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ABHANDLUNGEN
DER
KÖNIGLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
1890.
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ABHANDLUNGEN
KÖNIGLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
AUS DEM JAHRE
1890.
MIT ı TAFEL.
BERLIN.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1891.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
76
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LAHDETARELT ac N
KUNTR 0) Se
Buchdruckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften (G. Vogt).
% Berlin, NW., Universitäts-Strafse 8.
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Inhalt.
Verzeichnifs der im Jahre 1890 stattgehabten Sitzungen der Akademie
und der darin gelesenen Abhandlungen B
Verzeichnifs der im Jahre 1890 gestellten Preisaufgaben Bi Seiheken
Preise 2
Verzeichnils der im Tale 1890 erfolgten er Celdberligun.
gen aus akademischen Mitteln zur Ausführung oder Unterstützung
wissenschaftlicher Unternehmungen 5 6
Verzeichnils der im Jahre 1890 erschienenen im Auftrage a mit
Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen
Werke REN OR ER ST: e
Veränderungen im Personalstande der Akademie im Taue ea Jahres
1390
Verzeichnifs der Mitglieder a Akaderie am Sehlunse er Tahres 1890
Abhandlungen.
Physikalisch-mathematische Classe.
Physikalische Abhandlungen.
RAMMELSBERG: Über die chemische Natur der Turmaline
Philosophisch-historische Olasse.
WEIZSÄCKER: Rense als Wahlort . :
ScHMIDT: Die Urheimath der Indogermanen und Br Suröpkiache Zahl-
system .
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BEOV IL ——ERTV;
SERNVL--ERTR
XIX — XxI
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XXIV — XXXU
Abh. I. S. 1— 75.
Abh. I. S. 1—66.
»
II: „ 1-&6
VI
Anhang.
Abhandlungen nicht zur Akademie gehöriger Gelehrter.
Physikalische Abhandlungen.
KAyser und Runge: Über die Speetren der Elemente. Dritter
Abschnitt, (Mit I Tafel) 2 EA B MM... 2... Abb. Blech
Philosophisch-historische Abhandlungen.
LEPrSIUS: Griechische, Manmorstudien, 2.0.4 co merd ann Ber Abb TS5 13
Jahr 1890.
1:
Verzeichnifs der im Jahre 18590 stattgehabten Sitzungen
der Akademie und der darin gelesenen Abhandlungen.
Öffentliche Sitzungen.
Sitzung am 23. Januar zum Gedächtnifs Friedrich’s II. und
zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers
und Königs.
Der an diesem Tage vorsitzende Secretar, Hr. Auwers, er-
öffnete die Sitzung mit einer Festrede. Sodann berichtete derselbe
über den Fortgang der grölseren litterarischen Unternehmungen
der Akademie und die Arbeiten der mit ihr verbundenen Stiftun-
gen und Institute.
VvIm
Sitzung am 3. Juli zur Feier des Leibniz’schen Jahres-
tages.
Hr. du Bois-Reymond, als vorsitzender Secretar, eröffnete
die Sitzung mit einer Festrede.
Hr. Engler, als neu in die Akademie eingetretenes Mit-
glied, hielt seine Antrittsrede, welche Hr. du Bois-Reymond als
vorsitzender Secretar der physikalisch-mathematischen Classe be-
antwortete; ebenso hielten die neu eingetretenen Mitglieder der
philosophisch-historischen Classe, die HH. Weinhold, von der
Gabelentz und Harnack, ihre Antrittsreden, welche die vor-
sitzenden Secretare dieser Classe, die HH. Curtius und Momm-
sen, beantworteten. Diese Reden sind sämmtlich in dem Sitzungs-
bericht abgedruckt.
(resammtsitzungen der Akademie.
Januar 16. Conze, über die attischen Grabreliefs.
Februar 6. v. Hofmann, über Dissociationsversuche. (8. 2.)
Kronecker, über die Summation der Reihe Ser.
(& 1,9, v, w).
Tschirch, Dr. A., über das Saugorgan der Secita-
mineen-Samen. Vorgelegt von Schwendener. (S. B.)
Februar 29. Diels, über eine pythagoräische Fälschung.
März 6. Strasburger, über die Vertreterinnen der Geleit-
zellen im Siebtheile der Gymnospermen. (8. B.)
Lepsius, Prof. R., die griechischen Marmorbrüche
und die Benutzung derselben im Alterthum. Vor-
gelegt von Curtius. (Abh.)
März 20. Schmidt, über die Urheimath der Indogermanen
und das europäische Zahlsystem. (4AbA.)
März 20.
April 10.
April 24.
Mai 8.
Juni.
>fumı 19.
Juli 10.
Juli 24.
October 23.
IX
Fleischmann, Dr. A., über die Stammesverwandt-
schaft der Nager mit den Beutelthieren. Vorgelegt
von Waldeyer. (5.2)
Schwendener, über die Mestomscheiden der Gra-
mineenblätter. (S. 2.)
Schmoller, über das deutsche Fremdenrecht von
1200— 1500.
Waldeyer, über die Rückbildung der Thymus. (5. 2.)
Baumhauer, Dr. H., über die Abhängigkeit der Ätz-
figuren des Apatits von der Natur und ÜÖoncentra-
tion des Ätzmittels (zweite Mittheilung). Vorgelegt
von Klein. (8. 2.)
Köhler, über die Diadochengeschichte Arrian’s. (S..)
Kayser, Prof. H. und Runge, Prof. C., über die
Spectren der Alkalien. Vorgelegt von v. Helmholtz.
(Abh.)
v. Bezold, zur Theorie der Cyklonen. (5. B.)
Mommsen, über das römisch-germanische Herr-
scherjahr.
Thiesen, Dr. M., Beiträge zur Dioptrik. Vorgelegt
von v. Helmholtz. (5. B.)
Kundt, über das optische und elektrische Verhalten
dünner Metallschichten.
du Bois, Dr. H. E. J. G. und Rubens, Dr. H., Bre-
chung und Dispersion des Lichts in einigen Metal-
len. Vorgelegt von Kundt. (8. 2.)
Arons, Dr. L., Beobachtungen an elektrisch polari-
sirten Platinspiegeln. Vorgelegt von Kundt. (5. B.)
Kirchhoff, Bemerkungen zu Thukydides 5, 21—24.
(S. B.)
X
November 6.
v. Sybel, zur Geschichte des heiligen Rocks in
Trier.
November 20. Mommsen, über einige neugefundene römische
December 4.
Sitzungen
Januar 9.
Januar 30.
Februar 13.
Urkunden.
Braun, Prof. F., Beobachtungen über Elektrolyse.
Vorgelegt von v. Helmholtz. (8. 2.)
v. Hofmann, neue Untersuchungen über die
Aethylenbasen. (8. D.)
Gabriel, Prof. S., zur Kenntnils bromhaltiger
Amine aus der Fettreihe. Vorgelegt von v. Hof-
mann. (8. B.)
der physikalisch-mathematischen (lasse.
Fuchs, zur Theorie der linearen Differentialglei-
chungen. (5. B.)
Steiner, Prof. I., die Functionen des Centralner-
vensystems der wirbellosen Thiere. Vorgelegt von
du Bois-Reymond. (8. B.)
Kronecker, zur Theorie der elliptischen Functio-
nen. (8. 2.)
Scheiner, Dr. J., Untersuchungen über die Stern-
spectra vom I. Typus auf Grund der auf der Pots-
damer Sternwarte in den Jahren 1888 und 1889
aufgenommenen Speectralphotographien. Vorgelegt
von Auwers. (8. D.)
Bernstein, Prof. J., phototelephonische Untersuchung
des zeitlichen Verlaufs elektrischer Ströme. Vorge-
legt von du Bois-Reymond. (5. B.)
Februar 27.
März 123.
März 27.
April 17.
Mai 1.
Mai 22.
xI
Roth, über die Veränderungen, welche die Gesteine
durch Contact mit Eruptivgesteinen erleiden.
Kronecker, zur Theorie der elliptischen Functio-
nen. (8. B.)
Hensen, Prof. V., Bericht über die von ihm gelei-
tete Plankton-Expedition im Atlantischen Ocean.
Vorgelegt von du Bois-Reymond. (S. 2.)
Munk, Untersuchungen über die Fühlsphäre der
Grolshirnrinde.
Klein, über eine Methode ganze Kıystalle oder
Bruchstücke derselben zu Untersuchungen im pa-
rallelen und convergenten polarisirten Lichte zu
verwenden. (5. B.)
Rosenthal, Prof. J., dritte Mittheilung über calo-
rimetrische Untersuchungen an Säugethieren. Vor-
gelegt von du Bois-Reymond. (8. B.)
Landolt, über die Prout’sche Hypothese. (5. 2.)
Lipschitz, Beiträge zu der Theorie der gleichzeiti-
gen Transformation von zwei quadratischen oder
bilinearen Formen. (8. B.)
Fuchs, über algebraisch integrirbare lineare Diffe-
rentialgleichungen. (8. 2.)
Kronecker, über orthogonale Systeme und ferner
über die Composition der Systeme von »? Grölsen
mit sich selbst. (8. 2.)
Bruns, Prof. H., über das Problem der Saecular-
störungen. Vorgelegt von Kronecker. (8. B.)
Nagel, Dr. W., über die Entwickelung des Uterus
und der Vagina beim Menschen. Vorgelegt von
Waldeyer. (8. B.)
p*
XII
Juni:12.
Juni 26.
Tolılrz
Julı“31.
October 30.
November 13.
v. Siemens, über das allgemeine Windsystem der
Erde. (8. B.)
du Bois-Reymond, über secundär-elektromoto-
rische Erscheinungen an den elektrischen Gewe-
ben. (8.2)
Rammelsberg, über die chemische Natur der
Turmaline. (Adh.; Auszug 8. B.)
Klein, krystallographisch-optische Untersuchungen
an Rhodizit, Jeremejewit, Analeim, Chabasit und
Phakolith. (8. B.)
Auerbach, Prof. L., zur Kenntnils der thierischen
Zellen. Vorgelegt von Waldeyer. (5. B.)
Möbius, über die Bildung und Bedeutung der
Gruppenbegriffe unserer Thiersysteme. (8. B.)
v. Helmholtz, über die Energie der Wogen und
des Windes. (S. 5.)
Kronecker, zur Theorie der elliptischen Fune-
tionen. (S. B.)
Jesse, O., Untersuchungen über die sogenannten
leuchtenden Wolken. Vorgelegt von v. Bezold. (5. 2.)
Schimper, Prof., über Schutzmittel des Laubes
gegen Transpiration, besonders in der Flora Java’s.
Vorgelegt von Pringsheim. (8. B.)
Dames, Prof., Untersuchung über Schichtenfolge
der Silurbildungen Gotlands und deren Beziehun-
gen zu obersilurischen Geschieben Norddeutsch-
lands. Vorgelegt von Beyrich. (8. BD.)
Schwendener, über die optisch anomale Reac-
tion des Traganth- und Kirschgummis. (S. B.)
Rinne, Dr. F., über die Umänderungen, welche
November 27.
December 11.
XIII
die Zeolithe durch Erwärmen bei und nach dem
Trübewerden erfahren. Vorgelegt von Klein. (S. 2.)
Kronecker, über algebraische Reduction der
Schaaren bilinearer Formen. (8. B.)
Liebreich, Prof. O., über den todten Raum bei
chemischen Reactionen. Vorgelegt von Landolt.
(5. B.)
Selenka, E., zur Entwickelung der Affen. Vor-
gelegt von Schulze. (S. B.)
Auwers, Bestimmung der Sonnenparallaxe aus
Meridianbeobachtungen des Planeten Iris in der
Erscheinung von 1888.
Sitzungen der philosophisch-historischen Ulasse,
Januar 9.
Januar d0.
Februar 27.
März 13.
Dillmann, Bemerkungen zur Grammatik des Geez
und zur alten Geschichte Abessiniens. (S. B.)
v. Sybel, über Hassenpflug.
Conze, über die bei Vurwa und Velanidesa in At-
tika neu aufgedeckten Gräber.
Meyer, Prof. Dr. W., die Berliner Centones der
Laudes Dei des Dracontius. Vorgelegt von Vahlen.
(8. B.)
Wattenbach, die Briefe des Canonicus Guido von
Bazoches, Cantors zu Chälons im zwölften Jahr-
hundert. (8. B.)
Pernice, über den Modus bei Übereignungsgeschäf-
ten im klassischen römischen Rechte.
Brunner, über die absichtlose Missethat im alt-
deutschen Strafrechte.
XIV
März 27.
April 17.
Mai 1.
Mai 22.
Juni 12.
Juni 26.
Juli 17.
Jul 31
October 30.
November 13.
97
November 27.
December 11.
.
Hirschfeld, über einige Daten der römischen
Kaiserzeit.
Sachau, die altaramäische Inschrift auf dem Stand-
bilde des Königs Panammü von Sam’al aus dem
8. Jahrhundert vor Chr. Geburt.
Dilthey, Beiträge zur Lösung der Frage vom
Ursprung unseres Glaubens an die Realität der
Aulfsenwelt. (S. B.)
Dümmler, über Christian von Stavelot und seine
Auslegung zum Matthäus. (5. 2.)
Weinhold, über den Mythus vom Wanenkrieg.
(S.=B.)
von der Gabelentz, über die Kabakadasprache
in Neupommern.
Weber, über die Griechen in Indien. (S. BD.)
Kiepert, Vorlage seiner Karte von Kleinasien.
Curtius, Studien zur Geschichte des griechischen
Olymps. (8. B.)
Zeller, über die Abfassungszeit des platonischen
Theätet.
Schrader, die Datirung der babylonischen soge-
nannten Arsacideninschriften. (8. 2.)
v. Sybel, die Entstehung des Amts des General-
polizeidirectors im Jahre 1854.
Brückner, Prof. A., Bericht über seine von der
K. Akademie subventionirte Reise 188990. Vor-
gelegt von Schmidt. (8. B.)
Die mit $S. B. bezeichneten Vorträge sind in den Sitzungsberichten, die
mit Abh. bezeichneten in den Abhandlungen abgedruckt.
1:
Verzeichnifs der im Jahre 1890 gestellten Preisaufgaben
und ertheilten Preise.
Steiner’scher Preis.
In der Leibniz-Sitzung am 28. Juni 1888 wurde die bereits
am Leibniz-Tage 1886 gestellte Preisfrage unverändert erneuert:
„In der Absicht, das Studium der Schriften Steiner’s zu
erleichtern und zum Fortschreiten auf den von ihm eröft-
neten Bahnen anzuregen, hat die Akademie die Heraus-
gabe der gesammelten Werke desselben veranlalst, welche
in den Jahren 1881 und 1882 erschienen sind. Es bleibt
jetzt noch, wie aus der Schlulsbemerkung zum zweiten
Bande hervorgeht, die Aufgabe, die Resultate der einzel-
nen Schriften einer Sichtung und Prüfung zu unterwerfen.
Die Akademie wünscht, dals dieses Zunächst für diejeni-
gen Untersuchungen Steiner’s geschehe, welche sich auf
die allgemeine Theorie der algebraischen Curven
und Flächen beziehen. Es wird verlangt, dals die haupt-
sächlichsten Resultate derselben auf analytischem Wege
verifieirt und alsdann durch synthetische Methoden im
Sinne Steiner’s hergeleitet werden.“
Es sind zwei Arbeiten eingegangen.
Die erste trägt das Motto Fortes firmat concordia. Dieselbe
beschäftigt sich nur mit den ersten Formeln, die in den Anwen-
dungen der Differentialrechnung auf die Geometrie aufgestellt wer-
den, und geht auf die von der Akademie gestellte Aufgabe nicht
ein. Diese Arbeit kann daher bei der Preisbewerbung keine Be-
rücksichtigung finden.
xXVI
Die zweite Arbeit ist mit dem Motto Per aspera ad astra ver-
sehen. Der Verfasser derselben hat zur Lösung der von der Aka-
demie gestellten Aufgabe einen Weg eingeschlagen, der zu einem
befriedigenden Ergebnifls nicht führen konnte. Um die von Stei-
ner ohne Beweis aufgestellten Sätze zu prüfen, hat er eine Ver-
quickung von analytischen und geometrischen Hülfsmitteln ange-
wendet, durch welche aus dem Grunde nur selten etwas entschie-
den werden konnte, weil die geometrische Schlufsweise des Ver-
fassers zum grolsen Theile nicht auf sicherer Grundlage beruht,
zum Theil aber auch irrig ist. Verwunderlich ist es, dals er zu-
weilen Abschnitte der Steiner’schen Schriften, welche schon von
anderen Geometern erledigt worden sind, derselben ungenügenden
Behandlung unterwirft. Es muls zwar anerkannt werden, dals in
einzelnen Theilen der Arbeit die Methode nicht ganz so schwer-
wiegenden Bedenken unterliegt, und dals es dem Verfasser an einer
Stelle auch gelungen ist, eine von Steiner ausgesprochene Ver-
muthung auf eine einfache Weise zu bestätigen. Aber dieses ge-
nügt nicht, um die Arbeit als eine den Bestand der auf die allge-
meine Theorie der algebraischen Curven und Flächen sich bezie-
henden Steiner’schen Schriften gründlich sichtende, beziehungs-
weise begründende Leistung zu bezeichnen. Es konnte daher der-
selben der Preis nicht ertheilt werden. —
Die Akademie hält dafür, dafs es jetzt an der Zeit ist, auf
eine schon in früheren Jahren gestellte, bisher unerledigt geblie-
bene geometrische Frage zurückzukommen. Sie verlangt die Lö-
sung eines bedeutenden Problems aus der Theorie der Krümmungs-
linien der Flächen, und hebt als ein solches namentlich die Er-
mittelung der Bedingungen hervor, unter welchen die Krümmungs-
linien algebraischer Flächen algebraische Curven sind.
Der hierfür ausgesetzte Preis beträgt Dreitausend Mark.
Vu
Bewerbungsschriften, welche in deutscher, lateinischer, fran-
zösischer, englischer oder italiänischer Sprache verfalst sein kön-
nen, sind bis zum 31. December 1894 bei der Akademie einzu-
liefern. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu be-
zeichnen, welches auf einem beigefügten versiegelten innerlich den
Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufser-
lich wiederholt ist. Schriften, welche den Namen des Verfassers
nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausge-
schlossen.
Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz-
Sitzung des Jahres 189.
Preisertheilung aus dem von Miloszewski’schen Legat.
Der Miloszewski’sche Preis ist an die Lösung folgender
Aufgabe geknüpft worden:
„Die Entwickelung der deutschen Psychologie in der Pe-
riode, welche annähernd durch den Tod von Christian
Wolff und das Erschemen der Vernunftskritik von Kant
begrenzt wird, soll dargelegt werden und es soll beson-
ders der Einfluls dieser psychologischen Arbeiten auf die
Ausbildung der Aesthetik unserer classischen Litteratur-
epoche dargestellt werden.“
Von den beiden eingelieferten Arbeiten trägt die eine das
Goethe’sche Motto: „das Besondere unterliegt ewig dem Allge-
meinen, das Allgemeine hat ewig dem Besondern sich zu fügen“.
Dieselbe zeichnet sich durch umfassende Kenntnils der deutschen
Psychologie und schönen Litteratur im 18. Jahrhundert aus. Auch
c
XVIN
besitzt der Autor die für die Lösung der Aufgabe unentbehrliche
Kenntnils der heutigen Psychologie in ausreichendem Grade. Die
von ihm gewählte dogmatische Anordnung des Stoffs ist zweck-
mälsig. Doch leidet die Übersichtlichkeit durch zu grolse Specia-
lisirung dieser Sacheintheilung. Der Verfasser erläutert durch ein
breites, vielfach schätzenswerthes Material die Denk- und Arbeits-
richtungen der Epoche, aber die einzelnen wirklichen Fortschritte
hätten auf dieser Grundlage mit festerer Hand registrirt und an
diesen entscheidenden Punkten hätte das belegende Material ge-
sammelt werden müssen. Die Darstellung ist zwar lebendig, doch
nicht überall bestimmt, klar und knapp genug. So ist dem Ver-
fasser vor dem Druck der Arbeit eine Umarbeitung und Zusam-
menziehung derselben dringend anzurathen.
Die andere Abhandlung trägt das Motto aus dem Aestheti-
ker Meier: „die künstliche Aesthetik ist ein philosophischer Com-
mentarius zur natürlichen“. Sie gliedert den Stoff nach Personen.
In einzelnen historischen Blicken, ja in dem intimen geschichtli-
chen Verständnils überhaupt, ist sie der ersten entschieden über-
legen, doch steht sie in der Kenntnils des litterarischen Materials
hinter derselben zurück. Werden die schönen geschichtlichen Be-
obachtungen in ihr, die jetzt unfertig und vielfach unbestimmt da-
stehen, zu Reife und Klarheit durchgebildet, so wird dieselbe ein
sehr nützlicher Beitrag zur Kenntnils der Epoche sein.
Hiernach erscheinen beide Abhandlungen, obwohl sie die
Aufgabe nicht voll und ganz lösen, doch als noch preisfähig. Den
Vorzug verdient die erst charakterisirte mit dem Goethe’schen
Motto und ihr wird der Preis zuerkannt. Da aber die andere Ab-
handlung, mit dem Meier’schen Motto, ihr ganz nahe kommt und
die Vollendung derselben im Sinne eines später eingelieferten Nach-
trages schöne Resultate verspricht, so hat auf Antrag der Akade-
XIX
mie das vorgesetzte Ministerium in dankenswerthester Weise die
Ertheilung eines zweiten Preises an diese Abhandlung ermöglicht.
Als Verfasser der ersten Abhandlung nennt sich Dr. phil.
Max Dessoir in Berlin, als Verfasser der zweiten Dr. Robert
Sommer, Assistenzarzt an der Provinzial-Irrenanstalt zu Rybnik in
Oberschlesien.
Ill.
Verzeichnifs der im Jahre 1590 erfolgten besonderen Geld-
bewilligungen aus akademischen Mitteln zur Ausführung
oder Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen.
Es wurden im Laufe des Jahres 1890 bewilligt:
3000 Mark dem Mitgliede der Akademie Hrn. Kirchhoff zur Fort-
setzung des Corpus Inscriptionum Graecarum.
3000 „ dem Mitgliede der Akademie Hrn. Mommsen zur fer-
neren Herstellung von Supplementen zum Corpus In-
scriptionum Latinarum.
1000 „ demselben zur Fortführung der Prosopographie der rö-
mischen Kaiserzeit.
5000 ,„ den Mitgliedern der Akademie HH. Zeller und Diels
zur Fortsetzung der Arbeiten für eine kritische Ausgabe
der griechischen Commentatoren des Aristoteles.
6000 „ den Mitgliedern der Akademie HH. von Sybel und
Schmoller zur Fortsetzung der Herausgabe der politi-
schen Correspondenz und der Staatsschriften König
Friedrich’s I.
XxX
3000 Mark zu ferneren Vorarbeiten zur Herausgabe einer Publica-
2000
2000
3600
1500
”
”
B2]
n
n
tion der antiken Münzen Moesiens und Thrakiens.
dem Privatdocenten Hrn. Dr. Will in Rostock zu einer
Reise nach den Balearen und nach Algier, um die
Entwickelung der Geckonen und verwandten Formen zu
verfolgen.
dem Director Hrn. Prof. Dr. Harzer in Gotha zur Be-
arbeitung einer von Prof. E. Becker auf der Herzog-
lichen Sternwarte angestellten Beobachtungsreihe.
Hrn. Dr. von Rebeur-Paschwitz, z. Z. auf Teneriffa,
zur Fortsetzung seiner Versuche über Schwankungen
der Lothlinie in Wilhelmshaven und auf Teneriffa.
Hrn. Dr. O. Jesse in Steglitz bei Berlin zur fortgesetz-
ten Beobachtung und zum Photographiren der leuch-
tenden Nachtwolken von verschiedenen Standörtern aus.
der Deutschen anatomischen Gesellschaft als Bei-
hülfe zur Herausgabe einer einheitlichen anatomischen
Terminologie.
Hrn. Prof. Dames hierselbst zu einer geologischen Un-
tersuchung der Insel Gotland und Dalekarliens.
Hrn. Prof. Urban hierselbst zu einer Reise nach Paris
zum Zweck des Studiums der dort befindlichen Exem-
plare der westindischen Flora.
Hrn. Dr. Rinne hierselbst zur Untersuchung der mit-
teldeutschen Basalte.
an die Verlagsbuchhandlung von Max Cohen u. Sohn
in Bonn als Zuschuls zur Herausgabe der von Hm.
Prof. Nulsbaum mit Unterstützung der Akademie aus-
geführten Untersuchungen über die californischen Cir-
rhipedien.
XXI
450 Mark an die Verlagsbuchhandlung Wilhelm Engelmann in
3000
500
1000
2000
6500
750
900
180
»
Leipzig als Beihülfe zur Herausgabe eines Werks von
Hrn. Dr. K. Schumann hierselbst über den Blüthen-
anschluls.
dem Königl. Forstassessor Hrn. Dr. A. Möller in Ebers-
walde zu einer Reise nach Süd-Brasilien behufs Aus-
führung mykologischer Studien.
dem Privatdocenten Hm. Dr. J. Linck in Stralsburg
1. E. zur petrogenetischen Untersuchung einer Gesteins-
insel des obern Veltlins.
dem Privatdocenten Hrn. Dr. OÖ. Hamann zu Göttingen
zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über Echino-
rhynchen.
der Physikalischen Gesellschaft hierselbst für die
Fortführung der „Fortschritte der Physik“.
für die Herausgabe der im Auftrage der Akademie von
Prof. Dr. R. Lepsius in Darmstadt bearbeiteten geolo-
gischen Karte von Attika.
der G. Reimer’schen Verlagsbuchhandlung hierselbst
als Beihülfe zur Herausgabe einer Sammlung geistlicher
Schauspiele des 14. bis 16. Jahrhunderts von Hrn. Dr.
Bolte hierselbst.
Hrn. Prof. Dr. Gerhardt in Eisleben zur Herausgabe
des 7. Bandes von Leibniz’ philosophischen Schriften.
der Verlagsbuchhandlung G. Reimer hierselbst zur Her-
ausgabe des 10. Heftes des 5. Bandes der „etruskischen
Spiegel“.
XXIU
IV.
Verzeichnifs der im Jahre 1590 erschienenen im Auftrage
oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder
herausgegebenen Werke.
Corpus Inseriptionum Graecarum. — Inscriptiones graecae Siciliae
et Italiae.e Ed. G. Kaibel.
Politische Correspondenz König Friedrich’s II. Bd. 18.
Jacobi, Gesammelte Werke. Bd. 5.
Kiepert, Specialkarte vom westlichen Kleinasien. Lief. II. 10 Blätter.
Taschenberg, ©., Bibliotheca zoologiea. I, 8.
Etruskische Spiegel. Bd. V, Heft 10.
Nussbaum, Untersuchungen über die californischen Cirrhipedien.
Leibniz’ philosophische Schriften. Herausgegeben von Gerhardt.
Bd. 7.
Schumann, Neue Untersuchungen über den Blüthenanschlufs.
V.
Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe
des Jahres 1890.
Gewählt wurden:
zum ordentlichen Mitgliede der philosophisch-historischen
Classe:
Hr. Adolf Harnack am 19. December 1889, bestätigt durch Kö-
nigliche Cabinetsordre vom 10. Februar 1890;
XXII
zum ordentlichen Mitgliede der physikalisch-mathemati-
schen Classe:
Hr. Adolf Engler am 19. December 1889, bestätigt durch König-
liche Cabinetsordre vom 29. Januar 1890;
zum correspondirenden Mitgliede der physikalisch - mathe-
matischen Classe:
Hr. David Gill am Cap der’ guten Hoffnung am 5. Juni 1890;
zum correspondirenden Mitgliede der philosophisch - histo-
rischen Classe:
Hr. Heinrich Denifle in Rom am 18. December 1890.
Gestorben sind:
das Ehrenmitglied:
Hr. Peter von Tschihatchef in Florenz am 13. October 1890.
die correspondirenden Mitglieder der physikalisch - mathe-
matischen Classe:
Hr. Ch. Henr. Dietr. Buys-Ballot in Utrecht am 3. Februar 1890,
„ Felice Casorati in Pavia am 11. September 1890.
Verzeichnifs
der
Mitglieder der Akademie der Wissenschaften
am Schlusse des Jahres 1890.
I. Beständige Secretare.
Hr. du Bois- Reymond, Secr. der phys.-math. Classe.
- Curtius, Secr. der phil.-hist. Olasse.
- Mommsen, Secr. der phil.-hist. Classe.
- Auwers, Secr. der phys.-math. Classe.
II. Ordentliche Mitglieder
der physikalisch -mathematischen der philosophisch - historischen Datum der Königlichen
Classe. Classe. Bestätigung.
ee >
—
1851 März 5.
Hr. Emil du Bois-Reymond. . EIERN Bi:
Hr. Heinrich Kiepert . . . . 1853 Juli 25.
= Heinn: "Ernst Beynich 2 nr EelSbameAne ld!
= el. Walk. Enpalanı Er er Boa Eee:
= Karl Rmedn Kammelsberg nn ErErlS55reAugzeln:
- Ernst Eduard Kummer . 1855 Dec. 10
- Karl Weierstra/s ee. ee 656 INOyzld:
- Albrecht Weber . . . . 1857 Aug. 24.
- Theodor Mommsen . . . 1858 April 27.
- Adolf Kirchhof . . . . 1860 März 7
2 Je ren SH: an.
- Ernst Curtius . - » . . 1862 März 3.
- Aug. Walh. von Hofmann .. .. » Samen 5.1869. M 2
= AntAmnbers Yo. UN 5 rer eure 666 Aug. Als:
- Leopold Kronecker .
der physikalisch-mathematischen
Classe.
en
0 Justus Roth .
Nathanael Pringsheim .
Hermann von Helmholtz
Werner von Siemens .
Rudolph Virchow .
Simon Schwendener .
Hermann Munk
Hans Landolt .
Wilhelm Waldeyer
Lazarus Fuchs .
Franz Eilhard Schulze.
Wilhelm von Bezold .
Karl Klein R
Karl August Möbius .
August Kundt
Adolf Engler
der philosophisch-historischen
am. U
Classe.
Hr. Eduard Zeller .
Johannes Vahlen .
Eberhard Schrader .
Heinrich von Sybel
August Dillmann .
Alexander Conze .
Adolf Tobler
Wilhelm Wattenbach
Hermann Diels
Alfred Pernice
Heinrich Brunner .
Johannes Schmidt.
Otto Hirschjeld
Eduard Sachau
Gustav Schmoller .
Wilhelm Dilthey .
Ernst Dümmler
Ulrich Koehler
Karl Weinhold
Georg v. d. Gabelentz
Adolf Harnack
XXV
Datum der Königlichen
Bestätigung.
1867 April 22.
1868 Aug. 17.
1570 Juni 1.
1872, Dee. 9:
1873 Dee. 22.
1873 Dec. 22.
1874 Dee. 16.
1875 Juni 14.
18757 Dee...20.
1877 März 28.
1877 April 23.
itace), All 1lEE
1850 März 10.
1881 Aug. 15.
1881 Aug. 15.
1881 Aug. 15.
1881 Aug. 15.
1884 Febr. 18.
1884 April 9.
1884 April 9.
1884 April 9.
1854 April 9.
1884 Juni 21.
1885 März 9.
1886 April 5.
1887 Jan. 24.
1887 Jan. 24.
1887 Jan. 24.
1887 April 6.
1888 April 30.
1888 Mai 29.
1888 Dec. 19.
1888 Dec. 19.
1889 Juli 25.
1889 Aug. 16.
1890 Jan. 29.
1890 Febr. 10.
XxVl
III. Auswärtige Mitglieder
Datum der Königl.
der physikalisch-mathematischen Classe. der philosophisch-historischen Classe.
Bestätigung.
nn nn nn
Sir Henry Rawlinson in
London . . . . . 1850 Mai 18.
Hr. Franz Neumann in Königs-
Ders? MWShLıe 1 4. ERDM
Robert Wilhelm Bunsen ın
Heidelberg
1858 Aug. 18.
KERNE ON NIE. 9. cc cr 1862, DMärzes:
Hr. Franz Ritter v. Miklosich
inWienr. 2 2 718620 IMärzu2Ar
-HWAlhelm Weber in Göttingen 2 rer 8a.
- Hermann Kopp in Heidel-
berg ER RRERN rec 1814 Marie:
- Giovanni Battista de Rossi
Ina Rome around:
Sır Richard, Owen in Bondon 2 nr SrTsmmD een 2:
- George Biddell Airy in
Greenwich“ „+. 1... Kan Pape et le a. 1879, MBebrres:
Er Ohanles Hoenmitenin Rare er 8eean2:
- August Kekule in Bonn . 3 ea ee OLBEearz2:
- Otto von Boehtlingk in
Veipziee
Rudolf von Roth in Tü-
bingenn. 2 2.051889: Mask:
1885 Nov. 30.
IV. Ehren-Mitglieder.
Hr. Graf Helmuth v. Moltke ın Berlin
Don Baldassare Boncompagni in Rom
Hr. Georg Hanssen in Göttingen ;
S. M. Dom Pedro, Kaiser von een ;
Earl of Crawford and Balcarres in Dunecht, Aberdeen
Hr. Max Lehmann in Marburg .
Don Carlos Ibanez, Marquez de Mulbaeeikn in "Madrid
Hr. Ludwig Boltzmann in München . : -
XXVU
Datum der Königlichen
Bestätigung.
1860
1862
1869
1882
1883
1887
1887
1888
Juni 2.
Juli 21.
März 3.
Oct. 18.
Juli 30.
Jan. 24.
April 1.
Juni 29.
d*
XXVII
V, Correspondirende Mitglieder.
Physikalisch-mathematische Classe.
Datum der Wahl.
Hr. Adolf von Baeyer in München . . . . ..... 1884 Jan. 17.
- Friedrich Beilstein in Petersburg . . . . . . 1888 Dee. 6.
- "Eugen, Belramı m Payia. . 2 2 nn nr sslelanı 6:
- Eduard van Beneden in Lüttich . . . . . . 1887 Nov. 3.
SP Je van Beneden nano wwene res ulı726:
= Enrico) Bettinın Bisarı ee eelerlan.26:
- Francesco Brioschh n Mailand . . . .... 1881 Jan. 6.
- Ernst von Brücke m Wien... ... ..... 1854 April 27.
- Hermann Burmeister in Buenos Aires . . . . 1874 April 16.
Auguste OGahouns In Barıs De ls Ten Eee:
- Alphonse de Candolle in Genf ... ... . . 1874 April 16.
- Siamislao Cannizzaro n Rom. . . . ... . 1883 Dee. 6.
- Arthur Cayley in Cambridge. . . . . .... 1866 Juli 26.
- Elvin Bruno Christofel in Stralsburg . . . . 1868 April 2.
= "Herdinand Cohn in Breslau .-. 2... 2... 22318897-Dee.zi9:
lang, Oremona inaRom es oelelloe
- James Dana in New Haven, Connecticut. . . 1855 Juli 26.
- Richard Dedekind in Braunschweig . . . . . 1880 März 11.
- Louis-Hippolyte Fizeau nm Paris. . . . . . . 1863 Aug. 6.
- Edward Frankland in London . . . . .. .. 1856 Nov. 8.
- Remigius Fresenius in Wiesbaden . . . . . . 1888 Dee. 6.
- Carl Gegenbaur in Heidelberg . . . . . . . 1884 Jan. 17.
- Archibald Geikie in London . . . .». . 2... 1889 Febr. 21.
. Woleott Gibbs in Cambridge, Massachusetts . .
David Gill, Kön. Sternwarte am Cap der Guten Hoffnung .
Benjamin Apthorp Gould in Cambridge, Massachusetts .
Julius Hann in Wien .
Franz von Hauer in Wien .
Rudolf Heidenhain ın Breslau.
Heinrich Hertz ın Bonn . i
Johann Friedrich Hittorf ın Münster 3
Joseph Dalton Hooker in Kew
. Thomas Huxley in London
Joseph Hyrtl in Wien e
Albert von Kölliker in Würzburg
Friedrich Kohlrausch in Stralsburg
Nicolai von Kokscharow in St. Petersburg .
Adalbert Krueger in Kiel
Rudolph Leuckart in Leipzig .
Franz von Leydig in Würzburg .
Rudolph Lipschitz in Bonn . i
Sven Ludvig Loven in Stockholm .
Karl Ludwig in Leipzig
Charles Marignac in Genf .
Lothar Meyer in Tübingen .
Karl von Nägeli in München.
Simon Newcomb in Washington .
Wilhelm Pfefer in Leipzig .
Eduard Pjlüger in Bonn
Georg Quincke in Heidelberg
Friedrich von Recklinghausen in Stesfaburgs
Ferdinand von Richthofen in Berlin
Ferdinand Römer ın Breslau . 2
Heinrich Rosenbusch in Heidelberg .
George Salmon in Dublin
Arcangelo Scacchi in Neapel . le
Ernst Christian Julius Schering in Göttingen
Giovanni Virginio Schiaparelli in Mailand
Ludwig Schläjli in Bern . ee
Eduard Schönfeld ın Bonn .
Heinrich Schröter mn Breslau . e
Philipp Ludwig von Seidel in München,
XXIX
Datum der Wahl.
1885
1890
1883
1889
1881
1884
1889
1884
1854
1865
1857
1873
1884
1887
1887
1887
1887
1872
1875
1864
1865
1888
1874
1883
1889
1875
1879
1885
1881
1869
1887
1873
1872
1875
1879
1873
1887
1881
1863
Jan. 29.
Juni 5.
Juni 7.
Febr. 21.
März 3.
Jan. 17.
März 7.
Juli 31.
Juni 1.
Aus. 3.
Jan. 15.
April 3.
Juli 31.
Oct. 20.
Febr. 10.
Jan. 20.
Jan. 20.
April 18.
Juli 8.
(Okei ZI
März 30.
Dee. 6.
April 16.
Juni 7.
Dee. 19.
April 2.
März 13.
Febr. 26
März 3.
Juni 3.
Oct. 20.
Juni 12.
April 18.
Juli 8
Och#323:
Juni 12.
Febr. 10.
Jan. 6.
Juli 16.
XXX
Datum der Wahl.
TG
Hr. Japetus Steenstrup in Kopenhagen. . . ». » .» .....1859 Juli 11.
Sir Gabriel Stokes in Cambridge . . » » 2.2.2... 2.0.1859 Apnil 7.
Hr. Eduard Strasburger in Bonn . . » » 2 ..2.2.2.2...1889 Dee. 19.
=!" Otto>von \Stmuve in Pulkowa ....,. 2 2... 20.0.9071868° Apnıln2:
- James Joseph Sylvester in London . . » -» . 2... 1866 Juli 26.
Sir: William Thomson in Glasgow . . . . Wr. 2.0.1871 Juli 13.
Hr.\ August Topler in Dresden » .ı =» u 00.2 kalk I 01879 MiMärzelS.
- Moritz Traube in Breslau . . . 00 Bo Je Anl DR
- Pafnutij Tschebyschew in St. Bee RR Al Juhrls:
- Gustav Tschermak in Wien - ...... „m. .00188L März. 3.
- "Gustav Wiedemann in Leipzig. . » » =... . «N. „0 18797 März 13.
- Heinrich Wild in St. Petersburg. . . 1881 Jan. 6.
- Alexander William Williamson in High Pitfold, MEngfiekrene 1875 Nov. 18.
- August Winnecke in Stralsburg - -. - -» » 2.2 2... 1879 Oct. 23.
= Adolys Wällner in Aachen un Ra 159 MMETLZET.
= Ferdinand‘ Zurkel in Leipzig - - » » -. e1.0. 0.011887 70c1120-
Philosophisch-historische Classe.
Hr. Wilhelm Christian Ahlwardt in Greifswald. . . . . . 1888 Febr. 2.
- Graziadio Isaia Ascoi in Mailand . -. . ....2....1887 März 10.
- Theodor Aufrecht in Heidelberg . . . -. . »...... 1864 Febr. 11.
- George Bancroft mn Washington -. . . . ......2.....1845 Febr. 27.
- Hewminch WBrugsch ın Berlin 7.7. Sr. a STaneRebr 413:
- Heinrich von Brunn in München . . . 2.2.2.2... 1866 Juli 26.
= Franz Bücheler in Bom. .. . . EEE IUHNN 5:
- Georg Bühler in Wien«., .. .. :- + 222... Bud RT Ayla 1.
u Ingnamı Bywater: ın london... 2.2.0 Mr TE TENOEElT.
= Gnuseppel Canole an Genua. Merz:
- Antonio Maria Ceriani in Maland . . . 2 .2..2....1869 Nov. 4.
- Alexander Cunningham mn London . . ...... 1875 Juni 17.
N! Deomola Dehslerin Paris... a ar ler Aprilia
- ‚Heimrich Denifle. in Rom... ....: ... 00.0 ., „MAnENL. 2 201890. 5:Dechl 8:
- Wrulhelm Dittenberger m Halle “u... 2 N 02.001882 Juni 15.
. Giuseppe Fiorelli in Rom
Kuno Fischer in Heidelberg
Paul Foucart in Athen .
Karl Immanuel Gerhardt ın Beet
Konrad Gislason in Kopenhagen
Graf Giambattista Carlo Giuliari in Verona.
Aureliano Fernandez Guerra y Orbe in Madrid .
Friedrich Wilh. Karl Hegel in Erlangen
Hermann von Holst in Freiburg i. B.
Theophile Homolle in Paris .
Paul Hunfalvy in Pesth .
Friedrich Imhoof- Blumer ın oa
Vatroslav Jagie in Wien .
Rudolf von Jhering in Göttingen .
Panagiotis Kabbadias in Athen
Heinrich Keil in Halle
Franz Kielhorn in Göttingen .
Sigismund Wilhelm Koelle in London .
Stephanos Kumanudes in Athen .
Konrad Leemans in Leiden
Giacomo Lumbroso in Rom
Konrad Maurer in München
Adolf Michaelis in Stralsburg .
Giulio Minervini in Neapel
Ludvig Müller in Kopenhagen
Max Müller in Oxford
August Nauck in St. Petersburg
Charles Newton in London .
Theodor Nöldeke in Stralsburg
Julius Oppert in Paris
Gaston Paris in Paris.
Georges Perrot in Paris .
Wilhelm Pertsch in Gotha .
Rizo Rangabe in Athen
Felix Ravaisson ın Paris
Ernest Renan ın Paris
Georg Rosen in Detmold. .
Eugene de Roziere in Paris.
Hermann Sauppe in Göttingen
XXXI
Datum der Wahl.
[|
1865
Jan. 12.
1885 Jan. 29.
1884 Juli 24.
1861 Jan. 31.
1854 März 2.
1867 April 11.
1861 Mai 30.
1876 April 6.
1889 Juli 25.
1887 Nov. 17.
1873 Rebr. la:
1879 Juni 19.
1880 Dee. 16.
1889 Juli 25.
1887 Nov. 17.
1882 Juni 15.
1880 Dec. 16.
1855 Mai 10.
1870 Nov. 3.
1844 Mai 9.
1874 Nov. 3.
1889 Juli 25.
1888 Juni 21.
1859. June
1866 Juli 26.
1865 Jan. 12
1861 Mai 30.
1861 Jan. 3l.
1878 Febr. 14.
1862 März 13.
1882 April 20.
1884 Juli 24.
1888 Febr. 2.
1851 April 10.
1847 Juni 10.
1859 Juni 30.
1858 März 25.
1864 Febr. 11.
1861 Jan. 31.
XXXII
Hr.
Theodor von Sickel in Wien .
Christoph Sigwart ın Tübingen .
Friedrich Spiegel in Erlangen
Aloys Sprenger in Heidelberg
William Stubbs in Chester . :
Theodore Hersant de la Villemarque in pi
Lowis Vivien de Saint- Martin ın Paris
Matthias de Vries ın Leiden .
William Waddington in Paris
William Dwight Whitney in New Haren
Friedrich Wieseler in Göttingen .
Ferdinand Wüstenfeld in Göttingen 5
K. E. Zachariae von Lingenthal in Grofakmchlen
Karl Zangemeister in Heidelberg
Datum der Wahl.
1876
1885
1862
1858
1882
1851
1867
1861
1866
1875
1879
1879
1866
1887
April 6.
Jan. 29.
März 13.
März 25.
März 30.
April 10.
April 11.
Jan. ol.
Febr. 15.
Febr. 13.
Febr. 27.
Febr. 27
Juli 26.
Febr. 10
PHYSIKALISCHE
ABHANDLUNGEN
KÖNIGLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
AUS DEM JAHRE
1890.
BERLIN.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1891.
BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT).
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
KUREREI a aaa ARNO a Baaay
Br
atınar. Mar Au
‚sel
Yldanal Re
ANA AUF Ban aan ranln j
Dark Ta. MOTARTALKNN “A -
Inhalt.
RAMMELSBERG: Über die chemische Natur der Turmaline . . . Abh.1l. S.1-75.
Uber die chemische Natur der Turmaline.
Von
H'" RAMMELSBERG.
Phys. Abh. 1890. 1. 1
Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe am 12. Juni 1890
[Sitzungsberichte St. XXX. S. 627].
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 3. December 1890.
Einleitung.
I: der Sitzung vom 22. Juli 1850 legte Heinrich Rose der Aka-
demie eine Abhandlung von mir vor über die Zusammensetzung der
Turmaline!). Sie gab die Resultate einer mehrjährigen Arbeit, welche
sich auf 30 Abänderungen erstreckte und später ausführlicher veröffent-
licht wurde?), allein sie führte nicht zu einem gemeinsamen Ausdruck
für alle Glieder der Turmalingruppe.
Dies veranlafste mich, durch neue Versuche die älteren zu berich-
tigen, und es gelang, nachdem ich aufser dem schon früher gefundenen
Fluor, die Gegenwart von chemisch gebundenem Wasser in allen
Turmalinen erkannt hatte, das erstrebte Ziel 20 Jahre später zu erreichen
und für alle Turmaline die gleiche allgemeine Grundformel zu
ermitteln.
Diese Ergebnisse habe ich in der Sitzung vom 19. Juli 1869 der
Akademie vorgelegt?) und später ausführlich mitgetheilt®).
Das Resultat war:
Alle Turmaline sind Drittelsilicate, d. h. isomorphe Mi-
1) Monatsbericht 1350 S. 273.
2) Poggend. Ann. 80, 449 und 31,1.
3) Monatsber. 1869 S. 604.
1) Pogg. Ann. 139, 379 und 947.
4 RAMMELSBERE:
Es ward gewonnen einerseits durch die Einfügung des Wasserstoffs in die
Reihe der einwerthigen Alkalimetalle, und andererseits durch die Annahme,
dafs Aluminium und Bor ın den Turmalinen zusammengehören. Meine
Versuche sind an 32 T. angestellt.
Seitdem sind wieder 20 Jahre verflossen, in welchen die Methoden
der Mineralanalyse mehrfache Verbesserungen erfahren haben. Es konnte
nicht fehlen, dafs auch Andere sich mit der Untersuchung von Turmalı-
nen beschäftigten, und dies ist in grölserem Umfange in der neuesten
Zeit geschehen. Im J. 1888 erschien eine Abhandlung von Riggs!), in
welcher die Analysen einer gröfseren Zahl (20) amerikanischer Tur-
maline mitgetheilt sind, und ım Anfang 1889 eine solche von Jannasch
und Calb?), welche sich auf neun Turmaline erstreckt. In diesen Ar-
beiten sind gröfstentheils solche Turmaline behandelt, welche ich nicht
untersucht habe.
Riggs behauptet, meine Angaben seien in wesentlichen Punkten
unrichtig, namentlich in Betreff des Wassers und der Borsäure. Ich habe
im Gegentheil, wie sich aus der Discussion ergeben wird, den Eindruck
erhalten, dafs die Analysen von Riggs nicht die Hand eines geübten
Mineralchemikers erkennen lassen, welcher die Schwierigkeiten der Auf-
gabe zu bewältigen vermag.
Jannasch, welcher irriger Weise behauptet, die Borsäure im T.
sei bislang nicht direet bestimmt worden, während er wissen mufste, dafs
eine solche Bestimmung von mir in 7 Fällen vorliest?), hat offenbar sorg-
fältig gearbeitet. Die Werthe von R in der Proportion R:Si liegen nur
zwischen 5,9 und 6,4. So genau aber auch jede einzelne Analyse sein
mag, so liest schon in der Beschaffenheit des Materials die Quelle von
Differenzen, welche erst übersehen und ausgeglichen werden können, wenn
man, wie ich gethan, eine grofse Zahl der verschiedensten Abänderungen
untersucht hat.
Wer auf die Richtigkeit und Schärfe der durch die besten Metho-
den erhaltenen relativen Werthe der einzelnen Bestandtheile eines Minerals
1) Am. J. of Sc. XXXV. 35.
2) Ber. d. D. Chem. Ges. 22, 216 (1889).
>) S. weiterhin das Bor der Turmaline.
Über die chemische Natur der Turmalıne. 5
so grofses Gewicht legt, dafs er meint, frühere Analysen als unvollkom-
men bezeichnen zu dürfen, darf auch nicht solehe Überschüsse in der
Gesammtmenge haben, wie sie bei Jannasch vorkommen und sich bei
Aluorfreien Turmalinen auf 1,32 und 1,95 p. C. belaufen. (Vgl. weiterhin
die Kritik der Analysen der T. von Ohlapian und Brasilien.) Kommen
solche Überschüsse auf Rechnung eines Bestandtheils oder aller? Und
wie vertheilen sie sich in diesem Fall?
Auf eigene Erfahrung gestützt, halte ich die erste Alternative für
wahrscheinlicher.
Nimmt man z. B. den Überschufs bei dem Turmalin von Ohlapian
= 41495 "pıNG Hals
Sı0? so wird R:Sı = 1:1,87 statt 1,93
10: nr. Dre Nr
Ms0 5: BeBe 11,8 nal
NEO Nee A 124
Dies ändert allerdings an dem gefundenen Verhältnifs der R nicht viel.
Aber es erzeugt eine Unsicherheit in dem anzunehmenden Molecular-Ver-
hältnils der drei Silicate, wie wir bei dem betreffenden Turmalin sehen
werden.
Wir müssen hier noch der Untersuchung von drei Turmalinen von
Schüttenhofen durch Scharitzer gedenken!), welcher das Vorkommen
derselben und ihre morphologischen Eigenschaften ausführlich schildert.
Sie zeichnen sich durch hohen Wassergehalt (4—4,6 p.C.) und durch
ungewöhnliche Mengen von Kalı aus. Die Borsäure wurde nicht direct
bestimmt, und die aus der Differenz berechneten 7—8p.C. sind offen-
bar zu niedrig.
Das Wasser der Turmaline.
Wie ich gezeigt habe, geben die Turmaline in der Glühhitze eine
gewisse Menge Wasser, welches chemisch gebunden ist, d. h. dessen
Wasserstoff sammt den Alkalimetallen die einwerthisen Elemente der T.
1) Groth, Zeitschrift 15, 337 (1889).
6 RAMMELSBERG:
darstellt, gleichwie solches in den Glimmern und anderen Silicaten der
Fall ist.!)
Indessen treten beim Glühen gleichzeitig Fluorverbindungen aus,
namentlich Fluorsilieium, welches sich mit einem Theil des Wassers um-
setzt. Der wahre Wassergehalt ist mithin kleiner, als der Glüh-
verlust.
Es standen mir bei meinen Versuchen keine Mittel zu Gebote, um
die Verflüchtigung der Fluorverbindungen zu verhindern. Später hat man
versucht, das Wasser direct zu bestimmen, und zwar entweder durch Glü-
hen des Turmalins mit wasserfreiem Alkalicarbonat, oder mit Bleichromat.
Der ersten Methode haben sich Riggs und Scharitzer bedient.
Hierbei möchte es schwer sein, die Anziehung von Wasser aus der Luft
seitens des geglühten Alkalicarbonats zu verhindern, und es muls voraus-
gesetzt werden, dafs das vorgelegte Chlorcaleium durch Erhitzen nicht
basisch geworden sei, weil es sonst Kohlensäure absorbirt. Ebenso ist
angenommen, dafs das Mineralpulver zuvor bei 2— 300° getrocknet sei.
Es kann mithin bei Anwendung dieser Methode der Wassergehalt leicht
zu hoch ausfallen.
Jannasch?), welchen dies Verfahren wenig befriedigte, hat chrom-
saures Blei angewandt. Um richtige Resultate zu erhalten, muls das Mi-
neralpulver sehr fein, die Menge des Bleisalzes ziemlich grofßs und die
Glühhitze stark und andauernd sein.
Ich habe die aus dem Fluorgehalt berechnete Menge SiFl* vom
Glühverlust abgezogen, und den Rest als Wasser betrachtet. Nach eige-
ner Erfahrung am Glimmer wird freilich durch Glühen nur ein Theil des
Fluors ausgetrieben, und darum ist der so berechnete Gehalt an Wasser
etwas zu niedrig, was sich auch dadurch erkennen lälst, dafs nicht sel-
ten in der Proportion R:Si= 6:1 die für R gefundene Zahl etwas klei-
ner ist.
Der wahre Wassergehalt liegt zwischen dem von mir be-
rechneten und dem vollen Glühverlust.
!) Auch bei den Kaliglimmern wurde es mir erst durch diese Annahme möglich,
sie sämmtlich auf eine einfache Formel zu beziehen.
2) Ber. d. chem. Ges. 22, 221 (1889).
Über die chemische Natur der Turmaline. 7
Aber auch wenn man diesen selbst als Wasser in Rechnung setzt,
[i
ändert sich in meinen Analysen das Verhältnifs R:Si so wenig, dafs es
noch immer deutlich als 6:1 zu erkennen ist.
Die gegen meine Wasserbestimmungen von Riggs erhobenen Ein-
würfe weise ich zurück, und behaupte im Gegentheil, dafs die seinigen
in Folge der von ihm benutzten Methode im Allgemeinen zu hoch sind.
Das Fluor der Turmaline.
Nachdem ich seine Gegenwart erkannt hatte, bestimmte ich seine
Menge in 19 Turmalinen, und fand sie sehr wechselnd, meist gering, von
0,15 p. C. an, selten auf 1 p. ©. steigend. Dasselbe Resultat (0,06 bis
1,15 p. ©.) ergeben die neueren Versuche. Grofsen Werth darf man übri-
gens auf die Zahlen nicht legen (der grüne T. aus Brasilien enthält z. B.
nach Riggs 0,14 und 0,32, nach Jannasch 0,98 und 1,15 p. C.).
Gemäls der Ansicht, welche ich über die Rolle des Fluors als Ver-
treters von Sauerstoff hier und in allen ähnlichen Fällen habe, kommt
es bei der Berechnung nicht in Anschlag.
Das Eisen der Turmaline.
A. Mitscherlich, welcher mehrere Turmaline durch Schwefel-
säure im verschlossenen Rohr zersetzte, fand in ıhnen kein Eisenoxyd.
Dasselbe Resultat erhielt ich durch Schmelzen mit Borax bei Luft-
ausschluls und Prüfung der Lösung des Glases in Chlorwasserstoff- oder
Schwefelsäure mit Permanganat.
Riggs will in einigen Turmalinen 0,31 — 1,13 p. ©. Eisenoxyd
gefunden haben.
Jannasch, welcher theils die Methode A. Mitscherlich’s, theils
die Zersetzung durch Schwefel- und Fluorwasserstoffsäure benutzte, fand
aber doch in einigen eisenreichen Turmalinen eine erhebliche Menge
Eisenoxyd.
Ohlapıan 3,65 p. C.
Snarum 2590023
Tamatawe 6,68 25
Piedra blanca 3,18 „
8 RAMMELSBERG:
Freilich darf nicht vergessen werden, dafs jene Methoden leicht zu Irr-
thümern veranlassen können, da bei Anwendung concentrirterer Schwefel-
säure ein Theil Eisenoxydul sich in Oxyd verwandelt. Aus diesem Grunde
und auf eigene Erfahrung gestützt, habe ich von jenen Methoden keinen
Gebrauch gemacht.
Das Bor der Turmaline.
Die Bestimmung dieses charakteristischen Elements der Turmaline
ist in keinem Fall leicht.
Ich habe sie an 7 T. nach der an Borax und Datolith geprüften
Methode von A. Stromeyer und H. Rose durchgeführt.
Aus den Abhandlungen von Riggs und von Jannasch erhält aber
der Leser den Eindruck, als seien diese meine Versuche gar nicht vor-
handen, während dieselben doch Beiden bekannt sein mulsten. Gegen
eine derartige wahrheitswidrige Darstellung nehme ich mein Recht in
Anspruch.
Jannasch wandte Bodewig-Marignac’s Verfahren, Riggs eine von
Gooch empfohlene Methode an.
Sehen wir nun, welche Ergebnisse die directe Bestimmung der
Borsäure geliefert hat.
Rammelsberg (7 T.) 9,52 — 11,64 p.C.
Jannasch (9 T.) 9,09— 10,74 „
Riggs (20 T.) 8,92— 10,70 „
Andere (4 T.) 9,40 — 10,87
Meine Angaben werden also durch alle neueren Versuche bestätigt, und
n
die Behauptung, sie seien mangelhaft, ist vollkommen grundlos.
Nun habe ich in 25 T. die Borsäure aus dem Verlust berechnet,
allein auch die so bestimmten Werthe, im Mittel = 9,55 p. ©., kommen
den direct bestimmten so nahe, dals auch die indirecte Bestimmung
durchaus nicht zu verwerfen ist.
Welche Rolle spielt die Borsäure in dem Turmalın?
Ich habe in meiner Arbeit angenommen, Thonerde und Bor-
säure vertreten sich als isomorphe Körper.
Dies war vor 20 Jahren eine Behauptung, ist jetzt aber eine That-
Über die chemische Natur der Turmalıne. 9
sache. Der Jeremejeit, nach Damour eine Verbindung Al?O°—+ B’O°,
von Websky krystallographisch untersucht, hat die Form des Korunds,
ihre Hauptaxen sind = 1:2.
Borate und Aluminate zeigen mannichfache Analogien, Bor und
Aluminium selbst stehen ım System neben einander; das krystallisirte Bor,
welches bis 13 p. ©. Aluminium enthält, und das graphitartige sind iso-
morphe Mischungen Al"B*.
Ein krystallographischer Zusammenhang der Formen von
Datolith HCaBSıO°
und Euklas HBeAlSıO’
ist unverkennbar.
Das Atomverhältnifs B: Al in den T. ist stets ein bestimmtes
und einfaches: 1:2 —1:2,5 und 1:3.
Die Frage nach der constanten Zusammensetzung der
einzelnen Turmaline.
Unter der Voraussetzung, dals das untersuchte Material frei von
fremden Körpern sei, ergiebt die Analyse die Zusammensetzung der ana-
Iysirten Probe; wir übertragen dieselbe auf die Fundstelle des Minerals,
ohne zu wissen, ob alle Krystalle von diesem Fundort gleich zusammen-
gesetzt sind, ja ohne zu wissen, ob dies für jeden einzelnen Krystall gilt.
Vergleicht man die zahlreichen Analysen der Turmaline, so findet
man, dals eine gröfsere Anzahl von zum Theil weit entlegenen Fundstät-
ten gleich zusammengesetzt ist, höchstens mit wechselnden relativen Men-
sen gewisser gleichwerthiger Elemente.
So ist in 23 T. das Atomverhältnis R:R:R —= 1:1: 1455580
dafs die constituirenden Mol. R®SiO> s R’SiOS und RSiO® im Verhält-
nils 1:2:9 stehen. Es sind dies ebensowohl braune magnesiareiche T.
(Windischkappel), wie die schwarzen eisenreichsten (z. B. Andreasbers).
Man darf also schliefsen, dafs jenes Molecular-Verhältnifs ein selb-
ständiges sei.
Ebenso entsprechen die grünen T. (Brasilien, Rumford, Auburn,
Schüttenhofen) mit dem Atomverhältnifs 6:1:6 dem Meleeular-Verhält-
nils.3:11:418:
Phys. Abh. 1890. T.
[S>)
10 RAMMELSBERG:
Dies beweist, dafs Turmaline, selbst von entlegenen Fundstellen,
gleiche Zusammensetzung haben.
Indessen finden sich auch an ein und demselben Ort, in demsel-
ben Gestein, Turmaline von verschiedener Zusammensetzung, gleichwie
dies beim Glimmer vorkommt. Diese Verschiedenheit spricht sich schon
in ihrer Färbung aus. Im Granit von Elba finden sich dunkle (scheinbar
schwarze), bräunlichgrüne, hellgrüne und röthliche bis farblose Krystalle,
Ihre Differenz ergiebt sich aber am deutlichsten aus der Analyse, denn
es ist:
1:1,5 in dem schwarzen Turmalin
1.2 ,„..,,” erünlichbraunen
1:6. . 5... hellerünenzr.
1:30... 155. zöthlichen Ir
Scharitzer hat das geologische Verhalten dreier Turmaline aus
dem Granit von Schüttenhofen beschrieben, deren entsprechende Atom-
verhältnisse sind:
1:2 ım blauschwarzen T.
1:6 im grünen T.
1:18 im rothen T.
Paris, Auburn, Chesterfield liefern grüne und rothe T.
Von Dekalb untersuchte Riggs einen braunen Magnesia-Turma-
lin, und ich einen schwarzen, in welchem Fe: Mg — 2:1 ist.
Von grolsem Interesse ist das Auftreten zweier verschiedener Tur-
maline an einem und demselben Krystall. Manche helle Elbaer T. zei-
gen eine dunkelgefärbte Endigung. Die Krystalle von Paris und Chester-
field besitzen emen rothen Kern in einer grünen Hülle und umgekehrt.
Ähnliches sieht man an den Kıystallen von Schüttenhofen. Diese und
andere analoge Erscheinungen (Vanadinit und Pyromorphit von Beresow)
entsprechen den an Salzen leicht darstellbaren Überwachsungen von Kry-
stallen isomorpher Substanzen. Sie sind immer leicht kenntlich, wenn
die Farbe der einzelnen verschieden ist.
Wenn nun aber der gleiche Fall bei dunkelgefärbten undurchsich-
tigen Krystallen eintritt, so entscheidet die Beobachtung nicht. Wir ana-
lysiren einen anscheinend homogenen schwarzen Krystall, und erhalten ein
Über die chemische Natur der Turmaline. 11
Atom-Verhältnifs der verschiedenwerthigen Elemente, welches nicht so
einfach ist, wie es sein sollte. Wenn daher Analysen z. B. eines T.
von dem nämlichen Fundort von einander abweichen, so darf daraus nicht
nothwendig geschlossen werden, die eine oder andere sei nicht correct.
Beurtheilung der Analysen und ihre Berechnung.
Die Turmaline sind Silicate und folgen als solche den für die Salze
geltenden Gesetzen, d.h. R und Si stehen in einem einfachen Verhältnifs
zu einander. Da nun jeder T. aus isomorphen Mischungen der Silicate
von R, R und R besteht, welche auf gleicher Sättigungsstufe stehen und
als isomorphe Molecüle von analoger Zusammensetzung sich zu dem Ge-
sammt-Moleeül Turmalin zusammengelagert haben, so folgt die Sättigungs-
stufe, d.h. das Atom-Verhältnifs R: Si, aus der Verwandlung der mehr-
werthigen in ihre Äquivalente einwerthiger, und dem sich daraus erge-
benden Verhältnis R:Si. Dies ist für alle T. = 6: 1; sie sind daher
Drittelsilicate. In wie weit entsprechen nun die Analysen der Be-
hauptung: in allen T. herrsche die Proportion Rise
Es stehen uns hier 68 Analysen zur Verfügung von T. von 57
verschiedenen Fundorten. Das Verhältnifs R:Si ist in ihnen
ım Mittel
in 32 von Rammelsberg 6,0 :1
324 KRises Gral
9. 2rgdlannasch Ga
Kr a Anderen Gun
„ der Gesammtheit Gala
Die Extreme sınd
bei mir 5,5 und 6,3
„ Jannasch 5,8 „ 6,4
Don 7 2
D) Riggs |
s, Anderen 23,4, 270,93
Darf man die Proportionen 5,7:1 und 6,3:1 als zuläfsige äufserste Gren-
zen betrachten, so fallen meine 31 Analysen innerhalb derselben, 8 von
Jannasch gleichfalls, ebenso 7 von Anderen, jedoch von Riggs nur 11
h9
*
11% RAMMELSBERG:
Analysen, sodals 55 Analysen unzweifelhaft für die Proportion 6:1 spre-
chen. Es sind also nur eine Analyse von Jannasch und 9 von Riggs,
welche darüber hinausgehen, nämlich
6,4 in 6 Anal., darunter 5 von Rigss,
6, are, won“ kucgs,
6,7 BD) i » » »
Ist es nun wohl im Geringsten wahrscheinlich, dafs diese 10 Turmaline
basischer seien als die 55 übrigen? Die Natur des Materials, die Ana-
Iysen selbst, insbesondere die sicherlich zu hohe Wasserbestimmung mö-
gen hier mitgewirkt haben.
Das von mir vor 20 Jahren ausgesprochene Resultat der eigenen
Arbeiten ist mithin durch die neueren bestätigt.
Unstreitig gehört die Analyse der Turmaline zu den schwierigeren
Aufgaben, und sie ist kein Thema für Anfänger. Riggs versichert, seine
Methoden verbürgten eine gröfsere Genauigkeit als die früheren (d. h. die
meinigen), allein seine Resultate lassen den Unterschied zwischen Wissen
und Können deutlich wahrnehmen. Von seinen Analysen sind, dem oben
Angeführten zufolge, 9 oder mindestens 4 zu verwerfen, während nur
eine einzige Analyse Jannasch’s in diese Kategorie gehören würde.
Recht deutlich tritt bei den grünen brasilianischen Turmalinen der
die meisten Riggs’schen Analysen kennzeichnende Überschufs der R her-
vor, denn 3 Analysen von mir und von Jannasch ergeben Bas 6,0:1
und 6,1:1, während die von Riggs 6,3:1 liefern. Und während in je-
nen B: Al stets —= 1:3 ist, gleichwie in den rothen Turmalinen, bleibt
man bei Riggs unsicher, ob beide nicht — 1:2,5 seien, wofür die Ana-
lysen meist mehr sprechen.
Wenn man mit Riggs versichert, die besten Trennungsmethoden
benutzt zu haben, so ist dies für die Mehrzahl der Elemente ohne Be-
deutung, da die für Si, Al, Fe, Meg, Ca und die Alkalien in Anwendung
kommenden sich in neuerer Zeit nicht wesentlich geändert haben. Es
bleiben also nur die Bestimmung des Wassers und der Borsäure, wo-
Über die chemische Natur der Turmaline. 13
rin Riggs einen Vorzug seiner Arbeit vor der meinigen erblicken kann.
Nun ist aber gerade seine Bestimmung des Wassers, wie im Vorhergehen-
den gesagt wurde, sehr anfechtbar (auch Jannasch mochte sie nicht be-
nutzen), und die der Borsäure führt auch zu keinem wesentlich anderen
Resultat als die meinige.
Man darf überhaupt nie vergessen, dafs selbst die sorgfältigste
Analyse eines einzelnen Turmalins keinen 'Aufschlufs über die ganze
Gruppe gibt, und dafs erst die Untersuchung einer grölseren Zahl erfor-
derlich ist, um die Fehler der einzelnen, die in der Analyse und in der
Beschaffenheit des Materials liegen, zu erkennen und so das Gesetz zu
finden, welches die chemische Natur aller Glieder beherrscht. Aus die-
sem Grunde hatte ich meine Arbeit auf 31 T. ausgedehnt, und war zu
einem einfachen Endresultat gelangt.
Die Elemente der Turmaline sind
4
einwerthgg R=H,K,Na,Li,
[Ki
zweiwerthige R = Meg, Ca, Fe, Mn,
sechswerthige BH — B, Al, Fe, Er.
Zwischen diesen drei verschiedenwerthigen Elementen (d. h. isomorphen
Mischungen derselben) besteht ein einfaches Atomverhältnifs, und es zeigt
sich, dafs die häufigsten und am meisten verbreiteten T. gerade solche
sind, in denen jenes Verhältnils ein sehr einfaches ist.
Die allgemeine Turmalinformel ist:
| xisioo]
302 |
l J
Je nach dem Verhältnifs X: Y:Z zerfallen die T. in 9 Reihen, die nach-
stehend im Allgemeinen charakterisirt sind,
14 RAMMELSBERG:
I. Reihe.
Reoaz R:R:BR:Si
1:1:1:15
Es sind nur wenige Turmaline, welche in diese Reihe gehören,
vor allen die schönen braunen Krystalle von Gouverneur, N. Y., wel-
che ich vor kurzem abermals untersucht habe. Es ist dies ein fast eisen-
freier Magnesia-Turmalin, der im reinsten Zustande nur sehr wenig Kalk
enthält. Manche Krystalle sind freilich nicht so rein und oft mit einem
Tremolit verwachsen, dessen Analyse ich früher mittheilte. Die Analyse
einer derben Abänderung von Riggs gab dasselbe Resultat, schliefst aber
2,8 p. 0. Kalk ein.
Ferner gehören hierher zwei eisenarme aber gleichfalls kalkreiche
Magnesia-Turmaline von Dekalb, N. Y., und von Hamburgh, N. Y., wel-
cher letztere jedoch ein unreines Material zu sein scheint.
Als einziger Eisen-Magnesia-Turmalin steht hier der Turmalin von
Pierrepont.
In allen ‚ist. B:, Al — 1 :2,(Mittel 1:39):
Il. Reihe.
NeRYpZ R:R:R:Si
1720:29 E11 92:%2
Diese Reihe ist die gröfste, denn sie zählt 23 Repräsentanten, von
denen ich selbst 18 untersucht habe.
Auch hier treffen wir einen fast eisenfreien Masnesia-Turmalın,
den von Windischkappel, welchen ich früher für gleich dem T. von Gou-
verneur gehalten habe. Er enthält jedoch, wie ich durch kürzlich wie-
derholte Analysen gefunden habe, mehr Thonerde und weniger Magnesia,
so dafs bei ihm R:R = 1: 1,5, "bei "Gouverneur — T:1 ist.
Es folgt dann eine Reihe Eisen-Magnesia-Turmaline, meist schein-
bar schwarz, in welchen Fe:M& von 1:7 bis 7,5:1 varürt.
In allen ist B:Al = 1,32 (Mittel’— 1.22,1),..als07 auch, Al 381
= 139
— Zr
Über die chemische Natur der Turmalıne. 15
IIT. Reihe.
NINA, rt:R:B:Si
8 EEK 27115:522:72266
Hier sind 15 Turmaline zusammengestellt, äufserlich entweder
schwarz oder blauschwarz, oft blau durchscheinend. Sie sind im Ganzen
reicher an Eisen als die früheren, denn Fe:Mg ist = 1:1 bis 14:1.
B:Al ergibt sich nur in einzelnen Fällen — 1:2, selbst —= 1:3,
sonst nahe — 1:2,5.
IV. Reıhe.
[0
ReıNesZz KeaaseeSı
Is ist 2E#10-2322 34066
ORAL)
Hier steht nur der Chrom-Turmalin von Syssersk, in welchem
UrsBe Ale — el 22 :,4Fund are Mo, —l 37ıst.
V. Reihe.
RVeY R:R:R:Si
910-8 Meile see
Ele 3b)
Grüner Turmalın.
Es lassen sich hier 12 Analysen zusammenstellen, welche offenbar
die allgemeine gleiche Zusammensetzung der grünen T. erweisen. Denn
die Formel verlangt: das Mittel der Analysen ist:
Be 6,15:1
Br1S, 100:51.23 )
BE Bis - 26 I112210,2%
Hauptsächlich sind es die grünen T. aus Brasilien, welche, mögen
sie nun von demselben Fundort oder nicht herstammen, nahe gleich zu-
sammengesetzt sind (Fe:Mg — 4:1 bis 6:1). Aber während eine Ana-
lyse von mir und zwei von Jannasch B:Al= 1:3 ergeben, hat Riggs
16 RAMMELSBERG:
1:2,7 und selbst 1:2,5 in Auburn und Rumford. — In den Turmalinen
von Campo longo, Elba, Paris und Schüttenhofen ist aber B:Al=1:3.
VI. Reihe.
ENTE R:R:BR:$i
ST E21 295-1088
(27: 31)
Nur dem schönen rothen Turmalin von Schaitansk vermag ich
diese Formel zu geben. Er enthält kein Eisen, sondern Mangan
(Mn Me, Ga 172,5), und BA] a:
VII. Reihe.
XIYEZ er: BeISı
62:17 36 12:1 212271455
(36:45)
Der rothe Turmalın von Paris, M., welcher mit grünem verwach-
sen ist, und ein von Riggs untersuchter grünlicher bis farbloser T. von
Auburn, ersterer eisenfrei, lassen sich auf diese Formel beziehen. B:Al
fand ich im ersteren = 1:3, während beide im letzteren nach Riggs
— 1027246, sind.
VIII. Rerhe.
‘ 4
xX:Y:Z R:R:B:Si
232 Di Itor21e:418:021658
(27 : 32)
Der rothe Turmalin von Schüttenhofen, der gleichfalls mit grü-
nem verwachsen ıst, nach Scharitzer, und ein röthlicher bis farbloser,
an den Rändern grünlicher aus Brasilien, nach Riggs, sind hier zusam-
mengestellt. Die R in beiden sind Fe, Mn und Ca, und B: Al ıst = 1:3.
Wahrscheinlich gehört hierher auch der rothe T. von Rozena,
welcher indessen schon theilweise in Lithionglimmer (Lepidolith) verwan-
delt ist, was schon sein hoher Kaligehalt verräth.
Über die chemische Natur der Turmaline. 17
IX. Reihe.
x MJZ R:R:R:si
3390 30:7230739,33
(45 : 53)
Der schöne schwachröthliche Turmalin von Elba, nur Mn und
Mg enthaltend, und ein von Riggs untersuchter derber rother von Rum-
ford, in welchem Fe, Mn und Ca, bilden diese letzte, an R ärmste Reihe.
Auchansıhnen ıst B.:Al’ ==4:23:
Die Reihen VI—IX, jede nur von wenigen Gliedern gebildet, sind
zwar den Thatsachen möglichst gut angepalst, lassen sich aber durch
diese nicht mit der Sicherheit begründen, wie die übrigen. In der Form,
in welcher sie angenommen sind, treten jedoch gewisse Beziehungen der
einzelnen Reihen zu einander deutlich hervor.
Die Mol. X und Z sind entweder = 1:6 oder =1:9, und es ist
I &X+62)-+2Y I X+92)+2Y
I (X+62)+ Y IV &X+92)+ Y
VS8&X+6ZD)-+ Y VISX+92)+ Y
VI 6(X+62)+ Y
vOI 9X+62)+ Y
IX 15 X+6Z)+ Y
In der nachfolgenden Tabelle ist eine Übersicht der einzelnen Rei-
hen gegeben.
Die vorliegende Arbeit hatte den Zweck, die neueren Analysen der
Turmaline in ihren Resultaten mit meinen älteren zu vergleichen. Indem
ich diese durch wiederholte Versuche mit den T. von Gouverneur, Win-
dischkappel und Pierrepont ergänzte, bin ich zu der Überzeugung gelangt,
dafs die neueren Arbeiten Anderer keine Änderung meiner Resultate her-
beiführen. Jannasch hat in seiner Formel gleich mir die Turmaline als
Drittelsilicate anerkannt.
Phys. Abh. 1890. TI.
18 RAMMELSBERG:
Es mufs dies umsomehr hervorgehoben werden, als man anderer-
seits auf die nicht correcten Analysen von Riggs Formeln gegründet
hat, in denen zugleich das Gesetz der muliplen Proportionen milsachtet
ist. Solche Formeln, wie sie Wülfing, Scharitzer und V. Gold-
schmidt vorgeschlagen haben, können nicht in Betracht kommen.
Über die chemische Natur der Turmaline. 19
Übersicht der Turmalinreihen.
R:Si und B: Al sind die gefundenen Werthe. — Fe schliefst
oft Mn ein, Mg ebenso Ca. Ihr Verhältnifs ist das nächst einfachste,
aus den Analysen abgeleitete.
C bedeutet Cossa,
E “ Engelmann,
J 5 Jannasch,
R a Rammelsberg,
Rs R Riggs,
Sa R Scharitzer,
So a Sommerlad,
DW Schwarz.
B:Al Fe:Mg
:6
1 | Gouverneur, kryst. I 5 2 ai 18:22]! | 0
| R derb. | Rs | 6,08 mm ullase
2% | Dekalb | Re | 64 1,9 0
3 | Hamburgh |, Ra le O5 1,57 | 0
4 | Pierrepont | R | 6,0 el \) 1:29,33
| n | Rszr 2652 1,7 If
| I. aWZ 2 1:2:9
| 5 | Windischkappel NER! 61:1 1:2,0 0
6 | Orford | SER 5,9 3
|
|
Zillerthal
Texas
(e> To)
[a SC u So =
U
DvDvuvvvvvv
[er}
-]
RAMMELSBERG:
Eibenstock
Mourse
”
Godhamb
Havredal
Snarum
Ohlapian
Gotthard
Nantie Gulf
Tamatawe
Haddam
b)
Ramfossen
Elba, schwarz
Unity
Krummau
Langenbielau
Dekalb
Bovey Traey
Krumbach
Andreasberg
II.
Tamaya
Stony Point
Mount Bischoff
Piedra blanca
Brasilien, schwarz
Paris, schwarz
S. Pietro, Elba, schwarz
Mursinsk
Alabaschka
n
Sarapulsk
Saar
Auburn, schwarz
Schüttenhofen, blauschw.
Goshen
Buchworth
KR HN N ub
a Si See
un
[777
107) un
Ze
N
5,84
5,8
9,8
Über die chemische Natur der Turmaline. 21
IV: ERREFYEZEENRET 9
45 | Syssersk C | 1:22 10:13
V.aXReSNesz — 381218
(Grüner Turmalin)
44 Paris, grün | Rs (Se 13,2 | le
45 Campo longo E 5,74 2,8 Sl
46 Elba, grün R 6,1 3,8 }
47 Brasilien R 6,0 3,08 | ;
48 - T. J 6,1 3,8 } en
49 = II. id | 61 3,0
50 cr , blass Rs 6,3 DA. a
5l R , olivengrün Res 6:3 2,60 | ;
52 | Auburn, hell I ERS | 76:3 SPAN a
53 >, dunkel Rs 6,3 29 Ihe]
54 Rumford | Rs 6,3 2,6 0
55 | Schüttenhofen, blaugrün | Sa | 6,3 3,0 |
56 | Chesterfield, grün
IR X:Y:2 = Set
| | Mn
57 Schaitansk, roth | | Bas 1: 3,0 le-7985)
VIE 3 RE0: ZI 1256
58 Paris, roth BESSER Der 18.2259 | 1,5:4
| | | Fe
59 Auburn, grünlich u. farblos Rs 6,2 2,66 Sal
VIILSRENE373=49 217254
60 Schüttenhofen, roth Da 6. 08::71 | 1: 3,0 en!
61 , Brasilien, röthlich u.farblos Rs 6,5 | 2,9 | 2 l
62 | Rozena (z. Th. in Glimmer | R | |
verwandelt) | | |
IX. "X E77 390
| | | | Mn
63 | Elba, röthlich u. farblos | | 1:73.15 | Da
| | | Fe, Mn: Ca
64 Rumford, roth, derb RS || (8 | 2,96 \ 102:3155
32 RAMMELSBERG:
Berechnung der einzelnen Analysen.
Reihe I No. 1—4
a 9
„ II „283—42
Ba
ale IE ae ne
IE
„VIE 0859
ST 060269
SR. BB
1. Gouverneur, S. Lawrence Co., N.Y.
Rammelsberg.
Schöne braune flächenreiche Krystalle, durchsichtig, Pulver gelb-
lichweils, V. G. 3,049.
Früher untersuchte waren mit Tremolit verwachsen, den ich be-
reits (Pogg. Ann. 80,469) analysirt habe. Zu meinen letzten Versuchen
diente ein sehr reiner Krystall, der von Kalkspath begleitet war.
Dieser T. schmilzt in der Hitze leicht unter Aufschwellen zu einem
blasigen Email.
Gefunden 59 101,49
Angenommen Ib aa lee 21,5
Drittelsilicate
(
|
2 R°’SıO°;
| 6R SiO?
Er ist ein fast reiner Magnesia-Turmalin, der nur sehr wenig Fe
(vielleicht als Oxyd) und Ca enthält.
b=Al — 122 )\(ger — DA)
Dann mufs, der Formel gemäfs, Al:Si = 1:2,25 sein. Die Analyse
q
gibt 1:28. REH ist = 1:6:
Über die chemische Natur der Turmalıne. 33
Berechnet Gefunden
früher
SiO? 38,55 38,59 38,90 39,05
A41O® 29,12 30,09 30,47 31,08
BO® 10,00 [9,79]
M&O 17,13 17,321) 16,601) 16,431)
Na?0O 1,90 1,50?)
BO 330 3
100. 100
Als H’O ist der Gewichtsverlust des Pulvers beim Glühen unter
einer Schicht Ätzkalk angenommen. An und für sich betrug er 3,19 p. C.
Zu demselben Resultat führt die Analyse eines derben Turmalins
von Gouverneur, welche Riggs mittheilt.
Gefunden
Ti@2 1,19
81.027 72370.39
AlO? 27,79
— SiO? 38,29
BO’ 10,73
MsO 14,09
CaO 2,7 —= MsO 16,48
8
FeO 0,75
Na70r 21522
— Na20 1,82
KO 0,16
H>Q, u and N 23,42
100,35
Hier. 1ıst- BA — 1:31,58
2. DekalbsN.Y.
Riggs.
Farblose (?) und bräunliche Krystalle in Kalkspath mit Einschlüs-
sen von Quarz und Rutil. V.G. 3,085.
1) Einschliefslich der Äq. von 0,89 CaO und 1,08 FeO.
2) Desgl. von 0,27 K?O.
24 RAMMELSBERG:
R:Si "R:R:R:Si
Gefunden 6A 2031 : LOEM4
Angenommen buzge a
B:Al= 1:2— Fe, Mg: Ca = 64 Ms: Care 5,5€)1) — Na:H 1:7.
Gefunden Berechnet
Ssı 0? 36,88 38,21
AO? 28,87 28,88
BO: 10,46 9,92
FeO 0,52
MO 14,53 14,43
CaO 3,70 3,57
Na’ oO 1,51 1,65
H°O 3,56 3,34
100,03 100
Fi 0,50
| Rssio: |
: 2R’SiOS |
| or sios
Durch hohen Kalkgehalt ausgezeichnet. Auf Fe kommen 25 Mg, Ca.
3, amburen,aN.d.
DI
Riges.
Braune Krystalle in Kalkspath, reich an Einschlüssen schwarzer
Blättchen.
es R:R: R:Si
Gefunden br: 0,82: 2:09 =1,2
Angenommen dl 1 li, a
B:Al= 1:2— Fe:Ms:Ca — 1% 30:7,5. Mo: Ca — 4: Nah
— 16468
Unter allen Analysen von Turmalin steht diese mit dem Atom-
verhältnifs 6,7:1 allein. Die Beschaffenheit des Materials gleichwie der
Über die chemische Natur der Turmaline. 235
hohe Kalkgehalt lassen schliefsen, dafs die untersuchte Substanz nicht
rein war. Wir setzen deshalb eine Correction, gemäls der Proportion
6:1, hinzu.
Gefunden Berechnet
Corrigirt
1107 0,65
Sı0? ‚85,25 38,88 38,00
AlO? 28,49 28,07 28,69
BO’ 10,45 10,17 9,85
FeO 0,86
MsO 14,58 14,09 13,56
CaO 5,09 5,00 4,72
Na?O 0,98] 1,38 0,92 1,96
KO seo —
H’O 3,02 (8,18) 2,67 3,23
99,55 100 100
Fl 0,78
| R#SiO® |
: 9 R?SiO> !
or sios |
4. „ Pierrepont, N. Y.
Rammelsberg.
Rigss.
Grofse schwarze Krystalle V. G. 3,08 (Riggs), Pulver grau. Schmilzt
unter Aufblähen zu einer schwarzen Schlacke.
R:1 R: R:R:Si
Gefunden Rg bEUL: 20 70:95:07 1215
oO
y:
Riggs 6,2:1 Re
Angenommen bl 1 al led
| 1°Sio® |
ı DRSIOER
| > SıO
Phys. Abh. 1890. 1. 4
26 RAMMELSBERG:
BAT Pegzepe: Ma: CH — EEE INTER!
Berechnet Gefunden
Rammelsberg Riggs
Sı0’ 836478 36,64 36,021)
AlO® 97,79 97,18 25,29
BO’ 954 [9,55] 10,00
FeO 8,83 9,08 8,58
MsO0 9,81 10,13 11,07
CaO 2,29 N
Na?0 181 1,50 1,51
K?’O — Spur 0,20
mo 315 3,01 3,34
100 100 99,32
Fl 0,27
Beide Analysen stimmen bis auf die Thonerde, welche Riggs um
2,5 p. ©. zu niedrig gefunden hat (nach ihm wäre B: Al = 1:1,75 statt
1.22).
Ein besonderer Versuch durch Schmelzen mit Borax gab 9,06 p. C.
Dies ist der einzige Eisen-Magnesia-T. dieser ersten Reihe.
5. Windischkappel, Kärnthen.
Rammelsbereg.
Dieser Turmalin, als dessen Fundort auch Dobrova genannt wird,
erscheint in einzelnen prismatischen, zuweilen mit Endflächen versehenen
Krystallen von grünlichbrauner Farbe, welche durchscheinend und nur
hier und da von weilsen Glimmerschüppchen begleitet sind. Sein V. @.
ist 3,035 und sein Pulver fast weils. In der Hitze verhält er sich wie
der T. von Gouverneur.
r:9ı a IE
(Gefunden 6,0:0 153220,97.21,92.2
Angenommen 6 :1 le de
1) Worin 0,55 TiO?.,
Über die chemische Natur der Turmalıne. 97
Drittelsilicate
Is sio:|
Berechnet Gefunden
Sı0? 38,64 38,48
AlO> 32,87 32,90
BO: 11,28 11,15
MO 12,89 12,321)
Na?0O 2,00 2,722)
mo 2,32 3,00
100 100,57
Fl 0,64
Da B:Al = 1:2, so muls Al: Si ebenfalls = 1:2 sein. Gefunden ist
1:1,99.
Ich habe lange geglaubt, die beiden (fast eisenfreien) Turmaline
von Gouverneur und von Windischkappel seien gleich zusammengesetzt.
Deshalb habe ich beide vor kurzem von neuem untersucht.
Das Mittel von 6 Bestimmungen der SiO? ist 38,12, das von 7
Bestimmungen der A10° 33,90. Zur Berechnung diente das Maximum
jener und das Minimum dieser.
Der T. von Gouverneur hatte im Mittel 38,84 SıO°, aber nur
30,55 AlO® ergeben.
Vor allem tritt die Verschiedenheit beider T. in ihrem Gehalt an
MsO hervor, welche bei Windischkappel im Mittel von 8 Bestimmungen
11,22, bei Gouverneur aber 15,44 p.C. beträgt. Diese Differenz hat zur
Folge, dafs R:R:R:Si bei 6. = 1:1:1:1,5, bei W.—= 1:1:1,5:2
ist.
Das Wasser — 3,00 p. C. ist durch Glühen des Pulvers mit Kalk
bestimmt. Letzteres erleidet natürlich in Folge des Fluorgehalts einen
grölsere Verlust, der über dem Gebläse bis 3,8 p. C. stieg.
1) Worin die Aeq. von 0,72CaO und 0,97 FeO.
2) Desgl. von 0,48 K?O.
A
38 RAMMELSBERG:
6... Oxfordd, N. H.
Rammelsberg.
Braunschwarz, V. G. 3,068. Gelbbraun durchscheinend. Schmilzt
zu weilser oder hellgrauer blasiger Schlacke.
U
R:Si R:R: R :Si
Gefunden ren 1,1-11221,4 22,0
Angenommen Gel 75412159822
Offenbar denselben Turmalin untersuchte Riggs, welcher jedoch
R:Si = 6,4:1 fand. Der Grund ist ein zu grolser Gehalt an Wasser
— 3,78 p.C. Reducirt man denselben, so dals Bes; — 6: I; SE.ust
auch hier:
R:R:R:S — 1.071 :1bae a9.
Beide Analysen geben ferner:
Bi: Alı—ı 22) Re Me, Qar Zu 7 Na 1ER.
Gefunden Berechnet
Reg Rs
SiO2. 38,33. 37,98 38,32
AIO®: )1% 83,15 1190.133;36 39,59
BO% ud 0A 11,17
Feo 2,88 2,52 9,87
MseO 10,89 10,51] 11,18
Cao 0,77 1,07 J en
NO 1,52 9,60 9,41
HOW 281 2,97 2,46
100,21 100 100
Über die chemische Natur der Turmaline. 239
7. Zillerthal, Tyrol.
8. Texas, Penns.
Rammelsberg.
Zillerthal. Dünne schwarze Prismen; Dichroismus, parallel der
Hauptaxe grün, senkrecht röthlichbraun durchsichtig. V. G. 3,054.
Schmilzt an d. L. zu weilser schaumiger Masse.
Texas. Sehr dünne grünschwarze Prismen. V.@G. 3,043. Ver-
hält sich wie der vorige.
Rs BirpibpliieV: Si
Gefnnden Zillerthal 6,08: 1 3:1.0: 1.4832
Texas Sl 1.3 0:9: 1,5, 52
Angenommen Som: aalok 1.2 22
so
28102
| IR SıO’
B:Al= 1:2 — Fe:Mg, Ca = 1:6—R:H = 1:4.
Berechnet Gefunden
Zillerthal Texas
SiO? 38,10 37,94 38,45
AlO® 52,40 31,66 32,66
20 10.10 [11.08] MoAz]
FeO 326 2,80 3,07
MnO 0,36 —
MeO 10,84 10,46 9,11
CaO 0,16 0,71
Na?O 2,00 9,13 2,00
K:0 0,37 0,73
15626) 2,30 3,04 3,80
100 lo 100
Fl 0,36
Glühverlust 3,54 3,30
Die Thonerde in Texas ist nach der Proportion Al:Si = 1:2
berechnet. Die Analyse hatte zuviel (34,56) gegeben.
30 RAMMELSBERG:
9. Eibenstock, Sachsen.
10. Monroe, Conn.
Rammelsberg.
Riggs.
Eibenstock. Concentrisch gruppirte feine Prismen, schwarzgrün,
röthlich und grün durchsichtig. V.G. 3,034. Schmilzt zu gelblichweis-
ser blasiger Masse. Re.
Monroe. a) Grofse schwarze Krystalle, rothbraun durchscheinend.
V.G. 3,068. Verhält sich wie der vorige. Rg. — b) Riggs.
R:S R:Rok:si
Gefunden Eibenstock HOLM: | 2: 1,4
Monroe a) Rg. 6,06:1 1,2146:
b) Ragpßäln: 1 31,550,9 21,47:
DD 8
Angenommen (Pa 1 el Sale
| 15 5i0° |
ı 3R’SiO5 |
9R SIO’)
B:Al= 1:2 — Fe:M,Ca= 1:5 —R:H=1:5.
Berechnet Gefunden
Eibenstock Monroe
a. b.
810” 1438,10 37,15 37,30 37,62
AlIO® 32,36 30,86 371 32,84
B0° 11,11 1a] [10,13] 9,86
FeO 3,81 4,36 4,07 3,80
MsO 10,58 11,62 9,90 8,36
CaO 0,88 1,81 1,81
Na? 0” 1,64 227 1,82 1,927)
K:Oo 0,30 0,44
H:O 2,40 2,82 2,82 3,79
100 100 100 100
Glühverlust 3,50 3,32
1) Der Überschufs der Analyse = 0,9 p. C. ist hier von den gefundenen 2,82
Über die chemische Natur der Turmaline. 31
11. Godhaab, Grönland.
Rammelsberg.
| Schwarzgrünlich und röthlich durchscheinend. V.G. 3,072. In der
Hitze gleich den vorigen.
R:Si BR: RysR.:Sı
Gefunden He #17 31.0085 1,9:22
Angenommen 6 :1 Iran! 15002
| R® el
| 3R’SiO° |
ı9R SıO°)
B:Al= 1:23,33 (1:23) — Fe:Mg = 1:4 — Ca:Mg = 1:11 — Na:H
—,. 10924
Gefunden Berechnet
SiO? 37,70 37,75
AlO® 32,33 32,09
BO® [9,75] 11,01
FeO 44 4,53
MO 9,51 9,93
CaoO 1.25 117
Na? 2,00] 2,28 1,95
K:O 0,43] Na?0 =
Ho 30 2,97
100 100
Die Thonerde war direct — 34,26 gefunden. Sie ist hier nach
Si:Al —= 2:1 corrigirt.
Glühverlust 3,11 p. ©.
12. Havredal bei Krageröe.
Rammelsberg.
Schwarz. V.G. 3,107. Röthlichbraun durchscheinend. Schmilzt
zu hellgrauer blasiger Schlacke.
Na’O abgezogen. Auch in meiner Analyse von Monroe ist die SiO® (gefunden 39,0) nach
der Proportion Al:Si = 1:2 corrigirt.
©
XD
RAMMELSBEREG:
R :R:Si
1,18: 1,422
a er
R:Si R:
Gefunden 6,0:1 ne:
Angenommen 6 :1 1
| R:sio:)
| R’SiOs !
L IR SıO®
B:;A] = 1:2 — Fe:Me —1;2,5 —_ Na:H =
Gefunden Berechnet
Sio®? 37,11 37,45
AlO® 31,96 32,01
30° [9,29] 10,95
FeO 7,58 6,39
MsO 9,43) 10,00 9,00
CaO 0,80 J Ms0O —
Na®O 1,78] 1,99 1,94
K’O 032J Na:0 Le
H’O 2,43 2,26
100 100
Glühverlust 2,93 p. C.
15. Snarum, Norwegen.
Jannasch.
Schwarz. V.G. 3,134
Die Analyse mit ihren 1,32 p. C. Überschufs hat R:Si — 6,2
und R:
= 1,4:
1 gegeben.
p- ©., soist R:Si = 6:1 und
uch Boisi
Fe
:B:Al= 1:8
105-709: 21642:
:16 — Fe: Ms,
— Na(K):H
— A
2,95 — (a:Mg =1:
Ca=]1:
= 1:9.
1:4.
ge
teducirt man den Wassergehalt auf 1,86
Über die chemische Natur der Turmaline. 33
Gefunden Berechnet
Sı0? 36,221) 36,73
AlO?° 29,41 29,97
B0° 9.93 10,30
FeO?° 2,90 2,94
FeO 6,56 6,25
MsO 8,00 7,70
Cao 1,65 1,53
\a?O 3,03 | 3:5 2,74
K’O 1,16 | Na?O —
H?O 1,86 1,84
100,72 00T
Auch dieser T. entspricht
R° si0° |
{9R>SIO> |
I9R SIO®)
und ist dem von Ramfossen höchst ähnlich, vielleicht identisch.
14. Ohlapian, Siebenbürgen.
Jannasch.
Schwarz. V.G. 3,084. Die Analyse zeigt 1,95 p. 0. Überschufs.
R:Si R:R:R:S8$i
Gefunden el 1.4: 1.31,9..9
Angenommen 6 :1 17 102 1,0252
Fe:B:Al = 1:6:12 — Fe:Mg, Ca = 1:2,66 —Na:H = 1:4
Gefunden Berechnet
SiO? 36,55?) 36,70
A1lO® 30,79 30,15
Bo: 9,84 9,63
FeO? 3,65 3,88
FeO 5,46 6,01
M&O 8,12 Rd
CaO 1,54 1917
Na? 0 2,531 Tl 1,90
K:O 0527 Na20 hg
mo 3,20 2,39
101,95 DINO TE
DW TO: 2) Worin 0,86 TiO:,
Phys. Abh. 1890. I. 5
34 RAMMELSBERG:
Der fast 2 p. ©. betragende Überschufs findet bei Jannasch keine
Erklärung. Der Vergleich von Versuch und Rechnung macht es wahr-
scheinlich, dafs die Alkalien und das Wasser zu hoch bestimmt worden
sind.
Dieser T. beweist, dals im T. auch gröfsere Mengen FeO? vor-
kommen. Nach der Analyse ist
Al 817 10:2,0 B:Al = 1:2,14
Fe, Al: Si, 1.:1,9 B:Al, Fe
|
»
©
©
15. Gotthard.
Rammelsbere.
16. Nantic Gulf, Baffınsland.
Ri
oo
858.
Gotthard. Schwarze dünne, braun durchscheinende Prismen.
V.G. 3,055. Schmilzt unter starkem Aufblähen zu braungelbem Email.
Nantic Gulf. Schwarz. V.G. 3,09.
Böse BR: BR BR .;Si
Gefunden
Gotthard 5,84:1 1,1?0,95: 1,43 : 2
Nantie G. 6,4 :1 1,6: 108:21,50:2
Angenommen 6 1 1 Taw1.5 52
(ae: )
B:Al—= 1:2 — Fe:Mg, (a —= 1:2 — (a:Mg = 1:8 —R:H
—, 16:96
Über die chemische Natur der Turmaline. 35
Berechnet Gefunden
Gotthard Nantie Gulf
Corrigirt
So%" 37346 38,00 35,741) 37,43
AlO® 31,84 31,41 30,49 29,49
BO2%W% 10,98 [10,32] 10,31 (10,6) 10,10
FeO 6,75 7,23 8,22 7,95
M&O 7,49 7,27 7,76 7,50
CaO 1,75 1,31 2,32 2,24
Na? 0 1,38 1,43 1,76 1,84
K20 0,28 0,15
H°O 2,40 DNUD 3,98 3,45
100 100 100,27 100
Glühverlust 3,25
Die Analyse von Riggs ist nach dem Verhältnils R:Si= 6:1
eorrigirt. Indessen scheint der Fehler hauptsächlich im Wasser zu liegen,
welches mit Beibehaltung der übrigen Zahlen nur 1,18 p.C. (Na:H —= 1:2)
betragen könnte.
17. Tamatawe.
Jannasch.
Schwarz. V.G. 3,195.
R:Si R:R:R:2
Gefunden De #15: 1964,42
Angenommen 6 :1 i :E0s1,5:2
| RFSiON|
NE
ı9B SI0°)
Fe:B:Al —= 1:3116€— Fe: Ms, Ca —= 142’ Ca:Ms = 1:5
— Na:H = 1:4.
1) Worin 0,4 TiO?,
RAMMELSBERG:
Gefunden Berechnet
Sı0? 36,391) 36,07
A10O° 25,38 27,54
B.0° 9,49 9,45
FeO° 6,68 7,20)
FeoO 7,99 7,20
MeO 6,90 6,66
(ad 2,03 1,86
Na?’O 1,92) 2,0 1,86
K:O 0,29) N20 —
H?O 2,58 2,16
100,10 100
IM) 33
Dieser T. enthält das Maximum von Eisenoxyd. Vergl. Pierrepont.
18. En Conn.
Schwarz. V.G. 3,136.
Rammelsberg.
v2 Si
Gefunden Sl
Angenommen 5 Bl
Ssı0?
AO?
BO?’
FeoO
MsoO
(ao
Na?’O
K?O
H?’O
Gefunden
37,50
30,87
[9,02]
8,54
8,60
1,33
1,60) 2,08
0,73) Na?0O
I
100
Glühverlust 2,50
Schmilzt in der Hitze zu brauner Masse.
R:R:R:Si
VIER ALESAED
Sa
B:Al=1:2—Fe:Mg, Ca—=1:2—Ca:Mg—= 1:6 —Na:Ha = 1:4.
Berechnet
37.13
31,52
10,85
7,43
7,43
1
1,61
2,10.
100
1) Worin 1,22 TiO?,
Über die chemische Natur der Turmaline. 37
In einem T. von demselben Fundort fand Riggs R:Si= 6,921,
bei einem Wassergehalt von 3,62 p. ©. — Reducirt man denselben, so
dals R:Si — 6: 1, so entspricht auch dieser T. recht gut der Formel,
unterscheidet sich überhaupt von dem von mir untersuchten höchstens
durch einen etwas höheren Gehalt an Eisen (Fe:Ms& —= 1,5: 1).
Gefunden Berechnet
Riggs Corrig.
SiO®? 35,38 36,00 36,29
AlO3 . 31,10, Yr3l,68 : 30:85
1:05 9,90 10,09 10,58
Feo.m.. 1241. | 12,62 ı ı 13,06
Me&O 5,03 5,11 4,84
N220 2,38 2,42 2,34
MO 3,62 2,11 2,04
99,67 100 100
Beide sind
19. Ramfossen (Snarum).
Rammelsbere.
Schwarz. V.G. 3,145. Schmilzt zu poröser schwarzer Schlacke.
(Gefunden D18.:
l 0,7962: 1,4:2
Angenommen 6 :1 ee er
| so)
2 Sr 02
or os
BEA 22 — Fe: Mes 1:15. NaSH = 14.
RAMMELSBERE:
Gefunden Berechnet
SO? „322 37,07
AlO:® 30,00 31,12
BO’ [8,98] 10,81
FeO 11,16 9,62
MsO 7,94| 8,40 7,20
GO 085) MO —
Na? ale RB ISE
@oO 053) No
TO 23m) 2,2
100 100
155)
20. Elba.
Rammelsberg.
Schwarz. Braun durchscheinend. V.G. 3,059.
Gefunden el =: 1201.89: 2
Angenommen 6 :1 ie: 120,52
B:Al= 1:2 —Fe:Mg —=1:125 — Na:H = 1:4.
Gefunden Berechnet
Sı0? 38,20 36,95
Al0O? 30,03 31,58
B0° [9,03] 10,77
P&0: #10,41?) 10,00
MO 6,77| 730 677
Ca0O: 10,74) MO)
Na?0 2,19] 236 1,91
KO 08) N200
H:O 23,29 2,22
100 100
Glühverlust 2,50
1) Glühverlust. 2) Worin 0,58 Mn O.
Über die chemische Natur der Turmalıne. 39
Der höchste gefundene Thonerdegehalt war 30,84 p. ©. — Die
Kieselsäure ist in Folge einer Beimengung von etwas Quarz zu hoch ge-
funden.
21. Unity, N. Hampsh.
Rammelsbereg.
Schwarz. V.G@. 3,192. Verhält sich in der Hitze wie die vorigen.
R:Si R:R:R:Si
Gefunden Bee 0.3:2371.4:2
Angenommen 6 :1 I 2 1 225:22
B:Al= 1:2 — Fe:Mg(Ca) = 1:1—Na:H = 1:4.
| RS Sio> |
|2ison |
{
9R SiOs!
Gefunden Berechnet
SiO? 36,29 36,64
AlO® 30,94 31,13
BO’ [8,54] 10,69
FeO 13,23 11,00
M0 632] 70 611
CaO 1,02 | MsO —
Na?0 1,94 9,37
mo 2221) 9,06
100 100
22. Krummau, Böhmen.
Rammelsbere.
Schwarz. Bräunlich und röthlich durchscheinend. V. G. 3,155.
Schmilzt v. d. L. zu hellgrauer, im Ofen zu brauner Schlacke.
1) Glühverlust.
RAMMELSBERG:
[1
R:Si mhpin Big
Gefunden 6,0:1 0,93 : 0,87: 1,56: 2
Angenommen 6 :1 la ee ee
( desios|
i 2 R’SiO: |
| IR SıO°
B: Al = 1% 2 — Fez, Me, — 165: Yu Na; Hr —=,1,;5.
Gefunden Berechnet
Sı0? 836,43 36,46
AlO® 34,12 33,00
BO:® [9,27] 9,63
FeO 11,58 11,98
MsO0 3,84\ 4,15 4,86
0a 0,44 | MsO
Na°0 1,36\ 1,56 1,57
K’O 0,30) Na?0
H?O 2,66!) 2,50
100 100
25. Langenbielau, Schlesien.
rammelsberg.
Schwarz. V.G. 3,152. Anscheinend nicht mehr ganz frisch.
R:Si RIE BR B.S;
Sl
l
Gefunden 53 0,85: 0,89: 2
Angenommen 6 : 1, Mg:
| RS SiO> }
2 R°SiO®
| IR SIO’ |
oO
B: AR 27 Pe: MelCa) = Dee Na Hr — 1:2:
1) Glühverlust.
Über die chemische Natur der Turmalıne. 41
\ Gefunden Berechnet
SiO? 37,24 36,42
AlO: 31,63 30,96
BO:® [10,47] 10,62
FeO 11,64 12,30
MeO 3,651 449 4,85
CaO 0,62 J MsO
Na20, +1,98 0,82 ED)
KO 1082) 0 —
ee nr DR
100 100
24. ?DekalbeN. Y.
Rammelsberg.
Schwarz. V.G. 3,195. In der Hitze eine gesinterte schwarze
Masse.
4
R:Si ee
Gefunden Hal 1,1.: 0,86 :;/1,46 :2
Angenommen 6 :1 I weil al,9: 22
| R°SiO>
| DR SION,
Gefunden Berechnet
SiO® 37,07 36,18
AlO® 31,86 30,76
BO: [9,70] 10,55
FeO 13,062) 14,42
MeO 3,49 4,02
Na?O 2,041: 2,24 1,90
K2O 030,2
H20 2,48 SEA
100 100
Glühverlust 2,92 p. ©. — Fluor 0,32 p. C.
1) Glühverlust. 2) Worin 0,51 MnO.
Phys. Abh. 1890. I. 6
43 RAMMELSBERG:
Auch Riggs hat einen T. von gleichem Fundort untersucht, der
jedoch nur 0,5 p.C. FeO enthält. S. S. 23.
25. Bovey Tracy, Devonsh.
Rammelsberg.
Schwarz, röthlichbraun durchscheinend. V. G. 3,205.
zu schwarzer Schlacke.
R:Si R:R:R :Si
Gefunden De SE HE, 5: 250
Angenommen 6 :1 1 173125::2
| R:SiO> )
ı 2 R?SiO8 }
| IR SIıO°
B:Al=ı1272—Fe:Me = 3:1—Na:H = 1:4
Gefunden Berechnet
SiO® 37,00 35,89
AlO® 30,22 30,50
BO” [11,45] 10,47
FeO 14,92! 16,15
MsO 2,62) 2,98 2,99
CaO 0,50) MgO —
Na®O 1,39] 1,82 1,85
KO 065/20 —
H20® 1,95 2519
100 100
26. Krumbach, Steiermark.
Rammelsberg.
VG, 3.183.
Schwarz, blau durchscheinend.
brauner Masse.
Schmilzt
Sintert zu dunkel-
1) Worin 0,40 MnO.
Über die chemische Natur der Turmalıne.
R:Si Baar Bas
Gefunden 6,0:1 1408-7088: 1.052
Angenommen 6° Fl I Me 7195252
Bz Al 1227 Be Mes 9.5.1 —Na:H = 14
Gefunden Berechnet
Ssı02 7 36,35 35:19
| 30,41
BO’ [9,40] 10,43
FeO 12,82)
MnO 1,50] 1432 1719
MsO 2321 2402 2,69
Ca0 0.40) MO u —
N3207 143, 21573 1,38
KORAN
10) 3,211) 2,15
00 100
RSi0° |
2R:SIO® }
| IR SıO?
27. Andreasberg, Harz.
Rammelsberg.
Schwarz. V.G. 3, 243. Schmilzt zu schwarzer Schlacke.
R:Si R:R:R:S$i
Gefunden G208:7T 1.220,92 1,522
Angenommen 6 :1 15:49:15: 2
so
2n2S1057
| IH sios|
BZAl— 1525 Re Mer — 7%
-
le Nase len:
1) Glühverlust.
65
44
RAMMELSBERG:
Sı0?
A1O°
BO:
FeO
Mn ©
Ms0O
CaO
Na?oO
K’O
1560)
Fl
Gefunden Berechnet
36,06 35,43
30,54 30,12
[9,95] 10,33
17,40 ] 18,86
0,11 ae
0,78 \ 1529 1,38
0,72) Moor >
1,36 16 1,45
0,58) Na? 0 —
2,70 2,98
100 100
0,85
28. Tamaya/ Chile.
Schwarz.
Gefunden
Angenommen
B:Al — 1:9 Be aMer ee Re
SiO?
AlO?
B0°
FeoO
MsO
CaoO
V..G. 3,20.
Gefunden Berechnet
36,34 37,63
32,22 32,00
10,87 10,97
8,50 8,46
3.92 | 4,48 4,70
ze) Mo
312) 3.006 984
32
3,99 9,40
99,66 100
Schwarz.
, ae > 15
REIST :R:
62: Dr l2
Ye Del
jr
Über die chemische Natur der Trurmalıne.
Drittelsiliecate.
| Ri 30°)
R?’SıiO??
| 6R SIO°,
Die Analyse giebt B:Al= 1:2,0.
sein. Es ist aber
berechnete Verhältnils 1:1,87 näher kommt.
Dann muls Al:Sı = 1:2
5
121,9 ‚gefunden;; «dem das aus, ‚B: Al,ı— 1:
297° Stony Boins, N.C:
Riges.
R:Si R:R: BR :Si
Gefunden al 15851 21,8.22,66
Angenommen 6 :1 27962,14:02222.66
BEA —= 1:3 PerMor SP SaRe pe 102:
Gefunden 3erechnet
SiO? 35,971) 37,63
A1O® 33,38 32,00
BO: 10,40 10,97
FeO 8,53 8,46
MgsO 5,44]| 5,82 4,70
CaAO 053J MeO =
Na?O 216] 2,32 2,84
KO 02%J N20 —
H®O 3,57 3,40
100,22 100
Dieser T. stimmt in den relativen Mengen der
Tamaya vollkommen überein.
fast gleich der berechneten — 69,63.
tv mit dem von
Auch ist die Summe Sı0?-+4A10° — 69,35
1) Worin 0,55 TiO*®.
46 RAMMELSBERG:
Gefunden wurde B:Al = 1:2,2. Wenn dies, wie angenommen,
= 1:2, so muls Al:Si = 1:2 sein. Da dieses Verhältnils aber —= 1:1,84
ist, so sollte man B:Al—= 1:2,5 erwarten. (Vgl. Tamaya.)
30. Mount Bischoff, Tasmanien.
Sommerlad.
Derbe graublaue Massen. V.G. 3,042.
Riga] Re Rees,
Gefunden 6,0341 1.2 : 0586 :2,2 :2,66
Angenommen 6 :1 7 21782.0252:2/66
B:Al —, 1: 2,5 — Re3Mer 1 7 Na 09H — 122,5.
Gefunden Berechnet
SiO? 36,86 36,84
AlO? 36,72 33,66
BO® 10,56 9,13
FeO 5,66]
MnO 0,66 |
MsO 4,2% 4,60
Na?O 3,37] 4,30 4,04
KR?0 a. No
6,32 8,29
E20 Arale 3,44
100,36 100
Fl 0,61
R’SiOs |
I6R sios]
Die Analyse weicht in der Thonerde und im Wasser allerdings be-
deutend von der berechneten Formel ab, indessen ist das derbe Mineral
| 28105)
I
|
Über die chemische Natur der Turmaline. 47
wohl nicht rein, wie denn der ungewöhnlich hohe Gehalt an Alkalien
und der geringe an Wasser sich bei keinem anderen T. findet. Die Farbe
reiht ihn aber den übrigen hier zusammengestellten an.
Gefunden ist Al:Sı = 1:1,7, während die Formel bei B: Al
= 1:2,5 die Proportion 1:1,86 erfordert.
31., Biedra blanea.
Jannasch.
Schwarz. V.G. 3, 173.
R:Sı vie Re 2255
Gefunden GA:T 2.052.002 255
Angenommen 6 :1 2, El 225066
Pe:B:Al — 1:7:16 — Fe:Mg == 1,5.“ — Na:H = 1:4.
Gefunden Berechnet
SıO? 35,031) 33.01
AO: 31,69 30,27
BO: 9,64 9,09
FeO° 3,18 2,96
FeO 10,302) 12,58
MsO 8,47 | 9,18 3,56
CaO 0,36 J M&O E=
N2:20 2,8551) 295 2,23
K20m.095 NO
To 3,20
100,11 From
Fl 0,47
| lo
| R3SiO:
| 6R SIiO’
1) Worin 0,3 TiO?. 2) Desgl. 0,16 MnO,
48 RAMMELSBERG:
Dürfte man annehmen, dafs die 3,2 p. ©. Eisenoxyd als Hydroxyd
erst eine spätere Bildung seien, so wäre Re 1:1,5, und wenn
Na:H = 1:3, so würde R:R:R:Si = 1:1: 1,5:2, sodafs auch die-
ser T. zu den zahlreichen gehörte, die
| Rio: |
iı 2R°Si0° 7
| IR SiO> |
sind.
Eine Berechnung, bei welcher B:Al = 1:2
und Na:H = 1:3, verlangt
SiO® 38,85
AlO® 30,48
B0° 10,45
FeO 14,37 (gef. 13,16)
MsO 3,98
92. Brasilien.
ie
Riges.
Schwarz, blaugrün durchscheinend. V.G. 3,20.
35. Paris, Maine.
Riggs.
Schwarz, derb, Pulver bläulich.
R:Sı Keane:
Gefunden Brasilien 6,4:1 1:18:21:
Paris ( SE IHl:
Angenommen pl Du
BzAl— 1 :2,5c-4ResNs = B5: EN
Be.::Mo — 27:71
un
er
[SS) DD [S>)
Uber die chemische Natur der Turmalıne. 49
Gefunden Berechnet
Brasilien Paris
SiO? 84,63 35,03 36,56
AlO® 32,70 34,44 33,40
BO: 9,55 8,92 | (9,12) 9,14
FeO 14,091) 13,202) “ 19,80
MsO 2,13\ 2,36 Sn: 1498 2.00
CaO 035) M&O 024] MsO —
Na?O 2,1 2,43 2,03) 2,35 2,81
K:O 0,24 e 0,25 er
Li?O 0.08} Na’O 0.07) Na!O ui
H?O 3,49 3,69 3,2
99,35 100,48 100 ©
Fl 0,06
Beide T. sind offenbar gleich zusammengesetzt.
| RsSiO° |
u B28L07 |
| 6R SıO’
34. Elba, S. Pietro.
Rammelsberg.
Grünlich- und bräunlichschwarze Krystalle. V.G. 2,942. Schmilzt
v.d.L. schwer unter Aufschwellen zu grauer Schlacke.
R:Si R:R:R:Si
Gefunden 5 1.2.20:922,.0,72466
Angenommen DS sl 89. 820
B2Al— 7,255 — BeiMor 2 Na See 12.
1) Worin 0,31 FeO° — 0,25 FeO und 20,12 MnO.
2) Desgl. 1,13 #1 0° = 1,02 FeO.
Phys. Abh. 1890. 1. 7
50 RAMMELSBERE:
Gefunden Berechnet
Ssı:0? +36,71 36,34
AlO?® 34,00 33,20
BO: [9,21] 9,01
nn N 12,39 13,08
MO 1,2 1,81
Li?O 0,32 _—
Na?’O 2,30 DR 3,49
K’O 0,75) Na?O —_
MO 2,541) 3,07
100 100
Fl 0,47
| R°Sio5 |
R:SiO® |
| 68 SIO’ |
Ein anderer Krystall gleichen Fundorts von ähnlicher Farbe hat
AO 33,19
FeO 5,43
MnO 3.09
MeO 4,30
CaO 0,30
Glühverlust 3,54
gegeben.
Er war indessen nicht homogen, da nach dem Glühen in der halb
geschmolzenen dunklen Masse zahlreiche weilse Partikel sich zeigten, wel-
che unstreitig grünem T. angehörten.
1) Glühverlust.
Über die chemische Natur der Turmaline. 51
35. Mursinsk.
386. Alabaschka.
37. Sarapulsk. <
Die Fundorte dieser uralischen T. liegen nahe bei einander, wie
wir durch G. Rose (Reise nach dem Ural I. 450, 460. II. 501) wissen.
Ihrer morphologischen und chemischen Natur nach stimmen sie sehr nahe
überein.
Mursinsk. Schwarz. V.G. 3,21. Jannasch.
Alabaschka. 1) In dünnen Splittern bräunlich oder bläulich
durchscheinend. V. G. 3,229. Schmilzt v. d. L. zu brauner Schlacke. Reg.
2) V.G. 3,138. Jannasch.
Sarapulsk. Stänglich verwachsene Krystalle, blau, an einzelnen
Stellen roth durchsichtig. Pulver blaugrau. V.G. 3,162. Re.
‘ Li “d
R:Sı KRenReeielsı
Gefunden
Mursinsk Jann. 6,3:1 5,921,1.°.231.22,66
Alabaschka »54116381: 1 2,031.0: 2,12 2,66
> Re. De 1,421.1.22.0222,66
Sarapulsk Reg. Duar: 1 1,8: 0,9. 2,0 : 2,66
Angenommen Gl! Eee
B2Al —.152,5— Be »Me 75,712 in HH — 9:
53 RAMMELSBERG:
Berechnet Gefunden
Mursinsk Alabaschka Sarapulsk
Jann. Jann. Re. Re.
SıO? 36,53 35,151) 35,41 36,19 37,50
AIO° SFR! 34,58 EB) 33,75 33,00
803 9,06 8,94 10,15 [8,17] [10,05]
HeO “A x 14,44 13,42 14,97 10,30
MnO | N 0,24 er 0,54 2,68
MsO 1552 132 1,69 1,76 1,06
CaO — 0,20 — — —
Na?O 2,40 210 2,08 2,02 2,837
10) — 0,05 0,34 0,47 0,33
1550, 3,42 2,87 3,41 >15 3.91
100 100,45 100,25 100 100
Fl 0,51 0,28 0,76 0,80 °
88. Saar, Böhmen.
Rammelsbereg.
Schwarz. V.G. 3,181. Sintert oder schmilzt in der Hitze zu
einer braunen Masse.
BES „Rn. .RoBes
Gefunden 6.0:1: - 0,76 :0,98.32.222/66
Angenommen 64:12 1:1 DE:2,06
B3.Al = 129.5 — Me: Me — Heil Ngese le:
1) Worin 0,27 TiO?.
Über die chemische Natur der Turmahne. 53
Gefunden
SiO? 36,82
AO? 34,67
BO: 11,64
Fe oO za
MnO 0,28 |
MsO 1:59
NO 09] 1,05
K:0O 0,09) Na?O
H?O 1,831)
100,99
Fl 0,41
Dieser T. gleicht denen von Sarapulsk, Alabaschka und Mursinsk.
In Betreff der Alkalien dürfte die Analyse mangelhaft sein. Auch ist
die Borsäurebestimmung sicherlich zu hoch.
39. Auburn, Maine.
Riggs.
Sehwarzs.derb: _V.:G.,3,19.
RaSumnaki: Bu 2u3Si
Gefunden Go 9,92.:4.0,:92.49:66
Angenommen 6 :1 Zu:
B: Alm, 9 BeeiMe u REN SIE IR 58
Gefunden Berechnet
Corrigirt
Ssı0? 34,99 36,70 36,45
AlO® 33,96 33,50 33,50
BO’ 9,63 9,44 9,06
FeO 14,29 13,86 14,21
MgO 1,01 1,10 1,21
CaO 0,15 ni =
Na?’O 2.01) 2,28 le) 2.35
K:O 0,34 J Na?0 =: Br
370 3,62 3,41 3,42
100 100 100
1) Glühverlust.
54 RAMMELSBERG:
Sicherlich ist dieser T. gleich den vorhergehenden.
| R°Sio'
RS 0° |
6 SIO°;
Die Zahlen der zweiten Columne (Corrigirt) folgen aus der Ana-
lyse, wenn diese R:Si = 6:1 gegeben hätte.
40. Schüttenhofen.
Scharitzer.
Blauschwarz. V.G. 3,174.
