte: »o Emir der Gläubigen! 
sage so etwas nicht, denn Gott spricht auch: wir haben vernichtet, was 
Pharao und sein Volk künstlich erbaut und errichtet hatten (Sura 7, 
183); und was glaubst du müssen das für Dinge gewesen sein, die Gott 
vernichtet hat und von denen dieses doch noch die Überreste sind !a und 
er beschrieb ihm dann weiter die Anlagen und Schönheiten, des Landes. 
Ein gewisser e^Hadhrami hatte gegen Ibn Asb&t und Ibn Tamfm 
eine Klage erhoben. el-Fadhl ben Marwdn (der nachherige Wezir des 
Chalifen el-Mu'ta^im), welcher im Gefolge el-Mämün's war, veranstaltete 
in der Moschee eine Sitzung, zu welcher die Bechtsgelehrten Jahjd ben 
Aktham, Ahmed ben Abu Duwdd, der Untersuchungsrichter Ishdk ben 
Hist.'phil Glosse. XX. 4. F 



42 F. WÜSTENFELD. 

Ismd'tl ben Hamnidd und mehrere andere Tradition«- and Rechtsgelehrte 
geladen waren, unter diesen auch el-HArith ben Maskin, welcher zum 
Cädhi ernannt werden sollte. Während el-Fadhl sich noch mit diesem 
unterredete, sprach el-Hadhrami dazwischen zu el-Fadhl: »frage doch 
den Hdrith fiber Ihn Asb&t und Ihn Tamfm.€ Er erwiederte: »dazu 
habe ich ihn nicht hierher beschieden.« Auf die wiederholte Bitte fragte 
er dann doch den H&rith über diese beiden Männer und er antwortete: 
»sie haben unbillig und ungerecht gehandelt,« worauf el-Fadhl entgeg- 
nete: »Dazu habe ich dich nicht hierher beschieden.« Da entstand eine 
allgemeine Bewegung in der Moschee, welche ganz von Menschen an- 
gefallt war, und el-Fadhl erhob sich und eilte zu dem Chalifen, um 
ihm darflber Nachricht zu geben, und setzte hinzu: »ich bin fOr mein 
Leben besorgt, wenn wegen des Hdrith ein Aufstand entsteht.« el- 
Mämün liess nun den Harith zu sich rufen, fing eine Unterredung mit 
ihm an und fragte ihn dann: »was urtheilst du Aber die beiden Männer?« 
er antwortete: »sie haben unbillig und ungerecht gehandelt.« — Haben 
sie dir in etwas Unrecht gethan? — Nein! — Hast du mit ihnen Ver- 
kehr gehabt? — Nein! — Wie kannst du denn gegen sie zeugen? — 
Ebenso wie ich bezeuge, dass du der Emir der Gläubigen bist, ohne dass 
ich dich je vorher gesehen habe, und wie ich bezeuge, dass du Kriege 
geführt hast, ohne dass ich dabei zugegen gewesen bin. — Fort mit 
dir! du bist des Landes verwiesen, verkaufe alles was du besitzest, du 
sollst es nie wiedersehen. — Er liess ihn vorläufig in dem Thurm des 
Ihn Harthama auf der »Burg in der Luft« ins Gref&ngniss setzten und 
nahm ihn dann mit sich nach el-Bascharüd am Meeresufer, und als er 
diese Gegend unterworfen hatte, liess er el-Hftrith wieder vorffihren und 
legte ihm dieselbe Frage vor und erhielt von ihm dieselbe Antwort. 
Dann fragte der Chalif : »was sagst du denn zu unserem jetzigen Aus- 
zuge?» Er antwortete: Abd el-Bahman ben el-Cdsim hat mir erzählt, 
dass der Chalif H&rün el-Raschid an M&lik ben Anas geschrieben 
und ihn fiber die Bekri^ung der Bewohner von Dahlak ^) gefragt habe» 

1) Eine Insel im Meere von Jemen mit einer Hafenstadt, wo die zwischen 
Jemen nnd Habessinien fahrenden Schiffe anlaufen. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZÜÄ ZEIT DER CHALIFEN. 43 

da habe er geantwortet: wenn sie wegen eines Unrechts von Seiten der 
Regierung sich angelehnt haben, so ist ihre BekriegUDg nicht erlaubt. 
Da sagte Mdmiin: Du bist ein Schafskopf und Mälik war noch ein 
grösserer Schafskopf als du, mach', dass du aus dem Lande kommst! 
In's Ausland? fragte er. — In Bagdad sollst du intemirt werden. ~ 
Jetzt fiel Abu ^41ih el-Harrdni ein: o Emir der Gläubigen ! verzeihe ihm 
seinen Irrthum. — £r antwortete: da du, o Scheich! ein gutes Wort 
für ihn einlegst, so soll ihm verziehen sein. 

Während Mdmün sich dann nach Sachä wandte und auch Alexandria 
besucht haben soll, liess er el-Afschin mit einer Armee nach el-Hauf 
marschiren, wo er in der Gegend von Bascharüd mit den Gopten zu- 
sammenstiess und sie einschloss; sie mussten sich auf Gnade und Un- 
gnade ergeben, Mdmdn entschied, dass die Männer umgebracht und die 
Frauen und Kinder als Sclaven verkauft werden sollten, und von der 
Zeit an war der Widerstand der Gopten gebrochen, sie waren nicht 
weiter im Stande sich gegen die Aegierung aufzulehnen, die Muslim 
drängten sich auf dem Lande immer mehr in den Besitz der Grund- 
stücke und die Gopten blieben allen Bänken und Bedrückungen der 
Steuereinnehmer preisgegeben. Die Abgaben, welche zu Mämdn's Zeit 
nach einer billigen Abschätzung, zwei Dinare vom Acker,» in Ägypten 
erhoben wurden, beliefen sich auf 4,857,000 Dinare. — M&mdn kehrte 
nach Verlauf von 49 Tagen, die er zum Theil noch in Sin'gir und Hui- 
wftn zugebracht hatte ^), am 18. ^afar^) 217 zurück, nachdem er 



1) Dass Mämftn die Pyramiden besucht babe, ist glaublicb, auch noch, dass er 
einen Versuch habe machen lassen, die grössere derselben zu öffnen; vergl. J&cüt 
IV. 967; dass darin ein Schatz gefunden sei^ gehört dann zur weiteren Aus- 
schmückung der Sage, wie Cod. Gothan. Nr. 325 und 367: J^ <^i^t ^|;t o^*^^ o'^ 

,^y^^^ v^^t «JÜ*5 8*5^ ^:y^ ^yUl vw3^:ö ^Up vjüJ s^i^^ LU3I3I ^ obuväjj ^Up ^ 

f l+IUUl \ ^ L^^Oü *» jÜjJk p^l ^V o"^ ^^ VS«^' i^Le «5Ü3 ^ v^ÄXi ^jcS^ 

2) NachSujüti IL 90 am 5. Qafar, beides nicht genau; letzteres indess stimmt, 
wenn man die 49 Tage auf die Abwesenheit von Bagdad bezieht 

F* 



44 F. WÜSTENFELü. 

Na^r ben Abdallah AbuUMalik el-^afedi^) gen. Keidar 
zum Statthalter eingesetzt hatte. Dieser wählte sich Ibn Isfendi&r zum 
Obersten der Leibwache, der Chalif sandte aber Ahmed ben Bissftm 
el-Azdi für diese Stelle, da er sich indess manche Schlechtigkeiten za 
Schulden kommen und durch Geschenke bestechen liess, wurde er nach 
einiger Zeit abgesetzt und im Innern der Moschee ausgepeitsht , und 
Keidar flbertrug den Posten seinem Sohne el-Mudhaffar. Als Ctdhi 
schickte el-Mdmün den Malikiten H&rdn ben Abdallah el*-Zuhri aus 
Damascus^), welcher sich bei der Bevölkerung durch seine Bechtschaffen- 
heit sehr beliebt machte. 

