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Full text of "Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft"

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BOUGHT WITH 


THE GIFT OF 


ii WIELLAM GRAY, 


MASS. 


OF BOSTON, 


(Class of 1829). 


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ABHANDLUNGEN, 


HERAUSGEGEBEN 


VON DER 


SENCKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN 
GESELLSCHAFT. 


FÜNFTER BAND. 


Mit XLVI Tafeln. 


“FRANKFURT A.M. 


CHRISTIAN WINTER. 


1864 — 1865. 


1866, Spt % 


cl BED nekene: in Frankfurt ar: 


ed, 


7) A) 


Inhalt. 


J. C. G. Lucae, zur Morphologie der Rassenschädel, Zweite Abtheilung. Tafel I — XI. 1 
A Kölliker, weitere Beobachtungen über die Wirbel der Selachier , insbesondere über die 

Wirbel der Lamnoidei, nebst allgemeinen Bemerkungen über die Bildung der Wirbel der 

Blagıostomens MarelEXTIIE VIE er 51 
A. Ecker, zur Kenntniss des Körperbaues schwarzer Eunuchen. Tafel XVII — XXI. . . i01 
H. Müller, über Regeneration der Wirbelsäule und des Rückenmarks bei Tritonen und 

Eidechsen. Tafel XXIV — XXV. 5 le) 
A. de Bary, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pilze. Erste Reihe: Proto- 

myces und Physoderma, — Exoascus Pruni und die Taschen oder Narren der Pflaumen- 

bäume. — Zur Morphologie der Phalloidien, — Syzygites megalocarpus. Tafel 

RAS IE ER Te . 137 
F. Hessenberg, mineralogische Notizen. Fünfte Fortsetzung, Tafel XXXII — XXXIV. . 233 
J. C. @. Lucae, die Hand und der Fuss. Ein Beitrag zur vergleichenden Osteologie der Men- 

€ 

schen, Affen und Beutelthiere. Tafel XXXV — XXXVIM. 275 
M. Woronin, zur Entwicklungsgeschichte des Ascobolus pulcherrimus Cr. und einiger Pe- 

zizen. Tafel XXXIX — XLII. . 2 
4. de Bary, zur Kenntniss der Mucorinen. Tafel XLIM — XLVI. . 345 


Seite 


50. 


99. 


112, 


136 


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Zur 


MORPHOLOGIE DER RASSENSCHAEDEL. 


Einleitende Bemerkungen und Beiträge 


von 


Dr. J. C. G. Lucae. 


Zweite Abtheilung. 


Ein Sendschreiben an Herrn C. E. v. Baer in Petersburg. 


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Hochverehrter Herr! 


Wenn ich beifolgenden Zeichnungen der Chinesen-Schädel unserer Sammlung. von 
meinem wackeren Schüler stud. med. C. Gerlach angefertigt, einige Worte beifüge, 
so ermuntert mich hierzu die freundliche Aufnahme, die mein neuliches Schreiben bei 
Ihnen fand, nicht allein, sondern ich fühle mich auch zu einigen Bemerkungen genöthigt, 
da manche Stellen meines früheren Schreibens Ergänzungen und Vervollständigungen 
bedürfen und ausserdem die Verabredungen in Göttingen uns einige Verpflichtungen auf- 
erlegen. Die Brieflorm scheint aber auch an und für sich besonders geeignet für unsere 
zu behandelnden Gegenstände, denn man kann Versuche, so manches Unvollendete und 
noch nicht zum Abschluss Gelangte besser dem anspruchslosen Gewand des Briefes 
als dem pretentiösen Rahmen eines Buches anvertrauen. 

Wir sollen die typischen Rassenunterschiede einer Species aufsuchen, welche 
natürlich weniger scharfe Anhaltspunkte in Form und Erscheinung darbietet, als die 
Vergleichung einer Species mit einer andern. Es kommt hinzu, dass die ver- 
schiedenen Rassenvölker meist nicht für sich isolirt an einem Orte gelebt haben. son- 
dern wanderten und verschiedene Lebensweisen und Sitten sich aneignend mit andern sich 
vermischten, so dass wir bei jedem Vorschreiten Zwischenformen und Uebergängen begegnen 
Desshalb liegt hier eine viel schwierigere Aufgabe vor als der Zoologe oder ver- 
gleichende Anatom zu lösen hat, und Irrungen sind leichter. Welche Mittel aber 
haben wir, um unsere Absicht zu erreichen? Eine noch sehr beschränkte Zahl sicherer 
und zuverlässiger Objecte und die Messung. 

Ich habe in meinem vorigen Schreiben die Messung nur für grössere und gröbere 
Verhältnisse geeignet, aber in Betreff der hier oft vorkommenden feinen Formunter- 
schiede für unsicher und roh erklärt. Ich kann sie ebenso gut zu fein und zu 
scharf nennen: desshalb sind und bleiben sie doch bei feineren Unterschieden unsicher. 


Das Messinstrument ist wohl genau, allein der Schädel geht nicht in gleicher Richtung 
Abhandl. d. Senckenl, naturf. Ges. Bd. V. | 


und fügt sich nicht jenem im Kleinsten. Eine kleinere Auflagerung und ein geringer Schwund 
verändern den Winkel an entsprechender Stelle und nur geringfügige Zufälligkeiten geben 
verschiedene Resultate. Im Ganzen und Grösseren ist Uebereinstimmung, im Kleinen aber 
mehren sich die Verschiedenheiten. Ist es daher gerechtfertigt, wenn man kleine 
Unterschiede der aus einer Reihe von Messungen zusammengetragenen Mittelzahlen als 
Resultate bezeichnet, während in den einzelnen Fällen eine Menge jener Mittelzahl 
in’s Gesicht schlagende Verhältnisse vorliegen? Ein Anderer stellt eine ähnliche 
Zahlentabelle zusammen, und siehe, es kommt die Mittelzahl im entgegengesetzten Sinn. 
Oder sage ich zu viel, wenn ıch erkläre, dass verschiedene Personen, die ein und die- 
selbe Reihe von Schädeln in derselben Richtung durchmessen, fast immer Differenzen 
in ihren Endziffern finden ?') 

Und dabei urgirt man Unterschiede, die sich nicht blos auf ein oder zwei Milli- 
meter, sondern sogar auf Bruchtheile eines Millimeters erstrecken. Die Wahrschein- 
lichkeitsrechnune verdient nur dann Vertrauen, wenn sie sich über grosse Reihen 
erstreckt und in den einzelnen Gliedern im Allgemeinen Uebereinstimmung mit dem Ganzen 
zeigt, und wenn dieses zum Oefteren entsprechende und entschiedene Resultate liefert. 
Die Grössen der nebeneinander zu prüfenden Reihen stehen aber im Gegensatz mit 
den erhaltenen Unterschieden. Sind diese schärfer und constanter im Einzelnen. so mögen 
jene kleiner sein. Mit kleinen und kleinsten Unterschieden wird dabei nicht viel gefördert. 
Wenngleich man auch nicht daran zu denken braucht, dass dem Einen die Wissenschaft 
die hohe himmlische Göttin, dem Andern eine tüchtige Kuh ist, die ıhn mit Butter 
versorgt. so liegt es dem Menschen doch sehr nahe die Arbeit belohnt zu sehen, und 
was man wünscht olaubt man. Kann man sich da verwundern, wenn die Maasse sich 
etwas diesem Wunsche fügen und Resultate, wenn auch der unschuldiesten Art, zum 
Vorschein kommen. 

In vielenFällen aber, wo die Messungen nicht ausreichen, da hilft uns das Auge, 


und wie dieses von jenen controlirt werden muss, damit keine Täuschung unterläuft, so 


!) Anmerkung. Gewiss als ein sicherer Beweis für die Richtigkeit meiner Aussage kann es angesehen werden, 
dass Herr Weleker bei unseren fünf Australnegern die Mittelzahl für den Nasenwinkel mit 72,0 0 und für die 
Schädelbasis 104 Mm. angiebt, während nach meiner Messung beide Zahlen 69,4 und 105,5 Mm. betragen. 
Die Messung eines Dritten an denselben Schädeln brachte die Ziffern 70,3" und 106 Mm. für die Schadelbasis. 

Zu der Tabelle pag. 58 kömmt nun folgende Bemerkung von Herrn Welcker: „Auch bei dieser Anord- 
nung der Tabelle finden sich die entschiedneren Prognathi auf Seiten der Dolichocephalen: die Mittelzilfer des 
Nasenwinkels heisst hier 69%, bei den Brachycephali prognathi nur 68%.“ H. Welcker Untersuchungen über 
Wachsthum und Bau des menschlichen Schädels. I. Theil. Leipzig 1862. 


macht dieses wieder Bemerkungen, welche für die Messung zu fein sind. Leider sind 
die Meisten von uns durch ihre Jugenderziehung so sehr der Anschauung und dem 
scharfen und dauernden Erfassen von Formen entzogen, dass Viele eher die Millimeter- 
zahl als die Form im Gedächtniss behalten. 

Da wir nun eine so schwierige Aufgabe vorhaben, unsere Macht diese zu erreichen 
aber sehr gering, und das vorhandene zuverlässige Material für den Einzelnen äusserst 
dürftig ist, so habe ich mir erlaubt die geometrische Zeichnung in Vorschlag zu bringen, 
damit auch die Ergebnisse der verschiedenen Forscher so ziemlich von Allen möglichst 
genau geprüft werden können. Die geometrische Zeichnung vermehrt nicht allein dem Ein- 
selmen das Material, sondern sie gestattet auch Messung und Anschauung. Wie diese 
aber von Jedem leicht und mit hinreichender Genauigkeit angeferligt werden könne. habe 
ich in meinem vorigen Schreiben mitgetheilt. Sie hat bei Ihnen die Probe bestanden und 
Sie haben ihr das Imprimatur ertheilt. Ich erlaube mir zunächst in Folgendem auf diesen 


Gegenstand noch einmal zurückzukommen. 


1. Zur geometrischen Zeichnung. 


(Fortsetzung.) 
a) Befestigung des Gegenstandes beim Zeichnen. 


In vielen Fällen lassen sich Messungen besser und oft sicherer an den geome- 
trischen Zeichnungen vornehmen als an der Natur selbst.) Ich brauche nur an hier 


oder dort anzulesende Ordinaten und Abseissen zu erinnern, so wird das (zesagte 


2) Anmerkung. Herr Welcker sagt in seinem einleitenden Wort (IX pag.): Lucae schlägt vor (pag-.23 
Morphoogie), die für die Zwecke der Kraniologie nöthigen Messungen nicht an den Schädeln selbst, sondern an deren 
Zeichnungen auszuführen: dagegen glaubt derselbe, „dass die Messung durch Zolistab, Zirkel und Winkel 
leichter, rascher und sicherer an der geometrischen Zeichnung genommen werden könne als an der Natur selbst.“ 

Herr Weleker sagt mir hier zwei Unwahrheiten nach. Einmal, dass ich vorschlage nicht an den Schadeln 
selbst, sondern an den Zeichnungen zu messen, und zweitens, dass ich behaupte, dass die Messung (in jedem 
Fall) rascher und sicherer von der Zeichnung genommen werden könne als an der Natur selbst. — Nachdem ich 
die Nothwendigkeit der Messung anerkannt, jedoch die Schwierigkeit und Unsicherheit derselben besprochen habe, 
sage ich weiter: „Endlieh muss ich noch ganz besonders hervorheben, dass die geometrische Zeichnung als 
Mittel für die Messung selbst von ausgezeichnetem Nutzen ist. Die Erfahrung hat mich hinreichend gelehrt, 
dass die Messung durch Zollstab, Zirkel und Winkel leichter, rascher und sicherer an der geometrischen Zeich- 
nung genommen werden kann als in sehr vielen Fällen an der Natur selbst.“ Durch Weglassen der 


gesperrt gedruckten \Vorte hat Herr Welcker freilich dem Satze eine andere Bedeutung gegeben. 


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einleuchten. Soll eben dieses in vollkommenster Weise und in jeder Richtung voll- 
bracht werden, so ist es ganz besonders von Wichtigkeit, dass die Zeichnungen eines 
Gegenstandes von verschiedenen und entgegengesetzien Seiten sich auf das Genauste ent- 
sprechen. Zu diesem Behufe ist es ausdrücklich nöthig, dass der Kopf, ohne dass seine 
Lage verändert werde, von versehiedenen Seiten gezeichnet werden kann. (Fig. 1.) 
Ich habe dies dadurch erreicht, dass “ 

Re ich den Schädel durch eine Ohrschraube und 
= mittels feiner und starker Kordel auf einen 
Rahmen befestigte, wie beistehende Figur 

zeigt. Dieser genau im Loth aus Eichen- 
holz angefertigte Rahmen (x y) enthält zwei 
schmale, starke „ gut eingepasste verschieb- 
bare Leistchen (a’ a), auf welchen der Kopf 
ruht. Diese Leistchen müssen verschoben 


Figur 1. 


A\ werden können, da ja die verschiedene 
Grösse der Köpfe das eine Mal weiter hin- 


ten, das andere Mal weiter vornen einen 


= Y 
IT RRRIXIRIIRITTTRRRRTRTRRRRRIO, Stützpunkt verlangt. Das Klötzchen (5) wird 
aus demselben Grunde bald höher, bald nie- 
derer sein müssen, und desshalb wende ich mehrere solcher von verschiedener Grösse, 
welche gleichmässig in zwei Stifte des verschiebbaren Breltchens («’) passen, an. Nach- 
dem ich den Schädel in die richtige Stellung mit dem oberen Rande des Jochbogens 
horizontal gestellt habe, binde ich zuerst zwei Fäden durch die foramina condyloidea 
anlica, das vordere Ende (d) nach hinten und das hintere (ce) nach vornen, um das 
Breitchen (a‘) geschlagen. unter demselben fest. Von dem Jochbogen aus schlinge ich ebenso 
zwei Fäden um das vordere Brett (a). Ist dieses geschehen, so ziehe ich von der 
auf dem Scheitel des Schädels befestigten Ohrschraube nach den auf dem Rahmen ein- 
geschraubten die zum Festhalten nöthigen Fäden (f). 

Soll der Schädel von oben abgezeichnet werden, so lege ich den Rahmen hori- 
zonlal unter meine Glastafel. Will ich die Seiten -, die Vorder- oder Hinter- Ansicht 
machen, so stelle ich den Rahmen (x.y) aufrecht, befestige ihn mit Schraubzwingen 
an meinen Zeichentisch und prüfe mit einem Winkelmaass oder Senkblei seine senk- 
rechte Stellung. Will man nun aber die untere Ansicht zeichnen, so schraube man 


den Rahmen horizontal unter die Glastafel. Die schmaleren Brettchen (a. a‘) lassen 


Re ee 


hinreichend Raum die untere Ansicht zu zeichnen. Auf diese Art lässt sich das 


Gewünschte vollkommen erreichen.’) 


b) Vom Verkleinern geometrischer Zeichnungen. 


Will man die geometrische Zeichnung, welche ja der Natur an Grösse gänzlich 
gleich ist, verkleinern, so wird das Heft I, S. 16 abgebildete Instrument hierzu vollkommen 
ausreichen. Es wird hierbei nur der Diopter in Anwendung gebracht; das 
Fadenkreuz bleibt unberücksichtigt, denn es wird hier mit einem feststehenden Augen- 
punkt gezeichnet. Gut wird es aber sein, dass man, weil der Fuss des Instrumentes 
oder der Ring des Fadenkreuzes eine oder die andere Stelle der unter der Glas- 
tafel liegenden Zeichnung verdeckt, zuerst mittels des Diopter und des Fadenkreuzes 
einen Punkt unter dem Kreuzungsfaden auf dem Glase bezeichnet, damit, wenn 
man das Instrument anders zu stellen genöthigt wird, die erste Stelle, von der die 
Zeichnung bisher angefertigt ist. wiederfindet. 

Das Verfahren ist ganz einfach. Man legt die geometrische Zeichnung in grösserer 
oder kleinerer Entfernung unter das Glas, setzt das Instrument auf letzteres und umgeht 


nun auf demselben, durch den Diopter sehend, die Con- 


touren jener geometrischen Zeichnung. Von der Entfer- eur a 

nung der Zeichnung von dem Glase, oder von der Ent- A an 
fernung des letzteren von dem Diopter, hängt nun der /|\ 
Grad der Verkleinerung ab. Ist nämlich das Auge und die Zi 
geomelrische Zeichnung gleich weit von der Glastafel ent- al | 


fernt,. so erhalt das Bild die halbe Grösse. Ist das Bild 
nur Y, vom Auge, aber /, vom Glase entfernt, so erhalten 
wir ' der Grösse des Originals, Ist aber das Auge 


4. das Original nur Y vom Glase entfernt, so erhalten 


wir °/, der natürlichen Grösse.') Dass dabei alle einzelnen 


Theile in gleichem Verhältniss bleiben und gleichmässiig 
verkleinert werden, dass also keine Verkürzungen und 
Verschiebungen wie bei dem perspectivischen Zeichnen eines Körpers vorkommen, wird 


nebenstehende Figur eleichfalls deutlich machen. Aus derselben ist auch ersichtlich, 


3) Anmerkung. Für Thierschädel lassen sich ähnliche Rahmen verwenden. 

+) Anmerkung. Ist das Auge in A, der Gegenstand aber in B 100 Mm. von ersterem entfernt, so wird 
die Zeichnung. welche 60 Mm. gross ist, auf einer Glastafel die 75 Mm. vom Auge entfernt ist, auf 45 Mm., auf der 
Glastafel 5 auf 30 Mm. und auf der Glastafel a auf 15 Mm. verkleinert werden. 


BER. 


dass der Diopter wenigsten für unsere Zwecke nicht senkrecht über dem Original 
zu stehen branch. Man sieht daraus, dass auf diese Weise eine jede beliebige Ver- 
kleinerung sicher zu erzielen ist. 

Wenn Sie übrigens der Ansicht sind, dass die Contouren auf dem Glase zu dick und 
zu stark für solche Verkleinerung würden, so darf ich versichern, dass eine leichte Hand, 
eine gute englische Tusche und eine feine Stahlfeder grade gestellt den feinsten Contour 
zu vollbringen im Stande sind. Noch leichter aber ist es, wenn man punktirt und erst 


auf der Pause die Punkte durch Linien vereinigt.’) 


5) Anmerkung. In seinem neuesten Werk „Vorlesungen über den Menschen, seine Stel- 
lung in der Schöpfung und in der Geschichte der Erde. Giessen 1863.“ sagt Herr Karl Vogt 
pag. 87: „Man muss gestehen, dass das geometrische Zeichnen für Jemanden, der auf das gewöhnliche 
Zeichnen eingeübt ist, ganz ausserordentliche Schwierigkeiten hat, und dass man, um es zn üben, ganz von 
allen bisher befolgten Regeln abweichen und sich zur reinen Maschine herabdrücken muss“ und ferner: „Ich 
besitze das Lucae’sche Instrument selbst und muss nun nach einiger Uebung mit demselhen sagen, dass man 
allerdings in verhältnissmässig kurzer Zeit eine richlige Contourzeichnung erhalten kann, die indessen immer 
etwas grob sein wird, da die Glastafel die Flüssigkeit, mit welcher man zeichnet, sei es nun gewöhnliche oder 
ithographische Tinte nur in sehr ungleicher Weise annimmt. Vor Allem aber ist es bei dem praktischen 
Gebrauche dieses Instrumentes nöthig, auf die Vertheilung des Lichtes gehörig zu achten. Während man zu 
jeder malerischen Zeichnung das Licht nur von einer Seite zu erhalten sich bemüht, die Ateliers und Zeicben- 
säle so einrichtet, dass nur ein grosses Fenster sie von einer Seite her erhellt, damit Licht- und Schatten- 
massen gehörig vertheilt und begrenzt seien, sollte man im Gegentheile die geometrischen Zeichnungen in einem 
von allen Seiten erhellten Glaspavillon machen, wo nur Licht und kein Schatten wäre. Das feine Loch des 
Diopters nämlich, durch welches man visiren muss, raubl so viel Licht, dass man bei einseitiger Beleuchtung 
des Cegenstandes häufig entweder das schwarze Fadenkreuz oder den zu zeichnenden Punkt auf der beschatteten 
Seite des Gegenstandes gar nicht sieht und so aller Anstrengung ungeachtet die Zeichnung in diesen Gegenden 
unvollendet lassen oder aus freier Hand nachtragen muss. Ich habe mir zwar häufig dadurch geholfen, dass 
ich bei Anlegung des Contours die Schaltenseite künstlich mittels einer Kerze oder Lampe beleuchtete, allein 
das ist auch oft nur eine magere Hilfe und führt zuweilen noch den Uebelstand mit sich, dass die Glastafel 
selbst der Hitze des Lichtes ausgesetzt werden muss.“ —- 

Der geniale Vogt muss doch von meinem Frankfurter Landsmann Dr. Berna auf der Reise nach dem 
Nordkap recht verwöhnt worden sein, dass er so viel Comfort verlangt und so viel Umstände macht, bis er 
eine geometrische Zeichnung von einem Schädel vollendet. Es wundert mich, dass unser tüchliger Kunstler 
Hasselhorst, der mir schon so manchen guten Rath gegeben. ihm nichts von seiner Umständlichkeit abge- 
wöhnt hat. Dass man zur Maschine herabgedrückt wird, ist wahrhaftig mehr, allein hier ist der grosse Vor- 
theil, dass man auch nichts in die Zeichnung hineinlegen kann, was nicht im Object ist. Ein jeder Schreiber 
oder Tertianer oder Gewerbeschüler, wenn er an Pünktlichkeit in der Arbeit gewöhnt ist, wird die Sache wohl 
leichter nehmen und besser machen als wir selbst. Statt des Glaspavillons wird ein Tisch am Fenster, auf 
dem sonst das Mikroskop steht, ausreichen und statt des Lichtes nimmt man, um die beschattete Seite zu 
erleuchten, einen kleinen Spiegel unter die Glastafel, damit dieser das Licht des Fensters reflectirt. Ist der zu 


zeichnende Gesenstand hell, so gibt man ihm eine dunkle Unterlage und gebraucht das schwarze Fadenkreuz, 


N 


Es ist für die Vergleichung von Schädeln von grösster Wichtigkeit, dass man die 
Zeichnungen auf ein gemeinsames Maass zurückführe; z. B., dass man die Länge aller 
Schädel oder der Schädelbasis ete. auf eine gleiche Zahl Millimeter bringe. Man erreicht 
dies auf folgende Weise: Unter die Glastafel (am zweckmässigsten auf ein Tischchen, 
dessen Platte durch eine Schraube höher und niederer gestellt werden kann) legt man die 
Zeichnung und misst mit einem Millimeter, welchen man auf das Glas gelegt, durch 
den Diopter sehend die Ausdehnung der in Frage kommenden Stellen des Bildes. 
örscheint nun das darunter liegende Original grösser oder kleiner als das verlangte 
Maass, so entfernt oder nähert man das Original der Glastafel. Die feinere Ein- 
stellung erzielt man zuletzt durch Höher- oder Tieferstellen des Diopters an dem Instru- 
mente (pag. 16). Doch auch vergrössern kann man mit unserem Apparat das auf die Glastafel 
gezeichnete Bild. indem man durch den Diopter sehend der Contour dieses Bildes auf einem 
Papier, welches in einiger Entfernung unter der Glastafel liegt, nachfährt. Auch hier 
wird wieder die Vergrösserung je nach der Entfernung des Gegenstandes vom Glase 
oder dieses letzteren vom Auge grösser oder geringer werden. Ein Menschenschädel 
z. B., der auf dem Glase A in natürlicher Grösse ist. wird auf dem Papier, welches in 
B liegt, gerade um das Doppelte vergrössert werden. Freilich ist hier die Anwendung 
insofern eine bedingte, als der Raum zwischen dem Papier und dem Glase der zeich- 


nenden Hand freien Spielraum gestalten muss.‘) 


e) Durchschnilte von einem Gegenstande zu zeichnen. 


Ich habe nun noch eines Verfahrens Erwähnung zu thun, welches uns in Stand 
setzt, von jedem Körper beliebige geometrische Durchschnitts-Zeichnungen anzufertigen 
Im Frühjahre 1843 zeigte Herr von der Launitz eine zu diesem Zweck ange- 
fertigte Maschine in einer Sitzung der Senckenbergischen Gesellschaft vor. Ich habe 


dieselbe öfters gebraucht, und hinreichende Gelegenheit gehabt, ihre Trefllichkeit zu 


st er aber dunkel, so gibt man ihm eine helle Unterlage und schabt auf das Fadenkreuz ein wenig weisse 
Kreide. Voilä tout! Dass aber das geometrische Bild, wenn es durch Schatten und Licht gut ausgeführt ist, 
kein „unrichtig scheinendes Bild“ liefert, beweisen die neuesten Zeichnungen von A. Ecker (Crania Ger- 
manıae. ]. Heft. Freiburg 1863.) auf Tafel V und VI die Schädel heutiger Bewohner aus der Umgegend 
der Ebringer Grabstätte darstellend. 


6%) Anmerkung. Für vergleichend anatomische und physiologische Studien eignet sich dieses Verfahren 
ganz besonders dann, wenn man Schädel verschiedener Grösse, z. B. denSchädel eines Insectenfressers und eines 
grösseren Raubthieres der besseren Vergleichung halber auf Eine Grösse bringen will. 


N: 


erproben. Da Herr von der Launitz mit seiner Anatomie für Künstler (welche auch 
den Anatomen erwünscht sein würde) noch immer nicht hervortritt, und dieser von ihm 
benannte Orthometer desshalb noch 

Figur 3. nicht bekannt geworden ist, so erlaube 

ich mir ihn hier zu beschreiben und ne- 
benstehende Zeichnung desHerrn von 
der Launitz beizufügen. (Fig. 3.) 
A ist eine vierkantige viereckige 
Tafel von einem guten doppelt ge- 
leimten trockenen Holze, das sich 
nicht wirft. Die vier Füsschen auf der 
unteren Seite der Platte sind mit Stell- 
schrauben versehen, um die Platte 
auf jeder unebenen Fläche feststehend 
zu machen. Die obere Fläche dieser 
Platte ist in gleichgrosse (5°) Qua- 


drate getheilt und diese sind mit 


Nummern bezeichnet. B sind zwei 
senkrecht aufsteigende vierkantige 
Stangen, welche an ihrem unteren Ende mittels eines metallenen mit Schrauben (5) ver- 
sehenen Beschlages, an jeder beliebigen Stelle am Rande der Platte A angeschraubt werden 
können. An diesem Beschlag ist nach innen eine kleine eiserne Spitze angebracht 
welche zur genauen Bezeichnung der Stelle, an welcher die Stangen B stehen sollen, 
dient. Die senkrechten vierkantigen Stangen B sind an ihren innern und seitlichen Flächen 
mit einer Anzahl kleiner horizontaler Striche versehen, welche genau so weit von 
einander entfernt sind wie die Linien der Quadrate auf der oberen Fläche der Platte 
A. Die Nummern, welche diese Linien bezeichnen, fangen von unten an, beginnen aber 
erst in der Höhe einiger Zoll von der Platte, da der Apparat ©, welcher zum Fest- 
halten des Gegenstandes dient, letzteren nicht auf das Niveau der Platte A herablässt. 
Auf die Stangen B ist eine Hülse (a) gesteckt, welche durch eine Feder gegen die 
Stangen festgedrückt wird, die aber dennoch sich an denselben bequem auf- und nieder- 
schieben lässt. Diese Hülse hat an einer ihrer Seiten eine kleine Röhre, deren Richtung 
wagerecht ist und durch die ein ganz grader runder Draht (c) gesteckt wird. Das 


eine Ende dieses Drahtes ist spitz, das äussere aber enthält einen Knopf, an welchem 


ee 


die Nadel vor- und zurückgeschoben werden kann. Auf dieser Röhre ist ein Loch 
angebracht, welches mit der vorderen Kante der senkrechten Stangen B zusammenfällt 
und den Punkt darstellt, von dem aus die Länge der verschobenen Nadel gemessen wird. 

Um nun graphische Aufrisse zu machen bedarf man ein Papier, welches gleich 
der Fläche der Platte A in Quadrate eingetheilt und mit gleichen Nummern versehen 
ist. (Man kann sich solcher Blätter eine Menge lithographiren lassen, damit man sie 
vorkommenden Falls zur Hand hat.) Auf diese wird der Quer- und Längsschnitt, sowie 
der Grundriss niedergezeichnet. Um ersteren anzufertigen, werden die Stangen B auf 
der Platte 4 von einer Seite zur andern verrückt und die in gleicher Höhe an jenen 
Stangen bleibende Nadel zur Oberfläche des Gegenstandes vorgeschoben, ihre Länge 
dabei jedesmal mit dem Zirkel gemessen und auf dem Papier an der entsprechenden 
Stelle abgestochen. Bei Aufrissen wird dagegen die Kapsel (a) an der Stange (B) verschoben, 
und so gleichfalls von Stelle zu Stelle die Länge der den Gegenstand berührenden Nadel 
gemessen und dann auf dem Blatt Papier abgestochen.‘) 

So habe ich denn Alles. was sich auf das Anfertigen geometrischer Zeichnungen 
bezieht, sowie die Verwendbarkeit unserer Apparate nach verschiedener Richtung mit- 
getheil. Wenn die Collegen diesen Mittheilungen ihre Aufmerksamkeit zuwenden woll- 
ten, so hoffe ich davon nicht blos für die vergleichende Anthropologie, sondern auch 
für die Anatomie, die Zootomie und die Physiologie mannigfachen Nutzen. 

Ein weiterer Vortheil besteht darin, dass von den Autoren selbst verfertigte zwar 
einfachere und weniger schöne, aber auch weniger kostspielige und dabei viel correctere 
Zeichnungen, als sie bisher von Künstlern dargestellt wurden, für die Zukunft erschei- 
nen werden. Um so mehr dürfte dies der Fall sein, wenn die Collegen bedenken wollen, 
dass Zeichnen auf Stein keine grössere Kunstfertigkeit als das auf Papier voraussetzt. 

Zum Schluss muss ich hier noch ein Factum erwähnen, welches dem von Natur- 
forschern sowie von Künstlern gemachten Vorwurf, dass die geometrische Zeichnung 
für die gewöhnliche Betrachtungsweise ein unrichtig scheinendes Bild liefere, begeg- 
nen soll. 


?) Anmerkung. Herr Professor Aeby in Basel hat in seinem kürzlich erschienenen Werke: 
„Eine neue Methode zur Bestimmung der Schädelform von Menschen und Säugethieren. Braunschweig 1862. 
einen Apparat bekannt gemacht, der dem Launitz’schen ähnlich ist, jedoch grössere Vollkommenheit besitzt, 
indem man ohne Zirkel die Zahlen direct vom Apparat erhält. — Auch im Lehrbuch der plastischen Anatomie 
von Dr. E. Harless, Stuttgart 1856, findet sich auf pag. 162 ein Projectionsapparat abgebildet. 


Abhandl d. Senckenb. naturf Ges. Bd. V. 2 


=, A 


Ich glaubte den Gegenbeweis am besten liefern zu können, wenn ich ein Bild einer 
bekannten Büste geometrisch zeichnete und vollständig ausführte. — An ein Portrait macht 
man mehr Anforderungen als an die Abbildung eines anderen Gegenstandes. Man ver- 
langt die Feinheiten der Gesichtsbildung und vor allem Aehnlichkeit in demselben zu 
finden. 

Ich habe die von Launitz genial ausgeführte Büste des Anatomen Th. v. Soem- 
merring von einem Schüler unseres Städel’schen Kunstinstituts geometrisch zeichnen 
und möglichst genau schattiren lassen. Dadurch, dass man bei dem geometrischen Bild 
mehr zu sehen bekömmt als bei dem perspectivischen, also z. B. in der Ansicht von 
vorn zugleich mehr von den beiden Seiten wahrnimmt, kommt es, dass das geo- 
metrische Bild, wenn es gut schattirt ist, weit mehr körperlich hervortritt als das 
perspectivische. Dies ist denn auch mit unserem Bilde der Fall. Die perspectivische 
Zeichnung, die wir gleichfalls ausgeführt, sieht unansehnlich neben jener aus. (Vid. 
Taf. XI und XI.) 

Ich führte nun Männer, die Bilder zu beurtheilen verstehen, wie Hrn. Hofrath Dr. 
W. Soemmerring, unsern trefllichen Hasselhorst, den Kupferstecher Schäfer, 
durch seine Madonna della Sedia berühmt, Schertle, dessen Portraits der Abgeord- 
neten der Nationalversammlung hinreichend bekannt sind, vor meine Staffelei, und Alle 
waren in jeder Hinsicht mit der Zeichnung zufrieden, ja rühmten ganz besonders das Pla- 
stische in dem Kopfe. Keinem aber fiel ein, dass dieses ein geometrisches Bild wäre. Unser 
Bildhauer Launitz erkannte nur dadurch die geometrische Zeichnung, dass er die 
geraden Linien der Unterlage sah, welche ich den Andern verhüllt hatte. Selbst die 
fünfjährige Urenkelin Soemmerring’s erkannte augenblicklich in der Zeichnung die Büste, 
„welche im Grosspapa seinem blauen Zimmer steht“. 

Allen Diesen war die Büste hinreichend bekannt, und Alle hatten ein lebendiges 
Bild von derselben in sich. Es war mir nun darum zu thun, auch ein Urtheil Derer 
zu hören, welche die Büste nicht kannten. Ihnen stellte ich daher die Büste in einiger 
Entfernung von der Zeichnung auf. Kaum Einer fand eine vollkommene Aehnlichkeit, 
und nur Diejenigen, welche die Büste sich erst von mehreren Seiten betrachtet und 
ein rasches Bild von derselben angeeignet hatten, hielten die Zeichnung für gelungen; 
Keiner von Allen aber sah in dem Bilde eine Monstrosität, welche selbst Maler, die 
ich zur Ausführung meines Projectes aufgefordert hatte, vermutheten. 

Ich glaube in diesem Factum einen Beweis dafür, dass wir geometrische und 


keineswegs perspectivische Bilder der Gegenstände in uns ragen, zu erkennen. 


Gestatten Sie mir nun noch einige Bemerkungen über 
Leimausgüsse und die Bestimmung des Volums des Schädelinhalts. 


Um den inneren Raum der Schädelhöhle anschaulich darzustellen, habe ich den 
Leimausguss vorgeschlagen und ich finde ihn um so empfehlenswerther, als er leicht 
anzufertigen ist und nicht blos die genauste Darstellung der Schädelhöhle und die Form 
des Gehirns in seinen grösseren Verhältnissen gestattet, sondern auch in Durchschnitten 
den Umfang der verschiedenen Schädelkammern und durch Wiegen derselben sichere 
Anhaltspunkte für die Werthbestimmung und die Verhältnisse derselben untereinander 
darbietet. Konnte ich sie aber für die gegenseitigen Gewichtsverhältnisse der einzelnen 
Kammern ein und desselben Ausgusses vollständig empfehlen, so äusserte ich mein Miss- 
trauen gegen das richtige Gewichtsverhältniss des einen Ausgusses gegen den andern. 
Ich habe mich durch Wiegen vor und nach dem Trocknen überzeugt, dass, trotzdem 
dass sechs Ausgüsse zu gleicher Zeit aus ein und derselben flüssigen Leimmasse dargestellt 
wurden, die chemische Beschaffenheit der einzelnen verschieden ist. Wie viel grösser mag 
daher der Unterschied bei aus verschiedenen Massen und zu verschiedener Zeit darge- 
stellten Ausgüssen sein! Ich habe es daher für besser gefunden, statt des Gewichts des 
Leimausgusses das Volum desselben und das Volum seiner einzelnen Theile nach einem mit 
einer senkrechten graduirten Glasröhre versehenen Gefäss durch Wasser zu bestimmen. Aber 
wohl noch empfehlenswerther ist es, wenn man mit erwärmter Guttapercha die einzelnen 
Kammern längs der Nähte der Knochen abschliesst und mit Fruchtkörnern die entsprechen- 
den Hälften des Schädeldurchschnitts ausfüllt. Ich habe beiderlei Verfahren angewendet. 
Letztere Art wählte ich jedoch auch noch desshalb, weil die Wenigsten meinem Rath, 
die zu untersuchenden Rassenschädel zu durchschneiden, folgen werden, die Meisten 


hingegen den Innenraum einfach mit Fruchtkörnern ausfüllen.‘) 


®) Anmerkung. Dass L. Fick einen Neger- und mehrere Thierschädel senkrecht durchschnitten und 
verglichen hat, und dass Vircho w’s Untersuchungen über die Schädelbasis auf senkrechten Durchschnitten von 
Schädeln beruhen, ist bekannt; dass dies aber behufs ethnographischer Studien noch nicht geschehen, und namentlich 
in grösserer Ausdehnung nicht geschehen, ist ebenso gewiss. Letzteres scheint Herr Welcker (l. c. pg. X Anmerk.) 
nicht zu berücksichtigen, wie er überhaupt an mehreren Stellen in seinen Bemerkungen gegen mich übersieht, 
dass ich in meiner Morphologie der Rassenschädel es mit der ethnographischen Kraniologie und nicht mit der 
Kraniologie überhaupt zu thun habe. Dass in jener aber die sichere Basis noch ganz und gar fehlt, 
da hier erst noch eingerissen werden muss, ehe an ein Aufbauen zu denken, und dass daher der Zustand derselben ein 


2 


II. Ueber die prognathe und orthognathe Schädelform 
und die Schädelbasis. 


Bei Betrachtung der prognathen und orthognathen Schädelform in meinem vor- 
hergehenden Schreiben sah ich mich bei Vergleichung von einem Papua, sechs 
Australnegern und sechs Europäern rücksichtlich dieser Schädel zu dem Ausspruch 
berechtigt: 

1. dass weder rücksichtlich der Länge der ganzen noch der der vorderen 
Schädelbasis ein bemerkenswerther Unterschied zwischen unseren Australnegern und 
dem Papua einerseits und den Europäern andererseits besteht”). Ebensowenig ist 
bei diesen Schädeln irgend ein Verhältniss zwischen der Länge der vorderen Schädel- 
grube (Siebbein und vorderem Keilbeinkörper) und der Länge der Kiefer (Ende der 
Gaumplatte bis zur Alveole) aufzufinden. 

2. dass sowohl bei den Australnegern und dem Papua als bei den Europäern der 
Sattelwinkel einmal grösser, das andere Mal kleiner ist, dass seine Grösse aber am 
wenigsten eine Beziehung (wie Virchow angiebt) zur orthognathen und prognathen 


Gesichtsform hat. 


keineswegs beneidenswerther ist, wird wohl Herr Welcker zugestehen müssen. So lange man noch von 
Negern spricht und so lange man noch Schädel deutsche nennt, weil sie sich auf einer deutschen Anatomie 
befinden, sieht es doch noch ein bischen verdächtig mit den nächsten Resultaten und dem Typus des deutschen 
Schädels aus. Ebenso ist es mit den Messungen. Diese führen in der Entwicklung des Schädels leichter zu 
Resultaten als in der ethnologischen Kraniologie. Die verschiedenen Verhältnisse zwischen dem Kinderschädel 
und dem Schädel des Erwachsenen sind leichter zu erkennen als zwischen nahe verwandten Volksstämmen. 
Ebenso wenig ist es gerechtferligt, wenn Herr Welcker behauptet (1. c. pag. 20), dass ich die Knochen 
nur für „Passivorgane“ halte. Ich glaube dies mit Seite 70 meiner Architectur beweisen zu können. 


9) Anmerkung. Pag. 59 und 60 sagt Herr Welcker: Blicken wir auf die Aussage der Autoren, 
So behauptet Lucae und hebt es als eines seiner Resultate hervor, dass weder rücksichtlich der Länge der 
ganzen noch der vorderen Schädelbasis ein bemerkenswerther Unterschied zwischen unsern Australnegern 
und unsern Europäern bestehe. Die Australneger sind auch die meinen, die Europäer freilich nicht. Austral- 
neger und Deutsche verhalten sich in der beregten Beziehung aber diametral entgegengesetzt. 

Sollte denn Herr Professor Welcker nicht eingesehen haben, dass ich mit den Australnegern überhaupt 
die prognathen Schädel (also auch den Papua) verstanden habe? Weiss ich doch recht gut, dass unsere 
Australneger selbst eine noch längere Schädelbasis haben als Herr Welcker meint. 


==, Hay 


3. dass der auf obige Weise construirte Gesichtswinkel ebensowenig als die Ge- 
sichtsbasis ein wirkliches Maass für die pro- und orthognathe Gesichtsform abgeben kann'"). 

Wenn sich auch an einzelnen Punkten zwischen den Australiern und den Euro- 
päern entschiedene Unterschiede aussprechen, so wurden sie doch durch die Grössen- 
und Winkelverhältnisse des Papua fast immer umgestossen. Die vordere Schädelbasis 
zeigt bei den fünf männlichen Europäern im Mittel 60 Mm., bei den Australiern 64 Mm., 
bei dem Papua aber 62 Mm. Die ganze Schädelbasis beträgt bei den Europäern 101, 
bei den Australiern 106, bei dem Papua 98 Mm.; die Gesichtsbasis bei den Euro- 
päern 98, bei den Australiern 102, bei dem Papua 93 Mm. Der Nasenwinkel ist bei 
den Europäern 68, bei den Australiern 70, bei dem Papua 69°, während der Sattel- 
winkel bei den Europäern 112, bei den Australiern 111 und bei dem Papua 119° 
beträgt. — 

Wenn nun aber auch die Mittelwerthe dieser Köpfe keinen Anhaltspunkt für eine 
Untersuchung darboten und man hiernach allen Muth zu einer weiteren Prüfung 
dieser Verhältnisse verlieren sollte, so fanden sich doch im Einzelnen Andeutungen, die 
zu Erwartungen berechtigten. So war es z. B. auffallend, dass unter den prognalhesten 
Schädeln sowohl der Europäer als auch der Australier gerade der Sattelwinkel am 
grössten und bei den orthognathesten am kleinsten war. Auch zeigte sich der Nasen- 
winkel bei allen prognathen Schädeln grösser. Ebenso war die Schädel- und Gesichts- 
basis bei den Australiern entschieden grösser. Es kam nun noch besonders hinzu, dass 
ich mehrere pathologische Schädel extrem prognather und orthognather Form durch- 
gesägt hatte und auch hier die Grösse des Sattelwinkels in jener Weise ausge- 
sprochen fand. 


Ich habe daher ausgedehntere Prüfungen angestellt und benutze diese Gelegenheit 


Ihnen dieselben in Beifolgendem vorzulegen. 


10) Herr Welcker sagt pag. 48.: „Gewährt der Winkel an der Nasenwurzel einen zureichenden Aus- 
druck des Maasses der vorhandenen Orthognathie und Prognathie? Von Lucae wurde in jüngster Zeit die 


hier erhobene Frage mit Entschiedenheit verneint.“ Ferner: „Wenn Lucae die Ansicht ausspricht, dass 


”» 
die Längslinie der Sehädelbasis mit der Ausdehnung des Schädels nach unten in gar keiner Beziehung 
stehe, und er hiermit eine der besten Errungenschaften der Virchow’schen Schädeluntersuchung Preis giebt, 


so muss ich, gestützt auf die nachfolgenden Ermittelungen, mit Entschiedenheit widersprechen.“ 

Herr Welcker ist vor lauter Entschiedenheit sehr im Unrecht, denn von alle Dem steht ganz ent- 
schieden auch kein Wort in meiner Schrift. Ich rede an dieser Stelle (pag. 40) weder von der Schädelbasis 
noch dem Nasenwinkel. Ich spreche vom Gesichtswinkel. 


Scaphocephalus. 


Platycephalus, 


14 


Wie erwähnt, veran- 
lassten mich noch ganz be- 
sonders zwei pathologische 
Schädel zur Fortsetzung 
dieser Untersuchung. Ich 
füge sie in nebenstehenden 
Holzschnitten bei. Der eine 
stellt den Durchschnitt jenes 
neulich erwähnten Do- 
lichocephalus (Scaphoce- 
phalus) (Architectur Taf. 
3) dar, der andere den des 
Platycephalus, welcher auf 
Tafel V daselbst abgebil- 
det ist. 

Bei dem ersten dieser 
Schädel findet sich eine 
frühzeitige Synostose der 
Scheitelbeine, und wir se- 
hen das Cranium nach hin- 
ten und vornen sowie nach 
unten ausgedehnt. In dem 
andern finden sich Syno- 
stosen in der sut. corona- 
lis und einseitig eine Ver- 
wachsung in dem vorderen 
Theile der Schuppennaht. 
Das Schädeldach ist in sei- 
ner Ausdehnung nach vorn 
und oben behindert. — Bei 


letzterem besteht eine sehr stark prognathe, bei ersterem eine übermässig orthognathe 


Gesichtsbildung. 


Legen wir nun beide Durchschnitte übereinander, so finden wir, da die Nasenwurzel und 
das hintere Ende der Pars basilaris ossis oceipitis einander decken, die Schädelbasis in beiden 


a. a 


gleich. In ersterem ist der Winkel, welcher von dem Boden der vorderen Schädel- 
grube und dem Clivus gebildet wird, ein spitzer (120°), in letzterem ein stumpfer 
(156°). Legen wir dagegen nur die Partes basilares ossis oceipitis aufeinander, so 
dass die hinteren und vorderen Ränder des Durchschnitts in beiden sich decken, so findet 
man den von uns gemessenen Sattelwinkel Virchow’s (Planum sphenoidale und die 
innere Fläche der Pars basilaris) in beiden gleich. Für das Gesicht finde ich Folgendes 
zu erwähnen: Die Entfernung vom hinteren Ende des Vomer zur Nasenwurzel, die 
Entfernung zwischen dem vorderen Ende des Hinterhauptloches und der Spina nasalis, 
zwischen dieser und der Nasenwurzel, sowie endlich die Ausdehnung des Gaumentheiles 
von vorn nach hinten ist bei dem prognathen Schädel grösser. Der Nasenwinkel, wie 
er von Virchow gezogen wird, ist in beiden Schädeln gleich; wird aber der hintere 
Schenkel statt an das untere Ende des Keilbeins längs der Schädelbasis, also an das 
vordere Ende des Hinterhauptlochs angelegt, so ist dieser Winkel bei dem prognathen 
Schädel weit grösser. 

Legt man die Schädel so, wie sie im Leben bei aufrechter Stellung und mit dem 
Blick gerade vorwärts wohl gewesen sein mögen, mit der Axe der Gaumplatte über- 
einander, so liegt die Schädelbasis (die Linie zwischen Nasenwurzel und vorderem 
Ende des For. magnum) bei beiden parallel, und der Neigungswinkel dieser zum Hori- 
zont ist in beiden 30°. Das ganze Kiefergerüst ist dann nach Höhe und Tiefe bei dem 
prognathen viel grösser. 

Es ist gewiss nicht ungerechtfertigt, anzunehmen, dass bei dem prognathen Schädel 
das nach vorn und oben sowie nach hinten und unten (es findet sich nämlich auch 
eine Verwachsung der Zitzennaht) in seiner Entwickelung beschränkte Gehirn sich in 
der Mitte der Schädelbasis durch Streckung derselben Raum zu erobern strebte und 
daher die mehr gestreckte Schädelbasis zu Stande kam. Bei dem orthognathen Schädel 
aber scheint das oben in seiner Seitenausbreitung beschränkte Gehirn durch Ausdehnung 
nach vorn und hinten, zugleich aber auch an diesen beiden Stellen nach unten, die 
starke Knickung der Schädelbasis veranlasst zu haben. 

Während also bei beiden Schädeln die Länge der Basis gleich ist, übertrifft der 
prognathe Kopf den andern durch die Länge der Gesichtsbasis, durch Grösse des Nasen- 
und Sattelwinkels, sowie durch Ausdehnung der Kiefer und der Nasenhöhle nach Höhe 
und Tiefe. 

Dass nun bei dem einen dieser Schädel die so grosse Knickung der Schädelbasis 


ein höchst wichtiges Moment zur orthognathen Form, bei dem andern die übergrosse 


— 


Abflachung ein eben solches zur prognathen Bildung abgab, ist leicht einzusehen; dass 
aber einen ziemlich gleichen Antheil die Grösse der Kiefer und der Nasenhöhle an 
diesen Formverhältnissen hatte, ist ebenso gewiss. 

Nach Einsicht dieser Verhältnisse muss es nun von Interesse sein, eine grössere 
Reihe von Schädeln in dieser Richtung mit einander zu vergleichen. Nachdem wir 
uns an einer grösseren Zahl von Europäern eine festere Basis für die Vergleichung 
verschaflt haben „ wollen wir in derselben Richtung die Neger-, die Chinesen- sowie 
die Australier-Schädel unserer Sammlung durchmustern. 

Alle diese Schädel habe ich in nachfolgenden Tabellen nach dem Grade ihres 
Prognathismus geordnet oder zu ordnen wenigstens angelegentlichst gesucht. Ich 
bestimme diesen, wie ich schon in meinem vorhergehenden Schreiben angegeben habe, 
durch eine Ordinate, welche durch die Nasenwurzel gelegt wird, und eine Abseisse, 
welche in der Axe des Jochbogens (d.h. des engsten Theils desselben an der Verbindung 
des Schläfenbeines mit dem Jochbeine) liegt.'') Mag nun aber diese Axe oder der obere 
Kand des Jochbogens, wie in Göttingen angenommen wurde, (in den meisten Fällen sind 
beide ziemlich parallel) der Bestimmung der Horizontallinie zu Grunde gelegt werden, so 
wird man doch immer auch wiederum Schädeln begegnen, die sich diesen Bestimmungs- 
linien ganz und gar nicht fügen wollen. In dem einen Fall sind sie mit dem Gesicht zu 
weit nach oben gerichtet. in dem andern sehen sie schief nach unten. Die Schädel 
des Chinesen XXI. 3, sowie der des Denig, welche gleich den übrigen in den Ab- 
bildungen nach dem oberen Rand des Jochbogens gestellt sind, werden dies beweisen. 

Das war die Veranlassung, mich nach anderen Stellen umzusehen, die mir als An- 
haltspunkt dienen könnten. Ich verglich bei meinen mit dem Durchschnitt und mit der 


Aussenseite in einander gezeichneten Schädeln die Neigung der Schädelbasis zum wirk- 


11) Anmerkung. Ich habe mich bei dieser Bestimmung ganz der bisher gebräuchlichen Anschauungs- 
weise der Autoren über prognath und orthognath nach welcher nämlich das Gesicht unter der Stirn mehr 
oder weniger hervortritt, angeschlossen. 

Herr Welcker bestimmt den Prognathismus nach der Grösse des Nasenwinkels. Es ist daher begreiflich 
dass sein Prognathismus eine andere Bedeutung als die gewöhnliche hat. Nach ihm ist daher der Schädel des 
Neugebornen prognath, der des Erwachsenen orthognath; der Schädel des Russen und des Deutschen muss nach 
ihm alsdann prognather als der des Chinesen und des Javanesen sein. Daher kann er auch sagen: „Beim 
Thier und bei dem Menschen verkleinert sich mit zunehmender Entwickelung der Camper’sche Gesichtswinkel‘ 
(pag. 80 1. e.), trotzdem dass der Schädel des Erwachsenen nach ihm orthognath, der des Kindes aber pro- 
gnath ist. Nach ihm wird daher der Gesichtswinkel Camper’s mit der Orthognathie kleiner und mit der 
Prognathie grösser. 


a’. = 


lichen Horizont mit der von uns angenommenen Horizontalen (Abscisse), und fand bei 
60 auf diese Weise gezeichneten Schädeln, dass die Neigung der Schädelbasis zum Horizont 
zwischen einem Winkel von 22° und 38° schwanke, wenn ich die Schädel nach der 
Horizontale des Jochbogens gelegt hatte. Ich bemerkte aber, dass diese Endpunkte nur 
höchst selten vorkommen, dagegen die meisten sich mehr und mehr einem Winkel von 
30° näherten, so dass zwischen den Winkel 27° oder 28° und 32° oder 33° die bei 
weitem meisten Schädel fallen. Da es nun selbstverständlich ist, dass bei höheren 
Graden das Kiefergerüste weiter vor, die Stirn weiter zurücktritt, bei niederen jedoch 
das Umgekehrte stattfindet, so ist von nicht geringer Wichtigkeit bei Bestimmung der 
pro- oder orthognathen Schädelform die Neigung der Schädelbasis mitzuberück- 
sichtigen. In den beigefügten Abbildungen ist Denig zu viel vornüber geneigt. Da 
nun in dieser Stellung die Schädelbasis eine Neigung von 27° hat, so habe ich den- 
selben in der folgenden Tabelle auf 30° — also zu Gunsten der Prognathie gehoben. 
Die Schädel Mundo, Schulz und Müller I. aber, welche auf der Tafel etwas mehr 
nach hinten gesenkt scheinen und welche die Winkel von 36°, 35° und 38° in dieser 
Stellung zeigen, habe ich auf 35°, 33° und 35° — also zu Gunsten der Ortho- 
gnathie gesenkt. Ebenso bin ich mit dem Chinesen XXI. 3, welchen ich von den 
22° Neigung (in welcher er nach der Linie des oberen Jochbogenrandes steht) auf 30° 
in die Höhe hob, verfahren. Die genaue Prüfung der Abbildungen wird zeigen, dass 
mein Verfahren für diese Schädel vollkommen gerechtfertigt war. Alle übrigen Schädel 
sind in der Tabelle nach dem Jochbogen gestellt. 

Rücksichtlich der Tabelle habe ich Folgendes zu bemerken. Die erste Rubrik 
giebt den Grad der Prognathie. In ihrer ersten Reihe zeigt sie die Entfernung der Stirn 
von der Ordinate in ihrer grössten Höhe und in ihrer Mitte (die beiden — Abscissen). 
Die beiden darunter stehenden Zahlen bezeichnen die Abscissen von der Wurzel der 
Spina nasalis sowie von der Alveole der mittleren Schneidezähne zu der Ordinate 
(die beiden + Abseissen). Von den dahinter stehenden Zahlen bestimmt die obere die 
Höhe der Ordinate von der Nasenwurzel zur höchsten Stelle des Schädels, und die 
untere die Entfernung der Nasenwurzel vom unteren Ende der Alveole der Schneidezähne. 

Der Winkel an dem Sattel ist gemessen von der Nasenwurzel zu dem Proc. 
clinoid. med. und von da zum Anfang des For. magnum, der Nasenwinkel von der 
Spina nasalis zur Nasenwurzel und von da zum vorderen Ende des For. magnum. Die 
Schädelbasis ist gemessen von der Nasenwurzel zum For. magnum, die Gesichtsbasis 


vom For. magnum zur Spina nasalis. 
Abhandl. d, Sonckenb. naturf, Ges. Bd. V. 3 


ze 


Obigen Maassen habe ich noch zugefügt: 1. die grosse Gesichtsbasis. Sie läuft 
senkrecht auf die Ordinate und projieirt sich in dieser Richtung bis über das äusserste 
Ende des Alveolarfortsatzes. 2. den grossen Nasenwinkel, dessen einer Schenkel vom 
For. magnum zur Nasenwurzel und dessen anderer von da zum vorderen Ende der 
Alveole des Schneidezahnes geht. 

Rücksichtlich der Schädel habe ich noch zu bemerken, dass alle in der Median- 
ebene senkrecht durchschnitten und gezeichnet, dann an der Natur und an den Zeich- 
nungen mehrmals gemessen und geprüft worden sind. Die Nummern des Katalogs der 
Senckenbergischen Sammlung wurden beigefügt, damit die Möglichkeit einer wiederholten 


Prüfung gestattet sei. 


Tabelle A, Nr. 1. 


Abscisse vom 
For. magn. 
z. Ordinate. 


— und Nasen- Sattel- Schädel- Gesichts- Grosser Grosse 
—- Abscisse. winkel. winkel, basis. basis. _Nasenw. Gesichtsb. 


1. Zwick Im 59 413 1er 


2: Klein hlasa Shansensot6B: oradtAänh\uirtößrah dan Er eg 

3 Dnig Zorn. 61 „136m AOBEHRÄBREN A 6il.00 oe 

4. Schumacher 55 68 18 11 0 BB 8 
+ 8 


De EN 64 130 100 91 68 96 88 


6. Mundo Eee 64 139 96 88 66 90 80 


Mittel —6,5 


wi Ha 68 1865 1005 898 645 915 86,6 


BEA 


Tabelle A, Nr. 2, 


— und Nasen- Sattel- Schädel- Gesichts- Grosser Grosse 
—+- Abscisse. winkel. winkel. basis. basis. Nasenw. Gesichtsb. 
—80 


7. Rheinhardt 5 69 134 98 93 69 92 82 


Abseisse vom 
For. magn. 
z. Ordinate. 


Name 


8. Müller I. — = 5 137 102 10 5 100 89 


9. Känke 16, 4 136 102 95 76 100 88 


10. l.a 208 + 470 69 137 105 100 74 104 92 


11. Schulz ME? 66 124 100 93 68 95 83 


412. Müllenıb © —— 68 131 101 98 68 10 87 


Mittel —8 


Tr 12 Ms Tor ıssı 101,8 96,6 71,6 98,6 86,8 


Mittel nr) 
aus 1-12 +83 


66.5 134,8 100.4 93,2 68 95 86,7 
In dieser Tabelle ( A) welche 12 deutsche Schädel enthält, sehen wir den Ober- 
kiefer von O0 bis zu 14 Millimeter über die Ordinate hinübertreten. Mit dem fort- 
schreitenden Prognathismus nimmt auch der Nasenwinkel im Ganzen an Grösse zu, 
indem der bei den sechs ersten 63 Mm. bei den sechs letzten 70 im Mittel enthält 
Im Einzelnen ist freilich die Grösse dieses Winkels keineswegs dem Grade des Pro- 
gnathismus entsprechend; denn wenn auch bei den drei ersten die Ziffern sich am 
kleinsten zeigen, so sind sie bei den drei letzten noch immer unter dem Mittel. Mit 
dem Sattelwinkel ist es nun aber nicht so. Die beiden Mittelzahlen fallen hier von 


136 auf 133, und während die höchste Zahl 145 bei dem zweiten Schädel der ganzen 
3% 


— 


Reihe vorkommt, hat der elfte 124 (die kleinste Zahl der ganzen Reihe). Die Schädel- 
basis bleibt ziemlich gleich, die Gesichtsbasis dagegen steigt von 89 auf 96. Nach 
dieser Tabelle wächst der Nasenwinkel am Augenscheinlichsten, ebenso die Gesichts- 
basis. Während aber die Schädelbasis sich gleich bleibt, fällt der Sattelwinkel um 3. 

Ich habe hierbei nochmals zu bemerken, dass ich gerade bei den orthognathen 
Schädeln den Prognathismus durch Erhebung der Schädelbasis um etwas vermehrt, 
bei den prognathen aber durch Neigung derselben um etwas vermindert habe. 

Wollte ich diesen Mittelzahlen allein einen grösseren Werth beilegen, so würde 
also auch der Nasenwinkel in ein umgekehrtes Verhältniss zum Satlelwinkel treten und 
beide würden umgekehrt grösser oder kleiner werden. Da aber vorstehende zwölf 
Schädel keine hinreichende Sicherheit rücksichtlich der Ergebnisse der Mittelzahlen 
abgeben können, so setze ich hier eine zweite Tabelle gesunder männlicher Schädel her. 


12) Anmerkung. Herr Welcker wird sich höchlich wundern, dass ich wieder Schädel distinguirter 
Personen vorführe. In seinem einleitenden Wort pag. XI. sagt er nämlich: „Eine grössere Menge von Schädeln 
hat Lucae gemessen. „Aber statt einfacher schlichter Anatomie-Schädel, die jedoch vor Allem normal wären, 
wählte Lucae — ich weiss nicht aus welchem Grunde — nur Schädel von Distinction. Die Helden der Schinder- 
hannesbande nebst einigen andern berühmten Räubern, dazu ein Dichter, ein Gelehrter, ein Schauspieler, ein 
Geheimerath — sie bilden Lucae’s Messungen normaler Schädel nach Virchow. Ein Blick auf Lucae’s 
eigne Angaben belehrt uns, dass die Normalschädel grösstentheils abnorm sind.“ — „,‚Man lasse dem Pitaval 
was des Pitaval ist! Die Kraniologie hat sich seit lange geschadet durch einen Hang zu Absonderlichkeiten 
und zum Spielen, sowie durch ein gewisses Apartethun. Noch in seinem neuesten Werke wählt Lucae für 
die Einzeichnung in die Schädeldurchschnitte seiner Australneger keineswegs den mittleren deutschen Schädel, 
sondern „einen Mörder aus gemeiner Rachsucht“, „einen Selbstmörder aus Liederlichkeit.* Zwick, den Führer 
der Studenten bei Erstürmung der Hauptwache, sowie Heinse, den Verfasser des Ardinghello. Was nützen 
der anatomischen Kenntniss pretiöse Worte über die feine Modellirung des Stirnbeins dieses oder jenes Dichters, 
deren Nachbildung trotz aller Liebe nur selten gelingen werde.“ ete. — Herr Welcker scheint sich öfter 
darin zu gefallen, verschiedene Dinge zu vermischen und vermuthlich absichtslos verdreht in eigenthümlicher 
Beleuchtung zu zeigen. Ich will ihm den Grund sagen, warum ich diese Schädel vorführe: Weil ich sonst 
keine Schädel habe, über deren Herkommen ich hinreichende Gewissheit besitze. Sollte aber der Schädel 
eines Mörders aus gemeiner Rachsucht oder eines Selbstimörders aus Liederlichkeit darum weniger Vertrauen 
besitzen? Meine Schädel „Bekannter Personen‘ dienten mir, um an ihnen in Stein zeichnen zu lernen, wurden 
nachher als Documente gegen die sich übermässig breit machenden Phrenologen verwendet, und durften 
endlich als normal meinen verschobenen Kiel-, Sattel- und Thurmköpfen gegenübergestellt werden. 

Dass Herr Welcker den Schinderhannes für einen Juden hält, wird ihm dieser am jüngsten Tage nicht 
verzeihen, während ich den mir gemachten Vorwurf, dass Heinse auf einem Breit mit jenem stehe, Herrn 
Welcker gern vergebe. Beweist er mir doch auch hierdurch abermals, wie er Alles und so auch meine 
Sammlung sehr zweckmässig zu benutzen weiss. 


= MM 


Diese aus 28 Schädeln bestehende Tabelle B habe ich ebenfalls in zwei gleich 
grosse Abtheilungen gebracht. Die eine derselhen umfasst 14 mehr orthognathe, die 
andere 14 mehr prognathe Exemplare. 


Tabelle B, Nr. 1. 


ET er 
2, Lan316 =, 60 124, 99 86 84 84 
2. La 295 = 62 135 102 90 90 85 
3. La 133 = 64 131 103 90 92 87 
4. La 273 Eu. 65 135 103 92 92 87 
Ba te 143 90 78 83 77 
6. La 291 Eu 67% 136 104 92 96 90 
7. 1.b 944 = 67 135 100 92 93 86 
8. La 178 + 67 132%, 9 90 93 86 
9. La 294 > 07, 1 90 82 83 76 
10. Ertru. ee. 130 102 93 97 89 
11. Phr. ei 141% 9 92 96 88 
12. 1.b 943 — 67 141%, 100 90 95 87 
13. La 274 — 69 147%, 102 92 97 89 
14. La 315 u 68 135% 110 95 10 97 
Mittel aus 1—14 u 66 135,1 1002 895 935 86,2 


ne a 


Tabelle B, Nr. 2. 


— und Nasen- Sattel- Schädel- Gesichts- Grosse Abseisse 


Nr. 4 Abscisse. winkel. winkel. basis. basis. _ Gesichtsbasis. Yo" m: 
Seen 6 130 98 90 94 83 
16 La 8318 To. ..,64%7,.,126 93 87 90 80 
17. Braun 0. 68 135 95 90 94 84 
18; ©L.b 250. 908 65 131%, 105 96 100 90 
19.02 271 00, We 143 100 93 100 89 
20. Va 348 80 I, 00 74 144 100 98 108 91 
21. La 56 En 71% g0122 »aploa 9 107 94 
22. ya 288 55 275 ar 69 124%, 99 91 96 83 
Ro ELLI 7 155 100 95 99 85 
Bea 1 0, 68 124 101 95 102 88 
Da 2 rs 10 101 100 104 90 
Be Tn 289 2, 76 125 99 0 102 88 
Zar, 7, 0 130 105 9 104 90 
28. Min 238.N 10372 133, 10 99 105. 90 
Mittel aus15—25 25 696 131,8 100,9 94,4 100 87,5 
Mittel aus 1—28 7 > 67,8 Eis3, a eh00,5 7 W919 7 96, PN RE 


Mittel aus Tabelle A und B 


Mittel 


BOT TTEREE TER 22 0967,1 134,1. 100,4 92,5 95,7 86,7 


Sep 


m. 


Bei den vierzehn ersten erhebt sich der Prognathismus von 0 zu +8, steigt also 
mehr als 3 Mm. den sechs orthognathen Schädeln der Tabelle A gegenüber. Die 
Mittelzahl des Nasenwinkels übertrifft hier jene um 3 Mm.; dabei steigt er ziemlich 
gleichmässig von 60 auf 69. Der Sattelwinkel, die Schädelbasis, sowie die Gesichts- 
basis sind hier um Einiges geringer. 

Indem wir zu der zweiten Abtheilung der Tabelle B., zu den vierzehn in höherem 
Grade prognathen Schädeln übergehen und auch diese mit der zweiten Abtheilung der 
Tabelle A vergleichen, finden wir den Nasenwinkel hier um 1 Mm., den Sattel- 
winkel und die Gesichtsbasis um 2 Mm. gefallen und die Schädelbasis ziemlich gleich, 
während der Prognathismus hier eigentlich etwas grösser ist. 

Stellen wir nun aber die beiden Abtheilungen der Tabelle B einander gegenüber 
(also das Mittel der 14 orthognatheren mit dem der 14 prognatheren Schädel), so ist 
bei letzteren der Nasenwinkel um fast 4 Mm. gestiegen, der Sattelwinkel um 4 Mm. 
gefallen. Die Schädelbasis bleibt sich gleich, während die Gesichisbasis bei den Pro- 
gnathen um 5 Mm. steigt. Also haben auch in der Tabelle B, wie es in der Tabelle 
A der Fall war, die prognatheren Schädel einen grösseren Nasen- und einen kleineren 
Sattelwinkel, sowie eine grössere Gesichtsbasis als die orthognatheren Schädel. Die 
Schädelbasis wird, wie in der Tabelle A, bei prognathen und orthognathen Schädeln 
wenig verändert”). 


13) Anmerkung. Herr Welcker erhält aus seinen 30 Männerschädeln für den Nasenwinkel 66,2, 
für den Sattelwinkel 133,8, für die Schädelbasis 100,3 und für die Gesichtsbasis 93,9. Nach meinen Begriffen vom 
Messen stimmen doch die Mittelzahlen meiner 40 Schädel mit diesen vollkommen überein, trotzdem ich sie nicht 
gerade als deutsche bezeichnen möchte und Herr Welcker einen Theil von ihnen für pathologisch erklärt hat. 


1) Anmerkung. Will man, wie Herr Welcker thut, diese vorstehende Tabellen nach der Grösse des 
Nasenwinkels umstellen, so entstehen folgende Verhältnisse: 


Tab. A. Nasenwinkel. Sattelwinkel. Schädelbasis. Gesichtsbasis. 
62,6 
6 Schädel von 590 _ 660 134,10 100,5 90,3 
70,5 
re Nez 740 135,50 101,3 961 
Tab. B. 63,4 
7 Schädel von 600% _ 650 130,70 100,1 88,4 
66,7 
7 8 „ 660 — 670 135,80 100,3 89,8 e 
68,3 
ig „ 680 — 690 133,70 99,3 92,5 
72,4 
ang „ 700 _ 760 1320 100,1 97,1 


Wir finden hier den Sattelwinkel zweimal steigen und zweimal fallen, und zwar von 134 auf 135 und von 130 


©. Wa Nee 


Lassen wir nun die Neger und die Australier unserer Sammlung folgen. 


Neger. 

Entfernung 
d. For. mag, 
z. Ordinate, 


— und Nasen- Sattel- Schädel- Gesichts- Grosser Grosse 
—- Abseisse. winkel. winkel. basis. basis. Nasenw. Gesichtsb. 


80 
—10 76 

I.a 179 16 73 136 101 99 73 101 88 
ea 
—80 


La 15 Tor el MOB LOR ul Ba 


NB. u 
— 110 


kaji24 |, 100er 1 Bsindkum Bil ER ae 


116 
—55 


La a ee AR re a A 
+16 
— 
xXU.6 Ba ds: 100, Non lo 


+8 65 
20 


b — 6 / 
Mittel 116,4 70,2 134.2 104.6 99,4 75.2 105.4 88 


NB. I.a 125 ist von 400 auf 350 Neigung herabgesetzt. 


auf 135. Während bei der ersten Steigerung der Nasenwinkel von 62 auf 70, also um 8 Grade in die Höhe 
gegangen, war der Sattelwinkel nır um einen Grad gestiegen. In dem zweiten Falle aber stieg der Nasenwinkel 
nur von 63 auf 66, also 3 Grad, dagegen der Sattelwinkel von 130 auf 135 Grad, also um 5 Grad; umgekehrt 
sehen wir in den folgenden drei Reihen den Sattelwinkel wieder zweimal fallen und zwar von 135 auf 133 Grad 
und von 133 auf 132, während der Nasenwinkel von 66 zu 72 Grad aufsteigt. In der untersten Reihe ist der 
Nasenwinkel 72,4 mit 132 Grad Sattelwinkel, in der obersten Reihe aber 62 mit 134 Grad Sattelwinkel vereinigt. 
Die Zahl 135 Grad findet sich ferner mit Nasenwinkel 66 und mit 70 zusammengesell. Müssen wir in dieser 
Reihenfolge den Sattelwinkel dem Nasenwinkel gegenüber für ganz indifferent halten, so möchten wir von der 
Schädelbasis dasselbe sagen. Denn, abgesehen davon dass die Zahlen das eine Mal fallen, das andere Mal steigen, 
sind die Differenzen doch wahrlich zu geringfügig. Anders ist es mit der Gesichtsbasis; diese steigt in beiden 


Tabellen ganz entschieden. 


— 35 — 


Australneger von Clarence river. 


Neigung der Schädel- Nasen- Sattel- Schädel- Gesichts- Grosser Grosse ee 
basis 30 ®, Erosuad: winkel. winkel. basis. basis. Nasenw. Gesichts." ee 
XXIL 11 un 6 128 106% „100, RR, 102 92 
SR 7 in © ae ar 05 798 
XXL „9 nr 69, aan. 108103 107 92 
L.a 321 za Km A ee lo 93 
17 
RN 10 ie 7227 Ballon delos:r Weber pilor N mi92 
Mittel Zıaa 692 134,2 105,8 103 75,2 106 92,4 
Papua. 
a5 
Papua ER, 72 128 97 9a 78 10 86 
+19 


Fassen wir auch hier die Mittelzahlen in’s Auge und vergleichen wir diese mit 
den 40 Europäern, so sind wir für diese Neger wie für unsere Australier zu dem 
Ausspruch berechtigt: dass Nasenwinkel, Schädelbasis und Gesichtsbasis den Europäern 
gegenüber sehr gestiegen sind, dass aber der Sattelwinkel sich gleich bleibt, da für 
diesen bei allen drei Gruppen die Zahl 134 vorkommt. 

Aus der Reihe der vierzig Europäer durften wir den Schluss ziehen, dass mit 
dem Prognathismus der Nasenwinkel und die Gesichtsbasis steigt, der Sattelwinkel 
fällt, die Schädelbasis aber ziemlich unverändert bleibe. Hier ist aber bei einem weit 
mehr vorgeschrittenen Prognathismus der Sattelwinkel gleich geblieben und die Schädel- 
basis sogar gestiegen.”) Dass der Sattelwinkel dem vorgeschrittenen Prognathismus 


und dem grösser gewordenen Nasenwinkel gegenüber doch, wenn auch in einem 


15) Anmerkung. Herr Welcker erhält für die Schädelbasis aus 20 Negern, unter denen sich wahrschein- 
lich auch alle die hier aufgeführten befinden, die Zahl 100,2 Mm., also eine Länge die gleich den Europäern. Die 
zehn weniger prognathen haben den Nasenwinkel 67,6 und die Schädelbasis 100,3, die zehn mehr prognathen jedoch 
den Nasenwinkel 74 mit der Schädelbasis 100,1. Von sechs von ihm angeführten Negern (aus den Sammlungen in 
Halle, Göttingen und Heidelberg) giebt die Mittelzahl für den Sattelwinkel 144. 

Abhandl. d, Senkenb. naturf. Ges, Bd. V. 4 


a 


geringeren Verhältniss als bei den Europäern, gefallen, bedarf keiner weiteren Aus- 
führung; dass aber auch die Schädelbasis in gleichem Verhältniss wie bei den Euro- 
päern geblieben, liesse sich, wenn wir die Gesichtsbasis, die bis jetzt doch fast immer 
mit dem Prognathismus gestiegen, als Maass für letzieren annehmen dürften, aus fol- 


genden Zahlen anschaulich machen: 


Örthognathe Schädel. 


Gesichtsb. : Schädelb. = 100 . X. 

Tabelle A 91.9, € 200572100, 109 

= Tabelle B HD 3 NA = 00H 

3) Prognathe Schädel. 

= | Tabelle A 96,6 : 101,38 = 100 : 106,9 
\ Tabelle B 924} : 8100,9 57 1007; 106,8 
Vierzig Europäer 92.5 : 100.4 = 100 : 108,5 
Neger 99.4 -; 104.6 —EE008 105,2 


Australier 1053 : - 109.37 ZZ 102, 


Nach diesen Verhältnisszahlen wäre also die Schädelbasis der orthognathen 
Europäer am grössten, die der Europäer aber grösser als die der Neger, und die 
der Australier am kleinsten. 

Nehmen wir nun zum Schluss unsern Papua zu vorstehenden Reihen, so finden 
wir bei diesem so sehr prognathen Schädel den Nasenwinkel 72°, den Sattelwinkel 
aber 128°, die Schädelbasis 97 Mm. und endlich die Gesichtsbasis 92. Hier ist also 
der Nasenwinkel am grössten, der Sattelwinkel aber am kleinsten unter allen vorge- 
kommenen Mittelzahlen; die Schädelbasis ist kleiner und die Gesichtsbasis gleicht der 
der vierzig Europäer. Konnten wir also bis jetzt mit Bestimmtheit sagen, dass von 
den vier vorgekommenen Maassen der Nasenwinkel und die Gesichtsbasis entschie- 
dene Grössenverhältnisse zum Prognathismus gezeigt hätten, so sehen wir nun durch 
diesen letzten Schädel auch die Gesichtsbasis weniger sicher. 

Nach allem Diesen könnte wohl die Frage nahe liegen, ob nicht der Nasenwinkel 
oder, sehen wir von dem letzten Schädel ab, die Gesichtsbasis ein Maass für die 
pro- oder orthognathe Gesichtsform geben könne. Die Antwort auf diese Frage wird 


sich leicht finden; denn abgesehen davon, dass der Begriff prognath ursprünglich auf 


Ban 


einem Vortreten des Gesichts im Verhältniss zur Stirn beruht, abgesehen davon, 
dass die Neigung der Schädelbasis eine Berücksichtigung bedarf, sehen wir 
durch den Nasenwinkel sowie durch die Gesichtsbasis den eanzen 
unteren Theil der Kiefer, nämlich den Alveolarfortsatz und den Zwischen- 
kiefer,. von jeder Berechnung ausgeschlossen. 

Wollte man nach dem Nasenwinkel den Prognathismus bestimmen, so würde nicht 
allein Schumacher zwischen Schulz, Müller und Rheinhard zu stehen kommen, 
sondern auch Klänke und Müller II. überträfen an prognather Form alle Ausiralier, 
unsern Papua und alle Neger. Da ich von allen diesen die geometrischen Abbildungen 
gegeben habe, so wird Jeder sich von dem Gesagten überzeugen können. 

Es ist eine ausgemachte Thatsache, dass bei einseitiger Gaumenspalte die mit dem 
Zwischenkiefer verbundene Oberkieferhälfte der anderen voraussteht, bei doppelter 
Gaumenspalte aber der Zwischenkiefer allein den beiden getrennten Oberkieferhälften 
vorausgeeilt ist. Wir wissen ferner, dass heim Schistocephalus, bei welchem die Nasen- 
scheidewand bekanntlich fehlt, die Oberkiefer statt nach vorn und unten zu treten, in 
einem Bogen nach aufwärts auseinander steigen und der Unterkiefer noch stärker gebogen 
mit seinem vorderen Ende zwischen ihnen liegt. — Endlich hat L. Fick durch Ausschnei- 
den eines Stücks der Nasenscheidewand bei Schweinen ähnliche Bildungen veranlasst. 

Diese Erscheinungen beweisen uns wohl hinreichend, dass die Oberkiefer nicht für 
sich allein ihre Stellung bedingen, sondern dass der Zwischenkiefer es ist, welcher beide 
vorschiebt. Der Zwischenkiefer endet aber noch nicht an der Spina nasalis, sondern an der 
Alveole. Wenn wir daher auch in diesem Nasenwinkel ein vortreffliches Mittel besitzen, 
die Nasenhöhle und die Ausbreitung der oberen zwei Drittel des Gesichtes zu bestimmen, 
so ist damit doch nicht der ganze Kiefer bestimmt und noch weniger ein Maass für die 
pro- oder orthognathe Gesichtsform gewonnen. Um den ganzen Oberkiefer zu bestimmen, 
müssen wir den vorderen Schenkel des Nasenwinkels statt an den Nasenstachel zwischen 
die Alveole der mittleren Schneidezähne legen. Da dieser Winkel, der also gleichfalls 
an der Nasenwurzel liegt, meist grösser ist als der, dessen Schenkel durch die Spina 
geht, so möchte ich diesen den „grossen Nasenwinkel“ nennen. Er wird bei allen 
Schädeln mit gewölbten Alveolarrändern und kurzer Spina, wie z. B. bei den Australiern, 
Negern und Chinesen immer grösser sein. Bei den Europäern ist die Differenz geringer, 
und hier wird er sehr oft mit jenem zusammenfallen, namentlich dann, wenn der Boden 
der Nasenhöhle mit der Spina nasalis stark vortritt und die Alveole gerade abwärts 


steigt, oder so zu sagen fast zurücksinkt. 
4* 


2. 


Besonders characteristisch für die Europäer scheint die stärkere Entwickelung der 
Nasenhöhle im Vergleich zur Mundhöhle jenen Völkern gegenüber zu sein, und daher 
kommt es, dass, wie wir sahen, der „Nasenwinkel“ der zur Spina geht, bei manchen 
Europäern grösser war als bei alien unsern Australiern und dem Papua. 

Wenn jener an die Spina nasalis gehende Winkel zur Beurtheilung der Nasenhöhle 
nöthig ist, so wird der die Alveole mit einschliessende grössere Winkel zur Bestimmung 
der vortretenden Mundhöhle zu nutzen sein. Da aber gerade hier das Charakteristische 
der prognathen Schädel liegt, so wird eher dieser als jener zur allgemeinen Be- 


stimmung derselben angewendet werden können. 


Progna- Kleiner Grosser Kleine Grosse 

Euro päer thismus. Nasenwinkel. Nasenwinkel. Gesichtsbasis. Gesichtsbasis. 
6 orth. d. Tab. A. + 55 63 64,1 91,5 91,5 
6 prognath. — ariklee 70,1 1 96,6 93,6 
12 Europäer + 8,8 66.5 67,4 94,5 95.5 
6 Chinesen + 10,5 64 69.5 92,6 97,5 
Australier + 14,4 69,4 75,2 103 106,8 
Neger + 16,8 70,2 75,2 99,4 105,4 


Derselbe Vorwurf, der dem Nasenwinkel zur Bestimmung des Prognathismus zu 
machen war, gilt auch für die Gesichtsbasis. Auch diese lässt die Alveole ausser 
Rechnung und ist gleichfalls durch die verschiedene Neigung der Schädelbasis beein- 
trächtigt. Sollte dem aber nicht abzuhelfen sein durch die „grosse Gesichtsbasis“, 
nämlich durch ein Perpendikel, das von dem vorderen Ende des Hinterhauptsloches 
auf die Ordinate gefällt und von hier bis über das vordere Ende des Alveolarfortsatzes 
verlängert wird? So annehmbar diese Linie auch scheint, so dient sie doch nur dazu 
uns klar zu machen, dass das Hinterhauptsloch zur Ordinate eine wechselnde Stellung 
hat und dass daher ebenso wenig mit ihm wie mit dem Nasenwinkel in dieser 
Beziehung etwas erreicht wird. 