R:Si R:R:R:Si
Gefunden 6,25:1 DOM IMIDNS
B:Al Fe, Mn: Mg Na,K:H
1.054 Oeal IE:2576
Der Gehalt an Borsäure, durch Differenz = 7,1 p. ©. bestimmt,
ist offenbar zu niedrig. Er beträgt in den blauschwarzen T. im Mittel
ebenso nahe 10 p. C., wie in allen übrigen. Die Ursache liegt in dem
in Folge der angewandten Methode zu hoch gefundenen Wassergehalt
von 4 p. Ö., der in allen ähnlichen nur 3 bis 3,4 p. ©. ausmacht.
Berechnet man unter der Annahme B: Al = 1:2,5 die Borsäure,
so bleiben 3,08 p. C. Wasser, und es wird
R:Si R:R:R:Si
Deal 1.8: 1: 2.0295
Angenommen 6 :1 2: 523 26
B:Al= 1:2,5— Fe, Mn:Mg = 9:1 — Na, K:H = 1:4 —-Na:K
= Hl.
Da in den übrigen blauschwarzen T. B: Al = 1:2,5 ist, so wurde
die Formel
in diesem Sinn berechnet.
Über die chemische Natur der Turmaline. 55
SıO?
AlO?®
B0?°
FeoO
Mn O
MsO
Na?oO
K2®
H°’O
Gefunden
Corrig.
397
35,10
[7,10] [8,03]
13,36
ı a 14,84
0,98
1,92
0,88
4,01 3,08
100
Berechnet
36,25
33,13
9,00
14,65
Dieser blauschwarze T. ist älter als der grüne und rothe desselben
Fundorts, was sich an der Färbung einzelner Krystalle nachweisen lälst.
41.
Rammelsberg.
Blauschwarz, blau durchscheinend.
Hitze zu brauner Masse.
Gefunden
Angenommen
LI
ı
R:Sı R
ll 2
Dal 2
Goshen, Mass.
V.G. 3,203. Sintert ın der
Ü
:R:B:Si
510,92210:29466
sl 282
BA 1: 2,5. — Fe: Mor 11517 Na, bı:H 155 I SNa — a1:
1) Glühverlust.
SıO?
A1l0O°
BO:
FeO
MnO®
MaO
Li?’O
Na?O
K’O
H’O
100,35
Fl
(Gefunden
0,84
1.7521. 22.02
0,40 | Na?O
3,301)
0,82
Berechnet
56 RAMMELSBERG:
R’SiO> ;
W6# SIO’ |
Er steht dem T. von Sarapulsk sehr nahe.
| Rsio:
|
42. Buchworth, Australien.
Jannasch.
Schwarz. V.G. 3,173.
Si ? R:R :Si
Gefunden (oe 2,16.: 0,95 : 2,0 : 2,66
Angenommen 6 :1 | 2 :2,66
R+SiO° |
ı12.h:25:0°7
or sio:|
Bis Al — 1:3 — Per Me Mar Na >H — 1:2.
Gefunden Berechnet
Ssı0? 35,50 35,28
AlO? 34,39 34,11
B0O° 8,34 8,87
FeO 14,26 115,11
MgO 0,51 0,60
Na?O 3,43 2,79
H:O 3,34 3,34
99,57 100
Fl OST
43. Syssersk, Ural (Chrom-T.).
Cossa.
Schwarzgrün. V.G. 3,12.
R:Si R:R: R:Si
Gefunden 6,078 1782, 102,8.1.28,7
Angenommen 6 :1 2: 28506
Über die chemische Natur der Turmaline. 57
N
R:SiO: |
or sios!
£r:B:Al = 1:2:4—Fe:Mg = 1:3 —Na:H = 1:6.
Gefunden Berechnet
5,02,486,79 37,14
AlIO® 50,56 29,30
ErO? 10,86 1119
B:0% : 951 10,24
FeOl,, 2,91 3,04
MsO 4,47] 4,98 5,06
CaO 0,72] MgO n—
Na?2O 1,36 1,50
H°O 2,25 (3,07) 2,60
99,43 100
Fl 0,65
Auch der grüne T. von der Totschilnaja Gora enthält nach Her-
mann Chromoxyd (1,16 p. C.).
44. Paris, Maine.
D
Rammelsberg.
Grüne Krystalle, von rothem T. nmgeben. (Auch das Umgekehrte
kommt nach Dana dort vor, ja ein Krystall ist am einen Ende grün,
am anderen roth). Die Farbe ist hell, und die Masse durchsichtig und
sehr rein. V.G. 3,069. Wird beim Erhitzen weils, emailartig.
Wegen Mangel an Material konnte ich weder den Glühverlust noch
die Borsäure bestimmen. Letztere ist aus der Thonerde unter Annahme
B:Al= 1:3 und das Wasser in der Voraussetzung von Drittelsilicaten
berechnet.
R.si Welke Aelss:
Gefunden 5.0.5 Mau ror-749
Angenommen 6:1 Dr Ball en ee
Phys. Abh. 1890. T. 8
58 RAMMELSBERG:
| 3R5Si0;
i BR>SiO® |
ı 18R sios |
B:Al= 1:3 — Fe, Mn :Mg, 0a — a ER:H = 1:19 —iheNa
— le
Gefunden Berechnet
SiO? 37,90 38,29
AlO® 40,32 39,42
BO° [9,22] SlE)
FeO 2,73 -
Mn®' 1,53 | eo; 9
MsO 1,20 \ 1,83 1654
CaO 0,88) Me&O —
Li’O 1,46 1,56
Na?001 2,32% 2460 3.28
K’O 0,36] Na?O en
H?O 2,08 2,82
100 100
Der mit diesem grünen T. verwachsene rothe, dessen Analyse
[Kt
weiterhin folgt, ist frei von Eisen und enthält nur halb soviel R’Sı0°.
45. Campo longo, Gotthard.
Engelmann.
Grün. Ne1a.02,9693.
Annahme: der Verlust — 1,14 p. ©. besteht aus Wasser.
Gefunden 7A: 5
Angenommen 6 il DAS A658
B:Al= 1:2,5 (a) oder 1:3 (b) — Fe:Mg
|
©
|
zZ
S)
am
|
H»
Über die chemische Natur der Turmaline. 59
Gefunden Berechnet
Bi b.
Sı 0203789,26 38,47 38,31
AlO® 38,33 38,64 40,00
BO: 9,40 10,23 9,14
FeO 5,65 4,75 4,70
MsO 1,02 0,88 0,88
Na?0 2,43 | 2,68 3,26 3,24
K’O 0,38] Na?0O 4 _
BO, 3,5501 3,199893,73
100 100. 100
Fl 0,60
Drittelsilicate.
ale sio: |
DAR SıO Tr
lıs2 Sı0° |
Die Analyse hat B:Al—= 1:2,8 ergeben. Ferner Al: Sı = 1:1,74.
Istenun B>Al = 122550: mnl3 AL:Sı = 18.7 sem.
— ER) RR lee Er
Die gefundenen Werthe für Al und Si sprechen also zu Gunsten
der Proportion 1:2,5.
46. Elba.
Rammelsbere.
Hellgrün. V.G. 3,112. Wird beim Glühen weils, opak.
Ras Dee
Gefunden Ge! 5.020,76: 6,42: 7,38
Angenommen 6 :1 Da Ba Te lere
B:Al=1:3— FeMn:M=5:1—R:H=1:2— L:N =1:2.
60 RAMMELSBERE:
Gefunden Berechnet
SO BT 38,00
AlO® 41,89 39,69
BO° [9,31] 9,02
FeoO 1,38 \
MnO 2,51 J 3 als
MsO 0,41 0,58
Li?O 0,74 0,86
Na?O 2,40] 2,62 3,57
B:0'0.00,34) NarOln)
MO 3,281) 3,10
100 100
Fl 0,50
Die Differenz in der Thonerde dürfte auf einem Fehler der Ana-
lyse beruhen, da der Betrag der # überhaupt zu grofs ist.
Drittelsilicate.
{
47. Brasilien.
Rammelsberg.
Grüne Vete.10g2
Gefunden 6,0:1 HEN EITEN „33
Angenommen 6 :1 a er ren)
B: Al= 1:9 Bez Me — 91 — Re ae
[&>)
— Li:Na —
1) Glühverlust.
Über die chemische Natur der Turmaline. 61
Gefunden Berechnet
SıO? 38,01 38,18
A1O® 39,00 39,79
BO: [9,64] 9,11
FeoO 3,401 _ E
MnO 2,0| al 2
MsO 0,60 0,58
1420 1,350 1,30
Na:0 221] 249 2,70
RO OR Na?O —
H:®O 2,921) 3,14
100 100
Fl 0,70
Drittelsilicate.
ZR°SIO> |
|
J
48. 49. Brasilien.
Jannasch.
Jannasch untersuchte zwei grüne T. von dort.
I. Barrado Perahy. V.G. 3,029.
II. Andere Krystalle.
Die Analyse I gab 2,15 p. C. Überschufs, und da J. den gefunde-
nen Gehalt an Borsäure (10,74 p.C.) für zu hoch erklärt, auch eine wie-
derholte Bestimmung nicht vorliegt, so ist im Nachfolgenden die Borsäure
aus der Differenz berechnet.
Ü Ü [
R:Si Bear Bess
Gefunden I ol 6.6.2110 26.222.788
IB2 6.10 6.1.20,9:76,4. 77,3
Angenommen u! re Dr
1) Glühverlust 2,92 — 3,19.
RAMMELSBERG:
Beide T. sind auch im Übrigen gleich zusammengesetzt.
B: Al = 1:23 = ke, N: Ma, — 4:1—-R:H —=1:2.
in II L:Na =
Gefunden Berechnet
j I.
SiO? 37,40 37,05 38,27
AlO® 39,02 40,03 40,00
BO’ [19,57] 9,09 9,13
FeO 2,35 2,36] 5,00
MnO ı 22 2,35 J 2 er
MgsO 0,20) 0,74 0,32] 0,55 —
CaO 0,60),0:0 0471820 0,94
1120: 033 0,60 1,57
Na20, 8,59) 3.08, le 3,16
KO 03) 01:0 — a
PO 7 308 3,23 3,93
100 99,83 100
Fl 0,98 1,15
Die Berechnung gilt für I, wo Li
1:2,5 giebt.
:Na,K = 1,5:1 ist, während
Drittelsilicate.
1 STREBEN.
3R®SıO0°
Beide Analysen stimmen mit der meinigen überein.
50.- 51. Brasilien.
Rises.
I. Blafsgrün. U. Olivengrün.
[ = { u Sn
R:Sı Re R 2928
Gefunden 1.6.0: Dee)
11. 6321 70060
Angenommen Dil a
Über die chemische Natur der Turmaline. 63
3R°sio‘ |
R?SiO® |
18R SiO’
B:Al= 1:3 — Fe, Mn:Ca,Mg = 6:1—R:H = 1:2 —Li:Na(K)
[
|
i
|
\
—E le
Berechnet Gefunden
I. I.
S102 38,18 37.3. 0086;91
AlO® 39,83 39,65 38,13
#0° a! 10,10 9,87
FeO 5,36 2,42 3,47
MnO 1,47 2,22
CaO 0,69 0,49 0,38
MsO En 0,04
1140 2556 1571 1,61
Na30% 2,18 2,42 2,70
K?’O 0,25 0,28
20 3,12 3,68 3,64
100 99,53 99,25
Be 0327 01
B:Al ist in I= 1:2,8 oder bei 10,49 B0° (einer zweiten Be-
stimmung) = 1:2,6, in II = 1:2,67 gefunden. In der Rechnung ist
0)
auf Grund der vorhergehenden Analysen 1:3 angenommen; hiermit stimmt
auch das gefundene Verhältnifs Al:Si = 1:1,6 und 1:1,64 überein,
welches nach der Formel 1:1,63 (und nicht 1:1,71) sein mufs.
52. 538. Auburn, Maine.
Liges.
I. Hellgrün. II. Dunkelgrün, derb.
Rs Rs
Gefunden Mar 743 20.820.274
12 703: 7.021.0707704
1,9
Angenommen el 6 33:Ollae: 68:
64 RAMMELSBERG:
| 3R+Sios |
| R’SIO’ ;
18R SiO’
BR/AT = 113° — Fe: Mg,'Ca — 6: 1 WI 16:1D -R:H = 1:2
— De: Na ade 1:15 (ID:
IK JuR
Gefunden Gefunden Berechnet
Sı0? 37,85 36,98 37,88
AlO? 37,13 36,68 39,54
80° 10,55 9,94 ”».05
FeO 4,26] 7,20 \
MnO 0,51] 4,77 0,72. 8,42 6,20
CaO 0,53 0,391) nQ
1? 020,38 1,05 1,03
Na?O 2,16 2,88 3,14 3,20
K’O 0,62 0,44 J Na?0O —
H2® 4,18 4,05 3,10
IITU 100, 17 100
IE 1.
E12405717200562
BEA Ast. m = 9,47
Ne 2253
In der Rechnung ist es, wie in den übrigen grünen T., = 1:3
angenommen.
Während I im Ganzen mit dem T. aus Brasilien stimmt, läfst die
derbe Masse von II Zweifel an ihrer Reinheit zu. Vielleicht ist ein Theil
des Eisens als Oxyd vorhanden.
Berechnet man übrigens B:Al = 1:2,5 und geht von der Thon-
erde aus, so muls
I. 10,56 80° gefunden 10,55
11 10.069 5 > 9,94
enthalten.
1) Mit dem Aeq. von 0,17 MgO.
Über die chemische Natur der Turmalıne.
54. Rumford, Maine.
Gefunden 6
Angenommen 6
Formel der vorigen.
Riggs.
I
Bonsai!
el
R:R:R:Si
6:02:21418:762777.0
be 210 2:761.20,38
65
Dieser T. hat sichtlich dieselbe Zusammensetzung wie der dunkle
Es soll überhaupt nur 0,34 Ms0 enthalten.
Zufolge der beiden mitgetheilten Bestimmungen der Borsäure wäre
B:Al entweder = 1:2,6 oder 1:32,5.
Die Berechnung ist hier doppelt geführt: in A ist B:Al= 1:3,
von Auburn.
inB = 1:2,5 angenommen (letztere mag auch für Auburn II gelten).
Gefunden Berechnet
Au B.
SiO? 36,53 37,88 38,10
AlO® 38,19 39,54 38,28
BO’ 10,03 10,41 9,05 10,10
FeO 7,091) Bao 61
L’O 09 1,03 1,04
Na O8 Fan? 3,20 3,16
H3o "san, To 793/96
99,34 100 100
Fl 0,16
55. Schüttenhofen.
Scharitzer.
Blaugrün, oft von rothem T. umgeben und einen dunkleren Kern
einschlielsend.
V.G. 3,103.
Gefunden 0-8 8
Angenommen 6
Ras RB sı
Ho: E79 9121052
— dee
u
Sl
1) Mit dem Äq. von 0,34 MgO.
Phys. Abh. 1890. T.
2) Desgl. von 0,38 K’O.
9
66 RAMMELSBERG:
B:Al= 1:3 — Fe:Mn = 1,5:1— R:H = 1:2 (gef. 1:2,6)
— ı Nase 5:3:1.
Gefunden Berechnet
Corrigirt
SıO? 36,42 31295
AlO® 39,77 393559
BO’ [8,12] [9,10] 9,05
Feo 417 3,73
MnO 2,83 9,45
11:0 1.54 1,44
Na208 1,93 1,78
K?07 70.98 0,90
a re
100 100
| 3 RS iO;
: R3SiOS }
| ısr sio: |
Auch hier wurde das gefundene Verhältnifs B: Al = 1:3,36 für
1:3 corrigirt, wodurch der Wassergehalt 3,31 p. C. wird.
Nach Scharitzer, welcher die untersuchte Probe als „blaugrün“
bezeichnet, findet sich auf der Lagerstätte theils dunkelgrüner T., dessen
Krystalle oft unten blauschwarz, oben roth sind, theils lichtgrüner, der
bezüglich der Farbe aber nur in dünneren Krystallen selbständig erscheint,
während dickere oft einen dunkleren Kern einschliefsen.
56. Chesterfield, Maine.
Rammelsberg.
Grün, mit rothem T. verwachsen, trübe, weich und mit Quarzpar-
tikeln gemengt. V.G. 3,108.
Die Analyse, welche 41,84 p. ©. Kieselsäure gegen nur 36,96 p. 0.
Thonerde gab, läfst schon die Beimischung von Quarz erkennen. Aufser-
dem fanden sich
Über die chemische Natur der Turmaline. 67
BO?’ 9,73
FeO 6,3 6,65
MnO 0,56 0,68
MeO 1,48 1,85
CaO 027 0,42
Li?O 1,24
Na?’O 2,85
K20 0,50
Fl 055
Glühverlust 3,06
Dieser T. ist wahrscheinlich gleich dem brasilianischen zusammen-
gesetzt.
57. Schaitansk, Ural.
Rammelsberg.
Roth. V.G. 3,082. Wird in der Hitze weils, opak.
R:Si R: R:R:Si
Gefunden 6,9:1 7.6 :28°.17=,9 10,5
Angenommen 6 :1 62, 2910,58
B:Al = 1:3 — Mn:Ms, Ca — 1:35 — R:H—= 1:3 —Li:Na
— 1:71,66
Gefunden Berechnet
Sı0? 38,38 38,90
AlIO®? 42,48 42,77
BO® [9,72] 10,27
MnO 1,53 1,28
MsO 1,62 2,06 1,80
CaO 0,62) MgO —
L?O 0,50 0,53
Na’O 1,53] 1,67 1,90
K:O 0,23) NaO an
H:O 3,41!) 2,55
100 100.22
1) Glühverlust.
9*
68 RAMMELSBERG:
| stesio: |
[@Rsıo:
| 27R sio: |
58. Paris, Maine.
Rammelsberg.
Roth, mit dem grünen No. 44 verwachsen. V.G. 3,019.
sich in der Hitze wie die vorigen.
R:Sı RR: ;
Gefunden 6,3:1 12.8: 1: 122 13;8
Angenommen 6 :1 12.21 2102 1214,38
| cRsio;
7 E10 |
| 36R sio: |
Verhält
B:Al= 1:3 — Mn:Ms, Ca —= 1,5:1— Mg:(a — 1:1—R:H
— le In Naz len:
Gefunden Berechnet
SstO?* "38,19 38,79
AlO®? 41,58 41,41
80° IRalT 9,47
MnO 1,94 1492
MsO 0,39| CaO 0,36
CO 085) oyı 0,50
Li?O 11-107 1,20
Na?0 = Na?0 3,10
KO 0,68) 3,05 ar
1) 3,031) 8529
100 100
Fl 1,18
1) Glühverlust 3,61.
Über die chemische Natur der Turmaline. 69
59. Auburn, Maine.
Riggs.
Farblos und grünlich. V.@. 3,07.
R:Si R:R:R:S$i
Gefunden 62:1 140: 1,1: 1 4&,2
Angenommen 6 :1 12 9: 100312:14,33
| ss sio |
| Rsio: |
| 36R SiO® |
B:Al = 1:2,5 — Fe,Mn:Ca = 5:1 Be Een.
— ER
Gefunden Berechnet
SiO? 38,14 39,07
AlO® 39,60 40,16
BO: 10,25 10,60
FeO 1,6040, }
MnO. Das), eo
CaO 0,43 0,42
Li?O 1,34 1,
Na:O 2,36) NaO 23,35
K:O 0297J 23,54 Yin
H:0 4,161) 3,55
99,58 100
Fl 0,62
Gefunden ist B: Al = 1:2,67. Wären sie = 1:3, so mülsten
SiO? 38,88
AlO® 41,50
50° 9,50
sein.
1) Glühverlust.
70 RAMMELSBERG:
60. Schüttenhofen.
Scharitzer.
Roth, oft grünen T. umschliefsend. V.G. 2,913.
R:Si BB eBes
Gefunden 6,08:1 1:9,0.::0,8 218012152
Angenommen 6 :1 18) :1m218521,33
| ossio:
| RSSiOs}
|sıR S10° j
B#Al = 128 Be, Mn 26a. =
Gefunden Berechnet
Corrigirt
SIO! 38,49 38,81
AlIO® 41,49 41,77
BO: [8,51] [9,49] 9,56
Fe0”- 0,35]
MnO 0,60 J 492 2:
Ca0O 0,82 0,85
Li?O 1,68 1,51
Na?0 1,32 1,24
KO 2,13 1,90
Tomte) Satan 3.28
100 01008
Fl 0,43
Die Correetion gründet sich auf die Annahme von B:Al = 1:5,
was die Analyse —= 1:53,45 ergeben hat. Dadurch wird der Wasserge-
auf 3,37 reducırt.
Nach Scharitzer ist dieser rothe T. der jüngste unter den drei
am gleichen Fundort vorkommenden. Seine Krystalle sind innerlich öf-
ter blals, selbst farblos. Er allein enthält Fluor.
Über die chemische Natur der Turmaline. 71
61. Brasilien.
Riges.
Farblos und röthlich, an den Rändern grünlich V. 6. 3,028.
R:Si RR: B: Si
Gefunden Bro 18.0..0:9218.2199
Angenommen 6 :1 Os ulEE-51(81:211608
|? 9R° RIO: |
ie R’SiO: }
1) 54H Sı0°
B:Al —= 1:3 (gef. 1: a PR nn 1:2
— FeNare 531.
Gefunden Berechnet
SiO? 37,19 38,67
AlO: 42,43 41,60
BO: 9,96 (10,16) 9,53
FeO 0292 2 »
MnO 0,79 J hat 198
CaoO 0,57 0,56
10 103 1,66
Na’?O 2,24] Na?’O 3a
K:O. 0.23] 2,39 2
H:0 3,86 (3,95) 3,27
99552 100
62. Rozena, Mähren.
Rammelsberg.
Blafsrothe, undurchsichtige Krystalle, in Lepidolith eingewachsen.
Beweist durch höheren Kieselsäure- und Kaligehalt die anfangende Ver-
wandlung in Glimmer.
RAMMEL-SBERG:
‘
B:Al= 1:3 — Mn: Me=f = RrH = 1:4 D:Na:K
—,.1.293%9
Gefunden
SıO? 41,16
AlO® 41,83
80° [7,74]
MnO 0,95
MsO 0,61
Li?’O 0,41
Na?’O 187
INCH) Dad
HV 3,761)
100
Fl 15318,
63. Elba.
Rammelsberg.
köthlich. V.@. 3,022. Wird in der Hitze weils, porzellanartig.
R:Si Barnes Bes)
Gefunden one 29,0: 0,96 : 30 : 34,5
Angenommen 6 :1 Se! : 30 : 35,33
| 15R° sio®]
I Rsiosf
Igor sio; |
BAR 123 Mn:Me — 95:1 —R:H — le, ES Na,E
1) Glühverlust.
Über die chemische Natur der Turmalıne.
Gefunden Berechnet
SıO? 38,85 38,88
AlIO® 43,68 42,70
50° 9,52 9,70
MnO 0,92 0,94
MsO 0,20 0,21
Li’O 1,22 1,39
Na?O - 2,00 Na?O 2,86
K’O 1,30 2,86 —
WO 3,371) 3,32
101,06 100
Fl 0,70
64. Rumford, Maine.
Riggs.
Roth, derb. V.G. 2,997.
R:Si BR: R:R:Si
Gefunden (De 394 :1,15:280.:33
Angenommen 6 :1 SU Fit 30:85
BA 173 — Re, Mn: Ga — ea Rat
—; 1198 8 1le
1) Glühverlust.
Phys. Abh. 1890. T.
73
:23,5 — Li: Na
10
74
SıO?
AlO®
80°
FeO
MnO
CaO
Li?O
Na?O
K?®
H’O
Fl
RAMMELSBERG:
Gefunden
38,07
42,24
9,85 (10,18)
0,26
0,35
0,63
1,59
a Na?O
0,44) 2,48
4,26
99,87
0,28
0,61
Berechnet
39,50
42,00
9,74
0,54
0,62
1,39
2,30
3,51
100
Über die chemische Natur der Turmaliıne.
Inhalt.
Einleitung er.
Das Wasser der Turmaline
Das Fluor der Turmaline
Das Eisen der Turmaline
Das Bor der Turmaline 2 ooro, "oa PBrko
Die Frage nach der constanten Zusammensetzung der einzelnen Turmaline
Beurtheilung der Analysen und Resultate der Berechnung
Übersicht der Turmalinreihen
Berechnung der einzelnen Analysen
PHILOSOPHISCHE UND HISTORISCHE
ABHANDLUNGEN
KÖNIGLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
AUS DEM JAHRE
1890.
BERLIN.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1891.
BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT).
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
re raee Ve: 7
AST HOAMKeReE ag Era vun ie aaa
A „ioer Are 2 |
ud sa ARMANI ALT sie AERTAHR Ban N m TARIDIDUR ANGER
SEIEN OR0AD I AO Fir
Inhalt.
WEIZsÄcKER: Rense als Wahlort . jo
ScHmipr: Die Urheimath der Indogermanen und das europäische Zahl-
system
Abh. I. S. 1— 66.
5
fl F h j " ’
A us a vi 2 4
ü
Br i
any,
x Ki)
im
Rense als Wahlort.
Von
H’”* WEIZSÄCKER.
Philos.-histor. Abh. 1890. 1.
Vorgelest in der Sitzung der phil.-hist. Classe am 9. Januar 1890.
Zum Druck eingereicht am 9. Januar 1890, ausgegeben am 20. März 1890.
Die vorliegende Abhandhıng, welche sich in Herrn Professor Weiz -
säcker’s Nachlafs vollständig druckfertig vorgefunden hat, ist aus Vorstu-
dien für eine Geschichte K. Ruprecht’s erwachsen und war anscheinend ur-
sprünglich bestimmt, einen Exeurs zu dem darstellenden Werke zu bilden.
Bei dem Manuscript lhegen „9 Blätter, die nicht zu dieser Untersu-
chung, sondern zur Darstellung gehören“. Zwei davon enthalten eine kurze
Darlegung der Verhältnisse, welche dazu führten Ruprecht's Wahl in Rense
statt in Frankfurt vorzunehmen, und eine knappe Übersicht über die Rolle,
welche Rense bis dahin in der Geschichte des Königswahlrechtes gespielt
hatte; beide sind aber leıder nur im Concept vorhanden und daher nach
den strengen Anschawungen des Verewigten nicht mittheilbar. Das dritte
Blatt, ausdrücklich noch einmal bezeichnet als „in den Text der Darstellung“
gehörig, liegt in Reinschrift vor. Der Inhalt bezieht sich alleın auf das
Äufsere des Königstuhles und mag hier folgen.
Die steinerne Baulichkeit, welche der Königstuhl zu Rense heifst,
ist vielfach beschrieben!). Es scheint, dafs die Restauration von 1624
und die Reparatur von 1779 im wesentlichen nicht viel verändert ha-
1) Im Jahr 1624 hat eine Restauration stattgefunden, im Jahr 1779 wenigstens
eine Reparatur, die Zerstörung fällt unter die französische Herschaft nach Abtretung
des linken Rheinufers, der neue jetzige Bau wurde 1842 vollendet. Über diese Dinge
ist zu verweisen auf die gründliche Abhandlung von Ludwig Müller in Ersch und
Gruber, allg. Encykl. Sektion 2 Theil 38 S. 267—270. Auch J. Hellbach bringt al-
lerlei Notizen, im Rhenus Jahrg. 1883 und 13584, namentlich auch zu der heutigen Wie-
derherstellung. Neben vielen andern Beschreibungen kann hier verwiesen werden auf
Vogt, Ansichten des Rheins 2. Heft, Fraukf. 1805.
1#
4
ben!). Unter der französischen Herschaft nach der Abtretung des linken
Rheinufers kam es zum Abbruch; nachdem 1794 noch die letzte Anwen-
dung gemacht war bei der Inthronisation des neuen Bürgermeisters von
Koblenz, wo auf dem Königstuhl getanzt und unter das Volk Geld und
Weilsbrod ausgeworfen wurde?). Die Wiederherstellung von 1842 ist ein
völliger Neubau, mit zwei Stücken?) aus dem alten, aber im Ganzen
ebenfalls mit Anschluls an das Alte. Schon der erste Bau unter König
Wenzel war ein Achteck. Auf acht äufseren Pfeilern im Umgang, die
durch Spitzbogen verbunden waren, und einem Pfeiler in der Mitte ruhte
ein Gewölbe, und über dieser offenen Halle die achteckige Plattform,
welche für etliche Personen Aufenthalt unter freiem Himmel gewährte,
auch durch eine an der Brüstung hinlaufende Bank die Gelegenheit zum
Sitzen bot. Die Brüstung ging oben ohne Unterbrechung herum, aber
unter einer ihrer acht Seiten hindurch stieg eine von aufsen eindringende
Treppe auf die Plattform selbst hinan, die dadurch ihren Zugang hatte.
Da der Treppenaufgang auf der achten Seite keine Bank zuliefs, so sind
es sieben breite Sitzplätze, vielleicht mit Absicht der Zahl der sieben
Kurfürsten entsprechend. Es ist für uns einerlei, wie zutreffend oder
zweifelhaft die verschiedenen Angaben über die Höhe des Baues oder die
Anzahl der Stufen sind, für die Einbildungskraft ist es genug zu wis-
sen, dals es vom Erdboden bis zum oberen Rande der Brüstung gute
drei Mannshöhen gewesen sein werden, der Durchschnitt von einer Ecke
zur andern fast das anderthalbfache davon.
In der zweiten Anmerkung verweist das Manuscript dieses Blattes
statt auf Abschnitt V auf „den Execurs*, womit ja offenbar die vorliegende
Untersuchung gemeint ist.
Auffallender Weise aber kehren auch in der Abhandlung selbst, wn
drei Noten des letzten Abschnittes Verweisungen auf den „Excurs“ wieder, das
erste Mal in dem Wortlaut „Siehe im Excurs über Rense bei der Wahl
1!) Siehe den [Abschnitt V]. Die alte Beschreibung des Sebastian Brant bezieht
sich auf den alten Stuhl vor der Restauration von 1624, sie ergiebt den Eindruck, wie
er oben ausgesprochen ist.
?) Stramberg Rhein. Antiquarius 2, 4, 381.
3) Kopf und Fufs der Mittelsäule.
h)
Wenzel’s, am Schlufs dieses Bandes“; die beiden andern Male „Siehe Ex-
curs über Rense“ [dazu mit Bleistift: „Karl IV S. 8°] und „Siehe ebenda“
[dazu „Ruprecht S. 7°). Die mit Bleistift hinzugefügten näheren Hinweise
auf die angezogenen Stellen passen genau auf das vorliegende Manuseript.
Dasselbe war also anscheinend zeitweihig nicht als eine einheitliche Abhand-
lung gedacht, sondern sollte z. Th. in die Darstellung der Geschichte Ru-
precht's, z. Th. in einen Excurs zu demselben Buche aufgenommen werden?
Ganz klar ist dieses Verhältnifs nicht; wie man es sich aber auch vorzu-
stellen hat, jedenfalls kann es sich nur um stehen gebliebene Reste einer
früheren Disposition handeln, und es war ganz zweifellos die Absicht des
Verfassers die Abhandlung, so wie sie hier geboten wird, selbständig zu ver-
öffentlichen.
Dieselbe ist mündlich und brieflich von ihm selbst als druckfertig
bezeichnet worden; es fehlte aber noch der Titel, da die dem Manuseript
gegebene Aufschrift „Rense“ schwerlich als solcher dienen sollte. Der hier
gewählte Wortlaut entspricht brieflichen Mittheilungen und dürfte den Inhalt
decken. Andererseits sind die einzelnen Abschnitte im Manusceript mit Über-
schriften versehen, die aber offenbar ebenfalls nicht bestimmt waren in den
Druck übernommen zu werden; sie wurden durch einfache römische Ziffern
ersetzt. In den Noten sind dann die wenigen dem entsprechend geänderten
Verwersungen auf Abschnitte der Abhandlung durch eckige Klammern be-
zeichnet. Einige ganz geringfügige Kleimgkeiten wurden stillschweigend ver-
bessert.
1%
a kleinere Orte am Rhein haben im Mittelalter für
politische Zusammenkünfte engerer oder weiterer Art gedient. Man kann
da Bacherach, Oberlahnstein, Boppard, Andernach nennen. Es kann nicht
auffallen, dafs auch Rense dabei ist. Aber diese Ortschaft!), auf dem
linken Ufer des Flusses zwischen Boppard und Koblenz gelegen, hat eine
ganz besondere Berühmtheit m der deutschen Geschichte erlangt. Es
ist im Jahre 1308, vor der Erhebung Heinrich’s VII., zum ersten Male?),
dafs wir ihr als kurfürstlichem Versammlungsort zur Berathung in Sachen
der Königswahl begegnen. Johann von Victring sagt freilich, es sei da-
mals schon eine alte Gewohnheit gewesen, dort zu diesem Zweck zusam-
menzutreten®), und die Gesta Trevirorum sprechen sich ähnlich aus #).
!) RTA. 1, 16, 22 des dorfes zu Rense 1376 Juli 9; Corr. Bl. des Ges. Ver-
eins Okt. 1884 nr. 10 der statt zu Rentze die vor zeiten ein dorf gewelsen ist; vgl. im
Rhenus 2, 183 (Hellbach).
2) Diese Beobachtung ist schon gemacht in Diss. de inelyta sede regali ad Rense
vulgo von dem Königs-Stuhl bey Rens, sub praesidio Jo. Dav. Koeleri 1755 publice ha-
bita a Chrn. Godofr. Laur. Rinck, Altorfii; oft als Diss. Koeler’s bezeichnet in Citaten.
Gleiche Beobachtung gemacht von Böhmer Reg. 1246—1313 S. 253 u. 576. Zusammen-
stellung der weiter folgenden Fälle bei Altmann Wahl Albr. II S. 17 nt. 2; bei seiner
Wahl ist die vorberathende Versammlung in Heilbronn.
®») Böhmer Fontes 1, 359 in pomerio Rense super litus Reni seeundum consue-
tudinem prehabito tractatu et colloquio.
*) Ed. Wyttenb. u. Müller 2, 202 dominus Baldewinus aliique sex coelectores
WEIZSÄCKER: Aense als Wahlort. 7
Das beweist freilich noch nichts für ein wirkliches hohes Alter der Ge-
wohnheit. Denn wie grundlos solche Behauptungen von der langen Dauer
eines Gebrauchs in der Geschichte des deutschen Mittelalters aufzutreten
pflegen, ist längst bekannt!). Nicht blos dafs man ein Gewohnheitsrecht
aus einem oder zwei Fällen aufbaute, man schritt auch einfach zur Er-
findung?). Es mag aber nun der Fall von 1308 der erste sein oder
nicht?), so haben sich ihm jedenfalls andere angeschlossen, und der Ort
ist dann nicht selten zu Wahlberathungen benützt worden #). Dabei blieb
es aber nicht, es kam in Rense auch zur Ausführung von wirklichen Kö-
nigswahlen, oder zu dem Besteigen des sogenannten Königstuhls durch
den an anderem Orte Gewählten.
Der Mittelrhein lag ja wenigstens einem Theile der Kurfürsten be-
quem, und von Rense scheint das ganz besonders zu gelten. Hier sties-
sen die Besitzungen der vier Rheinischen Wähler an einander. Beson-
ders bei umständlicheren Berathungen und Beschlufsfassungen war da eine
Art häuslicher Behaglichkeit für jeden derselben zu erreichen. Sie hatten
da ihre Absteigequartiere nahe beisammen, jeder auf seinem eigenen Bo-
den, in seinem eigenen Schlosse. Später hat sich, ich möchte fast sagen,
[in] villam Rense inter Confluentiam et Boppardiam sitam, ubi ex antiqua eonsuetudine
ad tractatum de electione habendum consueverunt convenire, ad ipsum traetatum haben-
dum concorditer diverterunt; ubi — in — Henrieum — in futurum Romanorum regem
eligendum — communiter concordarunt.
1) Harnack in den Aufsätzen zum Andenken von Georg Waitz 369 weist hin
auf den üblichen Ausdruck „ex tempore cujus memoria non existit“, vgl. Maurenbrecher
Gesch. d. deutschen Königswahlen 232.
?2) Umgekehrt behaupten die Kurfürsten, um die Nothwendigkeit der Approbation
des Wenzel zu bestreiten, ganz unrichtig, dafs ein solcher Akt etwas ganz unerhörtes sei,
RTA. 1, 100£.
>) Wenn es in Herm. Altah. contin. tertia M. G. SS. 24, 56, 49 heilst „Eodem
anno [1300] eirea festum Michaelis evocatus est dux Rudolfus ad partes Reni ab electo-
ribus“ (vgl. ad Rhenum Böhmer Fontes 4, 510), so ist damit noch nichts gewonnen für
die aufgestellte Vermuthung, dafs damit der Baumgarten bei Rense gemeint sei. Und
Jedenfalls wäre dies noch nicht eine Versammlung in Wahlangelegenheiten, obschon es
dazu führen konnte.
*) Wohl auch in dem Fall, von dem Erzb. Heinr. von Köln an Pabst Clemens V.
schreibt, ist Rense gemeint, 1314 Jan. 15: inter Maguntiam et Coloniam in loco ab olim
ad hoc consueto de futuri regis electione diem ad traetandum statuerunt, in Theiner
eod. dipl. dom. temp. s. sedis 1, 470.
8 WEIZSÄCKER:
eine ganze Theorie von den vier Schlössern ausgebildet. Aber schon 1411
berichtet Nürnberg nach dem Tode Jost’s an Regensburg „daz unsere
herren die kürfürsten am Rein bei Rensse ieglicher auf seinen slossen
wer‘, und schiekten — ir rete zusamen unter die nussbawm bei des kü-
nigs stul. und kom der fürsten selber keiner dar. da giengen die rete
zesammen biz leicht ein hor gen mittemtag, und schieden von einander,
und füre ieglicher wider zu seinem herren“!). Noch werden hier aufser
Rense keine Örtlichkeiten genannt, aber von den vier Schlössern der vier
Rheinischen Kurfürsten wird geredet als von etwas ganz bekanntem, so
dafs Namen nicht nöthig sind. Durch die Erzählung tritt die nahe Nach-
barschaft, der Mittelpunkt Rense, und die Leichtigkeit des Verkehrs in’s Licht.
Sehr viel später hat Sebastian Brant, der 1521 als Strafsburgischer
Stadtbeamter starb, und von dem die älteste Beschreibung des König-
stuhls zu Rense herzurühren scheint?), sich über die Schlösser ausge-
sprochen. Es geschah in der „Beschreybung etlicher gelegenheyt Teut-
sches lands“, einem unvollendeten Werk, einer Deutschen und besonders
Elsäfsischen und Strafsburgischen Chronik. Caspar Hedio hat sie nach
dem Tode des Verfassers seinem eigenen Buch „Ein aufserlefsne Chronick
von Anfang der Welt bis auf das Jar 1539“ (Strafsb. 1539 und in 2. Aufl.
1543) zum Schlusse beigefügt. Da heifst es?): „zwischen Rens und Cap-
pel ligt der künigstul, da man einen Römischen künig nach der chur
hinfüret. — und hat ieglicher churfürst des Rheins ein eigen schlofs
oder statt, da er zu zeiten der chur sicher hinkomen mag und wider
an seine gewarsame von dem künigstul, namlich Mentz Lonstein, Trier
Cappel, Cöln Rens, Pfaltzgraf die Pfaltz oder Chub zu dem nächsten“.
Also hier ist nicht wieder von vier Schlössern die Rede bei den Rheini-
schen Kurfürsten, neben dem Schlofs tritt auch die Stadt auf, es mag
1) Reichstagsakten 7, 129, 5—9 dat. 1411 Juli 19; Adolf Kaufmann, die Wahl
König Sigmund’s, Diss. 1879, S. 56 (diese auch in Mitth. d. Vereins f. Gesch. d. Deut-
schen in Böhmen 1877/83 Jahrg. 17 Heft 1).
?2) So Ludwig Müller in Ersch und Gruber, Allg. Enceyklop., Section 2,
Theil 38, S. 268, dessen Abhandlung Keiner übersehen darf, der sich mit dem König-
stuhl von Rense beschäftigt.
3) Seite DDXL der ersten Auflage Hedio’s; in der zweiten Auflage desselben,
mit besonderer Paginirung, Seite X.
Rense als Wahlort. 9
Rense damit gemeint sein oder auch Caub. Es scheinen drei Sicherhei-
ten gemeint zu sein: einmal, dafs jeder Kurfürst von Hause ab unge-
fährdet an seinen Aufenthaltsort beim Königstuhl gelangen kann, weil im
Allgemeinen ihre Gebiete in der Gegend ziemlich zusammenstolsen, so-
dann dafs ihre vier Aufenthaltsorte bei Rense befestigt sind!), und end-
lich dafs der Weg von da bis zum Königstuhl und zurück sehr kurz ist.
Für den letzteren Gesichtspunkt aber würde die Rheininselburg Pfalz
und das dabei gelegene Caub nicht passen, weil sie schon zu beträcht-
lich entfernt von diesem Königstuhle liegeu. Den letzteren Gedanken der
ÖOrtsnähe hat dann Freher durchgeführt und Braubach ?) statt Caub zu
diesem Zwecke eingesetzt, aber mit anderer Motivirung, in der Ausgabe
des Petrus de Adlo, in den angehängten notae dazu pag. 166”, wo es
heilst ?): „sedes regniı — supra scamna circum habens ad consessum:
ut ibi rex primum intronisaretur [worauf die zweite Inthronisation zu
Aachen folgt] et voce praeconis proclamaretur, loco ideo (ut quidam ob-
servarunt) electo, quod ibidem tonantis tubae clangor a quatuor Rheni
electoribus in propris singulorum terris exaudiri possit: Moguntino in
Lanstein, Treverico in Capella, Coloniensi in Reinsse*) —, Palatino in
Braubach —“. Oder deutlicher, mit Ersetzung von terris durch castellis,
derselbe Freher in seinen Origines Palatinae 1613 par. 2 cap. 2 pag. 8:
1) Michael Sachs in P.IV des Christl. Zeitvertreibers p. 299 denkt daran,
dafs jeder Kurfürst in seinem Schlofs oder seiner Stadt habe zu Nacht sicher ruhen kön-
nen (nach Rinck $. 11). Ähnlich Winckelmann. Dafs aber auch Kurköln eine „Veste*
in Rense hatte, s. Stramberg’s Rhein. Antiquarius 2, 4, 388 und Hellbach im Rhenus
Jahrg. 1 von 1883 S. 68.
2) Liegt sehr nahe beim Königstuhl. Mit Burg und Städtlein darunter ist Gf.
Eberh. v. Katzenellenbogen von Pf. Ludwig II. 1293 Fbr. 10 belehnt worden, s. Pfälz.
Reg. von Koch u. Witte Il nr. 1285, aus Sauer, Nass. Urk.-B. 1, 680 nr. 1148 castrum
Brubach et oppidum situm desubtus. Die über Braubach liegende Marxburg oder Marks-
burg heilst auch Braubacher Schlofs.
?) Es ist die Ausgabe von 1612, während diejenige von 1603 die notae nicht
hat. Rinck eitirt falsch: p. 154.
*) Rense lag zwar in der Diöcese von Trier (RTA. 1, 121, 12), aber RTA.
1, 160, 33 heilst es 1376 Juli 9 „als verre daz gerichte daselbst geet des erwirdigen
ertzebisschofs zu Colne*, und 3, 246, 41 „van sijnre [des Erzb. Friedrich III von Köln]
burgere weigen van Rense“, 1400 Aug. 10, und wieder im Jahr 1400 hatte derselbe Erz-
bischof einen Amtmann zu Rense in der Person des Jo. Sale, RTA. 4, 150, 18 u. 31.
Philos. -histor. Abh. 1890. T. 2
10 WEIZSÄCKER:
„prineipes electores super casibus imperii conventus agere olim frequen-
ter ad Rense oppidum Rheni solitos, annales notarunt: ubi sedes regni
Germaniei et thronus imperialis adhue visitur, cui electus rex more ma-
jorum primo imponitur et voce praeconis (cujus tuba ibi a quatuor elec-
toribus Rhenensibus in singulorum proprüs castellis exaudiri potest) pu-
blice pronuneiatur, de quo alıbi fusius scripsimus [nämlich an der vorigen
Stelle bei uns]. Wenn beide Stellen meinen, dafs die Kurfürsten den
Trompetenschall, der sie zu dem Akte berief, bei der Nähe ihrer Woh-
nungen gut hätten hören können, so versteht es Winckelmann richtig,
der die beiden Stellen Freher’s gekannt und benützt hat in seiner Gründ-
lichen Beschr. der Fürstenth. Hessen und Hersfeld pars 2 cap. 3 pag. 121
Bremen 1697. Ebenso Zedler in seinem Universal-Lexikon s. v. Rense:
die Rheinischen Kurfürsten hätten von ihren Städten und Schlössern aus,
wenn ein neuerwählter König nach der Chur auf diesen Stuhl gesetzet
und durch des Reichs Herolde ausgerufen worden, durch einen Trom-
petenschall zusammenberufen werden können. Dem Wortlaut nach wäre
aber Freher eher so zu verstehen, als ob die Trompete die auf ihren
Schlössern bleibenden Kurfürsten blos hätte darauf aufmerksam machen
sollen, dafs jetzt die Proklamation oder Pronunciation durch den Herold
da unten auf dem Königstuhl eben vor sich gehe. Allein sie mulsten
natürlich selbst dabei sein; und es liegt auch sehr nahe, an diese Art
der Berufung nicht zu glauben. Die Zeit des Aktes war selbstverständ-
lich vorher bestimmt und den Kurfürsten vorher angezeigt, somit die
Trompete für sie sehr überflüssig. Aus der sehr konkreten Art der Be-
zeichnung der geringen Entfernung der Schlösser vom Königstuhl, die
in dem populären Ausdruck liegt „auf die Weite eines Trompetentones“
scheint sich die betreffende Erzählung von dem blasenden Herold ent-
wickelt zu haben. Wenn dagegen Olenschlager!) bereits vorgezogen
hatte nichts von dem Trompetenstols zu hören und zu sagen, so findet
Barthold?) doch wieder, dafs von dem bei Rense erbauten steinernen
Altan aus „ein gellendes Hifthorn oder der trompetende Herold in vier
1) Neue Erläut. des G. B. $ cvıı S. 414—416, vom J. 1766.
2) Der Römerzug K. Heinr. von Lützelburg 1, 310f., vom J. 1330. Er,spricht
da von der Versammlung der Kurfürsten zu Rense im Jahr 1308, wo Heinrich VII. „er-
nannt“ worden sei.
Rense als Wahlort. al
Kurfürsten Landen zugleich gehört werden konnte“, nämlich zu Lahn-
stein, zu Cappel, zu Rense, zu Braubach, wodurch dieser musikalische
Theil des Aktes wieder in sein Recht eingesetzt wird. Man mag übri-
gens immerhin die Redensart von der Trompete gebrauchen, wenn sie
nichts anderes sein soll als der Ausdruck der lokalen Nähe der Orte un-
ter sich, an die dabei gedacht wird. Es darf dann der Verantwortung
Zeiller’s!) überlassen bleiben, wenn er neben einem Jagdhorn auch noch
einen Musketenschufs zur Verstärkung eingeführt hat, als die Instru-
mente, die in den Gebieten der vier Nachbarfürsten zugleich gehört
werden konnten.
Im Übrigen braucht man ja nicht zu bestreiten, dafs bei dem Akt
auf dem Königstuhl auch ein Trompeter gebraucht worden sein mag,
und dafs zu der Bevorzugung der Örtlichkeit ihre für die vier Rhei-
nischen Kurfürsten bequeme Lage von vornherein wesentlich in Be-
tracht kam ?).
II.
Erklärt sich so, warum man gern bei Rense zusammenkam, so
fragt sich doch noch, warum nicht im Innern von Rense selbst die
Geschäfte vorgenommen wurden, um die es sich handelte? Dafs unter
dem pomoerium subtus Rense, wo man sich traf, an einen mit Nufsbäu-
men bepflanzten Raum im Freien zu denken ist, unterliegt keinem Zwei-
fell. Denn er wird näher bezeichnet mit den Worten „unter die nuss-
bawm bei des künigs stul“°), oder „super alveo Reni sub nucibus
1) In seiner Topographia Hassiae S. 67.
2) Auf die Hilfsidee „Rhens gleichsam eine Colonie von Rheims“, die Stram-
berg im Rhein. Antiquarius 2, 4, 369 herbeiruft, sei hier nur der Absonderlichkeit hal-
ber hingewiesen.
DEREAL TU I2I,T.
98
11% WEIZSÄCKER:
seu arboribus nucum prope villam Rens Karolus — est eleetus“!). Und
es schadet nichts, wenn dann auch allgemeiner von einem Obstgarten
oder auch nur Garten die Rede ist: „convenimus in pomeriis subtus
Rense super litus Reni Treverensis dyocesis“?), und „in pomeriis seu or-
tis subtus villam Rense supra litus Reni sitam Treverensis dyocesis, ubi
alias et ab antiquo principes electores ad premissa convenire consueve-
runt“3), oder einfach „in den obstgärten bei Rense“) und „zue Rense
in dem garthen“°). Es ist da immer ein und dasselbe Grundstück ge-
meint, und man darf daher nicht sagen®), dafs im Juni 1343 Kurfürsten
in „einem“ Obstgarten zu Rense rathschlagten, sondern in „dem“ für
solche Zwecke ganz bekannten Garten zu Rense. Ohne Zweifel, wenn
es sich um einen Wahlakt oder sonst um eine gröfsere Zusammenkunft
handelte, namentlich mit dem Charakter ganzer oder theilweiser Öffent-
lichkeit, so bot das Städtchen’), abgesehen von passenden Baulichkeiten,
auch keinen genügenden Platz unter freiem Himmel, wegen der Enge des
Raums zwischen dem Flufs und den ansteigenden Höhen. Es ist dann
aber der Nufsbaumgarten, eine gute Strecke unterhalb der Ortschaft, etwa
in der Mitte zwischen Rense und Capellen, jedoch mehr nach Rense zu,
gewils nicht ohne Grund gewählt worden. Man hätte ja noch näher an
dem Städtchen selbst die Gelegenheit im Freien finden können, wenn
man die Gärten und Äcker der Bürger nicht schonen wollte. Der Nufs-
baumgarten, wo man sich zusammenfand, gehörte sicher der Stadt als
Gemeinde-Eigenthum. Diese Vermuthung bestätigt sich vollkommen, in-
dem die Gemeinde Rense das noch im 19. Jahrhundert gerichtlich nach-
wies als angestammtes Recht seit unvordenklichen Zeiten®). Näher möchte
1) Böhmer Fontes 1, 470.
2) Wahlanzeige an Gregor XI. RTA. 1, 121, 12.
3) Ausschreiben zur Wahl von 1346 bei Lacomblet 3, 343 nr. 430,
4) Rudolf von Sachsen an Nordhausen 1346 Juli 11, in Klöden Dipl. Gesch.
Waldemar’s 3, 89.
DERART: .
6) Riezler Gesch. Bay. 2, 480.
7) Einen Eindruck von dessen Enge erhält man durch Chapuy et M. Moret,
le moyen-äge pittoresque, Paris 1838, tom. 2 nr. 171, Bild einer Stralse mit alten Häu-
sern; und Rhein. Antiquarius 2, 4, 388.
8) Als Gemeinde-Weide „paturage communal“, die der Gemeinde am 24. Juli
Rense als Wahlort. 13
man vielleicht an die mittelalterliche Sitte denken, die Kirchhöfe mit Nufs-
bäumen zu bepflanzen (in Sybel’s Hist. Ztschr. 58, 355). Es wäre hier
in dem Wahl-Felde dann ein Gottesacker zu entdecken, sei es ein noch
im 14. Jahrhundert im Gebrauch befindlicher oder ein ehemaliger, der
jetzt als städtische Anlage dienen mochte. Allein der Nufsbäume wach-
sen bei Rense überhaupt viele, und die Kirche mit dem Kirchhof liegt
auf der anderen Seite der Stadt Rhein aufwärts, ist aber freilich erst aus
dem 14. Jahrhundert (Stramberg Rh. Antiquarius 2, 4, 472f. 479). Jeden-
falls aber ist das Grundstück, um das es sich nun hier handelt, ein Ge-
meindegut. In der vorhin zuerst angeführten Stelle war es freilich 1411
keine grolse Versammlung, für die nicht auch in der Ortschaft selbst
Platz gewesen wäre oder die nicht auch aufserhalb an beliebiger Stelle
in jedem Bürgergarten ohne Störung des Privatbesitzes hätte gehalten
werden können; denn es sind nur die Räthe der Rheinischen Kurfürsten,
die da zusammenkommen!). Aber damals war der bestimmte Platz un-
ter den Nufsbäumen schon üblich, und verstand sich deshalb von selbst.
Wenn hier die Existenz eines alten Gottesackers anzunehmen wäre, so
ist eine solche auch bei sonstigen Gelegenheiten öffentlicher Art nicht
ohne Beispiel. Die Gerichtsstätte der Mendiger Pallenz lag auf dem Nie-
dermendiger Berg, eben bei Niedermendig südlich vom Laacher See; am
23. Febr. 1546 wurde aber das sogenannte Hochgeding auf dem Kirch-
hofe zu Niedermendig gehalten, „dweil winterlicher zeit und schnees hal-
ber ufm Niedermendiger berg, wie sunst gewoenlich, solichs nit hat mu-
gen gescheen“. Die Gerichtsstätte aber der Münsterer Pallenz war schon
am 2. Juli 1372 in der Stadt Münstermaifeld auf dem Hofe vor der Mar-
tins- und Severuskirche, also auch auf einem Kirchhofe, vielleicht über-
haupt und schon von Anfang an, denn es wird nicht gesagt, dals sie
vorher etwa auf einem Berge gewesen ?). Erinnert man sich an das Vor-
1807 auch zuerkannt wurde von Lezay-Marnesia, dem französischen Präfekten von Co-
blenz, s. Hellbach im Rhenus 1884 S.4. Die Gemeinde Rense hat dann 1842 den
eigentlichen kleinen Platz des ehemaligen Königstuhls dem Comite des Wiederaufbaues
geschenkt, ebd. 169.
1) „Schiekten ir rete zusamen*.
?) Die Mittheilungen über Mendig und Münstermaifeld verdanke ich der Güte
Prof. Loersch’s in Bonn.
14 WEIZSÄCKER:
gehen bei Wahl und Reichstag in Formen des Gerichts!), so hat die
Analogie der Wahlorte und der Gerichtsstätten doch etwas verlockendes,
und die Nufsbäume wirken dann auch wieder dazu. Das freilich ist uns
auch ohne dies erspart anzunehmen, als ob diese Bäume „rund herum
[um den Königstuhl] einen heiligen Hayn bildeten“, wie Kirchner in
der Gesch. der Stadt Frankfurt 1, 117 nt. 1 meint.
Man findet noch andere Gemeindeplätze zu Reichssachen verwen-
det, nicht blos den Garten zu Rense?). Beispielsweise soll das Folgende
dienen, ohne dafs irgend eine Vollzähligkeit der Anführungen dabei nö-
thig oder angestrebt wäre. Es ist nur der Analogie der Fälle wegen.
So ist ein Gemeindebesitz das bekannte Galgenfeld bei Frankfurt,
wo der in Rense gewählte König Ruprecht sein Lager aufschlug, um die
Frist von 6 Wochen und 3 Tagen abzuwarten, bis ihn die Bürger in die
Stadt liefsen. Diese Lagerung von 1400 vor der Stadt Frankfurt ıst des-
halb so wichtig, weil die sonst unbestimmt bleibende Örtlichkeit in die-
sem Falle bestimmt wird. Dafs es wirklich das Galgenfeld war, wo der
neue König Ruprecht lagerte, darüber kann kein Zweifel sein. Zwar auch
jetzt wird die Örtlichkeit wie verschleiert gehalten, er selbst datirt „in
campis prope Franckfordiam“ (RTA.4 nr. 135). Aber die Frankfurter Stadt-
rechnungen ergeben, dafs man durch den Scharfrichter erst den Galgen
fegen und die Todten begraben lassen mulste?). Auch hat der Erzbi-
schof Friedrich von Köln die Stadt erst um Genehmigung gebeten, „daz
man in da zu felde wulle lassen herberge beslahin“ +), man möge die
Diebe von dem Galgen thun oder einen Bretterverschlag um den Galgen
machen ?). Dafs der König dann aber nicht durch das zunächst gelegene
1) Siehe unten hei K. Wenzel [Abschnitt IV].
?) Dafs die alten Deutschen ihre Staatsgeschäfte unter freiem Himmel beriethen
u. S. w., wird wohl heute niemand mehr mit dem Garten bei Rense in Verbindung brin-
gen wollen, wie Rinck 21—24 that. Auch die Nulsbäume werden ähnlich erklärt ibid.
24 f.: consuetudo antigua — comitia in lueis.
3) RTA. 4, 200, 1f. 7f., Kriegk Frankf. Bürgerzwiste 249, Battonn Beschr.
von Frankf. 1, 172 nt. 19, Schellhafs das Königslager 60 nt. 2.
4) Lager aufschlagen, Lexer mhd. WB. 1, 1252.
5) Mit breder und borten beslahin, RTA. 4, 150, 33.
Rense als Wahlort. 15
Galgenthor!) seinen Einzug hielt?), sondern durch das Rödelnheimer
Thor), wird zufällige Gründe gehabt haben, und beweist nichts gegen
den besprochenen Lagerort. Und dieser ist natürlich Gemeindegut. Dafs
ein solches Lager aber gleichwohl, wenn auch nicht auf Privatgut aus-
geführt, der Stadt erheblichen Schaden brachte *), ist immerhin begreif-
lich. Denn das Galgenfeld im Ganzen war nicht etwa unangebaut, im
Jahre 1405 wurden auf ihm durch Rathsglieder und Geschworene die
Grenzscheiden der Ackerfelder besehen?), und auch später sollen sich
Nachrichten über angebaute dortige Grundstücke finden®). Das hindert
aber nicht, dafs das Galgenfeld städtisches Eigenthum war und die Stadt
darüber verfügen konnte; die Revision der Ackergrenzen durch Raths-
glieder spricht eher dafür. Es ist wohl richtig, dafs der Platz nach mit-
telalterlichen Begriffen durch den Galgen nicht verunehrt war, denn er
ist höchst wahrscheinlich zugleich Gerichtsstätte gewesen’), und es ist
gleichgiltig, ob sich diese letztere Eigenschaft damals noch erhalten hatte
oder das Gericht selbst bereits in der Stadt gepflogen wurde®). Der Man-
gel näherer Angaben, aufser in den Stadtrechnungen, ist also nicht die Folge
von etwaigem Anstandsgefühl?). Dagegen spricht eben, dafs in einer
Menge von Weisthümern Richtstätte und Gerichtsstätte zusammenfallen.
Nur ein Beispiel: im Hochgericht bezw. Amt Bergpflege lag die Gerichts-
stätte „auf dem Bubenheimer Berge, nicht weit vom Dorf Bubenheim“
(Weisth. vom 16. Nov. 1556), und hier war auch die Richtstätte (Weisth.
1) Jetzt Gallusthor.
2) RTA. 4, 161, 21 und 162, $f., Rieger Altarsetzung 23 und 26.
3) Jetzt Bockenheimer Thor.
*) RTA. 4, 151, 31, vgl. 7, 154, 30, auch 7, 145, 32.
5) Kriegk Frankf. Bürgerzwiste 249 „umb lantscheidunge zu begeen und zu
besehin“ nt. 5.
°) Kriegk 249f.
?) Kriegk 249, Kirchner Gesch. der St. Frankfurt 1, 501.
8) Ich verweise auch auf Lamprecht, zur Socialstatistik der deutschen Städte
im Mittelalter, im Arch. f. soz. Gesetzg. und Statistik herausg. von Hnr. Braun III u.
IV S. 487; dazu Hüffer 474ft.
?) Er erinnert aber an die unbestimmten Ausdrücke „loco ad hoc solito et con-
sueto*, falls diese eine specielle Örtlichkeit Frankfurt's bezeichnen; doch vgl. Harnack
Kurfürstenkoll. 96.
16 WEIZSÄCKER:
vom 12. Dec. 1550)!). Was das Frankfurter Galgenfeld betrifft, so ver-
muthet Schellhafs?), dafs auch Günther hier sich lagerte (vgl. Jan-
son, Günther 26. 39. 59), was nach dem Zusammenhang der Dinge er-
geben würde, dafs er da auch gewählt wurde. Auch Werunsky (Karl IV
2, 151 nt. 1) zieht bei Günther das Galgenfeld als Wahlort dem Klapper-
felde vor. Über diesen letzteren Wahlort s. Olenschlager Staatsgesch.
83f. und N. Erl. der @. B. 18ff. Die Frage über ihn soll hier nicht be-
sprochen werden, obschon sie es bedürfte. Ich verweise auch blos auf
Harnack 96 (Wahlstätten Richard’s, Ludwig’s, Günther’s; dazu Swsp.
ed. Gengler cap. 108).
Man erinnert sich ferner an den Ausdruck von 1122 „apud Lob-
wisen quando dominus imperator annulum et baculum ecclesie remisit“ 3).
Es ist die Örtlichkeit, wo die Verlesung und der Austausch der beider-
seitigen Vertragsurkunden des Wormser Konkordates stattfand). Der
Akt ging nämlich nicht in der Stadt vor sich, denn es war ein öffent-
licher Akt vor dem versammelten Volk und nicht blos vor den Fürsten,
in der Stadt war dazu kein Platz, natürlich aber wäre der noch weniger
dagewesen innerhalb irgend eines andern kleineren bewohnten Orts in
der Nähe), und ausdrücklich heifst es deshalb „hujusmodi scripta atque
rescripta propter infinitae multitudinis conventum loco campestri juxta
Rhenum lecta sunt, data et accepta“®), also jedenfalls im Freien. Na-
türlich ist dieser Punkt nicht bei dem doch schon zu entfernten Lorsch 7),
sondern er ist bei Worms, gleich am Rhein, und er ist eine Wiese, da
war Platz für die grofse Menge. Bei Boos im Urkundenbuch von Worms
kommen in dieser Gegend Schenkungen vor: 76, 9, um 1190 angesetzt,
1) Mittheilung von Professor Loersch.
2) Königslager 60 nt. 2 u. 143.
®) Stumpf Regesten 3182.
*) Brefslau in Mitth. des Wiener Instituts 1885 6, 116.
5) Wie es scheinen könnte, wenn man sagt „zu Lobwisen“.
6) Ekkehard M. G. SS. 6, 260, 31f.
°) Da Loubwisa als Besitzung des Abtes von Lorsch (nach dem chron. Laures-
ham. M. G. SS. 21, 347, 539) ist vielleicht nur ein Theil des Flurkomplexes gewesen,
der diesen Namen führte, während andre Theile desselben im Besitz von Privaten, aber
auch der Stadt Worms gewesen sein können. An das früher zu Worms und jetzt zu
Lampertheim gehörige Bürgerfeld ist erinnert worden.
Rense als Wahlort. 17
heilst es „sita autem sunt hec prata in prato !) quod dieitur Loubwisen“?).
Es ist also ein pratum, das selbst wieder prata in sich enthält, also eine
zusammenfassende Bezeichnung für zusammenhängende Grundstücke, die
zum Grasbau verwendet wurden. Ein Stück dieses pratum’s, ein solches
Theil- Pratum, wird im Besitz der Gemeinde Worms gewesen sein ?).
Den Schlangen-Garten zu Mainz hat Friedrich Il. auf dem glän-
zenden Reichstag daselbst im August 1235 zu einem grolsartigen Fest-
essen benutzt*). Die Sächsische Weltchronik in M. G. Deutsche Chron.
3, 251, 2 berichtet davon: „doselves hadde de keiser enen groten hof to
Megenze to sente Marien missen der eren, dar he cronen droch, unde
waren de vorsten vil na alle dar unde andere herren vile. he at do in
der wormlage in dem velde; dar waren upgeslagen selcene [seltsame] pav-
1) Vgl. den Ausdruck „eollecta curia, in loco qui Lobwise dieitur“, in der Stelle
bei Scheffer-Boichorst annal. Patherbrunnenses 195.
2) Vgl. Boos 141, 18 und 156, 31 vom 13. Jahrhundert. Auch die von Schenk
zu Schweinsberg angeführte Urkunde von 1251 aus Bauer’s Hess. Urkk. 3, 596 spricht
von Wiesen einer Wormser Bürgerin sita in Loubwisen.
3) Es ist beim Konkordat wohl nicht an den Wiesengrund (ein Theil der Wie-
sen heilst Kieselwiese) zwischen Stadt und Fluls zu denken wo jetzt noch Volksfeste
abgehalten werden; ©. Falk meint so, in Forsch. 13, 398. Besser denkt man an die
rechte Seite des Rheins unweit des sagenberühmten Rosengartens. Dies ist die begründete
Ansicht des Freiherrn Schenk zu Schweinsberg (Quartalbll. d. hist. Vereins für das
Grofsh. Hessen 1876 nr. 3 u.4 pag. 11, mit Westdeutscher Zeitschrift 1888 VII S. 96,
Arch. f. Hess. Gesch. 14, 445f.), und Pfr. Frohnhäuser zu Lampertheim hat gefunden,
dafs noch heute in dem schmalen Theile der Gemarkung Bürstadt, der zwischen den Ge-
markungen (s.) Lampertheim und (n.) Hofheim bis nahe an den Rhein vorspringt, eine
Wiesenstrecke liegt, welche den Namen Laubwiese führt (also ist bei Lobwisen nicht mit
Stumpf Regesten 3182, zu denken, dafs dies liege bei Lorsch, in der Mark Heppen-
heim, d. h. an der Bergstrafse). Bisestad, Bisinstidi kommt schon in älterer Zeit als
Versammlungs- oder Zusammenkunftsort vor, es ist das genannte Bürstadt. So 375: rex
de Franconofurt transiens in villa Bisestat prope Wormatiam placitum habuit —, undi-
que eonvenientium querimoniis legitime terminatis —, ann. Fuld. M. G. SS. 1, 386, 1.
So 984: [Heinricus dux] in pascuis ad Bisinstidi pertinentibus ad alloquendos regionis
illius prineipes consedit, Thietm. chr. 1.4 e.3 M. G. SS. 3, 768, 34; inter regem et du-
cem pax firmatur usque ad supramemorata Bisinstidi prata ib. ce. 6 M.G. SS. 3, 770, 4.
4) War Raum in der Stadt, so konnte ein solches Festessen in eigens errichte-
ten Speisehallen stattfinden, wie in Metz zu Weihnachten 1356 in medio eivitatis in placza;
bei Benesch von Weitmil. Vgl. den Reichstag 1338 auf dem Marktplatze zu Koblenz,
bei Ehrenberg RT. 1273—1378 S. 38; dazu S. 53.
Philos.-histor. Abh. 1890. 1. 3
18 WEIZSÄCKER:
lune [pavillone], de de soldan deme keisere gesant hadde. Da ist wurm-
läge [oder wurmgarte] der Ort, wo geheste Schlangen liegen, Schlangen-
garten, wie Lexer erklärt, und Weiland bemerkt dabei, dafs also zu
Mainz ein Garten existirt habe, in welchem Schlangen gehalten wurden.
Das Lokal soll 1298 zu einem politisch bedeutenden Akte gebraucht wor-
den sein. Die ann. Mog. in M. G. SS. 17, 3, 18 berichten: „Gerhardus
archiepisc. Mogunt., dux Saxoniae, et marchio Brandenbuorgensis, Mo-
guntiae in horto ferarum deposuerunt de facto regem Adolfum et substi-
tuerunt Albertum ducem Austriae“!). Es gab also da nicht blos Schlan-
gen, sondern es ist überhaupt ein Thiergarten?) für wilde Thiere. Es
wird dieselbe Bewandtnis haben mit Nürnberg 1274, wo es von K. Ru-
dolf in der Sächs. Forts. der Sächs. Weltchronik 1. ec. 287, 4 heifst: „des
andern tages darnach as her in der wormlage mit den fursten“. Es
mufs in den beiden Städten keinen andern Raum gegeben haben, der
grols genug war, oder man wünschte dem Volk das Schauspiel der Öf-
fentlichkeit zu gönnen. Man darf ruhig annehmen, dafs diese Lokale in
Mainz und Nürnberg auf städtischem Grundbesitze sich entwickelt hatten.
M.
Die Stadt Frankfurt kann seit dem Interresnum durch das Her-
kommen als der gesetzliche Ort für die Wahl der deutchen Könige be-
trachtet werden®). Als es sich aber um die Erhebung des Markgrafen
!) Lorenz Deutsche Gesch. im 13. und 14. Jahrhundert 2, 650 nt., Kopp
Eidg. Bünde 3, 1, 364 nt. 2, und J. Weizsäcker der Pfalzgraf als Richter über den
König 20.
?2) Ein noch heute bekannter Thiergarten, bemerkt Böhmer Reg. 235 S. 371;
und Stramberg Rh. Antiquarius 2, 4, 61 sagt: im Thiergarten zu Mainz, da wo es
jetzt auf dem Höfchen heifst, weil daselbst, vor Erbauung der Martinsburg, die Erzbi-
schöfe einzukehren gewohnt.
#) Harnack in den Waitz-Aufsätzen 369f., und im Kurff. Koll. 96.
Rense als Wahlort. 19
Karl von Mähren auf den deutschen Thron handelte und die Stadt fest
auf der Seite Ludwig’s des Baiern blieb, so wurden die Kurfürsten auf
den 11. Juli 1346 nach Rense eingeladen. An diesem Ort war zwar, wie
wir wissen, schon wiederholt über Wahlsachen verhandelt, aber noch nie
war ein König daselbst gewählt worden. Aus der Geltung Frankfurt’s
als Wahlstadt erklärt sich dann das Folgende. Erzbischof Gerlach von
Mainz durfte die Wahl nur in diese Stadt ausschreiben, und wenn es
nun nicht möglich war in Frankfurt zusammenzukommen, so mulste eine
gewisse Vorsicht in Betreff des abweichenden Ortes gebraucht werden,
zu dem man genöthigt war. Er ladet also den Kurfürsten von Köln
jetzt zwar nach Rense ein, aber zunächst nicht zur Wahl, sondern nur
„ad traetandum de electione“; dann konnte sich ja noch eine Wahl dar-
aus entwickeln, zu der aber nicht geladen war, und dies war natürlich
ein so sehr möglicher Fall, dafs der Ausschreibende schon jetzt darauf
hinzuweisen sich erlaubte „et etiam, si divina clementia annuerit, ad eli-
gendum“!).
Man konnte sich, wenn die unvermeidliche Sache einmal gesche-
hen war, dann damit befassen, den ungewöhnlichen Wahlort als den ge-
wöhnlichen hinzustellen. Benesch von Weitmil thut das bereits: Renis —
ubi iste actus fieri est consuetus?). Bei dem nahen Verhältnifs dieses
Autors zu Karl IV?) mufs man dies geradezu als die officiöse Auffassung
1) Bodmann cod. epist. Rud. 1, 383 und Kindlinger Samml. merkw. Nachrr.
und Urkk. Heft 1 S. 65. Auf diese ganze Feinheit hat kurz aufmerksam gemacht Har-
nack (mit Hinweisung eben auf Bodmann |. ce.) Kurff. Koll. 97 nt. 1. Sie tritt aulser in
diesem Wahlausschreiben auch in den Wahlanzeigen an den Pabst hervor: electoribus —,
ad pretactis periculis — occeurrendum, ubi principes eleetores dieti imperii pro negociis
ejusdem convenire alias consueverunt, — apud quos totum jus et potestas eligendi Ro-
manorum regem in imperatorem promovendum integraliter residebat, convenientibus et perso-
naliter consistentibus, et provide attendentibus non posse conveniencius quam per electio-
nem futuri regis in imperatorem promovendi pretactis periculis et turbacionibus obviari
(Theiner cod. dipl. d. tt. s. s. 2, 162 und 163). Die Kurfürsten kommen also gar nicht
zum Wählen nach Rense, aber da sie einmal dort sind, fällt es ihnen nach reiflicher Er-
wägung eben doch ein, und dann thun sie es auch wirklich.
2) Fontes rer. Bohem. 4, 513 ed. Emler 1884 (SS. rer. Bohem. ed. Pelzel
u. Dobrowsky 2, 339) convenientes ad locum, cui Renis vocabulum est, super insula
Reni, ubi iste actus fieri est consuetus, — direxerunt vota sua in — Karolum. Die
Rhein -Insel ist auf keinen Fall richtig.
°) Ottokar Lorenz Geschichtsquellen 1, 308 —10.
20 WEIZSÄCKER:
betrachten, wie Karl selbst sie verbreitet wissen wollte: Rense ist der
herkömmliche Wahlort!
Von gröfserer Bedeutung ist aber eine solehe Behauptung in einem
officiellen Aktenstück, und auch dies fehlt nicht. Schon in dem vorhin
erwähnten Ausschreiben des Tags nach Rense, von Erzb. Gerlach von
Mainz an Walram von Köln gerichtet, tritt sie offen hervor. Von die-
sem Ausschreiben haben wir aber zwei Fassungen, die bei Lacomblet
3, 343 nr. 430 und die andere bei Bodmann 383 und Kindlinger 65.
In der ersten derselben, auf die es hier ankömmt, heifst es, dafs er den
Tag anzeigt zur Verhandlung über die Wahl und mit Gottes Hilfe auch
zur Wahl selbst: ad tractandum de eleetione hujusmodi — et etiam di-
vina nobis suffragante elementia ad eligendum; und etwas weiter
unten wird von Rense gesagt: ubi alias et ab antiquo prineipes elec-
tores ad premissa convenire consueverunt. Also auch zur Wahl selbst
dort zusammenzukommen sind die Kurfürsten von Alters her gewöhnt.
Es ist aber, wie wir sahen, noch eine andere Fassung dieses Ausschrei-
bens vorhanden, die dieselbe Adresse trägt, jedoch in verschiedenen Be-
ziehungen abgeschwächt erscheint, die bei Bodmann und Kindlinger!).
Wurde in dem früheren Exemplar an der göttlichen Hilfe kein Zweifel
ausgesprochen (suffragante), so tritt sie jetzt nur noch im Konditional-
satz auf: sı dıvina elementia annuerit, und von dem Wahlort heifst es
nur: ubi alias et ab antiquo principes electores convenire consueverunt,
und nicht „ad premissa“ dabei, welches letztere, wenn es dastünde, das
eligere als Zweck mit eingeschlossen hätte. Diese beiden Fassungen des
Ausschreibens bestehen neben einander, sie enthalten im Übrigen die glei-
che Aufforderung, sind vom gleichen Orts- und Tagesdatum, und scheinen
beide expedirt worden zu sein?). Aus welchem Grund nun auch diese
doppelte Expedition erfolgte, man sieht jedenfalls, dafs auf die Art der
Fassung dieses Punktes Gewicht gelest wurde. Die eine Fassung sagt, dafs
im allgemeinen die Kurfürsten von Alters her in Rense zusammenzukom-
!) Bodmann cod. epist. Rud. 382— 383, Kindlinger Samml. merkw. Nachr.
u. Urk, 65; und offenbar ist die Fassung, welche Lacomblet l.c. nt. 1 noch daneben
für ein zweites Exemplar der Urkunde angiebt, dieselbe wie bei Bodmann und Kindlinger,
nur sind die Varianten nicht alle mitgetheilt.
2) S. Lacomblet l.c. nt. 1. Datum Metz 1346 Mai 20.
Rense als Wahlort. Pat
men gewöhnt gewesen seien; die andere erst fügt hinzu, dafs dies zu Wahl-
verhandlungen und auch zur Wahl selbst geschehen sei. Tritt nun hierin
ein Schwanken zwischen beiden Auffassungen hervor, so setzt sich diese
Unsicherheit fort in den Wahlanzeigen, die Balduin von Trier und Jo-
hann von Böhmen noch von Rense aus am 11. Juli 1346, dem Tage der
Wahl selbst, an Pabst Clemens VI. erliefsen!). Nur dafs, wenn bei
dem Wahlausschreiben die zwei Auffassungen sich auf zwei verschiedene
Exemplare vertheilen, sie hier im gleichen Exemplar neben einander vor-
kommen. Zuerst heifst es, dals in Rense die principes electores dieti
imperii pro negociis ejusdem convenire alias consueverunt, also im all-
gemeinen in Reichsgeschäften. Dafs hier der Wahlort sei, können sie
eben nicht behaupten, wenigstens nicht gleich. Allmählich, denn es ist
zu lockend, thun sie es doch: loco pretacto ad hoc apto et honesto et
consueto — in — Karolum — direximus vota nostra, und schliefslich,
damit kein Zweifel am Ort möglich ist, wird noch beigefügt „acta sunt
hee in pomeriis predietis“. Und dies ist natürlich die eigentliche Mei-
nung, die man hiermit zu verbreiten beabsichtigt, zunächst am päbst-
lichen Stuhle geltend macht. Alle Unsicherheit zwischen beiden Fassun-
gen hört aber völlig auf in emer der übrigen Wahlanzeisen. Zwar die
von Karl selbst an Strafsburg?) und an Hohenzollern), und die von
Balduin an Biberach) gerichteten haben nur die Äufserung, dafs die
Kurfürsten bis dahin gewöhnt waren sich für Reichssachen in Rense zu
versammeln, also im allgemeinen. Aber die deutschgeschriebene An-
zeige Rudolf’s von Sachsen an Nordhausen 5) tritt ganz offen und unge-
nirt mit der Behauptung hervor: (zu Rense am Rhein) da man vor al-
ters hat Römische Könige erkoren. Daraus geht auch vollends mit Ge-
wifsheit hervor, dafs die Wichtigkeit, die wir auf die einzelnen paar Worte
legten, eine wohlbegründete war. Man hat es eben in jenen Tagen für
wichtig genommen, aber geschwankt, unter Schwanken durchzudrücken
1) Bei Theiner cod. dipl. dom. temp. sanctae sedis 2, 162 nr. 159 und 2, 163
nr. 160 (Huber reg. Kar. IV Reichssachen nr. 6 pag. 524).
2) Wenckeri apparatus 201, und daraus in Olenschlager St. Gesch. 256.
3) Böhmer-Ficker acta imperii selecta 561.
*) Ebenda 749.
°) Klöden dipl. Gesch. d. Mf. Waldemar v. Brandenb. 3, 89.
233 WEIZSÄCKER:
gesucht, bis Einer es wagte, die reine und bestimmte Lüge ohne alles
Schwanken in die Welt zu schicken. Wie gerade Rudolf von Sachsen zu
der Keckheit kam, deutet er nicht an. Sein Brief ist wie die Briefe der
Andern aus Rense und vom 11. Juli dem Tage der Wahl datirt, aber im
Unterschied von ihnen nicht kanzleimäfsig, sondern individuell gehalten.
Man wird bemerken, dafs diese Geschichtsfälschung im Ganzen sehr
behutsam vorgenommen ist. So in den Ausschreiben Gerlach’s am mei-
sten, wo die Haltung noch etwas versteckt ist, und die Unwahrheit nur
im einen Exemplar vorkommt; zuversichtlicher und mit dem entscheiden-
den Wort loco consueto in einigen Schreiben an die Kurie, aber doch
so, dafs diese Vorstellung ihre Neuheit nicht verbergen kann, indem sie
zusammen mit apto et honesto in den Text gleichsam hineingeschmei-
chelt wird; „bequem und anständig“ war ja der Ort, warum sollte er
nicht immer dafür gehalten werden, nicht längst gebraucht worden sein?
Besser wäre diese Eigenschaft des Ortes gleich zu Anfang des Schreibens
angebracht gewesen, aber weiter hinten fiel sie weniger auf, wenn man
so gut darauf vorbereitet war. Und geschickt ist diese Vorbereitung
gemacht. Aber fast wohlthuend wirkt dagegen die völlige Unverfroren-
heit, mit der die nackte Lüge endlich, dritte Stufe, bei Rudolf von Sach-
sen auftritt.
Wenn Karl am gewohnten Orte gewählt wurde, so bedeutet das,
dals es der richtige Ort war. Und das wird deshalb sehr wichtig, weil
ihm bald genug wirklich vorgeworfen wird, dafs er non in loco debito
sich wählen liefs, denn de jure et antiqua consuetudine imperii appro-
bata [—um] est quod debet eligi — in loco Frankenfurt, wie Ockam in
einer Schrift gegen ihn geltend macht!). Und Henr. de Hervordia?) er-
zählt von der Gegenpartei: imperiales autem et fautores Lodewici dixe-
runt, electionem ejus penitus esse nullam, et ipsum nee motivis nee loco
nec tempore nec modo debitis electum, und weiter unten: item nec loco
debito Karolus fuit electus, puta Vrankenvord —°). Es ist daher, wie
1) Höfler aus Avignon 14 und 15; neu und gut herausgegeben von Karl Mül-
ler, Festschrift, Giefsen 1888, S. 16, 25; 20, 6; 23, 8; vgl. über diese Schrift Riezler
Liter. Widersacher 271f.
?) Ed. Potthast S. 275, vgl. Werunsky Karl IV. 1,439 nt. 3.
3) Der Merkwürdigkeit wegen sei hier bemerkt, dafs Villani (eronaca ed. F.
Rense als Wahlort. 23
in Voraussicht dieses Angriffes, alles Mögliche geschehen, um Rense als
den durch das Gewohnheitsrecht des Reiches zur Wahl bestimmten Ort
hinzustellen, und zu diesem Zweck eine dreiste Erfindung zu wagen.
Aufser der Unrichtigkeit des Orts wurden der Wahl Karl’s IV.
auch noch andere Vorwürfe gemacht, wie bei Heinrich von Hervord auch
wegen tempus und modus!). Dafs nicht Alles in Ordnung war, ist offen-
bar auch das Gefühl der Wähler. Sie empfinden daher das Bedürfnis,
in der Wahlanzeige dem Pabste zu sagen, wie sehr sie gewünscht haben
ulterius in dieto electionis negocio rite et legitime procedere, dem ein
weiteres rite eligendo entspricht.
So wird zunächst sehr hervorgehoben das vorausgehende Über-
legen und Verhandeln, das schon vor dem Wahltage wie es scheint, je-
denfalls aber auf diesem selbst stattgefunden hatte, und das soll wohl
von vornherein zum allgemeinen Eindruck der Richtigkeit und Rechts-
siltiskeit des Verfahrens führen (Harnack 105).
Dann aber noch anders weiterhin, ulterius! Die Erhebung auf den
Altar zu Frankfurt war freilich sogleich in Rense nicht möglich, und
konnte erst 1349 nachgeholt werden, s. Fritz Rieger Die Altarsetzung
der Deutschen Könige nach der Wahl, 1885 Diss. Berlin S. 15—18.
Aber auf die Abhaltung einer Messe, wie sie durch die Goldne
Bulle (ed. Harnack ec. 2 $ 1) dann auch ausdrücklich vorgeschrieben ist
als dem Wahlakte vorangehend, dürfen wir schliefsen aus dem Berichte
der Gesta Trevirorum?): invocato spiritus sancti adjutorio — elegerunt.
Gherardi — Dragomanni 12, 60) sagt, die Wahl wäre eigentlich per consueto in Nürnberg,
aber Karl habe vom Pabste Dispens erhalten, dafs er sich wählen lassen könne wo er
wolle. Die vita Lud. IV. (Böhmer Fontes 1, 159) läfst Karl sich nach Bonn (Pung)
begeben, et, quia in civitate eligi non poterat, in aquis Rheni proklamirt werden.
1) Ed. Potthast S. 275: nec tempore debito quod per comitem Palatinum Reni
fuerit ad eligendum assignatum, ad quod etiam per eundem prineipes electores fuerint ad
eligendum convocati. ad comitem siquidem Palatinum Reni de jure et antiqua consuetu-
dine regni pertinet hec determinare. vide prineipium capituli „Ludewicus“ [S. 230, wo
auch gesagt wird, dafs der Pfalzgraf die Zeit von Recht und alter Gewohnheit des Reichs
wegen bestimme]. sed nee istud in eleetione Karoli factum est. Vgl. über Termin und
Ausschreiben Harnack Kurff. Koll. 95 u. 97, und in Waitz-Aufsätzen S. 367—369 — 371.
2) Ed. Wyttenbach und Müller 2, 258.
24 WEIZSÄCKER:
Ähnlich Benesch de Weitmil!). Diese Messe fand wohl ebenso gut im
Garten selbst statt wie bei Ruprecht’s Wahl zu Rense im Jahre 1400.
Dafs der Gewählte sich erst geweigert und dann erst langsam
nachgegeben, gehört fast auch zum nothwendigen Ceremoniell. Benesch
l. c. und Franeiscus Pragensis?) berichten davon. Auch in der kurfürst-
lichen Wahlanzeige an die Kurie l. ec. tritt dieser Theil der Sache sehr
umständlich auf. Die blofse bescheidene Überlegung des Anerbietens er-
wähnt Karl selbst in den Wahlanzeigen®). Natürlich ist als Ergebnifs
auch das wahr, was Heinrich von Diessenhoven (in Böhmer Fontes 4,
51) ganz einfach ausdrückt: cui eleetioni eonsensit. Man kennt diesen
alten Gebrauch äufserer Bescheidenheit, und darf sich auch hier darüber
nicht wundern, so widersinnig da die Zurückhaltung war, wo man ihm
Ja nachsagte, dafs doch alles schon vorher durch Korrespondenz abge-
macht gewesen sei (Heinr. Hervord 1. c.). Dafs später Ruprecht diesen
Theil des Ceremoniells ebenfalls aufgeführt habe, davon finde ich wenig-
stens keine Nachricht. Vielleicht ist bei ihm doch einiges Gefühl durch-
gedrungen, dafs die richtige Bescheidenheit die gewesen wäre, dem legi-
timen König nicht an die Krone zu tasten.
Auch eine öffentliche Verkündigung der Wahl findet in Rense statt,
wenn auch natürlich, wie wir sahen, ohne Erhebung auf den Altar. Bal-
duin von Trier und Johann von Böhmen berichten davon bei Theiner
l. e.: electione autem hujusmodi celebrata eam elero et populo copiose
multitudinis ibidem existenti feeimus publicari. Wohl vorher schon fällt
die Vorstellung im engeren Kreise der in unmittelbarer Nähe anwesen-
den Fürsten, bei Heinrich von Diessenhoven 1. c.: et se ut Romanorum
rex principibus ostendit — honoratus ab eis ut rex Romanorum ut de-
euit (nuneios — misit ad papam). Also Verkündigung der Wahl und per-
sönliche Vorstellung*), natürlich alles noch im Garten, wo im Jahre 1400
die Verkündung des Neugewählten wahrscheinlich von dem neugebauten
!) Ed. Emler in Fontes rer. Boh. 4, 513 (und Seriptores ed. Pelzel und Do-
browsky 2, 339).
2) Fontes rer. Boh. 4, 442 ed. Emler (Dobner 6, 300).
?) Wencker appar. 201 und daraus bei Olenschlager St. Gesch. Urkk. S. 256,
und Böhmer-Ficker acta imp. selecta 561.
*#) Harnack 106.
Rense als Wahlort. 235
Königstuhl herab stattfand. Dazu dann endlich Vermeldung der Wahl
nach aufsen, an Fürsten und Städte und an den Pabst!), falls man dies
noch mit zu den Wahlhergängen rechnen will.
Man kann es übergehen, dafs bei Barthold im Römerzug 1, 310
schon bei dem Vorakte der Wahl Heinrich’s VIl. zu Rense 1308 „ein stei-
nerner Altan“ auftritt. Bei Karl IV. geht Olenschlager in der St.
Gesch. 358 weiter, und ebenso in der N. Erläut. der G@. B. 414, indem
er berichtet, man habe Karl’n IV. nach dem Wahlakte ın Ermangelung des
sonst zu dieser Feier bestimmten hohen Altars zu Frankfurt auf dem
gleich vor Rense gelegenen Königstuhl in die Höhe gehoben, um ihn dem
anwesenden Volke vorzustellen. Ihn hat dann sichtlich Pelzel vor Augen
gehabt?). Werunsky?°) wendet dagegen den Umstand ein, dafs in den
Quellen von der Vornahme eines solchen Aktes nichts überliefert seı.
Einfacher kann man sagen, dafs es damals noch gar keinen Königstuhl
gab. Dafs aber bei der Proklamation das Publikum ein Vivat rex rief
und eine Fahne aufgesteckt war, mag ja ganz richtig sein*). Es kann
gleich hier bemerkt werden, dafs Olenschlager ohne allen Grund den
König Wenzel, als er von der Frankfurter Wahl zu seiner Krönung nach
Aachen zog, auf dem Königstuhl nochmals, nachdem es schon in Frank-
furt geschehen), dem Volke vorgestellt werden läfst®). Auch jetzt be-
stand dieses Gestühle noch nicht. Allerdings war schon am 11. Nov.
15747) verabredet worden, dafs die Wahl in dem Baumgarten zu Rense
stattzufinden habe, wozu es dann nicht kam, aber nicht einmal bei die-
ser Verabredung war die Rede davon, dafs er in Rense auf einen irgend-
wie erhöhten Punkt zu bringen sei, sondern im Gegentheil soll man ihn
nach der Wahl nach Frankfurt auf den Altar führen wie es gewöhnlich
sei?). Ein solcher Zwischenakt nach der (Frankfurter) Wahl und vor
1) Werunsky 1, 436f.
2) Pelzel Karl 1, 150.
3) Werunsky Karl IV. 1, 436 nt. 2.
*#) Vita Ludovici bei Böhmer Fontes 1, 159.
5) Rieger l.c. 18.
6) Olenschlager G. B. 415.
Hg Eh 115%
S)ERAT IE TOP SIETE
Philos.-histor. Abh. 1890. T. 4
26 WEIZSÄCKER:
der (Aachener) Krönung tritt überhaupt erst bei den Wahlen von Jost
und Sigmund wenigstens in Aussicht!). Pelzel?) hat denselben bei Wen-
zel nur aus Olenschlager.
IV.
War Karl IV. unregelmäfsigerweise in Rense gewählt worden, so
hat es bei seinem Sohne Wenzel zunächst ganz den Anschein, als ob es
auch bei ihm so gehalten werden sollte. Olenschlager G. B. 415 weils
sogar zu berichten, dafs Karl den Sohn lieber zu Rense als zu Frank-
furt gewählt haben wollte, „um die Rechtmälsigkeit seiner eigenen Wahl
zu beschönigen“, und dafs die Kurfürsten ihm hierin widerstanden hätten!
Die Sache ist diese. Am 11. Nov. 1374 erweist der Kaiser dem
Erzbischof Kuno von Trier unter vielem andern die Gefälligkeit, dafs er
das Reichsgesetz aufhebt, wonach der deutsche König in Frankfurt ge-
wählt werden muls®). Die hier gemeinte Bestimmung ist im 1. Kap.
(art. 16) der inzwischen entstandenen Goldenen Bulle enthalten: in civi-
tate Frankenford sepedieta conveniant [principes electores] electuri regem
komanorum in caesarem promovendum. Diese gesetzliche Bestimmung
hat Karl dann noch öffentlich in einer kurzen besonderen Urkunde vom
gleichen Tag wirklich aufgehoben, und die neue gesetzliche Bestimmung
entspricht auf das Wort hin dem betreffenden Artikel der umfassenderen
für Kuno bestimmten Urkunde.
Doch in einem Hauptpunkte sind beide verschieden. In der län-
geren Urkunde verspricht der Kaiser alles dafür zu thun, dafs, wenn
Wenzel noch zu väterlichen Lebzeiten erwählt würde, die Wahl geschehe
„in dem baumgarten zu Rense uff dem Rine bij Stolzenfels gelegen und
1) Weiter unten, wo diese Beiden behandelt werden [in Abschnitt VII].
2) Pelzel Karl 2, 909 nt. 6 und im Wenzel 1,53 nt. 1.
MERTASLIETT.3 art 19%
Rense als Wahlort. 97
nyrgen anders“. In der kürzeren Urkunde hat er das weggelassen!). Vor
Entscheidung dieser Dinge gab es natürlich Verhandlungen, die wir nur
nicht mehr haben, wo aber die Meinungen auseinandergingen. Wahr-
scheinlich hat der Erzbischof verlangt gehabt, dafs für künftig einfach
Rense als Wahlort statt Frankfurt’s in die neue Gesetzesbestimmung komme.
Abgesehen davon, dafs das Abkommen nur so einen wirklichen dauern-
den Werth für Trier hatte, so ist auch ım Texte der für Trier bestimm-
ten Urkunde vielleicht noch eine Spur davon, dafs er früher anders ge-
lautet hat oder lauten sollte nach Absicht oder Entwurf Kuno’s. Näm-
lich zuerst soll da „unser son“ zu Rense gewählt werden, und darnach
soll man „den Roemschen küning“ nach Frankfurt zur Exaltation führen.
Also in der ersten Stelle ıst nur von dem Falle Wenzel’s die Rede, und
in der zweiten, im engsten Zusammenhange damit, vom Römischen Kö-
nig im allgemeinen. Entweder müfste es heifsen: Wenzel soll zu Rense
gewählt und dann noch nach Frankfurt geführt werden, oder aber: der
künftige Römische König überhaupt soll in Rense gewählt und erst nach
der Wahl nach Frankfurt geführt werden. Es ist leicht zu erkennen,
dals das letztere die Meinung Kuno’s war. Aber darin liest es: den all-
gemeinen Vorschlag der Wahl in Rense beschränkt Karl auf den Fall der
Erwählung seines Sohnes, die Führung auf den Altar zu Frankfurt blieb
stehen für alle künftigen Gewählten. Dort hat die Veränderung des Kur-
trierischen Entwurfs stattgefunden in Karl’s Sinn, hier ist die volle Durch-
führung desselben aus Zufall unterblieben, und sie konnte unterbleiben
ohne Schaden, weil, was für alle künftigen Gewählten galt, auch für Wen-
zel gelten mufste. Die allgemeine Fixirung der Königswahl auf Rense
aber hat Kuno jedenfalls nicht erreicht.
Als Veranlassung der Verfassungsveränderung wird an beiden Stel-
len angegeben: dals die Wahl frei sein möge. Eine solche Einwendung
gegen Frankfurt kann nicht wohl heifsen, dafs in der Reichsstadt der
König oder Kaiser, wenn er noch am Leben ist, zu viel Einflufs haben
würde auf die Wahl seines Nachfolgers; die Stadt hat ja nicht zu wäh-
len, sie bietet nur Herberge den Wählern. Aber allerdings will Kuno
eine wirkliche Freiheit, nämlich die freie Wahl des Wahlortes, nachdem
1) Wie auch Huber Reg. Kar. 5422 bemerkt.
4*
38 WEIZSÄCKER:
er die Fixirung der Wahl nach Rense nicht hatte erzielen können. Es
ist die einzig mögliche Auslegung. Sie empfiehlt sich auch deshalb, weil
das Gesetz, die kleinere Urkunde, dann einfach den Sinn hat, man solle
künftig wählen können, wo man will, und weil sich also damit von selbst
erklärt, warum in demselben kein anderer Ort dafür angegeben ist, wäh-
rend in der gröfseren Urkunde diese Freiheit einfach wiederholt, nur für
den einzigen nächsten Fall dem Kurfürsten von Trier schon jetzt zuge-
geben wird, dafs es Rense sein soll. Es liest sehr nahe, dafs es dem
Kurfürstenkollegium zugedacht ist, überhaupt von jetzt ab den Wahlort
jedesmal festzusetzen!). Darum kann Karl nur sagen, dals er zum näch-
sten Falle Alles für Rense thun wolle, weil es nicht allein von ihm ab-
hing. Dieses gegenüber von der Goldenen Bulle neue Recht der Kur-
fürsten tritt auch gleich 1376 ein, indem in Rense sie selbst die Wahl
erst noch nach Frankfurt legen, Karl selbst mitten unter ihnen?). Ja
vorher schon, im März 1376, haben die Kurfürsten den Wahlort bestimmt,
und zwar nach Frankfurt, es war auf dem Tag zu Nürnberg, und Karl
zeigt es von dort dem Pabst am 30. März an?). Ausgeschlossen war ja
auch Frankfurt nicht durch die neue Bestimmung; aufgehoben war nur
die Ausschliefslichkeit dieser Stadt, wie sie die Goldene Bulle festgesetzt
hattet). Ich glaube nicht, dafs es Karl’'n mit Rense auch nur für den
nächsten Fall jemals Ernst war. Deshalb konnte in dem Gesetz auch
ganz gut die Führung auf den Altar wegbleiben. Diese verstand sich
ja von selbst, wenn es Karl’'n gelang, dafs trotz Allem die Wahl doch
in Frankfurt vorgenommen wurde°).
1) Wie dies ja bereits längere Zeit mit der Festsetzung des Wahltermins der
Fall gewesen war, s. Harnack in Waitz-Aufsätzen 367—368. Im Jahr 1308: in diem
eoncordavimus et ipsam prefiximus, M. G. LL. 2, 490, 19. In der G. B. hat dieses
Recht Kurmainz, Harnack ib. 368 und in dessen Kurf. Koll. 150.
2) RTA. 1, 125, 10 eoncordavimus in locum opidi Frankemfaurte.
3) RTA. 1, 90, 11 nr. 60 prineipes eleetores eoneordarunt.
#) G. Bulle ed. Harnack ce. 1 art. 15 eleetores Frankenfurd — esse debeant
constituti.
?) Ich bemerke zu diesem Abschnitt noch, dafs ich nicht ganz einverstanden
bin, wenn man nun den Sinn der an Kuno ausgestellten Urkunde so wiedergiebt: End-
lich [aufser andern Punkten dieser Urkunde] sollte die Bestimmung der Goldenen Bulle,
dals die Wahl in Frankfurt vor sich gehe, widerrufen und „damit die Wahl und Kur frei
Rense als Wahlort. 29
Damit kommen wir auf die Frage, wie es sich gemacht hat, dafs
nun gleichwohl schon 1376 nicht zu Rense, sondern doch wieder zu Frank-
furt gewählt wird. Karl hatte bereits am 11. Nov. 1374 dem Verlangen
Kurtriers offenbar nur nothgedrungen, und vielleicht auch da nur halb,
und auch das nur scheinbar und vorläufig, nachgegeben. So wird es
uns nicht befremden, wenn er im Jahre 1376 dem Erzbischof die eine
Concession, die der Wahl Wenzel’s zu Rense, in Rense selbst wieder zu
entziehen sucht. Dies zeigt uns der Brief Johann Pfaffenlap’s!), und nur
von diesem Gesichtspunkt aus kann dieser Brief verstanden werden. Zu-
erst, das zeigt der Brief, thut der Kaiser so als ob er beabsichtige sei-
nem Zugeständnils von 11. Nov. 1574 Folge zu geben, er kommt mit
den Kurfürsten wirklich zusammen in Rense, nicht etwa zu vorausgehen-
den Berathungen, sondern zur Vornahme der Wahl selbst: die wal aldar
vorzunemmen. Das heilst, er thut wenigstens so. Aber ehe es dort zu
einer Wahl kommt, giebt es noch eine Unterredung zwischen ihm und
den Kurfürsten, wobei ein Streit entsteht zwischen ihm und etlichen von
ihnen, nämlich Kurtrier (dieses ist voran genannt) und Kurköln?). Es
wird nicht gesagt, worin dieser Streit seinen Grund hatte?), aber man
sieht es aus dem Folgenden ganz klar, „das wart zu stunt übertragen,
und wart der künig nit gewelet zu Rense“. Darin lag die Differenz:
der Kaiser will nicht zu Rense wählen lassen, wie er sich doch den An-
schein gegeben hattet), aber die beiden Erzbischöfe wollen die Wahl dort
haben. Balduin von Trier hatte das kaiserliche Wort, und Friedrich von
Köln wollte als Herr in Rense die Aussicht auch nicht fahren lassen.
Eine Ehre war es für beide, denn auch Kuno?) war geehrt, wenn die
sein möge,“ sie in dem Baumgarten zu Rense vollzogen und der Gewählte erst dann in
Frankfurt nach altem Brauche auf den Altar gesetzt werden.
1) RTA, 1, 80f. nr. 53.
2) Dals es nur diese zwei sind, welche Opposition machten, wird daraus wahr-
scheinlich, dafs alle anderen Kurfürsten gleich mit Karl nach Frankfurt reisten, und nicht
mit diesen beiden; sie sind alle genannt in nr. 53. Der Kaiser hatte die Mehrheit des
Kollegiums auf seiner Seite.
%) Ich sehe ihn nicht, wie Eschbach 69, in einem Bedenken der Beiden gegen
die Führung der Mainzer Kurstimme durch Ludwig von Meifsen.
4) Noch hei der Abreise dahin, RTA. nr. 53. Pfaffenlap und die Frankfurter
liefsen sich von ihm täuschen, so gut wie die Kurfürsten.
5) Das ist vollständig zuzugeben. Aber dafs „durch die Vornahme der Wahl in
30 "WEIZSÄCKER:
Wahl in seiner Diöcese stattfand. Sein dem Trierer gegebenes Verspre-
chen zu halten, gedachte aber Karl wohl niemals. Schon am 30. März 1376
schrieb er aus Nürnberg an Gregor XI., alle anwesenden Kurfürsten seien
dahin einig geworden, dafs die Wahl am 1. Juni zu Frankfurt stattfinden
solle, also nicht zu Rense (RTA. 1, 91, 4). Damals war der Kurfürst von
Trier freilich nicht. dabei gewesen!), er wird aber seinen Widerspruch
nicht aufgegeben haben. Karl mufste sich deshalb den Anschein geben,
als ob es ihm mit Rense Ernst sei?). Wie sie aber richtig in Rense bei-
sammen sind, sucht er die Sache nach Frankfurt zu ziehen. Der Streit
löst sich, und zwar bald, wie es scheint, aber nach dem Willen Karl’s
und nicht nach dem Verlangen Kurtriers?). Von Wenzel heifst es#): „ime
war ein gut furheissen geton“; das Übrige wird nach Frankfurt gelegt,
nämlich die Hauptsache, die Wahl. Die Parteien sind aber doch noch
verstimmt, denn sie reisen nicht zusammen nach Frankfurt, Karl und
Wenzel kommen schon am Sonntag den 8. Juni dahin, mit ihnen Pfalz,
Brandenburg, Sachsen, Kurmainz. Die zwei Freunde Kurtrier und Kur-
köln aber langen erst Montags den 9. Juni dort an. Man möchte fast
fragen, ob Karl am 3. Juni in Bacharach auf dem Rückwege ihrer noch
Rense den Rheinischen Kurfürsten ein gewisser Einfluls auf die Verhandlungen gesichert“
werden konnte, glaube ich nicht, weil ich nicht sagen könnte, worin er bestände. Es sind
auch bei Wenzel’s Wahl nicht die Rheinischen Kurfürsten überhaupt, die auf Rense drin-
gen; sie haben sieh in Nürnberg ja mit hergegeben zu dem Beschlufs vom 30. März, der
auf Frankfurt lautete (RTA. 1, 91, 3), wo nur Kuno von Trier fehlt. Der Kölner
scheint zu schwanken, da er in Nürnberg am 30. März auch mit den Andern bei dem
einmüthigen Beschlusse ist, vermuthlich weil er die Leitung Kuno’s dort nicht genofs wie
nachher in Rense; Beide sind schon 20. Juni 1371 in sehr engen Beziehungen wegen der
Wahlfrage, wobei der Kölner als der Abhängige erscheint (RTA. 1 nr. 9).
!) Laut Görz Trier. Reg. urkundet er am 7. April in Ehrenbreitstein.
”) Karl hatte am 30. März dem Pabste den 1. Juni als Tag der Frankfurter
Wahl angekündigt (RTA. 1, 91, 4), am 22. Mai gab er dem Gesandten desselben Probst
Audibert die Verschiebung auf 10. Juni zu (RTA. 1, 100, 14). Gleichwohl findet der
Akt zu Rense schon am 1. Juni statt (RTA. 1 nr. 44 und 53). Also ist es ihm gewifs
nicht Ernst damit, die Wahl in Rense vornehmen zu lassen, wenn er auch hingeht.
>) Man kann also gewils nicht sageu, dafs Karl Mittel und Wege gefunden habe,
mit einem geschickten Zuge dem Pabste, dem Erzbischof von Trier und der goldenen
Bulle gerecht zu werden. Auf den Trierer pafst das nicht.
DARTATI NSS:
Rense als Wahlort. sl
gewartet hat, als er dort seinen Brief!) an Frankfurt schrieb. Sie be-
eilen sich nicht ihm nachzukommen, sie wollen den Einzug in Frank-
furt nicht mitmachen, und es gelingt ihnen das zu vermeiden. Bei einer
so starken Verstimmung kann es wohl Wunder nehmen, dafs Karl und
die Kurfürsten am 10. Juni in der gröfseren ihrer Wahlanzeigen an die
Kurie erzählen können?), Kuno selbst sei es gewesen, der in Rense die
Verlegung des Wahltages nach Frankfurt vor ihnen und der ganzen Ver-
sammlung feierlich verkündigt habe. Eine Demüthigung ohne Gleichen,
da er das vertragsmälsige Recht hatte, die Wahl in Rense vorgenommen
zu sehen. Man könnte versucht sein an diesen peinlichen Vorgang nicht
recht zu glauben; jedenfalls diente seine Erwähnung mit dazu der Kurie
begreiflich zu machen, dafs die vollste Übereinstimmung in Rense er-
reicht worden sei.
Die Partei Karl’s, die ihm in Rense zum Sieg verholfen hatte,
bleibt nun ganz stramm bei ihrem Programm, so dafs Ruprecht die Frank-
furter, welche Wenzel beim Einzug in die Stadt als einen König empfan-
gen wollten, daran hindert, indem er sagt: „er wer’ noch nit gewelet“.
Was war denn aber nun in Rense geschehen? Was ist das „gut furheis-
sen“, das Wenzel dort erhielt und von welchem Pfaffenlap berichtet ?)?
Es ist das eine Redeweise wie sie dem Verständnisse des Publikums nahe
lag, den technischen Ausdruck aber dürfen wir von Karl erwarten. Und
der hat ihn auch gegeben in seinem Brief an Frankfurt, den er auf dem
Weg dahin am 3. Juni in Bacharach schrieb*). Er behauptet da freilich,
dafs es ohne allen Zwist und Zank) abgegangen sei, und das ist nicht
wahre), aber das andere wird richtig sein, wenn er sagt, dafs sie zu
Rense den Wenzel zum Römischen Könige „genant“ haben und dafs sie
ihn über acht Tage in Frankfurt zum Römischen Könige „kysen* wol-
DERTA I nr..44.
2) RTA. 1, 121, 26—30.
3) RTA. 1, 81, 8 nr. 53: ime war ein gut furheissen geton, und zugent die wal
gen Frankenfurt.
4) RTA. 1 nr. 44.
5) On alle zweiunge und on alle stozze.
6) Pfaffenlap RTA. 1 nr. 53 sagt das Gegentheil deutlich, und es ist wie wenn
er beabsichtigt hätte Karl’n direkt zu widerlegen, indem er dasselbe Wort braucht: und
wurdent etteliche fürsten etwas stössig mit ime,
32 WEIZSÄCKER:
len. Und das ist die „gute Verheifsung“, die der Candidat dort erhielt,
während das „Kiesen“ verschoben wurde. Es sind ja, wenigstens in der
Zeit vor der Goldenen Bulle, zwei Theile der Wahl zu unterscheiden, no-
minare und eligere, und diese beiden Theile, die sonst am gleichen Ort
auf einander folgen, werden hier getrennt, der eine ist nach Rense ver-
legt, der andere für Frankfurt vorbehalten!).
Die Stimmgebung fällt auf den ersten Theil, das nominare; aber
diese Stimmgebung ist nicht die entscheidende Handlung. Ganz deutlich
wird der Sinn der Stimmgebung bei Heinrich VII?): in Henricum votis
diligenter inquisitis consensimus concorditer et ipsum nominavimus quili-
bet nostrum pro se in regem eligendum; oder: direxisse concorditer vota
sua in Henricum in eum consentiendo et ipsum nominando in regem eli-
gendum. Bei Ludwig dem Baiern®): in L. nos votis nostris per domi-
num Moguntinum diligenter inquisitis consensimus concorditer et ipsum
nominavimus quilibet nostrum pro se nullo penitus discrepante in R. re-
gem eligendum. Und bei Friedrich dem Schönen*): tandem in F. consen-
simus et in ipsum vota nostra direximus ipsumque nominavimus eligen-
dum in regem. Der erste Theil besteht also zunächst aus dem vota in-
quirere, welches dann den consensus der bekannten Einstimmigkeit er-
giebt, und das Resultat ist das nominare. Aber es bedeutet noch kein
nominare regem, keine Ernennung des Königes, sondern nur ein nomi-
nare in regem eligendum, eine Nennung der bestimmten Person mit
dem Zweck und der Folge, dafs sie zum König gewählt werden soll und
gewählt werden wird. Diese Wahl kann nun schon nicht mehr ausblei-
ben, aber sie ist noch nicht geschehen. Eine Art Abstimmung ist da,
d. h. die Einstimmigkeit ist constatirt und dies allein war der Zweck der
ersteren; aber die rechtliche Folge davon ist noch nicht ausgesprochen.
Das letztere geschieht erst durch den zweiten Theil des Gesammt-
aktes. Er besteht darin, dafs Einer von denen, welche zu dem einstim-
migen Votum beigetragen haben, den speciellen Auftrag der Übrigen er-
1) Die örtliche Trennung der beiden Theile des Wahlakts soll hier nur berührt
werden.
2) M. G. LL. 2, 490, 36.
®), Riedel Cod. dipl. Brand. 2, 1, 358.
*) Olenschlager Staatsgesch. Urkk. S. 64.
Rense als Wahlort. 33
hält, das eligo auszusprechen und dies dann in ihrem und seinem eige-
nen Namen thut. Es schliefst sich das approbavimus der Übrigen an,
und damit ist dann der Gesammtakt der Erwählung fertig. So bei Ru-
dolf I.!): [Heinrieus] eleetionis tempore de nobis [Rudolfo] celebrate in
Ludovieum eoncorditer extitit compromissum; qui compromissum hujus-
modi in se reeipiens, suo et dieti Heinriei ducis fratris sul ac omnium
aliorum prineipum jus in electione habentium auctoritate et nomine in
Romanorum regem sollempniter nos elegit. Oder bei Heinrich VII.?):
ego Rudolfus de mandato et voluntate speciali coeleetorum meorum om-
nium eundem Henricum elegi solemniter in hune modum: — ego vice
mea et coelectorum meorum omnium ex potestate mihi ab eisdem tradita
specialiter et concessa eundem invocata sancti spiritus gratia eligo in re-
gem. Und wörtlich ebenso bei Ludwig dem Baiern®), und Friedrich dem
Schönen#). Mit der Aufstellung dieses Wählers, der für Alle wählt, läfst
sich vergleichen eine der Einrichtungen, wie es beim Gericht gehalten
wird. Der Richter frägt einen Schöffen oder Dingmann um das Urtheil,
und dieser geht mit den Übrigen hinaus um nach draufsen gepflogener
Berathung das Urtheil einzubringen, welches dann der Gefragte gleichsam
Namens Aller ausspricht?). Nur dafs bei der Königswahl nicht hinaus-
gegangen wird; aber das Prineip der Übertragung auf einen Einzelnen
ist dasselbe. Nun hat Harnack andererseits die Vergleichung der Ver-
kündigungen der Königswahl mit denjenigen der Pabstwahlen ganz tref-
fend durchgeführte); also was ich hinzufüge, ist nur die Erklärung für
die genannte Übertragung auf einen Einzelnen, die sich bei dieser Ver-
gleichung noch nicht ergeben hatte”). Schliefslich ist aber nicht zu ver-
1) Bericht darüber in der etwas späteren Urk. der Quellen und Erört. 5, 278,
dat. Augsb. 1275 Mai 15.
2) M.G. LL. 2, 491, 16ff., mit dem lin. 37 folgenden approbavimus der Übrigen.
3) Riedel 2, 1, 358, ebenfalls mit dem folgenden approbavimus der Übrigen.
*) Olenschlager St. G. Urkk. S. 64.
5) Planck das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter 1, 255. Die Königs-
wahl in Formen des Gerichtes s. bei Werunsky Karl IV. 2, 153; den Reichstag s. bei
Wacker der Reichstag unter den Hohenstaufen 50 ff.
6) Harnack Kurff. Koll. S. 107.
”) In der Analogie mit der Bischofswahl ist es nicht Einer sondern aliqui, wes-
wegen Harnack selbst zweifelt, S. 108 nt. 1.
Philos.- histor. Abh. 1890. 1. 9
34 WEIZSÄCKER:
gessen, dals auch bei der Übertragung auf jenen Einzelnen, der doch nur
die übereinstimmenden Vota Aller ausspricht, der Gedanke nicht fehlt,
dafs eigentlich Alle wählen. Beides zusammen ist vereinigt bei Friedrich
dem Schönen!): quem nos elegimus in hune modum: nos Rudolfus no-
mine meo ac vice et nomine coelectorum meorum Fridericum eligo.
Ausdrücklich mit der Votirung aller Einzelnen wird die Wahl zusammen-
gebracht bei Karl IV.?): tandem in Karolum direximus vota nostra ipsum
in regem rite et concorditer ac solempniter eligendo. Und ganz einfach
heifst es auch: Rudolfum in regem elegimus?), und: Albertum nos cum
ceteris principibus electoribus in regem elegimus®). So kann man sich
auch ausdrücken, obgleich die Übertragung vorausging, wenn auch der
summarische Charakter mehrerer Berichte diese Übertragung nicht aus-
drücklich erwähnt?).
Einen zu allererst vorausgehenden besonderen Theil des Aktes an-
zunehmen®), das oculos injicere, oculos dirigere, intuitum convertere?),
scheint mir nicht angebracht, da dies nur zu den vorangehenden Ver-
handlungen und Berathungen gehört, die das ja gar nicht umgehen konn-
ten, daher es mitunter auch gar nicht erwähnt wird®). Oder es wird
auch zu dem requirere vota gerechnet?). Ich würde namentlich nicht
gern sagen, dals Einer der Anwesenden den bereits ausersehenen Kandi-
daten „nannte“. Es ist ja natürlich, dals dies geschah, aber das „Nen-
nen“ oder „nominare“ ist der Terminus technicus für etwas anderes, wie
wir bereits gesehen haben, und der Gebrauch dieses Wortes hier zum
!) Carl Müller der Kampf 2, 383; dazu Olenschlager St. G. Urkk. S. 64.
?) Theiner cod. dipl. dom. temp. 2, 162.
®») Bodmann cod. epist. Rud. S. 6 nr. 5; oder oculos injeeimus eligentes M. G.
LL. 2, 393.
*) Chmel Formelbuch Albr. I im Arch. für K. ö. G. @. 1849 Heft 258. 229,
Sonderabdruck S. 19. — Vgl. auch bei Richard in Q. u. Erörter. 5, 278: direxit votum
eligendo.
5) Harnack 106 und 108.
6) Harnack 105.
7) Wie bei Rudolf I. M. G. LL. 2, 393, Albrecht I. ib. 467 und 470, Heinrich
VI. ib. 490.
8) Wie bei Ludwig dem Baiern Riedel 2, 1, 358, Friedrich dem Schönen Olen-
schlager St. G. Urkk. S. 64.
?) Wie bei Friedrich in der andern Stelle C. Müller der Kampf 2, 383.
Rense als Wahlort. _ 35
Beginn führt leicht zu einer Verwechselung; eine zweimalige Nominatio
ist natürlich nicht denkbar und sicher auch von Harnack nicht ange-
nommen worden.
Wir bleiben also bei den zwei Theilen des Gesammtaktes, dem
nominare und eligere, und zu Rense war Wenzel „genant“, aber noch
nicht „gewelet“. Das letztere findet dann in Frankfurt statt, zuerst die
Messe!), und dann haben sie ıhn „erwelet und erkoren“?). Das geschah
in der Sakristei?) der Bartholomäuskirche, und dann folgt Überlegung
und Konsens des Gewählten*), darauf die Altarsetzung?) und die öffent-
liche Verkündigung auf dem Lettner®), und damit ist alles so weit, dals
ihm die Bürger nun mit Grund die königlichen Ehren erweisen kön-
nen?). Die Frankfurter hatten eben, wohl nicht genauer bekannt mit
der Bedeutung der einzelnen Stadien des Wahlverfahrens, den Brief Karl’s
vom 3. Juni®) falsch verstanden gehabt, haben die Sachen aber dann,
als sie aufgeklärt waren, ganz richtig in ihr Rechenbuch eingetragen:
das Botengeld für den Brief des Kaisers „daz sin son zue eime R. ku-
nige genand wer’“?), und darauf eine andere Ausgabe für Thurmbe-
wachung „due Wenczla gekarn ward“!0). Mit dem „genand“ hatten sie
zuerst alles für vollendet angesehen; aber schon beim Einzuge waren sie
aufgeklärt worden durch den Widerspruch des Pfalzgrafen: „do wolt’s der
1) RTA. 1, 121, 33; 122, 12; 123, 33; 126, 3; spiritus sancti gratia invocata
ist dasselbe wie sacris missarum finitis sollempniis. In Rense fand keine Messe statt,
weil es keine Wahl war. Sie ist jedenfalls von Karl nicht erwähnt als dort vorgekom-
men (RTA. 1 nr. 44 u. 82), auch von den Kurfürsten nicht (RTA. 1 nr. 80).
?) RTA. 1, 74, 4 u. 74, 35; weletent zu künige, im Berichte Pfaffenlap’s RTA.
nr. 53.89.81 lin. 16.
3) Sacristia sagt das Protokoll RTA. 1, 72, 2, also amtlich sicher; Pfaffenlap
hat den kor ib. 1, 81, 16.
DERART TA
5) Fritz Rieger 19f.
DIRT WS2
”) RTA. 1 nr. 55 und det man ime do alles, das man einem künige tun sol,
worunter das Obige jedenfalls mitzuverstehen ist; Altarsetzung und Verkündigung werden
wenigstens eher noch zur Wahl gerechnet sein, worauf er erst „künig* ist.
8) RTA. 1 nr. 44.
ERIAS SIE S3, 35:
D)ERIEALSI ESG
36 . WEIZSÄCKER:
herzoge von Peigern nit; er wer’ noch nit gewelet“!). Man darf viel-
leicht annehmen, dafs Karl dieses Auftreten Ruprecht’s gerne sah, mög-
licherweise sogar einen stillen Auftrag dazu gegeben hatte; denn jetzt,
wo man in Frankfurt war, mufste der Standpunkt ganz streng und auch
für die Öffentlichkeit klar eingehalten werden, welcher der des Kaisers
ist, dafs die eigentliche Wahl erst zu Frankfurt stattfinde. Kurtrier und
Kurköln mögen vorausgesehen haben, dafs es bei diesem Einzug eine
störende und für sie doch peinliche Scene geben konnte, jedenfalls mulste
es da zu Tage kommen, dafs sie in Rense nicht erreicht hatten, was sie
wollten und woran sie glaubten, und so haben sie es dann eingerichtet,
dals sie einen Tag später in der Stadt eintrafen, um das nicht mit an-
sehen und mitmachen zu müssen. Sonderbar ist es, dafs bei diesem
Stande der Dinge nicht allzu lange später, im Juli 1411, kurmainzische
Gesandte den Frankfurtern gegenüber zu behaupten wagen, nicht blos
die Wahl Ruprecht’s, sondern auch diejenige Wenzel’s sei zu Rense vor
sich gegangen, und das steht in der eigenen amtlichen und gleichzeitigen
Aufzeichnung der Frankfurter selbst?), und es ist dabei nichts erwähnt,
dafs die Letzteren den Irrthum abgewiesen hätten oder auch nur erkannt
haben. So sehr hatte sich die Kenntnifs dieser Dinge bereits wieder
verdunkelt.