Um diese Zeit hatte der Streit Aber die Lehre von der Erschaffung 
des Koran seinen Höhepunkt erreicht und el-M&miln, welcher sich da- 
für entschieden hatte , wollte sie mit aller Gewalt in seinem ganzen 
Beiche anerkannt wissen. Er liess desshalb auch nach Ägypten im 
Gum&d& IL 218 die darauf bezügliche Aufforderung ergehen und der 
Cftdhi Hftrdn und die Notare nahmen die Lehre an, zugleich wurde 
festgesetzt, dass, wer sich nicht zu derselben bekenne, zum Notariat 
nicht zugelassen werden solle. Bevor indess diese Bestimmungen all- 
gemein bekannt gemacht waren, traf in Ägypten die Nachricht ein, dass 
el-Mämün am 16. Ba^b 218 (7. Aug. 833) gestorben sei und sein 
Bruder el-Mu'ta^im die Begierung übernommen habe, von welchem man 
eine grössere Toleranz erwartete. Drei Tage früher am 13. Ba|^ab 218 
war Abd el-Malik Ibn Hisch&m, Verfasser der Lebensbeschreibung Mu- 
hammeds, in Fustdt gestorben und in demselben Jahre starb auch der 
Bechtsgelehrte IsMk ben Bekr ben Mudhar. 

el-Mu'ta^im bestätigte Keidar, befahl ihm aber zugleich, die als 
Verwaltungsbeamten angestellten Araber zu entlassen und die Gehalte 
nicht auszuzahlen ; darüber empörten sich die Lachm und Oudsdm unter 



1) Hier und bei den folgenden Söhnen des Keidar hat Abul-Mah&sin statt 
el-Qafedi immer el-Qogdl 

2) Nach Snjftti IL 90 erst im J. 219, was dem folgenden widerstreitet, zu- 
mal da Mämiln schon im J. 218 gestorben ist. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHAUFEN. 45 

Anführung des Jahja ben el-Wazir el-Garawl und kündigten den Ge- 
horsam auf, und während Keidar die Zurüstungen machte um sie zu 
unterwerfen, ereilte ihn der Tod im Rabf II. 219. Im Muharram dieses 
Jahres war der Cddhi Othmän ben ^dlih ben ^afwdn el-Sahmi gestorben; 
auch Abdallah ben el-Zubeir Abu Bekr el-Humeidf, ein Schüler des Ibn 
'Ojeina und el-Scha'fi'i, der nach dem Tode des letzteren wieder nach 
seiner Geburtsstadt Mekka zurückgekehrt war, starb hier im J. 219. 

el-Mudhaffar ben Keidar, welcher die Regierung von seinem 
Vater übernommen hatte, wurde von dem Chalifen als Statthalter be* 
stätigt; er setzte den Krieg gegen Jahja el-Garawi mit vermehrten Streit- 
kräften fort und brachte ihm im Dumddd U. 219 eine furchtbare Nieder- 
lage bei. Unterdess wurde aber der Türkische General Abu Ga'far 
Aschin&s mit der Statthalterschaft von Ägypten belehnt ^) und sein Name 
in das Kanzelgebet aufgenommen, und wiewohl el-Mudhaffar unablässig 
bemüht war, die Unruhen zu dämpfen, und es sich angelegen sein liess, 
dem erneuten Befehle des Chalifen wegen allgemeiner Annahme der 
Lehre von der Erschaffung des Koran nachzukommen, so dass er nie 
zur Ruhe kam, wurde er doch von Aschinds schon im Scha'bdn seines 
Postens enthoben und 

Müsd ben Abul-'Abbds el-Hanefi kam am 1. Ramadhdn 219 
an seine Stelle. Es gelang ihm durch weise M|ssigung die Aufständigen, 
besonders die Bewohner von el^Hauf nach und nach zum Gehorsam 
zurückzuführen und den grössten Theil der Rechtskundigen und Ge- 
lehrten für die Lehre von der Erschaffung des Kordn zu gewinnen. Im 
J. 222 starb der Traditionslehrer Abdallah ben ^dlih ben Muhammed 
el-Gxihani. — Als Mdsd nach einer Regierung von 4 Jahren und sieben 
Monaten im Rabf II. 224 von Aschinds entlassen wurde, übergab er 
das Land in völliger Ruhe und Ordnung seinem Nachfolger 



1) Dorch diese Bdehnnng entstand anter Aschinas, Itach, el-Muntagir nnd 
el-Fath ben Ghakan eine Mittelstufe zwischen den Chalifen und den wirklichen 
Statthaltern, welche von den Belehnten, die nie selbst nach Ägypten kamen, ernannt 
worden. 



46 F. WÜSTENFELD. 

MAlik ben Keidai el-^afedi, welcher am 22. Babf IL (13. 
März 839) in Fustdt eintraf. Die Steuerverwaltang wurde in diesen 
Jahren verschiedenen Personen unmittelbar von dem Chalifen fibertragen. 
Von den Ägyptischen Gelehrten starben im J. 224 der Traditionslehrer 
Said ben Abu Marjam el-Hakam el-Dumahi ; am 26. Schawwäl 225 der 
Fakih A^bag ben el-Fara^ el-Omawi, Mufti von FustAt, und. im J. 226 
Sa'd ben Kathir ben 'Ofeir, Cfidhi von Ägypten, welcher, als guter 
Genealog und Historiker bekannt war. — Auch M&lik zeichnete sich 
durch eine verständige, milde Regierung aus, wesshalb unter ihm die 
Ruhe nicht gestOrt wurde, indess erhielt er von Aschin&s nach zwei 
Jahren am 3. Rabf II. 226 seinen Abschied und wurde durch 

'Ali ben Jahjd Abul-Hasan el-Armeni^) ersetzt, welcher 
Donnerstag den 7. des Monats (3. Febr. 841) nach Fustät kam. Schon 
im Rabf I. war dem Cddhi Hdrdn ben Abdallah die Praxis untersagt, 
weil er dem Obercidhi von Bagdad Ahmed ben Abu Duwftd ein Dorn 
im Auge war; jetzt kam mit dem Steuerverwalter Abul-Waztr auch die 
Ernennung des Mubammed ben Abul-Leith zum C&dhi. — 'Ali setzte 
die Beruhigung des Landes und Unterwerfung der Übelgesinnten fort, 
und erhielt mit der Nachricht von dem am 18. Rabf I. 228 (25. Dec. 
842) erfolgten Tode des Chalifen el-Mu'tafim zugleich seine Bestätigung 
durch dessen Sohn und ^Nachfolger Häriin el*WAthik. — Nu'eim ben 
Hamm4d ben Mu'äwia el-Chuzd'l aus Marw gebflrtig und in Fust&t 
wohnhaft, ein ausgezeichneter Traditionskenner, welcher zuerst die Ketten 
der glaubhaften Überlieferer aufstellte, hatte sich geweigert, sich zu der 
Lehre von der Erschaffung des Kordn zu bekennen und war desshalb 
nach S&marra, der Residenz der Chalifen, geschleppt; er starb hier im 
J. 228 im Kerker und wurde seiner letzten Bestimmung gemäss mit 
seinen Ketten begraben. In demselben Jahre starb zu Tinnis, wo er 
sich niedergelassen hatte, der Traditionslehrer Abdallah ben Jdsuf aus 
Damascus. — 'Ali wurde Donnerstag den 7. Dsul-Hi]^ 228 abberufen, 
ohne in Ungnade gefallen zu sein, denn der Chalif empfing ihn in 