Sehen wir in vorstehender Tabelle auch ganz klar ausgesprochen, dass mit 
dem Prognathismus diese „grosse Gesichtsbasis“ wächst, so beruht dieses Wachsen 
doch mehr auf dem Theil der Linie, der vor der Ordinate, als dem Theile, der zwischen 
dieser und dem For. magnum liegt. Wiewohl sich dies noch auffallender in den 


einzelnen Fällen darthut, so zeigen es auch schon die Mittelzahlen; denn während der 


Be 


hintere Theil bei den Europäern 58 Mm. beträgt, ist der vordere S Mm. gross; hei 
den Chinesen jener 87 Mm. und dieser 10 Mm.; bei den Negern ist der hintere Theil 
88 Mm. lang. der vordere dagegen 16 Mm., und bei den Australiern der hintere 
92 Mm., der vordere aber 14 Mm. Es wächst daher nur der Theil, der vor der 
Ordinate liegt. mit dem Prognathismus. Der hintere Theil ist einmal kürzer, das andere 
Mal länger ohne Rücksicht auf die prognathe Form; denn bei den am meisten progna- 
then Negern ist er um 4 Mm. kürzer als bei den Australiern und um 1 Mm. länger 
als bei den Chinesen. Ebenso ist er bei den prognatheren Schädeln der Tabelle A 
kürzer als bei den orthognathen. Es entfernt und nähert sich daher das For. magnum 
der Ordinate ohme Rücksicht auf die prognathe Form, und darin liegt denn nun auch 
ein Grund, warum die grosse Gesichtsbasis und der grosse Nasenwinkel nicht als 


Maass für den Prognathismus angenommen werden können. 


Chinesen. 


Indem ich nun vorstehenden Schädeln die Chinesen unserer Sammlung einreihe und 
in obiger Richtung in Betrachtung ziehe, werden Sie mir wohl zuerst einige allgemeine 
Bemerkungen gestatten. 

Alle diese Köpfe sind uns von Java zugekommen und gehören wie alle Chinesen 
der Inseln nur Mischlingen an, indem sie von Vätern abstammen, welche in früherer Zeit 
auswanderten und sich mit malayischen Weibern verbanden. Diese Nachkommen heiratheten 
nun meist unter sich und so entstand die jetzige Bevölkerung auf den Sundainseln. 
Da kein chinesisches Weib bis vor nicht langer Zeit aus China auswandern durfte, 
so wurden ausser China keine ächten Chinesen geboren. 

Unter den aufgeführten Schädeln finden wir vier, die in früherer Generation von 
malayischen Müttern abstammen. An diese schliessen sich zwei Bastard-Chinesen, die 
direct von javanischen Müttern abstammen und von denen der eine in seiner Gesichts- 
form gerade sehr auffallend den javanischen Typus zeigt. — Der siebente Schädel führt 
die Bezeichnung „Neuchinese“. Von einem hiesigen Kaufmann, der 20 Jahre in Batavia 
lebte, erfuhr ich (da mir in keinem geographischen Werke Auskunft über die Bezeich- 
nung Neuchinese zu Theil wurde), dass Neuchinesen diejenigen Chinesen auf Batavia 
genannt werden, die in China geboren und dann in Java selbst eingewandert sind. 
Demnach wäre dieser Schädel als der eines ächten Chinesen anzusehen. Endlich findet 


sich ein aus Cochinchina stammender Schädel in dieser Reihe. 


— ln 


Alle diese Schädel zeigen einen mehr oder weniger rasch hervortretenden Kiefer 
mit schräg gelagerten Schneide-, Eck- und Backenzähnen. Die Mundhöhle ist niedriger 
als bei den Europäern und die Spina nasalis wenig vorstehend. Sie sind daher pro- 
gnath und ihr Prognathismus beruht besonders auf dem Alveolarfortsatz , woher auch 
kommt, dass der Jochbeinwinkel sich mehr einem stumpfen nähert. Die Nasenhöhle 
ist weniger lief, die Nasenbeine stehen steil abwärts und der Rücken der Nase 
tritt nicht vor. Die äusseren Augenränder sind vorgeschoben, so dass das Auge flach 
liegt. Die Jochbeine sind grob. Die Nasenwurzel ist wenig eingezogen und ebenso 
tritt die Gegend der Sinus frontales hervor. Die Stirn meist sehr gewölbt und hoch, 
ebenso das Mittelhaupt. Der Längsumfang ist viel grösser als bei den Europäern, 
der Querumfang kleiner. Die Schläfengegend ist flach und die Tubera parietalia 
treten auffallend heraus. Die Schädel sind schmäler, aber höher und länger als die der 
Europäer. Die Schädelhöhle ist geringer an Raum, die hintere Gehirngrube im Verhältniss 


zur ganzen Höhle etwas kleiner, dagegen die vordere Schädelgrube grösser als bei den 


Europäern. — 
N — und Nasen- Satte- Schädel- Gesichts- Grosser Grosse ne 
Amen: —- Abseisse. winkel. winkel, basis. basis. Nasenwinkel. Gesichtsbasis. men: 
v. d. Ordin. 
— 7 GV 
Bastard-Chinese 188 64 135 96 90 68 93 85 
XXL 7. — 4290 5 
Cochinchinese + 8 68 2 — = a 2 = 3. 
X. 8. —o. z 
en ee 100 das ee 989 
— 0 
— dh El) 
XXI 4. se 66 138 98 90 68 97 85 
13 
= m 
U Sn ee LI 90 70 96 34 
—10 
XXL. +99 67 19 98 93 72 100 87 
ENT 
Mittel I 64,8 132,5 100.8 92,6 69,5 971,5 87 


*) In der Zeichnung 22° geneigt, hier in der Tabelle von 22 auf 30% gehoben. 


a 


Wenn wir nun auch an diese Schädel unsere bisher besprochenen Maasse anlegen, 
so finden wir den Sattelwinkel mit dem Nasenwinkel im Vergleich zu den Europäern 
trotz dem Prognathismus kleiner geworden, die Schädel- und Gesichtsbasis aber gleich 
geblieben. Es bestätigt sich also auch hier, dass der kleinere Nasenwinkel und die 
kleinere Gesichtsbasis nicht im Entferntesten mit dem bestehenden Prognathismus im 
Verhältniss stehen. Dagegen entsprechen sich die von mir vorgeschlagene grosse Gesichts- 
basis (hier 97,5), sowie der grosse Nasenwinkel (hier 95,5) und die + Abseisse 
(10 Mm.), sowohl untereinander, als auch den Europäern gegenüber bei weitem mehr. 
Neben dem kleineren Nasenwinkel zeigt sich auch hier der Sattelwinkel kleiner; allein 
wie wenig darauf zu geben beweisen die Zahlen auch hier wieder im Einzelnen. Der 
unbestritten prognatheste Schädel XXI. 5 hat den kleinsten Nasenwinkel mit der Zahl 
63, obgleich der bei weitem orthognatheste Bastard -Chinese 64 Mm. hat. Während 
aber letzterer einen Sattelwinkel von 135° zeigt, hat jener die kleinste Ziffer der gan- 
zen Reihe, nämlich 128° '%). 

Wenn wir nun die Ergebnisse des vorhandenen Materials zusammenfassen, so 
dürfen wir aussprechen: 1. dass der Nasenwinkel und die Gesichtsbasis 
mit zunehmendem Prognathismus entschieden grösser werden. 

2. dass aber der Sattelwinkel und die Schädelbasis bei vorschrei- 
tendem Prognathismus indifferent bleiben oder verhältnissmässig klei- 
ner werden. 

3. dass der Nasenwinkel nur ein Maass für die Ausdehnung der 
Nase, der von mir vorgeschlagene „grosse Nasenwinkel“ aber ein Maass 
für die ganze Ausbreitung des Zwischenkiefers, keiner von beiden 
aber ein solches für die prognathe Schädelform abgiebt. 

4. dass zur genauen Bestimmung des Prognathismus die Neigung 
zur Schädelbasis berücksichtigt werden muss. indem die Horizontale 
sich nicht immer genau nach dem Jochbogen bestimmen lässt; 


5. dass alle Schädel mehr oder weniger prognath sind. 


16) Anmerkung. Herr Welcker Iindet bei 16 Chinesen (unter denen ‚sich auch mehrere unserer Samm- 
lung befinden) 65,9 als Mittelzahl für den Sattelwinkel und 99,6 für die Schädelbasis. Die acht weniger pro- 
gnathen mit dem Nasenwinkel 63, sowie die acht prognatheren mit dem Nasenwinkel 68 haben für die Schädel- 
basis dieselbe Zahl. Von vier Chinesen aus dieser Zahl erhält er für den Sattelwinkel die Zahl 130, also 


einen kleineren Nasenwinkel, einen kleineren Sattelwinkel und eine kleinere Schädelbasis als bei seinen Europäern, 


ERIEr pR 


Da der Nasenwinkel rücksichtlich seiner Grösse mit der Ausdehnung der Nase 
parallel geht, der grosse Nasenwinkel aber mit der Ausbreitung des Zwischenkiefers 
übereinstimmt und beide, jenachdem der obere oder der ganze Kiefer, oder jenachdem nur 
der Alveolartheil stärker hervortritt, rücksichtlich ihrer Grösse im Allgemeinen der 
prognathen Schädelbildung sich anschliessen, so findet hier die von mir früher ausge- 
sprochene Ansicht, dass der grössere oder geringere Prognathismus besonders auf 
der Grösse der Kiefer beruht, ihre Bestätigung. 


Die Entwickelung der Schädelbasis. 


Es ist aber von Interesse bezüglich der obigen Fragen auch die Entwicke- 
lungsverhältnisse des Mannesschädels zu betrachten. Wir wollen daher den Schädel des 
Neugeborenen mit dem des Erwachsenen vergleichen. — Ich stelle in nachfolgender 
Tabelle den Mittelzahlen von 12 männlichen Schädeln (der Tabelle A) die Werthe der 
Schädel von 12 Neugeborenen, welche noch im Fleisch durchschnitten und gemessen 
wurden, gegenüber. 


: 2 Su. len BE ee u e 
| EEE am 3 245% 55 38 EE BES: Pa .ıss 
Mittelzahl. Er 3 Er 3 Sion Ewa SS Boerse, En zogen 

KG = 55 5 BEN SS ao Ei RoEne un» 5° 

2 12) n 3 > ’ra = IS ann: a Du ser 

J me - ” ‘ | |< ie 
12 Neugeb.70.5| 145.8| 55.556.831 21 |34.7| 5| 31.0) 35| 25,0 2ı | 20| 8| 10,8 


ss} 


| 
12 Männer 66,5| 134,8) 101,2| 93.2] 52.2) 58.6| 76| 44,5] 70| 53,3 29,2) 39 | 17 | 26,0 
Differenz 4 11° | 42,8| 36.9] 31,2| 23,9) 11| 13,5) 35] 28,2) 8 | 19| 9| 15.2 


Nach dieser Zusammenstellung ist der Nasenwinkel um 4°, der Sattelwinkel aber 
um 11° kleiner geworden. Ferner ist die Gesichtsbasis um 36 Mm., die Schädelbasis 
um 42 Mm. und die Gesichtshöhe um 31 Mm. gewachsen, d. h. letztere ist fast um 
1, die Schädelbasis aber noch nicht um 1 ihrer früheren Länge gewachsen; die 
Gesichtsbasis aber ist noch mehr als letztere zurückgeblieben. 


17) Anmerkung. Herrn Welcker’s Tabelle von acht Neugebornen zeigt folgende Mittelzahlen. Für 
den Nasenwinkel 69,1, den Sattelwinkel 141, für die Schädelbasis 58,0, für die Gesichtsbasis 54,1 und für 
die Gesichtshöhe 22,7. Wenn ich bedenke, dass bei meinen 12 Neugebornen die extremen Zahlen für den 
Nasenwinkel 65 und 80, für den Sattelwinkel 136 und 150, für die Schädelbasis 52 und 66 und für die 
Gesichtsbasis 51 und 63 betragen, so wollen mir auch hier die Unterschiede zwischen meiner Tabelle und 
seiner nicht erheblich vorkommen. 


Zerlegen wir nun die Schädelbasis an ihrer oberen Fläche im Proc. elinoid. medius 
in zwei Theile, so ist der hintere Theil zwischen Hinterhauptsloch und Proe. elinoideus 
mehr gewachsen (28 Mm.) als der vordere Theil, welcher zwischen Proc. elinoid. und 
der Nasenwnrzel liegt (23). Betrachten wir dagegen die Schädelbasis an ihrer unteren 
Seite, so ist die Entfernung zwischen der Nasenwurzel und dem Vomer um 35 Mm. 
erösser (also noch einmal so gross) geworden, während die Entfernung zwischen der 
Wurzel des Vomer und dem For. magnum nur um 8 Mm. gewachsen ist. 

Was aber die Gesammtwirkung dieser Wachsthumsverhältnisse auf die obere und 
untere Fläche der Schädelbasis betrifft, so wächst die obere Fläche im Verhältniss 
zur unteren ungleich mehr; denn während bei dem Kinde die obere nur drei Milli- 
meler grösser war als jene, ist die Ausdehnung dieser oberen beim Erwachsenen um 
zwölf Mm. der unteren gegenüber gestiegen. In Folge dessen musste an der oberen 
Fläche eine Ausdehnung entstehen, die sich in einem kleiner gewordenen Sattelwinkel 
darstellt. Wie dieser spitzere Winkel durch Wachsen der intersphenoidalen und spheno- 
oceipitalen Knorpelfuge im Einzelnen sich bildet, hat uns Virchow in seinem Werke 
über die Schädelbasis ausführlich gezeigt. 

Wir haben schon bemerkt, dass die untere Fläche in ihrem vorderen Theile unver- 
hältnissmässig mehr an Wachsthum zugenommmen habe als in ihrem hinteren. Freilich 
scheint dieses bedeutender nach den oben angeführten Messungen als es wirklich der Fall 
ist. Wir haben nämlich zu berücksichtigen, dass die Wurzel des Vomer bei dem Kinde 
vor dem ersten Keilbeinkörper liegt und erst allmählich durch Absatz von Knochen- 
substanz mit dem zweiten Keilbeinkörper (erst vorn und dann in dessen Mitte) in 
Berührung kommt, bei dem Erwachsenen aber nur einen kleinen Theil desselben 
hinten unbedeckt lässi. So schiebt sich der Vomer von vorn nach hinten, und so ist 
es erklärlich, dass der Raum zwischen dem Hinterhauptsloch und der Wurzel des 
Vomer unverhältnissmässig wenig im Vergleich zum vorderen zuzunehmen scheint. 

Gehn wir nun an die obere Fläche, so sehen wir die Entfernung vom Hinter- 
haupt zum Boden der Sella um das Doppelte ihrer Grösse gewachsen, nämlich von 20 
auf 39 Mm. Die Entfernung vom For. magnum zum Proc. clinoid. ist aber noch mehr 
gestiegen, nämlich von 25 auf 53 Mm. Da nun aber die Wachsthumsverhältnisse am 
unteren Theile, wie auch Virchow deutlich zeigt. weit geringer als am oberen sind, 
und die Richtungen beider Wachsthumslinien auseinander gehen, so müssen sich der Proc. 
clinoideus und die Sella nothwendig von der unteren Fläche entfernen, und dies 


geschieht auch in der auffallendsten Weise, denn die Vomerwurzel, trotzdem dass sie 
Abhandl. d, Sonekenb. naturf, Ges. Bd. V %) 


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sich durch ihr Verschieben nach hinten der Sella nähert, entfernt sich mehr als noch 
einmal so weit von derselben (beim Kinde 8 Mm., beim Erwachsenen 17 Mm.) und 
die Entfernung des Vomer vom Planum sphenoidale erreicht beim Erwachsenen mehr als 
1%, ihrer früheren Grösse. Dass auf diese Weise der Sattelwinkel kleiner 
werden muss"), ohne dass davon die Ansatzstelle des Vomer berührt 
wird, ist einleuchtend. 

Hand in Hand mit dieser Anschwellung der Keilbeinkörper geht die Entwickelung 
der Keilbeinhöhlen. Welches von diesen beiden Momenten aber Ursache, welches Folge 
ist, will ich dahin gestellt sein lassen; das aber hat gleichfalls Virchow bemerkt und 
ich kann es bestätigen, dass mit starker Entwiekelung jener Sinus ein kleiner, und mit 
schmächtiger Ausdehnung ein grosser Sattelwinkel sehr oft zusammenfällt. Klein z. B. 
hat den grössten Sattelwinkel der Tabelle A. (nämlich 145°) und die geringste Aus- 
dehnung des Keilbeinkörpers (von oben nach unten 20 Mm.), Schulze dagegen hat 
den kleinsten Sattelwinkel (124°), aber einen sehr hohen Sinus (28 Mm.). Ebenso 
haben aus Tabelle B. die Schädel I.b 948, l.a 274, I.b 943 für den Sattelwinkel 
141 — 147° und für die Entfernung zwischen Vomer und Planum sphenoidale 28 und 
30 Mm., während bei den Schädeln I.a 316, 253, 295 der Sattelwinkel 124° und 
125° gross ist und die Keilbeinhöhe 20 bis 24 Mm. beträgt. Endlich zeigen auch 
unsere Neger diese Verhältnisse (vid. Tafel X). 

Geben uns, wie ich glaube, obige Messungen einen Aufschluss, in welcher Weise 
der Sattelwinkel bei dem Erwachsenen sich verkleinert, so geben sie uns auch den Weg 
an, auf welchem der Nasenwinkel sich zuspitzt. Die vordere Schädelbasis wächst, wie 
uns die Messungen zeigen, um fast 24 Mm. Von diesen 24 Mm. kommen 13 auf den 
Raum zwischen For. coecum und Proc. celinoideus. Er wird also etwas mehr als % 
seiner früheren Ausdehnung vergrössert, der Raum zwischen For. coecum aber und der 
Nasenwurzel vergrössert sich um 11 Mm., (beim Neugeborenen war er 5 Mm.) also 
um mehr als das Doppelte seiner früheren Grösse. Was dort an dem Sattel und der 
Keilbeinhöhle geschehen, geschieht hier an der Stirnhöhle. Die Nasenwurzel wird nach 
vorn geschoben, die vordere Schädelbasis verlängert, und da die Gesichtsbasis mit der 
Spina nasalis in ihrem Wachsthum zurückbleibt (die Sehädelbasis wächst um % ihrer 


früheren Grösse, die Gesichtsbasis nur um %,), so wird der Nasenwinkel spitzer. Dass 


18) Anmerkung. Es kann nur auf einem Schreibfehler beruhen, wenn Virchow ihn grösser wer- 
den lässt. pag. 31. Untersuchungen über die Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin 1857. 


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hierbei die grosse Vermehrung der Gesichtshöhe mitwirken wird, ist einleuchtend. 
Durch dieses Verschieben der Nasenwurzel wird zwar die + Abscisse, welche von 
unserer Ordinate nach der Spina nasalis geht, verkleinert, dagegen die — Abscisse, 
welche von der Ordinate zur Mitte der Stirn geht, (beim Kiude berührt die Stirn die 
Ordinate meistentheils oder tritt über sie weg, so dass hier eigentlich auch eine 
+ Abseisse) auch wieder vergrössert. 

Finden wir nun aber auch in der geringeren oder stärkeren Entwickelung der 
Stirnhöhle den Grund. warum der Nasenwinkel bei dem Kinde grösser als bei dem 
Mann ist, und ist es uns aus Früherem erklärlich, warum dieser Winkel meist mit 
dem Prognathismus wächst, so erkennen wir dagegen in den Entwickelungs- 
verhältnissen der Sattelgegend hinreichend den Grund, warum der 
Sattelwinkel zur prognathen oder orthognathen Gesichtsform sich 
indifferent verhalten muss. 

Es giebt jedoch noch weitere Gründe. die hiefür sprechen. Wir haben nämlich 
zu berücksichtigen, dass ausser der Synchondrose in dem Sattel noch die Nahtver- 
bindung zwischen Keilbein und Riechbein sowie zwischen Keilbein und Hinterhauptsbein 
für die Verhältnisse der Schädelbasis von höchster Bedeutung sind. Verschiebungen 
dieser Knochenstellen werden den Satlelwinkel, aber auch die von uns gemessene 
ganze Schädelbasis immer nur verkleinern oder vergrössern können, werden aber 
für die Stellung der Gesichtsknochen von sehr verschiedener Bedeutung sein. Es 
beweisen dies unsere beschriebenen pathologischen Schädel zum Theil in auffallend- 
ster Weise. 

Der Scaphocephalus verdankt seinen kleinen Sattelwinkel der Intersphenoidalfuge, 
der Platycephalus dagegen seinen überaus grossen der Naht zwischen Riech- 
und Keilbein. Trotzdem dass der Winkel des Tribasilarbeines bei beiden fast gleich 
ist, ist dort der Sattelwinkel sehr klein und hier sehr gross. In der flachen Stirn, 
dem aufwärts gezogenen mit seiner unteren Fläche nach vorn sehenden Riechbeine und 
den in Folge dessen gehobenen Nasenbeinen, in der verkürzten vorderen Schädelbasis 
und der Grösse der Kiefer liegt bei letzterem der Grund zur Prognathie'). In der 


19) Anmerkung, Ich habe eine grössere Zahl von Säugethierschädeln der Länge nach durchschnitten und 
finde hier Folgendes zu bemerken. Die Grösse des Winkels am Tribasilarbeine beruht hier besonders auf der Stellung 
der Pars oceipitalis zum hinteren Keilbeinwirbel. Eine Keilbeinhöhle finde ich nur bei Equus Camelus Dromedarius, 


Camelopardalis Giraffa, Ursus Arctos, Porcus Babirussa und Sus scropha, und bei unseren Pongos und Orangs. Bei 
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horizontal mit dem Planum sphenoidale liegenden langen vorderen Schädelbasis, der 
Knickung der Intersphenoidalfuge, der Kürze der Kiefer und der vortretenden Stirn 
liegt dagegen bei dem Scaphocephalus die Bedingung der orthognathen Gesichtsform. 

Wie ist es aber mit einer Verschiebung in der Sphenoeeipitalfuge? Wie vermöchte 
eine Verschiebung des Hinterhauptzapfens am hinteren Keilbein, trotzdem dass sie die 
Grösse des Sattelwinkels alterirt, ene Wirkung wie die vordere Schädelbasis auf die 
Stellung der Gesichtsknochen hervorzubringen? Der Vomer ist nur dem Keilbein 
angeheltet und hat mit dem Oceipitaltheile keinen Zusammenhang; es kann daher 
letzterer keineswegs eine solche Bedeutung für die Gesichtsknochen haben. Dass auch 
in dieser Fuge Knickungen, wenn auch geringerer Art, zuweilen nach hinten, zuweilen 
nach vorne vorkommen, habe ich an meinen Durchschnitten zum Oefteren gesehen. Ersteres 
ist z. B. bei Denig und bei dem Chinesen XXL 3 der Fall. Aber auch Belege für 
Knickungen in der Naht zwischen Riech- und Keilbein finden wir in unseren Durch- 
schnitten. 

Es kann daher der Grund eines grossen oder kleinen Sattelwinkels und ebenso 
einer grossen und kleinen ganzen Schädelbasis das eine Mal in der hinteren, 
das andere Mal in der vorderen Schädelbasis liegen und daher für die Gesichts- 
bildung von verschiedener Bedeutung sein. 

Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich aber auch ferner, dass der Winkel des. 
Tribasilarbeines klein oder nur mässig und doch der von uns angenommene Sattel- 
winkel gross sein kann. Während dieser die Gesammtsumme der Knochen zwischen 
Nasenwurzel und Hinterhauptsloch in Form, Grösse und Lagerung darstellt, giebt jener 
nur einen Theil dieser Kette. In meinem vorigen Schreiben hatte ich nur den Winkel 
des Tribasilarbeines zwischen den pro- und orthognathen Schädeln verglichen und es 
hatte sich hier keine Beziehung zwischen der prognathen Gesichtsform und der Grösse 
dieses Winkels durch das Maass nachweisen lassen. Die vorhergehende Betrachtung wird 


ersteren ist sie nur in dem vorderen Keilbeinwirbel, und nur bei den letzteren setzt sie sich bis unter den Sattel fort. 
Der Winkel ist bei Schweinen, Affen und Wiederkäuern, (Antilop. pygarga, elc. elc.) am Kleinsten, bei den 
Raubthieren (Felis Tigris, Canis Lupus, Lutra, Meles) grösser , bei dem Wallross aber und Stemmatopus eristatus am 
Grössten, denn hier wird er 180%. Bei allen diesen Thieren mit Ausnahme der Affen wird nun aber durch die 
Knickung der Sutura ethmoidalis nach aussen die Siebplatte steil gestellt und mit ihrer unteren Fläche nach 
Stemmatopus, bei Phoca barbata und dem Wallross hat der vorderste Theil des Plan. sphenoidale an dieser Erhebung 
vorn gebildet. Nur bei Antheil genommen, Endlich ist zu erwähnen, dass der Vomer sich mit Ausnahme von 
Sus, Cynocephalus, Camelopardalis und Camelus nur an den ersten Wirbelkörper, aber keineswegs an den 


zweiten befestigt. Bei den Säugethieren verhält sich also das Siebbein ähnlich wie bei unserem Platycephalen. 


uns auch hierfür die Gründe angegeben haben. Wird unser Sattehvinkel durch einen 
Theil des Tribasilarbeins, der mit dem Gesichtsknochen in gar keiner Beziehung steht, 
alterirt, so mangelt diesem Winkel wieder ein Theil, der gerade für die Stellung der 
Gesichtsknochen von grösster Bedeutung ist, nämlich Riechbein und Nasenwurzel. 

Im Voranstehenden babe ich Ihnen, Hochverehrter Herr, diejenigen Beobachtungen 
mitgetheilt. die mir über obige Fragen mein theilweise sehr beschränktes Material 
erlaubte. Ob alle vorliegenden Ergebnisse richtig sind, wird erst eine grössere Reihe 
von Köpfen (von Negern, Chinesen etc.) feststellen. Erlauben sie mir nun gütigst 


eine Ergänzung meiner früheren Mittheilungen aus der Pathologie. 


III. Einiges Pathologische. 


Sie haben sich öfter darüber gewundert, wie ich zu der Menge schiefer Köpfe 
gelange, die sich in unserer Sammlung vorfinden. Wie ich dazu gelange, darf ich hier 
nicht aussprechen, denn es geschieht per fas 


et nefas. Ich will Ihnen lieber eine Kopf- 


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form vorführen, die Ihnen bezüglich Ihres 


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Scaphocephalus gewiss von nicht geringem 
Interesse ist. In meinem Hause befinden 
sich zwei geistig und körperlich gesunde 
Kinder (Brüder), der eine 9, der andere 3 
Jahr alt, die sich durch einen hohen Vorsprung 
längs der Stirnnaht auszeichnen. Das Stirn- 
bein steht dachförmig nach vorn und ist 
schmal, das Mittelhaupt aber von gewöhn- 
licher Breite. Auch einen sechzehnjährigen 
jungen Mann kenne ich, der in der Schule 
sich auszeichnete und jetzt in einem hiesigen 
Bankhaus auf dem Comptoir arbeitet. Ich habe 
den Kopf hier neben abgebildet. Die Mutter 
obiger Knaben nannte die Köpfe ihrer Kin- 


der sehr bezeichnend „Eierköpfe *. Sie 


alle brachten diese Schädelform mit auf die 


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Welt, und erst vor einem Jahre habe ich ein ähnliches Kind zu Tage gefördert. Es ist 
heule noch frisch und gesund. Ich adoptire also den Namen Oocephalus. 

Ich muss gestehen, dass ich mir diese Form des Schädels nicht erklären konnte, 
und zwar um so weniger als ich öfter die Wahrnehmung gemacht hatte, dass bei vor- 
handener Stirnnaht die Mitte der Sutura frontalis sich stärker entwickelt und manch- 
mal einen Vorsprung in der Mitte der Stirn bildet, eine Stirnnaht aber unmöglich hier 
vorhanden sein konnte, da alsdann die Stirn breiter sein müsste. 

Eine Erklärung fand ich erst durch einen im vorigen Jahre erhaltenen Schädel eines 
Neugebornen, der mir wegen einseitigen Wolfrachens geschenkt, der aber durch Oellnen 
von der grossen Fontanelle bis zur kleinen 
ziemlich verletzt war. 

Dieser Schädel zeigt das Stirnbein nach 
vorn dachförmig und eng, die Tubera fron- 
talia (nur durch Halten des Knochens gegen 
das Licht erkennbar) 20 Mm. voneinander ent- 
fernt, ganz in der Ebene des Knochens liegend 
ohne irgend eine Andeutung einer hervorsprin- 
senden Erhöhung”). Die Augenhöhlen sind 
sehr nahe gerückt. Beide Hälften des Stirn- 


beins sind nur unten mehr vereinigt, weiter 
aufwärts sieht man aber eine Knochenleiste, 
welche längs des Suleus longitudinalis aufsteigl und durch Knochenausläufer mit den 
Strahlen der Stirnbeinhälften sich verbindet. Sie stellt die Fahne einer Schreibfeder 
dar und strahlt oben gegen das vordere Ende der grossen Fontanelle frei und abge- 


rundet aus. Hält man den Knochen gegen das Licht, so sieht man von unten an auf- 


20) Anmerkung. Herr Welcker hat diese Schädelform unter dem Namen „Trigonocephalus“ neulich 
abgebildet und beschrieben. In einer zweiten Arbeit „Ueber zwei seltene Difformitäten“ fügt er 
noch einige Schädel, besonders den eines älteren Mannes bei. Es ist mir höchst interessant, dass hier die 
Spannweite der Tub. frontalia vom Neugebornen zu den fünfjährigen Kindern und von diesen zu dem Erwach- 
senen von 19 Mm. auf 36 Mm. steigt. Ich glaube, diese Mittheilung spricht mehr für das Auseinanderrücken 
der Tub. frontalia nach Verwachsung der Stirnnaht als seine Tabellen des wachsenden männlichen und weib- 
lichen Schädels das Stehenbleiben der Tubera nachweisen. (Vom 10. Monat bis zum Erwachsenen zeigt die 
Tabelle von Jahr zu Jahr die feststehende Ziffer 58 Mm. beim Manne und 55 Mm. beim Weibe). Auch neuer- 
dings unter dem Beistand meines Anatomiedieners (damit er mir manchmal das Tub. suchen helfe) vorge- 
nommene Messungen widersprechen jenen Tabellen. 


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wärts immer deutlicher das Ineinan derstrahlen der Stirnbeinhälften mit dieser Knochen- 
feder. Die Knochenleiste tritt, namentlich unten, nach innen scharf vor und stellt die 
Crista frontalis interna dar, die hier in diesem Schädel sich zugleich mit den Stirnbeinen 
bildete, während sie in normalen Verhältnissen erst später nach Schluss der Stirnnaht 
ihre Entwickelung beginnt. 

Es liegt der Gedanke sehr nahe, dass auf ähnliche Weise, durch eine selbst- 
ständige Ossification in dem Suleus longitudinalis die Synostose der Scheitelbeine unserer 
Scaphocephalen entstanden sein möge. In diesem Gedanken werde ich aber mehr und 
mehr bestärkt, da ich die bei diesen Köpfen öfter vorkommende, von Virchow zuerst 
erwähnte „Schneppe“* in jener abgerundeten in der grossen Fontanelle des in Rede 
stehenden Stirnbeins liegenden federförmigen Ausstrahlung wiederzu rikennen glaube. 
Diese ist in unserem Falle natürlich nach oben, in Scaphocephalen dagegen nach unten 
gerichtet. Könnte aber nicht mit dieser zwischen den beiden Scheitelbeinen entstehenden 
Verknöcherung jene Lücke, welche in der Verknöcherung des Biparietalbeins zuweilen’) 
„der Mittellinie nahe“ liegt, erklärt sein ? 

So hätten wir denn für Ihre Scaphocephalen sowie für unseren Oocephalus ein 
sicheres Bildungsmoment erhalten und zwar eine Entstehung aus drei frühzeitig ver- 
wachsenen Össificationspunkten statt aus einem. — Nach dieser Wahrnehmung aber 
glaube ich die von mir zuerst geäusserte Ansicht, dass zwei nebeneinander liegende 
Knochen aus einem Ossificationspunkte entstehen, überhaupt für vollständigen Irrthum 
erklären zu müssen. — Als ich vor Jahren die Synostosen bearbeitete und namentlich 
die Lagerung der Deckknochen auf die Gestalt des Primordialschädels und die Falten- 
bildung der Dura mater zurückführte, wurde mir jene Ansicht ziemlich verdächtig und 
ich suchte mir schon damals die Bildung jenes in meiner Dissertation abgebildeten 
Schädels®”) durch eine frühzeitige Vereinigung zweier nahe gerückter, ursprünglich aber 
getrennter Knochenkerne (ziemlich analog der Hinterhauptschuppe, welche aus vier solchen 
Punkten entsteht) zu erklären, deren Wirkung die einer frühzeitig entstandenen Synostose 
wäre”). Nur der zweite Schädel — der eines mikrocephalen Embryo — der freilich 


21) Anmerkung. F.D.Creve de calvariae osteogenia et fontanellarum ante partum aphorismo, Disser- 
tatio inauguralis. Francofurti 1841. Fig. 1, 2 und 3. 

22) Anmerkung. |. c. de Symmetria et Asymmetria. Taf. I. 

23) Anmerkung. Architektur Pag. 19: „Während auf der linken Seite der Stirn- und Scheitelbeinhöcker an 
normaler Stelle sind, erscheinen beide auf der rechten Seite über der Mitte der rechten Schläfenbeinschuppe 
zusammengerückt und an einer Stelle vereinigt, Der Stirnhöcker liegt viel weiter nach hinten als im normalen 


— 2) °— 


auch manche andere Störung in der Knochenentwickelung, namentlich einige fehlende 
Deckknochen bemerken liess, hielt mich davon ab meine Ansicht fallen zu lassen°'). 

Herr Professor Welcker in Halle hat aber diesen Mikrocephalen neuerdings einer sehr 
gründlichen Untersuchung unterworfen und mir durch dieselbe auch den geringsten Zweifel 
an der Unrichtigkeit meiner früheren Auffassung benommen. Leider bin ich durch sein 
Werk zu vielen persönlichen Bemerkungen genöthigt worden, die mir um so unangenehmer 
waren, als ich gleichsam wie vor einem Zuchtpolizeigerichte mich oft schämen musste 
zu antworten und schämen musste zu schweigen. Schwerlich würde es aber der Ver- 
dienstlichkeit jener Arbeit Eintrag gelhan haben, wenn mehr nur die Sache und weniger 
die Person zur Geltung gekommen wäre. — Nehmen Sie, hochverehrter Herr, dies 
als eine Entschuldigung, dass ich vorliegendes Schreiben an Sie mit einem solchen 
Ballast von Anmerkungen verunstaltet habe. 

Da ich aber in meinem vorigen Schreiben die vollständigen Messungen der be- 
sprochenen Schädel (indem eine gemeinsame Art der Messung noch nicht verabredet 
war) beizufügen unterlassen hatte, und da die Verabredung in Göttingen uns die Ver- 
öffentlichung der Verzeichnisse über unsere Schädelsammlungen auferlegt, so will ich 
nicht verfehlen Beides in diesem Schreiben an Sie, für welches ich eine gleich wohl- 


wollende und gülige Aufnahme erbitte, nachzuholen. 


Frankfurt a. M., im September 1863. 


Hochachtungsvoll 


Lucae. 


Zustande und der Scheitelbeinhöcker viel weiter nach vorn“. Pag. 13: „Gerade hier liegt in weiterer Aus- 
breitung als gewöhnlich der Verknöcherungspunkt des Stirn- und Scheitelbeins.“ — Herr Welcker legt die 
Punkte nach meinem Dafürhalten zu weit auseinander und seine Gründe hierzu scheinen mir nicht gerechtfer- 
tigt. Uebrigens kommen wir uns hier doch näher als in der Auflassung der Entwickelung der Hinterhaupt- 
schuppe, welche sich nach meinen Beobachtungen (Architektur pag. 4) viel natürlicher giebt als mit Hülfe 
seiner „Zwickel“. 

”4) Anmerkung. Ich habe den Schädel nicht so genau untersuchen können wie Herr Professor 
Welcker I. c. pag. 115, da ich zu Bürger’s Zeit denselben nicht öffnen durfte und da die Zeichnung 
auf Taf. III. nach Bürger’s Handzeichnungen angefertigt ist. Später brachte mir ein Besuch bei Fick das 
Schädelchen geöffnet zu Gesicht, doch konnte ich mir nur eine Contour von ihm entwerfen. In Burger’s 
Zeichnung sieht man den Rand des Knochens bis über die ganze Schläfenschuppe unter dem Periost verlaufen, 
In Hrn. Welcker’s Zeichnung ist das Periost entfernt, aber die Knochenausbreitung an der Peripherie viel- 
fach defect. In meiner Contourskizze finde ich den Rand höher und länger. 


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Schädelinhalt an Hirsen in Cubik-Centimeter, 


Deutsche. Neger. 

Schädel- 3. Schädel- 1. Schädel- Schädel- 3. Schädel- 1. Schädel- 

höhle. _ grube. grube. höhle. grube. le 
Zwick 1533 140 235 XXI. 6. 1190 110 200 
Müller I. 1420 150 300 Kar 12 1505 102 243 
Denig 1450 1982265 l.a 125. 1250 150 215 
Mundo 1657 160 250 I.a 179. Marting. 1250 140 218 
Klein 1635 160 215 rang! 1495 130 290 
Schumacher 1725 1350310 ee) 122,1 233.2 
Klänke 1630 145 245 
Mülller . 1535 170 230 ee 
Senne ale xxU. 12, 1125, 115 220 
Rheinhardt 1300 15922220 ehr 1300 140 205 
I.a 208. 1575 140 275 XXI. 11. 1975 130 265 
apalı Melle xx 10. „1180,, 135 205 

Mittel 1531,66 „150 245,833 XXU. 9. 4115, ,, 110 215 
10,211 - 


Mittel 1186,6 126 222 
Chinesen. 


XX. 3. Chinese 1400 130 165 


XXI. 7. C.-Chin.1575 155 295 Mittelzahlen. 

XXI. 4. Chinese 1455 140 255 

XXL S. Chinese 1480 120 245 1 Deutsche „all 150 245,8 
XXI. 9. Bast.Ch. 1435 120 235 a u 17125210 
XXL 5. 1550 130 230 = Neger 1344 122,4 233,2 


4 Australier 1186.6 126 222 
Mittel 1482,5 132,5 210 


Verzeichniss der Rassen-Schädel des Senckenbergischen 


Museums und der Anatomie. 


Egyptische Mumie nebst Skelett. Kind von 2 Jahren. Geschenk 
des Hrn. Dr. Rueppel. (Senckenberg. Anatomie.) 
Egyptische Mumie. Geschenk des Hrn. Dr. Rüppel. 
Schädel einer egyptischen Mumie. Geschenk des Hrn. Dr. Rueppel. 
(Senckenberg. Anatomie.) 
Grönländer. Geschenk des Hrn. Prof. Eschericht. Ist „Zur organischen 
Formenlehre* Taf. VI. abgebildet. 
Chinese. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. Abgebildet „Zur 
organischen Formenlehre* Taf. V. und „Zur Morphologie der Rassenschädel* 
Taf. 13 bis 15 etc. 
Chinese. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. Abgebildet „Morpho- 
logie der Rassenschädel“ Taf. 13 bis 15 etc. 
Chinese. Geschenk des Hrn. Doebel in Batavia. Abgebildet „Morphologie 
der Rassenschädel“. Taf. 13 bis 15 etc. 
Chinesisches Kind. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Cochinchinese. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. Abgebildet 
„Morphologie der Rassenschädel“ Taf. 13 bis 15 etc. 
Neu-Chinese. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. Abgebildet 
„Morphologie der Rassenschädel“ Taf. 13 bis 15 ete. 
Bastard-Chinese. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. Abge- 
bildet „Morphologie der Rassenschädel* Taf. 13 bis 15 ete. 
Botokuden-Mann. Geschenk des Hrn. Dr. Freyreiss. 
Weib. 5 > SE a 

> Kind. 5 en > 
Mann aus dem Stamm der Goway-Indianer, oberhalb des Missouri. 


” 


(Senckenberg. Anatomie.) 


XXI. 13. 


XXI. 14. 
XXL. 15. 
XXI. 16. 
XXl. 17. 


XXI. 18. 


XXU. 5. 


XXL. 19: 


XXI. 20. 
XXI. 21. 


XXI. 45. 


XXI. 22. 


XXI. 23. 


XXI. 24. 


XXI. 25. 


XXI. 26. 
AA. 1. 


XXI. 2. 


XXN. 3. 


XXI. 27. 


=, A 


Bewohner der Insel Floris (einer der kleinen Sunda-Inseln.) Geschenk 
des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. Abgebildet „Zur organischen Formen- 
lehre* Taf. 10. 

Bengalle (Benkulen ?). Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Benkule (auf der Westküste von Sumatra). Geschenk des Hrn. Dr. Doebel. 
„Bengaloe* von Malabar. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Bengaloe vom Stamm der Maratten. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel 
in Batavia. 

Bewohner der Insel Nias (im Westen von Sumatra). Geschenk des Hrn. 
Dr. Doebel in Batavia. 

Bewohner der Insel Nias (an der Westküste von Sumatra). Geschenk 
des Hın. Dr. Müller in Batavia. 

Bewohner von Palembang (im südöstlichen Sumatra). Geschenk des 
Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 

Bewohner von Amboina. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Timoroe-Mann (von den kleinen Sunda-Inseln).. Geschenk des Hrn. 
Dr. Doebel in Batavia. 

Timoroe-Knabe. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Timoroe-Frau. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Bewohner der Sunda-Insel Madura. Geschenk des Hrn. Doebel 
in Batavia. 

Bewohner der Sunda-Insel Madura. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel 
in Batavia. 

Bewohner der Sunda-Insel Madura. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel 
in Batavia. 

Neuseeländische Mumie. Geschenk des Hrn. Heyne in Guajaquil. 
Neuseeländischer Haeuptling vom Stamm Muketu an der Ostküste 
von Neu-Seeland. Geschenk des Hrn. Dr. Dieffenbach. 
Neuseeländer aus der Nähe des Egmont-Berges. Geschenk des 
Hrn. Dr. Dieffenbach. 

Junger Eingeborener der Chatam-Inseln (bei Neu-Seeland). Die 
Urrasse, welche den wahren Polynesiern angehörte, ist jetzt wahrscheinlich 
vertilgt durch neuseeländische Eindringlinge. 

Malaie von Batavia. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 


XXI. 28. 


Tanl23! 


l.a 129. 


XXI. 29. 


XXI. 30. 


XXI. 31. 
XXI. 44. 
XXI. 46. 
XXI. 32. 


l.a 122. 


XXI. 36. 


XXL 37. 


XXI. 38. 


XXI. 39. 


XXI. 40. 


er Wet 


Malaiische Frau. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Javaner. Namens Kromo-Diwirio, 30 Jahre alt, starb 1842 an Ruhr im 
Hospital zu Saerabaya. Geschenk des Hrn. Dr. Schmitt in Batavia. 
(Senckenberg. Anatomie.) 

Javanische Frau. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. (Sencken- 
berg. Anatomie.) 

Javanese. Geschenk des Hrn. Dr. Strauss in Batavia. Abgebildet „Zur 
organischen Formenlehre“ Taf. 9. 

Javanese aus dem Innern von Java. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel 
in Batavia. 

Javanese. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 


» ” b>] b2] » ” ” » 


” ” b>] b>] b>] b>] b>] » 
Bastard-Javanese. Geschenk des Hın. Dr. Doebel in Batavia. 


Schädel und Skelett eines Eingeborenen von der Insel Ratti, 
Zea-Dro-i mit Namen, starb 26 Jahre alt an Dysenterie in Soerabaya. 
Gescherk von Hrn. Dr. Schmitt auf Java. (Senckenberg. Anatomie.) 
Alfuru. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 

Alfuru von Manado (auf der Nordküste der Insel Celebes). Geschenk des 
Hrn. Dr. Strauss in Batavia. 

Batta aus dem Innern der Insel Sumatra. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel 
in Batavia. 

Bewohners der Stadt Atjim oder Atschym an der Nordspitze von 
Sumatra. Geschenk des Hrn. Dr. Bagge. 

Kaynoe (von der Molukken-Insel Kay). Geschenk des Hrn. Dr. Doebel 
in Batavia. 

Papua. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. Abgebildet „Zur 
organischen Formenlehre“ Taf. XI. und „Zur Morphologie der Rassenschädel“ 
Taf. VL, VIL, VIII etc. 

Neger von Bourbon. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in Batavia. 
Neger von unbekannter Heimath. Geschenk des Hrn. Dr. Doebel in 
Batavia. 

Schangalla-Neger. Geschenk des Hrn. Dr. Rueppel. Abgebildet „Zur 
organischen Formenlehre“* Taf. VII. 


XXI. 6. 
I.a 124. 


l.a 125. 


I.a 179. 


ka ewäil 


J.a 322. 


Ashantee. Geschenk des Hrn. Dr. Mueller in Batavia. 

Ashantee Namens Dawin-Kadjo, starb 28 Jahre alt an der Ruhr im 
Hospital zu Soerabaya. Geschenk des Hrn. Dr. Schmitt in Batavia. Ab- 
gebildet „Morphologie etc.“ Taf. 22. (Senckenberg. Anatomie.) 
Ashantee mit Namen Aya-Kwauw 24 Jahre alt, starb 1843 im Hospital 
zu Soerabaya. Geschenk des Hrn. Dr. Schmitt in Batavia. Abgebildet 
„Morphologie etc.“ Taf. 22. 

Schädel und Skelett eines Negers von 24 Jahren (in Sachsen 
geboren). (Senckenberg. Anatomie.) 

Neger. Abgebildet „Zur organischen Formenlehre“ Taf. VII. und „Mor- 
phologie etc.“ Taf. 22. (Senckenberg. Anatomie.) 

Neger von der Insel Martinique. Geschenk des Hrn. Hofrath Soem- 
merring. (Senckenberg. Anatomie.) 

Australneger vom CGlarence river. Geschenk des Hrn. Consul Kirch- 
ner. (Senckenberg. Anatomie.) 

Australnegerin ebendaher. Geschenk des Hrn. Consul Kirchner 
(Senckenberg. Anatomie.) 


XXI. 9—12. Australneger vom Clarence river. Geschenk des Hrn. Consul 


Kirchner. Diese letzten sechs Schädel sind abgebildet in Lucae’s „Mor- 
phologie der Rassenschädel“. 


In letzter Zeit erhielt unsere Sammlung von Herrn Hauptmann Ullmann auf Su- 
matra den Schädel eines Bastard-Chinesen und eines Dayaken, sowie von 
unserem Mitbürger Herrn Ferdinand Knoblauch auf Neu-Caledonien fünf Schädel 
von Eingebornen von Neu-Caledonien. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd V. 7 


— 50 
Erklärung der Abbildungen. 


Die Tafeln 13, 14, 15 und 18 enthalten die Schädelzeichnung und die Abbildungen der Leimausgüsse 
von Chinesen. Alle die Schädel kommen aus Java und sind Mischlinge oder Nachkommen von Misch- 
lingen (von Malaischen Frauen und echten Chinesen). Nur der Neu-Chinese soll ein in China 
geborener und in Java eingewanderter Chinese sein. Nur der Chinese aus der Sammlung in Hanau 
ist mit Hülfe der pag. 4 abgebildeten Maschine geometrisch gezeichnet. 

Die Tafeln 16 und 17 enthalten Abbildungen deutscher Schädel. Meist von Verbrechern, über deren Lebens- 
verhältnisse, Alter, Geburtsort etc. für denjenigen den es interessirt, das Nähere in der „Actenmässigen 
Geschichte der Räuberbanden an den Ufern des Rheins, Erster Theil“ das Nähere zu finden ist, 

Die Tafeln 19, 20, 21, geben die Durchschnitte der vorhergehenden Schädel mit den Leimausgüssen. 

Tafel 22 enthält Negerschädel über welche das Nähere im vorstehenden Catalog zu sehen ist. 

Die Tafel 23 enthält die geometrische Zeichnung und die Photographie der Büste unseres Anatomen Sömmer- 
ring in Contour von Herrn Hasselhorst, Professor am Städelschen Kunstinstitute, auf Stein gezeichnet, 
um eine genauere Vergleichung beider Zeichnungen zu ermöglichen und ihr Verhältniss zu einander, so 
wie die Stellung beider zu unserer Anschauungsweise klar zu stellen. 

Tafel 24 zeigt vorige geometrische Zeichnung in vollkommenster Ausführung von unserm geschätzten Künstler 


Herrn Junker. 


Berichtigungen. 


Seite 5 Zeile 8. 9 von unten ist zu lesen: Ist das Glas nur \, vom Auge, aber %, vomBilde entferntetc. 

6 Anmerk. Zeile 7 von unten ist zu lesen: wirklich wahr statt wahrhaftig mehr. 

» 7 Zeile 16 von oben ist zu lesen: b Fig. 2, statt A. 

AO AA aan a Taf KU ARTRE SORT: 

238 u» 6%» 9% m nöthig ist, besonders wie ihn Virchow legt, so wird etc. 

230255 7 „unten „ » „» eben so wenig mitihr wie mit dem grossen Nasenwinkel etc. 

„29 1 „oben „ » » 86 Mm. statt 58 Mm. 

u 295 Ss » » » gleich dem der orthognathen statt kürzer als bei den orthognathen. 

ne 8 9 9 „ am Schluss des Satzes beizufügen: Vid. S. 28. 

31 Anmerk. Zeile 4 von unten ist zu lesen: Nasenwinkel statt Sattelwinkel. 

34 Zeile 16. 17 von oben ist zu lesen: 20 bis 24 Mm. statt 28 und 30 Mm. 

„» 34 „ 18 von oben ist zu lesen: 26 bis 30 Mm. statt 20 bis 24 Mm. 

neh m ” » » »»  » Inder Entwickelung statt geringeren oder stärkeren Entwickelung 

36 Anmerk. Zeile 3. 4. 5 von unten ist zu lesen: mit ihrer unteren Fläche nach vorn gerichtet. 
Nur bei Stemmatopus, bei Phoca barbata und dem Wallross hat der vorderste Theil 
des Plan. sphenoidale an dieser Erhebung Antheil genommen. 

» 39 Anmerk. Zeile 6 von unten ist zu lesen: aphanismo, 

„ 40 es „ 4. 5. 6 von unten ist zu lesen: Bünger statt Bürger. 


” 


Weitere Beobachtungen über die Wirbel der Selachier, 
insbesondere über die Wirbel der Lamnoidei, nebst allgemeinen 
Bemerkungen über die Bildung der Wirbel der Plagiostomen. 


Von 
A. Kölliker. 


Tafel XIII bis XVII 


Seit meinen ersten Mittheilungen über die Wirbel der Selachier (Würzb. Verh. 
Bd. X) habe ich Gelegenheit gehabt, eine Reihe neuer Gattungen zu untersuchen, 
sowie meine ersten Beobachtungen zu vervollständigen, so dass mir jetzt ein Material 
zu Gebote steht, welches noch mehr als früher gestattet, das Planmässige im Baue der 
Wirbelsäule dieser Thiere zu überschauen. 


I. Thatsächliches. 


Ich zähle der Reihe nach die einzelnen Gatlungen auf, über welche ich Neues 
zu berichten habe. 
1. Hexanchus. 


In meiner ersten Mittheilung findet sich gestützt auf die Untersuchung der Wirbel- 
säule von Heptanchus die Vermulhung ausgesprochen, dass auch bei Hexanchus die 
Schwanzwirbelsäule besser verknöchert sein werde als der vordere, bis jetzt allein 
bekannte Theil der Wirbelsäule. Die Untersuchung zweier von meinem Freunde 
de Filippi in Turin erhaltenen Schwanzwirbelsäulen der genannten Gattung hat jedoch 
diese Vermuthung nicht bestätigt, indem sich auch hier keine Spur von Kalkablagerungen 
zeigte. Meinen früheren Bemerkungen habe ich beizufügen: 1) dass am Schwanze die 
Reste der Elastica externa ringsherum deutlich und zum Theil in Gestalt einer elastischen 
Neizmembran ganz gut erhalten sind, 2) dass die von der eigentlichen Chordascheide 
abstammenden Scheidewände, die die Wirbelabtheilungen bezeichnen, hier viel dicker 
sind als vorn, dafür aber auch sehr wenig über die innere Oberfläche der Scheide vor- 


treten, und die Chorda selbst nur wenig einschnüren und 3) dass die eigentliche Chorda- 
2x 


‘ 


He — 


scheide stellenweise, namentlich innen, in der Gegend der Scheidewände an der Grenze 
der Elastica interna und an den an die Bogen anstossenden Stellen in hyalinen Knorpel 
umgewandelt ist. 


2. Cestracion Philippü. 


Von diesem Haien standen mir nur Schwanzwirbel zu Gebote, die ich der Gefällig- 
keit meines Collegen Leiblein verdanke. Dieselben zeigen wesentlich den Typus 
derer von Heptanchus. Der Wirbelkörper besteht aus einem hohlen Doppelkegel, 
der innen Faserknochen, aussen Knorpelknochen zeigt und an seiner äusseren Seite 
8 niedrige Kanten trägt, so dass der senkrechte Innenschnitt das Bild eines Sternes 
gibt. An der Querseite des Doppelkegels liegt im Centrum des Wirbels ächter hyaliner 
Knorpel, der die eigentliche Chorda bis auf eine unkenntliche Spur verdrängt, und 
ebenso wird die Aussenseite des knöchernen Wirbels von hyalinem Knorpel umgeben, 
der dann unmittelbar in den der Bogen sich fortzusetzen scheint. Die sehr deutlichen 
Reste der ursprünglichen Elastica externa der Chordascheide zeigen jedoch bestimmt 
an, dass das Meiste dieses Knorpels der ursprünglichen Chorda angehört. Von diesen 
Resten der Elastica externa will ich noch bemerken, dass dieselben hier wie bei allen 
andern ausgebildeten Selachiern, wo sie noch kenntlich sind, nicht einfach in einer Kreis- 
linie angeordnet sich zeigen, vielmehr eher eine Art rautenförmiger Figur begrenzen, 
indem sie oben und unten, rechts und links wie Flügel oder warzenförmig vortreten, 
in welchen Gegenden die innen an dieselben angrenzenden Theile der Chordascheide 
auch häufig ganz homogen erscheinen. Die Bogen vereinen sich auf das Genaueste 
mit dem chordalen Wirbelkörper,, lassen denselben jedoch seitlich, da wo die Elastica 
vorspringt, unbedeckt. Eine leichte Knorpelverkalkung, die seitlich an jedem Wirbel- 
körper ihre Lage hat, liegt zum Theil oberflächlich in dem von den Bogen abstammen- 
den Knorpel, zum Theil innen an dem vortretenden Theile der Elastica externa und 
gehört somit dem chordalen Wirbelkörper an, doch ist die letztere Verkalkung schwach 


und ziemlich in einem Niveau mit der den Bogentheilen angehörenden. 


3. Spinax niger. 

Die Wirbel dieser Gattung stimmen fast auf ein Haar mit den früher von mir 
beschriebenen von Acanthias überein, nur dass der von den Bogen abstammende Knorpel- 
beleg an den Seiten der Wirbelkörper äusserst dünn ist. Reste der Elaslica externa 
sind auch hier vorhanden und bezeichnen die Grenze der eigentlichen chordalen Wirbel- 


ee. 55 = 


körper, doch sind dieselben äusserst spärlich und klein und nur für den mit diesen 
Verhältnissen ganz Vertrauten zu erkennen. Im Centrum des Wirbels ist die Chorda 
selbst auch hier bis auf einen ganz kleinen undeutlichen Rest verdrängt. 


4. Lomargus borealis. 


Diese Gattung, die ich wie die vorhergehende van Beneden verdanke, schliesst 
sich ebenfalls an Acanthias an. Die Bogen bilden seitlich an den Wirbelkörpern einen 
deutlichen nicht verkalkten Knorpelbeleg. Die Elastica externa ist ringsherum äusserst 
deutlich, springt aber nur oben und unten gegen den Nerven- und Gefässkanal warzen- 
förmig vor. Die Chorda ist auch im Centrum des Wirbels ziemlich gut erhalten und 
zeigt allerwärts einen mittleren derberen bandförmigen Streifen vom Aussehen einer 


senkrechten Scheidewand, der nur aus abgeplatteten Chordazellen besteht. 


5. Ginglymostoma. 


Für die richtige Auffassung der sonderbar gebauten Wirbel dieser Gattung der 
Sceyllien verweise ich auf Fig. 1. Die einfacheren Schwanzwirbel zeigen fol- 
sende Verhältnisse. Der chordale Wirbelkörper besteht aus einem wie gewöhnlich 
beschaffenen Doppelkegel mit 7 äusseren kleinen Kanten, von denen 2 oben, je 2 seit- 
lich und eine unten stehen. Umgeben wird dieses Centrum des Wirbels zunächst von 
Knorpel und dann folgen äussere Ossificalionen, die in vier Hauplgruppen rechts und links 
oben und unten vertheilt sind. Die seitlichen bestehen aus je zwei an den Enden der 
Wirbel unter sich und mit dem innern Doppelkegel verschmelzenden Massen, die zum Theil 
aus Knorpelknochen, zum Theil aus Faserknochen bestehen und nach aussen und 
zwischen sich ächten Faserknorpel mit starken radären Fasern zeigen. Die obere Ossi- 
ficalion ist in der Mitte der Wirbel doppelt, an den Enden durch eine Querbrücke ver- 
schmolzen, enthält zwischen ihren Theilstücken hyalinen Knorpel, zeigt jedoch an der 
äusseren Fläche ebenfalls Faserknorpel. Aehnlich verhält sich auch die untere Ossifi- 
cation, nur dass diese nirgends aus gelrennten Stücken besteht. In den von den Bogen 
aus zwischen die vier äusseren Ossificationsmassen eindringenden Knorpelmassen finden 
sich einzelne Blutgefässe. 

Die vorderen Wirbel von Ginglymostoma sind verwickelter gebaut als die des 
Schwanzes. Zwar sind die äusseren Kanten des chordalen Doppelkegels hier so zu 
sagen nur angedeulet, dafür sind aber die äusseren Ossificationen verwickelter gebaut, 
wie am besten aus der Fig. 2 hervorgeht. Verglichen mit den hinteren Wirbeln fällt 


Pa 


besonders die grosse Entwickelung der unteren Ossification auf, sowie das Vorkommen 
von seitlichen Verbindungen der Strahlen dieser Knochenmassen, so dass der ganze 
Wirbelkörper, ähnlich wie bei gewissen Lamnoidei, aussen und innen wie eine andere 
Schichtung zeigt. 

Bezüglich auf die Deutung und Entwickelung dieser sonderbaren Wirbel ist es mir 
nicht gelungen ein bestimmtes Ergebniss zu erhalten, und bin ich nicht im Stande mit 
Sicherheit anzugeben, wie viel von dehselben auf Rechnung der Chordascheide, wie viel 
auf die periostale Anlagerungen kommt, indem es mir nicht geglückt ist, sichere Spuren 
der Elastica externa zu finden. Der Umstand, dass die äusseren vier keilförmigen Mas- 
sen innen aus Knorpelknochen, aussen aus verkalktem Faserknorpel bestehen, könnte zur 
Vermuthung führen, dass die innern Theile derselben von Verkalkungen der Chorda- 
scheide selbst herrühren, mit denen dann noch äussere Ablagerungen sich verbinden. 
Da jedoch bei den andern Scyllien bei ähnlichem Baue der äussern verkalkten keil- 
förmigen Massen die Elastica interna nach innen auch von den aus Knorpelknochen 
bestehenden Theilen derselben sich nachweisen lässt, so möchte es das Gerathenste sein, 
für einmal auch bei Ginglymostoma die Verhältnisse in diesem Sinne aufzufassen. Er- 
wähnenswerth ist noch das Verhalten der Chorda. In den Aushöhlungen zwischen 
zwei Wirbeln fehlt die Chorda ganz und ist durch Flüssigkeit ersetzt, dagegen ist die 
Elastica interna deutlich erhalten und kleidet die vertieften Endflächen der Wirbelkörper 
aus, so jedoch, dass zwischen der genannten Haut und dem knöchernen Wirbel eine 
ziemlich mächtige Lage eines faserigen Gewebes seine Lage hat, das vom innersten 
Theile der ursprünglichen Faserlage der äussern Chordascheide abstammt. Zwischen 
den Rändern je zweier Wirbel [bildet dieses Gewebe, das zwischen Bindegewebe und 
Faserknorpel so ziemlich die Mitte hält, ein Ligamentum intervertebrale, ausserdem 
besorgt dasselbe aber auch das Dickenwachsthum der Doppelkegel an ihrer concaven 
Fläche, sowie die Ausdehnung derselben an ihren freien Rändern, ohne irgendwo die 
Natur von ächtem Knorpel anzunehmen als in der Nähe der mittleren Oeflnung der 
Wirbelkörper und in dieser selbst. Hier jedoch ist der bei allen Plagiostomen ursprüng- 
lich an dieser Stelle sich findende Knorpel so entwickelt, dass er die Chorda vollkom- 
men verdrängt hat und, statt einer die Chorda enthaltenden Lücke wie bei andern 
Gattungen, ein zusammenhängender Knorpelcylinder gefunden wird, der in seiner Mitte 


einen dünnen, aus der Elastica interna gebildeten Strang enthält. 


en 


6. Centroscyllium Fabricü. 


Der Gefälligkeit meines Collegen Heinrich Müller verdanke ich es, dass ich einige 
Schwanzwirbel dieser seltenen Gattung untersuchen konnte. Dieselben stimmen im 
Baue in allen wesentlichen Verhältnissen mit den von mir schon an einem andern Orte 
(Würzb. Verh. Bd. X.) beschriebenen von Acanthias vulgaris überein und habe ich 
nur zweierlei hervorzuheben. Erstens war an dem grossen mir vorliegenden Exem- 
plare die Elastica externa nur noch da und dort in schwachen Spuren zu erkennen, 
immerhin so dass sich sehen liess, dass die Wirbelkörper eine zarte Belegung 
von den knorpeligen Bogen besitzen und dass die oberflächliche Verkalkung derselben 
diesem der Chordascheide fremden Knorpel angehört. Zweitens war die Chorda selbst 
nur in der Mitte der Wirbel nach innen von einem auch hier befindlichen Knorpel 
erhalten, fehlte dagegen in den Aushöhlungen der Doppelkegel fast ganz und war 
hier durch Flüssigkeit vertreten. Eine Einschnürung der Chorda genau in der Mitte 
des Wirbels war auch hier da, doch ging dieselbe nicht bis zur gänzlichen Ver- 


drängung der Chordazellen wie bei Ginglymostoma. 


7. Rhinobalus granulalus. 


Die Wirbel dieser Gattung stimmen fast ganz mit den von mir früher untersuchten 
eines kleinen Individuums von Myliobates überein. Der chordale Wirbelkörper ist von 
aussen betrachtet cylindrisch und zeigt sich fast die ganze Chordascheide verkalkt mit Aus- 
nahme eines dünnen Saumes, der in den Gegenden wo die Bogen aufsitzen knorpelig 
ist, an den übrigen Stellen mehr faserknorpelig erscheint. An diesen Orten so wie 
je zwischen zwei Wirbeln hat auch die Chordascheide eine scharfe Begrenzung, ohne 
dass eine Elastica externa mit Bestimmtheit sichtbar wird, an den Abgangsstellen der 
Bogen dagegen sind die beiderlei Knorpel ohne Abgrenzung verschmolzen. 

Auf Durchschnitten erkennt man, dass die Wirbelkörper wie gewöhnlich zwei 
konische Endfacetten besitzen und in der Mitte am dicksten sind. Hier findet sich 
die gewöhnliche innere Knorpellage und ist die Chorda fast ganz verdrängt, in den 
Facetten dagegen erkennt man hübsches grosszelliges Chordagewebe, von dem ich 
jedoch nicht sagen kann, ob es den ganzen Raum zwischen zwei Wirbeln erfüllt. 

Am verschmolzenen vorderen Ende der Wirbelsäule, da wo die Wirbelkörper 
enden und das Ganze scheinbar nur von den verschmolzenen Bogen gebildet wird, 
lässt sich hier schöner als bei irgend einer andern Gattung der Rajidae nachweisen, 


dass die Chorda noch einen nicht unwesentlichen Antheil an der Bildung desselben 
hat. In der ganzen Länge dieses Stückes nämlich bis zum allervordersten Zapfen 
zwischen den zwei Gelenkflächen zur Verbindung mit dem Schädel findet sich in der 
Fortsetzung der Wirbelkörpersäule ein mittlerer feiner Knorpelstrang, der durch die 
concentrische Stellung seiner Elemente, obschon eine Elastica externa nicht zu sehen ist, 
ganz bestimmt als eine Fortsetzung der Chordascheide sich kund gibt und auch durch 
Schnitte in der Gegend, wo die Wirbelkörper aufhören, bestimmt als solche nachgewiessen 
werden kann. In der Mitte dieses Streifens. der ganz hinten selbst noch Kalkabla- 
gerungen ohne Regelmässigkeit zeigt, findet sich ein Chordarest von einem hellen 
Saume begrenzt und krümelig verkalkt. 

Das vorderste Ende dieses von der Chordascheide abstammenden Knorpels nimmt 
nur noch eine excentrische Stellung an, während er weiter hinten genau in der Mitte 
liegt, so jedoch dass er die ganze Breite der Knorpelplatte einnimmt, die die Stelle 
der Wirbelkörper vertritt, und an die oberflächlichen Krusten derselben angrenzt. 
Endlich liegt der chordale Knorpel nur noch der oberen Kruste an und wird von 
der unteren durch eine etwa seiner halben Breite gleichkommende Knorpelmasse 
geschieden. So tritt der Strang auch in den vorderen Endzapfen der Wirbelsäule 
ein und scheint an dessen Ende sich zu verlieren. Wenigstens ist es mir nicht 
möglich gewesen, denselben in die Schädelbasis zu verfolgen oder in dieser aufzu- 
finden und eben so wenig habe ich einen Uebergang desselben in das innere Periost 
der Schädelbasis wahrgenommen. 


8. Taeniura Iymna. M. H. 


Die Wirbel dieser Gattung stimmen in Allem mit denen von Rhinobatus überein 
und ist die einzige Abweichung, die ich namhaft zu machen habe, die, dass der chor- 
dale Strang im vordersten verschmolzenen Ende der Wirbelsäule hier verkümmert ist 


und genau die Verhältnisse zeigt, die ich an einem andern Orte geschildert habe. 


9. Lamna cornubica. 


Ueber die merkwürdigen Wirbel dieser Gattung liegen bis jetzt nur einige spär- 
liche Angaben von J. Müller vor (Agassiz, Poissons foss. II. pag. 363— 365), denen- 
zufolge dieselben in ihrem ganzen Umkreise viele von Knorpel erfüllte Spalten dar- 
bieten, während das ganze übrige Knochen sei. Mir lagen zur Untersuchung nur 


einige mittlere Wirbel einer getrockneten Wirbelsäule vor, die jedoch nach dem 


Aufweichen ihren Bau ziemlich genau verfolgen liessen. Dieselben (Fig. III.) bestehen 
vor Allem aus einem starken kurzen Doppelkegel von Faserknochen von demselben 
Baue wie bei dem Nictitantes (S. m. Abh. in Würzb. Verh. X). In der äusseren Aus- 
höhlung dieses eigentlichen Wirbelkörpers (a) befinden sich an der angegebenen 
Stelle der Wirbelsäule 12 schmale Knochenblätter (b b’ b’‘) ebenfalls von Faserknochen, 
die wie die Speichen eines Rades, von der Aussenfläche des Doppelkegels, mit 
der sie innig verschmolzen sind, zur Oberfläche des gesammten Wirbelkörpers reichen. 
Zwei von diesen (b) gehen nach oben und enden innen nach der Grundfläche der 
Knorpelbogen c, zwei stärker auseinanderweichende (b’) erstrecken sich in derselben 
Weise nach unten und je vier stehen in ziemlich regelmässigen Abständen seitlich 
zwischen den obern und untern Bogen einer Seite. Von den zwölf kegelförmigen 
Fächern zwischen diesen Blättern sind die vier, die den Abgangsstellen der Bogen 
entsprechen (dd) mit ächtem Knorpel gefüllt, der bis zum innern Doppelkegel dringt 
und in derselben Weise, wie bei den Nictitantes, ein inneres Knorpelkreuz darstellt. 
Die übrigen Fächer dagegen (ee) d. h. der obere mittlere, der untere mittlere, und 
die drei an jeder Seite, enthalten Zapfen von einem verkalkten Faserknorpel, der 
ganz dem der Nictitantes entspricht. 

Diese Schilderung passt nun übrigens nur für die mittleren Theile der genannten 
Wirbel. An den Enden derselben finden sich statt der zwölf, je 18 Blätter, welche 
Zahl dadurch entsteht, dass hier sechs von den zwölf beschriebenen Blättern, nämlich 
die seitlichen oberen, die seitlichen unteren, und die unteren mittleren, je in zwei 
Blätter sich spalten und so gespalten an die Ränder des innern Doppelkegels sich 
ansetzen. Dadurch entstehen natürlich auch sechs besondere kleinere Fächer, so dass 
die Gesammtzahl dieser hier auch auf 18 steigt und in diesen finden sich ebenfalls 
besondere kleine Keile von verkalktem Faserknorpel. An den unteren Hauptblättern 
finden sich selbst Andeutungen einer Spaltung in drei Endblätter, Verhältnisse, die in 
den von Agassiz nach J. Müller abgebildeten Wirbeln (1. ec. Tab. 40 b Fig. 12 und 
besonders Fig. 13) in noch höherem Grade aber auch so verwickelt ausgeprägt sind, 
dass das Gesetzmässige der ganzen Bildung nicht leicht zu erkennen ist. 

An die vertieften Endflächen der Doppelkegel grenzt zunächst eine mächtige 
Lage von Faserknorpel, dann folgt eine schöne Elastica interna und statt der Chorda 
ein leerer Raum, der wohl auch hier mit Flüssigkeit gefüllt war, wie bei den Nicti- 
tantes. Auch im Centrum des Doppelkegels ist von der Chorda nichts mehr zu sehen 


und findet sich an ihrer Stelle eine dünne scheibenförmige Lage von Knorpelknochen. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf, Ges. Bd. V. te) 


—. 58 


Der feinere Bau und die Bedeutung aller dieser Theile ist folgende. Von dem 
eigentlichen Doppelkegel habe ich nichts weiter zu bemerken, indem derselbe ganz 
nach dem Typus derer der Nictitantes gebaut ist, nur dass die Knorpelkapseln ausge- 
zeichnet gross sind und oft so dicht stehen, dass der Anschein grösserer reihenförmiger 
Lücken entsteht. Die mittlere dünne Verknöcherung dieses Doppelkegels zeigt sehr 
eigenthümliche, verschieden grosse, buchtige und zum Theil ineinander geöffnete Höhlen 
und ist, obschon die Stelle der Chorda einnehmend, doch sicher nicht ein Produet 
dieser, sondern der inneren Knorpellage der äusseren Chordascheide, die bei anderen 
Plagiostomen zwischen der Chorda und dem Doppelkegel ihre Lage hat, die wuchernd 
die Chorda verdrängte und dann verkalkte. In der That sieht man auch nach dem 
Ausziehen der Kalksalze in diesem Septum noch ziemlich erkennbare Reste der Elastica 
interna genau in der Mitte, jedoch keine Spur von Chordazellen. Dass die genannten 
zwei Theile aus einer Verknöcherung der knorpeligen Chordascheide hervorgingen ist klar, 
eben so sicher ist aber auch, dass die äussern Keile von verkalktem Faserknorpel Periost- 
ablagerungen sind und der äusseren scelettbildenden Lage ihren Ursprung verdanken. 
Das Gewebe dieser Keile ist ähnlich dem der vier äussern Keile der Nictitantes, jedoch 
weniger verkalkt und daher weicher. Auch ist die Grundsubstanz hier mehr wie in 
einem Netzknorpel beschaffen und wie die minder verkalkten Theile lehren, äusserst 
zierlich aus feinen nach allen Richtungen sich verflechtenden und verbundenen Fäserchen 
gebildet, zwischen denen viele grosse rundliche, oft in senkrechten Reihen stehende, 
ziemlich dickwandige Kapseln sich finden. Besondere senkrechte Fasern fehlen auch 
nicht, nur sind dieselben minder stark als bei den Nictitantes und ebenso sind von 
aussen eindringende starke Blutgefässe da. Alle diese Theile von verkalktem Faser- 
knorpel haben ihren Bildungspunkt in einer bis /,‘” mächtigen dunkleren Lage von 
Faserknorpel, welche die Wirbel äusserlich vollkommen bekleidet mit einziger Aus- 
nahme der Stellen, wo die knorpeligen Bogen abgehen. Bemerken will ich übrigens 
noch, dass an meinen Wirbeln manche dieser Keile auch nach dem Aufweichen ihre 
Fächer nicht ganz erfüllten, sowie dass an den trockenen Wirbeln diese Keile fast 
ganz geschrumpft und ihre Fächer zwischen den Blättern scheinbar leer waren, was 
alle die berücksichtigen mögen, die trockene Lamnawirbel untersuchen. Nach allem, 
was ich gesehen habe, muss ich glauben, dass diese Keile in frischen Wirbeln ihre 
Fächer ganz erfüllen, doch können allerdings über das abfällige Vorkoinmen von Lücken 
in denselben nur Untersuchungen frischer Thiere ganz sichern Aufschluss geben. 

Sind mir über die Entwickelung dieser Keile keine Zweifel geblieben, so kann 


u 


ich von den 12—18 speichenartigen Blättern nicht dasselbe sagen. Dieselben bestehen 
aus einem stark verkalkten Faserknorpel mit sehr zahlreichen, grossen, dickwandigen, 
und in ihren Wandungen ebenfalls verkalkten Knorpelkapseln. Eine Faserung in der 
Richtung der Dicke ist an diesen Blättern deutlich, ebenso eine Schichtung in der 
Richtung von innen nach aussen, so dass dieselben von der Fläche parallel streifig 
erscheinen, und auf Schnitten senkrecht auf ihre Flächen und in der Längsrichtung der 
Wirbelsäule erkennt man, dass ihre Zellen vielfältige Verbindungen durch schmälere 
und breitere Ausläufer eingehen. Innen und vorn und hinten, wo diese Blätter an 
die Aussenfläche des innern Doppelkegels angrenzen, scheinen beide innig verschmolzen, 
allein mit dem Mikroskope unterscheidet man doch nicht blos einen verschiedenen 
Faserverlauf, sondern auch eine Verschiedenheit in der Menge und Gestalt der Zellen. 
Die Blätter, die an das Knorpelkreuz angrenzen, sind meist ziemlich scharf vom Knorpel 
getrennt, hie und da findet sich jedoch hier eine dünne Lage von Faserknorpel, die 
dann unmerklich in den Knorpel übergeht. An den Seiten, die an die Keile von ver- 
kalktem Faserknorpel angrenzen, haben diese und alle andern Blätter eine deutliche 
Schicht von Faserknorpel, die einerseits bestimmt in ihr Gewebe, anderseits in das der 
Keile selbst sich fortsetzt. An ihren freien Rändern endlich sind die Blätter von der 
hier allerdings sehr dünnen Lage von Faserknorpel bekleidet, welche, wie oben schon 
erwähnt, auch die Keile des weicheren verkalkten Faserknorpels überzieht und die 
Wirbel äusserlich umgibt und zeigt dieses Gewebe auch Uebergänge in dasjenige der 
Blätter. Allem zufolge scheint es mir, dass auch die fraglichen Blätter periostale 
Bildungen sind und dass sie zusammen mit den weicheren Keilen den vier Keilen der 
Nictitantes entsprechen, für welche Auffassung auch die Verhältnisse der andern noch 


zu beschreibenden Lamnoidei sprechen. 


10. Oxyrhina gomphodon. 


Die Wirbelsäule dieser noch nicht untersuchten Gattung der Lamnoidei, von welcher 
mir nur ein Theil derjenigen des Schwanzes zur Untersuchung zu Gebote stand, zeigt 
folgenden gröberen Bau (Fig. IV). Wie bei vielen Haien sind die Wirbelkörper und 
Wirbelbogen ganz von einander getrennt und umfassen die letzteren die Körper seitlich 
nicht. Die unteren Bogen 5 entsprechen in ihrer Zahl den Körpern genau, ragen jeder 
mit zwei Knorpelzapfen tief in die Wirbelkörper hinein und bilden dann einen einfachen 
unteren Dorn, der ebenso wie ein Theil des Bogens selbst eine Kruste von dem 


gewöhnlichen Knorpelknochen der Selachier besitzt. Viel verwickelter ist der Bau der 
8* 


we A 


oberen Bogen. Dieselben bestehen 1) aus den eigentlichen Bogen ce, die an 
Zahl den Wirbelkörpern entsprechen, jeder mit zwei Knorpelzapfen in denselben ein- 
dringen und über dem Rückenmark den Kanal für dasselbe schliessen; 2) aus Schalt- 
stücken d, die, immer zwischen zwei Bogen gelegen, den Ligamenta intervertebralia 
und Wirbelkörperrändern nur aufliegen und ebenfalls das Rückenmark bogenförmig 
umfassen; 3) aus besonderen Dornfortsätzen e, deren Zahl derjenigen der eigent- 
lichen Bogen und Wirbelkörper nahezu gleich kommt, dieselbe aber doch nicht ganz 
erreicht und deren Anordnung somit. um so mehr als auch ihre Breite sehr wech- 
selnd ist, keinerlei Regelmässigkeit zeigt. An dem untersuchten Stücke der Wirbel- 
säule zeigten übrigens die oberen Bogen der fünf letzten Wirbel keine Schaltstücke 
und scheint somit das letzte Ende der Wirbelsäule dieser Einrichtung zu ermangeln. 
Verknöcherungen in Gestalt oberflächlicher Krusten fanden sich nur an den Bogen und 
Schaltstücken der letzten Wirbel, an den übrigen und an den oberen Bogen nicht. 
Bemerkenswerth sind die Verhältnisse der Intervertebrallöcher für Gefässe und Nerven 
an den Bogen. Die Gefässöfinungen entsprechen genau der Zahl der Wirbelkörper 
und finden sich je zwischen zwei Bogen. doch so dass sie manchmal ganz von der 
Substanz eines Bogens umschlossen sind. Die Nervenöffnungen dagegen zeigen in so 
fern Eigenthümliches, als sie einmal in der Mitte der eigentlichen oberen Bogen liegen 
und zweitens im hinteren Theile der Wirbelsäule nicht mehr in derselben Zahl wie 
die Wirbelkörper vorkommen, sondern immer einen Wirbel überspringen. Dies erinnert 
an von mir bei Heptanchus gefundene Verhältnisse (Würzb. Verh. Bd. X). bei welchem 
Haien vorn und hinten die Zahl der Wirbelkörper das doppelte von derjenigen der 
Rückenmarksnerven (und auch der Bogen) beträgt, was dort mit Wahrscheinlichkeit 
aus einer secundären Verdoppelung der ursprünglichen Wirbelkörper erklärt wurde. 
Die Wirbelkörper am Ox yrhina sind wesentlich nach dem Typus derer von 
Lamna gebaut. Ein jeder Wirbel besteht zunächst aus einem centralen Doppelkegel 
von Faserknochen von demselben Baue, wie bei den Nictitantes und bei Lamna. Genau 
im Centrum dieses Doppelkegels liegt eine hellere Masse schwach verkalkten Knorpeis, 
in dessen Mitte ein ganz verkümmerter Rest der eigentlichen Chorda sich findet, dagegen 
ist an den concaven Endflächen desselben die Chorda ganz verschwunden und ihre 
Stelle wie bei manchen andern Selachiern von Flüssigkeit eingenommen. Wie ge- 
wöhnlich wird der dieses Fluidum enthaltende, zwischen je zwei Wirbeln gelegene 
Raum auch hier von der Elastica interna der früheren Chorda bekleidet. welche 


durch eine dünne Lage von Bindegewebe mit den Endflächen der Wirbel selbst ver- 


a > 3 


bunden ist. An der Aussenseite eines jeden Doppelkegels sitzen an den Abgangs- 
stellen der Bogen vier Knorpelzapfen und zwischen denselben vier eigenthümlich 
beschaffene keilförmige Massen, die den periostalen Keilen der Niclitantes entsprechen, 
jedoch keinen gleichförmigen Bau besitzen, sondern ähnlich wie bei Lamna aus ver- 
schiedenen Substanzen und zwar hier aus weichem und aus verkalktem Faserknorpel 
bestehen. Die seitlichen von diesen Massen bestehen jede aus 5—”7 knöchernen 
Speichen, die von dem centralen Doppelkegel aus bis an die Oberfläche des Wirbels 
sich erstrecken und auf dem senkrechten Querschnitte (Fig. V) die Form von Strahlen 
besitzen, die am äussern Ende verbreitert und auch wohl gabelig gespalten sind. 
Eigenthümlich ist, dass diese Speichen in der Nähe ihres Ausgangspunktes vom 
centralen Doppelkegel theils ganz verschmolzen, theils durch quere Blättchen und 
Bälkchen untereinander verbunden sind. welche, wenn sie deutlicher ausgeprägt sich 
zeigen, concentrisch angeordnet sind und der Oberfläche des Querschnittes parallel 
verlaufen. In den Zwischenräumen zwischen diesen Speichen liegt überall eine 
weichere faserknorpelige Masse, die im Wesentlichen so gebaut ist wie bei Lamna, 
namentlich auch schöne und zahlreiche radiäre Fasern enthält. Dass dieser Faser- 
knorpel und auch die knöchernen Blätter vom Perioste aus sich bilden, ist bei 
Oxyrhina leicht zu sehen, denn es gehen dieselben nach aussen ganz allmälich in ein 
weiches Bindegewebe mit senkrechten Fasern und Zellenreihen zwischen denselben 
über in derselben Weise, wie dies bei den Nictitantes wahrzunehmen ist. Erwähnens- 
werth ist, dass auch hier vom Perioste aus zahlreiche Blutgefässe in den Wirbelkörper 
eindringen, welche in den weichen Theilen der periostalen Keile bis an den centralen 
Doppelkegel herandringen, ohne jedoch auch in diesen einzutreten. 