Wenn man nun nichts anderes hätte und wüfste als das amtliche
Protokoll der Frankfurter Wahl, so müfste man urtheilen, dafs in der
That hier Alles genau nach der Goldenen Bulle geschehen sei. Sie be-
stimmt in cap. 2 art. 1, dafs in der Bartholomäuskirche zu Frankfurt der
Eine und ungetheilte Wahlakt stattfindet, und in cap. 4 art. 2, dafs der
Kurfürst von Mainz die Abstimmung leitet, indem er der Reihe nach
herumfrägt, so dafs er selber zuletzt von den übrigen Stimmgebern um
seine eigene Stimme gefragt wird®). Diese einfachere Weise kennt also
nicht die frühere Abtheilung in nominare und eligere. Wer gewählt wer-
den sollte, das ward, früher, schon durch die nominatio entschieden, aber
abgemacht war die Wahl erst durch das elegi des Einen Beauftragten.
BDA, 81, 18:
2) RTA. 7, 150, 25.
3) Harnack S. 212 u. 216.
Rense als Wahlort. 3
Doch an die Stelle der Einstimmigkeit ist jetzt das Prineip der Stimmen-
mehrheit getreten!), es war kein Platz mehr für Zweitheilung des Wahl-
akts, es blieb nur übrig ein einziger Hauptakt, die Abstimmung, die ihr
Resultat in sich selbst trug. Und genau darnach richtet sich das Pro-
tokoll?) vom 10. Juni 1376: Abstimmung in der neuen Weise, und das
ist die Wahl, elegerunt. Auf etwas vorhergegangenes wird dabei nur an
Einer Stelle hingedeutet: premissis variis tractatibus sollempniter repetitis.
Die Verhandlungen mit Repetition sind die von Rense und die von Frank-
furt. Was für Rense bleibt, sind also nur vorausgehende Verhandlungen,
die um so weniger zu bedeuten haben als sie nun in Frankfurt und zwar
jetzt mit Sollemnität erst noch repetirt?) werden, wie wenn sie vorher
gar nicht stattgefunden hätten. Hier ist jedes Wort überlegt. In Rense
hatte ja in der Wirklichkeit die Nominatio stattgefunden, aber von ihr
ist gar nicht mehr die Rede; in Rense durften nur noch vorläufige mehr
private Verhandlungen vorgekommen sein, aber durch die feierliche Wie-
derholung*) derselben in Frankfurt verlieren die Renser Verhandlungen
ihren speciellen Werth, indem jetzt erst von vorn angefangen wird, die Ver-
handlungen jetzt erst eigentlich von officieller Natur sind. Gar aber von
einer Nominatio zu Rense ist in diesem Protocoll entfernt nicht die Rede.
Hatte das Protokoll den Namen Rense nicht genannt, nur ver-
blümt auf irgend etwas vorausgegangenes hingedeutet, so fehlt selbst eine
solche schwache Hindeutung ganz in der allgemeinen Wahlverkündigung
der Kurfürsten’), wie in der des Kaisers®), nur von Frankfurt wird ge-
sagt, dafs da erwelet und erkoren worden sei. Und so ist es auch in
dem kürzeren der beiden Briefe an den Pabst?). Dagegen in dem län-
1) Goldene Bulle cap. 2 art. 4 u. 5, bei Harnack S. 213f.
2) RTA. 1 nr. 45.
>) RTA. 1, 72, 9 nr. 45 sollempniter.
4) In der That ist der Gegenstand derselben in Frankfurt (RTA. 1 nr. $0 art. 2)
wesentlich als derselbe wie in Rense (art. 1) geschildert: Sorge für das Reich wegen
Kränklichkeit und Alter des Kaisers sowie die Tauglichkeit der Person Wenzel’s vor an-
dern Personen. Und auch hier wird die Wiederholung hervorgehoben in art. 2 nonnullis
iterum deliberacione previa tractatibus prehabitis.
DERArTZIENENAG:
SDERPAFTonr. 47.
7) RTA. 1 nr. 79, bezw. 81: in opido Frankenfurt votis concordibus elegimus
nemine discrepante.
38 WEIZSÄCKER:
geren Schreiben an den Pabst!) ist doch ausdrücklich von Rense erzäh-
lungsweise berichtet, dafs da varlı tractatus stattgefunden hätten, beson-
ders vom Bedürfnils des Reiches und de persona ydonea, und ein ge-
wisses convenire in certam personam, aber nicht ihre Nominatio, die im
Gegentheil mitsammt der Electio für den richtigen Ort Frankfurt vor-
behalten worden sei?). Und in der That berichtet Jeckelin Lentze-
lin®), dafs man es so gehalten: dafs man defs kaisers son erwelet hat
und genant*) zu Franckfurd vur ein Römischen konig.
Gewils sollte man demgemäls nun denken, dafs die Nomination
auch wirklich zu Frankfurt vorgenommen worden wäre und dafs sich
aufser diesem Bericht einer Privatperson auch in officiellen Stücken etwas
davon finden müsse. Aber davon ist keine Spur zu entdecken, weder
in dem Briefe Karl’s an die Städte?), noch in jenen längeren Wahlan-
1) RTA. 1 nr. 80, bezw. 82.
?) Ib. art. 1: ibidem [in Rense] in certam personam convenimus in Romanorum
regem debitis loco et tempore nominandam ac post hoc ut moris est sollempniter eligen-
dam. (Dies und sonst nichts meint wohl auch Spondanus a. 1376. 5: Gegenstand zu Rense
die deliberatio personae doneae, zu Frankfurt die ipsa electio.) Und weiter: de et super
certa nominacionis et electionis hujusmodi die concordavimus in locum opidi Franken-
furt ad nominacionem et electionem Romanorum regis predietas que dies nominacionis et
electionis in pomeriis Rensee per dietum Cunonem extitit sollempniter publicata. Wie-
derholt also und mit nachdrücklicher Weitläufigkeit wird die Nominatio, nicht blos die
Electio, auf Frankfurt angesagt.
DER AsEIEnnEHA:
*) Dafs übrigens hier „genant“ nicht als term. techn. für den der Wahl voraus-
gehenden Akt der nominatio gebraucht ist, sieht man daran, dafs es erst auf „erwelet“
folgt. So ist es auch in den zur „Gewinnung der Reichsstände“ vorkommenden Stücken
RTA. 1. Der Ausdruck „nennen“ hat sich eben auch nach der G. B., weil man ihn
einmal gewöhnt war, erhalten, nur nicht so, dafs er einen besonderen Theilakt bezeichnet;
er kommt deshalb auch da mindestens ebenso oft nach als vor dem „kiesen“ vor, dem er
doch vorausgehen mülste, wenn er im alten Sinne noch für einen eigenen Theilakt gebraucht
wäre. In den Stücken, die Wahl von 1376 angehend, nr. 44. 80. 32, handelt es sich da-
gegen gerade ex professo um die Trennung und darauf wieder folgende Vereinigung bei-
der Theilakte. In den Stücken von der „Gewinnung der Reichsstände“ ist „kyezen und
nennen“ und „nennen und kyezen“ ganz gleichbedeutend mit „kyezen und welen“ und
„welen und kyezen“, und alles dies wiederum ist ganz gleichbedeutend mit dem einfachen
„kyezen“ oder dem einfachen „welen“.
SRIDATELET 9020:
Rense als Wahlort. 39
zeigen an die Kurie!). Das letztere ist um so auffallender, als zu An-
fang dieser Stücke die Nominatio doch ausdrücklich so vorkommt, dafs
sie zu Rense für Frankfurt vorbehalten worden sei?). In der That aber
läfst die Schilderung dieser Stücke in Frankfurt nach den genannten non-
nullis tractatibus nicht zuerst zur Nominatio schreiten, sondern blos und
sofort zur Wahl: elegimus?). Also die Nominatio fällt hier als beson-
derer Theilakt geradezu aus, und zwar in dem Augenblick, wo es dazu
kommen mülste, und einfach deswegen, weil sie für eine wirkliche Wahl
nach der Goldenen Bulle gar nicht palst und man jetzt in dieser Hin-
sicht nach der Goldenen Bulle verfahren will und verfährt: wie Frank-
furt allein der gehörige Ort ist, so hat man in Frankfurt einfach ge-
wählt und gar nicht nominirt, und da eine Nominatio doch in Rense
stattgefunden, so muls sie abgeleugnet werden. In aller Hast hatte der
Kaiser den Nominations-Charakter des Vorganges von Rense selbst zu
erkennen gegeben (gleich in dem Schreiben vom 3. Juni 1376 RTA.1
nr. 44), und in naiver Schilderung des Erlebten bezeichnet entsprechend
Johann Pfaffenlap neben dem guten Verheifsen, der Nomination, nur die
Elektion als beim Einzug in Frankfurt noch fehlend und dort nachgeholt
(in dem Briefe bald nach dem 10. Juni 1376 RTA.1 nr. 53). Dies ist die
Wahrheit der Hergänge. Es war damit ein Verfahren eingeschlagen wor-
den, das hinter der Goldenen Bulle lag und den Doppelakt des nominare
und eligere in sich schlofs, während die Goldene Bulle kein nominare
mehr kannte, und da das nominare in Rense stattgefunden hatte, so
konnte eigentlich der zweite Theil des Verfahrens, das eligere, ebenfalls
nur in Rense vorgenommen werden, während die Goldene Bulle nur den
Ort Frankfurt kannte: da schlug das Verfahren plötzlich um, indem man
Rense, nachdem es zum nominare gedient hatte, wieder verliefs und das
eligere am rechten Orte Frankfurt folgen liefs. Da aber die Absicht jetzt
ist, zu thun als ob Alles im Sinn der Goldenen Bulle vor sich gegangen
wäre, so muls auch die Darstellung des bereits Geschehenen darnach ge-
ı) RTA. 1 ur. 80 u. 82.
?) Das nennen (haben halden) des Otto Pf. bei Rhein und Herzogs in Baiern,
der sich bei Abtretung Brandenburgs die Kur vorbehalten hatte, gehört nicht hierher, es
ist nicht auf die Wahl bezüglich, sondern ein Versprechen für die Zukunft.
S)ERIEA2 1.219256 nr. 80, und. 1, 196.70. 012382:
40 WEIZSÄCKER:
modelt werden, und diese geht jetzt dahin, dafs in Rense keine Nominatio
stattgefunden habe, und um diese Darstellung desto eindrucksvoller zu
machen, wird hinzugefügt, dals eben in Rense beschlossen worden sei,
die Nominatio in Frankfurt vorzunehmen, und weil nach der Goldenen
Bulle es keine Nominatio giebt!), so wird dann in Frankfurt auch keine
Rede mehr von einer solchen, sondern es kommt dort nur zu einem ein-
fachen elegimus. Wenn aber zuerst wirklich ein Verfahren eingeschlagen
war, das hinter der Goldenen Bulle lag, und wenn nachträglich das Be-
streben dahin geht, das Ganze möglichst so darzustellen, als ob doch
von Anfang an in Gemäfsheit der Goldenen Bulle verfahren worden wäre,
so ergeben sich nothwendig Widersprüche. Die Ursache aber, warum
Anfangs von der Goldenen Bulle abgewichen wurde, ist das von K. Karl
dem Kurfürsten von Trier schon zwei Jahre zuvor gegebene Versprechen
zu Gunsten von Rense als Wahlort. Die wirklichen Akte von Rense und
Frankfurt und noch mehr die nachherige Darstellung davon sind nur
darauf berechnet, dieses Versprechen zu umgehen und die Goldene Bulle
aufrecht zu erhalten oder doch den Eindruck zu machen als ob diese
Goldene Bulle von Anfang an dabei beobachtet worden wäre.
Ich habe an anderem Ort hervorgehoben?), wie treffend Lind-
ner?) es erläutert, dafs die Kurfürsten nicht etwa nur Eine, sondern
zwei Wahlanzeigen an den Pabst erstatten, eine herbere und eine mildere,
und wie ihm zuerst es gelungen ist dadurch die auffallenden Worte des
Probstes Audibert von Pignans ins Licht zu stellen und mit dem rich-
tigen Sinn zu versehen: „quas tamen litteras [imperator] postea obtinuit
in ea forma qua potuit et non ut voluit“. Es liegt nahe die Betrach-
tung fortzusetzen. Die kürzere oder herbere und die längere oder mil-
dere Wahlanzeige unterscheiden sich nämlich durch zwei Dinge von ein-
1) Das Prineip der absoluten Mehrheit, wie es die G. B. aufstellt, läfst mit
Nothwendigkeit alle Handlungen schwinden, welche dem Prineip der Einstimmigkeit ge-
dient hatten, und darum erwähnt sie naturgemäfs auch kein nominare des Vorakts und
kein von dem Einen Beauftragten auszusprechendes eligo des Schlufsakts.
2) In der Abh. über die Urkk. der Approbation K. Ruprecht’s S. 16 nt. 5. Auf
Henrich, Jenkner, Muth kann ich hier nicht näher eingehen, da es mich zu weit füh-
ren würde.
3) In Forschungen 14, 283f.
Rense als Wahlort. 41
ander: jene enthält keine Bitte um Approbation, aber auch nichts von
Rense, diese enthält Beides!). Vielleicht läfst sich sagen: es lag in der
kurfürstlichen Richtung, die Approbation zu vermeiden?), aber die Vor-
gänge von Rense in ihrer Bedeutung festzuhalten®), und es lag in dem
Wunsche des Kaisers, um die Approbation zu bitten, aber die Vorgänge
von Rense ihrer Bedeutung beraubt zu sehen. In der kürzeren Anzeige
halten die Kurfürsten fest daran, dafs sie nicht um die Approbation bit-
ten, aber sie geben dem Kaiser darin nach, dafs sie von Rense nichts
erwähnen®); in der längeren Anzeige lassen sie sich herbei, um die Ap-
probation zu bitten, aber sie thun dies nur unter der Bedingung, dals
der Akt von Rense darin zu seinem Recht der Erwähnung komme. Ge-
wils sieht Lindner darin richtig, dafs die kürzere Fassung die erste ist,
zu der sie bereit waren, die längere aber die spätere, zu der sie erst be-
stimmt wurden: da dem Kaiser alles lag an der kurfürstlichen Bitte um
die Approbation, liefs er endlich die Erwähnung von Rense zu, obgleich
er sie nicht wollte. Er wulste aber diese Erwähnung so einzurichten,
dafs sie unschädlich wurde, indem, wie wir sehen, der Akt von Rense
das Einzige verlor, was ihm Bedeutung gab, die Nommatio. Es ist aller-
dings ein Kompromils, beide Theile gaben in einem besonderen Punkte
nach, aber Karl wulste seine Nachgiebigkeit wieder unbedenklich zu ma-
chen durch die Fassung, die er für sie durchsetzte.
Dafs die beiden Wahlanzeigen, die kürzere wie die längere, ob-
schon ihre Tendenz eine so verschiedene ist, dann doch mit einander
dem päbstlichen Stuhle vorgelest wurden, ist anscheinend etwas sonder-
bar. Aber dafs es geschah, ist aufser Zweifel: von Kurmainz wenigstens
finden sich beide Formen im Original noch heute im Vatikanischen Ar-
1) Daran muls festgehalten werden, dafs in dieser längern Wahlanzeige von Kai-
ser und Kurfürsten wirklich um die Approbation gebeten wird, s. meine gen. Abh. S. 16
nt. 4.
2) RTA. 1, 100—101, wo sie von confirmatio d. h. approbatio gar nichts wis-
sen wollen.
3) Da doch Kurtrier das Versprechen der Wahl für Rense erhalten hatte. Der
Pfalzgraf scheint auf Seiten Karls, s. S. 31.
*) In nr. 46 u. 47 hatten sie sich dazu verstanden, dafs Rense nicht erwähnt
wurde. Aber da war auch nicht die Bitte um Approbation von ihnen verlangt worden,
da diese Wahlverkündigungen gar nicht an den Pabst gingen.
Philos.-histor. Abh. 1890. TI.
er)
49 WEIZSÄCKER:
chiv, von Kurbrandenburg ist es mit der Einen ebenso und auch die an-
dere ist uns wenigstens abschriftlich überliefert. Man wird annehmen dür-
fen, dafs es Alle zweifach ausgeführt haben, dafs aber ihrerseits auch die
Absendung der doppelten Exemplare an die Kurie gewünscht und verlangt
wurde. Als die Forderung des Pabstes bekannt geworden war, dafs die
Königskrönung nicht vor der Approbation statthaben dürfe, und dafs der
Gewählte auch keine Regierungshandlungen vollziehen könne, hatte das bei
den Kurfürsten grofsen Sturm erregt, und sie äufserten da jene Worte:
quod nunquam fuit visum vel auditum nec reperietur scriptum, si legantur
omnia jura et cronice, quod electio imperatoris fuerit confirmata, quia
non est electio abbatis vel episcopi, que debeat confirmari!). Wenn sie
nun gleichwohl in dem längeren Schreiben um Konfirmation baten, so
waren sie von diesem schroffen Widerspruch abgegangen, aber sie moch-
ten wünschen, dafs ihre eigentliche Meinung doch dem Pabste bekannt
würde, auch für künftige Fälle, und das konnte bewirkt werden, indem
ihm auch das ursprüngliche kürzere Schreiben, worin dann, im Gegen-
satze zu dem anderen, ihr Widerspruch noch deutlich hervortrat, eben-
falls überreicht wurde, da sie in diesem kürzeren sich zu der genannten
Bitte nicht herbeigelassen hatten. Auch die Wahl des Ausdruckes für
die Approbation mag durch ihre Stimmung mitbestimmt gewesen sein.
Denn es wird gebeten, Gregor möge den Wenzel regem Romanorum no-
minare ejusque personam ad apicem tante dignitatis ydoneam reputare.
Also der am strengsten technische und darum verhafsteste Ausdruck für
die Approbation ist vermieden, und wenn der wirklich dafür gebrauchte
auch das nämliche bedeutet?), sie also in Wirklichkeit doch um die un-
angenehme Approbation gebeten hatten, so mochte es ihnen immerhin
auf diese Art etwas leichter geworden sein.
Man hat schon behauptet, Karl habe Mittel und Wege gefunden,
um mit einem geschickten Zuge dem Pabst, dem Trierer Kurfürsten und
der Goldenen Bulle zugleich gerecht zu werden, indem er die voraus-
gehenden Berathungen der Fürsten an dem ursprünglichen Termin, dem
DARTAZIENT.I64 art.2.
2) Die Stellen bei Engelmann, die das beweisen, s. in meiner Abh. über die
Urkunden der Approbation K. Ruprecht’s S. 16 nt. 4.
Rense als Wahlort. 43
1. Juni!), zu Rense eröffnete, während der officielle Akt am 10.2) m
Frankfurt stattfinden sollte. Oder der Ausdruck geht dahin, Karl habe
einen Mittelweg gefunden, welcher sowohl den Forderungen Kurtriers als
den Bestimmungen der Goldenen Bulle Rechnung trug und zugleich das
Herkommen wahrte. Ich möchte mich so ausdrücken: Karl geht ver-
schiedene Wege nach einander, zuerst hat er den Standpunkt von Kur-
trier, in Rense zu wählen, oder er zeigt ihn doch, und so wird nach
Rense gegangen; in Rense selbst aber trägt er nicht ohne Kampf den
Sieg über die begründete Forderung des Kurfürsten davon, dem er für
dort die Wahl eben nicht zugiebt, sondern nur die vorausgehende Nomi-
natio, die im Gegensatz zur Goldenen Bulle steht; und endlich in der
Wahlanzeige an den Pabst nimmt er den reinen Standpunkt der Golde-
nen Bulle ein, mit vollständiger Verwerfung des Standpunktes von Kur-
trier und sogar dessen, was Karl selbst noch in Rense zugegeben hatte.
Als das Wahrscheinliche kann man jetzt sagen, dafs er keinen Au-
genblick seines Lebens daran gedacht hat, das dem Erzbischof gegebene
Versprechen zu erfüllen, nämlich die Wahl seines Sohnes vornehmen zu
lassen in Rense. Was er weiter thut nach diesem Versprechen, ist alles
nur berechnet auf dessen Nichterfüllung.
V;
Die Wahl Karl’s IV. hatte richtig zu Rense stattgefunden, die sei-
nes Sohnes schon nicht mehr, und da sich die Sache dann nur noch bei
Ruprecht wiederholt, beide Male es nur deshalb vorkam, weil es sich um
Erhebung von Gegenkönigen handelte und Frankfurt die Thore verschlos-
sen hielt, so bleibt die Verwendung des kleinen Ortes am Rheine nur
eine supplementäre und durch Revolutionen hervorgerufene. Zwischen
!) In Nürnberg vorher mit den Kurfürsten verabredet, RTA. 1, 91, 3.
?2) Dem Pabste zugegeben RTA. 1, 100, 13.
6*
44 WEIZSÄCKER:
diese beiden einzigen Wahlen von Rense aber fällt eine Thatsache, die
dem Dörfchen ein Ansehen gab, das es durch jene zweimalige und noth-
gedrungene Verwendung nie hätte erreichen können, die Erbauung des
Königstuhls. Er ist nie zu einer Königswahl verwendet worden, aufser
bei der rechtswidrigen Erhebung des Pfälzers. In der deutschen Ge-
schichte hat er also eine nur geringe und bedenkliche Rolle gespielt,
und so wenig es zu tadeln ist, dafs man in unserem Jahrhundert die
Gebäulichkeit wiederhergestellt hat, da sie Einmal wenigstens eine ge-
schichtliche Rolle gespielt hat, so wenig verdient sie irgend eine weitere
Verehrung.
Auf die Wahl Wenzel’s, welche an dem rechtmäfsigen Orte Frank-
furt am 10. Juni 1376 stattgefunden hatte, folgte am 6. Juli die Krönung
zu Aachen. Wir sehen, wie Karl auf Wunsch Kuno’s von Trier die aus-
schliefsliche Berechtigung Frankfurts als Wahlort aufgehoben hatte!),
Diese einseitige Aufhebung war nicht ohne Bedenken, und Karl selbst
war mit diesen Bedenken nicht unbekannt. Er weifs, dafs Frankfurt von
ihm selber das ausschliefsliche Recht erhalten hat durch die Goldene Bulle
„mit willen und gehengnifse unser kurfursten“, und dafs er dies abschafft,
geschieht daher blos „von volkomenheid keiserlicher mechte“. Die Abschaf-
fung scheint zwar nie wieder aufgehoben worden zu sein, aber es blieb
auch nicht bei Rense oder bei beliebiger Bevorzugung irgendwelcher an-
deren Orte, sondern es blieb bei Frankfurt, dessen Abschaffung einfach
einschlief. Aber bei jener Krönung Wenzel’s vom 6. Juli geschah zunächst
doch noch etwas für Rense. Karl hat nämlich damals zu Aachen den
Dorfbewohnern von Rense urkundlich bezeugt, er habe mit denselben
die Einrichtung getroffen, dafs sie an dem Platze der Wahl „eyn gestuls“
machen und bleibend in Stand halten sollten. Nicht einen Stuhl zum
Sitz für eine Person darf man verstehen, sondern ein gröfseres Gestühl
zum Aufenthalt für Mehrere. Man kann auch sagen: ein Gerüst, ein Ge-
stelle, eine Estrade oder balkonartige Erhöhung, eine Tribüne oder Bühne,
wie es dann auch ausgeführt worden ist. Man darf daran erinnern, dafs auch
die Festmahltribüne zu Metz von 1356 ein „gestule* oder „gestüle“ heilst, of-
»d
fenbar von Holz zu dem vorübergehenden Zwecke, ein erhöhter Aufbau von
ı) RTA. 1, 22 nr. 5, vor Wenzel’s Wahl, 1374 Nov. 11.
Rense als Wahlort. 45
Brettern und Balken, wo Kaiser und Kaiserin mit vielen Bischöfen, Her-
zogen, Äbten, Grafen und Freien zu Tische safsen!). Man darf anneh-
men, dals auch zu Rense die früheren vorbereitenden Versammlungen
bei Königswahlen und ebenso die wirkliche Wahl Karl’s IV. zu Rense
nicht auf dem blofsen Grasboden stattgefunden hatten, dafs aber eben-
falls nur eine vorübergehende Veranstaltung getroffen worden war, ein
Fufsgestell, eine gewöhnliche Tribüne von Holz, nur für den augenblick-
lichen Zweck und dann allemal wieder zum Abreilsen bestimmt. Etwas
derartiges ist bei der Absetzung Wenzel’s zu Lahnstein zu denken, wo
die Kurfürsten ihr Urtheil sprachen in tribunalı sedentes extra portas op-
pidi?), also auf einem Gerüst im Freien, wo das Urtheil auch alta voce
verlesen wurde coram mangno popullo presente. Und in der Urkunde
selbst?2): uff eyme stule daselbs zu eyme richtestule erhaben, als die
vorg. unser herren die korfursten und wir daselbs zu gerichte salsen.
Ähnlich die Aufzeichnung vom Übertritte der Burg Friedberg zu Ru-
precht 1400*): wie die viere korfursten Wentzlawen vom riche abgesalst
hetten und daz den luden uf eime stule vor Lanstein allen lafsen sagen.
Jetzt aber soll zu Wahlsachen eine dauernde Einrichtung getroffen wer-
den, die zwar den alten Namen eines Gestühles behält, aber von Stein
ist. Die Bestätigung von 1398 Jan. 15), die Wenzel nachher gab, als
der Bau fertig war, läfst das erkennen: daz steynen gestuels. Das Blei-
bende des Baues und also auch seiner Bestimmung ist dabei ausdrücklich
ins Auge gefalst®), wie es die Bürger dort natürlich wünschen mulsten:
allewege bewaren und halden sullen ewiclichen?’). Es fehlte dann nur
1) Wencker apparatus 403.
2) RTA. 3, 289, 21.
3) RTA. 3, 258, 22.
*) RTA. 4, 178, 21. Vgl. ib. 3, 257, 40 in gerichtes stad geselsen, und 3, 263, 19
pro tribunali sedentes.
DERART SIOI.T.
S)ERTA. 1, 160, 2.
7) Von einem tribunal cespiticium kann also keine Rede sein, wie es Chrn.
Gottlieb Schwarzius anderweitig anführt in Diss. inaug. de antiquo ritu elevandi prin-
eipes inaugurandos, Altorfii [1730]. Aber hölzerne Tribünen kommen auch sonst vor,
sicher so RTA. 1, 279, 3: item 34 gülden daz gestülze widder zue keufen, da uffe die
herzogen von Beyern ire lehen entphingen, a. 1380, und RTA. 1, 256, 1: 5 lb. umb bort
zum gestülze unsers herren des koniges, a. 1379.
46 WEIZSÄCKER:
noch, dafs man die hölzerne Absetzungsbühne zu Oberlahnstein wie die
Erwählungsbühne zu Rense gleichfalls zur Dauer und zum stehenden Ge-
brauch aus Stein ausführte!
Es ist bekannt, dafs es einen Königstuhl bei Rense noch heute
giebt. Das ist aber nicht der im 14. Jahrhundert gebaute, sondern ein
neuer, an welchem wirklich Alles neu ist bis auf den Mittelpfeiler, und
auch von diesem sind nur Sockel und Kopf noch alt. Er steht aber
ziemlich auf derselben Stelle wie der alte. Es soll hier keine Beschrei-
bung der Baulichkeit gegeben werden!). Eine ältere analoge Vorlage zur
Nachahmung scheint für den Bau des 14. Jahrhunderts nicht existirt zu
haben; es ist also zu vermuthen, dafs man sich bei dem Grundrifs des
Steinbaus angeschlossen hat an das Vorbild des früheren Holzbaues von
der Wahl Karl’s IV. her, und wiederum waren die Struktur und Gröfsen-
verhältnisse des letzteren bedingt durch seinen Zweck: Wahl im Freien
ohne Belästigung durch das Publikum, und Verkündung des Ergebnisses
von einer entsprechenden Höhe herunter. Eine Abbildung findet sich in
der Dissertation von Rinck 1735; und er sagt selbst S. 26, dafs ein
Freund für ihn die Aufnahme gemacht und dafs sie den Zustand seit
der Erneuerung von 1624 darstelle, der auch wiederkehrt in (Dielhelm’s)
Rhein. Antiquarius 1739, in Olenschlager’s Erläut. Staatsgesch. 1755 (vor
der Einleitung die Landschaft mit dem Stuhl, am Schlufs und vor dem
Urkundenbuch der Stuhl allem im gröfseren Mafsstabe), und auf einer
Zeichnung von Artaria in Wien 1794?) (soll nach Stramberg’s Rhein.
Antiquarius besser sein). Den neuesten Zustand, wie er seit dem Neu-
bau 1842 ist, giebt Hundeshagen’s Führer am Rhein von seiner Quelle
bis zur Mündung, 2. Aufl. Bonn 1855, und eine sehr gute Photographie,
die im Verlag von Sophus Williams in Berlin 1889 zu haben ist. Andere
Bilder mehr hier zu erwähnen, wäre unnöthig. Allem nach hat man sich
bei den Wiederherstellungen doch soweit an das Alte angeschlossen, dafs
die historische Benutzung der Bilder, was die Komposition des Bauwerks
und seine Gröfsenmalse betrifft, im Wesentlichen nicht irre geht.
1) Ältere und neuere Beschreibungen s. Rinck 9—11, bei Lud. Müller ]. c.,
bei Hellbach im Rhenus.
?) Scheint eine Sammlung von Rheinansichten zu sein.
Rense als Wahlort. 47
Ist dieser Königstuhl aber wirklich und ausdrücklich für die Vor-
nahme des Wahlaktes von Anfang an bestimmt gewesen? In der Urkunde
vom 9. Juli 13761), der Stiftungsurkunde des Königstuhls, heifst es, aus
Karl’s Munde selbst, dafs er mit den Einwohnern von Rense bestellet
und geschaffet hat, dafs sie zur Errichtung des Aufbaues schreiten sol-
len. Dabei liegt also die Initiative ganz deutlich im Vorgehen des Kai-
sers, und das allernächste ist die Vermuthung, dafs dabei nicht sowohl
an den Vortheil des Dorfes Rense gedacht war, als an die fernere Beru-
higung Kuno’s von Trier und Friedrichs von Köln, die bei der kürz-
lich vorgenommenen Wahl mit dem Verfahren in Rense nicht sehr zu-
frieden gewesen waren. „Mit Rathe der Kurfürsten des Reichs“ hat Karl
die Sache angegriffen, die dadurch zur Reichssache wird und erhöhte Be-
deutung erhält, und das war ganz am Platze, wenn er sich, dem Trierer
speciell gegenüber, das Aussehen geben wollte, als ob er doch noch
daran denke, dafs die Aufhebung des Rechtes von Frankfurt als Wahl-
stadt festzuhalten sei, und zwar mit einem gewissen dauernden Vortheil
von Rense, dem er gerade eine dauernde Stellung zur Sache bisher noch
nicht eingeräumt hatte. Balduin war Diöcesanbischof in Rense, Friedrich
war weltlicher Herr in Rense — welche Ehre für sie Beide und auch
wohl welche Annehmlichkeit, von der Hoffnung auf den Einflufs nicht zu
reden, wenn es gelang für diesen Ort eine solche politische Wichtigkeit
zu erobern! Dafs nun aber Rense für künftig überhaupt die frühere Stel-
lung Frankfurts zur deutschen Königswahl erhalten solle, war doch nicht
die Meinung des Kaisers, und er behält seine gewohnte Vorsicht bei.
Denn an der Einen Stelle?) sagt er: daz denne daruff die kurfursten umb
eynen zukunftigen Romischen kunig zu nennen und zu welen ubereyn ko-
men mogen, und vorher schon ganz so?): an der stat, do die kurfursten
umb eynen Romischen kunig zu nennen und zu welen ubereyn pflegen
zu komen als gewoenheit van alder her gewesen ist. Man bemerke wohl:
es heifst nicht, dafs sie ihn dort wirklich nennen und wählen. Denn
sonst wäre der Wortlaut so zu fassen gewesen: an der stat do die kur-
1) RTA. 1, 160f. nr. 96.
2) RTA. 1, 160, 27.
3) RTA. 1, 160, 24.
48 WEIZSÄCKER:
fursten einen Romischen kunig pflegen zu nennen und zu welen, und:
daz denne daruf die kurfursten einen zukunftigen Romischen kunig nen-
nen und welen mogen. Es ist also nur gesagt, dafs dort Verhandlungen
oder vorausgehende Abmachungen bereits stattgefunden haben und noch
künftig stattfinden können sollen. Und das ist zweimal gesagt, dafs alles
von vorbereitendem Charakter sei, was Rense und seinem Königstuhl zu-
kommt. Zweimal, des Nachdrucks halber, zur Vermeidung jeden Zwei-
fels. Auch der Ausdruck „als gewoenheit von alder her gewesen ist“),
so sehr derselbe im Mittelalter mifsbraucht wird, pafst für vorläufige
Übereinkünfte, während für Vornahme der Wahl nur das Beispiel Karl’s
aufzutreiben war. In der That hat also Karl damit nichts gegen Frank-
furt als Wahlort und nichts für Rense als Wahlort ausgesagt. Er hatte
ja auch selbst soeben seinen Sohn in Frankfurt wählen lassen, und sich
nicht ohne Schwierigkeit von Rense dabei losgemacht. Ja, nicht einmal
Vorverhandlungen müssen nothwendig und ausschliefslich am letzteren
Orte gehalten werden, sondern „wann is sache wirdet, daz denne daruf
die kurfursten ... ubereinkomen mogen“, also eintretenden Falls können
sie es, aber sie müssen es nicht. Möglich ist freilich, dafs dabei die
Dorfgemeinde ihren Gedanken den Schwung zu der Hoffnung gab, der
Wahlort für das Reich zu werden. Es war ja eine Aussicht ohne Glei-
chen für den kleinen Ort, eine so hohe Stellung im Reich und in der
Weltgeschichte einzunehmen, welche im Jahre 1411 die Kurmainzischen
Gesandten den Frankfurtern als ein „lobelich herlichkeid“ darstellten, die
sie nicht an Rense kommen lassen dürften?). Für das Jahr 1376 war
allerdings die Aussicht des Rheinischen Dorfes getäuscht worden, dafür
kam ihm jetzt die tröstende Möglichkeit der Zukunft. Und das um so
mehr, als doch das stattliche solide Bauwerk an etwas denken liefs, was
über blofse Vorbesprechungen hinausging. Man konnte ja auch nicht
sagen, dafs der Wortlaut der Urkunde verboten hätte, einmal auch eine
Wahl da vorzunehmen. Vielleicht haben, trotz der letzten traurigen Er-
fahrung, auch Balduin und Friedrich nicht alle Hoffnung fallen lassen,
1) Vgl. Gesta Trevirorum ed. Wyttenbach und Müller 2, 202: ubi ex antiqua
eonsuetudine ad tractatum de electione habendum consueverunt convenire.
2) RDAYE7150, 27:
Rense als Wahlort. 49
die in späteren Tagen ihrem Rense blühen könnte. Wie Karl selbst über
die Bestimmung von Rense dachte, ist aus der Wahl seines Sohnes klar.
Auch die Nominatio, die doch bei seinem Sohne in Rense faktisch vor-
gekommen war, die aber nachher als nicht vorgekommen behandelt wurde,
wird mit dem Wahlakte zusammen als Gegenstand der Vorberathung von
Rense in Karl’s Urkunde bezeichnet, also selbst nicht zunächst etwa gleich
an Rense concedirt, im Gegentheil ganz in derselben Weise behandelt,
wie in der gröfseren Wahlanzeige an den Pabst vom 12. Juni 13761), um
so darüber keinen Zweifel zu lassen.
Der Stuhlbau von Rense ist, wie wir sahen, vom Kaiser ausge-
gangen, und so ist er auch nicht etwa ein kostspieliges Privatvergnügen
dieser Gemeinde geworden. Karl hat derselben gleich in der besproche-
nen Urkunde vom 9. Juli 1376, der Gründungsurkunde, eine gewisse Zoll-
befreiung ertheilt, es wird nicht ausdrücklich angegeben wozu, aber sie
ist nichts anderes als der Ersatz der Baukosten, der also vom Reich ge-
währt wird. Denn wie der Bau zu Ende ist, wird diese Zollbefreiung
durch Wenzel nicht etwa einfach bestätigt, sondern „van nuwes erlenet
und geben“, diesmal aber ausdrücklich für die Kosten der ewigen Instand-
haltung des Gestühls. Also die erste Ertheilung, die jetzt aufhört, war
für die Baukosten bestimmt gewesen. Das Gestühl ist nun zwar Eigen-
thum der Gemeinde Rense, aber „in urber und behoyff des heiligen reichs
gebuwet und begriffen“, für die Zwecke des Reichs, das damit das Be-
nützungsrecht erhält und behält, wie der Bau fertig ist. Und jetzt nach
Vollendung des Baues kann also die neue Ertheilung des Privilegs für
dessen Erhaltung erfolgen, wie 1. Jan. 1598 durch Wenzel geschieht?).
Man sieht, dafs Karl zuerst 1376 seine Zollfreiheit gewährt hatte für Hab
und Gut der Renser, ohne die Weine besonders zu nennen, dafs dann
Wenzel 1398 zu Hab und Gut noch extra die Weine beifügte, und dafs
Sigmund?) 1434 wieder einfach die Urkunde Karl’s erneute und bestä-
DERTAEI SDR nr. 82, art. 1%
D)PRTANT,F1EOR
3) Herausg. von Hellbach im Korresp. Bl. des Gesammtvereins Okt. 1884
nr. 10. Späteres von Zöllen s. bei Hellbach im Rhenus 1, 44 (91) und 2, 1835 —190,
und bei L. Müller l.c. Dagegen die Zollabmachung zwischen Johann von Mainz und
Friedrich von Köln 1400 Aug. 10 (RTA. 3, 246 nr. 198) geht nur auf den Wasserzoll,
Philos.-histor. Abh. 1890. 1. 7
50 WEIZSÄCKER:
tigte, da sie das Gestühl „dem riche zu eren buwen bewaren und halden“.
Schon andere haben aus diesen Urkunden geschlossen, dafs die Erbauung
nach 1376 und vor 1398 stattgefunden habe, dafs sie vor 1398 vollen-
det worden sein mufs. Sicher ist die Neuverleihung des Zollprivilegs,
welche Wenzel am 1. Januar 1398 beurkundet, zugleich das Zeichen der
Bauvollendung, die also bestimmt auf 1397 angesetzt werden darf. Dafs
die Bauvollendung unter K. Wenzel und die Neuverleihung der Zollfrei-
heit durch Wenzel so kurz gerade vor dem Augenblicke geschehen mufste,
wo eben auf diesem Bau sein Gegenkönig gewählt wurde, ist Einer von
den Scherzen, welche die Geschichte sich zuweilen macht. Aber die Bür-
ger von Rense kamen ja zu dem schon Bedrohten und baten ihn darum
in aller Demuth, wie er selbst sagt!), damals noch „unserre und des
reichs lieben getrewen“.
vr
Dafs das Gestühl zu Rense schon im dritten Jahr nach seiner Fer-
tigstellung wirklich zu einer Königswahl dient, ist die glänzendste Erfül-
lung der höchsten Hoffnungen, die irgend jemand an seine Errichtung
knüpfen konnte. Es war freilich wieder ein Gegenkönigthum wie bei
Karl IV., es war dieselbe überwiegende Stellung der drei Rheinischen
Erzbischöfe, und dazu kam die ablehnende Haltung der Wahlstadt Frank-
furt hier wie dort. So erklärt sich 1400 die gleiche Erscheinung, dafs
Rense wirklich zum Wahlorte des neuen Königs diente. Dafs da einige
Artikel „zu Rense auf dem stule gelesen wurden“?), natürlich gegen Wen-
hat also mit Karl’s Privilegium für den Landzoll der Bürger von Rense nichts zu thun,
wurde aber schon unrichtig aufgefalst. Auch eine Beziehung auf den Königstuhl ist da-
bei nicht erwähnt, also auch nicht hineinzutragen, was doch schon geschehen ist.
1) Seine Urkunde vom 1. Januar 1398.
2) Mencken SS. RR. GG. 1, 1082.
Rense als Wahlort. Sl
zel, ist freilich ein Irrthum Eberhard Windeck’s; er hat da das Ge-
stühl von Rense verwechselt mit dem „richtestule“ zu Oberlahnstein!).
Auch Ulman Stromer irrt schon ähnlich?). Die umgekehrte Verwechs-
lung ist es, wenn man annimmt, die feierliche Wahl und Inthronisation
Ruprecht’s sei zwar zu Rense auf dem Stuhle erfolgt, faktisch aber sei
er bereits in Oberlahnstein gewählt worden?). Vielmehr sind die Akte
lokal getrennt, Oberlahnstein diente der Absetzung, Rense der Wahl®).
Dafs Ruprecht das Zollprivileg Karl’s IV. für Rense bestätigt habe, ist
schon vermuthet worden?°).
Bei Ruprecht's Wahl kann man nun aber auch den Hergang im
Einzelnen ziemlich genau verfolgen, sieht man namentlich, zu was der
Königstuhl eigentlich gedient hat. Die Stiftungsurkunde vom 9. Juli 1376
hat ergeben, dafs die Tribüne für die Kurfürsten bestimmt ist, damit
diese darauf Platz nehmen zu ihren vorläufigen Verhandlungen und Über-
einkünften in Sachen der Königswahl: dafs denne daruf die kurfursten —
ubereinkomen mogen. Nun aber, als die Wahl Ruprecht’s wirklich dort
vor sich geht, erzählt der Augenzeuge Matthias Sobernheim am 16. Dee.
1400 als K. Ruprecht’s Notar‘): ipsi quatuor prineipes accesserunt sedem
regalem prope Rense (sie kamen von Oberlahnstein her, von der Tags zu-
vor erfolgten Absetzung Wenzel’s), und dann: et sic ascenderunt sedem, et
tres archiepiscopi elegerunt quatuor vocibus electorum, quia, quando unus
electorum eligitur, istius consensus auget voces. Die Wahl fand also
oben auf der sedes statt. Dem entspricht im allgemeinen die Auf-
zeichnung der Burg Friedberg”): item darnach auf den sontag [Aug. 22]
1) RTA. 3, 258, 22.
2) Hegel St. Chr. 1, 51, 17ff. Günther cod. dipl. Rh. Mosell. 3, 70 lälst
frischweg Wenzel auf dem Königstuhl von Rense abgesetzt und Ruprecht erwählt werden.
3) Neustens Hellbach im Rhenus 1, 44, nach Trith. chr. Hirs. 2, 310 „prin-
eipes — apud Lanstein — Rupertum in consilio praesentem unanimi consensu — elege-
runt, quem Rheno transmisso in sedem regni sub nucibus ex more collocarunt*“.
*) Eine bestimmte Absicht liegt darin nicht, dafs man die Absetzung gerade ge-
genüber von dem Orte der nachfolgenden Wahl vornahm. Siehe Freher origg. Palat.
P.2 ec. 2 pag.9. Beide Akte sollen nur möglichst getrennt werden, wie die Funktion
des Kollegiums dabei verschieden ist, Gericht und Wahlversammlung.
5) Hellbach ib. 1, 69.
RITA. 3, 289, 26 und 33.
7) RTA. 4, 178, 23— 25.
52 WEIZSÄCKER:
quam uns ware botschaft, daz dieselben viere korfürsten zu Rensse uf
dem stule weren gewest, und herzoge Ruprecht den drien erzbischofen sine
kore hette gegeben [ihnen seine Stimme zu führen übergeben] und die drie
erzbischofe herzoge Ruprechten da zu eime Romischen konige hetten ge-
korn und gesafst [eingesetzt].
Aber gleich im Jahre 1400 selbst noch hören wir von einer ganz
andern Anschauung, dafs nämlich der neue König auf den Stuhl ge-
setzt wird. So unterrichtet die Stadt Frankfurt den alten König schon
vorher im Juli!), dafs die Fürsten auf 10. Aug. einen noch Ungenannten
„meinen zu Rense uf den stul gein Lanstein übir zu eime Romschen ko-
nige zu setzen und zu erheben.“ Und die gleiche Stadt berichtet dann
nachher am 10. Sept. an Kolmar?), dafs die Kurfürsten den Ruprecht
am 21. August zum König „gekorn und uf den stul zu Rense gesaezt“
haben; es mülsten nach letzterer Stelle also zwei Akte gewesen sein: er
wird zuerst gewählt und dann auf den Stuhl gesetzt. Und warum diese
Stuhlsetzung vorgenommen worden ist, das wissen die Nürnberger den
Regensburgern zu melden am 25. Aug.?): so haben si erwelt und erha-
ben zu einem Romischen kunig herzog Rupprechten — und haben den
offenlich allem volkch verchundet und auf den stul zu Rayns gesetzet;
auch hier findet zuerst die Wahl statt ohne Erwähnung des Stuhls, und
nachher erst die Setzung des Gewählten auf den Stuhl. Natürlich ging
das auch in die chronikalische Auffassung über. So in die Koelhoff’sche
Chronik®): koren — ind satten in aldae up den keiserstoil. Ähnlich in
das Chron. Mogunt.?): unanimiter creaverunt ipsumque super sedem suam
in Rens concorditer et honorifice, ut bene dignus erat, posuerunt sibique
ut regi Romanorum debitam reverenciam fecerunt, wo er auf dem Stuhl
also auch zur Begrüfsung als König präsentirt wird. Und Ulman Stro-
mer‘) denkt sich die Scene ganz entsprechend: do erhuben si auf den
stul herezog Rupprecht — zu eim Romissen kung. Allein diese Schilde-
rung in städtischen Briefen und städtischen Chroniken weicht völlig ab
D)ERIRAUNS, DORERT.
2) RTA. 4, 186, 21 nr. 162.
3) RTA. 3, 287, 6—8 nr. 229.
+) St. Chr. 14, 738, 31.
°) St. Chr. 18, 238, 30, und SS. RR. GG. in usum scholarum 79, ed. Hegel.
6) Hegel in St. Chr. 1, 52, 22.
Rense als Wahlort. 53
von der des Sobernheim, der doch beim Könige war, und den wir soeben
haben reden hören. Es macht den Eindruck, als ob die Städte sehr un-
genügende Nachrichten von der Einrichtung des neuen Baus gehabt hät-
ten, nach denen sie sich ihre Vorstellungen bildeten, und als ob nament-
lich auf Augenschein die angeführten Berichte unmöglich beruhen könn-
ten. Dafs man eine einzelne Person, auch einen König, auf einen wirk-
lichen Sitzestuhl setzen kann, ist ja unbestreitbar, aber die Vorstellung
läfst sich sofort nicht mehr ausführen, wenn dieser Stuhl nach Höhe,
Breite und Umfang darüber so weit hinausging wie dieses aus Stein auf-
geführte Gestühle im Garten zu Rense, das man nur auf einer Treppe
besteigen konnte. Man kann sich aber wohl denken, dafs nicht in allen
Städten schon eine Anschauung von dem Stuhle zu Rense vorhanden war,
er ist doch wahrscheinlich erst 1397 fertig geworden, und in Anwendung
war er ja inzwischen nicht gekommen. Und wenn heute die Touristen
den Königstuhl besuchen, weil er als Sehenswürdigkeit in allen Reise-
handbüchern steht, so ist das damals sicher keinem Frankfurter oder
Nürnberger eingefallen, von diesen Städten aber gehen die angeführten
Berichte aus. Nun allerdings wissen wir gerade von der Stadt Frank-
furt!), dals sie drei bekannte Bürger dort zu Oberlahnstein nebst
zwei Schreibern bei den Kurfürsten hatte; allein diese sind gar nicht
nach Rense hinübergekommen zur Wahlhandlung, da sie immer nur in
Verbindung mit „Lanstein“ erwähnt werden, und das stimmt auch mit
der nachträglichen Haltung Frankfurt’s gegenüber dem Neugewählten, der
bekanntlich noch lange warten mulfste, bis er von der Stadt eingelassen
wurde. Nürnberg aber ist wohl an beiden Orten, Oberlahnstein und
Rense, unvertreten gewesen. Man wulste wohl von einem Stuhl, man
hörte, dals auf diesem die Sache vor sich gegangen sei, und hielt ihn für
einen wirklichen Sitzestuhl, worauf sich eine Person niederlassen kann,
hier also eine Art Thron. Freilich schon die Gründungsurkunde des Ge-
bäudes, von 1376, redet nicht von einem wirklichen Stuhl, sondern von
einem „gestuls“, und die folgende Urkunde von 1398 nennt es „daz stey-
nen gestuels“, aber diese Schriftstücke waren natürlich nicht in weiteren
Kreisen bekannt geworden. Die Nürnberger insbesondere sind ganz unklar
ı) RTA. 3, 291, 34 und 37.
54 WEIZSÄCKER:
über die Sache: sie lassen den Neugewählten öffentlich vor allem Volk
verkündet werden und erst dann wird er auf den „stul zu Rayns“ gesetzet,
der also nicht als Etwas Erhöhtes zur Verkündigung zu dienen scheint,
sondern als Sitzestuhl die Grundlage eines besonderen Aktes ist. Was aber
auch unter dem Stuhlsetzen zu verstehen sein mag, so kommt es hier
erst zuletzt vor, erst nach der Wahl, und doch wissen wir von Sobern-
heim, dafs der König auf den Stuhl noch vor der Abstimmung gekom-
men war. Es ergiebt sich schliefslich bestimmt und immer bestimmter,
dals es mit dem „Setzen auf den Stuhl“ nichts ist. Der Ausdruck
und die mit ihm verbundene Vorstellung verdanken ihren Ursprung nur
dem mifsverstandenen Wort „gestuls“.
Welches Bild eröffnet uns aber von den Wahlvorgängen und ins-
besondere von der Verwendung des Gestühles der authentische Bericht
des Matthias Sobernheim? Von Oberlahnstein aus kommen die Kurfür-
sten her bis zum Königsstuhl: accesserunt sedem regalem prope Rense.
Ehe sie dieses Gestühle besteigen, wird wie bei Karl IV. die Messe vom
heiligen Geist gehalten mit der Bitte zu Gott, dafs er ihnen die rechte
Person zur Erwählung in den Sinn gebe. Nun schwören sie den in der
Goldenen Bulle c. 2 art. 2 vorgeschriebenen Eid so laut, dafs es die um-
stehende Menge hören kann. Dann erst (und diefs ist auch das Natür-
liche) besteigen sie die Tribüne: et sie ascenderunt sedem, und dort
oben wählen sie. Es ist gehalten ganz gemäls Vorschrift der Goldenen
Bulle cap. 2 art. 1, mit den drei Akten: Messe, Beeidigung, Wahl. Bei
der Beeidigung ist noch ausdrücklich hinzugefügt, dafs sie nach der For-
mel eben der @. B. vorgenommen wurde, und bei der Wahl, dafs die
Berechnung der Mehrheit nach der G. B. gemacht worden sei. Ulman
Stromer in St. Chr. 1, 52, 14ff. hat ebenfalls diese drei Akte, aber in
der heihenfolge: Beeidigung, Messe, Wahl!); die Messen, und zwar meh-
rere, werden auf dem Stuhl gehalten. In der Reihenfolge hat gewils So-
bernheim Recht, und ebenso darin, dafs die Messe nicht oben auf dem
Stuhl gehalten wurde. In der Wahlverkündigung der drei geistlichen
!) Die Wahl ist dabei zu verstehen oder mit zu verstehen unter den Worten:
do erhuben si auf den stul h. Ruppr. v. Payern — zu eym Romyssen kung. Jedenfalls
ist sie das letzte.
Rense als Wahlort. 55
Kurfürsten!) ist die Reihenfolge sichtlich dieselbe; auch wird dabei wie-
derum wahrscheinlich, dafs erst nach Messe und Eidesleistung der Stuhl
bestiegen wurde?) zur Wahl. Vom Setzen des Königs auf einen Stuhl
aber weils Sobernheim nichts, weils die kurfürstliche Wahlverkündigung
nichts. Statt dessen hat Jener das vollkommen deutliche: et sic ascende-
runt sedem. Und dieser erhöhte Punkt genügte auch zum Zweck der
Publieatio, um den Gewählten zu zeigen, man hat entfernt nicht etwa
noch an einen eigentlichen „Stuhl“ auf dem „Gestühle“ zu denken. Dals
man aber den neuen König von dem Gestühle herab allem Volk verkün-
digt und vorgestellt hat?), wie Nürnberg sagt, und dafs man ihm da
hinauf in irgend einer Weise gleich die debita reverencia machte, wie das
Chron. Mog. berichtet, darf man ja wohl glauben, indem es so gut wie
selbstverständlich ist®).
Noch ist die Frage zu entscheiden, ob Ruprecht oben auf dem
Gestühl bei der Abstimmung der drei andern Kurfürsten einfach mitge-
stimmt hat. Dafs er mit den drei andern Kurfürsten hinaufgestiegen
war, haben wir gesehen. In der Frage der Abstimmung sind nun einige
Quellen sehr unbestimmt. So wenn Ruprecht ganz allgemein und sehr
schön dem Pabste schreibt: nescio quo dei judicio sors eleceionis super
me cecidit, RTA. 3, 282, 16 nr. 222, oder wenn Frankfurt sich äulsert,
dafs die Kurfürsten den Herzog Ruprecht gekoren haben, ohne alles Nä-
ı) RTA. 3, 270, 7—10.
?) So sin wir — by ein komen und han eymüdeclich gekoren —; das „by ein
komen“* ist eben das Zusammentreten auf der Tribüne. Da sprachen nur die 3 geist-
lichen Kurfürsten, es waren aber alle 4 Wähler zugleich „uf dem stule*, wo dann auch
gewählt wird (Aufzeichnung der Burg Friedberg RTA. 4 nr. 161 art. 2°).
%) Die Erhebung Heinrich’s VII. auf den Altar mit demselben Zweck, s. Rieger
die Altarsetzung der deutschen Könige nach der Wahl, S. 42 u. 4, vgl. 19.
*) Gelegentlich mag hier bemerkt werden, dals bei Ruprecht nur Einmal von
Nomination durch die Kurfürsten die Rede ist, RTA. 4, 113, 27, wo Bonifacius IX. Ver-
schiednen die Anerkennung Ruprecht’s befiehlt: nominationem et eleetionem per electores
factas confirmantes et approbantes. Es scheint aber da eine bedeutungslose Verdoppelung
des Ausdrucks zu sein, in der Approbation selbst ib. nr. 104 spricht der Pabst nur von
electio, ebenso thut der kön. Gesandte Konrad von Soltau RTA. 4, 19, 19 art. 2 in sei-
ner Rede vor Bonifaz, und Matthias Sobernheim in seinem grofsen Schreiben RTA. 3,
289, 34, auch Wenzel schreibt an Karl VI. von Frankreich nicht anders RTA. 3, 297, 28.
56 WEIZSÄCKER:
here, RTA. 4, 186, 20 nr. 162, und ebenso Nürnberg ihn einfach „er-
welt“ werden läfst, RTA. 3, 287, 6 nr. 229.
Nun aber beginnen nähere Angaben, und sofort auch ergeben sich
Abweichungen. Der König selbst schreibt, dafs die drei andern Kur-
fürsten ihn zum rechten König gewählt haben, nichts von seiner eigenen
Stimme, RTA. 3, 271,3 nr. 211, und diese drei selber fordern Anerken-
nung für Ruprecht, den sie einmüthig gewählt haben, nichts von des
Königs Stimme dabei, RTA. 3, 270, 10 nr. 210, und ebenso sagen sie
dem Pabst, nur sich erwähnend: in Rupertum assensu unanimi direximus
vota nostra, ipsum concorditer eligendo, RTA. 3, 279, 32 nr. 219. Da
ist also die Stimme Ruprecht’s nicht dabei, wie es scheinen könnte.
Bonifacius IX. selbst drückt sich in der Approbation dahin aus:
(electores) te concorditer elegerunt, tuque meditacione prehabita consen-
sum prebuisti, RTA. 4, 110, 28 nr. 104; also drei wählten eigentlich
nur, und der Gewählte gab nur seine nachträgliche Zustimmung, wobei
das meditacione prehabita fast darauf hinzuweisen scheint, dafs unter dem
consensus Ruprecht’s nur die Annahme der Wahl zu verstehen wäre, die
sich der Erwählte nur nach bekannter formeller Überlegung zu gestatten
pflegte, wenn er auch vorher entschlossen war. In Sobernheim’s Brief
haben die drei Erzbischöfe gewählt, aber mit vier kurfürstlichen Stimmen,
weil Ruprecht’s consensus hinzukam, von dem nach der G. B. gelte: auget
voces; RTA. 3, 289, 34 nr. 231. Dies ist bestimmter als in der päbst-
lichen Approbation, aber beim consensus bleibt doch auch die Auffassung
Sobernheim’s stehen, ohne dafs der kandidirende Kurfürst wirklich ab-
stimmt, so aber dafs die Wirkung die ist, wie wenn er es thäte; also doch
nicht ganz wie in der Goldnen Bulle.
Einen Schritt weiter gehen die drei Erzbischöfe, wenn sie den
Kardinälen eröffnen, dafs sie einmüthig Ruprecht erwählt haben, suis ad
id accedentibus consensu atque voce, RTA. 3, 281, 4 nr. 220. Eben
so an die Stadt Rom, ib. lin. 30. Also hat Ruprecht da wirklich seine
Stimme gegeben, aber sie ist doch noch mit dem consensus vermischt,
sie erhält dadurch etwas Unbestimmtes, es ist auch hier noch nicht rein
nach der @. B. gedacht oder ausgedrückt.
Indem „etzliche wise gelerte grofse phaffen in dem rechten“ an einige
Städte Aufklärung geben, verwenden sie das Prineip der Übertragung:
Rense als Wahlort. 57
Ruprecht hat seine eigene Wahlstimme an den Kurfürsten von Mainz
übertragen, der sie natürlich für Ruprecht selbst abgab wie seine eigene
auch, RTA. 4, 133, 13 nr. 120. Das sagen die Juristen! So wenig wis-
sen sie von dem in der Goldnen Bulle enthaltenen Recht und der un-
zweifelhaften Unmöglichkeit, dafs ein Kurfürst einem andern Kurfürsten
seine Stimme übertrage!). Es darf uns das aber auch nicht wundern,
wenn selbst Sobernheim, des Königs Notar, sich darin unklar ist, was
eigentlich dieses Gesetz Karl’s IV. bestimmt.
Wenn hier nicht zu sehen ist, ob der Kandidat oben auf dem
Gestühle seine Stimmübertragung vorgenommen hat, so haben das doch
die Burgmannen von Friedberg durch „ware botschaft erfaren“: vier
waren auf dem Gestühl, und Ruprecht hat da nicht Einem von den drei
Erzbischöfen, sondern allen dreien zusammen „sine kore“ (seine Stimme)
zu führen übergeben, und die dreie wählten dann Ruprecht selbst, also
kam ihm dabei seine eigene Stimme zu gute oder mit anderem Ausdruck:
es wählten die drei mit vier Stimmen (RTA. 4, 178, 23 nr. 161).
Die Spitze der Reihe dieser verschiedenen Auffassungen bildet die
Wahlakte selbst (RTA. 3, 267, 45 nr. 209). Die Urkunde ist nicht blos
von drei, sondern von allen vier anwesenden Kurfürsten ausgestellt, und
die drei Geistlichen haben „mit der stymmen“ Ruprecht’s diesen selbst
gewählt. Dies ist das Schriftstück, welchem vor allen bisherigen die hö-
here amtliche Autorität zukommt, und dessen Inhalt völlige Übereinstim-
mung mit dem in der Goldenen Bulle?) vorgeschriebenen oder gestatte-
ten Verfahren zeigt. So und nicht anders ist die Sache gegangen: Ru-
precht hat sich selbst die Stimme gegeben, das macht mit den drei an-
deren zusammen vier Stimmen, und dies ist die absolute Mehrheit des
Kollegiums, welche zur Wahl hinreicht, aber auch erforderlich ist. Es
versteht sich dabei von selbst, dafs er sich bei der Stimmabgabe zugleich
mit den drei anderen Kurfürsten oben auf dem Gestühle befand, und
es ergiebt sich auch hierbei wieder von selbst, dafs er in keinem Sinn
„auf den Stuhl“ gesetzt sein kann.
1) Harnack Kurfürstencollegium 151f.
2) G.B. e.2 art. 4 u.5; meine Abh. der Pfalzgraf als Richter über den König
51f. — Der Kurfürst giebt seine Stimme entweder persönlich ab oder durch seinen be-
vollmächtigten Gesandten.
Philos.-histor. Abh. 1890. I. 8
58 WEIZSÄCKER:
Auffallend bleibt aber, wie ungenau nicht blos die Nachrichten
des Publikums sind, sondern auch wie ungenaue Nachrichten von den
entscheidenden Stellen ausgegeben werden, vor Allem aber wie grofs die
Unbekanntschaft der Juristen mit den Hergängen nicht blos, sondern
auch mit grundlegenden Partien der Reichsgesetzgebung ist. Städte wie
Frankfurt und Nürnberg haben weniger Kenntnils von den Dingen als
billig wäre. König und Kurfürsten verführen in amtlichen Schriftstücken
zu falscher Ansicht über den Hergang einer grolsen Staatsveränderung,
und vielleicht ist der Grund nur Ungeschicklichkeit des Ausdrucks. Dafs
die Römische Kurie nicht die klarste Einsicht in die deutsche Gesetz-
gebung hat, mag hingehen; wenn aber selbst der Notar des neuen Königs
in den Begriffen schwankt, auf deren Anwendung dieses Königthum ruht,
so ist dies unverzeihlich. Um so weniger wird es uns Wunder nehmen,
wenn die Burgmannen des kleinen Friedberg mit falscher Botschaft ge-
speist werden, die sie für die wahre halten, aber unbegreiflich ist es uns
doch, wenn sie das noch immer zu thun scheinen, auch nachdem der
neue König selbst bei ihnen gewesen ist, wo sie noch immer nicht im
Klaren sind, wie die Kurversammlung seine Erhebung zu Wege gebracht
hat!). Man kann sich daraus seinen Vers darüber machen, wie es im
grolsen Publikum ausgesehen haben mag. Eine gewisse Versuchung liegt
nahe, hinter alle den Unrichtigkeiten, wie sie in den besten Berichten sogar
sichtbar werden, und aus amtlichen Aktenstücken nicht ausgeschlossen
sind, etwas absichtliches zu vermuthen, aber man würde damit fehlgehen,
es ist nur eine Fluth von Irrthum und Ungeschick.
1) Die Aufzeichnung in RTA. 4 nr. 161 bleibt bei ihrem Artikel 2? stehen, ob-
schon der König zu Ende Öktobers in Burg Friedberg selbst erschienen war.
Rense als Wahlort. 59
Vu:
Rense hatte zum Wahlort gedient für Karl IV. noch ohne König-
stuhl, für Ruprecht mit dem inzwischen erbauten Königstuhl. Rense und
sein Königstuhl kommen aber auch noch nach Ruprecht vor bei Königs-
wahlen, aber blos mit Beziehung auf sie, nach dem Wahlakt, nicht mehr als
Ort der Wahl selbst!). Zwar noch am 3. Juni 1411 schreibt die Stadt Dort-
mund, sie hätte gehört, dafs die Kurfürsten zur Wahl nach Rense kommen
würden?), und die Kurmainzischen Vollmachtsträger behaupten vor dem
Frankfurter Wahltag von 1411, ihr Herr könne noch immer, wenn die
Stadt sich nicht richtig benehme, die Wahl nach Mainz oder Rense ver-
legen, wie ja zu Rense auch Wenzel — wunderlicherweise auch dieser?) —
und Ruprecht zu Rense gewählt worden seien*). Das hat aber eben alles
weiter keine Folge, und die Wahl findet nicht sowohl in Rense als in
Frankfurt statt. Die bescheidnere Funktion des Königstuhls nach der
Erwählung finden wir aber wiederholt in den Wahlverträgen der Jahre
1410 und 1411. Kurmainz und Kurköln®) machen nämlich dem Jost
vor seiner Erwählung vom 1. Okt. 1410 ihre Bedingungen, auf welche
dieser am 30. Sept. in Frankfurt eingeht®). Unter diesen Bedingungen
befindet sich auch der art. 11: item ee wir unser kongliche?) erone ent-
1) Friedrich von Köln will zu Rense eine Kurfürstenversammlung halten, die er
zwar ankündigte, die aber vielleicht gar nicht zu Stande kam; RTA. 7, 69, 13—18 nr. 50
art. 2 u. 3, Kerler’s Einleitung daselbst 7, 2, 29ff., Adolf Kaufmann Wahl Sigmund’s
23f., wo als Zeit dafür die zweite Hälfte des August 1410 angenommen wird. Und im
Sommer 1411 Juli 7 hat eine Zusammenkunft von kurfürstlich Rheinischen Räthen zu
Rense ohne Zweifel auch die Wahlfrage betroffen, RTA. 7, 129, 6f. und Kerler ebenda
7, 95, 3. Im Jahr 1416 Okt. 1 beabsichtigte dann K. Sigmund einen Reichstag in Rense
zu halten (RTA. 7, 309 nr. 196), der aber nicht zu Stande kam (Kerler Einl. daselbst
S. 290, 22. 296, 24. 297, 19).
Z)ERLIAWT1D9E36D
3) Siehe [Abschnitt IV].
4) RTA. 7, 150; 241.
5) Es waren Johann II. von Nassau 1397—1419 und Friedrich III. von Saar-
werden 1370 — 1414.
SDERIDATITAN 63,033. Dr A4nart le
7) Also natürlich nicht die kaiserliche, wie es schon misverstanden worden ist.
8 *
60 WEIZSÄCKER:
phahen, sollen wir uns uf dem konigsstule zu Rense gein Oberlaynstein
uber als einen Romischen koning lafsen erheben, als auch furmals andern
Romischen konigen gescheen ist. Und wörtlich wiederholt findet sich
das auch in den Versprechungen, welche Sigmund am Tag nach seiner
zweiten Wahl dem Friedrich Ill. von Köln gemacht hat 1411 Juli 221).
In beiden Fällen handelt es sich nicht um eine Wahl auf dem Kö-
nigstuhl zu Rense wie bei Ruprecht; denn im einen Fall steht die Wahl
zu Frankfurt auf den folgenden Tag bevor, im andern Fall aber hatte
sie in Frankfurt am Tag vorher bereits stattgefunden. Vielmehr ist hier
von einem Akte die Rede, der zwischen der Wahl und der Königskrönung
vorkommen soll, und von dem sich nur frägt, worin er eigentlich besteht.
Die Worte könnten an das von uns bei Ruprecht berührte Mifsverständ-
nils erinnern, dafs der neue König „auf den Königstuhl zu Rense ge-
setzt“ werde. Doch kommen sie aus diesem Mifsverständnisse nicht
her; denn bei der Wahl Ruprecht’s, wo dasselbe auftritt, waren Kurmainz
und Kurköln persönlich anwesend, kannten also die Örtlichkeit und den
ınit ihr zusammenhängenden Hergang. Was von Jost und ebenso von
Sigmund verlangt wird, ist auch nicht, dafs der neugewählte König vor
seiner Krönung auf den Königstuhl gesetzt werde, sondern dals er
sich zum Römischen König erheben lassen solle und zwar auf dem
Königstuhl. Die Kurfürsten von Mainz und Köln, das kann man ver-
muthen, würden sehr gern diese neuen Wahlen in Rense selbst vorge-
nommen gesehen haben, und da dies nicht ging, suchten sie wenigstens
etwas davon zu retten, und das nennen sie „erheben als einen Römischen
König“. Die Erhebung zum Könige wäre aber eigentlich nur ein ganz
allgemeiner Gedanke, und sie ist kein besonderer Akt neben der Wahl,
der noch eine Bedeutung hätte aufser dieser. Denn sie liegt schon in
der Erwählung, und diese Erwählung zum König ist eben die Erhebung
zum König. So werden auch deutlich beide Begriffe identificirt bei Rup-
recht?). Es bedurfte also weiter keines besonderen Aktes mit rechtlichen
DERDAZ7.S109549Enr4650nt13:
?) So deutlich bei Ruprecht in RTA. 3, 285, 12 gekoren und ufgesast; 3, 273, 8
electus et elevatus est in Rense [in regem et futurum imperatorem] Romanorum; 3, 287, 6
erwelt und erhaben zu einem Romischen kunig, worauf erst Verkündigung und Stuhlsetzen
folgt; 3, 285, 24 gekorn und ufgesast; 3, 237, 17 de sublimaeione et eleceione; 4, 178, 25
Rense als Wahlort. 61
Folgen, der Erwählte ist König. Will man recht vorsichtig beobachten,
so heifst es auch nicht „uf dem konigsstule zu einem Romischen koning
lafsen erheben“, sondern nur „als einen Romischen koning“. Jenes
schlöfse die Rechtsfolge in sich, dafs er dadurch König wird!), dieses
setzt voraus, dals er schon vorher König geworden ist. Zum König ist
er erhoben schon durch die Wahl, als König wird er nun erhoben auch
auf den Königstuhl, einen Sinn für sich hat das Letztere nicht. Gewählt
ist er und gekrönt soll er sogleich werden, zwischen hinein kommt nun
auch dieses Dritte hinzu, das nichts geben und nichts nehmen kann, eine
Form ohne Inhalt?), eine blofse Erinnerung daran, dafs auch in Rense
und auf dem Königstuhle früher ein König gewählt worden ist, eine Er-
innerung, die dem Rheinischen Kurfürstenthum zu Liebe durch diesen
Akt verewigt wird, eine zarte Schmeichelei für dasselbe, nachdem es die
Ehre verloren, den König auf seinem Krummstabsgebiete gewählt zu se-
hen oder auch wählen zu machen. Und um den auf diese Art neuen
Gebrauch zu festigen und für immer einzureihen in die übrigen Akte,
soll er noch vor der Krönung stattfinden. So konnte auch er ein An-
sehen behalten oder gewinnen, wie wenn er selbst auch etwas Nothwen-
diges wäre. Man könnte freilich die Absicht vermuthen, die Handlung
solle der Präsentation des Gewählten und der Publication seiner Wahl
dienen. Aber davon ist in der kurzen Erwähnung der Handlung, wie
sie die Versprechungen Jost’s und Sigmund’s enthalten, nicht die Rede.
Auch schlols sich das besser an die Wahl und den Wahlort an, und die-
ser ist bei Jost und bei Sigmund nicht Rense, sondern Frankfurt. Es
war auch niemals ein Gewählter zu diesem Zwecke bisher nach Rense
gegangen. Eine öffentliche Verkündigung hat wohl in Rense stattgefun-
„zu eime Romischen konige hatten gekoren und gesalst* und 3, 286, 16 „zu eime Ro-
mischen konige erwelit und gesalst“ geben denselben Sinn mit der Identifieirung der Be-
griffe, denn „gesalst“ ist hier im Sinne von „eingesetzt zum König“ identifieirt mit „ge-
koren“ oder „erwelit“.
1) Wie RTA. 3, 287, 6 erwelt und erhaben zu einem Romischen kunig.
2) Man darf erinnern an die exaltatio super altare, die zuerst den Sinn der Prä-
sentation der Person des Gewählten und der Publication seiner Wahl hatte, aber gleich
das nächstemal diesen Sinn verlor und zu einer leeren Förmlichkeit wurde; s. Fritz
Rieger, die Altarsetzung der deutschen Könige, Berlin 1885.
62 WEIZSÄCKER:
den bei Karl!) und Ruprecht?), natürlich, weil sie dort gewählt wurden;
von dem steinernen Gestühle herab freilich nur bei Letzterem, weil es
eben erst im Bau vollendet war. Wenn nun an so etwas auch bei Jost
und Sigmund gedacht worden sein sollte, so wäre freilich der Ausdruck
übertrieben „als auch furmals andern Romischen konigen gescheen ist“, da
man sich nur auf Ruprecht hätte berufen können; den Werth solcher Be-
rufungen und ihre Genauigkeit kennt man freilich längst. In dieser Art
aber, dafs hier eine Zwischenstation gegründet wird zwischen Frankfurter
Wahl und Aachener Krönung, ist es jedenfalls etwas gänzlich Neues.
Zur Ausführung scheint die Sache aber bei Jost und Sigmund gar
nicht gekommen zu sein, und Vermuthungen helfen da nichts. Bei Jost
freilich ist es sicher, da er am 8. Jan. 1411 in Brünn starb, ehe er selbst
erscheinen konnte. Sigmund aber kam. Als er im Sommer 1414 das
erste Mal auf dem Wege nach Aachen war, gelangte er im August bis
nach Koblenz, ohne dafs nun unterwegs von einem Akt bei Rense die
Rede wäre. Endlich, wie er nach wochenlangem vergeblichem Koblenzer
Aufenthalte die Krönung vorläufig aufgegeben hat und wieder den Rhein
aufwärts fährt?), findet er sich am 2. Sept. beim Königstuhl von Rense.
Aschbach in seiner Gesch. K. Sigmund’s 1, 405 nt. 31 und 2, 462 hatte
schon auf den Brief der Frankfurter Abgeordneten dieses Datums auf-
merksam gemacht, es ist derselbe, den inzwischen Janssen in Frank.
R. K. 1, 262 nr. 472 gedruckt hat, und es heifst da: auch heldet unser
herre der kunig eezunt zu schiffe bi Rense bi dem kunigstul, und ifset, und
meinet zu stunt vurter heruff zu faren. Man sieht aber nicht einmal, ob er
auch nur ausgestiegen ist; es macht sogar den gegentheiligen Eindruck.
Auch aus der zweiten Krönungsreise vom gleichen Jahr, bei der er an’s
Ziel nach Aachen und zur Krönung gelangte, wird nichts berichtet von
dem versprochenen Akte zu Rense. Ein Berichterstatter über diese zweite
1) [Abschnitt III] S. 24.
2) [Abschnitt VI] S. 55.
3) Auch der Brief in RTA. 7, 203, 28f. nr. 145 spricht dafür, dals der Aufent-
halt Sigmund’s zu Rense in die Rückreise, den Rhein aufwärts, fäll. Wenn nachher
noch eine Urkunde aus Koblenz von ihm ausgeht (Aschbach 1, 405 nt. 32, und 2, 462
oben), so ist nur zu vermuthen, dafs seine Kanzlei nicht sogleich mit ihm von Koblenz
abreiste.
Rense als Wahlort. 63
Reise erzählt sehr kurz und trocken: of den sondag [Okt. 28] — qwa-
men konnig und konniginnen ge Bopparten, of den mandag [Okt. 29] von
Bopparten gen Kabeleneze, also ruhig an Rense und Königstuhl vorüber
(RTA. 7, 244, 3—5 nr. 167). Wie er dann 1434 Apr. 30 den Rensern
das Privileg Karl’s IV. „vernewet confirmert und bestetiget“ hat!), da
ist es nicht mehr wie bei der Verleihung des Zolles durch Wenzel vom
1. Jan. 13982), weil sie für den Königstuhl sorgen zum Gebrauch des
Reiches „in urber und behoyff des heiligen richs“, sondern nur noch
„dem riche tzu eren“. Er scheint es so anzusehen in diesen Worten, wie
er es selbst behandelt hat, frischweg und unbekümmert um das Alte;
einen König geht der Königstuhl nichts mehr an, er hat dort nichts zu
thun, diese Zeiten sind vorüber, aber es ist gut, dals dafür gesorgt wird
zum ehrenden Gedächtnis. Zum Troste dafür, dafs jetzt ihre weltge-
schichtliche und reichsgeschichtliche Bedeutung zu einem frühzeitigen Ende
kommt, erhalten die Renser ein Schmerzensgeld, indem ihnen diesmal bei
der Bestätigung des Privilegs der halbe Theil der Geldstrafe von 20 Mark
löthigen Goldes zugesprochen wird, welche alle diejenigen zu zahlen haben,
die gegen die Urkunde handeln.
Der vorsichtige und umständliche Friedrich Hl. hat dann die Sache
bis auf einen gewissen Grad wieder aufkommen lassen, wahrscheinlich
von kurfürstlich Rheinischer Seite dazu veranlalst, wo sie noch nicht
vergessen gewesen sein wird. Eberhard Windeck erzählt?) zum Jahr
1442, als Friedrich nach Aachen zur Krönung zog: dornach fur der ko-
nig mit den hern von Bacharach den Rein abe, und do si komen gein
Boparten, do des koniges stulle stat zu Rense, do was der stull kostlich
berait mit guldein und siden tuchern; do wart der konig dorauf gesezt
von den kurfursten, also dann das von alter herkomen ist. Die glän-
zende Zurüstung scheint eine Überraschung zu sein, die ihm diese Kur-
fürsten bereitet hatten. Sie mögen gewünscht haben, die Sache wieder
in Schwung zu bringen, ihr vielleicht eine gröfsere Bedeutung zu geben,
doch blieb es bei der inhaltsleeren Ceremonie. Es war wenigstens so
!) Herausg. von Hellbach im Corr. Bl. d. Gesammtvereins Okt. 1834 nr. 10.
ERDAR 1,161, Sinr. 96.
®) Mencken SS. RR. GG. 1, 1284 cap. 223.
64 WEIZSÄCKER:
wie Jost und Sigmund es versprochen hatten, zwar lange nach der Er-
wählung, aber doch auf der Reise zu der Aachener Feierlichkeit, richtig
zwischen Wahl und Krönung. Wenn Friedrich wirklich sich damals noch
nachträglich zu Frankfurt und gleich darauf gar noch auch zu Mainz!)
hat auf den Altar exaltiren lassen und hier nun überdies die Stuhlsetzung
in Rense vorgenommen wird?), so sind wenigstens die beiden letzteren
Handlungen sehr überflüssig gewesen nach dem Beispiel Sigmund’s. Die
Kurfürsten mögen nicht ohne Grund auf seine Neigung zu pomphaften
Gelegenheiten gerechnet haben. Dafs hier der Ausdruck „auf den Stuhl
gesetzt“ wieder auftritt, darf nicht überraschen; als kurze Sprachwen-
dung ist es wohl erklärlich, er wurde ja von ihnen hinaufgeführt und
hat sich oben gewils auch niedergesetzt, und sonst kam nichts vor, je-
denfalls palst es eher als bei Ruprecht, der schon oben war, als er erst
gewählt wurde.
Eine neue Wendung sollte die Sache aber 1486 unter Maximilian I.
bekommen. Dafs er „auf den Stuhl gesetzt“ worden sei, diese milsver-
ständliche Redensart ist in der coronatio Maximiliani 1.?) glücklich ver-
mieden; sie wird durch die richtigere Fassung ersetzt, dafs der König
von zwei Kurfürsten auf den Königstuhl geführt worden sei, auf dem er
dann safs, als er die darauffolgenden Handlungen vollzog. Diese Hand-
lungen aber sind, dafs er dem Römischen Reich einen Eid schwört und
einen Ritterschlag vornimmt*). Der Ritter Ludwig von Eyb?) berichtet,
dafs Maximilian am 30. März „an den Königstuhl“ zu Rense gekommen
sei; dort habe der Erzbischof von Mainz die Forderung an ihn gestellt,
dafs er die Fürsten bei ihren alten Privilegien und Herkommen belassen
solle, wofür ihm diese, wie von Alter hergebracht, gehorsam sein wür-
1) Fritz Rieger l.c. 32.
?) Das kurze Regest der Privilegiumsbestätigung bei Chmel reg. Frid. nr. 1015
läfst nichts erkennen als ganz allgemein diese Bestätigung selbst.
3) Freher-Struve SS. RR. GG. 3, 30. — Die Aufzeichnung über die Aache-
ner Krönung bei Olenschlager N. Erl. d. G. B. im Urk. B. auf S. 255 in nr. 116
enthält nichts über den Aufenthalt in Rense bei der Reise nach Aachen.
4) Die Erzählung schliefst: facta quoque per archiepiscopum Moguntinum rela-
tione, iterum se in naves receperunt, venientes illo sero Andernacum.
5) Ed. Jos. Baader, in Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein 1364
Heft 15 S. 2.
Rense als Wahlort. 65
den: „darauf“ so wird fortgefahren „thet der konig ein verwilligung‘,
es ist kaum zu entscheiden, ob damit die Verwilligung der genannten
Kurmainzischen Forderung oder irgend eine andere specielle Gewährung
gemeint wird. Das Datum dieser Dinge ist dabei auf den 30. März 1486
angegeben. Es ist die Zeit zwischen der Wahl vom 14. Febr. zu Frank-
furt und der Krönung zu Aachen vom 9. Apr., also richtig so wie es
Jost und Sigmund zu machen versprochen und es bei Friedrich III. aus-
geführt worden war, auf dem Wege zur Krönung!). Man sieht, wie man
der inhaltsleeren Ceremonie zu Rense wieder einigen Sinn zu verschaffen
suchte, indem man den Neugewählten dort einige einleitende und erste
Regierungshandlungen vornehmen liefs, die aber dem Königstuhl keine
bleibende Bedeutung geben konnten. Für diesmal galt es vielleicht die
möglichste Vorsicht zu üben, damit die Anfechtung der Wahl keine wei-
teren Anhaltspunkte bekomme (diese Anfechtung s. Ulmann die Wahl
Maximilian’s I. in den Forschungen 22, 154ff. und K. Maximilian I. Bd. 1
S. 8, wo aber vom Königstuhl nicht die Rede wird).
Dann als bei Maximilian II. die Sache wieder in Anregung ge-
bracht wurde, die unter seinen beiden Vorgängern eingeschlafen zu sein
scheint, da fruchtet es nichts mehr. Es sei zwar, so wird berichtet?),
alte Gewohnheit, dafs der König nach der Frankfurter Wahl auf den Kö-
nigstuhl bei dem Städtchen Rense geführt werde und da den Kurfürsten
alle Privilegien bestätige, um darauf zu Aachen nach Anweisung der Gold-
nen Bulle gekrönt zu werden, aber sehr schwer wiegende Gründe hätten
1) Die ungen. franz. Quelle, die Stramberg im Rheinischen Antiquarius 2, 4,
379 — 380 mittheilt, läfst den König ebenfalls von einigen hohen Persönlichkeiten auf den
mit Tapisserie wohlausgeschmückten Königstuhl begleitet werden, er thut seine Schuldig-
keit eine Zeit lang dort zu sitzen, und wird sehr von den Landleuten betrachtet, die sei-
nen Anblick wünschten. Es sei, so hatte man dem Berichterstatter es wohl erläutert,
der erste Stuhl, auf den der König sich nach seiner Erhebung setzen müsse, d. h. der
erste insofern als der zweite dann zu Aachen folgt, wohin man eben reiste. Von An-
drem, was da vorgenommen, wird dabei nichts berichtet.
2) De electione et inauguratione Maximiliani Austrii II., Rom. regis Francofurti
ad Moenum 1562 historia per Adamum et Nicolaum Heydenos fratres gemellos descripta,
(die Eleetio von Diesem, die Inauguratio von Jenem, und die Letztere beginnt mit der
Abmachung wegen Rense) steht in Germanicarum rerum tomi quatuor Simonis Schardii,
im Schardius redivivus sive rerum Germanicarum scriptores varii olim a d. Simone
Schardio, oper& Hieronymi Thomae, tomus III pag. 90, Giessae 1673.
Philos.-histor. Abh. 1890. I. I
66 WEIZSÄCKER: Rense als Wahlort.
dagegen gesprochen: die Unbequemlichkeit der winterlichen Jahreszeit,
und dazu die grofsen Kosten, die man dem Gemeinwesen habe ersparen
können. Mit Recht hätte man auch sagen können, dafs die Goldene Bulle
aulserdem deutlich genug die Bestätigung der kurfürstlichen Privilegien
sofort nach der Wahl in Frankfurt selbst vorgenommen wissen wolle!).
Aber es ist uns genug, zu erfahren, wie Kaiser und Kurfürsten einerseits
und die Stadt Aachen andrerseits ganz einverstanden waren, dals beides,
jene Privilegienbestätigung und die Krönung, zu Frankfurt am 30. Nov. 1562
geschehen solle. Jedenfalls, da jetzt Rense für den neuen König nicht mehr
auf dem Wege zu einer Aachener Krönung lag, konnte die Reise zwischen
Wahl und Krönung, von Frankfurt nach Rense und von Rense nach
Frankfurt sehr störend empfunden werden. Werth hatte sie ohnedies
keinen für den König. Da man nicht nach Rense kam, so wurde auch
die Bestätigung der alten Zollvergünstigung für die Ortschaft, vom 9. Juli
1576, die Karl IV. einst ertheilt hatte, offenbar vergessen, und erst 1568
nachgetragen?).
Es zeigt diese rasche Übersicht über spätere Stuhlbesteigungen zu
Rense, die nicht auf Vollständigkeit der Behandlung Anspruch macht,
dafs jene Sitte sich nicht einmal so lange erhalten hat wie die Exaltation
des Königs auf den Altar.
1) Goldene Bulle cap. 2 art. 4 electus, peracta statim electione — absque dila-
tione — confirmare debeat.
?2) Günther cod. dipl. Rh.-Mosell. 3, 794—796 nr. 554. In der Urkunde
kehrt die Wendung von 1434 wieder: doch das sie das gestuell, in bemelts kaiser Karl’s
brief ernennt, dem reich zu ehren bewahren bawlich und wesentlich underhalten, vgl.
S. 63.
Die urheimath der Indogermanen und das
europäische zahlsystem.
Von
H" JOHANNES SCHMIDT.
Philos.-histor. Abh. 1890. II. 1
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IN cken man erkannt hatte, dafs alle die völker, welche jetzt
unter dem namen der indogermanischen begriffen werden, von einem
gemeinsamen urvolke abstammen, nahm man zunächst an, dies urvolk
habe zuerst irgendwo im inneren Asien gesessen. Das schien so selbst-
verständlich, dafs man sich mit beweisen begnügte, welche nur einem
schon ohne sie überzeugten genügen können. Man gab zeugnissen über
die vergangenheit einzelner arischer völker unberechtigt eine rückwir-
kende kraft auf das urvolk oder liefs die grölsere alterthümlichkeit der
arischen sprachen gegenüber den europäischen ins feld rücken, welche
schwindet, sobald man je zwei aus gleicher zeit stammende sprachdenk-
male mit einander vergleicht, oder man berief sich einfach auf die ana-
logien anderer aus Asien nach Europa erfolgter einwanderungen, welche
ebenso wenig beweisen, dafs die indogermanische wanderung die selbe
richtung genommen hat, als die keltischen und phrygisch-armenischen
züge gen osten, die später von den anhängern der europäischen hei-
math zu gunsten ihrer ansicht angeführt wurden, einen rückschlufs auf
die indogermanische bewegung gestatten. Ich brauche die ältere littera-
tur hier nicht im einzelnen durchzunehmen, da ©. Schrader (sprach-
vergleichung und urgeschichte ? s. If. 111ff.) sie zusammengestellt und
rıchtig beurtheilt hat.
1*
4 ScHMIDT:
Mit vorliebe beruft man sich endlich. bis in die jüngste zeit auf
den frühen aufschwung der Inder zu litterarischen schöpfungen (so noch
van den Gheyn l’origine europeenne des Aryas, Paris 1889, p. 40. 46
und Max Müller three lectures on the science of language, London 1889,
p- 61). Dieser vermag wohl einen anderweitig geführten beweis zu ver-
stärken, aber weder ihn selbst zu führen, noch einen etwa für die euro-
päische heimath erbrachten zu entkräften. Der grofse abstand zwischen
den Litauern, welche es bis heute nur zu sehr einfachen Iyrischen liedern
gebracht haben, und ihren unmittelbaren nachbarn, den Germanen, welche
sich bereits vor mehr als einem jahrtausend an den herrlichsten heldendich-
tungen begeisterten, zeigt, wie gewagt ein schluls vom späteren beginne
der litteratur auf längere wanderung ihres volkes ist. Sind auch die ve-
dischen hymnen, wie M. Müller meint, schon 1500—1000 v. Chr. an
den ufern der sieben ströme erklungen, so folgt daraus keineswegs, dals
die vorfahren der sänger nicht, sagen wir ein jahrtausend früher, aus
fernen landen aufgebrochen sein können. Das heilse klima des Indus-
landes mochte ihnen neben besonderer begabung erleichtern sich schneller
zu entwickeln als ihre in der heimath zurückgebliebenen unter ungünsti-
geren bedingungen den lebensunterhalt erringenden verwandten. Und wer
möchte behaupten, dafs zur vedischen zeit die Europäer — mögen sie
gesessen haben, wo man will — gar keine lieder gesungen haben? Es
fehlte ihnen vielleicht nur die mufse, die frömmigkeit und die geduld,
welche die Inder befähigten so umständliche vorkehrungen zur erhaltung
ihrer lieder in nichtschreibender zeit zu treffen. Scheint doch die von
Westphal angereste vergleichende metrik schon für die indogermanische
urzeit den beginn gebundener und formelhafter rede zu sichern (s. die
bei OÖ. Schrader ? 40 verzeichnete litteratur).
Vietor Hehn, dessen scharfes auge diese blätter leider nicht
mehr prüfen wird, zieht aus der nur bei europäischen Indogermanen
übereinstimmenden benennung des salzes den schlufs, dals diese völker
gemeinsam durch die salzsteppen des Aralsees und kaspischen meeres
gewandert seien und erst dort das salz kennen gelernt haben (das salz
s. 16). Ich halte ihn nicht für zwingend, da diese benennung, obwohl
sie den arischen sprachen fehlt, wegen ihrer eigenthümlichen gestalt aller
wahrscheinlichkeit nach schon aus der ursprache stammt und das schwei-
Die urheimath der Indogermanen und das europdische zahlsystem. 5
gen der arischen sprachen gerade in diesem falle nicht viel bedeutet (Ss.
pluralbildungen der neutra s. 183).
Herm. Brunnhofer (über den ursitz der Indogermanen, öffentliche
vorträge gehalten in der Schweiz, herausg. v. B. Schwabe bd. VIII, heft V,
Basel 1885) setzt die urheimath nach Armenien. "Aga&rs als flulsname
findet sich nicht nur in Armenien (armen. Eraskh), sondern noch in Per-
sis und Mesopotamien, wird auch als benennung von flüssen angegeben,
welche gewöhnlich andere namen führen, so des laxartes, Thermodon, Hy-
panis, Rha, Tanais, Peneios. Brunnhofer verbindet damit die namen
des vorgebirges "Aga£fss in Elis, der stadt "Ag«Za in Lykien und des vol-
kes ’Agafaı 9 Apa£cı in Ilyrien und vermuthet wie Spiegel (Ausland 1864,
s. 367) auch zusammenhang mit abaktr. Rarha und dem mythischen flusse
Rasa des Rigveda. Ebenso kehre der name des benachbarten armen.
Kügcs oder Keges, des heutigen Kur, nicht nur auf iranischem gebiete son-
dern auch im thessal. Kougarıss oder Kwgadıos wieder. “Es unterliegt kei-
nem zweifel, dafs die zwei armenischen ströme dieses namens die wahren
prototype aller andern im osten und westen wiederkehrenden flufs- und orts-
namen Kur und Araxes sind. Das von beiden strömen eingeschlossene
gebiet ist nach altpersischem glauben heiliges land, grund genug die na-
men der dasselbe umschlingenden flüsse für uralt zu halten’ Lassen wir
den Kur aus dem spiele, bei welchem gar nicht zu entscheiden ist, wie
viel von dem zu ihm gestellten vielmehr dem personennamen apers. Aurush
zukommt, so wird die eine oder die andere der nachrichten über die be-
nennung "Ag@&rs wohl auf einfacher verwechselung beruhen und auch der
verhörung oder ungenauen gräeisierung ein gewisser spielraum vorzube-
halten sein (wie durch Ze9&4s nicht nur ap. Khshayarsha sondern auch der
zweite theil von Arta-khshathra wiedergegeben wird). Endlich aber wäre
nachzuweisen, dafs wirklich Armenien die heimath des namens sei und die-
ser selbst der indogermanischen sprache angehöre, deren jüngere form
man armenisch nennt, nicht von emer älteren bevölkerung hinterlassen sei.
Fast alle diese bedenken hat schon Kiepert vor mehr als zwanzig jahren
ausgesprochen (monatsber. d. Berlin. akad. a. d. j. 1869, s. 229 anm. 2).
Dafs sich ganz andere schlüsse aus dem flulsnamen ziehen lassen, kann
man in Zimmers altindischem leben s. 15 sehen. Vertraut man auch
dem anklange des ved. Dr’bhika- an die in Hyrkanien und Margiana woh-
6 SCHMIDT:
nenden Asoßınes oder Asoßızzaı, so führt er doch nicht nach Armenien.
Und wenn das altbaktrische airyanem vagj6 auch mit Spiegel in Arran,
dem lande zwischen Kur und Eraskh zu suchen wäre, würde dies da-
durch noch nicht zur heimath der übrigen Indogermanen. Ferner soll
der Argonaute "Aguevos aus dem thessalischen "Agueviov, welcher laut Strabo
mit Jason nach Armenien zog und diesem den namen gab, vielmehr be-
weisen, dafs die Griechen von dort ausgewandert seien, und der anklang
der Erminones und des Armimius auch die Germanen ebendahin führen.
Auf solche anklänge ist überhaupt nicht viel zu geben, im vorliegenden
falle um so weniger, als apers. Armina, Armaniya Armenien, Arminiya Ar-
menier gar nicht die nationalen benennungen sind, die Armenier sich selbst
vielmehr von alter zeit an Harkh (pl. von ha) = skr. pati-) nennen. Armina
hiefs wahrscheinlich nur ein südöstlicher den Medern zunächst liegender
stamm, dessen namen diese und dann die Perser auf das ganze volk übertru-
gen (s. Kiepert über älteste landes- und volksgeschichte von Armenien,
monatsber. d. Berlin. akad. 1869, 223; lehrbuch d. alten geographie s. 75).
Endlich in Diodors bericht (II, e. 43) über die wanderungen der Skythen
vom Araxes aus mit Brunnhofer nicht mehr und nicht weniger als eine
authentische, aus dem grauesten alterthume überlieferte geschichte der
Urindogermanen’ zu sehen (s. 21) wird wohl nur wenigen gelingen.
Der ganzen armenischen hypothese steht die bekannte volksüber-
lieferung entgegen, dafs die Armenier von den aus Macedonien eingewan-
derten Phrygern abstammen (Herodot VII, 73; VIII, 38, Steph. Byz. un-
ter "Aguevie). Die keilinschriften von Van beweisen, dafs diese indoger-
manische einwanderung erst nach dem 7. jh. v. Chr. stattgefunden hat
und dafs die ältere durch sie verdrängte bevölkerung der Alarodier we-
der zu den Indogermanen noch zu den Semiten gehörte (Sayce the cu-
neiform inseriptions of Van, journal of the Royal Asiatie society vol. XIV,
p- 377s.).
Fritz Hommel (die namen der säugethiere bei den südsemit. völ-
kern s. 224. 290. 414f., correspondenzbl. d. dtsch. gesellsch. f. anthropol.,
ethnogr. u. urgesch. 1879 s. 60, archiv f. anthropol. XV, 1884, s. 164)
hat einige alte ‘eulturwörter zusammengestellt, welche in der semitischen
wie in der indogermanischen grundsprache vorhanden gewesen seien, bei
der unverwandtschaft beider also nur aus der einen in die andere entlehnt
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 7
sein können, mithin beweisen, dafs die urheimath der Indogermanen nahe
der der Semiten in Asien gelegen habe.
1) Ursemit. tauru oder thauru stier ‘mit dem dem ursemitischen
eigenen zwischen t und sch stehenden laut, der im arab. zu engl. ih, im
aram. zu £, im äthiop. zu s, im hebr. und assyr. zu sch wurde‘, arab.
si, hebr. ww, phön. Swg, assyr. süru usw. = indog. staura stier, wel-
ches auf grund von got. stur, skr. sthürd- stark und ravgos angesetzt wird
(säugeth. 224). Diese indog. worte gehen aber auf zwei mit einander
ganz unvereinbare grundformen zurück. stur aus *stiwur deckt sich mit
skr. sthavira- dick, derb, welches im RV. als beiwort des stieres erscheint
(W. Schulze KZ.XXIX, 271) und regelrecht dem abaktr. staore-m grofsvieh
entspricht (Bartholomae BB. XV, 10); gemeinsame grundform ist indog.
sthevaro-s, welches dem semit. fauru nicht allzu nahe liegt. raugos da-
gegen deckt sich mit umbr. turuf, preuss. taurıs, abulg. fur“. Vielleicht
ist das ihnen zu grunde liegende Zauros aus dem im gallischen erhalte-
nen Zarvos, air. tarb (Zeuss ? 54), finn. tarvas entstanden wie «aurgs röhre,
lit. avihjs, aulys bienenstock, abulg. «4 bienenstock aus lat. alwus, alweus
bienenstock (voc. II, 416). Mit gall. tarvos hängt finn. tarvas, estn. far
ochse durch entlehnung zusammen (Schiefner bullet. de la classe hist.-
phil. de l’acad. de St. Petersbourg V, 1848, p. 102; VI, 1849, p. 286.
379), wobei dahingestellt bleibe, ob anord. tarfr die vermittelung bildet,
oder ob diese wortform früher noch bei anderen mit Finnen in berührung
gekommenen indogermanischen völkern lebte. Sollte aber auch tauros
eine unveränderte, nicht aus Zarvos entstandene grundform sein und mit
dem semit. fauru zusammenhangen, so könnte das den Ariern fehlende
wort von einem oder mehreren der osteuropäischen stämme benachbar-
ten Semiten entlehnt und dann allmählich ferner wohnenden Indogerma-
nen mitgetheilt sein!). Für die indogermanische urzeit gewinnen wir
also selbst dann nichts.
2) Der zahllos oft hervorgehobene anklang von hebr. j77, ursemit.
garnu horn an lat. cornu, ir. corn, got. haurn, für welche Hommel indog.
karna- ansetzt, ist wohl trügerisch, denn die beiderseitigen anlaute waren
1) Übrigens sei daran erinnert, dafs bereits Pott e. f. II!, 189 gäl. tarbh, tech. tur,
ehald. „in, lat. taurus zusammengestellt hat.
8 SCHMIDT:
stark verschieden, skr. er'nga-m erweist für die ursprache den laut, welchen
die mehrzahl der fachgenossen als palatalen verschlufslaut ansetzt, wel-
cher aber vielleicht ein spirant war (KZ. XXV, 134f.), jedesfalls von dem
tief gutturalen semit. q weit ab lag. Da unser horn usw. sich durch ihre
ausgebreitete verwandtschaft als echt indogermanisch erweisen (pl. ntr.
365#.), die Indogermanen als nomaden auch schon mehr horn besalsen,
als sie verarbeiten konnten, so müfsten hier die Semiten die entlehnenden
gewesen sein, d.h. in jener vorzeit so viele hörner aus Indogermanien
eingeführt haben, dals deren fremde bezeichnung den einheimischen na-
men verdrängen konnte. Ist dies nur im geringsten wahrscheinlich?
3) Idg. gharata = ursemit. haradu gold. Letzteres ist auf grund
von assyr. hurasu, hebr. y'%7 angesetzt. Von indog. seite scheidet xgu-
cos als relativ spätes phönieisches lehnwort aus (Pott e. f. IL!, 141,
A. Müller BB. ], 299). O. Schrader (sprachvergl. u. urgesch. ?2 243 ff.)
spricht unserem urvolke den besitz des goldes ab ohne Ficks zusammen-
stellung von got. gulb, abulg. zlato, lett. felts mit skr. hätaka-m gold
(spracheinheit 283) zu erwähnen. Allerdings erscheint im Mahäbharata
je einmal Hätaka-s als name eines landes, pl. Hatakas als der seiner be-
wohner, so dals Böhtlingk das appellativum als das aus Hataka ge-
wonnene deutet. Ebensowohl kann aber das land nach dem metalle als
Eldorado benannt sein; hataka- golden wird ja vom scholiasten zu Pänini
angeführt. Im zweiten falle wäre yholto-m oder yhorto-m (nicht gharata)
für die ursprache gesichert, und zwar, wie seine zahlreichen wurzelver-
wandten mit anderen suffixen beweisen, als echt indogermanisches wort!).
Ohne auf die frage einzugehen, ob die ursprache überhaupt / gehabt hat,
würde jedesfalls nach dem verhältnisse von rerexus, skr. paracı-s zu den
von Hommel ihnen zugesellten sumer. balag, babylon.-assyr. pelakku im
!) P. v. Bradke (über methode und ergebnisse der arischen alterthumswissenschaft
s. 72 — 76) lälst gulp aus zlato und dies aus der sprache 'nachdringender Iranier entleh-
nen, beides gleich unwahrscheinlich. Eine mit suffixalem ? gebildete benennung des gol-
des ist in keiner iranischen sprache nachgewiesen, und dafs abaktr. zaranya- gold mit
abulg. zlitü gelb zu abulg. z/ato gold “contaminiert sei (s. 74), wird wohl niemand glau-
ben. Steckt in skr. haätaka- ein *hata- oder *häta- gold, was möglich, aber nicht nothwen-
dig ist, dann sichert dies im verein mit den nordeuropäischen worten die entsprechende
benennung des goldes für die urzeit.
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 9
semitischen /, nicht r zu erscheinen haben, aufserdem aber das semitische
lange u unerklärt bleiben, so dafs haradu schon hierdurch allen zusam-
menhang mit indog. yholtom oder yhortom verliert.
4) Idg. sirpara oder sirapra — assyr. sarpu (arab. 2b zarfun
hat Hommel archiv f. anthr. XV, 165 zurückgezogen). Leider ‚kommt
aber die gemeinte bezeichnung des silbers nur in den nordeuropäischen
sprachen vor, got. sılubr, abulg. sirebro, preuss. sirablan, siraplis, lit. si-
dabras, lett. sidrabs, sudrabs, und ist überhaupt sehr zweifelhaft, ob das
indog. urvolk schon silber kannte (s. O. Schrader ? 259f.; P. v. Bradke
ago, 14. Note):
Hat auch keins dieser indogermanisch-semitischen ‘eulturworte’
stich gehalten, so sind wir Hommel doch zu grofsem danke verpflichtet
für den hinweis auf zwei andere worte, welche die Indogermanen mit dem
ältesten innerasiatischen culturvolke, den Sumeriern, gemein haben: 1) skr.
loha-s, löhd-m kupfer, pehl. röd, abulg. ruda metallum, lat. raudus, an.
raudi rotes eisenerz = sumer. urud kupfer, 2) skr. paraclı-s, wererus —
sumer. balag, babylon.-assyr. piakku beil. Sie sind in der ganzen bis-
herigen litteratur der einzige vielleicht nicht trügerische anhalt für die
bestimmung der indogermanischen urheimath. Einen wirklichen beweis
zu führen sind sie allein natürlich aufser stande, da sie zufällige anklänge
sein können, wie sie auch zwischen ganz unverwandten sprachen, welche
nie berührungen gehabt haben, vorkommen, z. b. mandschu shun sonne,
engl. sun; mandschu seng? blut, lat. sanguis; nordamer. potömac flufs,
roraucs (Sayce introduction I, 149). Sollten die anklänge nicht auf zu-
fall beruhen, dann ist sumer. balag, babylon.-assyr. pilakku durch seine
übereinstimmung nur mit eAexus, nicht mit skr. paracuı-s, im höchsten
grade wichtig.
Die neuesten vertheidiger des asiatischen ursprunges unserer spra-
chen, M. Müller (biographies of words p. 111f. und three lectures) und
van den Gheyn, erwähnen diese worte ebenso wenig wie Schrader in
seiner zweiten auflage. v. d. Gheyn schliefst seine schrift ‘’origine euro-
peenne des Aryas (Paris 1889) mit dem resignierten seufzer: si ’hypo-
these de l’origine asiatique n’est pas peremptoirement prouvee, d’autre
part, rien ne s’oppose & ce qu’on y souserive (p. 46). Es ist ihm leider
nicht gelungen irgend etwas stichhaltiges für Asien beizubringen.
Philos.- histor. Abh. 1890. II. 2
-
10 SCHMIDT:
Ehe ich einen weiteren anhalt zu gewinnen suche, sind nun noch
die gründe zu prüfen, mit welchen man unsere urväter nach Europa ver-
weisen will.
In den fünfziger jahren begann eine gegenströmung zu gunsten
der europäischen herkunft der Indogermanen, welche immer mehr an kraft
gewann und heute namentlich die anthropologischen kreise in ihren stru-
del gezogen hat. Leider vertragen auch hier die beweise keine scharfe
prüfung. Völlig hinfällig sind die nur allgemeinen erwägungen von La-
tham (elements of comparative philology, London 1862 p. 611f.) und
J. G. Cuno (forschungen im gebiete der alten völkerkunde I, 1871, s. 21ff.;
vgl. O. Schrader sprachvergleichung ? 118. 123f£., Max Müller three
leetures on the science of language, London 1889, p. 60). L. Geigers ar-
gumente (zur entwickelungsgesch. der menschheit 1871, 113ff.) beruhen
darauf, dals er für die ursprache eine reihe von baum- und pflanzenna-
men in anspruch nimmt, welche thatsächlich nur in europäischen spra-
chen vorkommen (s. Schrader 121f.). Dagegen besticht auf den ersten
anblick Benfeys bemerkung, dafs für die in Asien heimischen thiere,
löwe, tiger, kamel sich keine gemeinsamen namen bei den Indogermanen
finden, wohl aber für die in Europa lebenden, bär, wolf, rind, schaf, ziege,
hund, pferd u. a. (vorwort zu Ficks wtb. d. indog. grdspr. 1. aufl. 1868,
s. VIII; geschichte der sprachwissensch. 599f.). Benfey setzt deshalb
unsere urheimath in die gegend ‘oberhalb des schwarzen, nicht fern von
dem kaspischen meere' (allgemeine zeitung, 27. juli 1875, beilage s. 3270).
Wer bürgt aber dafür, dafs nicht gerade dort zu der zeit, um welche es
sich hier handelt, löwen hausten? kamen sie doch noch zu Herodots zeit
in den ländern zwischen dem Acheloos in Akarnanien und dem bei Ab-
dera in Thracien mündenden Nestos vor (Hdt. VII, 125. 126). Ich lege
hierauf weiter kein gewicht, da überhaupt keiner der vier thiernamen für
die europäische urheimath das geringste beweist. Tiger und kamel schei-
den sofort aus, da sie auch den Indern zur zeit des Rigveda, als sie nur
im Indusgebiete salsen, noch unbekannt waren, s. Zimmer altind. leben
791). Der löwe aber kommt auch auf dem hochlande von Pamir und
1!) Armen. vagr tiger ist aus skr. vyäghrd- entlehnt, ihm nicht urverwandt, siehe
Hübschmann armen. stud. I, 14.
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 11
an den abhängen des Hindukush, wo man bisher die urheimath der Indo-
germanen suchte, nicht vor (Ujfalvy de Mezö-Kovesd expedition scien-
tifique Francaise en Russie, Siberie et Turkistan, Paris 1878; Max Mül-
ler biographies of words and the home of the Aryas 1888, p. 100; three
lectures on the science of language, London 1889, p. 65). Man brauchte
also nur diese oder eine andere löwenlose gegend Asiens zu nehmen um
vor Benfey sicher zu sein. Die versuche die europäischen benennun-
gen des löwen als indogermanisch zu erweisen sind zwar fehlgeschlagen!),
wir wissen nicht, ob überhaupt und wie die Indogermanen den löwen
benannt haben, dies zwingt uns jedoch keineswegs ihnen die bekannt-
schaft mit dem thiere abzusprechen. Ohne irgendwo gegen die wahr-
scheinlichkeit zu verstofsen, können wir unsere vorfahren trotzdem in ein
löwenbewohntes land setzen. Dazu bieten sich verschiedene möglich-
keiten. 1) Nehmen wir an, sie benannten den löwen mit dem worte, des-
sen fortsetzung in skr. sümha-, armen. in) leopard erhalten ist, so war
es natürlich, dafs die nachmaligen Europäer, sobald sie in löwenlose ge-
genden kamen, das wort verloren, wie die Inder die indog. wurzel sneigh,
snigh im schneelosen süden verloren haben. Ihre griechischen nachkom-
men lernten den löwen in semitischen ländern wieder kennen und über-
nahmen seine benennung von den Semiten, gerade wie die Deutschen, in
deren lande der elch ausgerottet ist, für ihn jetzt die benennung elen von
1) Paulis herleitung von Aswv usw. aus einer wurzel liv gelb sein (die benen-
nung des löwen bei den Indogermanen, Münden 1873), welche trotz der unverkennbaren
schwächen von OÖ. Schrader (sprachvergleichung und urgeschichte ? 362) wieder zuge-
lassen wird, mag hier auf sich beruhen, da auch nach ihr den Ariern etwas verwandtes
fehlt, der name also nicht aus der ursprache herleitbar ist. Lefmann (BB. X, 302) stellt
leo, 2.2 Fwv zum namen des dämon Rävana- im Rämayana, welchen er Ravana nennt, und
erklärt sie als 'brüller. van den Gheyn (l’origine europeenne des Aryas, Paris 189,
p- 15 anm. 5) stimmt ihm bei, auch Rendall (the cradle of the Aryans, London 1889,
p- 17), dem sie sehr unbequem ist, wagt diese herleitung nicht zu bestreiten. M. Mül-
ler scheint sie auf jeden fall einleuchtender als die entstellung aus semit. labi'atu (bio-
graphies of words p. 113). Es liegt aber auf der hand, dafs wenn Aewv aus Aepwv ent-
standen ist, lat. /eo ihm nur entlehnt, nicht urverwandt sein kann, da indog. ev im lat.
stets zu ov, eventuell weiter zu u geworden ist. Aufserdem haben die mit skr. ru, rauti
brüllen verwandten europäischen worte durchweg r: weuw, lat. rävis, rümor, ahd. ruode
rugitui usw. (Curtius g. e. °® 356, verf. KZ. XXVI, 11), vom vocalismus des griechi-
chischen ?%&wv, welcher auch schwierigkeit macht, zu schweigen.
1% SCHMIDT:
den östlichen nachbarn, bei welchen er sich länger erhalten hat, entlehn-
ten (lit. eins, poln. jelen, russ. oleni). Oder 2) die Indogermanen be-
nannten den löwen mit einem worte, welches sich nicht nur bei den
Europäern sondern auch bei den Ariern verloren hat. Denn auch diese
konnten, selbst wenn das thier nie ihrem gesichtskreise entschwand, die
alte benennung aufgeben, wie die nordeuropäischen völker, obwohl sie
nie in bärenlosen ländern gesessen haben, die indogermanische benen-
nung (skr. r’ksha-s, agrres, ursus) durch neue ersetzten: ahd. pero, lit.
lokys, meszka, lett. lacis, abulg. medvedi. Endlich 3) ist nicht undenkbar,
dafs das urvolk den löwen noch gar nicht als eigene gattung sondern
erst als art eines anderen der auf die urzeit zurückführbaren raubthiere,
z. b. des hundes, aufgefalst hat, wie die Inder auch raubthiere, welche
keine hunde sind, unter cväpad-, evapada- begreifen, z. b. den tiger AV.
VII, 5, 11; GQat. Br. V, 5, 4, 10, und die Sumerier den löwen lik. magh
‘grofser hund’ nennen (Hommel namen der säugethiere 416). Ich will
weder eine dieser möglichkeiten als wirklich behaupten noch entscheiden,
ob die Indogermanen in einem löwenlande gesessen haben oder nicht,
da unsere kenntnisse hierzu noch keinerlei anhalt geben. Die ganze aus-
führung sollte nur zeigen, auf wie schwachen füssen Benfeys beweis, wel-
cher nachhaltigen eindruck gemacht hat und auf der späteren litteratur
bis zu der jüngst erschienenen schrift von Rendall, the eradle of the
Aryans (London 1889, p. 17), wie ein alb lastet, in wirklichkeit steht.
Auch Otto Schrader hielt in der ersten auflage seiner ‘sprach-
vergleichung und urgeschichte (s. 454) zwar eine endgiltige entschei-
dung noch nicht für möglich, erklärte aber ‘die ansicht, dafs der ur-
sprung der indogermanischen völker eher west- als ostwärts zu suchen
sei, für die den thatsachen weitaus entsprechendere. Hierzu veranlafste
ihn die seiner meinung nach nahe übereinstimmung der für das urvolk zu
erschliefsenden cultur mit der in den ältesten Schweizer pfahlbauten ge-
fundenen. Allein dies ist besten falls nur ein argumentum ex silentio,
da Asien, dessen erforschung noch kaum begonnen hat, in seinem bo-
den vielleicht eine cultur birgt, welche der des urvolkes noch mehr ent-
spricht. Aufserdem weichen beide doch stärker von einander ab, als Schra-
der meinte. Schon die von ihm selbst anerkannte thatsache, dafs die
Schweizer pfahlbauer fischfang trieben — neun fischarten sind auf ihrem
Die urheimath der Indogermanen und das europdische zahlsystem. 13
tische gefunden —, während für die Indogermanen kein einziger fischname
nachweisbar und fischnahrung entschieden abzusprechen ist (aao. 171f.
371f.), läfst die lebensart beider völker als wesentlich verschieden erschei-
nen (s. P. v. Bradke beitr. z. kenntnils der vorhist. entwickelung un-
seres sprachstammes, progr. Giesen 1888, s. VIII; üb. methode u. er-
gebnisse der ar. alterthumswissenschaft, 1889, s. 281ff.). Eine reihe an-
derer unterschiede hat van den Gheyn (l’origine europdenne des Aryas
p- 33f.) hervorgehoben. Durch die eben erschienene zweite auflage des
Schraderschen buches ist eine weitere erörterung gegenstandslos gewor-
den, da der verfasser seine ansicht aufgegeben hat.
In neuerer zeit hat sich dann die anthropologie unserer frage be-
mächtist. Ausgehend von der annahme, dafs die nördlichen Germanen
in ihrer hellen hautfarbe, blauen augen, blonden haren, länglichen köpfen
den physischen typus der Indogermanen bewahrt haben, setzte Th. Pösche
(die Arier 1878, s. 58ff.) die urheimath der letzteren in die Rokitnosümpfe
am Pripet und der Beresina, weil dort häufig albinismus vorkommen soll.
Als beweis dafür mufs die überschätzte ursprünglichkeit des litauischen her-
halten. Karl Penka dagegen läfst die Indogermanen ihre leiblichen
eigenthümlichkeiten unter den gletschern der eiszeit in Mitteleuropa ge-
winnen, dann, als sich die gletscher zurück zogen, nach Schweden wan-
dern und dort eultur und sprache zu der höhe entwickeln, welche wir
dem urvolke zuschreiben müssen (origines Ariacae 1883, s. 81fl.; her-
kunft der Arier 1886, s. 32f. 65f. 91). Von Schweden aus haben sie
sich später nach Mitteleuropa zurück gewandt und von dort weiter ver-
breitet (orig. s. 121f.). Es fällt mir nicht ein das schlüpfrige gebiet der
anthropologie zu betreten. Unzweifelhaft können die ursprünglichen ra-
ceneigenthümlichkeiten der Indogermanen, die ursachen und das heimaths-
gebiet dieser eigenthümlichkeiten sowie die physischen mischungsverhält-
nisse der völker, welche sprachen unseres stammes reden, allein von ver-
tretern der physischen anthropologie mit aussicht auf erfolg behandelt
werden. Ebenso unzweifelhaft aber kann die indogermanische ursprache
und die entwickelungsgeschichte der einzelnen historisch überlieferten spra-
chen unseres stammes einzig von sprachforschern festgestellt werden.
Eine endgiltige beantwortung der Indogermanenfrage setzt klarheit auf
beiden gebieten voraus. Jedes von beiden erfordert aber einen ganzen
14 SCHMIDT:
mann. Da zahllose völkermischungen stattgefunden haben, eine race oft
von einer ganz verschiedenen die sprache übernimmt, ist von vorn herein
wahrscheinlich, dafs es indogermanische völker gebe, welche ihre leibliche
erscheinung von einer anderen race haben als ihre sprache, also nach der
einen als Europäer, nach der anderen als Asiaten zu betrachten seien
oder umgekehrt. Über solche werden die urtheile des anthropologen und
des sprachforschers vielleicht aus einander gehen. Da kaum zu hoffen ist,
dafs in absehbarer zeit ein einziger mann beide gebiete selbständig be-
herrschen werde, kann der endgiltige abschlufs nur durch einvernehmen
der wirklich sachverständigen beider wissenschaften gewonnen werden.
Gegenwärtig liegen die dinge aber noch so, dafs es mehr erfolg verspricht,
wenn jeder allein auf dem gebiete, welches er wirklich kennt, das mate-
rıal für die einschlägigen fragen sammelt, die verhandlungen zwischen
anthropologen und sprachforschern aber bis zu dem zeitpunkte verscho-
ben werden, wo beide genügend gerüstet sind. Dann mag, wenn beide
nicht von selbst unter einen hut kommen, sich zeigen, was härter ist,
die fossilen schädel oder die sprachlichen thatsachen. Heute aber hat
Max Müllers ausspruch recht: “To me an ethnologist who speaks of
Aryan race, Aryan blood, Aryan eyes and hair is as great a sinner as a
linguist who speaks of a dolichocephalie dictionary or a brachycephalie
grammar. It is worse than a Babylonian confusion of tongues — it is
downright theft” (biographies of words p. 120). Gerade die Penkaschen
bücher, welche mit ihrer unzeitigen verquiekung beider wissenschaften
keiner von beiden gerecht werden, zeigen dies deutlich. Der verfasser
gebärdet sich als beherrscher beider, giebt sich aber in der sprachwis-
senschaft, zu deren reformator er sich berufen wähnt, überall so erstaun-
liche blöfsen, dafs er es uns nicht verübeln darf, wenn wir auch seinen
anthropologischen behauptungen mit dem gröfsten milstrauen begegnen,
zumal wenn dies von namhaften anthropologen getheilt wird. Beide bü-
cher haben viel verwirrung angerichtet.
Hören wir, was für die herkunft der Indogermanen aus Schweden
als sprachliche beweise vorgebracht wird.
Da mufs zunächst ‘die bekannte thatsache’ herhalten, ‘dafs der go-
tische vocalismus neben dem indisch-iranischen dem vocalismus der ari-
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 15
schen grundsprache am nächsten kommt’ (orig. 154), worüber schon damals
kein kundiger mehr ein wort verlieren mochte.
“Die arische [d. h. indog.] grundsprache hat die nicht aspirierten
tenues gar nicht besessen, sondern hat blofs die tenues aspiratae gekannt.
Beweis 1) die tenues aspiratae der arischen sprachen, welche im griech.
durch tenues aspiratae vertreten werden, in den übrigen sprachen die
aspiration verloren, 2) ‘die meisten der heutigen germanischen idiome
besitzen noch gegenwärtig nur tenues aspiratae, kh, th, ph, ungenau durch
k, t, p bezeichnet [aber nirgend an stelle der arischen tenues aspiratael],
und wo sich reine tenues finden, läfst sich jedesmal der einfluls einer al-
lophylen volksschichte nachweisen’ (orig. 161). “Da die heutigen germa-
nischen völker unter sämmtlichen arischen völkern den berechtigtsten an-
spruch darauf erheben können, als die am wenigsten mit fremden elemen-
ten vermischten nachkommen der alten Arier angesehen zu werden, so
erscheint es ganz begründet, ihre lautgewohnheiten als altarische lautge-
wohnheiten überhaupt zu betrachten und der gemeinsamen arıschen grund-
sprache den besitz der reinen tenues abzusprechen’ (s. 162). Dals die
nhd. tenues aspiratae erst an stelle von indog. mediae und mediae aspi-
‚atae getreten sind, wird dabei völlig übersehen. Aus diesen angeblich
indogermanischen tenues aspiratae sollen die reinen tenues aller indog.
einzelsprachen aulser dem germanischen, z. b. in pater-, skr. pıtär-, durch
einwirkung des ugro-finnischen bevölkerungselementes entstanden sein.