1) Dieser ist von Sujüti IL 9 in der Reihe übergangen. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN Züß ZEIT DEB CHALIFEN. 47 

Bagdad sehr ehrenvpll und betraute ihn mit wichtigen Posten. Aschinds 
fibertrag seine Stelle wieder dem früheren Statthalter 

'isä ben Manfür el-Bäfi'i\ welcher Freitag d. 8. Muharram 
229 (7. Oct. 843) in Fnst&t eintraf. Im folgenden Jahre starb Aschinds 
und der Chalif belehnte den Tfirkischen General Itdch mit der Statt- 
halterschaft von Ägypten, welcher 'Isä bestätigte. Im Sabf I. 230 be- 
gann er den Bau der Stadtmauer von Tinnls, sie wurde aber erst von 
'Anbasa im J. 239 vollendet. — Jüsuf ben Jahjd el-Buweitf, der her- 
vorragendste Schaler des Schdfi'i und sein Nachfolger als Lehrer, hatte 
eben wegen seines hohen Ansehens den Neid des Hanefiten CAdhis 
Muhammed ben Abul-Leith erregt und wurde auf dessen Veianlassung, 
da er sich weigerte die Erschaffung des KorAn zu bekennen, nach Bag- 
dad geschleppt und hier auf einem Maulesel durch die Strassen geffihrt, 
am Halse einen Bing und an den Fassen Schellen, beides mit einer 
eisernen Kette verbunden, an welcher ein vierzig Pfund schwerer Stein 
hing. Er starb dort im Gefängnisse im Ba^ab 231. In demselben 
Jahre starb in Ägypten der Traditionsgelehrte JahjA ben Abdallah ben 
Abdallah ben Bukeir el-Machzdml. — Als el-WAthik am 23. Dsul- 
Higga 232 (10. Aug. 847) starb, erhielt IsA den Befehl, fflr dessen 
Nachfolger el-Mutawakkil die Huldigung der Ägyptier anzunehmen, doch 
schon am 15. Rabf L 233 wurde er entlassen; er erkrankte und starb 
am 11. Babf H. auf dem »Schlosse in der Luft«. Sein von ItAch er- 
wählter Nachfolger 

Harthama ben el-Nadhr^) el-GabaH«) schickte den 'AU ben 
Mihraweih als seinen Stellvertreter voraus und folgte am 6. Ba^b nach 
und ernannte Abu Cuteiba zum Obersten der Leibwache. el-WAthik 
hatte noch die Verordnungen wegen der Lehre von der Erschaffung des 
Koran anfangs wieder einschärfen lassen dann aber aufheben wollen, 
war aber darfiber hin gestorben und es geschah dies von Mutawakkil 



1) Makrlzi I. 312 Nadhr, nicht so gut, da dieser Name fast immer mit 
dem Artikel vorkommt; daraus Abul-Mah&sin I. 691 Na$r. 

2) Abnl-Mah&sin a. a. 0. eKGtli 



48 R WÜSTENFELD. 

durch ein Ausschreiben vom 6. Gum&d& II. 234, wpnach die Lehre der 
Sunna wieder eingeführt werden sollte. Harthama, selbst ein eifriger 
Anhänger der Sunna, liess sich dies sehr angelten sein, emdtete dafftr 
das grösste Lob und die Freude darfiber war allgemein. Bald darauf 
erkrankte Harthama und starb Mittwoch den 23. Ra|^b 234 (20. Febr. 
849). Sein Sohn 

A 

Hatim ben Harthama erhielt von Itftch seine Bestätigung und 
nahm Muhammed ben Suweid zum Obersten der Leibwache, wurde aber 
schon am 6. Ramadhdn entlassen und der ehemalige Statthalter 

'Ali ben Jahjä kam wieder an seine Stelle und wählte Mu'dwia 
bep Nu'eim zum Obersten. Itdch, welchen der Chalif aus dem Wege 
zu räumen wtlnschte, wurde noch zu einer pomphaften Wallfahrt nach 
Mekka aberredet, bei der Rfickkehr im Muharram 235 in Bagdad von 
seinem Gefolge abgeschnitten und verhaftet und schmachtete fast ein 
Jahr lang im Kerker, bis er im Dsul-Hi]^a verdursten musste. Seine 
Besitzungen in Ägypten, die er nie gesehen hatte, wurden mit Beschlag 
belegt,, sein Vermögen eingezogen und statt seiner el-Munta9ir, der Sohn 
des Chalif en, mit Ägypten und anderen Provinzen belehnt, so dass nun 
dessen Name in dem Kanzelgebet genannt wurde. Er liess 'Ali auf 
seinem Posten, bis er ihn im Dsul-Hi]^a 235 entliess und 

Ishäk ben Jahjd el*Ohatldni^) mit dem Beinamen Chüt 
(d. i. kräftiger, gewandter Mann), welcher schon unter el-Mftmün und 
den folgenden Chalifen Präfect von Damascus gewesen war, zum Statt- 
halter ernannte mit Einschluss der Steuerverwaltung; er kam am 11. 
des Monats in Fustdt an und machte el-Hajja|^i zum Obersten und 'Isd 
ben Lahf a el-Hadhrami zum Untersuchungsrichter. — Der lange gehegte 
Hass des Chalifen gegen die Anhänger 'Alfs soll durch eine besondere 
Veranlassung in grausame Verfolgung derselben übergegangen sein. Eine 



1) Abul-Mahäsin I. 711 setzt ausdräcklich hinzu: »aus Chatl&n, einem 
Orte in der Nähe von Samarcand,« also nicht el-'6abali, wie bei Makrizf I. 
312 und Sujüti U. 9, der ihn danach sogar einen Bruder seines Vorgängers 'Ali 
ben Jahjä el-'Gabali nennt. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 49 