Aehnliche nur schmälere periostale Keile, von denen jeder zwei theilweise ver- 
schmolzene knöcherne Speichen und faserknorpelige Ausfüllungsmasse zwischen den- 
selben enthält, finden sich nun auch oben und unten zwischen den Knorpelzapfen. 
Ausserdem ist zu bemerken, dass auch die letzteren Zapfen theilweise verkalkt sind 
und aus Knorpelknochen bestehen. Besonders gilt dies von denen der unteren Bogen, 
welche an ihren vordern und hintern Theilen vollkommen ossifieirt sind, weniger 
von den oberen, bei denen die Verkalkung unvollkommener ist. Alle Knorpelkeile 
sind übrigens auch in ihren Seitentheilen, da wo sie an die betreffenden periostalen 


Knochenspeichen angrenzen, theilweise verkalkt und mit diesen verschmolzen. 


11. Odontaspis taurus. 


Auch von dieser noch nicht untersuchten Gattung stand mir nur ein kleines 
Bruchstück der Schwanzwirbelsäule zu Gebote, das ich der Güte des Herrn August 
Dumeril in Paris verdanke, der es aus einem im Pariser Museum aufbewahrten 
getrockneten Exemplare entnehmen liess. Soweit dieses Bruchstück, das in der Fig. VI 
abgebildet ist, es erkennen liess, stimmt der Bau der Wirbelsäule in allem mit Oxy- 
rhina überein und ragen auch hier die obern und untern Bogen, die unter sich nicht 
zusammenhängen, mit Knorpelzapfen in Gruben der Wirbelkörper hinein. Die unteren 
Bogen b sind einfach mit Gefässlöchern, die an Zahl den Wirbeln entsprechen, die 
obern Bogen ce dagegen besitzen auch hier Schaltknorpel e und stehen die Nervenlöcher 
so, dass sie immer einen Wirbel überspringen. Mit Ausnahme spärlicher Verkalkungen, 
wie bei b, sind alle Bogen rein knorpelig. 

Die Wirbelkörper stimmen im gröberen Baue fast in Allem mit denen von Oxyrhina 
überein und weichen nur dadurch ab. dass die seitlichen periostalen Keile nur aus je 
vier Speichen oder Blättern von verkalkten Faserknorpel und drei zwischen denselben 
befindlichen Massen von Faserknorpel bestehen. Die zwei mittleren Speichen stehen 
an den kleineren Schwanzwirbeln sehr nahe beisammen, bei den grössten dagegen, 
die ich zur Untersuchung hatte, von 15 Mm. Höhe, waren die vier Speichen einer 
Seite gleichweit von einander entfernt und die faserknorpeligen Keile zwischen den- 
selben gleich gross. An den grösseren Wirbeln waren auch die Knochenspeichen an 
der Oberfläche der Wirbel jede in zwei Blätter gespalten und die kleinen Lücken 
zwischen diesen nochmals mit Faserknorpel ausgefüllt und an den kleineren Wirbeln 
fand sich eine solche Spaltung wenigstens an den vorderen und hinteren Enden der 
Speichen. Abweichend von Oxyrhina ist, dass bei Odontaspis die innern Theile der 
Speichen gar nicht oder doch nur sehr unbedeutend zusammenhängen. Die oberen 
und unteren periostalen Keile verhalten sich wie bei Oxyrhina und ebenso alle übrigen 
gröberen Verhältnisse mit einziger Ausnahme dessen, dass die von den Bogen abstam- 
menden Knorpelzapfen nirgends verkalkt sind. 

Wie im gröberen Baue so stimmen auch die feineren Verhältnisse bei beiden 
Gattungen überein und habe ich nur den Mangel an Blutgefässen in den Wirbeln am 


Odontaspis zu erwähnen. 


=, 408 = 


12. Carcharodon Rondeletii. 


Ein Fragment der Schwanzwirbelsäule eines Exemplares eines Haien, den J. 
Müller selbst seiner Zeit als Carcharodon bestimmte, kommt in der Anlage der Theile 
ganz mit Odontaspis überein, wesbalb ich nur die Abweichungen namhaft mache. Die 
eigentlichen obern Bogen und die Schaltstücke haben ziemlich dieselbe Gestalt und 
umschliessen den Kanal für das Rückenmark nicht vollständig, vielmehr wird derselbe 
erst durch die oberen Dornen, die besondere Stücke darstellen, deren Zahl geringer 
ist als die der Wirbel, ganz geschlossen. Beiderlei Stücke der oberen Bogen ferner 
sind in ihrer oberen Hälfte durch und durch verkalkt, und ebenso haben die untern 
Bogen und Dornen so wie die oberen Dornen eine Kruste von Knorpelknochen, die 
ziemlich vollständig ist. Gefäss- und Nervenöffnungen waren an meinem Stücke nicht 
allerwärts so deutlich, dass ich etwas Bestimmtes über dieselben auszusagen im Stande 
wäre, doch glaube ich so viel erkannt zu haben, dass stellenweise die Zahl der Nerven- 
ölfnungen das Doppelte von derjenigen der Wirbel beträgt, indem dieselben je zwischen 
einem obern Bogen und einem Schaltstücke sich finden. Doch ist es gedenkbar, dass 
nicht alle diese Oeflnungen für den Durchtritt von Nerven bestimmt sind. 

Die Wirbelkörper an Carcharodon untersuchte ich theils an dem eben be- 
schriebenen Stücke, theils an einigen isolirten Stücken, die ich durch die Güte des 
Herrn Dumeril aus dem Pariser Museum erhielt. Die letzteren von 22 Mm. in der 
Höhe zeigen den Typus derer der Lamnoidei, sind jedoch die zusammengesetztesten 
der beschriebenen. Die seitlichen periostalen Keile bestehen aus einer grösseren (9—12) 
Zahl von Speichen oder Blättern von verkalktem Faserknorpel, zwischen denen nur 
enge mit Faserknorpel erfüllte Lücken sich finden, ja es hängen diese Blätter durch 
Anastomosen in der Querrichtung zum Theil so untereinander zusammen, dass stellen- 
weise fast ganz compacte Knochenmassen entstehen. An der Oberfläche der Wirbel 
finden sich solche Verbindungen vorzüglich an den an die Bogen angrenzenden Stellen 
der seitlichen Keile, ausserdem aber auch im Innern. Hier ist besonders eine Stelle 
ungefähr halbwegs zwischen der Oberfläche und dem innern Doppelkegel bemerkens- 
werth, wo diese Verbindungen rings herum an allen vier periostalen Keilen sich finden 
und wie eine besondere ringförmige Zone darstellen. Einwärts von dieser Zone sind 
die Blätter zum Theil zu grossen Massen mit einander verschmolzen, nach aussen mehr 
getrennt. Die oberen periostalen Keile gegen den Rückenmarkskanal zu bestehen aus 
zwei Knochenblättern mit einem dazwischen liegenden Faserknorpelkeil, die unteren 


Be , 


dagegen aus vier Blättern, von denen jedoch je zwei durch zahlreiche Anastomosen 
so zusammenhängen, dass an der Oberfläche an der Stelle derselben nur je Eine mit 
vielen Löchern versehene Knochenmasse zum Vorschein kommt. Diese Löcher führen 
in mit Faserknorpel erfüllte kanalartige Räume, die zusammen Einem der gewöhnlich 
zwischen solchen Blättern enthaltenen grösseren Raume, z. B. bei Lamna, entsprechen. 
Ein einziger mittlerer solcher Raum mit Faserknorpel findet sich übrigens auch in dem 
unteren periostalen Keile. Auffallend war mir bei Carcharodon auch vor und hinter 
den in den Wirbel eindringenden knorpeligen Zapfen der Bogen periostale Bildungen 
von Knorpel und Knochen zu finden in Form je einer dünnen Lamelle mit kanal- 
artigen Lücken für den Faserknorpel, die an der Oberfläche als eine einfache Reihe 
kleiner Löcher erscheinen. Bezüglich auf den feineren Bau stimmen die Wirbel von 
Carcharodon vollkommen mit denen von ÖOdontaspis überein und haben dieselben auch 
keine Blutgefässe. 

Ausser diesem Carcharodon des Pariser Museum habe ich noch den oben 
erwähnten von J. Müller selbst als Carcharodon Rondeletii bestimmten Haien 
untersucht. Die Schwanzwirbel massen die grössten nur 12 Mm. und hatten wohl 
den Typus der Wirbel des Individuums des Pariser Museums und der Lamnoidei, 
doch waren der seitlichen Speichen weniger (nur 5—7) und ausserdem ragte von 
dem centralen Doppelkegel in jeden von den Bogen abstammenden Knorpelzapfen ein 
Knochenblatt hinein. Ich vermag nicht zu sagen, ob dies eine Eigenthümlichkeit der 
kleineren hintersten Schwanzwirbel ist, oder ob vielleicht mehrere Species von Car- 
charodon vorkommen. J. Müller und Henle zählen in ihrem bekannten Werke 


nur Eine einzige Art auf. 


13. Selache mazima. 


Die gröbere Anatomie der Wirbel dieser Gattung der Lamnoidei, welche auf den 
ersten Blick einzig in ihrer Art dastehen, ist schon von Owen (Leect. on the comp. Anat. 
of the vert. animals Part I. Fishes London 1846 pag. 54 Fig. 13) und Queckett (Histol. 
Catal. II. 1855 pag. 16 u. 17 Pl.I. Fig. 15—19, Pl. II. Fig. 19—23) im Wesentlichen 
richtig beschrieben. Wie bei allen stärker verkalkten Wirbeln der Selachier wird 
auch hier die eigentliche Grundlage derselben von einem festen Doppelkegel gebildet, 
an dessen Aussenseile mächtige periostale Ablagerungen in Form von vier 
keilförmigen Massen und zwischen denselben vier mit den Bogen zusammenhängende 


Knorpelzapfen sich befinden. Ein senkrechter Querschnitt durch die Mitte eines Wirbels 


—_.. 69 = 


ergibt daher auch hier im Wesentlichen dasselbe wie bei den übrigen Lamnoidei; statt jedoch 
in ihrer ganzen Dicke aus radiär gestellten, d. h. der Längsaxe der Wirbelsäule parallel 
laufenden Knochenblättern zusammengesetzt zu sein, bestehen dieselben nur aussen, 
im äussern Drittheile oder Viertheile, aus solchen Blättern, weiter innen dagegen aus 
eoncentrischen Lamellen, die dem Umkreise des Wirbels gleich laufen. Auf dem senk- 
rechten Querschnitte hat daher ein solcher Wirbel innen eine gewisse Aehnlichkeit 
mit den Wirbeln von Squatina, während derselbe aussen am meisten an die von 
Carcharodon sich anschliesst. 

Genauer bezeichnet. so sind die radiären äusseren Blätter sehr zahlreich, mehr 
als bei irgend einem andern der Lamnoidei, zugleich aber auch sehr unregelmässig, 
indem sie nicht selten sich spalten und wieder vereinigen, auch durch stärkere Blätter 
Verbindungen untereinander eingehen. Ausserdem hängen dieselben auch mehr in der 
Tiefe durch eine immer grösser werdende Zahl von kleinen seitlichen Zapfen und 
blatiförmigen Fasern zusammen, wobei sie nach und nach in der Richtung der Dicke 
Lücken erhalten, bis am Ende das Ganze in die inneren concentrischen Lamellen sich 
auflöst. Diese hängen in den äusseren Lagen noch vielfältig untereinander zusammen 
und stehen sehr dicht. weiter nach innen dagegen lösen sie sich mehr von einander 
und werden zu ziemlich selbstständigen Blättern, an denen jedoch immer noch eine 
besondere Bildung auf ihre allmälige Entwickelung aus den radiären Blättern hindeutet. 
Es sind dies eine Menge von länglich runden und rundlichen Lücken, die 1° kaum 
überschreiten und ziemlich deutlich in der Längsrichtung der Wirbel in Reihen 
angeordnet sind. 

Alle Räume zwischen den radiären und concentrischen Blättern und die Lücken in 
diesen letztern sind nach den Angaben von Owen und Queckett im frischen Zu- 
stande von heller Knorpelsubstanz erfüllt. Die’ Fragmente seit langer Zeit auf- 
bewahrter Wirbel aus dem! Pariser Museum und dem College of Surgeons in London, 
die ich der Güte der Herren A. Dumeril und Queckett verdanke, zeigten im trocknen 
Zustande nur noch Bruchstücke dieser Ausfüllungsmasse, doch liess sich dieselbe durch 
Aufweichen der Wirbel, wenn auch nicht vollkommen, etwas anschaulicher dar- 
stellen und habe ich keinen Grund, die Angaben der genannten Anatomen zu bezweifeln. 
Nur ganz in den innersten Theilen der periostalen Keile, da, wo dieselben an die Mitte 
des innern compacten Doppelkegels angrenzen. fand ich auch diese Ausfüllungsmasse 
ganz verkalkt und die vier Keile ganz dicht, so jedoch, dass auf Schnitten die con- 


centrischen Blätter immer noch zu erkennen waren. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd V. 9 


1 ae ak 


Aus dem Mitgetheilten geht hinreichend hervor, dass die Wirbel von Selache 
manches Eigenthümliche darbieten, obschon die allgemeine Anlage ihrer grösseren Ab- 
schnitte dieselbe ist, wie bei den übrigen Lamnoidei. In der That kommen bei keiner 
andern Abtheilung dieser innere concentrische Knochenblätter vor, wie bei Selache, und 
begründet diese Bildung unstreitig einen besonderen Typus. Immerhin finden sich doch An- 
klänge an eine solche Anordnung auch bei andern Gattungen und habe ich bei Carcha- 
rodon und Oxyrhina schon darauf aufmerksam gemacht, dass die radiären Blätter in den 
innern Theilen seitliche Anastomosen zeigen, die eine mehr oder minder deutliche ring- 
förmige Streifung der periostalen Keile bedingen, obschon dieselben nirgends zur Bildung 
wirklicher concentrischer Blätter führen. 

Bezüglich auf den feineren Bau so stimmen die Doppelkegel von Selache ganz mit 
denen der übrigen Lamnoidei überein und bestehen aus Faserknochen. Die radiären und 
concentrischen Platten der periostalen Keile dagegen haben ganz das Ansehen von 
Knorpelknochen und zeigen grosse schöne oft zu zwei und drei verschmolzene Höhlen 
und bald eine mehr gleichartige, bald mit Kalkkrümeln versehene Grundsubstanz, doch 
möchte das Gewebe auch hier eigentlich ein verkalkter Faserknorpel sein. Hie und 
da trifft man nämlich im Verkalkten ziemlich deutliche Anzeichen von Fasern, die in 
der Richtung der Dicke der Keile von aussen nach innen verlaufen. Noch deutlicher 
sind solche in der weichen Ausfüllungsmasse zwischen den betreffenden Blättern, doch 
wird auch diese nirgends so schön faserig gesehen, wie bei anderen Gattungen. Die 
eoncentrischen Blätter wachsen auf beiden Seiten auf Kosten dieses Faserknorpels und 
dasselbe gilt auch von den radiären äusseren Blättern, nur dass diese auch an [der 
äussern Wirbelfläche oder an ihren freien Rändern immer Masse ansetzen und diesem 
Hauptwachsthume entsprechend auch parallel dem freien Rande gestreift erscheinen. Die 
Ausfüllungsmasse zwischen den innersten concentrischen Lamellen ist eine noch wenig 
entwickelte Verkalkung mit durch und durch von schönen Kalkkrümeln herrührender 
grobkörniger Grundsubstanz und die Verbindungsstränge der äussern concentrischen La- 
mellen bestehen aus weichem und verkalktem Faserknorpel, von denen der erstere 
viele dunkle Fasern und Faserzüge enthält, die, wie Salzsäure ergibt, verkalkte Fasern 
der Grundsubstanz sind. Gefässe habe ich, so auffallend mir auch ihr Mangel war, 
doch nirgends in den Selachewirbeln mit Bestimmtheit nachzuweisen vermocht. Immer- 
hin wird erst die Untersuchung frischer Objeete in dieser Beziehung volle Gewissheit 


zu geben im Stande sein. 


Allgemeine Betrachtungen. 


Bau und Entwickelung der Wirbel der Selachier im Allgemeinen. 


Aus den hier mitgetheilten Erfahrungen, zusammengenommen mit den Ergebnissen 
meiner früheren Untersuchungen, lässt sich das Bildunesgesetz der Wirbel der Selachier 
mit genügender Bestimmtheit aufstellen und will ich nun in Folgendem die Hauptpunkte 
übersichtlich zusammenfassen. 


I. Chorda dorsalis und eigentliche Scheide derselben. 


Die Chorda dorsalis aller Selachier besteht ursprünglich aus einem reinen Zellen- 
knorpel und einer denselben umgebenden, meist netzförmigen, elastischen Membran, der 
Elastica interna, welche die eigentliche oder innere Scheide der Chorda darstellt. 
Durch die Wirbelbildung wird die Chorda in den Gegenden der Wirbelkörper mehr oder 
weniger eingeschnürt, erhält sich jedoch bei vielen Gatlungen zeitlebens als ein zusammen - 
hängender Strang. Bei andern geht die Chordagallerte zwischen den Wirbeln später 
zu Grunde und wird durch Flüssigkeit ersetzt, während sie in der Mitte der Wirbel 
fortbesteht, bei noch andern endlich geht sie auch hier unter. In allen Fällen erhält 
sich die Elastica interna und bleibt als Auskleidung der Wirbelfacetten und meist auch 
als mittlerer Faden in der Mitte der Wirbelkörper bestehen, doch kann sie hier auch 
ganz schwinden, wie bei Torpedo, oder unkenntlich sein, wie bei Trygon, Cestra- 
cion und Myliobates, den Nictitantes und Lamnoidei. Ein Uebergang der Uhorda- 
gallerte in ächten Knorpel kommt nicht vor, dagegen wurde eine Verkalkung der- 


selben ganz bestimmt bei Scymnus und Rhinobatus gesehen andeutungsweise auch 
bei Scyllium. 


1. Aeussere Scheide der Chorda. 


Alle Selachier besitzen eine Umhüllung der Chorda aus ächter Bindesubstanz 
mit Zellen, welche, obschon im Baue mit der umgebenden skelettbildenden Schicht 
übereinstimmend, doch in ihrem morphologischen Verhalten so enge an die Chorda sich 


anschliesst, dass sie kaum anders, denn als ein wesentlicher Theil derselben aufgefasst 
9* 


A ze 


werden kann. Diese äussere Scheide folgt nämlich in ihrer Gestalt vollkommen der 
Chorda, beginnt und endet wie diese und umgibt sie auch sonst ganz genau; auch zeigt 
sie wenigstens ursprünglich keine Verbindungen mit den benachbarten Theilen, schliesst 
sich vielmehr von diesen durch eine immer vorhandene, sehr deutliche elastische Membran, 
die oft zierlich gefenstert ist, die Elastica externa, ab. 

Diese äussere Scheide der Chorda ist es, von welcher später die Gliederung der 
Wirbelsäule ausgeht. Hierbei erhält sie sich in den einen Fällen in mehr weichem 
Zustande, so jedoch, dass sie mehr die Beschaffenheit von Faserknorpel oder selbst von 
Knorpel annimmt, in den andern verkalkt sie und geht theils in Faserknochen, theils in 
Knorpelknochen über. Die Theile der Wirbelkörper, die diese Scheide liefert, sind 
immer die Doppelkesel, an denen jedoch häufig innen und aussen knorpelige 
Theile sich erhalten, während in andern Fällen die Scheide in ihrer ganzen Dicke 
verkalkt und in der Mitte selbst die Chorda verdrängt (Rajidae zum Theil, Lam- 
noidei), und aus den zwischen den Wirbeln gelegenen Theilen gestalten sich die Liga- 
menta intervertebralia und eine meist deutliche bindegewebige oder faserknorpelige Aus- 
kleidung der Wirbelendflächen, die mit den genannten Ligamenten zusammenhängt. 

Die Elastica externa hat keinen Antheil an der Bildung der Wirbel. Sind diese 
wenig verkalkt, so erhält sie sich zeitlebens, im entgegengeselzten Falle verschwindet 


sie später bis auf schwache undeutliche Reste oder ganz.') 


II. Aeussere skelettbildende Schicht. 


Bei allen Selachiern wird die Chorda von einer äussern skelettbildenden Schich 
von Bindesubstanz umgeben, welche die Chorda sammt ihrer Scheide umgibt und einerseits 
die Wirbelbogen und ein zwischen denselben befindliches Perichondrium der chordalen 
Wirbelkörper erzeugt, andererseits auch die Ligamenta intervertebralia aussen verstärkt 
und erzeugt, ausserdem in die Ligamenta intermuscularia der oberen und unteren Mittellinie 
und der Seiten sich fortsetz. Von dieser Lage können sowohl die Wirbelbogen, als 
das Perichondrium der chordalen ‚Wirbelkörper an der Wirbelbildung sich betheiligen 
und zwar in verschiedener Weise. Bei den einfacheren Wirbeln sind es nur die 


I) Anmerkung, Mit Bezug auf die Stellung der äusseren Chordascheide werden spätere Untersucher 
besonders zu berücksichtigen haben, ob dieselbe mit der Chorda selbst eine gemeinschaftliche embryonale Grund- 
lage hat oder aus den Urwirbeln hervorgeht. Im letztern Falle würde dieselbe dem innersten Theile der 
äussern skelettbildenden Schicht der höhern Wirbelthiere entsprechen, im erstern dagegen eine mehr selbst- 


ständige Stellung einnehmen. 


Eee 


Wirbelbogen, die eine solche Rolle übernehmen, indem sie den chordalen Wirbelkörper 
entweder nur seitlich oder auch oben und unten umwachsen, mehr weniger mit dem- 
selben verwachsen und in verschiedener Ausdehnung verknöchern. Bei den stärker 
verkalkten Wirbeln kommen dann noch besondere periostale Verknöcherungen zu dem 
Antheile der Bogen hinzu oder es legen sich dieselben auch unmittelbar auf den 


chordalen Wirbelkörper an. 


IV. Bildung und Verknöcherung der Wirbelkörper. 
A. Antheil der äussern Chordascheide. 


1. Die äussere Chordascheide sondert sich vor Allem der Länge nach in weichere 
und festere Theile, indem sie an bestimmten Stellen in Faserknorpel oder Knorpel über- 
geht, während sie ihre anfängliche Beschaffenheit an andern beibehält. Die festeren 
Theile, die jedoch bei den einfachsten Wirbelformen von den zwischen gelegenen 
Theilen nicht scharf geschieden sind, gestalten sich zu den Wirbelkörpern und erscheint 
an diesen Stellen die eigentliche Chorda eingeschnürt, indem die Wirbelkörper theils 
warzig oder kegelförmig, theils in Gestalt von dünnen Scheidewänden (vordere Wirbel von 
Hexanchus, mittlere Wirbel von Heptanchus) nach innen vorspringen. Beim gänzlichen 
Mangel von Untersuchungen über die allererste Entwickelung der Wirbelsäule ist es schwer 
zu sagen, ob diese Scheidewandbildung und Einschnürung der Chorda von einem Herein- 
wachsen der Chordascheide oder von einem ungleichen Wachsthume der Chorda an 
verschiedenen Stellen herrührt. Es liegt nahe anzunehmen, dass wie bei den höheren 
Wirbelthieren und Teleostiern die Wirbelkörper als festere Bildungen das Wachsthum 
der Chorda beschränken, so dass hier vorzüglich nur die Scheide sich verdickt, während 
an den andern Stellen Chorda und Scheide ziemlich gleichmässig fortwachsen, und bin 
ich auch bestimmt der Ansicht, dass die Vorgänge so sich gestalten, sobald einmal die 
Verknöcherung begonnen hat. Immerhin ist zu bemerken, dass bei der ganzen weichen 
Wirbelsäule von Hexanchus eine Bildung der Einschnürungen der Chorda durch Herein- 
wachsen der Scheide gedenkbar ist und spricht für einen solchen Vorgang einmal das 
von mir aufgefundene Verhalten der Wirbelsäule von Heptanchus, bei der nachträglich 
neue Wirbelkörper zwischen den alten sich zu bilden scheinen und zweitens der Um- 
stand, dass in den Wirbelsäulen der grossen Mehrzahl der Plagiostomen, später in der 
That der Theil der Scheide, der nach innen vom Doppelkegel liegt, in der Mitte der 


Wirbel nach innen wuchert und die Chorda ganz oder fast ganz verdrängt. 


2. Die Verkalkung der Chordascheide beginnt niemals an der Oberfläche, sondern 
immer im Innern derselben und zwar in der Nähe der eigentlichen Chorda, und zugleich 
in der Mitte der Längsaxe der Wirbelkörper. Ohne Ausnahme bestehen die ersten 
Knochenscherben nicht aus ächtem Knorpelknochen, sondern aus Faserknochen. mit 
andern Worten. es ist das Gewebe, das zuerst verkalkt, noch nicht ächter hyaliner 
Knorpel, sondern ein Gewebe, das zwischen Bindegewebe und Faserknorpel die Mitte 
hält und spindelförmige Zellen in streifiger Grundsubstanz zeigt. 

3. Die Formen der ersten Knochenscherben sind die von Ringen (Heptanchus 
vordere und mittlere Wirbel), die dann zu dünnen Doppelkegeln sich gestalten (Hep- 
tanchus hintere Wirbel, Centrophorus), an denen der Rest der Chordascheide einen 
äussern und innern Beleg bildet, die ich als äussern und innern Knorpel der 
chordalen Wirbelkörper bezeichne. 

4. Das Wachsthum dieser Doppelkegel, die als die eigentlichen oder chordalen 
Wirbelkörper zu bezeichnen sind, geschieht, wenn sie einmal ihre volle Länge erreicht 
haben, in drei verschiedenen Weisen und zwar durch Ansatz auf die äussere und die 
innere Fläche (Diekenwachsthum) und durch Anlagerungen an den Rändern derselben 
( Längenwachstluum). 

5. Das Diekenwachsthum von aussen kommt auf Rechnung des äussern 
Knorpels des chordalen Wirbelkörpers und ist entweder gleichmässig oder ungleichmässig. 
Im ersteren Falle entstehen regelmässige Doppelkegel von grösserer Stärke, im letztern 
nehmen die Wirbelkörper verschiedene Formen an. Entweder bilden sich Doppelkegel mit 
äusseren Kanten und Furchen von sehr verschiedener Entwickelung (Heptanchus, 
Ginelymostoma,Rajidae zum Theil, Nietitantes) oder es entstehen mehr eylindrische 
Körper, indem die äussere Aushöhlung der Wirbelkörper ganz sich ausfüllt, welche bald 
ganz dicht sind (Myliobates, Rhinobatus) oder aus abwechselnden Lagen von Knorpel 
und Knorpelknochen bestehen (Squatina). In Einem Falle (Cestracion) findet sich bei 
geringer Entwickelung des Doppelkegels eine kleine oberflächliche Verkalkung an den 
Seiten der Wirbel, jedoch noch im Bereiche der Chordascheide. — Bei diesem Wachs- 
thume stellen sich die Knorpelzellen in Reihen in der Richtung der Radien der Wirbel- 
querschnitte und wuchert natürlich der Knorpel, während er verkalkt, immerwährend fort. 

6. Das Diekenwachsthum von innen kommt in der Mitte der Wirbel, da 
wo die Chorda eingeschnürt ist, ganz und gar auf Rechnung des innern Knorpels und 
kann dieser, indem er wuchernd die Chorda mehr weniger verdrängt, theilweise oder 


ganz verkalken, ja selbst die Chorda ganz verdrängen, so dass die Wirbel undurch- 


brochen werden und die Chorda in einzelne Abschnitte zerfällt. In den einander zuge- 
wendeten Aushöhlungen der Doppelkegel ist es ein Rest der Chordascheide, der mehr 
die Natur eines Faserknorpels besitzt, der das Wachsthum besorgt. Dieser Faserknorpel 
stellt eine mässig dicke Haut dar, die mit der nach innen von ihr gelegenen Elastica 
interna die Aushöhlungen der Wirbelkörper bekleidet und als Periost der Wirbel- 
facetten bezeichnet werden kann. 

7. Das Längenwachsthum der Doppelkegel wird von einer Fortsetzung des 
ebengenannten Periostes besorgt, das als eine Art Ligamentum intervertebrale von einem 
Wirbel auf den andern übergeht und natürlich auch noch der äussern Chordascheide 
angehört. Eine äussere Begrenzung dieses Zwischenwirbelbandes durch eine Elastica 
externa, die ursprünglich da gewesen sein muss und auch bei einfachen Wirbelsäulen, 
wie an denen von Heptanchus und Hexanchus zeitlebens sich findet, habe ich noch 
nieht gesehen. doch muss ich bekennen, dass ich nach dieser Richtung keine beson- 


deren Untersuchungen unternommen habe. 


B. Antheil der äussern skelettibildenden Schicht an der Bildung 


der Wirbelkörper. 
Betheiligung der knorpeligen Wirbelbogen. 


1. Wo die Wirbelbogen an der Bildung der Wirbelkörper Antheil nehmen, 
erzeugen dieselben in erster Linie durch Vereinigung einen äussern Knorpelbeleg 
um die Chordascheide herum. 

2. Diese äussere Knorpellage kann verkalken und zwar geschieht dies entweder 
in Form zusammenhängender Massen oder so, dass der gewöhnliche Pflasterknochen 
der Plagiostomen entsteht. 

3. Diese Verkalkungen treten erstens als isolirte Bildungen auf und zwar in den 
einen Fällen nur seitlich (Heptanchus, Cestracion), in welchem Falle sie Seiten- 
schilder heissen mögen oder auch oben und unten an den dem Gefäss- und Nerven- 
kanale zugewendeten Flächen als Rücken und Bauchschilder (A canthias, Seymnus, 
Centrosceyllium) und zweitens als zusammenhängende grössere Massen, 
welche in die Knochenkruste der Bogen selbst sich fortsetzen (Rajidae, Scyllium). 

4. Mögen diese Schilder diese oder jene Form haben, so zeigen sie ein doppeltes 
Verhalten zu dem eigentlichen chordalen Doppelkegel, indem sie entweder von dem- 
selben ganz getrennt bleiben (Heptanchus, Cestracion) oder an den vordern und 


— 


hintern Enden mit den Rändern desselben sich verbinden (Scymnus, Acanthias, Ra- 
jidae, Scyllium). 

Betheiligung der häutigen Theile der äussern skelettbildenden Schicht oder des Perichondrium der 

Chordascheide an der Bildung der Wirbelkörper. 

1. Der Antheil der knorpeligen Bogen an der Bildung der Wirbelkörper ist nie- 
mals ein bedeutender, dagegen findet man bei allen stark verkalkten Wirbeln, vor Allem 
der Haie, noch besondere äussere Verkalkungen, die einfach als Periostablagerungen 
bezeichnet werden können. 

2. Diese Ablagerungen nehmen immer die beiden Seiten und die obere und untere 
Mittellinie der Wirbel ein und haben immer die Form von Zapfen oder Kegeln, 
daher sie Seiten-, Rücken- und Bauchzapfen heissen mögen. 

3. Der Bau dieser vier Zapfen ist ferner ein eigenthümlicher und bei allen 
Gattungen wesentlich derselbe, indem sie aus einem verkalkten Faserknorpel mit schönen 
Sharpey’schen Fasern (Radialfasern) bestehen, die ebenfalls verkalkt sind, und wo 
sie nur etwas entwickelt sind, Blutgefässe enthalten, die sonst in den Wirbeln sehr 
selten sind und nur noch in den Wirbelkörpern von Squatina gesehen wurden. 

4. Bezüglich auf ihre Stellung zu den übrigen Wirbeltheilen, so finden sich diese 
periostalen Zapfen sehr selten als Auflagerungen auf den Schildern, die den Bogen ihren 
Ursprung verdanken (Sceyllium, Ginglymostoma, in Andeutungen bei Heptanchus). 
In der Regel grenzen dieselben unmittelbar an den chordalen Wirbelkörper und verbinden 
sich entweder in der ganzen Ausdehnung desselben mit seiner Aussenfläche (Lamnoidei) 
oder so dass sie genau in der Mitte des Wirbels in einer kleinen Strecke mit dem- 
selben nicht zusammenhängen (Nlietitantes, Trygon). 

5. Der gröbere Bau dieser periostalen Zapfen ist sehr verschieden. Bei den Nic- 
titantes und bei Trygon und Scyllium sind dieselben einfache ganz verkalkte 
Zapfen. Bei Ginglymostoma und den Lamnoidei dagegen besteht jeder Zapfen aus 
abwechselnden weichen und verkalkten Blättern. Diese Blätter können in 
den tiefern Theilen wieder durch kurze Querblätter sich verbinden (Oxyrhina, Odon- 
taspis, Carcharodon, Ginglymostoma), welche in Einem Falle (Selache) so 
ausgebildet sind, dass die Zapfen innen vorzugsweise aus,concentrischen Blättern, aussen 
aus in der Richtung der Radien des Querschnittes stehenden Platten bestehen. 

6. Alle Wirbel mit periostalen Zapfen haben im Innern, den Abgangsstellen der 
Bogen entsprechend, ein Knorpelkreuz. Der tiefe an den chordalen Wirbelkörper 
angrenzende Theil eines jeden Knorpelzapfens gehört der Chordascheide an, der ober- 


—- 1 — 


flächliche den Bogen, doch sind die Grenzen beider Abtheilungen nur in seltenen Fällen 
(Mustelus) durch erkennbare Reste der Elastica externa bezeichnet. 


Ueberblickt man nach Kenntniss der Bildungsgesetze der Plagiostomenwirbel die bei 
den einzelnen Gattungen vorkommenden Formen, so zeigt sich, dass die mannigfaltigen 
Gestaltungen auf einige wenige Typen sich zurückführen lassen. Diese Typen haben 
eine ganz scharfe Begrenzung, indem dieselben durch die Betheiligung oder 
den Mangel eines oder mehrerer der an der Wirbelbildung Antheil nehmenden 
Primitivorgane (der Chordascheide, der Bogen, des äusseren Periostes) von 
einander sich unterscheiden, es ist jedoch zu bemerken. dass zahlreiche scheinbare 
Uebergänge derselben entstehen dadurch, dass der Antheil eines Primitivorganes oft so 
gering ist, dass Annäherungen an die benachbarten Typen entstehen und so eine schein- 
bar zusammenhängende Reihe von den einfachsten zu den verwickeltesten Gestaltungen 
entsteht. Ausserdem muss hervorgehoben werden, dass oft bei einer und derselben Art 
in verschiedenen Gegenden der Wirbelsäule verschiedene Typen sich finden, sowie 
ferner, dass alle zusammengeselzteren Typen bei ihrer Entwickelung die Formen 
gewisser einfacherer durchlaufen. Es sind demnach diese Typen nur aufzufassen als 
Glieder von Entwickelungsreihen und nicht als für sich bestehende, unveränderliche und 


in keinerlei Beziehungen zu einander stehende Gestaltungen. 


Die zu unterscheidenden Typen nun sind folgende. 


Typus EB. 


Der Wirbelkörper geht einzig und allein aus der Scheide der Chorda hervor. 


1. Wirbelsäule ganz weich (faserknorpelig) ohne Gliederung. Callorhynchus. 

2. Ebenso, nur mit ringförmigen Verknöcherungen in der Mitte der Chordascheide, 
deren Zahl die der Bogen um Vieles übertrifft. Chimaera. 

3. Wirbelkörper ganz weich (faserknorpelig), unvollständig gesondert, aber doch 
durch Scheidewände, die die Chorda einschnüren, bezeichne. Hexanchus. 

4. Wirbelkörper theilweise knorpelig mit kleinen ringförmigen knöchernen Doppel- 
kegeln. Heptanchus, vordere Wirbel. 


5. Wirbelkörper dicht und fast ganz verkalkt. Hintere Wirbel von Myliobates, 


Rhinobatus, Taeniura. 
Abhandl. d,. Senckenb, naturf. Ges. Bd. V. 10 


= 


Typus II. 


Der Wirbelkörper bildet sich zum Theil aus der Scheide der Chorda, zum Theil aus 
den verschmolzenen knorpeligen Bogen. 


A. Antheil der Bogen gering. 
I. Chordaler Wirbelkörper wenig verkalkt. 

1. Chordaler Wirbelkörper mit einem zarten knöchernen Doppelkegel in seiner 
Mitte. Der von den Bogen abstammende Beleg nicht verkalkt. Centrophorus. 

2. Chordaler Wirbelkörper mit einem stärkeren knöchernen Doppelkegel. Knorpel- 
rinde der Bogen mit Seitenschildern verkalkt. Heptanchus hintere Wirbel, Ces- 
tracion. 

3. Ebenso, Knorpelrinde der Bogen mit vier Schildern verkalkt, die mit den 
Rändern des Doppelkegels verschmelzen. Acanthias, Scymnus, Centroscyllium. 


ll. Chordaler Wirbelkörper stark verkalkt. 

4. Chordaler Wirbelkörper fast ganz verkalkt aus abwechselnden ringförmigen 
Lagen von Knochenknorpel und Knorpel, Knorpellage der Bogen am Schwanze mit 
Seitenschildern. Squatina. 

5. Chordaler Wirbelkörper mit einem starken verkalkten, vielkantigen Doppel- 
kegel. Knorpellage der Bogen ringsherum stark verkalkt. Raja und Torpedo, hintere 
Wirbel 

B. Antheil der Bogen gross. 

6. Chordaler Wirbelkörper theils knorpelig, theils mehr weniger verkalkt, zum 

Theil noch gross, zum Theil nur spurweise vorhanden; der Knorpel der Bogen mehr 


weniger verkalk. Vordere verschmolzene Wirbel von Chimaera, Callo- 
rhynchus, und aller Rajidae mit Ausnahme von Trygon. 


Typus III. 


Der Wirbelkörper bildet sich aus der Scheide der Chorda, einem Antheile der Bogen 
und aus Ablagerungen von verkalktem Faserknorpel von dem zwischen oder 
auf dem Bogentheile gelegenen Perioste ( Periostablagerungen ). 


1. Chordaler Wirbelkörper mit einfachem oder kantigem mässig starkem Doppel- 
kegel. Knorpelrinde der Bogen vollständig, oberflächlich verkalkt, Periostablagerungen 


=. WI 


an der äusseren Seite derselben schwächer in Form vier einfacher oder blätteriger 
Zapfen. Scyllium, Ginglymostoma. 

2. Knorpelige Bogen nicht verschmolzen, mit 4 Zapfen in den Wirbelkörper ein- 
drinsend. Chordaler knöcherner Doppelkegel mässig stark, einfach. Periostale Zapfen 
mässig stark, einfach. Trygon. 

3. Ebenso. Chordaler Doppelkegel vierkantig, in der Mitte frei. Periostale 
Zapfen stark, einfach. Haie mit Nickhaut. 

4. Ebenso. Chordaler Doppelkegel in seiner ganzen Länge mit den periostalen 
Zapfen verschmolzen. Diese sehr stark, aus weichen und verkalkten Theilen gebildet, 
die zum Theil Längsblätter, zum Theil ringförmige Lagen bilden. Lamnoidei. 


Es erübrigt nun noch einiges über die Gewebe mitzutheilen, die an der Bildung, 
der Wirbelsäule Antheil nehmen, um so mehr, da in dieser Beziehung selbst bei den 
neuesten Autoren Missverständnisse obwalten. 

Die weichen Gewebe, die hier in Betracht kommen, sind: 

1. Eine Bindesubstanz mit spindelförmigen Zellen und streiliger 
jedoch kaum bestimmt faseriger Grundsubstanz. Dieses Gewebe bildet ohne Ausnahme 
die junge Chordascheide und kann auch länger in ihr sich erhalten. Wenn dasselbe 
verknöchert, geht es über in den sogenannten „Faserknochen“* von J. Müller 
und mir, der keineswegs identisch ist mit „Bindegewebsknochen“, wie Gegenbaur 
meint (zur vergl. Anat. der Wirbelsäule der Amphibien und Reptilien, 1862 S. 61), 
wohl aber auch „verkalkte Bindesubstanz“ genannt werden kann. 

2. Ein Faserknorpel mit Knorpelzellen in faseriger Grundsubstanz in mehr- 
fachen Abarten und zwar: 

a) mit parallelfaseriger Grundsubstanz, in den Auskleidungen der conischen End- 
flächen der Wirbelkörper und den Ligamenta intervertebralia, ein Gewebe von 
dem aus der Wachsthum der Doppelkegel theilweise besorgt wird. 

b) Mit starken Sharpey’schen Fasern (Bindegewebsbündeln) und hyaliner oder 
fein netzförmiger Grundsubstanz. 

Verkalkt können a und b „verkalkter Faserknorpel“ heissen. 

3. Aechter hyaliner Kn’orpel, verkalkt Knorpelknochen. 

Diese drei Arten weicher Gewebe zeigen, abgesehen von den perforating fibres, 


sowohl mit Bezug auf die Zellen als auch auf die Grundsubstanz, die mannigfachsten 
10* 


— ihr 


Uebergänge und wird es so begreiflich, dass auch die verkalkten Gewebe nur in den 
äussersten Formen zu unterscheiden sind. Ebenso kommen Anklänge der letztern an 
jene Formen ächten Knochens vor, die spindelförmige Zellen enthalten, wie sie bei 
einigen Fischen (Thynnus, Salmo, Macrostoma u. s. w.) sich finden. Trotz dieser 
Uebergänge und Verwandschaften wird es doch bei einem Blicke auf die Verhältnisse 
im Grossen und Ganzen gerechtfertigt erscheinen, die vorkommenden Unterschiede 
festzuhalten und zu betonen, um so mehr da auch die chemischen Verhältnisse der 
betreffenden Gewebe noch gar nicht bekannt sind, und lässt sich daher für einmal der 
Satz festhalten „ dass die Wirbelsäule der Plagiostomen aus einfacher Bindesubstanz 
und Knorpel im weichen oder verkalkten Zustande sich aufbaut. 


Vergleichung der Wirbel der Plagiostomen mit denjenigen der 
übrigen Fische. 


Die nahe liegende Vergleichung der hier besprochenen grossen Abtheilung der 
Fische mit den übrigen Fischen wird aus dem Grunde sehr erschwert, weil über den 
feineren Bau und die Entwickelung der Wirbelsäule der Teleostier und Ganoiden 
noch keine zusammenhängende Untersuchungsreihe vorliegt. Auch ich kann aus diesem 
Gebiete noch nichts Umfassenderes vorlegen, immerhin glaube ich doch eine solche 
Zahl von Erfahrungen gesammelt zu haben, dass es mir möglich sein wird, wenigstens 


eine gewisse Zahl von Punkten festzustellen. 


I. Wirbelsäule der Teleostier. 

Die Primitivorgane, aus denen die Wirbelsäule der Selachier sich aufbaut, 
Chordascheide und Knorpelbogen, kommen auf den ersten Blick auch den Teleostiern 
zu und lassen sich an der Chordascheide selbst an ausgebildeteren Wirbelsäulen noch 
die Elastica interna, Faserschicht und Elastica externa unterscheiden. Es gibt zwar 
Gegenbaur an (l.c. S.59), dass es bei mehreren Gattungen der Familie der Cypri- 
niden (Barbus, Tinca, Leueiscus, Scardinius) ihm nicht gelungen sei, die Elastica 
externa der Chordascheide aufzufinden, ich habe dieselbe jedoch bei Salmo umbla von 
1‘, Chondrostoma nasus von 2‘ Länge, Hechten von 12‘ und ausgewachsenen Barschen, 
Aalen, Forellen und Lachsen gesehen und glaube somit annehmen zu dürfen, dass 


diese Haut, wenn sie auch vielleicht nicht bei allen ausgewachsenen Knochenfischen gefun- 
den wird, doch sicherlich allen ursprünglich zukommt. Stimmen nun auch in dieser Be- 
ziehung die Teleostier mit den Plagiostomen überein, so unterscheiden sie sich doch 
sehr wesentlich dadurch, dass die Faserschicht ihrer Chordascheide nie 
Zellen enthält und auch im Ganzen nur wenig entwickelt ist. Letzterer Umstand 
wäre nun freilich von geringerem Belang, um so mehr da die genannte Lage später 
wenigstens an einer Stelle mächtig ausgebildet ist und den innersten Theil der Ligamenta 
intervertebralia darstellt; das erstere Verhalten dagegen scheint auf einen fundamen- 
talen Unterschied in der Entwickelung der Chordascheide bei beiden Abtheilungen 
hinzudeuten und zu beweisen, dass die Chordascheide der Teleostier, ebenso wie die 
der Säuger, Vögel und beschuppten Amphibien, nach der von mir aufgestellten Ver- 
muthung, nur eine von der Chordagallerte ausgehende, ursprünglich structurlose Abla- 
gerung, ähnlich den Cuticularbildungen, ist, während die der Plagiostomen aus einer 
besonderen Zellenmasse des mittleren Keimblattes sich aufbaut. Bei der grossen 
Tragweite dieser Angelegenheit ist es jedoch gerathener, vorsichtig vorzugehen und zu 
fragen, ob nicht vielleicht die Chordascheide der Teleostier ursprünglich aus Zellen 
besteht und dieselben später verliert oder vielleicht doch unter ganz besonderen Ver- 
hältnissen Zellen zeigt. Was das erste anlangt, so melden die einzigen Untersucher, 
die die histologischen Verhältnisse der Entwickelung dieser Fische ausführlicher erforscht 
haben, Vogt und Lereboullet (KEtud. d’Embryol. comparde 1862), nichts von dem 
Vorkommen von Zellen in der Chordascheide junger Fische, wobei jedoch zu 
berücksichtigen ist, dass bei Vogt die eigentliche Scheide und die äussere skeleti- 
bildende Schicht, zusammen als Scheide der Chorda beschrieben sind. Auch ich habe 
bei jungen Forellen von 12‘ bis zu solchen von 6‘ ohne Ausnahme die Faserlage 
der Chordascheide, die deutlich querfaserig oder querstreifig war, ohne Zellen 
gesehen und ebenso habe ich auch an den relativ mächtigen Chordascheiden der freien 
Chorda am Ende der Wirbelsäule erwachsener Karpfen, Lachse und Hechte (Ueber 
das Ende der Wirbelsäule der Ganoiden und einiger Teleostier 1860, S. 14, 16, 17) 
und in den Theilen derselben, die bei allen Teleostiern zu den innersten Theilen der 
Ligamenta intervertebralia sich gestalten, nichts von Zellen gefunden. 

Diesem zufolge glaube ich behaupten zu dürfen, dass die Chordascheide der 
Teleostier, wenn auch aus denselben drei Lagen bestehend, wie die 
der Plagiostomen und in ihren Beziehungen zur Chorda derselben ganz 
gleich, doch einen ganz anderen Bau und eine andere Bedeutung besitzi- 


—, BE 


Ich bezeichne dieselbe demnach als innere oder eigentliche Scheide und stelle 


sie in ihrer Bedeutung der Elastica interna der Plagiostomen an die Seite. 


Ueber das Verhalten der Wirbelbogen glaube ich meinen Erfahrungen zufolge 
aussagen zu können, dass dieselben bei allen Teleostiern ursprünglich knorpelig sich 
anlegen. Zwar scheinen die Beobachtungen von A. Müller bei einigen Cyprinen 
(Müll. Arch. 1853) dem zu widersprechen, indem nach diesem Forscher die Wirbel- 
bogen hier von Anfang an knöchern auftreten, allein A. M. gibt schon an, dass an den 
vorderen Wirbeln die Bogen eine knorpelige Basis haben und nach meinen Erfahrungen 
an 2’ Jangen Individuen von Chondrostoma nasus und 1',‘ langen Exemplaren von 
Cyprinus carpio (kleinere Cypriniden waren mir bis jetzt nicht zugängig) müssen 
auch bei den Cypriniden ursprünglich Knorpelstrahlen dagewesen sein, denn es enthalten 
noch bei Individuen der angegebenen Grösse sowohl die Rippen und die unteren Bogen, als 
auch die oberen Bogen im Innern ganz deutlich einen verkümmerten Knorpelstrahl. 
Hierzu kommt noch, dass der chordale Endfaden der Wirbelsäule des Karpfen nach 
meinen Erfahrungen ganz und gar von einem Knorpelrohre umgeben ist, das nichts 
Anderes als verschmolzene Bogen darstellt. — Im weitern Verlaufe theilen sich dann freilich 
die Teleostier in zwei Gruppen. Bei den einen nämlich verknöchern die Bogen sehr 
bald und verschmelzen mit den Wirbelkörpern, während bei den andern die Basen der 
Bogen knorpelig bleiben und bei der Dickenzunahme der Wirbel in das Innere derselben 
aufgenommen werden, so dass dann auf Querschnitten das bekannte Doppelkreuz der Sal- 
monen, Esocinen u. a. entsteht. 


Eine Verschmelzung der knorpeligen Bogen um die chordalen Wirbelkörper herum, 
welche bei den Plagiostomen sehr häufig ist, kommt bei den Teleostiern so selten vor, 
dass noch Gegenbaur vor Kurzem behaupten konnte, dass Knorpelringe bei den 
Teleostiern durchaus nicht vorkommen (l. ec. S. 62) und doch hatte ich schon vorher 
die knorpeligen Scheiden des chordalen Endfadens bei Salmo, Cyprinus carpio. 
Alosa vulgaris und Elops saurus beschrieben und zugleich angegeben, dass eine 
solche Scheide beim Hechte fehle. Solche Fälle werden gewiss noch mehr zur 
Beobachtung kommen, immerhin wird es richtig bleiben, dass an dem regelrecht ver- 
knöchernden Theile der Wirbelsäule ein solches Verhalten sich nicht findet und die 
Bogen getrennt bleiben. 


Die erste Ossification der Wirbelsäule der Teleostier geschieht durch Verknöche- 
rungen der eigentlichen Chordascheide. 


—. A 


Bekanntlich hat schon J. Müller vermuthet, dass die Chordascheide einen Antheil an 
der Bildung der Wirbel der Teleostier nehme und sind dann von A. Müller (l. c.) und mir 
(Würzb. Verh. Bd. X) für die Cyprinen und Leptocephaliden auch die wirklichen 
thatsächlichen Belege für diese Vermuthung beigebracht worden, während ich zugleich 
den Satz aufstellte, dass wahrscheinlich bei den Teleostiern ein solches Verhalten der 
Chordascheide ausgebreiteter vorkomme. Seit dieser Zeit ist über diesen Gegenstand 
Nichts weiter beigebracht worden, wenn man nicht einige wenig bestimmte Bemerkungen 
von Gegenbaur (]. ce. $. 59) aufzählen will, der zwar geneigt scheint, eine 
Betheiligung der Chordascheide an der Wirbelbildung anzunehmen, aber doch angibt, 
dass es ihm bei mehreren Cypriniden nicht gelungen sei, diesen Antheil der Chorda- 
scheide zu erkennen. Die Chordascheide bestehe hier nur aus einer in den Inter- 
vertebralräumen sehr verdickten Lamelle (den von mir beim Hechte sogen. Lig. inter- 
vertebralia interna) und nach aussen von dieser Lamelle liege überall der Knochen 
des Doppelkegels. Weder in letzterem noch ausserhalb desselben sei Etwas aufzu- 
finden, was als Elastica externa zu deuten wäre. 

Bei dieser Sachlage schien es mir wünschenswerth, die Angelegenheit von Neuem 
zu prüfen, doch kann ich für einmal aus einer noch nicht abgeschlossenen Untersuchung 
nur Folgendes mittheilen. 

Die erste Entwickelung der Wirbel habe ich bis jetzt nur beim Lachse, bei 
der Forelle und bei S. umbla geprüft, welche alle die nämlichen Ergebnisse lieferten, 
daher ich nur von den zwei letzten Arten handeln will, die genauer untersucht wurden. 
Bei Individuen von 10 und 11‘ Länge ist es leicht zu zeigen, dass die ersten Ver- 
knöcherungen der Wirbelsäule der Chordascheide angehören, an der hier nur zwei Lagen, 
eine leicht der Quere nach reissende und dann ein künstliches Netz bildende Elastica 
externa und eine helle querfaserige innere Lage ohne Zellen zu unterscheiden waren. 
Im entwickelteren Zustande, m. a. W. im vorderen Theile der Wirbelsäule waren 
die Ossificationen nach oben (nach der Rückseite) offene Ringe, die die ganze Dicke 
der Faserlage der Chordascheide einnahmen, jedoch nach aussen bestimmt von der Elastica 
bekleidet sich zeigten (Figg. XI, XI). Weiter nach hinten wurden diese Halbringe immer 
schmaler und erschienen endlich nur noch als rechteckige und zuletzt rundlich vier- 
eckige Plättchen an der unteren Seite der Chordascheide, auf deren feinere Form- 
verhältnisse und sonstige Besonderheiten ich hier nicht eingehen kann. Nur eines — 
obschon nicht unmittelbar hierher gehörig — kann ich nicht unterlassen hier anzumerken, 
dass nämlich auch der Schädeltheil der Chorda in seiner ganzen Länge eine verknöcherte 


ze I 


Scheide besass (Fig. XI), die auch einen lang gezogenen Halbkanal darstellte und oben 
offen war. — 

In weiterer Ausbildung werden die chordalen Halbringe, die selbstverständlich keine 
Structur und keine Zellen besitzen, zu vollständigen Ringen, zugleich beginnt aber auch 
in der äussern skelettbildenden Schicht die Ablagerung von ächtem Knochen auf die- 
selben und können dieselben somit nie ein weiteres Dickenwachsthum zeigen. Solche 
junge Wirbel mit den zwei Lagen zeigt die Fig. XIII von einer Nase von 2”. Dagegen 
wächst bei gewissen Gattungen der chordale Wirbelkörper, während zugleich die Periost- 
ablagerungen zunehmen und die Chorda zwischen je zwei Wirbeln mit wächst, in der 
Länge weiter, wobei er zugleich etwas dicker wird. Doch gibt es auf der andern 
Seite auch Fische, bei denen dieser Theil des Wirbels nie eine grössere Aus- 
dehnung gewinnt und später nur den mittelsten Theil des Wirbelkörpers einnimmt. 
Da hier nicht der Ort für die ausführliche Schilderung dieser Verhältnisse ist, so begnüge 
ich mich mit der Vorlage und Erläuterung einiger Zeichnungen, welche die Haupttypen der 
Wirbelbildung der Teleostier darstellen. 

Figg. XIV u. XV sind sagittale Längsschnitte durch Wirbel einer Forelle von 11’ Länge. 
Fig. XIV zeigt die Anordnung der Theile im Allgemeinen. aa ist der vom Perioste aus 
gebildete Doppelkegel, an dem wieder der eigentliche compacte Doppelkegel und die in 
den äusseren Aushöhlungen desselben befindlichen Ablagerungen von schwammigem, an 
fetthaltigem Marke reichem Gewebe bb zu unterscheiden sind. Der helle Saum ce an 
der innern Seite des periostalen Doppelkegels ist der auf Kosten der Chordascheide 
gebildete Doppelkegel, der jedoch nicht ganz so weit sich erstreckt, wie der erstere. 
Die Chorda selbst d verhält sich, wie ich es früher vom Hechte beschrieb, d. h. es finden 
sich an der Stelle der Gallerte an gewissen Orten mit Wasser erfüllte Höhlen ee, 
während dieselbe an andern f zusammenhängend bleibt und wie Scheidewände bildet, 
nur finde ich, was auch beim Hechte so sein wird, dass hier die Scheidewände durch 
dünne Stränge von Chordasubstanz g mit einander zusammenhängen. — Umgeben wird 
die Chorda von einer Elastica interna h, auf welche im Bereiche der Wirbel der 
chordale Doppelkegel, zwischen denselben das von mir sogenannte Lig. intervertebrale 
internum @ folgt. Dieses ist, wie das Auffinden der Elastica externa kk an seiner 
Aussenseite beweist, nichts Anderes als ein Rest der Faserlage der Chordascheide und 
das Material, aus welchem der chordale Doppelkegel in die Länge d. h. an seinen 
Rändern wächst, so lange die Wirbelsäule noch zunimmt, welche Verhältnisse die ver- 


grösserte Fig. XV besser versinnlicht als weitere Beschreibungen. In dieser stellt e den 


a 


chordalen Doppelkegel vor, der bei ce‘ so endet, dass er mit dem Lig. intervertebrale 
internum unmiltelbar zusammenhängt, welches an dem dargestellten Präparate zufällig 
durch eine Lücke o von der Elastica interna und der eigentlichen Chorda getrennt war. 
Aussen an den Rändern der periostalen Doppelkegel und aussen an der Elastica externa 
der Chordascheide findet sich das starke bogenförmige Lig. intervertebrale externum /, 
welches das Längenwachsthum des periostalen Doppelkegels besorgt und bei der Forelle 
eine innere hellere und eine äussere dunklere Zone zeigt und aus Bindegewebe mit 
Zellen. besteht. Das Lig. intervertebrale internum dagegen zeigt keine Zellen, sondern 
nur ein helles faseriges Gewebe mit einer gewissen Zahl feiner netzförmig verbundener 
elastischer Fäserchen. 

Dass der chordale Doppelkegel wirklich der Chordascheide seinen Ursprung ver- 
dankt, habe ich übrigens nicht nur aus den Beziehungen der Theile zu einander, wie 
sie die Fig. XV zeigt und aus der oben gemeldeten Erfahrung über junge Forellen- 
wirbel entnommen, vielmehr kann ich in dieser Hinsicht noch einen andern vollgültigen 
Beweis vorlegen und zwar den, dass nach dem Ausziehen der Kalksalze die Elastica 
externa der Chordascheide an der Aussenseite der fraglichen Schicht, somit im 
Innern des knöchernen Doppelkegels des Wirbels nachzuweisen ist. 

Einem etwas andern Typus folgen die Wirbel des Aales, welche die Fig. XVI. 
darstellt, wogegen die Wirbel des Hechtes ganz mit denen der Forelle stimmen 
Beim Aale sind, abgesehen von der Chorda selbst, deren Verhältnisse ich als minder 
erheblich bei Seite lasse, folgende Eigenthümlichkeiten da. Erstens ist der chordale 
Doppelkegel e ganz klein und nur im innersten Theile des Wirbels vorhanden und 
zweitens findet sich an der Aussenseite der Elastica externa der Chorda eine Lage 
von weicher, ächter Bindesubstanz m als unmittelbare Auskleidung der concaven Aus- 
höhlungen der Wirbelendflächen, welche durch das Lig. intervertebrale von einem 
Wirbel auf den andern übergeht. Diese Lage, welche entschieden der äussern skelett- 
bildenden Schicht angehört und die inneres Periost der Wirbel, oder Periost 
der Wirbelfacetten heissen mag, scheint beim Aale keinen Antheil an der Bildung 
des knöchernen Wirbels zu nehmen; dagegen sind mir andere Fische bekannt geworden, 
wo dies wirklich der Fall ist und zwar kenne ich bisher zwei Unterformen. Bei den 
einen Gattungen besteht dieses Periost aus Bindegewebe oder Bindesubstanz und liefert 
eine osleoide Substanz, welche die innerste Lage des periostalen Doppelkegels bildet, 
jedoch von demselben durch eine besondere Schichtung sich unterscheidet, so bei Perca, 


Triodon, bei andern hat dasselbe den Bau von Fa serknorpel und geht beim Ver- 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. YV, 11 


ea „a 


kalken in eine Lage von Knorpelknochen über, welche die Wirbelfacetten bekleidet, 
und natürlich scharf von dem eigentlichen Gewebe derselben absticht. Diese Form 
habe ich bis jetzt nur gesehen bei Auxis bisus, erwarte sie jedoch noch bei 
manchen andern von den Gattungen, deren Skelett aus ächter Knochensubstanz mit 
Zellen besteht. 

Wahrscheinlich gibt es nun noch einen dritten Typus, bei dem ein Periost der 
Wirbelfacetten zugleich mit einem entwickelteren chordalen Doppelkegel sich findet. 
Ist dieses Periost nicht verkalkt, so wird der chordale Doppelkegel von dem 
periostalen durch einen Zwischenraum abstehen, wie dies in der That nach J. Müller’s 
leicht zu bestätigenden Angabe bei Xiphias gladius der Fall ist, im entgegen- 
gesetzten Falle wird der Doppelkegel aus drei besonderen Lagen bestehen, zwischen 
denen jedoch die Grenzen ausser an den Wachsthumsstellen vielleicht oft verwischt 
sein mögen. 

Fasse ich nun zum Schlusse die Hauptresultate, die in Betreff der Wirbelbildung 
der Teleostier sich herausgestellt haben, zusammen, so ergeben sich folgende Sätze. 

1. Die Chordascheide der Teleostier besteht wie die der Selachier aus drei 
Schichten, hat jedoch hier einfach die Bedeutung einer Ausscheidung der Chorda- 
gallerte, indem die mittlere oder Faserlage nie Zellen enthält. 

2. Die erste Ossification der Wirbel geschieht in der mittleren Lage der 
Chordascheide, besteht immer aus einfacher osteoider zellenloser Substanz und hat 
wenigstens bei den Salmonen die Form von Plättiehen der Bauchseite, die allmählig, 
nach der Rückenseite wachsend, zu Halbringen und schliesslich zu ganzen Ringen 
sich gestalten, welche dann je nach den Gattungen nur eine geringe Grösse erreichen 
oder so lange mitwachsen als die Wirbel überhaupt sich vergrössern. 

3. Die Bogen sind bei den Teleostiern ursprünglich immer knorpelig, ver- 
knöchern jedoch bei manchen Galtungen früh, während sie bei andern lange im 
Knorpelzustande sich erhalten. Nur im letztern Falle nehmen sie einen Antheil an 
der Wirbelbildung und stellen das Knorpelkreuz im periostalen Wirbelkörper dar, das 
stellenweise in ächten Knorpelknochen übergeht. 

4. Eine Verschmelzung der knorpeligen Bogen ist bei den Teleostiern selten 
und finden sich die einzigen bis jetzt bekannten Beispiele an den chordalen End- 
faden einiger Gattungen. 

5. Bei den meisten Teleostiern mit wenigen Ausnahmen (Leptocephaliden) 
haben Periostablagerungen einen mehr weniger grossen Antheil an der Bildung der 


— 39 — 


Wirbel und erzeugen dieselben da, wo sie am ausgeprägtesten vorkommen 1) die 
Hauptimassen der Doppelkegel, 2) die in den äussern Aushöhlungen derselben 
gelegenen meist schwammigen Massen, 3) innere Auflagerungen an den concaven 
Facetten der periostalen Doppelkegel. 

6. Die Chorda der Teleostier wird in der Mitte der Wirbel nie verdrängt und 
wächst je zwischen zwei Wirbeln mit der Wirbelsäule fort, wobei sie allerdings 
verschiedene Veränderungen erfahren und stellenweise in Knorpel übergehen (Gegen- 


baur, ich) oder besondere Höhlungen erzeugen kann. — 


Die Haupttypen der Wirbelkörper der Teleostier sind folgende : 


I. Die Wirbel bestehen nur aus der verknöcherten Chordascheide. 
Leptocephaliden. 


II. Die Wirbel besiehen aus der verknöcherten Chordascheide und dussern 
Periostablagerungen. 


Die grosse Mehrzahl der Teleostier. 


III. Die Wirbel bestehen aus der verknöcherten Chordascheide, äussern Periost- 
ablagerungen und einem Antheile der Bogen. 


Alle Teleostier mit einem Knorpelkreuze im Innern der Wirbelkörper. 


Im Einzelnen ergeben sich dann noch Unterformen je nach der Ausdehnung des 
chordalen Wirbelkörpers. dem Vorkommen oder Fehlen des Periostes der Wirbel- 
facetten. dem Baue dieses Periostes und der vorhandenen oder mangelnden Ver- 
knöcherung desselben, deren specielle Aufzählung einer spätern Zeit vorbehalten 


bleiben muss. 


H. Wirbelsäule der Ganoiden. 


Eine Darlegung der Gesetze der Wirbelbildung bei den Knochenganoiden, welche 
hier vor Allem in Betracht kommen, ist noch schwieriger als eine solche der Wirbel- 
entwickelung der Teleostier, weil bei den ersteren eine Kenntniss der ersten Entwicke- 
lung der Wirbelsäule ganz fehlt. Nichts destoweniger habe ich durch Untersuchung 
der Wirbel der fertigen Geschöpfe, sowie des wenig entwickelten Endes der Wirbel- 
säule derselben eine Reihe Anhaltspunkte gewonnen, welche mir erlauben, wenigstens 


die Grundzüge der Wirbelgenese festzustellen. 
de 


a 


Die Chordascheide der Ganoiden besteht aus denselben drei Lagen, wie 
die der Selachier und Teleostier, es ist jedoch hervorzuheben, dass die Faserlage 
derselben bei Acipenser, Scaphyrhynchus, Spatularia, Polypterus und 
Amia wie bei den Teleostiern gebaut ist und keine Zellen enthält. während 
Lepidosteus eine Abweichung zu begründen scheint. indem hier, wie ich 
schon an einem andern Orte mittheilte (Ende der Wirbelsäule der Ganoiden S. 9), 
wenigstens am Ende der Wirbelsäule die Faserlage der Scheide innerhalb der 
Elastica externa stellenweise sowohl ächten Knorpel als auch eine Bindesubstanz mit 
Spindelzellen enthält. Da es gewiss sehr unwahrscheinlich ist, dass die Chordascheide 
der verschiedenen Gattungen von Ganoiden eine verschiedene Bedeutung besitzt, so 
habe ich mir die Frage vorgelegt, ob vielleicht die Zellen bei Lepidosteus von 
der äussern skelettbildenden Schicht abstammen und an die Innenseite der Elastica 
externa hereingewuchert sind oder ob etwa bei den andern Gattungen die entsprechende 
Lage ursprünglich Zellen besitzt. 

Eine Antwort auf die letztere Frage zu geben, ist leider für einmal unmöglich, 
da die Jugendzustände der Chordascheiden der betreffenden Gattungen noch gänzlich 
unbekannt sind; was dagegen den andern Punkt betrifft, so hat mir eine wiederholte 
Untersuchung meiner Präparate allerdings gezeigt. dass die ausgesprochene Ver- 
muthung wahrscheinlich ist. Das innerhalb der Elastica externa abgelagerte Knorpel- 
gewebe erscheint nämlich als ein von der zellenlosen Chordascheide scharf abge- 
grenztes und macht den Eindruck einer secundären Auflagerung, wie dies auch die 
Figsg. 2 und 4 der Tafel, III in meiner Abhandlung über das Ende der Wirbelsäule 
der Ganoiden deutlich macht und möchte ich nun, wo ich weiss, dass die andern Ganoiden 
alle keine Zellen in ihrer Chordascheide besitzen, allerdings glauben, dass der frag- 
liche Knorpel bei Lepidosteus nicht zur Chordascheide gehört. Ich bin nun freilich 
nicht im Stande anzugeben, wie derselbe an seine Stelle gelangt, da jedoch die 
Elastica externa deutliche Lücken besitzt, so ist es sicherlich nicht unmöglich, dass 
derselbe von der Knorpellage der Bogen abstammt und durch partielle Wucherungen 
derselben durch die’ Lücken der genannten Haut hindurch an die Stellen gelangt, 
wo er später sich findet.. Ist diese Auflassung richtig, so würden dann alle Ganoiden 
im Bau und der Bedeutung ihrer Chordascheide an die Teleostier sich anschliessen 
und einer äussern zellenhaltigen Chordascheide entbehren. — Bei dieser Gelegenheit 
will ich nun auch noch bemerken, dass die Cyclostomen (Branchiostoma, 


Myxine, Petromyzon) ebenfalls nur eine zellenlose Chordascheide haben, 


während bei Protopterus (Lepidosiren) die Chordascheide zellenhaltig ist und 
an die der Selachier sich anschliesst. 

Mit Bezug auf die Gestaltung, welche die Wirbelsäule der Knochenganoiden 
ursprünglich besitzt, wird so lange keine bestimmte Entscheidung zu geben sein, als 
es nicht gelingt, junge Individuen auf diese Verhältnisse zu untersuchen; immerhin 
liegen eine Reihe von Thatsachen vor, welche schon jetzt zur Ableitung von Schlüssen 
verwerthet werden können. Vor Allem könnte man daran denken, aus der Beschaffen- 
heit des Endes der Wirbelsäule bei Amia, Polypterus und Lepidosteus den 
Satz abzuleiten, dass bei diesen Fischen die Wirbel ursprünglich knorpelig sind 
und aus der Chordascheide sammt den sie umschliessenden knorpeligen Bogen 
bestehen. Wir finden nämlich bei allen Knochenganoiden am unverknöcherten Ende 
der Wirbelsäule mehr weniger entwickelt. am schönsten bei Lepidosteus, ein 
zusammenhängendes Knorpelrohr, welches die Chorda umschliesst und auch das 
Rückenmark enthält. Es zeigen jedoch die Teleostier hinreichend bestimmt, dass der 
Zustand. in welchem das Ende der Wirbelsäule bei den erwachsenen Thieren auf- 
tritt, nicht nothwendig mit dem übereinstimmt, in dem die Wirbelsäule zuerst erscheint, 
indem bei den Salmonen und Cyprinen am Ende der Wirbelsäule ebenfalls ein 
mehr weniger vollständiges Knorpelrohr da ist, während die Wirbel sicherlich nicht 
ursprünglich als Knorpelringe auftreten und wird es daher nöthig vorerst zu fragen, 
in welchem Sinne etwa andere Erfahrungen sprechen. Und da scheint mir dann die 
grössere Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen, dass die Wirbel ursprünglich aus einem 
Abschnitte der Chordascheide und den vier nicht verschmolzenen Bogen bestehen. 


Die Thatsachen, die zu diesem Schlusse führen, sind folgende: 


1. Beiden Acipenserini und Spatulariae, bei denen eine primordiale Form 
der Wirbelsäule zeitlebens sich erhält. besteht die Wirbelsäule aus der starken 


Chordascheide und nicht verschmolzenen Knorpelbogen. 


2. Bei den fossilen Ganoiden, denen knöcherne Wirbelkörper abgehen, sind die 


knöchernen Bogen bei vielen Gattungen getrennt. 


3. Bei den fertigen Wirbeln von Amia lässt sich erkennen, dass dieselben 
ursprünglich ein Knorpelkreuz enthalten, wie es von den Salmonen und Esox 
bekannt ist und nur da vorkömmt, wo die Knorpelbogen vor der Verknöcherung 
der Wirbel getrennt sind. 


Somit scheint mir für einmal die Annahme die wahrscheinlichste, dass die pri- 


a 


mordiale Wirbelsäule der Knochenganoiden dieselbe Form besitzt, wie die der Ga- 
noidei chondrostei. 

Die erste Ossificalion der Wirbelkörper der Knochenganoiden scheint mit 
einer Verknöcherung der Chordascheide zu beginnen. Hierfür sprechen zwei That- 
sachen und zwar erstens das Vorkommen von Halbringen und Ringen von osteoider 
Substanz ohne Zellen an gewissen Stellen der Chordascheide des Endes der Wirbel- 
säule des ausgewachsenen Polypterus (Schwanzwirbelsäule der Ganoiden $: 5. 
Tab. 1. Figg. 2 und 3) und zweitens der Umstand, dass auch in den ausgebildeten 
Wirbeln von Polypterus in der Mitte noch die verkalkte Chordascheide zu erkennen 
ist. Immerhin kann ich nicht behaupten, dass auch Amia und Lepidosteus ebenso 
sich verhalten, indem ich selbst bei Amia in den fertigen Wirbeln keine Spur einer 
verknöcherten Chordascheide aufzufinden vermochte. Mag dem sein wie ihm wolle, 
so nimmt auf jeden Fall auch bei Polypterus die Chordascheide keinen grösseren 
Antheil an der Bildung der Wirbelkörper als beim Aale und findet sich an den con- 
caven Wirbelfacetten keine Spur einer auf sie zu beziehenden Knochenschicht. 

Die Hauptmasse der Wirbelkörper baut sich somit auch bei den Knochenganoiden 
aus frühzeitig auftretenden Ablagerungen aus der häuligen äussern skelettbildenden 
Schicht oder aus Periostablagerungen auf und folgen wenigstens die Wirbel von Amia 
und Polypterus in ihrer Bildung wesentlich denselben Gesetzen wie die Teleostier. 
Einzelheiten anlangend,. mache ich auf Folgendes aufmerksam. 

1. Bei Amia enthalten die Wirbel ursprünglich ein Knorpelkreuz (Fig. XVID), 
welches jedoch beim fertigen Wirbel grösstentheils verknöchert ist. Der Knochen ist 
jedoch kein Knorpelknochen, wie bei den Teleostiern. bei denen die fraglichen 
Knorpelzapfen mehr weniger erhärten, sondern ächter Knochen. 

2. Amia und Polypterus besitzen ein Periost der Wirbelfacetten, wie der 
Aal und andere Teleostier, dasselbe besteht jedoch aus Faserknorpel mit stellen- 
weisen Uebergängen zu hyalinem Knorpel und nimmt wie bei Auxis bisus (s. oben) 
durch Umbildung in Knorpelknochen an der Bildung des periostalen Doppelkegels 
Antheil. Man findet nämlich auch bei Polypterus und Amia (Figg. XVII, XIX) die 
concaven Wirbelfacetten von einer dünnen Lage von Knorpelknochen ausgekleidet und 
wächst der Doppelkegel an seinem Rande theils auf Kosten eines rein bindegewebigen 
Ligamentum intervertebrale externum, theils auf Rechnung einer nach innen davon 
befindlichen faserknorpeligen Schicht, die genau dieselbe Lage hat, wie beim Aal. 

3. Sehr beachtenswerth sind die Schicksale der Chorda bei Amia und Poly- 


pterus. Die Wirbel dieser beiden Gattungen sind in der Mitte knöchern und nicht 
durchbohrt wie die der Teleostier. Untersucht man, wie die Verdrängung der Chorda, 
die natürlich auch hier ursprünglich einen zusammenhängenden Strang darstellt, sich 
macht, so überzeugt man sich, dass dieselbe nicht in der Weise geschieht, wie Gegen - 
baur aus Gründen der Analogie annehmen zu müssen glaubte (l. c. S. 62), indem 
die Chorda durch Knorpel eingeschnürt und verdrängt wird, sondern durch eine 
Ossification der Chorda selbst zu Stande kommt. Das Zustandekommen dieser 
Umbildung der Chorda in ächten Knochen mit sternförmigen Zellen wird nur an 
jungen Wirbelsäulen in allen Einzelheiten zu verfolgen sein, immerhin lehrt Poly- 
pterus (s. dieFigg.XX, XXT) soviel, dass wahrscheinlich die Chordagallerte erst verkalkt, 
und dann an verschiedenen Stellen einschmilzt. wobei auch die verknöcherte Scheide 
da und dort zerstört wird, und ein System von Markräumen erzeugt, die mit denen 
des periostalen Doppelkegels zusammenhängen und bald Blutgefässe erzeugen. Dann 
folgen Ablagerungen ächten Knochens an den Wandungen dieser Räume, während 
zugleich das ursprüngliche Gewebe immer mehr zerstört wird, bis am Ende alles 
ächter lamellöser Knochen ist. Fig. XXI zeigt im Querschnitte diese knöcherne Mitte 
des Wirbels. welche noch von einer fast ganz erhaltenen ossifieirten Chordascheide 
umgeben ist und in Fig. XXII ist dieselbe im verticalen Längsschnitte zu erkennen. 
Ein solcher Schnitt zeigt auch, dass an die knöcherne Mitte beiderseits verkalkte 
und dann erst weiche Chordagallerte anstösst. Bei Amia (Fig. XVII) ist die Mitte 
des Wirbels ebenfalls ächter Knochen und entsteht unzweifelhaft in derselben Weise 
wie bei Polypterus; da jedoch keine Reste der Chordascheide sichtbar sind, so 
lässt sich dies hier nicht so nachweisen, wie dort. 

Kennt man die Wirbelgenese von Amia und Polypterus, so ist dann auch 
die von Lepidosteus nicht schwer zu begreifen; vorausschicken muss ich jedoch 
dass die Endflächen der Wirbelkörper auch hier eine dünne Rinde von Knorpel- 
knochen besitzen, der auf Kosten eines Faserknorpels sich bildet, der am fertigen 
Wirbel noch mehr weniger deutlich zu erkennen ist und dem Perioste der Wirbel- 
facetten von Amia und Polypterus entspricht. Geht man von dem Wirbel von 
Polypterus aus (Fig. XX), so lässt sich die Form von Lepidosteus ableiten, wenn 
man annimmt, dass der Grund der conischen Facetten durch eine weiterdringende Ver-- 
knöcherung der Chorda selbst bis zu einem gewissen Grade sich ausfülll. Wie weit 
diese Verknöcherung geht, ist kaum zu bestimmen: auf jeden Fall folgt aus dem 
Umstande, dass der Wirbel an seinen Enden eine zusammenhängende fertige Lage 


eg 


von Knorpelknochen besitzt, dass später das faserknorpelige Periost der Facetten, in- 
dem es zu einer zusammenhängenden Lage auswächst, den Ansatz neuer Knochen- 
massen besorgt. Ich halte es für wahrscheinlich, dass auf Kosten dieser Lage ein 
guter Theil der Wirbelkörper gebildet wird, nur müsste man dann annehmen, dass der 
Knorpelknochen in der Tiefe immer resorbirt wird und ächtem Knochen Platz macht, 
doch ist es auch nicht gerade als unmöglich zu erachten, dass die Chordaossification einen 
grösseren Antheil an der Ausfüllung der Facetten nimmt, als es scheint. — Auf jeden 
Fall folgen die Wirbel von Lepidosteus demselben Bildungsgesetze wie die der andern 
Ganoiden und kann auch noch daran erinnert werden, dass es auch bei den Teleostiern 
Fälle von soliden Wirbeln gibt, deren Entwickelung wohl nach demselben Plane 
geschehen wird. 

Fasst man alles über die Knochenganoiden Bemerkte zusammen, so ergibt sich, 
dass die Wirbelbildung derselben von derjenigen der Teleostier sich nicht wesentlich 
unterscheidet und kein Merkmal darbietet, welches nicht auch bei Teleostiern beobachtet 
ist oder wahrscheinlich vorkommt. Immerhin lassen sich als im grossen Ganzen 
bezeichnend hervorheben einmal die Verdrängung der Chorda in der Wirbel- 
mitte durch Umwandlung derselben in ächten Knochen und zweitens das 


Vorkommen einer Lage von Knorpelknochen an den Wirbelendflächen. 