‘Der schlagendste beweis für die richtigkeit der annahme, dafs das
altarısche nur tenues aspiratae gekannt habe, liegt jedoch im germani-
schen, insofern die germanischen spiranten A, th, f die aspiraten kh, th
(wohl zu unterscheiden von der spirans th) und ph zur nothwendigen
voraussetzung haben und es ganz unbegründet ist anzunehmen, die vor-
auszusetzenden aspiratae hätten sich erst im germanischen aus ursprüng-
lichen tenues entwickelt’ (s. 164). “Wenn überhaupt bei einem arıschen
volke, so sollte man gerade bei den alten Germanen den unveränderten
fortbestand des altarıschen consonantismus erwarten’ (s. 164). Diese er-
wartung wird zwar durch die thatsächlich eingetretene lautverschiebung
arg enttäuscht, Penka geräth aber dadurch keinen augenblick in verle-
genheit, denn er ‘trägt kein bedenken, die ursachen der deutschen [d. h.
germanischen] lautverschiebung ... in dem einflusse der allophylen (fin-
16 SCHMIDT:
nisch -lappischen) volksschichten zu suchen’ (s. 165). “Unter dem einflusse
des finnisch-lappischen elementes wurde die arische media g, d, b zur te-
nuis k, t, p' (s. 166). Penka merkt nicht einmal, dafs er damit seinem
ganzen gebäude das fundament abgegraben hat. Denn die tenuis aspirata
z.b. des nhd. kh@ (kuh) beruht ja erst auf der "tenuis’ von as. kö, an.
kyr, welche ‘unter dem einflusse des finnisch-lappischen elementes aus
dem y von skr. gdus, gavr- entstanden sein soll. Diese nhd. tenuis aspi-
rata, auf welche hin soeben erst den Indogermanen alleinbesitz von te-
nues aspiratae zugesprochen war (s. 162), ruht also auf finnisch-lappi-
scher grundlage!
Die ‘palatalen und sibilanten' der Slawen und Romanen sowie die
arisch-slavolettischen spiranten an stelle von gutturalen der übrigen euro-
päischen sprachen (skr. g usw.) werden ebenfalls ugro-finnischem einflusse
zugeschrieben (s. 144—153). “Während in den sprachen aller jener ari-
schen völker, deren anthropologischer charakter hauptsächlich durch das
turanische element bestimmt wird, sich zugleich alle oder doch die mei-
sten jener laute finden, die den ural-altaischen sprachen eigenthümlich
sind (palatale, mouillierte laute usw.), fehlen diese laute charakteristischer
weise der altarischen grundsprache, aber auch den sprachen jener ari-
schen völker, dıe den altarischen typus am reinsten bewahrt haben, so
vor allem den sprachen der skandinavischen völker, wo sich spracher-
scheinungen wie die erwähnten nur ganz ausnahmsweise nachweisen
lassen (herkunft s. 32). Der herr hat also nie eine schwedische gram-
matik in der hand gehabt. Gerade seine angebliche heimath der Indo-
germanen ist heute ein nahezu classisches land für alle die erscheinungen,
welche man unter dem namen des zetacismus zusammenfasst.
Die Indogermanen sollen ursprünglich am meere gesessen haben,
wozu wieder das nur in den Unadisutren belegte skr. masc. mira-s (alle
europ. sprachen weisen auf neutrales marı, s. pl. ntr. 45) mifsbraucht
wird (orig. s. 61f.), ihre cultur die selbe gewesen sein wie die neolithi-
sche Südschwedens, wofür man jeden nachweis vermifst (herkunft s. 33f.),
ihre flora und fauna desgleichen (s. 37 ff). Um dies letzte zu beweisen
werden eine menge ausschliefslich europäischer wörter, wie die benen-
nungen der buche, des aals, oder gar nur nordeuropäischer, wie die des
lachses (ahd. /ahs, russ. lososi, lit. laszısza, preuss. lasasso) als indoger-
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 17
manisch angesetzt, mit dem selben rechte oder unrechte, mit welchem man
den Indogermanen die bekanntschaft des löwen zugeschrieben hat.
“Reminiscenzen an die skandinavische urheimath, welche sie 3000
v. Chr. verlassen haben (orig. s. 14), sind, dafs die Iranier ihrer heimath
airyanem vagj0 einen winter von 10, einen sommer von 2 monaten zu-
schreiben [als ob dies nur in Skandinavien, nicht auch im asiatischen
hoch- oder nordlande vorkäme!], ferner die kurzen nächte bei den Lae-
strygonen Od. x 84f. [welche doch nie als vorfahren der Griechen ge-
golten haben], das bei den Kimmeriern herrschende dunkel Od. A 14f.,
endlich Orendel-Odysseus. Dieser ist ‘ein altarischer könig des nordens,
welcher, nachdem er alle gefahren einer nordischen seefahrt bestanden
hatte, wieder glücklich nach hause gelangte, wo man ihn nicht mehr er-
wartet hatte und bereits anstalten traf, sich in den besitz seiner frau
und seines reiches zu setzen’ (orig. s. 55—60). Endlich werden berichte
des Jordanes, Paulus Diaconus und anderer mittelalterlicher schriftstel-
ler als zeugnisse für die skandinavische urheimath der Indogermanen —
von wo die auswanderung 3000 v. Chr. begonnen haben soll! — vorge-
führt (herkunft s. 124ff.) und durch gleichsetzung der Kymren und Kim-
merier auch die Kelten von dort hergeleitet (s. 172f.). Über die etymo-
losien, durch welche scharen von völkernamen als 'weilse” oder ‘blonde’
oder “dunkele gedeutet werden (orig. 35 —44, 122f. und sonst), wäre
jedes wort zu viel. Selbst Rendall (the eradle of the Aryans, London
1889), welcher alle übrigen gründe Penkas gläubig wiederholt (p. 58ff.)
und die Indogermanen von der Nord- oder Ostsee, wahrscheinlich sogar
von Skandinavien ausgehen läfst (p. 63), sagt, es sei schwer diese ety-
mologien ernsthaft zu lesen, und nennt sie geradezu lächerlich (p. 43f.)!).
Die, man sollte meinen, unverkennbare nichtigkeit dieser ausfüh-
!) Penka aber läfst sich auf grund seiner leistungen folgendermalsen verneh-
men: “Die auf dem gebiete der historischen anthropologie und der arischen ethnologie
gewonnenen resultate habe ich dann dazu benützt, um der vergleichenden grammatik der
arischen sprachen in der anthropologie der arischen völker ihre natürliche grundlage zu
geben. Bei dem umstande, als die arische sprachwissenschaft immer mehr und mehr der
methodelosigkeit, phantasterei und verflachung verfällt, kann es nur von nutzen sein, wenn
dieselbe einer diseiplin angegliedert wird, die in folge ihres exaet-naturwissenschaftlichen
charakters schon von vornherein nicht dazu angethan ist, zum tummelplatze subjectiver
velleitäten herabzusinken’ (orig. s. vu). Wir danken bestens.
Philos.-histor. Abh. 1890. II. 3
18 ScHMIDT:
rungen war durch die anthropologische verbrämung so geschickt maskiert,
dafs auch manche sonst nüchternen philologen der blendung erlagen.
Ferd. Justi zweifelte zwar an einigen etymologien der völkernamen,
erklärte aber andere — welche, sagt er nicht — für ‘sehr evident und
stimmte schon den origines zu (Berliner philol. wochenschr. 1884, s. 39).
Von der “herkunft’ meint er sogar: ‘Der verf. verficht im vorliegenden
werke seine bereits in den origines Ariacae ausgesprochene ansicht, dafs
Skandinavien das indogermanische urland sei, mit neuen und, wie uns
bedünkt, entscheidenden gründen der geschichte, sprache und archäologie
(aao. 1887, s. 564). Andere trugen zwar bedenken geradezu Skandinavien
als die urheimath anzunehmen, aber Europa stand auch ihnen nun fest.
W. Tomaschek (Kuhns literaturblatt für oriental. philol. I, 133) und
Sayce (report of the British association for the advancement of science
1887 p. 889) glaubten zu dessen gunsten noch die behauptung aufstellen
zu dürfen, dafs die europäischen sprachen ursprünglicher seien als die
arischen. So allgemeine sätze lassen sich mit drei zeilen weder beweisen
noch widerlegen. Jedesfalls kommen dabei noch sehr viele andere dinge
als das lautsystem in frage. Und selbst wenn man einseitig den voca-
lısmus zum mafsstabe nimmt, wird sich doch mancher vielleicht noch
bedenken mit Sayce dem litauischen in dieser hinsicht unbedingt die
gröfste ursprünglichkeit zuzusprechen. Dieser vocalismus allein beweist
ihm aber, dafs die urheimath in der nachbarschaft der heutigen Litauer
zu suchen sei. Ganze sprachen sind, wenn sie schon so stark von ein-
ander abweichen wie das Iitauissche von den germanischen, romanischen
usw., hinsichtlich ihrer alterthümlichkeit überhaupt kaum gegen einander
abwägbar wegen der tausende zu berücksichtigender thatsachen. Das er-
gebnifs solcher abwägung beweist zudem gar nichts für die frage nach
der heimath, wie man am Isländischen sehen kann, welches alterthüm-
licher ist als die auf dem festlande gebliebenen nordischen dialekte.
Rendall (the cradle of the Aryans, London 1889) gesteht zwar
zu, dafs die namen der vierfüfsigen thiere keinen beweis gegen die asia-
tische heimath hergeben (p. 20), legt aber mit Penka (herkunft 38. 46)
grolses gewicht auf die übereinstimmung von eyxervs, anguilla, lit. un-
gurys, preuss. angurgis, russ. ugori, poln. wegorz usw. Da die zuflüsse
des kaspischen und schwarzen meeres keine aale führen, könnten die Euro-
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 19
päer, falls sie aus Asien eingewandert wären, keine gemeinsame benen-
nung des aales haben, diese beweise also für ihre europäische herkunft
(p. 21). Aus diesen worten ist aber nicht sicher auf eine gemeinsame
ureuropäische benennung zu schliefsen, da sie, worauf die verschiedenheit
der suffixe weist, erst in den einzelsprachen aus dem namen der schlange,
lat. anguis, lit. angis, sloven. vö2, poln. was, gebildet sein werden, wie
schon Schrader (! 171, ? 375) angenommen hat. Für oeray,es — ahd.
selah seehund, die nicht das selbe thier bezeichnen, auch lautlich nicht
so einfach zu vereinigen sind wegen des gr. 7 statt zu erwartendes ‘,
und nanapos — an. humarr soll die annahme einer landwanderung vom ka-
spischen meere zur Ostsee nicht wahrscheinlich sein (p. 21). Aber die
von Rendall zugelassene einer wanderung von der Ostsee zum ägäischen
meere führt über wenig kürzere landstrecken. Dafs das indische die drei
vocale e, 0, « gleich gemacht hat und, was mit unrecht behauptet wird,
sich in der vertretung der 'gutturalreihen’ weiter von der ursprache ent-
fernt habe als die europäischen sprachen (p. 25), fällt gegenüber den zahl-
reichen weit größeren unursprünglichkeiten, welche für das griechische
lautsystem vielleicht aus ebenso früher zeit überliefert sind, überhaupt
nicht ins gewicht. Wir wissen ja nicht einmal, ob schon zur vedischen
zeit wirklich gar keine spur der alten vocalverschiedenheit mehr vorhan-
den war und ob das monotone «@ nicht erst später in die alten texte hin-
eingetragen ist, zu einer zeit, als das griechische längst die tönenden
aspiraten in stumme, s in h, Äj in os usw. verwandelt hatte. Und die
lautsysteme der übrigen Europäer aus dem 6. jh. v. Chr. sind uns leider
verloren. Aufserdem erkennt R. selbst an: there is no fixed equation be-
tween language -change and place-change.
Ferner ruft Rendall, wie schon früher Meringer, meine 'verwandt-
schaftsverhältnisse an. “Jedes volk ist sprachlich mit den völkern am
nächsten verwandt, die ihm in bereits historischer zeit auf europäischem
boden anwohnen, während von Slawen und Griechen einstmals eine brücke
indogermanischer völker zu den Ariern führte. Wäre also Asien das hei-
mathland der Indogermanen, dann mülsten die völker dort in der selben
ordnung ansälsig gewesen sein wie später in Europa, d. h. der ganze völ-
kercomplex mülste sich, ohne im grolsen ganzen die lage seiner theile
zu einander zu ändern, von Asien nach Europa verschoben haben. Wie
*
3
20 SCHMIDT:
ist das denkbar? Dagegen ist alles klar, wenn Europa die heimath ist.
Von einem punkte haben dann die ausbreitungen stattgefunden, und die
peripheren glieder wanderten am weitesten, so vor allen die Urarier.
Kurz mich dünkt, wer Schmidts resultate betreffs der verwandtschaft der
indogermanischen sprachen annimmt, mufs dann auch die europäische hy-
pothese anerkennen’ (Meringer ztschr. f. d. österr. gymn. 1887, s. 930).
Mir scheint jedoch ebenso wohl denkbar, dafs die völker in der histori-
schen anordnung schon in Asien gesessen haben, dann phalanxartig, die
Kelten an der spitze, links und rechts dahinter die Südeuropäer und die
Nordeuropäer, allmählich nach Europa gerückt sind. Man muls nur beim
beginne der wanderung die einzelnen stämme nicht nach millionen zäh-
len wollen.
Von allen den sprachlichen gründen, mit welchen man die Indo-
germanen zu europäischen eingeborenen machen wollte, hält also kein
einziger stich. Und alle weiteren versuche in dieser richtung wären ein
für alle mal abgeschnitten, wenn Max Müller recht hätte, dafs zur zeit
der auflösung des indogermanischen urvolkes Europa für menschen über-
haupt noch unbewohnbar gewesen wäre (three lectures, p. 62). Doch
fürchte ich, dafs er die grenze des beweisbaren überschritten hat, da wir
nicht den geringsten anhalt für die bestimmung dieser zeit besitzen.
Fragen wir nun unsere sprachen selbst um ihre heimath, so ist
die auskunft, welche sie über deren physische beschaffenheit geben, ver-
zweifelt nichtssagend. Sie war ein binnenland, dessen gewässer mit ru-
dernachen befahren wurden, wo birken und eine nicht genau bestimmbare
halmfrucht (jevo-) wuchsen, der winter schnee brachte und sich drei jah-
reszeiten, frühling, sommer, winter fühlbar von einander schieden. Das
trifft so ziemlich auf ganz Europa-Asien aufser den südlichsten strichen.
Wir können auch von dieser seite gar keine weitere belehrung erwarten,
denn alle nur für die urheimath charakteristischen namen von pflanzen
und thieren mulsten bei den stämmen, welche andere länder betraten,
entweder verloren gehen oder ihre bedeutung wechseln, so dafs sie uns
entweder nicht vollstimmig genug bezeugt sind um ihren ansatz für die
urzeit zu rechtfertigen oder zwar ihrem klange nach für die ursprache
fest stehen, aber ihre ursprüngliche bedeutung in zweifel lassen. Sollten
wir allein mit dieser kunde ausgerüstet die fahrt zur urheimath antreten,
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 21
dann mülsten wir sie als gänzlich hoffnungslos aufgeben, und M. Müller
hätte recht die aufgabe für unlösbar zu erklären (biographies p. 91. 122.
127). Indefs bleibt noch die hoffnung, dafs es allmählich gelingen werde
aus den spuren, welche fremde völker unseren sprachen oder unsere völ-
ker fremden sprachen eingedrückt haben, wenn nicht die urheimath selbst,
so doch wenigstens einige marksteine für den weg zu gewinnen, den un-
sere vorfahren durchmessen haben.
Die von W. Tomaschek (Ausland 1883, 7O1f.) beigebrachten worte,
welche aus indogermanischen sprachen in finnische gedrungen sind, be-
weisen keineswegs, dafs die indogermanische urheimath an der Wolga zu
suchen sei, denn für keins dieser worte steht fest, dafs es aus der indo-
germanischen ursprache und nicht vielmehr aus einer der historischen
einzelsprachen entlehnt ist. O. Schrader (sprachvergleichung ? 145) er-
kennt dies an, verfällt aber in den selben irrthum, indem er auf eine ganz
unsichere etymologie hin unser urvolk an den selben flufs setzt. Dieser
heilst bei den Mordwinen Rawa oder Rau, bei Ptolemaeus Pa. Schra-
der sucht darin eine umgestaltung von indog. srov@ strom (s. 633). He-
rodot kennt die Wolga bekanntlich unter dem namen "Oages (Schafarik
slaw. alterth. I, 499; Müllenhoff alterth. I, 76). Ist dies eine ältere
form von 'P«, dann fällt die herleitung aus srova überhaupt. Ist es von
ihm ganz verschieden, dann hat der fluls entweder den namen 'P« erst
frühestens im 5. jh. v. Chr. erhalten, d. h. sicher nicht vom indogerma-
nischen urvolke, oder ist von verschiedensprachigen anwohnern hier "Oages,
dort 'P2 genannt. Sollte nun auch letzteres aus srova, nicht etwa aus
abaktr. Ranha entstanden sein, dann besteht immer noch nicht die ge-
ringste bürgschaft dafür, dafs, wie Schrader will, unser urvolk und
nicht vielmehr ein jüngerer stamm in ihm seine spur hinterlassen habe
(skr. srava-, srava-, gofes, 6of«, lit. srava, srovd aus *srävia). Dieser von
zweifeln rings umspülte name giebt also nicht den geringsten anhalt für
unseren ursitz. Doch Schrader sucht nachzuhelfen, indem er auch die
palaeontologischen thatsachen auf die Wolgasteppe deutet. Aber auch
dies gelingt gerade an entscheidenden punkten nicht überzeugend. Fauna
und flora fügen sich dieser wie fast jeder anderen localisierung so ziem-
lich. Bei ihrer farblosigkeit fällt aber ein einziger unterschied schwerer
ins gewicht als zehn übereinstimmungen. Zunächst sträubt sich der indo-
33 SCHMIDT:
germanische bär, ‘der offenbar kein eigentliches steppenthier ist. Ihm
zu gefallen wird also der ursitz ‘soweit nördlich vorgeschoben, dafs streif-
züge des mittelrussischen und uralischen bären in die steppe denkbar
sind’ (s. 637). Auch bienen fehlen der steppe (s. 638), die urväter aber
brauten ihr medhu aus honig, also mufs ihnen dieser ‘auf dem wege des
tauschhandels von benachbarten völkern zugekommen sein (s. 464). Auf
die steppe soll auch der mangel an bezeichnungen für berge weisen. Nur
eine einzige gesteht Schrader dem urvolke zu: skr. giri-, abaktr. gaırı-,
abulg. gora. Eine zweite ergiebt sich wohl aus apers. kaufa berg, abaktr.
kaofa- berg, lit. kopos K., köpai Schl. nehrung, lett. kapa, käps abhang,
steiles ufer, langer bergiger strich, dünen!). Mehr als zweifelhaft wird
die steppenheimath endlich durch die drei jahreszeiten, welche das urvolk
unterschied. Das klıma der steppe zeichnet sich durch sehr kalten win-
ter und sehr heilsen sommer aus. Die übergänge zwischen beiden jah-
reszeiten sind so schroff, ‘dafs von frühling und herbst kaum die rede
sein kann’ (Schrader s. 635). Unsere urväter unterschieden aber zwi-
schen dem winter yhvom- und dem sommer, nom. s,mör (pl. ntr. 207),
noch den frühling veser oder ves,rt (pl. ntr. 201). Um sie steppenfähig
zu machen, sucht Schrader, meines erachtens den thatsachen entgegen,
!) Die wurzel hatte ursprünglich einen langen diphthong, welcher sein u ver-
lieren mulste; als zugehörige tieftonige formen erscheinen au und %, als schwächste u:
1) lit. kopos, ku pti häufeln, lett. köpa haufe, anord. höpr haufe lebender wesen (ob ahd.
huoffonte exaggerans A., gihuofotun exstructos VG. I, 283, gihuofot Otfr. I, 24, 18, F. auf
urgerm. höp- weisen, ist zweifelhaft, s. Kelle Otfr. II, 72 anm. 6, Singer PBr. XI, 300);
2) au in apers. kaufa, lit. kalpas haufe, abulg. kupü haufe, ags. heip, ahd. houf, 3) %
in lit. kup@ haufe, lett. küzpetits häufchen, ahd. hüfo, gr. z»Ubes gekrümmt, zUbos buckel,
höcker (abaktr. kaofa wird auch auf den kamelhöcker angewandt), Avanend batjsev Eur. Cyel.
212; 4) doppelt reduciertes u in lit. kupet@ haufen, kupra, gen. küupros buckel, ahd. hovar
gibbus. Dagegen die von Miklosich et. wtb. unter kopa 2 zusammengestellten benennungen
des aufgeworfenen erdhügels, wie poln. kopiec wall, grenzhügel, ameisenhügel, maulwurfs-
hügel, lit. kdpas grabhügel, gehören zu slaw. kopati graben, preuss. en-kopts begraben, z«-
meros, ozanru (Curtius g. e. 5 167). Mit ihnen kreuzt sich kopa schock, dann haufen
von 60 bündeln oder garben, dann heuhaufen, schober überhaupt, als dessen grundbe-
deutung Miklosich ‘haufen’ ansetzt. Von einem aufgegrabenen erdhaufen ist aber nicht
so leicht zur bezeichnung einer anzahl von 60 zu gelangen. Vielleicht ist kopa schock
gar kein slawisches wort, sondern mit der sexagesimalrechnung, deren stempel es trägt,
von auswärts eingedrungen (s. u.).
Die urheimath der Indogermanen und das europdische zahlsystem. 23
ihnen den frühling abzusprechen. Skr. vasar-, vasanta-, abaktr. vanrı,
armen. garın, &ag, lat. ver, anord. var, abulg. vesnd stimmen völlig über-
ein und bezeichnen alle nur den frühling. Dennoch soll das wort ur-
sprünglich die ganze bessere zeit des jahres, frühling und sommer zu-
sammen, bedeutet haben, einzig weil im litauischen vasard& den sommer
bezeichnet (s. 436). Das einmüthige zeugnils aller übrigen sprachen .be-
weist aber, dals vasara erst durch die klimatischen verhältnisse Litauens,
welche den frühling hinter dem sommer zurücktreten lassen, zu seiner
jetzigen bedeutung gekommen ist, und zwar erst ziemlich spät, denn im
preufsischen vocabular heilst der sommer noch dagıs. Der frühling pa-
väsaris, d.h. die zeit unter, am rande des sommers (vgl. pa-girys gegend
am walde, pa-marys, pa-jures u. dgl.), ist wohl erst unter einwirkung
slawischer oder deutscher vorstellungen von der vasara wieder geschie-
den worden. Die drei jahreszeiten stehen also unter den wenigen that-
sachen, welche zur ermittelung der urheimath helfen können, so fest wie
irgend eine, und sie verbieten an ein steppenklima zu denken. Ande-
rerseits hat Schrader nichts beigebracht, was sich nur unter voraus-
setzung der Wolgaheimath erklärte und uns etwa zwingen könnte von
den erwähnten schwierigkeiten einstweilen abzusehen.
Mithin hat sich aus der ganzen umfangreichen litteratur bis heute
nur ein einziger vielleicht nicht trügerischer anhalt ergeben, die beiden
indogermanisch-sumerischen anklänge (oben s. 9). Einen zweiten und,
wie ich hoffe, ungleich festeren gewährt unser zahlsystem.
94 SCHMIDT:
II.
Die zahlworte waren im beginne unserer wissenschaft einer der
prüfsteine für die zugehörigkeit zum indogermanischen stamme überhaupt.
Sie haben uns später durch die benennungen des tausends, welche einer-
seits bei den Nordeuropäern, andererseits bei den Griechen und Ariern
übereinstimmen, wichtige fingerzeige für die verwandtschaftsverhältnisse
der einzelsprachen gegeben. Sie werden uns nun auch der urheimath nä-
her führen.
In den germanischen sprachen wird das indogermanische decimal-
system bekanntlich von einem duodecimalsysteme gekreuzt. Das verhält-
nils von elf und zwölf zu zehn ist gemeingermanisch anders gedacht als
das der folgenden zahlen bis 19. Got. awmlıf, twahf, deren erstes sich
mit lit. venwlika ganz deckt (Mahlow die langen vocale AEO, 49), hat
schon J. Grimm (gr. II, 946f., Germania 1, 19) richtig als ‘ein über-
schiefsendes, ‘zwei überschielsende’ gedeutet und ihren zweiten theil mit
got. laiba überbleibsel, ajflıfnan übrig bleiben, lit. hkti übrig bleiben ver-
bunden. Pott (quinare u. vigesimale zählmethode 75) hat die entspre-
chende bezeichnung für 11—19 von den Philippinen beigebracht.!) Die
1) Brugmann (zur frage nach den verwandtschaftsverhältnissen der indogerm.
sprachen, Techmers internation. ztschr. I, 251) glaubt die ihm unbequeme übereinstim-
mung von got. ainlif und lit. vönwlika aus der welt zu schaffen, indem er versichert,
ainlif gehöre zwar zu bi-leiban, laibos, aflifnan, diese seien aber von lit. venulika, Ikti,
?eizw, lingquo, skr. rie zu trennen und richtiger’ mit Fick I®, 194 zu lit. impü ich bleibe
kleben zu stellen (ebenso Kluge et. wtb. * unter bleiben). Ich kann dem gegenüber nur
betonen, dals zu jener trennung nicht der geringste grund vorliegt, dieser verbindung aber
die bedeutungen der germanischen worte auf das entschiedenste widerstreben. Fick hat
es sogar über sich gewonnen got. laiba zararsınaa von den völlig gleichbedeutenden lit.
pd-laikas, at-laikas überbleibsel, abulg. otü-lekü +0 zaraneubIev, rerlavov, EyAarareisa,
skr. ati-reka-s überbleibsel, gr. Aoımos los zu reilsen und mit abulg. lepü vogelleim, gr.
@rcıdn, Skr. lepa-s salbe, teig, tünche, hangen bleibende unreinigkeit zu verbinden. Hier
ist der irrthum mit händen zu greifen. Ich füge hinzu, dafs an allen den stellen, wel-
che eins der fraglichen gotischen worte überliefern, das litauische neue testament — ich
benutze hier Kurschats ausgabe, Halle 1865 — die entsprechende bildung von Zkti hat.
laibos ganisand, 70 zeraremua swSyseran, pdlaiks büs iszganytas Rom. 9, 27; jah usnemun
laibos gabrukö sibun spyreidans zu ngav megsseinare zAararu Ems omugidas, ir surinko
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 25
dabei als mals vorschwebende zahl zehn, nach deren abzug die 1 oder 2
übrig bleiben, ist ebenso wenig ausgesprochen wie in den indischen de-
kaden von 60—100 shashti-s usw., welche ursprünglich nur ‘sechsheit
usw. bedeuten, gesagt ist, dafs diese sechsheit aus dekaden besteht (vgl.
Pott e. £. IL!, 218, verf. pl. ntr. 14. 294 anm.). Durch beschränkung
des gebrauches ward in beiden fällen die kürze des ausdrucks ergänzt
und mifsverständnils ausgeschlossen!). Dagegen die zahlen von 13—19
sind durch zusammenrückung der einer und zehn gebildet, got. fidwör-
taihun, fimftarhun.
Wie 12, so bildet 60 einen abschnitt, worin J. Grimm wieder
einen eingriff des duodecimalsystems sieht (gesch. d. d. spr. 248). . Die
dekaden von 20—60 werden im gotischen durch den plural eines stam-
mes Zigu- ausgedrückt. Belegt sind gen. ‚re tigiwe, dat. twaim tigum,
sarhs tigum, acc. prins, fidwor, fimf tıguns. Dieser u-stamm ist im dat.
pl. entstanden. Zdigum entspricht, abgesehen von der nordeuropäischen
ersetzung des suffixes -bhxs durch -mıs, laut für laut dem skr. dacabhis;
zu ihm wurden &giwe, tiguns nach analogie der v-stämme neu gebildet
wie der acc. pl. auhsuns I. Cor. 9, 9?) zum dat. pl. *auhsum —= skr.
uksha-bhis (verf. anz. f. dtsches alterth. 1880, VI, 120)°). Mit 70 aber setzt
Dkusiuju trüpuezu septynis pintinius Me. 8, 8; bos aflifnandeins drauhsnös, =« msurseisavre
zresuere, Ikusilsius trupuezus Joh. 6, 12; patei aflifnöda, @ Emegisseusev, kure liko Joh.
6, 13; silbo ainata aflifnip, auros lacvog jaever, jÜS vens pasiliks Joh. 12, 24; batei aflifnoda
im, 70 mEATTEÜTEV MUTORS, jems hkusiu trüpuezu Luce. 9, 17; hai aflifnandans, ot megıAsıTO-
nevor, uzsilkuseji I. Thess. 4, 17. hai bilaibidans, oi regirsimonsvor, uzsikkuseji I. Thess. 4,
15. Hiermit tritt wohl die alte herleitung von got. bileiban usw. wieder in ihr recht. Auch
Kluge (Pauls grundrifs d. germ. philol. I, 404) stellt got. ainlif wieder zu lit. vönt lika,
freilich ohne sich über die etymologie auszusprechen.
1) Ähnlich bezeichnen die Crow-Indianer 8 und 9 durch subtraction von der
selbst unausgesprochenen 10: ndp-ape 2 von (nämlich 10) — 8, amdt-ape 1 von = 9 (Pott
sprachverschiedenh. 64).
2) Überliefert ist auhsunns. Kögels änderung auhsnuns — skr. ukshmas (PBr. 1880
VIII, 115) ist mir aus mehreren gründen weniger wahrscheinlich.
3) [Brugmann (MU. V, 47) meint, unsere erklärung von tigum müsse aufgegeben
werden. “Indog. dekm war indeclinabel, und so könnte tigum = dagdbhis nur eine zu-
fällige übereinstimmung gewesen sein, gleichwie gr. lesb. dtzwv — ai. dacänam u. dgl.’
Im germanischen haben aber auch die ursprünglich indeelinabelen cardinalia für 5—9
flexion erhalten. Brugmann selbst läfst aus urgerm. */imfi = revre vor dem auslauts-
gesetze den dat. /imfi-m entstehen (s. 55). Hat die dem skr. daca entsprechende form um
Philos.-histor. Abh. 1890. II. 4
26 SCHMIDT:
eine neue bildungsweise ein: sıbun-tehund, ahtau-tehund, niun-tehund. Der
gen. niuntehundıs jah niune gararhtaize neunundneunzig gerechter Luc.
15, 7 erweist sie als neutrale substantivische a-stämme. Schleicher
(comp. * 487) hat in ihnen vrddhibildungen erkannt, welche aber schwer-
lich mittels suff. -t0- von der zehnzahl sondern mittels -o- von dem zuge-
hörigen abstractum skr. dacät, deras — taihım abgeleitet sind und col-
lective bedeutung haben. Dem verhältnisse von tehund zu taihun würde
skr. *dacata-m zu dacdt entsprechen; vergl. sapta-m, sähäsra-m zu sapta,
sahdsre-m und das verhältnils von got. gens zu qinö, swers zu lit. sverti,
wegs zu ga-wiga, ahd. spahi zu spehon (lat. suspzcio aus *suspecio — vgl.
delinio — zu specio), bara zu beran (lat. ferahs zu fero), quala (abule.
Zali aus *geli) zu quelan (lit. gelt! schmerzen), anord. svefa zu svefn (lat.
söpire zu somnus); von Kluge (Pauls grundr. d. germ. philolog. I, 395)
entnehme ich mhd. swäger zu sweher. Als beispiele eolleetiver vrddhibil-
dung mit anderem vocale aus dem germanischen mögen noch genannt
sein mhd. buost baststrick, collect. zu dast und an. odal, ahd. uodal zu
adal, ahd. adal. Wollten wir den sinn von got. sibuntehund im nhd. wie-
dergeben, so hätten wir etwa nach analogie von siebengestirn und sieben-
gebirge ein 'siebengezehnt zu bilden.
Dafs die dekaden auf -tehund trotz ihres neutralen singularischen
ursprunges eventuell mit masculinem und pluralischem artikel gebraucht
die selbe zeit flexion erhalten, so lautete ihr dat. *tegun-mis oder tegum-mis, woraus got.
tigum werden mulste. Es scheint aber selbst nicht unmöglich, dafs die germanisch-indi-
sche flexion schon aus der letzten zeit der ursprache stamme und die indeelinabilität der
zehnzahl in anderen sprachen durch die analogie der zahlen 5—9 wieder herbeigeführt
sei. daya kakshyabhis RV.X, 101, 10 stünde dann auf einer stufe mit gatdin rathebhis,
sahdsram yshibhis und die indeclinabelen dez«, decem mit äzarov, centum, quattuor (vgl.
pl. ntr. 297f.). Doch Br. fragt: ‘wie soll das wort zehn ohne jeden stammbildungszu-
satz zu der bedeutung des abstraetsubstantivs "zehnheit’ gekommen sein? Etwa so wie
lit. devyn neun’ zu der bedeutung “neunheit’ in 2s2 triji devyniu stukeliu (Schleicher
leseb. 199, 26) ‘aus drei neunheiten von stückchen’ — ‘aus dreimal neun stückcehen‘. Br.
will igum — skr. dagäd-bhis setzen, *tegundmis sei zu tigum geworden. Analoga hat er
nicht beigebracht, selbstverständlich ist seine annahme aber durchaus nicht, da keiner der
auf dentalen ursprünglichen verschlufslaut ausgehenden stämme diesen im dat. pl. ver-
loren hat, vergl. got. bajop-um, menöb-um, fötum, tunpum (zufällig unbelegt, aber nach an.
tonnum, ags. tödum sicher anzunehmen), ahd. nahtum K., prustum K. Wir bleiben also
bei tigum = skr. dagabhis. Correeturnote.]
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 27
werden können, beruht eben auf ihrem colleetiven sinne. par sibuntehund
Luc. 10, 70, anbarans sibuntehund Luc. 10, 1 verhalten sich zu nıuntehun-
dis jah miune garaihtaize nicht anders als har fadrein ci yoveis, hans fadrein
reös yovais zu all fadreinis rara vargıc (s. plur. ntr. 14). Durch die wach-
sende indeclinabilität der einer ward die selbe form Zehund dann auch in
den gen. geführt: widuvo jere ahtautehund jah fidwor ynga Erav eydorrovra
rersagwv Luc. 2, 371). Da diese bildungsweise mittels zehund nicht bei
niuntehund abschlofs, sondern auch neben dem älteren indog. hund ein tai-
huntehund vorkommt, ist mit sicherheit anzunehmen und allgemein ange-
nommen, dafs sie sich bis "twahftehund fortsetzte, also die Goten wie alle
übrigen Germanen das grofshundert = 120 neben dem kleinhundert —= 100
als zahleinheit benannt haben (J. Grimm kl. schriften V, 216, gesch. 251).
1) Die erklärungen der formen auf tehund von Holtzmann Germania I, 217 ff.,
Scherer GDS. 2 589, Schade altd. wtb. ? 1292f. sind lautlich unhaltbar. Wheeler
deutet taihunte-hund als ‘das deeimalhundert, r&v Öszadwv &zarov (taihunte g. pl. = dezadw,
griech. nominalaccent 38); sibuntehund usw., über welche er sich nicht ausspricht, schreibt
er wohl falscher analogie zu. Zunächst aber bezweifle ich, dafs, wenn taihunte der gen.
pl. eines *taihunt = dsz*6- wäre, taihunte-hund “das deeimalhundert bedeuten konnte. Alle
sonst bei hund stehenden genetive sind die der gezählten gegenstände. Nach skatte fimf
hunda önvagıc mevrezosıe Luc. 7, 41 u. dgl. könnte *taihunte hund nur hundert dekaden,
d.i. tausend, bedeuten. Ferner stöfst die gleichsetzung von taihunte und dez«dwv auch
auf lautliche schwierigkeit. Skr. dagat, lit. deszimt- (im g. pl. deszimti, Bezzenber-
ger beitr. z. gesch. d. lit. spr. 179, Leskien-Brugmann 300. 309), abulg. desei- enden
übereinstimmend auf . Da nun das griechische, soviel ich weils, kein einziges fem. auf
nom. -«s, gen. -«ros, dagegen sehr zahlreiche auf -&s, -adog besitzt, kann wohl nicht zwei-
felhaft sein, dafs die flexion dez«s, dezados erst nach "ErAas, "EAAados usw. umgestaltet
und für die ursprache nur -t als stammauslaut anzusetzen ist, wie auch Brugmann (grundr.
II, 368) annimmt. Dafür spricht noch der zusammenhang, welcher wahrscheinlich zwischen
den suffixen von dagd-t- und pank-ti-, shash-ti- usw. besteht. Im germanischen ist nun
keinerlei störende analogie zu erkennen. Allerdings giebt es beispiele, in welchen urspr.
nt vor der lautverschiebung zu nd und durch sie wieder zu nt geworden ist, für unseren
fall ist solche annahme aber sehr unwahrscheinlich, da man erwarten muls, dafs die zahl-
abstracta auf urspr. -ti-s, anord. sjaund, niund, tiund, das dem skr. dagdt entsprechende
abstractum, falls es im sonderleben des germanischen aulser dem nom. got. taihun noch
andere casus bildete, in diesen bei der stange gehalten hätten. taihumte entspricht dem
dezadwv zu gut, dem lit. deszimtu zu schlecht um ihnen wirklich gleich zu sein. "taihunde-
hund oder *taihunbe-hund mülste es heilsen, wenn Wheeler recht haben wollte. [Eine
eingehende recherche de la paternite dieser erklärung veranstaltet Brugmann MU. V,
144. — Correeturnote.]
4*
28 SCHMIDT:
Die bisher unerklärten von den gotischen stark abweichenden
westgermanischen bezeichnungen der dekaden von 70—120 erhalten licht
durch einen gedanken, welchen J. Grimm 1835 in den Wiener jahrbü-
chern der literatur bd. LXX, s. 44ff. (kl. schriften V, 215£.), allerdings
nicht sehr klar, ausgesprochen, bei seinen späteren behandlungen dieser
dinge (gesch. 248f., Germania I, 18f.) aber nicht wieder erwähnt hat. Er
ist dann bis heute unbeachtet geblieben. Mich hat Dr. Fritz Burg auf
ihn aufmerksam gemacht. I. Cor. 15, 6 ist revrancricıs adeAdels durch
fimf hundam taihun tewjam bröbre übersetzt. Die herausgeber seit Gabe-
lentz-Löbe betrachten fimf hundam als erklärende in den text gedrun-
gene randslosse zu tarhun tewjam oder umgekehrt, streichen also eins von
beiden. imf hunda allein = rsvraxeria steht Luc. 7, 41. J. Grimm
dagegen hielt schon zweiundzwanzig jahre vor Holtzmanns aufsatze in
der Germania II, 1857, 424f. alle vier worte zusammen für die über-
setzung von 500, indem er sich auf ags. hundteontig 100 berief. "Wie
hätten nun die Sachsen 500 ausgedrückt? Ich denke fifhundteontig, und
hier hätten wir das goth. fimfhundataihunteıja (nom.), im dat. fimfhun-
damtaihunterjam. Nach dem decimalsystem sagten die Gothen für ©
hund, für D fimfhunda, und auch die Angelsachsen durften, nach ihm,
zählen © hund, D fifhund. Aber die duodecimalen formen? Dem goth.
duodecimalen sıbuntehund LXX steht ein ags. hundseofontig zur seite, je-
nes suffigiert hund, dieses präfigiert hund, mit gleicher absicht. Ich habe
bisher an das altn. tegund (species) gedacht, oder tehund für einerlei oder
wenig verschieden gehalten von taihund, weil Luc. 8, 8 taihuntaihundfalps
zu bessern wäre. Unsere stelle gewährt ein goth. präfigiertes hund, und
das verändert die ganze ansicht. Sobald und vornen steht, erscheint
hinten nicht €, sondern Zeyja. Ist also tehund zusammengezogen aus
tevhund? Wir kennen iv jetzt auch sonst. Das fem. tvs oder Zeva, dat.
tvai, bedeutet r@yua, ordo I Cor. 15, 23, teıJan ordinare II Cor. 8, 19.
In zev liegt also nicht unmittelbar der begriff einer zahl, sondern nur der
einer reihe, erst durch die beigabe von hund hebt sich die bedeutung der
decas hervor. Die Angelsachsen präfigierten hund schon von LXX an,
die Gothen wahrscheinlich erst von CC an (twahundataihuntevja?). Welcher
weiteren erläuterungen auch diese zählungsweise noch bedürfe, so viel
ist mir jetzt schon sicher, dafs auch die frühsten ahd. sprachdenkmäler
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 29
sie befolgen. Man drückte die decaden XX bis LX durch suffigiertes zuc
(oder zic), von LXX an durch suffigiertes 20 aus, zählte demnach XX
zuenzuc, XXX drizue, XL fiorzuc, L fimfzuc, LX sehszuc (auch dafür wün-
sche ich eine belegende stelle, die Fragmenta theotisca waren nah daran,
uns auskunft zu schaffen); LXX sıbunzö, LAXXX ahtuzö, XC niunzö, C
zehanzö [Diut. I, 509], diefs zö entspricht dem got. iev oder dem t in
iehund; warum aber die Alamaunen und Baiern hunt weglielsen, weils
ich nicht.
Grimms frage, ob got. tehund aus tewhund entstanden sei, muls
allerdings verneint werden. Man könnte in seinem sinne zunächst ein
selbständiges adj. taxrhuntew mit nachfolgendem subst. hund ansetzen, was
dem /imf hundam tarhuntewjam, abgesehen von der wortstellung, entspre-
chen und das zehnreihige hundert im gegensatze zum zwölfreihigen be-
zeichnen würde. Aber auslautendes hinter & schwindet nicht, wie der
acc. lew &bogunv Röm. 7, 8. 11; II. Cor. 5, 12 beweist. So bliebe noch
die annahme eines compositums. Dabei ist der in faihuntewjam vorlie-
sende adjeetivische ?- oder ja-stamm von vornherein ausgeschlossen, da
er als erstes glied einer zusammensetzung nur Zarhuntewja- lauten könnte,
vgl. hrainja-hairtans Matth. 5, 8. Wir mülsten also auf das im dat. te
wat erscheinende substantivum zurückgreifen. War dies ein femininer
ö-stamm, so mulste es den vocal als « behalten (vgl. staua-stöls, aurba-
kunds, möta-staps, hweila-hwairbs, friabwa-milds), war es ein i-stamm,
dann mochte es etwa als t2w- erscheinen, vgl. brab-faps : ahd. brüti-gomo,
lat. Frutis (verf. voc. II, 288), hut-haurn : an Pytr, mhd. duz (A. Kre-
mer PBr. VIII, 411). Aber auch so kämen wir nur zu "taihuntewhund,
da w zwischen € und consonanten gleichfalls blieb. Es heifst zwar siöjan,
Jullatöjis mit verlust von u oder w vor 5 (KZ. XXVI, 1ff.), aber skewjands
Me. 2, 23, l/ewjands, ga-, fra-lewjands oft. Zu tarchuntehund gelangen wir
also in keinem falle. Aber für die erklärung der westgermanischen de-
kadenworte hat Grimm den weg gewiesen.
Ehe wir ıhn beschreiten, wollen wir einen blick auf das altnordi-
sche werfen. Hier ist die kluft zwischen 60 und 70 ausgefüllt, es heifst
tuttogo, tuttugu 20, prir teger (tigir) 30 usw. bis ellifo teger, elhfu tigir 110.
Ihr einstiges vorhandensein wird aber durch die adjeetiva bezeugt, welche
bedeuten «so und so viele dekaden enthaltend’, namentlich ‘so und so viele
30 SCHMIDT:
Jahrzehnte alt’. Sie werden von 20 — 60 mit Zögr gebildet: tuitögr —
sextögr, von 80—120 mit redr: attredr — tölfredr, für das an der grenze
stehende 70 mit beiden: syautögr und sjauredr (Wimmer $ 105, Noreen
$ 375), hier beginnt also die ausgleichung. In üppigster blüthe steht das
srolshundert. Vor eimführung des christenthums hatte es das decimal-
hundert völlig verdrängt (s. Oleasby-Vigfusson dict. 292 unter hundrad).
hundrad ohne beisatz ist 120, näher bestimmt hundrad tölfrett, im gegen-
satz zu hundrad tirett oder tio teger = 100 (Wimmer $ 103, Noreen
$ 365). Man zählte auch summen, welche in die tausende giengen, nach
grolshunderten, verstieg sich dabei aber, was sehr wichtig ist, nicht über
sechszig hunderte sex tigir hundrada (60 x 120 = 7200; s. Cleasby-
Vigfusson diet. 751 unter pusund). Die veränderte bedeutung von hun-
drad verschob dann auch die von Prisund, so dafs dies in quellen, wel-
che nicht unter kirchlichem oder gelehrtem einflusse stehen, zehn grofs-
hunderte, d. ı. 1200 bedeutet (aao.).
Wenn wir nun im gotischen eine und die selbe zahl an der einen
stelle durch jfimf hunda Luce. 7, 41, an der anderen durch finf hundam
tarhuntewjam 1. Cor. 15, 6 übersetzt finden, so führt der hier erscheinende
zusatz darauf, dafs die durch ihn ausgedrückte zehnreihigkeit beim hun-
dert nicht selbstverständlich war, dafs hund ohne ihn zwar 100, aber auch
etwas anderes, was in unserem ganzen zusammenhange nur 120 sein kann,
bedeuten konnte, also, wo es auf genauigkeit ankam, entsprechend der
nordischen unterscheidung des hundrad tirett und hundrad tölfrett unter-
schieden wurde zwischen einem zehnreihigen und einem zwölfreihigen
hundert. Daraus ergiebt sich, dals tarvhuntewjam als ein wort betrachtet
werden mufs. Dann kann es nur ein zu hundam gehöriges adjectivum,
und zwar in bestimmter, schwacher fexion sein. Dies haben schon Ernst
Schulze und Massmann in ihren glossaren sowie Holtzmann (Germ.
Il, 1857, 425) erkannt. Zur rechtfertigung der schwachen form ohne ar-
tikel verweist Holtzmann auf das häufige AKbains aiweino und andere
(Grimm gr. IV, 573); mehr bei Gabelentz-Löbe gr. s. 171. Vielleicht
ist auch nur -Jam für -jaim verschrieben wie das dicht vorhergehende
fif aus fimf. Den nom. sg. m. starker flexion setzen die genannten her-
ren irrthümlich als -Zewis an. Da an einen w-stamm schwerlich zu den-
ken ist, bleibt nur die wahl zwischen -teweis, ntr. -tewi (ja-st.) und -iews,
Die urheimath der Indogermanen und das europdische zahlsystem. 31
ntr. -tw (i-st.). Die entscheidung zwischen beiden giebt nicht das selbst
zweideutige simplex dat. /@war, da es sich mit beiden ansätzen verträgt,
sondern ahd. zehanzo, welches, wie sich gleich zeigen wird, laut für laut
einem got. taihuntew entspricht. Gehört tewar zu einem 7-stamme, dann
verhält es sich zu taihuntew wie siunai (Luc. 1, 11. 3, 22, Joh. 7, 24) zu
anasiun Skeir. Id, gehört es zu einem ö-stamme, dann entspricht das
verhältnifs von ahd. nama, ags. nam zu got. andanem 1. Tim. 2, 3. Die-
sem hund taihımtew stand also höchst wahrscheinlich ein hund "twahftew
gegenüber. Die wahrscheinlichkeit wird zur gewifsheit dadurch, dafs
sich unter dieser voraussetzung und, soviel ich sehe, nur unter ihr die
westgermanischen dekadenbenennungen von 70 aufwärts erklären.
Dafs auch im westgermanischen neben dem hundert ein grofshun-
dert von 120 bestand, lehrt zunächst die glosse zur lex Salica II, 1 'unum
tualepti, sunt den. CXX qui fae. sol. IH. eulp. iud. und der abschnitt
mit der überschrift {neipiunt chunnas‘, welcher beginnt mit “[1] hoc est
unum thoalasthi, sol(idos) III eul(pabilis) iudicetur. Kern (in Hessels
lex Salica, notes $ 11) bemerkt zu ersterem: We must read hunn-tualepti
(pron. twalefti), A. S. hundtwelftig; or (if unmum be right) tualeptı, which
would stand to the A. S. word in the same relation as E. seventy to
A. S. hundseofontig. Zur zweiten stelle sagt er: unum is a Latinization
of hunn; the number meant is hunn-toalaftih, A. S. hundtwelftig. "The
corresponding O. Fris. term is to/ftig without hund prefixed ($ 301). Brun-
ner (sitzungsber. d. Berl. akad. 21. nov. 1889, s. 1042) und W. H. Ste-
venson (archaeological review IV, 314, dee. 1889) halten das umım für
das lateinische zahlwort, wogegen widerspruch kaum möglich ist, da das
h von hund in dem schon genannten chunnas und chunna U, 14 (Kern
$ 29) durch ch ausgedrückt ist. In der auffassung des zweiten wortes
weichen die beiden gelehrten von einander ab, indem Brunner wie die
vorgänger seit Grimm ein auslautendes % ergänzt und 'unum toalaftıih als
‘ein grofshundert' deutet, während Stevenson in Zualepti den vertreter
des anord. tylft, tylpt dwdexa«s — urgerm. *twalfti-z sucht, welcher wie die
indischen abstraetbildungen shashti-s usw. zur bezeichnung der entsprechen-
den anzahl von dekaden gebraucht sei (ebenso Kluge in Pauls grund-
rils der germanischen philologie I, 405). Ich kann mich hierbei mehrerer
bedenken nicht erwehren. Erstens haben anord. ty/ft und die ihm ent-
33 SCHMIDT:
sprechenden bildungen (Noreen altisl. gr. $ 376) nie die hier vorausge-
setzte bedeutung ‘12 dekaden’ usw. Zweitens kennt das ahd. diese abs-
tractbildungen auf urspr. -&-s nicht, sondern hat an ihrer stelle zumror
zuuehwmunga ruauua bis duodenus numerus Murb. hymn. VI, 6, 2, zeha-
nunga decuria Pa., decades Mep., fior fioringom dheganom quater quater-
nionibus militum Ja. Drittens ist nicht wahrscheinlich, dafs das 2 hinter
langer silbe, entgegen dem westgermanischen auslautsgesetze, hier noch
bewahrt sei. Indem ich bei dem verwahrlosten zustande der glossen dar-
auf verzichte, den etymologischen werth des -& in tualepti, thoalasthi ge-
nau festzustellen, benutze ich diese hier nur, wie seit Grimm allgemein
geschieht, als zeugnils für das vorhandensein des grofshunderts bei den
Franken.
Sehen wir uns nun ahd. zehanzo näher an. J. Grimm erklärte
es 1. j. 1835 (oben s. 29) als verkürzung von *zehanzöhund — got. taı-
huntehund und nahm später als zwischenstufe *zehanzoh an (gesch. 248.
252). Mahlow lälst Zaxchuntehund durch *zehanzau hindurch zu zehanzö
werden (die langen vocale s. 48). Beide halten den vocal von -20 für
lang, obwohl er nirgends mit längenzeichen oder verdoppelt überliefert
wird. Vielmehr ist zehanzo mit kurzem vocale die lautgesetzliche um-
gestaltung des eben ermittelten got. tarchuntew. Selbständiges f&ıw hätte
ahd. "zdo ergeben (vgl. mhd. zäwe geräth, rüstung), aber an zweiter un-
betonter stelle einer zusammensetzung konnte es verkürzung erleiden. Man
hat schon mehrere fälle beobachtet, in welchen ein urgerm. & zweiter
glieder von zusammensetzungen aulsergotisch zu « verkürzt ist, got. mel
zeit:an. ga-mall alt, ags. ga-mol, as. gi-ga-malöd; got. dat. tewar: as.
Jra-tahun ornamentis (?), ags. gea-tewe, gea-twe rüstung (Kluge KZ. XXVI,
70. 75), das zugehörige adj. gd-tawa- hat sich als lehnwort in abulg. g0-
tovü, lit. gatavas "bereit’ erhalten; got. -mers, Ingwio-merus Tacit. : an.
Ingi-marr (Noreen altısl. gr. $ 120); got. jer: an. miss-eri, miss-arı, ags.
miss-ere halbjahr (Bremer PBr. XI, 30). So ward taihuntew zu west-
germ. "tehuntaw, weiter -lau (vgl. got. faursnau : faursniwan). Auslauten-
des au ward in betonter silbe ahd. ao, ö (strao, strö), in unbetonter o
(ahto). Also entspricht zehanzo laut für laut dem got. taxihuntew. Statt
des got. hund taihuntew hat sich also nur tavhuntew fest gesetzt, indem
das selbstverständliche hund ausgelassen ward, wie bei germ. ainlf, twa-
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 833
if das selbstverständliche taxhun. Nach dem "unum tualepti' der lex Sa-
lica ist als gegensatz ahd. *zwelifzo zu vermuthen.
Nehmen wir nun an, dafs die dekaden von 70—120 einst wie im
gotischen mittels tehund gebildet wurden, dessen & die selbe verkürzung
erlitt wie das von -/&w, dann galten für 100 neben einander zehanzo —
got. hund taihuntew und *zehanzahunt = got. taihuntehund. Ebenso hatte
120 zwei benennungen *zwelifzo und *zwehfzahunt. Hiernach werden
auch die übrigen vier, welchen von rechtswegen nur *zahunt zukam, zu-
nächst als nebenformen *einhfzo, *niunzo, ahtozo, sıbunzo erhalten haben.
Ähnliche “reihenassociationen’ sind ja gerade bei zahlworten häufig zu be-
obachten (vgl. Baunack KZ. XXV, 229f.). Wir werden demnächst sehen,
dafs auch germ. ainlıf erst aus dem folgenden twahf erwachsen ist. Nach-
dem für alle dekaden von 70—120 je zwei bezeichnungen auf -z0 und
®_zahunt möglich geworden waren, beschränkte man den unnöthigen luxus
wieder und behielt für alle nur -z0 bei. Dafs dies, nicht *-zahunt, den
sieg davon trug, hat es seiner grölseren ähnlichkeit mit dem -zug der
dekaden von 20—60 zu verdanken. Im 9.jh. wird endlich -z20 durch
dies -zug ganz verdrängt. Seit der zeit ist die kluft zwischen 60 und 70
wie im nordischen ausgefüllt.
Auch im angelsächsischen war hund zweideutig. Es konnte so-
wohl das decimale hundert als das grofshundert —= 120 bezeichnen. In
letzterer verwendung belegt es W.H. Stevenson (archaeological review
IV, 31S£.) aus urkunden des 10. jh., doch nur ım plural: ff hund fünf
srolshunderte — 600; dagegen im sg. ist für 120 nur hundtwelftig nach-
weisbar!). Hiernach ist die annahme gestattet, dals man in vorgeschicht-
licher zeit wie im ahd. und got. unterschied zwischen hund taihuntew
und hund *"twahftew. Verkürzten diese wie im ahd. ihre letzte silbe, was
nach geatewe : got. tewar und missere : got. Jer (s. o.) wahrscheinlich ist,
so wurden sie zu hund "tehonta, hund *twahfta (*tehonta: ahd. zehanzo
— eahta:ahd. ahto; vgl. auch unten as. ant-sibunta 70). Nehmen wir
weiter an, dals neben ihnen auch die vertreter von got. tachuntehund und
"Awahftehund mit gleichfalls zu « verkürztem & bestanden, dann lagen zu
1) Hat cet, welches im mittelirischen für 120 vorkommt (Thurneysen, Pauls
grundr. I, 405), diese bedeutung vom ags. hund übernommen?
Philos.-histor. Abh. 1890. II.
[sb]
34 SCHMIDT:
der zeit, als % zwischen vocalen noch nicht geschwunden war, für die
beiden währungen des hunderts je zwei bezeichnungen neben einander:
hund *tehonta und *tehontahund, hund *twalifta und *twahftahund, d.h.
man konnte hier hund dem *tehonta, *twalifta beliebig vor- oder nach-
setzen. Diese freiheit übertrug man allmählich auch auf die übrigen vier
dekaden bis 70 abwärts, gestattete sich neben *sefontahund —= got. sibun-
tehund auch ein *hund sefonta usw. Später wurde die doppelte reihe als
luxus empfunden und wie im ahd. nur die auf -Za endende bewahrt: *hund-
sefonta — "hundtwalfta (ahd. sıbunzgo — *zwehfzo). Diese gerieth dann
unter die einwirkung der dekaden 20—60, und wie im ahd. zehanzo
durch zehanzug verdrängt wird, so erwuchsen die historisch vorliegenden
hundseofontig 70, hundeahtatig 80, hundnigontig 90, hundteontig 100, hund-
endleofantig 110, hundtwelftig 120. Die kluft zwischen 60 und 70 bleibt
aber noch bestehen, da twentig, dritig, feowertig, fiftig, siextig das hund
der folgenden nicht übernahmen.
Jede der hier gemachten voraussetzungen stützt sich auf vorgänge
anderer germanischer sprachen und scheint mir durch den erfolg gerechtfer-
tigt zu werden, denn ich hoffe, dals wir so eine erklärung des hund in
hundseofontig usw. gewonnen haben, welche nicht wie alle bisherigen ge-
gen thatsachen verstölst. Man scheint jetzt ziemlich allgemein zu glau-
ben, dafs hund in diesen ags. zahlworten von hause aus nicht “hundert”
sondern ‘zehn’ bedeutet habe. Diese annahme hat sich zuerst unter dem
schutze der von J. Grimm (gesch. 249) nur erschlossenen, aber nicht
als solche gekennzeichneten *hundseofode, *hundeahtode, *hundnigode decas
septima usw. eingeschlichen. Holtzmann theilte sie, obwohl er aner-
kennt, dafs solche formen nirgend überliefert sind (Germania I, 221),
Scherer (GDS. ? 588) nahm auch die formen für bare münze; beide
suchten dies hund auch in got. tehund, indem sie unhaltbare erklärungen
des t@ gaben. W. Schulze (KZ. XXVII, 277 anm.) setzt das hund der
ags. dekaden dem zweiten gliede von skr. trun-cat und das ant- in as.
ant-sibunta 70 dem zweiten gliede von rgi@-zevr« gleich. Aber diese indog.
-2,mt-, -zomt- sind die gestalten, welche indog. dezömt — skr. dacdt, de-
xas, got. taihun (Mahlow die langen vocale 97), lit. deszimt-, abulg. de-
set- in der zusammensetzung lautgesetzlich erhielt und nur in dieser an-
nehmen konnte (s. plur. d. neutra 294f.). Von zusammensetzungen, wel-
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 35
che mit skr. cat, gr. »ovr-, lat. gint- beginnen, haben wir nirgends eine
spur. So wenig sich skr. -cat, gr. -zovra, lat. -ginta zu selbständigen be-
zeichnungen der dekaden ohne verschmelzung mit vorhergehenden einer-
zahlen entwickelt haben oder vor die einer getreten sind, ebenso wenig
wird im germanischen zu einer zeit, als etwa noch entsprechende deka-
denworte mit -hund- — skr. -cat im zweiten gliede bestanden, dies hund
eine selbständigkeit gewonnen haben, welche es befähigte in ags. hund-
ieonlig an den anfang der reihe zu treten. Dies ist um so unwahrschein-
licher, als alle germanischen sprachen das unverstümmelte dem skr. da-
edt entsprechende abstractum (got. Zavhun) zur cardinalzahl für ‘zehn’ ge-
macht haben, also bei neubildungen, welche decas septima usw. bedeuten
sollten, gewils eher zu ihm oder zu dem ebenfalls gemeingermanischen im
gotischen noch ganz substantivisch fleetierten Zgu- als zu dem doch min-
destens zweideutigen hund gegriffen hätten. Allerdings beruft sich Ste-
venson (archaeol. review IV, 316) darauf, dafs got. hund hundert =
indog. (d)z,mtom ursprünglich nur dekade bedeutet habe. Das ist richtig,
diese grundbedeutung war aber schon in der indog. ursprache, jahrtau-
sende vor der bildung der ags. zahlworte ganz durch die von hundert
(— dekade von dekaden) verdrängt!). Mithin darf man nicht mit St. in
hundseofontig ein 'tautologisches hund suchen. hund und tg sind im son-
derleben des germanischen zu keiner zeit gleichbedeutend gewesen. Wenn,
wie St. erwähnt, die Lauderdale-handschrift von Aelfreds Orosius das
hund in 70—120 bisweilen ausläfst, so ist dies keine alterthümlichkeit
sondern der beginn einer weiteren ausgleichung zwischen den höheren de-
kaden und 20—60, welche das hund der ersteren allmählich ganz be-
seitiste. Ich stimme also Schade (altd. wtb. ? 1292), welcher die deu-
tung von hund als ‘zehn’ verwirft, hierin bei, vermag mich aber im übri-
1) Für skr. shashti- 60 hat sich die ursprüngliche bedeutung ‘sechsheit im RV.
VII, 18, 14 (s. pl. ntr. 294anm.) sowie in abulg. sesti, anord. sett, für skr. navati- die
ursprüngliche bedeutung 'neunheit in abaktr. navaiti-, abulg. deveti, anord. niund thatsäch-
lich erhalten. Hätte nun indog. #,midm unmittelbar vor der auflösung der ursprache noch
“zehnheit‘, nicht ausschliefslich ‘zehnheit von zehnheiten’ bedeutet, dann wären von ersterer
bedeutung spuren in mehreren sprachen zu erwarten gerade wie bei shashti-, navati-. Bis
solche gefunden sind, hat man kein recht für germ. hund eine andere bedeutung als 'hun-
dert anzunehmen.
58
36 SCHMIDT:
gen seiner auffassung, welcher die vocalverschiedenheit von got. te (in
tehund) und der westgerm. präposition {5 ein unübersteigliches hindernils
in den weg legt, nicht anzuschliefsen.
Das altsächsische geht unverkennbar von der selben grundlage aus
wie das angelsächsische. Bis 60 herrscht das gemeingermanische -4g —
got. figjus, mit 70 beginnt eine neue bildung: ant-sıbunta Mon., at-sıbumta
Cott. Hel. 146, ant-ahtoda. Ihr ant-, at- deuten J. Grimm (gesch. 252),
Scherer (GDS. ? 588) und Heyne (as. u. anfr. gr. 95) als entstellung
von hund. Nimmt man dies an, dann erklärt sich das auslautende @ des
zweiten gliedes leicht. Wie dem got. sunau das as. suno, dem got. ahtau,
ahd. ahto das as. ahto entspricht, so kann westgerm. "seduntau, ahd. si-
bunzo lautgesetzlich nur zu as. *sibunto, nicht zu sıbunta geworden sein.
Setzen wir aber die ags. grundlage auch hier voraus, dann lagen einst
neben einander *hund-sibunto (ahd. sibunzo, in got. form hund *sibuntew)
und *sıbun-tahund (got. sibuntehund). Wie im ags. ward jedes von beiden
als umkehrung des anderen empfunden, daher der geringe zwischen ihnen
bestehende unterschied ausgeglichen, das a des zweiten auf das erste über-
tragen. *hund-sibunta verdrängte dann wie im ags. seinen gegenläufigen
nebenbuhler und ward zu ant-sibunta umgedeutet. *ant-ahtota ist noch
weiter entstellt zu ant-ahtoda mit unverkennbarer anlehnung an die ord-
nungszahl ahtodo der achte, fem. ntr. ahtoda. 80 begegnet auch ohne
ant und 90 nur ohne dasselbe. Dem jior endi antahtoda Hel. 513 Mon.
stellt der Cottonianus fiuuar endi ahtoda gegenüber. Ebenso geht an al-
len übrigen stellen, wo das ant fehlt, end! vorauf: ahte ende ahtedeg, endi
ahtodoch Essener heberolle z. 1. 18 Heyne, sehs ende nichonte K. Frecken-
horster heberolle z. 2261). Da dem dialekte des letztgenannten denkmals
die zusammensetzung mit ant nicht fremd ist, wie ende antahtoda z. 117
H. zeigt, andererseits später im niederfränkischen von Geldern - Kleve
tachtentig, tnegentich (Braune PBr. I, 7 anm.), im mnd. tachtentich, tach-
tintech (Schiller-Lübben IV, 503), nnd. tachentig (Grimm gesch. 249,
Schade altd. wtb. ? 1292”) vorkommen, deren £ der rest des anf ist,
1) Sesse ende nichentein M. beruht auf offenbarer verwechselung von 90 und 19;
Heyne setzt willkürlich ein nirgend überliefertes nigonda in den text. Wegen des e von
nichonte ist zu bemerken, dals in Freck. auch ahte neben ahto vorkommt.
Die urheimath der Indogermanen und das europdische zahlsystem. 37
könnte man meinen, ahtoda und nichonte haben an den genannten stellen
ant verloren nur wegen des ähnlich klingenden vor ihnen stehenden end:,
für welches ja auch ande, and vorkommen. Dieser vorhergehenden par-
tikel allein werden wir aber die vernichtung des ant- schwerlich zuschrei-
ben dürfen, sondern nur die auswahl zwischen den je zwei schon vorhan-
denen formen antahtoda und ahtoda usw. Den ersten stols wird das ant
von den es entbehrenden 20— 60, vielleicht unter mitwirkung des benach-
barten fränkischen dialektes, erhalten haben. Indem man die auslassung
des ant- frei stellte, that man den ersten schritt zur ausgleichung der
beiden hälften der dekaden. Der schreiber der Essener heberolle hatte
auch schon den zweiten gemacht, sein ahtodoch, ahtedeg hat auch die en-
dung von vierteg, tuenteg, vrftech übernommen, wie sıöuntig, ff thäsundıg Hel.
die von fuentig, thritig Hel. Die hier wirkenden kräfte werden auch schon
das nach dem ags. vorauszusetzende hund im sprachgefühle so weit ent-
wurzelt haben, dafs es zur präp. ant-, at- umgedeutet werden konnte.
Die benennungen der dekaden von 70 bis 120, in welchen nicht
nur das gotische von den westgermanischen sprachen sondern auch diese
von einander abweichen, ergeben hiernach als urgermanische grundlage:
1) bildung aller sechs mittels -tehund "dekade’ im gegensatz zu 20—60,
welchen -tigjus dient, 2) zweideutigkeit des hund als 100 und 120, daher
3) genauere bezeichnung desselben als hund taihuntew zehnreihiges und
hund "twahftew zwölfreihiges hundert. Das gotische hat diesen urgerma-
nischen bestand ungetrübt bewahrt. Alle westgermanischen dekadenworte
aber beruhen irgendwie auf ausgleichung zwischen den gleichbedeutenden
hund taxhuntew und tarhuntehund, hund *twahftew und *twaliftehund, in
welche später noch eine ausgleichung mit den urgermanisch durch tgjus
gebildeten benennungen der 20—60 hineinspielt. Die verschiedene ent-
wickelung des althochdeutschen und der beiden sächsischen dialekte be-
ginnt, indem ersteres in hund tarhuntew das hund als selbstverständlich
fallen liefs, während letztere es bewahrten. Alles übrige ist durch diesen
ersten schritt bedingt!).
1) [Während diese blätter im satze sind, erhalte ich am 19. april noch eine er-
klärung der dekadenworte von Brugmann (MU. V, 13f.). ‘Got. taihunte-hund war "öe-
zaduv ders, sibunte-hund inradwv Öeras, dagegen as. ant-sibunta, ags. "hund-seofonta wa-
ren "Öeras irraöw, und im ahd. liefs man unter dem druck der voraufgehenden zehner
38 SCHMIDT:
Also an drei stellen wird das indogermanische decimalsystem durch-
brochen. 12, 60, 120 bildeten schon urgermanisch neue abschnitte. Das
den ausdruck für dex«s ganz fallen, umgekehrt wie man anderwärts, z. b. bei idg. Kmto-m
‘100° und bei ai. shashti-sh ‘60° das wort für ‘dsz«dwv unterdrückte. Die stämme got.
sibunt-, niunt-, taihunt- waren aus vorgermanischer zeit übernommene collectiva. Dagegen
haben wir bei der achtzahl neubildung; denn aus idg. urzeit war hier eine -t- (-d-)bildung
nicht ererbt .... Bei unserer auffassung der zehner wird nun auch klar, warum diese
bildung der zehner nur bei 70 bis 100 erscheint. Nur bei 7, 9, 10 hatte man solche mit
-t- (-d-) gebildete colleetiva (vgl. gr. Erras, Zıveas, ders, ai. dagdt usw.), denen einst for-
men mit -t- zur seite standen (ai. saptati-sh, aisl. sjaund; ai. navati-sh, aisl. nzund, aksl.
deveti; ai. dagati-sh, aisl. tiund, lit. deszimtis, aksl. deseti), während für 5 und 6 nur &i-
formen bestanden hatten (vgl. ai. pankti-sh, aisl. fimt, aksl. peti; ai. shashti-sh, aisl. sett,
aksl. sesti. Dadurch war eine formale isolierung jener t-stämme herbeigeführt gegenüber
den vorausgehenden zahlen. Die zwischen 7 und 9 stehende zahl aber, deren idg. collec-
tivbildung in dem ai. agzti-sh vorzuliegen scheint, mulste sich der weise der nächstumge-
benden zahlen fügen (vgl. auch MU. V, 141f.). Ich mufs gestehen, dafs mir durch diese
ausführung keineswegs klar geworden ist, warum diese bildung der zehner nur bei 70 bis
100 erscheint. Das griechische hat die bildungen auf -«d- über fast alle zahlen bis hin-
unter zur äves und kov&«s der philosophen erstreckt, wie Br. selbst in einer anmerkung
bemerkt, das lateinische sein entsprechendes -ens in den multiplicativadverbien guinquiens
usw. nicht viel weniger weit (s. pl. ntr. 295). Lassen wir also auch dahingestellt, ob
skr. pancat, reur«s, lat. quinguiens schon aus der ursprache stammen oder analogiebildun-
gen der einzelsprachen sind, so werden wir doch dem germanischen die selbe freiheit zu-
gestehen müssen wie dem lat. und griech. diese bildungen über ihren ursprünglichen be-
reich beliebig weit auszudehnen. Ja, wenn Br’s erklärung von sibuntehund — taihuntehund
richtig wäre, so hätte in diesen formen wohl ein mindestens ebenso grofser anreiz zur
schaffung von *fimfunte-hund usw. gelegen als im griech. öez@s usw. zur schaffung von
meumas, Moves usw. Meint doch Br. selbst, dals &rras, Zuve«s und sein sibunte-, niunte-
wohl erst nach Ösz«s und seinem taihunte neu gebildet seien (s. 16). Und wie steht es
denn mit den von Br. als alt anerkannten abstracten auf -&- für 5 und 6, anord. fimt, sett?
Ihr gen. hätte im historischen got. sicher *fimfte, *saihste gelautet. Warum giebt es nun
keine *fimftehund, *saihstehund. Man wird vielleicht antworten, im urgerm. habe der gen.
nicht auf -t£ sondern etwa auf -tij@ geendet (vgl. ahd.).. Erkennt man aber mit Br. in
ahtautehund, ahd. ahtozo, as. ant-ahtoda eine urgermanische bildung auf -tehund ohne jede
grundlage eines alten abstractums, d. h. ein fortwuchern des ausgangs -tehund über seine
nach Br. berechtigten grenzen an, dann wird man auch dem ende der reihe so viel kraft
zutrauen müssen um durch wandlung von *fimftijehund in *fimftehund allgemeine gleichheit
herzustellen. Also die kluft zwischen 60 und 70 würde Br’s erklärung der zahlen von
70—100, wenn sie richtig wäre, nicht im mindesten erhellen. Ich vermag ihr aber über-
haupt nicht zu folgen. Zunächst ist es nicht so gar leieht anzunehmen, ahd. zehanzo sei
der gen. pl. dez«dwv im sinne von Öex«dwv Ödexas. Was Br. als ‘umgekehrt’ analog nennt,
erleichtert die sache nicht, skr. gatam, shashti-s sind ja keine genetive des plurals. "Und
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 39
in ihnen zu tage tretende duodecimalsystem hat sich der ganzen volks-
anschauung tief eingeprägt. Indem ich es anderen überlasse diese spuren
im einzelnen zu verfolgen, will ich hier nur daran erinnern, dafs die
bufsen der germanischen rechte sich theils auf der grundzahl zwölf, theils
auf der grundzahl zehn aufbauen (Wilda strafrecht der Germanen s. 363,
vgl. auch s. 330; Brunner sitzungsber. d. Berliner akad. 21. nov. 1889,
s. 1039f.). Unter diesen drei abschnitten des zahlsystems nach 12, 60,
120 bedingt offenbar einer die beiden anderen. Welcher ist nun der äl-
teste? *twahftehund scheidet hierbei als einfache folge von twalıf oder
der kluft zwischen sarhstigjus und sıibuntehund sogleich aus, so dafs nur
12 und 60 als mögliche ausgangspunkte übrig bleiben. J. Grimm (ge-
schichte 248) will den abschnitt der 60 aus dem duodecimalsysteme ab-
leiten: ‘galt statt des hunderts ein grofses hundert von 120, so war des-
sen hälfte 60, und wie nach 12 begann nach 60 andere zahlweise. Die
analogie der 12 hilft hier aber nicht. Sie erklärt nur den abschnitt der
120. Da unter den einern 7—12 lautlich nicht enger zusammen gehö-
ren als 1—6, die sechs auch keinen natürlichen abschlufs bildet, wie in
dem auf den zehn fingern beruhenden decimalsysteme die fünf als die fin-
ger einer hand, so folgt aus dem grofshundert nicht von selbst, dafs die
dekaden seiner zweiten hälfte anders bezeichnet wurden als die seiner ersten.
die verschiedene stellung des hund sowie auch die endungen des gen. pl. zeigen, dafs diese
zahlen [sibuntehund — niuntehund] im urgermanischen noch keineswegs feste composita, also
auch nach ihrem wahren sinne noch keineswegs in dem malse verdunkelt waren, wie man auf
grund jener ihrer erklärung als analogieschöpfungen anzunehmen gezwungen wäre (Br. s.141).
Um so unbegreiflicher wird die anwendung des nicht verdunkelten g. pl. ahd. zehanzo für alle
casus. Man könnte etwa lat. sestertium als analogon anführen wollen. Allein hier endet
der gen. pl. ja thatsächlich wie der nom. ace. sg. eines zugehörigen neutralen collectivs
(sestertium : sestertius — vallum : vallus), was im ahd. nicht der fall ist. Aufserdem ist
doch ein grofser unterschied, ob solche abbreviatur bei der rechnung einer münze einge-
führt wird oder in der zählung aller überhaupt zählbaren gegenstände walten soll. Wollte
man aber auch die möglichkeit einräumen, dafs zehanzo ein in Br’s sinne deutbarer gen.
pl. wäre, dann stünde man immer noch vor den hauptschwierigkeiten, 1) dafs die zwei-
ten glieder von as. ant-sibunta, ant-ahtoda sicher keine gen. pl. sind (als solche hätten sie
auf -0 zu enden), 2) dafs ahd. zehanzo, got. taihunte- nicht dem skr. dagdtam, gr. dszedwv
entsprechen (s. oben s. 27 !; auf den widerspruch zwischen taihunte = dez«dwv und dem
angeblich zugehörigen *tegund-mis —= got. tigum, oben s. 25 ®, sei nur hingewiesen), 3) dals
skr. gatdm usw., welche Br. dem hund in taihunte-hund gleich setzt, in keiner sprache
zehnheit bedeuten (s. oben s. 35). Correeturnote.]
40 SCHMIDT:
Und warum trat 12 als abschnitt neben 10 auf? Grimm (Ger-
mania I, 20) sagt: ‘Dafs wir hf auf 11 und 12 einschränken, hängt of-
fenbar zusammen mit der ausdrucksweise analoger minderung in einsmin-
zweinzig für 19, zweiminzweinzig für 18 oder auch dem lat. undeviginti,
duodeviginti, wir sagen weder drei minder zwanzig für 17 noch dreihf,
dreif für 13, der Latemer nicht triadevigint‘, es war sinnlich eins oder
zwei ab oder zu zu thun, drei davon oder darüber wäre unsinnlich ge-
wesen. Aber das litauische zählt ja mit seinem laut für laut gleichen
Iika bis 19. Allerdings wird sich hier die ursprünglichkeit auf seite des
germanischen ergeben. Immerhin zeigt der thatbestand des litauischen,
dafs eine durchführung dieser zählungsart bis 19 möglich war, während die
bezeichnung der 11 als 20 minus 9 kaum annehmbar, jedesfalls nicht nach-
gewiesen ist. In wahrheit besteht auch zwischen twahf und fidwörtaihun
durchaus nicht der selbe unterschied wie etwa zwischen lat. undevigint
und quattuordecim. Erstere addieren beide, wenn auch in verschiedenem
ausdrucke die einer zu der selben dekade, während undeviginti und quat-
tuordecim an verschiedene dekaden anknüpfen. Dafs der sprachgebrauch
subtraetionen gröfserer zahlen nicht aufkommen liefs, liegt in der natur
der sache. Aber dafs eine additionsweise nur bis 12 reicht, von da eine
andere begrifflich nicht im mindesten, lautlich aber sehr stark verschie-
dene beginnt, kann nicht in ihr selbst beruhen.
Man könnte meinen, die 12 habe durch irgendwelche religiöse vor-
stellungen oder gesellschaftliche einrichtungen oder von auswärts über-
nommene malse eine solche bedeutung gewonnen, dafs sich aus ihr ein
neues zählsystem entwickeln konnte. Dann wäre aber schwer begreiflich,
warum dies nicht bis 12x12 sondern nur bis 10x12 geführt und
nicht hinter 6><12 sondern hinter 5>< 12 ein absehnitt gemacht ist.
Eine zählung nach potenzen von 12 wäre gerade so gut denkbar wie die
neuseeländische nach potenzen von 11: katekau 11, karaou — 11x11
— 121, kamano = 11>xX11xX11 = 1331 (Pott zählmethode 75£.).
Sehen wir uns nun die 60, unser schock, näher an. Sie zieht das
auge schon dadurch auf sich, dafs im nordischen die zählung nach grofs-
hunderten mit 60 grofshunderten abschliefst (s. o. s. 30). Auch im grie-
chischen und keltischen zahlsysteme bildet sie eine kluft: bis &£nxovr«
liegt die cardinalzahl zu grunde, von eßdouyzovra an die ordinalzahl, wo-
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 41
für schon Pott (quin. u. viges. zählmethode 194) als "höchst merkwür-
dige parallele die genau entsprechenden keltischen verhältnisse anführt:
air. ses-ca 60, aber sechtmo-ga 70, ochtmo-ga 80. Die griechischen zah-
len von 70—90 haben ihren ausgang -zovr@ offenbar erst ausgleichend
von 30—60 übernommen. &ßdewnxevra bedeutet ja nicht “die siebenten
zehnen‘, sondern ‘die siebente zehn‘, ist also erst an stelle eines älteren
singularen substantivs *@deue-ras — air. sechtmo-ga, gen. sechtmo-gat, ge-
bildet wie eixas, rgıanas, getreten (vgl. pl. ntr. 295£.). Das selbe gilt von
öydorzovra und &vevpzovra. Indem man zählte: zwanzig, dreifsig, vierzig,
fünfzig, sechszig, die siebente zehn, die achte zehn, die neunte zehn, also
mit der siebenten zehn ganz neu anhob, legte man auf die sechszig einen
unverkennbaren absichtlichen nachdruck als auf den abschlufs einer reihe.
Auch im lateinischen sind 70 und 80 wahrscheinlich einst aus den ordı-
nalien gebildet wie 90, *septumaginta, octuaginta (ydenzevra, s. Wacker-
nagel und Thurneysen KZ. XXV, 281. XXVI, 311). sexagınta, häufiger
noch sescentt, sind runde zahlen, welche eine unbestimmte vielheit aus-
drücken und sich dadurch als begriffliche abschnitte des zahlsystems ver-
rathen. sexagena teras cum himina mane senator Martial XII, 26, 1, sexagınta
deereta Cie. Verr. II, 1, 47, wo andere mit Donat zu Ter. Phorm. IV, 3, 63 sex-
centa lesen!). Das litauische und slawische haben eine ganz junge zählung
‚ler dekaden, lit. szeszies deszimt, septjmies deszimt usw. überall mit jetzt un-
veränderlichem deszimt, abulg. sesti desetü, sedmi desetü usw. Da diese in gar
keinem zusammenhange mit der alten indogermanischen dekadenbildung
stehen, haben beide familien in unserer frage überhaupt keine stimme.
Es ergiebt sich also, dafs aulser dem germanischen auch alle anderen
europäischen sprachen, deren dekadenbildung noch an die der ursprache
anknüpft, hinter 60 einen abschnitt machen, so dafs es wohl nicht mehr
als zufall erscheinen kann, wenn die nordische zählung nach grofshunder-
ten gerade bei 60 grofshunderten aufhört.
Auch die finnischen Syrjänen im norden von Europa-Asien ma-
chen hinter 60 einen abschnitt, worauf schon J. Grimm (gesch. 256)
1) Klingt diese bedeutsamkeit der sexaginta noch darin nach, dafs im französi-
schen soirante und soirante die nicht durch die alten vigesimalen treis vinz, treis vinz et
dis (Diez rom. gr. IIt, 443) verdrängt sind?
Philos.-histor. Abh. 1890. IT. 6
43 SCHMIDT:
verwiesen hat: das 10, Ayzj 20 (kyk 2), komyn 30 (kujm 3), neljamyn 40
(njol) 4), vitymyn 50 (vit 5), kvajtymyn 60 (kvajt 6), aber 70—90 sind
durch zusammensetzung mit das 10 gebildet: sizim-das (sizim T), kökjamys-
das (kökjamys 8), ökmys-das (ökmys 9).
Unter den drei bisher für duodecimal gehaltenen abschnitten des
urgermanischen hinter 12, 60, 120 scheint sich also der hinter 60 da-
durch, dafs er in allen südeuropäischen sprachen wiederkehrt, sogar in
allen europäischen sprachen bestanden haben kann, während die abschnitte
hinter 12 und 120 aufserhalb des germanischen nicht vorkommen, als der
älteste zu erweisen. Wie ist er entstanden?
Wenn ein decimalsystem in der zehnerreihe überhaupt einen ab-
schnitt macht, so kann es aus sich heraus diesen nur entweder entspre-
chend den fünf fingern der hand, dem reuralsw der Griechen hinter 50
setzen, wie es die arischen sprachen gethan haben, welche bis 50 com-
posita mit -cat, von da an nichtzusammengesetzte abstracta der einer
auf -4- brauchen, oder es kann zwei dekaden, die summe der finger
und zehen, als eine einheit fassen und zur vigesimalzählung schreiten wie
Kelten und Dänen. Ein abschnitt an anderer stelle aber weist auf ein-
greifen eines anderen systems. Die völker übernehmen im handelsver-
kehre nicht nur benennungen der malse, gewichte und münzen von den
nachbarn, sondern öffnen auch die reihen ihres heimischen zahlsystems
fremden eindringlingen. Finn. sata, estn. sadda, mordwin. sada 100,
vielleicht auch das slawische s«@1o sind aus einer iranischen sprache ent-
lehnt (abaktr. satem, npers. sad), finn. tuhat 1000 aus dem germanischen
oder slawischen, magy. ezer 1000 aus dem iranischen (npers. hazär), des-
gleichen syrjän. das 10 (abaktr. dasa); vergl. Grimm gesch. 256, Pott
sprachverschiedenh. 20. Die Russen haben das alte slawische £etyre de-
sete durch sorokü, die umgestaltung des ngr. Fapanovru ersetzt, welches
sich durch die vierzigtägige fastenzeit besonders einprägte. Sehen wir in
diesen beispielen, welche sich noch vermehren liefsen, bei der berührung
zweier völker, welche beide nach dem deeimalsysteme zählen, benennun-
gen runder, im verkehre besonders häufig gebrauchter zahlen von dem
einen zum anderen übertragen, so werden wir erwarten dürfen, dals wenn
ein wenig gebildetes decimal zählendes volk mit einem bedeutend höher
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 43
entwickelten in verkehr tritt, welches nach ganz anderem systeme rech-
net, das system der lehrer auf das der schüler abgefärbt haben wird.
Das älteste uns bekannte eulturvolk Vorderasiens, dem die Euro-
päer zum theil noch heute giltige mafse für zeit und raum verdanken,
die sumerischen Babylonier, haben ein rechensystem ausgebildet, welches
ganz auf der zahl 60 beruht, und dies in ihren mafsen durchgeführt.
Eine übersichtliche darstellung desselben verdanken wir J. Brandis (das
münz-, mafs- und gewichtswesen in Vorderasien 1866, s. 7f.), welche ich
kurz wiederhole.. Die Babylonier benannten und schrieben ihre zah-
len wesentlich .decimal. Sie besalsen besondere zeichen für 1, 10, 100,
1000, durch deren vervielfältigung die zwischenliegenden zahlen geschrie-
ben wurden. “Unsere rechnung mit dem indisch-arabischen zahlensystem
kannten sie aber nicht. Dagegen haben sie ein anderes arithmetisches
system ausgebildet, welches auf der grundzahl 60 beruht und wie das
sogenannte dekadische system jedem zahlzeichen einen von seiner stellung
abhängigen werth giebt. Hiernach waren ihre rechentabellen eingerichtet
und sämmtliche mafse des raumes, der zeit und der materie eingetheilt.
Wir kennen noch die namen der beiden ersten rangstufen dieser ordnung,
in welcher die einheit jedes folgenden ranges das 60fache des vorherge-
henden beträgt. Es ist der sossos, welcher 60 und der saros, welcher
60 x 60 oder 3600 einheiten in einem ausdruck zusammenfafst!). Wäh-
rend die stufenleiter des decimalsystems von 1 zu 10, von 10 zu 100,
von 100 zu 1000 usw. fortschreitet und durch die den zahlen angewie-
sene position angedeutet wird, zu welchem range jede einzelne ziffer ge-
hört, nimmt das sexagesimalsystem der Babylonier die zahl 60 als grund-
zahl an, bildet jeden folgenden rang durch die multiplication des vorher-
gehenden mit jener grundzahl, schreitet daher von 1 zu 60, von 60 zu
3600, von 3600 zu 216,000, von 216,000 zu 12,960,000 usw. in geome-
trischer progression fort und weist jeder zahl ihren rang durch ihre stel-
1) sweeos, ocgos schreibt der babylonische schriftsteller Berossos fragm. hist. gr.
ed. C. Mueller II p. 499 (Brandis aao. s. 11 anm.), die keilinschriften geben sie in
\: . a Ra vv Vr VE Vie Vie vv v v- Y
silbenzeichen als 5%4-$i, SU-uS-Su, SU-us-$T, SsuU-uS-SuU-u und sa-ar, wonach man süs, sar
als die ursprünglich sumerischen formen annimmt (Lepsius die babylonisch-assyr. län-
genmalse nach der tafel von Senkereh, abh. d. Berliner akad. 1877, s. 108. 130 anm. 2;
F. Delitzsch soss, ner, sar, ztschr. f. aegypt. spr. u. altert. 1378, s. 65).
6*
44 SCHMIDT:
lung an’. Ein und das selbe zeichen drückt z. b. 1, 60 und 3600 aus.
Nur aus der stellung der ziffern läfst sich erkennen, was saros, s0ssos
oder einer ist. Ihr rang wird einfach durch das nebeneinanderstellen
der zahlreihen so bezeichnet, dafs die ziffern der höheren ordnung links
von denen der vorhergehenden stehen. Näheres noch bei Lepsius (aao.
106f. 140f.). ‘Die selbe methode läfst sich auch ebenso gut von der
eins abwärts verfolgen, wenn man die selbe geometrische progression ab-
steigend bildet und sie nach den potenzen von „; fortschreiten läfst. Es
wird nur darauf ankommen die einheit, von der ausgegangen wird, zu
markieren und im übrigen die stufen ebenso auf einander folgen zu lassen
wie bei der aufsteigenden reihe. Dies ist in der tafel von Senkereh wirk-
lich geschehen (Lepsius aao. 113). Lepsius bemerkt jedoch, dafs die
anwendung dieses stellensystems nicht in den allgemeinen gebrauch son-
dern nur in den der rechnenden mathematiker gekommen ist (aao. 141).
Die ältesten denkmäler, welche es überliefern, die tafeln von Senkereh,
setzt Sayce zwischen die jahre 2300 und 1600 v. Chr. (bei Moritz Can-
tor vorlesungen über geschichte der mathematik 1880, s. 76; vergleiche
jedoch E. Schrader bei Lepsius aao. s. 139f.),. Von den Babyloniern
übernahmen die griechischen astronomen diese rechnungsmethode, wie zu-
erst Lepsius vermuthet hat. Durch kreuzung des decimalsystems mit
dem sexagesimalen entstand der vngss = 10 vurccı — 600 (Brandis
s. 11, Lepsius aao. 142), sumer. ni-i-ır, assyr. ni-i-ru geschrieben (De-
litzsch aao. 65). Zur grundzahl dieser rechnung war man, wie M. Can-
tor (vorl. über gesch. der mathem. 83f. 90f.) sehr wahrscheinlich macht,
durch die astronomie geführt. Man theilte den kreis entsprechend den
360 tagen des jahres in 360 grade, deren jeder den vermeintlichen son-
nenweg eines tages umfalste. Der sachgemäfse abschnitt zwischen 1 und
360 war hier 60, da der halbmesser genau sechsmal als sehne an der
peripherie herumgetragen werden kann, also dann je einen bogen von
60 graden bespannt. Dies sexagesimalsystem ist bei der vorsemitischen
bevölkerung Babyloniens, den Sumeriern entstanden und von den rein
decimal zählenden später in Babylonien einwandernden Semiten übernom-
men (s. Delitzsch aao. 66f.).
Nach ihm theilten die Babylonier raum und zeit. Sie zerlegten
den astronomischen grad in 60 minuten, die minute in 60 secunden, die
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 45
secunde in 60 terzen, die terze in 60 quarten (Brandis s. 18). Der bür-
gerlichen eintheilung des tages und der nacht in je 6 doppelstunden stell-
ten sie die astronomische in 60 tagesminuten zu 60 secunden zu 60 ter-
zen usw. zur seite und gaben der stunde 60 minuten zu 60 secunden zu
60 terzen (s. 19). Durch Hipparch um 150 v. Chr. ist das babyloni-
sche system der sphärenmessung und das sexagesimalsystem zu den Grie-
chen gekommen.!) Erst Ptolemaeus um 150 n. Chr. ist es gelungen
diese lehre zur allgemeinen anerkennung zu bringen (s. 20; Oantor vorl.
üb. gesch. d. math. 351). Der 360ste theil der sphäre ward als mals
der elle betrachtet?), deren 60 ein plethron, 360 ein stadion bildeten; 30
stadien waren ein parasanges (Brandis s. 23f.). Auf dem selben systeme
bauen sich gewicht und münzfuls auf, das talent ward in 60 minen, die
mine in 60 shekel, der shekel in 30 theile zerlegt (s. 26). Auch die
hohlmafse beruhen auf dem selben systeme (s. 31ff.). Dies sexagesimal-
system hatte in seiner anwendung auf metrische normen vor dem deci-
malen ‘den sehr entschiedenen vortheil voraus, dals seine grundzahl 11
factoren, nämlich 1. 2. 3. 4. 5. 6. 10. 12.15. 20. 30, enthält, während
in zehn nur drei, in hundert nur acht zahlen aufgehen’ (s. 10). So ist
es denn früh von anderen deeimal zählenden völkern angenommen. Wie
sich die babylonischen mafse bei den Semiten und Griechen eingebürgert
und umgestaltet haben, ist von Brandis eingehend nachgewiesen. Kürz-
lich sind seine untersuchungen von C. F. Lehmann weiter geführt (ztschr.
f. ethnol. 1889, XXI, 254ff. 630ff., verhandlungen der physikal. gesell-
schaft zu Berlin 1889, VIII, 81f.), welcher einige spuren der babyloni-
schen malse bis in die letzte zeit vor einführung des metrischen systems
nach weist.
Aber nicht allein in den mafsen wandert das sexagesimalsystem
oder, vielleicht besser gesagt, es bleibt auf der wanderung nicht an die
1) Die eintheilung des kreises in 360 grade hat schon Hypsikles etwa 180
v. Chr. (Cantor vorl. üb. gesch. d. math. 311).
2) C. F. Lehmann (ztschr. f. ethnol. XXI, 322f. — verhandlungen der physi-
kalischen gesellschaft zu Berlin VII, 1889, s. 89f.) will die elle aus der länge des secun-
denpendels ableiten. Letztere beträgt für die gegend der ältesten südbabylonischen trüm-
merstätten etwa 992,35"", bleibt also hinter der babylonischen doppelelle von 994,5 —
9967 nur wenig zurück.
46 SCHMIDT:
malse gebunden, auf ihm beruhende rundzahlen setzen sich bei decimal
zählenden unmittelbaren oder mittelbaren nachbarvölkern fest. Bei den
Griechen galt schon früh 360 als runde zahl; man leitet sie aus dem
360-tägigen jahre ab (s. Lobeck Aglaoph. I, 172, Meineke fr. com. I
p. 310, Rud. Hirzel über rundzahlen, ber. der sächs. ges., phil.-hist. el.
1885 s. 2 anm., s. 37). Das älteste beispiel sind die 360 schweine des
Eumaeus Od. 220. Auch zu den Persern hat sich dies system verbrei-
tet. Moritz Oantor (mathematische beiträge zum kulturleben der völ-
ker 1863, s. 271. 361) theilt drei beispiele persischer rundzahlen mit,
welche auf diesem systeme beruhen. Als Darius gegen die Skythen zieht,
läfst er zur bewachung der schiffbrücke über den Istros ionische mann-
schaften zurück und befiehlt ihnen 60 tage auf ihn zu warten, sei er
dann noch nicht zurückgekehrt, so mögen sie heim fahren, Hdt. IV, 98.
Xerxes züchtigt den Hellespont mit 300 peitschenhieben für die zerstö-
rung der schiffbrücke, Hdt. VII, 35. Kyros droht dem flusse Gyndes,
welcher ihm eins seiner heiligen rosse fortgerissen und ertränkt hatte, er
werde ıhn zur strafe dafür so schwach machen, dafs auch weiber ihn be-
quem ohne sich das knie zu benetzen durchschreiten könnten, und läfst
ihn in 360 gräben vertheilen, Hdt. I, 189. 202.
Auch die chinesische zeitrechnung nach 60-jährigen eyklen, welche
der kaiser Huäng ti 2637 v. Chr. eingeführt haben soll, ist wohl babylo-
nisches ursprungs (Cantor vorl. 571. 578).
Hiernach werden wir kaum noch im zweifel sein, woher die be-
deutsamkeit der 60 im den europäischen sprachen und dem syrjänischen
stammt. Sie ist durch den babylonischen s@sros hervorgerufen, und in
der verwendung von sescent: als rundzahl steckt der vngos — 10 swoso
— 600. Ich halte sogar einen lautlichen zusammenhang zwischen unse-
rem schock und dem sumerischen 3a$, $us$u nicht für unmöglich. Die
mhd. wörterbücher ordnen dessen bedeutungen so: 1) haufe, büschel,
schopf, 2) anzahl von 60 stücken. Vielleicht ist diese ordnung umzu-
kehren, wenigstens ist die zweite bedeutung früher belegt als die erste;
sie findet sich schon in der Freckenhorster heberolle aus der zweiten
hälfte des 9. jh.: Zein scok garvano. Wie bei den Römern sewagınta und
sescentt zu unbestimmt grofsen zahlen geworden sind, so kann sich die
bedeutung 'haufe aus der von 60 entwickelt haben, brauchen wir ja heute
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 47
noch ‘schock’ als unbestimmt grofse zahl. Das wort hat im germanischen
keine seitenverwandten, denn mhd. schoche aufgeschichteter haufe heues
u. dgl., schocken korn in haufen setzen sind selbst wohl erst von scok
sexaginta abgeleitet, wie poln. kopa schock auch einen heuhaufen von
60 bündeln bezeichnet (s. Linde stownik). Als möglichkeit muls man
auch vor augen haben, dafs in scok ein echt germanisches wort, welches
‘haufen’, 'schopf’ bedeutete, und etwa mit lit. pa-si-szıdusz-t sich sträu-
ben, zu berge stehen (von den haren oder vom stroh im winde gebraucht)
verwandt war, mit dem sumerischen zahlworte verschmolzen sei. Die
beiden gutturalen können aus spiranten entstanden sein, wenn ich recht
habe solche für die ursprache anzunehmen (KZ. XXV, 134f.); dann lau-
tete das wort einst *syuyom (y bezeichnet die stumme, y die tönende gut-
turale spirans); vgl. bock — abaktr. baza-. Dieser form könnte sich das
fremde a5, $üssu angeschlossen haben, wie das magyar. ezer 1000 (aus
pers. hazar) ins kroatische und slovenische dringend sich der form des
gemeinslaw. jezero ‘see’ angeschlossen hat. Fehlte heute zufällig das ma-
gyarische wort, so würde man gewils meinen, tausend sei von den Kroaten
als see aufgefalst worden, wie man bei uns meint, schock sei zuerst der
ungezählte haufe gewesen.
Das sexagesimalsystem tritt in der babylonischen ziffernschrift von
vornherein mit dem deeimalsysteme gemischt auf, 10, 100, 1000 hatten
je ein zeichen für sich. Ob diese erst aus dem semitischen rein decima-
len systeme aufgenommen sind, oder ob die zahlen von 1—60 auch im
sumerischen von jeher decimal gegliedert waren, wird sich vielleicht ent-
scheiden lassen, wenn der lautwerth aller hierfür in betracht kommenden
sumerischen zahlen bekannt sein wird!). Jedesfalls waren kreuzungen
beider systeme unvermeidlich, sind auch schon im sumerischen vollzogen,
wie der viges, na — 10 owoce, sü$ zeigt, und mulsten um so häufiger
werden, je weiter sich das sexagesimalsystem über rein deeimal zählende
völker verbreitete. Die ursprünglich in 60 shekel getheilte mine wird bei
Persern, Juden und Griechen (Brandis aao. 43. 53f.), nach C. F. Leh-
1) Die zahlworte, welche nicht nur in zifferschrift vorkommen, sind zusammen-
gestellt von E. Schrader abh. d. Berlin. akad. 1883, s. 37ff. und ©. F. Lehmann ztschr.
für assyriologie I, 1886, s. 222f. Zur beantwortung unserer frage reichen sie leider
nicht aus.
48 SCHMIDT:
mann (zeitschr. für ethnol. XXI, 249f.) auch bei den Babyloniern in 50
theile zerlegt. Auch die assyrischen gewichtsstücke von 5 minen, 2 minen
(= 100 statere), } mine (= 10 statere, Brandis s. 48f.) zeigen kreu-
zung beider systeme. Durch solche kreuzung werden auch 12 und 6 zu
bedeutsamen malsgrölsen. Zwischen einer mine und dem eben erwähnten
gewichtsstücke von 4 mine besteht das selbe verhältnifs wie zwischen 60
und 12. Berührte sich ein decimales mals mit einem sexagesimalen, dann
wurden die fünftel des ersteren zu je 12 sechszigsteln des letzteren. So
sehen wir auf der tafel von Senkereh die reduction eines decimal getheil-
ten, wie Lepsius annimmt, assyrischen malses auf babylonisches in den
stufen 1, 142, 124, 126, 148, 2 vorschreiten und das mals von 12 as-
syrischen ellen durch einen besonderen ausdruck bezeichnet (Lepsius
aao. 113. 116). Zwölf war auch die zahl der monate. Zur sechs führ-
ten verschiedene wege. Ist die grundzahl 60 des systems als der theil
des kreises von 360 graden gewonnen, welchen der radıus als sehne be-
spannte (s. o. s. 44), dann fiel die sechs sofort als nebenproduct ab, denn
der radius ist als sehne im kreise genau sechsmal herumzutragen. Später
ergab die decimale theilung von swrscos und vngos wiederum sechs. So spie-
len denn 6 und seine vielfachen eine rolle in der metrologie. Die elle x
ist in 24 ubanu oder sus? getheilt, nach Lepsius bilden 6 ellen, nach
Oppert 7 ein gamı oder ge 'canne‘, 6 ganu ein gi u canne aune’ (Op-
pert revue d’assyriologie I, 135ff.). Ein hohlmals ga = 10 sahia führt
in abstufungen von je 6 zu 6 verschiedene bezeichnungen, von 6, 12, 18
usw. bis 174 (Oppert aao. 124f.). Tag und nacht wurden in je 6 dop-
pelstunden getheilt. Also auch für die bedeutsamkeit der 12 im germa-
nischen böte das babylonische genügenden anhalt.
Diese braucht jedoch nicht fix und fertig aus dem babylonischen
übernommen zu sein. Sie kann sich auch nach entlehnung der sexage-
simalrechnung durch kreuzung mit der decimalen auf germanischem bo-
den entwickelt haben. In den arischen sprachen bildet die 50 einen ähn-
lichen abschnitt wie die 60 in den germanischen (s. 42). Sie wird es
auch im germanischen einst gethan haben, wenn nicht lautlich, so jedes-
falls begrifflich. Drang nun von aufsen eine zählung nach 60 ein, so
setzte sich diese zahl an stelle der nächsten bisher bedeutsamen, d.h.
der 50. Hatte man diese bisher an den fünf fingern hergezählt, wobei
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 49
auf jeden 10 fielen, so mufsten, wenn man die neue zahl gleich behan-
delte, auf jeden 12 fallen und die finger beider hände, welche früher 100
ergaben, jetzt das grofshundert von 120 schaffen. Wäre 12 wirklich die
ursprüngliche grundlage der neuen germanischen zählung, nicht selbst
schon ein abgeleitetes, dann würde als grofshundert nicht 10 x 12 = 120
sondern 12 >12 = 144 erwachsen und die höchste in grofshunderten
gezählte summe wohl 12 grofshunderte gewesen sein. Thatsächlich aber
reicht diese zählung bis zu 60 grofshunderten, wodurch sich deutlich 60
als der punkt ergiebt, an welchem die eigenthümlich germanische zäh-
lungsweise sich von der indogermanischen abzweigt. Messen wir den
neuen grenzpunkt für die zehner (120) und den für die grofshunderte
(60120) am babylonischen systeme, so ergiebt sich ein überraschen-
der zusammenhang, denn ersterer ist ein doppel-szs, letzterer genau ein
doppel-sar (2>< 3600). D.h. das germanische zeigt nicht nur wie die
südeuropäischen sprachen die grundzahl des sexagesimalsystems sondern
auch deren zweite potenz. Wie es aber unter einwirkung des decimalsystems
neben der ersten potenz deren verdoppelung (120) zu einer besonderen
einheit erhob, so führte es auch die zweite potenz bis zu ihrer verdoppe-
lung durch.
Darauf, dafs zwölf seine bedeutsamkeit erst als theil der 60 er-
langt hat, führt auch seine lautliche bezeichnung als twa-hf und die be-
schränkung des Zf auf 11 und 12. Durch fünftheilung des 5@s, des
schocks, entstand eine mit 10 in concurrenz tretende neue rechnungs-
gröfse, gleichsam eine schwerere währung der zehn, welche in beziehung
auf die schon bestehende leichtere als diese um zwei überschiefsend be-
zeichnet wurde. Zwa-Uf "mit zwei agio' war also zur zeit seiner entste-
hung gar kein zahlwort sondern der ausdruck einer rechnungsgröfse wie
ahd. zehanzo und unser schock, mandel, stiege. Erst später verdrängte
es das dem gr. dwoez«, lat. duodecim entsprechend gebildete zahlwort.
Indem es in reihe und glied mit fidwör-taihun, fimf-taıhun usw. trat,
schnitt es die zusammensetzung oder zusammenrückung aus an und taı-
hun von ihresgleichen ab, überwältiste das durch vereinzelung schutzlos
gewordene wort und setzte das ıhm selbst nachgebildete, nur in diesem
zusammenhange verständliche ainlıf an dessen stelle. Wäre zuerst amhf
geschaffen worden, dann fwalıf, so begreift man nicht, weshalb diese reihe
Philos.-histor. Abh. 1890. II. 7
50 SCHMIDT:
nicht bis 19 fortgeführt ist. Das rückschreiten des -4f ist einigermafsen
analog dem rückschreiten des ahd. -zo von *zwehfzo, zehanzo bis sibunzo
(oben s. 33). Folgerecht haben wir nun auch anzunehmen, dafs das li-
tauische, welches von 11—19 gleichmälsig mit -ika zählt, bei doylika be-
gonnen hat und nur einen schritt weiter gegangen ist als das germani-
sche, indem es -ika nicht nur nach rückwärts sondern auch nach vor-
wärts fortsetzte. Vielleicht zeugt das fehlen des l’ka im lettischen, wel-
ches von win-pa-dsmit 11 bis dewin-pa-dsmit 19 nach slawischer art zählt,
dafür, dafs im urbaltischen -Zka noch nicht die ganze reihe einnahm.
Jedesfalls ist die durchführung des -ika bis 19 unursprünglicher als die
beschränkung des -4f auf 11 und 12 im germanischen. Eine spätere aus-
dehnung bis zum nächsten decimalen abschnitte begreift sich leicht, ein
späteres zurückdrängen bis auf zwölf aufserordentlich schwer.
Lassen wir also die frage unentschieden, ob sich die bedeutsamkeit
der 12 im sonderleben des germanischen ohne anstols von aulsen aus
der bedeutsamkeit der 60 entwickelt hat oder schon von Babylon entlehnt
ist, so dürfen wir wenigstens den abschnitt, welchen die germanischen und
südeuropäischen sprachen hinter 60 zeigen, auf babylonischen einflufs zu-
rückführen.
Wo und wann hat nun dieser eingegriffen ?
Da die Griechen in ihren historischen sitzen babylonisches mals,
gewicht und rechensystem empfangen haben, könnte man den abschnitt, -
welchen &£yzovr« innerhalb ihrer dekaden bildet, erst ebenda entstanden
glauben, wenn schon in früherer zeit.
Dieser möglichkeit steht aber die oben erwähnte sehr wahrschein-
liche annahme entgegen, dals auch die Römer einst ihre dekaden von 70
an aus den ordinalien gebildet haben, diese bildung also Griechen, Ita-
lern und Kelten gemeinsam war. Jedesfalls ist ausgeschlossen, dals die
Germanen, bei denen die 60 so tief eingegriffen hat wie nirgendwo sonst
auf indogermanischem gebiete, den anstols hierzu erst in ihren historischen
sitzen westlich der Weichsel, wo sie zuerst in das licht der geschichte
treten, durch vermittelung der Südeuropäer erhalten haben. Sie müssen
einst erheblich weiter nach osten und süden gesessen haben um in den
babylonischen wirkungskreis fallen zu können. Mögen noch so viele lang-
schädel in Schweden und Deutschland gefunden werden, mag die cultur-
Die wrheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 51
der Schweizer pfahlbauten noch so ähnlich der indogermanischen sein,
die urheimath der Germanen oder gar der Indogermanen können sie für
diese gegenden nicht bezeugen.
Auch in Indien zeigt schon die vedische zeit spuren babylonischer
einwirkung. Aus Babylon stammen mana RV. VII, 78, 2 als bezeichnung
eines bestimmten werthes in gold wie griech. uva, lat. mina, assyr. ma
(Zimmer altind. leben 50f.), ferner die nakshatra genannten mondstatio-
nen (A. Weber ind. literaturgesch. ? 265, Zimmer aao. 354f.), die einthei-
lung von tag und nacht in zusammen 30 muhärta zu je 2 nadıka (A. We-
ber Jyötisham, abh. d. Berl. akad. 1862, s. 105), auf welche bereits RV.
I, 123, 8 angespielt wird (Zimmer 363), das 360-tägige jahr RV. I,
164, 48 (aao. 368). Auch findet sich 60 als rundzahl gebraucht. Doch
genügte der indischen von jeher ins mafslose schweifenden phantasie die
einfache 60 dazu nicht, erst vervielfacht, womöglich vertausendfacht
machte sie ihr eindruck. Dreimal sechszig Marut folgen dem Indra VII,
85, 8. Häufiger kommt 60,000 in diesem sinne vor. Indra erschläst
100,000 mann VI, 26, 5, im folgenden verse 60,000 mann. Der sänger
Kakshi vant will vom Svanaya als belohnung für seine lieder erhalten ha-
ben 100 mıshka, 100 rosse, 100 rinder, dann 10 gespanne mit wagen,
60,000 rinder I, 126, 2.3. Auch ein anderer sänger will 60,000 rinder
empfangen haben VIII, 5, 20, ein dritter namens Vaca Acvya vom Prthu-
eravas Kanita unter anderem 60,000 rosse VIII, 46, 22. 29. Soma wird
gebeten 60,000 schätze (vasäni) wie von einem reifen fruchtbaume her-
abzuschütteln IX, 97,53. Aus späterer zeit liefsen sich noch weitere
beispiele beibringen. Es sei nur an die 60,000 söhne des Sagara erinnert.
Auch die 6666 entschlafenen Anu und Druhyu RV. VI, 18, 14 sind
hier wohl zu erwähnen (plur. ntr. 294 anm.). Aber das alte indoger-
manische zahlsystem ist in keiner weise vom sexagesimalen gestört, der
abschnitt der dekaden blieb rein decimal zwischen panca-ceat und Sasti-s.
Sind doch die Inder, allerdings sehr viel später, schöpfer der auf 10 zah-
len beruhenden positionsarithmetik geworden, welche das babylonische
rechensystem zu verdrängen berufen war (Moritz Oantor mathemat. beitr.
2. kulturleben der völker 1863, s. 52f.; vorl. üb. gesch. d. mathem. 1880,
5l1f., A. Weber ind. literaturgesch. ? 274). Auch das altbaktrische hat
mx
‘
52 SCHMIDT:
den rein decimalen abschnitt zwischen panca-satem und khshvash-t- be-
wahrt wie das indische.
Hieraus folgt, dafs die Europäer, welche einer viel tiefer greifen-
den einwirkung des sexagesimalsystems ausgesetzt waren, diese in einer
gegend erlitten haben müssen, welche dem babylonischen culturbereiche
erheblich näher lag als das Indusgebiet und das östliche Iran. Wo diese
gegend zu suchen sei, wissen wir nicht. Die einwirkung braucht keine
unmittelbare gewesen zu sein, da der handel die sexagesimalrechnung
auch durch zwischenliegende länder anderer zunge hindurch getragen ha-
ben kann. Jedesfalls aber ist der schauplatz derselben so lange in Asien zu
vermuthen, bis unwiderlegliche und zwingende beweise für Europa beige-
bracht sein werden.
Schwer ist die stellung der Litauer und Slawen in unserer frage
zu bestimmen. Ihre zählung der zehner, welche nirgendwo einen abschnitt
erkennen läfst, ist offenbar ganz jung (s. oben s. 41). Indefs deuten die
übereinstimmung des lit. -"ka mit dem germanischen -hf (oben s. 24) und
das vorhandensein eines eigenen wortes kopa für schock im russ. klruss.
poln. osorb. nsorb., Aüpa im polab. (s. oben s. 22anm.) darauf, dafs auch
diese völker sexagesimale störungen erlitten haben. Ob und wie diese
sich in den alten zahlsystemen ausdrückten, wird nie zu ermitteln sein;
in den überlieferten sind sie jedesfalls völlig verwunden.
Unbeantwortet bleibt auch die frage, ob alle Europäer gemeinsam
diese einwirkung erlitten haben oder ob mehrere zeitlich und örtlich ver-
schiedene stölse erfolgt sind. Im wechsel zwischen cardınalzahl und or-
dinalzahl, zwischen &&yxovr«, sexaginta, air. sesca und &@deunrevra, *septu-
maginta, air. sechtmoga, stimmen die südeuropäischen sprachen, jedesfalls
das griechische und keltische, so vollkommen überein, dafs wir ihn nur
einem gemeinsamen anstolse zuschreiben dürfen. Die germanischen spra-
chen haben ihre dekaden völlig neu gebildet. Da aufser allem zweifel
steht, dals Zwar tigjus bis sachs tigjus an stelle von worten getreten sind,
welche wie die entsprechenden südeuropäischen und arischen als zweites
glied urspr. -zomt- enthielten (s. pl. ntr. 295), sind vielleicht auch durch
sıbuntehund usw. zunächst bildungen verdrängt, welche wie die südeuro-
päischen auf das selbe -xomt- endeten. Letztere können als erste glie-
der ordinalzahlen gehabt haben. Somit ist nicht unmöglich, dals die Ger-
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 53
manen einst 20—60 und 70—90 genau so wie die Südeuropäer durch
den wechsel zwischen cardinal- und ordinalzahlen geschieden haben. Und
da die slavolettischen sprachen, wie oben gesagt, in unserer frage über-
haupt nicht stimmfähig sind, bleibt sogar die annahme zulässig, dafs einst
alle Europäer den abschnitt hinter 60 durch übergang zur ordinalzählung
gemacht, also gemeinsam die einwirkung des sexagesimalsystems erfahren
haben. Andererseits ist bei der thatsächlichen verschiedenheit der germa-
nischen zählweise von der südeuropäischen ebensowohl möglich, dafs die
Germanen und Litauer, deren verbindung zu dieser zeit durch die gleich-
heit des got. -bf und des lit. -Zıka bezeugt wird, schon aufser allem zu-
sammenhange mit den Südeuropäern waren, als sie den babylonischen
einflufs erfuhren, dieser also an zwei verschiedenen orten und zu ver-
schiedenen zeiten auf nachmals europäische völker gewirkt hat.
Nun werden auch die beiden von Hommel bemerkten wortan-
klänge zwischen dem sumerischen und indogermanischen, welche bisher
in ihrer vereinzelung als spiele des zufalls gelten konnten, über die zu-
fälligkeit hinausgehoben. Sie stehen in überraschendem einklange mit un-
serer ermittelung. Denn wie das zahlsystem der nachmaligen Europäer,
nicht das der Arier, spuren des babylonischen trägt, so schliefsen sich jene
beiden sumerischen worte, welche sich auch in indogermanischen sprachen
finden, gerade an die europäische, nicht an die indische gestalt derselben.
Sumer. balag, babylon.-assyr. ptlakku beil steht dem griech. reAezus näher
als dem skr. paracd-s; sumer. urud kupfer stimmt zu abulg. ruda, lat.
raudus, an. raudı, pehl. röd, weicht ab von skr. löha-s, löhd-m.!)
Beide thatsachen widerlegen auf jeden fall Penkas theorie. Um
zu erklären, wie die angeblich aus Skandinavien ausgewanderten Inder
etwa 2000 jahre früher als ıhre in der urheimath gebliebenen vettern zu
einer litteratur kamen, lälst er sie ‘sich schon zu einer zeit die elemente
der von den turanischen Akkadiern begründeten und von den semitischen
1) Welcher von beiden völkerstämmen hier der entlehnende ist, wird schwer fest
zu stellen sein. :?ezus-paragl-s hat im indogermanischen keinen anhalt. Skr. löhd- usw.
sehen allerdings echt indogermanisch aus als bezeichnungen des rothen metalls oder rothen
erzes. Aber wer bürgt dafür, dafs sie nicht erst durch volksetymologie hierzu umgedeu-
tet und umgestaltet sind? Der vocal des lat. raudus, welcher mit ©g:vSos schwer verein-
bar ist, macht dies sogar wahrscheinlich.
54 SCHMIDT:
Babyloniern und Assyriern weiter entwickelten cultur aneignen, als sie
sich noch weder über Griechenland noch über Italien verbreitet hatte
(origines 147). Wir haben hier im gegentheil sehr alte babylonische ein-
flüsse festgestellt, welche gerade die Inder nicht erlitten haben.
Sie erweisen, dafs die europäischen Indogermanen aus Asien stam-
men, die urheimath aller Indogermanen also in Asien zu suchen ist, nicht
in Europa. Weiteren anhalt geben sie noch nicht. Sie lassen sich mit
der alten, freilich ganz unbewiesenen annahme, dafs unser urvolk einst
weit im nordosten von Babylon, etwa auf der hochebene von Pamir ge-
sessen hat, vereinigen. Dann wären die nach westen wandernden nach-
maligen Europäer auf ihrem zuge in die sphäre des babylonischen ein-
flusses gerathen, welcher die nach süden rückenden Arier damals noch
fern blieben. Sie lassen aber ebensowohl die möglichkeit offen, dafs das
urvolk nicht allzu fern von Babylon heimisch war, aber, als die babylo-
nische cultur seinen sitz erreichte, sich schon nach osten ausgebreitet
hatte und nur noch die westlichen stimme den ausstrahlungen der frem-
den cultur ausgesetzt waren. Die antwort, welche das zahlsystem auf
die frage nach unserer heimath giebt, ist also zwar sehr unbestimmt, engt
aber das gebiet, auf welchem zu suchen ist, erheblich ein. Wo bisher
gar nichts fest stand, ist wenigstens ein sicherer halt gewonnen.
Für die eulturgeschichte ist unser ergebnifs schon in seiner jetzi-
gen gestalt nicht ohne bedeutung. Denn wo das sexagesimalsystem ein-
gang fand, wird nicht die ganze übrige babylonische eultur vor der thür
stehen geblieben sein. Immer augenscheinlicher tritt die abhängigkeit der
Hellenen von Vorderasien zu tage. Jetzt wird man auch fragen müssen,
wie viel schon von dem gemeinsam europäischen eulturbesitze wir Ba-
bylon verdanken.
Die urheimath der Indogermanen und das europäische zahlsystem. 55
Nachschrift.
Von vorstehender abhandlung habe ich s. 24—37 im auszuge, s. 383 —54 vollstän-
dig am 5. september 1889 der arischen seetion des internationalen orientalistencongresses zu
Stockholm vorgetragen. Der grundgedanke, die einwirkung des babylonischen zahlsystems
auf das indogermanische und besonders auf das germanische, ist sofort, mehr oder weniger
klar gefalst, in den berichten über den congrels durch die zeitungen verbreitet worden,
z. b. in der Wiener neuen freien presse v. 11. sept. s. 3997, im feuilleton der nationalzei-
tung v. 29. sept. Am ausführlichsten hat ihn unter den mir zu gesichte gekommenen berich-
ten der von H. Oldenberg in der deutschen rundschau jahrg. 1890, heft 2, s. 299 wieder-
gegeben. Dafs das sogenannte duodecimalsystem der Germanen aus dem bei den Süd-
europäern zwischen 60 und 70 bemerkbaren abschnitte herzuleiten sei, lehre ich seit zwan-
zig jahren in meinen vorlesungen. Als mir vor zwölf jahren das babylonische zahlsystem
aus der Schraderschen anzeige von Lepsius’ babylonisch-assyrischen längenmalsen
(Jenaer lit. ztg. 1878 s. 6) bekannt wurde, war mir sofort klar, dafs in ihm der keim
für alle oben behandelten eigenthümlichkeiten der europäischen zahlsysteme zu suchen sei.
Im sommer 1889, während ich die hier erscheinende abhandlung ausarbeitete, er-
hielt ich von Kluge unter kreuzband einen viertelbogen, dessen drei bedruckte seiten ein
correeturabzug seiner behandlung der zahlwörter in Pauls grundriss der germanischen
philologie bd. I, 2 s. 402f. füllt, das einzige, was mir von diesem hefte vor seiner aus-
gabe im november 1889 zu gesichte gekommen ist. Dort heifst es s. 405 in bezug auf
unsere frage: 100) Das Germ. besitzt neben dem Dezimalsystem ein damit zersetztes
Duodezimalsystem, das in dem Grofshundert gipfelt. Es finden sich im Lat. Spuren
eines Sexagesimalsystems (vgl. nhd. Schock) — daher sexaginta und sexcenti als unbe-
stimmte Rundzahlen (daher auch Hildebr. 50 sumaro enti wintro söhstic?) — und auf eine
besondere Bedeutung der 120 im Latein weist Rud. Hirzel Ber. der Sächs. Gel. Ges.