Sängerin, ümm el-Fadhl, von der er sich gern die Zeit vertreiben Hess, 
war eines Tages verschwunden und konnte nirgends aufgefunden werden ; 
nach einiger Zeit kam sie wieder mit Sonnenflecken im Gesicht, und 
als der Chalif fragte, wo sie gewesen sei, antwortete sie: auf der Wall* 
fahrt. — Aber jetzt ist ja gar nicht Zeit zur Wallfahrt. — Ich meine 
nicht die Wallfahrt nach Mekka, sondern die nach dem Grabmal 'Ali's, 
welche Allah befohlen hat. Nun verbot der Chalif den Besuch dieses 
Grabmals, sowie Oberhaupt aller Graber der 'Aliden, besonders noch das 
des Husein, welches zerstört, mit allen dasselbe umgebenden Häusern 
dem Erdboden gleichgemacht und in Akerland verwandelt wurde. Die 
Sectirer waren darüber sehr empört und gaben ihren Unwillen in satiri- 
schen Maueranschlagen und Spottgedichten zu erkennen. Ja'küb Ihn 
el-Sikkit, welcher auch ein solches verfertigt haben soll, wurde noch von 
dem Ghalifen gefragt, wer ihm lieber sei, seine beiden Söhne el- 
Muwajjid und el-Mu'tazz, oder Hasan und Husein, die Söhne 'Ali's, 
und als er antwortete, dass Canbar, der Diener 'Ali's, ihm lieber sei als 
der Chalif und seine Kinder, befahl er den TOrkischen Soldaten, ihm 
auf dem Leibe herum zu treten, worauf er nach Hause getragen wurde 
und am folgenden Morgen starb; nach anderen soll er ihm haben die 
Zunge ausreissen' lassen. — Auch nach Ägypten erging an Ishdk ben 
Jahjd der Befehl, die 'Aliden von dort zu vertreiben, und da er diesem 
Befehle nicht eifrig genug nachkam, wurde er im Dsul-Ca'da 236 abge- 
setzt und starb wenige Monate nacher am 1. Babf II. 237. Der von 
el-Munta^ir ernannte Nachfolger 

Abd el-W4hid ben Jahjd ben Man^ür traf am 21. Dsul- 
Ca'da (26. Mai 851) in Fust&t ein und machte Muhammed ben Suleimdn 
el-Ba^eli zum Obersten seiner Leibwache. Schon am 8. ^afar 237 
wurde Abd el-Wdhid durch ein Schreiben von el-Munta(ir der Steuer- 
verwaltung enthoben und behielt nur als Vorbetender in der Moschee 
die oberste Begierung. — Die grausame Verfolgung der Nichtorthodoxen 
nahm jetzt ebenso wie in Bagdad, so auch in den Provinzen ihren Fort- 
gang. Der Chalif erliess den Befehl, dem Obercddhi Muhammed ben 
Hist-phü. Glosse. XX. 4. Q 



50 F. WÜSTENFELD. 

Abul-Leith, einem der Häupter der Gahmitischen Sekte ^), den Bart ab- 
zuscheeren, dann ihn auszupeitschen und auf einem Esel durch die Stadt 
zu führen» dies wurde auch im Ramadhfin 237 ausgeffihrt^) und er dann 
ins Gefangniss geworfen. Sein Nachfolger, el-Hdrith ben Masktn, der 
nur mit Widerstreben die Stelle angenommen hatte, setzte das Aus* 
peitschen noch einige Tage fort und liess ihm taglich zwanzig Hiebe 
aufzählen, um ihn zur Herausgabe der nöthigen Gelder zu zwingen. 
Ausserdem trieb er die Anhänger des Abu Hanifa und el-Schäfi'i aus 
der Moschee, liess ihre Teppiche entfernen und setzte den grössten 
Theil der Gebetausrufer ab. el-Hdrith, welcher gelähmt war, und sich 
in einer Sänfte ' in die Moschee musste tragen lassen oder auf einem 
Lastesel dahin ritt, liess alle diejenigen, welche beim Vorlesen des Koran 
einen Fehler machten, auspeitschen und auf Veranlassung der Bichter, 
welche die Untersuchung gegen den abgesetzten Cddhi Ibn Abul-Leith 
zu führen hatten und ihn nach seiner Absetzung verwünschten, wurde 
der Platz, auf welchem er in der Moschee gesessen hatte, abgewaschen. 
— Abd el*W&hid erhielt seine Entlassung am Ende des ^afar 238 und 
el-Munta9ir ernannte 

'Anbasa ben Ishdk ben Schamir zum Statthalter, dessen Ver* 
treter am 1. Rabf I. (21. Aug. 852) in Fustdt eintraf, während er selbst 
Sonnabend den 5. Rabf II. nachfolgte. Die Steuerverwaltung musste 
er in den ersten Jahren mit Ahmed ben Chälid el-^arffini theilen ; zum 
Obersten der Leibwache machte er Abu Ahmed Muhammed ben Ab- 
dallah el-Kummi. Er hielt die Verwalter an, die unrechtmässig erhöbe« 



sJ^\ ^^ AUy>t ^ ^Ut j5Ä>l ^ji f!L»^ f,^ iüüu o^ Uj ^jö ^ sXm^\ Statt ^ 
steht y^LiMbeiSchrastani ed. üuretonLp. 60; übers, von Haar brücker Lp. 89. 
2) Nach Sujüti U. 90 wäre dies schon im Scha'bän 235 geschehen und Ägypten 
dann bis zum 'Gumädä I. 237 ohne Obercadhi geblieben. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 51 

nen Abgaben zurflckzugeben , Hess fiberall Recht und Gerechtigkeit 
walten und zeigte gegen die ünterthanen ein Wohlwollen, wie es zu 
seiner Zeit nicht erhört war. Den Weg von seinem Palaste in el-'Askar 
nach der Moschee machte er zu Fuss und hielt auf ein strenges Ein- 
halten der Fastenzeit im Ramadh^, worfiber jeden Abend ein öffent- 
licher Ausruf erfolgte. Nicht ahnend, dass ein Überfall bevorstehen 
könnte, hatte er, um namentlich seinen beiden Söhnen zum bevorstehen- 
den Opferfeste ein grossartiges Schauspiel zu bereiten, die Linientruppen, 
Bogenschützen und Lanzenträger aus Dimjdt und Tinnis, sowie einen 
Theil der Besatzung von Alexandria nach Fustdt beordert, da waren am 
Tage der Wallfahrt nach dem 'Arafa, 9. Dsul-Hi'g-ga 238 (22. Mai 853) 
die Griechen unerwartet mit einer Flotte von dreihundert Schiffen vor 
Dimjdt erschienen. Sie hatten die Stadt von allen Soldaten und streit- 
baren Männern entblösst gefunden, sich ohne Widerstand in ihren Be- 
sitz gesetzt, sechshundert Frauen und Elinder zu Gefangenen gemacht, 
geplaudert und Feuer angelegt und sich dann auf die Schiffe zurfick- 
gezogen. Ein Officier der Besatzung, welchen 'Anbasa hatte ins Gef^ng- 
niss setzen lassen, wurde von einer seiner Frauen daraus befreit, er 
brachte noch einige Mannschaften in der Stadt zusammen, griff die 
Griechen an und trieb sie aus der Stadt hinaus. Sie wandten sich dann 
noch nach Oschmüm bei Tinnis^), konnten hier aber nichs ausrichten 
und kehrten in ihre Heimath zurfick. Sobald 'Anbasa von der Landung 
der Griechen Nachricht erhielt, brach er noch am Opfertage, 10. Dsul- 
Hrg'ga, auf, traf aber die Griechen nicht mehr, und nachdem er die 
Ordnung in Dimjdt wieder hergestellt hatte, kehrte «r nach Fustdt 
zurfick. Dieser Vorfall gab indess Veranlassung, dass Mutawakkil be- 
fahl, in Dimjdt ein Fort anzulegen und daselbst eine Flottenstation zu 
errichten. — Nicht lange nachher wurde ihm die Verwaltung der Steuern 
allein fibertragen und sein bisheriger Theilhaber Ahmed ben Chdlid 
entfernt. 



1) J acut I. 282 nennt Oschmüm-Tannah in der Nähe von Dimjät als Haupt- 
stadt des. Districtes Dakahlia. 