Nach Schilderung der Wirbelbildung der Teleostier und Ganoiden ist es nun 
möglich eine Vergleichung zwischen diesen Fischen und den Selachiern anzustellen 
und zu fragen, in wie weit die beiderlei Gruppen übereinstimmen oder nicht. Wenn wir 
vorläufig davon absehen, dass die Chordascheiden der Teleostier und Ganoiden einer- 
seits und die der Selachier andrerseits dem Baue und der Bedeutung nach verschieden 
sind und nur berücksichtigen, dass beide dieselben Beziehungen zur Chorda zeigen, so 
finden wir, dass die einfachsten Formen der Wirbelsäule und Wirbel bei beiden 
Gruppen ganz übereinstimmen. Es haben nämlich auch die Teleostier und Ganoiden 
Wirbelsäulen aufzuweisen. die nur aus einer zusammenhängenden Chordascheide ohne 
Össificationen und aus knorpeligen Bogen bestehen ( Ganoidei chondrostei, Lepto- 
cephaliden z. Theil) und sind ferner die einfachsten Wirbelkörper dieser Fische auch 
nichts als einfache in der Chordascheide gebildete Ringe (Leptocephalus, Helm- 
ichthys). Unterschiede finden sich allerdings auch schon bei diesen einfachsten 


Formen insofern als 1) die Chordascheide der Selachier Zellen enthält, 


die der andern Fische nicht, und 2) bei allen Knochenfischen, die Ganoiden einge- 
schlossen, die genannte Scheide nur eine geringe Mächtigkeit besitzt, 
allein diese Verschiedenheiten machen sich bei den einfachsten Gestaltungen der ganzen 
Reihen noch kaum bemerklichk. Ganz anders greifen dagegen die eben 
bezeichneten Unterschiede in die spätere Entwickelung ein und hängen 
die Hauptabweichungen der Wirbel beider Gruppen mit denselben zu- 
sammen. Bei den Selachiern wuchert die zellenhaltige Chordascheide mit allen 
übrigen Theilen mächtig heran und bildet für sich allein den Doppelkegel der Wirbel- 
körper, bei den Teleostiern und Ganoiden dagegen, wo die zelligen Elemente fehlen, 
mangelt auch ein solches Wachsthum, es erlangen daher die chordalen Doppelkegel 
nur eine sehr geringe Entwickelung und sind es vor Allem periostale äussere Ab- 
lagerungen, welche die dieonischen Wirbelkörper bilden. Man kann daher auch ein- 
fach sagen, dass die Doppelkegel der Wirbel bei den Selachiern einzig und allein 
Entwickelungen ihrer Chordascheide sind, während dieselben bei den andern Fischen 
vorzüglich als periostale Ablagerungen sich darstellen und die chordalen Doppelkegel 
nur eine äusserst geringe Entfaltung zeigen. An diese morphologische Grundver- 
schiedenheit, die aber in erster Linie von den histologischen Unterschieden der Chorda- 
scheiden beider Gruppen abhängt, schliesst sich dann natürlich auch eine zweite mit Bezug 
auf den feineren Bau, indem die chordalen Doppelkegel und die Wirbelkörper der Selachier 
überhaupt aus Knorpel und Knorpelknochen, die der Teleostier und Ganoiden aus 
zellenloser osteoider Substanz bestehen, während die periostalen Doppelkegel ächten 
Knochen (bei den Ganoiden mit Zellen und Zahnröhrchen) führen. Geht man auf die 
Bedeutung des Blastems ein, aus dem die Wirbeldoppelkegel beider Abtheilungen sich 
bilden. so ergibt sich, dass die Ossificationen der Chordascheide der Teleostier und 
Ganoiden ganz einzig in ihrer Art dastehen, während die Doppelkegel der Selachier 
und die periostalen Doppelkegel der Teleostier einander entsprechen. Beide entstehen 
nämlich aus einer und derselben Lage. der äussern skelettbildenden Schicht, und sind 
offenbar gleichwerthig. trotz der Verschiedenheiten, die sie zeigen, die darin bestehen, 
dass bei den Selachiern ein Theil der genannten Lage in eine besondere Beziehung zur 
Chorda tritt und verknorpelt, während dies bei den Teleostiern nicht der Fall ist. 

In allen andern Beziehungen stimmen die Wirbel beider Gruppen im Wesentlichen 
überein und hebe ich in dieser Hinsicht nur noch Folgendes hervor. Bei den Teleostiern 
und Ganoiden nehmen bei fast allen periostale Ablagerungen an der Aussenseite 


der Doppelkegel der Wirbelkörper einen grossen Antheil an der Bildung der Wirbel- 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. Y. 12 


90 


körper und treten da, wo die Wirbelkörper ein von den Bogen abstammendes Knorpel- 
kreuz enthalten, in Form von vier Zapfen auf, während sie bei den andern Gattungen 
einen zusammenhängenden Mantel um die Mitte des Doppelkegels bilden. Letztere Form 
ist nun allerdings bei den Selachiern nicht vorhanden, dagegen treten die periostalen Zapfen 
bei den Nietitantes und Lamnoidei vor Allen ebenso schön und mächtig entwickelt 
auf wie nur immer bei den Knochenfischen und haben auch, wie bei diesen, stark 
entwickelte Sharpey’sche Fasern. Was ferner die Bogen anlangt, so ist es bei den 
Selachiern allerdings sehr häufig, dass dieselben den chordalen Wirbelkörper umwachsen 
und einen grossen Antheil an der Bildung desselben nehmen, während bei den 
Teleostiern und Ganoiden das Umgekehrte Regel ist, allein auf der einen Seite findet 
sich letzteres auch bei manchen Selachiern und auf der andern zeigen die unverknöchenten 
Enden der Wirbelsäulen gewisser Teleostier und aller Knochenganoiden, dass auch hier 
eine Umhüllung der Chordascheide durch die Knorpel der Bogen vorkommen kann. 
Somit findet sich auch hier keine durchgreifende Verschiedenheit, dadegen kann aller- 
dings noch hervorgehoben werden, dass bei den Teleostiern und Ganoiden die Ossilication 
der Bogen durch ächten Knochen sich macht, während Knorpelknochen nur selten auf- 


tritt, bei den Selachiern dagegen periostale Ablagerungen sich gar nicht finden. 


Ich stelle nun noch die gefundenen Thatsachen alle übersichtlich zusammen. 


1. Chordagallerte. 


2. Chordascheide. 


3. Doppelkegel 
der Wirbel. 


Selachier. 


Ist meist ein zusammenhängender 
Strang. Wird sie in einzelne Stücke 
zerfällt. so geschieht dies durch 
Verdrängung von Seiten der wu- 
chernden Chordascheide. 

Ist zellenhaltig und stark und 
entwickelt sich aus der äussern 
skelettbildenden Schicht. 


Sind ohne Ausnahme Össifica- 
tionen der Chordascheide und be- 


stehen aus Knorpelknochen. 


Teleostier und Ganoiden. 


Ist meist zusammenhängend. Ab- 
schnürungen finden sich nur durch 
directe Ossification der Gallerte bei 


den Knochenganoiden. 


Ist zellenfrei und von geringer 
Mächtigkeit, hat die Bedeutung einer 


Ausscheidung der Chordagallerte. 


Sind vorzugsweise periostale Ab- 
lagerungen und nur zum kleinsten 
Theile Entwickelungen der Chorda- 
scheide. Jene sind osteoide Substanz 
oder ächter Knochen, diese immer 


osteoide zellenlose Substanz. 


4. deussere 


Periostabla- 


Selachier. 


Fehlen häufig; wo sie da sind, 


sind sie zum Theil gut entwickelt 


Teleostier und Ganoiden. 


Sind fast immer da, theils in Ge- 


stalt von 4 Zapfen, theils als zu- 


gerungen der und zwar immer in Gestalt von sammenhängende Ringe von osteoi- 


Wirbelkörper. 4 Zapfen von verkalktem Faser- der Substanz oder ächtem Knochen. 


knorpel. 
Umgeben häufig den chordalen Stellen an ausgebildeten Wirbeln 
Wirbel 


durch Knorpelknochen. 


5. Knorpelige 


Bogen. vollkommen „ ossificiren immer getrennte Bildungen dar. Os- 
sifieiren durch Periostablagerungen 
und innere Bildung von osteoider 
Substanz und ächtem Knochen, und 
nur in geringem Grade durch Knor- 


pelknochen. 


An diese Schilderung würde sich nun noch zweckmässig eine Vergleichung der 
Wirbel der Fische und derjenigen der höhern Thiere anreihen, ich sehe mich jedoch 
veranlasst, eine ausführliche Besprechung dieser wichtigen und schwierigen Frage für eine 
andere Gelegenheit aufzusparen und hier nur folgende wenige Bemerkungen beizufügen. 

Die Frage, die vor Allem sich erhebt, die nach der Bedeutung der Chorda- 
scheide der höheren Wirbelthiere, erledigt sich für die beschuppten Amphibien, Vögel 
und Säuger ziemlich leicht, wenn man weiss, dass die Chordascheiden derselben ohne 
Ausnahme strueturlos sind und ergibt sich so, dass dieselben auf keinen Fall mit der 
Will man 
vergleichen, so bietet sich, wie ich es schon an einem andern Orte ausgesprochen habe 
(Würzb. Verh. X) nur die Elastica interna der Selachier dar, die ebenfalls am zweck- 
Dieser Auf- 


stellung hat auch Gegenbaur sich angeschlossen und weiter hinzugefügt, dass auch 


gesammten Chordascheide der Selachier zusammengestellt werden können. 


mässigsten als eine Ausscheidung der Chordagallerte aufgefasst wird. 
die Chordascheide der nackten Amphibien in dieselbe Kategorie falle. Ich war mit 
Bezug auf diese Geschöpfe früher zweifelhaft, weil ich an ihrer Chordascheide eine 
Klastica externa und eine Faserhaut aufgefunden hatte, die später auch Gegenbaur 
bestätigte, und das Verkommen einer Rlastica externa zu beweisen schien, dass es sich 
hier um eine Chordascheide wie bei den Selachiern handle. Eine genaue Untersuchung 


der Chordascheiden der Teleostier und Ganoiden brachte mich jedoch schliesslich zu der 
12* 


= JMGR): 


Ueberzeugung, dass auch die Chordascheiden dieser Fische und der nackten Amphibien 
denen der höheren Geschöpfe gleichwerthig sind, wobei ich jedoch bemerke, dass die 
Entscheidung sicherlich nicht leicht ist. Denn wenn auch. wie ich gefunden, die 
Chordascheiden der Teleostier. Ganoiden (und Cyelostomen) alle zellenlos sind. so 
stimmen dieselben doch in allen übrigen Verhältnissen so sehr mit den zellenhaltigen Scheiden 
der Selachier (und von Protopterus) überein, dass es gewiss guter Gründe bedarf, um 
dieselben zu trennen. Man denke an die mächtigen Chordascheiden des Störs, von 
Spatularia, Petromyzon und Myxine, die denen von Lepidosiren, Chimaera, 
Heptanchus u. s. w. nicht nachstehen, dann an die starke Entwickelung der Chorda- 
scheide in den Lig. intervertebralia der Teleostier,. endlich daran, dass die Elastica 
externa und interna bei Teleostiern und Ganoiden ganz allgemein sich finden und dass 
die Faserlage der zellenlosen Chordascheiden einen oft ganz zierlichen faserigen Bau, 
ja selbst elastische Fäserchen besitzt und man wird kaum anders können als finden, 
dass die zellenlosen und zellenhaltigen Chordascheiden einander sehr nahe stehen. Die 
Gründe, warum ich mich veranlasst sche, alle zellenlosen Chordascheiden als Aus- 
scheidungen der Chordagallerte aufzufassen sind die: 

Erstens findet sich ein ganz allmäliger Uebergang von den einfachsten Chorda- 
scheiden der Vögel und Säuger zu den ausgebildetesten Formen der Cycelostomen 
und Ganoidei chondrostei und zwar durch die nackten Amphibien. Teleostier und 
Knochenganoiden hindurch. Sind die ersteren keine Producte der äussern skelettbilden- 
den Schicht, wie mir ausgemacht erscheint. so sind es auch die andern nicht und lässt 
sich auf jeden Fall die Schwierigkeit nicht so beseitigen, dass man sagt, die Scheiden 
der höhern Wirbelthiere sind Ausscheidungen der Chorda, die der Teleostier, Ganoiden 
und Cyclostomen Produete der äussern skelettbildenden Schicht. 

Zweitens lehrt die Entwickelung der Chordascheide der Teleostier, dass die 
Chordascheide anfänglich ein ganz zartes Häutchen ist, das durch Ablagerungen von 
innen sich verdickt. Letzteres beweist wohl unzweifelhaft das späte Auftreten der 
Elastica interna, welche zu einer Zeit noch fehlt. wo die Elastica externa schon voll- 
kommen deutlich ist, wie ich dies bei jungen Salmonen gefunden habe. Damit soll 
jedoch nicht gesagt sein, dass nach der Bildung der Klastica interna eine Diekenzunahme 
der Chordascheide nicht mehr möglich sei, nur soviel, dass ihre Entwickelung im Allge- 
meinen durch Ansatz von innen her statt habe. — Meiner Auffassung zufolge stellen 
somit die Chordascheiden der Säuger, Vögel, beschuppten Amphibien und auch die der 


Selachier (deren eieentlliche Scheide nur aus * Elastica interna besteht) « imiliv 
Selach (d gentliche Scheid der Elastica interna besteht) den primitiven 


a 


Zustand dieses Organes dar, die Chordascheiden der nackten Amphibien, die auch eine 
Elastica externa haben, ein mittleres Stadium und die der Teleostier, Ganoiden und 
Cyclostomen mit ihren drei Lagen die ganz ausgebildete Form. 

Aus dem eben Auseinandergesetzten folgt, dass die eigentliche Chordascheide der 
höheren Wirbelthiere derjenigen der Selachier viel näher steht, als die der Teleostier 
und Ganoiden und erhebt sich so von vorne herein die Vermuthung, dass diese Abtheilungen 
auch in der Bildung der Wirbel eine nähere Verwandtschaft zeigen. In einem Punkte 
bewahrheitet sich dies auf jeden Fall, insofern als bei keinem höheren Wirbelthiere eine 
Ossification der eigentlichen Chordascheide sich findet, die wie wir gezeigt haben, allen 
Teleostiern in einem gewissen Grade und wahrscheinlich auch den Ganoidei teleostei 
zukommt. Auf der andern Seite scheint jedoch den höhern Geschöpfen jene Bildung 
einer zellenhaltigen äussern Chordascheide aus der äussern skelettbildenden Schicht, die 
bei allen Selachiern sich findet und einen so grossen Antheil an der Wirbelbildung 
nimmt, ganz und gar zu fehlen, in welchem Sinne auch Gegenbaur sich ausge- 
sprochen hat (l. ec. S. 64). Prüft man die Sache genauer, so ergibt sich, dass dem 
doch nicht ganz so ist und dass wenigstens Eine Abtheilung der Amphibien, nämlich 
die Batrachier, Verhältnisse darbietet, die denen der Selachier sehr nahe siehen. Bei 
der Larve eines nicht näher zu bestimmenden ungeschwänzten Batrachiers aus Mexico 
fand ich die Chorda sammt ihrer eigentlichen Scheide von einer scharf abgegrenzten 
ziemlich starken Lage von Bindesubstanz umgeben, welcher die knorpeligen Bogen frei- 
lich ohne scharfe Grenze aufsassen, so dass die Wirbelsäule eine grosse Aehnlichkeit 
mit der gewisser Selachier hatte, eine Aehnlichkeit. die dadurch noch vermehrt wurde, 
dass in der genannten äussern Chordascheide auch die ersten Ossificationen der Wirbel- 
körper in Gestalt von Ringen von Faserknochen auftreten (Würzb. Verh. X Taf. II 
Fig. 6). Aehnlich verhalten sich nach den Untersuchungen von Bruch und Gegen- 
baur auch Rano und Bufo und darf somit wohl vermuthet werden, dass noch andere 
Ecaudata in dieselbe Kategorie fallen. Diejenigen Ecaudala, deren Wirbelkörper über 
der Chorda sich bilden, zeigen zwar keine Knochenringe als erste Andeutungen der 
Wirbelkörper, aber doch, wie ich bei Cultripes und Pipa gezeigt habe, eine die 
Chorda umgebende, scharf begrenzte äussere Scheide von Bindesubstanz, die ebenfalls 
der äussern Scheide der Selachier verglichen werden darf. Ich verkenne übrigens 
nicht, dass bei keinem Batrachier die äussere Chordascheide gegen die Bogen und sonst 
jemals so scharf durch eine Elastica abgegrenzt ist, wie bei allen Selachiern in früheren 


Stadien, da jedoch auch bei diesen die Elastica später oft spurlos vergeht und Bogen 


=. = 


und äussere Chordascheide verschmelzen, so fällt der angegebene Umstand wohl weniger 
in’s Gewicht, und lässt sich nichts desto weniger die nahe Verwandtschaft der beiden 
Bildungen vertheidigen. — 

Stimmt die Wirbelsäule gewisser nackten Amphibien und der Selachier in der 
ersten Anlage in manchen Beziehungen überein, so weichen sie doch in der spätern 
Entwickelung in Vielem ab. Ohne auf die eigenthümlichen Gestaltungen der inter- 
vertebralen Theile einzugehen, mag nur noch hervorgehoben werden, dass bei allen 
vorhin genannten Gattungen, deren Wirbelkörper zuerst als ringformige Ossificationen 
der äusseren Chordascheide von Faserknochen oder Knorpelknochen auftreten, dieselben 
später vor allem durch Periostablagerungen von ächtem Knochen sich verstärken und 
auch im Innern zu solchem sich umgestalten. In ersterer Beziehung stimmen diese 
Batrachier ganz mit den Teleostiern und Ganoiden überein, während sie in letzterer 
ganz allein dastehen, indem bei keinem Selachier der chordale Wirbelkörper je ver- 
drängt wird. 

Bei den übrigen höhern Wirbelthieren fehlt jede Differenzirung der äussern skelelt- 
bildenden Schicht in äussere Chordascheide und Wirbelbogen und entwickelt sich ihre 
Wirbelsäule in erster Linie aus einem einfachen, zusammenhängenden, die Chorda 
sammt ihrer eigenen Scheide umgebenden Blasteme, das erst weiche Bindesubstanz ist, 
dann aber an bestimmten Stellen verknorpelt. Im Einzelnen zeigen sich jedoch manche 
Verschiedenheiten. Bei den Säugelhieren, Vögeln und gewissen Reptilien entwickeln 
sich die Wirbelkörper vor ihrer Verknöcherung zu dicken Knorpelmassen, während bei 
andern (nackten Amphibien zum Theil, Reptilien zum Theil) der Knorpel vorzüglich 
intervertebral sich entfaltet und der Wirbelkörper entweder ganz oder vor allem aus 
Periostablagerungen sich aufbaut. Die Wirbel dieser letzgenannten Thiere schliessen sich 
somit näher an die der Teleostier und Knochenganoiden an, bei denen die Wirbelkörper 
keinen Knorpel als Vorläufer haben und, abgesehen von dem Antheile der Bogen, ganz 
und gar aus der Ossification der eigentlichen Chordascheide und aus Periostablagerungen 
auf die äussere Seite derselben sich aufbauen. Ja selbst der Intervertebralknorpel der 
Amphibien hat bei den Knochenfischen sein Analogon, und zwar in den oben beschrie- 
benen intervertebralen Faser- und Faserknorpelmassen der äussern skelettbildenden 
Schicht, die als Periost der Wirbelfacetten bezeichnet wurden, und einen bestimmten 
Antheil an der Bildung der Wirbelkörper nehmen. Werden diese Massen auch nie so 
mächtig wie bei gewissen Amphibien und erleiden sie auch nicht dieselben Veränderungen 


wie dort, so stimmen sie doch in ihrer Bedeutung vollkommen mit den genannten 


aan Yht 


Intervertebralknorpeln überein, die nach meinen und Bruch’s, von Gegenbaur 
bestätigten Erfahrungen nichts als Theile der äussern skelettbildenden Schicht sind, die 
ursprünglich mit den Anlagen der Wirbel Eine zusammenhängende Masse bilden. 

Stimmen so die Wirbel gewisser Amphibien mit denen der Knochenfische in 
manchen Punkten überein, so schliessen sich die der Vögel und Säuger mehr an die 
der Selachier an, insofern auch bei ihnen eine mächtige Knorpelentwickelung um die 
Chorda dorsalis statt hat, wobei freilich hervorzuheben ist, dass bei den Selachiern der 
Knorpel in zwei besondere Theile, äussere Scheide der Chorda und Bogen differenzirt 
ist, während derselbe bei den höheren Thieren Eine zusammenhängende Masse darstellt. 
Gestützt hierauf hat Gegenbaur den Satz aufgestellt, dass die Wirbelsäule der Selachier 
höher stehe, als die der Knochenfische, in welcher Hinsicht ich mir jedoch die Bemerkung 
erlauben muss, dass die knorpelige Wirbelsäule in der gesammten Entwickelungsreihe 
der Wirbelsäule eben doch nur ein primordiales Stadium ist, während die knöcherne 
Wirbelsäule den vollendeten Zustand darstellt. Ebenso wenig als ein knorpeliges Cra- 
nium und wenn es auch noch so ausgebildet ist, höher steht als ein knöcherner Schädel, 
scheint mir eine knorpelige Wirbelsäule ausgebildeter genannt werden zu dürfen, als eine, 
die aus Knochen besteht. Am deutlichsten zeigen dies, wie mir scheint, die Teleostier 
und Knochenganoiden selbst, indem dieselben an den unausgebildeten Theilen ihrer 
Wirbelsäule im Schwanze nach meinen Untersuchungen bei gewissen Gattungen ganz 
ausgebildete knorpelige Umhüllungen der Chorda dorsalis entwickeln. — So viel gebe 
ich übrigens Gegenbaur zu, dass die knorpelige Wirbelsäule der Selachier in ihren 
entwickelten Formen bei weitem die vollkommenste der primordialen Wirbelsäulen ist 
und Bildungen erreicht, die unbedingt höher stehen als die einfacheren Formen der 
höhern Entwickelungsreihe der knöchernen Wirbelsäulen. 

Zum Schlusse stelle ich nun noch die Hauptmerkmale der Wirbelsäule bei den 


verschiedenen Abtheilungen der höheren Thiere zusammen. 


1. Cylostomen. 


Eigentliche Chordascheide sehr entwickelt meist mit drei besonderen Lagen, Chorda 
nicht eingeschnürt. Aeussere skelettbildende Schicht ohne Andeutung von Wirbelkörpern, 
aber mit knorpeligen Wirbelbogen. 


2. Selachier. 


Eigentliche Chordascheide zart. Aeussere Chordascheide sehr entwickelt, eine 


unpaare Axe darsiellend, an welche die Bogen sich ansetzen. Im primordialen 


Re 


Zustande ist die Wirbelsäule ein mächtiger Knorpelstrang mit Wirbelabtheilungen in 
der äussern Chordascheide. Bei ausgebildetern Formen liefert die äussere Chorda- 
scheide die Doppelkegel der Wirbel, zu denen dann noch Umhüllungen von den Bogen 
und Periostablagerungen sich gesellen. Aechter Knochen und osteoide Substanz fehlen 
ganz und bestehen auch die am meisten erhärteteten Wirbel nur aus verschiedenen 
Formen von verkalktem Knorpel und verkalkter Bindesubstanz. Chorda selbst bald 
zusammenhängend, bald in einzelne Stücke zerfallen, im letzteren Falle durch die 


Wucherungen der Chordascheide verdrängt. 


3. Teleostier und Ganoiden. 


Eigentliche Chordascheide entwickelt, zum Theil aus drei Lagen bestehend. Aeussere 
Chordascheide fehlt. Im primordialen Zustande besteht die Wirbelsäule nur aus der 
Chorda sammt der eigentlichen Scheide und den Knorpelbogen (Ganoidei chondrostei), 
zu welchen Theilen sich noch ein zusammenhängendes Knorpelrohr um die Chorda gesellen 
kann (Ende der Wirbelsäule gewisser Gattungen). Bei der Verknöcherung, die immer vor- 
zugsweise durch osteoide Substanz oder Knochen geschieht, entsteht der Wirbelkörper 
1) durch Ossification der eigentlichen Chordascheide, 2) durch Periostablagerungen an 
der äussern Seite desselben und 3) in gewissen Fällen auch durch Ossification einer 
interverlebral stärker entwickelten Lage von Bindegewebe oder Faserkorpel, die der 
äussern skelettbildenden Schicht angehört. Die Chorda ist meist zusammenhängend, 
selten in der Mitte verdrängt, was immer durch directe Ossificalion derselben vom 


periostalen Doppelkegel aus geschieht. 


4. Sirenoiden. 
Eigentliche Chordascheide zart. Aeussere Chordascheide mächtig ohne Wirbel- 


abtheilungen. Bogen aus ächtem Knochen bestehend. 


5. Amphibien, Reptilien zum Theil. 


Eigentliche Chordascheide mässig entwickel. Aeussere Chordascheide nur bei 
einigen angedeutet, nirgends so scharl abgegrenzt wie bei den Selachiern. Aeussere 
skelettbildende Lage meist nur intervertebral stärker entwickelt und verknorpelt, wes- 
halb die Wirbelkörper vorzüglich aus Periostablagerungen sich aufbauen, doch kann 
I) auch der intervertebrale Knorpel an ihrer Bildung sich betheiligen und 2) auch der 


vertebrale Theil der äusseren skelettbildenden Schicht zu einem unpaaren Ringe wie bei 


ER RR 


den Selachiern verkalken, welche beiden Bildungen jedoch schliesslich wenigstens zum 
Theil ächtem Knochen Platz machen. Chorda zum Theil erhalten, zum Theil eingeschnürt 
und verschwunden, wobei sie intervertebral durch den wuchernden Knorpel, vertebral 


durch die Verknöcherung verdrängt wird, 


6. Reptilien zum Theil, Vögel, Säuger. 

Eigentliche Chordascheide ‚zart. Aeussere Chordascheide fehlt. Primordial Wirbel- 
säule vertebral und intervertebral mächtig entwickelt und am ersteren Orte verknorpelt 
unter Verdrängung der Chorda. Verknöcherung erst durch Knorpelknochen und periostale 
Ablagerungen, von denen der erste bald auch in ächten Knochen übergeführt wird. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. YV. 13 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Kig. 


Erklärung der Abbildungen. 


I. Ginglymostoma. 1. Schwanzwirbel. 2. Vorderer Wirbel. Vergr. 3), mal. a Perichondrium 
b obere knorpelige Bogen mit einer Verkalkung bei 5b’, ce untere Knorpelbogen. 


II. Querschnitt durch den vordersten Theil der Wirbelsäule von Rhinobatus granulatus. 12 mal 
vergr. a äussere Scheide der Chorda aus hyalinem Knorpel bestehend mit dem verkalkten Reste der 
Chordagallerte in der Mitte, db Knorpel, cc Rinde von Knorpelknochen. 


Ill. Querschnitt durch die Mitte eines Wirbels von Lamna cornubica in natürlicher Grösse. a Chor- 
daler Doppelkegel mit verkalktem Knorpel in der Mitte desselben, b b‘ 5’ stark verkalkte Speichen 
oder Blätter der vier periostalen keilförmigen Massen, ce obere, c’ untere Bogen, dd Wurzeln dieser 
Bogen, die wohl an frischen Wirbeln ganz aus Knorpel bestehen und keine Höhlung enthalten, e keil- 


förmige Massen von weicherem verkalktem Faserknorpel. 


. IV. Ein Stück der Schwanzwirbelsäule von Oxyrhina gomphodon in natürlicher Grösse, 


a Wirbelkörper, b untere Bogen und Dornen, ce obere Bogen, d Schaltknorpel, e besondere knorpelige 


Dornen. 


V. Querschnitt durch die Mitte eines Schwanzwirbels von Oxyrhina. 2 mal vergr. a, b knorpelige 


Bogen, c faserknorpelige Theile der periostalen Kegel. 


g. VI. Ein Stück der Schwanzwirbelsäule von Odontaspis in natürlicher Grösse. Buchstaben wie in 


. VII. Querschnitt durch die Mitte eines Schwanzwirbels von Odontaspis, um Y, vergrössert. 


g. VII. Ein Stück der Schwanzwirbelsäule von Carcharoödon Rondeletii in natürlicher Grösse. Buch- 


staben wie in Fig. IV 


IX. Mittlerer Querschnitt eines Schwanzwirbels von Carcharodon in natürlicher Grösse. Die Mitte 
Knorpelknochen mit undeutlichen Resten der Chorda. 


g. X. Ein Theil eines periostalen Keiles eines Wirbels von Selache in natürlicher Grösse zur Darstellung 


der innern concentrischen Lamellen und der sie durchsetzenden Lücken. a Randtheile des Doppelkegels 
des Wirbels. 


. XI. Vorderstes Ende der Chorda eines Salmo umbla von 10° Länge, etwa 50 mal vergrössert 


a Chordascheide (innere Scheide), 5 Halbringe der chordalen Wirbelkörper, e Chordagallerte von der 
Scheide abstehend, d Schädeltheil der Chorda mit einer halbrinnenförmigen Ossification der Scheide 


XI. Querschnitt eines vorderen Wirbels eines Salmo umbla von 10° Länge, 100 mal vergrössert. 
a obere Knorpelbogen mit einer verkalkten Rindenschicht bei a’; 5 untere Knorpelbogen mit oberfläch- 
licher Verkalkung, ce Ossification der Chordascheide (chordaler Wirbelkörper in Form eines Halbringes), 
d nicht verknöcherter Theil der Scheide. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


XIU. Wirbel eines 2 langen Chondrostoma nasus in der Seitenansicht, vergrössert. a chor- 
daler Wirbelkörper, b äussere Periostablagerung 


XIV. Längsschnitt durch die Wirbelsäule einer Forelle von 11“ vergrössert. «aa periostaler Doppel- 
kegel des Wirbels, 55 äussere periostale Ablagerungen auf denselben in Form eines schwammigen 
fettreichen Knochengewebes, ce chordaler Doppelkegel (Ossıfication der eigentlichen Chordascheide), dd 
Chordagallerte, ee mit Serum gefüllte Höhlen in derselben, f Septum der Gallerte, g Verbindungsstränge 
der Septa, h Elastica interna, © Faserlage der Chordascheide zwischen je zwei Wirbeln in Form eines 
Ringbandes (Lig. intervert. internum) mächtig entwickelt, k Elastica externa, 7 Lig. intervertebrale 
externum, m Periost der Wirbelkörper. 


XV. Die Gegend der Lig. intervertebralia der vorigen Figur, 100 mal vergrössert. Buchstaben wie in 
Fig. XIV. 0 zufällig entstandener Zwischenraum zwischen der Elastica interna und dem Lig. intervert. 
internum, ec’ Wachsthumsrand des chordalen Doppelkegels. 


XVI. Längsschnitt durch einen Wirbel eines Aales, vergrössert. Buchstaben wie in Fig. XIV. 
m Periost der Wirbelfacetten übergehend in m’ den innern Theil des Lig. intervert. externum, g Axen- 
strang in der Chorda, die keine Höhlungen und kein Septum enthält. 


XVII. Querschnitt durch die Mitte eines vorderen Schwanzwirbels von Amia, etwa 11 mal vergröss. 
a obere und 5 untere knorpelige Bogen. Der ganze Wirbel besteht aus schwammiger Substanz (die 
hellen Stellen sind Knochenbalken, die dunklen Flecken Mark), an der man vier periostale Keile dddd 
und ein von den Bogen abstammendes Kreuz (ecec), ausserdem die verknöcherte Chorda e in der 
Mitte unterscheidet. 


XVII. Längsschnitt durch einen Wirbel von Amia vergrössert. aa Lage von Knorpelknochen an den 
Wirbelfacetten. 


XIX. Ein Theil eines solchen Schnittes stärker vergrösser. «a Knorpelknochen der Wirbelfacetten 
b ächter Knochen des Innern. 


XX. Wirbel von Polypterus im senkrechten Längsschnitte durch die Mitte mit Salzsäure behandelt 
etwa 11 mal vergrössert. a in ächten Knochen umgewandelte Chorda, bb verkalkte Theile der Chorda, 
ce weiche Chordagallerte. Der Wirbel selbst enthält viele grosse Markräume ddd und Gefässkanäle. 


XXI. Ein Theil der Mitte eines Wirbels von Polypterus im Querschnitte 100 mal vergröss. a ver- 
kalkte Chordascheide, db in ächten Knochen mit Gefässkanälen umgewandelte Chordagallerte. 


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Zur Kenntniss des Körperbaues schwarzer Eunuchen. 


Ein Beitrag zur Ethnographie Afrika’s 
von 


Äh. Ecker. 


Tafel XVII bis XXIH. 


Vor einigen Jahren erhielt ich von dem in Cairo verstorbenen Prof. Theodor 
Bilharz das Becken eines schwarzen Eunuchen zum Geschenk. Nach dessen 
Tode überliess mir Hr. Dr. Alfons Bilharz das vollkommne Scelet eines solchen, 
das er von seinem Bruder während eines Besuchs in Cairo erhalten hatte. Dazu 
kam noch der Schädel eines schwarzen Verschnittienen, welchen unsre 
Universität mit mehreren anderen Schädeln aus der Verlassenschaft des Verstorbenen 
von dessen Familie acquirirte. Alle diese Objekte befinden sich gegenwärtig in der 
anthropologischen Abtheilung unseres anatomischen Museums. 

Ueber das Verhalten der Beckenorgane bei derart Verstümmelten haben wir durch 
den einen der obengenannten Brüder ') sorgfältige Untersuchungen erhalten und zwar die 
einzigen, die überhaupt an Eunuchen der Negerrasse angestellt worden sind. Dupuytren?) 
hatte den innern Genitalapparat und den Kehlkopf eines in der Jugend castrirten 
Europäers beschrieben und Gruber’) die gleichen Theile von einem Manne, der 
schon in früher Jugend der Castration und Amputation des Penis unterworfen worden 
war. Dass das letzigenannte Organ bei den Verschnittenen der Negerrasse stets 


mit entfernt ist, hatten schon frühere Reisende mitgetheilt und Bilharz hat es durch 


1) Alfons Bilharz deseript. anat. organ. genit. eunuchi aethiopis diss. inaug. Berolin. 1859 — und 
Siebold u. Kölliker’s Zeitschrift. X. Bd. S. 281. 
2) Bulletin de la soc. philom. vol. I. 195. 
3) Müller’s Archiv 1847. S. 463. 
13* 


— 1032 — 


die Untersuchung mehrer Individuen bestätigt und die früheren Beobachtungen darüber 
zusammengestellt‘). 

Ueber die sonstige Körperbeschaffenheit des Eunuchen haben wir, soviel mir 
bekannt, keinerlei anatomische Untersuchungen und selbst über das äussere Ansehen 
derselben stimmen die Angaben der Reisenden keineswegs überein. Einer der 
neusten Schriftsteller über den Orient, A. v. Kremer’) äussert sich über dieselben 
folgendermassen: „Eigenthümlich und widerlich ist die äussere Erscheinung des 
Eunuchen; die Gestalt ist meistens hager und eckig, das Gesicht in die Länge ver- 
zerri. Immer ist die Entwickelung des Körpers mehr oder minder verkümmert. 
Gang und Bewegung des Eunuchen haben etwas Schlaffes und Weibisches.“ 
White‘) sagt dagegen, die Nubier und andere Neger würden bald abschreckend 
dick und missgestaltet, während die Abyssinier angenehme Gesichtsbildungen und 
gute Figuren haben. Dr. Alfons Bilharz erzählte mir noch kürzlich, dass die 
Eunuchen, die er gesehen, lauter ungewöhnlich lange Gestalten von übrigens schlechter 
Haltung gewesen seien. 

Bei diesen mangelhaften und zum Theil: widersprechenden Angaben ist es wohl 
nicht ohne Interesse, den Sceletbau eines schwarzen Eunuchen etwas genauer zu 
erforschen und ich ergreife gerne die Gelegenheit, die sich mir durch die hundert- 
jährige Gedächtnissfeier der Dr. Senckenbergischen Stiftung darbietet, um das Resultat 
dieser Untersuchung in Wort und Bild zur Kenntniss der Fachgenossen zu bringen. 
Ich verhehle mir hiebei keineswegs, dass aus einem oder zwei Fällen sich noch kein 
sicherer Schluss ziehen lässt. glaube aber andrerseits, dass bei der Seltenheit des 


Materials eine vollständige Zurückhaltung auch nicht am Platze wäre. 


4) Il e. 8. 282. Den an dieser Stelle erwähnten Beobachtungen kann ich noch die von Ferriol 
beifügen (Wahrhafte Abbildung ete. des türkischen Hofs ete A. d. Franz Nürnberg 1719. 4°), der 
auch erwähnt, dass den schwarzen Eunuchen alles was männlich ist hart am Bauche (& fleur de ventre) 
weggenommen ist, so dass sie sich beim Uriniren eines Röhrchens bedienen müssen, während die weissen 
Verschnittenen nur einfach castrirt seien, 

5) Aegypten, Forschungen über Land und Volk. Leipz. 1863. I. S. 89. 

6) Häusl. Leben und Sitten der Türken. Deutsch v. Alfred Reumont. Berlin, 1845. I. 152. 


103 


I. Beschreibung des Scelets eines schwarzen Eunuchen. 


(Tab. XXI. Fig. 1. — 


Tabs 


Tab. XXII, Fig. 1.2. — 


Tab. XXIII. Fig. 1. 2.) 


An dem Scelete fehlte nur das Brustbein, das ich bei der Aufstellung durch 


ein anderes erselzte. 


1. Messung des Scelets'). 


1. Totalhöhe LTE 
6% 1% ad.) 
2. Wirbelsäule. 

Höhe der ganzen Wirbelsäule 
Halswirbelsäule 
n „ Brust 
ö SRH TEN en sh 2 


” n 


Summe der Höhe der Körper aller wahren 
Wirbel ohne Knorpelscheiben 

Rechnet man dazu weiler '/, für die Gesamml- 
höhe der Knorpelscheiben A 

so erhält man für die Höhe der Säule der 

wahren Wirbel im frischen Zustande 


Dazu die Höhe des Kreuzbeins . 


3. Extremitäten. 


A. Obere. 


1. Die ganze Länge der oberen Extremität vom 
Caput humeri bis zur Spitze des Mittelfingers 
beträgt . 

2 langerdes7Humeruser na 

3. Länge des Radius vom Ellenbogen bis zum 
Handgelenk . 0 

4. Länge der Ulna von der Spitze des Olecranon 
bis zur Spitze des Proc. styloideus 


”) Sämmtliche Maasse sind in Centimeleru 


Cent. 


. 183,0 


74,0 

9,4 
21,6 
15,9 
46,9 
15,6 


62,4 
11,6 


74,0 


86,7 
36,4 


30,0 


32,2 


5. Länge der Hand von der höchsten Wölbung 
des Os lunatum bis zur Spitze des Mittel- 
NNEerSip s 

6. Weitere Maasse an der Hand wurden genom- 
men und betrugen: 

a. von der Wölbung des Os lunatum bis zur 
Spitze des Ringlingers 

b. von der Wölbung des Os naviculare bis zur 
Spitze des Zeigefingers . . ». 2.2. 

c. Länge des Carpus v. der oberen Gelenkfläche 
des Oslunatum bis zur untern des Os capitat. 

d. von da bis zur Spitze des Mittelfingers . 

7. Schulterblatt. 

a. Höhe vom obern innern zum untern Winkel 
b. Breite von der Gelenkfläche bis zum Ende 
der Spina . 
8. Schlüsselbein. 
Länge . 


B. Untere. 


1. ganze Länge 5 
2. Länge des Osfemoris vom höchsten Punkt des 
Caput fem. bis zum tiefsten des Condylus int. 
3. Länge der Tibia von der Eminentia intereon- 
dyloidea bis zur Spitze des Malleolus internus 
4. Länge der Fibula 


angegeben. 


Cent. 


20,3 


19,2 


18,2 


2,9 
174 


15,6 


10,8 


15,5 


. 106,7 


55,6 


47,0 
44,3 


— 14 — 


Cent. 
5. Von der Spitze des Malleolus internus bis zum 
Fussboden.. sem. „0. la 4,1 


s. 106,7 


6. Länge des Fusses: 


A. von der hinteren Länge des Fersenbeines: 


a. bis zur Spitze der grossen Zehe 24,1 
b. bis zur- Spitze der 2. Zee . . . . . 250 
B. Länge des Mittelfusses: 
a. des Os metalarsi I. a: 7,0 
bia.e; s RE EEE 8,6 
7. Breite des Fusses zwischen Os melatarsi V. 
und Os cuneiforme 1. 6,4 
4. Becken. 
a, Durchmesser des Eingangs 
gerader . 10,8 
querer 12,3 
schräger 08 12,4 
b. Durchmesser der Höhle 
gerader 10,6 | 
querer 10.6 
ce. Durchmesser des Ausgangs 
gerader constanter 11,6 
gerader 10,2 
querer . a AR SE 10,4 
d. Distanz der beiden Spinae ilei ant. sup. 21,0 
e. ganze Höhe des Kreuzbeins 11,6 
f. Breite des Kreuzbeins 
1. an der Linea arcuala . 10,4 


3 


Cent. 
2. in der Mitte des 2 Wirbels . 8,6 
Bl 5 200 77 
2 a a a ch - 6,8 
g. höchste Höhe des Beckens 
1. des ganzen Beckens von der Crista ilei bis 
zum Woher ischil. 2. 2 .. 20,3 
2. des kleinen Beckens von der Eminentia ileo- 
peetinea zum Tuber ischii 9,7 
5. Kopf?). 
a. Längen 
1. grösste Länge 17,4 
2. verlicaler Bogen 34,5 
Sehne desselben . 10,3 
Stirnbogen , 12,0 
Scheitelbogen . 12,0 
Hinterhauptbogen 10,5 
b. Höhen 
1. einfache Höhe 13,5 
2. aufrechte Höhe . 14,3 
c. Breiten 
1. grösste Breite 13,0 
2. Stirnbreite 
a. geringste . 9,4 
b. grösste 11,0 
3. Scheitelbreite 13,0 
4. Hinterhauptbreite 11,4 
d. Horizontale Cireumferenz 48,5 
e. Gesicht 
Länge . 13,2 
Breite . 13,5 


2. Das eben in seinen Maassverhältnissen geschilderte Scelet ist das eines noch 


Jungen Mannes. wie auch aus dem Verhalten der Epiphysen etc. auf das Deutlichste 


hervorgeht. 


An der Wirbelsäule belegen die Körper der Hals- und Brustwirbel noch Epi- 


physen-Scheiben, die der Lendenwirbel nicht. An den Querfortsätzen der Brustwirbel 


*) Die Maasse sind im Allgemeinen die von der Göttinger Anthropologen-Versämmlung adoptirten. Vgl. n. 


Crania Germaniae merid. occ, Freib. 1863, 


— 105 — 


und ebenso hin und wieder an den Proc. accessoriis der Lendenwirbel sind die 
Spitzen noch abgetrennt. Der Kopf des Humerus ist eine noch vollständig unver- 
einigte Epiphyse, vom Radius und der Ulna sind es die untern Gelenkenden, vom 
Os metacarpi pollicis das obere, von den übrigen Ossa metacarpi die unteren Gelenk- 
enden. Am Os femoris befinden sich sowohl das untere Gelenkende als die beiden 
Trochanteren, an der Tibia und Fibula beide Gelenkenden in diesem Zustande. Am Becken 
sind die Nähte zwischen den Körpern des Sitz- und Schambeins und dem Darmbein 
noch nicht ganz verwischt, Tuber ischii und Crista ilei haben noch Knochenansätze. 


Am Schädel ist die Synchondrosis sphoeno-basilaris noch unverknöchert. 


3. Weitere, nicht vom Alter abhängige erwähnenswerthe Verhältnisse dieses 


Scelets sind folgende: 


A. An der obern Extremität. Das Schulterblatt ist im Verhältniss zur Länge 
der Extremität klein und von einer mehr weiblichen Form. Das Schlüsselbein ist 
dünn, gracil. An der Stelle der Fossa olecrani und Fossa cubitalis ante- 
rior des Os humeri findet sich ein querovales Loch mit abgerundeten Rändern; 
der Knochen ist im Uebrigen in der Umgebung dieser Stelle keineswegs besonders 
dünn, so dass an einem Durchbruch durch Usur gar nicht zu denken ist. Es kann 
dies daher nur, wenn nicht eine Rassen-, doch eine individuelle Eigenthümlichkeit 
sein. Für erstere Annahme spricht das Vorkommen eines ähnlichen Lochs an mehreren 
Sceleten von Australiern. 

B. Besonders erwähnenswerth sind die Verhältnisse des Beckens. Es geht aus 
der beigefügten Tabelle’), so wie aus der Abbildung (Taf. XVII.) hervor, dass das 
Becken, verglichen mit dem eines unverstümmelten jungen Negers sich mehr der 
weiblichen Form nähert und ganz besonders gilt dies von der Form und den Durch- 
messern des Beckenausgangs. Es sollen diese Verhältnisse weiter unten bei Beschrei- 
bung des zweiten Eunuchen-Beckens im Zusammenhang erörtert werden. 

C. Der Schädel ist ziemlich prognath, die Stirn niedrig und zurückweichend, 
das Hinterhaupt sehr prominent. 

D. Was schliesslich das Scelet im Ganzen und seine Proportionen betrifft, so 
ist die Grösse desselben von 183 Cent. an und für sich schon eine sehr beträchtliche, 


sie erscheint aber durch die relativ ungemein beträchtliche Länge der Gliedmaassen 


9) S. unten S, 111. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 1 4 


— 106 — 


noch auffallender. Dabei ist das ganze Scelet gracil, die Knochen nicht stark. Die 
Totalhöhe des Scelets beträgt 183 Cent., die Länge der Arme 86,7, die der 
Beine 106,7; es verhält sich also die Totalhöhe zur Länge der oberen Extremität 
— 100 : 47.37, zur Länge der untern = 100 : 58,30. Vergleichen wir damit 
die Maasse des Scelets'') eines verstümmelten jungen Negers von 151,5 Total- 
höhe, so beträgt bei diesem die Länge der oberen Extremität 69,1, die der untern 
79,2, bei einem jungen Europäer von 164 Totalhöbe erstere 69,7, letztere 
88.6 ; es verhält sich also bei diesem Neger die Totalhöhe zur Länge der oberen 
Extremität = 100 : 45,6 zur Länge der unteren = 100 : 52,2, beim Europäer 
= 100 : 42 und 100 : 54. 


Totalhöhe, Armlänge, Beinlänge 


in Metern. 


Den 1.830 0.867 1.067 
N nn 40g : 47,37 : 58,30 
N 1,515 0,691 0.792 
© 
IRB = 100 : 45,6 . 52.2 
1,640 0.697 0.886 
Europäer R 
= 100 : 42,5 : 54,0 


Im Verhältniss zur Totalhöhe sind hiernach beide Extremitäten am längsten beim 
Eunuchen und zwar ist das Plus zu Gunsten der Extremitäten nicht unbeträchtlich. 
Während aber sonst beim Neger die obere Extremität im Verhältniss zur Totalhöhe 
länger, die untere aber kürzer ist als beim Europäer (vergl. vorstehende Tabelle) sind 
hier beide Extremitäten länger als beim Europäer. 

Was die einzelnen Abtheilungen der Extremitäten betrifft, so ist an der oberen 
bei einer Totallänge von 86,7 der Humerus 36.4, der Vorderarm 30,3, die 
Hand 20,3 lang. Das Verhalten der einzelnen Abtheilungen im Vergleich zu denen 
des oben erwähnten Negersceleis und eines europäischen ist in folgender Tabelle 


zusammengestellt. 


10) Beschrieben in: Berichte der naturf. Gesellsch, zu Freiburg. Bd. I. S. 2, 


— 17 — 


Relat. Länge der Abtheilungen des Arms 


in Centimetern. 


un Oberarm. Vorderarm. Hand. 

ganzen Arms. 
ı in 86,7 36.4 30,0 20,3 
ihn = 100 : 4,9 : 34,6 : 23,4 
n 69.1 28,5 25,6 17,0 
Bas 2400 : 41,2 : 37,0 : 24,6 
mager 69,7 31,3 23,3 16,7 
rn 100 : 44,3 : 33,4 : 23,9 


Hiernach ist also bei beiden Negern, dem unverstümmelten wie dem Eunuchen, der 
Vorderarm im Verhältniss zum Oberarm länger als beim Europäer ; an ersterem 
ist aber das Plus zu Gunsten des Vorderarms bedeutender, obgleich die Gesammtlänge 
Jer obern Extremität im Verhältniss zur Körperhöhe beim Eunuchen grösser ist. 

An der untern Extremität beträgt die Länge des ganzen Beins 106,7, die 
des Femur 55,6, der Tibia 47.0. 


Relat. Länge der Abtheilungen des Beins 


in Centimetern. 


Gesammtlänge. _ Oberschenkel. Unterschenkel. Fuss. 
R 106,7 55,6 47,0 25.0 
Eunuche 
= 100 52 : 44,0 : 23,4 
79,2 39,9 34,7 20,5 
Neger 
= 100 : 50,3 x 43,8 125,8 
v 83,6 44,9 37.9 20,7 
Europäer ‘ 
E00 : 50,6 ART 23,3 


Es erhellt hieraus, dass der Oberschenkel im Verhältniss zum Unterschenkel länger 
ist als sonst beim Neger, der Fuss relativ zur ganzen Extremität kürzer; es sind also 
die eigentlichen Negercharaktere weniger scharf ausgesprochen. Die dritte Zehe ist die 
längste. 

In wie weit die ungewöhnlich hohe Statur und die langen Extremitäten auf Rechnung 


der Castration zu schreiben sind, darüber wage ich keine Muthmassung. Dass nach 
14* 


— 18 — 


Bilharz solche hohe Gestalten bei Eunuchen sehr gewöhnlich sind, wurde oben schon 
erwälint. Auch frühere Beobachter, wie ich soeben sehe, z. B. Withof''), erwähnen, 
dass in früher Jugend Castrirte leicht eine ungewöhnlich hohe Statur erreichen. Aehn- 
liches beobachtet man ja auch beim Rinde; der Stier gelangt wohl nie zu der Grösse, 
welche Ochsen bisweilen erreichen. Andrerseits ist jedoch nicht ausser Acht zu lassen, 
dass einzelne Stämme Nordostafrikas, wie z. B. die Denga’s oder Dinka’s, sich 
durch besonders hohe Statur und lange Gliedmassen auszeichnen sollen. Hartmann”) 
sagt von denselben: „Man denke sich durchgängig beinahe 6° hohe dürre, aber doch 
trefflich gewachsene Kerle, die ebenholzschwarzen Spinnenglieder völlig unbekleidet. — 
Der Körperbau dieser Dengua konnte trotz aller Magerkeit vollendet genannt werden- 
Kein Knochen war verbildet, das ganze Gerüst zeigte an diesen blendendschwarzen 
Statuen die schönsten Proportionen. Die Brust war breit und gewölbt, die Hände und 
Füsse klein, die Knöchel zart. — Der hinten stark gewölbte, in den Scheitelbeinen und 
dem Hinterhaupte besonders entwickelte Schädel hatte etwas Thierartiges und wurde 
dies noch erhöht durch das vorgezogene Antlitz, dessen Camperscher Winkel spitzer 
denn bei Beräbra und Juny ist. Die Stirne war flach, gleich der des Panthers, die 
Nase sanft gebogen oder gerade.“ — In dieser Schilderung ist Manches, was auf 
unser Scelet passt, einmal die hohe Statur von 6° und dabei die ziemlich kleinen Hände 
und Füsse (die Hand verhält sich zum "ganzen Arm beim Eunuchen-Scelet 
= 23,4 : 100, beim Neger-Scelet = 24,6 : 100, der Fuss zum ganzen Bein 
bei ersterem = 23,4 : 100, bei letzterem = 25,8 : 100). 

Wenn Hartmann von „Spinnengliedern“ spricht, so muss ihm doch jedenfalls 
eine ungewöhnliche Länge der Extremitäten aufgefallen sein. obgleich er nachher sagt, 
dass das Gerüst die schönsten Proportionen zeige Auch was da von dem Schädel 
gesagt ist, passt sehr gut auf den unsern, an dem die Stirne sehr flach, das Hinter- 
haupt sehr prominirend ist. Der Eingangs erwähnte zweite Eunuchen-Schädel") 
unserer Sammlung entspricht dem Schädel des Eunuchen - Scelets so vollkommen, dass 


kein Zweifel ist, dass beide demselben Stamme angehören. Es erhellt dies aus einer 


11) Withof, de castratis comment. quatuor. Duisburg 1756. 

12) Reise des Freih. A. v. Barnim durch Nord-Ost-Afrika Berlin 1863. S. 547. 

13) Der Schädel ist der eines noch jungen Mannes, die Synchondrosis-sphoeno -basilaris noch offen; die 
Stirn ist schmal und zurückweichend, das Hinterhaupt sehr prominirend, die Nasenöffnung schmal, die Nasen- 
wurzel flach. 


— 109 — 


Vergleichung der Abbildungen auf Taf. XXI u, XXIII. auf das Deutlichste, ebenso wie aus 
der hier unten folgenden Tabelle. Dass der Neger, dessen Scelet im Vorigen beschrieben 
ist, dem Stamme der Denga angehört habe, dafür spricht auch die Angabe von A. von 
Kremer"), dass der Stamm der Dinka’s einen nicht unbeträchtlichen Theil der Neger- 
sklaven Aegyptens liefere. Dessenungeachtet bin ich weit entfernt, dies für mehr als 


eine Vermuthung auszugeben, wie ich ausdrücklich bemerke'). 


Schädelmaasse der beiden Eunuchen-Schädel in Centimetern. 


Längen Höhen. Breiten en 
a & . Stirnbreite 
| 8 & 2 FE ’ & e e 2; Circum- 
| 8 &5 Eier = 5© 3 E = = 2 3 33 | ferenz. 
an | En N ee = 2 DE: EEE FE EEE: 
22 Er EI REN or lau FE rel 
% 
Schädel des 17,4|34,510,3 12,0/12,0]10,513,514,3[13,0| 9,4111,0113,0 11,41 48,4 
Eunuchen - Scelets. 
II. 
Einzelner 17,1/35,0110,311,2]13,0/11,0113,8|14,6112,8| 9,2|10,5.13,0 11,5 48,0 
Eunuchen- Schädel. 


II. Becken eines schwarzen Eunuchen. 
(Tab. XX und Tab. XXI Fig. 2.) 


Es ist dies das Becken desselben Individuums, dessen Urogenitalorgane Dr. Alfons 
Bilharz in seiner oben erwähnten Inaugural-Dissertation'“) beschrieben hat. Dasselbe 
gehörte einem jungen Manne von ca. 20—25 Jahren an. 

Die Durchmesser des Beckens sind die folgenden: 


a) Durchmesser des Eingangs: b) Durchmesser der Höhle: 
1). gerader op ae or2:10X0 A)egeradensn io 2 0 ee 
2). queren oe ee a il. SE qUetenie me a gie 
3) SChrag er nA 


14) Aegyptenl.c. IH. S. 87, 

15) In dem eben erschienenen XI. Ergänzungsheft der Petermann’schen Mittheilungen finden sich auch An- 
gaben von v. Heuglin über die „himmellangen“ Gestalten der Dinka’s und die 6-7’ hohen „Stelzen- 
gestalten“ der Nuer’s. 

16) Sieb. u. Köll. Zeitschrift. Bd. X. S. 291. 


c) Durchmesser des Ausgangs: e) Höhe des ‚Kreuzbeins sammt dem Steissben 14,0 
u . r - . - - . - 
6) gerader constanter . : » ... . 10,5 f) Distanz der beiden Spinae ilei anteriores su- 


EN ee nenn, 0 DERIOTESA 5 sn Kt a ae LE 


8) Entfernung der Spinae ischii 
8,9 | g) Höhe des ganzen Beckens von der Crista ilei 


bis7zumS Tuben.) isch 2 2 2 eu 


von einander 


d) Breite des Kreuzbeins: 
h) Höhe des kleinen Beckens von der Eminentia 


1) Eanzder2 Im.wareuatar 22 0.85 
2) am 2. Wirbel 0 ileopectinea zum Tuber ischi . . . . . 97 
Si ee Rn IE EIERN. 
Ay) er u Or 


Vergleichen wir dieses Becken mit dem eines jungen unverstümmelten Negers 
( Tab. XIX.)'') von ungefähr gleichem Alter, so erscheint dasselbe, besonders in Bezug 
auf zwei Punkte, davon abweichend. Einmal ist das Kreuzbein ungewöhnlich schmal. 
Dasselbe hat an der Liniea arcuata 8,5, an der Stelle des 2. Wirbelkörpers aber nur 
7,0, an der Stelle des 3% 8,1 im Querdurchmesser. Es findet sich also (vgl. Tab. XXI. 
Fig. 2) an der Stelle des 3. Kreuzbeinwirbels eine auffallende Verschmälerung, eine Art 
Einschnürung. Auffallend ist ferner, dass der dieser eingeschnürten Stelle anliegende Theil 
des Darmbeins, d. i. die Umgebung der Spina posterior inferior'*) verdickt erscheint, als 
wie wenn dadurch der durch Verschmälerung des Kreuzbeins entstandene leere Raum hätte 
sollen ausgefüllt werden. Der zweite Punkt, in welchem sich dieses Becken von dem 
des unverstümmelten Negers unterscheidet, ist das Verhalten der Durchmesser. Diese 
nähern sich entschieden den weiblichen und insbesondere gilt dies von den Durch- 
messern des Beckenausgangs, wie dies aus der Vergleichung der Abbildungen und aus 
der nachfolgenden Tabelle am Deutlichsten erhell. Die Entfernung der Tubera ischii 
beträgt bei dem normalen männlichen Negerbecken 7,0, hier dagegen 8,9. Der Scham- 
beinwinkel ist dort von exquisit männlicher Form, hier viel mehr der weiblichen sich 
nähernd. 

In Bezug auf diesen 2. Punkt, den weiblichen Charakter des Beckens, verhält sich 
das unter I. beschriebene Becken des Eunuchen-Scelets in ganz ähnlicher Weise, ‚wie 
ein Blick auf die Abbildung (Tab. XVII.) zeigt, dagegen fehlt an diesem die am andern 
vorhandene auflallende Verschmälerung des Kreuzbeins. 


12) Es ist dies das Becken des Neger -Scelets, welches ich in den „Berichten der Freiburger 
naturf. Gesellschaft Bd. I. S. 2 näher beschrieben habe. 
18) Fig. 4. i. 


— ‚111 — 


Becken-Durchmesser in Centimetern 


Durchmesser Durchm. || -: Durchmesser Breite £ = & 

des der des es n = © 1 

Eingangs Höhle. Ausgangs Kreuzbeins o a sol, rg S + 

Ara |due|duQ =: 

A £ TE „ | O8 | 020 o£EA | 585 

ER 5 Fr cn 42 BI ea 2|H MH "s | 
5 2 v Ps © F a ga rn ipr o R oA 

& 2 &n = 5 25 Ss 5 = =) 8. 5 ri S ä 

u m > £ 2 + > fi A=} 

Eu Es Eu a) ER Sa ee a a a ee 

& 5 = & = | Ss“ | © 5 oi 5 & 


ie 

Becken des |10,8|12,312,410,6)10,6111,610,2.10,4|10,4| 8,6] 7,7 11,6 | 9,7 20,5 | 21,0 
Eunuchen- Scel. 
ii ! 
Einzelnes 10,0)11,2]11,4111,2| 9,6110,5| 9,510,0| 8,5] 7,0] 8,1 9,3 10,0 | 20,3 | 20,5 
Eunuchen-Beck. | 

III. 
Becken des 9,0) 9,4 9 
Negers. 


‚9! 9,0| 7,0| 9,8| 7,5! 7,0| 8,3 7,2] 7,0] 7,8 8,3! 17,5 | 19,0 


Dass sowohl diese als der weibliche Charakter des Beckens Folge der frühzeitigen 
Entmannnng sind, ist wohl keinem Zweifel unterworfen. Dass in früher Jugend Castirte 


mehr weibliche Formen bekommen und insbesondere sich auch durch breite Hüften aus- 


zeichnen sollen, wird häufig behauptet.” Anatomische Beobachtungen, vergleichende 
Messungen über das Verhalten der betreffenden Scelettheile konnte ich jedoch nirgends 
auffinden. Ja meine sichere Hoffnung, wenigstens über das anatomische Verhältniss der 
Becken- und Kreuzgesend bei castrirten und nicht castririen Thieren genaue Angaben 
zu finden, wurde nicht einmal erfüllt. Jedermann weiss, dass der Stier vom Ochsen 
in seinem äussern Habitus und u. a. auch in der Conformation der Kreuzgegend merk- 
lich abweicht. Diese Gegend ist beim Stier relativ schmäler und es muss in der 
Bildung der betr. Scelettheile dieser Unterschied ausgesprochen sein. Die Werke, die 
mir zu Gebote standen, enthielten keinerlei Angaben hierüber und so wandte ich mich 
an einen Forscher, der eher als andere im Stande sein konnte, über diesen Punkt 
Erfahrungen gemacht zu haben, an Herrn v. Nathusius auf Hundisburg bei Magdeburg. 
Derselbe war so freundlich mir auf meine Anfrage Folgendes zu erwidern: 

„Die Frage nach Verschiedenheit der Beckenform bei castrirten Thieren hat mich 
oft beschäftigt, aber ein Resultat habe ich nicht. Es wird hin und wieder in Schriften 
über das „Exterieur“ des Pferdes davon gesprochen, dass die Beckengegend beim 
Wallach anders sei als beim Henest und in Bezug auf die äussere Erscheinung 


ist wohl etwas Wahres daran; exacte Beobachtungen oder gar comparative Messungen 


— 12 — 


an mehreren Individuen, aus denen ein wahrscheinlich richtiger Durchschnitt gezogen 
werden könnte, sind mir nicht bekannt, auch ist in keinem der mir bekannten thierärzt- 
lichen Museen, weder auf dem Continent noch in England, nur annähernd Material 
genug vorhanden, um zu einer klaren Einsicht zu kommen. Es ist sogar selten, wenn 
man ein Scelet findet, dessen Geschlecht notirt ist. Ich selbst bin zu keiner Ansicht 
darüber gekommen, habe aber allerdings auch nicht grosses Material für diese Specialität. 
Im Allgemeinen hört man ja oft, dass bei castririen Menschen das Becken dem weib- 
lichen ähnlich werde und ich selbst kenne zwei Castraten mit ganz auffallend breiten 
Hüften; beide hatten in frühster Jugend den Verlust erlitten. An Thieren konnte ich 
einen messbaren Unterschied zwischen dem männlichen Becken und dem der Castraten 
bisher nicht nachweisen. Literatur kenne ich nicht in Bezug darauf, habe aber noch 
einmal eine Menge Bücher durchgesehen, ohne Etwas zu finden.“ 

Wodurch nun aber die mehr weibliche Form des Beckens in den beschriebenen Fällen 
zunächst bedingt worden sei, das ist allerdings nicht leicht zu sagen. Da Organe im 
Becken, wie die Samenbläschen, Prostata etc. in Folge der Castration an Volumen abnehmen, 
so müsste man als direkte Folge eher eine Verengerung der Höhle erwarten. Wir 
können daher wohl nur den wenig sagenden Schluss ziehen, dass diese weibliche Form 
eben ein Ausdruck der überhaupt bei den Castraten vorhandenen Hinneigung zum Typus 
des weiblichen Geschlechts sei. Anders verhält es sich mit der zweiten Eigenthümlich- 
keit der auffallenden Schmalheit des Kreuzbeins des zuletzt beschriebenen Beckens. Ist 
dieselbe in der That eine Folge der Castration, wie ich vermuthe, so wird vielleicht 
in der Rückbildung der obgenannten Beckenorgane oder selbst auch des gesammten 
Nervenapparats der männlichen Organe die nächste Ursache gesucht werden können. 
Gerade um diese Fragen zu entscheiden, wären sorgfältige vergleichende Untersuchungen 
an den Becken castrirter Thiere sehr von Werth und wenn diese Schrift weiter kein 


Resultat hat, als solche zu veranlassen, so ist ihr Erscheinen genugsam gerechtfertigt. 


Erklärung der Abbildungen. 
Tab. XVII. Becken des auf Tab. XXI Fig. 1 abge- | Tab. XXI. Fig. 1. 2. u. Tab. XXI. Fig. 1. 2. Schä- 


bildeten Eunuchen - Scelets. del des auf Tab. XXI. Fig. 1. abgebildeten Eunuchen- 
Tab. XIX. Becken eines jungen nicht entmannten Negers. Scelets. 
Tab. XX. Becken eines schwarzen Eunuchen, Tab. XXIl. Fig. 3. 4. u. Tab. XXI. Fig. 3. 4. Schädel 
Tab. XXI. Fig. 1 Scelet eines schwarzen Eunuchen. eines zweiten schwarzen Eunuchen. Beide Schädel 
Fig. 2. Kreuzbein des auf Tab. XX abgebildeten sind geometrisch aufgenommen und um die Hälfte 
Eunuchen-Beckens, verkleinert 


— 005983900 ——— 


Ueber 


Regeneration der Wirbelsäule und des Rückenmarks 
bei Tritonen und Eidechsen. 


Von 


H. Müller, 
d. Z Vorsitzender der Physikalisch -Medieinischen Gesellschaft in Würzburg. 


Tafel XXIV. XXV. 


Die häufige und in sehr grosser Ausdehnung stattfindende Reproduction des ver- 
loren gegangenen Schwanzes bei Eidechsen ist eine Jedermann bekannte und gewiss 
vom physiologischen Standpunkt sogleich zu mancherlei Fragen anregende Thatsache. 

Als ich vor längerer Zeit über den feineren Bau solcher nachgewachsener Schwänze 
mich unterrichten wollte, fand ich schliesslich nur bei Cuvier (Recherches sur les 
oss. foss.) eine kurze Beschreibung und die Bemerkung, dass eine genauere Untersuchung 
sehr interessant sein würde. 

In der Sitzung der Physikalisch-medieinischen Gesellschaft (Verhandl. Bd. II. S. 66) 
durfte ich billig meine Verwunderung aussprechen, dass eine so bekannte und so gut 
empfohlene Sache so wenig beachtet worden sei, und theilte mit, was ich an einem 
ausgezeichneten Fall jener Wiedererzeugung gefunden hatte. 

Ich hatte in Nizza eine Lacerta viridis erhalten, welche zwei Schwänze von be- 
deutender Länge übereinander besass, während sonst die 2—3fachen Schwänze neben- 
einander zu liegen pflegen. Beide erwiesen sich als neugebildet, wie dies bei den 
mehrfachen Schwänzen in der Regel wenigstens der Fall zu sein scheint. Nach Js. 
Geoffroy St. Hilaire') kann man sogar bei Eidechsen und besonders bei Salaman- 
dern die Vervielfältigung des Schwanzes willkürlich hervorbringen. wenn man das 
Ende des Stumpfs in zwei oder mehrere Lappen theilt und diese getrennt hält bis die 
Vernarbung von jedem geschehen ist. 


!) Histoire des anomalies Th. I. p. 644 u. 735. Dort findet sich auch nach Otto, Patholog. Anatomie, 


die Angabe, dass an den nengebildeten Wirbeln meistens die Apophysen fehlen. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 15 


— 114 — 


Das Resultat der mikroskopischen Untersuchung ging nun an den reprodueirten 
Schwänzen dahin, dass an das Ende der ursprünglichen Wirbelsäule sich ein Knorpelrohr 
anfügt, welches, nächst der innern und der äussern Oberfläche verkalkt, eine weiche 
Masse einschliesst. Die Natur der letzteren war nicht genau festgestellt. Die An- 
ordnung im Ganzen aber schien mir eine grosse Analogie zu haben mit der Anlage 
der Wirbelsäule um die Chorda dorsalis. 

Dieser Vergleich des neugebildeten Strangs mit einer Chorda wurde später von 
zwei Seiten in ähnlicher Art wiederholt. 

A. Müller?) äussert sich: „Der Glaskörper der Chorda kann endlich auch wahrer 
Knorpel sein, wie ich am reprodueirten Salamanderschwanz sah, wo sein Gewebe 
andern Knorpeln völlig gleich. An den Knorpelfaden der Chorda setzten sich obere 
und untere Knorpelstrahlen nach dem Typus der embryonalen Entwicklung.“ 

Leydig”) aber sagt: „Mitten durch die regenerirte Schwanzspitze (einer Eidechse) 
zog ein weisslicher Streifen, einer Chorda dorsalis vergleichbar, bestand aber nicht 
aus den grossen Zellen der Chordasubstanz der Fische und Batrachier, sondern aus 
kleinen spindelförmigen, eng aneinander liegenden Zellen.“ 

Mittlerweile hatten mich selbst weitere Untersuchungen belehrt, dass jenes Knor- 
pelrohr nicht eine Chorda einschliesst, sondern einen seinerseits hohlen Strang, der aus 
dem Rückenmark hervorwächst. Hiemit war natürlich die ganze Auffassung des Strangs 
verändert. Was aber an Interesse verloren wurde dadurch, dass ein epigonales 
Aequivalent der Chorda nicht mehr angenommen werden konnte, kam ein durch den 
Nachweis einer Regeneration an einem Organ von so grosser Dignität wie das Rücken- 
mark. Diese Beobachtungen wurden theils in der Physikalisch-medieinischen Gesellschaft, 
theils auf der Naturforscherversammlung in Bonn vorgetragen. ‘) 

Später scheint nur Gegenbaur°) über die Sache etwas veröffentlicht zu haben. 
Seine Untersuchungen an Eidechsen führten ihn zu einem Resultat, welches mit dem 
von mir mitgetheilten fast völlig übereinstimmt. Auch nach ihm handelt es sich nicht 
um eine neugebildete Chorda, sondern die Wirbelsäule setzt sich in das Knorpelrohr, 


das Rückenmark in das Contentum des Centralkanals fort. Nur darin weicht Gegen- 


2) Müller's Archiv 1853 S. 260. 

3) Histologie 1857, S. 62. 

*) Amtlicher Bericht für 1857 S. 198. 

5) Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule 1862. 


— 15 — 


baur ab. dass nach ihm eine Regeneration des Rückenmarks nicht statt hat, und das 
im Innern des Knorpelrohrs liegende Gewebe nichts mit dem Rückenmark direct zu 
schaffen hat. Denn die neugebildete, an das Rückenmark sich anschliessende Masse 
scheine nicht aus Elementartheilen des Rückenmarks zu bestehen und der Kanal im 
Knorpelrohr habe nirgends regelmässige Communicationen nach Aussen. Aehnlich wie 
bei Lacerta fand Gegenbaur das neugebildete Schwanzskelet bei Hemidactylus. 
Das Knorpelrohr ist diekwandiger nnd hat hier und da nach oben gehende Communi- 


eationskanäle. 


Soweit die bisher vorliegenden Angaben. Ich will nun im Folgenden einige 
weitere Beobachtungen an regenerirten Schwänzen von Tritonen und Eidechsen mit- 
Iheilen. Es kann dabei nicht meine Absicht sein den Gegenstand nach allen Richtungen 
zu verfolgen, welche der Aufmerksamkeit würdig wären. Denn es steckt in demselben 
u. A. eine ganze Entwickelungsgeschichte fast sämmtlicher Gewebe. Auch über das 
Aeusserliche des Regenerationshergangs, seine Schnelligkeit und Vollständigkeit je nach 
Zeit und Umständen kann ich nicht sehr viel beibringen und tröste mich darüber mit der 
Aussicht, dass ein mit solcher, wenn man so sagen darf, physiologischer Zoologie 
unserer Amphibien ganz besonders vertrauter Beobachter, Prof. Bruch, darüber später 
Mittheilungen machen wird. Ich werde mich hier auf die Wirbelsäule und das Rücken- 


mark beschränken, deren Wiedererzeugung an sich schon sehr merkwürdige Thatsachen 
liefert. 


I. Tritonen. 


Das Material der Untersuchung bestand aus Exemplaren von Triton täniatus und 
eristatus, denen der Schwanz nachwuchs, nachdem er abgeschnitten worden war. Bei 
dem kleinen Triton betrug das Regenerirte nach einigen Monaten in mehreren Fällen 
etwa 5 Mm. Bei dem grossen wuchs einmal in zwei Monaten ein Stück von 4 Mm.; 
bei einem andern in 3 Monaten 7 Mm., bei einem dritten in 8 Monaten 8 Mm. Ohne 
Zweifel tritt unter günstigeren Umständen als die waren, deren sich diese Thiere er- 
freuten, die Reproduetion in kürzerer Zeit und grösserer Ausdehnung ein, sowie eine 


längere Lebensdauer Manches noch mehr zur Entwickelung bringen würde. 


15* 


— 16 — 


a. Wirbelsäule. 


Als Hauptresultat ist voranzustellen, dass sich eine vollständige knorpelige Wir- 
belsäule entwickelt, welche aus einer Reihe von Körpern mit oberen und unleren 
Bogen besteht. 

Die Axe des regenerirten Wirbelsystems bildet ein continuirlicher Knorpelstrang, 
welcher sich unmittelbar an die Reihe der ursprünglichen Wirbelkörper anschliesst und 
am vorderen Ende die Dicke derselben erreicht. Bei zwei fast gleichen Exemplaren 
von Triton täniatus, wo an ein ursprüngliches Schwanzstück von 11—13 Mm. Länge 
sich ein neues von 5 Mm. anfügte, betrug die Dicke der letzten ursprünglichen Inter- 
vertebralknorpel 0,22—0,27 Mm., des in der Mitte eingeschnürten knöchernen Wirbels 
nur 0.18—0.2 und ebenso dick war der Anfang des neuen Knorpelstrangs. Nach 
hinten nimmt derselbe nur langsam an Dicke ab. Er ist im Allgemeinen rundlich, 
hier und da etwas herzförmig oder seitlich comprimirt. 

Der grösste Theil des Axenstrangs ist in einzelne Wirbelkörper gegliedert, in 
einer Weise, welche sich viel näher an die Wirbelsäule der Embryonen höherer Wir- 
belthiere, als an die frühen Entwicklungsstadien der Tritonenwirbel anschliesst. 

Es gliedern sich nämlich Wirbel und Intervertebralstellen durch die Form und 
Anordnung der Knorpelzellen sehr deutlich ab. s. Fig. 8 Tab. XXIV. Je in einem Wirbel- 
körper werden die Zellen mit ihren Höhlen grösser, blasig; je zwischen zwei Wirbeln 
sind sie senkrecht verlängert, aber von vorn nach hinten schmal, dabei so geordnet, 
dass ein senkrechter Längsdurchschnitt Züge zeigt, welche nach dem vorderen und 
hinteren Wirbel hin concav sind, von der Intervertebralebene aus sich nach den zwei 
Seiten auseinander wendend. 

Am Anfangstheil des Regenerirten sind die Wirbel lang, die Intervertebralstellen 
kurz. Weiter nach hinten werden die Wirbel kürzer, und die Form der Knorpelzellen 
st nicht mehr so verschieden, indem sie auch in den Wirbelkörpern weniger blasig, 
mehr flach von vorn nach hinten sind. Allmählig verwischt sich auch die charac- 
teristische Anordnung immer mehr. Zuletzt wird der Strang kleinzellig, weicher und 
verliert nach und nach die Eigenthümlichkeit des Knorpels. Hier tritt dann erst eine 
raschere Abnahme in der Dicke des Stranges ein. 

Es ist aus dem Gesagten ersichtlich, dass hier von dem hinteren Ende her ein 
Nachwuchs sich allmählig vergrössernder Wirbel stattfindet, in derselben Art, wie 


Knorpel auch sonst zu wachsen pflegen. Indem sich eine grössere Menge festerer 


— 17 — 


hyaliner Grundsubstanz bildet, wachsen die Zellen zuerst in einer Ebene (nach der 
Dicke des Knorpelstrangs). Durch Wachsthum in der Richtung der Axe des Strangs 
wird dann vorwiegend ein Längenwachsthum, hier die Bildung längerer Wirbelkörper 
vermittelt. Die Urquelle weiteren Wachsthums neuer Wirbel aber liegt in der klein- 
zelligen Masse am hintern Ende des Knorpelstrangs. 

Diese Verhältnisse werden besonders an Längsschnitten deutlich. Querschnitte 
zeigen an der Gränze des Knorpels, wie sonst, schmalere, in der Mitte grösere, 
blasige Höhlen und Zellen. 

An den Axenstrang schliessen sich nun obere und untere Bogen, welche ebenfalls 
aus hyalinem Knorpel bestehen. Dieselben gehen nicht durch Auswachsen des Axen- 
strangs hervor, sondern sind selbstständige Bildungen, indem sie aus einer weichen 
Masse verknorpeln. welche eine Höhle ober- und unterhalb des Axenstrangs umgab. 
Die Bogen erreichen mitunter den Axenstrang vollständiger als dies an den (der In- 
tervertebralganglien wegen) gezeichneten Figg. 1 und 2 der Fall ist. Aber auch wo 
sie dicht anstossen, bleibt eine Gränze durch die Anordnung der Knorpelzellen sichtbar 
und an den meisten Stellen bleibt ein mehr oder weniger faseriger Zwischenraum 
zwischen Wirbelkörper und Bogen. °) 

In der Mittellinie sind in der Regel die rechten und linken Bogenhälften sowohl 
oben als unten continuirlich; nicht selten ist dort der Knorpel gerade besonders dick 
und etwas früher entwickelt als weiter gegen die Axe hin. Aber die Bogenhälften 
sind nicht in der ganzen Länge oben und unten geschlossen. 

In der Regel sind die Bogen für die einzelnen Wirbel durch Zwischenräume ge- 
trennt, oft mit so grosser Regelmässigkeit als dies an einer normalen Wirbelsäule der 
Fall sein kann. (s. Fig. 8.) 

Nicht selten aber sind doch die Bogen von etwas unregelmässiger Form, und 
zwar ist dies häufiger an den unteren und wieder an den vordersten Wirbeln beson- 
ders der Fall, an den letzteren wohl durch die stärkere Nachwirkung der Verletzung. 
Solche unregelmässige Auswüchse bilden nun hier und da Brücken von dem Bogen 
eines Wirbels zu dem des nächsten, 


Diese Bogen treten später als die Wirbelkörper auf, wenn man vom Ende des 


6) Fig. 4 ist nach dem Endtheil eines ursprünglichen Schwanzes gezeichnet, entspricht aber, mit Aus- 
nahme der stärkeren Verkalkung des Knorpels, zum Verwechseln anderen Schnitten welche von reproducirten 
Schwänzeu angefertigt sind. 


— 185 — 


Schwanzes her untersucht, und die unteren nicht immer gleichzeitig mit den oberen, 
wiewohl hier meist wenig Unterschied ist. 

Hingegen kommen bedeutende Verschiedenheiten in der Ausbildung des Scelets 
bei äusserlich sehr ähnlichen Exemplaren vor. Während bei den zwei erwähnten Exem- 
plaren von Triton täniatus I Mm. von der Schwanzspitze schon schöne knorpelige 
Bogen vorhanden waren. traten dieselben bei einem dritten Exemplare bei welchem 
das Regenerirte ebenfalls gegen 5 Mm. betrug, erst 3 Mm. von der Schwanzspitze auf 
und bei Triton eristatus habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. 

Bei den meisten der von mir untersuchten Tritonen kam die Wirbelsäule nicht 
über das knorpelige Stadium hinaus. Es ist aber damit offenbar die Entwickelung 
nicht abgeschlossen. Bei dem letztgenannten Triton taeniatus fand sich an dem 
vordersten Theil der regenerirten Wirbelsäule eine dünne Anöcherne Schale an der 
Oberfläche des Knorpels, sowohl des Körpers, als der Bogen. Diese Knochenschale 
geht durch Verkalkung der an den eigentlichen Knorpel anstossenden Schicht hervor, 
welche ein unvollkommen osteoides Gewebe, mit zackigen Zellen darstellt. Was zu- 
nächst hervorgeht, ist demnach auch kein exquisites. lamellöses Knochengewebe im 
engern Sinne des Wortes. Die Schale kann zu einer gewissen Zeit auch so dünn 
sein, dass sie gar keine Zellen einschliesst. Eine Markraumbildung wurde am neuen 
Wirbelkörper dadurch angebahnt, dass von der knöchernen Schale einzelne Bälkchen 
in die umgebende weiche Substanz ausgingen, wie dies bei der normalen Entwicklung 
der Tritonwirbel und, ähnlich, bei den periostalen Knochenbildungen überhaupt statt- 
findet. Eine stärkere Entwicklung der genannten osteoiden Gränzschicht des Knorpels, 
mit zackigen Höhlen, kam auch bei einem zweiten Exemplar, sowie bei Triton 
cristatus vor, jedoch ohne dass sie durch stärkere Verkalkung zu einer knöchernen 
Schale wurde; immerhin mochte eine grössere Lichtbrechung derselben vielleicht auf 
beginnende Verkalkung zu schieben sein. 

Während also Knochenbildung durch Auflagerung auf die Aussenfläche des Knorpels 
an der neugebildeten Wirbelsäule vorkommen kann, habe ich eine Umwandlung des 
neuen Knorpels in Mark durch nachträgliche Auflösung der Grundsubstanz noch nicht 
beobachtet. vielleicht jedoch nur wegen zu kurzen Bestehens der reproducirten Theile- 

Es musste nun wohl die Verschiedenheit der neugebildeten Wirbelkörper von den 


normalen, °) und die Erfahrungen welche insbesondere Kölliker über die Eigenthüm- 


7) Siehe Gegenbaur. a. a. 0. 


— 119 — 


lichkeiten des Endes der Wirbelsäule bei vielen Fischen gemacht hat, dazu auffordern, 
das Ende des normalen Tritonschwanzes zu untersuchen. 

Dabei zeigte sich in der That, dass bei unseren drei Tritonarten die Wirbel- 
säule nicht mit einem kmöchernen Wirbel endigt, sondern in einen knorpeligen Strang 
ausläuft. Die regenerirte Wirbelsäule schliesst sich in vielen Beziehungen an dieses 
abweichende Ende der normalen Wirbelsäule an. 

Zur Untersuchung dienen, bequemer, successive Querschnitte, oder, vollständiger 
aber schwieriger, Längsschnitte des Schwanzendes. 