1885 p. 26; auch im Altpersischen entdeckte Cantor Mathemat. Beitr. 361 Spuren des
Sexagesimalsystems. Das altgermanische Duodezimalsystem äulsert sich nie rein; denn
es fehlen alte Zeugnisse für nndd. Groetken nhd. Grofs (aus Grofshundert? Schmeller
BWb. 2 I, 1129) — ‘zwölf Dutzend’ (auch die dafür auftretende Bezeichnung "Grofsdu-
tzend’ scheint jungen Datums). Das germ. Grolshundert ist eine Verquiekung von Dezi-
auch im Mittelirischen
mal- und Duodezimalsystem, gilt also überall 120 und knüpft
kommt nach einer Mittheilung Thurneysens cet als 120 vor — [dieser in gedanken-
strichen stehende zusatz fehlte im vorigen sommer noch] an jenes lat.-pers. Sexagesimal-
system an. Daher haben die Zehner bis 60 und von 70— 120 verschiedene Bildungs-
weisen‘.
Am 11. dee. 1889 schrieb mir herr W. H. Stevenson in Oxford: "At the sug-
gestion of Prof. Kluge, I have to-day forwarded you a copy of the Archaeological Re-
view containing an article by me on the long hundred. Prof. Kluge informs me that
you are working at the numeral names and thinks you may find my article of use. We-
nige tage später traf die freundliche gabe ein, welche ich oben s. 33 mit dank benutzt habe.
56 SCHMIDT: Die urheimath der Indogermanen_ete.
Am 19. april, als das manuscript der abhandlung bereits meinen händen entzo-
gen im satze war, erhielt ich im V. bande der morphologischen untersuchungen eine be-
handlung der zahlworte durch Brugmann, auf welche ich schon oben in den correctur-
noten (s. 25. 27. 37f.) eingegangen bin. Br. ist der ansicht, dafs in der indog. ursprache
alle dekaden von 30—90 gleich gebildet, also die im arischen von 60— 90 herrschenden
bildungen auf -t-, skr. shashti-s usw. an stelle älterer auf -gat getreten seien (s. 33f.).
“Die verdrängung der uridg. bezeichnungen deutet darauf hin, dafs im urarischen bei hö-
heren zahlen eine sexagesimalrechnung aufgekommen war, in der das wort shashti-sh
a$vasti-$ ‘schock’ die beherrschende stellung hatte. Durch dieses wurde das dem pancagat-
pancäsat- entsprechende wort für ‘anzahl von 60° zurückgedrängt, und später griffen durch
analogiewirkung auch bei den folgenden zehnern die dem shashti- entsprechenden bildun-
gen für die urindogermanischen deeadenbenennungen platz. Hierzu pafst gut der nachweis
Cantors Mathemat. beitr. zum kulturleben der völker 1883, s. 361f. — auf diesen nach-
weis machte mich Fr. Kluge aufmerksam —, dafs bei den alten Persern die zahl 60
und ihre vervielfachungen (ähnlich wie bei den Römern sexäginta, sescentt) ganz beson-
ders geläufig waren (vgl. Herodot I, 189. 202, IV, 98, VII, 35). Dem verfasser ist, wie
seine äulserungen s. 142 noch deutlicher zeigen, das wesen der sexagesimalrechnung ebenso
wenig klar wie ihre heimath. Sie schlingt kein neues band zwischen 60 und den höhe-
ren dekaden, sondern zerreilst, wo sie eintritt, ein diese etwa früher verknüpfendes. In ihr
ist 60 nicht der beginn sondern der abschlufs einer reihe, wie im deeimalsysteme 10 oder
100. Wo 60 den höheren dekaden gleich gebildet ist, kann also von einer sexagesimal-
rechnung im zahlsysteme keine rede sein. Der in den arischen sprachen zwischen 50
und 60 gemachte abschnitt ist vielmehr, wie oben (s. 42. 51) gesagt, nur aus dem unge-
störten decimalsysteme begreiflich.
ANHANG ZU DEN
ABHANDLUNGEN
DER
KÖNIGLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
ABHANDLUNGEN NICHT ZUR AKADEMIE GEHÖRIGER GELEHRTER.
AUS DEM JAHRE
1890.
MIT 1 TAFEL.
BERLIN.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1891.
BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT).
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
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Inhalt.
Physikalische Abhandlungen.
Kayser und RunGeE: Über die Speetren der Elemente. Dritter
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Philosophisch-historische Abhandlungen.
Lepsıus: Griechische Marmorstudien -. -. - . » - 2.2.2... Abh.1. S. 1—135.
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PHYSIKALISCHE ABHANDLUNGEN.
Über die Speetren der Elemente.
Von
H. KAYSER un C. RUNGE,
Professoren an der Königl. Technischen Hochschule zu Hannover.
Dritter Abschnitt.
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. T.
Vorgelegt in der Gesammtsitzung am 5. Juni 1890
[Sitzungsberichte St. XXVII. S. 555].
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 28. Juli 1890.
Dritter Abschnitt.
Über die Linienspectren der Alkalien.
Sal. As wir im Jahre 1887 unsere spectralanalytischen Unter-
suchungen begannen, geschah dies in der Absicht, Beziehungen zwischen
den Wellenlängen jedes Speetrums aufzufinden, wie sie durch Balmer!)
für den Wasserstoff gegeben waren, ferner auch Beziehungen zwischen
den Spectren verschiedener Elemente zu ermitteln, deren Vorhandensein
uns unzweifelhaft schien?). Dafs eine erweiterte Balmer’sche Formel sich
für viele Linien mancher Elemente aufstellen lasse, ergab die Durchsicht
der bisher vorliegenden Speetralmessungen, und der Eine von uns hat
diese gesetzmälsige Lage der Linien in einem Vortrage auf der Versamm-
lung der British Association im Jahre 1888) besprochen. Besonders bei
den Alkalien und alkalischen Erden ist dieser Seriencharakter sehr auf-
fallend, worauf schon Liveing und Dewar hingewiesen haben.
Indessen glaubten wir, dafs nur die äufserste mit den heutigen
Mitteln erreichbare Genauigkeit in der Bestimmung der Wellenlängen wirk-
1) Balmer, Wied. Ann. 25, p. 80 — 87 (1885).
?) Kayser und Runge, Über die Spectren der Elemente, Abhandlungen der
Berliner Akademie der Wissenschaften (1888).
3) C. Runge, Rep. Brit. Ass. 15888 p. 576.
1
4 H. Kayser us Ö. Runee:
lich befriedigenden Aufschlufs geben und die Anwendbarkeit der Formeln
klar hervortreten lassen könne, sowie gestatten werde, Schlüsse aus den
Constanten zu ziehen. Mit einem Beobachtungsmaterial, wie es z.B. für
Rubidium und Caesium vorlag, war eigentlich gar nichts anzufangen; für
Rubidium giebt Lecogq 17 Linien, Thalen 8; es sind aber nur 4 Li-
nien von beiden Beobachtern gemessen, und sogar von den Linien, wel-
che Lecogq als die stärksten aufführt, kennt Thalen nur die Hälfte.
Wenn man auch berücksichtigen muls, dafs Leeoq das Flammenspec-
trum, Thal&n das Funkenspectrum beobachtet hat, so erklärt dies doch
nicht die Unterschiede. Selbst in den bestbekannten Spectren sind Diffe-
renzen von 5 oder 10 Ansström’schen Einheiten zwischen den verschie-
denen Messungen derselben Linie nicht selten, und es kommen noch grös-
sere vor; als Beispiel seien die vielbenutzten rothen Kaliumlinien angeführt:
Lecoq ' Huggins | Kirchhoff
| |
7698 | —_ | 7700
7661 — 7681
694 | 6955 | 69a
6913 6932 | 6916
So mulsten wir uns entschliefsen, die Speetren zunächst neu zu
bestimmen, wobei wir als erstrebenswerthe Fehlersrenze 0,1 Angström-
sche Einheiten festsetzten, da dies zur sicheren Charakterisirung jeder
Linie hinzureichen scheint. Wir begannen, um in allen Spectren eine
Scala zu haben, damit, das Eisenspeetrum zu untersuchen, und wir ha-
ben die Resultate publieirt. Bei der Photographie der Elemente erwie-
sen sich dann die Kohle- und Cyanbanden als unvermeidliche und viel-
fach störende Begleiter, so dafs wir auch diese durch genaue Durchmes-
sung!) unschädlich machen mulsten, bevor wir uns zu den Elementen
selbst wenden konnten.
Bei den angeführten Messungen hatten wir die von Rowland zur
Herstellung seines ersten Sonnenatlas bestimmten Normalen bis zur Wel-
lenlänge 330uu zu Grunde gelest, von 330un bis 220uu aber durch
!) Kayser und Runge, Abhandl. der Berliner Akad. der Wissensch. 1389.
Über die Spectren der Elemente. II. 5
eigene Coincidenzmessungen die Wellenlängen bestimmt. Seit jener Zeit
hat aber Rowland einen noch wesentlich vollkommneren Atlas herge-
stellt, der auf die neuesten absoluten Messungen der D-Linien durch
Bell!) gegründet ist, und Rowland erklärt, dafs er weitere Änderun-
gen, die ja jedenfalls nur aufserordentlich klein sein könnten, an den
Wellenlängen nicht mehr anbringen werde. Wir haben daher beschlos-
sen, auch diese neue Scala als definitive zu adoptiren, da es uns zu vie-
len Zwecken, z. B. zur Untersuchung der chemischen Zusammensetzung
der Sonne, wünschenswerth schien, dafs unsere Messungen, die etwa die
gleiche Genauigkeit haben, wie die Rowland’schen, nach demselben
Malsstabe ausgeführt seien.
$2. Wir hätten uns damit begnügen können, unsere bisherigen
Messungen mit einem Factor zu multiplieiren und so auf die neuen
Wellenlängen der D-Linien zu reduciren. Seit vorigem Sommer haben
wir aber weit bessere Instrumente erhalten; während wir früher haupt-
sächlich mit einem Gitter arbeiteten, welches 3" Krümmungsradius und
70000 Furchen, je 17000 pro englischen Zoll, besafs, haben wir nun
zwei ausgezeichnete Gitter, welche mit Rowland’s neuer Theilmaschine
hergestellt sind. Beide haben etwa 6.5” Krümmungsradius, 20000 Fur-
chen pro Zoll, im Ganzen deren 110000. Daraus ergiebt sich, dafs die
Dispersion etwa die dreifache unseres früheren Gitters ist, nämlich im
Speetrum erster Ordnung die Angström’sche Einheit sehr nahe 0.5"
Länge entspricht; das ganze photographirbare Speetrum hat somit eine
Länge von etwa 2.25”. Das erste dieser Gitter ist hervorragend licht-
stark in der ersten Ordnung der einen Seite; mit ıhm sind fast alle Auf-
nahmen gemacht, welche im Folgenden zu besprechen sind. Das zweite
Gitter, welches der Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin ge-
hört, ist ausgezeichnet in der zweiten Ordnung, so dals beide Gitter sich
ergänzen und den höchsten Ansprüchen genügen. Wir fühlen uns der
Königl. Akademie für Herleihung dieses Gitters, sowie für sonstige Un-
terstützung bei unseren Untersuchungen zum gröfsten Danke verpflichtet.
Mit diesen Hülfsmitteln ausgerüstet, schien es uns zweckmälsig,
das Eisenspectrum noch einmal zu revidiren. Wir haben die kleinen
1) Bell, Phil. Mag. (5) 25, p. 245—263 und 350—372 (1888).
6 H. Kayser uno ©. Runee:
Wellenlängen unterhalb 340u« sämmtlich ganz neu bestimmt, für die
gröfseren Wellen dagegen nur eine gröfsere Anzahl starker und scharfer
Linien wieder gemessen.
Wir hätten gewünscht, dabei ganz unabhängig von Rowland’s
Normalen des Sonnenspectrums alle Wellenlängen direet auf die D-Linien
zu gründen, d.h. die Arbeit Rowland’s zu wiederholen und zu con-
trolliren. Dies ist uns aber trotz unseres Reichthums an Gittern aus
Mangel an einem passenden Gitter nur zum geringen Theil möglich ge-
wesen. Es dürfte vielleicht von Interesse sein, auf diese Rowland’sche
Öoineidenzmethode ganz kurz einzugehen, da Rowland selbst sie bisher
nirgends näher besprochen hat, um zu zeigen, wie man bei Kenntnifs
einer absoluten Wellenlänge alle anderen mit aufserordentlicher Genauig-
keit relativ zu dieser bestimmen kann.
Es werde D, zu Grunde gelegt. Man photographirt die D-Linie
in der ersten, zweiten, dritten u. s. w. Ordnung, soweit das Gitter es
gestattet; dann erhält man gleichzeitig auf der Platte die andern Ord-
nungen, nämlich bei D, in der ersten Ordnung: 2948 der zweiten, 1965
der dritten; bei D, in der zweiten Ordnung: 3931 der dritten, 2948
der vierten, 2358 der fünften u. s. w. Folgende kleine Tabelle giebt die
Coineidenzen mit D,, eingestellt in den 9 ersten Ordnungen:
| |
ee sgce| | |
| | |
2. | 2028 | 5806 | | |
3 | 1965 | 3931 | 5896
|
4 | | 2948 4422 5896
5 | | 2358 | 3538 | 4717 | 5896
| | | |
6 | 1965 2948 | 3931 | 4913 5896
m 3 | | 7; | ] rs
7 | | 2527 | 3369 4211 5054
=—— ıB — 4% I _-
| | l | l
Ss | 2211 | 2948 | 3685 | 4422
| | ji j |
mp Ta = rem om az iR: zn
| 9. | | 2620 3275 3931
Über die Spectren der Elemente. 00ER 7
Man mifst nun den Abstand einzelner Linien dieser verschiedenen
Ordnungen von der D-Linie; kennt man auch nur angenähert, etwa bis
auf 1 pCt., den Mafsstab des Spectrums, — und bis zu dieser Genauig-
keit läfst er sich aus der ungefähr bekannten Gitterconstante und dem
Krümmungsradius des Gitters ohne Weiteres berechnen, — so lassen sıch
die Wellenlängen der Linien angenähert bestimmen, nämlich, wenn sie
z. B. nicht weiter als 50 Angström’sche Einheiten von D, entfernt sind,
bis auf 0.5 Angström’sche Einheiten. Nun ist man aber sofort in der
Lage, den Mafsstab beliebig genau zu erhalten: man hat ja z. B. die
Wellen 4422 und 4717, jede bis auf 0.5 genau; photographirt man sie
auf einer Platte, milst ihren Abstand, so hat man den Mafsstab bis auf
1 pCt., da ihr Abstand von 300 Angström’schen Einheiten bis auf 1 Ein-
heit genau ist. Mit diesem genaueren Mafsstab wiederholt man die Rech-
nung, erhält den Mafsstab wieder genauer, und so fort.
Auf diese Weise lassen sich eine ganze Reihe von Linien, die in
den verschiedenen Ordnungen mit D, coineidiren, bis auf 0.01 Angström’-
sche Einheiten genau messen; wir wollen sie Normalen erster Ordnung
nennen. Diese Linien kann man dann ebenso, wie es oben mit der D-Linie
geschah zur Ermittelung einer grofsen Anzahl von Normalen zweiter Ordnung
benutzen, eventuell diese abermals für Normalen dritter Ordnung, und so
schliefslich eine beliebig grofse Anzahl von gleichmälsig über das ganze
Spectrum vertheilten genau bestimmten Wellenlängen erhalten, zwischen
welchen man dann für die übrigen Linien gradlinig interpoliren darf.
Da aber die Fehler der Normalen erster Ordnung auf die zweiter
Ordnung u. s. w. übertragen werden, so ist die Methode in vollkomme-
ner Weise nur dann auszuführen, wenn man viele Normalen erster Ord-
nung ermitteln, d. h. die D-Linie in zahlreichen Ordnungen photographi-
ren kann. Unsere Gitter mit 20000 Furchen pro Zoll gestatten nur die
Photographie in den beiden ersten Ordnungen, während z. B. die Gitter
mit 10000 Furchen schon die 4 ersten Ordnungen benutzen lassen. Wir
konnten daher die Methode nicht durchführen. Rowland hat es ge-
than und hat die Liste!) der so bestimmten Wellenlängen, welche er
1) Rowland, Phil. Mag. (5) 27, p. 479 —484 (1889). Es ist zu bedauern, dafs
Rowland so viele doppelte und dreifache Linien in seine Listen aufgenommen hat, wel-
che für genaue Messungen natürlich unbrauchbar sind.
& H. Kayser und C. Runer:
standards nennt, zugleich mit einer gröfseren Zahl dazwischen interpolir-
ter Wellenlängen für sich veröffentlicht. Wir haben uns darauf beschrän-
ken müssen, nur für einige Rowland’sche standards die Messung zu
wiederholen, wobei sich Übereinstimmung bis auf etwa 0.01 Angström’-
sche Einheiten ergab.
Nachdem wir so ihre Zuverlässigkeit geprüft, haben wir sie be-
nutzt, um durch Coineidenzmessungen nach ihnen die Wellenlängen des
ganzen Spectrums zu ermitteln. Dabei haben wir gefunden, dafs die
kürzesten Wellen von Rowland wahrscheinlich einen kleinen Fehler von
0.02 Angström’schen Einheiten haben; wenigstens ergaben unsere Mes-
sungen, welche in verschiedenen Ordnungen und von verschiedenen stan-
dards ausgehend gemacht wurden, für kleine Wellen bis zu A = 3300
stets um etwa 0.02 kleinere Werthe. Dieser kleine Fehler erklärt sich
aber leicht durch den übermäfsigen Linienreichthum, mangelnde Schärfe
und Lichtstärke in diesem Theil des Sonnenspeetrums, welche Übelstände
ja auch in dem neuen Rowland’schen Atlas hier deutlich hervortreten,
während das Eisenspeetrum davon frei und daher zu den Bestimmungen
weit geeigneter ist.
Wir haben demnach bis zu A = 3417 unsere auf Rowland’s
standards basirenden Coineidenzbestimmungen adoptirt, für gröfsere Wel-
lenlängen die direet an dieselben standards angeschlossenen Messungen.
Auf verschiedenen Platten stimmten die Linien sehr häufig bis auf we-
niger als ein hundertstel überein, so dafs wir glauben, eine Genauigkeit
der Eisenlinien bis auf 0.02 Angström’sche Einheiten im Allgemeinen
verbürgen zu können.
Es sollen in der folgenden Tabelle eine Anzahl solcher Linien ge-
geben werden, welche in Verbindung mit unserer früher publieirten Ab-
handlung über das Eisenspeetrum genügen werden, um für jeden Theil
des Speetrums die Linien bis auf wenige Hundertel nach dem neuen ab-
soluten Werth der D-Linien (D, = 5896.16; D, = 580.19) anzugeben.
Über die Spectren der Elemente. II. 9
Verzeichnifs einzelner Eisenlinien.
Wellenlänge | Intensität || Wellenlänge | Intensität || Wellenlänge Intensität || Wellenlänge | Intensität
2214.70 3 2575.86 1 2983.67 ih 3404.44 2
2227.81 3 2585.95 Ih 2994.52 ih 3407.57 ih
2230.13 3 2598.46 1h 3001.04 ih 3418.61 3
2240.69 5 2607.19 ih 3008.23 ih 3427.24 2
2242.65 5 2617.70 ih 3019.09 2h 3440.70 ih
2253.17 4 2623.39 ih 3037.49 1h 3450.44 3
2264.46 4 2635.90 2h 3047.70 Ih 3465.97 ih
2271.82 4 2644.08 2h 3057.54 ih 3475.56 ih
2277.72 3 2656.24 2 3067.35 ih 3485.47 3
2230.25 3 2669.60 3 3075.32 ' ih 3498.00 3h
2239.06 3 2679.16 1h 3083.54 ih 3513.97 2h
2293.98 2 2689.31 ih 3100.06 ih | 3521.40 2h
2309.08 3 2699.21 3 3111.79 4 | 3541.20 3
2320.43 3 2706.68 2h 3116.73 2 3558.66 2h
2327.45 1 2718.54 2h 3125.76 1 3570.23 ih
2332.86 ih 2725.02 2h 3136.59 3 3586.24 3
2343.96 2h 2733.67 ih 3151.42 2u 3603.35 4
2359.20 2 2744.16 1h 3160.74 2 3618.89 2h
2364.91 Ih 2755.83 1h 3175.54 2 3631.59 3h
2373.82 Ih 2767.62 ih 3184.99 3 \ 3647.95 2h
2332.12 ih 2773.32 2h 3192.89 2 3659.64 3
2338.73 ih 2783.20 ih 3200.58 2 3680.03 4h
2399.31 lh 2798.36 ih 3214.14 1 3695.18 4
2404.96 ih 2807.08 2h 3222.16 ih 3709.37 3h
2413.39 ih 2813.39 ih 3231.07 3 3720.05 | 1h
2424.23 3 2823.37 2h 3239.54 2 3737.26 2h
2432.34 3 || 2832.53 ih 3251.32 2 3749.62 2h
2442.65 lh | 2844.08 ih 3265.72 2 | 3767.33 2h
2453.56 2 | 2851.89 ıh 3271.11 2 | 3781.33 4
2465.23 2h | 2863.48 ih | 3286.87 ih | 3792.30 5
2472.43 2h 2874.27 2h | 3293.24 3 3810.90 4
2483.34 ih 2883.82 3 | 3306.10 2h 3320.56 2h
2493.30 lh 2894.60 3 | 3314.87 2 3840.58 2h
2501.20 Ih 2901.48 4 || 3325.58 3 | 3860.04 Ih
2510.91 ih 2912.27 Ih 3335.88 3 | 3873.71 2h
2922.92 ih 2923.96 3 3348.03 3 | 3900.66 5
| 2527.90 1h 2937.01 lh 3359.39 3 | 3923.05 | 2h
2537.24 3h 2947.99 2h 3366.92 ih 3942.58 | 3
2549.68 ih 2957.48 1h 3378.78 3 | 3963.28 | 4
2560.35 3 2967.00 lh 3384.07 3 073839724908 || 2
2566.99 2 2976.23 3 | 3392.76 2 | 3998.22 | 3
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. 2
10 H. Kayser uno (C. Runner:
Wellenlänge | Intensität || Wellenlänge | Intensität | Wellenlänge | Intensität | Wellenlänge | Intensität
4022.02 3 4630.30 4 5250.81 3 5930.29 1
4045.97 1 4647.60 2 5270.52 il 5956.92 3
4063.75 1 4668.36 3 5288.73 4 5977.12 2
4083.93 4 4691.59 3 5307.54 3 6003.28 3
4100.88 3 4710.44 4 5328.71 2 6027.27 3
4118.72 1 4737.00 1 5353.59 3 6056.21 2
4143.58 1 4754.22 4 5371.67 1 6078.71 3
4157.95 3 4772.96 5 5397.32 1 6102.40 3
4181.91 2 4739.80 3 5424.23 lu 6136.85 1
4202.18 1 4823.69 4 5447.16 1 6157.96 3
4222.39 2 4843.32 5 5474.13 3 6180.42 4
4245.40 3 4859.94 2 5497.70 3 6191.77 1
4260.67 1 4878.41 3 5506.98 2 6213.63 3
4282.54 1 4890.94 P) 5525.76 4 6230.94 1
4299.44 1 4919.19 2 5555.03 3u 6252.76 2
4315.23 1 4939.84 4 5573.07 1 6270.44 5
4337.20 1 4957.50 3 5603.17 2 6297.99 4
4358.67 4 4978.79 4 | 562477 | 2 6318.22 3
4383.72 ih 4994.29 4 || 5641.70 4 6337.07 3
4404.94 ih 5015.13 3 || 5659.06 1 6358.87 5
4422.74 2 | 5041.91 2 || 5686.66 3 6380.95 5
4442.52 2 5068.95 2 | 5709.61 D) 6400.27 1
4461.83 3 5083.50 3 5731.98 3 6421.55 4
4482.40 2 5105.73 B) 5753.33 2% 6462.95 4
4494.74 2 5125.30 2 5775.30 3 6495.20 1
4525.32 3 5151.02 3 || 5798.42 5u 6518.62 3
4548.01 B) 5169.07 3 5816.50 3 6546.47 1
4569.00 4 | 5191.68 1 | 5859.91 2 6593.14 1
4592.82 | 2 | 5208.80 3 || 5884.09 4 |
Asa no || 5227.08 1 5905.94 3
$ 3. Zur Erzeugung der Spectren der Elemente haben wir verschie-
dene Methoden benutzt. Nach dem Vorgange von Liveing und Dewar
wurde ein Block von Retortenkohle mit zwei horizontalen Bohrungen ver-
sehen, welche sich in der Mitte des Blocks rechtwinklig kreuzten. Zwei
der so entstandenen 4 Kreuzarme wurden zum Einschieben der Kohlestäbe
benutzt, wobei diese durch Stücke von Glasröhren vom Block isolirt wa-
ren; die Stäbe trafen sich in der Mitte, und hier entstand das Bogenlicht.
Der dritte Kreuzarm diente zam Austritt des Lichtes, der vierte wurde
Über die Speetren der Elemente. III. +
verschlossen, oder zum Einleiten von Gasen, Kohlensäure oder Wasser-
stoff, in den Bogen gebraucht; dies hatte den Zweck, entweder die Cyan-
banden zu schwächen!), oder die schnelle Oxydation der Metalldämpfe
zu hindern. Im Block war noch ein fünftes Loch, senkrecht von oben
den Kreuzungspunkt treffend; es diente dazu, die zu verflüchtigenden Me-
talle oder Salze in den Bogen zu bringen. Das Bogenlicht streicht so
über die eingebrachten Substanzen fort und verdampft sie; dabei erwies
es sich zweckmälsig, den Bogen durch einen angenäherten Magnetpol zu
zwingen, dauernd am Boden der Bohrung entlang zu gehen und so direct
die Substanzen zu treffen; wird er nicht so künstlich festgehalten, so
brennt er unregelmäfsig bald oben, bald unten, zeigt die Neigung zu rotiren.
In einzelnen Fällen, wo es sich darum handelte, die Linien umge-
kehrt zu erhalten, also ein möglichst heller Hintergrund für die leuch-
tenden Dämpfe geschaffen werden mufste, wurden die Kohlen durch an-
dere Kreuzarme eingeschoben, so dals sie sich rechtwinklig trafen. Die
weilsglühende positive Kohle bildete dann den Hintergrund. Zeitweilig
haben wir auch ganz ähnlich eingerichtete Blöcke aus Kalkstein oder
Marmor benutzt, aber ohne wesentlichen Vortheil.
Zahlreiche Aufnahmen wurden auch mit der gewöhnlichen Lampe
gemacht. Der Strom wurde so geführt, dafs die untere Kohle die posi-
tive war; es wurde dazu ein napfartig ausgehöhltes Kohlestück von etwas
gröfserem Querschnitt genommen, auf welches von Zeit zu Zeit neue Sub-
stanz gebracht wurde. Nach dieser Methode haben wir namentlich die
kürzesten Wellen mit der gröfsten Intensität erhalten.
Der Strom wurde meist wieder von dem dem physikalischen In-
stitut gehörenden Gasmotor und einer Siemens’schen Maschine geliefert;
sie gab bei 50 Volt Spannung 25—35 Ampere. Aufserdem konnten wir
durch Freundlichkeit unseres Kollegen W. Kohlrausch auch den Strom
einer Schuckert-Maschine von 40—50 Ampere benutzen, welcher nament-
lich die Expositionszeit wesentlich abzukürzen gestattete, dann aber auch
die kürzesten Linien besser zum Vorschein brachte.
Das so erzeugte Licht wurde je nach dem untersuchten Theil des
1) Kayser und Runge, Abhandlungen der Berliner Akad. der Wissenschaften
1889, p. 9.
12 H. Kayser up 6. Runsee:
Spectrums durch gröfsere Glaslinsen oder kleinere Quarzlinsen auf dem
Spalt concentrirt.
Die photographischen Aufnahmen wurden meist auf Chromoplat-
ten von Gaedieke in Berlin gemacht, nur im Grünen auf Eosinsilberplat-
ten von Perutz in München, im Roth auf von uns selbst mit Azalin sensi-
bilisirten Obernetterplatten, ebenfalls von Perutz. Entwickelt wurde nur
mit Hydrochinon.
Die Platten bildeten schmale Streifen von 50°" Länge, 5°" Breite.
Die vom Concavgitter entworfenen Spectren erscheinen bekanntlich scharf
auf einem Kreise, dessen Radius gleich dem halben Krümmungsradius
des Gitters ist; die Platten hätten daher bis zu einem Radius von 3.25" ge-
bogen werden müssen. Unsere Cassette war so emgerichtet, dals beim
Schliefsen des sehr massiven Deckels die Platte gebogen wurde, aber nur
bis zu einem Radius von 6.5”; es zeigte sich, dafs die Schärfe des Bil-
des dadurch nicht merkbar litt, und die Gefahr des Brechens der Platten
war wesentlich verkleinert.
Die Messungen wurden mit der früher beschriebenen Theilmaschine
ausgeführt, deren Mikrometerschraube ohne Benutzung des Nonius 0.005 ""
ablesen läfst. Wir haben inzwischen die Schraube untersucht und gefun-
den, dals ein Stück von 10°” ausgezeichnet gearbeitet, der Rest schlech-
ter ist, und haben daher nur das gute Stück zur Messung benutzt. Eine
Umdrehung der Schraube entspricht 0.5”", d.h. fast genau einer Ang-
ström’schen Einheit im Spectrum erster Ordnung unserer Gitter, ein
pars des Mikrometerkopfes also 0.01 Angström’schen Einheiten. Die
Einstellung des Fadenkreuzes läfst sich bei allen scharfen Linien bis auf
1 oder 2 partes sicher ausführen.
Für die Theile des Spectrums mit gröfserer Wellenlänge, als etwa
650un, haben wir Platten nicht sensibilisiren können; alle Versuche mit
Cyanin und Coerulein sind fehlgeschlagen, selbst bei 2 Stunden Exposi-
tion konnten wir z. B. keine Spur der längsten Kaliumlinien bei 770 uu
erhalten. Die Versuche von Eder, H. W. Vogel und anderen zeigen ja
zweifellos, dafs die Sensibilisirung für das Sonnenspeetrum genügend aus-
fällt; aber dessen Intensität ist auch wesentlich grölser.
Da es sich nur um wenige Linien handelte, deren ungefähre Be-
stimmung aber doch von bedeutendem theoretischem Interesse war, haben
Über die Spectren der Elemente. JIOTEIR 13
wir uns auf folgende Weise geholfen: In der Cassette waren zwei Spitzen
verschiebbar hinter der matten Scheibe angebracht. Die rothen Linien
waren mit blofsem Auge oder auch mit der Lupe zu sehen; die Spitzen
wurden nun auf die Linien eingestellt, dann, ohne die Oassette herauszu-
nehmen, die matte Scheibe durch eine empfindliche Platte ersetzt, und
eine Aufnahme des Eisenspectrums gemacht. Es erscheinen dabei die
kurzen Wellen des Speetrums zweiter Ordnung, deren Linien sehr dicht
liegen; die Spitzen halten das Licht von der Platte ab, und man erhält
ganz scharf die Silhouette der Spitzen im Eisenspeetrum, so dals man die
ihnen entsprechende Wellenlänge erster Ordnung bequem ablesen kann.
Mangelhaft ist nur die Genauigkeit der Einstellung der Spitzen auf die
immerhin sehr lichtschwachen und breiten Linien.
$4. Als Scala zum Auswerthen der Platten diente das Eisenspee-
trum; die Kohlen enthalten so viel Eisen, dafs bei jeder Aufnahme viele
hunderte von Eisenlinien erscheinen, namentlich im Ultravioletten, wo sie
durch ihre grofse Menge sogar manchmal stören. Besonders sind es die
umkehrbaren Linien, welche erscheinen, und dadurch ihre hervorragende
Bedeutung und ihre Identität mit den Lockyer’schen langen Linien do-
cumentiren. Im sichtbaren Theil, namentlich im Gelbgrün, Gelb und
Roth, werden sie dagegen sehr sparsam, so dals ihre künstliche Hervor-
bringung durch Einwerfen von etwas rothem Blutlaugensalz oder auch
eines Stückchen Eisendrahtes nothwendig wird. Wir haben dieses Hülfs-
mittel indessen nur selten benutzt; in diesen Theilen des Speetrums lıe-
gen zahlreiche starke Caleiumlinien, welche ebenfalls stets zum Vorschein
kommen, und nachdem wir einmal ihre Wellenlängen mit Hülfe von Eisen-
linien bestimmt hatten, sich statt jener benutzen liefsen. In ähnlicher
Weise erwiesen sich auch die Linien anderer Elemente, z. B. von Stron-
tium, welches als Verunreinigung in den Salzen der Alkalien stark ver-
treten ist, brauchbar.
Die Platten wurden in Stücken von etwa 10°” gemessen, für die
bekannten Linien die Wellenlängen eingesetzt, und nach der Methode der
kleinsten Quadrate die Correetur des fast unveränderlichen Mafsstabes be-
rechnet. Da hierbei je nach den Umständen die verschiedensten Linien
als Normalen benutzt wurden, und wir an 300 Platten für die Speetren
der Alkalien und alkalischen Erden hergestellt haben, sind die Wellenlän-
14 H. Kayser und 0. Runee:
gen der verschiedenen Elemente fortdauernd nicht nur mit Eisen, sondern
auch unter sich verglichen worden, so dafs irgend bedeutende Fehler sich
nicht eingeschlichen haben können.
Was die Genauigkeit unserer Messungen betrifft, so läfst sich die-
selbe nicht allgemein angeben wegen der verschiedenen Beschaffenheit der
Linien. ‘Wir haben daher in den Tabellen bei jeder einzelnen Linie den
gröfsten Fehler, der uns möglich scheint, angegeben. Bei den scharfen
Linien stimmen die verschiedenen Messungen stets auf einige Hundertstel
einer Angström’schen Einheit überein, also wird auch das Mittel bis auf
wenigstens 0.03 richtig sein. Als Beispiel für die Genauigkeit der Resul-
tate seien folgende Proben angeführt:
Li Li | Na Na K K
3232.76 2741.39 3303.08 | 3302.47 3447.50 3446.50
3232.30 2741.39 3303.06 3302.44 3447.48 3446.50
3232.77 | 2741.45 | 3303.07 3302.46 3447.47 3446.46
3232.77 | 2741.28 | 3303.18 3302.52 3447.47 3446.49
3232.78 2741.41 3303.09 3302.49 3447.51 3446.53
3232.78 2741.43 3303.06 3302.43 3447.50 3446.50
U. 8. W. u.s. w. | 3303.06 | 3302.45 U. 8. W. U..SS we
| 3303.08 3302.47 |
3303.07 3302.47
Euasıw: u. Ss. w.
Bei den Spectren der Alkalien sind aber die meisten Linien sehr unscharf,
wenn reichlich Dampf des Elementes vorhanden ist; es ist gar nicht sel-
ten, dafs die Linien 10 Angström’sche Einheiten breit werden, wir ha-
ben sie auch über 50 Einheiten breit erhalten. Auch dann läfst sich die
Messung noch sehr genau machen, wenn die Linie sich umkehrt, weil
gewöhnlieh die Umkehrung ganz schmal und scharf begrenzt ist; mitun-
ter aber ist auch der umgekehrte Theil über 1 Angström’sche Einheit
breit, seine Ränder unscharf; dann ist die Messung erschwert.
Noch viel geringer ist die erreichbare Genauigkeit, wenn die Linien
sich nicht gleichmäfsig verbreitern, wie es bei den Linien der Alkalien
Über die Speetren der Elemente. IIT. 15
vielfach der Fall ist. Zum Theil sind solche Aufnahmen, die bei dichten
Dämpfen gemacht wurden, zur Messung gar nicht brauchbar, dagegen
solche Platten, in denen die Linien nur als Verunreinigungen auftreten,
wesentlich besser. In allen diesen Fällen haben wir bei Berechnung der
Mittelwerthe die Aufnahmen jeder einzelnen Linie angesehen, nur die be-
sten benutzt, und diese je nach ihrer Schärfe mit verschiedenem Gewicht
in Rechnung gebracht.
Sind die Linien, welche sich verbreitern, noch dazu sehr schwach,
so dals man gezwungen ist, dichten Dampf zu erzeugen, um sie zu er-
halten, so läfst sich grofse Genauigkeit überhaupt nicht erreichen. In
dieser Weise verhält sich namentlich ein ganzer Theil der Caesiumlinien.
Bei der Messung mit Spitzen haben wir die Fehlergrenze auf 5
Angström’sche Einheiten angesetzt, obgleich die verschiedenen Aufnah-
men besser unter einander übereinstimmten.
$5. Zur Erzeugung des Spectrums haben wir folgende Substan-
zen benutzt: Für Lithium: das Chlorsalz; für Natrium: das Metall selbst,
Chlornatrium oder kohlensaures Natron; für Kalıum: das Metall selbst,
oder Chlorkalium, chlorsaures, salpetersaures oder kohlensaures Kali; für
Rubidium: Rubidiumehlorid; für Caesium: Caesiumalaun. Es hat sich da-
bei kein wesentlicher Unterschied zwischen den verschiedenen Verbindun-
gen desselben Elementes gezeigt, höchstens schien Chlorkalium etwas ge-
eigneter als die andern Kalısalze. Die Substanzen waren durchweg die
käuflichen, da „chemisch reine“ Salze wesentlich theurer und spectral-
analytisch doch nicht ganz rein sind; ferner treten stets eine Anzahl
fremder Linien von den Verunreinigungen der Kohlen herrührend auf;
diese Umstände erschweren die Untersuchung aulserordentlich und machen
sie anfangs sehr zeitraubend. Bei der Ungenauigkeit der bisherigen Mes-
sungen war es selten möglich, herauszufinden, welchem Elemente eine Li-
nie angehört, wir mulsten vielmehr gleich eime grofse Reihe anderer
Elemente mit in den Bereich der Untersuchung ziehen. So haben wir
namentlich Calcium, Barium, Strontium, Aluminium, Mangan, Magnesium,
Silicium prüfen müssen, sind dadurch aber dann auch im Stande gewe-
sen ein deutliches Bild der eigentlichen Linien des untersuchten Elemen-
tes zu erhalten. Freilich haben wir noch lange nicht alle „unbekannten“
16 H. Kayser uno 0. Runee:
Linien aus den Listen der in unseren Aufnahmen erschienenen Linien fort-
geschafft, — dazu hätten wir eben alle Elemente untersuchen müssen, —
aber die meisten übrigbleibenden sind doch so schwach und in ihrem Er-
scheinen oder Nichterscheinen so regellos, während die Linien des Ele-
mentes, welches man grade untersucht, stets und in gleichen Intensitäts-
verhältnissen auftreten, dafs wir sicher entscheiden können, dafs jene Li-
nien nicht zu dem untersuchten Elemente gehören. Die Entscheidung
der umgekehrten Frage, ob eine schwache Linie, die bei Aufnahme des-
selben Elementes immer erscheint, wirklich diesem Element angehört, ist
dagegen viel schwieriger; man kann sie nur lösen, indem man möglichst
verschiedene aus verschiedenen Quellen bezogene Salze des Elementes un-
tersucht, weil dann zu erwarten ist, dals nicht dieselbe Verunreinigung
allen gemein sein wird. Ganz sicher wird man freilich nur gehen, wenn
man alle Elemente untersucht.
Wir wollen daher nicht behaupten, dafs unsere Spectren ganz voll-
ständig seien, — im Gegentheil zeigen die später zu besprechenden Rech-
nungen, dafs wohl noch mehr schwache Linien vorhanden sind, — aber
wir glauben sicher, dafs unsere Spectren keine fremden Linien mehr ent-
halten, was uns ungleich wichtiger dünkt.
Die Schwierigkeiten, an welchen Lockyer’s Untersuchungen über
die Speetren der Elemente scheiterten, nämlich dafs er schliefslich eine
Unzahl von Linien hatte, von welchen er nicht wulste, ob sie dem einen
oder andern Element angehörten, haben wir bis jetzt nicht gefunden, und
sie werden wohl auch zum grofsen Theil in der zu solchem Zweck nicht
genügenden Genauigkeit der Lockyer’schen Bestimmungen ihren Grund
haben. Dabei ist allerdings zu bemerken, dafs die Schwierigkeiten wahr-
scheinlich viel gröfser werden, wenn wir zu den linienreicheren Spectren
der Metalle kommen.
Lockyer ist durch seine Untersuchungen dazu geführt worden,
die Theorie der „basischen Linien“ aufzustellen; er versteht darunter sol-
che Linien, welche nach seiner Ansicht mehreren Elementen gemeinsam
sind; er sieht in ihrer Existenz, — welche übrigens in den meisten Fäl-
len mehr als zweifelhaft ist — einen Beweis für dıe Dissociation der
Elemente in einfachere Substanzen, welche mehreren unserer Elemente
gemeinsam sein sollen. Wir können diese Auffassung durchaus nicht
Über die Spectren der Elemente. II. 17
theilen; unsere Resultate scheinen uns im Gegentheil, wie wir weiterhin
ausführlicher besprechen werden, für einzelne von Lockyer angegebene
Fälle, z. B. beim Kalium, zwingend die Unrichtigkeit seiner Schlüsse zu
beweisen.
Auf „basische Linien“ sind wir noch nicht gestolsen; mehrfach
haben wir starke, sich verbreiternde Linien verschiedener Elemente gefun-
den, welche einander so nahe liegen, dafs es der vollen Genauigkeit unserer
Messungen bedarf, um sie zu trennen; aber das ist uns denn doch stets ge-
lungen. Als Beispiel sei die Rubidiumlinie 4215.72 angeführt, welche mit
einer Strontiumlinie verschmilzt, wenn beide Eleınente gegenwärtig sind.
Sie fallen aufserdem fast mit einer Eisenlinie zusammen und liegen ganz
nahe bei einer Kante der zweiten Oyanbande, so dals sie auch von die-
ser schwer zu trennen sind. Aber die Wellenlänge der Cyankante ist
4216.14, die des Rubidiums 4215.72, die des Strontiums 4215.66, endlich
die des Eisens 4215.56.
$ 6. Der herrliche Atlas des Sonnenspectrums von Rowland und
die Genauigkeit unserer Messungen gestatten in den meisten Fällen zu
entscheiden, ob eine Linie sich unter den Fraunhofer’schen Linien wie-
derfindet oder nicht. So lag es uns nahe, diese interessante Frage nach
der chemischen Zusammensetzung der Sonne ebenfalls ins Auge zu fas-
sen. Der Letzte, welcher sich eingehend damit beschäftigt hat, ist Lo-
ekyer; er hat eine Liste!) der Elemente, welche nach seiner Ansicht
sicher in der Sonne vorhanden sind, veröffentlicht, und eine zweite Liste
der Elemente, deren Anwesenheit er für wahrscheinlich hält. Offenbar
aber war Lockyer’s Beobachtungsmaterial für diesen Zweck nicht genau
genug, denn seine Angaben bestätigen sich nicht, soweit wir sie geprüft
haben; Lockyer gibt die Linien an, welche er in der Sonne gefunden
zu haben meint, so dafs sich diese Prüfung leicht ausführen läfst. Das
Genauere soll bei den einzelnen Elementen besprochen werden; hier sei
nur im Voraus angeführt, dafs nach Lockyer Natrium und Kalium sicher
in der Sonne sein sollen, Lithium, Rubidium, Caesium wahrscheinlich; es
1) Z.B. in Lockyer, Studien zur Spectralanalyse, Leipzig, Brockhaus 1879,
pag. 223.
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. T.
©»
18 H. Kayser wm ©. Rune:
finden sich dagegen nur die Linien des Natrium unter den Fraunhofer-
schen Linien, die des Kaliums, Lithiums, Rubidiums, Caesiums sicher nicht.
$7. Es sollen im Folgenden die Spectren der einzelnen Elemente
angegeben werden. Die erste Spalte enthält die Wellenlängen in Ang-
ström’schen Einheiten. Aulser den Linien, welche wir selbst gemessen
haben, führen wir in den Tabellen noch einige von anderen Beobachtern
gegebene, welche wir für richtig, d. h. zu dem betreffenden Element ge-
hörig halten, ohne dafs wir selbst sie haben nachweisen oder die genauere
Wellenlänge bestimmen können. Für schwache und unscharfe Linien
ist eben die grofse Dispersion und geringe Helliskeit des Gitterspectrums
höchst ungünstig; die unscharfen Linien werden so in die Breite gezogen,
dafs sie nur als ein Wisch über die Platte erscheinen oder ganz ver-
schwinden, während sie eventuell im prismatischen Spectrum ganz gut
sichtbar sein können. Die so von uns übernommenen Linien sind in den
Listen in Klammern geführt; sie sind auf unseren Werth der D-Linien
reducirt. Die zweite Spalte enthält die Fehlergrenze, die dritte den re-
eiproken Werth der Wellenlänge mit Rücksicht auf die späteren Betrach-
tungen!). Die vierte Spalte macht eine ungefähre Angabe über die In-
tensität, die fünfte Spalte gibt sonstige Bemerkungen. In der sechsten
Spalte sind frühere Messungen angeführt, und zwar entweder nur die zu-
verläfsigste, oder alle vorhandenen; die Namen der Beobachter sind an-
gegeben. Die siebente Spalte endlich macht darüber Angaben, ob sich
die betreffende Linie unter den Fraunhofer’schen Linien des Rowland-
schen Atlas findet.
1) Es sind hier 7 Stellen ausgerechnet, obwohl meist die sechste Stelle nicht
mehr sicher ist; für die Rechnung ist bisweilen die siebente Stelle erwünscht.
Über die Spectren der Elemente. II. 19
I. Lithium.
©
S
Taon alles 3
Wellen 2 1 EI Ob in der
länge = = 2 Bemerkungen Frühere Messungen
2 = A = Sonne
\ = =
Fr
6708.2 |0.2 | 1490713 | 1 | meist umgekehrt 6706.7 Thalen Nein
6103.77 | 0.03) 1638332 | 1 | meist umgekehrt 6102.2 Thalen Nein
4972.11 |0.1 | 2011219 | 3 | unscharf nach Roth 4971.2 Thalen Nein
4602.37 |0.1 | 2172794 | 1 | umgekehrt 4602.2 Thalen Nein
4273.44 |0.2 | 2340035 | 4 | unscharf nach Roth 4273.3 Thalen ?
4132.44 |0.2 | 2419878 | 2 | unscharf nach beiden Sei- | 4131.7 Liveing & Dewar ?
ten, umgekehrt
3985.94 |0.2 | 2508818 | 5 | unscharf nach Roth 3984.5 Liveing & Dewar Nein
3915.2 |0.2 | 2554148 | 3 | unscharf nach beiden Sei- | 3913.5 Liveing & Dewar ?
ten, umgekehrt
3838.3 3.0 | 2605320 unscharf nach Roth 3862.3 Liveing & Dew.!)| ?
{er}
3794.9 5.0 ı 2635116 | 4 | unscharf nach beiden Sei- | 3799.0 Liveing & Dewar e
ten
3718.9 !5.0 | 2688967 | 5 | unscharf nach beiden Sei- | Neu ?
ten |
3670.6 |5.0 | 2724350 | 6 | unscharf nach beiden Sei- | Neu Ile
ten
3232.77 | 0.03] 3093322 | 2 | meist umgekehrt 3232.0 Liveing & Dewar
2741.39 | 0.03) 3647784 | 3 | meist umgekehrt 2741.0 Liveing & Dewar
2562.60 |0.03 3902287 | 4 | meist umgekehrt 2561.5 Liveing & Dewar
2475.13 |0.1 | 4040192 | 4 | meist umgekehrt 2475.0 Liveing & Dewar
2425.55 |0.1 | 4122776 5 | meist umgekehrt 2425.5 Liveing & Dewar
2394.54 |0.2 | 4176167 | 6 | meist umgekehrt 2394.5 Liveing & Dewar
(2373.9) 4212479
(2359-4) 4238366
2373.59 Liveing & Dewar
2359.0 Liveing & Dewar
h von uns nicht beobachtet
Von den Linien des Lithiums erscheinen die mit gröfster Wellen-
länge und die ersten der ultravioletten Reihe aufserordentlich leicht, Spu-
ren des Salzes genügen, um sie zum Vorschein zu bringen. Die Linien
6708, 6103, 4602 und die ultravioletten von 3232 an kehren sich aulser-
ordentlich leicht um. Sehr auffallend ist das Aussehen der sichtbaren
Linien, welche abwechselnd nur unscharf nach Roth oder unscharf nach
beiden Seiten sind. Letztere Linien verbreitern sich, wenn der Dampf
dieht ist, bis auf 10 bis 20 Angström’sche Einheiten; sind sie nicht
umgekehrt — und die Umkehrung tritt bei den schwächeren nicht ein —
so sind sie kaum genau zu messen. Es hat uns grofse Mühe gemacht,
die Linien 3795, 3719, 3670 zu erhalten, da sie in die stärkste Cyan-
!) Wir haben während des Druckes gefunden, dals Liveing und Dewar in einer frühe-
ren Publication 3838 als wahrscheinliche Lithiumlinie angeben (Proc. Roy. Soc. XXX 1830).
3*
20 H. KAysser wm ©. Runee:
bande hineinfallen, und durch diese verdeckt werden; man mufs die Oyan-
banden sehr schwächen, wenn die Lithiumlinien überhaupt sichtbar sein
sollen. Auch Liveing und Dewar erwähnen diese Schwierigkeit, wegen
deren sie die beiden letzten dieser Linien nicht mehr gesehen haben,
während wir noch Andeutungen, freilich unmelsbare, weiterer Linien be-
obachtet zu haben glauben. Noch schwieriger zu beobachten ist die Li-
nie 3838, welche in den dunkelsten Theil der Cyanbande fällt; es ist nur
auf 2 Platten eine Andeutung dieser Linie zu sehen gewesen. Liveing
und Dewar haben statt dessen 38621); wir halten unsere Messung für
richtiger, weil sie mit der Rechnung übereinstimmt (s. S. 38), doch scheint
uns auch bei uns in diesem Falle ein Irrthum nicht ausgeschlossen. Li-
veing und Dewar geben im Ultraviolett zwei weitere Linien, welche
wir wegen zu grolser Lichtschwäche nicht mehr erhalten haben.
Liveing und Dewar geben ferner an, dafs die Linie 4602 dop-
pelt erscheine, wenn frisches Salz in den Bogen geworfen wird, indem
sich auf der Seite der kürzeren Wellen eine ganz schwache Linie ent-
wickelt, welche aber bald wieder verschwindet. Wir haben nur bei zwei
Aufnahmen neben der Hauptlinie eine zweite schwache umgekehrte Linie
bei 4603.13 erhalten; da aber hier eine Eisenlinie liest, glauben wir, dafs
dies eben die Eisenlinie ist, welche sich durch den hellen Hintergrund
der Lithiumlinie umgekehrt hat.
In der Sonne ist keine einzige von den stärkeren Linien zu finden.
In der Gegend von 6103 liegen freilich 3 Linien im Rowland’schen At-
las, nämlich 6102.40, 6102.98, 6103.42; aber die erste und dritte sind
Eisenlinien, die zweite eine Oaleiumlinie, und die Lithiumlinie ist nicht
vorhanden. Lockyer führt Lithium als wahrscheinlich in der Sonne vor-
handen an, weil er die Linie 4602.37 gefunden zu haben glaubt; im At-
las sind aber nur 4602.17 und 4603.13 zu sehen, welches zwei starke
Eisenlinien sind; also auch diese Linie ist in der Sonne sicher nicht vor-
handen. Für einzelne der schwächeren und unscharfen Linien ist das
Fehlen unter den Fraunhofer’schen Linien nicht mit voller Sicherheit
zu constatiren, weil die Ungenauigkeit der Wellenlängenbestimmung so
grols wird, dafs in dem Gebiet, in welches die Linien eventuell fallen
können, wohl Fraunhofer’sche Linien liegen, theils schwache, theils
1) Vergleiche die Anmerkung auf der vorigen Seite.
Über die Spectren der Elemente. III.
21
starke, welche wir vorläufig bestimmten anderen Elementen nicht zuwei-
sen können.
haben.
Vergleicht man aber die Reihenfolge dieser Fraunhofer-
schen Linien in Bezug auf ihre Intensität mit den beobachteten Lithium-
linien, so kommt man zu dem Schlusse, dafs sie nichts mit Lithium zu thun
Mi.
Natrium.
©
NS
= =
Wellen- | 8 2 = Ob in der
länge zo = =) Bemerkungen Frühere Messungen
N ® N = Sonne
, ini =
© -
BF
(8200.3) 1219468 8199) ;
x N
(8188.3) 1221255 gig) Abmey ra
6161.15 [0.1 | 1623074 | 2 } A N, 6160.2 Thalen ? 6161.50 (3)
6154.62 | 0.1 | 1624796 | 2 6154.4 'Thalen ? 6154.49 (4)
SED5.15 1696019 | 1 } umgekehrt; D-Linien Ja
5890.19 1697738 | 1
5688.26 | 0.15) 1758007 | 2 een Be 5687.3 Thalen 2 5688.42 (2)
2 nach Ro
5682.90 | 0.15) 1759665 | 2 z z 5681.5,Thalen ? 5682.58 (3)
5675.92 | 0.15) 1761829 | 5 ws 5673.6 Liveing & Dewar | ? 5675.90 (6)
5670.40 |0.15| 1763544 | 5 |j "scharf nach Violett | „668.6 Liveing & Dewar | Nein
5153.72 [0.1 | 1940346 | 3 etwas unscharf nach bei- | 5155.0 Thalen 2 5153.60 (5)
5149.19 |0.1 | 1942053 | 3 den Seiten 5152.7 Thalen ? 5149.29 (6)
4983.53 | 0.2 | 2006610 | 3 h h 4983.3 Thalen 2 4983.71 (6)
unscharf nach Roth :
4979.30 | 0.2 | 2008314 | 3 4982.0 Thalen ?4979.41 (6)
4752.19 | 0.15) 2104293 | 4 etwas unscharf nach bei- | 4751.4) _. . 2 4752.30 (4)
3 2% * Liveing & Dewar
4748.36 | 0.15) 2105990 | 4 den Seiten 4747.5) 2 4748.36 (3)
4669.4 [0.5 | 2141603 | 4 } 46675)... ? 4669.47 (5)
unscharf nach Roth ıL &D
4665.2 |0.5 | 2143531 | 4 i j ses. | aasesaa(e)
4546.03 0.2 | 2199721 , 5 || etwas unscharf nach bei- 4543.61 Pe ? 4646.10 (4)
: 2 . £ * Liveing & Dewar ;
4542.75 0.2 | 2201310 | 5 den Seiten 4540.7) Nein
4500.0 |1.0 | 2222222 | 5 4496.4) ?
sehr unscharf ? Liveing &D
4494.3 1.0 | 2225041 | 5 } re
(4423.7) 2260551 (scharf) von uns nicht ge- 4423.0) N > 2
Liveing & D :
(420.2) 2262341 messen 20a
(4393.7) zu (unscharf) von uns nicht 4393) ren & Dear ?
(4390.7) 2277541 gemessen 4390) ?
(4343.7) 2302185 (Band) von uns nicht ge- | 4343) _. . 5 ?
y -
(4325.7) 2311765 Selten Per le
3303.07 | 0.03) 3027487 | 2 ven 3301.2} 6 Ta
eke e
3302.47 |0.03| 3025037 | 2 || "oe san
2852.91 | 0.05] 3505193 | 3 umgekehrt 2853.83
2680.46 0.1 | 3730703 | 4 umgekehrt ZEN Liveing & Dewar
2593.98 |0.1 | 3855080 | 5 umgekehrt 2593.3
2543.85 |0.1 | 3931049 | 6 umgekehrt Neun
2512.23 | 0.2 | 3980527 | 6 umgekehrt Neu
—_
22 H. KAyser uno C. Runee:
Auch von den Linien des Natriums erscheint, wie bekannt, ein
Theil aufserordentlich leicht, namentlich die D-Linien und die ersten ul-
travioletten Linien; dieselben Linien sind auch sehr leicht umkehrbar.
Von den Paaren im sichtbaren Theil sind noch die bei 616 und bei 568
häufig sichtbar, während die übrigen schwerer kommen. Sehr auffallend
ist der regelmälsige Wechsel der schärferen und unschärferen Paare, die
gleichzeitig unschärfer und schwächer werden, je kürzer die Wellenlänge wird.
Liveing und Dewar haben beim Natrium einige Paare mehr
messen können, als wir; zum Theil haben wir sie noch als Wische auf
der Platte angedeutet gesehen, ohne die Lage des Intensitätsmaximums
angeben zu können. Dagegen haben wir im Ultravioletten emige Linien
mehr gefunden.
Liveing und Dewar führen noch eine Linie bei 4980.5 als zum
Natrium gehörig an; wir haben sie nie gesehen und bezweifeln ihre Zu-
gehörigkeit. Sehr merkwürdig ist das Linienpaar 5675 und 5670; es ist
das Einzige, nicht nur des Natriums, sondern der Alkalien überhaupt,
welches unscharf nach Violett ist. Dasselbe fällt auch in anderer Bezie-
hung, wie wir später sehen werden, aus dem Spectrum heraus.
Im Sonnenspectrum finden sich zweifellos nur die D-Linien und
das ultraviolette Paar bei 3303 und 3302. An der Stelle der andern
Paare finden sich wohl zum Theil angenähert Linien in Rowland’s At-
las — und die dort abgelesenen Wellenlängen der am besten passenden
Linien sind zugleich mit den in Klammern beigefügten Intensitäten in
der Tabelle angegeben. Vergleicht man aber diese Intensitäten mit denen
der Natriumlinien, so wird es sehr wahrscheinlich, dafs die anderen Na-
triumlinien nicht in der Sonne vorhanden sind. Doch ist eine sichere
Entscheidung nicht möglich, bevor man nicht die betreffenden Fraun-
hofer’schen Linien bestimmten anderen Elementen zuordnen kann.
Über die Spectren der Elemente. III.
23
II. Kalium.
©
NS -
Wellen- 3 1 = Ob in. der
länge 20 = = Bemerkungen Frühere Messungen
N = p = Sonne
= f .
7699.3 |5.0 | 1298819 | 1 stark verbreitert u. | 7698 Lecoq ; 7700 Kirchhoff | Nein]nach Ab-
7665.6 |5.0 | 1304529 | 1 } umgekehrt. 7661 Lecog; 7680 Kirchhoff Sa Atlas
6938.8 |0.5 | 1441171 | 2 6946 Lecoq; 6940 Kirchhoff | Nein
6911.2 |0.5 | 1446927 | 2 6913 Lecoq; 6916 Kirchhoff , Nein
5832.23 | 0.05| 1714610 | 4 |\ 5831 Lecoq Nein
5812.54 | 0.05) 1720418 | 5 | verbreitert nach 5812 Lecoq Nein
5802.01 | 0.05 1723541 | 3 | Roth 5801 Lecoq Nein
5782.67 |0.05| 1729305 | 3 ) 5783 Lecogq Nein
5359.88 | 0.15) 1865713 | 4 ı) 5353.6 Thalen Nein
5343.35 | 0.15) 1871485 | 5 | verbreitert nach 5338.6 Thalen Nein
5340.08 | 0.15) 1872631 | 4 || Roth 5334.5 Liveing & Dewar Nein
5323.55 | 0.15) 1878446 | 4 |) 5322.6 Thalen Nein
5112.68 | 0.20) 1955921 | 5 \\ 5112 Lecoq Nein
5099.64 | 0.20| 1960923 | 5 | verbreitert nach 5098 Liveing & Dewar ?
5097.75 |0.20 1961650 | 6 | Roth 5095 Lecoq ?
5084.49 | 0.20, 1966766 | 5 | 5081 Lecoq 2?
4965.5 |1.0 | 2013896 | 6 4963 Lecoq
4956.8 !1.0 | 2017431 | 6 | verbreitert nach 4956 | P
4952.2 |1.0 | 2019305 | 6 | Roth 1a) Liveing & Dewar i
4943.1 1.0 | 2023022 | 6 |) 4942 J
(4370.8) 2053220 I) 4870
(4863.8) 2056175 | (unscharf) von uns| 4863| eig & Dewar
(4856.8) 2059139 | nicht gemessen 4856
(4850.8) 2061686 J 4850
(4808.8) 2079694 \ 4808]
(4803.8) 2081859 (unscharf) von uns| 4803 nARe
(4796.8) 2084897 i nicht gemessen er DEIEDEEN
(4788.8) 2088380 J 4788)
(4759.8) 2101105 von uns nicht be- |4759 Liveing & Dewar
obachtet
4047.36 |0.03| 2470746 | 3 } Kater 4045 Liveing & Dewar Nein
4044.29 | 0.03) 2472622 | 2 4042 Liveing & Dewar Nein
3447.49 | 0.03) 2900661 | 3 } ungükenH 3445.0 Liveing & Dewar ?
3446.49 | 0.03) 2901503 | 2 3443.6 Liveing & Dewar 2
BE 002 E02 } umgekehrt | 3216.5 Liveing & Dewar
3217.27 | 0.03) 3108225 | 3
02320 U SREREI BD } umgekehrt \ 3101.0 Liveing & Dewar
3102.15 |0.1 | 3223571 | 4
3034.94 | 0.1 | 3294958 | 4 umgekehrt 3033.0 Liveing & Dewar
2992.33 | 0.15) 3341877 | 5 umgekehrt 2992.0 Liveing & Dewar
2963.36 | 0.2 | 3374616 | 6 umgekehrt 2963.4 Liveing & Dewar
2942.8 |1.0 | 3398125 | 6 umgekehrt 2942.0 Liveing & Dewar
24 H. Kayser uno 0. Runee:
Die Linien des Kaliums erscheinen wesentlich schwerer, als die
des Lithiums und Natriums; am leichtesten werden die Linien 4047, 4044
und 3447, 3446 sichtbar. Von den Quadrupeln im sichtbaren Spectrum
erscheint das erste bei 5832 relativ leicht, während die mit kürzerer
Wellenlänge nur bei Anwesenheit von viel Kalium kommen, dann stark
verbreitert und in den letzten Gliedern von 4870 an doch nur sehr schwach
sind. Diese letzten Quadrupel haben wir bei unseren Aufnahmen wieder
nur als unmefsbare Wische sichtbar erhalten, so dafs wir die Messungen
von Liveing und Dewar haben übernehmen müssen.
Ganz besondere Mühe haben uns die kürzesten ultravioletten Li-
nien gemacht; dieselben kehren sich um, ohne sich zu verbreitern. Wäh-
rend die meisten Linien durch Verbreiterung und Umkehrung im Negativ
als heller Strich zwischen schwarzen Rändern erscheinen, wodurch sie
sehr gut sichtbar und mefsbar sind, haben diese nicht verbreiterten Ka-
liumlinien keine dunklen Ränder und heben sich daher kaum merklich
von dem schwachen continuirlichen Hintergrunde ab. Die letzte Linie
haben wir trotz sehr zahlreicher Kalıum-Aufnahmen nur einmal sicher
erhalten, und daher ihre Fehlergrenze so hoch angegeben.
Von Lecoq, Huggins und Thalen sind im Funkenspectrum noch
einige Linien beobachtet, welche weder Liveing und Dewar noch wir
jemals im Bogenlicht gesehen haben. Wir müssen es dahin gestellt sein
lassen, ob dies wirklich zu Kalium gehörige Linien sind, die höherer
Temperatur entsprechen, oder ob sie, was wahrscheinlicher ist, von Ver-
unreinigungen herrühren; einzelne scheinen zu Strontium zu gehören.
Lockyer gibt Kalium als sicher in der Sonne vorhanden an,
weil er die Linien 4047 und 4044 unter den Fraunhofer’schen Linien
gefunden zu haben glaubt!). Beide sind aber sicher nicht da; die
ihnen zunächst liegenden Fraunhofer’schen Linien haben die Wellen-
längen 4047.47, welches eine schwache Eisenlinie ist, und 4044.06, eine
Manganlinie.e In einer späteren Publication?) gibt Lockyer an, das
hellste Quadrupel bei 5832 sei ebenfalls in der Sonne; er sagt: „two out
!) Loekyer, Studien zur Spectralanalyse, pag. 223.
?) Lockyer, Nature 24 (1881) pag. 399. Lockyer knüpft daran sogar weit-
gehende Schlüsse über Dissociation des Kaliums. Darüber siehe weiterhin.
Über die Spectren der Elemente. III. 35
of the three lines visible at all events are seen in the sun“. Aus diesen
Worten muls man schliefsen, dafs Lockyer die beiden mittelsten Linien
des Quadrupels, welche 10 Angström’sche Einheiten von einander ent-
fernt sind, als eine gesehen hat, was auf sehr geringe Dispersion schlies-
sen läfst; dafs er aber dann keine Vergleiche mit den Fraunhofer’schen
Linien machen konnte, liegt wohl auf der Hand. Die beiden hellsten
Quadrupel sind sicher nicht in der Sonne vorhanden; an den den schwä-
cheren und ungenauer bestimmten Quadrupeln entsprechenden Stellen lie-
gen zwar zum Theil Fraunhofer’sche Linien, dieselben haben aber
ihren Intensitätsverhältnissen nach nichts mit Kalium zu schaffen. Also
Kaliumlinien sind im Sonnenspeetrum sicher nicht vorhanden.
IV. Rubidium.
o | |
Wellen- 5 | 1 = | Ohneder
länge = — = Bemerkungen Frühere Messungen
N = | 2. E | Sonne
o -
je
| |
71950. |5.0 | 1257862 | 1 | breit, umgekehrt 7951 Lecoq Nein]nach Ab-
7811. 5.0 | 1280246 | 1 ‚, breit, umgekehrt 7800 Lecoq en Atlas
6293.7 |0.2 | 1587629 | 4 unscharf nach Roth | 6296,7 Thalen 2 6298.65 (4)
6206.7 |0.2 | 1611162 | 4 | unscharfnach Roth | 6204.2 'Thalen Nein
6159.38 0.2 \ 1623429 | 6 unscharf nach Roth | 6160.2 Thalen Nein, 6159.7
| | ist Fe
6071.2 0.2 | 1647121 | 5 | unscharf nach Roth | 6070.2 T'halen, 6059 Lecoq | Nein
5724.41 ‚0.15 1746905 | 3 | unscharfnachRoth | 5724 Lecoq Nein, 5724.6
| ) ist Fe
5654.22 |0.15) 1768591 | 5 unscharf nach Roth 2, |? 5654.10°(4)
En IE R 5650 Lecoq =
5648.18 | 0.15, 1770482 | 4 unscharf ] Nein
5431.83 | 0.15) 1841000 | 5 unscharf nachRoth | 5429 Lecoq Nein
5362.94 |0.2 | 1864649 5 uuscharf nach Roth | 5359 Lecoq ? 5362.96 (5)
(5259.8) | 1901213 } | 5259 - Lecogq
(5194.8) | 1925002 | Be | 5194 Lecoq
" f von uns nicht be-
(5161.8) | | 1937309 \ ae | 5161 Leeoq
(085.8) | 1966259 | |' 5085° Leeogq
(5021.8) | 1991318 ) | 5021 Lecoq
4215.72 | 0.03) 2372074 | 3 | umgekehrt | 4216 Lecoq Nein
4201.98 | 0.03) 2379830 | 2 |, umgekehrt 4202 Lecoq Nein
3591.74 0.05 2784166 | 4 | umgekehrt | Neu |? 3591.63 (5)
3587.23 |0.05| 2787666 | 3 | umgekehrt
3351.03 | 0.05| 2984157 | 5 umgekehrt
3348.86 0.05) 2986091 | 4 umgekehrt
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. T. 4
26 H. Kayser un ©. Runee:
Die Rubidiumlinien sind durchweg schwach und erscheinen ziem-
lich schwer, am leichtesten das violette Paar 4215 und 4202. Wirft man
viel Substanz in den Kohlebogen, so werden die Linien mit gröfserer
Wellenlänge merkwürdig unscharf und verwischt, namentlich nach der
rothen Seite hin, so dafs sie genauer Messung nicht zugänglich sind.
Lecog hat einige schwache Linien mehr messen können, als wir, ent-
weder wegen seiner geringeren Dispersion, oder wegen Benutzung der
niedrigeren Temperatur der Bunsenflamme. Dagegen haben wir zwei
weitere Paare im Ultraviolett gefunden, was, wie wir finden werden, von
besonderem theoretischen Interesse ist. Thalen gibt noch drei Linien
bei 4776.1, 4569.1, 4551.1, welche weder Lecoq noch wir haben be-
obachten können; wir halten sie für fremde Linien.
Nach Lockyer ist Rubidium wahrscheinlich in der Sonne, weil
die Linie 4201.98 sich unter den Fraunhofer’schen Linien finden soll.
Auch dies ist ein Irrthum: die nächsten Linien in Rowland’s Atlas lie-
sen bei 4201.85, Intensität 5, und bei 4202.18, Intensität 2. Die zweite
Linie ist eine starke Eisenlinie, der Ursprung der ersten noch unbekannt,
aber die Abweichung von unserer Rubidiumlinie viel gröfser, als die Fehler-
srenze derselben, so dafs sie sicher nicht mit ihr identisch ist. Auch
die benachbarte stärkere Linie des Paares 4215.72 findet sich nicht
bei Rowland; die nächsten Linien sind dort: 4215.56, eine Eisenlinie,
und 4215.66. Für diese Wellenlänge haben wir in unseren Strontium-
aufnahmen eine starke Linie gefunden; da aber nach unserer bisherigen
oberflächlichen Durchsicht die Anwesenheit der Strontiumlinien im Sonnen-
spectrum durchaus nicht sicher ist, müssen wir den Ursprung dieser Son-
nenlinie vorläufig unentschieden lassen; jedenfalls ist es nicht die Rubi-
diumlinie. Auch die starken längsten Linien sind nach Abney’s Son-
nenspectrum nicht in der Sonne. Einzelne schwächere Linien finden an-
genähert Vertretung im Sonnenspectrum, aber das Gesammtbild führt
auch hier zum Schlufs: die Rubidiumlinien finden sich nicht unter den
Fraunhofer’schen Linien.
Über die Spectren der Elemente. II. 27
V. Caesium.
©
S -
Wellen- | 5 1 = Ob in der
länge 20 = = Bemerkungen Frühere Messungen
N = 2 2| Sonne
© -
Fr
1 [
6973.9 |5.0 | 1433918 | 3 unscharf nach Roth 6975 Lecoq Nein
6723.6 |5.0 | 1487298 | 2 unscharf nach Roth | 6723 Lecoq Nein
6213.4£ |0.5 | 1609425 | 5 unscharf nach Roth 6219 Lecoq Nein, 6213.5
ist Fe
6010.6 |0.3 | 1663727 | 4 unscharf nach Roth | 6007 ° Lecogq Nein
5845.1 |0.5 | 1710855 | 4 unscharf nach Roth 5850 Lecog ? 5845.2 (6)
5664.0 |0.5 | 1765537 | 3 unscharf nach Roth | 5662 Lecoq ? 5664.25
5635.1 |0.5 | 1774591 | 4 unscharf nach Roth ı 5637 Lecoq Nein
5579.3 |0,5 | 1792340 | 6 unscharf nach Roth | 5572 Lecoq Nein
(5501.9) | | 1817554 von uns nicht beobachtet | 5501 Lecogq
5465.38 |0.1 | 1829558 | 5 unscharf nach Roth | 5464 Leeoq Nein
(5410.9) 1848121 | 5410 Lecoq
5345.9 1870592 e 5345 Leco
| 1882955 ij von uns uicht beobachtet | 5310
(5257.8) \ 1901936 J 5257 Lecoq
4593.34 | 0.05) 2177065 | 3 | umgekehrt 4592.2 Lockyer ? 4593.31 (6)
4555.44 | 0.05 2195178 | 2 umgekehrt 4554.9 Lockyer Nein
3888.83 |0.1 | 2571467 | 4 umgekehrt
3376.73 |0.1 | 2579494 | 3 | umgekehrt
3617.08 |0.3 | 2764661 | 5 | umgekehrt
3611.54 ‚0.2 27638672 | 4 | umgekehrt
Die Linien des Oaesiums erscheinen am schwersten und schwächsten
von allen Alkalien; nur wenige Secunden nach Einbringen neuer Sub-
stanz in den Kohlebogen sind sie deutlich sichtbar. Am stärksten er-
scheint das blaue Paar bei 4593 und 4555, welches sich auch, ebenso
wie das nächste ultraviolette Paar, stets umkehrt. Auch bei Caesium ha-
ben wir einige Linien nicht gesehen, welche Lecoq aufführt; wir haben
diejenigen, welche wir sicher für richtig halten, in die Tabelle aufgenom-
men. Lecoq gibt noch einige Linien, nämlich 6602, 6465, 6361, de-
ren Zugehörigkeit zu Caesium uns nicht sicher erscheint. Thalen gibt
4971.7, welches zu Lithium gehört, wie schon Liveing und Dewar be-
merkt haben. Letztere führen noch 5990 auf, welches wir niemals ge-
sehen haben; vielleicht ist es identisch mit 6010.
4%
28 .H. Kayser uno C. Runner:
Im Ultraviolett haben wir zwei neue Paare gefunden; vom zwei-
ten Paar ist freilich die schwächere Linie nicht ganz sicher. Wir haben
auch noch Andeutungen eines dritten Paares gefunden, welches wir aber
wegen mangelnder Zuverlässigkeit nicht in die Tabelle aufnahmen. Die
Intensität der Paare nimmt so schnell ab, dafs man zu grofse Mengen
Caesium-Salz gebrauchen würde, um weitere Paare sicher zu finden. Über-
haupt ist unsere Einrichtung ungeeignet, um neue Linien zu suchen; dazu
sind Gitter, namentlich von so grofser Dispersion, zu lichtschwach; ein
kleines durch Quarzprisma erzeugtes Spectrum würde hier viel bessere
Dienste leisten.
Auch das Caesium soll nach Lockyer wahrscheinlich in der Sonne
sein, weil die Linien 4593 und 4555 sich unter den Fraunhofer’schen
Linien fänden; doch spricht sich Lockyer im Fall des Caesiums nicht so
bestimmt aus. An der Stelle der stärkeren Linie 4555 zeigt Rowland’s
Atlas sicher keine Linie; bei 4593.31 liegt wohl eine sehr schwache Li-
nie, doch ist es sehr wenig wahrscheinlich, dafs diese Linie mit Caesium
etwas zu thun habe, weil gerade die stärkere Linie nicht im Sonnen-
spectrum erscheint. Auch die übrigen stärkeren Linien sind im Atlas
nicht zu finden; wenn in der Gegend einiger Caesiumlinien uns noch
unbekannte Fraunhofer’sche Linien liegen, so will das niehts besagen.
Wir können also auch hier aussprechen: die Caesiumlinien sind im Son-
nenspectrum nicht vorhanden.
$8. Überbliekt man die gefundenen Resultate, so treten sehr
auffallende Gesetzmäfsigkeiten in den Spectren der Alkalien hervor. Nach
wachsendem Atomgewicht geordnet folgen Lithium, Natrium, Kalium, Ru-
bidium, Caesium; dies ist auch die Reihenfolge der Leichtigkeit des Er-
scheinens der Linien, so dafs Lithium und Natrium fast überall auftre-
ten, Caesium nur mit grolser Mühe heraus zu bringen ist. In allen Fäl-
len gehören die ultravioletten oder blauen Linien zu den am leichtesten
erscheinenden.
Eine zweite sehr wichtige Regelmälsigkeit ist dadurch hervorge-
treten, dals es uns gelungen ist, auch für Rubidium und Caesium ultra-
violette Serien zu finden, was für Lithium, Natrium, Kalium schon durch
Liveing und Dewar geschehen war. Wir sehen jetzt, dafs alle Alka-
lien unscharfe Gruppen im sichtbaren Theil des Spectrums besitzen, und
Über die Spectren der Elemente. III. 29
alle eine scharfe, leicht umkehrbare Serie von Doppellinien (nur Lithium
hat einfache Linien) im Ultraviolett. Ferner tritt es sehr auffallend her-
vor, wie mit wachsendem Atomgewicht diese Serien nach gröfseren Wel-
lenlängen rücken, welche Bemerkung schon Lecoq gemacht hat; die
letzten beobachteten Linien sind: für Lithium 2394, für Natrium 2512,
für Kalium 2942, für Rubidium 3348, für Caesium 3611. Ebenso deut-
lich ist es, wie der Abstand der ultravioletten Linienpaare wächst mit
steigendem Atomgewicht: während bei Lithium die Linien einfach er-
scheinen, haben wir bei Natrium schon enge Paare, um schliefslich bei
dem blauen Caesiumpaar 4593 und 4555 einen Abstand von beinahe 40
Angström’schen Einheiten zu erhalten.
Das sind einige wenige Punkte, welche bei oberflächlicher Betrach-
tung und Vergleichung der Speetren sofort in die Augen fallen. Ungleich
interessanter aber werden die Resultate, wenn man die Linien der Rech-
nung unterwirft, sie mittelst der früher von uns gegebenen Formel in
Serien zusammenfafst; dann tritt in auffallendster Weise der gesetzmälsig
übereinstimmende Bau der Speetren der Alkalien heraus. Wir wollen nun
zu diesen Betrachtungen übergehen.
$ 9. Die Ansicht, dafs die Wellenlängen eines Speetrums wie die
Wellenlängen der Töne eines schwingenden Körpers durch Gesetze unter
einander zusammenhängen müssen, findet man wohl schon so lange ver-
treten, als es eine Spectralanalyse giebt. Man dachte zunächst an die
Reihe der harmonischen Obertöne einer schwingenden Saite und unter-
suchte demgemäfs die Verhältnisse der Wellenlängen eines Spectrums. Es
fanden sich auch Wellenlängen, welche sich wie ganze Zahlen zu einan-
der verhielten, die immerhin bei der Genauigkeit der Messung klein ge-
nannt werden konnten. Allein Schuster!) zeigte für die Spectra von
Magnesium, Natrium, Kupfer, Barium, Eisen, dafs unter den Quotienten je
zweier Wellenlängen desselben Speetrums Brüche, deren Zähler und Nen-
ner klein sind, nicht in stärkerer Zahl auftreten als nach der Wahrschein-
lichkeitsrechnung zu erwarten ist?).
1) Schuster, Proc. of the Roy. Soe. 31. 1880 —81 pag. 357 — 347.
2) Für das Spectrum des Eisens machte er die Rechnung am vollständigsten
und fand, dafs echte Brüche, deren Nenner kleiner als 70 in etwas geringerer Anzahl,
H. Kayser umso C. Runee:
©
oO
Diese Überlegung scheint dem Suchen nach harmonischen Verhält-
nissen ein Ziel gesetzt zu haben. Dennoch blieb die Entdeckung Sto-
ney’st) auffallend, dafs die Schwingungszahlen von drei Hauptlinien des
Wasserstoffs H,, H;, H, sich sehr genau wie 20:27:32 verhalten. Diese
Verhältnisse ergeben sich als besondere Fälle aus einem allgemeineren
Gesetze, welches Balmer aufstellte?). Darnach sind die Wellenlängen der
Hauptlinien dem Ausdruck — — für n = 3,4 5, 6 proportional. Dies
RB en 2) u:
überraschende Resultat gewann eine weit gröfsere Bedeutung, als es sich
zeigte, dals dieselbe Formel auch für die folgenden ganzzahligen Werthe
von n—7 bis n = 16 Wellenlängen des Wasserstoffspectrums mit grofser
Genauiskeit darstellt.
Von einer anderen Seite war schon vor der Entdeckung Balmer’s
eine Zusammengehörigkeit der Wellenlängen in mehreren Spectren aufge-
zeigt worden. Liveing und Dewar?®) hatten auf die Serien von Linien
aufmerksam gemacht, welche besonders im Ultraviolett, z. B. im Spectrum
von Lithium, Kalium, Natrium, Caleium, Thallium und anderen Elemen-
ten auftreten und offenbar gesetzmälsig gelagert sind. Der Abstand von
zwei auf einander folgenden Linien wird mit abnehmender Wellenlänge klei-
ner und kleiner, und es scheinen sich die Linien einer Grenze asympto-
tisch zu nähern. Auch Cornut) hat solche Serien bemerkt und eine
numerische Beziehung zwischen Linien im Spectrum des Thalliums und
Aluminiums und der Serie der Wasserstofflinien aufgestellt. Als die Bal-
mer’sche Formel uns bekannt wurde, haben wir versucht, sie auf andere
Elemente auszudehnen. Stellt man durch die Balmer’sche Formel statt
der Wellenlängen die Schwingungszahlen als Function von n dar (wo n
die Reihe der ganzen Zahlen durchlaufen soll), so erhält man hierfür die
Form
a—4an?.
und solche, deren Nenner zwischen 70 und 100 in etwas grölserer Anzahl vertreten sind
als zu erwarten ist.
!) Stoney, Phil. Mag. (4) 41. p. 291 — 296.
?) Balmer, Wied. Ann. 25 pag, 80 — 87.
%) Liveing und Dewar, Phil. Trans. 1883 pag. 213, 214; auch schon in frü-
heren Publicationen.
*) Cornu, Comptes rendus 100 p. 1181 (1885).
Über die Spectren der Elemente. II. sl
Es liest nahe die erweiterte Form
A
oder
Ang (Omne
zu versuchen. Von vorne herein ist einzusehen, dafs jede solche Fune-
tion mit wachsendem n sich einer Grenze asymptotisch nähern wird, und
bei passenden Verhältnissen der Constanten wird auch der Unterschied
von zwei auf einander folgenden Werthen kleiner und kleiner, wie es bei
den Serien von Liveing und Dewar sem sollte. Es zeigte sich auch,
dafs diese Serien durch die allgemeinere Formel bei passender Wahl der
Oonstanten mit grolser Genauigkeit dargestellt werden konnten. Wir legten
diese Resultate der Brit. Ass. for the adv. of sc. auf ihrer Versammlung in Bath
im Jahre 1888 vor und ein Auszug aus dem Vortrag ist in den Verhand-
lungen der Gesellschaft abgedruckt!). Am meisten interressirten uns die
Fragen, ob die Formeln auch noch bei genaueren Messungen ihre Gültig-
keit behalten würden, ob auch die weiteren durch die Formel gelieferten
Wellenlängen zu beobachten wären, ob in allen Elementen die Linien sich
zu Serien ordnen hefsen, die alle Linien aufnähmen, endlich ob zwischen
den Constanten der Formeln verschiedener Elemente sich Beziehungen
auffinden lassen würden. Indessen erforderte die genauere Messung so
viel vorbereitende Arbeiten, dafs wir erst jetzt in der Lage sind für die
Spectren der Alkalien diese Fragen zu diseutiren.
Wir haben die Form A-+ Bn°—+ Un * als die bessere erkannt.
Der Unterschied der beiden ist jedoch in manchen Fällen nicht grofs.
Nach unseren neuen Messungen gibt aber auch dieser Ausdruck nur eine Nä-
herungsformel. Wahrscheinlich ist die Schwingungszahl nichts weiter als
? in eine
eine Function von n, welche sich nach negativen Potenzen von n
stark econvergirende Reihe entwickeln läfst. Von dieser Reihe genügen die
ersten drei Glieder um ihren Werth mit bemerkenswerther Genauigkeit
darzustellen.
Man könnte hier einwenden, dafs bei drei willkürlichen Constanten
jede beliebige Formel zu einiger Übereinstimmung mit den Messungen
von etwa acht Linien gebracht werden könnte. Das ist auch richtig.
1) Rep. of the Brit. Ass. for the adv. of sc. 1838 pag. 576.
32 H. Kayser uno (C. Runee:
Es fragt sich nur, mit welcher Genauigkeit man sich zufrieden geben will.
Dafs die Genauigkeit unserer Formeln erheblich gröfser ist, als diejenige
anderer mit der gleichen und selbst einer gröfseren Zahl von willkür-
lichen Constanten, ist unten an einem Beispiele gezeigt. Es sind dort
die Wellenlängen der violetten Kaliumserie durch die Formel a+bn-t en?
—-dn? dargestellt. Wenn man die Constanten so bestimmt, dafs die For-
mel für n = 1, 3, 5, 7 die erste, dritte, fünfte, siebente Linie der Serie
darstellt, so weicht z. B. bei der zweiten Linie die Rechnung über 60
Mal so viel von der beobachteten Wellenlänge ab, als die gröfste Abwei-
weichung bei unserer Formel beträgt. Mit dieser gröfseren Genauigkeit
hängt es zusammen, dafs man unsere Formeln extrapoliren kann, ohne
wenigstens nach dem brechbareren Ende des Spectrums viel an Genauig-
keit einzubüfsen. Wir haben auf diese Weise die brechbareren bisher
noch nieht beobachteten Natriumlinien zuerst berechnet und nachträglich
an der berechneten Stelle gefunden. Auch andere Umstände haben uns
in der Überzeugung bestärkt, dafs unsere Ausdrücke weiter reichen als
empirische Formeln es im Allgemeinen thun. Indessen läfst sich das bes-
ser besprechen, nachdem die einzelnen Serien durchgenommen sind. Eine
Bemerkung von V. A. Julius!) haben wir bestätigt gefunden, dafs bei
vielen Linienpaaren eines Elements die Differenz der Schwingungszahlen
die gleiche zu sein scheint. In unseren Formeln zeigt sich dies in dem
Umstande, dafs sie paarweise auftreten mit nahezu gleichen Werthen für
die zweite und dritte Constante. Bei den Alkalien gilt dies aber nur
von den Serien, welche im sichtbaren Theil des Spectrums verlaufen.
Bei den Formeln, welche die im Ultravioletten endigenden Serien von Li-
nienpaaren darstellen, haben dagegen die ersten uud zweiten Constanten
nahezu überemstimmende Werthe, so dafs die Differenz der Schwingungs-
zahlen näherungsweise der vierten Potenz von n umgekehrt proportional
ist. Die Erklärung, welche Julius für das von ihm bemerkte Gesetz
abgibt, lassen wir dahingestellt.
!) Julius, over de lineaire speetra der elementen en over de dubbellijnen in
de speetra von Natrium, Magnesium en Aluminium. Amsterdam 1888. In dieser Ab-
handlung findet man eine objective und vollständige Besprechung aller Versuche, Bezie-
hungen zwischen den Linien eines Spectrums und zwischen verschiedenen Spectren auf-
zustellen.
Über die Spectren der Elemente. II. 33
Während wir die vorliegende Arbeit zusammenstellten, erschien in
den Comptes Rendus (110 p. 394— 397, 1890) eine Note von Rydberg,
welche eine demnächst erscheinende Arbeit über die Speetren der ersten
drei Gruppen des Mendelejeff’schen Systems ankündigt und einige Er-
gebnisse seiner Untersuchungen angibt. Rydberg hat ebenfalls seine
Aufmerksamkeit auf die Serien gerichtet und hat für die Schwingungs-
zahlen die Formel
A+B(n+u)”
aufgestellt, wo n die Reihe der ganzen Zahlen durchläuft und « durch
passende Wahl des Anfangswerthes von n» zwischen — 4 und +4 gelest
werden kann. Diese Formel läfst sich in eine convergirende Reihe nach
fallenden Potenzen von n entwickeln, deren erste drei Glieder sind:
Are OB
In den ersten beiden Gliedern stimmt diese Formel mit der unserigen
überein. Durch passende Wahl von A, B und u läfst sich auch mit Ryd-
berg’s Formel ein bemerkenswerther Anschluls an die Beobachtungen
erreichen. Wir haben sie indessen nicht besser als unsere Formel gefun-
den. Das Wesentliche besteht nach unserer Ansicht darin, dafs man 3
Glieder der Entwickelung nach fallenden Potenzen von n hat, sei es
A-+ Bn?—+ Cr oder A+ Bn”?-+ On“ oder selbst A+ Bn 'ı- On.
Im Übrigen kann man jedenfalls noch eine grofse Anzahl von Formen
finden, die nahezu dasselbe leisten. Für Kalium haben wir Rechnungen mit
Rydberg’s Formel ausgeführt und die Resultate mit den unserigen ver-
glichen. Vor Allem interessirte uns die Bemerkung von Rydberg, dafs
die Grölse B in seiner Formel für alle Elemente denselben Werth
— 109721.6 hat (wenn die Schwingungszahlen oder vielmehr, was auch
wir immer statt der Schwingungszahlen einführen, die reciproken Wellen-
längen fünfzifferig geschrieben werden). Wir haben diese Bemerkung nicht
bestätigt gefunden. Für Kalium wird wenigstens ein wesentlich besserer
Anschlufs durch die Rydberg’sche Formel erreicht, wenn B passend ge-
ändert wird. Indessen müssen wir hervorheben, dafs Rydberg insofern
Recht hat, als der Coöfficient B nicht sehr grofse Änderungen erleidet.
Die zweite Constante unserer Formeln, welche dem B der Rydberg’schen
entspricht, schwankt in den sämmtlichen Serien um nicht mehr als etwa
22 Procent.
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. B)
34 H. Kıyser wo ©. Runee:
$ 10. Wir wenden uns nun zu den einzelnen Serien, um nachher
zu den allgemeinen Bemerkungen zurückzukehren.
Lithium.
Beim Lithium haben Liveing und Dewar auf die regelmälsige
Lage der Linien aufmerksam gemacht. In der That bilden sie nach un-
seren Formeln drei Serien. Wir unterscheiden in den Serien jedes Ele-
ments eine Hauptserie und mehrere Nebenserien (vgl. die Tafel). Bei allen Al-
kalien geht die Hauptserie vom rothen Ende des Speetrums bis ins Ultraviolett.
Sie besteht aus leicht umkehrbaren, scharfen Linien, enthält die hellsten
Linien des Elements und diejenigen, welche am leichtesten erscheinen,
also „lange Linien“ in Lockyer’s Bezeichnungsweise. Sie ist also be-
sonders charakteristisch für die Anwesenheit der Substanz und daher nen-
nen wir sie Hauptserie. Bei den übrigen Alkalien aufser Lithium sind
die Linien der Hauptserie doppelt.
Die Genauigkeit, mit welcher die Rechnung sich den Beobachtun-
gen anschliefst, tritt beim Lithium am deutlichsten in der Hauptserie her-
vor, welche die meisten Linien enthält. Berechnet man die drei Con-
stenten aus den drei ultravioletten Linien für n = 3, 4, 5, so erhält man
die Formel
10827" — 43513.94 — 111742.2n7? — 13361
(wo A die Wellenlänge bedeutet). Extrapolirt man nun diese Formel für
n = 6 bis n = 10, so erhält man:
I} | I
n berechnet | beobachtet | Differenz Beobachter
7 |) zur Berech- t
| nung der
[0) | Constanten
benutzt | Kayser u. Runge
2475.13 —0.14 |
2394.54 —+0.17 |)
2373.9 +04 |
2359.4 +0.6
|
|
| 2425.55 +0.01
|
|
Liveing u. Dewar
Über die Spectren der Elemente. III. 35
Nahezu dieselbe Genauigkeit ergibt sich, wenn die Ordnungszahlen nicht
rn = 3 bis 10, sondern n =4 bis 11 sind.
berechnet beobachtet | Differenz
4 3232.77 zur Berech- |
5 2741.39 nung der
6 2562.60 Constanten |
benutzt
7 2475.33 2475.13 —0.20
8 2425.56 2425.99 —0.01
2394.25 2394.54 0.29
10 2373.15 2373.9 —+0.75
2358.22 2359.4
Dabei ist:
10527 = 43584.73 — 1356697"? — 1100084 n"*.
Warum wir diese zweite Formel vorziehen, obgleich sie sich nicht so gut
an die Beobachtungen anschlielst, wird sich später zeigen.
Es wird nicht behauptet werden können, dafs man mit einer beliebigen
Formel, welche 3 Constanten enthält, dieselbe Genauigkeit erreichen würde.
Der Abstand der Linie 2475.13 von der nächsten unter den drei Linien,
welche zur Bestimmung der Öonstanten benutzt sind, beträgt 87.43. DieRech-
nung liefert sie bis auf 0.14 genau also bis auf 16 Zehntausendstel dieses Ab-
standes. Setzt man dagegen versuchsweise A=«a-+-bn--cn? und be-
stimmt a, b, c aus der Bedingung, dals A für drei auf einander folgende
Werthe von n gleich den Wellenlängen der ersten drei ultravioletten Li-
nien sein soll, so erhält man für den nächstfolgenden Werth von n statt
2475.13: A = 2696.40, ein Werth, der nicht einmal auf der richtigen Seite
der dritten Wellenlänge liegt.
Die Extrapolation für gröfsere Werthe von n gelingt also nach
unserer Formel gut. Weniger gute Ergebnisse liefert dagegen die Ex-
trapolation nach der anderen Seite. Die erste Formel ergibt für
n= 2: 6782.7, für n= 1 dagegen überhaupt keinen positiven Werth,
so dals n == 2 der kleinste Werth von » ist, dem ein positiver Werth
der Formel entspricht, zugleich der kleinste positive Werth, welchen
die Formel für ganzzahlige Werthe von » annimmt. Die zweite For-
mel liefert den ersten positiven Werth für n = 3: A = 6600.08. Be-
5*
36 H. Kayser mm (6. Runes:
rücksichtigt man die weite Extrapolation, so kann man nicht zweifelhaft
sein, dafs eigentlich die Wellenlänge der rothen Lithiumlinie 6708.2 her-
auskommen sollte und nur die Formeln fehlerhaft sind. In der That
würde ja auch eine Änderung der Constanten sich für den kleinsten Werth
von n am meisten fühlbar machen, weil hier n”” und n"* die gröfsten
Werthe haben. Versucht man indessen die rothe Linie und die Serie
der violetten bei Bestimmung der Constanten zu berücksichtigen, so wer-
den die Unterschiede der berechneten und beobachteten Wellenlängen we-
sentlich gröfser als ohne Berücksichtigung der rothen Linie. Die folgende
Formel ist mit der Methode der kleinsten Quadrate berechnet worden,
wobei jeder Linie nach der Genauigkeit ihrer Messung ein verschiedenes
Gewicht beigelegt wurde. Die Genauigkeit der beiden letzten nur von
Liveing und Dewar beobachteten Wellenlängen haben wir gleich der-
jenigen unserer letzten Linie angenommen.
108 772 = 43519.3 — 112186%n? — 9069.
n berechnet | beobachtet | Differenz
—-T : 1
2 | 6708.7 | 6708.2 —04
30 1m3>31.50710.8239:8 +0.9
4 | 3741.6 | 27414 —0.2
5 | 2562.8° | 2562.6 —0.2
6 | 24755 | 24751 —0.4
7 |: 24557 | 24256 — om
s | 2394.4 23945 | +01
onilmea7aa N Ho373 9u erols
10 9358.27 ,| .2359.4° | +07
Wir halten auch diese Übereinstimmung noch für bemerkenswerth, ob-
wohl die Unterschiede zwischen den berechneten und beobachteten Wer-
then weit über die möglichen Grenzen unserer Beobachtungsfehler hinaus-
fallen. Wir glauben hieraus den Schlufs ziehen zu müssen, dafs in Wahr-
heit noch weitere negative Potenzen von n oder n? hinzutreten. Diese
würden sich für den kleinsten Werth von n am stärksten bemerkbar ma-
chen. So wäre z.B. ein Glied mit ””° für n— 2 etwa 12 Mal gröfser
als für n=3. Es scheint uns indessen ohne Werth noch ein weiteres
Glied in die Formel aufzunehmen. Schon der Coöfficient von »* ist nur
Über die Spectren der Elemente. II. 37
ungenau bestimmbar. Er kann zwischen weiten Grenzen schwanken, wenn
seine Änderung durch Änderungen der ersten beiden Constanten compen-
sirt wird, ohne die von der Formel gegebenen Schwingungszahlen erheb-
lich zu beeinflussen. Das würde in noch höherem Mafse von dem Üoef-
ficienten von n® gelten (vergl. Note I am Ende dieser Abhandlung). —
Man könnte sagen, dafs unsere Formel aufser den drei Constanten
noch eine vierte Willkürlichkeit darin besitzt, dals man ja die Ordnungszahl
der ersten Linie beliebig wählen kann. Diese Willkürlichkeit ist in der
That vorhanden; aber nur in geringem Mafse. Denn es zeigt sich, dafs
immer nur niedrige Werthe von n die erste Linie liefern und dafs der
niedrigste Werth von n, für welchen die Formel noch einen positiven
Werth liefert, der ersten wirklich gemessenen Linie der Serie entspricht,
wenn die betreffende Wellenlänge nicht etwa ins Ultrarothe fällt. End-
lich bestätigt der Vergleich der Spectra aller Alkalien die Richtigkeit der
gewählten Ordnungszahlen.
Die Serien des sichtbaren Theils, die wir Nebenserien nennen, be-
stehen die eine aus sieben, die andere nur aus vier Linien. Die erste
Nebenserie wird von den Linien gebildet, welche meistens umgekehrt er-
scheinen und sich nach beiden Seiten stark verbreitern. Man findet,
wenn man die Constanten aus den ersten drei Linien für n=3,4,5
bestimmt:
027 2285586474 109025, 0 SA:
Die Werthe der Formel sind in der folgenden Tabelle enthalten:
n berechnet beobachtet | Differenz
3 6103.77 ) zur Berech- |
4 4602.37 nung der
5 4132.44 | Constanten
benutzt
6 3915.40 3915.2
7 3795.25 3794.9
8 |, 3721-15 3718.9
9 3672.01 3670.6
Die letzten drei Linien haben wir nicht umgekehrt erhalten kön-
nen. Sie sind sehr breit und verwaschen und bei ihrer Messung sind
Fehler von 5 Angström’schen Einheiten nicht ausgeschlossen.
38 H. Kayser uno C. Runge:
Die zweite Nebenserie besteht aus den vier Linien, welche sich nur
nach der weniger brechbaren Seite hin verbreitern. Für n = 4, 5, 6 ge-
ben die ersten drei Linien
108271 — 28666.69 — 12239112? — 231700» *
und man erhält die Werthe
berechnet beobachtet
4972.11 zur Bestim-
4273.44 mung der
3985.94 Constanten
benutzt
3835.47 3838.3
Zwar würde man bei den Ordnungszahlen 3, 4, 5, 6 einen besser mit
der Messung übereinstimmenden Werth für die vierte Linie bekommen.
Aber die Werthe der Constanten würden nicht mit denen aller übrigen
Formeln harmoniren. Für n = 3 liefert die Formel A == 8192. Die
Messung 3838.3 kann wohl einen Fehler von mehreren Angström’schen
Einheiten haben, da die Linie in die Cyanbande fällt und schlecht zu se-
hen ist. Dafs sie zu grofs gemessen wird, ist wahrscheinlicher als das
Gegentheil, weil sie sich nach der Analogie mit den übrigen Linien der
Serie zu urtheilen wahrscheinlich nach der weniger brechbaren Seite hin
verbreitert. Liveing und Dewar geben 3862.3, in einer früheren Publi-
cation aber 3838 an, wie schon oben erwähnt wurde.
Das Spectrum des Lithium erweist sich also zusammengesetzt aus
drei Serien, und es ist wichtig, hervorzuheben, dafs durch sie alle Linien
des Lithiums untergebracht werden. Der Werth der Zerlegung in Serien
wird dadurch bedeutend gesteigert. Blieben zahlreiche Linien übrig, so
würde man sich vom Eindruck einer gewissen Willkür nicht frei machen
können, namentlich bei linienreichen Speetren. So aber, wo alle Linien
sich an den drei Serien betheiligen, jede Serie in allen Linien ihren
bestimmten Charakter trägt, nämlich die Hauptserie scharf und leicht
umkehrbar, die erste Nebenserie stark verbreitert und umkehrbar, die
zweite Nebenserie einseitig verbreitert und nicht umkehrbar ist, wo fer-
ner in jeder Serie die Intensität in regelmäfsiger Weise abnimmt mit der
Wellenlänge, da wird es zweifellos, dals diese Zerlegung keine willkür-
Über die Spectren der Elemente. IT. 39
liche, sondern eine von den Thatsachen geforderte ist. Noch evidenter
erweist sich dies dadurch, dafs dıe vier anderen Alkalien ein ähnliches
Verhalten zeigen.
Natrıum.
Das Spectrum des Natriums zeigt eben so wie Lithium eine Haupt-
serie im Ultraviolett, von der aber bis jetzt nur eine Doppellinie bei 3303.1
und 3302.5 und drei weitere einfache Linien bekannt waren, und Neben-
serien im sichtbaren Theil (vergl. die Tafel), Bestimmt man für die
Hauptserie die drei Oonstanten unserer Formel aus den Linien 3303.07,
2852.91, 2680.46, indem man die Ordnungszahlen 4, 5, 6 für sie annimmt,
so erhält man
10877 = 41542.51 — 130233127? — 800791 n”*.
Für n=4 bis 9 liefert die Formel
berechnet | beobachtet | Differenz
3303.07 | zur Berech-
B) 2852.91 nung der
6 2680.46 Constanten
benutzt
7 2593.99 | 2593.98
8 2543.75 2543.85
9 2511.77 | 2512.23
Nimmt man statt 3303.07 die andre Linie des Paares 3302.47, so er-
gibt sich
10°X2'— 41550.33 — 13071002 — 793751
|
nn berechnet | beobachtet | Differenz
| | |
| |
7 | 2593.39 | 2593.98 | —+0.0
8 | 2543.61 2543.85 —+0.2 el
b) | 2511.58 | 2512.23 | —+0.6 |
Wir vermuthen darnach, dafs alle diese Linien in Wahrheit dop-
pelt sind, aber schon von n—5 an so eng, dafs sie nicht getrennt wer-
den konnten. Berechnet man nun die Wellenlänge, welche n=3 ent-
40 H. KıAyser uno ©. Runge:
spricht, so ergeben sich die beiden Werthe 5818.7 und 5804.6, während
für n = 2 keine positiven Werthe mehr herauskommen. Wir nehmen kei-
nen Anstand zu behaupten, dafs diese beiden Zahlen den D-Linien ent-
sprechen, obwohl die Abweichungen beträchtlich sind. Aber man mufs
bedenken, dafs die übrigen Natriumlinien aufser dem Paar 5670 und 5676
anderen Serien angehören, von denen sogleich die Rede sein wird, und
dafs die Abweichungen weniger als 34 pCt. der Entfernung von 3303
betragen. Dazu kommt, dafs die Änderungen der Constanten für den
kleinsten Werth von » die stärkste Wirkung haben, wie schon bei der
Hauptserie im Lithiumspeetrum bemerkt wurde. Es liegt daher nahe,
eine neue Formel mit Berücksichtigung der D-Linien zu berechnen.
Man erhält durch Methode der kleinsten Quadrate
10827! = 41496.34 — 1270402? — 843841 nn"
N berechnet | beobachtet | Differenz Bemerkungen
|
3| 5895.2 5896.16 | +1.0
4 | 3304.7 3303.07 | —1.6 | Die Wellenlängen
5| 28519 | 2852.91 | +1.0 | sind hier ihren
6 2679.38 | 2680.46 | -+0.7 | Quadraten propor-
7| 25939 | 2593.98 | -+0.1 | tional berücksich-
8 25442 | 2543.35 | —04 tigt worden.
9 2512.6: | 2512.23 | —04
Für die brechbareren Linien der beiden Paare ist die Rechnung nicht
durchgeführt, weil eben nur zwei Paare beobachtet sind. Wir werden
hier durch die Gröfse der Abweichungen zwischen Beobachtung und Rech-
nung zu demselben Schlufs geführt wie beim Lithium. Es fehlt der For-
mel ein weiteres Glied, welches für n— 3 einen erheblich gröfseren ab-
soluten Betrag haben mülste, als für die folgenden Zahlen. Es mülste
die Schwingungszahl verkleinern, ebenso wie bei der zweiten Formel für
die Hauptserie des Lithiums, und daher in die Formel für A" negativ
eingehen, wie das zweite und dritte Glied. Die Differenzen der Schwin-
sungszahlen der beiden Paare verhalten sich wie 172 zu 55, also nahezu
umgekehrt wie die vierten Potenzen ihrer Ordnungszahlen 3 und 4. Denn
es ist 17281 == 13932 und 55 x 256 = 14080. Wir vermuthen da-
her, dafs die sämmtlichen Linien doppelt sind und dafs die beiden For-
x
Über die Spectren der Elemente. II. 41
meln, welche die brechbaren und weniger brechbaren Linien der Paare
darstellen, in den ersten beiden Constanten übereinstimmen.
Da die kleineren Wellenlängen von dem in der Formel vermuth-
lich fehlenden Gliede am wenigsten beeinflulst werden, so hat es einen
Sinn aus diesen allein eine Formel zu berechnen, bei der die Messungen
nach ihrer Genauigkeit berücksichtigt sind. Man erhält:
10827 — 41536.81 — 1299852"? — 803501n"*.
berechnet beobachtet | Differenz
| |
3303.07 3303.07 0.00
2852.89 2852.91 | -+0.02
2680.51 | 2680. —0.05
2594.07 2593.98 | —0.09
2543.90 | i —0.05
2511.96 | 2. | 0.27
Im sichtbaren Theil des Natriumspectrums verlaufen 4 Serien, von
denen je zwei eine Serie von Paaren bilden. Sie unterscheiden sich augen-
fällig in eine Serie von schärferen und eine Serie von unschärferen Paaren.
Die Serie der schärferen Paare gibt die folgenden beiden For-
meln, wenn die Wellenlängen für n = 4, 5, 6 zur Berechnung der Con-
stanten benutzt werden:
108% = 24549.12 — 1207261”? — 197891n*
108271 — 24565.83 — 120715 n? — 197935 n*.
n | berechnet | beobachtet | Differenz
} ı
4 | nn .15 I zur Berech- |
| (6154.62 | nung der
5 | N 72 | Constanten |
| (5149.19 |I benutzt |
\ | 752.19 | |
° a 36 b
| Din 86 | 4546.03 | +12
\ 14541.36 4542.75 | +14
s| fa | Aas7 | +17
\4418.65 | 44202 | +1.6
h BE I 44 | 4343.7 +13
4339.27 | |
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. 6
493 H. Kayser uno C. Runee:
Für n = 3 geben die Formeln 11504.8 und 11481.8. Beequerel hat
bei 11420 eine Natriumlinie beobachtet, welche vermuthlich mit dem be-
rechneten Paar identisch ist. Dafs er sie nicht doppelt gesehen hat,
kann nicht Wunder nehmen. Auch eine von Abney 8199 und 8187
bestimmte Doppellinie der unschärferen Serie hat Beequerel nur ein-
fach gesehen. Wir glauben, dafs die zweiten Constanten und ebenso die
dritten Constanten in beiden Formeln eigentlich gleich sein mülsten und
dafs die Unterschiede von den Beobachtungsfehlern herrühren. Nimmt
man diels als richtig an, so würde nach den Formeln die Differenz der
Schwingungszahlen bei allen Paaren der Serie die gleiche sein. Das trifft
allerdings zu, wie schon Julius bemerkt hat. Die Unterschiede der re-
eiproken Wellenlänge (auf 6 Stellen berechnet) sind:
4 172
B) 171
6 170
7 159
8 179
Die Einheit der letzten Stelle entspricht 2 bis 4 Hundertsteln einer Ang
ström’schen Einheit.
Die Serie der unscharfen Paare hebt mit den beiden von Abney
gemessenen Linien 8199 und 8187 an.
10827" = 24475.34 — 110065 n? — 4148n"*
10827 — 24494.84 — 110155 n? — 3487 n*
n | berechnet | beobachtet | Differenz
y | Inn h
| 8188.3 | zur Berech-
al ee || nung der
ı [5682.90 |j Constanten
| [4983.53 | benutzt
| | 4979.30
| f4669.7 4669.4 —0.3
| ei 4665.2 —0.6
P u, 4500.0 +1.1
| 14495.3 4494.3 —1.0
R | [439.7 | 4398.7 —1.0
| \4391.2 | _ 4390.7 —0.5
9 | [4326-0 4325.7 —0.3
\ 14322.6
Über die Spectren der Elemente. II. 45
Auch hier ist die Differenz der reciproken Wellenlängen für die verschie-
denen Paare nahezu dieselbe und veranlalst uns zu der Vermuthung, dafs
die zweiten Constanten und ebenso die dritten in den beiden Formeln
eigentlich denselben Werth haben. Die Differenzen der reciproken Wel-
lenlängen sind:
3 179
4 166
5 170
6 193
7 989
+ b) 156
ER
Merkwürdig ist aufserdem, dafs in beiden Serien die Paare die gleiche
Differenz der Schwingungszahlen zeigen. Und dieselbe Differenz 172 ge-
ben auch die D-Linien, welche doch zu einer ganz anderen Serie gehören.
Es sind durch diese drei Serien von Paaren wieder alle Linien des
Natriums untergebracht bis auf zwei: 5675.92 und 5670.40, welche also
auch ein enges Paar bilden. Wie früher bemerkt, unterscheiden sich
diese Linien dadurch von allen übrigen, dafs sie unscharf nach dem
breehbareren Ende des Spectrums sind, während alle Linien der Neben-
serien nach der weniger brechbaren Seite hin sich verbreitern. Man wäre
fast versucht, diese Linien für fremde zu halten, wenn sie nicht immer
aufträten; aber auch die Rechnung verknüpft sie mit Natrium, denn die
Differenz ihrer Schwingungszahlen ist auch wieder 172, also ebenso grols
wie bei allen Paaren der Nebenserien. Vielleicht sind sie das einzig sicht-
bare Glied einer dritten Nebenserie.
Kalıum.
Auch beim Kalium unterscheidet man eine im Ultravioletten ver-
laufende Hauptserie von Linienpaaren, welche mit den rothen Linien 7699
und 7665 zusammenhängen, und vier im sichtbaren Theile des Spectrums
verlaufende Nebenserien. Wie beim Natrium sind bei je zwei Nebenserien die
Differenzen der Schwingungszahlen entsprechender Linien constant. Die Li-
nienpaare haben aber einen grölseren Abstand, als beim Natrium, so dals
sie nicht als solche in die Augen fallen (vergl. die Tafel).
6*
44 H. Kayser uno C. Runee:
Die ersten 3 violetten Paare liefern für n =4, 5,6 die beiden
Formeln
108277" — 35091.85 — 127207 n”? — 625087 n* ,
10827" — 35093.22 — 127213n”? — 618547n”? ,
welche für n = 7, 8, 9, 10, 11 die folgenden beobachteten Linienpaare be-
rechnen lassen:
berechnet beobachtet Differenz
3102.10 3102.37 0.27
en 3102.15 -+0.36
3034.71 3034.94 +0.23
Be j
I 2992.33 +0.68
2991.47
2962.31 2963.36 —+1.05
2962.15
2941.35 2942.8 1.45
2941.21
Für n= 3 geben die Formeln 7538.5 und 7506.3, für n—2 sind sie
negativ. Man wird dazu gedrängt, die beiden Werthe für n—=3 den
Wellenlängen 7699.3 und 7665.6 entsprechend zu setzen und wieder wie
beim Lithium und Natrium anzunehmen, dafs ein Glied der Formel fehlt,
welches für n = 3 einen erheblich grölseren Betrag ausmacht, als für
grölsere Werthe von n. Wieder würde es die reciproke Wellenlänge ver-
kleinern müssen. Sucht man die Constanten so abzuändern, dafs die
sämmtlichen Linien berücksichtigt werden, so kann man den Fehler der
rothen Linien vermindern; aber auf Kosten der Übereinstimmung im
Violetten. Für die weniger brechbaren Linien der Paare erhält man
z. B., wenn man die reciproken Wellenlängen alle in gleicher Weise be-
rücksichtigt:
10827 = 35043.45 — 123647 nn? — 673289 n°.
Über die Spectren der Elemente. II. 45
N berechnet beobachtet | Differenz
3 7696.6 7699.3 +2.7
4 4051.0 4047.4 3.6
5 3445.9 3447.5 En
6 3216.5 3217.8 Au.
7 3101.6 3102.4 0.8
8 3035.2 3034.9 ne)
9 | 2992.7 2992.3 04
10 2963.9 2963.4 —05
11 | 2943.3 2942.8 0.5
Es schien uns wünschenswerth, für die violetten Linien allein die Formel
so genau wie möglich mit den Beobachtungen zur Übereinstimmung zu
bringen.
Es zeigt sich, dafs die Abweichungen die Grenzen der Beobach-
tungsfehler nicht erheblich überschreiten, wenn man die Wellenlängen in
der Rechnung nach der von uns geschätzten Messungsgenauigkeit berück-
sichtigt.
108x7°
108x7"
|
n
[3)}
—
10 |
11 |
berechnet
©
=
-]
(er)
De
© © a a Cs Cs Sr
SR OoOoHrH HER —E
PRODHsonk
@OSO NO O DD Wm PB I I co
oO aD MT OR -ıIm ©
SS © «
[er Ne)
[er
ao
DV DD DD CI cn CD co ca co ww co
Le} oO
u o
D
[or]
“NND DD m m
na mn a
{er}
(e)
»
19
u —— {nn — mm.
beobachtet
4047.36
4044.29
3447.49
3446.49
3217.76
3217.27
3102.37
3102.15
3034.94
Es scheint, dafs die ersten beiden Glieder
dieselben sein mülsten.
35086.55 — 126983 Rn”? — 625318n"* ,
35085.90 — 126903 Rn”? — 621653 n"* .
Differenz
0.00
0.00
+0.01
—+0.02
— 0.08
—0.11
—+0.12
—+0.14
+0.02
—+0.43
0.76
—+1.14
in beiden Formeln eigentlich
Daraus würde folgen, dals die Differenz der
46 H. KAyser und C. Rune:
Schwingungszahlen für die Paare der vierten Potenz der Ordnungszahl
umgekehrt proportional ist. Diefs bestätigt sich auch ungefähr. Berech-
net man die reciproken Wellenlängen auf 6 Stellen, so erhält man für
die fünf Paare die Differenzen 571, 188, 84, 47, 23. Andererseits ist
47740n* für n = 3, 4, 5, 6, 7 gleich 589, 186, 76, 37, 20. Die Abwei-
chungen dieser Zahlen von den vorigen sind —18, +2, +8, +10, +3
und entsprechen in Angström’schen Einheiten — 1.1, 0.03, 0.10, 0.10,
0.03.
An dieser Stelle haben wir Gelegenheit genommen, Rydberg’s
Formel zu prüfen. Nach ihm sollte sein
109721.6
SA ger ee
10 a GE
wo n die Reihe der ganzen Zahlen durchläuft. Bestimmt man a und u
derartig, dals man für n=3 und 4 die Wellenlängen 4047.36 und 3447.49
erhält (« = 35069.71 , » = 0.254011), so ergeben sich für n — 2, 5, 6
7,8,94.10
|
berechnet | beobachtet Differenz
7422.0 7699.3 —+277.3
3215.96 3217.76 —+-1.80
3099.39 3102.37 —+2.98
3031.72 3034.94 —+3.22
2988.71 2992.33 —+3.62
2959.58 2963.36 —+3.78
2938.91 2942.8 —+3.89
2
P)
6
7
8
6)
0
-
Man kann zugeben, dafs ein gewisser Anschlufs an die Beobachtungen
erreicht wird, aber durch Änderung des Werthes 109721.6 könnte er we-
sentlich genauer gemacht werden. Dafs aber Rydberg’s Formel auch bei
einer passenden Änderung von 109721.6 sich nicht der Serie in ihrem ganzen
Verlauf anschliefsen läfst, zeigt die folgende Tabelle. Werden die Con-
stanten aus den 3 Wellenlängen 7665.6, 4044.29, 3446.49 gewonnen, so
erhält man für die folgenden Werthe von »
Über die Spectren der Elemente. III. 47
nach Rydberg’s | nach unserer Beehuchtet
Formel Formel
3220.59 3220.8 3217.3
3107.9 3108.2 3102.2
3043.1 3042.9 3034.39
3002.1 3001.4 2992.3
2974. 2973-3 2963.4
2955.0 2353.2 2942.8
Die Formeln schliefsen sich etwa gleich gut oder gleich schlecht an die
Beobachtungen an. Aber hier ist die Gröfse, von welcher Rydberg be-
hauptet, dafs sie für alle Elemente denselben Werth habe, statt wie er
angibt gleich 109721.6 (einem Werth, den er aus der Balmer’schen
Formel entnommen zu haben scheint) gleich 98743.61 gesetzt. Dieselbe
Rechnung mit seinem Werth ausgeführt, ergibt, wenn « und u aus 7665.6
und 4044.29 bestimmt werden,
nach
Rydberg beobachtet | Differenz
berechnet
3430.83 3446.5 +15.7
3196.7 3217.3 +20.6
3079.5 3102.2 792.7
3011.72 | 3034.9 93.2
2968.7 | 2992.3 +23.6
29396 | 2963.4 —+23.8
2919.0 2942.8 —+23.8
Um die Überlegenheit unserer Formel 7! — A-+ Bn”? + Cn”* über eine
beliebige Interpolationsformel zu zeigen, haben wir für die violette Ka-
liumserie den Versuch gemacht
A=a-+tbn-+ en’+dn’
zu setzen. Man erhält, wenn die erste, dritte, fünfte, siebente Linie zur
Berechnung der Constanten benutzt werden:
48 H. Kayser uno C. Runee:
berechnet beobachtet Differenz
j
4047.36 zur Berechnung benutzt
3518.24 3447.49 — 70.75
3217.76 zur Berechnung benutzt
3078.97 3102.37 —+23.40
3034.94 zur Berechnung benutzt
3018.72 2992.33 — 26.39
2963.36 zur Berechnung benutzt
2801.93 2942.8 140.87
Die Tabelle wird Jeden überzeugen, dafs die erreichte Genauigkeit, selbst
wo nur interpolirt ist, trotz der gröfseren Zahl willkürlicher Constanten
mit der durch unsere Formeln erreichten Genauigkeit keinen Vergleich
aushält.
Was die Serien des sichtbaren Theils betrifft, so wird die folgende
Tabelle ohne weitere Erklärungen verständlich sein:
I 108%: = 22021.83 — 119393n ?— 625062? ,
II 10827 —= 22077.11 — 119264n”?— 63981n* ,
III 10827 —= 21991.24 — 11445007? — 111146n%,
IV 108472 = 22050.32 — 11447822 111337 n *.
| beobachtet | Differenz Bemerkungen
} nicht aufgefunden
Berechnung
der
Constanten
benutzt
Über die Spectren der Elemente. II. 49
berechnet Serie beobachtet Differenz | Bemerkungen
| El
4965.0 I 4965.5 | —+0.5
hs [is 56.4 IE), SABB68 Kl 0.
MR .o US 60 495222,: 10.1.2, 0
4942.1 ING 4943.1 | +1.0 von Liveing und Dewar beobachtet.
4869.0 I 4870.8 +1.8 \ Wir halten Fehler von mehreren
r | 2565; mar | 4863.85 | 0.3 Angström’schen Einheiten hier
2 .6 || 48568 | +12 nicht für ausgeschlossen.
4849.6 IV 4850.8 +1.2 || Liveing und Dewar geben an auch bei
4802.7 I 4808.8 +6.1 ‘ 4759 eine Gruppe von vier Linien
nn | a70s. 5 ILL 4803.8 +4.3 beobachtet zu haben, die aber zu
Vans ei II 4796.8 | la! schwach und verwaschen seien, um
47 = {0} Iy 47888 | -+2.8 sie deutlich von einander zu trennen.
4759.8 +4.9 J Ihre Messung gäbe den am wenigsten
sl | brechbaren Rand der Gruppe. Proc.
By; Roy. Soc. No. 198, 1879.
Für n—=3 geben die Formeln die Wellenlängen 12654, 12569, 12525,
12444. Nun hat Beequerel die folgenden ultrarothen Kaliumlinien be-
obachtet: 10980, 11020, 12330. Wir halten es für wahrscheinlich, dafs
diese von Becquerel beobachteten Linien zu unseren Serien gehören.
Die Serien I und Il geben constante Differenz der Schwingungszahlen
entsprechender Linien, ebenso die Serien II und IV. Es wären darnach
in Wahrheit die zweiten und dritten Öonstanten in je zwei Formeln die-
selben. Die Serie IIl, welche für n — 4, 5, 6 kleinere Wellenlängen be-
sitzt als die Serie II, bleibt von n == 17 an hinter derselben zurück. Sie
ist kenntlich an der constanten Schwingangsdifferenz gegen IV, sowie
durch grölsere Intensität. Die Schwingungsdifferenz ist in beiden Serien-
paaren die gleiche.