G* 



52 F. WÜSTENFELD. 

Der Volksstamm der Ba^fi, welcher die anwirtbbaren Steppen 
zwischen Ägypten, Nubien und Habessinien am rothen Meere bewohnte, 
hatte sich gegen die Muhammedanische Herrschaft aufgelehnt, verweigerte 
die festgestellten Abgaben, welche jährlich unter anderen in fünfhundert 
Sklaven und Sklavinen, einer Anzahl Ba^&-Camelen , zwei Giraffen und 
zwei Elephanten bestanden, und ging im J. 240 zu offenen Feindselig- 
keiten Aber, indem sie die Verwalter und Gruben-Arbeiter in den 
Smaragd-Bei^werken angriffen und sämmtlich niedermachten. Sie fielen 
dann in das Gebiet von Oberägypten ein, plünderten mehrere Grenz- 
dörfer aus, wie Isnd, Udfu und andere benachbarte Orte, so dass die 
Bewohner aus ihren Wohnsitzen flüchteten. Die Steuerverwalter machten 
hiervon Anzeige bei 'Anbasa und dieser sah sich veranlasst, darüber 
einen Bericht an den Chalifen einzusenden. Mutawakkil war sehr auf- 
gebracht gegen die Verwalter wegen ihrer Nachlässigkeit, und liess sich 
von Männern, welche aus den Erzählungen der Eeisenden das Land der 
Ba'g& kannten, eine Beschreibung desselben machen. Sie schilderten 
ihm die thierische Bohheit dieses Volkes und die Unzugänglichkeit seiner 
Wohnsitze, die zwei Monate weit durch eine unwegsame Wüste von 
Ägypten getrennt seien, worin eine Armee, wenn sie nicht mit allen Vorrä- 
then an Wasser, Proviant und Futter reichlich versehen sei, den sicheren 
Untergang finden würde. Nichts destoweniger gab der Chalif die Ab- 
sicht zu erkennen, dass dahin eine Expedition unternommen werden 
solle, und der General Muhammed ben Abdallah el-Kummi, welcher 
schon öfter die den Pilgercaravanen zum Schutz beigegebene Escorte 
angeführt hatte, erbot sich gegen den Wezir el-Fath ben Ch4k4n, wenn 
er in Ägypten die nöthige Unterstützung zur Ausrüstung einer Armee 
fände, einen Zug gegen die Ba'gd auszuführen, bis Nubien vorzudringen 
und die dortigen Reiche zu unterwerfen. Der Chalif ging darauf ein 
und gab dem Statthalter 'Anbasa Befehl, für die Herbeischaffung der 
nöthigen Mannschaften, Pferde, Camele, Waffen und aller Bedürfnisse 
zu sorgen, und als Muhammed el-Kumml nach Ägypten kam, war alles 
aus der Gegend von Kift, Ku9eir, Isnä, Armant und Uswän zusammen 
gebracht; in Suweis (Suez) wurden sieben Schiffe ausgerüstet und mit 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHAUFEN. 53 

Mehl, Datteln, Öl, Spelz, Gerste u. d. gL befrachtet, sie sollten an 
einem bestimmten Orte in der Nähe von 'Aidsdb^) zu einer bestimmten 
Zeit zusammen treffen; und nachdem die Soldaten eingeübt und die 
Reisevorrathe und das Gepäck fertig gestellt waren, brach Muhammed 
von Etl9 mit 7000 Streitern ohne den Tross auf, durchzog die Wüste, 
erreichte die Smaragdminen und drang bis in die Nähe von Dongola 
vor. Die Nachricht von seinem Anmärsche verbreitete sich bis in die 
äussersten Gegenden von Süddn, dessen König 'All Bdbä alsbald zwar 
ein zahlloses Heer zusammen brachte , um sich den Eindringenden ent- 
gegen zu stellen, aber sie waren vollständig nackt, meistens nur mit 
kurzen Lanzen bewaffnet und ihre Nubischen Camele im höchsten Grade 
störrig und unlenksam. Wenn sie dagegen die blanken Rüstungen, die 
Pferde und Waffen ihrer Feinde betrachteten, sahen sie ein, dass sie 
gegen diese nicht würden Stand halten können, und sie suchten desshalb 
einen Kampf zu vermeiden in der Hoffnung, dass ihre Yorräthe erschöpft 
und ihre Pferde entkräftet würden, und so oft Muhammed ihnen nahe 
kam und sie angreifen wollte, wichen sie ihm mit List von einem Orte 
zum andern aus. Als dann die Yorräthe wirklich zu Ende gingen und 



I) üeber 'Aidsäb (oder 'Ids&b, wie nachher und in den Handschriften des 
Edrisi par Dozy et de Ooeje pag. 27) sagt Aba 'Obeid el-Bekri in seinem 
grossen geographischen Wörterbuche i.e5üUIt3 vi5ümt nach den Excerpten, welche 
Johannsen aus Lemming's Abschrift der Pariser Handschrift (Codices Orient, 
biblioth. reg. Hafniensis, Pars 11. Nr. CH) genommen und Herr Geh. Reg. Bath 
Olshausen mir kürzlich zum Geschenk gemacht hat: 

^♦JoiJ d-o^ i' Ajs^jci] 4j; ^ ül^-'i y^ ^^ i*,lä*i ^j^ iul<4- 1^ '^^^ 1545 S^ 

j-^fi^^ ^L" J* ÄL»o^ v'j«*? fsl^J ^ o''V*'' '^^ «S^^' *lr^ Jb v'i>* tr**j' 

ÄJüoai vJüjtiJt -b*»J o^ '^i «5^' "-"^J^ oyuySdft-j- sys* ^iUS La!» üFjS*^^ <3^jy 
fKiäJi^ v-*tfOJ! e,^Lu Ljas vJü^t »JJ> JL*> jÄTI^ . . . S^^ ji^ i' V«-«-J^' -äSL 



54 F. WÜSTENFE LD. 

guter Eath theuer war, trafen endlich die Schiffe am Meeresufer ein^), 
die Muslimen bekamen neuen Muth und die Süddn , welche sich ausser 
Stande sahen die Zufuhr abzuschneiden, entschlossen sich zum Angriffe. 
Muhammed hatte alle Glocken von den Camelen den Pferden an die 
Hälse hängen lassen und liess die Pauken und Trommeln bereit halten, er 
ordnete seine Truppen in einen linken und einen rechten Flfigel, die 
Sudan rückten vor und er liess sie so nahe kommen, dass ihre Lanzen 
fast die Hälse der Pferde berührten, dann befahl er mit einem Allah 
akbar! einen allgemeinen Angriff , von dem Geräusch der Glocken, 
Pauken und Trommeln wurden die Garnele der Süd&n scheu, sie machten 
Kehrt und warfen die Reiter ab, von denen dann eine grosse Anzahl 
getodtet wurden, so dass die Leichen die Ebene bedeckten ; erst die Nacht 
machte der Verfolgung ein Ende. 'AU Bdbd war mit einigen aus seiner 
Familie und seiner Umgebung zu Pferde entkommen, war aber jetzt 
bereit Frieden zu schliessen und den seit vier Jahren rückständigen 
Tribut zu bezahlen. Muhammed bewilligte dies, liess ihn zu sich kom- 
men und neben sich auf seinen Teppich sitzen, beschenkte ihn, seinen 
Sohn und einige Angesehene aus seinem Gefolge mit kostbaren Klei- 
dungsstücken, und kam endlich mit ihm fiberein, dass er ihn zu dem 
Chalifen begleiten solle. 'AU Bdbft ernannte für die Zeit seiner Ab- 
wesenheit seinen Sohn Lfas Bäbd^) zum Regenten, kam dann mit Mu- 
hammed zu 'Anbasa nach Fustdt. und nach kurzem Aufenthalte begaben 
sie sich nach 'Mk zu Mutawakkil. Beim Empfange sollte 'Ali Bdbd 
vor demselben den Boden küssen, und als er sich weigerte, wollte der 
Chalif schon den Befehl geben ihn zu tOdten, liess ihm aber noch durch 
den Dolmetsch vorstellen, dass er sich doch vor einem aus schwarzen 
Steinen gemachten Götzenbilde täglich zweimal niederwerfe, warum er 
sich denn weigere, vor dem Chalifen den Fussboden zu küssen? Jetzt 
bequemte er sich und küsste den Boden dreimal, worauf er begnadigt 