Bei Triton igneus folgte auf einen knöchernen, markhaltigen Wirbel von 0.4 
Länge, durch eine Intervertebralstelle geschieden, ein Wirbel aus verkalktem Knorpel, 
0.155 Mm. lang 0.125 hoch, mit einem schwach entwickelten Bogen. Hierauf kam, 
mit plötzlichem Absatz, eine Strecke von 0.075 Länge und Höhe, wo die Knorpelzellen 
senkrecht verlängert waren, wiewohl nicht so stark als an andern Intervertebralstellen. 
Die Partie hatte aber die grösste Aehnlichkeit mit der eigenthümlich stark eingeschnürten 
hinteren Partie des Intervertebralknorpels an den vorderen Schwanzwirbeln,. welche 
schon von der Knochenschale des nächsten knöchernen Wirbels umschlossen, aber durch 
einen ringförmigen Hohlraum davon geschieden wird. Dann nahm der Knorpel noch- 
mal auf eine Strecke von 0.04 Mm. einen Durchmesser von 0,11 an, wurde gross- 
blasiger und glänzender, (wahrscheinlich eiwas verkalkt). um dann in einen Strang 
überzugehen, der sich ohne scharfe Gränze in reiches kleinzelliges Gewebe verlor. 
Fig. 7, zeigt einen Querschnitt in dieser Gegend, welcher mit dem Querschnitt des 
regnerirten Schwanzes Fig. 6 fast identisch ist. 

Bei Triton cristatus zeigte sich eine noch grössere Zahl rudimentärer, bloss 
knorpeliger Schwanzwirbel, indem auf den letzten knöchernen Wirbel 4 Abschnitte 
folgten, wo der Körper bloss aus verkalktem Knorpel bestand, an Grösse und Ent- 
wicklung immer abnehmend. (der erste 0.36 lang, der leizte 0.1 Mm.) durch wenig 
ausgeprägte Intervertebralknorpel getrennt. Endlich ging ein Strang aus unvollkom- 
menem Knorpel noch 0.25 Mm. weit in das weiche Schwanzende. Auch knorpelige 
Bogen sind vorhanden an den vorderen der knorpeligen Wirbelkörper. 

Bei Triton taeniatus ergaben Querschnitte, von hinten anfangend. als erste 
Andeutung der Wirbelsäule einen hellen Fleck aus unentwickeltem Knorpel. Nachdem 
dieser dicker geworden und mehr diflerenzirt ist, tritt rechts und links ein Stück einer 
Knochenschale auf, (s. Fig. 3.) welche alsbald zu einem Ring zusammenfliessen, anfäng- 


lich ohne eingeschlossene Knochenkörper. Dann erst verkalkt der Knorpel im Innern, 


— 120 ° — 


zugleich treten obere und untere knorpelige Bogen auf, welche alsbald ebenfalls von 
einer Knochenkruste umgeben werden, und zwar sowohl an ihrer äusseren als inneren 
Oberfläche. Diese Kruste ist der des Körpers continuirlich. (s. Fig. 4.) Hier sind nun 
die äusserst zierlichen Querschnitte denen der regenerirten Schwänze vollkommen ähn- 
lich, mit Ausnahme der stärkeren Verkalkung. Indem der Knorpel schwindet, tritt 
dann ein markhaltiger Wirbel von bekannter Formation auf. 

Die untersuchten Tritonen waren erwachsen, doch kann ich bestimmte Grösse- 
angaben nicht machen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass dieselben noch eines gewissen 
Wachsthums des Schwanzes fähig gewesen wären. Aber wohl darf man als sicher 
annehmen, dass die unvollkommenen Schwanzwirbel und der Knorpelfaden sich nie mehr 
in ächte knöcherne Wirbel verwandelt hätten. 

Es besitzen also die Tritonen bleibend ein eigenthümlich gebautes Schwanzende. 

Natürlich erhebt sich die Frage nach dem Verhältniss zur Chorda. Ich habe von 
derselben hier nichts gesehen, wiewohl ihre Reste in den Intervertebralstellen der vor- 
deren Schwanzwirbel sowohl an Quer- als an Längs-Schnitten leicht zu sehen sind. 
Ist die Chorda im Schwanzende innerhalb des Knorpels spurlos verschwunden, oder hat 
sie sich selbst in den Knorpelstrang umgewandelt? Im letzten Fall würde die Auf- 
fassung von A. Müller, welcher letzteren bei den regenerirten Schwänzen mit einer 
Chorda verglich, etwas für sich haben. Es ist aber nicht wohl anzunehmen, da sich 
der Knorpelstrang des normalen Schwanzendes an den Intervertebralknorpel anschliesst, 
hinten diffus in eine weiche Masse ausgeht, und der so sehr ähnliche regenerirte 
Knorpelstrang sicher nicht aus der eigentlichen Chorda entstand. 

Hingegen muss die nicht unwichtige Frage entstehen, ob nicht eine Anzahl von 
Wirbeln, wenn auch rudimentären, aus dem hintern Ende der skeletbildenden Schicht 
hervorgehen können, durch welches nie die Chorda hindurchgegangen war. Diese 
Frage hatte sich mir schon früher aufgedrängt, gelegentlich der Untersuchung der 
Schwänze an Säugethierembryonen, allein das Material reichte nicht zur Sicherstellung 
hin, und bei Tritonen ist eine solche auch nur (u. A, durch Zählungen der Wirbel) 
bei Larven zu erwarten. Der etwaige Nachweis von Wirbeln, welche sich aus einem 
Strang abgliedern unabhängig von der Chorda, würde auch für die Auffassung der 
Gliederung an dem vordern Ende der Wirbelsäule nicht ohne Einfluss sein. 

Bei Froschlarven kommt übrigens eine sehr vollkommene Regeneration der Chorda 


vor, wenn man den Schwanz abschneidet. 


— 1721 — 


b. Rückenmark. 


Wenn man das Rückenmark in dem ursprünglichen Schwanz von Tritonen auf 
Querschnitten verfolgt, so findet man dasselbe bis weit hinter in der bekannten charak- 
teristischen Anordnung. Um einen Kanal her liegt im Innern eine blasse, zellige Masse, 
während eine peripherische Zone von den (Querschnitten longitudinaler Nervenfasern 
eincenommen wird. Gegen das hintere Ende verlieren sich die letztern allmählig und 
es bleibt zuletzt nur der Kanal mit seiner nächsten Umgebung übrig: radiär gestellte, 
etwas ceylindrische Zellen, an welche sich mehr oder weniger deutlich noch eine Lage 
kleiner rundlicher Zellen anschliesst. 

Dieses Filum terminale von 0,045 Mm. Durchmesser tritt in Querschnitten, welche 
man vom hinteren Ende her macht, fast zugleich mit dem hellen Fleck auf, welcher 
aus unentwickeltem Knorpel bestehend, das rudimentäre Ende der Wirbelsäule bezeichnet. 
Erst merklich später treten knorpelige Bogen auf; es geht also das Rückenmark über 
die eigentlichen Wirbel, insbesondere über den Wirbelkanal hinaus. Die skelet- 
bildende Schicht ist wenigstens nicht zu der Bildung von Knorpel oder Knochen gekom- 
men, es ist aber anfänglich nicht einmal eine eigene fibröse Lage als von dem um- 
gebenden pigmentirten Gewebe abgegränzte Wand des Raums für das Rückenmark zu 
erkennen. 

In regenerirten Schwänzen zeigt sich nun, wenn man Querschnitte von rückwärts 
her macht, genau dieselbe Bildung. Ein Filum mit radiär um ein Lumen gestellten 
Zellen tritt ziemlich zugleich mit dem Knorpelfaden, vor den Bogen auf. Ein Blick 
auf Fig. 7, welche den Querschnilt eines ursprünglichen Schwanzendes von Triton 
igneus darstellt und Fig. 6, welche den regenerirten Schwanz von Triton cristatus 
zeigt, genügt, die vollständige Uebereinstimmung darzulegen. 

Weiter nach vorn geht nun aus diesem Filum ein Rückenmark hervor, welches 
der ursprünglichen fast vollständig gleich ist, nur etwas weniger stark und regelmässig 
entwickelt (s. Fig. 1. Tab. XXIV.). 

Der Kanal liegt sowohl bei Triton taeniatus als cristatus sehr excentrisch 
nach der Bauchseite. Um ihn her stehen radial Zellen von schwach cylindrischer Form, 
welche von rundlich - polygonalen, blassen Zellen umgeben werden. An der untern 
Seite erreichen die Cylinderzellen die Oberfläche des Rückenmarks unmittelbar oder es 


liegt nur eine Reihe anderer Zellen darüber. An der Seite wird die Zahl der letzteren 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 16 


— 12 — 


immer grösser und nach oben, wohin die Entfernung vom Kanal aus am grössten ist, 
liegen deren etwa 6 Reihen, so dass sie auch dort an die Oberfläche stossen. Die 
Grösse der Zellen, welche den Kern eng umgeben, ist 0,0075 bis 0.01 Mm. Die 
dunkle Zone aussen herum ist nicht so stark als beim ursprünglichen Rückenmark und 
bloss an den Seiten vorhanden, da die Zellen der inneren, blassen Substanz in der 
oberen und unteren Mittellinie die Oberfläche erreichen. Die dunkeln Punkte auf dem 
Querschnitt der äussern Zone werden, wie im ursprünglichen Rückenmark, nachweislich 
durch Querschnitte von Fasern erzeugt, welche den Charakter feiner Nervenfasern haben. 

Der Durchmesser des regenerirten Rückenmarks betrug bei Triton taeniatus 
mit 5 Mm. Neubildung etwa 0,125 Mm. am Anfang derselben. Höher oben in dem 
ursprünglichen Schwanztheil desselben Thieres war sie allerdings 0,27 Mm., allein in 
dem hinteren, dünneren Theil ursprünglicher Schwänze beträgt sie auch nur 0,1 Mm., 
wo das Rückenmark bereits vollkommen mit seinen Substanzen entwickelt ist, 

Man darf also den neugebildeten Strang, welcher die Höhle der oberen Wirbel- 
bogen füllt, mit Recht als ein wirkliches Rückenmark ansprechen. Denn, wenn die 
histologischen Elemente klein und wenig deutlich sind, so ist dies an dem ursprüng- 
lichen Rückenmark fast in derselben Weise der Fall. 

Für die Vollkommenheit der Neubildung des gesammten Wirbelsystems ist nun noch 
ein Punkt bezeichnend. 

Der regenerirte Schwanztheil enthält jederseits eine Reihe von Spinalganglien. 

Diese werden von Zellenhaufen dargestellt, welche an der Basis der oberen Bogen, 
zwischen und neben denselben liegen. Weit hinten sind die Zellen an Zahl und Dif- 
ferenzirung von den übrigen der Umgebung schwach entwickelt. Weiter vorn aber 
werden sie unverkennbar. Sie sind durch einen grossen, bläschenförmigen Kern von 
0,01 bis 0,125 Mm. ausgezeichnet, um welchen die schwach polyedrische Zelle ziem- 
lich eng anliegt. Ihre Bedeutung wird durch den Vergleich mit den Ganglien des 
ursprünglichen Schwanzes festgestell. Diese sind hier ziemlich gross (0,1 Mm. und 
darüber), so dass je ein Paar zusammen häufig der Grösse des Rückenmarks gleich- 
kommt. Die regenerirten Ganglien dagegegen erreichten bei Triton taeniatus nur 
die Hälfte jener Grösse‘). Lage und Zusammensetzung ist aber dieselbe, nur dass die 


Zellen und Kerne der ursprünglichen Ganglien etwas grösser sind. Doppelte Nerven- 


8) Bei Triton eristatus wurden die vordersten etwas grösser. Auch für die einzelnen Zellen gilt 
dies bei dem ältesten Exemplar, wo auch von dem Ganglion ausgehende Nervenstämmehen zu erkennen waren, 


— 13 — 


wurzeln konnte ich an den regenerirten Stücken nicht sehen, wie an dem ursprüng- 
lichen Rückenmark, wohl aber einen zellig-streifigen Strang vom Rückenmark zu den 
Ganglien. Da die Umgebung sehr dicht anlag, ist vielleicht in günstigeren Fällen auch 
diese wichtige Eigenthümlichkeit zu finden. 

Bei dem unmittelbaren Uebergang des alten Rückenmarkes in das neu erzeugte ist 
es wahrscheinlich, dass letzteres durch Vermehrung der Elemente des ersteren heraus- 
gewachsen ist. Doch habe ich hierüber noch keine sichern Beobachtungen machen 
können. Hingegen muss offenbar das Wachsihum des einmal angelegten Rückenmarkes 
als ein sehr kräftiges bezeichnet werden. Hiefür spricht, dass dasselbe so weit in das 
Schwanzende hinaus ragt, und dass es den Kanal der Wirbelbogen sehr vollständig 
ausfüllt. Auch hierin gleicht der neu erzeugte Schwanz dem hintern Ende des ursprüng- 
lichen, während weiter vorn mehr Raum zwischen Rückenmark und Wirbelkanal bleibt. 
Beide Stellen schliessen sich an das Verhalten von Embryonen an, wo die Centraltheile 
des Nervensystems in früher Zeit gross gegenüber ihren Umgebungen sind. 

Das durch den Verlust des Schwanzes hervorgerufene Auswachsen, oder die 
Wucherung des Rückenmarks führt nun in manchen Fällen zu Zuständen, welche sıch 
von der einfachen Regeneration entfernen und zuletzt entschieden pathologisch zu nennen 
sind, sofern überhaupt eine solche Scheidung zulässig. ist. 

Ein Triton cristatus hatte in 8—9 Monaten 8 Mm. neuen Schwanzes erzeugt. 
Die Wirbelsäule verhielt sich ganz wie oben dargestellt ist. Auch das Rückenmark 
sowie die Intervertebralganglien fehlten nicht; aber eine Anzahl Querschnitte nahe am 
Anfang des Regenerirten zeigte im Rückenmark 3 Kanäle, jeden von den radiär gestell- 
ten Zellen umgeben (s. Fig. 2 Tab. XXIV.). Aussenher lag, den Wirbelkanal völlig füllend, 
eine trübe Masse, in der Fasern nicht mit völliger Sicherheit zu erkennen waren. 
Weiter hinten war der Kanal wieder einfach auf dem Querschnitt. Dies, sowie die 
schiefe Richtung der 3 Kanäle an den Durchschnittsstellen, endlich Längenschnitte, sprach 
dafür, dass es sich nicht um eine Theilung des Kanals, sondern um starke Windungen 
desselben handelt, wobei das Rückenmark sich je an den weiteren Stellen des Wirbel- 
kanals streckenweise angeschwollen zeigte. Dieser eigenthümliche Befund muss wohl 
auf ein unverhältnissmässiges Wachsthum des Rückenmarkes, besonders in seinem mitt- 
lern Theil, bezogen werden. 

Zwei Exemplare von Triton taeniatus, wo der Schwanz nur als ein 1% und 
1%, Mm. langes Spitzchen nachgewachsen war, zeigten stärkere Abweichungen. In 


beiden war nur ein dünner Faden unentwickelten Knorpels, ohne Bogen, zu finden. 
16* 


— 14 — 


Ueber demselben lag in dem einem Fall eine Höhle, welche sich an den ursprüng- 
lichen Wirbelkanal "anschloss, oben leer, d. h. mit Flüssigkeit gefüllt war, und das 
Rückenmark in dem Endtheil des ursprünglichen Schwanzes war trüb, dick und unregel- 
mässig. In dem zweiten Fall war das Regenerirte grösstentheils von einer sehr weiten 
Höhle (0,45 hoch, 0,17 breit) eingenommen, welche eine zellige eiterarlige Masse 
enthielt. Diese Höhle hatte sich hinten nach abwärts neben den rudimentären Knorpel- 
faden gedrängt (Fig. 5.); vorn kam sie ganz über denselben zu liegen und der Inhalt 
schloss sich unmittelbar an das Rückenmark än. Dieses war aber in der ganzen Länge 
des ursprünglichen Schwanzes verdickt und trüb, und die regelmässige Anordnung nicht 
zu erkennen. Es hatte hier offenbar ein entzündlicher Vorgang nicht nur die gewöhn- 
liche Regeneration gestört, sondern weit hinauf das Rückenmark betroffen, ohne jedoch 
die Regeneration des Uebrigen ganz aufzuheben. Die Wand des Hohlraums in dem 
neugebildeten Stück enthielt ringsum Gruppen neugebildeter Muskelfasern. 


II. Eidechsen. 


Das verwendete Material bestand grösstentheils aus Eidechsen, welche mit bereits 
regenerirten Schwänzen eingefangen wurden. Die Länge des Regenerirten betrug bis 
zu 6 Cm. 

Die bereits bekannte Haupteigenthümlichkeit des regenerirten Schwanzes besteht 
darin, dass derselbe statt einer Wirbelsäule von einem Knorpelstrang durchzogen wird, 
dessen Höhle sich an die der ursprünglichen Wirbelsäule anschliesst. 

Wo die Regeneration bereits weiter vorgeschritten ist, hat das Knorpelrohr vorn etwa 
den Durchmesser der Schwanzwirbel, und verjüngt sich gegen das hintere Ende allmäh- 
lig. Ueber den inneren Bau geben zunächst Querschnitte bequem Aufschluss, welche 
nebenbei, wenn man sie durch den ganzen gut erhärteten Schwanz anfertigt und färbt, 
zu den zierlichsten Objeeten gehören, welche man sehen kann. 

Das Knorpelrohr bildet an solchen Schnitten einen Ring, der an der inneren und 
äusseren Oberfläche mit einer Gränzschicht versehen ist, welche kleine verlängerte und 
concentrisch gegen die Axe liegende Körperchen hat, übrigens von sehr verschiedener 
Dicke vorkommt. Die mittlere, meist grösste Zone des Rings besteht dagegen aus 


grösseren meist scharf polygonalen Knorpelhöhlen mit hyaliner Zwischensubstanz. Da 


— 125 — 


diese nicht in Gruppen liegen, hat der Schnitt ein netzarliges Ansehen. Wo der gross- 
zellige Knorpel in die Gränzschicht übergeht, also nahe der innern und äussern Ober- 
fläche, ist eine Verkalkung der Zwischensubstanz eingetreten, die meist homogen, nur in 
kleineren Strecken krümelig ist. Die Dicke der verkalkten Zone wechselt sehr, Am 
Anfang und gegen das Ende des Rohrs erreichen sich gewöhnlich beide Zonen, indem 
fleckweise auch der mittlere Theil des Knorpels verkalkt. Aber auch an andern Stellen 
kommt ein solches Durchgreifen der Verkalkung vor, und wo seitliche Oeffnungen an 
dem Rohr vorkommen, werden sie meist von einer Kalkkruste bekleidet, welche so die 
innere und die äussere Kalkzone in Verbindung setzt. 

In Schwänzen, deren Regeneration noch weniger vorgeschritten ist, findet man 
das ganze Knorpelrohr aus kleinzelliger Substanz ohne Verkalkung gebildet, das Lumen 
desselben beträchtlich geringer, so dass es von dem als Rückenmark zu bezeichnenden 
Strang ganz ausgefüllt wird. 

Die Querschnitte belehren ferner über die Form des Knorpelrohrs, welche oft nur 
beiläufig rundlich ist, und es ist hervorzuheben, dass besonders gegen das vordere Ende 
häufig Unregelmässigkeiten vorkommen, die damit zusammenhängen, dass dort der Beginn 
der Regeneration die grössten Schwierigkeiten zu überwinden hatte. Auch ein grosses 
Geläss, welches nicht selten dort den Knorpel durchbohrt, oder eine Strecke in ihm 
verläuft, bedingt häufig eine Modification. Fast immer aber ist in derselben Gegend das 
Knorpeirohr unten merklich dicker, was durch den Anschluss an den stärkeren Wirbel- 
körper bedingt wird. So entsteht eine herzähnliche Form, welche schon an sehr jungen 
Objecten zu finden ist. Ist der Knorpel unten zugleich breiter, so erhält er bisweilen 
eine Furche, welche gegen die dort gelegenen Hauptgefässe gerichtet ist”). 

Was ist nun der Inhalt des Knorpelrohrs ? Bindegewebe, manchmal mit zierlichen 
sternförmigen Körperchen, Blutgefässe, ramifieirte Pigmentzellen, an einzelnen Stellen 
Fettzellen, ausserdem aber insbesondere ein Strang, den ich nachher als Rückenmark 
weiter zu betrachten habe. 

Vorerst muss das vordere Ende des Knorpelrohrs in seinem Verhältniss zur 


ursprünglichen Wirbelsäule festgestellt werden. Hier gibt ein guter medianer Längen- 


9) Beispielsweise gebe ich einige Maasse von einem 5), Cm. lang regenerirten Schwanz. Der Durch- 
messer eines der letzten Wirbelkörper betrug 0,32 Mm. Der Knorpel an seinem Anfang unten 0,45, oben 
0,28, das Lumen 0,2. Ein Cm. weiterhin: Dicke des Knorpels 0,18—0,23; 3 Cm. vom Anfang: Dicke 
des Knorpels 0,14— 0,18, Lumen 0,13; 4 Cm. vom Anfang: Dicke des Knorpels 0,135 — 0,16, Lumen 
0,125; endlich 5 Mm. vom Ende: Dicke des Knorpels 0,09 — 0,12; Lumen 0,1 Mm. 


— 16 — 


schnitt die beste Auskunft (s. Fig. 2. Tab. XXV.). In allen von mir genau unterersuchten 
Fällen schloss sich das Knorpelrohr unmittelbar an ein stehen gebliebenes Stück eines 
knöchernen Wirbels an, und zwar unten an den Körper, oben an den Bogen. 

Eine Vergleichung der weiler vorn gelegenen Wirbel zeigt, dass dies Stück nichts 
anderes ist, als die vordere (kleinere) Hälfte des Wirbels, welche nach Cuvier an den 
Schwanzwirbeln der Eidechsen durch eine Querspalte von der hinteren Hälfte getrennt 
ist. Gegenbaur hat gezeigt, dass diese Spalte durch einen tief durchgreifenden Mark- 
raum erzeugt wird. Um diese Spalte zu zeigen, ist in Fig. 2. Tab. XXV. der nächst- 
vordere Wirbel mit aufgenommen. Diese Spalte bildet offenbar den Locus minoris 
resistentiae des Eidechsenschwanzes und ihre Anwesenheit bedingt ohne Zweifel zum 
Theil die bekannte Leichtigkeit der Abtrennung. 

Vielleicht ist dafür, dass diese Trennung in der Regel durch die Querspalte des 
Wirbels zu gehen scheint, noch ein anderer Punkt bemerkenswerth. Es sind nämlich 
die Schwanzwirbel der Eidechsen wenigstens sehr häufig nicht durch Gelenke verbunden, 
sondern der Intervertebralknorpel verbindet je zwei Wirbel unmittelbar, ohne dass es 
zu der Bildung einer Höhle gekommen ist'’). Auch hier also finden wir am Schwanze 
die Entwickelung oder die Differenzirung der Wirbelsäule weniger weit gediehen, als 
an andern Abschnitten. 

Im Einzelnen ergeben sich nun folgende Verhältnisse des Anschlusses des neuen 
Knorpelrohrs an das alte Stück des Wirbelkörpers: 

Der Knorpel ist in alle Unebenheiten des Knochens und seiner Markräume so einge- 
lassen, dass beide in dem innigsten Zusammenhang stehen. Wahrscheinlich sind die 
Zellen des Markes sogar an seiner Production wesentlich betheiligt. Die innige 
Berührung verkalkenden Knorpels mit ächtem Knochen und Mark ist so häufig, dass sie 
nicht auffallen kann. Entsprechend der grösseren Dicke des Wirbelkörpers als des 
Bogens ist der Knorpel anfänglich unten beträchtlich dicker. Bei manchen, offenbar seit 
lange regenerirten Schwänzen tritt dann ein weiteres Stadium ein durch Bildung von 
Markräumen in dem verkalkten Knorpel und Entstehung neuer, ächter Knochensubstanz, 


welche namentlich die Oberfläche des Knorpels mitunter ziemlich weithin überzieht ''). 


10) Doch habe ich einmal auch eine Gelenkspalte an vorderen Schwanzwirbeln gefunden. 

1) Ein Eidechsenschwanz, der olfenbar erst ganz kürzlich abgebrochen war, zeigte eine halbkugelige 
Erhebung, die bereits von geschichteter Epidermis bekleidet war. Darunter befand sich eine lebhaft wuchernde 
Zellenmasse mit Blutgefässen, der Rückenmarkskanal erstreckte sich bis nahe unter die Haut, aber von dem 
Wirbel waren ausser dem verkalkten Intervertebralkuorpel nur wenige Bälkchen des Körpers und Bogens übrig 


— 117 — 


So ist eine völlige Fusion des Anfangs des Knorpelrohrs mit dem Wirbel - Rest 
eingetreten und Querschnitte, welche nach Kenntniss des Längsschnitts sehr einfach zu 
deuten sind, werden ausserdem sehr leicht verwirrend; man kommt aus einem Knorpel- 
rohr, in welchem Markräume auftreten und an welchem da und dort Knochenbeleg auf- 
tritt, so allmählig in einen völligen Wirbel hinein, dass man diesen leicht für ganz 
neugebildet halten könnte. 

Die Querschnitte werden an der Uebergangsstelle ausserdem durch die Betheiligung 
der Bogen und Fortsätze complieirt. Ein Stück des oberen Bogens scheint in der 
Regel stehen zu bleiben, aber es ist dies sehr verschieden gross. Es hängt dies damit 
zusammen, dass, wie ich sehe, die Spalte im Bogen nicht regelmässig durchgeht. Wenn 
nun viel stehen geblieben ist, so bilden sich knorpelige Auswüchse, an denen wieder 
Verkalkung und Bildung von Knochensubstanz und Mark vorkommt. Dasselbe ist ganz 
gewöhnlich an dem unteren Bogen mit seinem Dorn der Fall (@ Fig. 2). Da er am 
Intervertebralknorpel haftet, so bleibt er stehen, und bildet einen Vorsprung, an den 
sich die oben genannten Vorgänge ebenfalls anschliessen, mehr oder weniger getrennt 
von dem Knorpelrohr. 

Längsschnitte der Basis des Knorpelrohrs zeigen ferner die Caudalgefässe (von denen 
Fig. 2 bloss die Vene getroffen ist), deren Regeneration auch hier durch einen Plexus 
kleinerer Gefässe, von denen sich einzelne später erweitern, eingeleitet wird. 

Vor Allem aber zeigen jene Schnitte die Continuität des oben als Inhalt des 
Knorpelrohrs erwähnten Strangs mit dem Rückenmark. 

Das Rückenmark ändert im ursprünglichen Theil des Schwanzes seine Form, so 
dass es am vordern Theil eines Wirbels und Intervertebralknorpel breit aber niedrig 
wird, während es sonst eher rundlich-viereckig ist. Es erscheint also von oben 
gesehen an den erstgenannten Stellen knotig, auf dem senkrechten Längsschnitt aber 
je zwischen denselben. 

Das am letzten Intervertebralknorpel bereits niedriger aussehende Rückenmark 
setzt sich nun, allmählig noch dünner werdend, sehr deutlich in das Innere des 
Knorpelrohrs fort, und zwar bis an das äusserste Ende desselben. 


geblieben, welche in die junge Zellenmasse hineinragend, die deutlichsten Spuren der Resorption an sich trugen. 
Nach der ganzen Anordnung musste wohl der Wirbel an der gewöhnlichen Stelle abgebrochen, der stehen- 
gebliebene vordere Theil aber einer fast völligen Auflösung anheimgefallen sein. Wenn dies der gewöhnliche 
Hergang ıst, würde allerdings auch das knöcherne Stück, welches das neue Knorpelrohr mit dem letzten 
Intervertebralknorpel zu verbinden pflegt, als fast ganz neugebildet anzusehen sein. 


ei 


In diesem aus dem Rückenmark hervorwachsenden Strang sind nun nervöse 
Elemente mit Sicherheit nachzuweisen. 

Der Bau desselben ist nämlich der folgende: 

Im Innern zieht durchweg ein scharfbegränztes Lumen von etwa 0,01 Mm. hin, 
welches eine Fortsetzung des Rückenmarkskanals ist. Um das Lumen her stehen 
kleine Cylinderzellen, auf welche noch andere rundlich-polygonale Zellen nach aussen 
folgen. Ob die Cylinderzellen flimmern, kann ich nicht sagen, die erhärteten Prä- 
parate zeigen meist einen starken Saum, der im hintern Theil des Strangs sehr 
scharf zu sein pflegt, während er weit vorn öfters wie gekerbt aussieht. In dem 
hintern, dünnern Theil des Knorpelrohrs ist nichts weiter zu erkennen und der Strang 
misst im Ganzen dort nur 0.04 Mm. Der Querschnitt ist dem vom Ende des Rücken- 
marks bei den Tritonen ganz ähnlich; der Längsschnitt trifft oft weithin das Lumen, 
so dass man sehr scharfe Profilansichten erhält, welche weit hinten mitunter bloss 
eine einzige Lage von Zellen zeigen (Fig. 5. Tab. XXV.). 

Weiter vorn aber ist in älteren Schwänzen um die cylindrischen Zellen her 
eine grössere Ansammlung von rundlich-polygonalen Zellen und eine peripherische 
Lage von Nervenfasern vorhanden. 

Diese Anordnung ist am besten an Querschnitten zn erkennen, wobei sich ein 
Durchmesser des ganzen Stranges von 0,05—0,09 Mm. ergibt (Fig. 3. Tab. XXV.). 
Hier bilden die Zellen eine innere helle Zone, welche rings von einer dunkeln um- 
geben wird, jedoch ohne lineare Gränze. Die dunkle Zone besteht aus verschieden 
grossen dunkeln Punkten, welche durch eine helle Zwischensubstanz so in Bündel 
getheilt sind, dass eine radiäre, seetorenartige Anordnung entsteht. Die Punkte aber 
erweisen sich als Querschnitte von Fasern. Ich habe dieselben zwar noch nicht 
frisch gesehen, allein in der Flüssigkeit conservirt, welche ich für Augen anzuwenden 
pflege, haben sie vollkommen den Charakter feiner markhaltiger Nervenfasern. Ihr 
Durchmesser beträgt kaum über 0.0025 Mm., meist 0.001 —2. Die Menge dieser 
Fasern, d. i. die Breite der äussern dunkeln Schicht des Strangs ist am vordern 
Theil des Schwanzes am grössten; nach hinten verlieren sie sich allmählig, doch sind 
sie in grösseren Schwänzen mehrere Cm. weit nachzuweisen. 

Schwieriger sind die zelligen Elemente zu beurtheilen. Sie sind meist nur gegen 
0,003 —5 Mm. gross, und ihre nervöse Bedeutung lässt sich um so weniger erweisen, 
als eine entschiedene Trennung von den Cylinderzellen des Kanals nicht zu erkennen 


ist. Doch scheinen sie sich an Grösse, Lage und Ansehen vorn an die multipolaren 


— 179 — 


Zellen des ursprünglichen Marks allmählig anzuschliessen, und die Analogie des Tri- 
tonenschwanzes ist der Annahme ihrer nervösen Natur günstig. 

Die Frage wäre zunächst durch physiologische Versuche zur Lösung zu bringen 
und ich habe seit längerer Zeit die sich bietende Gelegenheit benützt, zu sehen, ob der 
regenerirte Schwanz für sich die Fähigkeit hat, Reflexe zu erzeugen. In Verbindung 
mit dem ursprünglichen Rückenmark erweist sich der regenerirte Schwanz so 
empfindlich als der ursprüngliche, allein dies erklärt sich durch die denselben durch- 
ziehenden starken und histologisch, wie ich schon früher bemerkte, sehr vollkommen 
entwickelte Stämmchen dunkel-randiger Nervenfasern, welche von den peripherischen 
Nerven des Schwanzstummels ausgehen. Diese Fasern erreichen gegen 0.006 Mm. 
Dicke. Sie reichen auch aus, die automatischen Bewegungen zu erklären. welche 
der regenerirte Schwanz so gut macht, wie der ursprüngliche. Wenn man eine 
Eidechse decapitirt, so macht sie meist wenig Bewegungen; fährt man aber fort, 
stückweise das Rückenmark nach hinten wegzunehmen, so fängt der Schwanz an 
immer heftiger, hin- und herzuschlagen, und isolirte Stücke des Schwanzes thun 
dies auch. Der vordere Theil des Rückenmarks aber scheint ein Hinderniss für diese 
Bewegungen zu enthalten. Regenerirte Schwänze machen diese Bewegungen noch, 
wenn nur noch wenige Millimeter des ursprünglichen Schwanzes damit in Verbindung 
sind. hören aber auf, sowie man dieses kurze Stück entfernt. Es reicht also das- 
selbe aus, um diese Bewegungen in dem ganzen nach hinten folgenden Schwanz von 
5 Cm. Länge zu bewirken. 

Ebenso wie die automatischen Bewegungen hörten in 5 Fällen die Reflexbewe- 
gungen nach mechanischer Reizung auf, sobald das ursprüngliche Rückenmark entfernt 
war. Ein einziges Mal, an einer Eidechse, deren regnerirter Schwanz die bedeutende 
Länge von 6 Cm. erreichte, machte derselbe, unterhalb der Regenerationsgränze ab- 
geschnitten, noch leise, aber deutliche Bewegungen, welche stärker zu werden schienen, 
wenn der Schwanz auf dem Rücken lag, und die Schnittfläche der Axe mit einer 
Nadel gereizt wurde. An dieser Eidechse zeigte später die anatomische Untersuchung 
allerdings eine sehr wohl entwickelte Fortsetzung des Rückenmarks in den regenerir- 
ten Theil, mit sehr starker Schicht dunkler Nervenfasern, aber Ganglienzellen waren 
auch nicht mit Entschiedenheit zu erkennen und so kann der Fall vorläufig kaum als 
beweisend gelten. 

Es fehlt nämlich vor Allem der Nachweis, dass von dem regenerirten Rücken- 


marksstrang Nervenfasern zu den peripherischen Theilen gelangen können. Gegen- 
Abhandl. d, Senckenb. naturf. Ges. Bd. V, 


— 130 — 


baur hat hervorgehoben, dass das Knorpelrohr bei Eidechsen nirgends regelmässige 
Oeflnungen besitze. Es sind allerdings auch bei Eidechsen solche Oeflnungen da und 
dort, manchmal gar nicht selten vorhanden, allein sie sind in der That keineswegs 
regelmässig, gehn in mehreren Fällen wenigstens, wiewohl nicht immer, nach abwärts 
und man sieht Blutgefässe durch dieselben verlaufen. In einem einzigen Fall glaubte 
ich zwei Nervenfasern durch eine solche Oeffnung gehn zu sehen, doch war es nicht 
vollkommen sicher. 

Es ist somit eine beträchtliche physiologische Wirksamkeit des neugebildeten 
Nervenstrangs zweifelhaft, aber die Möglichkeit eines gewissen Einflusses nicht ganz 
zu leugnen. Man könnte schliesslich daran denken, dass die neugebildete Masse bloss 
auf dem Umweg durch den erhaltenen Theil des ursprünglichen Rückenmarkes wirk- 
sam wäre, im andern Fall aber, ob nicht das hintere Stück des ursprünglichen Rücken- 
markes eine Veränderung dadurch erfährt, dass sein Gebiet so bedeutend vergrössert 
ist. Eine Wucherung und Neubildung in demselben ist ja jedenfalls gegeben, und 
es fragt sich nur welche Elemente sie betrifft. 

Bemerkt sei noch, dass das Rückenmark bisweilen an dem frischen Schwanzstumpf 
etwas vorsteht, also leicht ein kleines Stückchen desselben hindurch in die neue 


Masse aufgenommen werden kann. 


Schliesslich ist das Verhalten des Knorpelrohrs und des darin enthaltenen Strangs 
in dem äussersten Ende des Schwanzes bemerkenswerth. 

Dasselbe ist nicht immer gleich. In der Regel geht der Schwanz in ein kleines 
Hökerchen aus, das über die allmählig kleiner gewordenen Schuppenreihen etwas 
vorsteht. Bis an oder in dasselbe erstreckt sich das Knorpelrohr, nachdem auch an 
älteren Exemplaren die Verkalkung desselben aufgehört hat. Meist geht dann der 
dünn und kleinzellig gewordene Knorpel ohne scharfe Gränze in das übrige pig- 
mentirte Gewebe über. Der hohle Rückenmarksstrang aber, oder wenn man lieber 
will, das Filum terminale tritt auch in dieses wenig dillferenzirte Gewebe ein, und 
ist sowohl auf Quer- als Längsschnitten bis ganz nahe unter die Epidermis zu ver- 
folgen. An einem besonders gelungenen Schnitt eines 5% Cm. lang regenerirten 
Schwanzes endigte der kleinzellige Knorpel ziemlich scharf oben 0,07, unten 0,06 
Mm. von der Epidermis der Spitze; das Filum aber, dessen Lumen nach einer vor- 
hergehenden Verengerung sich auf 0,015 erweitert hatte, gerade wo es aus der 


Öeilnung des Knorpelrohrs vortrat, war bis an das äusserste Ende zu erkennen. Das 


— 131 — 


Lumen, welches 0.017 Mm. von der Epidermis noch sehr scharf war, schien dort zu 
endigen. Die Zellen des Filum bildeten von der Fläche gesehen ein Pflaster dessen 
Felder kaum 0.009 betrugen. während sie an andern Exemplaren nicht so klein 
waren. Durch den ganzen Knorpelkanal war das Filum von zahlreichen Blutgefässen 
begleitet, welche nach dem Austritt aus der Spitze des Knorpels mit den dort an der 
Aussenseite befindlichen beträchtlichen Gefässen anastomosirten,. wie dies auch sonst 
der Fall zu sein pflegt. An einem andern, ebenfalls sehr stark nachgewachsenen 
Schwanz, wo der Knorpel noch schärfer und noch etwas früher abgegränzt war, 
endigte das Lumen des Filum ebenfalls etwas früher, noch in dem Knorpel, nachdem 
es. wie gewöhnlich zuvor sich etwas erweitert hatte. Es scheint somit, dass die 
schärfere Abgränzung des Knorpels den kaum mehr wachsenden Exemplaren zukommt. 
Das Filum geht aber bis sehr nahe unter die Epidermis, auch wo der kleinzellige 
Strang sehr lang, sich sehr allmählig verlierend, noch ein kräftiges Wachsthum des 
Knorpels verspricht. 

Diese Erfahrung, dass das rudimentäre Rückenmark in dem nachgewachsenen 
Schwanz bis zur äussersten Spitze reicht, in Zusammenhalt mit dem, was über das 
Schwanzende der Tritonen mitgetheilt wurde, musste zur Untersuchung der normalen 
Schwanzspitze bei Eidechsen auffordern. An dem einen bisher untersuchten Exemplar 
war zwar kein Knorpel, sondern ein kleines Knötchen aus unvollkommner Knochen- 
substanz, ohne Bogen als letztes Ende der Wirbelsänle zu finden. Ueber diesem 


aber lag bereits ein Filum mit Lumen wie in den regenerirten Schwänzen. 


Die Regeneration des Schwanzes kommt in derselben Art wie bei den Lacerten 
auch bei anderen Sauriern vor, undzwar, wie es scheint, häufig genug. Der Ascala- 
botae hat Gegenbaur schon Erwähnung gethan. Ich habe drei zum Theil sehr 
vollkommen regenerirter Schwänze aus dieser Familie vor mir und kann hinzufügen, 
dass das dicke Knorpelrohr einen Strang von demselben Bau wie bei den Lacerten 
einschliesst, der sich in Weingeist sehr gut erhalten hat. Bei Anguis trifft man 
häufig ein Stück des Schwanzes regenerirt sammt den Knochentafeln der Haut. Der 
Knorpelstrang im Innern ist dickwandig, besonders an der untern Seite, (0,3 bis 
0,55 Mm. Wanddicke bei 0.1 bis 0,2 Lumen), und schloss sich in einem Fall wenig- 


stens in ähnlicher Weise an ein vorderes Wirbelstück wie bei Lacerta, während in 
17% 


u 


einem zweiten Fall dies in der Gegend des ursprünglichen Intervertebralknorpels der 
Fall war. Im Innern des Knorpels liegt sehr starkes Fasergewebe. In der zoo- 
tomischen Sammlung in Würzburg findet sich ferner u. A. ein Skelet von Draco 
volitans, wo an die vordere, erhaltene Hälfte des 19. Schwanzwirbels sich ein 
über 2 Cm. langer Strang aus stark verkalktem Knorpel anschliesst, der an Dicke 
die Schwanzwirbel eher übertrifft. 

Ein sehr ausgezeichnetes Beispiel bietet ferner in derselben Sammlung das Skelet 
von Iguana. An das erhaltene vordere Stück des 21. Schwanzwirbels schliesst sich 
ein ungegliederter Strang an, der eingetrocknet vorn noch 5 Mm. Dicke besitzt. 
In der Länge von 10% Cm. endigt derselbe offenbar verstümmelt. Der Querschnitt 
zeigt ein etwas excentrisches Lumen von nur % Mm. Die Wand besteht grossen- 
theils aus verkalktem Knorpel, derselbe ist aber noch in der Entfernung von 2 Cm. 
vom letzten Wirbel durchzogen von Kanälen, welche von mehr oder weniger voll- 
kommener Knochensubstanz umgeben sind. Ohne Zweifel enthielten jene Kanäle Blut- 
gefässe und es liegt hier der Fall vor, dass ausgedehnter als es bei Lacerta der 
Fall ist, der neugebildete Knorpel von Gefässen durchzogen wird, deren Anwesenheit 
die Bildung von Knochen, wohl auch auf Kosten resorbirten Knorpels vermittelt. 

Endlich ist noch eine auffällige Erfahrung an der zweischwänzigen Eidechse anzu- 
führen, welche mich ursprünglich auf diesen Gegenstand geführt hatte. 

Jeder der beiden Schwänze enthält denselben hohlen Strang, der sich bei andern 
Eidechsen als Fortsetzung des Rückeumarks erwiesen hat. Es findet also eine Spaltung 
des auswachsenden Rückenmarks statt. Neue Schnitte des jetzt härter gewordenen 
Präparats lassen keinen Zweifel. Dieselben zeigen aber weiter folgendes: In dem oberen 
der beiden Schwänze liegen 3 Kanäle mit den bekannten radiär geordneten Zellen 
nahe beisammen. Zwei derselben sind mit ziemlich viel peripherischer Substanz in eine 
gemeinsame Faserhülle eingeschlossen, der dritte aber besitzt eine besondere Hülle 
(Fig. 4.). Da dieses Verhältniss sich gleich bleibt an Schnitten, die ziemlich entfernt 
von einander angelegt sind, so kann es sich hier nicht um eine Windung handeln, wie 
oben bei Triton, sondern es muss eine der beiden hohlen Fortsetzungen des Rücken- 


marks sich noch zweimal getheilt haben. 


— 133 — 


Werfen wir noch einen Blick zurück auf die hier dargelegten Thatsachen, so finden 
wir zuerst, dass bei Tritonen an dem hinteren Ende der Wirbelsäule das ganze Leben 
hindurch (oder wenigstens sehr lange) sich ein Zustand erhält, welcher dem embryo- 
nalen einigermassen nahe steht. Diesem Abschnitt der Wirbelsäule gleicht die neu- 
gebildete. Diese Bildung ist dadurch ausgezeichnet, dass sie ohne Chorda vor sich geht, 
welche auch in jenem Abschnitt der normalen Wirbelsäule nicht zu erkennen ist. Da 
dort ein directes Hervorgehen des ganzen Knorpelfadens aus der Chorda kaum anzu- 
nehmen ist, so darf wohl auch der reproducirte Knorpelstrang nicht als Chorda aufge- 
fasst werden, wogegen die ganze Gliederung spricht, sondern er muss als Aequivalent 
des Strangs von äusserer skelettbildender Substanz betrachtet werden, welcher aussen 
an der Chorda liegt. Allenfalls kann man die Sache so ansehen, dass der neue Knorpel- 
faden das Aequivalent der Chorda sammt äusserem Beleg ist, welche in dem repro- 
ducirten Theil der Wirbelsäule, unter wesentlich anderen Verhältnissen, nicht zur Dilfe- 
renzirung gekommen sind. 

Die vollkommene Reproduction des Rückenmarks mit den dazu gehörigen Spinal- 
ganglien entspricht der Ausbildung des ganzen Wirbelsystems. 

Dass die Zellenmasse, welche aus den Geweben des Rumpfs hervorwuchert, die 
Fähigkeit hat, sich nach der Eigenthümlichkeit der Organisation jeder Thierspecies zu 
entwickeln und anzuordnen, ist an sich nicht wunderbarer, als dass dies im Ei der Fall 
ist, aber es fällt uns auf, weil wir nicht gewohnt sind, diess täglich an den uns um- 
gebenden Wesen zu sehen. 

Während wir so bei den Tritonen finden, dass die gänzlich veränderten äussern 
Verhältnisse das Product des neu angeregten Wachsthums nur in geringerem Grade zu 
modifieiren vermögen, zeigt sich jenes Moment bei den Eidechsen viel mächtiger. Es 
ist die Reproduction der Masse nach mindestens so bedeutend als dort, aber die An- 
ordnung ist sehr beträchtlich abweichend, und es ist ohne Zweifel lehrreicher zu sehen, 
wie die Veränderung der äussern Umstände die Gestaltung des Werdenden an dem- 
selben Thier so gewaltig beeinflusst, als dass die Entwickelungsfähigbeit mancher Thiere 
sich durch die schwierigsten Verhältnisse nicht hindern lässt. 

Die neugebildete Axe des Schwanzes hat ihren Charakter als Rohr gewahrt, die 
Gliederung aber verloren. Ebenso ist sie nicht mehr der unmittelbare Stützpunkt der 
den Schwanz bewegenden Muskeln, welche von derselben überall durch Weichtheile 


(Fett und Fasergewebe) weit getrennt sind. Demungeachtet muss nach den morpho- 


— 134 — 


logischen und histologischen Eigenthümlichkeiten jenes Rohr als Aequivalent des Wirbel- 
rohrs bezeichnet werden. 

Ebenso ist der eingeschlossene hohle Strang als neugebildetes, wiewohl bedeutend 
modificirtes Rückenmark anzusprechen. Es fehlt daran der bestimmte Nachweis von 
Zellen mit centralen Kräften, es fehlt, entsprechend dem Bau des Wirbelrohrs, die durch 
die abgehenden Nerven ausgesprochene Gliederung. Aber die Anwesenheit dunkel- 
randiger Fasern macht den Strang zu einem unzweifelhaft nervösen Gebilde und 
die Anordnung derselben um einen zelligen Strang mit Centralkanal ist sicherlich hin- 
reichend, die Unterscheidung von einem gewöhnlichen durch Auswachsen der Fasern 
neugebildeten Nervenstamm zu begründen. 

In histologischer Beziehung schliesst sich bei den Eidechsen wie bei den Tritonen 
das Reprodueirte noch näher an das Ursprüngliche an, als dies in morphologischer Hin- 
sicht der Fall ist. Eine histologische Entwickelungsgeschichte der fraglichen Theile wird 
zugleich Manches über die gröbere Anordnung z. B. der Muskeln nachzutragen finden. 
Hier sollte nur, soweit es das Material eben erlaubte, eine Darlegung der wichtigsten 
anatomischen Erfahrungen über jene allgemein bewunderten, aber wenig untersuchten 
Naturobjecte gegeben werden. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


— 135 — 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXIV. 


1. Querschnitt durch den 5 Mm. langen, regenerirten Schwanz von Triton taeniatus. a Epidermis, 
5 Hautdrüsen, c Muskeln, quer durchschnitten, d oberer Knorpelbogen, e Rückenmark mit Centralkanal 
und peripherischer Nervenschicht, f Spinalganglion, links daran ein Blutgefäss, g knorpeliger Wirbel- 
körper, A unterer Knorpelbogen, die Caudalgefässe einschliessend. 


. 2. Querschnitt durch den regenerirten Schwanz von Triton cristatus, Wirbel mit oberem und 


unterem Knorpelbogen. Das Rückenmark zeigt 3 Durchschnitte des Centralkanals; rechts liegt ein 


Spinalganglion mit einem durchschnittenen Blutgefässe. 


. 3. Querschnitt durch das ursprüngliche Schwanzende von Triton taeniatus, a knorpeliger Wirbel- 


körper mit einer Verkalkung zu beiden Seiten, d Rückenmark, c Hautdrüsen. 


. 4. Querschnitt durch denselben Schwanz etwas weiter vorn. Der Knorpel des Wirbelkörpers ist ver- 


kalkt, mit einer Kruste an der Oberfläche, diese überzieht auch die oberen und unteren Bogen. 
a Rückenmark. 

5. Querschnitt durch den abnorm regenerirten Schwanz von Triton taeniatus. a rudimentärer 
Wirbelkörper, 5 Höhle voll zelliger Masse, die mit dem Rückenmark zusammenhing. 

6. Querschnitt durch das regenerirte Schwanzende von Triton cristatus. a Epidermis, c Rücken- 
mark, ce Knorpelstrang, d Blutgefässe. 


- 


7. Querschnitt durch das ursprüngliche Schwanzende von Triton igneus. Bezeichnung wie Fig. 6. 


. 8. Längenschnitt durch den regenerirten Schwanz von Triton taeniatus. a obere Bogen, b Rücken- 


mark mit dem Centralkanal, ce Knorpelstrang der Wirbelkörper mit drei Intervertebralstellen, d Arterie, 
e Vene, f untere Bogen. 


Fig. 1 ist 70mal, Fig. 2 120mal, die übrigen 40 — 50mal vergrössert. 


Tafel XXV. 


1. Querschnitt durch den regenerirten Schwanz einer Eidechse. 55mal vergrössert. a Epidermis, 
b Gruppen von Muskelbündeln, c Knorpelrohr mit äusserer und innerer Kalkschicht, d Kanal des 
Knorpelrohrs mit dem hohlen Rückenmark umgeben von Pigmentzellen und einigen Blutgefässen, e Fett- 


zellen, f Blutgefässe, (Die Zeichnung dieser Figur verdanke ich Herrn Dr. Eberth, ebenso Fig. 4 u. 6.) 
2. Längenschnitt durch das Ende der ursprünglichen Wirbelsäule und den Anfang des Knorpelrohrs eines 
neugebildeten Eidechsenschwanzes, 2Smal vergrösser. a oberer Bogen des letzten ganzen Wirbels, 
b vorderes kleines Stück des Körpers von demselben; Wirbel, c durchgreifender Markkanal, welcher das 
hintere Stück desselben Wirbelkörpers trennt, d Intervertebralknorpel, e unterer Bogen, f letzter Inter- 
vertebralkuorpel nach vorn und hinten verkalkt, g Rest des oberen Bogens vom darauffolgenden Wirbel, 


— 156 — 


h vorderes Stück des Körpers desselben Wirbels, ö unterer Bogen mit neugebildetem Knorpel daran, 
k untere Wand des neugebildeten Knorpelrohrs, Z obere Wand desselben, m Rückenmark, rn Blutgefässe 
nach hinten sich theilend. 

Fig. 3. Querschnitt des regenerirten Rückenmarkes einer Eidechse mit Centralkanal, Zellenschicht, Faserschicht 
und Hülle. Vergr. 500. 

Fig. 4. Querschnitt durch das Rückenmark mit dreifachem Centralkanal von einer Eidechse mit zwei Schwän- 
zen. Vergr. 200. 

Fig. 5, Längenschnitt durch das hintere Ende eines neugebildeten Rückenmarks. Vergr. 500. 

Fig. 6. Längenschnitt durch das Ende eines regenerirten Eidechsenschwanzes. a Knorpelrohr nach vorn ver- 
kalkt, nach hinten ziemlich scharf mit einer Oeffnung endigend, 5 Blutgefäss, durch diese Oeffnung 
heraustretend; darüber sieht man das hintere Rückenmarksende mit dem Lumen bis dicht an die Ober- 
fläche der Schwanzspitze treten. Die Epidermis fehlt. Vergr. 100. 

Fig, 7. Theil eines Querschnittes von dem Knorpelrohr eines regenerirten Eidechsenschwanzes. «a äussere 
kleinzellige Gränzschicht des Knorpels, 5b äussere verkalkte Lage, ce mitilere grosszellige Schicht, 
d innere kleinzellige Gränzschicht des Knorpels. Vergr. 400. 


Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pilze. 
Von 


Dr. A. de Bary, 


Professor an der Universität Freiburg i. B, 


Erste Reihe: Protomyces und Physoderma. Exoascus Pruni und die Taschen oder Narren der Pflaumenbäume. 


Zur Morphologie der Phalloideen. Syzygites megalocarpus, 


Tafel XXVI bis XXXI. 


I. Prolomyces und Physoderma. 


Mi dem Gattungsnamen Protomyces hat Unger') eine Anzahl in lebenden 
phanerogamen Pflanzen schmarotzender Pilze bezeichnet, welche die gemeinsame Eigen- 
thümlichkeit haben, im Innern des Parenchyms ihrer Nährpflanze zu vegetiren und ihre 
Fortpflanzungszellen zwischen den Elementen des Parenchyms zu entwickeln, ohne dabei 
dieses nach Art der Ustilagineen gänzlich zu zerstören oder nach Art der meisten 
Schmarotzerpilze zum Behufe der Fructification durch die Epidermis des Wirthes nach 
aussen hervorzubrechen. Unger beschreibt vier Arten seiner neuen Gattung: Proto- 
myces endogenus in Galium Molluso L., Pr. macrosporus in Umbeiliferen, 
Pr. mierosporus in Blattstielen und Blattrippen von Ranunculus repens L., Pr. Pa- 
ridis in den Stengeln und Blättern von Paris quadrifolia L. lebend. In der mit 
Unger’s Arbeit gleichzeitig erschienenen Flora eryptogamica Germaniae (pars II, p. 192) 
hat Wallroth eine neue Gattung. Physoderma, aufgestellt, deren Charaktere im 
Wesentlichen die nämlichen sind wie die von Protomyces. Wallroth stellt in diese 
Gattung Unger's Pr. macrosporus als Physoderma gibbosum°), nebst zwei 
anderen Arten: Ph. maculare, die Blätter von Alisma Plantago L. und Ph. pulpo- 


sum, die Stengel von Atriplex- und Chenopodiumarten bewohnend. Zu diesen sechs 


!) Die Exantheme der Pflanzen (1833) p. 341. 

2) Wallroth’s Phys. gibbosum ist sowohl nach der Beschreibung, als den Wallroth’schen Originalexem- 
plaren, welche ich durch Herrn Duby’s Freundlichkeit zur Vergleichung erhalten habe, mit Pr. macrosporus 
Unger identisch. 

Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V, 18 


— 138 — 


älteren Arten haben Spätere einige neue hinzugefügt. Corda’) beschreibt einen in 
lebenden Blättern von Eryngium campestre vorkommenden Parasiten als Physoderma 
Eryngii, v. Martius') einen in kranken Kartoffelknollen gefundenen Protomyces, 
ich’) habe einen in den Blättern von Menyanthes trifoliata wachsenden Proto- 
myces Menyanthis, Fuckel‘) einen in Stellaria media vorkommenden Pr. Stella- 
riae beschrieben. Bonorden‘) hat Protomyces für „einen Ustilago*“ erklärt und den 
Wallroth’schen Namen Physoderma für eine Gruppe von Uredineenformen angewendet, 
welche er neuerdings“) mit dem Namen Erannium bezeichnet. Die wirklichen Physo- 
derma- und Protomycesformen hat Bonorden offenbar nicht gekannt. Von neueren 
Untersuchungen über die hier in Rede stehenden Pilze ist wenig vorhanden. Ich habe 
(l. e.) das Mycelium von Protomyces macrosporus und die Entwickelung der Fort- 
pflanzungsorgane an ihm beschrieben, Caspary") hat meine Resultate bestätigt. Von 
den anderen oben genannten Arten ist kaum mehr als die kurzen Beschreibungen 
bekannt, welche ihre Autoren gegeben haben. 

Wie der Name Protomyces andeutet, hat man die hierher gehörendeu Formen 
vielfach als die einfachsten Pilzbildungen betrachtet. Meine oben angeführten Unter- 
suchungen haben dieses für Pr. macrosporus zwar nicht geradezu bestätigt, dafür aber 
jedenfalls erkennen lassen, dass dieser Parasit ein durch bemerkenswerthe Eigenthüm- 
lichkeiten ausgezeichneter ist. Hierin liegt, wie mir scheint die Aufforderung, die Ent- 
wickelungsgeschichte der Protomyces- und Physoderma- Formen einer möglichst voll- 
ständigen vergleichenden Untersuchung zu unterwerfen. Die Resultate solcher Unter- 
suchungen sollen in Folgendem mitgetheilt werden. Sie sind allerdings minder voll- 
ständig ausgefallen, als ich es gewünscht hätte, denn von den Arten, welche ich lebend 
untersuchen konnte (Prot. macrosporus, endogenus, Menyanthis, Physoderma Eryngii) 
liess sich nur von Pr. macrosporus eine einigermassen abgeschlossene Entwickelungs- 
geschichte feststellen, bei den anderen war es mir nicht möglich die Keimung zu 


beobachten. Protomyces microsporus, Pr. Paridis, Physoderma pulposum und Plı. macu- 


3) Icon. fungor. II, p. 3 Tab, 1. 

4) Die Kartoffel-Epidemie der letzten Jahre. München 1842. 
5) Unters. üb. d. Brandpilze p. 19. 

6) Enumerat. fung. Nassov. Ser, I. (1860) Nro. 2. 

?) Allgem. Mycologie, p. 38, 52. 

8) Zur Kenntniss einiger etc. Coniomyceten. Halle 1860, 
9) Monatsber. Berlin, Acad. Mai 1855. 


— 19 — 


lare habe ich nicht nach lebenden Exemplaren beobachten können. Von den beiden 
letztgenannten Arten habe ich die Wallroth’schen Originalexemplare untersucht, welche 
ich der freundlichen Mittheilung des gegenwärtigen Besitzers von Wallroth’s Pilzherba- 
rium, Herrn Duby verdanke. Von Protomyces Paridis und microsporus konnte ich 
mir, ungeachtet der freundlichen Bemühungen des Herrn Unger, auch getrocknete 
Exemplare nicht verschaffen, ich kann diese beiden Arten daher nur der Aufmerksam- 
keit anderer Beobachter und Sammler empfehlen. Was endlich Pr. Stellariae Fuck. 
und Pr. Solani Mart. betrifft, so sind diese von der Untersuchung und aus dem Kreise 
selbstständiger Pilzspecies auszuschliessen. Ersterer besteht aus nichts weiterem, als 
den anderweitig genauer beschriebenen Oogonien und Oosporen von Peronospora Alsi- 
nearum Caspary, wovon ich mich an Exemplaren, welche mir von Fuckel freundlich 
mitgetheilt wurden, überzeugt habe. Pr. Solani scheint mir nach den Abbildungen bei 
Martius a.a.0. (Taf. XXVII, Fig. 19, 23, 24, 36 bis 38) gar kein Pilz zu sein. Ich 
habe bei der Untersuchung vieler kranker Kartoffelknollen nie eine Pilzform gefunden, 
welche mit den erwähnten Abbildungen Aehnlichkeit hätte, und kann in diesen nur 
Klumpen von Stärkekörnchen, welche von abgestorbenem braungefärbtem Zellinhalt ein- 


geschlossen werden, vermuthen. 


1. Entwickelungsgeschichte des Protomyces macrosporus Unger. 


(Tafel XXVI.) 


Protomyces macrosporus'’) bewohnt die grünen krautigen Organe einiger Umbelli- 
feren; er ist am häufigsten auf Aegopodium Podagraria, seltener fand ich ihn auf Hera- 
cleum Sphondylium, sehr schön und reichlich auf Meum athamanticum im Schwarzwald. 
Er bewohnt alle krautigen Theile der Nährpflanzen, Blattstiele, Blattlamina „ Stengel, 
Blüthenstiele und Pericarpien, und ist dem blossen Auge leicht erkennbar an flachen 
schwielenartigen Hervorragungen, welche er an der Oberfläche der Theile bildet. Die 
Schwielen haben meist längliche Form und sind in der Regel um so grösser, je stärker 


der Pflanzentheil ist, welcher sie trägt, am grössten, 2—»3 Millimeter breit und oft 


10) $. Unger, die Exantheme der Pflanzen p. 343. Meyen, Pflanzenpathologie p. 150. de Bary, 
Brandpilze, p. 15. 


18* 


— 440 — 


mehr als doppelt so lang an den Blattstielen von Aegopodium und Heracleum, ganz 
klein, kaum 1 Millimeter lang an den feinen Blattabschnitten von Meum. In der Blatt- 
lamina von Aegopodium und Heracleum folgen sie den Rippen und sind in den stärksten 
derselben am stärksten entwickelt. Die Schwielen sind soweit meine Beobachtung reicht 
die einzigen von dem Pilze bewohnten Orte der Nährpflanze; wenigstens ist es mir 
nicht gelungen, irgend ein Organ des Protomyces anderswo zu finden. 

In Beziehung auf den Bau der Schwielen und die Entwickelung des Parasiten in 
denselben habe ich meinen früheren Angaben (Brandpilze, p. 18) nichts Neues hinzu- 
zufügen. Der Pilz bewohnt stets die Intercellularräume des oberflächlichen Parenchyms, 
niemals fand ich ihn im Inneren der Zellen, niemals zwischen den Elementen der Gefäss- 
bündel, wenn er gleich sehr häufig in der Nähe dieser vorkömmt. Die Oberfläche 
der Schwielen wird immer von der unversehrten Epidermis überzogen. In solchen 
Schwielen, welche an ihrer geringen Dicke, weisslich-grünen Farbe und etwas durch- 
scheinendem Ansehen als jugendlich zu erkennen sind. findet man das Mycelium des 
Pilzes in Form von reich und unregelmässig verzweigten dünnen Hyphen, welche 
durch zahlreiche Querwände in eylindrische Glieder getheilt sind. deren Länge den 
Querdurchmesser um das Zwei- bis Vielfache übertrifft. Die Hyphen sind mit einer 
zarten Membran, welche die gewöhnliche Cellulosereaction zeigt, versehen und enthal- 
ten körniges Protoplasma. Sehr früh beginnen einzelne zerstreut in der Continuität 
der Hyphen gelegene Zellen zu länglichen oder ovalen Blasen anzuschwellen. welche 
mit Protoplasma dicht erfüllt sind und, allmählich breite unregelmässige Ei- oder Kugel- 
form annehmend, ihre Membran verdickend und ihren körnigen Inhalt vermehrend,. zu 
den reifen Fortpflanzungszellen heranwachsen (Fig. 1. 2). Wie schon aus den Dar- 
stellungen von Unger und Meyen hervorgeht. lassen sich leicht alle Zwischen- 
stadien zwischen den kleinen zartwandigen Anschwellungen des Myceliums und den 
dicken, derbhäutigen reifen Fortpflanzungszellen finden. Man erkennt den angegebenen 
Sachverhalt am besten auf Längsschnitten durch junge Schwielen, besonders durch ihre 
innere, der Mittellinie des befallenen Pllanzentheils zugewendete Partie, und kann ohne 
grosse Schwierigkeit grössere Stücke des Pilzes isoliren. wenn man das Gewebe bis 
zum Auseinanderfallen der Zellen (am besten in Wasser) macerirt hat. Diünne Quer- 
schnitte zeigen meist nur durchschnittene Myceliumfäden und einzelne Fortpflanzungs- 
zellen verschiedenen Alters zwischen den Zellen des Nährgewebes,. und geben daher 
den Anschein als ob die Fortpflanzungszellen frei und ohne Mycelium in den Inter- 


cellularräumen entständen. 


— 141 — 


Das in einer Schwiele enthaltene Mycelium legt in kurzer Zeit eine sehr grosse 
Menge der Fortpflanzungszellen an. Indem diese zu ihrer bedeutenden Grösse heran- 
wachsen, bewirken sie einerseits starke Verdickung der Schwiele, andrerseits werden 
die Zellen des Nährgewebes von ihnen verdrängt und zusammengedrückt, so dass reife 
Schwielen auf diekeren Schnitten fast ganz aus den Fortpflanzungsorganen des Pilzes 
zu bestehen scheinen. Das Mycelium verliert mit der fortschreitenden Ausbildung der 
Reproduetionsorgane allmählich sein Protoplasma, seine Fäden enthalten nur mehr 
wässerige Flüssigkeit und werden undeutlicher; theilweise scheinen sie ganz zu 
Grunde zu gehen; viele lassen sich jedoch noch bei völliger Reife aller in 
einer Schwiele enthaltenen Fortpflanzungszellen im Zusammenhang mit diesen erkennen. 
(Fig. 2). 

Mit der Reife der Parasiten nimmt die ganze Schwiele eine blass bräunlich-gelbe 
Farbe an, sie bleibt meistens an dem Orte ihrer Entstehung fest und von der Epidermis 
festumschlossen sitzen, seltner löst sie sich sammt letzterer los, eine unregelmässige 
geschwürartige Fläche zurücklassend. 

Die mehrfach erwähnten Fortpflanzungszellen, welche von den meisten Schrift- 
stellern als Sporen bezeichnet werden, sind, ihrer weiteren Entwickelung nach, Spor- 
angien, sporenerzeugende Zellen oder Asci, Sporenschläuche, zu nennen. Sie sind 
zur Zeit der Reife meist breit — und durch einzelne vorspringende stumpfe Ecken 
unregelmässig oval: selten kommen genau kugelige oder ganz unregelmässige, biskuit- 
förmig eingeschnürte, flaschenförmige Gestalten vor. Ihr Durchmesser beträgt in der 
Regel Y,, Mm. bis %,, Mm., einzelne grössere und viel kleinere findet man jedoch häufig. 
Sie besitzen eine farblose Membran, deren gesammte Dicke meist etwa 2» Mm. beträgt 
und welche aus drei ineinander geschachtelten Lagen besteht, die ich, der üblichen 
Terminologie entsprechend, als Aussen- Mittel- und Innenhaut, Epi- Meso- und 
Endosporangium bezeichnen will. (Fig. 2, 3.) 

Das Episporangium bildet bei weitem die Hauptmasse der Membran; es stellt eine 
sehr derbe, glänzende, mit diekem dunkelem Aussencontour versehene Haut dar, deren 
Dicke mehr als die Hälfte der oben angegebenen gesammten Mächtigkeit beträgt. Wo 
ein Sporangium vorspringende Ecken besitzt, da werden diese von der Aussenhaut 
allein oder doch vorzugsweise gebildet. diese erreicht daher an solchen Stellen oft 
mehr als das Doppelte der gewöhnlichen Membrandicke. Die Aussenhaut ist mehr 
oder minder reich und deutlich geschichtet; immer kann man wenigstens von der 


übrigen Masse der Membran eine scharf hervortretende bläulich glänzende innerste 


SA 2e- 


Schicht und eine ganz dünne, sehr spröde und feste äusserste unterscheiden. welch 
letztere sich in die Seitenwand des tragenden Myceliumfadens fortsetzt. 

Das Endosporangium ist eine einfache dünne. bei 300- bis 400facher Ver- 
grösserung deutlich doppelt contourirte, zähe und elastiche Membran, welche in Wasser 
betrachtet gleichfalls bläulich glänzend erscheint. 

Zwischen Aussen- und Innenhaut liegt eine Schichte von geringer, der Innen- 
haut ungefähr gleichkommender Mächtigkeit, welche sich von den beiden angrenzenden 
Lagen durch den Mangel des diesen eigenthümlichen Glanzes auszeichnet, sie sieht aus 
wie eine Schicht wässeriger Flüssigkeit; sie ist es, die ich oben Mesosporangium 
genannt habe. 

Zerdrückt man in Wasser liegende Sporangien so erkennt man die Aussenhaut 
als ziemlich spröde, indem sie plötzlich entweder an einer Stelle in viele scharf- 
winklige, durch lange Risse getrennte Lappen zerreisst, oder in mehrere eckige Stücke 
getrennt wird. War der Druck nicht zu stark, so sieht man aus ihrer Oelfnung die 
Innenhaut oft als unversehrten weichen Sack hervorgleiten, umgeben von der Mittel- 
haut, welche, sobald das Episporangium geöffnet wird, in dem Wasser auf das Doppelte 
ihrer bisherigen Dicke aufquillt und hierdurch sehr deutlich als besondere Hautlage 
unterschieden werden kann: sie umgibt das Endosporangium als ein sehr durchsich- 
tiger, durch eine zarte aber deutliche Umrisslinie umschriebener Hof. 

Durch wässerige Jodlösung wird die Membran des Sporangium gelbbraun, das 
Episporangium zuweilen braun-violett gefärbt. Setzt man verdünnte Schwefelsäure 
hinzu. so wird das Episporangium sofort schön und rein dunkelblau. Ist die Säure 
nicht sehr verdünnt. dann quillt das Episporangium stark auf, mit Ausnahme seiner 
dünnen äussersten Schicht. Letztere wird entweder durch die quellende Masse allein. 
oder unter Mitwirkung leichten Druckes von aussen, gesprengt, und bleibt als ein erst 
blaues, dann braunviolett oder schmutzig- braun werdendes Häutchen zurück, während 
sich die quellende Masse in der umgebenden Flüssigkeit vertheilt. 

Meso- und Endosporangium nehmen durch Jod und Schwefelsäure niemals blaue 
oder violette Farbe an: ist nach Anwendung dieser Reagentien das Episporangiun 
geplatzt oder zerdrückt worden, so treten jene gelblich gefärbt aus dem Risse hervor. 
Die Mittelhaut verschwindet meistens sofort. Nur wenn man sehr verdünnte Säure 
anwendet bleibt sie erhalten, quillt stark auf und erscheint sehr zart- aber deutlich 
geschichte. Das Endosporangium bleibt auch bei Anwendung ziemlich concentrirler 


Säure anscheinend unverändert. 


— 143 — 


Chlorzinkjodlösung färbt das Episporangium schmutzig-violett. 

Der vom Endosporangium umschlossene Inhalt hat eine licht bräunlichgelbe Farbe; 
er gibt dem ganzen Sporangium und der von dem reifen Pilz erfüllten Schwiele ihre 
Färbung. Bei Sporangien, welche in Wasser liegen, erscheint er als eine dichte Masse, 
welche grösstentheils grobkörnig, nur im äussersten Umfang körnerfrei, homogen und 
durchscheinend ist (Fig. 2). Seltner, und wohl nicht ganz normaler Weise, liegen 
einzelne grosse Fettkugeln zwischen den Körnern. Der Inhalt besteht grösstentheils 
aus Fett. in Aether löst er sich fast vollständig, es bleibt eine geringe Menge fein- 
körniger Substanz zurück, welche durch Jod dunkel braungelb gefärbt wird. Das Fett 
selbst wird durch Jod nur schwach gelblich. Setzt man Jodlösung zu unversehrten 
Sporangien oder zu solchen, bei denen nach Einwirkung von Aether alles Fett in 
eine homogene Masse zusammengeflossen ist, so sieht man die dunkel gelbbraune Sub- 
stanz in sehr unregelmässiger Weise in dem Inhalt vertheilt. Nach der Jodreaction 
besteht diese Substanz aus eiweissartigen Stoffen. Eine Violettfärbung derselben durch 
schwefelsaures Kupferoxyd und Kali konnte ich nicht erhalten. In Zucker und 
Schwefelsäure nimmt sie, wie ich schon früher beschrieben habe, rosenrothe Farbe an. 

Eigenthümlich ist das Verhalten der Sporangien. wenn ihnen Wasser entzogen 
wird. An der Luft getrocknet verlieren sie ihre Turgescenz, die Membran sinkt 
unregelmässig hier und dort ein, der Inhalt nimmt ein ziemlich homogenes Ansehen 
an und ziemlich genau in seiner Mitte erscheint eine grosse Luftblase. Setzt man 
wiederum Wasser zu, so quillt der Inhalt schnell auf. die Luftblase wird in centri- 
petaler Richtung kleiner und ist alsbald verschwunden. 

In gleicher Weise wie beim Eintrocknen erscheint die Luftblase, wenn man zu 
Sporangien, welche in wenig Wasser liegen, absoluten Alkohol bringt; wird dieser 
entfernt und gleichzeitig durch Wasser ersetzt, so verschwindet die Luft in der vorhin 
angegebenen Weise. Das Nämliche tritt nach Anwendung von Chlorzinkjodlösung ein. 
Diese Erscheinung ist wohl nicht anders zu erklären, als dass in dem wasserreichen 
Inhalt der frischen turgiden Sporangien ein Gas (ob atmosphärische Luft oder ein 
anderes muss dahingestellt bleiben) condensirt oder gelösst ist, welches frei wird und 
sich expandirt sobald der Wassergehalt und damit die Spannung des Inhalts vermindert 
wird, und bei Herstellung der ursprünglichen Wassermenge und Spannung wieder in 
den früheren Zustand zurückkehrt. 

Die Entwickelung der Sporangien von Protomyces beginnt, wenn die jungen 


Blätter und Triebe der Nährpflanze im Frühling über den Boden treten; mehr oder 


ER 


minder reife Schwielen findet man den ganzen Sommer über. Ob während des Som- 
mers eine Weiterentwickelung früh gereifter heuriger Sporangien eintreten kann. ver- 
mag ich nicht bestimmt zu entscheiden, die über diese Frage angestellten Versuche 
gaben ein durchaus negatives Resultat. Gewiss ist, dass wo nicht alle, doch die aller- 
meisten Sporangien mit ihrer Reife in einen langen Ruhezustand eintreten, überwintern 
und im nächsten Frühling die weitere Entwickelung durchmachen. Man kann diese 
Weiterentwickelung füglich Keimung nennen, insofern man unter diesem Ausdruck die 
Fortentwickelung von Reproductionsorganen. welche einen Ruhestand durchgemacht 
haben. im Allgemeinen versteht. 

Während des Winters findet man die mit reifen Sporangien erfüllten Schwielen 
reichlich an den vom Pilze bewohnten. durch den Frost mehr oder minder zerstörten 
Pflanzentheilen. Bringt man sie in Wasser, so sinken sie zu Boden. und während die 
Gewebstheile der Nährpflanze allmählich verfaulen, zeigen die Sporangien folgende 
Keimungserscheinungen. 

Zunächst wird ihr Inhalt blasser, durchsichtiger. die groben gelblichbraunen glän- 
zenden Fettkörner verschwinden und an ihrer Stelle tritt ein glanzloses, von sehr 
zahlreichen klemen punktförmigen Körnchen durchsätes blass röthlichbraunes Proto- 
plasma auf. Diese Veränderung des Inhaltes schreitet allmählich von der Peripherie 
nach der Mitte hin fort: zunächst sieht man mitten in der Protoplasmamasse eine aus 
den ursprünglichen Feitkörnern bestehende Kugel (Fig. 3). diese wird immer kleiner 
und verschwindet zuleizt vollständig. Das ganze Sporangium ist jetzt von dem röth- 
lichbraunen Protoplasma erfüllt. so zwar dass dieses in der Mitte zu einer dichten 
undurchsichtigen dunkeln Masse angehäuft, im Umfange heller und durchsichliger und 
hier häufig von sehr zart umschriebenen und blassen Vacuolen verschiedener Zahl und 
Grösse durchsetzt ist (Fig. 4). Nun beginnt das Endosporangium sich auszudehnen; 
es sprengt die Aussenhaut auf einer Seite. und tritt. von der Mittelhaut bekleidet, durch 
die Oeffnung in das umgebende Wasser (Fig. 5. 6). Die Aussenhaut liegt alsbald 
neben den ausgetretenen Theilen als eine leere, an der Austrittstelle durch klaffende 
Risse in zwei bis mehrere eckige. oft splitterig eingerissene Lappen gespaltene Blase. 
(Fig. 6. 7, 11 ete.) Die Mittelhaut quillt durch das Wasser stark auf. sie trägt 
hierdurch jedenfalls zu der Hervortreibung des Endosporangiums aus der Aussenhaul 
bei. Bald nach dem Austreten bemerkt man. dass sie nach einem Punkte hin stetig 
an Dicke abnimmt. und an diesem so dünn ist, dass sie von der Innenhaut nicht mehr 


mit Sicherheit unterschieden werden kann (Fig. 6. 7). Dieser Punkt liegt, mit sehr 


— 15 ° — 


seltenen Ausnahmen, mitten auf der dem Episporangium abgekehrten Seite, er mag der 
Kürze halber der Scheitel genannt werden. Vermöge ihrer weichen gallertigen 
Beschaffenheit bleibt die Mittelhaut, und somit auch die von ihr umschlossenen Theile, 
beinahe immer fest an der Oeffnung des Episporangiums haften. In späteren Entwick- 
lungsstadien ist sie oft auf den ersten Blick nicht mehr erkennbar, sie lässt sich jedoch 
durch Jodlösung und verdünnte Schwefelsäure immer nachweisen bis die Keimung ihr 
Ende erreicht hat. 

Das Endosporangium erhält nach dem Austreten sofort die Gestalt einer kugeligen 
Blase, deren Volumen eine Zeit lang zunimmt, wie unten genauer angegeben werden 
wird, während der Inhalt folgende Veränderungen erleidet. Zunächst treten rings um 
die dunkle eentrale Protoplasmamasse zahlreiche, in zwei bis drei unregelmässige con- 
centrische Lagen geordnete Vacuolen auf (Fig. 6, 7). welche allmählich zu einer 
Schichte grosser Vacuolen zusammenfliessen (Fig. 8). Diese liegen zwischen der cen- 
tralen Masse und einer dünnen wandständigen Schichte des Protoplasma, sie werden 
von einander getrennt durch dicke Protoplasmastreifen und Platten, welche von der cen- 
tralen Masse strahlig in die wandständige Schichte verlaufen (Fig. 8). Durch jene 
Streifen strömt nun allmählich das ganze centrale Protoplasma in die wandständige 
Schieht über; diese wird stetig dicker, während jenes an Menge abnimmt, zuletzt ist 
alles Protoplasma wandständig, die Mitte der Blase wird von einer grossen. mit klarer 
wässerieer Flüssigkeit erfüllten Höhlung eingenommen (Fig. 9, 11). Die wandstän- 
dige Protoplasmaschicht ist nach dem Verschwinden der centralen Masse ungleichmässig 
vertheilt, ihre Innenfläche springt an vielen Stellen in Form breiterer oder schmälerer 
anastomosirender Wülste vor, die ein grobes unregelmässiges Netz darstellen. In ihrem 
Innern sind hie und da noch kleine Vacuolen eingeschlossen. Allmählich verschwinden 
diese Unregelmässigkeiten, die Innenfläche glättet sich, die ganze Schicht erhält fast 
überall gleiche Dicke, und allenthalben durchaus gleichmässige Structur, nur hie und da 


bleiben kleine runde Vacuolen (Fig. 9— 13). Je näher sie diesem Stadium der Ent- 


wiekelung kömmt, desto durchscheinender, heller wird sie und desto mehr tritt in ihr 
eine sehr feine und blasse netzförmige Zeichnung hervor. Unmittelbar nach Bildung 
der wandständigen Schicht sind nämlich die Körnchen des Protoplasma in einfache 
kurze Reihen geordnet, welche sowohl in der Richtung der Oberfläche als des Radius desSpo- 
rangiums zu einem feinen engmaschigen Netze verbunden sind (Fig. 9, 11, 13, 14a). 
Die Maschen werden ausgefüllt von durchscheinender, soweit ich es unterscheiden konnte 


völlig homogener Protoplasmamasse, welche ich in Folgendem kurz die homogene Sub- 
Abhandl. d. Seuckenb. naturf. Ges. Bd. V. 19 


— 16 — 


stanz nennen will. Bald sieht man nun die Seiten der Maschen breiter, letztere dagegen 
enger werden, indem die Körnchen zu mehrreihigen Streifen zusammenrücken (Fig. 10, 
12, 145). Die Dicke der gesammten Protoplasmaschicht nimmt dabei elwas ab. Die 
Körnchen sind einander jetzt sehr genähert, so dass man sie leicht übersehen und meinen 
kann, das Netz sei aus einer structurlosen Masse gebildet. Endlich zerfällt das ganze 
Netz mit einem Male in unzählige kleine Stücke, indem die Körnchen in ungefahr eben- 
soviele Gruppen zusammenrücken, als bisher Maschenseiten vorhanden waren (Fig. 14e). 
Diese Körnchengruppen sind die Anfänge der Sporen. Sie erhalten alsbald schärferen, 
wenngleich immer sehr zart bleibenden Umriss (Fig. 15) und nehmen allmählich die 
Form kurz eylindrischer Stäbchen an, während die Körnchen. aus welchen sie zuerst 
bestanden, zu einer gleichförmig-trüben Masse zusammeniliessen. Die homogene Sub- 
slanz nimmt an diesen Vorgängen keinen oder doch nur geringen Antheil. Die Körner- 
häufchen und jungen Sporen sind ihr eingebettet, zwischen denselben findet man sie in 
Form schmaler Streifchen. 