In der folgenden Tabelle sind die Differenzen der reeiproken Wel-
lenlängen für die Serienpaare I, II und III, IV zusammengestellt.
n LI I, IV
5 582 576
Bl
Taa5a05 34
8 ,5415.559
gs
107252027653
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1390. 1. 7
50 H. Kayser uno ©. Runee:
Einer Einheit der letzten Stelle entsprechen dabei 0.05 bis 0.02 Ang-
ström’scher Einheit.
Ähnlich wie beim Natrium ist auch die Differenz der Schwingungs-
zahlen des rothen Paares bei 7665 und 7699, welches doch zu einer
ganz anderen Serie gehört, ebenfalls dieselbe. Der Unterschied der reci-
proken Wellenlängen ergibt 571.
Auch beim Kalium sind durch die Haupt- und Nebenserien alle
Linien aufgenommen, welche von uns beobachtet wurden.
Rubidium.
Im Spectrum des Rubidiums sind gleichfalls Haupt- und Neben-
serien zu unterscheiden. Die rothen Linien bei 7950 und 7811 bilden
den Anfang einer Serie von Linienpaaren, welche im Ultraviolett verläuft.
Von dieser war bisher nur ein Paar bei 4216 und 4202 bekannt. Wir
haben noch zwei weitere Paare gefunden. Die folgenden beiden Formeln
sind aus den 3 violetten Paaren berechnet.
108271 —= 33762.11 — 125521? —
5 55
108X71— 33765.38 — 125431n7? — 544679 n*.
n | berechnet | beobachtet
Me
3 | 7950
% 76312 | 7811
| „| 425.2 \ R
Zur
4201.98
| | 201 Berechnung |
| 3591.74
| 2. h der
| 3587.23 \
| Constanten
’ 3351.03 |
6| benutzt
| 3348.86 |)
Für n=3 sind wieder bedeutende Differenzen zwischen der Rechnung
und den Messungen vorhanden. Aber wenn man die weite Extrapolation
bedenkt und in Betracht zieht, dafs bei Lithium, Natrium und Kalıum
sleichfalls die rothen Wellenlängen zu klein gefunden wurden, so wird
man nicht anstehen, den Zusammenhang dieser rothen Rubidium-Linien
mit der violetten Serie für erwiesen zu halten. Bei der Rücksicht auf
alle vier Paare ergeben sich die Formeln:
Über die Spectren der Elemente. I.
(br!
[m
108271 —= 33630.6 — 119065 2”? — 633517 n"*
10527: = 33631.0 — 118835 n”? — 617486”
b/
n | berechnet | beobachtet | Differenz
5 7949.2 7950 —+0.8
7810.1 7811 —+0.9
a 4216.9 4215.7 —1.2 |
4203.1 4202.0 —1.1 |
5 3590.1 3591.7 —+1.6
3585.6 3587.2 —+1.6
3351.8 3351.0 —0.8
8 3349.7 3343.9 —0.8
Indessen halten wir die Constanten der ersten Formeln für die richtigeren.
Wir vermuthen, dafs die ersten beiden Constanten beiden Formeln
gemeinsam sind, da die Differenzen der Schwingungszahlen sich nahezu
wie die vierten Potenzen der Ordnungszahlen verhalten. Die Unterschiede
der sechsstellig berechneten reciproken Wellenlängen sind 2238, 776, 350,
193, während 1.9905n"?10° für n = 3, 4,5, 6 die Werthe 2457, 777,
318, 154 gibt. Den Abweichungen von den beobachteten Zahlen ent-
sprechen 14, 0.02, —0.31, —0.44 Angström sche Einheiten. Sie ge-
hen über die Grenzen etwas hinaus, welche ihnen nach der Genauigkeit
der Messung gesteckt sind. Das mag von dem fehlenden Gliede herrüh-
ren, welches sich besonders bei der Berechnung der rothen Linien be-
merkbar macht.
Der sichtbare Theil des Rubidium-Spectrums enthält zwei Serien:
10827"! — 20939.39 — 121193 a”? — 134616n”%,
108971 — 2117988 19142272 13179:
n berechnet beobachtet | Differenz
16499
7788.8 } Wir glauben nicht, dafs diefs die rothen Linien 7950
7647.8 und 7811 sein könnten, die wir zur Hauptserie
\
BE*
lan
lo
I
17207 | |
I}
|
|
I}
rechnen.
I
5724.41 | a
Constanten
-—
31. \
5362.94 benutzt |
=
52 H. KAyser unD ©. Rune:
berechnet beobachtet | Differenz
B | ne 5259.8 02
5194.8 5194.8 0.0 Diese Beobachtungen sind von Lecog. Nur haben
5148.1 5161.83 —+ 13.7 | wir sie’ nach Rowland’s neuen Normalen corri-
2 Ina 5085.8 — 0.4 |% girt. Die Abweichung bei 5161 ist sehr beträcht-
10 IE | lich, aber nicht wesentlich gröfser als L’ecog’s Be-
| 1(5012.0 obachtungsfehler bei 6071.2.
a Be 5021.8 +39 |)
| 4958.6 |
Die Differenzen der Schwingungszahlen sind für diese beiden Serien wie-
der nahezu bei allen Paaren die gleichen. Berechnet man die reciproken
Wellenlängen auf sechs Stellen, so sind die Differenzen 2353, 2357, 2365,
2380 und nur bei dem Paar n — 9 2896, wie wir glauben wegen der
fehlerhaften Beobachtung der Wellenlänge 5161. Die beiden letzten Con-
stanten mülsten darnach in beiden Formeln übereinstimmen.
Bei 6206.7 und 6159.8 liegen zwei schwächere Rubidium -Linien,
welche durch die Serien nicht aufgenommen werden. Die Differenz der
reciproken Wellenlängen ist 2369, übereinstimmend mit derselben Differenz
bei den Paaren der Serie. Auch die Linie bei 5654.22 nahe bei der
kleineren Wellenlänge des Paares n = 6 wird nicht durch die Formeln
aufgenommen. Dennoch müssen wir sie für eine Rubidium -Linie halten.
Auch das rothe Paar 7950, 7811 hat nahezu die gleiche Differenz
der Schwingungszahlen, wie die Paare der Nebenserie. Sie ergibt sich
zu 2238, also etwas zu klein. Ein gröfserer Werth würde auch dem für
die Hauptserie aufgestellten Gesetze besser genügen.
Öaesıium.
Das Spectrum des Caesiums zerfällt in derselben Weise, wie das
der übrigen Alkalien, in Haupt- und Nebenserien. Von der Hauptserie
war bisher nur das erste violette Paar bekannt. Wir haben das folgende
bei 3888.83 und 3876.73 gefunden. Von dem nächsten Paar halten wir
nur die eine Linie, die brechbarere, für sicher beobachtet, welche ver-
muthlich die stärkere ist, ebenso wie bei den anderen beiden Paaren.
Eine Controlle für die Richtigkeit unserer Formel ist hier nicht möglich,
Über die Speetren der Elemente. IIT. 53
weil nicht mehr Beobachtungen als Constanten vorliegen. Dennoch hal-
ten wir es nicht für überflüssig die Formeln auszurechnen, weil sich an
die Werthe der Constanten ein Interesse knüpft. Um uns von der un-
sicheren Beobachtung der ersten Linie des dritten Paares frei zu machen,
haben wir diese aus der Annahme bestimmt, dafs die Unterschiede der
Schwingungszahlen den vierten Potenzen der Ordnungszahlen umgekehrt
proportional sind. Darnach mülste sie bei 3616.57 liegen. Bei 3617.1
haben wir eine unscharfe Linie beobachtet, über deren Herkunft wir aber
keine Sicherheit haben gewinnen können. Die Formeln sind:
103477 31509.31 — 125395 n”? — 486773n"*,
108x717 — 31473.44 — 123502”? — 461517 n”%.
|
Für n = 3 geben diese Formeln die Werthe 8645 und 8297. Nach der
Analogie der anderen Speetren würden wir vermuthen, dafs im Ultraroth
etwa 100 bis 200 Angström weiter, als diese Zahlen angeben, zwei
starke Linien des Caesium liegen müssen. Die Nebenserien sind:
10821 — 19743.25 — 122869"? — 305824 n%,
10827 — 20295.22 — 1228917?” — 316625 n”%.
vielleicht nicht getrennt worden.
n berechnet beobachtet | Differenz
|
|
3 [43187
1 36607
0)
4 9200 |
| 8789
6973
5 N
6723.6
BEN: | zur Berech-
6 J I ı der Constan-
1 6010.6
TERN | ten benutzt. |
7 [585.1 |
2 J
| 5664.0
8 5634.2 5635.1 —+0.9
gl 5500.6 5501.9 +1.3 Lecogq’s Messung
sit 5465.2 5465.8 +0.6 |
101 5410.1 5410.9 +08 n; a N 4
jı! 5345.6 5345.9 103 |] x er! s sernnern: wei Linien der 7
glu 53391 rien fallen hier beinahe zusammen und sind
)
54 H. Kayser uno C. Runee:
Durch die Formeln werden nicht aufgenommen vier von Lecogq ange-
bene Linien 6602, 6465, 6361, 5572 und eine von Liveing und Dewar
bei 5990 angegebene. Von diesen sind wir geneigt nur 5572 als mög-
liche Caesiumlinie zuzugeben. Zu Gunsten von 6602 und 6361 läfst sich
allerdings anführen, dafs der Unterschied der reciproken Wellenlängen
beinahe derselbe ist wie für je zwei Linien der gleichen Ordnungszahl
in den beiden Nebenserien. Man erhält 5338, 5430, 5470, 5497, 5306,
5246 und die Wellenlängen 6602, 6361 liefern 5759. Die Differenz der
reciproken Wellenlängen der nicht beobachteten rothen Caesiumlinien der
Hauptserie ist vermuthlich auch etwa 5450. Diese Zahl und die Diffe-
renzen für die beiden violetten Paare 1811 und 803 verhalten sich wie-
der ungefähr umgekehrt wie die vierten Potenzen der Ordnungszahlen 3,
4,5, die ihnen entsprechen. Es ist 450000”! für n = 3,4, 5 gleich
9296, .1758, 720.
$. 11. Die gemeinsamen Merkmale der 5 Speetren mögen noch ein-
mal zusammengefalst werden. Wir unterscheiden in jedem derselben eine
Hauptserie. Beim Lithium besteht sie aus einfachen Linien, bei den übri-
gen Alkalien aus Linien-Paaren, beim Natrium aus engen Paaren, bei
den anderen in der Reihenfolge des Atomgewichts aus weiteren und wei-
teren Paaren, während zu gleicher Zeit die ganzen Serien nach dem we-
niger brechbaren Ende des Spectrums rücken. In allen Paaren ist die
Linie von kleinerer Wellenlänge die stärkere, was für die D-Linien be-
kannt war. Innerhalb einer jeden Hauptserie sind die Differenzen der
Schwingungszahlen für die Paare ungefähr den vierten Potenzen der Ord-
nungszahlen umgekehrt proportional. Die gröfsten positiven Werthe, wel-
che die Formeln für die Wellenlänge ergeben, entsprechen der Ordnungs-
zahl drei. Die zugehörigen Linien sind sämmtlich beobachtet worden
aulser ım Caesium, wo sie in’s Ultraroth rücken. Diese Linien für n = 3
müssen wir den Grundtönen vergleichen, weil sie den gröfsten Wellen-
längen entsprechen, welche durch die Formel geliefert werden. Und es
erscheint uns von Bedeutung, dafs mit Ausnahme des Caesiums diese
Grundtöne in allen Speetren beobachtet sind. Während man für n = 3
rothe Linien erhält, liegen schon die nächsten n = 4 entsprechenden am
entgegengesetzten Ende des Spectrums und die Serie verläuft im Ultra-
violett. Die Wellenlänge, bei der nach den Formeln die Serie zusam-
menläuft, wächst mit wachsendem Atomgewicht. Ihr reeiproker Werth
Über die Spectren der Elemente. II. 55
ergibt sich, wenn man in der Formel » — 00 setzt; dann verschwinden
die beiden letzten Glieder und es bleibt nur die erste Oonstante A, wel-
che daher die obere Grenze der Schwingungszahlen darstellt. Die For-
meln der Hauptserien sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
In der letzten Columne findet man das Atomgewicht des betreffenden
Elements. .
A ol Ba? + On” Atomgewicht
Li 43584.73 — 133669n "2? — 1100084n” 7.01
Na 41536.31 — 129985 n 72 — 803301n”t 32.995
508 196983 2 — 695318n 4
K De 126983 n 625318n 39.09
35085.90 — 126903n"?2 — 621633 nt
—
RB f 33762.11 — 125521n72 — 5622550
33765.38 — 125431n?2 — 544679n 4
H 31501.56 — 125077n 2 — 489883n? |
Il 31465.78 — 123188n72 — 464580n
Es zeigt sich, wenn man für Lithium, wie hier geschehen ist, die etwas
weniger gut sich anschliefsende Formel setzt, eine Regelmäfsigkeit in allen
drei Constanten, in so fern mit wachsendem Atomgewicht alle drei ab-
nehmen. Diefs ist einer der Gründe, welche uns bestimmt haben für Li-
thium die weniger gut sich anschliefsende Formel für richtiger zu halten.
Ein anderer Grund war, dafs so die ähnlich liegenden Linien in allen
Spectren die gleiche Ordnungszahl haben, z. B. alle am rothen Ende lıe-
genden die Ordnungszahl 3. Die Regelmäfsiskeit der Formeln bleibt be-
stehen, wenn man die Quotienten der zweiten und dritten Constante durch
die erste bildet.
43584.73 [1 —
41536.81 [1 —
©
.06688%"? — 25.24012n °]
.12939n? — 19.33950n”?]
5086.55 [1 — 3.61914n"? — 17.82216n *]
35085.90 [1 — 3.61692n”? — 17.71746n"*]
33762.11 [1 — 3.717819? — 16.655430" *]
©»
©
©
56 H. Kıyser uno C. Runee:
33765.38 [1 — 3.71478n"? — 16.183129]
31501.56 [1 — 3.97050n"? — 15.55107n*]
31465.78 [1 — 3.91498n"? — 14.764617]
Die Balmer’sche Formel würde, in diese Form gebracht, lauten:
1082-1 — 27431.5 [1—4n]
Sie würde demnach nach den Werthen der Constanten am Ende unserer
Reihe stehen. Das ist aber nach dem Atomgewicht 1 die falsche Seite.
Aufser den Hauptserien findet man in allen Spectren der Alkalien
Nebenserien. Man kann sagen, dafs sie im sichtbaren Theil verlaufen,
obwohl ihre ersten Linien in’s Ultrarothe und beim Lithium die letzten
in’s Ultraviolette fallen. Mit wachsendem Atomgewicht rücken auch sie
nach der weniger brechbaren Seite des Speetrums. Alle ihre Linien verbrei-
tern sich leicht, die Linien einiger Serien nur nach der weniger brech-
baren Seite. Sieht man vom Lithium ab, so treten in jedem Element
die Nebenserien paarweise auf, d.h. je zwei Serien zeigen eine Zusam-
mengehörigkeit darin, dals die Differenz der Schwingungszahlen der Li-
nien gleicher Ordnungszahl für das ganze Serienpaar constant ist. In
denjenigen Elementen, wo zwei Serienpaare existiren (Natrium und Ka-
liam) geben beide dieselbe Differenz der Schwingungszahlen. Im Spec-
trum des Natriums und Rubidiums sind aufser den Nebenserien noch je
ein Linienpaar beobachtet worden und auch diese ergeben dieselbe Schwin-
gungsdifferenz, wie die Nebenserien des betreffenden Elements. Endlich
zeigt sich, dafs jedes Mal auch die Schwingungszahlen der ersten Paare
(r = 3) der Hauptserien dieselbe Differenz ergeben. Da die Schwin-
gungsdifferenzen innerhalb jeder Hauptserie denselben Zahlen 3”*, 4%,
5° etc. proportional sind, so folgt, dafs das Verhältnifs der Schwingungs-
differenzen von Paaren der gleichen Ordnungszahl für je zwei Elemente
auch bei den Paaren der Hauptserie constant ist. Indessen läfst sich die
Schwingungsdifferenz für die engen Paare relativ nicht sehr genau be-
stimmen, weil der Messungsfehler hier einen grolsen Bruchtheil der Diffe-
renz ausmacht. Will man die Verhältnisse der Schwingungsdifferenzen
für die verschiedenen Elemente aufstellen, so zieht man daher von den
Hauptserien am besten nur die ersten Paare mit in Betracht. Die fol-
Über die Spectren der Elemente. IH. 57
gende Tabelle enthält die Differenzen der reciproken Wellenlängen, wenn
diese sechsstellig berechnet werden:
Na K Rb Os | Bemerkungen
Hauptserie 172 571 | 2238
179 576 2353 (5338)
Maalz2 932 2357 5430
\ 166 576 2365 5470
ig ad 2380 (5497) | Die eingeklammer-
a San (2836) (5306) ten Zahlen sind für
ap D43 (5246) die Mittel nicht be-
5 SB rücksichtigt, weil sie
ner 2 ge an Genauigkeit zu-
- {=}
(282) |" 7989 | rückstehen.
179 ..| . 592, |
en |
520 |
563
nicht zu Serien gehörig 172 2369 9 |
| | |
| | |
Mittel I 2a 568 2344 5450
Die Zahlen, welche sich als Mittel ergeben, scheinen im Zusammenhange
mit den Atomgewichten zu stehen. Die Quadratwurzeln aus denselben
13.5, 23.8, 48.4, 73.8 sind den Atomgewichten nahezu proportional.
Multiplicirt man mit 1.706, so erhält man 23.0, 40.6, 82.6, 126, wäh-
rend die Atomgewichte auf 22.995, 39.09, 85.2, 132.7 angegeben werden.
Der Factor 1.706 ist durch die Methode der kleinsten Quadrate bestimmt,
wobei das Atomgewicht von Caesium 1 Mal, von Rubidium 5 Mal, von Ka-
lium und Natrium 10 Mal gerechnet wurde. Die Abweichungen sind zu
grols, als dafs sie durch dıe Beobachtungsfehler erklärt werden könnten.
Denn die Differenzen selbst müssen etwa auf 0.6, 2.0, 0.5, 0.5 Procent
und daher die Quadratwurzeln daraus auf 0.3, 1.0, 0.25, 0.25 Procent
genau sein. Dennoch halten wir die Annäherung für merkwürdig genug,
um sie der Aufmerksamkeit der Physiker zu empfehlen.!)
!) Während der Correctur vorliegender Abhandlung ist uns durch Wiedemann’s
Beibl. die ausführlichere Publication von Rydberg in der Ztschr. für physik. Chemie
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. 8
H. Kayser uno © Rune:
[5
[0°]
Nimmt man an, dafs auch für Lithium das Gesetz richtig bliebe,
so folgt daraus, dafs die Linien des Lithiums doppelt sind, und es läfst
sich ihr Abstand aus dem Atomgewicht berechnen. Es ergibt sich die
Differenz der reciproken Wellenlängen zu etwa 17 Einheiten der sechsten
Stelle. Für die Wellenlänge 6708 würde das etwa 0.8 Angström’sche
Einheiten ausmachen, für 6105 etwa 0.6, für 4972 etwa 0.4 u. s. w.
Wir glauben, dafs wir trotz der Unschärfe der Linien die weniger brech-
baren als Doppellinien hätten sehen müssen, wenn sie so weit auseinander
lägen. Indessen wollen wir die Unmöglichkeit von Doppellinien nicht
behaupten. Dafs dagegen die ultravioletten Linien nicht als doppelt er-
kannt wären, würde sich leicht erklären. Denn erstens würden selbst
für die gröfste der Wellenlängen 3232 17 Einheiten der sechsten Stelle
vom reciproken Werth nur etwa 0.17 Angström’sche Einheiten ausma-
chen und zweitens mülste der Abstand nach dem allgemeinen Gesetz noch
im Verhältnifs von 3* zu 4*, das ist etwa ein Drittel, kleiner angenom-
men werden.
Die Formeln für die Nebenserien zeigen nicht die gleiche Regel-
mälsigkeit wie die der Hauptserien:
L; [23586.74 — 109625.5n"? — 1847n*
1 28666.69 — 1223391 rn? — 231700n*
Be .12 — 120726 n? — 197891n*
va | 124565. 2 elle n? — 197935 *
| [24 4762 110122 RZ BIN
| 124496.26 — 110311 nm? — 2996n*
[ [22021.83 — 119393 n? — 62506n”*
Ka | 192077.11 — 119264 m? — 63981n7*
| I a en ET
| 22050232 HAARE rn IB re
Rb [20939.39 — 121193 n” — 134616?
121179.38 — 121422 n? — 131799n%
Os ana 25 — 122869 mn? — 305824n"*
20
295.22 — 122891 mn” — 316625n"*
(5, p. 227-232. 1890) bekannt geworden. Er gibt hier dasselbe Gesetz an. Nur be-
merkt er fälschlich, dafs die Differenzen rascher wachsen als die Quadrate der Atomge-
Über die Speetren der Elemente. III. 59
Nur zwei Punkte sind bei ihnen zu bemerken. Die erste Constante
nimmt wieder mit wachsendem Atomgewicht ab. Das heilst die Stelle,
bei der die Serien zusammenlaufen, rückt mit wachsendem Atomgewicht
nach der weniger brechbaren Seite des Spectrums, ebenso wie bei den
Hauptserien. Diefs ist in Übereinstimmung mit der schon oben erwähn-
ten Bemerkung von Lecoq de Boisbeaudran, dals die Spectra der
Alkalien und alkalischen Erden mit wachsendem Atomgewicht nach der
weniger brechbaren Seite rücken. Auch hat Lecoqg de Boisbeaudran
das Gleichartige der Spectren von Kalium und Rubidium in den Serien
des sichtbaren Theils richtig erkannt und bereits 1869 ausgesprochen!).
Zweitens zeigen die Formeln eine Übereinstimmung untereinander und
mit den Formeln der Hauptserien darin, dals die zweite Constante für
jene bis auf etwa 12 Procent und für alle bis auf etwa 22 Procent den
gleichen Werth hat. — Weitere Beziehungen zwischen den Üonstanten
der Formeln und den physikalischen Constanten des Elements hoffen wir
zu finden, wenn auch die Speetra der alkalischen Erden genau gemessen
und die darin auftretenden Serien untersucht sind. Aber auch ohne sol-
che numerische Beziehungen scheint uns die Aufstellung der Formeln aus
folgenden Gründen für die Untersuchung der Speetren von Bedeutung.
Indem man durch die Formel eine Zusammengehörigkeit der Linien nach-
weist, erhält man die Sicherheit, dafs die aufgenommenen Linien dem-
selben Elemente angehören. Zwar ist man hiervon schon durch den
blofsen Anblick der Regelmälsigkeit, welchen eine Serie darbietet, über-
zeugt, aber durch die numerische Beziehung wird die Sicherheit erhöht
und selbst in den Fällen gegeben, wo durch zwischenliegende Linien die
Regelmälsigkeit gestört wird. So ist es z. B. nicht möglich im Spectrum
des Caesiums oder des Natriums durch den blofsen Anblick zu entschei-
den, wie die sämmtlichen Linien sich zu Serien zusammenschlielsen.
Beim Lithium und Kalium ist es allerdings möglich. Liveing und De-
war, deren Beobachtungen uns die Wege gewiesen haben, geben die Auf-
lösung der Spectren von Kalium und Lithium in Serien im Ganzen so
wichte. Wenn er aber das Gesetz für alle Elemente der ersten drei Mendelejeff’schen
Gruppen ausspricht, so können wir dem, was Mg, Ca, Zn, Cd betrifft, nieht beistimmen.
1) Lecog de Boisbeaudran, Comptes rendus 69 pag. 610.
Fo
60 H. Kıyser ws C. Rune:
wie wir an!) und erkennen, wenn auch mit dem Zusatz des Zweifels, die
Zugehörigkeit der rothen Kalium-Linien 770 und 766 zur violetten Serie.
Sie geben ferner die Zugehörigkeit der ultravioletten Natriumlinien zu
einer Serie an. Dafs aber der Ursprung dieser Serie in den D-Linien
liege, konnte die Anschauung allein nicht verrathen.
Ferner scheint uns von Bedeutung, dafs durch die gleichen Ord-
nungszahlen eine Beziehung zwischen den einzelnen Linien verschiedener
Elemente aufgestellt wird. Auch hier hat es nicht erst der numerischen
Ausführung bedurft um Zusammenhänge zu erkennen. Lecoq de Bois-
beaudran hat die sich entsprechenden Linien des Kaliums und Rubidiums
und auch in einigen Fällen des Caesiums aus der Anschauung entnom-
men und Ciamician hat die D-Linien mit den längsten beiden Wellen-
längen des Kaliums und des Rubidiums in Verbindung gebracht.
Linien, welche zu derselben Serie gehören, rühren vermuthlich von
den Schwingungen desselben Molecüls her. Ist diefs richtig, so wird bei
Dissociationen desselben wohl eine ganze Serie verschwinden können;
aber es ist unwahrscheinlich, dafs einige Linien derselben verschwinden,
andere bestehen bleiben sollten. Von diesem Standpunkt aus läfst sich
ein Beweis, den Lockyer?) für die Dissociation des Kaliums anführen
zu können glaubt, als unhaltbar nachweisen. Lockyer glaubt vom Ka-
lıum das Linienpaar der Hauptserie bei 404un und zwei Linien des Qua-
drupels der Nebenserien bei 580uu in dem Sonnenspecetrum gefunden zu
haben, die übrigen Linien nicht, also z. B. auch die längsten rothen nicht.
Er schliefst nun, bei der hohen Temperatur der Sonne sei das Kalium
dissoeirt, diese 4 Linien gehörten einem der Grundstoffe an, in welche
das Kalıum zerfalle. Das ist offenbar falsch, weil durch die von Lockyer
herausgegriffenen 4 Linien alle Serien sich als anwesend erweisen wür-
den; wenn diefs eine Paar der Hauptserie da ist, müssen es auch die übri-
gen sein, und wenn ein Quadrupel sichtbar ist, müssen auch die andern
Linien der Nebenserien vorhanden sein, die Serien können nicht ausein-
andergerissen werden. Die Intensitäten freilich können sich ändern bei
verschiedenen Temperaturen und bei verschiedener Dichte des emittiren-
1) Phil. Trans. 1583 pag. 213.
2) Lockyer, Nature 24 pag. 399.
Über die Spectren der Elemente. Jul 61
den Dampfes, bei sehr geringer Helligkeit wird man nur die stärksten
und optisch wirksamsten Linien sehen. So werden sich wohl auch Ver-
suche erklären, die Lockyer zum Beweis der Dissociation des Kalıums
an der angegebenen Stelle beschreibt; wenn er z. B. in einem Fall nur
die gelbgrünen Linien gesehen hat, so ist das ganz natürlich, weil diese
Wellen auf das Auge am stärksten wirken. Wenn er aber in einem an-
deren Falle nur die schwer sichtbaren längsten rothen Linien gesehen
haben will, so müssen wir das für einen Irrthum halten, es wird dann
jedenfalls auch das blaue Paar bei 404 vorhanden gewesen sein; dasselbe
ist ja freilich schwer zu sehen. Jedenfalls reichen derartige Versuche,
wenn sie nicht sorgfältiger durchgeführt sind, z. B. mit photographischen
Aufnahmen, nicht annähernd hin, um die Dissociation eines Elementes
wahrscheinlich zu machen. Übrigens haben wir ja auch oben bespro-
chen, dafs keine von den 4 Kalium-Linien im Sonnenspectrum vorhan-
den ist.
Wenn wir so ein Zerreilsen einer Serie und das Auftreten von
nur einzelnen Linien derselben für unmöglich halten, so scheint uns eine
Trennung der verschiedenen Serien von einander eher möglich, obgleich
auch die verschiedenen Serien durch das Gesetz von der Constanz der
Schwingungsunterschiede bei allen Serien sich als offenbar zusammenhän-
gend erweisen. Es wäre aber immerhin möglich, dafs die verschiedenen
Serien verschieden gebauten Molekülen angehörten, und dann würde auch
ihre Trennung möglich sein; es würde dann wahrscheinlich die Haupt-
serie dem einfachsten Molekularbau entsprechen, da sie besonders bei
hoher Temperatur deutlich herauskommt und die kürzesten Wellenlängen
besitzt, welche im allgemeinen erst bei höchster Temperatur emittirt
werden. Auch der Umstand, dafs die Linien der Nebenserien sich so
stark verbreitern, spricht deutlich dafür, dafs diese eomplieirtem Mole-
kularbau, also niedriger Temperatur angehören. Es wäre nach unserer
Ansicht von bedeutendem Interesse, wenn man über diese Frage Sicher-
heit gewinnen könnte, wenn sich ein Fall angeben liefse, wo nur eine
Serie erschiene, weil man dadurch der Erklärung des Ursprungs der ver-
schiedenen Serien um einen Schritt näher käme. Bei hoher Temperatur,
z. B. der der Sonne, sollte man nach unserer Ansicht erwarten nur die
Hauptserie zu finden. Nach unseren Messungen scheint es möglich, dals wir
62 H. KAyser und C. Runee:
beim Natrium einen solchen Fall haben; denn im Sonnenspectrum sind nur
die beiden Paare der Haupserie bei 589 und 330, welche überhaupt in den
Bereich des Sonnenspectrums fallen, sicher vorhanden, die Linien der Ne-
benserien aber mit grofser Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden. Die Li-
nien der Nebenserien sind aber leider alle so unscharf, dafs die Bestim-
mung der Wellenlängen nicht mit genügender Genauigkeit ausgeführt wer-
den konnte, um vollkommene Sicherheit über ihre Abwesenheit im Son-
nenspectrum zu geben.
Über die Spectren der Elemente. II. 63
Note.
Über die Genauigkeit der Öonstanten in den berechneten
Formeln.
Die drei Constanten der berechneten Formeln können ziemlich be-
deutende Änderungen erfahren, ohne dafs die Werthe der Formel erheb-
lich beeinflufst werden. Es können nämlich bis zu einem gewissen Grade
die Änderungen der verschiedenen Constanten sich eompensiren. In wel-
cheın Malse dies etwa geschehen kann, überblickt man am Besten mit
Hülfe eines von Tehebicheff gegebenen Satzes, den man in Bertrand’s
cale. diff. et int. I pag. 512 u. flg. ausführlich erörtert findet. Da wir
hier aber nur den einfachsten Fall dieses Satzes gebrauchen, so wollen
wir uns auf die allgemeine Erörterung nicht einlassen.
Wenn man in der Formel
A+-Bn”?-+-Cn”
A um «, B um @, Ü um y ändert, so ist die Änderung der Formel
a+ On? + yn*.
Gesetzt nun, man nimmt die Änderung einer der Constanten, z. B. %, ir-
gend wie an, so kann man fragen, wie weit sich diese Änderung durch
« und ® compensiren läfst. Wie müssen « und ® angenommen werden,
damit für alle in Betracht kommende Werthe von n
a + An? ynt
sich möglichst wenig von Null entferne? Um die Aufgabe zu vereinfa-
chen, wollen wir sagen, es soll sch «+ @n”?—+ yn* möslichst wenig
oO 9 fo) oO
von Null entfernen, wenn n alle Werthe zwischen n, und n,, nicht blofs
1
die ganzzahligen Werthe annimmt, n, sei der kleinste, n, der gröfste der
1
vorkommenden Werthe von n. Es kommt auf dasselbe hinaus, wenn man
D)
64 H. Kayser uno ©. Rune:
sagt, es solle a+ßx-+ ya? sich möglichst wenig von Null entfernen,
von 2=n,’ bis = n}’. Diese Aufgabe läfst sich auf die einfachere
zurückführen,
pt
so zu bestimmen, dafs es sich für ? gleich —ı bis + 1 möglichst wenig
von Null entferne. Denn setzt man
Ian = aim tn),
so wird ? von — 1 zu —+-1 laufen, wenn x von n,” zu n,? läuft. Hat
man demnach p und g richtig bestimmt, so braucht man nur ? durch x
ausgedrückt in p + gt-+-? einzusetzen und mit 4(n,’— n,?)’y zu multi-
plieiren, damit der Coöfficient von x” gleich y werde. Dann hat man
die gesuchte Function a+Px-+ya?”. Der gröfste, absolute Betrag,
welchen p—+gt—+!? für = —ı bis {= +1 annehmen kann, ist un-
ter denen für = —4 und t==1ı enthalten. Und man kann offen-
bar durch Änderung von p und q eine Verkleinerung des gröfsten dieser
absoluten Beträge erreichen, so lange sie nicht alle drei einander gleich
sind. Daraus findet man g=0, p=—4. Mithin ist die gesuchte
Function:
IR —n,) ren, )) 1.
Der gröfste Werth (absolut genommen), den die Formel für x = n,” bis
x —= n,* annimmt, ist gleich
ya’).
Danach kann man überschlagen, wie starke Änderungen der Constanten
A, 5, Ü unserer Formeln nach den Messungen zulässig sind.
Beitz. Binz m, ==19, 4so/ wird
a+ßx+y2?” = y[0.00259 — 0.12352 + 2°]
und der gröfste Werth ist:
0.00122y.
Wird y etwa gleich 3000 gesetzt, also « = 7.77, ß = — 370.5, so kann
die Änderung der ursprünglichen Formel nieht mehr als 3.66 betragen.
Man sieht daraus, dals in der Formel für die erste Nebenserie des Li-
thiums und ebenso in den Formeln für das zweite Paar von Nebenserien
des Natriums das Glied mit der dritten Constante, welche dort die Werthe
1847, 3589, 2926 hat, ganz weggeschafft werden könnte, ohne die be-
Über die Speetren der Elemente. II. 65
rechneten Werthe beträchtlich zu ändern. Im ersten Fall würde die Än-
derung der auf 5 Stellen berechneten reciproken Wellenlänge nur 0.00122
> 1847, im zweiten 0.00122 x 3589, im dritten 0.00122 x 2926 be-
tragen.
Sei ferner z.B. n, =4, n, = 11, so erhält man
« = 0.000884 , = — 0.0708%
und der grölste Werth wird
0.000937 y.
Setzt man y = 739, so wird « = 0.65, @= — 52.3 und der srölste
Werth 0.27.
Fügt man
N. re laslıne
zu der Formel für die Hauptserie der kleineren Wellenlängen der Paare
im Spectrum des Kaliums, so werden die Werthe derselben höchstens um
0.27 der fünften Stelle der reeiproken Wellenlänge geändert. Dadurch wird
die erste Constante genau gleich der ersten Constante in der Formel für
die weniger brechbaren Linien der Paare und auch die zweiten Constan-
ten nähern sich bis auf ein Drittel ihres vorigen Unterschiedes. Es wird
dadurch unsere Bemerkung verständlich, dafs die beiden Formeln eigent-
lich in den beiden ersten Constanten übereinstimmen mülsten.
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. )
66 H.Kayser un ©. Rune: Über die Spectren der Elemente. II.
Erklärung der Tafel.
Auf beistehender Tafel sind die Speetren der Alkalien nach dem Mafsstab der
reeiproken Wellenlängen gezeichnet. Zur leichteren Orientirung ist oben der Mafsstab der
Wellenlängen aufgetragen, darunter der Maafsstab der reeiproken Wellenlängen, und die-
ser ist über dem Speetrum jedes Elementes wiederholt.
Bei jedem Element ist in der obersten Linie das Spectrum eingetragen, wie es
in unseren Tabellen verzeichnet ist; in der folgenden Linie ist die Hauptserie eingetragen,
in der dritten und vierten stehen die Nebenserien. Durch Zusammenschiebung dieser
drei Reihen erhält man also wieder das ganze Spectrum bis auf die wenigen Linien, wel-
che von den Serien nicht aufgenommen werden.
Da der Mafsstab der Zeichnung so klein gehalten werden mulste, haben die en-
gen Paare nicht im richtigen Abstand gezeichnet werden können; sie liegen also im all-
gemeinen viel zu weit von einander entfernt. Aus demselben Grunde konnte auch bei
den Hauptserien des Natriums und Kaliums nicht angedeutet werden, dafs mit wachsender
Schwingungszahl die Paare enger werden. Die Tafel gibt daher nur einen Überblick
über die Zusammensetzung jedes Speetrums aus Serien, und über die Lage dieser Serien
bei den verschiedenen Elementen.
E.Preuß Akad.d
MNapfiab für
Lithium
Hauptserä
/ Nebenserte
2 Nebenserte
Natrium
m
Hauptsert
Nebenserte
Nebenserte
er
em.
Kalium
Beer
Hauptserte
Nebenserte
Nebenserte
———
Rubidiun
Hauptsert
Nebenserte
Nebenserte
m
I
Caesiun
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-—— Be >
Nebenserte
Nebenserre
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Kayser und Runge: Linienspeeiren der Alkalien.
PHILOSOPHISCH - HISTORISCHE
ABHANDLUNGEN.
Rn
A)
Den hen
[2
Griechische Marmorstudien.
Von
G. RICHARD LEPSIUS,
Professor an der technischen Hochschule und Direetor der geologischen Landesanstalt zu Darmstadt.
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 1
Vorgelegt in der Gesammtsitzung am 6. März 1890
[Sitzungsberichte St. XIII. S. 205).
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 4. Juli 1890.
Einleitung.
D.: Wort „uaguapes“ hatte bei den alten Griechen (so bei Homer) ur-
sprünglich nur die Bedeutung von Felsstücken ohne Rücksicht auf ihre
Gesteinsart!), und wurde später allen Gesteinen beigelegt, welche sich
poliren liefsen; in dem letzteren Sinne wird die Bezeichnung „Marmor“
auch jetzt allgemein in der Steintechnik und von den Laien gebraucht,
derartig, dafs so ziemlich alle harten Gesteine, welche durch ein dichtes
Gefüge oder durch eine genügende Festigkeit die Eigenschaft besitzen,
beim Schleifen eine schöne Politur anzunehmen, „Marmor“ genannt wer-
den. Dieser Gebrauch hat seine Berechtigung, da es in der Technik nur
auf die Brauchbarkeit eines Gesteines zu bestimmten Zwecken, nicht aber
auf die geologische Entstehung oder auf die mineralogische Zusammen-
setzung der Gesteine ankommt; der Laie vermag auch in der Regel nicht
die Natur eines Gesteines zu erkennen, da für solche Erkenntnifs meistens
eingehende geologische, mineralogische, mikroskopische und chemische Un-
tersuchungen, zum Theil recht schwieriger Art, erforderlich sind. In der
Praxis wird daher immer manches politurfähige Gestein „Marmor“ heilsen,
das in der Wissenschaft einen andern Namen trägt. Deshalb ist von
einigen Petrographen vorgeschlagen worden, in der Wissenschaft die Be-
!) Georg Curtius, Grundzüge der griechischen Etymologie. 4. Aufl. S. 554.
Leipzig 1873.
1%
4 G. R. Lepsıuvs:
zeichnung „Marmor“ ganz zu vermeiden; da wir jedoch aus demselben
Grunde auf manche andere in der Technik gebräuchliche Namen ver-
zichten mülsten, so wurde diesem Vorschlage nicht Folge gegeben.
In der Geologie nennen wir alle Gesteme „Marmor“, welche aus
kohlensaurem Kalk bestehen und eine krystalline Structur besitzen; die
dichten, nicht krystallinen Gesteine, die aus kohlensaurem Kalk bestehen,
nennen wir „Kalkstein“. Da der Marmor seiner ‚geologischen Entstehung
nach in der Regel aus dem Kalksteine durch allmähliche Umwandlung
der dichten, nicht krystallinen Gesteinsmasse in die krystalline Structur
entstanden ist, diese Umwandlung aber oft eine unvollständige und un-
gleichförmige war, so finden wir in der Natur alle Übergänge aus dem
dichten, muschelig brechenden Kalkstein in den krystallinen, körnigen Mar-
mor, und der Geologe kann daher oft im Zweifel bleiben, ob er ein halb
dichtes, halb krystallines Gestein noch „Kalkstein“ oder bereits „Marmor“
nennen soll. Im Ganzen sind jedoch diese Übergänge aus dem dichten in
das krystalline Gestein selten in gröfserer Ausdehnung vorhanden; mei-
stens befinden sich Kalkstein und Marmor in örtlich von einander ge-
trennten Lagerstätten, jedes Gestein für sich ganze Berge und Gebirge
zusammensetzend.
Unter dem Mikroskope vermögen wir am Genauesten die Structur-
Unterschiede des Kalksteins und des Marmors in geeigneten Präparaten
(sog. Dünnschliffen) zu studiren: der Kalkstein besteht aus sehr kleinen,
matt durchscheinenden, nicht wasserhell durchsichtigen, Form- und Struc-
tur-losen Stückchen von kohlensaurem Kalk (Kalkspath); diese Kalkkörn-
chen sind in der Regel so klein und wenig durchsichtig, dafs wir die
physikalischen Eigenschaften des Kalkspathes, also die vollkommene Spalt-
barkeit, die Zwillingslamellen, die optischen Erscheinungen, kurz die innere
Structur desselben im Mikroskop auch bei stärkerer Vergröfserung nicht
deutlich erkennen können. Meist vertheilen und zerstreuen sich unregelmäs-
sig zwischen und durch die Kalkkörnchen des Kalksteins sehr kleine Par-
tikelchen oder Fetzen von Kohlenstoffsubstanzen, durch deren Menge der
Kalkstein schwarz oder dunkelgrau gefärbt sein kann; auch viele Beimi-
schungen anderer Stoffe verunreinigen in der Regel den Kalkstein, beson-
ders kleine Körnchen der verschiedenen Eisenmineralien (Eisenoxyd, Braun-
eisen, Eisenkies).
Griechische Marmorstudien. 5
Dagegen sehen wir unter dem Mikroskop in einem vollständig aus-
krystallisirten Marmor, z. B. im Parischen Marmor, ein verhältnilsmäfsig
grolskörniges Mosaik von wasserhell durchsichtigen Kalkspath-Krystallen,
in denen wir die charakteristischen physikalischen Eigenschaften des
Kalkspathes scharf und deutlich beobachten können. Sowohl die matten,
structurlosen Kalkkörnchen, als die dunkel färbenden Kohlenstoff-Substan-
zen, wie wir sie in dem Kalkstein fanden, sind verschwunden: die erste-
ren lagerten sich um und vereinigten sich zu grölseren Kalkspath -Kry-
stallen, die letzteren verbrannten zu Kohlensäure. Auch die feinvertheil-
ten Eisenkörnchen sind zu einzelnen kleinen Krystallen, meist zu Magnet-
eisen, auskrystallisirt.
In einem weniger vollkommen umgewandelten und nicht vollständig
auskrystallisirten Marmor, wie z. B. in dem attischen Marmor, sehen wir
unter dem Mikroskop einen Theil der Gesteinsmasse bereits in einzelne
gröfsere Kalkspath -Krystalle umkrystallisirt, zwischen diesen Krystallen
ist aber noch ein grölserer oder geringerer Theil von den matt durch-
scheinenden grauen kleinen Kalkkörnchen des ursprünglichen Kalksteins
übriggeblieben.
Andere Marmore sind zwar vollständig und grobkörnig auskrystal-
lisirt, aber die krystalline Gesteinsmasse ist durch zu viele fremde Mine-
ralbeimengungen nicht wasserhell durchsichtig, sondern milchweils, oder
grau, dunkelgrau bis schwarz gefärbt, und läfst dann das Licht nur we-
nig eindringen.
Auch durch angehende Verwitterung verlieren die Marmore ihren
frischen Glanz und werden matt oder milchig undurchsichtig. Die Mehr-
zahl der grobkörnigen Marmore besitzt ein gelockertes Gefüge, derartig,
dafs das Tageswasser leicht in die zahlreichen feinen Spalten zwischen
den Kalkspath-Krystallen und auf den Spaltungsflächen in die Kalkspath-
Krystalle einzudringen vermag; im Allgemeinen wird daher ein Marmor
um so fester („härter“ sagen die Laien) sein, je feinkörniger er ist. Da
die Wasser am meisten in den Schichten nahe der Bergoberfläche eireu-
liren, sind die frischen und festen Marmore in gröfserer Bergtiefe zu ho-
len, und es mag diese Beobachtung wohl ein Grund dafür gewesen sein,
dals im Alterthum der beste und schönste Statuenmarmor auf der Insel
Paros in tiefen, unterirdischen Gruben gewonnen wurde.
6 G. R. Lersıvs:
Ich war früher der Ansicht, dafs es kaum möglich sein würde,
die verschiedenen griechischen Marmore mit einiger Sicherheit zu unter-
scheiden. Erst als ich mich in den letzten Jahren mit der Aufgabe be-
schäftigte, die Umwandlung des Kalksteins in Marmor nachzuweisen, er-
kannte ich im Mikroskope die verschiedenartigen Structuren der griechi-
schen Marmore; durch weitere Übung gelang es mir allmählig, die ver-
schiedenen Structuren auch mit der Lupe im frischen Gesteinsbruche
wahrzunehmen, und wurde es mir dadurch möglich, die im Nachfolgen-
den mitgetheilten Beobachtungen über die Marmorarten der antiken Denk-
mäler und Bildwerke in Athen und in den Museen von Athen, auch an
einigen andern Orten in Griechenland anzustellen.
Die Structur des Marmors wird verdeckt durch die Bearbeitung.
Auch ist die Oberfläche der Skulpturen zuweilen angewittert oder mit
Resten des Erdbodens überzogen!), in welchem dieselben oft Jahrhunderte
lang gelegen haben. Es war mir daher in vielen Fällen unmöglich, die
charakteristische Structur des Marmors an der Oberfläche der Skulpturen
zu erkennen, und ich mufs es hier rühmend erwähnen und dankbar an-
erkennen, dafs der Generaldireetor der griechischen Museen, Hr. Dr. Kav-
vadias in Athen, mir erlaubt hat für meine Untersuchungen, wo es nö-
thig war, kleine Proben von den Skulpturen abzuschlagen, nachdem er
sich durch den Augenschein davon überzeugt hatte, dafs mein geologi-
scher Hammer äusserst diseret verfuhr und nur sehr kleine Stücke an bereits
verletzten oder an den unbearbeiteten Theilen der betreffenden Bildwerke
abschlug; hierdurch war ich in den Stand gesetzt, nicht allein die Struc-
tur des Marmors im frischen Bruche zu untersuchen, sondern ich ver-
mochte nun auch die Proben miteinander und mit meinen Handstücken
!) In dieser Beziehung wäre es dringend nöthig, dafs die Denkmäler und Sta-
tuen in den Athener Museen, ganz besonders aber diejenigen im Museum zu Olympia
einer gründlichen Reinigung unterzogen würden! Die Statuen der Giebelgruppen vom Zeus-
tempel in Olympia sehen in Folge ihrer schmutzigen Oberfläche so stumpf und matt aus,
als wären sie aus todtem Sandstein oder Kalkstein und nicht aus dem lebensvollen Mar-
mor gebildet; selbst der Hermes des Praxiteles ist nur zum Theil gereinigt, sodals unter
Anderm noch die Reste der braunen Wurzelfasern des Erdreiches, in dem die Statue ge-
legen, an vielen Stellen der Oberfläche des schönen Parischen Marmor anhaften. Man
vergleiche die Statuen in den europäischen Museen, z. B. im Louvre, in dieser Beziehung
mit denjenigen in den griechischen Museen!
Griechische Marmorstudıien. 7
der Marmore, die ich vom anstehenden Fels in antiken Brüchen geschla-
gen, zu vergleichen, und wo es erforderlich war, einen mikroskopischen
Dünnschliff herzustellen. Ich habe dadurch eine ansehnliche Sammlung
von Marmorproben und mikroskopischen Präparaten griechischer Marmore
gewonnen, welche für die Vergleichung der verschiedenen Marmorarten
und für die recht schwierige Untersuchung und Unterscheidung der oft
sehr ähnlichen Marmorstructuren mir von grolsem Werthe ist.
Trotzdem würde ich wohl kaum zu einigen für archäologische
Zwecke brauchbaren Resultaten gelangt sein, wenn ich nicht dabei einem
praktischen und wie ich glaube allein zum Ziele führenden Gesichtspunkte
gefolgt wäre. Es giebt nämlich in den Bergen und Gebirgen von Grie-
chenland so viele verschiedene Marmorarten, und es lagern sowohl in
dem griechischen Continent, als auf den Inseln im Ägäischen Meere und
ın Kleinasien solche ausgebreiteten und mächtigen Massen von Marmor,
dafs es ganz unmöglich wäre, alle diese griechischen Marmore zu unter-
suchen. Es genügt, die Marmorarten der im Alterthum ausgebeuteten
Steinbrüche zu studiren; denn nur aus solchen antiken Brüchen können
die Marmore der griechischen Statuen, Denkmäler und Bauwerke stam-
men. Ich richtete daher meine Aufmerksamkeit ganz besonders auf an-
tike Steinbrüche und sammelte das Gesteinsmaterial, welches ich in sol-
chen Brüchen in Griechenland anstehend vorfand!). Da ich jedoch wäh-
rend meines dreimaligen Aufenthaltes in Griechenland eine andere Auf-
gabe, eine rein geologische, zu erfüllen hatte, so habe ich bisher nur eine
beschränkte Anzahl von antiken Marmorbrüchen, die im Folgenden nam-
haft gemacht werden, besuchen können. Auf dem griechischen Continent
kenne ich zwar zumeist die Gegenden, in denen Marmor überhaupt vor-
kommt: Attıka, Lakonien und Thessalien. Von den Inseln habe ich Pa-
ros und Naxos, auch einige andre Inseln der Oykladen, welche Marmor
!) Ich bemerke hier und mache die reisenden Archäologen darauf aufmerksam,
dals nur das am Ort gewachsene Gestein, dasjenige, welches der Geologe das am Ort
„anstehende“ Gestein nennt, für vergleichende Gesteinsstudien von Werth sein kann; es
wäre sonst ein Irrthum leicht möglich und man würde etwa ein vom Menschen zu irgend
einer Zeit in den Bruch verschlepptes Marmorstück aufsammeln können; auch muls ein
vom „Anstehenden“ geschlagenes Handstück einen frischen Bruch zeigen und darf nicht
ein verwittertes Gesteinsstück genommen werden.
8 G. R. Lersıuvs:
enthalten, besucht. Aber von Kleinasien kenne ich nur die in Ephesos
und auf der Burg von Pergamon verarbeiteten Marmorarten, und den
Marmor von der Insel Marmara (Prokonnesos) im Marmara-Meere, antike
Marmorbrüche habe ich bei diesen Orten in Kleinasien nicht aufgesucht;
deshalb werde ich hier die von mir in Ephesos und Pergamon gesam-
melten Marmorarten nicht besprechen.
Für die hier niedergelegten Studien über die Marmorarten der
griechischen Skulpturen mufs ich um eine nachsichtige Beurtheilung bit-
ten, weil diese Studien meine ersten in dieser Richtung sind, und weil es
eine recht schwierige Aufgabe war, die ich hiermit begonnen habe: denn
es gehört eine längere Übung und eine scharfe Beobachtung dazu, die
oft recht feinen und geringen Unterschiede in der Structur der griechi-
schen Marmore zu erkennen; auch ist es nicht immer leicht, diese Un-
terschiede mit präcisen Worten zu bezeichnen. Ich beabsichtige, diese
meine archäologisch-geologischen Marmorstudien weiter fortzusetzen, und
hoffe, dals ich, je mehr Material ich für die Vergleichung verschiedener
Marmorarten sammeln oder erhalten kann, um so genauere und bessere
Resultate werde erreichen können.
Ich schicke zunächst einige geologische Angaben voraus, um fest-
zustellen, in welchen Gegenden von Griechenland überhaupt Marmor vor-
kommen kann. Sodann werde ich diejenigen griechischen Marmore cha-
rakterisiren, welche ich selbst vom „Anstehenden“ aus antiken Marmor-
brüchen kenne, und einige Marmore anführen, welche ich an antiken
Skulpturen oder Bauwerken als selbständige Arten erkannte, deren Ur-
sprungsort mir jedoch unbekannt geblieben ist. Es folgt weiter das
Verzeichnifs von den Statuen und Denkmälern, welche ich in den Mu-
seen von Athen oder im Umfange der Stadt Athen und an einigen an-
dern Orten in Griechenland (Argos, Mykenae, Sparta, Messene, Olympia,
Larissa, Naxos) auf ihre Gesteinsbeschaffenheit hin untersucht habe. End-
lich will ich einige Beobachtungen mittheilen, die ich über Baumaterialien
an antiken Bauwerken in Athen und in einigen andern Orten in Griechen-
land gemacht habe.
Der Marmor lagert in Griechenland, wie in andern Ländern auch,
vorherrschend im azoischen Grundgebirge, also in den Schichtensystemen
der Glimmerschiefer und Gneisse. Dieses krystalline Grundgebirge tritt
Griechische Marmorstudien. 9
nur in den folgenden Landstrecken von Griechenland zu Tage: im süd-
lichen Theil der Insel Euboea, auf allen Inseln der Oykladen, mit Aus-
nahme der Inseln Amorgos und Milos; auf dem Continent nur in den
Bergen und Gebirgen der östlichen und mittleren Theile von Thessa-
lien, in Attika und in Lakonien, hier bis in die südlichen Berge von
Arkadıen und der Argolıs hinein. In Thessalien wird das östliche Kü-
stengebirge, also Olymp, Tempethal, Ossa, Pelion und die Magnesische
Halbinsel bis zur Einfahrt in den Golf von Volo aus den krystallinen
Schichtensystemen zusammengesetzt; ebenso besteht die Bergkette, welche
mitten durch Thessalien von Nord nach Süd von der Peneios-Enge zwi-
schen Larissa und Trikkala bis in die Gegend von Velestino (Pherae)
hindurchzieht, in ihren nördlich gelegenen Theilen aus den krystallinen
Gesteinen und führt besonders in dem Peneios-Durchbruch in der Gegend
von Alifaka und Zarkos ansehnliche Massen von Marmor. Die Berge und
Gebirge von Attika bestehen zum grölsten Theil aus dem krystallinen
Grundgebirge, und zwar aus Glimmerschiefer und Marmor. Im Pelopon-
nes finden wir diese ältesten Schichten fast nur in Lakonien, und zwar
hier vorwiegend im Parnon-Gebirge (Malevö) bis nach Arkadien (Tegea-
tis) und bis in die Argolis (Kynuria) hinüber; sodann im Taygetos und
in der Mani, der mittleren Halbinsel im Süden des Peloponnes.
In den übrigen continentalen Gebieten von Griechenland fehlt das
krystalline Grundgebirge an der Erdoberfläche vollständig; vielmehr ent-
halten dieselben nur bedeutend jüngere Schichtensysteme, nämlich die
Kalksteine, Thonschiefer, Mergel, Sandsteine und Conglomerate der Kreide-
und der Tertiär-Zeit!); wir treffen daher in den oben nicht genannten,
ausgedehnten Gebieten von Hellas und vom Peloponnes keinen Marmor,
1) Ich brauche hier nicht darauf einzugehen, dafs ich in Attika, im Parnon-
Gebirge und im Taygetos auch Marmore kenne, welche nicht dem krystallinen Grund-
gebirge angehören, sondern aus dem sehr viel jüngeren Kreidekalk durch Umwandlung
(Metamorphose) entstanden sind; diese local beschränkten Marmore können zumeist wegen
ihrer Kleinstückigkeit überhaupt nicht zu technischen Zwecken benutzt werden; auch fand
ich keine Spuren, dafs solche jüngeren Marmore im Alterthum oder in der Neuzeit in
Steinbrüchen ausgebeutet worden wären. Man hatte ja gerade in diesen drei Gebieten
ein viel schöneres und brauchbareres Material in den dort verbreiteten Marmoren des
krystallinen Grundgebirges. Im übrigen Griechenland kommen, so viel mir bekannt ist,
solche aus Kreidekalken entstandenen Marmore nicht vor.
Philos.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. 2
10 G. R. Lersıus:
keine Glimmerschiefer und Gneisse an; ich will hier namentlich hervor-
heben, dafs die Provinzen Boeotien, Argolis (mit Ausnahme der südli-
chen Berge in der Kynuria), Arkadien (mit Ausnahme der südöstlichen
Berge in der Tegeatis), Messenien, Elis und Achaja keinen Marmor füh-
ren. Diese Landschaften Griechenlands waren daher durchaus darauf an-
gewiesen, Marmor aus anderen Gegenden zu importiren.
Griechische Marmorstudien. ul
Beschreibung der griechischen Marmorarten.
a. Attıka.
Attika ist unter allen Landschaften von Griechenland verhältnifs-
mäfsig am reichsten mit Marmor ausgestattet: in dem krystallinen Glim-
merschiefersysteme von Attika lagert eine untere (das heilst geologisch
ältere) Marmor-Formation, deren Mächtigkeit etwa 500” beträgt; die-
selbe besteht fast ganz aus weilsem Marmor, wenige dünne Bänke oder
Schmitzen von Glimmerschiefer schalten sich im oberen Theil derselben
zwischen die dicken Marmor-Schichten ein. Dieser „Untere!) weilse Mar-
mor von Attika“, wie ich denselben nenne, bildet die Hauptmasse, und
zwar die inneren Theile der hohen Erhebung des Pentelischen Gebirges,
so dafs derselbe zu Tage tritt östlich vom Kloster Penteli, der Stätte,
auf welcher einst der Demos Pentele gestanden hat?), bis hinüber auf
die steil abstürzende Nordseite des Hauptkammes, auf der Seite, welche
sich gegen das Dionysos-Heilisthum im oberen Rapedosa-Thale wen-
det. Sodann besteht der hohe Rücken des Hymettos aus dem „Unteren
1) Für Nicht-Geologen bemerke ich hier, dafs der „Untere“, d.h. geologisch
ältere, früher als der „Obere“ entstandene Marmor, sich nicht immer auch räumlich unten
zu befinden braucht; er kann in den Gebirgen hoch hinaufgehoben sein, wie er denn
z.B. auf dem höchsten Rücken des Hymettos und auf dem höchsten Kamme des Pente-
likon lagert, während der Obere Marmor am Fusse und auf den mittleren Höhen dieser
Gebirge anzutreffen ist.
?) Ich nehme an, dafs die grofsen Schuttflächen, welche ich gleich oberhalb
des jetzigen Klosters in der Umgebung der grolsen, dort entspringenden Wasserquelle
antraf, die Stätte des antiken Demos Pentele war; von diesem Demos wurden die Mar-
morbrüche die „Pentelischen* und nach demselben wurde auch das Gebirge, welches frü-
her Brilessos hiefs, „Pentelikon Oros“ genannt; der Name ist dem Kloster „Pendeli*
oder „Mendeli* verblieben; vergl. L. Ross, Das Pentelikon bei Athen und seine Mar-
morbrüche, im Kunstblatt, Jahrg. 1837 No. 2—4, Berlin.
I*#
12 G. R. Lepsıvus:
weilsen Marmor von Attika“: von dem Passe zwischen dem Kloster
Asteri und dem Dorfe Liopesi an bis zu dem Pirnari-Passe, über wel-
chen ein Pfad vom Hofe Chasani hinüberführt nach dem Dorfe Koropi
in der Mesogia. Endlich verbreitet sich dieselbe mächtige Marmorstufe
in mehrfachen Aufbrüchen im Laurischen Berglande.
Eine zweite, dem geologischen Alter nach jüngere Marmorforma-
tion lagert in mehreren, nicht sehr mächtigen Zonen im den Glimmer-
schiefern, welche über dem „Unteren weifsen Marmor von Attika“ fol-
gen. Dieser „Obere Marmor von Attika“ unterscheidet sich von dem
„Unteren Marmor“ dadurch, dafs derselbe in der Regel grau und bläu-
lichgrau gefärbt und graustreifig gezeichnet ist, dafs er meist in scharf-
geschichteten Platten bricht, oft sogar ziemlich dünnplattig wird, so dals
aus ihm die Fufsboden-Platten gewonnen werden, wie sie im Alterthum
und in der Neuzeit in Athen stets verwendet wurden. Dieser „Blaue
Marmor“ wird gewöhnlich im Gegensatz zu dem Unteren weilsen Pente-
lischen Marmor als der „Hymettische Marmor“ bezeichnet: er bildet in
der That einen grofsen Theil der Nordspitze und der nordwestlichen Vor-
berge des Hymettos; er ist aber ebenso im ganzen Pentelischen Gebirge
verbreitet, wo er jetzt in grofsen Steinbrüchen östlich von Kephissia für
die Hausbauten der modernen Stadt Athen gebrochen wird. Auch im
Berglande von Laurion finden wir ihn wieder.
Diese ausgebreiteten und mächtigen Marmorlager in Attika!) wur-
den im Alterthum nur an wenigen Orten ausgebeutet, um zu Skulpturen,
Denkmälern, Inschriftsteinen und Bauwerken verwendet zu werden. Von
antiken Brüchen in Attika, in welchen andere Gesteine als Marmor ge-
brochen wurden, werden wir im letzten Abschnitte dieser Abhandlung
einige erwähnen, und zwar die auf der Halbinsel Akte am Piraeus („Ak-
tites Lithos“), die bei Kar& und bei Daphni an der heiligen Strafse nach
Eleusis; hier berücksichtigen wir zunächst nur die Marmorbrüche,
!) Ich habe Attika mit Unterstützung der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu
Berlin geologisch aufgenommen auf Grundlage der topographischen Karte von Attika im
Mafsstabe 1: 25000, welche bis jetzt in 14 Sectionen herausgegeben wurde vom Kais.
deutschen archäologischen Institut unter der Leitung von E. Curtius und J. A. Kaupert,
aufgenommen von Öffieieren des Königl. preussischen grolsen Generalstabes, Berlin 1875
— 1885.
Griechische Marmorstudien. 13
I. Der Untere weilse Pentelische Marmor.
Die antiken Marmorbrüche im Pentelikon liegen auf der Südwest-
seite des höchsten Theiles vom Pentelischen Gebirge; wenn man von der
Höhe der Akropolis in Athen gegen Nordosten blickt und die wie ein
Tempelgiebel schön geformte Bergpyramide des Pentelikon betrachtet, so
sieht man durch die klare attische Luft mit unbewaffnetem Auge die
Reihe der weilsen antiken Brüche etwas rechts vom Gipfel gerade hin-
untersteigen bis zu der Thaleinsenkung, in welcher versteckt hinter den
Vorbergen jetzt das Kloster Penteli steht; links vom Gipfel, aber nur in
halber Berghöhe erscheinen deutlich die grofsen weilsen Flecke der mo-
dernen Marmorbrüche.
Im Alterthum wurden derartige werthvolle Brüche, wie am Pen-
telikon, aus denen man grofse Marmorblöcke gewinnen wollte, sehr ra-
tionell betrieben: man schnitt den Berg stets in senkrechten Wänden an,
und stellte die Wände in Winkeln von 90° gegen einander, so dafs durch
den Abbau selbst immer schon rectangulär geformte Blöcke entstanden;
die nicht brauchbaren Stücke und der abfallende und abgemeifselte
Schutt wurde sogleich fortgeräumt und auf die Halden aufserhalb des
Bruches am Bergeshange abgestürzt: daher sehen wir, wenn wir von der
Stätte des Demos Pentele den antiken Pflasterweg, die alte Schleifbahn,
am Gebirge hinaufsteigen, diese grolsen und kleinen Brüche alle einer
über dem andern in der gleichen charakteristischen Form von senkrecht
in den Berg eingeschnittenen Steinkammern vor unsern Blicken sich öff-
nen; in den grolsen Brüchen stehen senkrechte Wände bis zu 30” Höhe.
Wir zählen auf dieser Bergfläche des Pentelikon fünfundzwanzig antike
Marmorbrüche, von denen der oberste fast auf dem höchsten Kamme
des Gebirges in 1020” Höhe über dem Meere liest (der Gipfel des Pen-
telikon besteht aus jüngerem Glimmerschiefer und Oberem grauen Mar-
mor; er erreicht die Höhe von 1108"). Wenn man eine ungefähre Be-
rechnung anstellt über die Quantitäten Marmor, welche aus diesen 25
Steinkammern am Pentelikon im Alterthum entnommen worden sind, so
gelangt man zu Massen von mehr als 400000°", Massen, die es begreif-
lich erscheinen lassen, dafs nicht nur in Athen die gröfsten Bauwerke
14 G. R. Lersıvs:
(Parthenon, Erechtheion, Propylaeen, Theseion, Olympieion) aus diesem
Marmor gebaut wurden, sondern dafs wir den Pentelischen Marmor an
vielen antiken Stätten Griechenlands (und nicht zum wenigsten auch in
Rom) wiederfinden; alle Museen Europa’s enthalten Statuen und Denk-
mäler, deren Material diesen Brüchen am Pentelischen Gebirge entstammt.
Einer der gröfsten antiken Brüche am Pentelikon ist derjenige, welcher
in ca. 700” Meereshöhe legt und in dessen Hintergrund eine Tropfstein-
höhle angefahren wurde, in der eine kleine byzantinische Kapelle eingebaut
ist; dieser Bruch wurde unter König Otto im Jahre 1836 nach Nord-
westen zu weiter ausgebrochen und lieferte die Werksteine zum Bau des
Königlichen Schlosses in Athen.
In anderen Theilen des Pentelischen Gebirges habe ich keine an-
tiken Marmorbrüche gesehen, auch nicht im Nordabhange des Haupt-
kammes, wo jetzt mehrere Brüche in Betrieb stehen. Es war auch ganz
rationell, dafs die Brüche im Alterthum auf einen nicht umfänglichen
Theil des Gebirges beschränkt wurden: so konnten alle Brüche den ge-
pflasterten Weg als Schleifbahn für die Blöcke den Berg hinab bis zum
Demos Pentele und von hier aus die gut gebaute Strafse nach Athen
für ihre von Maulthieren gezogenen schweren Lastwagen benutzen; auch
wohnten die Steinbrecher, die jedenfalls zumeist Sklaven waren, wohl
alle zusammen in dem Demos Pentele, nahe den Brüchen, in denen sie
arbeiteten. Auch gelangte man durch einen solchen concentrirten Abbau
in den grolsen Brüchen verhältnilsmäfsig tief in den Berg hinein und er-
reichte dadurch festere, bessere Marmorbänke, da die Gesteinsschichten
je weiter von der Bergoberfläche entfernt, um so weniger von dem ein-
dringenden Tageswasser angegriffen und weniger von Spalten und Klüf-
ten durchzogen werden.
Der Marmor aller dieser antiken Brüche auf dem mittleren Süd-
westabhange des Pentelischen Hauptkammes gehört zu der Marmorstufe,
welche wir oben den „Unteren Marmor von Attika“ nannten.
Der Untere weifse Pentelische Marmor zeichnet sich durch
die folgenden Eigenschaften von anderen Marmoren aus: er ist schnee-
weils, und zwar etwas stumpf milchig weils, mit einem Stich ins gelb-
liche; hellgraue Streifen kommen nur selten und in untergeordnetem
Maalse vor, während eine bläulichgraue Färbung und Streifung im Obe-
Griechische Marmorstudien. 15
ren Marmor von Attika (sog. „Hymettischer“ Marmor, und am Pentelikon
z. B. der Marmor aus den modernen Brüchen) die Regel ist und vor den
weilsen Tönen bedeutend vorherrscht.
Der Untere weifse Pentelische Marmor zeigt stets deutlich seine
krystalline Structur, und seine Zusammensetzung aus unendlich vielen
kleinen Kalkspath-Krystallen, deren Spaltungsflächen im auffallenden Lichte
erglänzen; dieser Glanz und Reflex, die leuchtende und schimmernde Na-
tur eines jeden Marmors (daher Asuxos ArSos, der weilse, eigentlich der
„schimmernde“ Stein, wie der Marmor von den griechischen Schriftstel-
lern genannt wurde!) ist beim Pentelischen Marmor in ansehnlich gerin-
gerem Mafse vorhanden, als bei dem guten Parischen Marmor, dem Aux-
virns ArSos (vergl. unten). Der weilse Pentelische Marmor ist feinkörnig-
krystallinisch, und zwar gleicht er in seiner Korngröfse (auch in der
Farbe) unserm gewöhnlichen deutschen Zucker, während er feinkörniger
ist, als der sog. Krystall- oder Kolonial-Zucker. Besonders charakteri-
stisch in dieser Structur ist, dafs die mit blolsem Auge sichtbaren Kry-
stalle durchschnittlich 0,5—1"", selten bis zu 2"”"” Durchmesser, aber
nicht über 2”" orofls werden, und dafs diese glänzenden Krystallkörner
von einander getrennt bleiben durch eine sehr feinkörnige bis dichte, matt
durchscheinende, milchweilse Grundmasse.
Unter dem Mikroskop bei durchfallendem und polarisirtem Lichte
erkennt man diese eigenthümliche Structur des Pentelischen Marmors
noch schärfer und charakteristischer: ein körniges Mosaik von wasserhell
durchsichtigen Kalkspath-Krystallen ist durchzogen von einer Zwischen-
masse von vielen sehr kleinen matt durchscheinenden oder trüb grauen
Kalkspath-Körnchen, die sich auch in Flecken oder in durchziehenden
Strähnen stellenweise anhäufen; die wolkigen Trübungen der Zwischen-
masse lösen sich bei starker Vergröfserung in winzig kleine Einschlüsse
fremder Mineralbestandtheile auf, welche zwar auch in den gröfser aus-
geschiedenen Krystallen, jedoch in geringerer Menge vorhanden sind;
diese winzigen Einschlüsse sind wegen ihrer Kleinheit weder mineralo-
1) Georg Curtius, Griechische Etymologie, 4. Aufl., Leipzig 1873, S. 160:
„Asus vom Stamme ?uz-, dessen speeifische Bedeutung die des Schimmerns zu sein
scheint“.
16 G. R. Lersiıuvs:
gisch, noch chemisch ihrer Natur nach festzustellen. Solche Verunreini-
gungen durch fremde sehr kleine Mineraltheilchen erscheinen in gröfserer
oder in geringerer Menge in allen Marmoren, auch im besten Parischen
Marmor, und sind in weit stärkerem Maafse in allen Kalksteinen vorhanden.
Die ausgeschiedenen, grölseren Kalkspath-Krystalle zeigen im mi-
kroskopischen Dünnschliffe deutlich die krystallographischen Eigenschaf-
ten des Kalkspathes: sie polarisiren meist in ziemlich lebhaften Farben;
die rhomboädrische Spaltbarkeit ist in scharfen Linien sichtbar; die Mehr-
zahl der Krystalle gliedern sich in mehrfach wiederholte Zwillingslamel-
len (polysynthetische Zwillinge); fast alle diese gröfseren Krystall-Körner
sind wasserhell durchsichtig. Krystallflächen haben sich freilich auch bei
den vereinzelten Körnern niemals ausgebildet, so dafs alle Krystalle un-
regelmäfsig abgerundet oder eckig gestaltet sind. Im Gegensatz zu die-
sen gut auskrystallisirten Kalkspath-Krystallen lassen die kleinen, matt
durchscheinenden Körnchen der dichten Grundmasse die optischen und
krystallographischen Eigenschaften des Kalkspaths nur in schwachem Maafse
oder gar nicht erkennen; besonders fehlen ihnen stets die Zwillings-
Lamellen und die scharfen Spaltungslinien; sie verhalten sich also ge-
rade so wie die Kalkkörnchen, welche die Gesteinsmasse der gewöhn-
lichen dichten Kalksteine zusammensetzen.
Die milchige Undurchsichtigkeit des Pentelischen Marmors rührt
her von dieser Zwischenmasse, von der Menge kleinster, trüber Kalk-
spath-Körnchen, welche wohl als ein Rest des ursprünglichen Kalkstein-
materials, aus dem der Marmor entstanden, zu betrachten ist.
Die Kornstructur der Marmore aus den antiken Brüchen am Pen-
telıkon ist nicht immer ganz genau die gleiche; sie schwankt in Grenzen,
welche allerdings nahe bei einander liegen, und in einem Maalfse, das erst
bei einiger Übung zu bemerken ist. So schlug ich vom Anstehenden in
einem der am weitesten nach Norden liegenden antiken Brüche verhält-
nifsmälsig körnige Varietäten, in denen das Krystallkorn vielfach 1—1,5”",
auch bis 2”" grofs wird und bedeutend an Menge vorwiegt gegen die
dichte Zwischenmasse vom kleinsten Körnchen. Solche Abarten des Pen-
telischen Marmors sehen dann wohl im ersten Anblick dem feinkörnigen
guten Parosmarmor ähnlich; z. B. ist der Erechtheion-Fries aus solchem
körnigen Pentelischen Marmor gefertigt. Auch in den modernen Brüchen
Griechische Marmorstudien. 17
auf der Nordseite des Pentelischen Hauptkammes gegenüber dem Dionyson
bestehen die dicken Bänke meist aus ziemlich körnigem Marmor; jedoch
ist der Tempel des Dionysos im oberen Rapedosa-Thale nicht aus die-
sem Marmor (es sind auch keine antiken Brüche auf der Nordseite des
Pentelikon vorhanden), sondern aus dem typischen Marmor der alten
Brüche beim Demos Pentele auf der Südseite des Gebirges gebaut worden,
wie ich constatiren konnte. Solchen weilsen Pentelischen Marmor, der
sich von dem gewöhnlichen Marmor der antiken Brüche durch etwas
gröfsere Körnigkeit unterscheiden läfst, werde ich als „Unteren weilsen,
ziemlich körnigen Pentelischen Marmor“ besonders bezeichnen.
Neben der Structur ist als charakteristisch für den Pentelischen
Marmor hervorzuheben, dafs derselbe häufig Glimmer und Eisenerzkörn-
chen enthält und zwar diese Mineralien in solcher Gröfse, dafs sie mit
blofsem Auge oder mit der Lupe zu erkennen sind. Der Glimmer ist
in der Regel der lichte, silberweilse Kali-Glimmer (Muskovit), sodann der
hellgrüne bis dunkelgraugrüne Chlorit-Glimmer; auch röthlich- violette
eisenhaltige Kali-Glimmer kommen vor; dagegen fehlt vollständig der
dunkelbraune Magnesia-Glimmer (Biotit), den ich in den Inselmarmoren
(z. B. von Paros, Tinos) kenne. Die genannten Glimmer liegen im Penteli-
schen Marmor angehäuft auf den Schichtflächen, oder sie ziehen in un-
regelmäfsigen Fladen und Strähnen parallel der Schichtung durch den
Marmor, oder sie finden sich nur in feinen Blätterdurchgängen oder end-
lich nur in vereinzelten Blättchen mitten in der Marmormasse verstreut.
Im Alterthum wurden diejenigen Marmorbänke vom Pentelikon, welche
dicke Glimmerfladen enthielten, entweder auf die Halde geworfen, oder
nur zu Bauwerken, aber nicht zu Skulpturen verwendet; im antiken Sta-
tuenmarmor vom Pentelikon sieht man daher nur die feinen Glimmerdurch-
gänge oder nur einzelne Glimmerblättchen. Den Werkstücken aus Pen-
telischem Marmor dienen starke Glimmeranhäufungen nicht zum Vortheil,
wie man an den Säulentrommeln des Olympieion oder des Parthenon er-
kennen kann, welche in den Glimmerflächen bei angehender Verwitterung
leicht zerspalten und abblättern.
Die Eisenerzkörnchen liegen nur vereinzelt im Marmor, vereini-
gen sich selten zu mehreren; sie bleiben meistens sehr klein, geben sich
aber dadurch leichter zu erkennen, dafs sie sich häufig umgeben mit einer
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. T. 3
18 G. R. Ler sıus:
braunen Zone, die durch Verwitterung des Eisens und Umsatz in Braun-
eisen (Eisenoxydhydrat) entstanden ist. In der Regel bestehen die Eisen-
körnchen aus Eisenkies, seltener aus Eisenglanz oder Magneteisen; im
Mikroskope sieht man, dafs diese Eisenerze ziemlich häufig auch in ganz
kleinen Körnchen im Pentelischen Marmor vorkommen.
Der Pentelische Marmor zeichnet sich daher vor anderen griechi-
schen Marmoren durch seinen Eisengehalt aus: die schöne goldbraune
Patina auf den Säulen und Werkstücken des Parthenon, der Propylaeen,
des Theseion, des Olympieion und aller anderen dem Wetter ausgesetzten
Bauwerke und Denkmäler aus Pentelischem Marmor rührt davon her, dafs
bei der Anwitterung der Gesteinsoberfläche der Kalk des Marmors vom
Regenwasser aufgelöst und fortgeführt wird, dagegen der Eisengehalt des
Marmors umgesetzt wird in Brauneisen (Eisenoxydhydrat), dessen inten-
sive braune Färbung auch bei Gegenwart von nur sehr kleinen Quanti-
täten deutlich zu Tage tritt. Ich liefs ein Stück schneeweilsen Marmors,
das ich in dem oben erwähnten antiken Bruche mit der Tropfsteinhöhle
(„Spilia“) vom Anstehenden schlug, analysiren; diese chemische Analyse
ergab einen für weilsen Marmor verhältnilsmäfsig hohen Gehalt an Eisen,
nämlich:
Kalkerde lad 56,000 pCt. kohlensaurer Kalk in Form
Kohlensäure 002 44,002 „ von Kalkspath.
Eisenoxyd Fe?03 0,122,
100,124 pÜt.
Dafs die Tempelreste auf dem Südkap von Attika, auf Sunion, so
schneeweifls erscheinen, während der Marmor derselben stärker verwittert
ist, als derjenige auf der Akropolis von Athen, kommt nur daher, dafs
der Marmor von Sunion, den wir unten unter No. V näher kennen ler-
nen werden, nach der chemischen Analyse, die ich von demselben aus-
führen liefs, kaum Spuren von Eisen in seiner Gesteinsmasse enthält.
Auch Quarzkörnchen sind unter dem Mikroskop im Pentelischen
Marmor zu beobachten, jedoch nur vereinzelt; in einem Dünnschliff von
ca. 2°" Gröfse konnte ich sechs solcher Quarzkörnchen zählen; auch in
anderen Marmorarten, z. B. auch in den Marmoren von Paros und von
Carrara, konnte ich derartige mikroskopisch kleine Quarze mitten zwi-
schen den Kalkspath-Körnern nachweisen. Gröfsere, mit blofsem Auge
Griechische Marmorstudien. 19
sichtbare Quarzaggregate sah ich im Pentelischen Marmor niemals, wäh-
rend ich dieselben aus Parischem und Carrarischem Marmor kenne; im
besten weilsen Carrara-Marmor kommen sogar zuweilen schöne, wasser-
hell durchsichtige Quarzkrystalle, rings von Krystallflächen umgeben, in
kleinen Hohlräumen des Gesteins vor. Den Bildhauern ist es bekannt,
dafs der Parische und Carrarische Marmor unter dem Stahlmeifselschlag
zuweilen Funken giebt, was nur von dem harten Quarze herrühren kann;
beim Pentelischen Marmor ist mir diese Kunde nicht zugekommen, ob-
wohl es nicht ausgeschlossen ist, dafs auch im Pentelischen gröfsere
Quarze anzutreffen wären, da ich die Gegenwart der Quarzkörnchen mikro-
skopisch auch in diesem Marmor nachweisen konnte.
Einige jüngere Archäologen haben bei ihren Untersuchungen in
Olympia und Athen neuerdings versucht, den Pentelischen Marmor vom
sog. Hymettischen oder vom Parischen dadurch zu unterscheiden, dafs
die beiden letzteren beim Zerschlagen oder bei kräftigem Ritzen mit
dem Messer in der Regel einen bituminösen Geruch wahrnehmen lassen,
der Pentelische dagegen niemals einen solchen Geruch zeigt; soviel mir
bekannt wurde, rührt diese Methode der Untersuchung von dem griechi-
schen Marmorarbeiter Kaludis her, der in Olympia bei Herrichtung und
Aufstellung der Skulpturen im Museum beschäftigt war, und der jetzt in
derselben Weise in den Athener Museen thätig ist. In der That erwei-
sen die meisten Marmore, z. B. die von Doliana in Arkadien, die aus
Thessalien, die von Naxos, Paros, Syra und den andern Cykladen, auch
die von Üarrara, in der Regel beim Zerschlagen einen Geruch, der übri-
gens nicht von Schwefel, wie meist angenommen wurde, sondern von
einem Bitumen, also von Kohlenwasserstoff-Verbindungen, herrührt. Wir
erwähnten bereits, dafs die Kalksteine und auch noch viele Marmore
kleine schwarze Kohlenstoff-Partikelchen enthalten, bei deren Verbrennung
derartige bituminös riechende Kohlenwasserstoff-Verbindungen entstehen.
Nach meinen Erfahrungen scheint dem weilsen unteren Marmor,
ebenso wie dem bläulichgrauen oberen Marmor aus dem Pentelischen Ge-
birge in der That stets dieser eigenthümliche bituminöse Geruch zu feh-
len, alle andern griechischen Marmore scheinen dagesen in der Regel
denselben in geringerem oder stärkerem Maalse zu besitzen; aber da ich
fand, dafs die letzteren auch zuweilen nicht riechen, so ist dieses nega-
3*
20 GR. LersTus:
tive Kennzeichen für Pentelischen Marmor nur mit Vorsicht zu verwen-
den. So fand ich z. B. in einem Steinbruche in den Vorbergen des Hy-
mettos am Ausgange des Kakorevma, also in der Gegend, in welcher
antike Brüche vorhanden sind, einen dunkelblaugrauen oberen Marmor
vor, der keine Spur von bituminösem Geruch zeigte. Dagegen riechen
allerdings die sämmtlichen Stücke, welche ich in den antiken Brüchen
auf der Insel Paros vom Anstehenden abschlug, ziemlich stark bituminös,
auch die vom besten, schneeweifsen Lychnites aus den unterirdischen
Gruben der Nymphen-Grotte.
Der Pentelische Marmor ist stets deutlich geschichtet; wenn graue
Streifen durch denselben ziehen oder gröfsere Glimmerfladen und Glim-
merdurchgänge, so verlaufen diese parallel der Schichtung. Man erkennt
auch in der Regel im kleinen Handstück, wie im Mikroskope, dafs die
Kalkspath-Krystalle, die Strähne der dichteren Grundmasse und vor al-
lem die Glimmerblättchen stets nach einer Richtung, und zwar parallel
der Schiehtung gelagert sind. Diese Schichtung des Pentelischen Mar-
mors hat den Vortheil, dafs die Blöcke lagerhaft geschnitten werden kön-
nen, d. h. dafs man den Marmor in dieken Platten oder Quadern paral-
lel den Schichtflächen und Schichtfugen leichter als nach den anderen
Richtungen aus der anstehenden Bank herausbrechen kann. In den moder-
nen Marmorbrüchen am Pentelikon benutzt auch der Arbeiter die Schich-
tung des Marmors, um lagerhafte Stücke zu gewinnen. Die Alten aber haben
nach meinen Beobachtungen sich selten nach der Schichtung gerichtet,
sondern häufig die Blöcke schief zur Schichtung aus dem Anstehenden
herausgehauen; und zwar folgte dies aus ihrer Methode des Abbaues in
den Marmorbrüchen: die Schichten fallen in den antiken Brüchen am
Pentelikon meist in schiefen Winkeln in den Berg hinein, während die
Alten den Berg stets in senkrechten resp. horizontalen Flächen einschnit-
ten. Wir sehen daher bei den Werkstücken antiker Bauten, die aus Un-
teren weilsen Pentelischen Marmor gefertigt wurden, auf der Akropolis,
am Theseion, am ÖOlympieion ete., die Schiehtung meist quer durch die
Säulentrommeln, Architrave und Mauerquadern hindurchlaufen — nicht
zum Vortheil der Haltbarkeit dieser Stücke: denn wir sehen zugleich, dals
das Regenwasser in diese Schiehtfugen und Glimmerdurchgänge eindringt
und von denselben aus den Marmor zernagt und anwittert; parallel den
Griechische Marmorstudien. 21
Schichtfugen blättern z. B. häufig Schalen und Platten von den Säulen-
trommeln des Parthenon oder des Olympieion ab; auch zerbrachen wohl
die aus dem Berg frisch gemeilselten Blöcke häufig gleich nach der Ge-
winnung oder beim Transport parallel einer versteckten Schichtfuge oder
in einem Glimmerdurchgange.
Obwohl die meisten Marmore eine Schichtung zeigen, da sie aus
geschichteten Kalksteinen entstanden, so sind doch bei den grobkörnigen
auskrystallisirten Marmoren die Schichtfugen im Ganzen durch die neu-
gebildeten Kalkspath-Krystalle stärker zugewachsen, als es bei dem fein-
körnigen, weniger vollkommen auskrystallisirten Pentelischen Marmor der
Fall ist; durch graue Streifen und Glimmerlagen wird beim Pentelischen
Marmor die Schichtung noch deutlicher sichtbar, während der Parische
und andere grobkörnige Inselmarmore selbst in gröfseren Blöcken oft gar
nicht, oder nur recht unvollkommen und undeutlich den Verlauf der Schich-
tung erkennen lassen.
Die versteckten Schichtfugen und Glimmerdurchgänge beim Pen-
telischen Marmor und im Gegensatz hierzu die gleichmäfsige und massige
Structur der Inselmarmore, waren wohl auch unter Anderem ein Grund
dafür, dafs die Bildhauer im Alterthum den letzteren vor dem attischen
Marmor vorzogen. Nur der grofse athenische Patriot Perikles liefs den
einheimischen Marmor auch für die Skulpturen seiner Prachtbauten auf
der Akropolis verwenden; daher leider auch die Giebelgruppen und die
Reliefs des grofsen Frieses und der Metopen jetzt oft in den Schicht-
fugen verwittert und abgespalten sind. Dagegen bestehen die Skulpturen
der Friese am Theseion und am Sunion-Tempel, die im Übrigen ganz
und gar aus attischem Marmor erbaut sind, nicht aus diesem, sondern
aus Parischem Marmor.
Immerhin erkennen wir auch beim Pentelischen Marmor, wie bei
allen Sediment-Gesteinen von ein und demselben Fundorte und selbst
aus ein und demselben Steinbruche, dafs seine Festigkeit und Wider-
standsfähigkeit gegen die Verwitterung und Zerstörung durch Regenwas-
ser und Sonnengluth verschieden grols ist; wir finden in den antiken
Brüchen am Pentelikon dichtere und festere („härtere“) Marmorbänke
wechsellagernd mit „loskörnigeren“ (d. h. lose im Gefüge der Kalkspath-
Körner), nicht mehr so frischen oder ursprünglich nicht so fest struirten
23 G. R. Lersıts:
Marmorlagern. Mir schien es auch z.B. als ob der Pentelische Marmor,
welcher am Erechtheion zur Verwendung kam, fester und frischer ist,
resp. sorgfältiger in den Brüchen ausgewählt worden wäre, als es mir
bei den Stücken des Parthenon und der Propylaeen der Fall gewesen
zu sein scheint; denn wie scharf und schön erhalten sind im Allgemei-
nen die vorzüglich gearbeiteten, zarten Ornamente am Erechtheion, im
Gegensatz zu den zum grofsen Theil an den Ecken, Kanten und Linien
stark abgewitterten Werkstücken am Parthenon und Propylaeen, die doch
aus demselben Penteli-Marmor gemeilselt wurden!
Il. Der Obere blaugraue Pentelische Marmor.
Über diesen Marmor kann ich mich hier kurz fassen, da derselbe
wenig im Alterthum zur Verwendung kam, und da mir auch keine grös-
seren antiken Brüche in solchem Marmor im Pentelischen Gebirge be-
kannt sind. Jedoch gewinnen die modernen Brüche am Pentelikon vor-
wiegend diesen Marmor: es sind das diejenigen Brüche, welche östlich
von Amarussi und Kephissia liegen, in der Umgegend der Kapelle Ha-
gios Georgios längs des Bergrückens hinauf bis zum Kokkinaras (841”)
und in halber Höhe des Gebirges im Thalhintergrunde 2°" oberhalb der
genannten Kapelle; von diesen grofsen Brüchen aus führen schwergebaute
Wagen, mit Pferden oder Maulthieren bespannt, die Marmorplatten, Mar-
morblöcke, auch ziemlich grofse Säulenmonolithe, Treppenstufen, Thür-
und Fensterpfosten etc. auf den Stralsen über Chalandri direet nach
Athen, wo die neueren, besseren Häuser und Prachtbauten diesen Mar-
morschmuck in reichem Maafse anwenden. Auch Fufsboden-Platten wer-
den, wie vom Hymettos, so auch aus diesen Pentelischen Brüchen jetzt
nach Athen geliefert. Der Untere weilse Pentelische Marmor wird nahe
seiner oberen Grenze gegen den auflagernden Glimmerschiefer bereits
blaugrau und blaustreifigs, und reichen daher die genannten modernen
Brüche bis in diese oberen Horizonte des unteren Pentelischen Marmors
hinab. Einige andere modernen Brüche liegen ganz im weilsen unteren
Marmor: so diejenigen, welche weiter südlich, am unteren Abhange des
Hauptkammes nicht weit von den antiken Brüchen nördlich vom Kloster
Griechische Marmorstudien. 3
Penteli, und die beiden Brüche, welche auf der Nordseite des Gebirges
am Fufs des höchsten Penteli-Gipfels gegenüber dem Dionyson eröffnet
sind. In den letztgenannten Brüchen wird ein Marmor gebrochen, der
ein wenig körniger ist, als derjenige in den antiken Brüchen der Südseite
des Gebirges; auch ist er schneeweils, enthält häufig grofse Fladen und
Durchgänge von grünem chloritischen Glimmer; er gehört zu dem be-
sten Marmor, den das Pentelische Gebirge überhaupt liefert.
Der obere bläulichgraue und graustreifige Pentelische Marmor ist
schwer vom oberen blaugrauen Hymettischen Marmor zu unterscheiden,
nur dadurch, dals er etwas körniger als dieser ist, und dafs er beim An-
schlagen keinen bituminösen Geruch entwickelt, während der Hymettische,
wie erwähnt, in der Regel bituminös riecht. Da indessen im Alterthum
der obere blaugraue Marmor offenbar nur wenig am Pentelikon, in gros-
sen Massen aber am Hymettos gewonnen wurde, so wird man selten fehl
gehen, wenn man den bei antiken Bauwerken oder Denkmälern verwen-
deten bläulichgrauen attischen Marmor für Hymettischen hält.
III. Der Obere blaugraue Hymettische Marmor.
Die zahlreichen antiken Brüche an den nordwestlichen und nörd-
lichen Abhängen des Hymettos enthalten sämmtlich den oberen grauen
und graustreifigen Marmor von Attika; im griechischen Alterthum wurde
dieser blaugraue, speziell „Hymettische“* genannte Marmor an Bauwerken,
bei Inschriftsteinen und zu einfachen Denkmälern in Athen vielfach ver-
wendet; jedoch scheint er noch mehr in späterer Zeit bei den Römern
beliebt gewesen zu sein, die ihn zur Kaiserzeit in zahlreichen und gros-
sen Werkstücken, besonders aber in Säulenmonolithen nach Rom gebracht
haben. Da der bei weitem grölste Theil der Marmore in Griechenland,
sowohl auf dem Üontinent als auf den Inseln, und ebenso in Kleinasien,
hellgrau oder graustreifig gefärbt ist, so kann der „Hymettische“ Mar-
mor leicht mit anderen grauen Marmoren verwechselt werden, falls man
nicht genau auf die charakteristische Structur dieses Marmors achtet!).
!) In der Beschreibung der Stadt Rom von Platner, Bunsen, Gerhard und
94 G. R. Lersıvs:
Die attischen Marmore besitzen im Allgemeinen eine ziemlich
gleichartige Kornstructur, durch welche sie sich wesentlich von den In-
selmarmoren (und von den kleinasiatischen) unterscheiden; ebenso wie
wir diese eigenthümliche Structur bei dem Pentelischen Marmor kennen
gelernt haben, so zeigt auch der obere blaugraue Hymettische Marmor
viele kleine Kalkspath-Krystalle in einer dichten, matten, schwach durch-
scheinenden Grundmasse von Kalkspath-Körnchen, deren einzelne Indivi-
duen nicht mit blofsem Auge oder mit der Lupe, sondern nur im Mi-
kroskope bei starker Vergröfserung von einander zu trennen sind. Dabei
ist der obere Hymettische Marmor im Ganzen feinkörniger und dichter
als der obere und der untere Pentelische Marmor: die Kalkspath-Krystalle,
die man durch ihre Spaltungsflächen in der dichten Gesteinsmasse er-
glänzen sieht, sind an Zahl geringer und sie bleiben kleiner (nur bis
0,5"", selten bis 0,8”" Korngröfse), als im Pentelischen; dabei wiegt die
dichte, matt erscheinende Grundmasse beim Hymettischen Marmor in der
Regel vor im Verhältnifs zu den einzeln ausgeschiedenen Krystallen; ja
es giebt in diesen oberen Zonen am Hymettos Bänke, deren Gestein so
wenig grölsere Krystalle enthält und das so dieht wird, dafs man es
kaum noch als Marmor gelten lassen möchte; solche dichten, weniger
gut auskrystallisirten Marmore vermitteln den Übergang zu den ursprüng-
lichen Kalksteinen. Jedoch sieht man in den makroskopisch recht dicht
erscheinenden Varietäten des Hymettischen Marmors in den Dünnschliffen
unter dem Mikroskop immer noch zahlreiche gröfsere, wasserhell durch-
sichtige Kalkspath-Krystalle, neben und zwischen denselben freilich ganze
Züge und unregelmäfsig vertheilte Flecken von sehr kleinen, matten, wol-
kig getrübten Kalkspath-Körnchen, die sich nur bei starker Vergröfserung
individualisiren lassen. Das Licht dringt daher wenig in diesen oberen
blaugrauen Hymettischen Marmor ein, so dafs Stücke dieses Marmors ein
Röstel, Bd. I S. 337 (Stuttgart 1830) wird angegeben, dafs der blaugraue Hymettische
Marmor jetzt in Rom „Marmo eipolla fino“ genannt wird; sowohl mit dieser italienischen
Bezeichnung, als mit den wirklichen Thatsachen stimmt es nicht überein, dafs der Hy-
mettische Marmor daselbst S. 337 im Gegensatz zu dem feinkörnigen Pentelischen Mar-
mor (dem „Marmo greco fino*) als ein „grolskörniger* Marmor bezeichnet wird. Auf-
fallend ist auch daselbst S. 337 die Angabe von Visconti, dafs die berühmte Gruppe
des Nil im Vaticanischen Museum aus Hymettischem Marmor bestehen soll.
Griechische Marmorstudıien. 95
ziemlich stumpfes Aussehen zeigen, und nur in dünnen Splittern das
Licht durchscheinen lassen.
Durch diese dichtere Structur können wir den Hymettischen Mar-
mor von ähnlichen grauen Marmoren hinreichend gut unterscheiden. Dazu
kommt, dafs der obere Hymettos-Marmor stets scharf geschichtet ist,
und häufig in recht dünnen Platten bricht, wie sie in Athen allgemein
zu Fliesen und Trottoirsteinen benutzt werden.
Auf den Schichtflächen breiten sich gewöhnlich Glimmerlagen aus;
auch durch die Gesteinsmasse hindurch ziehen sich parallel der Schich-
tung Strähne von zahlreichen Glimmerblättchen oder vereinzelte Glim-
merblättchen; es ist auch in diesem Marmor zumeist der silberweilse
Kalı-Glimmer (Muscovit) vorhanden, selten grüner Chloritischer Glimmer,
dagegen niemals der dunkelbraune Masnesia-Glimmer, wie er in den
grauen Inselmarmoren (z. B. von Paros, Tinos) vorkommt.
Die graue Färbung des oberen Hymettos-Marmors rührt her von
einer Masse sehr kleiner Kohlenstoff-Partikelchen, welche wir unter dem
Mikroskope besonders in der feinkörnigen Grundmasse, weniger zahl-
reich in den grölser ausgeschiedenen Kalkspath-Krystallen liegen sehen.
Ebenso tragen kleine schwarze Eisenkörnchen zu der grauen Färbung
bei. Wenn der Marmor etwas verwittert ist, werden oft die graublauen
Streifen gelbbraun dadurch, dafs der Eisengehalt des Marmors in braun-
färbendes Eisenoxydhydrat umgesetzt wird; man sieht zuweilen solche
gelbbraune Maserung in den Trottoir-Platten auf den Strafsen Athens;
jedoch fand ich auch ganz dieselben gelbbraun angewitterten Platten in
den modernen Brüchen im oberen hellgrauen Marmor am Pentelikon, so
dals derartige farbige Marmorplatten sowohl vom Hymettos als vom Pen-
telikon herstammen können.
Die antiken Brüche im oberen Marmor des Hymettos sind zum
Theil nicht mehr mit Sicherheit zu erkennen, weil auf den zunächst der
Stadt Athen zugewandten Abhängen des Gebirges zahlreiche moderne
Brüche eröffnet sind und jetzt in starkem Betriebe sich befinden, welche
mehrfach antike Brüche benutzt und erweitert haben; dies gilt beson-
ders für die Steinbrüche auf der ganzen Strecke zwischen dem Gehöft
Kara und dem Kloster Asteri. Diese Brüche bauen nicht allein Mar-
morlager zwischen den Glimmerschiefern ab, sondern auch die oberen
Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I, 4
26 GR. bee sus:
Zonen des unteren Marmors, welche Zonen auch hier, wie am Pentelikon,
bereits die grauen Färbungen und blaugrauen Streifen des oberen Mar-
mors annehmen. Dagegen ist der moderne Betrieb in die antiken Brüche
am Nordende des Hymettos noch weniger stark eingedrungen, so dafs
wir die charakteristischen Zeichen des antiken Abbaues in diesen Brüchen,
besonders auf der Nordostseite des Gebirges bei Jeraka und Kantza,
noch erkennen können. Südlich von Karä auf der Westseite des Ge-
birges tritt der obere Hymettische Marmor nicht mehr zu Tage; von
dort an wird das Hymettische Gebirge nur aus dem unteren weilsen at-
tischen Marmor und aus anderen, noch älteren Gliedern des krystallinen
Systems von Attika, und zwar aus Dolomiten und Schiefern, zusammen-
gesetzt.
IV. Der Untere weilse Hymettische Marmor.
Der ganze hohe Rücken des Hymettos vom Pafs zwischen Asteri
und Liopesi an bis zum Passe zwischen Chasanı und Koropi wird ge-
bildet aus diesem unteren ca. 500” mächtigen Marmor, der hier dasselbe
geologische Alter besitzt und derselben Stufe des unteren Marmors von
Attika angehört, wie im Pentelischen Gebirge. Es ist erklärlich, dafs
die Alten diesen unteren weilsen Marmor vom Hymettos im Ganzen we-
nig ausgebeutet haben, da sie im nahen Pentelikon einen weit schöneren
Stein besafsen: denn der untere weilse Marmor im Hymettos sieht zwar
dem Pentelischen unteren weilsen Marmor recht ähnlich, bei genauerer
Untersuchung erkennt man aber, dals derselbe im Allgemeinen weniger
gut auskrystallisirt ist, als der gleichaltrige Pentelische Marmor; die für
den attischen Marmor charakteristische Structur einzeln verstreuter Kry-
stalle in dichterer Grundmasse ist stets vorhanden, aber die letztere wiegt
häufig vor, so dafs der Marmor in der Regel stumpfer, matter, weniger
durchscheinend ist, als der Pentelische Marmor. Auch ziehen mitten durch
das krystalline Gestein oft Lagen und Bänder von ganz dichtem Marmor;
das kommt selten im Pentelischen Marmor vor. Ebenso gehen die grau-
streifigen Marmore der oberen Zonen tiefer hinab in die untere Stufe der
Hymettos-Marmore, und häufiger trifft man auch in dem weilsen, tiefer
gelegenen Hymettos-Marmor graustreifige Bänke an. Endlich entsteht
Griechische Marmorstudien. 97
beim Anschlagen des unteren weilsen Hymettischen Marmors in- allen
Fällen, im denen ich es beim anstehenden Gestein probirt habe, ein bi-
tuminöser Geruch, wie ich ihn bei dem gleichaltrigen unteren weilsen
Marmor vom Pentelikon niemals constatiren konnte.
V. Unterer weilser attischer Marmor aus dem Agrilesa-
Thale bei Sunion.
Die antiken Marmorbrüche im Agrilesa- Thale, 4*" nördlich vom
Kap Sunion gelegen, haben das Material zu dem Athena-Tempel auf Su-
nion geliefert. Eine noch recht gut erhaltene und sorgfältig gebaute an-
tike Strafse führt von Sunion über einen niedrigen Berspafs bis in die
Brüche; an dieser Stralse befinden sich noch mehrere Grabdenkmäler, deren
Quadern ebenfalls aus dem Agrilesa-Marmor gehauen sind. Mehrere, nahe
bei einander liegende, nicht umfangreiche Marmorbrüche in diesem klei-
nen Thale zeigen den sorgfältigen und rationellen Abbau, wie die gros-
sen Brüche am Pentelikon: lothrecht eingeschnittene Wände, in rechten
Winkeln gegen einander stolsend, horizontal abgemeilselte Flächen, kreis-
förmige Basen von abgekeilten Säulentrommeln, deren Durchmesser mit
den Säulen am Sunion-Tempel übereinstimmen, und andere Merkmale
beweisen den antiken Ursprung dieser seit dem Alterthum offenbar nicht
wieder benutzten Brüche.
Dieser Agrilesa-Marmor gehört seinem geologischen Alter nach der
unteren Marmorstufe von Attika an, welche im Laurischen Berglande nur
an wenig Stellen unter dem Glimmerschiefer zu Tage tritt, während sie
in der Tiefe die werthvollen Erzlager (silberhaltigen Bleiglanz, Zinkblende
und Galmei) enthält. Der Marmor aus den Brüchen im Agrilesa- Thale
ist nicht so schneeweils, wie der Pentelische, sondern zeigt zumeist einen
hellbläulichgrauen Ton, auch graue Streifung; dies kommt daher, dafs
hier nur die oberen Zonen der mächtigen Marmorstufe anstehen, und wir
haben bemerkt, dafs auch am Pentelikon und am Hymettos diese oberen
Horizonte der unteren attischen Marmorstufe in der Regel bereits die
hellbläulichgraue Streifung des oberen Marmors besitzen.
Die Kornstructur des Agrilesa-Marmors ist im Allgemeinen die-
4*
98 G. R. Lepsiıvs:
jenige des attischen Marmors, jedoch tritt in diesem Marmor die dichte
mattere Grundmasse verhältnilsmäfsig an Menge zurück gegen die zahl-
reich ausgeschiedenen Krystalle, welche bis 1"" orofs werden; im Pen-
telischen Marmor werden die Kalkspath-Krystalle oft etwas gröfser (bis
2”®); im Hymettischen Marmor wiegt die dichte Grundmasse mehr als
hier beim Agrilesa-Marmor vor — geringe Structur-Unterschiede, wel-
che zu sehen sich das Auge erst durch einige Übung gewöhnt, während
die bedeutenden Structur-Unterschiede zwischen den attischen und den
Inselmarmoren leichter zu erkennen sind.
Unter dem Mikroskop löst sich der Agrilesa-Marmor fast ganz in
ein Mosaik von kleinen Kalkspath-Krystallen auf, welche wasserhell durch-
sichtig sind, aus mehrfachen Zwillingslamellen bestehen und scharfe Spal-
tungsrisse zeigen; zwischen diesen vollkommen auskrystallisirten eckigen
Kalkspäthen bleiben viele kleine und sehr kleine, structurlose Kalkspath-
Körnchen in unregelmäfsiger Vertheilung übrig, welche die matt durch-
scheinende Grundmasse bilden; das mikroskopische Bild des Agrilesa-
Marmors entspricht daher am meisten demjenigen des unteren weilsen
Pentelischen Marmors, besonders den „ziemlich körnigen“ Varietäten.
Wir haben oben bemerkt, dafs die goldbraune Patina auf den Säu-
len des Parthenon und der anderen Bauwerke aus Pentelischem Marmor
herrührt von einem Eisengehalt dieses Marmors, durch dessen Verwitte-
rung und Umsatz in Eisenoxydhydrat (Brauneisen) die braune Oberfläche
entsteht. Im Gegensatz zu den Bauten auf der Akropolis von Athen
fällt es beim Anblick des Sunion-Tempels sogleich auf, dafs jene gold-
braune Färbung den Ruinen dieses Tempels vollständig fehlt: in reiner
Weilse leuchtet der Athena-Tempel auf dem 60” hohen dunkelbraunen
Felsenkap von Sunion über das blaue Meer. Es wäre ein Irrthum, wenn
man diese Eigenschaft der Ruinen auf Sunion etwa der stärkeren Ab-
witterung und Abwaschung durch den Regen zuschreiben wollte, welcher
dieser Tempel hier auf dem hohen Meereskap ausgesetzt wäre; auf Su-
nion regnet es sicherlich nicht mehr im Jahre als im ganzen übrigen
Attika. Allerdings sind die Ornamente und architektonischen Linien der
Tempelreste von Sunion ziemlich stark verwittert; auch tritt die Schich-
tung des Marmors bei der Verwitterung deutlich hervor; der Marmor ist
eben nicht so fest und haltbar, wie die meisten Pentelischen Marmore.
Griechische Marmorstudien. 29
Aber dafs die braune Patina fehlt, das liegt nur daran, dafs der Agrilesa-
Marmor kaum Spuren von Eisen enthält; daher konnte auf der verwit-
ternden Oberfläche der Werkstücke des Tempels ein Eisenoxydhydrat-
Überzug, wie beim Pentelischen Marmor, nicht entstehen. Um dies nach-
zuweisen, liefs ich ein Stück Marmor vom Anstehenden aus den antiken
Brüchen im Agrilesa-Thale chemisch analysiren; die Analyse konnte kein
Eisen nachweisen und ergab nur:
Kalkerde CaO 56,05 pCt.
Kohlensäure CO? 44,04 „
100,09 pOt.
Das Pulver dieses Marmors war vollständig löslich in kalter, ver-
Kohlensaurer Kalk als Kalkspath.
dünnter Essigsäure; es ist chemisch reiner kohlensaurer Kalk. Die mi-
kroskopisch kleinen Verunreinigungen des Marmors, die winzigen schwar-
zen, grauen oder farbigen Einschlüsse in den Kalkspäthen, welche wir in
diesem Sunion-Marmor, wie in allen andern Marmoren im Dünnschliffe
bei starker Vergröfserung erkennen können, sind chemisch nicht nachweis-
bar wegen ihrer zu geringfügigen Menge. Die grauen Streifen und die
hellbläulichgraue Färbung des Agrilesa-Marmors rührt her von solchen
minimalen Einschlüssen, welche besonders die kleinen Körnchen der dich-
ten Grundmasse trüben, während die gröfser ausgeschiedenen Krystalle
freier von denselben bleiben. Dafs die unter dem Mikroskope sichtbaren
kleinen schwarzen Flitterchen meist aus Kohlenstoff bestehen, ist dadurch
wahrscheinlich, dafs die graue Färbung des Gesteins beim Glühen ver-
schwindet; auch entwickelt der Agrilesa-Marmor beim Anschlagen einen
bituminösen Geruch, jedoch nicht einen so kräftigen, wie Hymettischer
Marmor.
Während die Säulentrommeln, Stufen, Architrave, kurz alle ar-
chitektonischen Theile des Sunion-Tempels aus dem Agrilesa-Marmor
gefertigt wurden, besteht der Relieffries an diesem Tempel aus grobkör-
nigem Inselmarmor (von Paros, jedoch natürlich nicht Lychnites, der
zu kostbar war, um für Reliefplatten verwendet zu werden), — also
entsprechend dem Theseus-Tempel in Athen, dessen Architektur-Theile
aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor, dessen Skulpturen aus
Parischem Marmor hergestellt wurden (vergl. im letzten Abschnitt die
Baumaterialien).
30 G.RALEP STUR!:
VI. Der obere attische Marmor in Laurion.
Im Laurischen Berglande verbreitet sich auch, wie am Pentelikon
und Hymettos, der obere Marmor von Attica; derselbe ist, wie gewöhn-
lich, graustreifig, oft recht dunkel gefärbt, aber auch weils bis gelblich-
weils; so wechsellagern z. B. bei Kypriano und Therikö dunkelblaugraue
mit weilsen Marmorbänken. Wie am Hymettos, ist auch hier dieser Mar-
mor stets plattig, oft ganz dünnplattig und scharf geschichtet; auf den
Schichtfugen breiten sich meist Glimmerblättchen aus. Die Structur die-
ses Marmors ist im Laurischen Berglande meist eine ziemlich dichte, oft
so dichte, dafs nur wenig kleine Kalkspath-Krystalle in der dichten, mat-
ten Gesteinsmasse zu sehen sind. Dabei ist der Marmor meistens ziem-
lich stark verunreinigt durch zahlreiche kleine Einschlüsse von Glimmer-
blättehen, Eisenkörnchen, Kohlenstoff-Partikelchen und andere bei ihrer
mikroskopischen Kleinheit nicht näher bestimmbaren fremden Bestand-
theile.
Ich erwähne diesen oberen Marmor von Laurion hier nur, weil
das antike Theater von Therikö in dem blaugrauen oberen Marmor des
krystallinen Systems von Attika eingeschnitten und aus dem anstehenden
Material gebaut ist. Viele in Therikö herumliegende antike Trümmer
bestehen auch aus den weilsen Bänken des oberen Marmors, der eben-
falls dort ansteht; die ganze Basis des zweispitzigen Velaturi-Berges, der
sich über der Stätte des antiken Bergwerks-Ortes Thorikos erhebt, ist
aus dem oberen attischen Marmor zusammengesetzt.
bi Peloponnes.
Der Peloponnes ist arm an Marmor. Das krystalline Grundge-
birge tritt nur zu Tage im Parnon- und Taygetos-Gebirge; aber in die-
sen Gebirgen findet sich kein edler Marmor, welcher den alten Meistern
für schön auszuführende Skulpturen in der Blüthezeit der Kunst geeig-
net erschienen wäre; nur in der älteren Zeit und zu einfachen Denk-
Griechische Marmorstudien. al
mälern, sowie für architektonische Zwecke wurde der einheimische Mar-
mor verwendet.
Die Glimmerschiefer herrschen in den krystallinen Gebieten von
Lakonien und Arkadien beiweitem vor; die Marmorlager in denselben
haben nicht die Ausdehnung und Mächtigkeit, wie in Attika. Ob auch
im krystallinen Grundgebirge des Peloponnes sich eine obere von einer
unteren Marmorstufe abtrennen läfst, das konnte ich bei den beschränk-
ten geologischen Studien, die ich bisher im Peloponnes machen konnte,
noch nicht nachweisen.
VII. Der Marmor von Dolianä ın Arkadien.
Das Parnon-Gebirge liegt zum gröfseren Theil in Lakonien, ragt
aber mit seinen nördlichen Ausläufern bis nach Arkadien hinein, und
zwar in die alte Tegeatis. Von der Ruinenstätte von Tegea beim Dorfe
Piali, auf der Hochebene von Tripolitza gelegen, steigt man nach Süd-
osten m 2—3 Stunden die Berge hinauf bis zu dem am Bergeshange ge-
bauten Dorfe Doliana; dieser Ort liegt etwa 300” über Tegea und ın
der Luftlinie 10°" von Piali entfernt; die Ebene von Tripolitza erhebt
sich 650— 680” über den Meeresspiegel. Eine breite Marmorzone zieht
unterhalb Doliana durch die krystallinen Schiefer, nach Westen bis in
den letzten hohen Berg dieses Gebirges, den 1350” hohen Marmaro-Vunö;
die zu Thal gehenden Schluchten durchschneiden den Marmor an den
Bergabhängen in einer Breite von ca. 1“". Gleich unterhalb der letzten
nach Westen gelegenen Häuser des Ortes haben die Dorfbewohner kleine
Brüche in dem lichtbläulichgrauen Marmor angelest, in denen sie die für
den Bau ihrer Häuser nöthigen Steine brechen und zu Treppenstufen,
Fenster- und Thürpfosten, zu Wassertrögen und Anderem verarbeiten. An-
tike Brüche waren den Dörflern von Dolianä in ihrer Gegend nicht bekannt.
Erst am zweiten Tage erfuhr ich beim Umherstreifen in der Umgebung
des Ortes von einem Hirten, dafs ein Platz am Abhange des Marmaro-
Vunö („Marmorberges“) „Kolonna“ heilse, weil dort eine Säule liege.
Ich hefs mich von dem Hirten dorthin führen, und fand daselbst, etwa
eine halbe Stunde nordwestlich von Dolianä entfernt, nicht allein eine
32 G. R. Lepsıus:
unfertige antike Säulentrommel („Kolonna“), sondern auch ausgedehnte
antike Marmorbrüche mit ihren charakteristischen Bearbeitungen der Mar-
morlager, mit grofsen Halden, Wagenspuren u. a. Dies sind die antiken
Brüche, aus denen sich Tegea und Mantinea für ihre Bauten und für
Skulpturen (für diese in beschränktem Maafse) mit Marmor versorgten;
auch im Tempel zu Bassae und auf dem Ausgrabungsfelde zu Olympia
konnte ich diesen Marmor nachweisen (vergl. den letzten Abschnitt über
die Baumaterialien).
Dieser Marmor aus den antiken Brüchen bei Doliana hat die fol-
genden charakteristischen Eigenschaften.
Bei oberflächlicher Betrachtung dem unteren Pentelischen Marmor
ähnlich, unterscheidet sich der Marmor von Dolianä sogleich dadurch von
jenem, dafs er nicht völlig weils ist, sondern stets einen Stich ins Bläu-
lichgraue zeigt oder eine hell bläulichgraue Färbung besitzt, ohne dafs
diese Färbung auffallend stark wäre oder in graue Streifung überginge,
wie beim Hymettischen Marmor. Die Kornstructur dieses Marmors ist
dadurch eine eigenthümliche, dafs in der beim frischen Gestein stets etwas
glasigen dichten Gesteinsgrundmasse viele kleine (0,5 —1"") Kalkspath-
Krystalle erglänzen; von diesen einzeln ausgeschiedenen Krystallen werden
manche etwas grölser (2—4""), jedoch sind dieselben dann meist nicht
voll ausgebildet, sondern bleiben skelettartig, durchbrochen von anderen
kleinen Krystallen oder von der dichten Grundmasse, und zeigen stets
zackige Ränder und spitzige Ecken; diese „zerfetzten“ Krystalle, wie ich
sie passend nennen möchte, habe ich in keinem anderen griechischen
Marmor so grols ausgebildet gefunden, dafs sie schon mit der Lupe oder
mit blofsen Augen gut zu sehen sind. Unter dem Mikroskope erkennt
man diese eigenthümliche Bildung freilich noch besser: langgezogene
und unregelmäfsig gestaltete Krystall-Skelette greifen allseitig zackig und
spitzig zwischen die umliegenden Krystallkörner hinein.“ Zwischen den
gröfseren Kalkspath-Krystallen liegen sehr viele kleine, structurlose Kalk-
spath-Körnchen, welche die fast vorherrschende dichte, glasartig glän-
zende, wenig durchscheinende Grundmasse des Gesteins zusammensetzen.
Der Marmor von Dolianä läfst das Lieht nur durch dünne Split-
ter wenig durchscheinen, so dafs er einen ziemlich stumpfen Eindruck
macht, weniger schön und glänzend als der Pentelische; jedoch unter-
Griechische Marmorstudien. 33
scheidet er sich noch deutlicher vom Pentelischen dadurch, dafs seine
dichte Gesteinsgrundmasse in frischem Zustande eine hellbläulichgraue
Färbung und einen glasartigen Glanz besitzt, während dieselbe im Pen-
telischen Marmor milchweils und undurchsichtig erscheint.
Der Doliana-Marmor entwickelt beim Zerschlagen einen bitumi-
nösen Geruch. Er enthält ein wenig Eisen: nach einer chemischen Ana-
lyse, die ich machen liefs, ebenso viel, wie der Pentelische Marmor, näm-
lich 0,12 pÜt. Eisenoxyd; daher sieht man auch auf den Verwitterungs-
flächen dieses Marmors von Dolianä häufig gelbbraune bis rothbraune
Eisenhäute (auch bei den Denkmälern aus Dolianä-Marmor, vergl. unten
die No. 221, 222). Unter dem Mikroskope erkennt man viele sehr kleine
Einschlüsse fremder Mineraltheilchen, farbige Körnchen und dunkle Pünkt-
chen, welche die schwach bläulichgraue Färbung des Gesteins hervor-
rufen; in einem Dünnschliffe fand ich auch zwei gröfsere, rundliche, un-
regelmälsig begrenzte Quarzkörner, voller Einschlüsse, vor. Durch die
Verwitterung wird die dichte Grundmasse aus ihrem glasartig glänzenden
in einen trüben, milchweilsen Zustand übergeführt; die grölser ausge-
schiedenen Kalkspath-Krystalle treten dann noch deutlicher und mit bläu-
lichgrauer Färbung hervor; bei fortgeschrittener Zersetzung fühlt sich das
Gestein sandig an, und es zerfällt schliefslich auch feinkörnig-sandig, wenn
man hier für die auseinanderfallenden Kalkkörner die Bezeichnung „Sand“,
die eigentlich nur dem Quarzsande zukommt, anwenden darf.
Der Marmor aus den antıken Brüchen bei Dolianä, aus welchem
der Athena-Tempel in Tegea (und auch wohl noch andere Gebäude die-
ser antiken Stadt) erbaut war, läfst sich demnach leicht von den In-
selmarmoren unterscheiden, während man sich vor Verwechselung mit
Pentelischem Marmor zu hüten hat. Die Schichtung tritt wenig deutlich
hervor; im Ganzen ist die Marmormasse auch recht zerklüftet, da die
Brüche nicht sehr tief in den Berg eingedrungen sind, so dals grolse
Blöcke wohl schwer zu gewinnen waren; es schien mir auch, dafs die
antike Säulentrommel, die neben einem Bruche dort liegt, unvollendet
geblieben war wegen eines Sprunges, der in das bearbeitete Stück hin-
einzieht. Die ganze Marmoreinlagerung im Glimmerschiefer bei Dolianäa
hat eine sichtbare Ausdehnung von 1*" Breite und 4—5*"” Länge von
West nach Ost.
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. B)
>
34 ROLE STIUES"®
Ungefähr 8*“ weiter südlich von Dolianä gelangen wir, auf dem
Parnon-Gebirge aufsteigend, zu dem grofsen, freundlich gelegenen Orte
Hagios Petros. Für ihre Haus- und Kirchenbauten (im Sommer 1889
wurden dort zwei grolse Kirchen gebaut) brechen die Bewohner von Ha-
gios Petros anderthalb Stunden oberhalb des Dorfes in der tiefen Schlucht
westlich unter dem 1937” hohen Gipfel des Malevös in kleinen Brüchen
einen hellgrauen und einen dunkelgrauen Marmor; es sind ähnliche Mar-
moreinlagerungen im Glimmerschiefer, wie bei Doliana. Antike Brüche
giebt es in dortiger Gegend nicht, da diese Marmore nicht besonders
schön, nicht „edel“ sind, und zugleich ihr Vorkommen tief im Gebirge
und weit entfernt von antiken Städten lag. Der schöne neue Lettner
und Altar in der Hauptkirche des heiligen Petrus ist aus dem weilsen
Pentelischen Marmor von einem Athener Meister gebildet; ob nur der
einheimische Marmor, oder ob auch die einheimischen Künstler für diese
feineren Arbeiten nicht genügten, will ich dahin gestellt sein lassen. Ich
erwähne diesen Altar und Lettner aus Pentelischen Marmor hier nur des-
wegen, um zu zeigen, dafs selbst unter den jetzigen dürftigen Verhält-
nissen bis hier hinauf in das Innere des Parnon-Gebirges der Pentelische
Marmor in architektonischen Werken gebracht wurde; wir dürfen uns
daher nicht wundern, dafs in den weit reicheren und künstlerisch viel
begabteren Zeiten des Alterthums Marmorbildwerke aus Pentelischem und
Inselmarmor oft weite Wege nahmen und zur Blüthezeit der griechischen
Kunst auch im Peloponnes weit verbreitet wurden, da dem gereiften Ge-
schmacke weder die unedlen einheimischen Marmore noch oft die einhei-
mischen Künstler Genüge zu thun vermochten.