1) Ibn Miskaweih ed. de Ooeje pag. 552 nennt den Landungsplatz 
Qaniga. 

2) Bei Ibn Miskaweih pag. 550 steht Bugschi. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 55 

und, nachdem ihm der übliche Ehrenmantel umgeworfen war, in sein 
Land entlassen wurde. 

'Anbasa, welcher nach einer Nachricht den Feldzug mitgemacht 
haben soll, wurde bald nachher am 1. &umddä II. 241 von der Ver- 
waltung der Steuern enthoben. Er hatte gegenüber dem Bethause im 
Stadtviertel der Chauldn ein anderes Bethaus bauen lassen, eins der 
schönsten Gebäude der Stadt. Im Rabf I. 242 wurde er durch ein 
Schreiben des Chalifen benachrichtigt, dass an die Stelle Munta9ir's der 
Wezir el-Fath ben Ch^än mit der Statthalterschaft von Ägypten belehnt, 
ihm alle Hoheitsrechte übertragen und mithin sein Name in dem Kan- 
zelgebet nach dem des Chalifen zn nennen sei; schon am 1. Ra^ab des 
Jahres (3. Nov. 856) folgte die Entlassung 'Anbasa's nach. Er war der 
letzte Statthalter Ägyptens von Arabischer Abkunft und der letzte Emir, 
welcher in der Hauptmoschee vorbetete ; er verliess lÄgypten im Rama- 
dh&n 244 und begab sich nach 'Irak. Sein Nachfolger 

Jazid ben Abdallah ben Dinar el-Turki^) schickte seinen 
Bruder el- Abbäs ben Abdallah als seinen Stellvertreter voraus und kam 
am 20. ^Ragab 242 selbst nach Fustdt. Er suchte im ganzen Lande die 
Verhältnisse zu ordnen; er duldete keine Kastraten, sondern liess sie 
auspeitschen, in der Stadt umherführen und dann ausweisen; er verbot 
das laute Schreien bei Begräbnissen und ähnliches. — Im Schawwäl 
242 starb Muhammed ben Rumh ben Muh&gir Abu Abdallah el-Tu'gfbf, 
der besonders in den Traditionen und der Geschichte von Ägypten be- 
wandert war. — Als die Nachricht eintraf, dass die Griechen bei Dimjdt 
gelandet seien, eilte Jazid am 1. Muharram 245 (8. April 859) dahin, 
traf sie aber nicht mehr an und kehrte im Rabf I. nach Fustdt zurück. 
Kaum hier angekommen erhielt er die Meldung, dass die Griechen in 
el-Faramd erschienen seien, und augenblicklich begab er sich wieder 
dahin, doch auch diesmal waren sie schon wieder abgezogen; indess 



1) Abul-Mahäsin I. 740 widerspricht sich selbst, wenn er ihn noch von 
el-Muntagir ernannt sein lässt; dieser gab bei seiner Thronbesteigang nur seine 
Bestätigung. 



66 F. WÜSTENFELD. 

blieb er dort etwas länger, bis er zurückkehrte. Jetzt verbot er auch 
das Wettrennen mit eingesetzten Preisen und liess die Pferde, welche 
zu diesem Zwecke auf Kosten der Regierung gehalten wurden, verkaufen, 
und bis zum J. 249 fand kein solches Rennen statt 

Nachdem Jazid dann die Sekte der Rafidhiten verfolgt, ihre An- 
hänger bestraft und die Vorsteher vertrieben hatte, wandte er sich gegen 
die 'Aliden überhaupt, welche schwere Bedrängnisse von ihm zu erdulden 
hatten, bis sie ganz aus Ägypten verbannt und nach 'Ir&k geschleppt 
wurden. 

Das furchtbare Erdbeben, welches im Jahre 245 ganz Vorderasien 
bis nach Chor&sfin erschütterte und von welchem besonders Antiochia 
und Laodicea schwer betroffen wurden, erstreckte sich auch über einen 
Theil von Ägypten, wo die Stadt Bilbeis am meisten davon zu leiden 
hatte. — Im Rabf II. 245 war der ObercÄdhi el-Hdrith ben Maskin 
gestorben und Duheim ben el-Jatfm el-Dimischki , der sich in Ramla 
aufhielt, sollte sein Nachfolger werden, er starb aber unterwegs und 
nun wurde Bakkdr ben Kuteiba aus Ba9ra auf diesen Posten berufen, 
welcher im Grumddd IL in Fustdt eintraf. — Im Dsul-Ca'da 245 starb 
der Scheich Thaubftn ben Ibrahim, gen. Dsul-Nün el-Mi9ri. Geboren 
zu Ichmim und unter MÄlik, el-Leith und Ihn Lahf a gebildet, hatte er 
sich zum ersten Gelehrten seinerzeit aufgeschwungen; er war der erste, 
welcher die Wissenschaften der Offenbarungen lehrte, die bei den Ägyptern 
als Neuerungen, von denen die Gefährten Muhammeds nichts überliefert 
hfitten, Anstoss erregten. Sie verklagten ihn desshalb bei Mutawakkil 
und beschuldigten ihn des Zindikismus, und er liess ihn mit Postpferden 
von Fustdt nach seiner Residenz Surrmanraa holen; hier hielt er einen 
Vortrag, der den Chalifen zu Thränen rührte, und er entliess ihn mit 
grossen Ehrenbezeugungen. 

Im Jahre 247 befahl Mutawakkil den grossen Nilmesser auf der 
Insel Raudha zu bauen und sandte dazu den Baumeister Muhammed 
ben Kathir el-Fargdni aus 'Irdk; die Christen, welche bis dahin die 
Aufsicht darüber gehabt hatten, wurden entfernt und der Rechtsgelehrte 
und Gebetausrufer Abdallah ben Abd el-Saldm Ibn el-Radd&d dabei 



DDE STATTHALTER VON ÄGYPTEN Züil ZEIT DER CHALIFEN. 57 

angestellt, welchem von dem Steuerverwalter Suleimdn ben Wahb mo- 
natlich daffir sieben Dinare ausgesetzt wurden. Ibn el-Badddd starb 
im J. 266 und das Amt ist in seiner Familie erblich geblieben. 