Kaum ist die Sporenbildung vollendet, so beginnt die gesammte Sporenmasse sich 
von der Sporangiumwand loszulösen und zu einem dichten rundlichen Ballen von 
viel kleinerem Durchmesser als das Sporangium zusammenzuziehen. Die in der cen- 
tralen Vacuole enthaltene wässerige Flüssigkeit tritt hierbei allmählich zwischen die 
Wand und den Ballen. Letzterer ist von Anfang an so gestellt, dass seine eine Seite 
dem Scheitel des Sporangiums fest anliegt (Fig. 16—19). Die homogene Substanz 
zieht sich mit den Sporen von der Wand zurück, aber langsamer. Man sieht sie, 
wenn jene schon vollständig zusammengehäuft sind, in Form zahlreicher strahlig con- 
vergirender fadenförmigen Streifen oder Strömchen von der Wand zu dem Ballen 
verlaufen (Fig. 16. 17). Jene fliessen jedoch in letzieren nach und nach vollständig 
über, und nun dauert es nicht lange, so ist alle homogene Substanz verschwunden 
(Fig. 18, 19) — ob zur Ausbildung der Sporen verwendet oder anderweitig aul- 
gelöst ist nicht zu entscheiden. Die Sporen sind nur mehr von wässeriger Flüssigkeit 
umgeben. Sie zeigen jetzt sehr deutlich eine schon beim Beginne der Zusammen- 
ballung wahrnehmbare zitternde und oseillirende Bewegung, der Umriss des Ballens 
ändert sich in einem fort, indem einzelne Sporen zwischen den andern hervortreten 
und wieder verschwinden. 

Bei diesen Vorgängen bleibt eine zarte als Primordialschlauch zu bezeichnende 
Protoplasmaschicht, welche die Membran allenthalben bekleidet, unbelheiligt. Dieselbe 


stellt eine dünne feinkörnige Haut dar, welche durch Jod gelb gefärbt wird und auf 


— 11 — 


Zusatz von Schwefelsäure zusammengeschrumpft. in den folgenden Entwickelungs- 
stadien theilt sie das Schicksal der von ihr ausgekleideteten Cellulosemembran. Diese 
letztere wird, sobald der Sporenballen gebildet ist, an ihrem Scheitel dünner als im 
übrigen Umfange,„ jener wird bald nur von einer einfachen Umrisslinie begrenzt 
(Fig. 16— 18). 

Während diese Veränderungen in seinem Innern vorgehen nimmt das Sporangium, 
welches die Form einer kugeligen Blase stets beibehält, beständig an Grösse zu. Sein 
Durchmesser wächst vom Austreten an bis zur Bildung des Sporenballens um 12", bis 
16 Procent. z. B. im Verbältniss von 20 auf 27, 25:39, 22:34 u. s. w.”). An 
der Membran des Sporangiums konnte ich während der Ausdehnung eine Verminderung 
der Dicke nicht finden. Sobald der Sporenballen gebildet ist hört die Ausdehnung auf. 
Das Sporangium verbleibt in dem letztbeschriebenen Zustande einige Zeit, meistens 
mehrere Stunden lang, eine prall gespannte Blase, der Sporenballen immer fester wider 
den Scheitel gedrängt. Plötzlich platzt der Scheitel mit einem einfachen kurzen Riss, 
dessen Ränder sich sofort nach aussen rollen und aus welchem im Momente des Auf- 
platzens die ganze Sporenmasse hervorgeschleudert wird. In demselben Augenblick hat 
sich die geöffnete Membran zu einem Umfang zusammmengezogen, welcher den des 
anhaltenden Episporangiums nur wenig übertrifft, also dem zu Anfang der Keimung 
vorhandenen ungefähr gleich is. Die Membran wird dabei fein gerunzelt und an der 
dem Scheitel entgegengesetzten Seite tief eingedrückt (Fig. 20, 21). Die Ejaculation 
der Sporen geschieht mit solcher Gewalt, dass die leeren Membranen heftig und oft 
weit aus dem Gesichtsfelde des Mikroskops weg zurückgeschleudert werden. Die Sporen 
selbst bleiben dabei entweder zusammengeballt oder werden in einem Strahl hervor- 
gespritzt, sie verhalten sich durchaus passiv. 

Der Mechanismus der Ejaculation ist aus den beschriebenen Erscheinungen deut- 
lich zu erkennen. Die Membran des Sporangiums ist, wie ihre plötzliche Zusammen- 
ziehung beim Plalzen zeigt, in hohem Grade elastisch. Sie folgt der Ausdehnung 
des Inhalls bis zur Bildung des Sporenballens. wie es scheint durch fortdauerndes 
Flachenwaehsthum. Mit Vollendung des Ballens hört dieses auf; die Vermehrung der 
Inhaltstlüssigkeit dauert aber fort, und diese muss daher auf die Membran einen stei- 
genden Druck ausüben. Letzteres geht deutlich aus folgender Beobachtung hervor. 
Wenn man die Blase bald nach Bildung des Ballens und vor ihrem spontanen Auf- 


11) Die obigen Zahlen sind Theile eines Ocularmikrometers, deren Werth = Ya, Nm. ist. 


19% 


— 148 — 


reissen künstlich sprengt (was am besten durch vorsichtige Berührung mit einer Nadel 
bewirkt wird) so zieht sich die Membran gleichfalls zusammen, die Ejaculation erfolgt 
aber minder kräftie und vollständige, eine Mehrzahl von Sporen bleibt in der Blase 
zurück und niemals tritt eine derselben später selbstständig aus. Bei der normalen Ent- 
wickelung leistet die Membran dem steigenden Drucke des Inhalts eine Zeit lang Wider- 
stand. zuletzt wird sie aber durch denselben an ihrer zärtesten Stelle, dem Scheitel, 
gesprengt und indem sie sich in demselben Augenblick in Folge ihrer Elastieität stark 
zusammenzieht, wird der orösste Theil des Inhalts aus dem Riss hervorgeschleudert. 
Auf welche Weise die wässerige Flüssigkeit nach Bildung des Sporenballens vermehrt 
wird, verdiente genauer untersucht zu werden. Da die ganze Reihe von Erscheinungen 
in reinem Wasser vor sich geht, so liegt es auf der Hand zuerst an eine endosmotische 
Wasseraufnahme zu denken. Es fragt sich aber auch, ob und wie die sich auflösende 
homogene Substanz hierbei betheiligt und ob vielleicht gerade ihr die Function zukömmt, 
die Ejaculation auf eine oder die andere Weise zu bewirken. — 

Die Zeit, welche die beschriebenen Entwickelungsvorgänge vom Ausschlüpfen bis 
zur Ejaculation erfordern, beträgt mehrere Stunden. Das Ausschlüpfen des Endosporan- 
giums aus dem platzenden Episporangium habe ich nur einmal direct beobachtet, es 
erforderte 1 St. 45 Min. In demselben Falle war 12 Stunden nach vollendetem Aus- 
schlüpfen der Sporenballen gebildet, aber die Ejaculation noch nicht erfolgt. Die 
Bildung der wandständigen Protoplasmaschicht durch Wanderung der centralen Masse 
erforderte in den beobachteten Fällen 1— 1’, Stunde; von da bis zur vollendeten 
Bildung der Sporen dauerte es 1%, bis 5 Stunden, von diesem Stadium bis zur voll- 
endeten Zusammenballung 20 Min. bis 1% St., von da bis zur Ejaculation %, bis 4% St. 
Nach diesen Daten würde die Entwickelung im günstigsten Falle 3 bis 3%, Stunden 
nach vollendetem Ausschlüpfen fertig sein können; in allen beobachteten Fällen dauerte 
sie jedoch länger, indem wenigstens ein Stadium mehr als das obiger Schätzung zu 
Grunde gelegte Minimum von Zeit erforderte. — 

Ueber die leeren Membranen ist nichts Weiteres zu berichten, sie werden allmäh- 
lich zersetzt. 

Die ejaculirten Sporen vertheilen sich gleichmässig in dem umgebenden Wasser. 
Sie zeigen dabei dieselbe schwache oscillirende Bewegung, von welcher schon oben die 
Rede war; nach kurzer Zeit hört diese ganz auf. 

Die ejaculirten Sporen (Fig. 22) haben die Gestalt eylindrischer, an beiden Enden 


abgerundeter, zuweilen etwas gekrümmter Stäbchen, ",;; Mm. lang, halb so breit, mit 


— 149 — 


zartem Umriss und blassem trübem Inhalt, in welchem ein dunkleres rundes oder läng- 
liches Körnchen (Kern?) liegt. Jod färbt sie gelb. Die Sporen sind zunächst alle frei. 
Sehr bald nach der Ejaculation aber tritt ein eigenthümlicher Copulationsprocess ein 
(Fig. 23— 25). Sie nähern sich einander paarweise auf eine ihrem Querdurchmesser 
etwa gleichkommende Strecke; nach einiger Zeit sieht man jedes Paar durch einen 
feinen Streifen verbunden, der auch bei sehr starker Vergrösserung nur als eine ein- 
fache Linie erscheint, und dessen erste Entstehung ich nicht deutlich erkennen konnte. 
Der Streifen wird bald breiter und erscheint zuletzt als ein Canal, dessen Weite dem 
Querdurchmesser der Sporen wenigstens gleichkömmt und welcher die Lumina beider 
miteinander verbindet. Schon 9—4 Stunden nach der Ejaeulation, manchmal wie es scheint 
noch früher, ist die Copulation bei fast allen Sporen fertig. Je nachdem die Längs- 
achsen eines copulirenden Paares parallel liegen oder in einer oder verschiedenen 
Ebenen liegend sich schneiden, erhält die Doppelspore die Gestalt eines H oder T, oder 
unregelmässige Form; die H-Form ist die häufigste. Mit und nach der Copulation werden 
die Hälften der Doppelspore oft mehr oval und dehnen sich bis auf das Doppelte ihrer 
ursprünglichen Grösse aus. Wie der beschriebene Process zu deuten, in welche 
Beziehungen er zu der Copulation der Conjugaten oder der leiterförmigen Verbindung 
der Sporen von Tilletia zu bringen sei, muss wie mir scheint noch dahin gestellt 
bleiben. — 

Mit der Copulation schliessen sich die Veränderungen, welche man an den im 
Wasser cultivirten Sporangien beobachtet, ab. Sind die Culturen rein, besonders von grösse- 
ren Infusorien, welche die Sporen begierig fressen, frei. so häufen sich in dem Wasser 
grosse Mengen copulirter Sporen an, ohne je eine Spur von Weiterentwickelune zu 
zeigen. In reinen Wassertropfen auf Objeeiträgern konnte ich die Sporenpaare 6 bis S 
Tage lang anscheinend völlig gesund und lebenskräftig erhalten. aber nie überschritten 
sie das Entwickelungsstadium, welches sie wenige Stunden nach der Ejaeulation er- 
reicht hatten. 

Es fragt sich daher, was unter anderen Bedingungen aus den copulirten Sporen 
wird, und am nächsten liegt es hier nach den Erscheinungen zu fragen, welche sie 
zeigen, wenn sie auf eine Nährpflanze des Protomyces gelangt sind. 

Keimende Sporangien, in kleinen Wassertropfen auf jugendliche Blattstiele von 
Aegopodium Podagraria gebracht, entleerten die Sporen reichlich, diese zeigten die 
gewöhnliche Copulation. Vier bis sechs Tage nach der Aussaat fand ich in den Zellen 


der abgezogenen Epidermis der besäeten Stellen mehrmals dünne, in 2 bis 3 Zweige 


getheilte Fäden. Ein Ende eines solchen Fadens sass immer der Aussenwand einer 
Epidermiszelle fest an, entweder in ihrer Mitte oder an der Kante. in welcher sie mit 
einer Seitenwand zusammenstlösst. Von hier aus lief der Faden eeeen die Innenwand 
der Epidermiszelle, die Enden seiner Zweige lagen auf oder unter dieser. Die Fäden 
waren sehr fein, nicht dicker als die Wände der Oberhautzellen, homosen-trübe. Jod 
färbte sie gelb. Einen Zusammenhang ihres äusseren. d. h. der Aussenward ansitzen- 
den Endes mit einer aussen befindlichen Spore oder deren leerer Haut konnte ich nie- 
mals auffinden. Häufig suchte ich überhaupt nach den Fäden vergebens. An den ziem- 
lich zahlreichen Spaltöffnungen des Blattstiels konnte ich nie eine Spur des Eindringens 
von Sporen oder Keimen finden. 

Nach diesen bei der Kleinheit und Zartheit der Sporen ziemlich unsicheren 
Beobachtungen allein müsste es zweifelhaft bleiben, ob die Sporen auf der Nährpflanze 
Fäden treiben, welche in diese eindringen. und ob die erwähnten in den Epidermiszellen 
beobachteten solche Keimfäden waren oder zufällige, vielleicht abnorme Bildungen der 
Oberhautzellen selbst. Andere Versuche geben jedoch bestimmteren Aufschluss hierüber 
und zeigen, dass sich aus den Sporen Pilzfäden entwickeln. welche durch die Epidermis- 
zellen in das Parenchym der Nährpflanze eindringen und hier unmittelbar zu dem My- 
celium des Protomyces heranwachsen. Ich will zunächst den Gang der Versuche voll- 
ständig beschreiben. 

I. Im December werden 8 Rhizomstöcke von Aegopodium nach Entfernung der 
alten abgestorbenen Blätter in einen Blumentopf gepflanzt und in’s Warmhaus gestellt. 
Bis zum 20. December sind 7 Blätter über den Boden getreten. und zwar Blatt 1 und 2 
zusammen aus einem starken im Boden steckenden Rhizome. Blatt 3% und 4 zusammen 
aus einem dünnen, auf dem Boden liegenden, Blatt 5. 6, 7 je aus einem besondern 
Rhizome. Blatt 1, 2. 5. 6 und 7 wurden am 20. Decbr. mit einer Quantität keimender 
Protomycessporangien besäet und zwar auf die ebene Oberseite des Blattstiels. dicht über 
dem Boden. Sie wurden durch Begiessen des letzteren und Ueberdecken einer Glas- 
glocke feucht erhalten. Ebenso wurden keimende Sporangien auf das Rhizom. welches 
Blatt 3 und 4 trug, gebracht. Nach einigen Tagen wurde die Glasglocke weggenommen 
und der Topf im Zimmer einer gewöhnlichen Cultur unterworfen. 

Am 26. Januar sind die sieben Blätter anscheinend gesund. aber Blatt 2 zeiet am 
Grunde des Blattstiels fünf weissliche auf einer etwa 2 Um. langen Strecke beisammen- 
stehende Flecke. von denen drei deutlich angeschwollen und vom Ansehen junger Pro- 


tomycespusteln sind, zwei als kleine Punkte erscheinen. Das Mikroskop zeigte in allen 


RE 2 2 


fünfen kräftig entwickelten Protomyces, wie unten noch näher beschrieben werden wird. 
Am 30. Januar sind am Petiolus von Blatt 5, 1 Mm. über dem Boden, drei junge, den 
auf Blatt 2 gefundenen gleiche Protomycesschwielen sichtbar. Zu Anfang Februars 
wurden Blatt 1 und 2 mit ihrem Rhizom und Blatt 3 behufs der anatomischen Unter- 
suchung weggenommen. Von den besäeten Blättern blieben also noch 5. 6 und 7; 
ferner blieb das nicht besäete Blatt 4. Ein neu getriebenes Stes Blatt wurde jetzt 
ebenfalls noch in der angegebenen Weise mit Protomyces besäel. Bis zum April mussten 
nun die Beobachtungen unterbrochen werden, die Pflanzen wurden im Zimmer weiter 
eultivirt und erhielten keine neue Protomyces-Aussaat. Am 23. April haben die noch 
übrigen 7 Rhizome zusammen 19 Blätter, von denen eines welk, die übrigen frisch 
und gesund sind. Vier von diesen 19 haben an der Basis des Petiolus Protomyces- 
Schwielen, und zwar gehören zwei von den vieren (deren eines das welke ist) einem 
und demselben Rhizom an, als dessen einzige Blatter, das dritte ist das unterste (älteste) 
eines dreiblätirigen, das vierte das zweilälteste Blatt eines dreiblättrigen Sprosses. Die 
Cultur wurde noch mehrere Wochen fortgesetzt, aber es erschien kein neuer Proto- 
myces. In wieweit die vier Protomyces tragenden Blätter den oben mit 5, 6. 7, 8 und 
4 bezeichneten entsprechen, war wegen der fast zweimonatlichen Unterbrechung der 
Beobachtungen nicht zu entscheiden. 

II. Fünf Rhizomstücke des Aegopodium, in gleicher Weise wie die von I. behan- 
delt, haben am 12. Februar je ein junges Blatt über den Boden setrieben. Diese 
Blätter werden sämmtlich mit keimenden Protomyces- Sporangien nach Art wie I. 
besäet, die Pflanzen wie 1. eultivirt. Bis zum 28. April sind 13 Blätter entwickelt. 
Die von zwei Rhizomen sind frei von Protomyces. Von den andern drei Rhizomen 
hat je das unterste, älteste Blatt, welches im Februar besäet worden war, schöne Proto- 
myces-Schwielen; zwei nur an der Basis des Blattstiels, das dritte auf dem ganzen 
Stiel und der Lamina. Alle übrigen Blätter sind und bleiben auch ferner frei davon. 

Il. Gleichzeitig mit II wurden einige Aegopodium-Rhizome in einen besonderen 
Topf gepflanzt, durchaus wie I und II cultivirt, aber nie mit Protomyces-Sporangien 
besäaet. Bis hoch in den Sommer blieb der Topf in Cultur, alle in ihm entwickelten 
Blätter blieben von Protomyces oder sonstigen Pilzen frei. 

An dem Platze, wo die Aegopodium-Pflanzen für II und II bergenommen waren, 
fand sich in den Jahren, wo die Versuche gemacht wurden, kein spontaner Protomyces. 

IV. Gleichzeitig mit I und auf die nämliche Weise, wurden die Jungen Blätter von 


zwei Slöcken des Antlhıriseus cerefolium mit keimenden Protomyces-Sporangien sehr reich- 


— 132° — 


lich besäet. Der eine Stock starb bald ab. der andere wuchs gesund weiter, hatte 
Anfangs Mai reife Frucht und blieb ohne jegliche Spur von Pilzbildungen. 

Aus diesen Versuchen geht zunächst hervor, dass Protomyces an den Stellen seiner 
Nährpflanze (Aegopodium) erscheint. auf welche man seine Sporen gebracht hat. 

Untersucht man die ganz jungen Anfänge des Pilzes, welche, wie auf dem Blatt 2 
des Versuchs I, in Form weisser punktförmiger Flecke erscheinen. so sieht man das 
Mycelium reichlich zwischen Oberhaut und äusserster Schicht des Parenchyms ausge- 
breitet und von hier aus in die Intercellularräume der tiefer liegenden Parenchymschichten 
hinabsteigend. Schon sehr früh beginnt an den zwischen Epidermis und Parenchym 
befindlichen Theilen des Pilzes die Bildung der Sporangien; erst später treten sie in den 
tiefern Schichten auf. An der mit der darunter liegenden Parenchymschicht abpräparir- 
ten Oberhaut eines der weissen Fleckchen von Blatt 2 fand ich (s. Fig. 26) an einem 
Punkte einen starken kurzen Pilzfaden in der Epidermis selbst. Er stiess an die Aussen- 
wand dieser, oder schien vielmehr derselben fest angewachsen zu sein mit einer ziem- 
lich breiten kreisförmigen Endfläche (p). Diese lag so dicht an einer Kante zwischen 
Aussen- und Seitenwand zweier Zellen, dass es kaum sicher zu entscheiden war, ob 
der Faden in der einen Zelle verlief, oder sich zwischen beiden hindurchdrängte. Mit 
grösster Leichtigkeit liess sich der Faden durch Veränderung der Einstellung des Mi- 
kroskops bis zur Innenwand der Oberhautzellen verfolgen, diese durchbohrte er, um unter- 
halb derselben zu einer kugeligen Blase anzuschwellen. von welcher nach zwei Seiten 
hin reich verzweigte, unter der Epidermis verbreitete und in die tieferen Gewebslagen 
eintretende Myceliumfaden entsprangen. Einer dieser letzteren zeigte unmittelbar an die 
Blase anstossend schon ein junges Sporangium mit dicht körnigem Inhalt; die Blase 
selbst enthielt nur wenig Proloplasma. Es ist wohl kaum zweifelhaft, dass jener die 
Epidermis quer durchsetzende Faden von Aussen eingedrungen und aus den aufgesäten 
Sporen entstanden ist, dass diese also, auf die Nährpflanze gelangt, Hyphen treiben, 
welche durch die geschlossene Epidermis eindringen, unter dieser sofort zum Mycelium 
des Protomyces heranwachsen, welches sich dann gegen die Mitte des befallenen 
Pflanzentheils sowohl wie in der Fläche ausbreitet und alsbald überall neue Sporangien 
entwickelt. 

Unser Protomyces schliesst sich somit den zahlreichen, durch die geschlossene Ober- 


haut eindringenden Endophyten an, welche ich an einem andern Orte beschrieben habe”). 


12) Annales des sciences natur. 4° Serie, Tom. XX. 


— 153 — 


Er unterscheidet sich von allen diesen aber dadurch, dass er die Anfänge seiner Myce- 
liumfäden niemals unter alleiniger Einwirkung von Feuchtigkeit und Wärme austreibt, 
sondern hierzu eines bestimmten Bodens, nämlich der Nährpflanze selbst bedarf. 

Gleich vielen anderen Endophyten dringt Pr. macrosporus nur in wenige Species 
von Nährpflanzen ein, oder kommt doch nur in wenigen zur Ausbildung. Dies zeigt 
sein auf die drei oben genannten Umbelliferen-Arten beschränktes spontanes Vorkom- 
men, und die negativen Resultate obiger Aussaat auf Cerefolium stimmen damit überein. 

In der genannten Abhandlung habe ich gezeigt, dass manche endophyte Pilze ihr 
Mycelium von dem Orte wo es eingedrungen ist durch die ganze Nährpflanze oder 
doch einen grossen Theil derselben verbreiten, und dass dieses in vielen Fällen in den 
ausdauernden Theilen der Nährpflanze perennirt; während andere eine begrenzte Ver- 
breitung und Dauer haben. Nach den angeführten Culturversuchen, bei welchen immer 
nur die Blätter oder die Punkte derselben den Protomyces trugen, welche direct besät 
worden waren, gehört dieser zu den Endophyten mit begrenzter Verbreitung in der 
Nährpflanze. Auch konnte ich, wie schon oben angegeben wurde, in letzterer niemals 
das Mycelium des Parasiten an Orten nachweisen, welche von den sporangientragenden 
Schwielen entfernt waren, zumal nie in den Rhizomen. Dass Pr. macrosporus nicht zu 
den perennirenden Endophyten gehört, folgt hieraus von selbst. 

Das häufige Vorkommen des Protomyces zumal auf Aegopodium und Meum wird, 
nachdem einmal die Keimung seiner Sporangien und das Eindringen seiner Keime in 
die Nährpflanze festgestellt ist, vollständig durch das Verhalten der reifen Sporangien 
während des Winters und folgenden Frühlings erklärt. 

Wie schon oben erwähnt. bleiben wo nicht alle, doch jedenfalls die weitaus 
überwiegende Mehrzahl der Sporangien in dem Sommer, in welchem sie gereift sind, 
unverändert, sie überwintern. Sie können dabei jedenfalls starke Kälte ertragen. Nach 
dem Winter 1860—61, in welchem in hiesiger Gegend die Lufttemperatur während 
des Januars oft auf — 14° bis — 15° R. gesunken war, bei kaum nennenswerther 
Schneedecke, waren die im Freien überwinterten Protomycessporangien allgemein leicht 
zur Keimung zu bringen. Die Keimung tritt am leichtesten und schnellsten im Früh- 
ling ein. Sporangien, welche Anfangs November 1860 nach Eintritt der Winterfröste auf 
Aegopodium gesammelt und sofort im geheizten Zimmer in Wasser gebracht worden 
waren, zeigten am 2. Dezember die ersten Keimungen. Andere an demselben Stand- 
orte wie die ersten den 25. Januar 1861 bei Thauwetter gesammelte keimten im 


Zimmer am 5. Februar. Eine Portion, welche im Februar an aufthauenden alten 
Abkandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V, 20 


— 154 — 


Aegopodiumblättern gesammelt und dann trocken aufbewahrt worden war, wurde am 
23. Mai in Wasser gebracht: schon am 27. Mai viele Keimungen. Die Keimung geht mit 
derselben Leichtigkeit wie in mit Wasser gefüllten Gefässen, auch auf nasser Erde, nassem 
Sande, feuchtem Löschpapier vor sich. Sie tritt in beiden Fällen keineswegs gleich- 
zeitig bei allen Sporangien einer Schwiele ein, vielmehr kann man in einer Cultur 
oft wochenlang (z. B. vom 2. December bis zum 27. Januar) tagtäglich neue Keimungen 
beobachten. Auch die Ejaculation findet nicht nur im Wasser, sondern auch auf nur 
feuchter Unterlage statt, die Sporen werden hier bis auf eine Entfernung von 1—2 
Cm. senkrecht nach oben geschleudert. Befestigt man eine angefeuchtete Glasplatte 
etwa 1 Cm. über den auf feuchtem Boden keimenden Sporangien, so findet man auf 
ihr nach kurzer Zeit einzelne Gruppen, und nach etwa 12 Stunden eine ungeheure 
Anzahl ejaculirter und copulirter Sporen. Nach allen diesen Daten müssen die ersten 
Keimungen im Freien an den ersten warmen und nassen Frühlingstagen, also gleich- 
zeitig mit dem Hervorkommen der ersten Blätter und Laubstengel aus dem Boden ein- 
treten und in der späteren Frühlingszeit bei feuchter Witterung immer neue den ersten 
folgen. Hunderte von Sporangien sind in jeder Schwiele enthalten und Hunderte von 
Sporen entstehen in jedem Sporangium; es liegt daher auf der Hand, dass von einer 
reifen Schwiele aus viele junge Blätter und Triebe mit Protomyces besäet werden 
können. Und der Umstand, dass oft grosse und viele beisammen stehende Stöcke 
von Aegopodium und Meum ganz mit Protomycesschwielen bedeckt sind, bedarf keiner 
besonderen Erklärung wenn man bedenkt dass genannte Pflanzen perenniren und dass 
ihre vorjährigen, die reifen Sporangien des Parasiten tragenden Blätter in unmittel- 
barer Nähe der im Frühling über den Boden tretenden Laubtriebe liegen. — 

Eine andere Form von Fructificationsorganen als die beschriebenen besitzt Pro- 
tomyces macrosporus, soweit meine Untersuchungen wenigstens reichen, nicht. Cas- 
pary hat (a.a. 0.) die Vermuthung ausgesprochen, Protomyces macrosporus gehöre 
in den Entwicklungskreis der Peronospora Umbelliferarum Casp., und seine Sporan- 
gien entsprächen den Organen, welche Caspary bei Peronospora densau und Peronos- 
pora pygmaea untersucht und Sporangien genannt hat; und auch mir (S. Bot. Ztg. 
1559, p. 404) schien manches hierfür zu sprechen, zumal der Umstand dass Proto- 
myces und Peronospora nicht selten auf einem und demselben Blatte von Meum oder 
Aegopodium mit einander vorkommen. Die scheinbare Aehnlichkeit zwischen den Orga- 
nen von Protomyces und Peronospora, durch welche jene Vermuthung begründet 


werden sollte, reducirt sich aber bei genauerer Betrachtung auf das Blauwerden ihrer 


— 155 ° — 


Zellmembranen durch Jod und Schwefelsäure. Das Mycelium der P. Umbelliferarum 
besteht aus weiten querwandlosen und mit zahlreichen bläschenförmigen Haustorien an 
die Zellen der Nährpflanzen befestigten Schläuchen, es ist also dem des Protomyces, 
welches oben beschrieben wurde, durchaus unähnlich. Die sogenannten Sporangien 
der Peronospora densa und pygmaea scheinen allerdings nach Caspary’s Beschreibung 
ähnlichen Bau wie die von Protomyces zu haben, allein bei genauerer Untersuchung 
erweisen sie sich von diesen durchaus verschieden. Sie bestehen, wie ich ander- 
wärts"’) nachgewiesen habe, zur Zeit der Reife aus einer kugeligen Fortpflanzungs- 
zeille., welche von einer aus Cellulose gebildeten (durch Jod und Schwefelsäure blau 
werdenden) Innenhaut und einer derben bräunlichgelben Aussenhaut bekleidet, und in 
eine derbwandige kugelige Blase (Mutterzellhaut) locker eingeschlossen sind. Die Fort- 
pflanzungszelle entwickelt sich in Folge einer geschlechtlichen Befruchtung durch eine 
Antheridie,. ist daher als Oospore, die Blase von der sie eingeschlossen wird als 
Oogonium zu bezeichnen. Perönospora Umbelliferarum Casp. hat Oogonien und 
Oosporen, welche, abgesehen von Speciesunterschieden, den nämlichen Bau besitzen wie 
bei den von Gaspary untersuchten Arten und gleich den entsprechenden Organen dieser 
mit den Sporangien von Protomyces nur oberflächliche Aehnlichkeit zeigen‘), Wie 
hiernach zu erwarten und durch zahlreiche Culturversuche festgestellt ist, entsteht denn 


auch niemals Protomyces aus der Aussaat von Peronospora oder umgekehrt. 


2. Protomyces endogenus. 


(Taf. XXVII. Fig. 8— 10.) 


Ausser der Beschreibung und Abbildung, welche Unger 1833 von dem in der 
Ueberschrift genannten, durch Rabenhorst (D. Krypt. Fl.) in Pr. Galii umgetauften Pilze 
gegeben hat, und einigen mehr oder minder misslungenen Reproductionen derselben sind 
mir keine Arbeiten über diesen Parasiten bekannt. Derselbe ist bis jetzt ausschliesslich 
in dem Galium Mollugo gefunden worden. Die von dem Pilze bewohnten Exemplare 
dieser Pflanze zeichnen sich meistens durch ein eigenthümliches, von Unger vor- 


trefflich beschriebenes Ansehen aus. Alle Internodien sind abnorm kurz, halb oder nur 


13) Ann. sc. nat. 4e. Serie Tom. XX, (pl. VII, fig. 9.) 
14) Vgl. die citirte Abhandlung pl. IV, Fig. 15. 


20* 


— 156 — 


viertels so lang und oft dicker wie normale, und von bläulich schwarzer nur an den 
Kanten grüner Farbe. Die Knoten sind angeschwollen, schwarz und tragen Blätter, 
welche gleichfalls viel kürzer als an normalen Stöcken und meist zu beiden Seiten des 
Mittelnerven mit einem schwarzen Streifen versehen sind. Alle Triebe der befallenen 
Pflanze zeigen in der Regel diese Beschaffenheit, die Pflanze erscheint daher dicht 
buschig. Sie bleibt in den meisten Fällen niedrig und ganz ohne Blüthen, ich habe 
Stöcke beobachtet, welche den ganzen Sommer über nur 16 Cm. hoch wurden. Zu- 
weilen erreichen jedoch Protomyces tragende Pflanzen ihre normale Höhe und bilden 
normale Blüthen; ob sie Frucht tragen habe ich nicht untersucht. 

Durchschnitte durch ein jüngeres Internodium der befallenen Stöcke (Fig. 8) — 
am besten tangentiale Längsschnitte — zeigen die Intercellularräume des Rindenparen- 
chyms und meistens auch des Markes fast sämmtlich erweitert und von dem Parasiten 
erfüllt. Man findet auf Längsschnitten sehr leicht sein Mycelium, das aus cylindrischen, 
reich verzweigten, mit Querwänden versehenen, meist etwa Yo Mm. dieken Hyphen 
besteht. Die Hyphen besitzen eine zarte farblose Membran und einen ebenfalls farb- 
losen, durch viele Fettkügelchen körnigen Inhalt. Einzelne in der Continuität der My- 
celiumfäden zerstreute kurze Gliederzellen schwellen früh zu elliptischen Blasen an, 
die anfangs eine wandständige von grossen Vacuolen durchsetzte Protoplasmaschicht 
umschliessen, später ganz von Protoplasma erfüllt werden, welches zuletzt durch Fett- 
ansammlung dicht und grob körnig wird, während die ganze Zelle nach und nach Bau 
und Grösse der reifen „Spore“ annimmt (Fig. 10). 

Die reifen Sporen (Fig. 9) sind in der Regel rundlich oder breit elliptisch, durch 
den Druck der umgebenden Theile oft hie und da abgeplattet und stumpfeckig, etwa 
Ys Dis % Mm. gross. Schmal elliptische (z. B. %,, Mm. lang, ‘, Mm. breit) oder ganz 
unregelmässige Formen findet man zuweilen. Die Wand der reifen Spore besteht der 
Hauptmasse nach aus einer dicken dunkelbraunen Membran, welche in zwei Schichten, 
eine dunkler gefärbte äussere und eine hellere innere gesondert ist. Jene wird über- 
zogen von einer ganz oder beinahe farblosen dünnen Haut — der primären Membran, 
an deren Innenfläche sich die braune während des Reifens allmählich ausbildet. In 
Schwefelsäure bleibt die primäre Haut lange unverändert; die braune quillt stark auf 
ohne dabei an Umfang merklich zuzunehmen, also unter starker Verengung des Innen- 
raumes; sie nimmt dabei eine schmutzig schwarzbraune Farbe an und platzt zuletzt 
häufig mit einem unregelmässigen Querriss. Eine blaue Cellulosefärbung konnte weder 


bei den Sporen noch irgend einem andern Theile des Pilzes erhalten werden. Der 


— . 17 — 


Inhalt reifer Sporen besteht grösstentheils aus kleinen Fettkörnchen, zwischen welchen 
oft ein grosser heller Kreis (Vacuole?) durchschimmert. 

Um die ersten an irgend eıner Stelle angelegten und reifenden Sporen herum treibt 
das Mycelium einige Zeit lang immer neue und neue Sporen bildende Zweige (Fig. 10). 
Man findet daher die Intercellularräume oft von wirren Myceliumgeflechten angefüllt, in 
welchen Sporen aller Entwickelungsgrade unordentlich durcheinander liegen (Fig. 8). 
Auf dicken Schnitten, zumal Querschnitten, können die Myceliumgeflechte leicht als 
unförmliche Massen einer grobkörnigen Substanz erscheinen und dieser Umstand hat 
Unger in seiner vor 30 Jahren erschienenen Arbeit zur Annahme einer homogenen 
körnigen Matrix, in welcher sich die Sporen frei bildeten, veranlasst. 

In den Stengelknoten, wo er besonders reichlich aufzutreten pflegt, und in den 
blättern, wo er das Parenchym an der Basis und zu beiden Seiten des Mittelnerven 
bewohnt, zeigt der Pilz die gleiche Beschaffenheit, welche oben beschrieben wurde. 
Die schwärzliche Farbe der befallenen Theile rührt von seinen Sporen her. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass Protomyces endogenus von einem Punkte aus 
die ganze Pflanze zu durchwuchern vermag. Man kann sein Mycelium continuirlich 
durch alle Theile bis in das Rhizom hinab verfolgen und in junge eben austreibende 
Sprosse eintreten sehen; in allen Theilen bildet es mehr oder minder zahlreiche Sporen. 
Ob es im Rhizome perennirt kann ich nicht mit Sicherheit angeben. Die Mycelium- 
fäden laufen vorzugsweise, doch nicht ausschliesslich der Länge der Pflanzentheile nach 
und bleiben überall streng intercellular, nie sah ich irgend einen Theil ins Innere der 
Zellen dringen. 

In den älteren Theilen der befallenen Pflanze tritt allmählich die völlige Reife des 
Pilzes ein, alle Sporen erhalten die oben beschriebene Beschaffenheit, es werden keine 
neuen mehr gebildet, das Mycelium wird allmählich unkenntlich. Zuletzt vertrocknet der 
ganze Pflanzentheil, wobei häufig die von reifen Sporen erfüllte, von der Epidermis 
bekleidete Rinde des Stengels in grossen Lappen von dem Holzkörprr losspringt. 

Die Keimung der Sporen konnte ich ungeachtet wiederholter Versuche nicht 
beobachten. Frisch gereifte und überwinterte Sporen blieben immer anscheinend unver- 
ändert, ob ich sie in Wasser oder feuchte Luft oder auf feuchten Boden brachte. Ob 


sie mit Recht den Namen Sporen führen, muss daher einstweilen dalıingestellt bleiben. 


RB 


3. Physoderma Eryngii. 
(Tafel XXVII, Fig. 11.) 


Physoderma Eryngii Corda') bewohnt die frischen Blätter von Eryngium 
campestre. Es bildet an denselben meistens sehr zahlreiche flache bräunliche Pusteln 
oder Anschwellungen, die in der Regel nach beiden Blattflächen hin vorspringen, rund- 
lich oder länglich und selten über 1 — 1% Mm. gross sind. Wie schon Corda beschrie- 
ben hat liegen die Pusteln in den Areolen des Adernetzes, einerseits an ein Gefäss- 
bündel angelehnt oder die Areole vollständig ausfüllend. 

An dem gesunden Blatte von Eryngium campestre besteht das von der Epidermis 
bedeckte Diachym der Areolen aus drei Gewebsschichten. Der oberen Blattfläche zuge- 
kehrt ist eine mächtige Schicht chlorophyllreichen Parenchyms, bestehend aus cylindrischen 
Zellen, welche mit ihrer Längsachse senkrecht zur Blattoberfläche gestellt und in ziem- 
lich regelmässige, gleichfalls zur Blattfläche senkrechte Reihen geordnet sind. Sämmt- 
liche Reihen sind dicht aneinander gedrängt, jede derselben aus drei bis vier Zellen gebildet. 
Die der unteren Blattfläche zugekehrte Schicht ist der oberen im Wesentlichen gleich, 
wenigstens können die vorhandenen geringen Unterschiede hier unberücksichtigt bleiben. 
Zwischen der oberen und unteren liegt eine Mittelschicht, welche aus drei bis vier 
Lagen grosser rundlicher chlorophyllarmer oder ganz farbloser und locker verbun- 
dener Parenchymzellen besteht. In dieser Mittelschicht verlaufen die feinsten, nicht über 
die Oberfläche vorspringenden Zweige der Gefässbündel. 

Durchschnitte durch reife von dem Pilze bewohnte Pusteln zeigen den von der 
Mittelschicht eingenommenen Raum mehr oder minder erweitert und von den massen- 
haft und ordnungslos angehäuften Fortpflanzungszellen des Pilzes, welche einstweilen 
Sporen genannt werden mögen, grösstentheils ausgefüllt; die Zellen der Mittelschicht 
sind verdrängt, zusammengedrückt, oft ganz unkenntlich, zwischen der Sporenmasse 
findet man oft einen vertrockneten braun gefärbten Gefässbündelzweig. Die obere und 
untere Parenchymschicht sind durch die Erweiterung des Mittelraumes zwischen ihnen 
auseinander gedrängt, ohne dabei selbst an Dicke zugenommen zu haben; zwischen den 
zur Blattfläche senkrechten Zellreihen, aus welchen sie bestehen, liegen gleichfalls zahl- 
lose Sporen des Parasiten in regelmässige Reihen oder Doppelreihen, manchmal auch 


15) Ausgegeben in Fuckels fung. Rhenan. Nro. 261. 


— 159 — 


in vielreihige längliche Gruppen geordnet, welche sämmtlich die gleiche Stellung wie 
die Zellreihen des gesunden Blattgewebes haben und von der Mittelschicht bis unter die 
Epidermis verlaufen. Die Elemente des chorophyliführenden Parenchyms sind auf den 
ersten Blick oft ganz unkenntlich, so sehr sind sie durch den Pilz zusammengedrückt. Bei 
genauerer Untersuchung findet man jedoch noch dieselben Reihen wie in dem gesunden 
Blatte, die einzelnen Zellen sind aber an den Seiten her stark und unregelmässig com- 
primirt, ihr Inhalt von der farblosen Membran zurückgezogen und hellbraun gefärbt, 
wovon die charakteristische Farbe der ganzen Pustel zum grössten Theil herrührt. Die 
Epidermis ist auf der Oberfläche der Pusteln meistens unversehrt, oft aber auch unregel- 
mässig geborsten. 

Die reifen Sporen des Pilzes sind, wie schon Corda’s Abbildung zeigt, von 
sehr verschiedener Gestalt, im Allgemeinen rundlich, meistens mit einzelnen vorsprin- 
genden Ecken, welche nicht selten zu kurzen stielartigen Fortsätzen ausgezogen sind, 
versehen. Auch die Grösse der Fortpflanzungszellen ist sehr verschieden, bei den 
meisten mag der grösste Durchmesser Y,, bis /,, Mm. betragen. Sie haben eine farb- 
lose oder hellgelbbraune Membran, deren Dicke dem halben Radius der Zelle gleich 
oder grösser ist. Die erwähnten Ecken und Fortsätze an der Oberfläche gehören immer 
der Membran allein an, der Innenraum ist immer von regelmässig abgerundeter kugeliger 
oder ovaler Gestalt. Die Membran besteht aus drei Lagen, von denen die äussere und 
innere ziemlich dünn, aber derb, stark glänzend sind und durch Schwefelsäure wenig 
aufquellen. Zwischen beiden liegt eine dicke Lage von schwach lichtbrechender Sub- 
stanz, welche die Hauptmasse der Membran ausmacht. Sie hat das Aussehen gallertiger 
Zellenmenbranen, ist oft zart geschichtet und quillt in Schwefelsäure stark auf. Eine 
Blaufärbung durch die bekannten Reagentien habe ich bei keinem Theile der Membran 
eintreten sehen. Der Inhalt der Sporen besteht aus einer gleichförmig fein- oder grob- 
körnigen fettglänzenden Substanz, in seiner Mitte sah ich oft einen runden hellen Raum. 

Die Entwickelung der Sporen kann man am besten an solchen Pusteln verfolgen, 
welche kaum über die Blattfläche hervorragen, noch nicht braun sondern grünlich- 
gelb gefärbt sind und hierdurch ihren jugendlichen Entwiekelungszustand anzeigen. 
Auf Durchschnitten durch dieselben findet man zunächst einzelne reife Sporen des 
Physoderma zwischen den theils noch mit grünem gesundem. theils schon braun- 
gefärbtem Inhalt versehenen Zellenreihen der oberen und unteren Parenchymschicht. 
Trennt man die einzelnen Reihen von einander, so findet man das Mycelium des 


Parasiten: zahlreiche feine etwas wellig gebogene und vielfach verzweigte Pilzfäden, 


— 160 — 


deren Dicke etwa so Mm., selten mehr beträgt. Die Fäden sind sehr zartwandig, 
mit homogen-trübem Protoplasma erfüllt; Querwände habe ich in ihnen nicht gefunden. 
Sie sind durch die ganze junge Pustel reichlich verbreitet, drängen sich zwischen die 
Zellen der grünen Parenchymschichten und der farblosen Mittelschicht und umspinnen 
jene allenthalben, ohne jedoch wie die Myceliumfäden anderer Schmarotzerpilze dicke 
die Zellen zusammendrückende Geflechte zu bilden und ohne in die Zellen selbst ein- 
zudringen. 

Es ist nun nicht schwer, ziemlich reife Sporen im Zusammenhange mit solchen 
Fäden und die Entwickelung jener an den letzteren zu finden. Diese Entwickelung 
gleicht sehr der für die Sporangien von Protomyces macrosporus bekannten. Als 
erstes Stadium findet man in der Continuität der Fäden kugelige Anschwellungen, 
anfangs noch zart und einfach contourirt,. aber mit dunkler körnigem Protoplasma 
als der Faden selbst erfüllt. Später werden die Anschwellungen grösser, durch deutliche 
Querwände von dem Faden. welcher sie trägt, abgegrenzt. und mit einer derben 
farblosen. durch Doppellinien umschriebenen Membran versehen. In ihrem körnigen 
Protoplasma ist jetzt ein centraler runder heller Raum meistens sehr deutlich zu sehen. 
So beschaffen erhalten die Zellen nahezu die Grösse reifer Sporen und bilden sich 
direct zu diesen aus, indem die Membran allmählich die oben beschriebene Dicke und 
Structur annimmt. Die vorspringenden Ecken und stielartigen Fortsätze der reifen 
Sporen entsprechen ihren Insertionsstellen an den Fäden des Myceliums. Auch die 
halbreifen Sporen findet man oft zu Reihen oder unregelmässigen Knäueln fest ver- 
einigt. Ob solche sich aus unmittelbar aneinander stossenden Anschwellungen eines 
einzigen Fadens entwickeln können oder immer mehreren dicht zusammengedrängten 
Fäden ihre Entstehung verdanken, konnte ich nicht ermitteln. Alle jugendliche Sporen, 
beren Ursprung und Insertion ich deutlich beobachten konnte, sassen einzeln in der 
Continuität der Fäden. Indem sich die Zahl der Sporen und wohl auch eine Zeit 
lang noch die der Myceliumzweige, an welchen jene fortwährend neu entstehen, 
peträchtlich vermehrt, werden die Räume zwischen den Zellen des Eryngiumblattes 
mehr und mehr erweitert und mit den Organen des Pilzes angefüllt, die Zellen selbst 
in gleichem Maasse zusammengedrückt, die beschriebene Structur der reifen Pusteln 
hergestellt. Bei den Exemplaren. welche ich untersucht habe, bildete sich der Pilz 
mmer zuerst in den peripherischen Schichten des Blattes und erst später in der 
Mittelschicht aus. In letzterer ist es auch bei ziemlich reifen Pusteln und selbst bei 


getrockneten Exemplaren oft leicht das Mycelium des Pilzes, seinen Zusammenhang 


— 161 — 


mit reifen Sporen und Jugendzustände der letzteren zu finden, wenn man die unordent- 
liche Pilzmasse vorsichtig auseinanderzupft. Jedoch werden die Myceliumfäden seltener 
in dem Maasse als die Zahl reifer Sporen sich vermehrt; sie scheinen mit Ausbildung 
der letzteren zu Grunde zu gehen und aufgelöst zu werden. 

Weitere Verfolgung der Entwickelungsgeschichte von Physoderma Eryngii 
erlaubte mir das zu Gebote stehende Material, welches ich der freundlichen Zusendung 
von L. Fuckel verdanke, nicht; wo ich in hiesiger Gegend Eryngium campestre 
erreichen konnte, war die Pflanze von dem Parasiten frei. 

Die beschriebene Entwickelungsgeschichte steht mit einigen Angaben Corda’s 
in so grellem Widerspruch, dass ich den von mir untersuchten Parasiten nimmermehr 
für Corda’s Ph. Eryngii halten könnte, wenn nicht die Abbildungen, die genannter 
Autor von den reifen Sporen gibt, die Identität unserer beiden Pilzformen fast ausser 
allen Zweifel setzten. Wenn ich Corda’s Beschreibung recht verstehe, so fasst er 
den Bau der Physoderma-Pusteln in folgender Weise auf. Dem in der Mittelschicht 
des Diachyms verlaufenden Gefässbündel sitzt eine dem Parasiten angehörende „Sporen 
erzeugende Zellschicht* auf. aus kurzen aufrechten schmalen Zellchen bestehend, 
welche mit ihren Spitzen der Sporenmasse (die in dem zerstörten chlorophylihaltigen 
Diachym der einen Blattseite liegt) zugewendet sind. „Wir glauben,“ fährt Corda 
fort, „dass diese Zellen die Sporen ebenso erzeugen, wie dieses bei den Aecidien 
geschieht.“ Nach dem, was ich gesehen habe, kann ich mir diese Angaben ebenso- 
wenig erklären. wie die zu ihrer Erläuterung dienende Figur 4; es sei denn, dass 
Corda nur alte Pusteln und ungeeignete Durchschnitte derselben untersucht und sich 
durch letztere über den richtigen Sachverhalt hätte täuschen lassen. Letztere Ver- 
muthung erhält allerdings einige Wahrscheinlichkeit dadurch, dass Corda’s Zeichnungen 


von dem Blattdiachym selbst mit der Natur nicht übereinstimmen. 


4. Protomyces Menyanthis. 


(Tafel XXVII, Fig. 1—7.) 


In meiner Arbeit über die Brandpilze (p. 19) habe ich die reifen Fortpflanzungs- 
zellen eines Schmarotzerpilzes beschrieben. welcher mir nach der Beschaffenheit dieser 
Organe in die Verwandtschaft von Protomyces macrosporus zu gehören schien. 
Neuere Untersuchungen machen es möglich. jene Beschreibung zu berichtigen und zu 


vervollständigen. Protomyces Menyanthis bewohnt die Blätter und Blattstiele von 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V, 1 


u A 


-Menyanthes trifoliata. Er wurde von mir 1852 einmal bei Berlin, von Fuckel') 
im Rheingau gefunden, seit 1858 sah ich ihn alljährlich vom Juni bis October in den 
Torfmooren am Ufer des Titisees im Schwarzwald; an anderen Orten dieses Gebirges, 
wo Menyanthes reichlich wächst, habe ich ihn bis jetzt vergeblich gesucht. Die vom 
Pilze bewohnten Blätter sind meistens (an den Fuckel’schen Exemplaren, welche ich 
besitze, allerdings nicht) kleiner als normale, die Foliola oft schmal lanzettilich und 
nur 2— 3 Cm. lang, häufig auch von bleicherer Farbe als gesunde Blätter. Sie zeigen 
auf dem Stiel und der Lamina mehr oder minder zahlreiche Flecke von brauner oder 
(wenn Erythrophyll in den Zellen des Blattes enthalten ist) violettbrauner Farbe, 
rundlicher oder länglicher Gestalt, punktförmig klein bis 1 und 2 Mm. gross. Die 
grösseren springen in Form flacher Pusteln nach aussen vor. Auf Durchschnitten 
durch solche Pusteln findet man innerhalb der unversehrten braungefärbten Epidermis 
die Zellen des Parenchyms mit hellbrauner Membran und geschrumpftem braungefärbtem 
Inhalt versehen, letzterer umschliesst die Sporen des Parasiten. Diese sind immer 
nur im Innern der Parenchymzellen, niemals in den weiten luftführenden Inter- 
cellulargängen enthalten (Fig. 1). Im Innern dieser Zellen werden daher auch die 
Jugendzustände des Pilzes zu suchen sein. Auf Durchschnitten durch junge Proto- 
mycesflecke, welche dem blossen Auge erst als kleine braune Punkte erkennbar sind, 
findet man die zunächst unter der Epidermis liegenden Parenchymzellen braun und in 
ihrem Innern reife oder reifende Sporen. Die nach Innen und seitlich angrenzenden 
Theile des Parenchyms zeigen dagegen ziemlich normale, unveränderte Beschaffenheit 
ihrer Zellen, die Membranen sind farblos, Zellkern, durchsichtiger wenig körniger 
Primordialschlauch, Chlorophylikörner, klarer wässeriger Zellsaft wie in gesunden 
Blättern vorhanden (Fig. 2, 3). Bei hinreichend starker Vergrösserung erkennt 
man aber in diesen anscheinend gesunden Zellen zarte farblose Bläschen und sehr 
feine quer oder schräg durch die Zellenlumina verlaufende Fäden. Letztere stellen 
das Mycelium des Protomyces dar. Sie sind farblos, anscheinend ganz homogen, 
durchscheinend; Querwände konnte ich in ihnen nicht finden. Ihren Querdurchmesser 
ganz genau zu messen war mir nieht möglich: nach ziemlich sicherer Schätzung mag 


derselbe etwa "soo Mm. betragen. Bei solcher Beschaffenheit kann man die Fäden 


16) Enum, Fungor. Nassoviae, und Fung. Rhenan. Nro, 260, als Physoderma Menyanthis Rabenh. 


Rabenhorst hat aber dem Pilze keinen Namen gegeben. 


— 163 — . 


leicht mit Protoplasmaströmchen verwechseln; allein auch abgesehen von ihren nachher 
zu erwähnenden Eigenthümlichkeiten, erkennt man bei genauerer Untersuchung leicht, 
dass sie nie einer Zelle allein angehören, sondern, die Membranen durchbohrend, von 
einer in die andere dringen. Von dem schon sporenführenden Mittelpunkt der jungen 
Pustel aus kann man sie oft viele Zellenlagen weit in den Umkreis und in die Tiefe 
verfolgen. Dass sie in der That die Zellwände durchbohren, ist auf guten Präparaten 
ohne Weiteres zu erkennen. Sehr schön tritt dieses Verhalten nach Einwirkung von 
Jodlösung hervor; die Fäden selbst werden durch diese gelblich gefärbt und deut- 
licher. die Primordialschläuche der Parenchymzellen ziehen sich zusammen, und man 
sieht sehr oft, wie ein Faden aus einem Primordialschlauch heraus gegen die Zell- 
wand läuft. diese durchbohrend in die Nachbarzelle eintritt, und so weiter. Aus- 
nahmslos dringen die Fäden immer nur unmittelbar aus einer Zelle in die andere, 
niemals sah ich sie in die Intercellulargänge treten. Anderswo als in den sporen- 
bildenden Pusteln sah ich die Myceliumfäden nicht; hieraus und aus der scharf- 
umgrenzten Gestalt und geringen Grösse der Pusteln ist zu schliessen, dass das 
Wachsthum des Myceliums ein begrenztes ist. 

Die meisten Myceliumfäden schwellen dicht bei ihrer Eintrittsstelle in eine Par- 
enchymzelle zu eiförmigen oder verkehrteiförmigen Blasen an, deren Länge zunächst 
Y bis ', des Querdurchmessers der Parenchymzelle beträgt (Fig. 2, 3). Aus dem 
der Eintrittsstelle abgekehrten Ende der Blase sprossen dann wiederum 1 bis 3 My- 
celiumfäden hervor, welche in benachbarte Zellen dringen. Auf demselben Ende der 
Blasen findet man sehr häufig ein Büschelchen sehr feiner und kurzer, in ein Knöpf- 
chen endigender Fäden (Fig. 3). welche bald verschwinden und über deren Bau und 
Zweck ich nichts Näheres angeben kann. Selten kommen die weiter vordringenden 
Myceliumzweige aus der Seite der Blasen, noch seltener sah ich die Myceliumfäden 
ohne blasige Anschwellung quer durch die Zelle laufen. Die Blasen haben sehr zarte 
Membran und anfangs einen homogenen, kaum einige Körnchen führenden, durch Jod 
gelb werdenden Protoplasmainhalt. Viele derselben theilen sich sehr bald durch eine 
Querwand in zwei ziemlich gleich grosse Hälften, von denen ich die der Eintrittsstelle 
zugekehrte immer mit Protoplasma erfüllt fand, die andere oft leer, d. h. nur mit wässeriger 
Flüssigkeit erfüllt ist, ihr Protoplasma also wohl an die ihr entsprossenden Fäden 
abgegeben hat. Sehr oft bleiben jedoch beide Hälften gleichmässig von Protoplasma 
erfüllt. und wohl in der Mehrzahl der Blasen tritt gar keine Querwand auf. Eine 


von dem Parasiten befallene Zelle enthält fast immer mehrere Blasen mit den dazu- 
21% 


— 14 — 


gehörenden Myceliumfäden. Von jenen zählte ich an ganz deutlichen Präparaten oft 
6 bis 8, andere Zellen enthalten ihrer aber jedenfalls noch mehr. 

Aus den beschriebenen blasigen Anschwellungen des Myceliums entwickeln sich 
die Sporen des Protomyces; ob nur aus den ungetheilten oder auch aus den proto- 
plasmaführenden Hälften der quergetheilten kann ich nicht entscheiden. Geht man von 
dem Umfange gegen die reife Mitte einer jungen Pustel, so findet man zahlreiche 
Zwischenstufen zwischen den beschriebenen blasigen Anschwellungen und den reifen 
Sporen. Jene werden zunächst grösser und in ihrem Innern treten dunkel umschrie- 
bene Fettkörnchen auf, welche um so grösser und zahlreicher werden. je mehr die 
Blase wächst, und diese zuletzt dicht erfüllen (Fig. 4). Der Umriss der letzteren 
bleibt bis zur Vollendung des Wachsthums sehr zart, durch eine einfach feine Linie 
angedeutet; erst nach beendigter Ausdehnung tritt eine derbere, alsbald durch Doppel- 
linien umschriebene Membran auf. Je mehr die Sporen heranwachsen „ desto blasser und 
undeutlicher werden die Myceliumfäden, an welchen sie sitzen. Ein einziges Mal nur 
habe ich eine fast völlig verwachsene noch zarthäutige Spore in deutlichem Zusammen- 
hang mit einem Myceliumfaden gesehen (Fig. 4), meistens ist solcher bei grösseren 
Sporen gar nicht mehr zu finden, und der Ursprung der letzteren müsste zweifelhaft 
bleiben, wenn sich nicht zwischen ihnen und jüngeren deutlich mit dem Mycelium 
zusammenhängenden alle Entwickelungsstufen leicht finden liessen. 

Hat das Wachsthum der in einer Parenchymzelle enthaltenen Sporen begonnen, 
so kömmt alsbald ein weiterer Umstand hinzu, der die Verfolgung ihrer Entwickelungs- 
geschichte erschwert. In der Zelle verschwindet nämlich das Chlorophyll, der Zell- 
kern wird unsichtbar, und der ganze Inhalt wird durch eine rasch wachsende Menge 
von Körnchen dergestalt getrübt, dass eine Auffindung der Myceliumfäden kaum mehr 
möglich, und selbst die zarten Umrisse der jüngeren Sporen oft nur schwer sichtbar 
sind. Man sieht häufig Sporen verschiedenen Alters innerhalb der Zellen in einer 
dicht körnigen Flüssigkeit suspendirt, ohne Spur von Myceliumfäden (Fig. 5). so 
dass es genau aussieht, als ob die Sporen durch freie Zellbildung in dem krankhaft 
veränderten Inhalt der Parenchymzellen entständen. Wären die Jugendzustände des 
Pilzes nicht bekannt, so könnte es gar kein Object geben, welches geeigneter als jene 
Zellen wäre, um eine Täuschung zu Gunsten der Lehre von der sogenannten Heterogenie 
zu veranlassen. Mit der Reife der Sporen nimmt die körnige Inhaltsmasse der Par- 
enchymzellen eine braune, zuletzt rothbraune Farbe an und schrumpft zu einer harten, 


spröden, fast homogenen Masse zusammen, welche die Sporen einschliesst und mit- 


— 165 — 


einander verklebt (Fig. 6, 75). Auch die Membran der Zellen, welche vom Pilze 
bewohnt werden, so wie die der benachbarten nicht befallenen Zellen, wird braun 
und vertrocknet. 

Die reifen Sporen (Fig. 6, 7) sind breit eiförmig, meist 4, bis 7, Mm. lang. 
Sie haben eine einfache ungeschichtete farblose Membran, welche so wenig wie irgend 
ein anderer Theil des Pilzes blaue Cellulosereaction zeigt. Der Inhalt besteht aus 
einer wandständigen Schichte von Fettkörnchen, innerhalb welcher eine homogene 
farblose Masse liegt, auf den ersten Blick einer Vacuole gleichsehend, aber wie genauere 
Untersuchung zeigt, gleichfalls zum grössten Theile aus Fett bestehend. 

In reifen Pusteln findet man eine bis fünf und sechs Sporen in einer Parenchym- 
zelle; in jüngeren sah ich oft Sporen verschiedenen Reifegrades in einer Zelle bei- 
sammen, und in solchen Zellen, deren Lumen von einigen fast reifen Sporen grössten- 
theils ausgefüllt war, fast immer einzelne, welche die Grösse der ursprünglichen My- 
celiumsanschwellungen kaum überschritten. Es scheint daher, als ob von letzteren eine 
Anzahl unentwickelt bliebe (vergl. Fig. 5). 

Mit meinen Versuchen die Keimung der Sporen zu erhalten bin ich nicht glück- 


licher gewesen als bei Pr. endogenus. 


5. Physoderma maculare und pulposum. 


Das Wallroth’sche Originalexemplar von Ph. maculare (Taf. XXVI, Fig. 13) besteht 
in einem durch die lange Aufbewahrung im Herbarium braun gewordenen Blatte der 
schmalblätterigen Form von Alisma Plantago. Auf der Lamina dieses Blattes befinden 
sich zahlreiche zerstreute längliche, 1—1Y, Mm. lange schwarzbraune Flecke, welche 
alle durch die Blattsubstanz durch, von der oberen zur unteren Fläche gehen. Auf 
der oberen Fläche springen sie in Form flacher Schwielen vor, auf der unteren wenig 
oder gar nicht. Der Blattstiel zeigt einige ähnlich aussehende aber kleinere Flecke. 
Durchschnitte durch die braunschwarzen Stellen der Lamina zeigen, soweit genannte 
Färbung reicht, im Innern aller Zellen des Blattparenchyms und der Epidermis 
grosse braunhäutige Körper, welche jedenfalls als die Sporen des Parasiten bezeichnet 
werden dürfen. Nur in den Schliesszellen der Spaltöffnungen und in den beiden 
schmalen an diese angrenzenden Epidermiszellen fehlen die Sporen immer. Sie liegen 
einzeln oder zu 2 bis 3 in einer Zelle; ausser ihnen fand ich in letzterer nach dem 


Aufweichen nur spärliche Reste der normalen Inhaltsbestandtheile und wässerige 


— 166 — 


Flüssigkeit. Die Sporen sind breit eiförmig, '/,, bis %,; Mm. lang und mit einer mässig 
dicken. schön braunen nicht geschichteten Membran versehen. Diese umgibt einen 
fettglänzenden farblosen Inhalt, der bei den einzelnen Exemplaren, offenbar in Folge des 
Trocknens, sehr verschiedene Anordnung zeigte, deren ausführliche Beschreibung zweck- 
los wäre. Ob er von einem zarten farblosen Endosporium unmittelbar umgeben wird, 
konnte ich nicht sicher entscheiden. Junge Entwickelungszustände der Sporen oder 
Myceliumfäden sah ich in den Zellen des Alismablattes nicht. In den Intercellular- 
"räumen fand ich niemals die Sporen, dagegen verlaufen in denselben allenthalben ein- 
zelne farblose Fäden. offenbare Pilzhyphen von etwa '%o Mm. Dicke. Einen Zusammen- 
hang dieser mit den intracellularen Sporen konnte ich nicht auffinden, ob sie demselben 
Parasiten. wie diese angehören. bleibt daher zweifelhaft. 

Ein ganz sonderbares Gebilde ist Wallroth’s Physoderma pulposum (Taf. 
XXVI. Fig. 12). Die Exemplare des Wallroth’schen Herbars bestehen in einigen kleinen 
beblätterten Aestchen von Atriplex angustifolia, deren Internodien mit dicken, etwa 
1 Mm. grossen schmutzig-braunen Warzen dicht besetzt sind. Aehnliche Warzen 
finden sich in geringerer Zahl auf den Blättern. In den am Stengel befindlichen ist 
das von der Epidermis überzogene Rindenparenchym von der Bastschichte losgetrennt 
und weit abgehoben. der Raum zwischen beiden Theilen wird eingenommen von einem 
eigenthümlichen grobmaschigen Netz oder Gerüst. Dieses besteht aus (bis /,, Mm.) 
dicken. cylindrischen oder plattgedrückten Fasern, welche in der Weise nach allen 
Richtungen hin verzweigt sind und mit einander anastomosiren. dass sie ein Netz mit 
unregelmässig vierseitigen Maschen bilden. Die Fasern sind farblos, glänzend. der 
Membran stark verdickter Bastfasern einigermassen gleichsehend, nicht geschichtet, 
die meisten solide, andere mit einer engen axilen Höhlung versehen. Jod färbt sie 
gelblich, in Schwefelsäure quellen sie wenig, Cellulosefärbung zeigten sie nicht. Wo 
das Netz an Bast und Rindenparenchym angrenzt, sah ich seine Fasern oft senkrecht 
gegen die Oberfläche dieser Gewebsschichten verlaufen, an dieser umbiegen und sich 
mit anderen Fasern zu einer Schlinge vereinigen. Hiernach läge also das Fasernetz 
als ein in sich abgeschlossener Körper zwischen Bast und Rindenparenchym einge- 
schoben. An anderen Stellen schien es mir jedoch, als ob die Fasern dünne, faden- 
förmige, reich verzweigte Aeste aussendeten, welche sich zwischen den Gewebselementen 
von Bast und Parenchym verbreiten. Dass solche dünne verzweigte Fasern oder 
Fäden hier vorhanden sind unterliegt keinem Zweifel; ob sie aber mit dem beschrie- 


benen Netze zusammengehören, oder zufällig vorhandene Pilzfäden sind, darüber konnte 


ich an dem zu Gebote stehenden Material nicht in’s Klare kommen. Die Lücken des 
Fasernetzes sind von freien braunen Zellen angefüllt., welche bis auf Weiteres 
Sporen heissen mögen. Es sind kugelige oder breit ovale, %s bis %, Mm. grosse 
Zellen mit doppelter Membran, nämlich einer derben hellbraunen Aussenhaut und einer 
zärteren in Schwefelsäure stark quellenden Innenhaut. Der Inhalt bestand aus einer 
fettglänzenden klumpig geschrumpften Masse. 

Die in den Blättern vorhandenen Physoderma-Warzen bestanden aus Anhäufungen 
von Sporen, eingeschlossen in Höhlungen des Blattparenchyms und durchsetzt von ein- 
zelnen anastomosirenden, denen des beschriebenen Netzes gleichen Fasern. 

Ein Zusammenhang zwischen Fasern und Sporen oder Jugendzustände beider 


Theile waren nirgends aufzufinden. 


6. Zur Systematik. 


Ueber die natürliche Verwandtschaft der Protomyces- und Physoderma-Arten und 
ihre Stellung im Systeme lässt sich auf Grund der mitgetheilten Resultate noch wenig 
Positives sagen. 

Berücksichtigt man nur den Bau und die Entwickelung der innerhalb der Nähr- 
pflanze vorfindlichen Theile, ohne auf die Keimungserscheinungen Rücksicht zu nehmen, 
so ist zunächst einleuchtend, dass Physoderma pulposum mit den übrigen Formen nicht 
zusammengehört. Es ist durch das Fasergerüste ein ganz eigenthümliches räthselhaftes 
Gebilde, über welches von ferneren Untersuchungen Aufschluss zu erwarten ist. 

Von den übrigen fünf Arten stimmen wenigstens die vier lebend untersuchten 
durch den Besitz eines freifädigen Myceliums, sowie durch die Entwickelungsweise der 
Foripflanzungszellen an diesem überein. Auch in den Wirkungen, welche sie auf die 
Theile ihrer Nährpflanze ausüben, findet zwischen den einzelnen Arten eine unver- 
kennbare Uebereinstimmung statt. Auf die Verschiedenheiten, welche im Einzelnen 
zwischen den Arten stattfinden, braucht nicht besonders aufmerksam gemacht zu werden. 
In Beziehung auf die Art ihres Vorkommens sondern sich die untersuchten Species in 
zwei Gruppen: die einen, nämlich Pr. maerosporus, endogenus und Ph. Eryngii ent- 
wickeln sich nur zwischen den Zellen ihrer Nährpflanze; Pr. Menyanthis, welchem 
man Ph. maculare wohl einstweilen anreihen darf, ist ein rein intracellularer Parasit. 
Man kann auf Grund dieser Verschiedenheit die beiden bezeichneten Gruppen als 


Gatiungen unterscheiden und, wenn man will, die Namen Protomyces und Physoderma 


— 168 — 


in etwas veränderter Bedeutung zur Bezeichnung derselben anwenden. Natürliche 
Genera stellen die beiden Gruppen allerdings schwerlich dar; mir scheinen wenigstens 
schon die Verschiedenheiten in der Structur des Myceliums und der Fortpflanzungs- 
organe bei den 3 intercellularen Arten hinreichend gross zu sein, um es sehr unwahr- 
scheinlich zu machen, dass sie einer natürlichen Gattung angehören; am nächsten 
scheinen noch Ph. Eryngii und Pr. macrosporus miteinander verwandt zu sein. Eine 
eingehende Discussion über die angedeutete Frage wäre zwecklos. so lange die 
Keimungsgeschichte von Pr. endogenus. Eryngii u. s. w. nicht bekannt ist, denn es 
wird niemand bestreiten, dass die Haupteigenthümlichkeit des Protomyces macrosporus 
in der Keimung 'seiner Sporangien liegt. und dass ein anderer Pilz erst dann. wenn 
seine Keimung gleichfalls bekannt ist, mit jenem verglichen werden kann. 

Die Stellung im Systeme ist für die meisten Arten aus den gleichen Gründen 
wie ihre Verwandtschaft untereinander zur Zeit nicht bestimmbar. Von Protomyces 
macrosporus ist aber der ganze Entwickelungsgang ziemlich vollständig bekannt, und 
für ihn muss daher gefragt werden, welcher der gegenwärtig bekannten Pilzfamilien 
er ein- oder anzureihen ist. Vergleicht man ihn zunächst mit den einfacheren Pilz- 
formen, denen er sich durch seine Lebensweise anschliesst. so kann nicht bezweifelt 
werden. dass er weder mit den Peronosporeen, an welche zunächst gedacht werden 
könnte, noch mit den Ustilagineen, noch mit den Uredineen nähere Verwandtschaft 
zeigt; mit den meisten hat er nicht einmal oberflächliche Aehnlichkeit. Auch unter 
den nicht parasitischen Fadenpilzen finde ich keinen, dessen Fortpflanzungsorgane den 
Sporangien des Protomyces füglich verglichen werden könnten. Diese zeigen dagegen, 
wie ich schon bei ihrer Beschreibung angedeutet habe. eine grosse Aehnlichkeit mit 
den Sporenschläuchen der Ascomyceten. der Pyreno- und Discomyceten. Sieht man 
ab von Verschiedenheiten in der Gestalt und Grösse der Theile, so verhält sich das 
Endosporangium nach seinem Austritte aus der umgebenden Aussenhaut im Wesentlichen 
ganz wie diejenigen Asci,. in welchen der primäre Zellkern nicht gefunden wird und 
die Sporen ohne Zellkerne entstehen. Diese werden aus einem Theile des Protoplasma 
gebildet. der zu ihrer Bildung nicht verwendete Rest nach und nach aufgelöst. Die 
Ejaculation geschieht im Wesentlichen auf die gleiche Art wie bei den Aseis der 
Discomyceten (Peziza, Helvella, Exoascus u. s. w.). In dem einen wie dem anderen 
Falle bleibt die Membran des Ascus bis nach der Entleerung von einem Primordial- 
schlauch ausgekleide. Dass die grosse Zahl der in einem Schlauch entstehenden 


Sporen der Vergleichung nicht im Wege steht, zeigen die sehr zahlreiche kleine Sporen 


— 169 — 


bildenden Asci mancher Sphaerien und Lichenen. Protomyces macrosporus dürfte hier- 
nach den Ascomyceten an die Seite zu stellen sein, als einfachste Ascomycetenform, 
von den typischen Schlauchpilzen ausgezeichnet durch den einfachen Bau seines Thallus, 
den Mangel eines zusammengesetzten Fruchtlagers oder Fruchtbehälters, und durch die 
Eigenthümlichkeit, dass in seinen Ascis die Sporenbildung erst nach vorangegangenem 


Ruhezustand und Häutungsprocess stattfindet. 


U. Esxoascus Pruni und die Taschen oder Narren 
der Pflaumenbäume. 


(Tafel XXVI.) 


Es gibt wohl wenige Pflanzenmissbildungen, welche häufiger und allgemeiner bekannt 
sind. als die mit den Namen Taschen, Schoten, Narren, Hungerzwetschen, 
Turcas der Italiener bezeichneten entarteten Pflaumenfrüchte. Dessenungeachtet fehlt 
es aber zur Zeit noch sehr an genaueren Untersuchungen über dieselben und an einer 
sicher begründeten Erklärung ihrer Entstehung. 

Die erste deutliche Beschreibung der genannten Missbildungen findet sich, nach 
Treviranus") bei Caesalpin (de plantis II, 15), indem dieser sagt: „Etwas Beson- 
deres ist bei der Pflaumenfrucht dieses. dass sie, wenn es während der Blüthe viel 
geregnet hat, sich in einen länglichen hohlen Körper verwandelt, den man Turcas nennt.“ 
Das Nämliche sagt Joachim Camerarius in der 1600 erschienenen Ausgabe des 
deutschen Matthiolus (fol. 90 D) von den Früchten der Schlehe. In den mir zu Gebote 
stehenden älteren Werken finde ich die Erscheinung nicht erwähnt. Haufig gedenken 
ihrer die späteren Autoren; Rud. Jac. Camerarius (Opuscul. ed. Mikan, nach Tre- 
viranus) gibt die erste ausführliche Beschreibung, Duhamel (physique des arbres 1, 
p- 303 pl. 12, 13) meines Wissens die erste Abbildung. Merkwürdig ist, dass die 
Taschen der Pflaumen in neueren Büchern, welche sich mit den Krankheiten und Miss- 


17) Treviranus, über die taschenförmige Bildung der Pflaumen. Bot. Zeitg. 1846 p. 641. Einige An- 
gaben über die ältere Litteratur entnehme ich diesem gelehrten Gewährsmanne, da mir dieselbe nur mangelhaft 
zu Gebote steht. 

Abhandl, d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. V, 22 


bildungen der Pflanzen speciell beschäftigen, entweder gar nicht (Plenck, Physiol. et 
Pathol. Plantarum, Wiegmann, Krankheiten etc. der Gewächse) oder nur ganz flüchtig 
erwähnt werden (Meyen, Pflanzenpathol., Moquin-Tandon, Pflanzenteratologie, Kühn, 
Krankh. d. Culturgew.). — 

Die Ansichten, welche über die Ursache der Taschenbildung ausgesprochen worden 
sind und unter den Bolanikern wie im Volke herrschen, lassen sich in vier Gruppen 
zusammenstellen. 

Die ersten setzen den Grund der Erscheinung in die Einwirkung ungünsliger, nasser 
oder kalter Witterung auf die Blüthe und junge Frucht der Pflaumenbäume; theils ohne 
sich über die Art der Einwirkung bestimmter auszusprechen, wie Caesalpin, Joach. 
Camerarius, J. Robb '*); theils indem sie annehmen, dass die nachtheilige Witterung 
eine oder die andere bestimmte Störung in dem Ernährungsprocesse verursacht, wie 
Dumont Courset und Bose") und Reaumur (Histoire de l’Acad. Royale (paris.) 
des sciences 1713, pag. 58 des Amsterdamer Nachdrucks). 

Die Vertreter der zweiten Ansicht betrachten zwar auch die oben bezeichneten 
ungünstigen Willerungsverhältnisse als die veranlassenden, entfernteren Ursachen der 
Taschenbildung, sie präcisiren aber ihre Vorstellung über die Einwirkung derselben dahin, 
dass sie annehmen, die Befruchtung der jungen Pistille werde verhindert oder gestört. 
Freilich steht dieser Annahme die ailgemein bekannte Erscheinung entgegen, dass die 
Blüthen der Pflaumenbäume, deren Pistille nicht befruchtet sind. in der Regel nicht 
Taschen bilden, sondern gar nicht wachsen und vom Baume abfallen. Die hierin gelegenen 
Bedenken suchen die Autoren auf verschiedene Weise zu beseiligen. Treviranus 
(in seiner oben angeführten Arbeit) und H. Schultz”) nehmen an, dass die Pistille, 
welche sich zu Taschen umbilden, unbefruchtet bleiben, aber dabei, in Folge der äusse- 
ren Einwirkungen, mehr als gewöhnlich ernährt werden; und in wesentlich dem gleichen 
Sinne, nur weniger deutlich spricht sich schon Rud. Jac. Camerarius aus, wenn ich 
seine von Treviranus eitirten Worte recht verstehe. Andere reden von einer unvoll- 
kommenen Befruchtung (z. B. J. L. Christ, Krankheiten der Obstbäume, 84; Pflanzung 


und Wartung der Obstbäume, 458). ohne näher anzugeben. was sie darunter verstehen 


18) Hooker’s Journ. Bot, III, 99, tab. 4. 

19) Nouv. Cours compl. d’Agricult. IV, 124. Beide Angaben nach Treviranus 1. c. 

20) Verhandl. d. Vereins z, Bef. d. Gartenbaus in den K. Preuss, Staaten, Bd. 18, p. 402 (1847). 
Vergl. auch dieselben Verhandl. Band 19 (1849) p. 40. 


a 


und ohne von den neuerdings bekannt gewordenen Erscheinungen, welche man so nennen 
könnte. Kenntniss zu haben (S. Hildebrand. in Bot. Zeitung 1863. Nro. 44, 45). 
Treviranus selbst neigt sich in neuerer Zeit zu dieser Meinung hin (Verhandl. des 
naturw. Vereins f. Rheinland u. Westphalen 1862), während er sie in seiner früheren 
Arheit verworfen hat. Versuche, durch Beobachtung in dem vorliegenden Falle von 
dem Wesen der unvollkommenen Befruchtung eine klare Vorstellung zu erhalten, hat 
auch von den Neueren Keiner gemacht. 

Ray (Hist. plant. II, 1528 nach Trevir.) ist der Anführer von den Vertretern der 
dritten Ansicht. welche die Taschen für Erzeugnisse des Stiches von Rüsselkäfern, 
Aphiden oder nicht näher bezeichneten Insecten, also für eine Art Gallen hält; eine 
Meinung, welche, trotz des bestimmten Widerspruches sorgfältiger Beobachter, wie 
Treviranus, Schultz und schon R. J. Camerarius, gegenwärtig unter den Gelehr- 
ten noch ihre Anhänger besitzt, wie das Referat in der Botan. Zeitung 1861, p. 224 
zeigt, und unter den Laien wohl die vorherrschende sein dürfte”). 

Viertens endlich hat L. Fuckel auf den Pflaumentaschen die Fructificationsorgane 
eines Pilzes, Exoaseus Pruni Fuckel, der von Keinem vorher beschrieben worden 
war, entdeckt, und betrachtet diesen als den Erzeuger der Missbildung. Er gibt in 
seiner Enumeratio fungorum Nassoviae (Wiesb. 1861, p 29) eine kurze Beschreibung 
und Abbildungen besagter Organe. und sagt von denselben, welche ihm den ganzen 
Pilz darstellen: Epidermidem Pruni domesticae et P. spinosae fructuum immaturorum 
densissine obducens frequentissime, Vere. Fruetus immaturi per hunc fungulum mon- 
stroso - inerassati vulgo Narren, Schoten, Taschen nominantur. 

Bei der ausserordentlichen Häufigkeit, in welcher dıe Taschen soviel ich mich 
erinnere alljährlich vorkommen, und bei den wunderlichen Eigenthümlichkeiten, durch 
welche sie selbst dem Laien auffallen müssen, schien es mir wünschenswerth zu ent- 
scheiden. welche von den divergirenden Ansichten über ihre Entstehung die richtige 
sei. Die Resultate, welche die zu diesem Zwecke unternommenen Untersuchungen bis 
jetzt geliefert haben, sollen in Folgendem mitgetheilt werden. 

Ich habe die Taschen beobachtet an der Zwetsche (Prunus domestica), der Schlehe 
(Prunus spinosa) und am häufigsten an der Ahlkirsche (Pr. Padus). Die wilde oder 


verwilderte Prunus insititia und die runde Damascener Pflaume hatte ich nicht Gelegenheit 


21) S. z.B. F. Stieber, Erfahrungen über die sog. Taschen der Pflaumen. Verhandl. d, Ver. z, Def. Gartenb. 
i, d. Preuss. Staaten, Bd. 18, p. 45. 
22% 


— 172° — 


zu beobachten; an den beiden hier vorzugsweise cultivirten Pflaumensorten, der Reine- 
claude und Mirabelle sind mir niemals Taschen vorgekommen, obgleich ich mehrere 
Jahre aufmerksam danach suchte, und hiermit stimmen die Erfahrungen der Gärtner, 
welche mir mitgetheilt worden sind, überein. Dass jedoch die in Rede stehende Miss- 
bildung an der Mirabelle zuweilen gefunden wird, ist nach der bestimmten Versicherung 
von Duhamel nicht zu bezweifeln. An den Kirschenbäumen habe ich die Taschen nie 
finden können und es ist mir auch ausser einer zweifelhaften Notiz, welche Treviranus 
anführt, nicht bekannt, dass sie von Anderen daselbst gesehen worden wären. 