VII. Marmor aus dem Oinusthal bei Sparta.
Im Parnongebirge, und zwar auf der Südwestseite des Malevös im
oberen Oinusthale, das bei Sparta in den Eurotas mündet, liegen zwei
srolse antike Marmorbrüche zwischen den beiden Dörfern Vamvakü und
Vresthena; wenn man in der Thalschlucht von Vamvakü eine Stunde ab-
wärts geritten ist, öffnen sich im linken Thalgehänge die Brüche, welche
seit dem Alterthume unberührt geblieben zu sein scheinen: in senkrech-
Griechische Marmorstudien. 35
ten Wänden bis zu 20" Höhe sind die Brüche in den Berg eingeschnit-
ten; grolse Halden sieht man von den Brüchen gegen die Thalseite her-
abgeschüttet.
Der Marmor, welcher hier im Alterthume gewonnen wurde, ist
nicht weils, sondern farbig, hellblaugrau und gelblich, von Glimmerlagen
durchzogen; das blaugraue Gestein herrscht vor. Dieser Marmor ist im
Ganzen etwas grobkörniger, als derjenige von Dolianaä oder vom Penteli-
kon, jedoch bleibt er noch immer weit entfernt von der Grobkörnigkeit
der Inselmarmore. Er besitzt auch eine dichte bis feinkörnige Grund-
masse, die aber an Menge gegen die zahlreichen einzelnen, durch ihre
Spaltungsflächen glänzenden Kalkspath-Krystalle zurücktritt; die ausge-
schiedenen Krystalle werden häufig 2—3"" grols. Es ist kein edles Ge-
stein: das Licht vermag kaum in dasselbe einzudringen, daher die Ge-
steinsmasse einen stumpfen Eindruck macht; auch die einzeln ausgeschie-
denen Krystalle für sich betrachtet, sind wenig durchsichtig, sie reflecti-
ren das Licht auf den spiegelnden Spaltungsflächen des Kalkspathes.
Häufig ziehen Lagen von silberweilsem Kalıglimmer durch diesen
Marmor, sowohl durch den grauen, noch mehr aber durch den hellgelben,
der oft durch viele Glimmerlagen die Schichtung deutlich hervortreten
läfst. Im Allgemeinen gleicht der Marmor dieser Brüche semer Korn-
structur und den Glimmerdurchgängen nach am meisten dem Pentelischen,
unterscheidet sich aber von diesem durch seine Farbigkeit; auch ist er
im Ganzen etwas körniger.
In den hohen Wänden der Brüche sieht man die Marmormassen
ziemlich stark zerklüftet; jedoch dringen die Brüche weit genug in den
Berg, um auch an die tieferen, festeren Bänke zu gelangen.
Von diesen Brüchen das Oinusthal hinunter bis Sparta ist es
etwa 20“ weit; da ich im Museum zu Sparta mehrere Denkmäler vor-
fand, die aus diesem Marmor bei Vresthena gebildet sind, so kann kein
Zweifel bestehen, dafs im Alterthume in Sparta Marmor von dort ver-
wendet wurde, und zwar wahrscheinlich noch mehr zu Bauzwecken, als
zu Skulpturen und Inschriftsteinen. In der Umgegend von Sparta sind
mir sonst keine antiken Marmorbrüche bekannt geworden, auch nicht im
Taygetos, obwohl in diesem Gebirge auch weilser Marmor vorkommt;
z. B. trifft man in der Langadha-Schlucht zwischen Sparta und Kalamata
5 ”
36 G. R. Lersıvs:
weifsen Marmor an, jedoch in so kurzklüftigen Massen und mit so wenig
gut ausgebildeter krystalliner Structur, dafs eine Verwendung desselben
von vorn herein ausgeschlossen erscheint.
In der Mani, der mittleren Halbinsel des Peloponnes, in welche
das Taygetos-Gebirge südlich ausläuft, lagern Marmore im Glimmerschie-
fer, gerade wie im Parnon-Gebirge, häufiger ein, jedoch auch keine edlen
Marmorarten; so sah ich in Sparta und Kalamata bei den modernen Haus-
bauten hellgraue, körnige Marmore verwendet, die nach einer freund-
lichen Mittheilung von Dr. Philippson, der die Mani bereiste, auf der
Ostküste an der Ausmündung des Thales von Pachianika gebrochen
werden.
Antike Steinbrüche sind jedoch in diesen Gegenden des westlichen
Lakoniens nur bekannt für den Labrador-Porphyr (den sogen. Porfido
verde antico) bei dem alten Demos Krokeae zwischen den jetzigen Orten
Marathonisi (Gythion) und Levetsova, und für rothen Marmor (Rosso an-
tico) bei der Kapelle Hagios Elias oberhalb Dimaristika an der Ostküste
im südlichsten Theile der Mani. Ich will hier auf das Vorkommen und
die Eigenschaften dieser beiden berühmten Gesteine des Alterthums nicht
näher eingehen, da dieselben hinreichend bekannt sind, und da ich die
Brüche derselben nicht selbst besucht habe. Der schöne Porphyr!), aus
dessen dunkler dichter Grundmasse die grünen Labrador-Krystalle her-
vorleuchten, wurde, wie es scheint, erst von den Römern zur Kaiserzeit
verwendet. Die antiken Brüche, in welchen der schwarze „Taenarische
Marmor“ oder vielmehr Kalkstein gebrochen wurde, sind noch nicht ent-
deckt worden, obwohl es bekannt ist, dafs schwarzer Kalkstein auf der
Taenarischen Halbinsel nördlich vom Hafen Kisternaes ansteht.
Die westlichen und nördlichen Provinzen des Peloponnes enthal-
ten keinen Marmor, sodafs diejenigen Marmorstücke, welche wir z. B. in
den Ruinen des Tempels von Bassae oder auf dem Ausgrabungsfelde von
Olympia antreffen, sämmtlich von auswärts dorthin gebracht wurden
(siehe unten den letzten Abschnitt, Baumaterialien).
1) Über diesen Labrador-Porphyr, der natürlich nicht Marmor genannt werden
darf, siehe: A. Delesse, M&moire sur la constitution des roches des Vosges, in Annales
des mines, Bd. XII, S. 195 — 306, Paris 1848.
; Griechische Marmorstudien. 37
c. Thessalien.
In Thessalien fand ich Marmore in. ziemlich weiter Verbreitung
vor: das ganze östliche Küstengebirge von der Halbinsel Magnesia an
über den Pelion und Ossa, durch das romantische Thal Tempe bis in den
gewaltigen Bergstock des Olympos, besteht zum gröfsten Theil aus kry-
stallinen Schiefern, aus Glimmer- und Chlorit-Schiefern, in denen mehr-
fach bedeutende Marmormassen eingelagert sind; so zeigt das Thal Tempe
dadurch so schroffe und zerklüftete hohe Thalwände, dafs hier der Pe-
neios-Flufs zumeist Marmor, und zwar einen hellgrauen, unreinen, un-
edlen Marmor durchbrochen hat. Auch die Hügel beiderseits des Hafens
von Volo, auf denen im Alterthum die Städte Pagasae und Demetrias
lagen, bestehen aus einem grauen, körnigen Marmor; die unregelmäfsig
betriebenen Steimbrüche, welche ich in diesen Hügeln sah, mögen wohl
zum Theil antiken Ursprungs sein; sie werden noch jetzt ausgebeutet für
Kalköfen und für Bruchsteine zu den Hausbauten in der neuen Stadt Volo.
Alle diese Marmore sind zu unrein, undurchsichtig und ungleichförmig,
als dafs sie von den alten Meistern zu Skulpturen hätten verwendet wer-
den können.
Ein schöner weilser Marmor wird jetzt auf der Nordseite der Halb-
insel Trikeri, welche sich südlich dem Golf von Volo (dem Pagasäischen
Meerbusen) quer vorlegt, in grolsen Steinbrüchen gewonnen; ich sah die-
sen Marmor bei den Steinmetzen am Hafen von Volo, wohin er mit klei-
nen Schiffen in schönen grofsen Werkstücken gebracht wird: er zeichnet
sich dadurch aus, dafs die Kalkspath-Krystalle nach einer Richtung lang-
gestreckt sind, dals er glasartig glänzt, nicht grobkörnig ist und das Licht
wenig eindringen läfst. Sowohl die Steinmetzen als andere Leute in Volo
versicherten mir, dafs dort drüben auf der Halbinsel Trikeri bei den mo-
dernen auch antike Steinbrüche zu sehen wären; ich konnte nicht zu
dem Ort gelangen, da die Dampfschiffe dort nicht anlegen, und man zu
Lande wohl 10 Stunden von Volo bis zu den Brüchen zu reiten hat. Da
auf der Halbinsel Trikeri im Alterthum mehrere Orte lagen, so werden
die Bewohner derselben wohl den schönen Marmor gewonnen haben; ich
sah indessen unter den thessalischen Skulpturen keine aus diesem Mar-
38 G. R. Lepsıus:
mor von Trikeri, der so charakteristisch und eigenartig struirt ist, dafs
ich ihn leicht erkannt haben würde; ich habe freilich in Thessalien an-
tike Stücke nur aus Larissa und nächster Umgebung untersucht, und
dieser Stadt liegen die Marmore in der Peneios-Enge bei Alıfaka bedeu-
tend näher, als der Marmor auf der Halbinsel Trikeri.
Der breite wasserreiche Peneios durchbricht das mittelthessalische
Gebirge in der Strecke zwischen Trikkala und Larissa; die südlichen
Theile dieses Bergzuges, welcher von Nord nach Süd die grofse thessa-
lische Ebene in zwei Hälften zerschneidet, sind niedrige Tertiär-Hügel
(jetzt Kara-Dagh, einst die Kynoskephalae), während im Norden am Do-
brutscha-Dagh der Peneios das krystalline Grundgebirge durchschneidet:
hier bei Koutsokiro, Zarkos und Alıfaka, in den Bergen zu beiden Seiten
des Peneios stehen ziemlich grolse Massen von Marmor an. Da wo der
Flufs auf seinem rechten Ufer hart an die Berge streift, liegt das „Pa-
laeocastro von Alıfaka“, eine antike Stadt, deren Mauern und Thore noch
erhalten sind; nahe oberhalb dieser Stadt, welche meist für das antike
Phakion gehalten wird, während neuerdings Dr. Lolling das alte Atrax
hier suchte, sieht man in den Bergabhängen mehrere unregelmäfsig be-
triebene antike Marmorbrüche, aus denen ich Marmorarten an Denkmä-
lern in Larissa erkennen konnte.
IX. Marmore beim Palaeocastro von Alifaka in der
Peneios-Enge.
Diese Marmore sind ziemlich grobkörnig und gleichen in ihrer
Structur eher dem Marmor von den Inseln, als vom Continent; auch im
thessalischen Küstengebirge habe ich so grobkörnige Marmore nicht ge-
sehen. Die Kalkspath-Krystalle in diesen Marmoren von Alifaka werden
2—3"", selten bis 4”” grols; jedoch sieht man auch zahlreiche kleinere
Krystalle neben den gröfser ausgeschiedenen. Die Durchsichtigkeit des
Gesteins ist gering, einige milchweilse Arten lassen auch in dünnen Split-
tern kaum das Licht durchscheinen. Dabei sind diese Marmore meist
gefärbt, vorherrschend grau, und zwar in der Regel hellgrau, oft so
licht, dafs der Marmor weils mit einem Stich ins Graue zu nennen ist;
Griechische Marmorstudien. 39
daneben kommen auch bunte Marmore vor, besonders gelbe und hellrothe
Arten von grünen Glimmerlagen durchzogen.
Unter dem Mikroskop sieht man in diesen Marmoren von Alıfaka
ein grolskörniges Mosaik von Kalkspath-Krystallen, welche zumeist deut-
liche Zwillingslamellen zeigen; diese Zwillingslamellen sind aber in der
Regel hier so schmal ausgebildet, dafs die Krystalle feingestreift und bei
angehender Verwitterung graustreifig aussehen; dabei sind die Lamellen
oft schwach gebogen, zuweilen auch stärker verstaucht, durch gegensei-
tigen Druck der auskrystallisirenden Körner. Zwischen den gröfseren
Krystallen und rings um dieselben herum ziehen sich häufig schmälere
Bänder und Strähne von vielen kleinen Kalkspath -Kryställchen.
Ich hebe besonders die folgenden drei Arten aus der Umgegend
des Palaeocastro von Alıfaka hervor:
IXa. Einen glasartig glänzenden, recht frischen, licht hellgrauen,
fast weilsen Marmor, der in dünnen Partieen etwas durchscheint; durch
sein ziemlich grobes Krystallkorn reflektirt und schimmert die Oberfläche
dieses Marmors etwas stärker, als bei den anderen Arten.
IXb. Einen milchweifsen, undurchsichtigen Marmor von stumpfem
Aussehen und ziemlich grobkrystalliner Structur.
IXc. Gelbe und rosarothe Marmore, stets stark durchzogen mit
Glimmerlagen, deren silberweifse oder grüne Blättchen parallel der da-
durch scharf hervortretenden Schichtung ausgebreitet liegen, während die
vorherrschenden hellsraunen Marmore keinen Glimmer führen und daher
kaum ihre Schichtung verrathen. Auch diese bunten und farbig geflek-
ten Marmore von Alifaka besitzen ein ziemlich grobes Krystallkorn.
X. Der sog. Marmor von Atrax.
Ich will hier nur kurz ein Gestein erwähnen, das in byzantinischer
Zeit öfters als der „thessalische Stein“ oder der „grüne thessalische Stein“
von den alten Schriftstellern angeführt wird, es ist kein Marmor, d.h.
kein Gestein, das aus kohlenraurem Kalk besteht, sondern es ist eine
Serpentin-Breccie: dunkelgrüne eckige Stückchen von Serpentin (einem
wasserhaltisen Masnesia-Silikat, das stets aus der Zersetzung von verschie-
40 G. R. Lersıus:
denen Magnesia-Silikaten hervorgeht) liegen in einer hellgrünen Grund-
masse eingebettet, die aus hellgrünem, faserig-schuppigen Serpentin und
weilsen Kalkspathkörnchen sich zusammensetzt; gröfsere, schneeweilse
Flecke von Kalkspathkörnchen erscheinen häufig in der grünen Serpentin-
Masse und sind meist umgeben von einem Kranz radial-strahlig gestell-
ter Serpentin-Fasern und -Schuppen. Dieses Gestein, jedenfalls die Zer-
reibungs-Brececie eines Eruptiv-Gesteins (analog den Verhältnissen in At-
tika vielleicht einem Gabbro angehörig), steht in gröfseren Massen an in
der niedrigen Hügelkette, welche zwei Stunden nordöstlich von Larissa
sich erhebt, ohne mit dem östlichen Küstengebirge in directer Verbin-
dung zu stehen; ein grobkörniger Gneiss mit grünem Glimmer und gros-
sen weilsen Feldspäthen setzt diese isolirten, flachen Hügel zusammen.
Die antiken Steinbrüche der grünen Serpentin-Breccie befinden sich in
der Nähe des Dorfes Kassamboli im südlichen Theile der Hügel in ver-
schiedenen Höhen bis zu ca. 120” über der Peneios-Ebene; auf dem
Wege zum Tempethale kommt man nahe bei diesen Steinbrüchen vorbei,
welche zuerst in der deutschen Litteratur von dem österreichischen Geo-
logen Teller erwähnt worden sind!). Man sieht in den Brüchen, die
seit der byzantinischen Zeit wohl unberührt geruht haben, noch deutlich
die breiten Hohlkehlen, aus denen die Säulenmonolithen aus senkrechter
Wand herausgemeifselt wurden?).
1) Denkschriften der Wiener Akademie, mathemat.-naturwiss. Classe, Bd. 40,
S. 202, Wien 1879.
?) Paulus Silentiarius (Descriptio Sanctae Sophiae, Beschreibung der heiligen
Sophienkirche in Constantinopel) beschreibt in seinem Poem auch die verschiedenen Mar-
morarten, welche beim Bau der Sophienkirche verwendet wurden; unter diesen Marmoren
erwähnt er auch den obigen Stein und zwar mit den folgenden Worten (Bonner Ausgabe,
Seite 31, Vers 641— 646): „Der Atrakische Boden erzeugt in flachem Lande, nicht in hoher
Bergschlucht einen Marmor, der theils smaragdgrün, theils dunkelgrün (dunkelblau, zvavs-
7:5, an andern Stellen auch XAosawzis, grünäugig genannt) ist und durchsetzt wird von schnee-
weilsen und glänzend schwarzen Flecken, wodurch das buntscheckige Aussehen des Steins
hervorgerufen wird“. Diese Beschreibung palst sehr genau auf die Serpentin-Breccie von Kas-
samboli, auch in Bezug auf die Angabe des Fundortes: „nicht in hoher Bergschlucht“, d. h.
nicht im Ossa-Olymp-Gebirge, sondern „im flachen Lande“, das ist in der niedrigen, in der
Ebene isolirt liegenden Hügelreihe bei Kassamboli. Nur scheint „der Atrakische Boden“
eine ungenaue Ortsbezeichnung zu sein, da die Stadt Atrax jedenfalls dort in der Gegend
von Kassamboli nicht gelegen hat, vielmehr nach allgemeiner Annahme in der Nähe des
Griechische Marmorstudıen. 41
d. Marmor auf Euboea.
XI Der Marmor von Karystos.
Von Euboea sind antike Marmorbrüche bekannt nur im Süden der
Insel, in der Umgegend von Karystos, und zwar eine Stunde nordöstlich
der Stadt in den Vorbergen der Ocha, dann 10°" nordwestlich von Ka-
ıvystos bei Marmarı (Marmarion) nahe der Küste an der Bucht von Pe-
tali, und endlich 20*" nördlich von Karystos am Berge Kliosi; an allen
drei Orten wurde der gleiche Marmor gebrochen, ein Marmor, der durch
die zahlreichen Glimmerlagen schon Kalkglimmerschiefer oder eigentlich
Marmorglimmerschiefer zu nennen ist: der weilse, hellgraue, grünliche,
auch gelblich und röthliche, feinkörnige Marmor wird parallel der deut-
lich hervortretenden Schichtung durchzogen von vielen Durchgängen und
Streifen von grünen (hell- bis dunkelgrünen), auch silberweilsen Glimmer-
blättchen; oft sind die Glimmerlagen wellenförmig gebogen oder fein ge-
fältelt. Die geschliffenen und polirten Flächen dieses dünnschichtigen
Marmors zeigen eine schöne Maserung durch die vielfach wechselnden,
farbigen Zonen und Streifen.
Im griechischen und römischen Alterthum war dieses Gestein be-
rühmt unter dem Namen des Karystischen Steines oder des Marmors von
Karystos; in Italien nennt man ihn „Cipollino“, Zwiebelmarmor (Cipolla,
die Zwiebel), indem man die dünnen Schichten des farbigen Gesteins mit
Peneios oberhalb Larissa. Es spricht auch nur Paulus Silentiarius von dem „Atrakischen“
Marmor, die andern Schriftsteller, welche dieses Gestein erwähnen, nennen ihn den „grü-
nen thessalischen Stein“ (me«swvos), oder einfach den „thessalischen Stein“. Paulus Silen-
tiarius lebte unter dem Kaiser Justinian, der im Jahre 527 n. Chr. zur Regierung kam.
Wir haben zwar keinen litterarischen Nachweis, dafs die alten Griechen und Rö-
mer bereits diesen „thessalischen Stein“ gebrochen hätten, nur byzantinische Schriftsteller
erwähnen ihn; jedoch sah ich in Larissa mehrere altgriechische Grabsteine aus dieser
Serpentin-Brecceie gefertigt (siehe unten im Verzeichnils Nr. 385).
Ein ähnliches Gestein war im Alterthum als „Ophites Lithos* (wohl gefleckt wie
Natternhaut) bekannt und wurde zu Fufsbodenplatten, Vasen, Badewannen etc. verwen-
det: es war dies ein Serpentin und Serpentin-Breceie von der Insel Tenos, auf der Fied-
ler (Reisen II S. 250) einen antiken Bruch dieses „Ophites Lithos* — Pietra verde an-
tico — wieder aufgefunden hat.
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 6
43 G. R. LeePsıuvs:
den vielfach übereinander liegenden Schaalen der Zwiebel vergleicht. Die-
ser Marmor von Karystos war bei den Römern während der Kaiserzeit
sehr beliebt und wurde in Rom bei den Prachtbauten zu Säulen, Stufen,
für Wandbekleidung ete. in grofsen Werkstücken verwendet; im griechi-
schen Alterthum vor der Römerzeit scheint er wenig benutzt worden zu
sein (vergl. unten im letzten Abschnitt: Baumaterialien in Olympia).
In seiner Structur, wie auch nach seiner geologischen Lagerung,
schliefst sich der Karystische Marmor mehr demjenigen vom Pentelikon,
als demjenigen von den Inseln Paros oder Naxos an; er ist bei Weitem
nicht so grobkörnig, wie die letztgenannten Marmore. Dafs auf Euboea
antike Brüche vorhanden seien, in denen ein anderer Marmor, als dieser
Cipollin gebrochen worden wäre, ist mir nicht bekannt geworden; jedoch
ist es nicht unwahrscheinlich, da der südliche Theil der Insel viel Mar-
mor zwischen den Glimmerschiefern enthält.
Umgekehrt scheint es auch keine andre Gegend in Griechenland
zu geben, in welcher dieser eigenthümliche, grünstreifige Marmor, der
Cipollin, vorkäme; am ehesten erinnern noch die Marmorbänke mit grü-
nen Glimmerlagen (Chlorit) vom Pentelikon, die wir oben erwähnt haben,
an den Karystischen Marmor.
e. Die Marmore auf den Inseln Paros und Naxos.
Die Inseln Paros und Naxos, nahe bei einander gelegen in der
Mitte der Oykladen, gleichen sich in ihrer geologischen Zusammensetzung:
sie bestehen aus verschiedenartigen Gneissen, denen schmale Bänke und
mächtige Zonen von Marmor eingelagert sind; wie der Gneiss der In-
seln sich von dem Glimmerschiefer auf dem griechischen Continent im
Allgemeinen durch sein gröberes Krystallkorn unterscheidet, so erkennen
wir auch sogleich die Marmore von Paros und Naxos an ihrem gröberen
Kalkspath-Korn und unterscheiden ihn hierdurch am leichtesten z. B. vom
attischen Marmor; ein Kalkspath-Krystall drängt sich neben den andern,
es entsteht ein grobkörniges Mosaik von Krystallen, deren Grölse zwar
bei dem besten Parischen Marmor, dem Lychnites Lithos, selten über
Griechische Marmorstudien. 43
3” steigt, aber bei den grobkörnigsten Arten von Naxos bis 8 und 10”"
steigen kann. Was aber das Wichtigste ist, bei diesen Marmoren von
Paros und Naxos ist keine dichte oder feinkörnige Grundmasse von klein-
sten Kalkkörnchen zwischen den deutlich erkennbaren einzelnen Kalkspath-
Krystallen übrig geblieben, sondern die ganze Gesteinsmasse ist zu einem
körnigen oder grobkörnigen Mosaik von Kalkspath-Krystallen auskrystalli-
sirt; hierdurch kann man sogleich auch den besten Parischen, den ver-
hältnifsmälsig nicht so grobkörnigen Lychnites Lithos, von dem besten,
gut auskrystallisirten Pentelischen Marmor unterschieden, sowohl bei eini-
ger Übung mit blofsem Auge und mit der Lupe, als noch schärfer und
genauer unter dem Mikroskope.
Manche Marmorstücke, die ich in den antiken Marmorbrüchen auf
den Inseln Paros und Naxos vom anstehenden Fels abschlug, sind so
gleichartig ausgebildet in Krystall-Structur, in Glanz und Färbung, dafs
ich sie nicht von einander unterscheiden kann; solche Marmore habe ich
im Verzeichnils der Skulpturen durch die unbestimmte Bezeichnung „In-
selmarmor“ angeführt. Andere Stücke von beiden Inseln vermag ich zu
trennen; vor Allem ist der beste Parische, der Lychnites Lithos, von
jedem andern Marmor zu unterscheiden und auf der Insel Naxos nicht
vorhanden. Naxos enthält nur die gewöhnlichen, hellgrauen Marmore
oder weilse mit hellgrauer Tönung; auch sind die Naxischen Marmore
im Ganzen noch grobkörniger als die Parischen.
XI. Der Lychnites Lithos von Paros.
Von dem Hafenort Parikia (Hagoızıc), einem kleinen Ort, der an
der Stelle der antiken Stadt Paros auf der Nordwestseite der Insel Pa-
ros liest, führt jetzt eine Schienenbahn ca. 5"" weit nach Nordosten auf
die Berge bis zu den etwa 200” hoch über dem Meere liegenden anti-
ken Brüchen, in denen Jahrhunderte lang im Alterthum der berühmte
Statuenmarmor gewonnen wurde. Die Gegend ist jetzt nach einem ehe-
malıgen kleinen Kloster, das auf eimer Höhe nahe südwestlich von den
Brüchen steht, „Hagios Minas“ genannt; die alten Schriftsteller nennen
den Berg, aus dessen Schoofse der beste Marmor gewonnen wurde, „Mar-
6*
44 GRAUE srurs:
pessa“. Hier sieht man in dem Bergeshange auf der Westseite eines klei-
nen Thaleinschnittes Tagesbrüche in einer Ausdehnung von ca. 500”, in
denen vorherrschend ein ziemlich grobkörniger hellgrauer bis weilser Mar-
mor ansteht, durch welche aber auch eine Bank guten Statuen-Marmors
von 1—2"” Dicke hindurchzieht; auf der Südseite dieser Brüche wurde
diese gute Marmorbank auch unterirdisch verfolgt in der jetzt sog. „Pans-
grotte“. Viel bedeutender sind jedoch die unterirdischen Marmorbrüche
auf der andern, der nordöstlichen Thalseite; neben dem einen Eingang zu
diesen unterirdischen Gruben befindet sich in der Marmorwand das den
Nymphen geweihte Relief des Adamas (leider jetzt stark verstümmelt und
abgeschlagen): daher der jetzt für diese Gruben gebräuchliche Name
„Nymphen-Grotten“.
Der Marmor wurde deswegen hier in unterirdischen Gruben ge-
wonnen, weil die nur 2— 4” dieke Schicht besten Statuenmarmors (Lych-
nites) mit Winkeln von 5 bis 70° (im Durchschnitt mit 30°) nach Osten
zu in den Berg einfällt; schief nach unten eindringende Schleppschächte
führen von mehreren Eingängen, die in der Höhe von ca. 200” über dem
Meere stehen, durch ausgedehnte Höhlungen und Grotten (alle künstlich
im Laufe der Zeiten ausgenommen) bis zu einer Tiefe von ca. 140 bis
120” über dem Meere hinab. Durch die Arbeiten einer neuen Gesell-
schaft, welche im Jahre 1879 gegründet und im Jahre 1884 bankerott
wurde, sind die Schuttmassen aus einigen Theilen dieser Gruben so weit
entfernt worden, dals man die gute Marmorschicht ım Anstehenden auf
eine Länge von ca. 300” längs der Linie verfolgen kann, an welcher an
der Peripherie in der Tiefe der Grotten die antiken Arbeiten aufgehört
hatten: überall sieht man die senkrecht abgeschroteten Wände, die hori-
zontal abgeschrämten Flächen, die abgemeilselten Blöcke, an denen die
antike Arbeit anfing, ohne beendigt zu werden; alle Flächen sind bedeckt
mit den Spuren der Spitzhacke und des Meilsels. Die Decke der ausge-
nommenen Höhlen wird gestützt durch ausgesparte Pfeiler.
Aus den jetzt vorliegenden Dimensionen der unterirdischen Grotten
läfst sich ungefähr berechnen, dafs die Alten von der 2—4” mächtigen
Bank besten Statuenmarmors aus diesen Gruben wenigstens 30,000" ım
Laufe der Jahrhunderte herausgeschafft haben; von dieser Masse gelangte
natürlich nur ein Theil in brauchbaren Blöcken in die Werkstätten der
Griechische Marmorstudien. 45
Bildhauer, ein grofser Theil wurde als Abfall bei der Herausarbeitung der
guten Blöcke oder in unbrauchbaren, brüchigen oder zu kleinen Stücken
auf die Halden geworfen.
Der schöne Marmor dieser 2—4" mächtigen Bank aus den Nym-
phen-Grotten wurde im Alterthum „Lychnites Lithos“ (Auxvirns oder Av-
xveüs ArQcs) genannt; die Angabe des Plinius (Historia naturalis lib. 36
cap. v), der nach Varro berichtet, dafs dieser Name sich ableite von den
Lampen (Auxvos), bei deren Schein die Blöcke gewonnen wurden, ist ge-
wils richtig, da es in Griechenland nirgends sonst vorkam, dafs Marmor
beim Larnpenlicht in unterirdischen Gruben gebrochen wurde. Dafs die
Grubenlampen an Stielen, die oben in einen Haken ausliefen, getragen
und gehalten wurden, gerade wie jetzt unsere Bergwerkslampen, erkennt
man auch daran, dals in den Wandflächen dieser Nymphen-Grotten häufig
ca. 4°° breite, 3°” tiefe, schmale Löcher zu sehen sind, welche schräg
nach unten in den Fels eingemeilselt, offenbar dazu dienten, die Lampen
an ihren Haken aufzuhängen.
Da diese Lychnites-Bank mit den unter- und überlagernden, ge-
wöhnlichen, hellgrauen bis weifsen, grobkörnigen Marmoren nicht gleich-
mälsig, sondern mehrfach gebogen und verworfen, daher mit wechselnden
Winkeln bis zu 70° in den Berg einfällt, so ist das spröde Gestein viel-
fach zerklüftet und in Stücke zerbrochen, und zwar naturgemäls an man-
chen Stellen und in bestimmten Zonen stärker, als an anderen; nahe der
Bergoberfläche ist die Zerklüftung wie gewöhnlich am stärksten, weshalb
auch die Alten möglichst tief in den Berg eingedrungen sind. Wegen
dieser Zerklüftung und auch deswegen, weil die Bank des guten Lych-
nites überhaupt nur 2—4" dick ist, konnten nicht sehr grolse Blöcke,
jedenfalls nicht so grofse Blöcke, wie aus den oberirdischen Brüchen auf
Paros, Naxos oder am Pentelikon, gewonnen werden. Ich sah in der
Tiefe der Nymphen-Grotten einen Block besten Marmors, den die Alten
aus der Lychnites-Bank herauszumeilseln begonnen hatten, welcher ca.
1,2” breit, ebenso hoch und gegen 2" lang war; für den Hermes des Pra-
xiteles in Olympia dürfte der ursprüngliche Block wenigstens 2,5" lang,
1” tief und 1,5" breit gewesen sein!). Die neue Paros- Marmor -Gesell-
!) Virlet sagt in der Expedition de la Moree, Geologie, Paris 1834, 8.72:
„L’un des grands inconyeniens de ce Marbre (des Lychnites aus der Nymphengrotte)
46 G. R. Lersıuvs:
schaft vom Jahre 1879 mufste deswegen ihre Arbeiten einstellen, weil es
ihr nicht gelang, grofse ganze Blöcke des Statuen-Marmors der Nymphen-
Grotte aus der zerklüfteten Bank herausarbeiten und fördern zu lassen;
Herr Ing. Cordellas in Athen glaubt nach neueren Untersuchungen, die
er in den Nymphen-Grotten anstellte, dafs auf den Südostseiten der an-
tiken Grubenbauten die Lychnites-Bank weniger brüchig und zerklüftet
sei, als in den nördlichen Theilen derselben, und will dort von einer
neuen Gesellschaft die Arbeiten in diesem Jahre (1889) wieder aufneh-
nehmen lassen,
Der berühmte Lychnites besitzt die folgenden Eigenschaften: er
ist schneeweils und von grolser Reinheit, ebenso weils wie der beste Pen-
telische Marmor; ich habe nicht bemerken können, dafs er, wie Virlet
angiebt!), manchmal einen Stich ins Gelbliche zeigt; vielmehr besitzt er
in der Regel eher einen schwachen Stich ins bläulichgraue, während ich
bei dem weilsen Pentelischen Marmor zuweilen einen gelblichen Schein
wahrnehmen konnte.
Die Structur des Lychnites charakterisirt sich dadurch, dafs die
ganze Gesteinsmasse aus Kalkspath-Krystallen zusammengesetzt ist, ohne
dafs eine dichte oder feinkörnige Zwischenmasse zwischen den Krystallen
zu bemerken wäre; dieser Marmor hat daher die Kornstructur wie etwa
unser sog. Oolonial-Zucker, im Gegensatz zu dem feinkörnigeren Penteli-
schen oder Attischen Marmor, der in seinem Korn unserm gewöhnlichen
kübenzucker gleicht. Die Kalkspath-Körner, deren schimmernde Spal-
tungsflächen dem Gesteine auf frischem Bruche den hohen Glanz und
die starken Reflexlichter verschaffen, sind durchschnittlich 1 bis 1,5"”"
srols, viele werden 1,5 bis 2”" grofs, manche 2 bis 3""; selten fehlen
einzelne Krystalle von 3 bis 5”"” Gröfse. Die volle Krystallinität dieses
Gesteins erkennt man am deutlichsten im Mikroskope: jeder Schliff zeigt
ein grobes Kalkspath-Krystall-Aggregat, ein Mosaik von eckig umgrenz-
ten Krystall-Körnern verschiedener Gröfse, welche zwar wasserhell durch-
etait surtout dans les nombreuses fissures que presentent les couches, fissures, qui ne
permettaient pas d’en obtenir des blocs de plus de eing pieds de longueur, en sorte quil
ne pouvait etre employe qu’ä des statues tout au plus de grandeur naturelle“.
1) Virlet daselbst: „Quelquefois il a une teinte tirant sur le jaunätre et se
rapproche un peu du ton des chairs“.
Griechische Marmorstudien. 47
sichtig sind, aber doch viele Einschlüsse von grauen, meist durchschei-
nenden, aber auch undurchsichtigen, äufserst kleinen Körnchen und Split-
terchen, gelegentlich auch Kryställchen fremder Mineralien enthalten; die
Natur dieser winzigen Einschlüsse in den Kalkspath-Krystallen läfst sich
bei ihrer Kleinheit auch bei starker Vergrölserung nicht feststellen; von
den schwarzen Körnchen mögen viele Magneteisen oder Kohlenstoff-Par-
tikelchen sein. Die meisten Kalkspath-Krystalle zeigen die scharf durch-
ziehenden Spaltungslinien und die zahlreichen schmalen Zwillingslamellen;
Krystall-Flächen konnten sich in dem dichten Aggregat der Kalkspäthe
nicht ausbilden.
Das gröbere, feste und zugleich rein durchsichtige Krystallgefüge
des Lychnites verschaffte diesem Marmor seine verhältnilsmälsig grolse
Durchsichtigkeit; das Licht dringt in keinen Marmor tiefer ein, als in
diesen, obwohl ja solches Durchscheinen des Lichtes in dem vielkörnigen
Gestein immerhin ein beschränktes bleibt im Vergleich mit einzelnen Kry-
stallen von durchsichtigen Mineralien; im Vergleich aber mit undurch-
sichtigen Körpern, wie z. B. mit dem weilsen Formgips, ist der Unter-
schied ein bedeutender und wichtiger. Ich machte die Probe, dafs der
beste weilse Pentelische Marmor aus den antiken Brüchen am Pentelikon
das Licht nur bis zu Gesteinsdieken von 15"", der beste Oarrarische bis
za 25”", der Lychnites aus der Nymphengrotte (vom Anstehenden)
von Paros aber bis zu 35"" durchscheinen und eindringen lassen. Auf
diesem verhältnilsmäfsig tiefen Eindringen des Lichtes beruht zum grofsen
Theil die Schönheit des guten Parischen Marmors. Die herrliche Statue
des Hermes von Praxiteles in Olympia verdankt dieser wichtigen Eigen-
schaft des Lychnites die lebensvolle Wärme ihrer schimmernden Hautober-
fläche; besonders am rechten Fufs des Hermes sieht man diese schöne
Durchscheinung der Haut trotz des starken Reflexes der sehr sorgfältig
geglätteten und polirten Oberfläche. Es kann wohl jetzt kein Zweifel
mehr darüber obwalten, dafs die Fleischtheile der antiken Statuen nie-
mals mit einer Farbe übermalt waren, sondern nur zum Theil die Ge-
wandstücke, die Riemen der Sandalen, die ornamentalen Zeichnungen auf
Gürtel, Helm, Gewändern ete.; denn durch die völlige Übermalung wäre
ja diese hervorragendste und schönste Eigenschaft des Parischen Marmors,
seine Fähigkeit das Licht bis zu einer gewissen Tiefe des Steins einfallen
48 G. R. Lerpsıus:
und eindringen zu lassen, gänzlich verloren gegangen; die alten Meister
wären nicht genöthigt gewesen, diesen kostbaren Marmor für ihre erha-
benen Götterbilder für schweres Geld zu kaufen, jeder andere Marmor
oder ganz stumpfe und undurchsichtige Gesteine hätten ihnen bei einer
Bemalung der ganzen Oberfläche und aller Fleischtheile genügen können!
Der Parische Marmor wird von den römischen Steinmetzen als
„Marmo greco duro“ bezeichnet; seine Härte ist freilich nicht gröfser als
diejenige jedes andern Marmors, wenn man „Härte“ im mineralogischen
Sinne gebraucht: denn der Kalkspath hat stets dieselbe Härte im Vergleich
mit andern Mineralien oder Körpern: er trägt die Härte No.3 in der
Mohs’schen Härteskala der Mineralien (Quarz No. 7, Diamant No. 10).
Jedoch kennt der Steinmetz und Laie diese wissenschaftlich fixirte Härte
der Mineralien nicht, und nennt „Härte“ eines Gesteins in der Regel die
Festigkeit seines Gefüges, das ist die grölsere oder geringere Haftbar-
keit der einzelnen Mineralkörner im Gestein an einander und den Wider-
stand, welchen im Gefüge des Gesteins die einzelnen Mineraltheilchen ge-
sen den Versuch ihrer Trennung von einander entgegensetzen. Und
durch solche Festigkeit seines Korngefüges zeichnet sich der Lychnites
in der That vor anderen, loskörnigeren und weniger festen Marmoren
aus; hauptsächlich verdankt er diese Festigkeit dem Umstande, dafs er
aus der Tiefe des Berges, aus den unterirdischen Nymphen-Grotten her-
aufbefördert wurde, aus einer Tiefe, in welcher er weniger stark der Ver-
witterung und Zersetzung seiner Bestandtheile durch das Tageswasser
ausgesetzt war; ich habe dies schon oben bei Besprechung des Penteli-
schen Marmors aus den antiken Brüchen hervorgehoben: je tiefer die
Brüche in den Berg einschneiden, um so festere Bänke — bei sonst glei-
chen Bedingungen — werden angetroffen. Die bedeutende Frische und
dieser Mangel an beginnender Zersetzung des Gesteinsgefüges, deren Spu-
ren man in den meisten andern Gesteinen und Marmoren in geringerem
oder stärkerem Maafse verfolgen kann, bedingen nicht nur die „Härte“,
resp. die grolse Festigkeit des Parischen Marmors, sondern geben auch
neben der Grofskörnigkeit seiner durchsichtigen Krystalle einen wesent-
lichen Grund ab für die oben besprochene Durchsichtigkeit des Lychni-
tes; je frischer und unverwitterter ein Marmor ist, um so schöner glän-
zen die festgefügten Krystalle seiner Gesteinsmasse.
Griechische Marmorstudien. 49
So grofs ist der Einflufs der Atmosphärilien auf das Gestein, dafs
die Stücke Lychnites, welche ich in der Tiefe der Nymphen-Grotten von
der anstehenden Felsbank abgeschlagen habe, einen stärkeren Glanz, eine
grölsere Frische und eine tiefere Durchsichtigkeit zeigen, als derselbe Mar-
mor in den antiken Götterbildern: sogar am Hermes des Praxiteles ist
der Marmor etwas stumpfer geworden, als derjenige vom Anstehenden;
es erklärt sich dies leicht daraus, dals diese Statue Jahrhunderte lang
in Schutt und Erdreich begraben lag und lange Zeiten dem bis in ihre
Gesteinsmasse eindringenden Regenwasser ausgesetzt war. Dies ist frei-
lich nur ein feiner Unterschied, den zu sehen das Auge geübt sein muls;
denn der Hermes ist unter den antiken Statuen eine der am besten er-
haltenen in Bezug auf ihre Gesteinsmasse, aber trotzdem haben wir uns
den Glanz und die Durchsichtigkeit der Haut auch bei dieser Statur noch
in einem erhöhten Mafse zu denken für jene Zeit, in der sie frisch aus
der Werkstätte des Praxiteles hervorgegangen war.
Mitten in der Bank des Lychnites in der Tiefe der Nymphen-Grot-
ten kommen dunkelgrau gefärbte Streifen vor; in einem solchen Stück,
das ich vom Anstehenden aus den östlichen tiefsten Theilen der Grotten
abschlug, rührte dıe graue Färbung hauptsächlich vom Magneteisen her,
dessen schwarze, glänzende Körner in diesem Stücke so grols werden,
dafs man sie deutlich mit der Lupe als Magneteisen erkennen kann. In
dem schneeweilsen Lychnites konnte ich allerdings durch die chemische
Analyse keine Spur von Eisen nachweisen: ein solches Stück des besten
Marmors von Paros löste sich vollständig auf in verdünnter Essigsäure
und gab sich kund als chemisch reiner kohlensaurer Kalk; die mikrosko-
pisch kleinen fremden Einschlüsse in den Kalkspath-Krystallen sind we-
gen ihrer geringen Menge bei der chemischen Analyse nicht nachzuweisen.
Ich fand die im Alterthum bearbeiteten Flächen des weilsen Lychnites
in der Nymphen-Grotte meist mit einer feinen gelbbraunen Eisenhaut über-
zogen; dieses Eisen in seiner immerhin nur unbedeutenden Menge war
jedoch nicht aus dem weilsen Lychnites selbst, der wie gesagt ganz un-
verwittert ist, entstanden, sondern war vom Wasser aus den überlagern-
den grauen Marmoren des Berges in die Tiefe der Höhlungen einge-
schlemmt worden.
Im weilsen Lychnites habe ich niemals Glimmer gesehen, weder
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 7
50 G. R. Lersıvs:
mit der Lupe noch im Mikroskope, — im Gegensatz zu dem Pentelischen
Marmor, der in der Regel einzelne Glimmerblättchen oder ganze Glim-
merlagen enthält; auch Eisenkieskörnchen, wie sie im Pentelischen Mar-
mor häufig vorkommen, konnte ich nicht bemerken; ebenso fand ich in
den mikroskopischen Schliffen des Lychnites keine Quarzkörnchen. Dals
er noch Reste von Kohlenstoffpartikelchen enthält, das wird bewiesen
dadurch, dafs der Lychnites ebenso wie jeder andre Marmor von Paros
und Naxos beim Anschlagen stets einen bituminösen Geruch entwickelt;
es müssen also noch bituminöse Substanzen in dem schneeweilsen Mar-
mor ebenso wie in den grauen Parischen Marmoren enthalten sein.
Endlich zeichnet sich der Lychnites dadurch aus, dafs er keine
Schichtung zeigt; die Kalkspath-Krystalle liegen niemals parallel zu ein-
ander, noch sind sie nach einer Richtung langgestreckt, sondern sie sind
regellos verstreut in der Gesteinsmasse, so dafs diese stets einen massi-
gen Eindruck macht. Sogar wo die erwähnten grauen Streifen durch-
laufen, ist die Schichtung vollständig verwachsen und nur etwa daran
noch zu erkennen, dafs die Streifung im Marmor parallel der allgemeinen
Schichtung der ganzen Marmorlager im Berge verläuft. Im Gegensatz
zum Pentelischen Marmor blättern daher die Stücke aus Parischem (und
Naxischem) Marmor nicht schichtig ab, sondern verwittern körnig; auch
können keine lagerhaften Stücke aus dem Anstehenden gebrochen wer-
den. Die gute Bank des Lychnites geht nach oben und unten allmäh-
lich und ohne scharfe Grenzen in den gewöhnlichen, grobkörnigeren Pa-
rischen Marmor im Marpessa-Berge über.
XIII. Andere Marmore auf Paros.
Wir erwähnten oben die antiken Marmorbrüche auf der Westseite
des kleinen Thales bei Hagios Minas; an einer Stelle wurde hier im Jahre
1883 gebrochen und eine Säule nach Athen gebracht, in deren körnigem
Kalkspath-Gefüge mir damals Herr Ing. Cordellas ein kleines Aggregat
von weilsen Quarzkörnern zeigte; in gröfserer Menge kommen Quarzkör-
ner in den Partieen des Parischen Marmors vor, welche sich nahe den
Grenzen gegen den Gneiss befinden.
Griechische Marmorstudien. Sl
Grofse antike Marmorbrüche sieht man auch auf halbem Wege
zwischen Parikia und Hagios Minas; endlich liegen auch antike Brüche
in dem Thale, das aus der Gegend von Hagios Minas nach Norden zu
der grofsen Hafenbucht von Naussa hinabzieht.
In diesen verschiedenen antiken Marmorbrüchen auf der Insel Pa-
ros kommt zwar auch viel weıfser Marmor vor, derselbe ist aber sonst
nirgends auf der Insel so schön und auch verhältnifsmälsig so feinkörnig,
wie der Lychnites in den Nymphen-Grotten: der hellgraue, selten dun-
kelgraue Marmor herrscht hier überall vor. Das Korn dieser gewöhn-
lichen Parischen Marmore ist stets ein ziemlich grobes: die Körner sind
durchschnittlich 2—3"" grofs, viele werden bis 5"" grols; eine feinkör-
nige Grundmasse fehlt vollständig. Unter dem Mikroskope sind die Kalk-
spath-Krystalle wasserhell durchsichtig; sie zeigen stets die scharfen Spal-
tungslinien und die Zwillingslamellen, auch die eckige Umgrenzung, ge-
rade wie im Lychnites; jedoch sind kleine schwarze, graue und farbige
fremde Einschlüsse reichlich in die Kalkspath-Krystalle eingestreut, und
diese bedingen die in der Regel hellgraue Färbung des Gesteins. Die
Durchsichtigkeit dieser Marmore ist nicht bedeutend, aber in verschiede-
nem Grade vorhanden; die grauen Marmore lassen das Licht nur in dün-
nen Splittern durchscheinen; auch die weilsen reflectiren zwar das Licht
gut auf den spiegelnden Spaltungsflächen der Kalkspath-Krystalle, lassen
aber auch das Licht viel weniger in ihre Gesteinsmasse eindringen, als
es bei dem schönen Lychnites der Fall ist.
An den Grenzen der Marmorlager gegen die Gneisse, mit denen
sie wechsellagern, gehen Marmor und Gneiss allmählich in einander über:
der Marmor nimmt Glimmer auf, und zwar ist hier neben dem silber-
weilsen Kaliglimmer auch der dunkelbraune Magnesia-Glimmer vorhanden,
der in Attika im krystallinen Gebirge ganz fehlt; schwarzes Magneteisen
stellt sich reichlich ein; auch Hornblende, Granaten und andre Kalksili-
kate treten hinzu. Zugleich erhält der Marmor nahe diesen Grenzen
durch die Glimmerlagen eine kenntliche Bankung und Schichtung; schliefs-
lich entsteht ein Marmor-Glimmerschiefer, der mit dünnen Gneiss-Schich-
ten wechsellagert, bis dieser ganz überhand nimmt.
Ich bemerke aber, dafs die meisten antiken Brüche auf Paros und
gerade die gröfseren nicht in diesen Grenzmarmoren gegen die Gneisse
7*
52 G. R. LerPsıus:
hin angelest sind, sondern in den compaeten Marmormassen, in denen
weder Glimmer, noch Schichtung zu sehen ist.
Alle diese Marmore von Paros, sowohl die gewöhnlichen grauen
und weilsen Marmore, wie der Lychnites, entwickeln beim Zerschlageu
einen bituminösen Geruch, der in verschieden starkem Grade, meist aber
recht kräftig zu spüren ist; in allen diesen Gesteinen dürften demnach
Reste von den ursprünglich in den meisten Kalksteinen vorhandenen Koh-
lenstoff-Partikelchen übrig geblieben sein, deren Kohlenwasserstoff-Ver-
bindungen den eigenthümlichen bituminösen Geruch hervorrufen.
XIV. Marmore von der Insel Naxos.
Die grofse und schöne Insel Naxos wird der Länge nach von Süd
nach Nord von einem Gebirge durchzogen, dessen Berge 1000”, dessen
Pässe ca. 500" hoch werden. Die niedrigeren Hügelzüge des westlichen
Theiles der Insel bestehen aus einem recht grobkörnigen Gneiss, oft als
Augengneiss mit grofs ausgeschiedenen Orthoklasen ausgebildet; derselbe
ist im nördlichen Theil der Insel durchzogen von einer Unzahl von Tur-
melin-Granitgängen. Über diesem grobkörnigen Gneiss als Grundlage
folgen im Gebirge feinkörnigere Gneisse und Marmorlager. Auf der Nord-
seite des Gebirges schalten sich zwischen die dort sehr mächtigen hell-
grauen Marmormassen unregelmäfsige Lager von Schmirgel (suglyyAr) con-
cordant ein; dieser vortreffliche und sehr harte Schleifstein, der 60— 80 pÜt.
Thonerde und 20— 40 pCt. Eisenoxyd enthält, wurde bekanntlich schon
im Alterthum ausgebeutet und angewendet, so dafs die Marmore der Skulp-
turen wohl auch mit Schmirgelpulver geglättet wurden; jedenfalls mufsten
die Römer die von ihnen vielfach verwendeten harten Gesteine (Porfido
rosso aus Ägypten, Porfido verde antico aus Lakonien, verschiedene Ba-
salte ete.) mit Schmirgel schleifen und poliren.
Im äufsersten Norden der Insel Naxos suchte ich die antiken Mar-
morbrüche auf, in deren einem der unfertige Apollo-Koloss liegt (abge-
bildet in L. Ross, Inselreisen Bd. I, S. 34, Stuttgart 1840). Von dem
ca. 450” hoch am Gebirge liegenden Dorfe Komiaki steigt man etwa 14
Stunden in einem Thale nach Norden hinab bis zu einer Meeresbucht,
Griechische Marmorstudien. 53
die noch 2,5°" vom Nordkap der Insel entfernt ist; auf einer Felszunge
auf der Westseite der Bucht erhebt sich eine kleine Kapelle des Hagios
Joannis; die bei dieser Kapelle stehenden Häuschen tragen noch jetzt
den Namen „Apollona“ nach der nahe oberhalb in dem Bruche liegenden
Statue. Mehrere antike Brüche öffnen sich in den Bergabhängen südlich
und westlich von Hagios Joannis in 30 bis 50” Höhe über dem nahen
Meere; auch weiter gegen Norden sah ich noch andere antike Brüche
liegen an der Küste auf der Ostseite der nördlichsten Landspitze.
Diese Brüche bei „Apollona“ zeigen überall die charakteristischen
Merkmale antiker Bearbeitung; es ist wohl in denselben seit dem Alter-
thum niemals wieder gebrochen worden, daher auch der Apollo-Koloss
noch an seinem Platze neben dem Marmorlager, aus dem er einst abge-
meilselt wurde, liegen geblieben ist.
XIVa. Der Marmor des Apollo und seines Lagers ist hellgrau
getönt, mit dunkleren grauen Partieen und Streifen, auch mit einzelnen
grauen Körnern; er ist stumpf undurchsichtig; er besitzt ein grobes Kry-
stallkorn, indem die Kalkspathkörner seiner Gesteinsmasse durchschnitt-
lich 2—3””, viele auch 3—5"”" orols sind; hier und da kommen auch
etwas feinkörnigere Flecken mitten zwischen den groben Kalkspath-Aggre-
gaten vor. Unter dem Mikroskope sieht man ein regelloses Mosaik von
Kalkspath-Krystallkörnern verschiedener Gröfsen; in den meisten Kry-
stallen liegen viele sehr kleine Einschlüsse von fremden Mineralien, graue
und schwarze, auch farbige, von deren Menge die hellgraue Tönung des
Marmors herrührt; an manchen Stellen häufen sich diese Verunreinigun-
gen und trüben die sonst wasserhell durchsichtigen Kalkspäthe; durch
viele der gröfseren Kalkspath-Krystalle laufen die scharfen Spaltungslinien
und zahlreiche schmale Zwillingslamellen, bei anderen treten diese inne-
ren Structuren nicht so deutlich hervor, gerade so wie bei den meisten
kleineren Krystallen der Gesteinsmasse.
Der bituminöse Geruch macht sich beim Zerschlagen dieses Mar-
mors stark geltend.
In solchen grobkörnigen Marmorarten ist die Schichtung im ein-
zelnen stets verwachsen, und die Krystalle liegen regellos im Gestein, so
dals der Marmor massig aussieht; im Grolsen aber ist die Schichtung
deutlich sowohl durch die sich von einander ablösenden Bänke, als be-
54 G. RuLEersıvs:
sonders durch die hellgraue Streifung, welche parallel der Schichtung
verläuft. Hier im Lager des Apollo sind die Alten beim Abbau der
Schichtung der Marmorbänke gefolgt: die Schichten fallen mit 25—30°
in Ost ein und die Schnittflächen, in denen der 10,5" lange Apollo-Koloss
abgeschrotet wurde (wahrscheinlich Anfangs mit einer Spitzhacke, dann
mit langen Meilseln), stehen senkrecht zur Schichtung, also schief gegen
die Horizontale; die Statue wurde aus schräg einfallender Bank heraus-
gemeilselt und liegt auch jetzt nicht horizontal, sondern schief nach Nord-
osten, wenige Fuls von seinem ursprünglichen Lager entfernt. Im Gegen-
satz hierzu haben wir oben erwähnt, dafs die Alten weder in den Nym-
phen-Grotten auf Paros noch am Pentelikon der schrägen Schichtung
folgten, sondern unbekümmert um die natürliche Bankung stets in senk-
rechten und horizontalen Flächen vorgingen; auch die übrige noch etwas
primitive Bearbeitung des Marmors in diesen Brüchen scheint es mir wahr-
scheinlich zu machen, dafs in späteren Zeiten des Alterthums hier nicht
mehr gebrochen worden ist.
Der ganze Berg, an dessen Nordgehänge dieser Bruch des Apollo
sich öffnet, besteht aus dünnschichtigen Gneissen, zwischen denen die Mar-
more Lager von wenigen Metern bis zu ca. 30 Meter Mächtigkeit bilden.
XIVb. Zu beiden Seiten einer kleinen Schlucht, welche kaum
200 Schritte weiter westlich vom Apollo im Berge herabzieht zur Mee-
resküste, sind mehrere antike Brüche zu sehen, von verschiedener Gröfse,
alle nicht so rationell und sorgfältig betrieben und abgebaut, wie es bei
den Marmorbrüchen auf Paros und am Pentelikon der Fall ist; doch
sieht man auch hier überall senkrecht abgeschrämte Wände und die cha-
rakteristische Art und Weise der antiken Handarbeit. Diese Brüche wa-
ren mir dadurch interessant, dafs ich hier einen weilsen grobkörnigen
Marmor vorfand, der ganz genau mit dem grobkörnigen Gesteine der
Dachziegel von einem alten Tempel auf der Akropolis in Athen und vom
Zeustempel in Olympia übereinstimmte (vergl. im letzten Abschnitte die
Baumaterialien von Athen und Olympia). Es ist dies ein so grofskörni-
ger Marmor, wie ich ihn auf Paros nicht gefunden habe.
Dieser Marmor ist ziemlich weils, doch mit einem kleinen Stich
ins hellgraue; die Kalkspath-Krystalle sind durchschnittlich 3—4"" grofs,
viele werden gröfser, manche erreichen einen Durchmesser von 6—7"";
Griechische Marmorstudien. 55
ein einzelnes Korn milst 8"" Länge. Dabei sind die Krystalle regellos
vertreut, sie strecken sich nicht nach einer Richtung in die Länge, noch
liegen sie parallel zu einander. Unter dem Mikroskope erscheinen die
grolsen Kalkspath-Krystalle klar durchsichtig, mit sehr kleinen fremden
Einschlüssen, welche oft parallel den Zwillingslamellen eingelagert sind;
die Krystalle sind recht frisch (ohne angehende Verwitterung), und sie
zeigen sämmtlich scharfe Spaltungslinien und Zwillingslamellen; die letz-
teren sind oft sehr schmal und in dichten Streifen aneinander gereiht;
kleinere Kalkspath-Krystalle sind in dem grofskörnigen Mosaike nur in
geringer Anzahl vorhanden.
Das Gefüge dieses Marmors ist, wie bei den meisten grobkörni-
gen Marmoren, ein verhältnilsmälsig loses, die Festigkeit des Gesteins
(seine „Härte“ nach dem Ausdruck der Laien) ist demgemäls nicht eine
besonders grolse; diese „Loskörnigkeit“ (loses Korn) giebt sich dadurch
kund, dafs dieser Marmor bei der Verwitterung in grölsere Körner zer-
fällt. Der geringe Grad an Festigkeit bewirkt auch zum Theil die Un-
durchsichtigkeit des Gesteins; bei der Reinheit der grofsen Kalkspath-
Krystalle würde sonst das Licht tiefer in den Marmor eindringen kön-
nen; so aber befindet sich Luft in den zahlreichen feinen Spalten zwi-
schen den nicht festgefügten, sondern lose aneinander gereihten Kalkspath-
Körnern, und macht das Gesten milchweils undurchsichtig (wie der weilse
Schaum des Wassers). Übrigens sind die Stücke, die ich vom anstehenden
Fels in den Brüchen abgeschlagen habe, noch frischer und fester gefügt, als
die Stücke der Dachziegel, welche ich in Olympia und auf der Akropo-
lis von Athen aufgenommen habe; die letzteren waren eben stärker den
Einwirkungen des Regenwassers und der wechselnden Lufttemperaturen
ausgesetzt, und mögen auch wohl schon durch die Bearbeitung ein we-
nig loskörniger geworden sein.
JS: Marmore, deren Herkunft ıch nıcht kenne.
XVa. An archaischen Statuen im National- und im Akropolis-
Museum zu Athen (zum Theil aus dem Ptoon in Böotien) lernte ich einen
56 G. R. Lepsıvus:
Marmor kennen, welcher dem eben beschriebenen Marmor No. XIVb von
Naxos ziemlich vollkommen gleicht, nur dafs er noch grobkörniger ist
als jene Stücke, die ich auf Naxos sammelte. So weit sich das nach
dem immerhin nicht mehr frischen, sondern in beginnender Verwitterung
begriffenen Gesteine der genannten Statuen beurtheilen läfst, scheint die-
ser „ganz grobkörnige Marmor“, wie ich ihn im nachfolgenden Verzeich-
nisse genannt habe, noch etwas loskörniger zu sein, als der Naxische
No. XIVb. Dabei ist er auch ziemlich weils mit einem leichten Stich
ins Graue.
Auf der Insel Samos ist eine archaische Statue einer Priesterin ge-
funden worden, welche den gleichen Stil zeigte, wie diejenigen archaischen
Priesterinnen, welche aus dem Perserschutt auf der Akropolis von Athen
vor einigen Jahren ausgegraben wurden; aus diesem Grunde werden diese
Statuen von der Akropolis als „Samisch“ von den Archäologen bezeich-
net, obwohl natürlich der Beweis einer samischen Herkunft dieser Sta-
tuen aus dem Perserschutt der Akropolis von Athen durch den erwähn-
ten Fund auf Samos keineswegs ein unumstöfslicher genannt werden
kann. Es würde daher von grolsem Werthe sein, zu constatiren, ob die
auf Samos gefundene archaische Statue aus demselben „ganz grobkör-
nigen Marmor“ besteht, wie die stilgleichen Statuen von der Akropo-
lis zu Athen, und zweitens, ob etwa dieser ganz grobkörnige Marmor
auf der Insel Samos in antiken Marmorbrüchen wirklich vorhanden ist.
Herr Dr. Sauer, der ım Juli 1889 auf Samos war, hat mir Proben vom
Anstehenden des Burgfelsens der Stadt Samos geschickt, welche aber kein
Marmor, sondern ein heller dichter Kalkstein waren; ein anderes Mar-
morstück, das Dr. Sauer für mich vom Thore des Logothetenkastro von
Tiganı auf Samos abschlug, entspricht nicht diesem Marmor No. XVa,
sondern gleicht genau dem Marmor, wie ich ihn in Ephesus von den
Säulen des Artemis-Tempels abgeschlagen habe.
Dieser Marmor No. XVa und auch der folgende No. XVb scheinen
mir im Ganzen mehr den grobkörnigen Marmoren von Naxos zu gleichen,
als denjenigen, die ich in Ephesus und Pergamon kennen gelernt habe;
ich will hier nicht näher auf die letzteren eingehen, da ich, wie oben
bereits bemerkt, an der kleinasiatischen Küste keine antiken Marmor-
brüche aufgesucht habe; ich will hier nur beiläufig bemerken, dafs die
Griechische Marmorstudien. 57
beiden Stadthügel von Ephesus einen grauen Marmor enthalten, eingela-
gert im Gneisse, während der Burgberg und die nächste Umgebung von
Pergamon aus Trachyt bestehen.
XVb. Im Tempel von Bassae bei Phigalia und auf dem Ausgra-
bungsfelde von Olympia fand ich in Werkstücken einen auffallend struir-
ten Marmor, den ich hier kurz erwähnen will; ich habe diesen Marmor
an keiner andern Stelle in Griechenland gesehen, vermuthe aber nach
seinem allgemeinen Habitus, dafs er von einer der Inseln des Ägäischen
Meeres stammt. Es ist ein weilser Marmor mit einem Stich ins Hellgraue.
Das Gestein ist grobkörnig und vollständig auskrystallisirt; jedoch sind die
einzelnen Kalkspath-Krystalle nach einer Richtung hin stark in die Länge
gezogen, sodals die spiegelnden Spaltungsflächen der Krystalle dem Mar-
mor ein langsträhniges Aussehen verleihen: die einzelnen Krystalle werden
bis zu 30 und 40”" lang; sie bleiben dabei meist wenige Millimeter breit,
zuweilen sind sie aber auch 10 bis 15"”" breit, sodals das Gestein dann
eine ganz grobkörnige Structur annimmt.
Für solche nnd andere grobkörnige Marmore, die am meisten noch
den grobkörnigen Marmoren der Insel Naxos gleichen, habe ich die vor-
läufige Bezeichnung „Inselmarmore“ gebraucht. Von den Inseln der Oy-
kladen kenne ich, aufser den Marmoren von Paros und Naxos, diejenigen
von Tinos, Syra und Seriphos; den Marmor dieser drei Inseln habe ich
an keinem antiken Werke in Athen oder den andern von mir besuchten
antiken Stätten bemerkt; auch befinden sich meines Wissens auf diesen
Inseln keine antiken Marmorbrüche, während jetzt z. B. der weilse und
hellgraue Marmor von Tinos ziemlich stark ausgebeutet wird. Andros,
Anaphe und Thasos besitzen Marmore, die ich nicht kenne, die jedoch
nach den vorliegenden Nachrichten im Alterthum verwendet wurden. Auf
der Insel Kreta sind bisher geologische Untersuchungen kaum vorgenom-
men worden, und mir ist nicht bekannt, ob auf Kreta Marmor und an-
tike Marmorbrüche vorhanden sein mögen.
Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 8
58 G. R. Leersıvs:
Verzeichnifs
der antiken Skulpturen, Denkmäler, Inschriften ete., welche ich
in Athen, Argos, Mykenae, Sparta, Messene, Olympia, Larissa,
Naxos auf ihre Marmor-, resp. Gesteinsart untersucht habe.
Vorbemerkung.
Da ich die Art des Marmors in der Regel nur im frischen Ge-
steinsbruche, nicht aber an der bearbeiteten und künstlich geglätteten
Oberfläche der Skulpturen bestimmen konnte, so hatte der Generaldireetor
der Museen in Athen, Herr Dr. Kavvadias, wie ich bereits in der Ein-
leitung bemerkt habe, die Gefälligkeit mir zu erlauben, von den Skulp-
turen, an denen kein frischer Bruch zu sehen war, eine kleine Probe
mit dem geologischen Hammer abzuschlagen, nachdem sich Herr Kav-
vadias selbst davon überzeugt hatte, dafs ich stets nur ein sehr klei-
nes Stückchen und nur an bereits verletzten oder nicht bearbeiteten Thei-
len der Skulpturen abschlug; trotz dieser von mir stets geübten Dis-
eretion ist es nicht genug anzuerkennen, dafs Herr Kavvadıas mir
diese Erlaubnils gegeben hat; ohne dieselbe wäre mir eine genaue Be-
stimmung der Marmorart bei der Mehrzahl der Skulpturen in den Athe-
ner Museen unmöglich gewesen. Die abgeschlagenen Proben habe ich
sorgfältig gesammelt, dieselben miteinander, sowie mit den vom An-
stehenden in den antiken Brüchen geschlagenen Handstücken verglichen
und einer eingehenden Untersuchung, auch in mikroskopischen Präpara-
ten, unterworfen.
Ebenso habe ich in den Museen zu Argos, Sparta und Larissa Proben
von einigen der daselbst aufbewahrten Skulpturen mit dem geologischen
Hammer abgeschlagen. In Olympia war mir dies leider nieht möglich,
da der Ephoros, Herr Leonardos, bei meinem Aufenthalte in Olympia
(Mitte Juli 1889) nicht gegenwärtig war.
Für die archäologische Bestimmung der Skulpturen in Athen hatte
ich mich der sachkundigen Hülfe des Herrn Dr. Wolters, zweiten Se-
kretars des Deutschen Archäologischen Institutes zu Athen, zu erfreuen;
Griechische Marmorstudien.
59
Herr Dr. Wolters hat mich stets bereitwilligst in die Athener Museen
begleitet, und hat gütigst die Angaben über Herkunft und über litterari-
sches Citat für jede der von mir untersuchten antiken Skulpturen in dem
hier folgenden Verzeichnisse gemacht; ich erlaube mir hiermit Herrn Dr.
Wolters für diese grolse und sorgfältige Mühewaltung meinen verbind-
liehsten
Dank auszusprechen.
Inhalt des Verzeichnisses.
A. Museum auf der Akropolis zu Athen No. 1— 100.
a
b
c.
d
e
. aus ganz grobkörnigem Inselmarmor .
. aus Inselmarmor und Parischem Marmor
aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor
. aus dem unteren weilsen Hymettischen Marmor
. aus dem mergeligen Kalkstein des Piraeus .
B. National-Museum in Athen No. 101— 329.
d.
aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor .
«) in Athen und Umgegend gefunden : -
£) im übrigen Attika gefunden ee nn ee Pi-
raeus) . an NIE BIT RTTERRRFHIE, RIRR RR
y) auf Salamis und Aegina Beton
8) in Eleusis gefunden 2 . -
&) in Böotien gefunden (Tanagra, Orohdnt hope) Pioion)
g) in Atalante und auf Euboea gefunden
n) in Korinth und Aegion gefunden .
9) in Epidauros gefunden > B
:) zu Thyrea in der Argolis Beranden 6
#) in Mantinea, Arkadien gefunden
?*) vom Berge Ithome in Messenien re
#) auf den Inseln Delos und Rheneia gefunden .
v) auf der Insel Kythnos gefunden
. aus dem oberen grauen Pentelischen Marmor (von Marussi,
Athen, Salamis, Rheneia)
aus dem unteren weilsen Hymettischen Marmor ur Fa
Athen) .
. aus dem oberen grauen Hymettischen Mar mor @ on Athen, Rhe-
neia)
. aus Marmor von Dolianä (von Tegeh, ee Fraskoriyii) ©
aus Marmor des Oinusthales bei Sparta (von Sparta)
No. 1—3.
ag
53 — 94.
„99 — 97.
„ 98 —100.
No. 101— 197.
No. 101— 149.
„ 150 —153.
„ 156 — 160.
ei 16
ee:
„ 173—174.
see:
„177 —184.
„ 185 — 186.
„ 187 — 188.
a
„ 190—196.
aldıT.
No. 198 — 205.
„ 206 — 211.
„ 212 — 216.
„ 217 —222.
n„ 223.
60
G: R. Lepsıvus:
g. aus Thessalischem Marmor (von Larissa, Abdera)
. in Böotien gefunden
1) graustreifiger harter marmorisirter Kalkstein: aus Orcho-
menos .
2) hellgelblichweilser Rn Kalkstein, kurakläfig: aus ken:
piae
3) feinkörniger Golitkiischer alkelin: aus er Ptoion ao
Tanagra
4) weilser mergeliger Kalkstein: aus Tanagra
;. Verschiedenes .
Eleusinischer Kalkstein: aus Chalkis
Dichter weilser Kalkstein: aus Delphi
Röthlicher Sandstein: von Milos
Gelblicher Sandstein: aus Aetolien
Schwarzer körniger Marmor . Pr an ur
Ausländischer, nicht griechischer Marmor: aus Athen
. aus Inselmarmor bestehen .
kl, aus ganz grobkörnigem Inselmarmor (von Athen, aus
dem Ptoion, von Megara und der Insel Santorin)
k?, aus grobkörnigem Naxischen Marmor (von der Insel
Naxos)
k3, aus Parischem und Inselmarmor
«) Fundort unbekannt (?Athen)
8) in Athen und in Attika gefunden
y) auf der Insel Aegina gefunden
ö) in Eleusis gefunden Si ä
e) in Böotien gefunden (und zwar im Ptoion)
%) in Epidauros gefunden 5
y) zu Lerna in der Argolis gefunden
>) in Sikyon bei Korinth gefunden
:) zu Pylos in Messenien gefunden .
z) auf der Insel Andros gefunden
») auf der Insel Amorgos gefunden E
#) auf den Inseln Delos und Rheneia gefunden
v) auf der Insel Milos gefunden .
&E) auf der Insel Kythnos gefunden
o) auf der Insel Kythera gefunden .
=) in Lykien und zu Nikaea in Bithynien nen
No.
No.
No.
C. Skulpturen in Athen, welche noch nicht in den Museen aufgestellt sind
seion und Dipylon) No. 330 — 347.
224— 230.
. 231 — 243.
231239:
233 — 238.
239 — 242.
243.
244 — 249.
No. 244.
„ 1248.
„ 246.
BAT.
„ 248.
HIRDAg:
.250— 329.
. 250 — 254.
253%
256 — 329.
. 256 — 260.
261 — 269.
270— 271.
272 —275-
276— 279.
280 — 281.
282.
283.
284.
285 — 286.
2837 — 290.
291 — 320.
Bale B222
323 — 325.
326.
327 — 329.
(vom The-
Griechische Marmorstudien.
a. aus Parischem Marmor re I.
db. aus dem unteren weilsen Peftelischen en:
c. aus dem oberen grauen Hymettischen Marmor
D. Skulpturen im Museum zu Argos No. 348 — 353.
a. aus unterem weilsen Pentelischen Marmor
db. aus Marmor von Doliana
c. aus oberem Kreidekalkstein
Von Mykenae (Löwenrelief) No. 354.
Skulpturen im Museum zu Sparta No. 355 — 364.
a. aus grauem und gelbem einheimischen Marmor aus dem
Oinusthale E
db. aus Marmor von Doliana 5a .
c. aus dem unteren weilsen Pentelischen Mirder
d. aus Parischem Marmor
G. Skulpturen in Mavromati (Messene) No. 365 — 369.
a. aus einheimischem oberen Kreidekalkstein .
db. aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor
H. In Olympia No. 370 — 383.
a. aus Marmor von Doliana e
b. aus weilsem grobkörnigen Inselmarmor
c. aus weilsem langsträhnigen Inselmarmor
d. aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor
e. aus dem oberen Kreidekalkstein 1:
f. aus schwarzem Peloponnesischen Kalkstein
g. aus dem dunkelgrauen Bleusinischen Kalkstein
h. aus tertiärem Kalkstein . ER: Er een
i. aus Lychnites Lithos von Paros (ent Praxiteles)
I. Im Museum zu Larissa in Thhessalien No. 334 — 387.
a. aus einheimischem Marmor . 5
b. aus grüner Serpentin-Breceie (aus sog. Marmor von Atrax)
ec. aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor
K. Von der Insel Naxos (unvollendeter Apollo) No. 388.
61
. 380 — 331.
332 — 343.
344 — 347.
. 348 — 351.
352.
359.
. 359 — 861.
362.
363.
364.
. 365 — 368.
369.
. 370 — 372.
373 — 374.
379 — 317.
378 — 379.
379.
380.
381.
382.
383.
. 384. 387.
335.
386.
62 G! R. LeRsEus:
Litteraturnachweise.
In diesem Verzeichnisse sind bei den Litteraturnachweisen die fol-
genden Abkürzungen gebraucht worden:
’ASYvaı — "ASyvarov, FUYYERMLE megiodinov. Athen 1872 —1882.
Roma 1829 —
Annaliı —= Annalı del Istituto archeologico germanico.
1885.
Antike Denkmäler — Antike Denkmäler, herausgegeben vom Kaiserl.
Berlin 1886—1889.
Deutschen archäologischen Institut.
Ausgrabungen zu Olympia, herausgegeben von E. Curtius, F. Adler
Berlin 1886 —1889.
u. A. Berlin 1876 ff.
Archäologisches Jahrbuch — Jahrbuch des Kaiserl. Deutschen archäo-
Zeitung, herausg. von E. Gerhard. Berlin
logischen Instituts.
A. Z. = Archäologische
1843 — 1885.
Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke in den kö-
Berliner Gipsabgüsse —
niglichen Museen zu Berlin, von ©. Friederichs, neu bearbeitet
von P. Wolters. Berlin 1885.
Brückner, Ornament ete. = A. Brückner, Ornament und Form der
attischen Grabstelen. Stralsburg 1886.
Brunn, Denkmäler = H. Brunn, Denkmäler griechischer und römi-
München 1887 ff.
Athen und Paris
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Bulletin — Bulletin de correspondance hellenique.
1877— 1889.
C. 1. A. = Corpus inseriptionum atticarum, berausgegeben von der Kön.
Preuss. Akademie der Wissenschaften. Berlin 1873—1889.
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Conze, Lesbos = A. Conze, Reisen auf der Insel Lesbos.
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Conze, Grabreliefs = A. Conze, Die Attischen Grabreliefs, Berlin 1890.
Acdriov — ArAriov apyaoAoyınov Endid. Ümo Ns Yevınds Ebogeias Tav Apy,ao-
Athen 1888. 1889.
Athen 1837—1889.
Tyrwv.
Eonuegis "Eonusgis doyamoAoyıry.
Fiedler, Reise K. G. Fiedler, Reise durch alle Theile des König-
reiches Griechenland. Leipzig 1840 —1841.
2 Theile.
Griechische Marmorstudien. 63
Fröhner, Louvre — W. Fröhner, Notice de la sculpture du musee
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Gazette archeologique — Gazette archologique. Paris 1875 —1889.
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Aegina (in neugriechischer Sprache, befindet sich bei der Gene-
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Kekule, Theseion = R. Kekule, Die antiken Bildwerke im Theseion
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Le Bas-Reinach — Le Bas, Voyage archeologique en Gröce et en Asie
mineure, neu herausgegeb. von $S. Reinach. Paris 1888.
Literarisches Centralblatt für Deutschland, herausgegeb. von Zarncke,
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Lüders, Dionysische Künstler — 0. Lüders, Die Dionysischen Künst-
ler. Berlin 1873.
Michaelis, Parthenon — Ad. Michaelis, Der Parthenon. Leipzig 1871.
Mittheilungen — Mittheilungen des Kaiserl. Deutschen archäologischen
Instituts, Athenische Abtheilung. Athen 1876 — 1890.
Musdes d’Athenes — C. Rhomaides und P. Kavvadıas. Les Mu-
sees d’Athenes. Athen 1886.
Revue archeologique, herausgegeben von A. de Longperier, @. Per-
rot, A. Bertrand u. A. Paris 1844 —1889.
Roehl, Insceriptiones — H. Roehl, Inseriptiones graecae antiquissimae.
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Römische Mittheilungen — Mittheilungen des Kaiserl. Deutschen archäo-
logischen Instituts. Römische Abtheilung. Rom 1886—1889.
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Ross, Inselreisen = L. Ross, Reisen auf den griechischen Inseln des
Ägäischen Meeres. 3 Bde. Stuttgart 1840 —1845.
64 G. RiLersıus:
Schöne, Griechische Reliefs = R. Schöne, Griechische Reliefs aus Athe-
nischen Sammlungen. Leipzig 1872.
Sybel=L. von Sybel, Katalog der Skulpturen zu Athen. Marburg 1881.
A. Museum auf der Akropolis zu Athen.
Die Skulpturen, welche in diesem Museum aufbewahrt werden,
sind bekanntlich sämmtlich auf der Akropolis selbst gefunden und zum
Theil erst in den letzten Jahren aus dem Schutt der von den Persern
zerstörten Bauten ausgegraben worden. Die von mir untersuchten und
im folgenden Verzeichnils aufgeführten Bildwerke von der Akropolis be-
stehen zu einem Theile aus Attischem Marmor, und zwar zumeist aus
dem unteren weilsen Pentelischen Marmor (oben No.T), einige auch aus
dem unteren weilsen Hymettischen Marmor (oben No. IV); zum andern
Theil sind es solche Marmore, welche sicher nicht aus Attıka und über-
haupt nicht vom griechischen Continent stammen, sondern von Osten
herüberkamen von den Inseln im Ägäischen Meere, die meisten wohl von
Naxos oder Paros; möglicherweise könnten jedoch einige von diesen „In-
selmarmoren“, wie ich sie vorläufig mit einem allgemeinen Ausdruck be-
nannt habe, von weiter entfernten Inseln, etwa von Kreta, Samos, oder
auch von der kleinasiatischen Küste gekommen sein aus antiken Marmor-
brüchen, die ich nicht kenne. Unter diesen Inselmarmoren habe ich einige
als „ganz grobkörnigen Inselmarmor* von den andern, etwas weniger
grobkörnigen abgeschieden, — es ist dies jener ganz grobkörnige Mar-
mor, den ich oben unter No. XVa besprochen habe, und den wir im Na-
tional-Museum an einigen archaischen Figuren (Apollo aus dem Ptoion
ete. No. 250 — 254) wiederfinden werden.
Als „grobkörnigen Inselmarmor“ bezeichne ich solchen Marmor,
wie ich ihn auf Naxos (oben No. XIV) in den antiken Brüchen vorfand,
wobei ich an meine obigen Bemerkungen erinnere, dafs die grobkörnig-
sten Marmore von Naxos (No. XIVb) nicht viel verschieden sind von den
„ganz grobkörnigen“ Inselmarmoren der sog. Samischen Bildwerke; dafs
auf Naxos eine alte Kunst heimisch war, beweisen die archaischen Ko-
lossal- Statuen des Apollo, von denen die eine noch an Ort und Stelle
Griechische Marmorstudien. 65
sich befindet (oben unter No. XIVa und unten No. 388), und die andere
von den Naxiern in das Apollo-Heiligthum auf Delos geweiht wurde; die
Trümmer der letzteren Figur, welche nach einer Nachricht bei Plutarch
(Nikias cap. II) schon im Alterthum von einem umstürzenden, ehernen
Palmbaum zertrümmert wurde, und ihre Basis sind noch auf Delos vor-
handen, und soll das Gestein derselben mit dem Naxos-Marmor überein-
stimmen; ein Fulsfragment dieser Delischen Apollostatue befindet sich im
British Museum zu London. Auch konnte ein andrer Industriezweig auf
Naxos, von dem wir durch eine beiläufige Bemerkung des Pausanias Kunde
erhielten (siehe unten im letzten Abschnitt: Baumaterialien in Olympia),
nämlich die Technik Dachziegel aus Marmor zu fertigen, wohl nur da-
durch gedeihen, dafs die Abfälle der für Skulpturen brauchbaren Marmor-
blöcke und die aus den Brüchen gewonnenen kleineren Marmorstücke
nebenbei und fabrikmälsig zu den billigen Ziegeln verarbeitet wurden, —
gerade wie jetzt bei uns, wo die Abfälle aus den Marmorbrüchen in die
Kalköfen, in die Hüttenwerke und in verschiedene Fabriken wandern.
Andere Stücke habe ich als „guten Inselmarmor“ ausgezeichnet,
und werden diese wohl aus den Marmorbrüchen auf der Insel Paros
herrühren (oben No. XIID); dabei bemerke ich, dafs ich den besten Pa-
rischen Marmor, den Lychnites Lithos (oben No. XII), unter den „archai-
schen“ Skulpturen auf der Akropolis nicht gefunden habe; es scheint
vielmehr, als ob die Bank des schönen Lychnites erst in späterer Zeit,
erst in der Blüthezeit griechischer Kunst, aufgefunden und ausgebeutet
worden sei.
Die ältesten Giebel-Skulpturen von der Akropolis (Typhon, Tri-
ton, Stiergruppe, unten No. 98) bestehen aus dem Kalkstein der Halb-
insel Akte am Piraeus („Aktites Lithos“). Über die auf der Akropolis
zu verschiedenen Zeiten verwendeten Baumaterialien werde ich unten im
letzten Abschnitt einige Beobachtungen mittheilen.
Bezüglich der archaischen weiblichen Figuren (sog. Priesterinnen
der Athena) aus dem Perserschutt auf der Akropolis will ich hier noch
besonders hervorheben, dafs dieselben aus verschiedenartigen Marmoren
bestehen, und zwar die einen aus dem „ganz grobkörnigen Inselmarmor“
(sog. „Samische“ Bildwerke), andere aus dem „guten“ oder aus „gewöhn-
lichem“ Inselmarmor, endlich auch einige aus dem unteren weilsen Pen-
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 9
66 GAR MEER SINUIS:
telischen Marmor!). Bemerkenswerth ist es auch, dafs zwei dieser Figuren
zwar aus grobkörnigem Inselmarmor (? Naxischer oder gewöhnlicher Pa-
rischer Marmor) hergestellt sind, aber Arm und Gewandstück mit dem
unteren weilsen Pentelischen Marmor geflickt worden sind; dies dürfte
wohl darauf hinweisen, dafs diese beiden Figuren zwar auf den Inseln
gefertigt und vollendet wurden, auf dem Transport nach Athen aber oder
später Schaden litten und nun hier in Athen mit dem vorhandenen Ma-
teriale, dem Pentelischen Marmor, ausgebessert wurden. Dafs solche ar-
chaische weibliche Figuren auch vollständig aus dem Pentelischen Mar-
mor gemeilselt worden sind, beweist wohl, dafs Attische oder von den
Inseln nach Attika eingewanderte Meister die ursprünglich nur von den
Inseln (resp. von Osten her) nach Athen importirten Bildwerke im glei-
chen oder annähernd gleichen Stile in Athen selbst aus einheimischem
Materiale nachahmten und fertigten.
Aus Inselmarmor bestehen, und zwar
a) Aus ganz grobkörnigem Inselmarmor:
1. Oberkörper einer archaischen weiblichen Figur. Musces d’Athenes
Marx.
Auf Grund der Verwandtschaft mit der Hera aus Samos (Bulle-
tin 1880 Taf. 13. 14) für ein Samisches Werk erklärt; vergl. Ar-
chäol. Jahrbuch II S. 147, 41. 224.
Über den Marmor dieses „Samischen“ Werkes siehe oben No. XVa.
Archaischer weiblicher kolossaler Torso. "Eopnuegis 1888 Taf. 6.
Der gleiche Marmor wie No. 1.
[SS)
3. Runde Basis mit sechs steif stehenden archaischen weiblichen Figu-
ren. Mittheilungen XIII S. 440.
Der gleiche Marmor wie bei No. 1 und 2.
b) Aus gutem, grobkörnigen oder gewöhnlichen Inselmarmor, oder
aus Parischem Marmor: -
1) Dr. Wolters macht mich darauf aufmerksam, dals es oben S. 56 Z. 11 statt
„diejenigen archaischen Priesterinnen“ genauer heilsen müsse: „einige archaische Prie-
sterinnen“; es geht auch aus dem obigen Wortlaute hervor, dals nur einige, nicht alle
archaischen weiblichen Figuren aus dem Perserschutt auf der Akropolis wegen ihrer Stil-
gleichheit mit der auf Samos gefundenen Figur von den Archäologen als „Samische*
Bildwerke bezeichnet werden.
Griechische Marmorstudien. 67
Archaische weibliche Figur. Mittheilungen XIII 8. 438.
Guter Inselmarmor.
Archaische weibliche Figur. Denkmäler I Taf. 19, 2. Musdes d’Athe-
nes Taf. 10. Gazette 1888 Taf. 10, 1. "Eonusgis 1887 Taf. 9. Jour-
nal of Hellenie studies VIII S. 163.
Guter Inselmarmor.
Büste einer archaischen weiblichen Figur. Musees d’Athenes Taf. 14.
Gazette 1888 Taf. 7. Jahrbuch I Taf. 14.
Guter Inselmarmor. |
Archaische weibliche Statuette. Mittheilungen XIII S. 227.
(Zeichnung Fig. 1.)
Guter Inselmarmor.
Archaische weibliche Figur. Musdes d’Athenes Taf. 7. ’Eopnuegis 1886
Taf. 5. Gazette 1888 Taf. 11.
Inselmarmor.
Archaische weibliche Figur. Musees d’Athenes Taf. 2. Antike Denk-
mäler I Taf. 19, 1. Journal of Hellenie studies VIII S. 171.
9%
68 N (ra Ines 10,19 red SE
Inselmarmor.
10. Archaische weibliche Statuette. Mittheilungen XI Taf. 9, 2.
Inselmarmor.
11. Untertheil einer archaischen sitzenden Figur. Le Bas-Reinach, Mo-
numents figures Taf. 3, 1. Sybel 5001.
Inselmarmor.
12. Archaischer weiblicher Torso. Mittheilungen XII S. 145, 1.
(Zeichnung Fig. 2.)
Inselmarmor; eingesetzter Arm von dem gleichen Material.
13. Archaische weibliche Figur. Musdes d’Athönes Taf. 5. Gazette 1888
Taf. 10, 2. Journal of Hellenie studies VIII S. 166.
Grobkörniger Inselmarmor; der angeflickte Zipfel am rechten
Ärmel (Gewandstück mit ornamentaler Borte) besteht aus dem
Unteren weilsen Pentelischen Marmor No. I.
Griechische Marmorstudien. 69
14. Archaische weibliche Figur. Musees d’Athenes Taf. 3.
Grobkörniger Inselmarmor.
15. Archaische weibliche Figur. Journal of Hellenie studies VIII S. 167.
Grobkörniger Inselmarmor. |
16. Archaische weibliche Figur. (In der Litteratur noch nicht erwähnt.)
(Zeichnung Fig. 3.)
Grobkörniger Inselmarmor.
17. Oberkörper einer archaischen weiblichen Figur. Jahrbuch I Taf. 13.
Musees d’Athenes Taf. 13. Gazette 1888 Taf. 16 (nur der Kopf ab-
gebildet). Vergl. Mittheilungen XI S. 353.
Grobkörniger Inselmarmor; der rechte Arm ist eingesetzt und
besteht aus Unterem weilsen Pentelischen Marmor No. 1.
18. Archaischer weiblicher Oberkörper. Le Bas-Reinach, Monuments
figures Taf. 3, 2. Berliner Gipsabgüsse 114. Sybel 5049.
70
19.
20.
I
[3]
GARMIRENBISITIUNSE:
Parischer Marmor.
Torso einer archaischen männlichen Figur in Chiton und Mantel.
(In der Litteratur noch nicht erwähnt.)
Guter Inselmarmor.
Archaischer männlicher Torso. Mittheilungen XII S. 267.
Grobkörniger Inselmarmor.
Eine Plinthe mit zwei Fülsen, die nach den Maafsen zu diesem Torso
gehören könnte, besteht aus demselben Marmor; die Basis, in wel-
che sie eingelassen ist (mit geringem Inschriftrest), ist Unterer
weilser Pentelischer Marmor No. 1.
Sitzende Athena-Figur (auf Endoios zurückgeführt). Le Bas-Reinach,
Monuments figures Taf. 2,1.
Inselmarmor.
Oberkörper der Athena aus dem Gigantenkampf. Mittheilungen XI
S. 185.
Inselmarmor.
Athenatorso. Mittheilungen XIII S. 439.
Inselmarmor.
Athenatorso. "Eonuegis 1887 Taf. 8, 1. 2.
Guter Inselmarmor.
Athenaköpfchen. Mittheilungen VI Taf. 7,2; XV S. 33. Sybel 5057, 1.
Parischer Marmor.
Weibliches Köpfchen. Mittheilungen IV Taf. 6, 1. Sybel 5135.
Parischer Marmor mit einem Stich ins Bläulichgraue.
Nikestatue. Mittheilungen XI Taf. 11°.
Parischer Marmor.
Torso einer Nike. Mittheilungen XIII S. 227.
Parischer Marmor.
Kleiner Niketorso. "Epnusgis 1888 8. 90.
Guter Inselmarmor (verschieden von dem Marmor der folgenden
No. 30).
Kleiner Niketorso. ’Ebnuegis 1888 S. 91.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor.
Kleine weibliche Statuette. "Eonuegis 1883 Taf. 8, 3.
Parischer Marmor.
32.
34.
35.
40.
41.
43.
Griechische Marmorstudten. 71
Oberkörper einer weiblichen Figur. Mittheilungen XV S. 4.
Inselmarmor, ziemlich grobkörnig.
Untertheil einer weiblichen Sitzfigur. Mittheilungen XII S. 265.
Parischer Marmor.
Untertheil einer weiblichen Figur — Weihgeschenk des Euthydikos.
Archäol. Jahrbuch II S. 219. III S. 271,1. ©. 1. A. IV, 1 S. 92, 37518,
Die Figur ist guter Inselmarmor, übereinstimmend mit demjeni-
gen der No. 6 oben (vielleicht gehören beide Stücke No. 6 und
No. 34 zusammen); die Basis Unterer weilser Pentel. Marmor No. I.
Statue des Antenor. Archäolog. Jahrbuch II S. 141. Mittheilungen
XVr8: 1.9126.
Inselmarmor; die Basis besteht aus Unterem weilsen Pentelischen
Marmor No. I.
Statue eines Jünglings. Mittheilungen V Taf. 1 (mit falschem Kopf
abgebildet; der zugehörige Kopf allein abgebildet ’Eonuegis 1888 Taf. 3).
Mittheilungen XV S. 18, 3.
Guter Parischer Marmor (Lychnites), und zwar ist Kopf und
Körper derselbe Marmor, wie dies bei dem genauen Zusammen-
passen beider Fragmente nicht anders möglich ist.
Jünglingskopf. ’Epnnegis 1888 Taf. 2. Journ. of Hell. studies IX S. 123.
Guter Parischer Marmor.
Jugendlicher Kopf. Mittheilungen VII Taf. 9, 1; XV S. 20, 4.
Parischer Marmor.
Kopf eines Jünglings. Früher irrig dem Mittheilungen V Taf. 1 ab-
gebildeten Torso (oben No. 36) aufgesetzt.
Guter Parischer Marmor.
Torso eines nackten Jünglings. Berliner Gipsabgüsse 492. Sybel 5101.
Guter Parischer Marmor (Lychnites).
Kleiner nackter männlicher Torso, auf der linken Schulter liegt die
Hand einer zweiten Person. (In der Litteratur noch nicht erwähnt.)
Parischer Marmor.
Archaisches Relief. "Epnnegis 1886 Taf. 9.
Inselmarmor.
Sphinx, gradeaus blickend. "Eonnegis 1883 Taf. 12, 5. Mittheilungen
XIESTIOR:
Inselmarmor.
72 GeRMER STmIS:
44. Sphinx, den Kopf umwendend. "Eonuegis 1883 Taf. 12, A. Mitthei-
lungen XIII S. 121.
Inselmarmor.
45. Knabe auf Hippalektryon (Mittheilungen XII S. 265 erwähnt). Es
ist kürzlich noch ein Stück vom Oberkörper des Reiters angesetzt
worden, das in der Zeichnung noch fehlt.
(Zeichnung Fig. 4.)
G D Br CHE
1%, E G
Mi N) in 4
HZ
Inselmarmor.
46. Oberkörper eines Jünglings mit gesenktem Kopf (Fig. 5).
(Zeichnung Fig. 5.)
Inselmarmor.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
Griechische Marmorstudıien. 73
Bruchstück einer archaischen Reiterfigur. Musees d’Athenes Taf. 12, 2.
’Eonusgie 1887 Taf. 2, 1.2.
Parischer Marmor.
Fragment einer kleinen Reiterstatue (Pferdetorso und Unterkörper
des Reiters). In der Litteratur noch nicht erwähnt.
Inselmarmor; Oberfläche verwittert.
Bruchstück einer Reiterstatue, der Reiter mit eng anliegendem, bun-
ten Gewand bekleidet. Mittheilungen XIV S. 47.
Inselmarmor, ziemlich grobkörnig.
Pferdevordertheil. Mittheilungen XII S.107,1.144. (Vgl. unten No.84).
Parischer Marmor.
Lebensgrofse Figur eines liegenden Hundes, archaisch. (In der Litte-
ratur noch nicht erwähnt.)
Grobkörniger Inselmarmor.
Säule mit Künstlerinschrift des Pythis. AsAriov 1889 S. 16, 10.
Parischer Marmor.
c) Aus dem Unteren weilsen Pentelischen Marmor No. I bestehen:
Archaische weibliche Figur. Mittheilungen XIII S. 155.
Archaische weibliche Statuette. "Eonnegis 18837 Taf. 8, 1.
Archaische weibliche Statuette. "Enuegis 1883 Tat. 83,2:
Archaischer Kopf.
(Zeichnung Fig. 6.)
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. T. 10
74
58.
99.
G.R. Le sıus:
Bemerkung von Dr. Wolters: Hervorzuheben ist die schlagende
Übereinstimmung mit dem Kopf der Statuette der vorigen No. 55
(Eopnusgis 1883 Taf. 8, 2), welche ebenfalls aus Pentelischem Mar-
ınor besteht.
Archaischer weiblicher Torso mit Granatapfel in der linken Hand.
Journal of Hellenie studies IX S. 121.
Basis mit den Füfsen der archaischen weiblichen Figur, die sie einst
trug. (In der Litteratur nocht nicht erwähnt.) Der Rest der Figur
besteht aus Unterem weilsen Pentelischen Marmor, während die Ba-
sis dazu aus grobkörnigem Inselmarmor gemacht ist.
Archaischer Frauenkopf. (Steht an der Aufsenwand im Kalbträger-
Saal, in der Vitrine rechts unten; in der Litteratur noch nicht er-
wähnt.)
Kleines archaisches weibliches Köpfchen. (Steht in der Vitrine links
oben im Eingang zum Kalbträger-Saal; in der Litteratur noch nicht
erwähnt.)
Weiblicher Kopf. Mittheilungen XII S. 120.
Marmor oberflächlich angewittert.
Weiblicher Torso. (In der Litteratur noch nicht erwähnt.)
Athenatorso im Typus der Parthenos. Michaelis, Parthenon Taf. 15, 2.
Sybel 5233.
Medusenkopf. Mittheilungen XII S. 440. Journal of hellenie stu-
dies X S. 266.
Weiblicher Kopf mit Polos. Mittheilungen XII S. 440. Revue ar-
cheologique 1889 XIV Taf. 23.
Statue der Prokne. Mittheilungen I S. 304. Sybel 5234.
Torso des Sandalen-bindenden Hermes. Mittheilungen XI Taf. 9, 1.
Sitzende männliche Figur, ein Schreiber. Mittheilungen XI Taf. 9, 5;
vergl. daselbst S. 359.
Statuette eines sitzenden Mannes, eines Schreibers, ganz ähnlich der
folgenden No. 70; vergl. Mittheilungen XI S. 358, 4.
Marmor ist ganz derselbe wie bei dem genannten ähnlichen
Exemplar der folgenden No. 70.
Untertheil der Statuette eines sitzenden Mannes, eines Schreibes. Mit-
theilungen VI Taf. 6, 2.
Griechische Marmorstudien. 15,
. Archaisches Relief: Athena vor einem sitzenden Manne stehend. Ber-
liner Gipsabgüsse 117.
Archaisches Relief, sitzender bärtiger Mann mit Kylix. Mittheilun-
gen XII S. 266.
Archaisches Relief: Flötenbläser, drei tanzende Frauen, Knabe. Bul-
letin XIII Taf. 14.
Archaisches Relieffragment, Jüngling mit Syrinx. i
Relief, stehende Athena. Aecarıov 1888 S. 123. Journal of hellenie
studies X S. 268. Mittheilungen XV S. 22, 9.
Reliefbruchstück mit kämpfender Athena. Schöne, Griechische Re-
liefs, Taf. 19, 84.
Herakles-Relief. Archäol. Zeitung 1869 Taf. 24, 1. Sybel 5686.
Relief: die sog. wagenbesteigende Frau. Berliner Gipsabgüsse 97.
Le Bas-Reinach, Monuments figures Taf. 1.
Relief: Untertheil einer schreitenden männlichen Figur. Berliner
Gipsabgüsse 1187.
Marmor mit einigen Durchgängen von silberweilsen Glimmer-
blättchen.
Die verschiedenen Fragmente der Charitenreliefs. Mittheilungen III
Ss. 18.
Relief: Pferdekopf. Berliner Gipsabgüsse 98.
Skulpturen vom Parthenon. Nikebalustrade.
Fries vom Erechtheion.
Marmor ziemlich körnig.
Pferd mit dem Untertheil seines Reiters. Mittheilungen XI S. 107,1.
(Vergl. das Pferd oben No. 50, das aus Parischem Marmor be-
steht, mit diesem also nicht zusammengehören kann.)
Viereckige archaische Basis. Berliner Gipsabgüsse 421.
Basis mit Darstellung eines Apobaten. Berliner Gipsabgüsse 1836.
Basis des Atarbos. Berliner Gipsabgüsse 1330. 1331.
Basis des Onatas. ©. I. A. IV, 1 8. 89, 373%. "Eonuegis 1887. S. 146.
Basis des Theodoros. O0. I. A. IV, 1 8. 88, 373%, "Eonusgis 1886
Tata6N5:
Eule. Ross, Archäol. Aufsätze I Taf. 14, 3.
105
76 G-R.!bLErSTuUS:
91. Sessel aus dem Parthenon. Berliner Gipsabgüsse 1332. C.I. A.
IT, 3. 1524.
92. Säule mit Inschrift des Kallıs. C. I. A. IV, 1 S. 99, 373197,
93. Säule mit Weihinschrift. C©. I A. IV, 1 S. 102, 373218,
94. Die nachpersischen Inschriften bestehen durchgängig aus diesem Un-
teren weilsen Pentelischen Marmor.
d) Aus dem Unteren weilsen Hymettischen Marmor oben No. IV
bestehen:
95. Statue des Kalbträgers. Vergl. Mittheilungen XII S. 113.
Marmor weils mit Stich ins Bläulichgraue und mit einigen hell-
grauen Streifen, entsprechend dem Marmor, wie er bricht in den
antiken Brüchen am unteren Ausgang des Kakorewma am West-
abhange des Hymettos 6*" südöstlich von Athen.
Aus demselben Marmor bestehen die Füfse und die Plinthe.
Die Basis mit der Inschrift besteht dagegen aus dem mergeligen
Kalkstein der Piraeus-Halbinsel.
96. Archaische Thierbilder (Vögel?, Katze?). Berliner Gipsabgüsse 110.
Sybel 5006.
Weilser Marmor mit hellgrauen Streifen, wie derjenige des Kalb-
trägers.
97. Archaische Thierprotome.
Weilser Marmor mit hellgrauen Streifen, wie derjenige des Kalb-
trägers.
e) Aus dem mergeligen Kalkstein, wie er in den antiken Stein-
brüchen auf der Halbinsel Akte (daher wohl „Aktites Lithos“ genannt)
vorkommt, am Piraeus bestehen:
98. Die drei grolsen Reliefgruppen: Typhon, Herakles und Triton, Stier
mit zwei Löwen. Mittheilungen XIV S. 67; XV S. 84.
Gelblichgrauer, mergeliger Kalkstein von verschiedener Härte,
meist so weich, dals er mit dem Messer zu schaben ist; zum Theil
mit offenen Gesteinsadern, die mit Kalkspath ausgekleidet sind.
99. Obertheil einer weiblichen Figur. Mittheilungen XII S. 267.
Besteht aus demselben Material, wie die Giebelgruppen der vo-
rigen No. 98.
Griechische Marmorstudien. 77
100. Runder Untersatz eines Weihgeschenkes (Wasserbecken?), der Smi-
kythe. Mittheilungen X 8. 77. C.I A. IV, 1. S. 87, 3738.
Gelblichgrauer poröser harter Kalkstein, wie er auf der Halbin-
sel Akte am Piraeus bricht.
B. Im National-Museum zu Athen.
a) Aus dem Unteren weilsen Pentelischen Marmor No. I bestehen:
«) in Athen und Umgegend gefunden:
101. Archaisches Relief, zwei Frauen. Kavv. 36.
Conze, Grabreliefs N. 20.
Marmor ziemlich körnig. Der Fundort ist nicht sicher (Stud-
niezka, Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht S. 81),
das Material spricht für Attika.
102. Archaisches Relief vom Dipylon, Oberkörper eines Jünglings mit Pe-
tasos. Sybel 15.
Marmor ziemlich körnig.
103. Mittelpartie einer archaischen Grabstele (nackter Jüngling), aus Athen.
Kavv. 35. Sybel 10. Conze, Grabreliefs N. 9.
104. Bruchstück eines archaischen Grabreliefs (Hand und Gewandfalten)
aus Attika. Sybel 16. Conze, Grabreliefs N. 13.
105. Stele des Antiphanes. Brückner, Ornament ete. Taf. I, 1. Conze,
Grabreliefs N. 22.
106. Grabmal des Artemidoros Besaieus, aus Athen. Sybel 524.
Marmor ziemlich körnig; mit einigen Eisenkieskörnchen.
107. Grabmal des Getes (mit aufgemaltem Köcher), aus Athen. 0.1. A.
IV; 14:8. 184 IBEE;
108. Grabstein des Lyseas. Kavv. 30. Üonze, Grabreliefs N. 1.
109. Grabmal des Prokleides, vom Dipylon in Athen. Kavv. 150. Ber-
liner Gipsabgüsse 1050.
Die Basis besteht aus Oberem grauen Hymettischen Marmor
No. III (mit bituminösem Geruche).
110. Grabmal des Aristonautes. Kavv. 151. Sybel 944.
Die Basis besteht aus Oberem grauen Hymettischen Marmor
No. II (mit bituminösem Geruche).
75
IM:
112.
118:
114.
115.
116.
117.
G. R. Leersıvs:
Grabstein des Julius Sabinianus, aus Athen. Sybel 446.
Grabstein des Q. Statius Rufinus, von Hagia Triada (Dipylon) in
Athen. Sybel 445.
Marmor mit Eisenkies-Körnchen.
Bruchstück einer Grabstele (Jüngling mit Diskos) vom Dipylon in
Athen. Kavv. 38. Conze, Grabreliefs N. 5.
Fragment einer Grabstele mit gemaltem Reiter. Kavv. 31. Mit-
theilungen IV Taf. 2,2. Conze, Grabreliefs N. 15.
Die attischen Grabreliefs aus dem IV. und V. Jahrhundert im Na-
tional-Museum (ebenso wie die Mehrzahl der noch vor dem Dipy-
lon stehenden Grabreliefs, vergl. unten) bestehen sämmtlich aus dem
Unteren weilsen Pentelischen Marmor No. I. Der Marmor dieser
Grabreliefs zeigt öfters eine rothbraune Eisenoxydhaut, während die
dem Regen ausgesetzten Architekturstücke desselben Pentelischen
Marmors (auf der Akropolis, am Theseion, Hadriansthor, Zeustem-
pel etc.) eine goldbraune Eisenoxydhydrat-Haut durch oberfläch-
liche Verwitterung des Gesteins erhalten haben. An den Grabreliefs
sieht man häufig die für den Pentelischen Marmor charakteristischen
Durchgänge von silberweilsen, seltener lichtgrünen Glimmerblättchen;
zuweilen sind auch vereinzelte silberweifse Glimmerblättehen im Mar-
mor sichtbar. Gelegentlich sind einzelne Eisenkies-Körnchen zu be-
merken (einmal beobachtete ich ein solches von 3”" Länge, gewöhn-
lich sind sie viel kleiner); diese Eisenkies-Körner sind an ihrer Ober-
fläche stets in Brauneisen durch Verwitterung umgewandelt, und zie-
hen daher um sich herum einen braunen Kranz und färben den
umliegenden Marmor rostfleckig.
Votivrelief an Men, Pan und eine weibliche Gottheit. Aus der Um-
gegend von Athen. Inventar der archäologischen Gesellschaft A 3826.
Stehende, weibliche Figur, Hochrelief (fast ganz rund herausgear-
beitet), von Hagia Triada (am Dipylon) in Athen. Kekule, The-
seion 886. Sybel 266.
Marmor mit Glimmerdurchgängen.
Relief, Herakles mit dem Eber, aus Athen. Kavv. 43. Sybel 13.
Doppelherme, aus dem Panathenäischen Stadion in Athen. Sybel 36.
Archaistischer bärtiger Kopf. Kavv. 50.
121.
122.
123.
Griechische Marmorstudien. 79
Archaistischer bärtiger Kopf. Kavv. 51.
Apollon, aus dem Dionysostheater in Athen („Apollon auf dem Om-
phalos“). Kavv. 45. Sybel 291.
Marmor ziemlich körnig; an der linken Seite der Figur (rechts
vom Beschauer aus gesehen) ein Durchgang silberweilser Glim-
merblättchen.
Omphalos, im Dionysostheater in Athen gefunden, irrig zu der Apollo-
statue der vorigen No. 122 gerechnet (Wolters). Kavv. 46. Sybel 291.
Marmor ziemlich körnig, mit rothgelber Verwitterungshaut.
. Apollokopf, gefunden beim Olympieion in Athen. Kavv. 47. Mit-
theilungen I Taf. 8.
Marmor etwas streifig.
. Torso einer Dionysosstatue (Replik des „Sardanapallos*) aus dem
Dionysostheater in Athen. Sybel 292.
. Basis mit Hermes Kriophoros, aus Athen. Kavv. 54.
. Papposilen mit Dionysosknaben. Kavv. 127. Le Bas-Reinach, Mo-
numents figures Taf. 27.
. Jünglingsstatue vom Olympieion (Replik der Jünglingsstatue in Villa
Albani No. 44). Mittheilungen XII S. 231. AeaAricv 1888 S. 73,1.
Marmor mit Durchgängen von silberweilsen und liehtgrünlichen
Glimmerblättehen.
. Schreitender Jüngling, aus Athen. Sybel 274.
. Jüngling, die Hände auf dem Scheitel. Annalı 1876 Taf. G. Sybel 2906.
. Jünglingskopf in kurzem Haar, streng (Myronischen Typen verwandt),
gefunden am Dipylon in Athen. Sybel 3163.
32. Bogenschützen, Statuen vom Dipylon in Athen. Sybel 262. 263.
133. Unvollendete Statue eines Athleten, aus Athen. Bulletin V Taf. 3.
Marmor mit einzelnen silberweilsen Glimmerblättehen und Eisen-
kies-Körnchen.
. Lenormant’sche Statuette (Parthenos). Kavv. 64.
. Athena (Kopie der Parthenos). Kavv. 65.
Marmor etwas streifig.
. Kolossaler Athenakopf (vom Eubulides-Denkmal). Mittheilungen v1
Taf. 5. Sybel 2891.
. Ephesische Artemis, Statuette. Sybel 294.
80
138.
139.
140.
141.
142.
GARFMERE STnIS"
Schlafende Maenade, aus Athen. Kavv. 129. Sybel 2119.
Torsen der Ilias und Odyssee, aus Athen. Mittheilungen XIV Taf. 5.
Weibliche Gewandstatue unbekannter Herkunft. Kavv. 120. Sybel 42.
Bemerkung von Dr. Wolters: Es ist, beginnend mit Heydemann’s
Katalog eine sich stetig steigernde Verwirrung in der Bezeichnung
dreier weiblicher Gewandstatuen entstanden, die kurz verbessert sein
möge. Es sind zu unterscheiden:
A. Statue aus Andros (hier angeführt unter No. 286), abgebildet
in Le Bas-Reinach, Monuments figures Taf. 119. — Revue arch£olog.
1846 III Taf. 55, 1 (uns hier — in Athen — nicht zugänglich). —
Heydemann No. 191. Sybel 265. — Im National-Museum zu Athen
noch ohne Nummer.
B. Weibliche Statue, „aus Karystos“, abgebildet in Le Bas-Rei-
nach, Monuments figures Taf. 26. — Stephani, Parerga archaeolo-
sica XI, im Bulletin historico-philologique de Tacademie de St. Pe-
tersbourg X S. 249 (damals No. 3578 der Hadrianstoa). — Heyde-
mann 206 (der zuerst die Provenienz angiebt). — Sybel 275. —
Diese Statue befindet sich jetzt noch im Hof des National-Museums.
©. Die oben angeführte Statue, noch nicht abgebildet. Heyde-
mann 199. Sybel 42. Kavv. 120. |
„Hygieia“, Büste. Mittheilungen X Taf. 9.
Hygieia-Statue, aus Athen. Sybel 432.
Marmor ziemlich körnig; Glimmerdurchgänge an dem Gewand-
zipfel hinter der linken Hand.
. Inschrift über die Kosten des Parthenos-Bildes. AsArıov 1889 S. 6.
. Säule mit Inschrift, archaisch. C.1. A. IV, 1. S. 100, 37319,
Marmor ziemlich körnig.
5. Säulenkapitell mit Weihinschrift des Timotheos. Ross, Archäolog.
Aufsätze I Taf. 14, 2.
. Didaskalie-Inschrift, Architrav. C. 1. A. 1, 2. 977.
. Basis mit Inschrift des Kresilas. AsArıov 1889 S. 36.
Das Salaminische Dekret. Asarıov 1888 S. 117.
Marmor mit Durchgängen von silberweilsen Glimmerblättchen
und mit Eisenkies-Körnehen; um die letzteren durch Verwitterung
vostbraune Flecken (Eisenoxydhydrat).
149.
155.
156.
Griechische Marmorstudien. sl
Bemerkung von Dr. Wolters: Die Buchstaben zeigen deutliche
Spuren der Bemalung, die erste Zeile war roth, die zweite blau,
und so weiter abwechselnd in diesen beiden Farben.
Tributliste. C.I. A. I, 243.
Marmor mit Glimmerdurchgängen.
ß) Im übrigen Attika gefunden:
. Sphinx aus Spata in der Mesogeia, Attika. Kavv. 28. Mittheilun-
gen IV Taf. 5.
. Basis mit Herakles und dem Löwen, aus Lamptrae (bei Koropi in
der Mesogeia). Kavv. 42. Mittheilungen XII Taf. 3, 1.
Marmor ziemlich körnig.
. Grabrelief, stehender Jüngling, aus Laurion. Berliner Gipsabgüsse
1013.
Marmor mit rothbrauner Eisenhaut.
. Grabrelief, sitzende Frau, aus dem Piraeus. Brückner, Ornament
und Form der attischen Grabstelen Taf. II, 1. Conze, Grabreliefs N. 36.
. Stehender Pan, aus dem Piraeus. Sybel 268. Berliner Gipsabgüsse
2169.
Marmor etwas streifig.
Mädchen-Statuette, aus dem Piraeus. Mittheilungen XIV Taf. 4.
y) Auf Salamis und Aegina gefunden:
Grabrelief, Jüngling neben ihm Stele mit Katze, aus Salamis. Kavv.
131. Berliner Gipsabgüsse 1012.
Marmor etwas streifig.
Bemerkung von Dr. Wolters: Über den Fund dieses Reliefs
steht die einzige authentische Nachricht in Annali 1829 S. 135. Es
werden dort drei Grabreliefs aufgezählt, das erste sei auf Aegina
beim Bau des Waisenhauses gefunden, das zweite auf Salamis. „Il
terzo ebbi occasione di vedere presso il proprietario del medesimo,
il signor Dawkins incaricato d’affari d’Inghilterra presso il governo
greco in Egina. Proveniva anche questo da uno scavo intrapreso
dal detto signore nella medesima isola.“ Dies dritte Relief ist das
oben angeführte Kavv. 131. Es ist nun nicht klar, ob das „nella
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 11
GıRubiERr sTus«
medesima isola“ sich auf das zuletzt genannte Aegına oder, worauf
das anche questo führen würde, auf Salamis bezieht. Pittakis gab
Aesina als Fundort an; da das Relief dem dortigen Museum ein-
verleibt worden war, und von dort erst nach Athen gebracht wurde,
wäre ein Irrthum leicht möglich. In dem handschriftlichen Inventar
des Museums von Aegina führt nun Kambanis unter No. 26 auf:
„evayAubev Xwols Emiygapnv Eyov avwIev YAunpara deyirenrovinig. "Ex
95 vnrev Zaraulvos“. Dies muls das fragliche Relief sein. In dem
Verzeichnifs des Kambanis steht kein einziges Stück von der Pro-
venienz Aegina verzeichnet, welches sich mit dem fraglichen Relief
identifieiren hiefse. Die Provenienz Salamis ist somit gesichert.
. Grabrelief, stehender Mann, neben ihm Stier, unten Pflug und Hün-
din, aus Salamis. Sybel 533.
. Archaischer weiblicher Kopf aus Aegina. Kavv. 48. Mittheilun-
gen VIII Taf. 17, 1.
Bemerkung von Dr. Wolters: Zur Herkunft vergleiche Litera-
risches Öentralblatt 1881 S. 1660. Die in Berliner Gipsabgüsse No. 92
geäulserten Zweifel sind insofern unbegründet, als der Kopf aus dem
Besitz der Archäologischen Gesellschaft stammt, also nie zu dem
ehemaligen Museum in Aegina gehört haben kann. Im Inventar
der Gesellschaft haben wir den Kopf leider nicht auffinden können.
. Archaistische weibliche Statue aus Aegina. Kavv. 53. Sybel 18.
Marmor etwas streifig.
. Urkundenrelief aus Aegina. Schöne, Griechische Reliefs Taf. 26, 108.
Sybel 315. Berliner Gipsabgüsse 1177.
Bemerkung von Dr. Wolters: Die Herkunft aus Aegina be-
zeugt Kambanis No. 328: „’Erıruußıev egov eis TA nopubnv Ev @Ao-
RS! fh, \ , w &,5 \ a, Be «
Yov, avopwrov Ta za Way Yuvamı, N erıyoadr diebTagn. Ayıyns“.
3) In Eleusis gefunden:
. Weiblicher archaischer Kopf aus Eleusis. Kavv. 27. "Eonusgis 1883
Mafsıas
. Kleine archaische Figur aus Eleusis. Kavv. 5. ’Eonusgis 1884 Taf. 8, 1.
. Gruppe aus Eleusis, Replik der Gruppe links im Westgiebel des Par-
thenon. AsArıov 1888 S. 178, 11.
164.
167.
168.
176.
Griechische Marmorstudien. 83
Jünglingsstatue aus Eleusis. AeAricv 1888 S. 177, 2.
Bemerkung von Dr. Wolters: Replik des Polykletischen, sich
den Kranz aufsetzenden Siegers; siehe Brunn, Denkmäler 46; vergl.
Kekule, Idolino Taf. IV Taf. 13.
. Das grofse Eleusinische Relief. Kavv. 55.
Marmor lagerhaft geschnitten.
. Büste des „Eubuleus“, aus Eleusis. Kavv. 106. ’Eonuegis 1886
Taf. 10. Antike Denkmäler I Taf. 34. Anzeiger der Wiener Aka-
demie 1887, XXV (Benndorf).
Marmor, Haut stark geglättet.
e) In Böotien gefunden:
Reiterrelief aus Tanagra. Berliner Gipsabgüsse 1076.
Marmor zeigt oberflächlich braune Eisenverwitterung.
Grabstein der Plangon, aus Oropos. Kavv. 159. Le Bas-Reinach,
Monuments figures Taf. 71.
Marmor etwas streifig.
. Grabmal des Gathon und Aristokrates, aus Thespiae. Kavv. 32.
Mittheilungen III Taf. 15.
. Kleine archaische Statuette, aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 4.
. Archaischer unbärtiger Kopf, aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 16.
Bulletin X Taf. 7, 2.
Marmor mit einzelnen silberweilsen Glimmerblättehen (am Kinn!).
. Archaischer unbärtiger Kopf, aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 15.
Bulletin X Taf. 5, 1886. Journal of Hellenie studies VIII S. 184.
£) In Atalante und auf Euboea gefunden:
. Hermes aus Atalante. Kavv. 116. Gazette archeologique II Taf. 22.
. Portraitfigur aus Eretria auf Euboea. Kavv. 115.
7) In Korinth und in Aegion gefunden:
5. Grabrelief des Phokers Alkias, aus Korinth. Kavv. 161. Mitthei-
lungen XI Taf. 5. Gazette archeologique IX S. 360.
Marmor mit Durchgängen von silberweilsen Glimmerblättchen.
Zwei Portraitstatuen aus Aegion. Kavv. 118. 119. Mittheilungen
IIFPAEING:
il
84
184.
185.
186.
187.
188.
189.
190.
GIRMEERSTUS:
5) In Epidauros gefunden:
. Votivrelief aus Epidauros. Archäolog. Jahrbuch IH S. 111.
. Statuette des jugendlichen Asklepios, Weihung des Ktesias, aus Epi-
dauros. "Eonuegis 1886 S. 246.
. Athena-Statuetten, aus Epidauros. Kavv. 123. 124. ’Eonuepis 1886
Alan al:
. Hygieia-Statuette, Weihung des Gaios, aus Epidauros. "Eonuegis 1886
Taerar I
. Hygieia-Statuette (in dem Typus Sybel 432), aus Epidauros. Mit-
theilungen XI S. 334, B, 3.
. Telesphoros-Statuette, Weihung des Gaios, aus Epidauros. Mitthei-
lungen XI S. 334, B, 6.
. Hekataion von Phabullos geweiht, aus Epidauros. "Esnuegis 1885
1a1.r27712.
Marmor mit Durchgängen von silberweilsen und grünen Glim-
merblättchen.
Die Skulpturen von Epidauros (Kavv. 70ff.) bestehen aus Penteli-
schem Marmor No. 1.
:) Zu Thyrea in der Argolis gefunden:
Votivrelief, Euthenia und Telete, aus Thyrea. Berliner Gipsabgüsse
1847. Sybel 348.
Asklepios-Relief aus Thyrea (vom Kloster Lukü). Annalı 1873 Taf. M.
Sybel 319.
x) In Mantinea, Arkadien gefunden:
Musenreliefs von Mantinea. Bulletin XII Taf. 1—3.
Relief aus Mantinea. Bulletin XII Taf. 4.
?) Vom Berge Ithome in Messenien:
Herakles-Relief vom Ithome. Schöne, Griechische Reliefs Taf. 27,
112. Sybel 320.
#) Auf den Inseln Delos und Rheneia (der Nekropolis von
Delos) gefunden:
Jugendlicher Kopf mit breiter Binde, aus Delos. Bulletin IX Taf. 17.
191.
192.
1937
194.
195.
197.
Griechische Marmorstudien. s5
Weiblicher verschleierter Kopf, aus Delos. Kavv. 104. Bulletin
III Taf. 16.
Marmor ziemlich körnig.