Donnerstag den 4. Schawwdl 247 wurde Mutawakkil zugleich mit 
seinem Wezir el-Fath ben Chdkdn auf Anstiften seines Sohnes el-Mun- 
tafir ermordet, welcher den Thron bestieg und Jazid ben Abdallah als 
Statthalter bestätigte, aber schon Sonnabend den 5. Rabf L 248 (9. 
Mai 862) an Diphtheritis oder an Gift starb, worauf el-Musta'in zur Re- 
gierung kam. — Wegen grosser Dürre, welche in diesem Jahre besonders 
in Irdk herrschte, wurde im ganzen Reiche auf ein und denselben Tag 
ein allgemeines Gebet um l^gen ausgeschrieben und dazu der 17. Dsul- 
Ca'da bestimmt — In demselben Monate starb der Traditionsgelehrte 
Ahmed ben Qälih Ibn el-Tabari. — Im J. 248 starb auch Abd el-Malik 
ben Schu'eib ben el-Leith ben Sa'd, und am 14. Dsul-Ca'da 250 Abul- 
Tdhir Ahmed ben Amr Ibn el-Sarh, beide in den Sammelwerken des 
Muslim, Abu Däwüd und el-Nasfif als glaubhafte Überlieferer erwähnt. 
Ums Jahr 250 wurde Ahmed ben Muhammed ben Mudabbir zum 
Steuerdirector ernannt, ein verschlagener Mensch und ein wahrer Teufel 
von Verwaltungsbeamten. Man unterschied zwei Arten von Steuern: 
l^^^ Froducten-Steuer , die jährlich von den Erzeugnissen des Landes 
erhoben wurde, von Getreide, Datteln, Trauben und Früchten aller Art 
und was die Bauern daneben aufziehen, wie Schaafe, Geflügel u. *d. gl.; 
und il^ Monatssteuer, welche z. B. herumziehende Kaufleute und Mar- 
ketender bezahlen mussten. Abu Da'far el-Man9tir war der erste, wel- 
cher die Weinbuden besteuerte und die Aufsicht darüber dem Sa'td el- 
Garas{ (oder Haraschi) übertrug. Ahmed führte nun ganz neue Steuern 
ein, welche nicht wieder abgeschafi't wurden : er schloss die Natronquellen 
ein, welche bisher jedermann zugänglich gewesen waren, und erhob davon 
eine Abgabe ; c^t^ Weidesteuer hiess die Steuer für das Futter, welches 
das Vieh abweidete; iXjLmm die Steuer vom Fischfang. Statt Monats- 
steuem kamen die Benennungen vJi3|^ Gewinn- (oder Luxus-) Steuer 
und o^Ia^ Hülfssteuer auf. 

Als Musta'in am 11. Dsul-Hi'g^a 251 (4. Jan. 866) abdanken musste 
Hist.-phil Glosse. XX. 4. H 



58 F. WÜSTENFELD. 

und el-Mu'tazz im Anfange des Moharram zum Chalifen ausgerufen 
wurde, brachen in allen Provinzen Unruhen und Aufstände aus. In 
Alexandria empörte sich Gr&bir ben el-Walid und Jazid ben Abdallah 
rüstete ein Heer aus und zog ihm entgegen; die. Feindseligkeiten be- 
gannen im Eabf II. 252 und es wurde mit abwechselndem Glücke ge- 
kämpft, bis Jaztd daran verzweifelte, seinen Gegner unterwerfen zu 
können und sich von dem Chalifen Hülfe erbat. Er sandte nun den 
Emir Muzdhim ben Chäk&n, den Bruder des Wezirs el-Fath benChdkftn, 
mit einer furchtbaren Armee aus IrAk nach Ägypten, wo er am 17. | 

Ragab eintraf; Jazid ging ihm entgegen, empfing ihn mit grossen Ehren ' 

und sie griffen nun vereint G&bir an und schlugen ihn in die Flucht, 
so dass sein Heer ganz au%elöst wurde. Auf den darüber an den 
Chalifen erstatteten Bericht erfolgte am 13. Rabf 253 das Decret von 
der Absetzung Jazids und der Ernennung des 

Muzfihim ben ChdkÄn ben'Ortü]^ el-Turkf zum Statthalter, 
welcher Ar^z^) zum Obersten der Leibwache machte. Von der Ver- 
folgung der Sectirer, womit er seine Regierung begann, wurde er bald 
abgelenkt durch die Unruhen , welche an verschiedenen Punkten von 
Ägypten zum Ausbruch kamen; zuerst hatte er einen Aufstand der Be- 
wohner von el-Hauf zu unterdrücken, und kaum war er von dort wieder 
in Fustät angekommen, so musste er nach Giza marschiren» hierauf 
nach Tartl]ga im Gebiete von Alexandria und zuletzt noch nach el- 
Fajjdm. Überall wurde viel Blut vergossen und viele Gefangene gemacht, 
da er mit der grössten Strenge verfuhr. Nach seiner Rückkehr setzte 
er die Bestrafungen und Belästigungen der Unterthanen fort und er- 
munterte dazu auch seinen Obersten Ar^^. Dieser erliess die unsinnig- 
sten Verordnungen: die Frauen durften ihre Häuser nicht mehr ver- 
lassen, nicht einmal um ins Bad zu gehen oder die Gräber zu besuchen; 
Schauspieler und Klageweiber wurden ins Geföngniss gebracht ; im Ra^ab 
253 verbot er sogar beim Gebet in der Moschee das Basmala (im Namen 
Gottes) laut auszusprechen; die Besucher der Moschee mussten sich in 



1] Bei Abol-Mahasin L 771 steht Urchüz. 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEtT DER CHALIFEN. 59 

geordneten Reihen aufstellen, im Hintergrunde stand ein Türke mit der 
Peitsche, welcher daiauf zu achten hatte; Kissen zum Sitzen durften 
nicht mehr in die Moschee mitgebracht werden; statt der ablichen sechs 
Oebete in den Nächten des Ramadhdn wurden nur fünf gehalten; der 
Ruf zum Beginn des Gottesdienstes durfte nur einmal erhoben und nicht 
wie bisher wiederholt werden; am Freitag wurden die Gebetstunden 
nicht von dem Minaret, sondern im Hintergrunde der Moschee abge- 
rufen; zum Zeichen der Trauer um einen Verstorbenen das Kleid zu 
zerreissen, oder dass Gesicht schwarz zu fllrben, oder das Haar zu 
scheeren, oder in Klagen auszubrechen wurde verboten. Diese Plagen 
hörten nicht auf, bis Muzdhim erkrankte und am 5. Muharram 254 
(5. Jan. 868) starb. Sein Sohn 

Ahmed ben Muzdhim ben Chdkdn, welcher noch sehr jung 
die Regierung übernahm und von el-Mu'tazz bestätig wurde, war ganz 
das Gegentheil seines Vaters und machte sich bei den Unterthanen be- 
liebt; leider! starb er schon nach drei Monaten^) am 7. Rabf H. 254 
und ihm folgte der Oberst der Leibwache 

Ar'gdz ben Ulug Tarchdn el-Turki. welcher früher in dem 
Heere der Chalifen einer der ersten Emire gewesen war. Schon im 
Ramadhdn desselben Jahres (Sept. 868) verliess er Ägypten, um die 
Wallfahrt zu machen, und begab sich von Mekka nach Bagdad; da aber 
ein so früher Aufbruch zur Wallfahrt nicht pöthig gewesen wäre, so ist 
die andere Nachricht wahrscheinlicher, dass er schon damals seines 
Postens enthoben wurde und am 1. Dsul-Ca'da abreiste, und an seine 
Stelle kam 

Ahmed ben Tülün. 