Die Taschen erscheinen in hiesiger Gegend an den drei genannten Bäumen An- 
fangs Mai oder schon Ende April. Was ihr äusseres Ansehen betrifft, so zeichnen 
sie sich von den ihnen gleichalten gesunden Früchtchen durch viel beträchtlichere Grösse 
aus, indem sie doppelt bis 5mal so lang und auch breiter werden als diese, und durch 
eigenthümliche sehr mannigfache Gestalten. Bei der Zwetsche und nach Duhamel’s 
Abbildung auch bei der Mirabelle sind sie langgestreckt, bis 5 Cm. lang, nach Tre- 
viranus selbst fingerslang, oben meist breiter als unten, stumpf. mehr oder minder 
zusammengedrückt,. so dass sie einer Erbsenschote verglichen werden konnten, und 
dabei meistens in verschiedener Weise gekrümmt. Bei Prunus spinosa sind sie kleiner 
(bis 2 und 2% Cm. lang). jedoch im Verhältniss zur Grösse der normalen Frucht 
meist ebensostark ausgedehnt wie bei der Zwetsche, und von den mannigfaltigsten 
Formen: schmal und langgestreckt oder rundlich; spitz, zugespitzt oder stumpf; zu- 
sammengedrückt oder aufgeblasen, fast gerade oder krumm und verdreht. Bei Prunus 
Padus endlich sind die Taschen seltener rundlich und stumpf, die meisten länglich oder 
spindelförmig, oft zugespitzt,. in verschiedenem Grade zusammengedrückt,. mehr oder 
minder hornförmig gekrümmt; der Griffel bleibt auf ihnen oft stehen, während er bei 
den Zwetschen- und Schlehentaschen abgefallen ist. 

Bei allen drei Species sind die Taschen von den gesunden jungen Früchtchen zuerst 
durch bleiche gelblichgrüne, oder manchmal röthliche Färbung ausgezeichnet, welche 
letztere von Erythrophyli in den Epidermiszellen herrührt. Ihre Oberfläche ist durch 
zahlreiche flache unregelmässige Runzeln und Wärzchen uneben, auf den einzelnen Er- 
habenheiten oder Vertiefungen aber glatt und glänzend. Später tritt auf der ganzen 
Oberfläche ein sehr zarter glanzloser Ueberzug auf, einem Reif oder sehr feinen 
sammetartigen Flaum gleichsehend, erst weiss, dann matt ockergelb. Zuletzt erhält die 
Oberfläche braune Flecke, Schimmelrasen erscheinen, die Tasche schrumpft, wird 


missfarbig und fällt dann früher oder später vom Baume ab. 


— 19 — 


Was das Innere der Taschen betrifft, so ist allgemein bekannt, dass ihre im Ver- 
hältniss zum Umfang dünne Wand eine geräumige lufterfüllte Höhlung umschliesst, in 
deren oberem Theil die mehr oder minder entwickelten Ovula der Wand ansitzen. 
Eine genauere Beschreibung des Baues wird sich am besten in Verbindung mit der 
Entwickelungsgeschichte geben lassen. 

Bevor ich zur Darstellung dieser übergehe, will ich vorausschicken, dass ich, über- 
einslimmend mit Treviraus, an Hunderten von Taschen kaum einmal eine Spur eines 
Insectenstiches wahrgenommen habe. Die von mir genauer beobachteten Stöcke von 
Pr. domestica und spinosa waren zur Zeit der Taschenbildung auch von Blattläusen frei; 
auf den untersuchten Bäumen von Pr. Padus, welche Species ein so beliebter Aufent- 
haltsort von dergleichen Gethier ist, war zwar im Jahr 1862 eine zahlreiche Bevölkerung 
von Aphiden und Insectenlarven, 1863 fehlte diese aber auf den meisten gänzlich, 
wenigstens zu der Zeit, welche hier in Betracht kömmt. 

Die Entwickelung der Taschen geschieht, soweit ich sie verfolgen konnte, bei 
Pr. domestiea und spinosa auf die nämliche Weise; bei Pr. Padus zeigt sie in einzelnen 
Punkten besondere Eigenthümlichkeiten. 

Zuerst soll von den beiden ersigenannten Arten die Rede sein. An den Bäumen 
resp. Sträuchern, welche später Taschen trugen, konnte ich zur Blüthezeit keine Ver- 
schiedenheiten oder krankhafte””) Abnormiläten an den Blüthen finden, obgleich ich auf- 
merksam danach suchte und besonders sechs junge reichblühende Zwetschenbäume immer 


!m Auge behielt. Auch nach dem Abblühen sind die stehen gebliebenen jungen Frücht- 


chen zunächst alle gleich und anscheinend gesund. Erst einige Zeit — bei den 1863 
untersuchten Zwetschen 14 Tage, bei den Schlehen etwa 4 Wochen — nach dem 


Abblühen treten die ersten Anfänge der Taschenbildung auf und zwar plötzlich, von 
einem Tage zum anderen. Einzelne Früchtehen erscheinen bleicher gefärbt als die 
übrigen, zuerst kaum, sehr bald aber deutlich vergrössert und die ersten Anfänge der 
Krümmung zeigend. In den nächstfolgenden Tagen vermehrt sich die Zahl der ent- 
artenden Früchtchen, in späterer Zeit nicht mehr. Alle Taschen eines Baumes haben 


daher immer nahezu die gleiche Ausbildung. Hat die Entartung einer Frucht einmal 


22) Ich sehe hier ab von den durch Vermehrung der normalen Blüthentheile bedingten Anomalien, welche 
ich gerade an den beobachteten Schlehenbüschen sehr häufig fand, indem die Blüthen derselben sehr oft zwei 
und drei Fruchtknoten enthielten; eine Erscheinung, die ja für die Amygdaleen überhaupt längst bekannt ist, 
(S. z. B. Moquin-Tandon, Teratologie, übers. v. Schauer 327, 28.) 


begonnen. so wächst diese sehr rasch zu der oben beschriebenen Form und Grösse 
heran. Ich beobachtete Zwetschentaschen. welche in 2 Tagen aufs Doppelte ihrer 
ursprünglichen Länge gewachsen waren, und obgleich ich keine genauen Messungen 
an einzelnen Exemplaren durchgeführt habe. glaube ich nicht zu irren, wenn ich anzebe, 
dass die Taschen etwa S Tage nach dem ersten sichtbaren Anfange der Entartung ihre 
volle Grösse erreicht haben. Den Fruchtstiel fand ich fast immer von durchaus normaler 
Beschaffenheit. nur einzelne Male bei der Schlehe dicht unter der Tasche unbedeutend 
angeschwollen. 

Um die Structurveränderungen, welche die zu Taschen auswachsenden Früchtchen 
erleiden. zu beurtheiten, ist es nothwendig zuvor den Bau, welchen die normalen Früchte 
zur Zeit der Taschenbildung zeigen, kurz zu betrachten. Dieselben sind bei der Schlehe 
durchschnittlich gegen 4 Mm., bei der Zwetsche etwa 10 Mm. lang, dunkelgrün gefärbt. 
Die Fruchtwand besteht schon in diesem Entwickelungsstadium aus zwei scharf von 
einander abgesetzten Schichten: einer inneren, welche aus zahlreichen Lagen kleiner, 
zartwandiger, isodiamelrischer Zellen besteht und später zum Stein wird: und einer viel 
dickeren äusseren, die von sehr grosszelligem durchscheinendem Parenchym gebildet und 
von zahlreichen Gefässbündeln durchzogen wird vnd sich später zu dem fleischigen Epi- 
carp entwickelt. Die Oberfläche der Frucht wird von einer mit spärlichen grossen 
Spaltöffnungen versehenen Epidermis überzogen. die Innenfläche der Fruchtwand von 
einer ziemlich derbwandigen spaltöffnungsfreien Oberhaut. Die Fruchthöhle wird voll- 
kommen ausgefüllt von dem einen zum Samen reifenden Ovulum, neben dessen Anhef- 
tungsstelle das zweite, in der Regel abortirende in Form eines kleinen Knötchens sitzt. 
Von dem Ausnahmsfalle, in welchem sich beide Ovula ausbilden, brauche ich hier nicht 
zu reden, zumal da ich ihn bei Taschen nie gefunden habe. Die Structur des Eies 
kann wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Ich bemerke daher nur noch, dass ich 
in Folgendem das Ovulum, welches nach dem Verblühen sich zum Samen auszubilden 
beginnt. im Gegensatz zu dem aborlirenden das fruchtbare nennen werde. 

Bei den Taschen hat die Wand in vielen Fällen die Dieke normaler gleichaltriger 
Fruchtwände, nicht selten wird sie ein wenig dicker. oft auch dünner als diese. Die 
fruchtbaren Ovula wachsen dabei nicht viel mehr oder selbst weniger als in gesunden 
Früchten, bei der beträchtlichen Vergrösserung des Umfangs wird daher die Fruchthöhle 
stark erweitert und grösstentheils leer. d. h. von Luft erfüllt. Durchschnitte durch die 
Wand der Taschen zeigen eine von der normalen Fruchtwand wesentlich verschiedene 


Structur. Die scharfe Abgrenzung des Steins und des fleischigen Epicarps fehlt; die 


— 195 — 


innersten Parenchymlagen sind zwar denen gesunder gleichalter Früchtchen sehr ähnlich, 
gehen aber ganz allmählich in die grosszelligeren äusseren über. Die Zellen selbst, aus 
welchen die letzteren bestehen, sind zwar an Grösse ziemlich ungleich, der Mehrzahl 
nach aber bedeutend kleiner als die des normalen Epicarpiums, ihre Gestalt ist von der 
der letztgenannten nicht erheblich verschieden. Die Epidermis der Taschen besteht, so- 
weit meine Untersuchungen reichen, aus (in der Richtung der Oberfläche) kleineren und 
merklich zartwandigeren Zellen als die der gesunden Früchte. Aus allen diesen Daten 
geht hervor, dass das Wachsthum der Taschen durch eine lebhafte Zellvermehrung, 
nicht durch Ausdehnung der vorhandenen Zellen stattfindet. Ob in den Taschen die Zahl 
der Gefässbündel von der normalen abweicht, habe ich nicht genauer untersucht; in 
ihrem Bau habe ich keine Besonderheiten gefunden ausser den weiter unten zu er- 
wähnenden. 

Wie schon von Früheren beschrieben worden ist, entartet die Fruchtwand manch- 
mal nur theilweise und behält an einzelnen meist kleinen Stellen ihre normale Structur 
und Farbe. 

Das fruchtbare Ovulum fand ich einige Male auch in den jugendlichen Taschen klein 
und unregelmässig geschrumpft, so dass über seinen Bau kein genügender Aufschluss 
zu erhalten war. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist dasselbe dagegen den 
in gleichalten normalen Früchten enthaltenen an Grösse und Farbe gleich, oft selbst 
grösser, und von diesen nur der Form nach verschieden, insofern es der Gestalt der 
ganzen Tasche entsprechend in die Länge gestreckt, gekrümmt auf seiner Oberfläche 
mit vorspringenden Riefen und Runzeln versehen erscheint. Seine Structur ist von der 
normalen nicht wesentlich verschieden; insbesondere gilt dieses von dem Eikern, der 
in beiden Fällen das gleiche grosszellige durchsichtige Gewebe und in dessen Mitte den 
langgestreckten eylindrischen Keimsack zeigt. Letzterer enthielt bei allen Taschen, welche 
ich genauer darauf untersucht habe. in seinem Micropyleende eine durchaus normal 
entwickelte, ofi schon sehr grosse und vielzellige kugelige Embryoanlage. 

Untersucht man die Taschen so lange sie auf ihrer Oberfläche den feinen Reif 
oder Flaum noch nicht zeigen, so scheint es auf den ersten Bliek, als ob die eben 
beschriebenen Eigenthümlichkeiten die einzigen seien, durch welche sie sich von gesunden 
Früchten gleichen Alters unterscheiden. Man hat dabei aber das Wesentlichste übersehen. 
Denn schon in den allerjüngsten Exemplaren, bei welchen die beginnende Degeneration 
durch bleichere Färbung eben angezeigt wird, findet man in den Gefässbündeln, und 


zwar zwischen ihren zartwandigen Elementen, den Leitzellen (Sachs) oder den Elementen 


— 116 — 


des Weichbastes (Nägeli) das Mycelium des Exoascus Pruni Fuckel. Dieses besteht 
aus farblosen durchscheinenden Fäden, welche so dick oder dünner als die Leitzellen 
und durch zahlreiche Querwände in Glieder getheilt sind, deren Länge den Querdurch- 
messer zwei- bis vielmal übertrifft (Fig. 15). Die Fäden sind verzweigt, und ihre 
Ramificationen laufen meistens der Länge des Gefässbündels nach, selten quer durch 
dasselbe. Ihre Seitenwand ist sehr zart, nur durch eine einfache Umrisslinie angedeutet, 
die Querwände dagegen verhältnissmässig dick, doppelt contourirt, glänzend. Hierdurch 
erhält das Mycelium ein eigenthümliches characteristisches Ansehen. Kennt man es ein- 
mal, so findet man es leicht wieder, besonders da seine Auffindung durch sein Verhalten 
zu (mässig concentrirter) Kalilösung sehr erleichtert wird. Bringt man solche zu den 
Präparaten, so werden Weichbast und Parenchym bis zum Unkenntlichwerden ihrer 
Zellen durchsichtig; die Myceliumfäden bleiben dagegen ganz unverändert und liegen 
nun wie freipräparirt in der durchscheinenden Masse. Mit Hülfe der Kalilösung überzeugt 
man sich leicht, dass das Mycelium auch in den bezeichneten jüngsten Taschen meist in 
allen Gefässbündeln der Wand, am reichlichsten in den Bündeln der Bauchnaht enthalten 
ist, und dass es dieselben — wenigstens in den von mir untersuchten Fällen — ihrer 
ganzen Länge nach, von der Basis bis zur Spitze der Frucht durchsetzt, auch schon 
sehr frühe in die Rhaphe des fruchtbaren Ovulum eintritt. Von der Basis der jungen 
Tasche aus konnte ich das Mycelium immer durch die ganze Länge des Fruchtstiels, 
der, wie oben gesagt wurde, sonst ganz normal beschaffen ist, und mehrmals, jedoch 
nicht immer, einige Millimeter weit in den Bast des vorjährigen Zweiges verfolgen, 
welcher die Tasche trug. In dem Stiel und dem Tragzweige findet sich das Mycelium 
ausschliesslich und zu allen Zeiten nur in dem Weichbaste. In der Tasche selbst ist dies 
zuerst auch der Fall. Sobald dieselbe aber grösser geworden ist, treibt das Mycelium 
zahlreiche Zweige, welche aus dem Baste in das Parenchym der Fruchtwand treten, 
sich hier überaus reich verästeln und allenihalben zwischen die Zellen eindrängen. 
Bringt man Durchschnitte in Kalilösung, so tritt meist ein zierliches zwischen den Zellen 
verbreitetes Myceliumnetz hervor (Fig. 4, 5). Die Fäden desselben sind durehschnitt- 
lich dünner als ihre in den Gefässbündeln verlaufenden Hauptstämme, sonst diesen gleich 
gebaut. Die Ausbreitung des Myceliums in dem Parenchym beginnt an der Basis der 
Tasche und schreitet von hier aus rasch gegen die Spitze fort. Ist jene zu ihrer vollen 
Grösse herangewachsen, so ist meist das ganze Parenchym von dem Mycelium durch- 
wuchert, bis unmittelber unter die Epidermis. Zuletzt treiben die unter der Oberhaut 


laufenden Fäden, ziemlich gleichzeitig an der ganzen Tasche, zahlreiche Zweige, welche 


— 17 — 


zwischen die Zellen der Oberhaut, und zwar meist senkrecht gegen die Aussenfläche 
dringen, an letzterer rechtwinklig umbiegen und nun über die Aussenwände der Epi- 
dermiszellen hin wachsen, diesenf est angedrückt, und nur in einer Fläche ausgebreitet 
und verzweigt. Die Cutieula, von welcher die Epidermis überzogen ist, wird hierbei 
von den Zellwänden abgehoben, die Fäden drängen sich zwischen diese und die Cuti- 
eula ein und bleiben von letzterer bedeckt”) (Fig. 1, 4, 5). Die Fäden verzweigen 
sich nun sofort sehr reichlich und ihre Zweige laufen zunächst grösstentheils über die 
äusseren Kanten, seltener quer über die Aussenfläche der Epidermiszellen (Fig. 1). 
Daher stossen die Zweige benachbarter Fäden bald vielfach aneinander, ohne dass je 
einer quer über den andern hinauswächst, und wenn man die Epidermis von aussen 
betrachtet, so erscheint dieselbe überall von einem Netze von Pilzfäden übersponnen, 
dessen Maschen die von den äusseren Kanten der Epidermiszellen gebildeten an vielen 
Stellen decken (Fig. 1). Mit der weiteren Entwickelung werden die quer über 
die Aussenwände laufenden Myceliumzweige zahlreicher, die Maschen des Pilznetzes 
daher immer enger und unregelmässiger (Fig. 2). 

Die Fäden des beschriebenen Netzes sind anfänglich den zwischen den Parenchym- 
zellen verlaufenden vollkommen gleich, schmal, aus Gliedern zusammengesetzt, welche 
zwei- bis vielmal so lang als breit sind (Fig. 1). Mit der Vermehrung der Zweige 
treten in ihren Gliedern allenthajben immer zahlreichere Querwände auf, bis die Fäden 
zuletzt nur aus Zellen bestehen, welche ein- bis zweimal so lang als breit sind (Fig. 2). 
Nun hört die Verzweigung der Fäden auf; alle Glieder derselben dehnen sich gleich- 
zeitig nach allen Seiten hin aus bis sie mit sämmtlichen rings um sie liegenden zu- 
sammenstossen, sie erhalten dabei rundlich-eylindrische Form, ihre Berührungsflächen 
werden mehr oder minder abgeplattet (Fig. 3). Die Oberfläche der Tasche ist somit 
schliesslich von einer fast ununterbrochenen, zwischen Epidermis und Cutlicula einge- 
schobenen Schichte rundlicher Zellen, welche bedeutend kleiner sind als die Epidermis- 
zellen selbst, überzogen. Nur die Spaltöffnungen werden sorgfältig frei gelassen, die 
Pilzfäden wachsen nie über den Rand der Schliesszellen hinaus, rings um jede der meist 


weit offenen Spalten bleibt in dem Pilzüberzug eine Lücke (Fig. 2, 3). 


23) Exoascus Pruni ist keineswegs der einzige Schmarotzerpilz, welcher sich zwischen Epidermis und Cuti- 
eula eindrängt, um hier seine Fructificalionsorgane auszubilden. Die Spermogonien mancher Uredineen (z. B, 
Puceinia Anemones, Caeoma minialum), aber auch die dieken Fruchtlager von Rhylisma Andromedae u. a. m. 
bilden sich gleichfalls zwischen Oberhaut und Cuticula aus. 
Abhandl d. Senekenb,. naturf. Ges. Bd. V, 23 


- 18 — 


Die rundzellige Schicht ist die Anlage des Hymenium des Exoascus. Alle ihre 
Zellen strecken sich rasch senkrecht zur Fruchtoberfläche, so dass sie die Gestalt von 
Cylindern erhalten, welche etwa doppelt so lang als breit sind, und werden dabei von 
farblosem feinkörnigem Protoplasma vollständig erfüllt (Fig. 6, 7). Ihre äusseren kaum 
gewölbten Endflächen bleiben zunächst von der Cuticula überzogen. Endlich streckt sich 
jede der ceylindrischen Zellen zu einem Schlauche, der drei- bis viermal so lang als 
die Zelle vorher war, aus cylindrischer Basis nach oben keulenförmig verbreitert 
und am oberen Ende plötzlich breit abgerundet oder fast abgestutzt ist (Fig. 6, 7). 
Mit dem Beginn dieser Streckung wird die Cuticula über dem Scheitel des Schlauches 
durchbrochen (Fig. 6a). Das Protoplasma rückt während der Streckung in die obere 
Partie des Schlauches; das untere Ende dieses erscheint bald wasserhell und wird schon vor 
beendigtem Längenwachsthum des Ganzen von dem oberen Theile durch eine Quer wand 
abgegrenzt, welche dicht unter der Durchbrechungsstelle der Cutieula liegt. Hiermit 
wird aus jeder Zelle der Hymeniumanlage ein zweizelliger Körper, bestehend aus einem 
keulenförmigen protoplasmareichen Schlauche, dem sporenbildenden Schlauche oder 
Ascus, und einer diesen tragenden kurzen wasserhellen Stielzelle (Fig. 7, 8). 

Letztere verändert sich nicht weiter; sie bleibt an ihrer Ursprungsstelle sitzen und 
mit dem Ascus in fester Verbindung. Die Aseci sind, wenn sie ihr Längenwachsthum 
vollendet haben, mit einer farblosen dünnen, einfachen Membran versehen, selten von 
Protoplasma völlig erfüllt, meistens ist dieses nur in dem oberen Ende oder in de, 
Mitte des Ascus zu einer dichten Querzone von etwa der halben Höhe des Schlauches 
angesammelt, während letzterer im übrigen nur wässerige Flüssigkeit und einen dünnen 
feinkörnigen Wandüberzug, Primordialschlauch, enthält. Feine Protoplasmafäden sieht 
man nicht selten von der dichteren Masse aus gegen oder über den Primordialschlauch 
verlaufen (Fig. 7, 8a, b). Zellkerne konnte ich in den Aseis zu keiner Zeit finden. 
In einem jeden Schlauche entstehen nun S (sehr selten fand ich 7 oder 9) Sporen in 
der Weise, welche für andere Ascomyceten, zumal Discomyceten bekannt ist”). Die- 
selben erscheinen gleichzeitig, zuerst als 8 zartumschriebene rundliche Körper innerhalb 
der zu ihrer Anlegung nur theilweise verbrauchten Protoplasmamasse (Fig. 7. 8e). 
Diese wird gleich den Sporen durch Jod immer gelb bis gelbbraun, nie rolhbraun gefärbt. 
Sie verschwindet alsbald in gleichem Maasse wie die Sporen weiler ausgebildet, d. h. 


wenig erösser aber schärfer und dunkler contourirt werden. Bald ist innerhalb der 


21) Vergl. meine Arbeit über die Fruchtentwickelung der Ascomyceten, Leipz. 1863. 


— 19 — 


Ascusmembran nur noch der Primordialschlauch, die Sporen selbst und ganz spärliche 
Protoplasmareste um diese übrig. die Hauptmasse ihres Inhalts wird von wässeriger 
Flüssigkeit gebildet (Fig. 8d, f, 9); zuletzt werden die Sporen aus der geöffneten 
Spitze des Schlauches hervorgeschleudert. 

Bevor ich jedoch zur Beschreibung der reifen Sporen übergehe, ist es nothwendig, 
das Verhalten der Pflanzentheile und Pflanzen vollständig zu betrachten, welche von 
dem Pilze, auf dessen Entwickelungsgeschichte die Untersuchung geführt hat, bewohnt 
werden. Ich kehre daher zunächst zu den Taschen zurück. 

Das Hervorbrechen der Asci aus der Cuticula wird dem blossen Auge dadurch 
angezeigt, dass auf der bisher gelbgrünen glänzenden Oberfläche der Tasche der mehr- 
erwähnte mattweisse Anflug oder Reif erscheint. Derselbe pflegt ziemlich gleichzeitig 
auf der ganzen Oberfläche aufzutreten. Es entwickeln sich jedoch auf dieser nicht alle 
Asei zu gleicher Zeit, sondern zunächst immer einzelne auf der ganzen Tasche zwischen 
anderen noch minder entwickelten zerstreute; letztere folgen dann später nach, und es 
dauert mehrere Tage bis alle Schläuche des Hymenium ihre Sporen gebildet und entleert 
haben. Je mehr das Hymenium reift, desto mehr geht seine weisse Farbe in ein blasses 
schmutziges Ockergelb über, woraus zu schliessen ist, dass letzteres die Farbe der 
Sporen darstellt. Mit der völligen Reife des Hymeniums wird die Tasche welk. schlaff 
und alsbald von verschiedenerlei Schimmelpilzen oceupirt, unter deren Einfluss sie sich 
rasch zersetzt und gewöhnlich vertrocknet. In ihrem Gewebe finden von dem Zeit- 
punkt, wo sie ihre Ausdehnung vollendet hat, keine nennenswerthen Aenderungen 
mehr statt. 

Auf der Innenseite der Fruchtwand fand ich bei den Schlehen- und Zweischen- 
taschen das Hymenium des Exoascus niemals, wohl aber immer auf der Oberfläche des 
fruchtbaren Eies. Zur Zeit, wo das Hymenium auf der Aussenseite der Tasche ent- 
wickelt ist, findet man das Mycelium in dem Integument des Ovulum verbreitet, und auf 
dessen Oberfläche zwischen Epithelium und Cuticula seine Fructificationsorgane in der 
beschriebenen Weise entwickelnd. Letztere bedecken entweder die ganze Oberfläche 
des Eies gleichmässig oder kommen nur an einzelnen Stellen derselben gruppen- oder 
büschelweise zur Ausbildung. Mit der Reife der Sporen schrumpft das Ovulum zusammen, 
oft schon bevor das Gleiche an der Wand der Tasche eintritt. 

Was die Menge der Taschen. welche auf einem Baume oder Strauche entstehen, 
betrifft, so ist dieselbe sehr verschieden. In den von mir beobachteten Fällen war ihre 


Zahl im Verhältniss zu den nicht entartenden, normal reifenden Früchten immer gering. 


23% 


= 180 — 


Ihre Vertheilung an den Zweigen und Aesten ist durchaus regellos, sehr oft stehen 
Taschen und gesunde Früchte an einem und demselben Aestchen dicht neben einander. 
An Prunus Padus sind die Erscheinungen bei der Taschenbildung in einigen, aller- 
dings nicht den wesentlichsten Punkten von den beschriebenen verschieden. Soweit ich es 
bestimmen ‚konnte immer, jedenfalls in sehr vielen Fällen ist hier die Entartung des 
Fruchtknotens schon vor dem Aufblühen zu bemerken. Wenn die Blüthe sich zu öffnen 
beginnt, erscheint er als ein schmal länglicher Körper, mit hornförmig gebogenen Griffel 
versehen und bleicher gefärbt als im gesunden Zustand. Während des Blühens und 
unmittelbar nachher streckt er sich rasch bis zu der drei- und vierfachen Länge normaler 
gleichaltriger Fruchtknoten. Die Kelchröhre behält hierbei manchmal ihre normale 
Beschaffenheit, sie ist dünn, krautartig, aussen lebhaft grün, kurz-glockenförmig und am 
Schlunde 3% bis 4 Mm. weit. In der Mehrzahl der Fälle nimmt sie aber an der Ent- 
artung Theil, gewöhnlich ganz, zuweilen nur auf einer Seite. Sie schwillt zu einem 
fleischigen bleichen Körper an von der Gestalt einer flachen Schale oder krümmt ihre 
Ränder zurück, so dass die Innenseite convex wird, wobei sie meistens vom Rande 
aus radiale Risse erhält. Ihr Breitedurchmesser steigt bis auf 12 Mm. Besonders ihre 
auch im normalen Zustand wollig behaarte Innenfläche schwillt dabei wulstig an. Wo 
die Kelchröhre degenerirt fand ich immer auch die ihr aufsitzenden Staubfäden stark 
angeschwollen, entweder nur an ihrer Basis oder bis dicht unter die Antheren. Die übrigen 
Blüthentheile nehmen, soweit meine Beobachtungen reichen, an der Entartung keinen 
Theil. Die 5 Zähne eines angeschwollenen Kelches bleiben dünnhäutig und vertrocknen 
bald nach dem Aufblühen. Die Petala fand ich manchmal beim Aufblühen grünlich 
gefärbt, sonst frisch, oft vertrocknen sie schon vor oder während dem Aufblühen und 
nehmen braune Farbe an, nicht selten zeigen sie aber auch in sehr stark degenerirten 
Blumen schneeweisse Farbe und ein in jeder Beziehung normales Verhalten. Die von 
den angeschwollenen Staubfäden getragenen Antheren sind anfänglich immer von nor- 
malem Bau und enthalten anscheinend gesunden Pollen, werden aber sehr bald braun 
und vertrocknen. Das Blüthenstielchen, welches den entarteten Kelch trägt, bleibt 
entweder den normalen gleich, oft ist es aber auch, dem Kelche und Fruchtknoten ähn- 
lich, fleischig angeschwollen und bleich oder durch Erythrophyli röthlich gefärbt. Die 
gemeinsame Achse des ganzen traubigen Blüthenstandes endlich zeigt oft durchaus nor- 
male Beschaffenheit, auch wenn die Blüthenstielchen geschwollen sind; nicht selten 
erstreckt sich aber die Entartung auch auf sie, sie ist ihrer ganzen Länge nach oder 


nur in ihrem oberen Theile gleich den Blüthenstielchen angeschwollen und bleich, 


— 1831 — 


oft sechs-- bis siebenmal dicker als im normalen Zustande, und dabei meistens stark 
verkrümmt. 

Die Anschwellung der genannten Theile rührt, wie bei den Zwetschen- und 
Schlehentaschen, zunächst von einer abnormen Vermehrung des Parenchyms her, und bei 
genauerer Untersuchung findet man in ihnen das Mycelium das Exoascus. Dieses verhält 
und verbreitet sich hier gerade so, wie es oben für die Taschen von Prunus spinosa 
und domestica beschrieben wurde und bildet in der nämlichen Weise wie dort sein 
Hymenium auf der Oberfläche der geschwollenen Theile. An den Kelchen und Staub- 
fäden ist das Hymenium viel früher reif als auf den Früchten, so dass jene Theile 
abgewelkt und vertrocknet sind, wenn der Pilz auf letzteren die Höhe seiner Ent- 
wickelung erreicht. In der entarteten Frucht selbst findet nur insofern eine wesentliche 
Verschiedenheit von Pr. domestica und spinosa statt, als sich bei Pr. Padus nicht nur 
auf der Aussenfläche, sondern auch auf der ganzen Innenfläche der Wand das Exoascus- 
Hymenium entwickelt. Die Oberfläche des fruchtbaren Eies ist von dem letzteren ebenso 
wie bei den zwei anderen Arten überzogen, das Integument vom Mycelium durch- 
wuchert, welches auch auf der Innenseite dieses Organs ein Hymenium erzeugt. In 
dem hyalinen Gewebe des Eikerns fand ich das Mycelium bei Pr. Padus ebensowenig 
wie bei Pr. spinosa und domeslica, aber auf der Oberfläche des Kerns verbreiten sich 
oft Myceliumfäden von der Chalaza aus und entwickeln sich wie oben beschrieben 
wurde, nur dass sie sich spärlicher verzweigen und daher keinen dichten Ueberzug 
bilden. Ihre einzelnen Glieder nehmen zuletzt blasige Form an und einzelne derselben 
bilden Asci, welche jedoch oft unfruchtbar bleiben (Fig. 14). Einen Embryo habe ich 
in den befallenen Ovulis von Pr. Padus nicht gefunden, jedoch auch nicht viel danach 
gesucht. Ziemlich oft fand ich dagegen kein Ovulum, welches den Namen des frucht- 
baren mit Recht hätte führen können, vielmehr beide Eier als kleine, gleichgrosse 
geschrumpfte Knöpfehen der Fruchtwand ansitzend. Es scheint hiernach, als ob in den 
Taschen von Prunus Padus jedenfalls häufig beide Eier unbefruchtet blieben, was bei dem 
frühzeitigen Anfang der Taschenbildung von vornherein wahrscheinlich und durch den- 
selben hinreichend erklärt is. Was die Verbreitung des Myceliums in den nicht ange- 
schwollenen Organen der Ahlkirsche betrifft, so habe ich dasselbe in dem Weichbaste 
normaler taschentragender Blüthenstielchen immer bis zu ihrer Basis verfolgen können, 
niemals aber in die Hauptachse der Traube, soweit diese nicht selbst angeschwollen war, 
und ebensowenig in die Rinde der vorjährigen Zweige, welche die degenerirten Trauben 


trugen. Hinsichtlich der Vertheilung und Häufigkeit der degenerirten Theile in einer 


— 132 0 — 


Traube, an einem Zweig und dem ganzen Baum kommen fast alle erdenkbaren Fälle 
vor. Ich will mit ihrer Aufzählung den Leser nicht ermüden und nur bemerken, dass 
meistens, aber keineswegs immer in dem Gipfel der Traube mehr und stärker entartete 
Theile vorkommen als an der Basis; und dass mir nur solche Fälle nicht vorgekommen 
sind, in welchen die Hauptachse unten entartet und oben gesund, oder alle Blüthen einer 
Traube entartet, oder endlich der Kelch einer Blüthe degenerirt, die Frucht aber gesund 
gewesen wäre. Nur zwei von den genauer untersuchten Fällen mögen hier als Bei- 
spiele angeführt werden. 


1. Traube mit 29 Blüthen. Hauptachse der ganzen Länge nach angeschwollen, 
unten zweimal, oben fast siebenmal so dick wie im normalen Zustand, hornförmig 
gekrümmt. Blüthe 1 — 8: sammt ihren Stielchen ganz normal. Blüthe 9: Stielchen an 
der Basis stark angeschwollen, Kelch, Petala, Stamina ganz normal, Pistill degenerirt. 
Blüthe 10— 12: Stiel, Kelch, Staubfäden und Fruchtknoten degenerirt, Petala normal, 
schneeweiss. Blüthe 13— 29: Alle ebenso wie 10 — 12, aber Petala braun, ver- 


trocknet, ebenso der gestreckte hornförmige Fruchtknoten. 


2. Traube mit 24 Blüthen. Hauptachse unten normal, oben degenerirt. Blüthe 
1, 3, 4, 7 bis 15, 17, 18, 20 ganz gesund und normal; in Blüthe 2, 5, 6, 16, 19, 
21 bis 24 Kelch und Fruchtknoten degenerirt””). 


Auch an solchen Trauben, wo die Mehrzahl der Blüthen entartet ist, können die 
gesund gebliebenen normale Früchte entwickeln, sobald die Hauptachse nicht degenerirt 


ist; an entarteten Hauptachsen habe ich keine gesunden Früchte beobachtet. 


Die Blüthentheile und ihre Träger, von welchen bisher allein die Rede war, sind 
keineswegs immer die einzigen Organe, welche von dem Exoascus bewohnt werden. 
Bei der Zwetsche habe ich denselben bis jetzt allerdings nur auf den Früchten gefunden. 
Bei Pr. spinosa und Padus beobachtet man ihn aber zur Zeit, wo die Taschen sich 
bilden, nicht selten auf jungen diesjährigen Laubtrieben. welche in sehr verschie- 
dener Menge und ganz regellos zwischen gesunde Laub- und Blüthensprosse eines 
Stockes vertheilt sind. Die Achse solcher Triebe ist bis auf das Dreifache der nor- 
malen Dicke angeschwollen und an Färbung den Taschen oder entarteten Blüthenstielen 


durchaus ähnlich. Die Entartung erstreckt sich entweder nur auf den oberen Theil oder 


25) Es bedarf wohl keiner ausdrücklichen Erwähnung, dass die Worte degenerirt, entartet u. s. w. sich 
hier immer nur auf die eine bestimmte, mit der Entwickelung des Exoascus verbundene Entartung beziehen. 


— 183 — 


über die ganze Achse; diese ist zumal in dem letzteren Fall oft beträchtlich kürzer als 
an normalen Trieben, häufig auch den degenerirten Blüthenstengeln ähnlich gekrümmt. 
Von der Achse aus setzt sich die Anschwellung und bleiche Färbung auf die Blattstiele, 
oft auch auf den Blattwittelnerven und selbst die Basis der Secundärnerven fort. Die 
degenerirten Stiele sind meist stark gekrümmt, die Lamina, welche sie tragen, entweder 
ganz normal oder, wenn Medianus und Secundärnerven mit ergriffen sind, oft verküm- 
mert, verschiedentlich missgestaltet und frühzeitig braun und vertrocknet. In den 
degenerirten Achsen, Blattstielen und Rippen findet man wie in den Blüthenstielen das 
hypertrophische Gewebe durchzogen von Exoascusmycelium, welches zuletzt auf der 
Oberfläche der Theile sein Hymenium ausbildet. In dem Blattdiachym fand ich den 
Pilz nicht und ebensowenig konnte ich ihn bis in die Rinde der vorjährigen Zweige, 
von welchen die degenerirten Sprosse entspringen, verfolgen. 

Hiermit schliessen meine Beobachtungen über das Vorkommen und die Entwickelung 
des Exoascus in den Organen der Pflaumenbäume ab. Es erübrigt noch, das Verhalten 
der reifen Asci und Sporen näher zu betrachten. Mit der Reife der Sporen ist, wie 
schon oben angegeben wurde, das Protoplasma, welches sie zuerst umgab, bis auf einen 
geringen, die Sporen mit einander verklebenden Rest verschwunden; diese rücken in 
das obere Ende des Ascus und sind hier zu einer unregelmässigen Gruppe zusammen- 
gedrängt. Die Membran des Ascus bleibt von einem sehr dünnen Primordialschlauch 
bekleidet, innerhalb desselben befindet sich farblose wässerige Flüssigkeit (Fig. dd, f, 9). 
Die Menge der letzteren vermehrt sich fortwährend, was an der zunehmenden Turgescenz 
der Asci deutlich zu erkennen ist. Es muss hierdurch ein Druck auf die Innenseite der 
Schlauchwand ausgeübt und diese immer mehr ausgedehnt und gespannt werden, so 
lange sie dem Druck Widerstand zu leisten vermag. Zuletzt hört diese Widerstands- 
fähigkeit auf, in dem Scheitel des Ascus erhält die Membran einen weiten unregel- 
mässigen Riss, in demselben Augenblick schnurrt die Seitenwand vermöge ihrer Elastici- 
tät zusammen und hierdurch wird der wässerige Inhalt sammt den Sporen aus dem 
geöffneten Scheitel mit Gewalt hervorgespritzt. Diese Vorgänge stimmen in allen 
wesentlichen Punkten mit den bei der Sporenentleerung vieler anderer Ascomyceten, 
zumal Discomyceten stattfindenden und den oben für Protomyces macrosporus beschrie- 
benen überein. Da ich dieselben ausführlicher an einem anderen Orte zu besprechen 
beabsichtige, so beschränke ich mich hier auf die obigen Andeutungen. Nach dem 
Gesagten ist es selbstverständlich, dass die Ausspritzung der Sporen beschleunigt werden 


muss durch plötzlich gesteigerte Wasseraufnahme, woraus sich die sofortige Entleerung 


— 184 — 


reifer Asci, welche in Wasser gelegt werden. erklärt. Und ferner muss eine Beschleu- 
nigung der Ejaculation dann eintreten, wenn der Druck, unter welchem die Ascuswand 
steht, von aussen her gesteigert wird, daher sich die reifen Asei eines Hymenium um 
so bälder entleeren, je mehr andere sich zwischen sie eindrängen, je mehr also die 
Ausbildung des Hymeniums vorwärts schreitet. 

In den auf der Entwickelungshöhe stehenden Hymenien ejaculiren fortwährend ein- 
zelne Asei ihre Sporen. Legt man eine frische Tasche, welche vom Hymenium über- 
zogen ist z. B. auf eine Glasplatte, so findet man in ihrem Umkreis schon vor Ablauf 
einer Stunde zahlreiche Gruppen von je 8 Sporen, jede ursprünglich in einem kleinen 
Tröpfehen wässeriger Flüssigkeit liegend, zuweilen auch noch von körnigen Protoplasma- 
resten umgeben (Fig. 9a). Im Laufe eines Tages vermehrt sich die Zahl der ejacu- 
lirten Sporen derart, dass rings um die Tasche ein weisslicher, fein staubiger Hof 
entsteht, der eine Breite von etwas über 1 Cm. zu erreichen pflegt; die Sporen werden 
also 1 Cm. weit weggeschleudert. 

Die einzelnen Sporen (Fig. 8 d, f, g. 9) sind rundlich oder breit oval. die 
meisten etwa 4, Mm. lang und “%;, Mm. breit, manche etwas grösser oder kleiner 
(40. Mm., %,, Mm. u. s. w.). manchmal ist die Grösse der in einem Ascus enthaltenen 
ziemlich ungleich. Sie sind mit einer einfachen farblosen zarten Membran versehen, 
welche fast homogenes, nur wenig körniges Protoplasma umschliesst; in der Mitte 
des letzteren befindet sich oft ein heller, zart umschriebener rundlicher Raum, der 
wohl als Vacuole zu bezeichnen sein wird. Wenn die aus dem Ascus entleerten 
Sporen in Wasser oder in einer nicht zu concentrirten Zuckerlösung liegen, so 
beginnen sie sehr bald, oft schon 30 bis 50 Minuten nach der Entleerung, in einer 
eigenthümlichen Weise zu keimen. Sie verhalten sich nämlich genau wie die Zellen 
der Bierhefe in einer zu ihrer Vermehrung geeigneten Flüssigkeit thun (Fig. 10. 11, 
12). An irgend einem Punkte sprosst eine kleine Ausstülpung hervor, welche an 
ihrer Ursprungszelle sehr schmal bleibt, im übrigen fast zu der Grösse ihrer Mutter- 
zelle heranwächst, die gleiche Structur wie diese und entweder längliche oder breit 
elliptische bis rundliche Form annimmt. Schon bevor sie ihre volle Grösse erreicht 
hat, gliedert sie sich durch eine Querwand von der Mutterzelle ab, indem sie dabei 
mit dieser locker verbunden bleibt oder sich ganz loslöst. Dieselbe Sprossung wieder- 
holt sich später an anderen Punkten der Spore, und tritt wie bei dieser auch an 
ihren Sprossen mehrere Generationen hindurch ein. Sorgt man dafür, dass die Spross- 


zellen nicht von einander getrennt werden, indem man die Aussaaten vor Erschütterungen 


— 1855 ° — 


schützt, so erhält man, genau wie bei der Cultur von Hefenzellen, aus jeder Spore 
nach einiger Zeit ein Büschel von reich verästelten kurzen rosenkranzförmigen Zell- 
reihen, welche leicht erkennen lassen, wie sie aus Sprossungen verschiedener Genera- 
tion bestehen. Fünf Stunden nach der Entleerung fand ich schon die dritte Spross- 
generation in Entwickelung begriffen, 24 Stunden nachher Büschel, an welchen 5 bis 
7 Generationen, jede in zahlreichen Individuen, deutlich gezählt werden konnten 
(Fig. 10— 13). Zwischen den Zellen verschiedener Generationen fand ich insofern 
einen Unterschied, als nur die der ersten die gleiche Grösse wie die Sporen erreichen 
die übrigen aber um so kleiner sind, je späterer Generation sie angehören; und zwar 
ist, soviel ich beobachtet habe, dieser Grössenunterschied ein constanter und dauernder. 
In der Structur fand ich keine Verschiedenheit zwischen den Zellen verschiedener 
Generationen. Auch die primäre Zelle einer Sprossfamilie, d. h. die Spore behält, so 
lange die Sprossungen dauern, immer ihren ursprünglichen Bau mit der einzigen Modi- 
fication, dass oft, doch nicht immer, die in dem Protoplasma vorhandene Vacuole 
grösser wird und schärfer hervortritt als zu Anfang; ohne dass jedoch letzteres je 
ganz verschwindet. Bei den in reines Wasser gemachten Aussaaten fand ich die 
Sprosszellen immer schmal elliptisch, oft fast cylindrisch, also in ihrer Gestalt von 
den Sporen verschieden (Fig. 10, 11). Bei Aussaaten in Zuckerlösung werden sie 
breiter, den Sporen ähnlich, bei einer Aussaat in eine etwa 10procentige mit wässe- 
rigem Decoct von Bierhefe versetzte Zuckerlösung hatten alle breit ovale bis kugel- 
runde Form (Fig. 12, 13). 

Bei der Leichtigkeit, mit welcher die beschriebenen Sprossungen entstehen, ist 
es von vornherein wahrscheinlich. dass dieselben auch an denjenigen Sporen ein- 
treten, welche bei der Ejaculation auf die Oberfläche der Taschen zurückfallen, denn 
diese erhalten hier die zu der Entwickelung nothwendige geringe Menge Flüssigkeit 
theils durch die Entleerung der Asci selbst, theils durch die atmosphärischen Nieder- 
schläge. In der That findet man auch die Oberfläche reiferer Taschen, zumal wo 
dieselbe die gelbliche Färbung zeigt, mit unzähligen der beschriebenen Sprosszellen 
dicht bedeckt, und diese häufig noch im Zusammenhange mit einander. Auch in 
der Höhlung reifer Taschen sind die hefeähnlichen Bildungen immer in Unmasse vor- 
handen, sowohl bei Prunus Padus, wo die ganze Innenfläche der Wand, als auch 
bei den zwei anderen Arten, wo nur das fruchtbare Ei von dem Exoascus-Hymenium 
überzogen ist. 


Bei einer Vergleichung der hefenartigen Gebilde mit gewöhnlicher, in lebhafter 
Abhandl. d. Senekenb, naturf. Ges. Bd. V 24 


— 186 — 


Sprossung befindlicher Bierhefe treten nur geringe Verschiedenheiten hervor, besonders 
wenn man von jenen die breitzelligen Formen, welche sich in Zuckerlösung bilden, 
im Auge behält. Die einzigen Unterschiede bestehen einestheils in der bei den spä- 
teren Generationen der Exoascussprossungen stetig abnehmenden Grösse, anderntheils 
darin, dass die Zellen der letzteren immer zärter contourirt und mit minder stark 
lichtbrechendem Protoplasma versehen sind. daher blasser aussehen als bei der Bier- 
hefe. Auch zeigen dieselben, was ich bei letzteren nie fand, bei längerer Cultur in 
der Flüssigkeit sehr oft im Innern eine kleine rundliche excentrische Protoplasmamasse, 
von welcher viele fadenförmige, netzartig anastomosirende Streifchen nach allen Seiten 
hin ausstrahlen. Immerhin ist aber die Aehnlichkeit mit der Bierhefe gross genug, 
um beide Bildungen leicht miteinander verwechseln zu lassen. wenn sie untereinander 
gemengt sind. Es kann daher gefragt werden. ob die beobachteten Sprossungen 
wirklich von den Sporen des Exoascus ausgehen und nicht von ächten Hefezellen, 
welche diesen zufällig beigemengt sind; oder ob etwa die Sprosse der Exoascussporen 
mit den Zellen der Bierhefe identisch sind. 

Die erste dieser Fragen ist leicht zu entscheiden. Bringt man einen dünnen 
Durchschnitt eines reifen Hymeniums in einen Wassertropfen auf den Objectträger, 
so kann man an demselben die Entleerung der Asei leicht sehen und solche Sporen, 
deren Austritt man direct beobachtet hatte, im Auge behalten. Beobachtet man letztere 
einige Stunden lang anhaltend, so überzeugt man sich auf das Bestimmteste, dass die 
beschriebenen Sprossungen von ihnen ausgehen. (Vergl. die Erklärung von Fig. 10, 11.) 
Nicht selten findet man selbst im Innern unversehrter Asei Sporen. an welchen die 
Sprossungen schon begonnen haben. 

Die zweite Frage kann in Ermangelung sicherer morphologischer Anhaltspunkte 
dadurch beantwortet werden, dass man untersucht, ob die Sprosszellen und Sporen 
des Exoascus gleich der Hefe Alkoholgährung zu erregen vermögen. Ich habe zu 
diesem Zwecke eine Reihe von Versuchen angestellt, indem ich die genannten Theile 
des Exoascus in Zuckerlösungen brachte, deren Gährungsfähigkeit durch Vor- und 
Parallelversuche constatirt wurde, und welchen die zur Entwickelung der Ferment- 
pilze nöthigen Stoffe in verschiedener Form und Menge zugesetzt waren. Sämmtliche 
Versuche ergaben übereinstimmend und unzweifelhaft das Resultat, dass die Ent- 
wickelungsproducte der Exoascussporen nicht im Stande sind in einer gährungs- 
fähigen Zuckerlösung die Alkoholgährung zu erregen. Es dürfte daher auch über- 


(flüssig sein, die einzelnen Versuche hier zu beschreiben. Cultivirt man die sprossenden 


— 17 — 


Sporen in Zuckerlösungen oder in reinem Wasser, so hört die Vermehrung der 
Sprossungen nach wenigen Tagen auf. die einzelnen Zellen sterben früher oder 
später ab, ihr Inhalt schrumpft und zieht sich von der Membran zurück. In den 
Zuckerlösungen treten dabei in der Regel. Vibrionen in Menge auf, zuweilen auch 
Schimmelpilze, deren Keime mit den Exoascussporen natürlicher Weise leicht in die 
Flüssigkeit gelangen können. Weitere Entwickelungserscheinungen an den Exoascus- 
sporen zu beobachten ist mir bis jetzt nicht gelungen. Frisch auf die feucht gehal- 
tene Oberfläche junger Zweige, Blätter, Früchte und Knospen von Pr. domestica und 
Padus gebracht. zeigten sie mir nur die beschriebenen Veränderungen; ob und wie 
sie in die genannten Organe eindringen können, war ich nicht im Stande zu entscheiden. 
Mehrere Monate lang trocken oder in reinem Wasser aufbewahrte Sporen und Spross- 
zellen fand ich immer entwickelungsunfähig. augenscheinlich abgestorben. Es bleibt 
daher in der Entwickelungsgeschichte des Exoascus eine Lücke, welche durch fernere 
Beobachtungen auszufüllen sein wird. — 

Um die Aetiologie der Taschenbildung ganz unzweifelhaft festzustellen, ist es 
allerdings nothwendig, dass die Entwickelungsgeschichte des Exoascus zum vollstän- 
digen Abschluss gebracht werde. Doch geht, wie mir scheint, schon aus den bis 
jetzt bekannten Thatsachen mit nahezu vollständiger Gewissheit hervor, dass die Vege- 
tation des von Fuckel entdeckten Pilzes die alleinige nächste Ursache der Entartungen 
der Pflaumenbäume ist, von welchen hier geredet wird. Beachtet man die oben 
ausführlich dargestellte Vertheilung der von Exoascus bewohnten degenerirten Organe 
auf den Bäumen, sowie den Umstand, dass letztere selbst im übrigen ganz gesund 
sind (was wenigstens in den von mir untersuchten Fällen unzweifelhaft war). so 
sieht man ein, dass die Entartungen nur eine local wirkende Ursache haben können, 
d. h. eine solche, die auf die degenerirenden Theile allein einwirkt und andere, 
diesen gleichnamige, gleichalterige und nächstbenachbarte unberührt lässt. Die atmo- 
sphärischen Agentien, wie Wärme, Nässe u. s. w.. können daher unmöglich die bestim- 
menden Ursachen sein, denn es ist nicht einzusehen, wie sie auf gleiche Organe, 
welche ihnen in gleicher Weise ausgesetzt sind, durchaus verschiedene Wirkungen 
auszuüben vermögen. Dass Verletzungen durch Insekten nicht in Betracht kommen 
können, zeigt jede halbwegs aufmerksame Beobachtung; dass Befruchtungsstörungen 
keine ursächliche Bedeutung haben können. geht einerseits aus dem Vorhandensein 
vollkommen befruchteter, einen normal entwickelten Embryo enthaltender Eier in den 


Schlehen- und Zwetschentaschen, andererseits aus dem Vorkommen der Entartung 


24* 


—-— 18 — 


an Laubsprossen unzweifelhaft hervor. Fallen aber alle diese von den älteren 
Autoren angenommenen Ursachen weg, so bleibt den mitgetheilten Beobachtungen 
zufolge, der Exoascus wie mir scheint allein übrig. Die Wahrnehmungen, dass der 
Pilz beständig und ausnahmslos in den degenerirten Organen, und zwar nur in diesen 
und ihrer unmittelbaren Nähe vorhanden ist, dass die engsten Beziehungen zwischen 
seiner Entwickelung und dem Fortschreiten der Entartung bestehen, und dass sein 
Mycelium in den Bastbündeln der entartenden Organe offenbar schon vor Beginn 
der Degeneration weit verbreitet ist, deuten schon an und für sich ziemlich 
bestimmt darauf hin, dass die Entartung eine Wirkung der Pilzvegetation ist; und 
diese Ansicht erhält dadurch eine feste Stütze, dass die in dem vorliegenden Falle 
beobachteten Erscheinungen in allen Punkten, auf welche es hier ankommt, mit ander- 
weitig beobachteten übereinstimmen, bei welchen es bestimmt und lückenlos nachgewiesen 
ist, dass die Entwickelung eines parasitischen Pilzes die alleinige unmittelbare Ursache 
von Entartung und Krankheit seiner Nährpflanze darstellt. Ich will hier nur an das 
eine Beispiel des Cystopus candidus und der Anschwellungen, Verkrümmungen und 
taschenförmigen Erweiterungen, welche er an Blüthenstielen und Früchten der Cruciferen 
verursacht, erinnern.’‘) Dass der Exoascus von aussen her durch seine eindringenden 
Keime in die Pflanzentheile gelange, wird bei unseren dermaligen Kenntnissen von den 
Schmarotzerpilzen nicht zu bezweifeln sein. Wie, wo und wann dies geschieht, müssen 
fernere Beobachtungen entscheiden, für welche, wie ich glaube, schon in dem oben 
Mitgetheilten einige Andeutungen enthalten sind. Es versteht sich von selbst, dass mit 
dem bisher gesagten ein Einfluss der Witterung auf die Taschenbildung nicht geleugnet 
werden soll, da ja die Entwickelung des Exoascus so gut wie die jeder anderen Pflanze 
in gewissem Grade von dem Wetter abhängig sein muss. Fälle von excessiv häufiger 
und excessiv seltener Taschenbildung mögen auch in Witterungsanomalien ihre Veran- 
lassung haben können. Allein man würde sich sehr täuschen, wenn man, den älteren 
Autoren folgend, solche Anomalien für nothwendige Gelegenheitsursachen der Exoascus- 
und Taschenentwickelung halten wollte. In den beiden letzten Jahren z. B. waren die Zwet- 
schenbäume, welche ich genau beobachtet habe, von ihrer Blüthezeit an bis zum Er- 
scheinen der Taschen sehr verschiedener Witterung ausgesetzt; nichts destoweniger 


trugen die nämlichen Bäume in beiden Jahren Taschen in gleicher Häufigkeit, soweit 


26) Vgl. de Bary, Recherches sur le developpement de quelques Champignons parasites. Ann, des Sc. nat. 
4° Ser. Tom. XX. 


— 189 — 


sich das abschätzen lässt. Es mag erlaubt sein, die Witterungsverschiedenheiten in dem 
erwähnten Zeitraum beider Jahre wenigstens den Hauptpunkten nach anzugeben. 

1863 begann die Blüthe der beobachteten Bäume um den 15. April, die ersten 
Taschen erschienen am 12. Mai. Während dieser Zeit herrschte beständige, ziemlich 
warme, man kann sagen normale Frühlingswitterung; meist unterbrochen bewölkter 
Himmel; wenig Regen fiel am 17., 21., 23., 25., 27., 28., 30. April, am 2., 3., 4., 
5. u. 10. Mai, starker und dauernder Regen am 15. April. Die niederste Temperatur 
war + 4° C. (am 20. April, Maximum desselben Tages + 17° C.), am 29. April 
war das Tagesminimum + 5° C. (Maximum desselben Tages + 15°). Vom 1. Mai 
an sank das Tagesminimum nie unter + 8° C. Das niederste Tagesmaximum (im 
Schatten) betrug während der ganzen Zeit + 13° C. (25. und 30. April). 

1862 ist durch mehrfache Anomalien ausgezeichnet. Die Blüthe der Zwetschen 
beginnt um den 25. März, die ersten Taschen erscheinen an den beobachteten Bäumen 
am 3. u. 4. Mai. Temperatur vom 25. März bis 11. April für die Jahreszeit warm: 
niederste Tagesminima + 4° €. (25. März) + 3° (2. April). Niederstes Tagesmaxi- 
mum (immer im Schatten) + 13° €. (31. März) höchstes + 22° C. (26. März, 9. 
April). Himmel meist unterbrochen bewölkt, Regen am 27. März den ganzen Tag, 
am 28. Vormittags, am 31. Nachmittags. Am 12. April plötzliches Sinken der Tem- 
peratur: Tagesminimum + 5°, Maximum + 11°. Am 15. Minim. + 2°, Maximum + 8°, 
Nebel, Schnee. Am 14.—16. April Nachtfröste und Reif (Minimum der Tage: — 
3° — 1°, 0°, Maximum + 8°, + 10°, + 12°). Vom 17. April an steigt die Tem- 
peratur wieder auf den Stand vor dem 12., vom 20. April bis 6. Mai sinkt das Tages- 
minimum nie unter + 8° C., Tiederstes Tagesmaximum während dieser Zeit + 17°, 
höchstes + 27° C. Nur am 22., 23.. 26. April wenig Regen. 

Achtet man auf die Taschen, so findet man dieselben, soweit meine Erfahrungen 
reichen, in der Regel alljährlich an denselben Bäumen. Wenigstens erinnere ich mich 
bestimmt, dass sie mir in den letzten 5 Jahren alljährlich aufgefallen sind an einigen 
Exemplaren von Prunus Padus, bei denen ich täglich vorübergehe; aus den letzten 2 
Jahren habe ich genaue Notizen darüber. Ebenso bestimmt weiss ich allerdings auch, 
dass ich vor dem Jahre 1862 an den Zwetschenbäumen in der Nähe meiner Wohnung 
keine Taschen bemerkt habe, dass ich sie aber fast an allen diesen Bäumen in Menge 
fand. sobald ich 1862 und 1863 danach suchte; und ganz ähnlich ist es mir mit den 
Schlehen ergangen. 


Nach diesen Erfahrungen ist es wohl erlaubt anzunehmen, dass die Ansichten, 


— 1% — 


nach welchen Witterungsanomalien die Taschenbildung veranlassen sollen, einfach darin 
ihren Grund haben, dass die Autoren in einzelnen Jahren Taschen beobachteten, in 
welchen ihnen zufällig auch jene Anomalien aufgefallen waren; dass sie aber zwischen 
beiden Erscheinungen einen Causalzusammenhang blos deshalb annahmen, weil sie mein- 
ten die Taschenbildung komme in anderen Jahren nicht vor, eine Meinung welche ihren 
Grund nur in der Nichtbeachtung genannter Erscheinung hat. 

Betrachtet man den Exoascus vom Gesichtspunkte der beschreibenden Mycetologie 
aus. so ist zunächst zu bemerken. dass bis jetzt kein irgend erheblicher Unterschied 
gefunden werden konnte zwischen den auf Prunus domestica, spinosa und Padus vor- 
kommenden Formen ; höchstens fand ich auf letzteren Species zuweilen die Asci etwas 
kleiner als auf den beiden anderen, doch ist diese Eigenthümlichkeit keineswegs eine 
beständige. Die genannten Formen sind daher unter einer und der nämlichen Art, 
Exoaseus Pruni Fuckel, zu vereinigen. Dass die Gattung Exoascus eine wohlbegrün- 
dete und von allen bekannten Pilzgenera verschiedene ist, bedarf wohl keiner ausführ- 
lichen Beweisführung ; in wieweit die von Fuckel gegebene kurze Characteristik der- 
selben „Sporidia in asco libero, asci in hypha brevissima“ abzuändern und zu verbes- 
sern ist, ergibt sich aus den mitgetheilten Beobachtungen von selbst. Was die Stellung 
der Gattung im Systeme anlangt, so dürfte der ihr von Fuckel gegebene Platz unter 
den Haplomyceten Fr. und neben den Mucorinen schwerlich der richtige sein. Mir 
scheint es nicht zweifelhaft, dass sie auf Grund der Entwickelung ihres Hymeniunıs, 
ihrer Asci und Sporen zu den ächten Discomyceten mit stets freiem Hymenium gehört, 
also an die Seite von Helvella, Spathulea, u. s. w. und dass sie sich zu den letzge- 
nannten Gattungen ganz ähnlich verhält, wie unter den verwandten Pyrenomyceten 
etwa Sphaeria iyphina zu den mit grossem fleischigem Fruchtträger versehenen Cor- 
dycepsformen. Die Gattung Exoascus scheint eine sehr grosse geographische Ver- 
breitung zu haben. Aus den oben mitgetheilten Nachrichten geht zunächst hervor, dass 
die durch Exoascus Pruni erzeugten Taschen der Pflaumenbäume in dem mittleren und 
südlichen Europa eine sehr häufige Erscheinung sind. und die meisten Leser werden 
dieses durch ihre eigenen Erfahrungen bestätigen können. J. Robb (Il. c.) hat offen- 
bar die nämliche Erscheinung an Pflaumenbäumen zu Fredericton in Neu-Braunschweig 
beobachtet. Und Wallich hat im Himalaya einen wie es scheint mit Cerasus Padus 
verwandten Baum gefunden, welcher neben seinen normalen, eiförmig-runden Früchten 
monströse, hülsenähnliche so häufig trägt, dass er nach den letzteren Cerasus cornuta 


genannt worden ist. Treviranus. welcher dieAbbildung von €. cornuta bei Royle 


gesehen hat und ein Anonymus im Gardener’s Chronicle (s. Bot. Ztg. 1853, 816) tragen 
kein Bedenken, jene hülsenähnlichen Früchte für Taschen zu halten. 

Ich selbst konnte weder Abbildungen noch Exemplare von C. cornuta vergleichen. 
Auf meine Bitte in dem ‚Kgl. Herbarium zu Berlin Cerasus cornuta aufzusuchen, ant- 
wortete mir A. Braun: „Meine Nachsuchungen nach Cerasus cornuta waren vergeb- 
lich. Unser Herbarium ist zwar sehr reich an Exemplaren verschiedener Cerasus-Arten 
aus Sikkim und Nepal, Wallich’schen Originalexemplaren und solchen von Hooker 
und Thomson. unter denen auch mehrere Varietäten von Prunus Padus vorkommen, 
aber Cerasus cornuta fehlt. was darauf hinzudeuten scheint, dass es eine monströse 
Form ist, die wahrscheinlich nur einmal von Wallich gesammelt worden ist.“ Nach 
den mitgetheilten Daten dürfte es aber kaum zweifelhaft sein, dass die im Himalaya 
wie im nördlichen Amerika beobachteten Missbildungen von einem Exoascus herrühren; 
ob von dem europäischen Ex. Pruni oder einer andern verwandten Art müsste noch 


untersucht werden. 


Ill. Zur Morphologie der Phalloideen. 


Tafel XXIX. 


Die beiden in Mitteleuropa verbreiteten Phalloideen, Phallus impudicusL. und Ph. 
caninus Huds. oder Cynophallus der neueren Autoren gehören ihrer wunderbaren Form 
und ihres eigenthümlichen Auftretens wegen gewiss zu den bekanntesten Schwämmen, 
und insonderheit dürfte Ph. impudicus zu denjenigen zu zählen sein, welche am häu- 
figsten beschrieben und abgebildet worden sind, von der Schrift des Hadrianus lunius”) 
an bis auf unsere Tage. Die vorhandenen Kenntnisse über ihre Structur und besonders 
ihre Entwickelung sind dagegen vielfach lückenhaft,. wenngleich Einzelne, zumal für 
seine Zeit Micheli und neuerdings vor Allen Corda (Icon. fung. Tom. V, Vl), dessen 
Arbeiten über Phalloideen meines Erachtens zu den besten, welche dieser fleissige For- 
scher geliefert hat, gehören. gute Aufschlüsse darüber gegeben haben. Es scheint mir daher 


nicht überflüssig, wenn ich in Folgendem die Resultate einiger entwickelungsgeschicht- 


27) Phalli, ex fungorum genere in Hollandiae sabutelis passim crescenlis descriplio el ad vivum expressa 
pietura, Hadriano Iuniv Medico auectore. Res nova et prioribus saeculis incognita. Delphis (Delft) 1564. Vgl. 
darüber Bot. Zeitung, 1864, Nr. 16. 


— 12 — 


licher Untersuchungen, welche theils an Ph. impudicus, besonders aber an Ph. caninus 
angestellt worden sind, mittheile, zumal da dieselben wie ich glaube zum Verständniss 
der ganzen Phalloideengruppe im Sinne von Fries Systema Mycologicum d.h. sowohl 
der Phalloideen als auch der Lysuroideen und Clathraceen Corda’s beitragen dürften. 
Von der Litteratur, welche die Phalloideen behandelt, hat v. Schlechtendal vor kurzem 
in dem 31. Bande der Linnäa (1861—62) das Meiste ausführlich zusammengestellt. Ich 
glaube daher den Umfang dieses Aufsatzes nicht durch eine abermalige Aufzählung der- 
selben nutzlos vermehren zu sollen, sondern verweise den Leser auf genannten Band 
der Linnäa und auf Hoffmann’s Index fungorum. 

Die Mycelium von Phallus caninus findet sich in Wäldern, theils in humus- 
reicher Erde, theils in faulem Holze. Ich fand es in weissfaulen Stämmen von Car- 
pinus Betulus, Abies pectinata DC., Andere fanden den Pilz auf faulen Strünken von 
Corylus, er scheint daher unter den Holzarten welche er bewohnt keine strenge Wahl 
zu trelfen. Das Mycelium perennirt; ich beobachte es seit 4 Jahren in einem und dem- 
selben Weisstannenstumpfe, wo es alljährlich zahlreiche Fruchtkörper erzeugt. Es stellt 
wurzelähnliche cylindrische Stränge dar, welche über fusslang werden und in zahlreiche 
oft netzartig anastomosirende Zweige getheilt sind, von denen die stärkeren über 1 Mm. 
dick, die feineren haardünn sind. Letztere spalten sich an ihren Enden oft in zahl- 
reiche mikroskopisch-feine Fasern oder Fäden, welche sich in dem Holze und dem 
Boden ausbreiten oder, in letzterem, Holz- und Rindenstückchen, Früchte u. s. w. um- 
spinnen. Die Stränge bestehen aus sehr zahlreichen dünnen septirten Pilzhyphen, welche 
sämmtlich der Länge des Stranges nach verlaufen, und in der Mitte des Stranges ziem- 
lich gerade und fest aneinander gedrängt, ohne luftführende Interstitien, in den ober- 
flächlichsten Lagen unregelmässig geschlängelt, locker verflochten und vielfach durch 
lufthaltige Interstitien von einander getrennt sind. Auf dem Querschnitte ist der Strang 
für das blosse Auge grösstentheils gelblich, etwas durchscheinend, aussen von einer 
nur dünnen weissen Schicht wie von einer Rinde überzogen. Der gelbliche Theil ent- 
spricht dem luftfreien, der weisse dem lufthaltigen Gewebe. Letzteres verdankt seine 
Farbe wohl zum Theil dem Luftgehalt, hauptsächlich aber einer reichlichen Ablagerung 
von oxalsauerem Kalk. Dieser findet sich vorzugsweise zwischen den Hyphen und auf 
der Aussenseite der oberflächlichsten, in Form von unregelmässigen eckigen kleinen 
Krystaldrusen, welche den Hyphen anhaften und dieselben oft dicht incrustiren. Selten 
kommen zwischen den Drusen regelmässige Octaeder vor. Ferner sind an den ober- 


fächlichen Fäden oft einzelne Zellen in ihrer Mitte zu kugeligen bis %, Mm. grossen 


— 193 — 


Blasen angeschwollen, deren jede von einer aus oxalsaurem Kalke bestehenden Kugel 
zum grössten Theile ausgefüllt wird. Die Kugeln sind solide oder mit einer engen 
centralen Höhlung versehen und von strahlig-faseriger Textur (Fig. 14). Als oxal- 
sauren Kalk bezeichne ich die genannten Krystalle und krystallinischen Kugeln auf 
Grund folgender Reactionen. Sie sind unlöslich in Essigsäure, lösen sich ohne Gas- 
entwickelung in Salzsäure und Schwefelsäure, in letzterer unter gleichzeitigem An- 
schiessen von Gypsnadelchen. Durch Glühen werden sie ohne ihre Form zu verändern 
gebräunt, nach dem Glühen lösen sie sich leicht und unter lebhafter Gasentwickelung 
in Essigsäure und den genannten Mineralsäuren. Es mag hier kurz bemerkt werden, 
dass der oxalsaure Kalk in den Geweben und auch auf der Oberfläche von Pilzen in 
sehr grosser Verbreitung und Häufigkeit vorkömmt und dass speciell viele Mycelien 
ihm ihre weisse Farbe verdanken. Die Formen, in welchen er auftritt, sind je nach 
den einzelnen Fällen sehr verschieden, fast immer findet er sich zwischen den Fäden, 
aus welchen der Pilz besteht oder auf der Aussenfläche; für sein Vorkommen im In- 
neren von Zellen ist das oben beschriebene Beispiel das einzige mir bis jetzt mit 
Sicherheit bekannte. Alle Krystalle, welche man bis jetzt auf Pilzen gefunden hat, und 
es sind solche für eine nicht geringe Zahl von Fällen gelegentlich beschrieben worden, 
gehören zu diesen Ablagerungen von oxalsaurem Kalk. über welche ich anderwärts 
ausführlicher reden werde”). Hier mag nur noch darauf hingewiesen werden, wie 
unbegründet es ist, wenn Nylander (Synops. Lichenum, p. 4) die Ablagerungen von 
oxalsaurem Kalke den Pilzen abspricht und als eine Eigenthümlichkeit des Flechten- 
gewebes bezeichnet. 

Die bis jetzt fast allein bekannten Organe des Phallus caninus, aus welchen zuletzt 
die Sporenmasse von einem spindelförmigen Stiele getragen hervorbricht, will ich die 
Fruchtkörper nennen. Ihre jüngsten Anfänge sitzen immer auf den dünnen haar- 
bis borstendicken Myceliumästen, und zwar meistens terminal, seltener seitenständig. 
Aeltere Fruchtkörper werden dagegen immer von dickeren Strängen getragen; es scheint 
daher, dass diese während der Ausbildung ersterer in die Dicke wachsen (Fig. 1). 

Die Fruchtkörper selbst treten zuerst als kleine ovale, etwa 1—1'% Mm. lange 
Körperchen auf, gleichsam Anschwellungen der Myceliumzweige, mit glatter schnee- 


weisser Oberfläche und durchaus von einem gleichförmigen, dichten weissen Geflechte 


2#) Von den Incrustationen der Myxomyceten ist hier nicht die Rede. Sie bestehen, wie ich anderwärts 


(Zeitschr. für wissensch. Zovlog. X.) gezeigt habe, aus kohlensauerem Kalke. 
Abhandl d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 25 


— 194 — 


feiner Hyphen, welche sich unmittelbar in die des Myceliums fortsetzen, gebildet (Fig. 1.2). 
Die Hyphen sind sehr zart, ihre Dicke mag etwa 7%, Mm. — %,, Mm. betragen . ist 
jedoch nicht leicht ganz genau zu bestimmen: sie sind reich verzweigt, die Interstitien 
ihres dichten Geflechts lufthaltig; ich will dieses Gewebe in Folgendem als das pri- 
mitive bezeichnen. Etwas grössere, etwa 2 Mm. lange Exemplare zeigen einen in so- 
ferne veränderten inneren Bau, als in ihrer oberen (d.h. dem Insertionspunktan 
dem Mycelium abgekehrten) Hälfte, eine kurze Strecke innerhalb der Aussenfläche 
eine schmale glockenförmige (auf dem radialen Längsschnitt hufeisenförmige) Schichte 
verläuft. welche gallertartig, durchscheinend, in reflectirtem Lichte betrachtet wässerig 
grau ist. Alle übrigen Theile haben das ursprüngliche Ansehen. Der Körper besteht 
somit in seiner oberen Hälfte aus einer axilen, kuppelförmigen Mittelsäule, welche 
durch die Gallertschicht von der weissen Aussenwand getrennt ist. Mittelsäule 
und Aussenwand setzen sich in das weisse Gewebe der unteren Hälfte continuirlich 
fort (Fig. 3). Bei etwa erbsengrossen Exemplaren hat die Gallertschicht an Dicke 
beträchtlich zugenommen und sich in der Richtung der Oberfläche derart vergrössert, 
dass ihr unterer Rand bis nahe an den Insertionspunkt reicht. Die Mittelsäule hat 
hierdurch die Gestalt eines oben abgerundeten Cylinders, ihre Basis liegt unmittelbar 
über dem Insertionspunkt und geht direct in die Aussenwand über (Fig. 4b). In 
wenig (5—6 Mm.) grösseren Exemplaren findet man den oberen Theil der Mittel- 
säule etwas angeschwollen; in dem weissen Gewebe desselben nahe unter der Ober- 
fläche, liegt eine in refleetirtem Licht graue Schicht von der Gestalt eines dünnen 
oben und unten abgeschnittenen und offenen Hohlkegels, dessen Längsachse mit der 
der Mittelsäule zusammenfällt. Auf dem radialen Längsschnitt erscheint diese Schicht 
in Form zweier schmaler nach oben convergirender Streifen. Ferner wird die ganze 
Mittelsäule in ihrer Längsachse von einem gleichfalls grau aussehenden linienförmigen 
(im Querschnitt kreisrunden) Streifen durchzogen, welcher in geringer Entfernung 
von der Basis und Spitze der Mittelsäule endigt, in seinem oberen Theil also von der 
hohlkegeligen Schicht umringt wird (Fig. 5 5). 

Hiermit sind alle Theile, aus welchen der reife Fruchtkörper zu bestehen hat, 
angelegt. Nach der für die Gasteromyceten eingeführten Terminologie ist die hohl- 
kegelförmige Schicht die Anlage des sporenbildenden Gewebes oder der Gleba. Die 
Hüllen, von welchen sie umgeben wird, sind als Peridie zu bezeichnen und diese 
besteht aus der Aussenwand, der Gallertschicht und der Innenwand. Mit 


letzterem Namen will ich den dünnen weissen Ueberzug der Gleba allein bezeichnen ; 


— 19 — 


der streng genommen dazu gehörige unterhalb der Gleba gelegene Theil der Mittel- 
säule möge der besseren Unterscheidung halber das Basalstück heissen. Der graue 
axile Streif ist die Anlage des den Phalloideen eigenen, im vorliegenden Falle spin- 
delförmig-stielartigen Trägers der Gleba oder des Stiels. Den oberen Theil des 
letzteren, soweit er von der Gleba umringt wird. will ich als Stielspitze unterschei- 
den. Zwischen dieser Spitze und der Gleba liegt. wie aus obiger Beschreibung her- 
vorgeht. eine weisse Gewebeschicht,. welche die Form eines vom Stiel durchbohrten 
Kegels hat und sich an ihrem oberen und unteren Ende continuirlich in die Innenwand 
und das Basalstück fortsetzt. Ich will sie in Folgendem den Kegel nennen. Was 
die feinere Structur dieser Theile betrifft, so besteht die Aussenwand der Peridie aus 
einem mehrschichtigen hautartigen Geflecht langgliedriger verzweigter Hyphen ver- 
schiedener Dieke. Die engen Interstitien des Geflechts enthalten Luft; oxalsauren 
Kalk fand ich nur auf der Oberfläche und bei verschiedenen Exemplaren in sehr ver- 
schiedener Menge. Die Gallertschicht besteht aus langgliedrigen, dünnen septirten 
Fäden mit zarter Membran und homogenen Protoplasmainhalt „ welche reich ver- 
zweigt. und locker mit einander verflochten, vielfach auch netzförmig verbunden sind. 
Die sehr weiten Lücken zwischen denselben werden ausgefüllt von einer siructurlosen 
wasserhellen homogenen Gallerte, welche in Wasser aufquillt und in Alkohol erhärtet.””) 
Dieses Gewebe. welches Gallertgewebe oder Gallertfilz genannt werden mag, 
gleicht im Wesentlichen demjenigen. aus welchem die meisten gelatinösen Pilzkörper 
bestehen. es ist für die Phalloideen schon von Corda. Rossmann und Anderen be- 
schrieben worden. Wo es an die Aussen- und Innenwand der Peridie und das Basal- 
stück grenzt. da gehen seine Fäden unmittelbar in die der genannten Organe über. 
Die weisse Substanz aus welcher Innenwand. Basalstück und Kegel bestehen, wird 
von einem lufthaltigen dichten Geflechte primitiver Fäden gebildet; auch die Stielan- 
lage hat diesen Bau, nur ist ihr Gewebe luftfrei und daher durchscheinend. Nach 
Entfernung der Luft aus dem Basalstück und Kegel konnte ich keinen Unterschied 


und keine scharfe Grenze mehr zwischen diesen Theilen und der Stielanlage finden. 


29) Diese Beschreibung soll einfach das Aussehen des in Rede stehenden Gewebes anschaulich machen. 
Es würde zu weit führen, wollte ich hier die Frage discutiren, ob die anscheinend intercellulare Gallerte als 
eine eigentliche sogenannte Intercellularsubstanz oder als ein Theil der Zellmembranen selbst zu betrachten ist, 
Ich halte die letztere Ansicht für die richtige, und zwar für alle gallertigen Gewebe, von welchen in diesem 
Aufsatze die Rede ist. Die Gründe hierfür werden an einem anderen Orte milgetheilt werden. 


25* 


— 196 — 


Die graue Farbe der Glebaanlage rührt gleichfalls von einem wenigstens Iheilweisen 
Verschwinden des Luftgehalts her. Sie besteht auch in den jüngsten Zuständen, welche 
ich untersuchen konnte, aus zahlreichen schmalen. unregelmässig gewundenen und 
netzförmig anastomosirenden Platten, welche enge Lücken zwischen sich lassen. Das 
Gewebe der Platten ist von dem primitiven kaum verschieden. und geht ohne Unter- 
brechung in das der angrenzenden Theile (Kegel etc.) über; es ist luftfrei. die Lücken 
dagegen von Luft erfüllt (vgl. Fig. 15). 

Aus dem Mitgetheilten folgt, dass die bisher beschriebenen Entwickelungsprozesse 
theils in einem Wachsthum des primitiven Gewebes durch Bildung und Einschiebung 
neuer Gewebselemente beruht. theils in einer Differenzirung des anfangs durchaus 
gleichförmigen Gewebes in lufthaltige und luftfreie oder durch besondere Structur 
ausgezeichnete Regionen. 

Man kann die Veränderungen, welche der Fruchtkörper bis zur ersten Anlage 
der Gleba und des Stiels durchmacht, füglich als sein erstes Entwickelungsstadium 
zusammenfassen. Die folgenden Entwickelungsvorgänge sondern sich ziemlich scharf 
in drei weitere Stadien, und zwar wird das zweite durch die Ausbildung der Gleba, 
das dritte durch die Ausbildung des Stieles. das vierte endlich durch die Streckung 
des Stieles und die Durchreissung der Peridie bezeichnet. 

In dem zweiten Stadium (Fig. 6—8) schwillt der obere Theil der Mittelsäule zu 
einem kugeligen, auf dem Scheitel leicht eingedrückten Kopfe an, der allmählich mehr 
als die doppelte Breite des Basalstücks erhält. Seine Vergrösserung beruht fast aus- 
schliesslich auf einem nach allen Seiten, nur nicht nach dem Kegel gerichteten Wachs- 
thum der Gleba; die anfangs linienförmigen Streifen. welche diese auf dem radialen 
Längsschnitt darstellt, erhalten halbmondförmige und zuletzt fast halbkreisförmige Gestalt 
und nehmen dabei wenigstens um das sechsfache an Höhe zu. Die gröbere Struetur 
der Gleba bleibt dabei die ursprüngliche, nur dass die Platten und ihre Anastomosen sich 
fort und fort in dem Maasse vermehren, dass die lufterfüllten Lücken zwischen ihnen 
an Weite kaum zunehmen (Fig. 15). Sowohl diese gröbere Structur als auch der fei- 
nere Bau der Gleba stimmt im Wesentlichen überein mit der für alle grösseren Gastero- 


myceten bekannten.”) Die Platten bestehen aus einem mehrschichtigen lufifreien durch- 


30) Vgl. Berkeley, Ann. Sc. nat. 2 Ser. tom. XI, p. 160. Tulasne, ibid. Tom. XVII, p. 7, XVII p. 
132, etc, und besonders Tulasne, fungi hypogaei. Die Gleba von Phallus und Clathrus speciell ist von Berkeley 


l- c., von Tulasne, Fung. hyp. Tab. XXI. Fig, X. auch von Lespiault, Ann. Se. nat, 3° Ser. Tom. IV (1815) 
dargestellt. 