Gruppen aus Delos.. Kavv. 56—61. A. Z. 1882 8. 337. 339.
Marmor ziemlich körnig.
Grabmal der Nin Aucı9eov @asia aus „Delos“ (d.h. von der Insel
Rheneia).
Marmor ziemlich körnig, mit hellgrünen Glimmerblättchen und
Eisenkies-Krystallen.
Bemerkung von Dr. Wolters: Die Provenienz ist gesichert durch
Kambanis No. 188; mit seiner Angabe stimmt die in der Expedition
de la Moree III S. 8 zu Taf. 18, 2.3 „venant de Delos et dessinde
a Tinos“ überein.
Grabmal des Aphthonetos und der Soteris aus Rheneia. Sybel 532.
Marmor mit silberweilsen Glimmerblättehen und kleinen schwar-
zen Eisenglanz-Krystallen.
Grabstein des Pakonios, aus Rheneia. Sybel 455.
Marmor mit Durchgängen von silberweilsen Glimmerblättchen
und mit Eisenkies-Körnchen.
5. Grabmal der Diodora, Frau des Atheners Zoilos, aus Rheneia. Sy-
bel 484.
Marmor mit silberweilsen Glimmerblättehen und Eisenkies-Körn-
chen.
v) von der Insel Kythnos:
Rechte obere Ecke des Grabmals eines Jünglings, aus Kythnos.
Kavv. 37. Sybel 7.
Bemerkung von Dr. Wolters: Nach dem Literarischen Central-
blatt 1881 S. 1660, „von den Inseln (Chios?)“; die oben mitgetheilte
Herkunft beruht auf dem Inventar der Archäologischen Gesellschaft
A 1594.
b) Aus dem Oberen hellgrauen Pentelischen Marmor (oben No. II)
bestehen:
198. Grabstein des Pyrrhias und der Thettale, aus Marussi (auf der Süd-
86
199.
202.
GIBMEEPR STUSE:
westseite des Pentelikon gelegen). Berliner Gipsabgüsse 1056. Sy-
bel 474.
Bläulichgrauer Marmor (ohne bituminösen Geruch).
Grabstein des Isodotos Isodorou. Sybel 452.
Bläulichgrauer Marmor (ohne bituminösen Geruch).
. Grabstein des Aristion. Kavv. 29. Conze, Grabreliefs N. 2.
Oberer hellgrauer Pentelischer Marmor mit grauen Streifen, la-
gerhaft geschnitten. Die Basis besteht aus demselben Marmor.
. Grabmal der Artemisia, aus Salamis. Kavv. 168. Sybel 96.
Bläulichgrauer, streifiger Marmor (ohne bituminösen Geruch).
Bemerkung von Dr. Wolters: Inventar der Archäologischen Ge-
sellschaft A 309.
Grabstele der Serapias. Sybel 480.
Bläulichgrauer Marmor mit gelben Streifen (ohne bituminösen
Geruch).
. Grabmal des Hermias aus „Delos“ (Rheneia). Sybel 557.
Hellgrauer Marmor mit grauen Streifen, lagerhaft geschnitten
(ohne bituminösen Geruch).
. Orientalisirendes Relief, vom Museionhügel in Athen. Berliner Gips-
abgüsse 1333. Bulletin V Taf. 1.
Hellgrauer Marmor mit aussetzender grauer und gelber Streifung
(ohne bituminösen Geruch).
205. Vierseitige Herme. Sybel 398. Le Bas-Reinach, Monuments figures
Tat: 32,41.2.
Hellblaugrauer Marmor.
c) Aus dem Unteren weisen Hymettischen Marmor (oben No. IV)
bestehen:
206. Grabmal aus Lamptrae (bei Koropi in der Mesogeia, Attika). Kavv.
41. Mittheilungen XII Taf. 2. Conze, Grabreliefs N. 19.
207. Inschrift des Endoios. AsArıov 1888 S. 208, 3.
208. Säule mit Künstlerinschrift des Archermos.
309. Archaische Inschrift. C.I. A. IV, 1 S. 57, 1b. S. 58, 19.
Marmor etwas streifig, lagerhaft geschnitten; mit bituminösem
Geruche.
Griechische Marmorstudien. 87
210. Inschrift des Lykurg. C.]. A. U, 1, 163.
Marmor graustreifig.
311. Übergabsurkunde. C.1. A. II, 2, 758.
Hellgrauer Marmor, mit bituminösem Geruche.
d) Aus dem Oberen blaugrauen Hymettischen Marmor (oben No. III)
bestehen:
312. Basis vom Grabmale des Prokleides, vom Dipylon in Athen (vergl.
oben No. 109). Kavv. 150. Berliner Gipsabgüsse 1050.
Marmor mit bituminösem Geruche.
313. Basis vom Grabmal des Aristonautes (vergl. oben No. 110). Kavv.
151. Sybel 944.
Marmor mit bituminösem Geruche.
214. Grabstein des Eutychos und der Rhodö, aus „Delos“ (d. h. von Rhe-
neia). Sybel 457.
Marmor mit starkem bituminösen Geruche.
215. Inschrift des Lykurg. C.I. A. I, 1, 162.
Marmor mit bituminösem Geruche.
216. Phrynichos-Inschrift. 0.1. A. II, 1, 59.
Marmor mit bituminösem Geruche.
e) Aus Marmor der Tegeatis (antike Brüche bei Dolianä, oben
No. VI) und der ?Thyreatis (Kynuria) in den Arkadischen und Argoli-
schen Nordtheilen des Parnon-Gebirges im Peloponnes bestehen:
217. Fragmente der Giebelgruppen vom Tempel der Athena Alea in Te-
gea. Kavv. 67—69.
Marmor aus den antiken Brüchen bei Dolianäa (oben No. VID;
im frischen Bruch hellbläulichgrau, weils verwitternd; grölsere zer-
fetzte Krystalle in glasglänzender Grundmasse.
Die Säulen und übrigen Werksteine dieses Tempels von Tegea,
wie sie noch an Ort und Stelle im Dorfe Piali liegen, bestehen aus
demselben Marmor aus den antiken Brüchen bei Dolianä (vergl. oben
unter No. VII und unten, Baumaterialien).
218. Archaisches Heroenrelief, aus Tegea. Mittheilungen IV Taf. 7. Ber-
liner Gipsabgüsse 54.
Marmor ähnlich dem von Dolianä, wie bei der vorigen No. 217.
88 G. ROLErsıus:
219. Votiv-Relief aus Tegea. Mittheilungen XI S. 206, 1.
Marmor ähnlich dem von Doliana, aber zu dunkelgrau für die-
sen; er mag wohl aus derselben Gegend stammen.
320. Sitzfigur der Ageso(?), von Frankovrysi (Khanı an der Stralse von
Tripolitza nach Megalopolis in Arkadien). Kavv. 6. Sybel 22.
Grauer Marmor, ähnlich dem von Dolianä; er mag wohl aus
dortiger Gegend stammen.
221. Amazone (freie Wiederholung der Mattei’schen), als Karyatide, aus
Thyrea in der Kynuria im südlichen Theil der Argolis. Sybel 442.
Marmor ähnlich dem von Doliana; er mag wohl aus den Ber-
gen bei Thyrea stammen; eisenrothe Verwitterungshaut.
222. Heroenrelief aus Thyrea in der Kynuria. Sybel 574. Berliner Gips-
abgüsse 1812.
Marmor ähnlich dem von Doliana; er mag wohl aus den Ber-
sen bei Thyrea stammen; eisenrothe Verwitterungshaut.
/) Aus Marmor wahrscheinlich von den antiken Marmorbrüchen
bei Vresthena im oberen Oinusthale, Parnon-Gebirge im östlichen Lako-
nien (oben No. VIII) besteht:
223. Archaische Inschrift aus Sparta. Röhl, Incriptiones antiquissimae 54.
Grauer, unreiner Marmor, ziemlich körnig, wie er in den antı-
ken Brüchen bei Vresthena ansteht. Vergl. unten No. 360 die
Inschrift-Stelen aus dem Museum in Sparta.
g) Aus Thessalischem Marmor, und zwar aus solchem Marmor,
wie er in den Bergen der Peneios-Enge zwischen Larissa und Trikkala
ansteht (oben No. IX), bestehen:
224. Heroenrelief (auf beiden Seiten skulptirt), aus Larissa. In der Litte-
ratur noch nicht erwähnt.
Marmor von der Art oben No. IXa: lichtbläulichgrau, ziemlich
grobkörnig, glasartig glänzend, wenig durchsichtig.
225. Votivrelief der Gorgoniska an Leto, Apollo und Artemis, aus La-
rissa, Thessalien. Bulletin XIII S. 392, 10.
Marmor von der Art oben No. IXa: ziemlich grobkörnig, glas-
artig glänzend, mit einem Stich ins Graue, wenig durchsichtig.
226.
227.
228.
Griechische Marmorstudien. s9
Grabdenkmal des Vekedamos, aus Larissa in Thessalien. Mitthei-
lungen VIII Taf. 3.
Marmor wie bei der vorigen Nummer 225.
Bemerkung von Dr. Wolters: Unter dem Sinter, der die ganze
Oberfläche des Denkmals bedeckt, finden sich links von dem un-
teren Saum des rechten Ärmels im Grunde deutliche Spuren dun-
kelrother Bemalung.
Grabstein der Polyxena, aus Larissa in Thessalien. Mittheilungen VIII
Taf. 2:
Marmor wie bei No. 225.
Grabstele mit weiblicher Figur, aus Larissa in Thessalien. Mitthei-
lungen XII S. 78.
Marmor wie bei No. 225.
Grabstele eines Jünglings aus Larissa oder Elatiae in Thessalien.
Mittheilungen XII S. 75. Bulletin XII Taf. 6.
Marmor grobkörnig, milchweils, undurchsichtig, wie oben No.IXb.
Fragment einer Grabstele aus Abdera in Thrakien. Kavv. 40. Mit-
theilungen VIII Taf. 6, 3.
Marmor ähnlich dem der vorigen No. 229.
h) Aus Böotien:
Wir haben oben unter No. 167—172 Skulpturen aus Böotien
kennen gelernt, welche aus Pentelischem Marmor gefertigt waren,
und wir werden weiter unten (No. 277— 280) andere böotische Skulp-
turen anführen, die aus Parischem oder anderem Inselmarmor be-
stehen. Hier erwähne ich einige Denkmäler und Statuen, welche
aus verschiedenartigen Materialien, wahrscheinlich einheimischen Ur-
sprungs, hergestellt sind. Ich kenne Böotien nicht; nach den An-
gaben, welche Al. Bittner!) über die geologische Beschaffenheit
der Böotischen Gebirge macht, wissen wir, dafs das krystalline
Grundgebirge in Böotien nicht zu Tage tritt; es kommt daher ın
Böotien, wie im gröfseren Theile von Nordgriechenland, kein ech-
1) Alexander Bittner, Der geologische Bau von Attica, Böotien, Lokris und
Parnassis. In den Denkschriften der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, mathem.-
naturwiss. Classe, 40. Band, S. 1— 55. Wien 1380.
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 12
90 G. R. Leepsıus:
ter, guter Marmor vor, so dafs Pentelischer oder Inselmarmor im
Apollo-Tempel am Ptoion-Gebirge, in Theben, Orchomenos, The-
spiae ete., besonders für die besseren Skulpturen der späteren Zeit,
verwendet wurden. Die Böotischen Gebirge bestehen vorherrschend
aus Kalksteinen des Kreidesystems, aus denen die Materialien der
folgenden Nummern (231— 243) entnommen sein dürften. Es ist
wichtig, dals fünf Grabreliefs aus Thespiae (No. 233—237) aus dem
gleichen kurzklüftigen, gelblichweilsen Kalkstein (jedenfalls ein Kalk-
stein aus dem Kreidesystem, vielleicht aus den Vorbergen des Heli-
kon) gefertigt wurden; ebenso bemerkenswerth ist der charakteri-
stische feinkörnige Oolith der vier archaischen Stücke No. 239—242
(aus dem Ptoion, No. 240 aber aus Tanagra, 30*" südöstlich vom
Ptoion im östlichen Böotien gelegen), nach dem identischen Gestein
offenbar aus demselben Steinbruche stammend. Es würde von In-
teresse sein, in der Umgebung von Orchomenos, Thespiae und dem
Ptoion nach den anstehenden Gesteinen dieser Materialien zu suchen;
ich finde in der Litteratur keine Angaben über antike Steinbrüche
in der Nähe der genannten Orte.
231. Apollo von Orchomenos. Kavv. 9.
Das Material ist ein harter grauer und graustreifiger halbmar-
morisirter Kalkstein, ähnlich dem Oberen grauen Hymettos- Mar-
mor, aber unreiner und fleckiger, auch weniger marmorisirt, das
heifst noch weniger krystallinisch, als dieser gewöhnlich ausgebil-
det ist.
232. Grabstele eines bärtigen Mannes, Werk des Alxenor von Naxos, ge-
funden in Orchomenos. Kavv. 39.
Dasselbe Material wie bei der vorigen No. 231.
233. Grabstein des Agathokles aus Thespiae. AsArıcv 1888 S. 145. Brück-
ner, Ornament etc. S. 70, 2. Mittheilungen XV 8. 38.
Hellgelblich weilser Kalkstein, wenig marmorisirt, d. h. mit ein-
zelnen kleinen Kalkspath-Krystallen in dichter Kalksteinmasse;
charakteristisch ist bei diesem Kalkstein der unregelmälsige, kurz-
klüftige Bruch, dessen Sprünge und Spalten netzförmig die Ober-
fläche des Denkmals durchziehen; häufig sieht man in den Bruch-
spalten feine gelbrothe Eisenhäute ausgeschieden.
Griechische Marmorstudien. 91
234. Grabstele eines Jünglings, aus Thespiae. Berliner Gipsabgüsse 1123.
Derselbe Kalkstein mit kurzklüftigem Bruche wie bei der vori-
gen No. 235.
235. Grabrelief der Diodora, aus Thespiae. AsAriov 1888 S. 146, 2. Rö-
mische Mittheilungen I S. 126.
Derselbe Kalkstein wie No. 233.
236. Grabrelief aus Thespiae. Berliner Gipsabgüsse 1125.
Derselbe Kalkstein wie No. 233.
237. Reiterrelief aus Thespiae. Berliner Gipsabgüsse 48. Mittheilungen
TV. „Tar.14-1,
Derselbe Kalksein wie No. 233.
238. Grabrelief mit vier Personen, oben Inschrift: Aruy... Sybel 523.
Derselbe Kalkstein wie No. 233.
Als Fundort wird zweifelnd Athen angegeben; das Material ist
dieser Angabe wenig günstig, vielmehr stimmt dasselbe mit demje-
nigen der Reliefs aus Thespiae in Böotien überein.
239. Archaischer männlicher Kopf aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 18.
Feinkörniger oolithischer Kalkstein; die sehr kleinen (0,2 —0,5””)
kugelförmigen Oolithkörnchen sind aus der dichten Kalkstein-Grund-
masse zumeist herausgewittert, und sieht man daher an der Ober-
fläche die unzähligen kleinen runden Löcher, aus denen die Oolith-
Körnchen vom Wasser ausgelaugt wurden; die graubraune Färbung
dieses und des folgenden (No. 240) Stückes ist auch nur durch
nachträgliche Verwitterung entstanden; ursprünglich wird das Ma-
terial gelblichweils, wie bei den No. 241 und No. 242, und ein
dicht und gleichförmig erscheinender Kalkstein, in dem man kaum
die kleinen Oolithkörnchen sah, gewesen sein.
240. Grabdenkmal des Dermys und Kitylos aus Tanagra. Mittheilungen
III Taf. 14.
Derselbe graubraune feinkörnige oolithische Kalkstein, wie die
vorige No. 239, so sehr dem Material der vorigen Nummer gleich
in Structur und Art der Verwitterung, dafs beide Stücke aus dem-
selben Steinbruche und demselben Kalksteinlager herstammen
müssen.
241. Obertheil einer archaischen Figur aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 3.
92
[S0)
>
N
243.
244.
0)
>
[br 1
G. R. Lepsıvs:
Gelblichweifser oolithischer Kalkstein, feinkörnig, mit unzähligen
kleinen runden Poren, aus denen die Oolithkörnchen ausgelaugt
sind; dasselbe Material wie No. 239, aber noch ziemlich frisch
und weniger stark verwittert.
. Untertheil einer archaischen Figur mit Künstlerinschrift (.... oros ercı-
Fere) aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 2. Bulletin X Taf. 7, 1.
Ganz dasselbe Material wie dasjenige der vorigen No. 241, noch
etwas frischer erhalten: gelblichweilser, oolithischer Kalkstein, fein-
körnig.
Inschrift des Lysanias aus Tanagra. Roehl, Inscriptiones antiquissi-
mae 135.
Weicher mergeliger Kalkstein.
i) Verschiedenes:
Basis des Chalkidischen Viergespannes. C.I. A. IV, 1, 8. 78, 334°.
Dunkelgrauer, dichter Kalkstein von Eleusis; das Material stimmt
genau überein mit den Handstücken, wie ich sie in den antiken
Brüchen am Nordende der Hügel von Eleusis vom Anstehenden
abgeschlagen habe.
. Archaischer unbärtiger Kopf, „aus Delphi“. Berliner Gipsabgüsse
42. Heydemann 436.
Dichter weilser Kalkstein, möglicher Weise bei Delphi einheimi-
misches Material.
Bemerkung von Dr. Wolters: Die Angabe der Herkunft beruht
auf dem Catalogue of casts in gypsum on sale by N. F. Martinelli.
Athen 1881 8. 23, 116.
;. Inschrift des Kydris aus Melos. Roehl, Inseriptiones antiquissimae 421.
Röthlicher Sandstein, ziemlich feinkörnig.
. Aetolische Freilassungsurkunde. Mittheilungen VIII S. 339.
Unreiner gelblicher Sandstein, wahrscheinlich aus tertiären
Schichten.
. Männlicher Torso. Sybel 1492.
Schwarzer, körniger Marmor; in Attika kommt solches Material
nicht vor; einen gleichen Marmor kenne ich z. B. aus den Bergen
östlich von Tripolitza in Arkadien.
Griechische Marmorstudien. 93
249. Bärtiger Portraitkopf mit langem Haar, aus dem Dionysostheater
(im Westen des Zuschauerraumes gefunden) in Athen. Sybel 2890.
Inventar der Archäologischen Gesellschaft A 2488.
Weilser dichter Marmor; wohl ausländischer, nicht griechischer
Marmor; gut polırt.
k) Aus „Inselmarmor“ bestehen, und zwar A!) aus ganz grobkör-
nigem Inselmarmor, demselben wie oben No. 1—3 aus dem Akropolis-
Museum:
250. Alterthümlicher männlicher Torso, und die dazu gehörigen Fülse
auf ihrer Plinthe, aus Athen. "Eniegis 1887. Datz
Weilser Marmor, ganz grobkörnig (Kalkspath-Krystalle bis 8"
grols).
251. Kolossaler Apollotorso aus Megara. Kavv. 13. Sybel 2.
Ganz grobkörniger Inselmarmor.
252. Apollon aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 10. Bulletin X Taf. 4.
Journal of Hellenie studies VII. S. 188.
Ganz grobkörniger Inselmarmor.
253. Archaischer männlicher Kopf aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 19.
Ganz grobkörniger Inselmarmor.
254. Apollon von Thera (Insel Santorin). Kavv. 8. (Vergl. L. Ross, In-
selreisen I S. 81).
Ganz grobkörniger Inselmarmor.
k2) Aus grobkörnigem Marmor von der Insel Naxos, wie oben un-
ter No. XIV beschrieben; vergl. auch unten No. 370 den unvollendeten
Apollo-Koloss, der noch in einem antiken Marmorbruche am Nordende
der Insel Naxos liegt.
255. Unvollendeter Apollo-Torso, aus Naxos. Kavv. 14. Sybel 3. (Vergl.
L. Ross, Inselreisen I S. 41).
k?) Aus Parischem oder gewöhnlichem, grobkörnigen Inselmarmor
bestehen:
«) Fundort unbekannt.
256. Archaischer weiblicher Oberkörper. Sybel 19.
Parischer Marmor.
94
257.
261.
262.
264.
I)
{er}
[$}1
G. R. Leersiıuvs:
Archaischer weiblicher Kopf. Sybel 2093.
Inselmarmor.
. Grabrelief, sitzende Gestalt mit Hund. Sybel 562.
Inselmarmor, ziemlich grobkörnig.
. Torso eines Harpokrates. Mittheilungen VI Taf. 13, 2.
Inselmarmor, ziemlich grobkörnig.
. Grabstein der Artemisia, Tochter des Artemon. Sybel 514.
Inselmarmor, ziemlich grobkörnig, milchweils.
®) In Athen und in Attika gefunden:
„Guter Hirte“ aus Athen. Sybel 374.
Parischer Marmor.
Grofses flaches Becken mit Inschrift von der Akropolis. C. I. A.
IV, 2 S2492 3782
Pariıscher Marmor; verbrannt, dadurch ist der Marmor ober-
flächlich loskörnig und bräunlich geworden.
. Obertheil der archaischen Grabstele eines Kriegers, aus der Kirche
Hag. Andreas hinter Levi bei Athen. Kavv. 33. Conze, Grabre-
liefs N. 4.
Guter Inselmarmor, ziemlich grobkörnig.
Untertheil der archaischen Grabstele eines Kriegers, aus Athen. Kavv.
34. Sybel 6, 1. Conze, Grabreliefs N. 10.
Guter Inselmarmor, ziemlich grobkörnig. Der Marmor würde
nicht gegen die Zusammengehörigkeit von dieser No. 265 mit der
vorigen No. 264 sprechen; wohl aber der Fundort, welcher im
Inventar der archäologischen Gesellschaft mit den folgenden Wor-
ten angegeben wird: „Ey rH oizı« T'eAadann ry &v ywvie ödav AloAov
zul KoAonorgwun“ (Dr. Wolters).
5. Zwei Bruchstücke einer archaischen Sitzfigur, vom Dipylon in Athen.
Kavv. 7. 7a. Sybel 23. 24.
Parischer Marmor.
Bemerkung von Dr. Wolters: Das gröfsere Stück stammt aus
den Fundamenten der polygonalen, d.h. der Themistokleischen Mauer
am Dipylon, nach dem Inventar der archäologischen Gesellschaft
A 2180, und zwar nahe bei dem ©905 zegaueızov (ASyvaıov II S. 137);
266.
267.
268.
269.
Griechische Marmorstudien. 95
die archaischen Fragmente, bei denen in Übereinstimmung mit Thu-
kidides I, 93 dieselbe Herkunft angenommen wurde (Berliner Gips-
abgüsse 99. 100, Basis des Xenophantos), stammen vielmehr aus
jüngeren Mauern am Dipylon. Vgl. Conze, Grabreliefs zu N. 5.
Weiblicher Kopf, vom Südabhange der Akropolis von Athen. Mit-
theilungen I Taf. 13.
Guter Parischer Marmor.
Aphrodite-Torso (Replik der Aphrodite von Arles, Fröhner, Louvre
137), aus Athen. Berliner Gipsabgüsse 1456. Sybel 287.
Parischer Marmor.
Bemerkung von Dr. Wolters: zur Herkunft dieses Stückes siehe
Literarisches Centralblatt 1881 S. 1660.
Kopf der Melpomene, aus Athen. Sybel 675. Berliner Gipsabgüsse
1444.
Parischer Marmor.
Apollokopf, Typus des sog. Lykeios, aus Laurion. AecArıcv 1888
S. 52, 2.
Guter Parischer Marmor.
y) Auf der Insel Aegina gefunden:
. Relief, Jüngling neben seinem Pferde, aus Aegina. Sybel 322.
Parischer Marmor.
. Archaische Sphinx, aus Aegina. Mittheilungen IV S. 69, 2.
Guter Parischer Marmor.
6) In Eleusis gefunden:
. Archaischer weiblicher Torso, aus Eleusis. Kavv. 24. Eonuegis
1884 Taf. 8,5; 1889 Taf. 3.
Inselmarmor.
. Archaischer weiblicher Torso, aus Eleusis. Kavv. 26. "Eonuegis
1884 Taf. 8, 7.
Inselmarmor.
. Archaischer weiblicher Torso, aus Eleusis. Kavv. 25. "Eonnegis
1884 Taf. 8, 6.
Inselmarmor.
96
375.
276.
279.
284.
DD
[oo]
[S 1
GIRSEEPRSTUS:
Archaischer Widderkopf, aus Eleusis. AsArıov 1888 S. 177, 4.
Inselmarmor.
€) In Böotien gefunden:
Apollon aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 12. Bulletin XI Taf. 8.
Inselmarmor; die Fülse bestehen aus dem gleichen Material.
(Vergl. oben No. 252.)
. Apollo-Torso aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 11. Bull. XI S. 184.
Grobkörniger Inselmarmor. (Vergl. oben No. 252.)
. Apollon aus dem Ptoion in Böotien, mit Weihinschrift (MNuSties und
"Arxgiov) auf den Schenkeln. Kavv. 20. Bulletin XI Taf. 14.
Parischer Marmor.
Weiblicher Kopf aus dem Ptoion in Böotien. Kavv. 17. Bulletin
XI Mal: 7.
Parischer Marmor.
&) In Epidauros gefunden:
. Archaischer Jünglingskopf aus Epidauros. AsArıev 1888 S. 153, 59.
Grobkörniger Inselmarmor.
. Aphrodite aus Epidauros. Kavv. 121. "Eopnnegis 1886 Taf. 13.
Parischer Marmor.
y) aus Lerna in der Argolis:
. Weiblicher Kopf aus Lerna. Kavv. 105. Mittheilungen VIII Taf. 10.
Grobkörniger Inselmarmor.
5) In Sikyon bei Korinth gefunden:
. Jünglingsfigur aus dem Theater in Sikyon. Mittheilungen XI S. 269.
AsArıov 1888 S. 5,2. American Journal of archaeology V Taf. 8.
Parischer Marmor.
ı) Aus Pylos in Messenien:
Grabrelief des Charteles, aus Pylos. Mittheilungen XH 8. 147, 7.
Grobkörniger Inselmarmor.
x) Auf der Insel Andros gefunden:
. Weibliche Gewandstatue (der Kopf war besonders eingesetzt), aus
Andros. Le Bas-Reinach, Monuments figures, Taf. 119. Sybel 265.
Parischer Marmor, etwas bläulich im Korn.
286.
287.
289.
Griechische Marmorstudien. 97
Bemerkung von Dr. Wolters: Die beste Fundnotiz bei Fied-
ler, Reise durch alle Theile des Königreichs Griechenland II S. 222.
Vergl. auch die Bemerkung oben bei No. 140.
Hermes von Andros, gefunden zusammen mit der vorigen Nummer.
Kavv. 108.
Parischer Marmor.
?) Auf der Insel Amorgos gefunden:
Bärtiger Kopf aus Amorgos. Bulletin XII Taf. 11, 1. AecAriov 1888
8.59, 3.
Parischer Marmor.
. Weiblicher Kopf aus Amorgos. Bulletin XHI Taf. 11,2. Asariv
1888 S. 52, 3.
Parischer Marmor.
Weiblicher Kopf mit Epheukranz, aus Amorgos. Bulletin XIII Taf. 10.
Asirıov 1888 S. 53, 5.
Parischer Marmor.
. Nike aus Delos.. Kavv. 21.
Parischer Marmor.
Die zugerechnete Inschrift, Kavv. 21, @, besteht aus dem glei-
chen Parischen Marmor.
#) Auf den Inseln Delos und Rheneia gefunden:
. Archaischer bärtiger Kopf, aus Delos. Kavv. 49. Bulletin V Taf. 10.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor.
. Unvollendete männliche Statue, aus Rheneia. Sybel 413.
Parischer Marmor.
. Unvollendete weibliche Figur, aus Rheneia. Sybel 412.
Parıscher Marmor.
. Kriegerfisur aus Delos. Kavv. 128. Bulletin XII Taf. 2.
Parıischer Marmor.
5. Archaische weibliche Gewandfigur, aus Delos. Kavv. 22. Bulletin
XI Taf. 7:
Parischer Marmor.
. Archaischer weiblicher Kopf, aus Delos. Kavv. 23. Bulletin III
Alan
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 13
98
297.
300.
301.
302.
303.
©
(>)
[SB
307.
308.
GeRMENESITUS:
Weihgeschenk der Nikandre, von Delos. Kavv. 1. Bulletin II Taf. 1.
Grobkörniger Inselmarmor.
. Grabstein des Atheners Nikogenes, aus Rheneia. Sybel 511.
Grobkörniger Inselmarmor, lichtgrau gefärbt.
. Grabdenkmal des Phronimos und der Theodosia, aus Rheneia. Sy-
bel 483.
Grobkörniger Inselmarmor.
Grabstein des Gorgias, aus Rheneia. Sybel 541. Kambanis 326
(„Aydou“).
Inselmarmor.
Grabstein des Sindes, aus Rheneia. Sybel 540.
Inselmarmor, ziemlich grobkörnig.
Grabdenkmal des Zenon und der Erotis, aus Rheneia. Sybel 489.
Kambanis 299 („Andev*).
Inselmarmor, ziemlich grobkörnig.
Grabdenkmal mit Relief (stehender Mann, sitzende Frau), aus Rhe-
neia. Sybel 535.
Parischer Marmor.
. Grabrelief des Atheners Philoxenos, aus Rheneia. Sybel 569. Kam-
banis 298 (Ayrou*).
Parischer Marmor.
. Grabdenkmal des Miltiades, aus Rheneia. Expedition de la Moree
Il Taf. 17, 3. Sybel 565.
Parischer Marmor.
Bemerkung von Dr. Wolters: Die Herkunft „Delos“ giebt die
Expedition de la Morde; damals befand sich die Stele auf der Insel
Tenos. Das Inventar der Archäologischen Gesellschaft A 616 kennt
die Herkunft nicht mehr.
. Grabrelief des Sporios Granios, aus Rheneia. Sybel 563. Kambanis 249.
Parischer Marmor.
Grabdenkmal des Kointos Nonneios, aus Rheneia. Sybel 566.
Parischer Marmor.
Grabdenkmal des Lysimachos und der Lysimache, aus Rheneia. Sy-
bel 567.
Parischer Marmor.
309.
310.
Griechische Marmorstudien. 99
Grabdenkmal des Leukios Auphidios, aus Rheneia. Sybel 465.
Parischer Marmor.
Grabdenkmal des Aulos Egnatios Alexandros, aus Rheneia. Sybel 526.
Parischer Marmor.
. Grabdenkmal des Demetrios Antiocheus, aus Rheneia. Sybel 555.
Inselmarmor, feinkörniger als der gewöhnliche; lichtbläulichgraue
Färbung.
. Grabstele des Nikephoros, aus Rheneia. Sybel 518.
Grobkörniger Inselmarmor; bläulichgraue Färbung.
Bemerkung von Dr. Wolters: Kambanis 167 giebt Syra als Her-
kunft an, die Expedition de la Moree dagegen „Delos“, d.h. Rhe-
neia. Letztere Angabe verdient in diesem Falle Glauben, da die Ex-
pedition dies Relief auf Syra zeichnete, Kambanis also nur den Ort
gekannt zu haben scheint, wo sich dies Stück zuletzt befunden hatte.
. Grabrelief („Maagwv ... Nafıa“), aus Rheneia. Sybel 564.
Parischer Marmor.
. Grabrelief der Ammia und Boethos, aus Rheneia. Sybel 546.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor, milchweils.
. Grabstein der Agathoklea Antipatrou, aus Rheneia. Sybel 507.
Parischer Marmor.
. Grabdenkmal der Demetria, aus Rheneia. Sybel 478.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor, milchweils.
. Grabrelief der Philoumene, aus Rheneia. Sybel 568.
Parischer Marmor.
. Grabdenkmal der Lampron Stymphalıa, unbekannten Fundortes, je-
doch wohl von den Inseln. Sybel 547. Berliner Gipsabgüsse 1802.
Parischer Marmor.
Bemerkung von Dr. Wolters: Diese Stele wurde in Syra mit
Beschlag belegt, als sie hinausgeschmuggelt werden sollte (Kamba-
nis 235); die Herkunft von Rheneia ist danach recht möglich.
. Grabstein der Agelais, unbekannter Herkunft. Sybel 486.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor.
Bemerkung von Dr. Wolters: Die Angabe, dals dieses Relief
aus Rheneia stamme,. beruht nur auf der Notiz in Expedition de la
Moree III Inseriptions 8. 31 Anmkg., deren Mitglieder diese Inschrift
135
100
320.
321.
323.
G. R. Leersıus:
aber bereits im Museum in Aegina kopirten; nach Kambanis 237
wurde das Relief 1830 in Syra festgehalten, als es herausgeschmug-
gelt werden sollte; die Herkunft Rheneia ist also wohl möglich.
Grabrelief, die Grabesthür darstellend, aus Rheneia. Sybel 515. Ber-
liner Gipsabgüsse 1800.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor.
v) Auf der Insel Melos gefunden:
Männliche Statue, Weihgeschenk des Theodoridas, aus Melos. Kavv.
112. Sybel 425. 923.
Parischer Marmor; die Basis besteht aus ziemlich grobkörnigem
Inselmarmor.
. Poseidon, von Melos. Kavv. 109. Bulletin XIII Taf. 3.
Parischer Marmor.
&) Auf der Insel Kythnos gefunden:
Relieffragment, bärtiger Kopf, aus Kythnos. Kavv. 44. Sybel 12.
Berliner Gipsabgüsse 22.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor.
Bemerkung von Dr. Wolters: Die Herkunft ist durch das In-
ventar der Archäologischen Gesellschaft A 1593 verbürgt.
. Grabdenkmal des Zenon Artemidorou Sidonios, aus Kythnos. Sy-
bel 491.
Ziemlich grobkörniger Inselmarmor, milchweils.
. Grabdenkmal, ®iAru "Apyupav[evs] za HuSis Xonorn xaige, aus Kyth-
nos. Sybel 558. Inventar der Archäologischen Gesellschaft A 1596.
Parischer Marmor.
co) Auf der Insel Kythera gefunden:
. Tindariden-Relief des Menandros, aus Kythera. Sybel 3278. Mit-
theilungen V S. 231.
Inselmarmor.
7) Aus Lykien und Bithynien:
. Sarkophag aus Lykien (oder Kilikien? Vgl. Benndorf, Reisen in Ly-
kien I S. 39). Mittheilungen II Taf. 10—12.
Parischer Marmor.
. Inschrift mit Relief, zu Ehren des Asklepiades Melidorou, aus Ni-
329.
330.
331.
332.
. Grabrelief der Hegeso. Sybel 33
. Grabstele des Koroibos. Sybel 33
Griechische Marmorstudien. 101
kaea in Bithynien. Conze, Lesbos Taf. 18. Lüders, Die Dionysi-
schen Künstler Taf. 1. Sybel 571.
Parischer Marmor.
Ehreninschrift mit Relief, für Stratonike Menekratou, aus Nikaea in
Bithynien. Conze, Lesbos Taf. 19. Lüders, Die Dionysischen Künst-
ler Taf. 2. Sybel 570.
Parischer Marmor.
C. Skulpturen in Athen, welche nicht/in den Museen
aufgestellt sind.
Westlicher Relieffries am Theseus-Tempel.
Parischer Marmor.
Grabsäule des “Ayias "Hgaxrewrrs, im Theseus-Tempel. Vergl. Ku-
manudis, ’Erıygapaı Erıruußıcı, 1688.
Parischer Marmor.
Grofse Nike -Statue aus Megara, neben dem Theseus-Tempel. Sybel
3435. Mittheilungen VI Taf. 10. 11.
Unterer weilser Pentelischer Marmor, etwas streifig.
Von den Grabdenkmälern am Dipylon sind die meisten in das
National-Museum verbracht worden (vergl. oben die No. 109, 112,
113, 115, 212); von denjenigen Denkmälern, die noch am Dipy-
lon stehen, habe ich die folgenden auf ihre Marmorart untersucht:
a) Aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor bestehen:
3. Reiterrelief des Dexileos, mit niedergestürztem Krieger. Sybel 3312.
Marmor etwas streifig.
. Grabstele des Lysias. Sybel 3313.
Marmor etwas streifig.
. Grabrelief der Korallion, Frau des Agathon. Sybel 3317.
Die Basis besteht aus Piraeus-Kalkstein.
. Grabrelief mit vier Figuren, eine fünfte im Schiff. Sybel 3328.
. Grabstele der Euphrosyne, mit Relief. Sybel 3330.
Marmor etwas streifig.
32.
339.
Marmor etwas streifig.
G.RERPBSTUS:
. Grabrelief des Aristion mit Knaben. Sybel 3337.
. Grabrelief der Protonoe, mit vier Figuren. Sybel 3338.
. Altar der Hipparete.
. Grabrelief der Demetria und Pamphile. Sybel 3343.
b) Aus dem oberen blaugrauen Hymettischen Marmor bestehen:
. Grabstele des Nausistratos. Sybel 3314.
. Grabsäule des Leukios.
. Grabsäule des Archikles und Bion. C. I. A. II/3 2491.
. Grofser Hund. Sybel 3325.
D. Skulpturen im Museum zu Argos.
In einem Saale der Bürgermeisterei der Stadt Argos sind eine
Anzahl von Skulpturen und Denkmälern aufgestellt, welche in die-
ser Stadt und deren Umgebung gefunden wurden; es waren mir
nur die grölseren Stücke zugänglich, nicht die kleineren Sachen,
welche in verschlossenen Schränken lagen.
. Statue des Pan. Mittheilungen IV S. 152, 495.
Unterer weilser Pentelischer Marmor.
. Medusenrehief. Mittheilungen IV S. 156, d.
Unterer weilser Pentelischer Marmor.
. Gewandstatue der Sophia, lebensgroßs. In der Litteratur nicht er-
wähnt.
Unterer weilser Pentelischer Marmor.
. Grabstele der Chariko. Mittheilungen IV S. 154, 504.
Unterer weilser Pentelischer Marmor, mit Durchgängen von sil-
berweilsen Glimmerblättchen.
352. Votivrelief des Arıstodamos (drei Personen und zwei Kinder am Al-
©
tar). In der Litteratur nicht erwähnt.
Marmor aus den antiken Brüchen bei Doliana in der Tegeatis,
lichtbläulichgrau mit zerfetzten Kalkspathkrystallen.
. Einige grofse Grabsteine mit Inschriften, bestanden aus dem dich-
ten, gelblichgrauen Kalkstein, der in den Bergen bei Argos ansteht
(Oberer Kreidekalkstein).
Griechische Marmorstudien. 103
E. Mykenae.
354. Das Löwenrelief über dem Hauptthore der Burg von Mykenae.
Diese 3” hobe, unten 3,6” breite und 0,61” dicke Steinplatte
besteht aus einem bräunlichgrauen dichten Kalkstem mit Flecken
und Adern von weilsem Kalkspath; derartige Kalksteine sind in den
Bergen bei Mykenae vorhanden, obwohl der Burgfelsen aus einem
helleren gelblichgrauen Kalksteine sich zusammensetzt; beide Arten
von Kalkstein gehören dem Kreidesystem an, das den grölseren
Theil der Gebirge des Peloponnes einnimmt.
Ich habe sonst nicht erwähnt, welche Angaben in der Litteratur
gemacht wurden über die Marmor- und Gesteinsarten der antiken
Skulpturen, die ich in diesem Verzeichnifs aufgeführt habe, aber
hier wıll ich doch bemerken, dals Schliemann in seinem Werke
über Mykenae, deutsche Ausgabe 8. 37 (Leipzig 1878), irrthümlich
angiebt, das Löwenrelief bestehe „aus derselben schönen Breceie,
aus welcher das Thor und die Ringmauer“ erbaut sind. Schuch-
chardt in Schliemann’s Ausgrabungen S. 168 (Leipzig 1890) sagt
zwar richtig, dals „die Platte aus einem weilslichgrauen, harten
Kalkstein“ bestehe, fügt aber fälschlich hinzu: „nach einer chemi-
schen Untersuchung ist es Anhydrit* — Anhydrit ist bekanntlieh
schwefelsaurer Kalk, der sich an der Luft sehr rasch umsetzt in
wasserhaltigen schwefelsauren Kalk, Gips, und der bei dieser Um-
setzung vollständig zerfallen würde; Kalkstein ist kohlensaurer Kalk.
F. Skulpturen im Museum zu Sparta.
In diesem Museum habe ich die folgenden Stücke untersucht,
welche wie die übrigen Sachen dieses Museums aus Sparta oder
aus der Umgegend der Stadt stammen.
355. Spartanische Stele, mit beiderseitigem Relief. Mittheilungen II S. 301, 6.
Grauer, körniger Marmor, wie er im Parnon-Gebirge, im öst-
lichen Lakonien, in den antiken Brüchen im oberen Oinus-Thale
ansteht (oben Marmor No. VIL).
356. Heroenrelief. Mittheilungen II Taf. 22.
104 G. R. Leesıvs:
Einheimischer Lakonischer Marmor, derselbe wie bei der vori-
gen No. 355.
357. Relief, nackte Frau mit zwei Knaben. Mittheilungen X Taf. 6.
Hellgrauer Marmor, etwas feinkörniger, als derjenige der bei-
den vorigen Nummern; wohl einheimischer Lakonischer Marmor.
358. Inschrift-Stele aus Amyklae bei Sparta. Mittheilungen III S. 164.
Hellgrauer, Lakonischer Marmor, wie bei No. 355.
359. Votivrelief des Pleistiadas. Mittheilungen VIII Taf. 18, 2.
Hellgrauer Marmor, von gelben Adern durchzogen; Lakonischer
Marmor wie derjenige von No. 355.
360. Die Inschrift-Stelen bestehen sämmtlich aus dem grauen Lakonischen
Marmor, wie er oben unter No. VIII aus den antiken Marmorbrü-
chen im oberen Oinusthale beschrieben wurde.
361. Sarkophag-Relief, mit Kindern. A. Z. 1880 Taf. 14.
Gelblicher Marmor, körnig, wie er ebenfalls bricht in den an-
tiken Marmorbrüchen im oberen Oimusthal (oben No. VII).
362. Amazonen-Relief. Mittheilungen II S. 409, 239.
Weifser Marmor mit bläulichgrauem Tone; einzelne gröfsere, zer-
fetzte Kalkspath-Krystalle in der körnigen Gesteinsmasse; gleicht
am meisten dem Marmor von Dolianäa in der Tegeatis.
363. Büste eines bärtigen Dionysos. (In der Litteratur nicht erwähnt.)
Unterer weilser Pentelischer Marmor.
364. Büste des Marc Aurel. (In der Litteratur nicht erwähnt.)
Parischer Marmor, milchweils.
°
G. Im Magasi zu Mavromati, einem Dorfe innerhalb der Stadt-
mauern des alten Messene am Berge Ithome in Messenien gelegen,
werden einige Skulpturen aufbewahrt, die im Bereiche der antiken
Stadt gefunden wurden; diese Stücke sind in der Litteratur noch
nicht erwähnt worden; ich untersuchte dort die folgenden Skulp-
turen:
365. Grolfse Steinplatte mit Stierköpfen und Blumengewinden.
Hellgelblichgrauer, dichter Kalkstein mit weifslichen Adern; es
ist dies der Obere Kreidekalkstein, welcher den gröfsten Theil des
Berges Ithome und der umliegenden Berge zusammensetzt; aus
366.
367.
368.
369.
370.
au
Griechische Marmorstudien. 105
demselben Kalkstein ist das Theater, die Mauern und Thürme der
antiken Stadt Messene hergestellt.
Grolfse Steinplatte mit Stier. Derselbe Kalkstein wie bei der vori-
gen No. 365.
Grabstele mit Relief einer weiblichen Figur. Derselbe gelblichgraue
Kalkstein wie bei No. 365.
Einige Grabstelen mit Inschriften, bestehen aus dem gleichen Kalk-
stein, wie No. 365.
Männliche Gewandstatue, ohne Kopf, lebensgrofs.
Unterer weifser Pentelischer Marmor.
H. Im Museum zu Olympia konnte ich leider keine Untersu-
chungen anstellen, da der Ephoros, Herr Leonardos, nicht anwe-
send war, als ich mich in Olympia aufhielt; es war mir daher nur
möglich, die Baumaterialien der antiken Bauten (siehe unten) und
einige Basen von Weihgeschenken, wie sie noch auf dem Ausgra-
bungsfelde stehen, näher auf ihre Gesteinsart zu untersuchen. Dort
in Olympia ist eine solche Menge von griechischen Marmoren und
Gesteinen vereinigt, wie an keinem anderen Orte in Griechenland,
und es würde hier vor allen antiken Fundstätten ein eingehendes
Studium der aus allen Gegenden von Griechenland versammelten Ge-
steinsarten zu wichtigen Resultaten über die Herkunft der Skulptu-
ren und Denkmäler führen können. Da ich in Olympia der Hülfe
eines Archäologen ermangelte, vermochte ich nur die folgenden
Stücke auf dem Ausgrabungsfelde zu identifieiren:
Basis, aus fünf Quadern zusammengesetzt, mit Inschrift, von Praxi-
teles aus Mantinea geweiht. Löwy, Inschriften griechischer Bild-
hauer 30.
Hellbläulichgrauer Marmor mit zerfetzten Kalkspath-Krystallen,
aus den antiken Brüchen bei Doliana in der Tegeatis, Arkadien.
Grofse Basis nahe der Nordostecke des Zeustempels.
Derselbe hellbläulichgraue Marmor von Doliana, wie bei der
vorigen No. 370.
. Basis der Quadriga östlich vor dem Zeustempel.
Derselbe hellbläulichgraue Marmor mit zerfetzten Kalkspath-
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. 14
1
06
G. R. Leepsıus:
Krystallen in frisch glasartig glänzender Grundmasse, von Dolianä
in Arkadien, wie bei No. 370.
373. Basis des Stieres der Eretrier, östlich vor dem Zeustempel.
Weifser grobkörniger Inselmarmor (bis 4”" grofse Kalkspath-
Krystalle), wohl von Paros oder Naxos.
374. Dreieckige Basis der Nike des Paionios.
3
[Sb]
75.
Auf einem Fundament, das aus dem einheimischen gelben Mu-
schelkalkstein besteht, liest der unterste dreieckige Stein aus hell-
gelblichgrauem dichten Kalkstein (der obere Kreidekalkstein, wie
er die Berge im oberen Alpheiosthale zusammensetzt). Alle übri-
gen dreieckigen Steine der Nikebasis sind aus einem grobkörnigen
Inselmarmor (bis 5"" grofse Kalkspath-Krystalle) gefertigt; in
dem vorherrschend weilsen Marmor sieht man hellgraue Partien;
dieser Marmor dürfte wohl von Paros oder Naxos stammen (vergl.
oben No. XII und XIV).
Ehrenbasis des Zenophilos; steht vor dem Stiere der Eretrier. A.Z.
1877 $. 41, 46.
Weilser, grobkörniger Inselmarmor mit Kalkspath-Krystallen,
die nach einer Richtung langsträhnig gestreckt und ausgezogen
erscheinen; die Kalkspäthe werden 10—15"”" lang und sind nur
3—5"" breit. Die Herkunft dieses Marmors kenne ich nicht;
jedenfalls stammt er nicht vom griechischen Continent, sondern
von den Inseln; vergl. oben No. XVb.
. Ehrenbasis des Tiberius Oppius Timandros; steht vor der Südost-
ecke der Ostrampe des Zeustempels. A. Z. 1877 S. 41, 45.
Ganz grobkörniger Inselmarmor; die grolsen Kalkspath-Kry-
stalle sind bis 14”" lang, und dabei bis 10”" breit; auch sind
die Krystalle, wie bei demjenigen der vorigen No. 375, vorherr-
schend nach einer Richtung langgestreckt; solchen Marmor kenne
ich weder vom griechischen Continent noch von ‘den Inseln, die
ich besucht habe (vergl. oben No. XV b).
. Springbrunnenbecken, nahe der Südostecke des Heraion. Ausgra-
bungen zu Olympia III S. 26.
Weilser, grobkörniger Inselmarmor mit langsträhnigen Kalk-
spath-Krystallen, genau derselbe Marmor, wie bei No. 375.
378.
379.
380.
381.
[Sb]
o
Griechische Marmorstudien. 107
Verschiedene Basen von Weihgeschenken vor der Ostrampe des Zeus-
tempels bestehen aus dem Unteren weilsen Pentelischen Marmor,
der in Olympia vielfache Verwendung gefunden hat (vergl. unten die
Baumaterialien in Olympia).
Von den Basen vor der Echohalle besteht eine, die vor der nörd-
lichen Hälfte der Halle sich befindet, ebenfalls aus Pentelischem
Marmor; die grolse Basis vor der Mitte der Echohalle besitzt pro-
filirte Stufen aus grobkörnigem Inselmarmor (von Paros oder Naxos);
die kleineren Basen neben dieser grolsen Basis zeigen profilirte Stu-
fen aus dem hellgelblichgrauen dichten Kalkstein, wie er im oberen
Alpheiosthale verbreitet und vielfach in Olympia verwendet wor-
den ist.
Basis des Damoxenidas aus Mänalos (in Arkadien), Werk des Niko-
damos, mit Fulseinguls aus Blei; steht nahe dem Springbrunnen-
becken oben No. 377. Löwy, Inschriften griechischer Bildhauer 98.
Schwarzer dichter Kalkstein, wohl aus dem Peloponnes (Arka-
dien oder Kap Taenaron). Dieser schwarze Kalkstein, der in
Olympia mehrfach verwendet ist, darf nicht verwechselt werden
mit dem dunkelbräunlichgrauen dichten Kalkstein von Eleusis;
aus dem letzteren besteht:
Die Basis des Zeusbildes von Phidias; im Zeustempel liegen an der
Stelle, wo das Zeusbild stand, viele Stücke vom „Eleusiniakos Li-
thos“, welche genau übereinstimmen mit dem dunklen Kalkstein,
wie ich ihn in Eleusis und in den antiken Brüchen am Nordende
der Hügelkette von Eleusis vom Anstehenden geschlagen habe: er
ist etwas heller als der schwarze Peloponnesische Kalkstein (No. 380)
und zeist eine bräunliche Färbung der dunkelgrauen dichten, musch-
lich brechenden Gesteinsmasse.
. Die Basis vom Hermes des Praxiteles, die noch im Heraion steht,
ist aus einem hellgelblichgrauen Kalkstein gefertigt, der wohl in
den tertiären Ablagerungen der weiteren Umgegend von Olympia
anstehen dürfte.
. Der Hermes des Praxiteles, der jetzt im Museum zu Olympia auf-
gestellt ist, besteht aus dem besten Paros-Marmor, aus dem Lych-
nites Lithos (oben No. XII); ich habe vom Bildhauer Grüttner ein
14*
108
384.
G. R. Lepsıvs:
Stück aus dem Rücken der Statue erhalten!), das ganz genau in
der Krystallstructur übereinstimmt mit den Handstücken, welche ich
von den antiken Bruchstellen des Lychnites in der Tiefe der Nym-
phengrotte vom Anstehenden abgeschlagen habe; doch ist der Mar-
mor des Hermes um eine Spur weniger frisch glänzend, als die
Stücke vom Anstehenden aus der Nymphengrotte; während der lan-
gen Zeit, in welcher diese Statue im Erdboden eingebettet lag, ist
durch den Einflufs der eindringenden Regenwasser doch der Mar-
mor ein wenig matter und milchweilser geworden und er hat den
ursprünglichen glasartigen Glanz seiner leuchtenden, krystallreichen
Gesteinsmasse um ein geringes Maals eingebülst.
I. Im Museum zu Larissa in Thessalıen.
Wir haben oben unter den Nummern 224 bis 229 einige Skulp-
turen aus Larissa, die sich jetzt im National-Museum in Athen
befinden, kennen gelernt; dieselben bestanden sämmtlich aus dem
‚ einheimischen thessalischen Marmor, wie ich ihn aus den Bergen
in der Peneios-Enge oberhalb Alıfaka vom Anstehenden geschla-
sen habe. Die folgenden Nummern bestehen zumeist aus densel-
ben thessalischen Marmoren (oben No. IXa und b); nur eine Grab-
stele fand ich in Larissa, die aus dem Unteren weilsen Penteli-
schen Marmor gefertigt ist.
Einige dreifsig Grabstelen und Inschriftsteine, gefunden in Larissa
oder in der Umgebung dieser Stadt, bestehen aus den weilsen und
grauen, auch graustreifigen, körnigen bis grobkörnigen Marmoren,
wie sie in den Bergen zu beiden Seiten des Peneios zwischen La-
rissa und Trikkala anstehen.
. Zwei Grabstelen und eine viereckige Basis bestehen aus der grünen
Serpentin-Breceie (dem sog. Marmor von Atrax oben No. X), aus
den antiken Stembrüchen bei dem Dorfe Kassamboli, zwei Stunden
nordöstlich von Larissa gelegen.
!) Die Statue wurde durch Eisenstangen mit der Wand verbunden, um sie vor
dem Umfallen bei den in dortiger Gegend zuweilen eintretenden Erdbeben zu bewahren.
Griechische Marmorstudien. 109
386. Grofses Grabrelief ohne Inschrift (stehender Mann in drei Viertel
Lebensgröfse, Kopf abgeschlagen, rechts einen langen Spiels haltend,
links vor dem Bein ein Kind). In der Litteratur nicht erwähnt.
Unterer weilser Pentelischer Marmor, mit den charakteristischen
Durchgängen von silberweilsen Glimmerblättchen.
387. Die Stufen des antiken Theaters am Burghügel von Larissa beste-
hen aus dem weilsen, lichtbläulichgrauen, körnigen Marmor, wie er
oberhalb des Palaeokastro von Alifaka in den Bergen der Peneios-
Enge sich verbreitet (oben No. IXa).
K. Auf der Insel Naxos liegt noch an Ort und Stelle in einem
antiken Marmorbruche, nahe der Nordspitze der Insel:
388. Apollo-Koloss, unvollendet, archaisch. L. Ross, Inselreisen I S. 39.
Grobkörniger, hellgrauer Marmor, wie er oben unter No. XIVa
beschrieben wurde. Vgl. oben No. 255 den unvollendeten Apollo-
Torso aus Naxos, jetzt im National-Museum zu Athen aufgestellt,
welcher aus demselben Marmor besteht.
Übersicht: der Skulpturen des Verzeichnisses, geordnet nach
Fundort und Marmorart.
1. In Athen wurde am meisten verwendet:
a) Der untere weilse Pentelische Marmor (No. D; von
den auf der Akropolis gefundenen Skulpturen bestehen in unserer Liste
42 Stücke (No. 55— 94) aus diesem eimheimischen Marmor; von den in
Athen und in der nächsten Umgebung der Stadt gefundenen Skulpturen,
welche im National-Museum aufgestellt sind, haben wir 50 Nummern
(No. 101—149) aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor angeführt,
110 G. R. Leprsıvs:
und dabei unter No. 115 eine ganze Anzahl von attischen Grabreliefs aus
dem IV. und V. Jahrhundert v. Chr. vereinigt, die sämmtlich aus diesem
Marmor gefertigt sind; zu den letzteren gehören auch die noch am Di-
pylon zurückgelassenen Grabsteme No. 333 — 343.
b) Viele der archaischen Skulpturen aus dem Perserschutt auf
der Akropolis, und viele der späteren Bildwerke von der Akropolis und
aus der Stadt Athen sind aus Inselmarmor gebildet, und zwar sowohl
aus dem ganz grobkörnigen Inselmarmor (XVa) — nämlich die No. 1—3
und No. 250, als aus dem wenig von diesem abweichenden grobkörnigen
Inselmarmor, der wohl meist von Naxos (XIVb) stammen wird, und aus
Parischem Marmor (XII und XI), nämlich die No. 4+—52 von der Akro-
polis, No. 264—269 und No. 330—331 aus Athen und Umgegend; es
sind dies im Ganzen 60 Stücke von Athener Funden aus Inselmarmor —
gegenüber weit mehr als 100 Skulpturen aus dem unteren weilsen Pen-
telischen Marmor.
c) Aus dem unteren weilsen Hymettischen Marmor (No. 95 — 97
und 206— 211), aus dem oberen grauen Pentelischen Marmor (No. 198
bis 205) und aus dem oberen grauen Hymettischen Marmor (No. 212 bis
216 und 344— 347) wurden verhältnifsmäfsig wenig Denkmäler in Athen
und Umgegend hergestellt — es sind im Ganzen nur 26 Stücke unserer
Liste. Der blaugraue Hymettische Marmor wurde für Bauzwecke mehr
verwendet, als zu Skulpturen, obwohl wie es scheint weit mehr zur rö-
mischen Kaiserzeit, als in altgriechischer Zeit (vergl. unten den letzten
Abschnitt über Baumaterialien).
d) Der mergelige Kalkstein von der Halbinsel Akte am Piraeus
(Aktites Lithos) wurde viel bei den Bauten in Athen gebraucht; von
Skulpturen aus diesem Gestein hatten wir nur die drei grofsen Relief-
gruppen auf der Akropolis und zwei andere Stücke No. 98—100 zu er-
wähnen.
2. Von den andern Orten in Attika — von Spata, Lamptrae,
Sunion, Piraeus, Rleusis und von den Inseln Salamis und Aegina haben
wir 17 Stücke (No. 150—166) aus dem unteren weilsen Pentelischen
Marmor, und 7 Stücke (No. 270—276) aus Parischem oder aus Insel-
marmor angeführt. Der dunkelgraue Eleusinische Kalkstein, dessen an-
Griechische Marmorstudien. ahl
tike Brüche am Nordende der Felshügel von Eleusis zu sehen sind,
scheint im griechischen Alterthum nur für Basen von Skulpturen (No. 244,
381), nicht für die Denkmäler selbst verwendet worden zu sein; dagegen
wurde er bei den Bauwerken (Akropolis von Athen, Tempel von Eleusis)
mehrfach benutzt.
3. In Böotien giebt es keinen einheimischen guten Marmor; da-
her finden wir den unteren weilsen Pentelischen Marmor bei den Skulp-
turen aus Tanagra, Oropos, Thespiae und aus dem Ptoion (No. 167 bis
172) in Gebrauch; ebenso hatten wir den ganz grobkörnigen Inselmarmor
(No. 250— 253), wie wir ihn aus Athen (No. 1— 35 und 250) kennen, und
den etwas weniger grobkörnigen, wahrscheinlich Naxischen Inselmarmor
(No. 277, 278), sowie den Parischen Marmor (No. 279, 280) aus dem
Apollotempel am Ptoion-Gebirge zu erwähnen. Von einheimischem, böo-
tischen Material wurde in Thespiae (No. 233 —238) ein hellgelblichweis-
ser Kreidekalkstein, im Ptoion (No. 239—241) und in Tanagra (No. 242)
ein feinkörniger, oolithischer Kalkstein, wohl ebenfalls aus dem Kreide-
System, am letzteren Orte auch ein ziemlich weicher mergeliser Kalk-
stein (No. 243) für Herstellung von Skulpturen angewendet.
4. Die Insel Euboea scheint im Alterthum von einheimischem
Marmor nur den Cipollin von Karystos und Umgegend für Bauzwecke
geliefert zu haben (oben No. XD); aus dem unteren weilsen Pentelischen
Marmor war die Porträtfigur von Eretria (No. 175) gefertist.
5. In Thessalien wurde zu den Grabdenkmälern und Inschrift-
steinen zumeist der körnige, einheimische, weilse bis hellgraue Marmor
aus der Peneios-Enge (oben No. IX) in Larissa (No. 224—229 und 384)
verwendet; auch die Serpentinbreccie aus den antiken Brüchen bei Kas-
samboli, den in byzantinischer Zeit für Säulen und Bauten in Konstan-
tinopel vielfach verarbeiteten „Thessalischen Stein“ (den sog. Marmor
vom Atrax, oben No. X) fanden wir wieder in einigen Grabstelen zu La-
rissa (No. 385); endlich konnten wir aus Larissa ein Grabrelief (No. 386)
anführen, das aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor bestand.
Die Stufen des antiken Theaters am Burghügel von Larissa (No. 387)
waren aus dem einheimischen Marmor aus der Peneios-Enge beim Pa-
laeokastro von Alifaka gefertigt.
11 GTERSEIEIE STE
6. Da der Peloponnes keinen schönen Statuenmarmor und
überhaupt wenig Marmor enthält, wurde bei den Skulpturen meistens der
untere weilse Pentelische Marmor verwendet, resp. wurden die Skulptu-
ren fertig von Athen aus importirt; wir fanden solche Stücke aus Pente-
lischem Marmor in: Korinth und Aegion (No. 175, 176), in Epidauros
(No. 177—184), in Argos (No. 348— 351), in Thyrea (No. 185, 186), in
Mantinea (No. 187, 188), in Messene (No. 189 und 369) und in Olympia
(No. 378). Daneben wurden in dem Peloponnes der Parische und ver-
schiedene andere Inselmarmore eingeführt: wir erwähnten solche Stücke
von Sikyon, Epidauros, Lerna, Pylos (No. 2831—285) und von Olympia
(No. 373 — 377, 385).
Unter den im Peloponnes einheimischen Marmoren ist noch der
beste derjenige aus den antiken Brüchen bei Doliana in der Tegeatis im
südöstlichen Arkadien (oben No. VII), der das Material zu den Tempel-
bauten in Tegea lieferte; diesen Marmor von Dolianä lernten wir auch
bei einigen Skulpturen und Basen aus Argos (No. 352), Tegea (No. 217
bis 219), Thyrea (No. 221, 222), Frankovrysi (No. 220) und aus Olym-
pia (No. 370— 372) kennen. Für Bauglieder war dieser Marmor geeig-
neter als für Skulpturen, daher finden wir ıhn nicht nur in Tegea, son-
dern auch an den Tempeln von Bassae und Olympia in Verwendung.
In Sparta wurden in älterer Zeit Skulpturen (No. 355 —361) und
Inschriften (No. 223) aus dem grauen, unansehnlichen Marmor der anti-
ken Brüche im oberen Oinusthale im Parnongebirge hergestellt; vermuth-
lich wurde dieser Marmor viel als Baumaterial in Sparta gebraucht. Ein
Relief im Museum zu Sparta (No. 362) besteht aus einem hellgrauen Mar-
mor, der dem von Doliana ın der Tegeatis am meisten gleicht. Aus spä-
terer Zeit finden wir auch in Sparta den Pentelischen Marmor (No. 363)
und Parischen Marmor (No. 364) bei Skulpturen in Verwendung.
Der gelblichgraue dichte Kreidekalkstein, wie er einen grofsen
Theil der Berge von der Argolis, von Arkadien, Messenien und Elıs zu-
sammensetzt, wird noch jetzt im Peloponnes bei Hausbauten vielfach be-
nutzt, da er sich leicht und schön behauen läfst; wir hatten denselben
zu erwähnen bei Grabdenkmälern, Inschriftsteinen und Basen für Weih-
geschenke in Argos (No. 353), Messene (No. 365— 367) und in Olympia
Griechische Marmorstudien. 113
(No. 379); auch das berühmte Löwenrelief über dem Burgthore von My-
kene (No. 354) besteht aus einheimischem grauen Kreidekalkstein.
7. Auf den Inseln der Oykladen wurden natürlich vorwiegend
die Parischen, Naxischen und andere grobkörnige Inselmarmore verwen-
det; die zahlreichen Grabdenkmäler von der Insel Rheneia, der Nekro-
polis von Delos, bestehen zumeist aus diesen Marmoren (No. 290 — 320),
nur wenige aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor (No. 190 bis
196), eines (No. 214) aus dem oberen grauen Hymettischen, und ein
zweites (No. 203) aus dem oberen grauen Pentelischen Marmor. Auch
von der Insel Kythnos hatten wir ein Grabdenkmal (No. 197) aus weis-
sem Pentelischen Marmor zu erwähnen, während andere Grabreliefs von
Kythnos (No. 323— 325) aus Parischem und grobkörnigem Inselmarmor
bestanden. Die übrigen Inseln, die wir anzuführen hatten, die Inseln
Andros, Amorgos, Melos und Kythera (No. 285—289 und No. 321—326)
hatten meist Parischen, einige auch den gewöhnlichen Inselmarmor ver-
wendet. Die antiken Marmorbrüche auf der Insel Naxos scheinen beson-
ders in älterer Zeit viel Marmor für Skulpturen geliefert zu haben, ob-
wohl wir mit Sicherheit nur zwei unvollendete Apollo-Statuen (No. 255
und No. 385) dem Naxischen Marmor zuschreiben konnten (vergl. im
Nachtrag die Seiten 132. 133).
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. I. 15
114 GRNDERETTS*
Einige Beobachtungen über Baumaterialien an antiken Bauwerken
in Athen, Eleusis, Tiryns, Mykenae, Tegea, Messene
und Olympia.
Vorbemerkung. Die im Folgenden mitgetheilten Beobachtungen
über Gesteinsarten, welche bei antiken Bauwerken verwendet wurden,
habe ich nur beiläufig angestellt, es fehlte mir die Zeit, dieselben syste-
matisch durchzuführen, auch fehlte mir in der Regel die nothwendige
Beihülfe eines Archäologen oder Architekten, um die in den Ruinen her-
umliegenden Trümmer der architektonischen Bauglieder näher bezeichnen
zu können; nur in Athen hat mich Herr Dr. Dörpfeld, erster Sekretar
des Deutschen archäologischen Institutes zu Athen, wiederholt begleitet,
und bin ich demselben zu grolsem Dank verpflichtet für die Angaben,
welche er mir über Bauglieder antiker Bauten in Athen gemacht hat.
Von den Gesteinsmaterialien der antiken Bauwerke habe ich, gerade wie
bei den Skulpturen, Proben mitgenommen, näher untersucht und vergli-
chen mit den Handstücken, die ich vom Anstehenden abgeschlagen hatte.
Athen.
1. Die obere Felsplatte der Akropolis von Athen, welche sich in
die nach Westen zu vorliegenden Areopag-, Nymphen- und Museion-Hü-
gel fortsetzt, besteht aus dem gleichen Kalksteine des Kreidesystemes, der
die beiden Gipfel des Lykabettos und die höheren Theile der nördlich
fortziehenden Turkovuni bildet: es ist ein blaugrauer dichter Kalkstein,
vielfach von gelblichen bis rothbraunen eisenfarbigen Kalkspath- Adern
durchzogen. Die Fundamente der Bauten in der modernen Stadt Athen
werden sämmtlich aus diesen Kalksteinen aufgemauert: Die Steinbrüche
befinden sich auf dem Lykabettos (wo neuerdings die Brucharbeiten
verboten sein sollen, um diesen schöngeformten Berg nicht ganz zerstö-
ren zu lassen) und besonders an den Westabhängen der Turkovuni bei
Patissiıa im Norden von der Stadt Athen. Auch im Alterthum wurde
dieser blaugraue Kalkstein vielfach als Baumaterial verwendet; auf der
Akropolis allerdings mehr in der älteren Zeit vor den Perserkriegen:
Dr. Dörpfeld zeigte mir die sog. Pelasgischen Mauern, die ältesten Be-
Griechische Marmorstudien. 115
festigungsmauern der Akropolis, von denen sich Reste zwischen dem Askle-
pieion und dem Herodes-Theater, ferner im Nike-Pyrgos, und beson-
ders stattlich neben dem jetzt abgetragenen Frankenthurme finden; diese
Mauern waren zusammengefügt aus unregelmäfsigen, fast unbehauenen
Blöcken des genannten blaugrauen Kalksteins; die Mauer am Asklepieion
enthielt auch Stücke von den grünen Schiefern und grauwackenartigen
Sandsteinen, welche unter dem blaugrauen Kalkstein lagern und die un-
teren Abhänge der Akropolis bilden, während die 6” breite Umfassungs-
mauer auf der Höhe neben dem Frankenthurm nur aus dem blaugrauen
Kalksteine in grofsen (1—1,5” langen) unregelmäfsigen Blöcken erbaut
ist; die Fugen zwischen den gröfseren Blöcken waren mit Lehm und klei-
nen Steinen ohne Mörtel ausgefüllt. Auch die polygonalen Mauern un-
mittelbar über dem Dionysos-Theater und innerhalb des Beule’schen Tho-
res in der Axe der Propylaeen sind aus diesem blaugrauen Kalkstein gebaut.
Die Fundamente des Innenbaues von dem alten Athena- Tempel,
der in den letzten Jahren neben dem Erechtheion und zwar auf der Süd-
seite desselben gegen den Parthenon zu ausgegraben worden ist, beste-
hen aus polygonalen, nur auf den horizontal gelegten Flächen bear-
beiteten Blöcken des blaugrauen Kalksteines; zwischen denselben liegen
aber auch kleinere Stücke des gelblichen Piraeus-Kalksteins, aus dessen
Quadern der Oberbau dieses inneren Tempeltheiles gebaut war.
Die Blöcke des blaugrauen Kalksteins der älteren Bauwerke auf
der Akropolis brauchen durchaus nicht von dem anstehenden Fels der
Akropolis selbst entnommen zu sein; vielleicht in der allerältesten Zeit
und für die Mauern, in denen wir kleinere Stücke und neben dem Kalk-
stein auch den am Ort anstehenden grünen Schiefer vorfinden, mag man
die unter den Felsgehängen der Akropolis herabgebröckelten Steine ge-
nommen haben; aber gewils wird man schon damals sich gehütet haben,
durch einen Steinbruchsbetrieb diesen zur Vertheidigung von der Natur
so trefflich geformten Felshügel anzubrechen, da man ganz dasselbe Bau-
material in den umliegenden Hügeln, vom Museion, vom Nymphen-Hügel
entnehmen konnte. Das Barathron, die Felsschlucht im nordwestlichen
Theil des Nymphen-Hügels, nahe der Sternwarte, ist nicht ein natürlicher,
sondern ein künstlicher Einschnitt, und dürfen wir wohl in dem Bara-
thron den ältesten Steinbruch der Athener erkennen.
15*
116 G. R. Lepsıus:
9. Ein zweites leicht erkennbares Kalkgestein aus der Umgegend
von Athen, das ein treffliches und sehr festes Baumaterial lieferte, wurde
im Alterthum gebrochen in den Steinbrüchen nördlich von dem Hofe
Karä, ca. 3,5"" südöstlich von der Akropolis an den unteren Abhängen
des Hymettos gelegen: es ist ein lichter, etwas poröser Kalkstein von
tertiärem Alter, stellenweise durch etwas Eisenausscheidung roth oder hell-
röthlich gefärbt; durchzogen von Röhren und unregelmäfsigen Hohlräumen,
oft ein echter Sinterkalk, ähnlich dem römischen Travertin, ist er doch
ungemein „hart“ und fest durch ein allerdings nur in geringem Grade
ausgebildetes krystallines Gefüge seiner feinkörnigen bis diehten Gesteins-
masse. Dieser Kalkstein wurde von den Alten zersägt, in Quadern ge-
schnitten, und auch recht gut polirt. Man benutzte ihn jedoch, wie es
scheint, nur eine Zeit lang in Athen: ich sah diesen Karä-Stein im Funda-
ment und in den Stufen der äufseren Säulenhalle des oben erwähnten
alten Athena-Tempels neben dem Erechtheion; auch sagte mir Dr. Dörp-
feld, dafs die Oberstufe des Kimonischen Parthenon aus dem Karä-Stein
gebaut war, und zeigte mir eine dieser Kar4-Quadern des Kimonischen
Baues, überbaut von den später gelesten Stufen aus Pentelischem Mar-
mar, an der Südwestecke des Perikleischen Parthenon.
Auch am Dipylon fand ich den Karä-Kalkstein als Baumaterial
verwendet: der Unterbau (Sockel) der von Themistokles erbauten Mau-
ern bestehen aus polygonalen, sauber an den Fugen behauenen Blöcken
von dem blaugrauen Lykabettos-Kalkstein; beim ersten Umbau dieser
Mauern des Themistokles am Dipylon wurden schön bearbeitete Qua-
dern von Karä-Stein benutzt: so sehen wir diese Kar4-Quadern zusam-
men mit ebenso gut behauenen und scharf gefugten Quadern aus Pi-
raeus-Kalkstein im südlichen Thurme des Dipylon in gröfserer Anzahl
vermauert.
Bei den Bauten aus späterer Zeit auf der Akropolis oder in der
Stadt Athen scheint dieser feste Kalkstein von Karä nicht mehr benutzt
worden zu sein; die antiken Brüche bei Karä haben auch keine bedeu-
tende Ausdehnung, obwohl man die gelb verwitterten, ziemlich umfäng-
lichen Halden derselben mit blofsem Auge von der Höhe der Akropolis
aus leicht erkennen kann. Neuerdings wird wieder angefangen, diesen har-
ten Kalkstein von Karä& auszubeuten.
Griechische Marmorstudien. 117
3. Der Kalkstein aus den antiken Brüchen auf der Halbinsel Akte
(daher „Arrirys Ar9os“ von den Alten genannt) am Piraeus-Hafen hat
im Alterthum als ein leicht zu bearbeitendes und zum grofsen Theil recht
dauerhaftes Baumaterial eine ausgedehnte Benutzung gefunden. Man er-
kennt diesen Kalkstein des Piraeus an seiner gelblichgrauen bis gelben
Färbung, zu der er rasch verwittert, während er frisch aus den Brüchen
ziemlich weils oder hellgrau aussieht. Das Gestein ist oft ganz erfüllt
mit kleinen und gröfseren fossilen Muschel- und Schneckenresten, und
ist dann das Gestein in der Regel ein ziemlich fester und reiner, etwas
poröser Kalkstein. Viele Schichten enthalten aber keine Fossilien, be-
sonders diejenigen, die etwas weicher und unreiner durch Beimengung
von thonigen oder sandigen Gesteinsmaterialien sind, und die dadurch in
einen mergeligen Kalkstein übergehen; aus solchem graugelben mergeligen
Kalksteine vom Piraeus sind z.B. die oben angeführten Giebelgruppen auf
der Akropolis (Verzeichnils No. 98) gefertigt.
Der Kalkstein von der Halbinsel Akte ist ungleichmälsig sowohl
in semen Farbtönen, wie in der Zusammensetzung des Materials, und
daher nicht schön anzusehen: deswegen wurde dieser Stein zwar sehr
viel im Fundament und in den Mauern der antiken Bauwerke in Athen
verwendet in unbehauenen Stücken, vorwiegend aber in regelrecht be-
hauenen oder gesägten Quadern; wo es aber auf ein äulserlich schönes
Aussehen der Mauern ankam, wurden die Piraeus-Quadern mit Marmor-
platten überkleidet: die Halle des Eumenes am Südfuls der Akropolis
(Athen. Mitth. XIII S. 100) zwischen dem Dionysos-Theater und dem
Odeion besteht in ihren Fundamenten aus Quadern von tertiären Conglo-
meraten, darüber sind die Mauern, Pfeiler und Bogen aus Quadern von
Piraeus-Kalkstein erbaut, deren Flächen und Wände, wenigstens in den
unteren Theilen des Bauwerkes, mit Platten des blaugrauen Hymettischen
Marmors verkleidet waren; auch die Stufen bestanden aus blauem Hy-
mettischen, die übrige Architektur aus weilsem Pentelischen Marmor. In
derselben Art und Weise und aus denselben Materialien war die Stoa des
Attalos, in der Altstadt von Athen gelegen, gebaut.
Das Odeion des Herodes Attikus ist grölstentheils aus behauenen
Quadern des Piraeus-Kalksteins gebildet; das Innere der dicken Mauern
ist mit Bruchstein-Mauerwerk, Opus incertum, auch rothe Ziegelbruch-
118 G. R. Lersıus:
stücke enthaltend, ausgefüllt; die Aufsenflächen der Mauern und Pfeiler
waren mit dünnen Platten von blaugrauem Hymettischen und von weis-
sem Pentelischen Marmor bekleidet.
Am Dionysos-Theater sind die Mauern, alle Stufen und Sitzreihen
aus Piraeus-Quadern aufgeführt, und zwar sieht man dort sowohl den
festen, porösen, muschelreichen, als den dichteren, gelblichen, weicheren
Kalkstein der Halbinsel Akte. Nur die Fundamentmauern enthalten Qua-
dern aus dem tertiären Conglomerat. Die Reihe der Sessel besteht aus
weilsem Pentelischen Marmor.
Für die östliche Säulenhalle im Asklepieion stellte man die Fun-
damente aus dem tertiären Conglomerate her, legte darüber eine Schicht
von blaugrauem Hymettischen Marmor und stellte darauf Säulen aus weis-
sem Pentelischen Marmor. Die Mauer aber, die hinten am Burgfelsen
lehnt, ist aus harten Piraeus-Quadern erbaut, und dabei ebenfalls einer
Schicht blaugrauen Hymettischen Marmors aufgesetzt. Der westlichen
Säulenhalle im Asklepieion jedoch fehlen die Conglomerat-Quadern, hier
ist das Fundament sogleich aus Piraeus-Quadern gelegt worden, über
denen dann wieder die Schicht des Hymettischen Marmors folgt.
Die Fundamente des Theseion bestehen aus roh behauenen Blöcken
des Piraeus-Kalksteins, während fast alle übrigen Architekturglieder die-
ses Tempels aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor gefertigt sind.
Der westliche Relieffries aber, an den ich zufällig auf einer hohen Leiter
gelangen konnte, ist aus Parischem Marmor gefertigt. Auch der Östfries
und die Metopen-Reliefs sollen aus Parischem Marmor bestehen (vergl.
oben im Verzeichnils No. 330).
Auf der Akropolis war, wie erwähnt, der Oberbau des alten Athena-
Tempels neben dem Erechtheion aus Piraeus-Kalkstein erbaut; ich sah
dort aus demselben Gestein auch zwei Säulenbasen liegen, von denen
Dr. Dörpfeld meinte, dafs sie nicht zu dem Tempel selbst gehört ha-
ben (vergl. Athen. Mitth. XII S. 61). Bei den jüngeren Bauten aus der
Zeit des Perikles, am Parthenon, Erechtheion, Propylaeen, wurde der
Piraeus-Stein nur in den Unterbauten gebraucht und die nach aufsen
sichtbaren Flächen desselben mit Pentelischem Marmor-Platten überklei-
det. Wenn man die Treppe zu den Propylaeen aufsteigt, so sieht man,
dafs die Unterbauten und Terrassenmauern der Propylaeen aus gut be-
hauenen Quadern des festen, muschelreichen Piraeus-Kalkstein gefügt sind.
Griechische Marmorstudien. 119
4. In der weiten, steinigen Ebene zwischen der Stadt Athen, dem
Lykabettos, den Turkovuni und dem Hymettos lagern grobe Oonglome-
rate in dieken Bänken wechselnd mit rothbraunen Letten und Sandstei-
nen; diese jungtertiären Conglomerate enthalten in einem sandig-kalkigen
Cement unzählige kleinere und gröfsere (bis 10° lange) rund abgerollte
Stücke aller derjenigen Gesteine, die in den umliegenden Bergen vor-
kommen, meist Stücke von Marmoren und Kalksteinen. Solche Con-
glomerat-Gesteine, wie sie in der Schweiz „Nagelfluhe“ genannt werden,
sind frisch gebrochen, durch die Bodenfeuchtigkeit noch weich genug,
um sich bearbeiten und zu Quadern behauen, sogar sich sägen zu las-
sen; an der Luft und in den Mauern erlangen sie eine ziemlich grofse
Festigkeit.
Wir haben bei den Bauten in Athen schon mehrfach diese Con-
glomerate als Baumaterial erwähnt; sie wurden besonders im Innern der
Mauern verwendet und mit Piraeus-Quadern verkleidet, z. B. in den jün-
geren Mauern am Dipylon aus dem IV. Jahrhundert.
Hier will ich ein kleines quadratisches Gebäude im Westtheile des
Asklepieion südlich von der alten Cisterne anführen, dessen Fundamente
aus ziemlich grofsen Quadern (65 zu 130°) von solchen tertiären Con-
glomeraten gefügt sind, und zugleich Quadern enthalten aus den dunkel-
braunen Sandsteinen, wie sie mit jenen Conglomeraten zusammen in der
Ebene bei Athen vorkommen; über diesem Fundamente liegen Quadern
von Karä- und Piraeus-Kalksteinen.
5. Der dunkelgraue, etwas bräunliche, dichte Kalkstein von
Eleusis wurde ebenfalls bei den Bauwerken in Athen verwendet. Ich
habe bereits oben erwähnt, dafs die antiken Brüche am Nordende der
Felshügel von Eleusis noch zu sehen sind: ein grofser Bruch ganz am
Nordfufs der Hügel, da wo die Strafse nach Megara nach Westen umbiegt,
und über demselben in den steilen Abhängen des Berges eine Reihe von
kleineren Steinkammern. Aus diesem Eleusinischen Kalkstein ist die ober-
ste Stufe der Treppe in den Propylaeen an den fünf grofsen Thoren her-
gestellt, und zwar läuft diese schwarze Schicht, aus grofsen Quadern zu-
sammengesetzt, im gleichen Niveau mit den Stufen auch nach beiden
Seiten in die Wände des weilsen Pentelischen Marmors. Etwas fester und
haltbarer als der Pentelische Marmor dürfte der Eleusinische Kalkstein
120 G. R. Lersıuvs:
wohl für Treppenstufen sein; aber dieses schwarze Band wird durch die
weilsen Flächen wohl mehr noch aus ästhetischen Gründen gelegt wor-
den sein.
Am Relieffries des Erechtheion waren Figuren aus weilsem Mar-
mor mittelst Dübeln festgeheftet auf schwarzen Platten des Eleusinischen
Kalksteins, wie wir aus der Baurechnung dieses Tempels wissen (’EAeusı-
viaros AlQos, Corpus inscriptionum Atticarum, Bd. I S. 322 Zeile 41).
Ich fand auf der Akropolis unter den dort umherliegenden antiken
Bausteinen allerdings auch einen dichten, schwarzen Kalkstein, der weit
schwärzer und gleichmäfsiger gefärbt ist, als der Eleusinische, der mehr
eine dunkelbräunlichgraue Färbung besitzt; diesen tiefschwarzen Kalkstein
sah ich öfters auf dem Ausgrabungsfelde in Olympia (vergl. oben im Ver-
zeichnils No. 380 und ich vermuthe, dafs derselbe aus dem Peloponnes
(Arkadien oder Halbinsel Taenaron) herstammt; er ist vielleicht erst zur
römischen Kaiserzeit, wo ja die Bausteine weit wanderten, auf die Akro-
polis von Athen gelangt.
6. Wie bei den Skulpturen, so wurde auch bei den antiken Bau-
werken in Athen vorherrschend der untere weilse Pentelische Marmor
aus den Brüchen über dem Demos Pentele verwendet, ganz besonders
nach den Perserkriegen zur Zeit des Perikles und in den späteren Zeiten.
Der blaugraue Hymettische Marmor scheint in griechischer Zeit weniger
bei den Bauwerken in Athen zur Verwendung gekommen zu sein, als
zur römischen Zeit, wo dieser Marmor, wie andere farbige Marmore und
Gesteine, als Baumaterialien beliebter waren, als die rein weifsen Mar-
more; wenigstens sah ich sowohl auf der Akropolis als in der Stadt Athen
den Hymettischen Marmor nur bei untergeordneten Baugliedern in Ver-
wendung, während z. B. grofse Massen des blaugrauen Hymettischen Mar-
mors für die Prachtbauten der Kaiserzeit nach Rom gebracht wurden.
Am Lysikrates-Denkmal in der Stadt Athen östlich unter der Akro-
polis wurde der Unterbau aus gut behauenen Piraeus-Quadern aufge-
baut, über denselben eine Schicht und Deekplatten von blaugrauem Hy-
mettischen Marmor selegt, und der ganze Oberbau aus dem unteren
weilsen Pentelischen Marmor angefertigt; in der unteren Stufe dieses
Tempelchens und in den sechs Säulen ist der Pentelische Marmor schon
ziemlich stark verwittert.
Griechische Marmorstudien. il
Der grolse Zeustempel (Olympieion) in Athen besteht aus Pente-
lischem Marmor; die Trommeln der umgestürzten und die 14 noch auf-
recht stehenden, 17,25” hohen Säulen besitzen einen Durchmesser von
1,5— 1,7”; sie zeigen den typischen weifsen Pentelischen Marmor, gerade
nicht von der besten Qualität, meist etwas streifig und schichtig durch
Glimmerdurchgänge. Die gelbbraune Eisenhaut (s. oben 8. 18) hat sich
vorwiegend auf den Südflächen der Säulen und Architrave gebildet; auf
den anderen Seiten blieb der Marmor weilser, ist aber überzogen von
vielen schwarzbraunen Flechten. Das nahe dem Ölympieion stehende
Hadriansthor zeigt auf beiden Seiten (Ost- und Westflächen) goldbraune
Eisenverwitterungshaut, wenig Flechtenflecke. Am Theseion und am Par-
thenon sind ebenso wie beim Olympieion die Nordseiten am weilsesten
geblieben und tragen ebenfalls Flechtenüberzüge, während die übrigen
Flächen, besonders gegen Westen, mit der schönen goldbraunen Eisenpa-
tina bedeckt sind. Die Ursache dieser Erscheinung, dafs die Nordseiten
der genannten Bauten in Athen am wenigsten mit der Brauneisenhaut
überzogen sind, bleibt noch zu erklären, sie hängt jedenfalls mit dem
Wetter, mit Regen und Sonnenwärme zusammen.
Propylaeen, Niketempel, Parthenon und Erechtheion sind mit Aus-
nahme der Fundamente vollständig aus dem unteren weilsen Pentelischen
Marmor (No. I) erbaut; auch die Relieffriese, die Metopen und Giebel-
gruppen sind hier aus demselben Marmor gefertigt, während am Theseion
und am Suniontempel die Relieffriese aus Parischem Marmor gemeilselt
waren. Ich habe oben erwähnt, dafs mir der Marmor des Parthenon
und der Propylaeen weniger sorgfältig ausgesucht erschien, als derjenige,
welcher am Erechtheion verwendet wurde; der Marmor der Skulpturen,
Ornamente, Kapitelle und Cassetten am Erechtheion scheint mir noch
heute gröfstentheils fester, glänzender und weniger verwitterbar zu sein,
als der Marmor des Parthenon, sodals die schönen fein ausgeführten Or-
namente des Erechtheion in wunderbarer Schärfe und Schönheit vor uns
liegen.
Welche bedeutenden Lasten im Alterthum bewältigt und gehoben
werden konnten, zeigen uns die beiden Marmorbalken, welche jetzt im
Eingang der Propylaeen liegen, zwei Architrave je von 6,35" Länge,
82°" Breite und 70° Höhe; das sind 3,65" im Gewichte von etwa
Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. 1. 16
123 G. R. Leepsıuvus:
10000*:. Freilich werden diese Stücke bedeutend an Grölse und Schwere
übertroffen von den Steinbalken, wie sie bei den viel älteren Bauten in
Mykenae bewältigt wurden: der Thürsturz über dem Burgthore von My-
kenae unter dem Löwenrelief, der aus dem in dem Stadthügel von My-
kenae anstehenden tertiären Kalkconglomerat, wie alle Mauerquadern der
Burg und der Kuppelgräber in Mykenae hergestellt ist, besitzt eine Länge
von 5”, eine Dicke von 2,5” und in der Mitte eine Höhe von mehr als
1”, das sind 12,5”" Stein im Gewichte von ca. 30000“. Der gröfste
bearbeitete und gehobene Stein, den ich an antiken Bauten in Griechen-
land kenne, ist aber der innere von den beiden Steinbalken, die den Thür-
sturz über dem 5,5” hohen Eingang zu dem sog. Schatzhaus des Atreus
in Mykenae bilden: er besteht aus dem eben erwähnten tertiären Kalk-
conglomerat und ist nahezu 9” lang, über 5” tief und 1” dick, das sind
45°" Stein im Gewichte von ca. 120000“! Um solche Lasten zu be-
wegen und zu heben, brauchten die Alten jedenfalls nicht nur die ihnen
bekannten Flaschenzüge, sondern sie mufsten auch schiefe Ebenen auf
langen Holzgerüsten zur Höhe der Gebäude hinaufzuführen.
Bei den Bauwerken auf der Akropolis ist Pentelischer Marmor
auch schon vor der Perserzeit verwendet worden: in dem Museum auf
der Akropolis liegen Simen (obere Kranzleisten) von älteren Tempeln und
Gebäuden, Reste, die aus dem Perserschutt ausgegraben wurden, welche
zum Theil aus Inselmarmor und Parischem Marmor, zum anderen Theil
aber aus dem unteren weilsen Pentelischen Marmor bestehen; und zwar
sind die Simen in: Antike Denkmäler des Deutschen archäologischen In-
stituts I, Taf. 50, A und Taf. 38, B aus dem etwas streifigen Pentelischen
Marmor; die Simen Taf. 38, A aus Parischem und Taf. 50, 0, D, E aus
weilsem grobkörnigen Inselmarmor gefertigt.
7. Dieser grobkörnige Inselmarmor und der Parische Marmor wur-
den auf der Akropolis und in der Stadt Athen als Baumaterial verhältnifs-
mäfsig wenig verwendet; wir bemerkten in den Reliefskulpturen am The-
seus-Tempel den weilsen Parischen Marmor; von der Akropolis erwähn-
ten wir soeben die Simen vom alten Athena-Tempel (Denkmäler Taf. 38, A),
die aus Parischem und die Simen anderer älterer Gebäude aus grobkör-
nigem Inselmarmor (Denkmäler Taf. 50, C, D, E).
Griechische Marmorstudien. 123
Hier wollen wir auch besonders hervorheben, dafs zur Sima,
Denkmäler Taf. 50, E, von einem vorpersischen Baue, grofse halbrunde,
flachgebogene Dachziegel gehören, welche aus grobkörnigem Inselmor-
mor gefertigt sind; und zwar ist dies genau derselbe recht grobkör-
nige weilse Marmor, wie ich ihn oben unter No. XVIb aus antiken Mar-
morbrüchen auf der Insel Naxos beschrieben habe; da wir auch durch
Pausanias (siehe unten bei Olympia) die Nachricht haben, dafs ein Naxier,
Namens Byzes, zuerst die Technik, Dachziegel aus Marmor zu schnei-
den, ausgeübt habe, und da auch der Zeustempel in Olympia mit Dach-
ziegeln aus dem gleichen Material gedeckt war, so dürfen wir wohl an-
nehmen, dafs auf der Insel Naxos die Industrie, Dachziegel aus Marmor
zu bilden zu gewissen Zeiten einheimisch gewesen sei.
Die Dachziegel des Parthenon und der anderen nachpersischen Bau-
ten auf der Akropolis und in Athen bestanden aus dem unteren weilsen
Pentelischen Marmor; und zwar scheint die obere gerade Fläche dieser
Ziegel gesägt, die untere flachgewölbte Fläche den sichtbaren Spuren
nach gemeilselt worden zu sein.
Eleusis.
Auf dem Wege von Athen nach Eleusis treffen wir in dem Eng-
passe beim Kloster Daphni einige kleinere antike Steinbrüche seitlich der
Stralse in einem Kiefernwäldchen; hier wurde ein mergeliger, schnecken-
reicher tertiärer Kalkstein gebrochen, dessen Quadern wir in den fränki-
schen Mauern des Klosters verbaut finden. Das grolse Grabmonument
an der heiligen Strafse nahe dem Dorfe Kalywia in der thriasischen Ebene
ist aus schön bearbeiteten Werkstücken aus dem unteren weilsen Penteli-
schen Marmor erbaut; indessen fand ich dort auch zwei gröfsere Stein-
platten aus grobkörnigem Inselmarmor. Die Stufen und Fufsbodensteine
bestehen zum Theil aus dem dunkelgrauen Eleusinischen Kalkstein; im
Innern der Mauern wurden die leichten muschelreichen Kalkmergelsteine
von Megara, auch tertiäre Sandsteine und Conglomerate gebraucht. Wir
sehen daher an diesem Baue dieselben Materialien in Verwendung, wie in
Eleusis selbst, in dessen Tempelbezirk wir grofse Massen des weilsen Pen-
telischen Marmors aufgehäuft finden; für die Fundamente und Unterbau-
16*
124 G. R. Lersıus:
ten der Bauwerke in Eleusis wurde sowohl harter Piraeus-Kalkstein, als
der weichere muschelreiche mergelige und sandige Kalkstein aus den Brü-
chen an der Nordostseite der Hügel von Megara!), am meisten jedoch
der dunkelbräunlichgraue dichte Kalkstein aus den antiken Steinbrüchen
der Felshügel von Eleusis selbst verwendet. Auch sah ich in Eleusis
Werkstücke und Platten aus dem gewöhnlichen grobkörnigen weilsen In-
selmarmor (Paros oder Naxos) gefertigt.
Peloponnes.
1. Bei den vorhistorischen Bauten in Tiryns und Mykenae wurde
nur einheimisches Material verwendet, und zwar die verschiedenfarbigen,
grauen, gelblichen und rothen dichten Kalksteine des Kreidesystemes, und
die Kalkconglomerate der tertiären Schichten, die ım Umkreis der Argo-
lischen Ebene vor den Abhängen der höheren Berge dem Kreidekalkstein
an- und auflagern. Die Hügel des Stadtbezirkes von Mykenae bestehen
ganz aus den tertiären Conglomeraten, graubraunen Sandsteinen und po-
rösen, fossilreichen Kalksinterschichten; der Burgfels von Mykenae jedoch
gehört bereits dem gelblichgrauen Kreidekalkstein an; die Grenze zwischen
beiden Formationen verläuft von Nordnordwest in Südsüdost gerade ne-
ben dem Löwenthor hindurch, sodals nur die kleine Vorterrasse inner-
halb des Löwenthores mit dem Plattenkreise und den von Schliemann
geöffneten Gräbern sich noch aus den weichen tertiären Schichten zu-
sammensetzen, der ganze übrige Burgbezirk aber auf dem harten Felsge-
stein des Kreidesystemes liest; möglicherweise wurde der Platz für die
tiefeingelassenen Grabstätten, der auffallender Weise gleich innerhalb des
Hauptthores der Burg sich befindet, nur deswegen gewählt, weil keine
andere Stelle innerhalb der Umfassungsmauern der Burg einen so wei-
chen, leicht auszugrabenden Untergrund besitzt; Felsengräber aber, die
man im übrigen Burgfelsen hätte einhauen müssen, scheint man damals
1) Pausanias lib. I cap. 44, 6 beschreibt diesen gelblichweilsen tertiären muschel-
reichen porösen Kalkstein von Megara: „Dieser Muschelkalkstein (z0yxirns AtSos) findet
sich in Griechenland nur bei Megara, und wurde er vielfach in dieser Stadt selbst ver-
wendet; er ist recht weils, weicher als andere Steine und ganz mit Meeresmuscheln erfüllt“.
Griechische Marmorstudien. .. 21825
in Griechenland nicht gekannt, jedenfalls nicht hergestellt zu haben, wie
wir an den zahlreichen künstlich aufgeworfenen Tumuli aus vorhistorischer
Zeit oder an den Kuppelgräbern in der Stadt Mykenae erkennen können.
Die mächtigen Steinmauern der Burg von Tiryns sind aus dem
hellgrauen dichten Kreidekalkstein des Burgfelsen selbst oder der nahen
Berge (z. B. Hagios-Elias-Berg) in unregelmäfsig aufgehäuften polygona-
len Blöcken ohne Mörtel gebaut. Dagegen sind die Umfassungsmauern
der Burg von Mykenae aus grofsen, regelrecht behauenen Quadern der
tertiären Kalkeonglomerate!), wie sie in den Stadthügeln anstehen, zu-
sammengefügt; die innere Füllung der Mauern aber ist aus unbehauenen
ganz unregelmäfsig eckigen Stücken des im Burgfelsen anstehenden gelb-
lichgrauen Kreidekalksteins hergestellt, so dafs die Öonglomeratquadern nur
als äufsere Verkleidung dienen. Ebenso besteht die grofse Platte des Lö-
wenreliefs, wie wir oben erwähnten (No. 354), aus dem grauen Kreide-
kalksten. Doch wurde auch in Tiryns bereits das tertiäre Conglomerat
verwendet; so sind z. B. die beiden grofsen Thürpfosten am inneren Thor
auf der Ostseite der Burg aus diesem Material gefertigt. Dafs die Kup-
pelgräber in den Stadthügeln von Mykenae aus diesem, in gewissen Schich-
ten recht harten Kalkeonglomeraten erbaut sind, haben wir bereits oben
erwähnt; man sieht an den Thürpfosten und Quadern dieser Gräber noch
die Spuren der Säge, mit welcher die Kalkconglomerate in regelrechte
Stücke zersäst wurden.
Für den eigenartigen Plattenring innerhalb des Löwenthores in der
Burg von Mykenae wurden die plattig brechenden Schiehten des porösen
muschelreichen Kalksinters gewählt, welcher in einzelnen Schichten mit-
ten zwischen den Kalkeonglomeraten und Sandsteinen der Stadthügel la-
gert. Die auf der Höhe der Burg von Mykenae freigelegten Fundamente
von Gebäuden sind aus dem anstehenden Kreidekalkstein gebaut, die Plat-
ten der Sockelverkleidungen häufig aus dem mürben graubraunen Sand-
1) Dieses Gestein darf nach der in der Petrographie gebräuchlichen Nomenela-
tur nicht als „Breceie“ bezeichnet werden, da wir Breceien nur solche Gesteine nennen,
in denen eckige Gesteinsstücke zusammengebacken sind, Conglomerate dagegen solche,
die aus lauter rundgewaschenen Geröllen in einem sandigen oder kalkigen Bindemittel be-
stehen; für die erste Gesteinsart ist die italienische Serpentin-Breccie (Brececia verde), für
die andere die Schweizer Nagelfluhe (z. B. am Rigi und Rossberg) als typisch anzusehen.
126 G. RobmpsmUsS:;
stein, wie er zwischen den Conglomeraten der Tertiärhügel liegt, lager-
haft geschnitten.
2. Dafs die Tempelbauten von Tegea in Arkadien aus dem hell-
bläulichgrauen Marmor von Dolianä (No. VII) gebaut wurden, haben wir
bereits oben (No. 217) erwähnt. In den antiken Steinbrüchen bei Do-
lianä liegt noch eine unvollendete Säulentrommel, die wegen einer durch-
ziehenden Spalte nicht verwendet werden konnte: dieselbe hat einen
Durchmesser von 1,46”, während die fertigen kanelirten Säulentrommeln
des Athenatempels in Tegea einen Durchmesser von 1,42” besitzen. Auch
erkennt man in dem Felsgestein der Flächen vor den Brüchen noch die
Radspuren der Wagen, welche die Marmorblöcke hinunter in die Ebene
von Tegea und Mantinea trugen; einzelne Spuren sind 5—6°" tief, da-
bei schmal, so dafs die antiken Wagen auffallend schmale Radkränze ge-
habt haben müssen (wie die modernen Wagen in Athen auch!); die Spurweite
zwischen je zwei Rinnen, also die Axenlänge der antiken Wagen, habe ich
dort zu 1,38” gemessen. Offenbar war keine geschotterte oder gepfla-
sterte Stralse von den Brüchen aus die Bergabhänge nach Tegea hinab
gebaut worden: denn diese Radspuren laufen auch halbrund über die
abgerundeten Felsblöcke des Weges fort; die Vollräder der Wagen sind
demnach glatt über die an die Oberfläche hervorragenden Marmorschich-
ten fortgefahren.
Dieser Marmor aus den antiken Brüchen von Doliana in der Te-
geatis wurde auch in Mantinea, am Tempel von Bassae und in Olympia,
auch wohl in anderen antiken Orten des Peloponnes verwendet, da die-
ser Marmor noch der beste unter den meist unreinen und unansehnlichen
Marmoren des Peloponnes ist.
3. Ebenso wie die Mauern und Thürme der beiden Städte Messene
und Phigalia, so ist auch der Tempel von Bassae zum gröfsten Theile
aus dem lichtgelblichgrauen Kalkstein (der Kreide oder dem Eocaen an-
gehörig) gebaut, der die Berge und Gebirge in Messenien vorherrschend
zusammensetzt; der Berg Ithome, die Umgebung von Phigalia und die
Berge, auf deren Höhe der Tempel von Bassae sich erhebt, bestehen aus
diesem muschlig brechenden, dichten Kalkstein; noch jetzt werden in den
Orten von Messenien und Arkadien alle Stufen, Fenster, Thürpfosten etc.
sämmtlich aus diesem leicht zu bearbeitenden und festen Material gehauen.
Griechische Marmorstudien. 17
Wegen dieses stumpfgrau verwitternden Materials sehen die 35 noch aufrecht
stehenden Säulen des Tempels von Bassae mit ihrem Gebälk und dem Unter-
bau nicht gerade schön aus, und zeigen dieselbe todte graue Tönung, wie die
ringsum anstehenden Felsmassen desselben Kalksteins. Wenn Pausanias
lib. VOII cap. 41, 8 trotzdem sagt: „Dieser Tempel war unter allen Pe-
loponnesischen, den zu Tegea ausgenommen, wegen der Schönheit und
der Gleichmäfsigkeit (&guovi«) seines Gesteinsmaterials ausgezeichnet“, so
ist dieser Ausspruch wohl hauptsächlich im Gegensatz zu den mit Stuck
überzogenen schlechten Baumaterialien der Tempel und Bauten in Olym-
pia gemeint. Aber unter den Werkstücken im Tempel von Bassae fand
ich auch einige aus weilsem Marmor gefertigt: die meisten Cassetten der
Tempeldecken waren aus dem einheimischen Kalkstein, einige aber auch
aus dem ganz grobkörnigen langsträhnigen Inselmarmor, den wir oben unter
No. XVb beschrieben, und den wir auch von dem Ausgrabungsfeld zu Olym-
pia (oben No. 375—377) kennen lernten; aus diesem charakteristischen
langsträhnigen weilsen Marmor bestehen auch andere Werkstücke, die in
dem Tempelgebäude liegen, und ein Dachziegel ebenso geformt, wie die-
jenigen vom Zeustempel in Olympia und von dem vorpersischen Gebäude
auf der Akropolis in Athen, die wir oben 5. 123 erwähnt haben. Aulser-
dem fand ich im Tempel von Bassae profilirte Architekturtheile vor, wel-
che aus dem hellbläulichgsrauen Marmor aus den antiken Brüchen von
Dolianä in Arkadien (oben No. VII) hergestellt sind. Ich konnte dem-
nach an diesem Tempel dreierlei verschiedene Baumaterialien nachweisen!).
4. Die meisten Bauwerke in Olympia, der Zeustempel, das He-
raion, die Palästra ete., sind erbaut aus dem tertiären, einheimischen,
muschelreichen Sinterkalkstein, der bruchfeucht gewils leicht zu zersägen
1) Über das Material des berühmten Relieffrieses am Tempel von Bassae, der
sich im British Museum in London befindet, sagt E. Curtius, Peloponnes I S. 345, An-
merkung 35: „Das Material des Frieses hielt Stackelberg für Parischen Marmor; in
dem englischen Verzeichnisse werden die Platten marbles genannt, das Material näher be-
schrieben als ein brownish limestone (bräunlicher Kalkstein) much inferior in whiteness
to the marble which was employed in the sculptures brought from Athens“. Diese engli-
sche Beschreibung scheint eher auf den hellgelblichgrauen dichten Kalkstein, aus dem der
Tempel vorwiegend erbaut ist, als auf Marmor schlielsen zu lassen; jedoch sind solche
Gesteinsbeschreibungen, die nicht von Geologen herrühren, erfahrungsgemäls mit Vorsicht
zu behandeln.
128 GR. LER sms:
war, und an der Luft gut erhärtet; alle dem Auge sichtbaren Theile die-
ses unschönen Baumaterials waren mit Stuck überzogen. Über diesen
leichten, porösen Kalkstein sagt Pausanias lib. V cap. 10, 3: „der Zeus-
tempel ist gebaut aus dem einheimischen Poros“ (zugos); an anderer
Stelle (lib. VI cap. 19, 1) nennt ihn Pausanias: „rwewos Ar9os“. Mit
diesem Namen rügoe, ein Wort, das übrigens etymologisch nichts mit mo-
g0s (Gang, Durchgang, die Pore von egaw durchdringen nach G. Cur-
tius l.c. 1875, S. 272) zu thun hat, bezeichnen die Archäologen so
ziemlich alle Gesteine, welche nicht weilser Marmor sind; so lange man
ein Gestein nicht näher definiren kann, ist ein solcher Nothbehelf ja ge-
rechtfertigt, indem derselbe wenigstens auf das eine negative Kennzeichen
hindeutet; man sollte diesen Namen „Poros“ aber doch mehr auf die-
jenigen Gesteine beschränken, denen die alten Schriftsteller in der Regel
diese Bezeichnung beilegen, nämlich auf die leichten porösen, im Bruch
durch die Bodenfeuchtigkeit ziemlich weichen, an der Luft erhärtenden
Kalksteinsinter und Kalktuffe, wie hier dieses Material der Bauwerke in
Olympia; die Römer besafsen ein ähnliches Material in ihrem Stein von
Tibur (daher lapıs Tiburtinus), jetzt Travertin genannt.
Der Zeustempel in Olympia war gedeckt mit grofsen Marmorziegeln;
die Stücke dieser Ziegel, die ich nördlich vom Zeustempel auf den Grund-
mauern des Pelopion liegen sah, bestehen aus demselben recht grobkörnigen
weilsen Inselmarmor, wie ich ihn aus den antiken Brüchen am Nordende
der Insel Naxos (oben No. XIV b) beschrieben habe. Bekannt ist die Stelle
im Pausanias (lib. V cap. 10, 3), in der er sagt, dafs ein Mann von der In-
sel Naxos Namens Byzes, der zur Zeit lebte, als Alyattes m Lydien und
Astyages in Medien herrschten, zuerst die Erfindung gemacht habe, Dach-
ziegel aus Stein (ArSos) zu schneiden. Auffallend ist jedoch, dafs Pausa-
nias gleichzeitig angiebt, dals die Dachziegel des Zeustempels in Olympia
aus Pentelischem Marmor gefertigt seien. Dachziegel aus dem unteren
weilsen Pentelischen Marmor hergestellt sah ich auf dem Ausgrabungs-
felde von Olympia bei der Südosthalle liegen.
Der lichtgelblichgraue Kalkstein, aus dem der Tempel von Bas-
sae erbaut ist, wurde auch in Olympia vielfach als Baumaterial ver-
wendet; er kam wohl aus dem oberen Alpheiosthale herab, da die Berge
in der näheren Umgegend von Olympia aus den jüngeren tertiären Ab-
u
Griechische Marmorstudien. 129
lagerungen sich zusammensetzen. So ist der Plattenbeleg auf den Sei-
tenmauern der Rampe vor der Ostseite des Zeustempels, der unterste der
dreieckigen Steine der Nikebasis (im obigen Verzeichnifs No. 374), die
drei halbkreisförmigen Unterbauten neben dem Stier der Eretrier, vier
Basen vor der Echohalle (oben No. 379), die Stufen und Platten am
Thore des grofsen Gymnasion und anderes aus diesem leicht zu behauen-
den und auch polirfähigen dichten Kalkstein gearbeitet.
Die cannellirten Säulentrommeln der Echohalle sammt ihren ioni-
schen Kapitellen sind aus weilsem grobkörnigen Inselmarmor (wohl von
Paros) gefertigt; dieser Marmor wurde in Olympia weit mehr verwendet
als der Pentelische; den letzteren sah ich z. B. im Zeustempel und in
dessen nächster Umgebung in zahlreichen Werkstücken liegen.
Von anderen Marmoren und Gesteinen, deren Mannichfaltigkeit
wohl auf keiner antiken Stätte in Griechenland so grofs ist, wie hier in
Olympia, will ich schliefslich noch zwei Marmorarten erwähnen: der in
der römischen Kaiserzeit besonders beliebte Marmor von Karystos und
Süd-Euboea (oben No. XD), der sog. Cipollino, ist auf dem Ausgrabungs-
felde zu sehen z. B. in den Fufsbodenplatten der östlichen Vorhalle des
Zeustempels; auch sind die schlanken Säulen an der Exedra des Herodes
Attikus aus dem Karystischen Stein geformt, während die grofsen halb-
runden Werksteine mit dem Würfelgesims und den Löwenköpfen aus dem
unteren weilsen Pentelischen Marmor gefertigt sind. Unter den zahlrei-
chen buntfarbigen Marmoren, die in Olympia zur Verwendung kamen,
ist wohl der schönste der blutrothe Marmor, der „Marmo rosso antico“,
dessen Fundort in den antiken Brüchen bei Dimaristika an der Ostküste
der Mani zu suchen ist; ebenso stammt aus den Bergen der Mani, und
zwar aus den antiken Brüchen bei Kotronas, 12°” weiter nördlich Dima-
ristika an der Ostküste der Mani gelegen, ein blutrother, hellgraugefleckter
Marmor, der durchzogen ist von zahlreichen dunkelgrünen Chloritlagen
und Chloritadern; dieser Marmor vermag auf den geschliffenen und polir-
ten Flächen eine schöne Zeichnung und mannichfache Färbung zu zeigen.
Phil.-hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1890. T. 17
130
G. R. Lersıus:
Nachtrag.
Herr Dr. Sauer, z. Z. in Athen, sendet mir soeben noch Marmor-
proben, die er in Olympia und auf den Inseln Naxos und Paros für mich
gesammelt hat; ich trage meine Bestimmungen dieser Proben hier nach,
indem ich die Nummern des obigen Verzeichnisses fortsetze:
389.
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Ne)
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395.
©
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A. Aus Olympia:
a) Marmor aus den antiken Brüchen bei Doliana in Arkadien
(oben VID:
Basis des Wagens des Gelon; Künstler Glaukias von Aigina. Loewy 28.
Marmor mit zerfetzten Krystallen, weils mit Stich ins Bläulich-
graue.
. Basis des Smikythos; Künstler Glaukos. Loewy 3la.
Marmor mit zerfetzten Krystallen.
. Basis (Astragalos) einer Erzstatue. Berliner Gipsabgüsse 336.
Marmor mit zerfetzten Krystallen, weils mit Stich ins Bläulich-
graue.
. Basis einer Erzstatue, geweiht von Xenokles; Künstler Polyklet. —
Loewy 90.
Marmor mit zerfetzten Krystallen; dabei etwas strähnig, gerade
wie in einem meiner Handstücke aus den Brüchen bei Dolianä;
Stich ins Bläulichgraue.
Basis der Pferde der Kyniska; Künstler Apelleas.. Loewy 100.
Marmor derselbe wie bei der vorigen No. 392, auch etwas
strähnig.
4. „Weifse Basisquadern, Untersteine einer runden Plinthe von blau-
schwarzem Stein (Athen. Mittheil. XIII S. 129, Anm. 1), welche die
Inschrift MEMNON trägt“ (Sauer).
Hellbläulichgrauer Marmor mit zerfetzten Krystallen.
395.
396.
397.
398.
399.
400.
401.
402.
405.
404.
405.
406.
Griechische Marmorstudien. 131
b) Marmor aus den antiken Brüchen im Oinusthale bei Sparta
(oben VII):
Basis einer Zeusstatue, geweiht von den Lakedaimoniern. A. Z. 1876,
Faf6, 8:
Grauer, körniger Marmor, genau übereinstimmend mit einem
meiner Handstücke vom Anstehenden aus den antiken Brüchen
im oberen Öinusthale bei Vresthena.
Thierfigur. Berliner Gipsabgüsse 314.
Grauer körniger Marmor, ähnlich dem der vorigen No. 395.
c) Unterer weifser Pentelischer Marmor:
Basis des Euthymos; Künstler Pythagoras. Loewy 23.
Fragment einer Platte; Künstler Pythagoras. Loewy 24.
Basis des Pulydamas; Künstler Lysippos. Berliner Gipsabgüsse 335.
Basis des Kallias; Künstler Mikon. Loewy 41.
Basis des Kyniskos; Künstler Polyklet. Loewy 50.
d) Gewöhnlicher Parischer Marmor (oben XII).
Kopf eines Kriegers. Berliner Gipsabgüsse 316.
Säulenstumpf, Weihgeschenk der Söhne des Thrasymachos. Loewy 25.
e) Weilser, ganz grobkörniger, langsträhniger Inselmarmor
(oben XVb).
Von einem Architekturstück, das in der byzantinischen Kirche liegt.
Derselbe eigenthümliche Marmor, wie ich ihn oben bei No. 376
bei der Ehrenbasis des Tiberius Oppius Timandros beschrieben
habe, mit grofsen (bis 15"" langen, bis 10”" breiten) nach einer
Richtung langgezogenen Kalkspath-Krystallen.
Von einem beim Philippeion liegenden Marmorblocke.
Ähnlich dem Marmor der vorigen No. 404, jedoch nicht so grofs-
körnig; Krystalle nach einer Richtung langgezogen; ähnlich dem
Marmor oben No. 375 der Ehrenbasis des Zenophilos, jedoch et-
was grobkörniger.
B. Von der Insel Paros:
Archaisches Relief, in Paroikia (die alte Stadt Paros). Archäolo-
sisch-epigraphische Mittheilungen aus Österreich, Band XI Taf. 5, 1.
10
13% GYRITERSTUS:
Gewöhnlicher grobkörniger Parischer Marmor (oben XIII), weils
mit einem Stich ins Hellgraue.
407. Archaisches Relief, in Paroikia. Archaeol. epigr. Mitth. aus Öster-
reich. XI S. 153 Fig. 2.
Derselbe Marmor wie bei der vorigen No. 406.
©. Von der Insel Naxos.
408. Antiker Bau (Thüreingang) auf der kleinen Insel Gialö im Hafen-
eingang der Stadt Naxos.
Ganz grobkörniger weilser Marmor, einzelne Kalkspath-Krystalle
bis 10”" grols.
409. Apollo-Kolofs auf der Insel Delos, von den Naxiern geweiht.
Ganz grobkörniger weilser Marmor.
Ich habe diesen Apollo-Kolofs von Delos oben S. 65 erwähnt;
über den ganz grobkörnigen Marmor aus den antiken Steinbrüchen am
Nordende der Insel Naxos vergleiche oben XIVb Seite 54—55; und über
den daselbst unvollendet liegen gebliebenen Apollo-Kolofs oben 8. 53 und
No. 388. Ich habe bereits oben S. 56 und 65 ausgesprochen, dafs der
„ganz grobkörnige Inselmarmor“ (oben XVa 8. 55—57) der archaischen
Statuen aus dem National-Museum und aus dem Akropolis-Museum, so-
wie aus dem Ptoion in Böotien (im Verzeichnils die Nummern 1—3 und
250—254) dem sehr grobkörnigen Marmor der antiken Brüche in der
Schlucht westlich vom Apollo auf Naxos (oben XIVb) „ziemlich voll-
kommen gleicht, nur dals er noch grobkörniger ist als jene Stücke, die
ich auf Naxos sammelte.“ Herr Dr. Sauer schickt mir nun aus dem
jetzigen Bezirke Tragia inmitten der Insel Naxos von einem Phlerigö ge-
nannten Orte (etwa 10°* östlich der Stadt Naxos in der Nähe des Dor-
fes Melanes gelegen) Marmorproben vom Anstehenden, welche ganz genau
dieselbe Structur, Korngröfse und Tönung wie der „ganz grobkörnige In-
selmarmor“ besitzen. Die Gröfse der Kalkspath-Körner in diesen Stücken
vom Anstehenden ist meist 5"", einzelne werden 8S—10"" grofs; dabei
zeigen die Krystalle einen recht frischen Glanz; die Tönung ist weils
mit einem Stich ins Hellgraue; das Gefüge ist im Ganzen ein loskörniges.
Sehr bemerkenswerth ist es, dafs an der genannten Stelle Phlerigö eben-
falls ein unvollendeter, 5,5” langer Apollo liegt, so dafs daselbst sicher
Griechische Marmorstudien. 133
im Alterthume dieser ganz grobkörnige Marmor gebrochen und zu Sta-
tuen verarbeitet worden ist.
Aus diesem Gesteine nun bestehen auch die Werkstücke No. 408
und der Apollo-Kolofs No. 409, während der Apollo-Kolofs No. 388 aus
einem weniger grobkörnigen, ungleich körnigen und ungleich farbigen
Marmorlager herausgehauen wurde.
Da es nach meinen bisherigen Erfahrungen über griechische Mar-
morarten mir nicht wahrscheinlich ist, dafs ein so eigenthümlich struir-
ter, äufserst grobkörniger Marmor in ganz der gleichen Beschaffenheit
noch an einem zweiten Orte griechischer Kultur, noch auf einer andern
griechischen Insel oder an der kleinasiatischen Küste anstehend im anti-
ken Brüchen vorkommen sollte, so möchte ich jetzt glauben, dafs die
archaischen Statuen aus dem „ganz grobkörnigen Inselmarmor“ (also auch
die sog. „Samischen“ Bildwerke oben 8. 66), ebenso wie der Apollo-Ko-
lofs auf Delos, geweiht von den Naxiern No. 409, und wie der Apollo
von Santorin No. 254 auf der Insel Naxos angefertigt worden seien.
Wie Herr Dr. Sauer mir mittheilt, beabsichtist er diese Frage
demnächst vom archäologischen Gesichtspunkte aus zu behandeln.
Berichtigung: oben auf S. 81 steht aus einem nachträglich be-
merkten Versehen No. 151 die Basis mit Herakles und dem Löwen von
Lamptrae unter den Stücken aus Pentelischem Marmor; diese Basis be-
steht vielmehr aus Pariıschem Marmor und ist demnach zu den No. 261.
auf S. 94 zu stellen, was ich zu berichtigen bitte.
134 G. R. Lersıus:
Inhalt.
Einleitung . < A At
Beschreibung der griärisölen lionaiten SRSINER ERSMEITORRONER.
a. Attika
I. Der untere weilse Pentelische Marmor
Il. Der obere blaugraue Pentelische Marmor . . 2. 2...
III. Der obere blaugraue Hymettische Marmor
IV. Der untere weilse Hymettische Marmor E Bq
V. Unterer weilser attischer Marmor aus dem Re Thale bei
Sunion KERN EIN
VI. Der obere Akiaphe RER in Tankion
b. Peloponnes
VII. Der Marmor von Doliana in Arkadien
VIII. Marmor aus dem Oinusthale bei Sparta .
c. Thessalien
IX. Marmore beim Palaeokastro von Alifaka in der Peneios- Enge
X. Der sogenannte Marmor von Atrax
d. Marmor auf der Insel Euboea .
XI. Der Marmor von Karystos
e. Die Marmore auf den Inseln Paros und Naxos
XII. Der Lychnites Lithos von Paros
XIII. Andere Marmore auf Paros
XIV. Marmore von der Insel Naxos
5. Marmore, deren Herkunft ich nicht kenne .
XVa. Ganz grobkörniger Inselmarmor
XVb. Langsträhniger Inselmarmor
Seite
1—10
11— 57
11— 30
13 — 22
22 —23
23 — 26
26 — 27
27 —29
30
30 — 356
31— 34
34 — 56
37— 38
38 — 39
39 — 40
41 —42
41—42
42 — 55
43 — 50
50 — 52
52 —55
89 —97
59 —57
57
Verzeichnils der antiken Skulpturen, Denkmäler, Inschriften ete., welche ich in Athen,
Argos, Mykenae, Sparta, Messene, Olympia, Larissa, Naxos auf ihre Marmor- resp.
Gesteinsart untersucht habe
Vorbemerkung
Inhalt des Verzeichnisses
58-113
58 —59
59—61
Griechische Marmorstudien. 135
itteraturnachweise Br re 626
Verzeichnis . . . .. : : a a il)
Übersicht der Skulpturen ach Verse nihnes, geordnet nach Fundort
undg)Marım orarte Be ee 0ITNE
Einige Beobachtungen über Baumaterialien an antiken Bauwerken N
Vorbemerkung re N rer, 114
Bauwerke in Athen . . . u AT 123
Bauwerke in Eleusis, Tiryns, Arena Mregen, Mehsone und Olyrania 123 — 129
NACHLESEN EL ES. N le ae
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