1) Macrizi und Abnl-Mahäsin geben fibereinstimmend die Monate Muhar- 
ram und Kabf 11. an, setzen aber dann nach ihrer gemeinschaftlichen Quelle, ohne 
selbst nachzurechnen, die Begierungszeit nur auf zwei Monate und einen Tag an. 



60 F. WÜSTENFELD. 



Übersicht der Chalifen und Statthalter. 

Abal-'Abbäs Abdallah ben Muhammed el-Safiah 132--136. Seite. 

galih ben 'AK 133 1 

Abu 'Aun Abd el-Malik ben Jazld 133-136 2 

Abn 'Ga'far Abdallah ben Muhammed el-Man^dr 136—158. 

galih ben 'Ali 136—137 3 

Abu 'Aun 137—141 4 

Musä ben Ka'b ben 'Ojeina el-Tamimi 141 5 

Muhammed ben el-Asch'ath ben 'Ocba el-Chuz&l 141—143 6 

Qumeid ben Cahtaba ben Schabib el-Taij 143—144 6 

Jaztd ben Hätim ben Cabita el-Muhallabi 144—152 7 

Abdallah ben Abd el-Bahman ben Mu*äwia ben Hudei^ 152—155 ... 8 

Muhammed ben Abd el-Bahman Ihn Hudeif^ 155 9 

Müs& ben 'Oleij ben Rab&h el-Lachmi 155—161 9 

Abu Abdallah Muhammed ben Abdallah el-Mahdi 158—169. 

^Iflä ben Locmän ben Muhammed el-'6umahi 161—162 10 

Wahidh 162 10 

MauQur ben Jazid ben MauQÜr el-Bu'einf 162 10 

Abu gälih Jahjä ben D&wud Ihn Mamdud 162—164 11 

Sälim ben Saw4da el-Tamtml 164 12 

Ibrahtm ben g&lih ben 'Ali 165—167 12 

Müsä ben Muc'ab ben el-Rabl' el-Chath'ami 167—168 13 

'Assäma ben Amr ben 'Alcama el-Ma'äfin 168 14 

el-Fadhl ben galih ben 'AU el-'Abbasi 168—169 14 

'Ali ben SuleimAn ben 'Ali el-Abbäsi 169—171 15 

Müsä ben Muhammed el-Hädi 169—170. 

Harun ben Muhammed el-Raschid 170—193. 

Müsa ben 'IsÄ ben Müea el-'Abbasi 171—172 15 

Maslama ben Jahja ben Gurra el-Ba]g;eli 172 — 173 16 

Muhammed ben Zuheir el-Azdi 173 16 



DIE STATTHALTER VON ÄGYPTEN ZUR ZEIT DER CHALIFEN. 61 

Seite. 
Däwüd ben Jaztd ben Q&tim el-Muhallabi 174—175 17 

MÜS& ben 'Isa d-'Abb&si 175—176 18 

Ibrahim ben Qiüh 176 19 

Abdallah ben el-Mnsajjib ben Zuheir el-Dbabbf 176—177 19 

iBh&k ben Suleimän ben 'AU d-'Abb&si 177—178 19 

Hartbama ben A'jan 178 20 

Abd el-Malik ben g&lih ben 'Ali el-'Abb&si 178 20 

Obeidallah ben el-BIahdi el-'Abb&si 179 20 

MÜ8& ben 'U& 179—180 - 21 

Obeidallah ben el-Mahdi 180—181 21 

Ismail ben g&Uh ben 'AH el-'Abbäef 181—182 21 

Ismft'ü ben 'ts& ben MÜ8& el-'Abbäai 182—183 21 

el-Leith ben el-Fadhl el-Abiwardf 183—187 21 

Ahmed ben iBmä'Ü ben 'AU el-'Abb&si 187—189 23 

ObeidaUah ben Muhammed ben Ibrahim el-'Abbäsi 189—190 24 

el-Hnsein ben Gamil 190—192 24 

MäUk ben Dalbam ben 'Isä el-Ealbi 192—193 25 

el-Qasan ben el-Tachtäh ben el-Tachtakän 193—194 26 

Mnhammed ben H&rtm el-Amin 193—198. 

Qätim ben Hartbama ben A'jan 194 — 195 26 

Gäbir ben el-Asch'ath ben Jahj4 el-Täfj 195—196 27 

'Abbäd ben Mnbammed ben Qajj&n el-Balchf 196—198 27 

AbdaUah ben Härün el-M&mün 198—218. 

el-MuttaUb ben AbdaUah ben M&Uk el-GhnzH'i 198 28 

el-'Abb&8 ben Müaä ben 'tsä el-'Abbäsi 198—199 29 

el-MnttaUb ben AbdaUah 199—200 30 

el-Sarij ben el-^akam ben Jüsuf 200—201 30 

Snleim&n ben GaUb ben 'Gabrü el-Ba^eU 201 31 

el-Sarij ben el-9akam 201—205 31 

Abu Na(r Muhammed ben el-Sar!j 205 32 

Obeidallah ben el-Sarij 205—211 32 

AbdaUah ben T&hir 205—211 33 

'Isa ben Jazid el-Galüdi 212—213 38 

Omeir ben el-WaUd el-Tamimi el-Badsagisl 213—214 38 

%& ben Jazid 214 39 

AbdaweUi ben 'Gabala 215 39 

'isä ben Manfür ben Hüs4 el-Räfi'i 216—217 40 

Na(r ben AbdaUah Eeidar el-gafedf 217-219 44 



62 F. WÜSTENFELD. 

Seite. 

Abn Ishak Mnhamined d-Mn'tacim 218—227. 

el-Mndhaffar ben Keidar 219 45 

Abu '6a*far ABchinäs 219—230. 

Müsä ben Abul-'Abbäs Tbäbit el-Hanefi 219—224 45 

Malik ben Keidar el-Qafedi 224—226 46 

'All ben Jahja Abnl-Q&s&n el-Armeni 226 — 228 46 

Härün ben Mnbammed el-Wäthik 227—232. 

'tsk ben Mansur el-RAfi'i 229—233 47 

Mch el-Torki 230—235. 

Ga'far ben Muhammed el-Mutawakkil 232—247. 

Harthama ben el-Nadhr el-'6abali 233—234 47 

Hätim ben Harthama 234 48 

•Ali ben Jahja 234—235 48 

Muhammed ben Ga'far el-Manta9ir 235—242. 

Ishäk ben Jahja el-ChatlaDi 235—236 48 

Abd el-Wähid ben Jahjä ben Man^ür 236—238 49 

'Anbasa ben Ishäk ben Schamir 238—242 50 

el-Fath ben Ghakan 242—247. 

Ja2id ben Abdallah ben Dinar 242—253 55 

Muhammed ben GjBi'far el-Munta^ir 247—248. 

Ahmed ben Muhammed el-Mustatn 248—251. 

Muhammed ben Oa'far el-Mu'tazz 252—255. 

Muzähim ben Ghäkän ben 'Ortüig; el-Turki 253—254 58 

Ahmed ben Muz&him ben Ghäk&n 254 59 

Argüz ben ülug Tarchin el-Turki 254 59 



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