— 11 0 — 


scheinenden Geflechte zarter farbloser Fäden, welche der Oberfläche der Platte parallel 
laufen und die Trama derselben bilden. Die Fäden der Trama gehen continuirlich in 
die der Peridie und des Kegels über, sie sind Zweige derselben. An den Kegel setzen 
sich die Tramaplatten theils einzeln an, als schmale, mit blossem Auge nicht deutlich 
unterscheidbare Körper, theils zu diekeren Leisten vereinigt, welche dem blossen Auge 
als Zacken und Vorsprünge des Kegels erscheinen (Fig. 8, 15). Von der ganzen Ober- 
fläche der Trama entspringen unzählige, senkrecht oder schräg gegen die Lücken ge- 
richtete und reich verästelte Hyphenzweige. Die büschelig geordneten, einzelligen, 
eylindvisch keulenförmigen Endästchen dieser letzteren (Fig. 16) sind die Basidien; sie 
sind zu einem die Wand jeder Lücke auskleidenden Hymenium dicht zusammengedrängt. 
Die Gleba behält ihre ursprüngliche graue Farbe bis sie ihre volle Grösse erreicht hat; 
eine blass braune Färbung. welche nun eintritt, zeigt den Beginn der Sporenbildung an. 
Diese lässt keine besonderen, von der anderer basidiosporer Pilze abweichenden Eigen- 
thümlichkeiten erkennen. Nur ist zu bemerken, dass die kleinen länglichen eylindrischen 
Ausstülpungen auf dem Scheitel der Basidie, welche die erste Anlage der Sporen bilden, 
sich dicht an der Basidie abgliedern, also ganz zu ungestielten Sporen werden 
(Fig. 16). Berkeley’s Zeichnung (Ann. Se. nat. |. c., reprodueirt in Bail, Syst. d. Pilze 
Tab. 26) ist in sofern unrichtig, als sie die Sporen auf langen Stielen sitzend darstellt. 
Die Zahl der auf einem Basidium sitzenden Sporen schwankte in den von mir unter- 
suchten Fällen zwischen 4 und 9, meistens fand ich mehr als 4, am häufigsten 8. Mit 
der Bildung der Sporen verschwindet der Protoplasmainhalt der Basidie, die zarte, nur 
mehr wässerige Flüssigkeit umschliessende Membran dieser collabirt und wird bald voll- 
kommen unkenntlich. Die Sporenbildung beginnt, soviel ich erkennen konnte in allen 
Regionen der Gleba gleichzeitig. zunächst auf einzelnen zerstreuten Basidien, und ist 
sehr schnell in der ganzen Gleba vollendet. In dem Maasse wie sich die Zahl der 
Sporen vermehrt, geht die braune Farbe jener in Grün über. Die reife Gleba ist dunkel 
schwarzgrün; ihre Structur ist gegen die ursprüngliche in sofern verändert, als die 
Membranen aller ihrer Gewebselemente (die Sporen ausgenommen) zu einer homogenen, 
durchsichtigen, in Wasser zerfliessenden, in Alkohol erhärtenden Gallerte zusammenge- 
schmolzen sind. Anfangs kann man auf behutsam gemachten frischen Durchschnitten die 
Tramaplatten noch leicht als durchscheinende Gallertstreifen zwischen den jetzt von 
Sporen erfüllten Lücken wahrnehmen, später erhält man beim Durchschneiden frischer 
Exemplare nur mehr eine homogene von zahllosen Sporen durchsäte Schmiere. An in 


Alkohol erhärteten Exemplaren kann man jedoch auch noch am Ende des dritten Ent- 


— 198 — 


wickelungsstadiums die Structur der Gleba erkennen. Man sieht die von Protoplasma- 
klumpen erfüllten Lumina der Tramafäden in einer anscheinend homogenen glashellen 
Gallerte verlaufen. — Von den reifen Sporen wird unten die Rede sein. 

Mit der Gleba nehmen die Theile, welche sie unmittelbar tragen und umgeben. in 
verschiedenem Verhältniss an Grösse zu. Die innere Peridienwand dehnt sich in der 
Richtung der Oberfläche derart dass sie fortwährend eine enganschliessende, ringsum 
geschlossene, hautartige Hülle um die Gleba bildet und behält dabei die Dicke, welche 
sie am Anfang des zweiten Entwickelungsstadiums hatte. Der Kegel streckt sich in 
gleichem Maasse wie die Gleba in die Länge, in die Dicke aber in viel geringerem 
Grade. Er erhält daher eine spitz-conische Gestalt. Aehnlich verhält sich das ceylin- 
drische Basalstück; es streckt sich derart, dass es etwa die Höhe der Gleba beibehält, 
während sein Dickenwachsthum nur etwa den dritten Theil des letzteren beträgt; daher 
denn die Gleba als ein grosser runder Kopf einem dünnen cylindrischen Träger aufsitzt. 
Die Verbindung der genannten Theile und ihrer einzelnen Gewebselemente bleibt wäh- 
rend des Wachsthums die nämliche wie zu Anfang. Die Hyphen, aus welchen sie be- 
stehen nehmen an Dieke und die lufthaltigen Interstitien ihres Geflechts an Weite stetig 
zu, das Wachsthum beruht also jedenfalls zum Theil auf Ausdehnung der primitiven 
Gewebselemente, ob ausschliesslich lasse ich dahingestelll. Was endlich die Stielanlage 
betrifft, so wächst diese mit den Theilen, welche sie umgeben, gleichmässig in die Länge, 
nur wenig in die Dicke. Sie behält die Gestalt eines schmalen eylindrischen Körpers, 
und ihre Structur scheint die ursprüngliche zu bleiben. Mit Bestimmtheit möchte ich 
jedoch nicht darüber absprechen, ob nicht der erste Beginn ihrer späteren Veränderungen 
schon in das zweite Entwickelungsstadium fällt. 

Sobald die Gleba grün geworden ist, schwillt die Stielanlage gewaltig und auf 
Kosten ihrer nächsten Umgebung an, und hiermit beginnt das dritte Entwickelungsstadium 
(Fig. 9—11). Das Wachsthum des Stiels geht zunächst vorzugsweise, wenn auch nicht 
ausschliesslich in die Dieke, es beginnt an der Spitze und schreitet von hier aus nach 
unten fort. Der Stiel hat daher zuerst keulenförmige Gestalt (Fig. 9), welche jedoch 
rasch in die einer Spindel mit stumpfen Enden übergeht (Fig. 10). Hat er die Spindel- 
form angenommen, so beträgt seine Dicke etwa , von der welche das Basalstück zu 
Ende des zweiten Stadiums hatte, seine Höhe etwa , von der der ganzen Mittelsäule zu 
önde des genannten Stadiums. Der Stiel wächst nun, unter Beibehaltung seiner bis- 
herigen Lage. auf etwa die doppelte Länge. welche ihm bei Vollendung der Spindelform 


zukam, heran und nimmt gleichzeitig um ohngefähr %, an Dicke zu. Ganz genau lässt 


— 19 — 


sich das Maass des Wachsthums nicht angeben, weil dieses nicht an einem und dem- 
selben Exemplare verfolgt werden kann. In der Form des Stieles findet hierbei nur 
in sofern eine kleine Veränderung statt, als sich seine Spitze etwas mehr verschmälert 
wie das untere Ende. Mit dem Beginn des lebhaften Wachsthums tritt eine auffallende 
Structurveränderung des Stieles ein. In seiner Längsachse tritt ein cylindrisch spindel- 
förmiger, von dem peripherischen Theile (den ich die Wand des Stieles nennen will) 
sich scharf abhebender Strang auf, welcher bis dicht an beide Enden reicht und aus 
einem ähnlichen, nur zartfädigeren durchscheinenden Gallertgewebe besteht wie die 
Gallertschicht der Peridie. Gleichzeitig nimmt die Wand des Stieles eine erst röthlich- 
gelbe, bald schön fleischrothe Farbe an, und mit dem ersten Erscheinen dieser Färbung 
besteht sie aus zweierlei scharf von einander gesonderten Gewebeformen. Die eine 
derselben ist mit dem alten Namen Merenchym zu benennen, in sofern dieser, mit 
alleiniger Rücksicht auf die Gestalt der Zellen, ein aus rundlichen oder ovalen Zellen 
gleichförmig zusammengeselztes Gewebe bezeichnet. In der (von der Gleba umringten) 
Spitze des Stiels bildet das Merenchym einen oben geschlossenen stumpfen Hohlkegel, 
dessen Aussenfläche mit vielen seichten meist querlaufenden Furchen und Grübchen ver- 
sehen, daher runzelig ist, während die Innenfläche von engen, sehr tiefen und durch 
anastomosirende schmale stumpfe Leisten von einander getrennte Gruben und Furchen 
überall durchzogen wird. Zwischen Aussen- und Innenfläche bleibt eine nur ziemlich 
dünne homogene und nicht durchfurchte Merenchymlage. Nur auf dem Scheitel ist die 
Wand aussen und innen glatt (s. Fig. 10, 11, 13). In dem ganzen unteren (d. h. unter- 
halb der Gleba stehenden) Theile des Stieles bildet das Merenchym dünne, meist 4 bis 
6, hie und da mehr Zellenlagen starke Platten, welche zu einer einfachen Schicht rings- 
um geschlossener Kammern miteinander verbunden sind. An der Grenze zwischen 
Spitze und unterem Theile des Stiels geht das Merenchym des einen ganz allmählich in 
das des anderen über. Die Kammern des unteren Theiles sind während des in Rede 
stehenden Entwickelungsstadiums von oben nach unten stark zusammengedrückt, also 
sehr niedrig, selten höher als die Platten, welche ihre Wand bilden, dick sind; ihre 
Wände, zumal die Aussen- und Innenwände, dabei überall und nach allen Richtungen 
eng und unregelmässig- wellig gefältet. Von der Aussen- und Innenseite betrachtet, 
erscheint daher die Stielwand von unzähligen engen und tiefen gyrös gewundenen und 
anastomosirenden Furchen durebzogen. Alle Kammern, Furchen und Gruben zwischen 
den Merenchymlagen des ganzen Stiels werden ausgefüllt von einem Gallertgewebe, 
welches dem des axilen Stranges gleich ist und sich von diesem aus in die Furchen 


a 


der Innenfläche continuirlich fortsetzt. Auch die ganze Aussenfläche des unteren Stiel- 
theiles wird von einer sehr dünnen Lage dieses Gewebes überzogen. Das Gallertgewebe 
ist farblos und durchscheinend, die rothe Färbung kommt dem Merenchym allein zu, 
daher der Stiel bei genauerer Betrachtung nicht gleichförmig fleischroth, sondern durch 
unzählige Gallertstreifen marmorirt erscheint. 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die beschriebene Structur des Stiels dadurch 
zu Stande kommt, dass sich sein gleichförmiges primitives Gewebe in abwechselnde Lagen 
von Gallertfilz und Merenchym differenzirt. In welcher Weise diese Differenzirung beginnt, 
darüber konnte ich, bei der Zartheit und engen Verflechtung der primitiven Hyphen keinen 
näheren Aufschluss erhalten. Soviel ich erkennen konnte ist die Struclur und Anordnung 
der Merenchympartien von Anfang an dieselbe wie in späterer Zeil, nur sind die Wände 
der Kammern anfangs weniger gefaltet. Die Zellen des Merenchyms sind anfangs sehr 
klein und mehr polyedrisch als später. In dem Maasse als der Stiel wächst nehmen sie 
fortwährend an Grösse zu, während ihre Anordnung und Zahl, soviel aus Durchschnitten 
erkennbar ist, unverändert bleiben und Theilungen in ihnen nicht gefunden werden. Die 
ganze Vergrösserung des Stiels beruht somit fast ausschliesslich auf Ausdehnung der 
Merenchymzellen. Mit Vollendung ihres Wachsthums haben diese Zellen rundliche oder 
elliptische Gestalt, die einen mehr kugelig, andere mehr länglich, ihre Länge mag durch- 
schnittlich in dem unteren Theile des Stiels /,; Mm. ihre Breite '/, Mm. betragen, grössere 
und kleinere sind jedoch sehr häufig. In der nicht in Kammern getheilten Spitze sind 
die Zellen erheblich kleiner. Sie sind auf dünnen Durchschnitten fast völlig wasserhell, 
die Membran glatt, homogen, ungeschichtet und ziemlich zart, die rothe Färbung scheint 
allein dem Inhalte anzugehören, doch fehlen mir hierüber entscheidende Untersuchungen. 
Zwischen den Merenchymzellen finden sich enge, immer lufthaltige Intercellulargänge. 
Die Kammern und Furchen des Stiels bleiben während des dritten Stadiums immer von 
Gallertfilz erfüllt; in welcher Weise dieser dem Wachsthum des Merenchyms folgt habe 
ich nicht untersucht. Wand und axiler Gallertstrang nehmen an dem beschriebenen 
Wachsthum ziemlich gleichen Antheil; der Querdurchmesser des letzteren bleibt der 
Dicke jener fortwährend nahezu gleich. Nur in der Stielspitze ist die Wand bedeutend 
dünner als unten, ihre Dicke nimmt nach oben stetig ab und beträgt an dem Scheitel 
kaum den vierten Theil von der der unteren Stielportion. 

Durch die Vergrösserung des Stiels werden die ihn zunächst umgebenden Theile 
beträchtlich verändert. Während des kurz dauernden Zustandes, in welchem der Stiel 


Keulenform hat, folgt das Basalstück dem Diekenwachsthum derart, dass es bei beträcht- 


— 201 — 


licher Vergrösserung der Oberfläche seine ursprüngliche Dicke beibehält. Gleba und 
Kegel werden dagegen nicht dieker; zwischen dem unteren Rande jener und dem Ba- 
salstücke entsteht daher eine tiefe ringförmige Furche (Fig. 9). Bald tritt aber in dem 
Wachsthum des Basalstückes Stillstand ein; je mehr sich der Stiel ausdehnt, desto flacher 
wird die Ringfurche; hat der Stiel regelmässige Spindelform, so ist sie fast ganz verschwun- 
den und das Basalstück ist zu einer dünnen weissen Haut ausgedehnt und zusammen- 
gedrückt, deren Dicke kaum ', der ursprünglichen beträgt. Gleba und Kegel werden 
durch den wachsenden Stiel von Anfang des in Rede stehenden Entwickelungsstadiums 
an nur mechanisch gedehnt und zusammengedrückt. Letzterer nimmt bald die Beschaffen- 
heit einer dünnen. zwischen Stiel und Gleba liegenden weissen Haut an. die Gleba 
erhält die Form eines immer höher und weiter, aber auch immer dünnwandiger 
werdenden oben und unten offenen Hohlkegels; während sie zur Zeit der Sporenbildung 
6— 7 Mm. hoch und etwa 3 Mm. dick war, hat sie zuletzt eine Höhe von etwa 15, 
eine Dicke von etwa ', bis 1 Mm. Das obere Ende der Stielspitze drängt sich dabei mehr 
und mehr zwischen den oberen Rand der Gleba, so dass es zuletzt 1—2 Mm. über 
ihn hinausragt. Die innere Peridienwand endlich folgt dieser Dehnung derart, dass sie 
als dünne weisse Haut ihre ursprüngliche Lage und Verbindung mit den benachbarten 
Theilen beibehält (Fig. 9, 10, 11). Eine wesentliche Structurveränderung konnte ich 
in allen den letzterwähnten Theilen während ihrer Dehnung nicht wahrnehmen. 

Der ganze Fruchtkörper, in welchem die beschriebenen Entwickelungsprocesse vor 
sich gehen, ist zu Anfang des zweiten Stadiums erbsengross oder wenig grösser, rund, 
oft genau kugelig. Von dem zweiten Stadium an streckt er sich in die Länge, bis zu 
schmal ovaler Gestalt, und erreicht bis zum Ende des dritten Stadiums eine Dicke von 
etwa 2 CUm., eine Länge von etwa 5 Cm., wobei natürlich vielerlei individuelle Ver- 
schiedenheiten vorkommen. Während dieser Vergrösserung behält die Aussenwand 
nahezu unveränderte Dicke und Structur; die Fäden ihres Geflechtes werden nur wenig 
dicker. Die Gallertschicht wächst gleichzeitig auf das Doppelte bis Vierfache der Dicke, 
welche ihr am Anfang des zweiten Stadiums zukommt. Sie behält dabei ihre ursprüng- 
liche Structur, die von Gallerte erfüllten Lücken ihres Geflechtes bleiben so breit oder 
werden selbst enger wie zu Anfang; ihre einzelne Fäden werden etwas dieker und hie 
und da varicös aufgetrieben, ihr Protoplasmainhalt unregelmässig grobkörnig. Hiernach 
müssen die peripherischen Theile des Pilzes bis zum Ende des dritten Stadiums der Ver- 
grösserung von Stiel und Gleba durch ein lebhaftes actives Wachsthum mittelst Neu- 


bildung von Gewebselementen folgen. (Vergl. Fig. 4—11). 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 26 


— 202 — 


Alle Neubildung und alle Ausdehnung der vorhandenen Zellen, also alles eigentliche 
Wachsthum hört aber auf, bevor das vierte Entwickelungsstadium anfängt. Die Streckung 
des Stiels, durch welche dieses Stadium bezeichnet wird, geschieht dadurch, dass die 
gefallteten Wände der Kammern, aus denen die Wand der unteren Stielportion besteht, 
geglättet und dadurch ausgedehnt, zumal die am meisten gefalteten verticalen Wände 
aufgerichtet werden (Fig. 13, 17, 18). Jede Kammer nimmt hierdurch an Höhe bedeu- 
tend zu, an Tiefe etwas ab; ihre Gestalt wird unregelmässig polyedrisch, isodiametrisch 
oder etwas in die Länge gestreckt; die Furchen auf der Aussen- und Innenfläche der 
Stieiwand werden zu flachen weiten Grübehen ausgeglättet. Durch diese Veränderungen 
wird die Stielwand dünner, während gleichzeitig der Querdurchmesser des ganzen 
Stieles zunimmt; der axile Raum muss also beträchtlich weiter werden. Die Längen- 
streckung der unteren Stielportion erreicht zuletzt ungefähr das Dreifache von der Höhe, 
welche sie am Ende des dritten Stadiums hat, was zugleich die durchschnittliche Höhen- 
zunahme der einzelnen Kammern angibt. Die absolute Höhe des ganzen Stiels, bis zu 
dem über die Gleba vorragenden Scheitel beträgt nach vollendeter Streckung meist 
10—14 Cm. (s. Fig. 12, 13). Kein anderer Theil des Pilzes als die in Kammern 
abgetheilte untere Stielportion nimmt an der Streckung activen Antheil. Die von der 
Gleba überzogene Spitze bleibt unverändert. Sie wird durch die Verlängerung ihres 
Trägers in den Scheitel der Gallertschicht und Aussenwand eingebohrt bis letzlerer in 
unregelmässige Lappen zerreisst und die Gleba in’s Freie treten lässt. Gleichzeitig reisst 
das Basalstück dicht unter der Gleba von der innern Peridienwand ringsum ab; es bleibt, 
während jene emporgehoben wird, an der Basis des Stiels als eine kurze verkehrt- 
kegelförmire Scheide stehen. Die innere Peridienwand tritt mit der Gleba in’s Freie. 
Anfangs ist sie noch als eine zarte, Gleba und Stielspitze wie zuvor umschliessende 
Haut erkennbar, bald wird sie jedoch durch Verschwinden des Lultgehalts unkenntlich. 
Das Gleiche gilt von dem Kegel. Auf dem völlig gestreckten Stiele scheint daher die 
Gleba nackt der rothen Stielspitze unmittelbar aufzusitzen, überragt von dem gleichfalls 
rothen convexen und glatten Scheitel des Stieles. 

Die Merenchymzellen des Stieles nehmen während der Streckung weder an Zahl 
noch an Grösse zu, vielmehr erfolgt die Ausdehnung der Kammern nur durch Glättung 
und Aufrichtung ihrer Wände. Sobald eine Kammer anfängt sich zu dehnen, enthält sie 
Luft, der Gallertfilz, welcher sie früher ausfüllte, wird zerrissen, seine Fragmente haften 
anfangs noch deutlich der Wand an, um zu vertrocknen und unkenntlich zu werden, so- 


bald die Kammer ihre volle Ausdehnung erreicht hat. Dieser Vorgang findet in den 


— 203 — 


obersten Kammern lange vor der Zerreissung der Peridie statt, also während der Stiel 
noch von einer dicken luftfreien Gewebmasse rings umgeben wird. Die engen Inter- 
cellularräume des Merenchyms bleiben dabei nach wie vor lufthaltig. Die Luft kann hier- 
nach nicht von aussen in die Kammern eintreten, sondern muss von einer im Innern 
derselben stattfindenden Gasausscheidung herrühren. Dies erklärt den Mechanismus der 
Ausdehnung der Kammern: sie werden durch in ihrem Innern ausgeschiedene Luft gleich- 
sam aufgeblasen. In derselben Weise wie in den Kammern verschwindet auch in dem 
axilen Raume das Gallertgewebe, um durch Luft ersetzt zu werden. Die Zusammen- 
selzung der ausgeschiedenen Luft konnte ich noch nicht ermitteln, nur das Eine glaube 
ich bestimmt angeben zu können, dass es keine Kohlensäure ist. — In der Luftansamm- 
lung liegt ohne Zweifel auch der Grund, warum der sich streckende Theil des Stiels 
ganz blass röthliche Farbe annimmt; die Spitze behält ihr intensiv fleischrothes Colorit 
unverändert bei. 

Die Ausdehnung beginnt in den obersten Kammern und schreitet langsam nach 
unten zu fort. Bei einigen im Zimmer beobachteten Exemplaren dauerte es von dem 
ersten Hervortreten der Spitze aus der Peridie bis zur vollendeten Streckung des ganzen 
Stieles ungefähr 36 Stunden. Ist die Ausdehnung bis zum untersten Ende des Stieles 
fortgeschritten, so muss dieser überall von den Theilen, welchen er früher angewachsen 
war, losgelöst sein, er fällt daher leicht aus der Peridie heraus. Mit vollendeter 
Streckung des Stiels ist der Entwickelungsprocess des Fruchtkörpers fertig. Die Gleba 
zerfliesst und tropft von ihrem Träger ab, letzterer geht sammt der Peridie bald in Zer- 


setzung über. 


Das Mycelium von Phallus impudicus besitzt die nämliche Form und Ver- 
zweigung wie bei Phallus caninus, was besonders durch Rossmann’s Beschreibung 
und Abbildung (Bot. Zeit. 1853, p. 185 Taf. IV) bekannt ist. Seine Stränge werden 
viel grösser und dicker als die des Ph. caninus. An den stärkeren derselben unter- 
scheidet man auf Durebschnitten einen dicken cylindrischen, wässerig-bräunlichen Mittel- 
theil, den ich Mark nennen will, und eine das Mark umschliessende dünne weisse 
Rindenschicht. Das Mark besteht aus zahlreichen longitudinal verlaufenden Hyphen, von 
denen die einen weit und dünnwandig, andere dünn und mit stark verdickter Membran 
versehen sind. Beiderlei Formen stehen anscheinend ordnungslos durcheinander, alle 


sind ziemlich dicht zusammengedrängt, die engen Lücken zwischen ihnen vollkommen 


26* 


— 204 — 


ausgefüllt von einer zähen homogenen Gallerie, welche in Wasser weich wird, ohne 
jedoch zu zerfliessen, in Alkohol stark schrumpft. Das ganze Gewebe ist durchaus 
luftfrei. Die Rinde besteht aus mehreren Lagen von Hyphen und zwar finden sich von 
letzteren die nämlichen beiden Formen wie in dem Marke in den inneren Rindenlagen, 
während die äusseren nur aus weiten und dünnwandigeu bestehen. Die Hyphen der 
Rinde verlaufen aber nicht longitudinal, sondern quer um den Myceliumstrang, oder 
richtiger, sie sind in sehr engen Windungen spiralig um den Markeylinder gewickelt, 
etwa wie der Metalldraht einer umsponnenen Claviersaite. Sie entspringen als Zweige 
von den Markhyphen, laufen von diesen aus erst eine kurze Strecke weit schräg nach 
aussen, um sich dann in der beschriebenen Weise aufzuwickeln. Von den äussersten 
Rindenhyphen entspringen zerstreute kurze Zweige, welche als feine Haare von der 
Oberfläche abstehen. Letztere sammt den Haaren, ist dicht inerustirt von slabförmigen 
Krystallen oxalsauren Kalks. Zellen, welche dieses Salz in ihrem Innern enthalten, 
sah ich an dem Mycelium nicht. 

Die ganz jungen Entwickelungszustände der Fruchtkörper von Ph. impudieus habe 
ich nicht beobachte. Nach der Darstellung Rossmann’s (l. ce.) findet hier ohne 
Zweifel die erste Anlegung der Aussenhaut, Gallertschicht und Mittelsäule auf wesent- 
lich die nämliche Weise wie bei Ph. caninus statt. Wie die Gleba anfangs gestaltet 
und gestellt ist, darüber geben Rossmann’s Darstellungen keinen klaren Aufschluss, offen- 
bar weil seine Exemplare unregelmässige Formen halten und seine Längsschnitte daher 
theils durch die (organische) Mittellinie, theils neben derselben vorbei gingen. Nach 
der Structur des jüngsten von mir beobachteten Exemplares (Fig. 19) zu urtheilen, ist 
auch die Anlage und ursprüngliche Form der Gleba und des Stieles hier vollkommen 
denen von Ph. caninus ähnlich, abgesehen natürlich von einzelnen, die Species unter- 
scheidenden Differenzen; und diese Ansicht steht mit den Darstellungen Rossmann’s nicht 
im Widerspruch. 

Besagtes Exemplar (Fig. 19), welches ich erst, nachdem es längere Zeit hindurch 
in Alkohol gelegen, untersucht habe, ist rundlich, etwa 2,5 Cm. gross. Es befindet 
sich auf einer Entwickelungsstufe, welche dem Ende des zweiten oder dem Beginne 
des dritten Stadiums von Ph. caninus (vergl. Fig. 8) entspricht. Aussenwand, Gallert- 
Schicht und Innenwand der Peridie sind wie bei diesem angeordnet. Das Basalstück, 
welches bei Ph. impudicus immer sehr kurz und dick ist, geht wie bei Phallus caninus 
in die Aussen- und Innenwand über und setzt sich nach oben in einen breit-conischen 


„Kegel“ fort, dessen Spitze mit dem Scheitel der Innenwand zusammenstösst. Zwischen 


— 205 — 


Innenwand und Kegel liegt die Gleba, welche die Gestalt eines an beiden Enden offenen 
Hohlkegels mit dicker, auf dem senkrechten radialen Durchschnitt halbmondförmiger, oben 
und unten stumpf abgerundeter Wand besitzt. Die Gleba hat die nämliche Structur, wie 
bei Ph. caninus, nur dass sie für das blosse Auge eine grobe radiale Streifung zeigt, 
indem ihre Tramaplatten vorzugsweise von dem Kegel aus strahlig zur Peridienwand 
verlaufen. In den Kammern finden sich schon zahlreiche, grösstentheils noch den Ba- 
sidien aufsitzende Sporen. Die Farbe der Gleba ist blass grünlich-braun. Der Kegel 
zeigt schon in diesem Stadium eine (bei Ph. caninus fehlende) Spaltung in einen weit- 
aus grösseren inneren Theil und eine dünne hautartige peripherische Schicht. Letztere 
ist auf ihrer Aussenfläche mit den leistenarligen, netzförmie verbundenen und in die 
Gleba einspringenden Vorragungen versehen, welche für den reifen Phallus bekannt sind, 
von ihr entspringen die Tramaplatten der Gleba. Sie hat die Form eines dünnen kegel- 
förmigen Hutes und mit letzterem Namen möge sie auch hier bezeichnet werden. Der 
untere Rand des Hutes biegt sich, der Gleba folgend, nach aussen, um an der Grenze 
ihrer Aussenfläche zu endigen. 

In der Längsachse des Kegels liegt die Anlage des Stiels, ein schmal eylindrischer 
Körper, mit seinem zugespitzten unteren Ende kaum tiefer als der untere Rand der 
Gleba hinabreichend, mit seinem nicht verschmälerten oberen Ende an den Scheitel der 
inneren Peridienwand anstossend. Der Stiel lässt schon deutlich unterscheiden einen 
breiten axilen Gallertstrang und die aus sehr kleinzelligem Gewebe bestehende Wand. 
Letztere ist am oberen Ende offen, ihr oberer Rand kurz -trichterförmig erweitert und 
dann nach aussen umgebogen, um sich unmittelbar in die Substanz des Hutes fortzu- 
setzen. Der axile Gallertstrang reicht somit bis zur inneren Peridienwand. 

Ein anderes, in Figur 20 im senkrechten radialen Durchschnitt dargestelltes Exem- 
plar stellt einen etwas älteren Entwickelungszustand dar als das erstbeschriebene. Alle 
Theile zeigen genau die gleiche Anordnung wie bei diesem, sie sind aber allesammt 
bedeutend gewachsen. Die Gleba hat, ohne ihre Form wesentlich zu verändern, an 
Umfang, Höhe und Dicke beträchtlich zugenommen; ihre Farbe ist schwarzgrün, in den 
Kammern finden sich viele, theils freie, theils noch auf den Basidien sitzende Sporen 
(ob noch junge Basidien, konnte ich nicht entscheiden, weil auch dieses Exemplar erst 
untersucht wurde, nachdem es längere Zeit in Alkohol gelegen hatte). Der Stiel ist im 
gleichen Verhältniss wie die übrigen Theile gewachsen, er hat schmale Spindelform 
angenommen, seine Wand ist beträchtlich dicker geworden und zeigt jezt schon sehr 


deutlich die Sonderung in Merenchymplatiten, welche von Gallertfilz erfüllte Kammern 


— 206 — 


bilden. Die Wände der letzteren sind fast gerade, ihre Windung und Faltung scheint 
demnach erst später einzutreten; die Zellen des Merenchyms noch ungemein klein. Die 
weisse Substanz des Kegels scheint mit Vergrösserung ihrer Höhe und ihres Umfangs 
an Dicke abzunehmen. 

Alle noch älteren Exemplare, welche ich untersucht habe (Fig. 21), hatten 
eiförmige Gestalt und waren nahezu oder völlig verwachsen. Der Stiel ist in ihnen 
vorwiegend entwickelt. Er hat eine breit-spindelförmige Gestalt, sein unteres Ende ist 
tief in das Basalstück eingebohrt, seine Länge beträgt eiwa das Doppelte von der des 
letztbeschriebenen Entwickelungszustandes, in die Dicke ist er aber in seinem mittleren 
Theile um wenigstens das Vierfache gewachsen, sein Querdurchmesser beträgt etwa 
/, von dem des ganzen durch die innere Peridienwand eingeschlossenen Körpers. Axiler 
Strang und Wand haben in gleicher Höhe nahezu die gleiche Dicke. In letzterer erkennt 
man schon mit blossem Auge die von oben nach unten stark zusammengedrückten und 
mit wellig gefalteten Wänden versehenen Kammern, und zwar bilden diese nicht eine 
einfache, sondern zwei bis drei unregelmässige Lagen, was übrigens schon in dem in 
Figur 20 dargestellten Zustande der Fall ist. Nur ein kurzes oberstes Stück der Stiel- 
wand ist nicht in Kammern getheilt, sondern eine solide, dünne, mit engen welligen 
Querfalten versehene Platte. Die feinere Structur des Stiels ist der von Ph. caninus 
ganz ähnlich, nur sind die Wände der Kammern aus zahlreichen (6 —8— 10) Lagen 
von Merenchymzellen gebildet, diese durchschnittlich kleiner als bei Ph. caninus und 
ganz farblos. Der obere nicht gekammerte Theil der Stielwand besteht bis zu seinem 
obersten nach aussen gekrämpten Rande aus dem nämlichen, kaum kleinzelligeren Meren- 
chym wie die Kammerwände, an welches sich dann das feste faserige Gewebe des 
Hutes ansetzt. Mit dem Wachsthum des Stieles haben alle umgebenden Theile an Höhe 
und Umfang bedeutend zugenommen. Innenwand und Hut sind dabei, während ihre 
Oberfläche etwa ums Doppelte gewachsen ist, eher dicker als dünner geworden wie 
vorher. Auch die Gleba nimmt, während sich ihr Umfang mehr als verdoppelt. kaum 
um ', an Dicke ab. Alle diese Theile müssen daher der Vergrösserung des Stieles 
durch actives Wachsthum folgen. Für die Gleba ist es unzweifelhaft, dass dieses durch 
beträchtliche Ausdehnung der Hyphen, aus welchen die Tramaplatten bestehen, geschieht. 
Diese Hyphen sind bei erwachsenen Exemplaren mehr als doppelt so dick wie bei den 
in Figur 19 und 20 dargestellten und mit sehr dicker, gallertartiger, in Wasser stark 
quellender Membran versehen. Ob das Wachsthum des Hutes und der Innenwand auch 


nur auf einer Vergrösserung früher gebildeter Gewebselemente beruht, muss ich unent- 


— 27 — 


schieden lassen. Aussenwand und Gallertschicht folgen dem Wachsthum wie bei Phallus 
caninus. Der einzige Theil, welcher mit der Vergrösserung des Stiels stetig an Umfang 
zu- und an Dicke abnimmt, also nur mechanisch gedehnt zu werden scheint, ist die 
zwischen Stiel und Hut gelegene Portion des Kegels. Sie erhält zuletzt die Gestalt 
einer dünnen weichen Haut, welche von den Autoren der Schleier (velum) des Stiels 
genannt worden ist. 

Zuletzt hebt bekanntlich auch bei Ph. impudieus eine rasche Streckung des Stiels 
die Gleba aus der Peridie hervor. Aussenwand und Gallertschicht werden dabei wie 
bei Ph. caninus durchrissen. Die Innenwand reisst gleichfalls an ihrem Scheitel weit 
auf, sie bleibt mit der Gallertschicht in fester Verbindung, die Gleba löst sich überall 
von ihr ab und wird aus ihr hervorgehoben. Der Kegel reisst in seinem untersten 
Theile quer durch; die mit dem Basalstücke zusammenhängende Portion bleibt mit letz- 
terem als eine die Stielbasis umgebende napfförmige Scheide stehen; der obere Theil 
zerreisst in unregelmässige Fetzen, welche theils zwischen Hut und Stiel, theils auf der 
freien Aussenfläche des letzteren hängen bleiben (Velum). Während der Streckung 
nimmt der ganze Stiel nur wenig, der axile Raum dagegen bedeutend an Breige zu. 
Der Mechanismus der Streckung ist der gleiche wie bei Ph. caninus, die Kammern 
werden durch Luftausscheidung aufgeblasen, ihre Wände aufgerichtet und geglättet. 
Jede Vergrösserung der einzelnen Zellen hört vor der Streckung auf. Recht anschau- 
lich wird dieses bei Betrachtung des oberen, nicht gekammerten Theiles der Stielwand; 
er nimmt an der Streckung keinen Antheil, sondern behält die ursprüngliche wellige 
Faltung immer bei. Die Streckung des Stieles geht bei Ph. impudieus rascher vor 
sich als bei Ph. caninus. Ob sie schon in '% bis 2 Stunden vollendet ist. wie 
Corda angibt, lasse ich dahingestellt. Alle Exemplare, welche ich kurz nach Beginn 
der Streckung aufgeschnitten habe, zeigten sämmtliche Kammern der Stielwand gleich- 
mässig, wenn auch erst unvollkommen aufgeblasen,. eine basipetale Entfaltung konnte 
ich nicht finden. Das Aussehen und das weitere Schicksal des reifen gestreckten 
Pilzes ist zu allgemein bekannt, um hier noch beschrieben werden zu sollen. Vor- 
treifliche Darstellungen davon, sowie von den der Streckung unmittelbar vorher- 
gehenden Zuständen finden sich bei Corda (Icon. V, p. 71—73, Taf. VII) und bei 
Krombholz. 

Was die feinere Structur der Organe von Ph. impudicus betrifft, so ist dieselbe 
der von Ph. caninus durchaus ähnlich, eine ausführliche Beschreibung von jedem ein- 


zelnen Organe daher überflüssig. Im Allgemeinen sind die Organe von Ph. impu- 


a 


dicus, zumal die verschiedenen Häute, dicker. derber und fester, als bei der anderen 
Art; die äussere Peridienhaut ist auf ihrer Oberfläche und ın den Interstitien 
ihres derben Hyphengeflechtes mit reichlichen Ablagerungen von oxalsaurem Kalk 
versehen. 

Das Organ, welches dem Ph. impudieus eigen ist und der anderen Art fehlt. 
nämlich der Hut, zeigt in seinem Bau wenig bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. 
Er stellt eine derbe zähe Haut dar. gebildet aus einem vielschichtigen Geflechte dicht 
verfilzter ziemlich derbwandiger ceylindrischer Hyphen. 

Corda beschreibt noch ein anderes besonderes Organ des Ph. impudieus, nämlich 
den „inneren Strunkschleier“ eine mehr oder minder zerfetzte Haut, welche den 
axilen Hohlraum des gestreckten Stieles auskleidet. Diese Haut besteht einfach in den 
der Wand anhaftenden Resten des axilen Gallertstranges, welche bei Ph. impudieus 
derber und dauerhafter sind als bei Ph. caninus. Zumal in der Spitze des Stieles 
bleibt das Gallertgewebe auch nach der Streckung längere Zeit hindurch erhalten, 
es enthält hier vereinzelte sehr dicke und derbe Hyphen, welche es nach allen Rich- 
tungen hin durchziehen und zwischen den weicheren Elementen gleichsam ein festes 
Gerüste bilden. Die Oeffnung in der Spitze der Stielwand bleibt daher wie durch 
einen Pfropf, oder, von aussen betrachtet, wie durch ein Epiphragma geschlossen, nur 


bei ganz alten Exemplaren ist sie zuweilen offen. 


Die Entwickelung der Sporen von Ph. impudicus ist von Lespiault (1845, 
l. c.), Tulasne (fung. hyp. Tab. XXI fig. X. 1851), Bonorden (Bot. Zeitg. 1851) 
dargestellt worden, und 1859 nochmals von Bail (Verhandl. Zool. Bot. Ges. Wien, 
1859, Tab. I). Sie findet in der gleichen Weise statt wie bei der anderen Art und 
zwar fand ich die Sporen wie sie Tulasne abbildet ungestielt auf den Basidien sitzend, 
nicht von langen Stielen, welche Bonorden und Bail darstellen, getragen. 

Die reifen Sporen von beiden Arten haben die Form eylindrischer, an beiden Enden 
abgerundeter Stäbchen; die von Ph. caninus sind '/,,. bis %,, Mm. lang und höchstens 
halb so breit; die von Ph. impudicus sind meist ein wenig kleiner, im Uebrigen jenen, 
soweit die Beobachtung reicht, ganz gleich. Die Membran der Sporen erscheint als 
einfache, ziemlich dunkele Linie; sie umschliesst einen homogen-trüben, oft von ein- 
zelnen kleinen Vacuolen unterbrochenen Inhall. Aussen um die Membran geht bei 


Sporen, welche in Wasser liegen, ein ziemlich breiter, blasser, nicht scharf umschrie- 


— 209 — 


bener Hof, welcher, wie es scheint, das Vorhandensein einer gallertigen Aussenhaut 
oder Hülle um die Sporen anzeigt. Einzeln betrachtet erscheinen die Sporen blassgelb- 
lich, fast farblos, in einer dünnen Schicht schmutzig - gelbbraun bis gelbgrün ; hiernach 
und nach den mitgetheilten entwickelungsgeschichtlichen Daten dürfte die dunkele Farbe 
der reifen Gleba allein von den in ungeheurer Menge angehäuften Sporen herrühren. 

Bringt man von der Gleba eines reifen Pilzes eine kleine Portion in reines Wasser, 
so zeigen die Sporen unter dem Mikroskop eine schwach hin und her oseillirende oder 
wackelnde Bewegung, welche unabhängig ist von den stärkeren Strömungen, die in dem 
Wasser durch Erschütterungen u. s. w. hervorgerufen werden. Lässt man eine relativ 
grosse Wassermenge mehrere Stunden lang einwirken, so werden die Oscillationen all- 
mählig schwächer, hören jedoch selten ganz auf. Diese Erscheinungen treten in ganz 
der gleichen Weise ein, sowohl an ganz frischen Sporen, als an solchen, welche Jahre 
lang trocken oder in Weingeist aufbewahrt oder durch Jod, durch Kochen in Wasser 
getödtet sind, sie sind also nicht als Eigenthümlichkeiten der lebenden Spore, sondern 
als rein physikalische Erscheinungen zu betrachten. Bringt man zu den in Wasser oscil- 
lirenden Sporen Alkohol, so hört die Bewegung sofort auf, um wieder zu beginnen, 
sobald der Alkohol durch Wasser erselzt wird; man kann dies viele Male mit gleichem 
Erfolg wiederholen. Wie oben erwähnt wurde, sind die Sporen einer in Wasser zer- 
fliessenden, aus den Membranen der Gleba entstandenen Gallerte eingebettet, die sich 
mit der Reife vielleicht auch theilweise in gummiartige, in Wasser wirklich lösliche 
Stoffe umsetzt. Man kann sich sowohl an dem unversehrten Pilz als an mikroskopischen 
Präparaten jeder Art leicht überzeugen, dass die Gallerte durch Alkohol sofort erhärtet, 
in Wasser wiederum sofort bis zum Unkenntlichwerden zerfliesst. Aus dieser Reihe von 
Erscheinungen folgt, wie mir scheint, dass die Oscillationen der Sporen in den Bewe- 
gungen ihren Grund haben muss, welche bei der Quellung oder theilweisen Auflösung 
der Gallerte in dem Wasser entstehen und so kleinen Körperchen wie die Sporen sind, 
mitgetheilt werden. 

Die Oseillationen der Phallussporen sind denen durchaus gleich, welche bei den 
sogenannten Spermatien der Pyrenomyceten, Uredineen u. s. w. allgemein beobachtet 
werden. Letztere sind gleich den Phallussporen einer meist leicht nachweisbaren Gal- 
lerte oder gummiartigen Substanz eingebettet, welche in Wasser zerfliesst, in Alkohol 
erhärtet; ihre Grösse ist der der Phallussporen nahezu gleich oder geringer. Die Oseil- 
lationen dieser Körper dürften hiernach auch den gleichen Grund haben wie die der 


Phallussporen. Ich habe das Verhalten der frischen und getödteten Spermatien von 
Abbandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V 27 


— 210 — 


Cytispora incarnata Fr. und von Acrostalagmus”) in Alkohol, Wasser u. s. w. 
in derselben Weise untersucht wie das der Phallussporen und dem letzteren ganz gleich 
gefunden. 

Noch eine Aehnlichkeit der Phallussporen mit manchen Spermatien mag hervor- 
gehoben werden. Bekanntlich stinkt Ph. impudicus zur Zeit seiner vollen Reife 
stark und eigenthümlich. Die eben aus der Peridie hervorbrechende Gleba hat dagegen, 
wie auch Tulasne bemerkt (Fung. Carpolog. I, 40) einen besonderen, nicht unan- 
genehmen Geruch. der sich nicht beschreiben lässt, aber wie mir vorkommt entschieden an 
den der Uredineenspermagonien erinnert. Diesen Geruch finde ich wieder beim An- 
feuchten einer Gleba, welche fast zwei Jahre trocken dagelegen hatte, während der 
widerliche Gestank beim Trocknen zu verschwinden scheint. 

Endlich besteht eine weitere Aehnlichkeit zwischen den meisten sogenannten Sper- 
matien und den Phallussporen leider darin, dass es bis jetzt nicht gelungen ist, ihre 
Keimung zu beobachten. Alle Versuche, welche ich hierzu gemacht habe, sind erfolg- 
los geblieben und Anderen ist es nicht besser gegangen. Denn die angebliche Keimungs- 
geschichte des Ph. impudicus, welche Oschatz (Nov. Act. Nat. Cur. XIX, ID) gegeben 
hat, besteht, wie sachkundige Kritiker längst anerkannt haben (Tulasne, fung. carpol. I, 
p- 91; Hoffmann, Index fung.) aus einer ununterbrochenen Reihe von Verwechslungen 
und Irrthümern. 


IV. Syzygites megalocarpus. 


(Tafel XXX und XXXI.) 


Im Jahre 1829 hat Ehrenberg””) unter dem in der Ueberschrift genannten 
Namen einen Schimmelpilz beschrieben, welcher sich von allen anderen dadurch aus- 


zeichnet, dass seine grossen Früchte aus einer paarweisen Vereinigung keulenförmiger 


3!) Vergl. Hoffmann, Bot. Zeitg,. 1854, Nro. 15 u. 16. Die Form, welche ich untersucht habe, 
Ac. cinnabarinus stimmt mit der Hoffmann’schen vollkommen überein, nur habe ich ihre Sporen, welche von 
Hoffmann gewiss mit Recht den Spermatien anderer Pilze verglichen werden, in grosser Menge keimen sehen 
und aus denselben mehrere einander gleiche Generationen von Acrostalagmuspflänzchen erzogen, 


32) Syzygiles, eine neue Schimmelgattung. Verhandl. Ges. Naturf. Freunde zu Berlin. I (1829) p. 98, 
Taf. I und I. 


— 211l — 


Fruchtzweige entstehen. Ehrenberg’s vortreflliche Darstellung lenkte die allge- 
meine Aufmerksamkeit auf den sonderbaren Pilz, er wurde allgemein bekannt und 
vielfach besprochen, aber meistens nur auf Grund der Beobachtungen seines Entdeckers. 
Von späteren Originalarbeiten fügte die mit schönen Abbildungen versehene Dar- 
stellung, welche wir Corda’”) verdanken, den Angaben Ehrenberg’s nur einige wenig 
bedeutende Einzelheiten hinzu: und die noch späteren Beobachtungen Bonorden’s”') 
brachten nicht nur nichts Neues. sondern stehen hinter denen seiner Vorgänger ent- 
schieden zurück. Erst Tulasne brachte in einer kurzen Mittheilung”’) wesentliche 
Erweiterungen und Berichtigungen von Ehrenberg’s und Corda’s Angaben, theils in 
Beziehung auf die Form selbst, welche Syzygites genannt worden war, theils indem 
er zuerst aussprach, dass die unter dem Namen Sporodinia grandis Lk. bekannte 
Pilzform mit Syzygites dem Entwickelungskreise einer und derselben Species ange- 
hört. Ich habe in einer ebenfalls kurzen Mittheilung”) Tulasne’s Ansicht zu bestä- 
ligen gesucht, und zwar auf Grund von Untersuchungen, welche von den allerdings 
früher vollendeten Tulasne’schen in keiner Weise beeinflusst waren. Da seither über 
den in Rede stehenden Gegenstand nichts bekannt geworden ist, da Syzygites aber 
jedenfalls zu den interessantesten Pilzen und besonders zu denjenigen gehört, welche 
am meisten zur Demonstration des Dimorphismus der Pilzfrüchte geeignet sind, da 
endlich Bonorden®) in diesen Tagen einen wunderlichen Feldzug gegen die Lehre 
vom Dimorphismus und Pleomorphismus der Pilze eröffnet hat; so mag es wohl erlaubt 
sein. meine erwähnten Untersuchungen hier etwas ausführlicher mitzutheilen, sei es 
auch nur um die Darstellungen, die wir von anderer Seite wohl erwarten dürfen, 
zu bestätigen oder zu ergänzen. 

Syzygites megalocarpus findet sich in Wäldern auf faulenden fleischigen 
Schwämmen, und zwar, wie schon durch Ehrenberg und Corda bekannt ist, auf 


sehr verschiedenen Arten derselben. Sein Mycelium ist in dem Gewebe der Schwämme 


33) Corda, Prachtflora Europ. Schimmelbildungen. (1839) p. 49, Tab. 23. 

34) Bonorden, Allgem. Mycologie p. 127. (1851.) 

35) Tulasne, Comptes rendus. Tom. 41 (1855), p. 617. Auch Fung. Carpol. I, p. 64, 78. 

36) de Bary, Untersuchungen über d. Conjugaten p. 65. (1858). 

37) Abhandlungen aus dem Gebiete der Mycologie. Halle 1864. Ich erwähne diese Arbeit hier, weil 
sie mich wirklich veranlasst hat, die Beobachtungen über Syzygites jetzt zu veröffentlichen, als eine Art Er- 
widerung auf die Polemik ihres Autors gegen die Lehre von der Pleomorphie der Pilze. Näher auf die Pole- 
mik einzugehen, wäre verlorene Mühe. 


27% 


— 212 — 


weit verbreitet und besteht aus derben, reich verzweigten geschlängelten und oft ab- 
wechselnd eingeschnürten und varicösen Schläuchen, welche stellenweise mit zahl- 
reichen Querwänden versehen, oft aber auch auf lange Strecken ganz querwandlos 
sind. Die Schläuche enthalten dicht körniges, von vielen Vacuolen durchsetztes Proto- 
plasma und besitzen eine farblose, mässig dicke ungeschichtete Membran. Mit wässe- 
riger Jodlösung behandelt wird letztere sofort schön rothviolett gefärbt; setzt man 
Schwefelsäure zu, so verschwindet diese Farbe augenblicklich, die Membran quillt 
rasch auf die doppelte Dicke auf und bleibt farblos, mit dem matten bläulichen Glanze, 
welcher in Wasser liegenden gelatinösen Zellmenbranen eigen ist. Chlorzinkjodlösung 
ruft eine ähnliche, doch mehr ins Braunrothe stechende Färbung hervor, wie Jod allein 

Zahlreiche Zweige der Myceliumschläuche laufen gegen die Oberfläche des von 
Syzygites bewohnten Schwammes, schwellen dicht unter dieser an und treten dann 
über dieselbe hervor, um zu den fruchttragenden Aesten oder Fruchtträgern heran- 
zuwachsen. welche auf der Oberfläche des Schwammes meistens dichte Rasen bilden. 

Der Fruchtträger ist anfangs ein gerade aufrechter einfacher stumpf cylindrischer 
Schlauch (Fig. 55). Hat er eine Höhe von etwa 2 Mm. erreicht, so gabelt er sich 
an seiner Spitze in meistens drei. seltener zwei gleichstarke Hauptäste, die sich 
ihrerseits alsbald wiederum fünf- bis mehrmals gabelig verzweigen, und zwar in den 
von mir beobachteten Fällen immer dichotom, nach Corda auch dreigabelig. Mit 
jedem höheren Grade der Verzweigung nimmt die Dicke der Zweige ab; die des 
letzten wachsen zu langen dünnen Haaren aus. Alle sind abstehend-aufrecht, manche 
dabei oft paarweise zangenförmig gegeneinander gekrümmt; doch fand ich diese Krüm- 
mung durchaus nicht immer, und nie so beträchtlich wie sie Corda abbildet (s. Fig. 6). 
Bis gegen die Zeit der Reife hin ist der Fruchtträger ein verästelter durchaus quer- 
wandloser Schlauch, welcher mit farbloser Membran und farblosem dicht körnigem 
Protoplasmainhalt versehen, daher in reflectirtem Lichte weiss ist. Seine Wand zeigt 
in der Jugend das gleiche Verhalten gegen Jod wie die des Myceliums, nur die oberen 
Gabelzweige sah ich nie violett werden. 

An den Gabelzweigen, zweiten bis fünften, manchmal auch höheren Grades ent- 
stehen die Anlagen der Fructificationsorgane, welche in den zunächst zu betrachtenden 
typischen Fällen folgende Entwickelung zeigen. Zwei benachbarte Gabelzweige, welche 
entweder gleichen oder verschiedenen Grades sein und dem nämlichen oder verschie- 
denen Hauptästen angehören können, treiben auf gleicher Höhe je eine seitliche stumpfe 


dieke Ausstülpung. Beide Ausstülpungen wachsen in horizontaler Richtung gegen 


— 213 — 


einander und treten sehr bald. d. h. bevor ihre Länge mehr als das Zwei- bis Dreifache 
der Dicke der Tragzweige beträgt, mit ihren Enden in innige Berührung. Jede nimmt 
dabei eine verkehrt-kegel- oder kurz-keulenförmige, leicht gekrümmte Gestalt an, 
nach welcher sie Fruchtkeulen genannt werden können; beide bilden, von dem 
Momente ihrer Berührung an. mit einander einen spindelförmigen, leicht nach oben 
gekrümmten Körper, welcher quer zwischen die beiden Tragzweige gestellt ist 
(Fig. 6). 

Die Structur der Fruchtkeulen ist zunächst der der Zweige, von welchen sie 
getragen werden, im Wesentlichen gleich. Ihr Lumen steht mit dem der letzteren in 
offener Communication. an der Berührungsfläche ist eine jede durch ihre Membran 
geschlossen, beide also durch eine aus zwei Lamellen bestehende Scheidewand von 
einander getrennt. Diese ist eben, die Kanten, in welchen sie mit den Seitenwänden 
zusammenstösst, jedoch abgerundet, daher verläuft rings um den Rand der Scheidewand 
eine mehr oder minder tiefe Einschnürung. Letztere fand ich in jugendlichen Zuständen 
immer von einer dünnen Membran, wie von einer Scheide überzogen, welche straff 
ausgespannt und meist ohne sich in die Einschnürung einzufalten von der Seitenwand 
einer Fruchtkeule zur andern verläuft, gerade wie die Scheiden vieler Confervenfäden 
über den Rand der Querwände hinlaufen. An der Seitenwand der Keulen verliert 
sich diese Scheide in den Aussencontour der Membran (Fig. 7, 8). Ich fand sie von 
den jüngsten Entwickelungszuständen an bis zur Vollendung der Copulation, ihre Ent- 
stehung ist mir nicht klar geworden. 

Die einander berührenden Keulen wachsen nun, indem sie ihre Form und Structur 
im Wesentlichen beibehalten, zu einer bedeutenden Grösse heran, so dass der spindel- 
förmige Körper, den sie mit einander bilden, dem blossen Auge leicht erkennbar wird. 
Ihr Protoplasmainhalt vermehrt sich dabei fortwährend, in durchfallendem Lichte erschei- 
nen sie alsbald dunkel und ganz undurchsichtig, in reflectirtem röthlich, welche Farbe 
von den im Protoplasma suspendirten zahlreichen Fetttröpfehen herrührt, die in grosser 
Menge gesehen besagte Färbung zeigen. Die rasche und gewaltige Vermehrung des 
Protoplasma in den Keulen kann nicht wohl auf andere Weise geschehen, als dadurch, 
dass jenes aus dem Mycelium durch den Fruchtträger in dieselben einströmt. Ehren- 
berg hat dieses Einströmen direct beobachtet. ich habe versäumt darauf genauer zu 
achten. dafür aber oft eine strömende Bewegung beobachtet, welche man sich wohl 
hüten muss mit dem normalen Fortrücken des Protoplasma zu verwechseln. Bringt 


man nämlich junge unversehrte Fruchtträger in Wasser, so platzt die Membran der- 


— 214 — 


selben meistens unverzüglich an einem oder an mehreren Punkten. aus dem Risse 
strömt Protoplasma aus und das in den entlegeneren Theilen des Schlauches befind- 
liche rückt in raschem Strome und oft auf weite Strecken hin nach. Ganz besonders 
häufig entsteht der Riss an der Basis der Fruchtkeulen und zwar auf ihrer unten 
liegenden mit dem Wasser zuerst in Berührung gekommenen Seite, es sieht alsdann 
aus, wie wenn das Protoplasma wirklich in die Keule einströmte, allein in allen Fällen. 
welche ich genau untersucht habe, lag eine auf der erwähnten Erscheinung beruhende 
Täuschung vor. Man sollte nun allerdings meinen, eine solche wäre leicht zu ver- 
meiden, aber in Wirklichkeit ist es, wegen der Dicke und Undurchsichtigkeit der 
Keulen und wegen der zahlreichen und oft sehr verworrenen Gabelzweige,. von welchen 
diese umgeben sind. oft sehr schwer den Riss in der Membran und selbst die aus- 
geflossene Protoplasmamasse zu finden. 

Wenn die Keulen ihre definitive Grösse erreicht haben, dann tritt in jeder eine 
der Scheidewand parallele Querwand auf, welche das der anderen zugekehrte Drittel 
einer jeden als besondere Zelle abgrenzt (Fig. 7). Ich will letztere die Fruchtzelle 
und den andern Theil der Keule den Träger oder Suspensor der Fruchtzelle nennen. 
Beide Fruchtzellen sind nach ihrer Abgrenzung noch eine Zeit lang durch die ursprüng- 
liche Scheidewand von einander getrennt (Fig. 7), diese verschwindet jedoch bald und 
beide Fruchtzellen vereinigen sich hiermit zu einer einzigen. Sie verändern hierbei, 
soviel ich wahrnehmen konnte, ihre Form und Structur zunächst nicht, das Protoplasma 
zieht sich nicht von der Wand zurück. Das Verschwinden der Scheidewand beginnt 
mit einem Dünnerwerden und endlicher Perforation ihrer Mitte und schreitet von hier 
gegen den Umfang fort; ich fand sie einige Male (Fig. 8) in der Mitte mit einer 
noch engen, höchst dünnrandigen Oeffnung versehen, den grösseren peripherischen 
Theil dagegen noch erhalten. Es ist wegen der Dicke und Undurchsichtigkeit der Fructi- 
ficationsorgane oft nicht ganz leicht, von dem soeben beschriebenen Entwickelungs- 
gange eine klare Anschauung zu erhalten. Ich bemerke daher, dass ich nach vielem 
Hin- und Herprobiren die besten Präparate dadurch erhalten habe, dass ich die Exem- 
plare des Syzygites einige Minuten in sehr verdünnte Salzsäure brachte und dann in 
Wasser liegend untersuchte. In besagtem Reagens bleibt das Protoplasma gleichförmig- 
körnig und zieht sich meist scharf umschrieben von der Wand zurück, auch trennen 
sich häufig die beiden Lamellen, aus welchen die Scheidewand zwischen den Frucht- 
keulen besteht, nach Einwirkung der Säure leicht von einander, man kann daher das 


Verhalten der verschiedenen Membranen genau beobachten. Wendet man Wasser allein, 


— 215 — 


oder Alkohol. Lösungen von Zucker, Chlorzinkjod, Jod u.s. w. an. so wird die 
Beobachtung meistens unsicher, weil die Membranen platzen, oder mit dem Inhalt col- 
labiren, oder letzterer noch trüber und dunkeler wird als im frischen Zustande. 

Die aus der Vereinigung der beiden Fruchtzellen entstehende Zelle dient der 
Fortpflanzung wie allgemein angenommen und in Folgendem bewiesen werden wird; 
sie entsteht der obigen Darstellung zufolge durch die Verschmelzung zweier ursprüng- 
lich getrennter gleichwerthiger Zellen, also durch einen ächten Copulationsprocess, sie 
wird daher als Copulationszelle oder Zygospore®“) zu bezeichnen sein. Unmittelbar 
nach ihrer Entstehung hat sie die Form und Structur, welche den beiden Zellen zu- 
kam. aus deren Vereinigung sie entstanden ist: also die‘ Gestalt eines zwischen 
beiden Suspensoren quer gestellten Cylinders; auch die dem Rande der Scheidewand 
entsprechende Einschnürung ist anfangs noch vorhanden (Fig. 8). In den meisten 
Fällen nimmt nun die Zygospore noch bedeutend an Grösse zu und erhält die Gestalt 
einer gestreckten oder fast kugeligen Tonne, deren leicht convexe oder ebene End- 
flächen den Suspensoren ansitzen (Fig. 13— 18). Seltener behält sie cylindrische 
Form (Fig. 12) oder bleibt in der Mitte eingeschnürt, wie in Corda’s Figur 14. 
Gleichzeitig mit der Vergrösserung und Gestaltveränderung wird die Membran der Zygo- 
spore stark verdickt und in drei Schichten gesondert, welche schon sehr bald nach der 
Copulation unterscheidbar und zur Zeit der Reife folgendermassen beschaffen sind (Fig. 
10, 13, 14). Zu äusserst verläuft um die Seitenwand der Zygospore eine dünne, glatte, 
erst farblose, später gelblich-braune Haut, welche sich sowohl in die Seitenwände der 
Suspensoren als auch in die Querwände, durche welche die Fruchtzellen zuerst abge- 
grenzt wurden, fortsetzt, also der primären Membran der neugebildeten Zygospore 
entspricht. Dieser Haut innen angelagert ist eine zweite, meist sehr derbe und dunkel- 
braune, welche ich Aussenhaut der Zygospore oder Episporium nennen will; sie 
liegt der primären Haut entweder überall fest an oder ist an den Kanten derart abge- 
rundet, dass hier eine dreikantige ringförmige Lücke zwischen beiden Membranen 
bleibt. Auf den beiden Endflächen der Zygospore ist die Aussenhaut stets glatt, homogen 
und dünner als auf der Seitenfläche; letztere ist mit zahlreichen groben stumpfen War- 
zen bedeckt. welche mehr oder minder stark nach aussen vorspringen und keine Ver- 
dickungen. sondern hohle Vortreibungen der Membran darstellen, daher als helle, von 


Doppellinien umschriebene Kreise erscheinen, wenn man bei Betrachtung der Oberfläche 


’ 


3#) Vergl. meine Untersuch. üb. d. Conjugaten pag. 57-— 65. 


— 216 — 


der Seitenwand, ihre Basis scharf einstellt. Der Aussenhaut innen angelagert ist endlich 
das Endosporium, eine dicke, weiche und zähe, geschichtete glashelle Haut, deren 
Endflächen gleichfalls ganz glatt sind, während die Seitenfläche zahlreiche stumpfe 
Warzen zeigt, die genau in die Höhlungen der Prominenzen der Aussenhaut passen. 
In der ersten Jugend (Fig. 10) sind diese Warzen egleichfalls hohle Vortreibungen 
oder Falten, an der reifen Zygospore (Fig. 14) sitzen sie dagegen als feste 
solide Körper dem Endosporium aussen auf. So sehr dieses auch einer gewöhn- 
lichen geschichteten Cellulosehaut ähnlich sieht, so konnte ich an ihm doch niemals durch 
Reagentien eine Blau- oder Violettfärbung erhalten. In einigen wenigen Fällen fand ich 
bei kleinen reifen Zygosporen die Warzen der beiden Häute nicht oder kaum ange- 
deutet (Fig. 12). Der Inhalt der Zygospore besteht entweder aus einem gleichförmig- 
grobkörnigen dichten Protoplasma von matt orangerother Farbe, oder aus farblosem 
Protoplasma, in welchem zahlreiche dicke orangerothe Fetttropfen suspendirt sind. Letz- 
tere wurden seit Ehrenberg als Sporen, die Zygospore als deren Mutterzelle, also 
Sporangium beschrieben ; erst Tulasne hat den Sachverhalt richtig dargestellt. 

Bis nach Vollendung des Copulationsprocesses bleibt der Fruchtträger wie zu An- 
fang gebaut, nur wird er allmählich protoplasmaärmer. Sind die Zygosporen gebildet, 
so nehmen theils die Suspensoren derselben an Grösse noch zu, indem sie sich entweder 
vorzugsweise in die Länge strecken oder zu birnförmiger Gestalt anschwellen; theils 
findet in den Gabelzweigen, zumal in den haarförmigen Enden derselben noch eine deut- 
liche Längsstreckung statt. Zugleich wird der ganze Fruchtträger durch zahlreiche 
Querwände in zahlreiche cylindrische Zellen von sehr ungleicher Länge abgetheilt 
(Fig. 11), welche, soviel ich beobachten konnte, gleichzeitig in allen Theilen des Frucht- 
trägers zu entstehen scheinen, in den oberen Dichotomien am zahlreichsten sind und in dem 
Stamme oft ganz fehlen. Alle Membranen werden dabei dicker und derber, oft sehr 
stark verdickt und deutlich geschichtet und erhalten eine braungelbe Farbe, welche gegen 
den Grund des Fruchtträgers hin an Intensität stetig zunimmt. Der Protoplasmainhalt 
verschwindet während dessen bis auf spärliche braunwerdende und schrumpfende Reste. 
Der Fruchtträger hat hiermit die Beschaffenheit eines braunen Fadens erhalten, der unten 
einfach, plötzlich reich verzweigt ist; die unteren Ramificationen bilden ein aus ver- 
worrenen Aesten und schwarzbraunen Zygosporen bestehendes Knäuel, welches von den 
gestreckten Enddichotomien wie von einem langen Haarbusche überragt wird. Es wurde 
schon oben gesagt, dass die Fruchlträger in dichten Rasen bei einander zu stehen 


pllegen; ihre Aeste verflechten sich daher oft unentwirrbar in einander und man kann bei 


der Reife meistens den ganzen Rasen wie ein dichtes haariges Fell von dem Substrat 
abziehen. 

Bei der dichten Verflechtung der Träger mit einander ist es oft nicht leicht genau 
zu bestimmen, wie viele Zygosporen an den einzelnen zur Reife kommen. Doch ist 
ihre Zahl gewöhnlich nicht gross und mag in der Regel 2—6 betragen. Kaum ein 
einziges Exemplar dürfte aber vorkommen. an welchem nicht weit zahlreichere Frucht- 
keulenpaare angelegt als Zygosporen gebildet werden. An den Gabelungen, welche die 
reifen Zygosporen überragen, findet man solche Paare in allen Grössen. Sie nehmen, 
wenn jene reif werden, die Structur und braune Farbe der Gabelzweige an, und hier- 
mit steht wie bei diesen ihr Wachsthum still. Was Corda und Bonorden als 
jugendliche Entwickelungszustände der Syzygitesfrüchte abbilden, sind solche verspätete 
und stets unentwickelt bleibende Fruchtanlagen, denn die erwähnten Abbildungen stellen 
überall die Membranen schon braungefärbt dar, fortbildungsfähig sind aber nur ganz 
farblose Exemplare. 

Viele der auf jugendlicher Stufe stehen bleibenden Fruchtanlagen stellen einfache 
flach halbkugelige bis keulen- und birnförmige Aussackungen der Schlauchwand dar, in 
welchen eine Abgrenzung der Fruchtzellen nie zu Stande kommt. Sehr oft findet man 
aber auch solche Keulen, welche die Grösse copulirender erreichen, wie diese die 
Fruchtzellen bilden, aber miteinander nur in loser Berührung stehen, ohne zu verwachsen 
oder gar zu verschmelzen. Nichtsdestoweniger nehmen bei diesen die Fruchtzellen 
meistens genau den Bau der Zygosporen an, sie unterscheiden sich von diesen nur 
durch meistens geringere Grösse, und dadurch, dass ihre an den Suspensor grenzende eine 
Seite glatt bleibt. während die ganze übrige Oberfläche warzig wird (Fig. 11. 19). 
Man kann hierdurch auch bei solchen Fortpflanzungszellen. welche von ihren Trägern 
losgerissen sind, deutlich erkennen, ob sie Zygosporen oder Organe von der letzt- 
beschriebenen Entstehung, die Azygosporen heissen mögen, sind. Erstere haben 
immer zwei glatte runde Endflächen und eine warzige Seitenfläche, bei letzteren ist nur 
ein kleines kreisförmiges Stück der Oberfläche glatt, der ganze übrige meist viel grössere 
Theil warzig. In allen Syzygitesrasen, welche ich untersuchte, habe ich zahlreiche Azygospo- 


ren gefunden. Corda bildet einen Fruchtträger ab, welcher ausschliesslich mit Azygo- 
sporen versehen ist’). 


39) Corda l. e. Fig. 4, Ob solche Exemplare den Azygyles Mougeotii Fries darstellen, wie Corda glaubt, 
oder ob dieses von einem anderen, durch Tulasne aufgefundenen Pilze gilt, !asse ich dahingestellt. Ygl. Fries, 
S. M. III, 330. Tulasne, Sel, fung. Carpolog. I, p. 64. 

Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Td. Y, 28 


— 218 — 


Die ganze Entwickelung der Fruchtträger bis zur Reife wird binnen etwa 24 
Stunden vollendet. Auf geeignetem Substrat vergrössern sich die fruchltragenden Rasen 
von Tag zu Tag in centrifugaler Richtung, wie dies schon von Ehrenberg sehr an- 
schaulich beschrieben worden ist. 

Schon von seinem Entdecker wurde der Syzygites in Gesellschaft der stattlichen, 
fleischige Schwämme bewohnenden Hyphomycetenform gefunden, welche von Link 
Aspergillus maximus und später Sporodinia grandis genannt worden ist‘). In 
der That wachsen beide Pilzformen der Regel nach gesellig bei einander, entweder so, 
dass die langen Fruchtträger der Sporodinia allenthalben in Menge zwischen denen des 
Syzygites hervorkommen, die letzteren überragend und oft ganz verdeckend, oder so, 
dass am Rande des Syzygitesrasens dicht gedrängte oder vereinzelte Sporodinia-Indivi- 
duen stehen. Ich erinnere mich nicht, Syzygitesrasen gefunden zu haben, denen die 
Sporodinia gänzlich gefehlt hätte, wenn diese auch in einzelnen Fällen erst nach mehr- 
tägiger Cultur an dem Rande der Rasen erschien. Sporodinia ohne Syzygiles findet 
man zuweilen. 

Das Mycelium der Sporodinia ist von dem des Syzygites nicht zu unterscheiden; 
gleich letzterem zeigt seine Membran, so lange sie jugendlich ist, die oben beschriebene 
Violettfärbung durch Jod und Wiederentfärbung durch Schwefelsäure. Die fruchttragenden 
Zweige desselben treten an die Oberfläche des Substrats, schwellen hier zu einer viel 
beträchtlicheren Dicke als die in dem Schwammgewebe verbreiteten an, und strecken 
sich zu cylindrischen Schläuchen, welche eine Länge von 1—2 Cm. erreichen. Sie 
sind anfangs aufrecht und bleiben es, wo sie in Menge bei einander stehen. indem 
einer den anderen stützt; wo sie einzeln stehen, da werden sie meistens bald durch 
das Gewicht ihres oberen Theiles niedergebogen. Ihre Spitze theilt sich wenigstens 
fünf- bis sechsmal in kurze, stumpfwinkelig divergirende Gabelzweige; die Theilung ist 
meist regelmässig und streng dichotom und die Verzweigungsebenen der auf- 
einander folgenden Ordnungen schneiden einander rechtwinklig (Fig. 1). Alle Zweige 
sind anfangs ziemlich genau cylindrisch,. die des letzten Grades an der Spitze stumpf 
abgerundet. Bald beginnt in diesen die Sporenbildung, welche genau. der für Mucor 
bekannten entspricht. Die Zweigenden schwellen zu kugeligen Blasen an, in welche 


reichliches körniges Protoplasma einströmt, und welche bald durch eine nach oben con- 


40) Vgl. Ehrenberg, Silv. myc. Berolin. p. 24. Link, in Willdenow. Spec. plant. VI. p. 94. 
Fries, Syst. mycol, II, 378, 88. Erstgenanntes Citat entnehme ich den anderen genannten Schriften, weil 
mir die Silv. mycol. fehlen. 


— A = 


vexe Querwand als Sporangiumzellen von ihrem Träger abgegrenzt werden. Dann zer- 
fällt das Protoplasma der Sporangien mit einem Male in eine Anzahl verschieden grosser 
Portionen, welche ihre Oberfläche rasch abrunden, mit einer Membran umgeben und 
sich zu den Sporen ausbilden (Fig. 2). Die Wand des Sporangiums ist farblos, sehr 
zart und vergänglich. Bringt man reife Exemplare in Wasser, so verschwindet sie 
sofort; an älteren Exemplaren scheint sie immer zerstört zu werden, die Sporen sind 
zu nackten Köpfchen rings um die vorgewölbte (der sogenannten Columella von Mucor 
entsprechende), untere Wand des Sporangiums angehäuft und fallen leicht ab (Fig. 1) 

Bis zur Abgrenzung der Sporangien, oft selbst bis zur Periode der Sporenbildung 
ist der Fruchtträger der Sporodinia ein durchaus querwandloser Schlauch, von Proto- 
plasma erfüllt, welches ich in dem Stamme und den Gabelzweigen immer farblos, in 
den jungen Sporangien dagegen, in Uebereinslimmung mit Tulasne, häufig blass röth- 
lich oder orange gefärbt, manchmal auch farblos fand. Die Membran ist gleichfalls 
farblos, sie zeigt in der Jugend das gleiche Verhalten zu Jod und Schwefelsäure, wie 
bei Syzygites, nur dass die violette Färbung heller ist wie bei diesem. Die Wand der 
Sporangien sah ich (ebensowenig wie die Sporenmembran) nie durch Jod violett wer- 
den. Sobald die Sporangien gebildet sind, oder manchmal noch später, treten in dem 
ganzen Schlauche und seinen Verzwejgungen zahlreiche ordnungslos gestellte Querwände 
auf, alle wie es scheint mit einem Male, eine Erscheinung, welche wiederum an Syzy- 
gites, aber auch an die Mehrzahl der gewöhnlichen Mucorformen erinnert. Zugleich 
schwellen die Enddichotomien, welche die Sporangien tragen, zu breiten, länglichen, 
eiförmigen oder keulenförmigen Blasen an, und gleichzeitig mit diesen Veränderungen 
vermindert sich die Protoplasmamenge bis auf geringe Ueberbleibsel, während die Mem- 
branen allenthalben dicker, fester und grau- oder gelblich braun gefärbt werden 
(Fig. 1). 

Die reifen Sporen (Fig. 3—5) sind meistens rundlich oder breit oval, viele aber 
auch höchst unregelmässig eckig und wunderlich gestaltet; ihre Grösse ist sehr ungleich, 
sie schwankt zwischen Y, und %, Mm. Sie sind mit einer glatten, homogenen, hell- 
braunrothen Aussenhaut und einem sehr zarten farblosen Endosporium versehen und im 
frischen Zustande mit dichtkörnigem Protoplasma erfüllt. 

Nach dem Mitgetheilten ist es einleuchtend, dass zwischen Sporodinia und Syzygites 
in vielen Punkten eine grosse Aehnlichkeit besteht, und wenn man ihr fast conslantes 
geselliges Vorkommen und besonders den Umstand in’s Auge fasst, dass beiden genau 


ein und dasselbe Mycelium eigen ist. so liegt die Vermuthung sehr nahe, dass beide 
28* 


— 20 0 — 


verschiedene Organe einer und derselben Pflanze sind. Bewiesen ist diese Vermuthung 
durch die mitgetheilten Daten allerdings noch nicht, wenngleich in der vollkommenen 
Gleichheit der Mycelien, aus welchen beide Fruchtformen hervorgehen, ein gewich- 
tiges Argument für dieselbe liegt, denn die Mycelien verschiedener Pilzarten oder 
gar Gattungen sind in der Regel, wenn man sie genauer untersucht, weit deutlicher 
von einander verschieden als gemeiniglich angenommen zu werden pflegt. Tulasne 
gibt an, dass die Syzygites- und Sporodiniafrucht auf verschiedenen Zweigen eines 
und desselben Fruchtträgers gebildet werden, ein Verhalten, welches, wenn es con- 
stant vorkäme, jede weitere Beweisführung für ihr Zusammengehören überllüssig 
machen würde. Ich will die Richtigkeit von Tulasne’s Beobachtung nicht bestreiten, muss 
aber doch die erwähnte Erscheinung für eine äusserst seltene halten, denn bei sehr 
zahlreichen Exemplaren, welche ich seit 1856 alljährlich untersucht habe, fand ich 
beiderlei Fruchtformen immer unzweifelhaft je auf besonderen aus dem Substrat her- 
vorkommenden Trägern. Nach diesen Beobachtungen musste ich nach einem weiteren 
Beweise für die Zusammengehörigkeit beider Formen suchen und dieser wird in 
durchaus vorwurfsfreier Weise durch die Keimungsgeschichte geliefert. 

Aussaaten von Zygosporen des Syzygites werden häufig durch die lästigen Feinde 
solcher Untersuchungen, die Chytridien zerstört; doch kann ich wenigstens von einer voll- 
kommen gelungenen berichten. Reife Zygosporen und Azygosporen, am 1. November 
gesammelt, wurden am 5. November möglichst sorgfältig gereinigt und in ein Schälchen 
mit Wasser gebracht, in den nächstfolgenden Wochen zu wiederholten Malen gereinigt 
und mit frischem Wasser versehen. Bis zum 25. November zeigten sie keine Ver- 
änderung; ob eine solche in dem Protoplasma stattfand, musste wegen der Undurch- 
sichtigkeit der brauen Aussenhaut unentschieden bleiben. Am Vormittage des bezeich- 
neten Tages wurde die ganze Aussaat durchgemustert und zwei Keimungen gefunden; 
schon am Nachmittag waren einige weitere vorhanden, bis zum 5. December kamen 
täglich neue hinzu, alle verhielten sich untereinander im Wesentlichen gleich. 

Der Beginn der Keimung (Fig. 15) wird dadurch angezeigt. dass die braune 
Aussenhaut an einer Seite weit aufreisst,. sie wird gesprengt durch die nach allen 
Seiten sich ausdehnende Innenzelle. Diese stellt eine prall gespannte Blase dar, deren 
Membran jetzt, offenbar in Folge der Ausdehnung, weit dünner als zur Zeit der Reife 
und auf der Oberfläche immer ganz glatt ist. Sie ist angefüllt von diehtem. undurch- 
sichtigem (in refleetirtem Lichte weiss aussehendem) gleichförmig leinkörnigem Proto- 


plasma. An der durch den Riss des Episporiums frei gelegten Seite treibt das Endo- 


— 21 — 


sporium alsbald zwei. seltener vier dicht neben einander entspringende Keimschläuche, 
sehr selten nur einen einzieen (Fig. 16 — 18). Die Schläuche entstehen wie die für 
die Keimune der meisten Pilzsporen bekannten. An ihrer Bildung nimmt nur die 
Protoplasmamasse und die diese umkleidende innerste Membranschieht "Theil, die 
äusseren Lagen des Endosporiums werden von dem Schlauche durehbohrt. 

Lässt man die Keimschläuche in Wasser liegen, so verzweigen sie sich meistens 
nahe bei ihrer Ursprungsstelle dichotom,. die Aeste wachsen dann zu einer 
bedeutenden Länge heran. wobei sie sich wellig krümmen oder spiralig winden und 
zuweilen noch einmal diehotom verzweigen. Selten fand ich die Keimschläuche ganz 
unverzweigt. In dem Maasse als sie sich strecken, rückt das Protoplasma mit ihrer 
Spitze vorwärts, das Endosporium wird allmählich entleert. Querwände fand ich in 
jungen Keimschläuchen hier und da vereinzelt (Fig. 17), in der Regel fehlen sie. 
Nach einiger Zeit steht das Wachsthum der im Wasser bleibenden Schläuche still 
und sie sterben ab. Bringt man dagegen Zygosporen, welche in Wasser schon zu 
keimen begonnen haben, auf eine nur feuchte Unterlage, so richtet sich die Spitze 
der Keimschläuche senkrecht auf‘, sie verzweigen sich ein- bis zweimal dichotom, und 
strecken sich dann rasch auf eine Länge von 1 bis 2 Cm.. indem sie gleichzeitig viel 
dicker als die im Wasser wachsenden werden. Mit der Streckung sinken sie meist 
um. so dass ihre Spitze den Boden berührt. Endlich hebt an der Spitze eine neue 
dichotome Verzweigung an: sie erhält alle Eigenschaften der oben beschriebenen 
Fruchtträger von Sporodinia und bildet gleich diesen Sporangien und Sporen. 

Hält man die Zygosporen, bevor sie anfangen Schläuche zu treiben, auf feuchtem 
Boden. so keimen sie wie im Wasser, nur mit dem Unterschiede, dass die Schläuche 
sich von Anfang an senkrecht erheben. Die Sporodiniafruchtträger, welche ihnen 
entsprossen, waren an den beobachteten Exemplaren denen vollkommen gleich, welche 
man im Walde mit Syzygites zusammen findet. Ein Mycelium entwickelt sich bei 
dem beschriebenen Keimungsprocesse nicht. die Sporodinien sprossen immer unmittel- 
bar aus dem Endosporium hervor und entwickeln sich auf Kosten der in diesem aufge- 
speicherten Reservenahrung; letztere wird zur Bildung jener vollkommen aufgebraucht, 
das Endosporium enthält zuletzt nur mehr wässerige Flüssigkeit. 

Den feuchten Boden stellte ich theils dadurch her. dass ich die Zygosporen auf 
Glasplatten in flache Wassertropfen brachte. aus denen sie hervorragten, theils legte 
ich sie auf feucht gehaltene Stücke des Hutes von Hydnum repandum. Auch in dem letzteren 


Falle entwickelte sich kein Myceelium. sondern nur Sporodinia-Fruchtträger aus den 


A 


Au 


Keimschläuchen. obgleich dasMycelium des Syzygiles in genannlem Schwamme gedeiht 
und Frucht trägt. Nach allen diesen Thatsachen ist das Zusammengehören von Spo- 
rodinia und Syzygites auf das bestimmteste bewiesen. und dieser Pilz mehr als viel- 
leicht irgend ein anderer geeignet, um das Vorkommen dilferenter Fructifieationsorgane 
bei einer und derselben Species zur Evidenz zu bringen. Bei der beträchtlichen Grösse 
seiner Organe kann man selbstmit unbewallnetem Auge den beschriebenen Entwickelungs- 
gang fast vollständig verfolgen. 

Die Organe, welche oben als Azygosporen bezeichnet wurden, zeigen, wie 
ich mich mehrmals überzeugt habe, die gleichen Keimungen wie die Zygosporen 
(ie. 19). 

Was endlich die in den Köpfchen von Sporodinia gebildeten Sporen betrifft. so 
treiben dieselben, wenn sie frisch in Wasser oder auf eine feuchte Unterlage gebracht 
werden, schon nach einigen Stunden eylindrische etwas gekrümmte Keimschläuch nach 
einer oder nach zwei Seiten hin. in der Weise, welche für die Mehrzahl der Pilzsporen 
bekannt ist (Fig. 4.) In den Keimschläuchen treten alsbald Querwände auf: eultivirt man 
W assertropfen auf dem Öbjectträger, so verzweigen sie sich, ihre Enden treten sie in 
flachen senkrecht über die Oberfläche des Wassers hervor. nach wenigen Tagen sterben 
sie aber ab, ohne zu fructifieiren. Säet man die Sporen auf die befeuchtete Ober- 
fläche eines fleischigen Schwammes (ich benutzte Exemplare von Lactarius quietus ? 
und Russula rubra), so dringen die Enden der Keimschläuche alsbald in die Substanz 
des Schwammes ein und nehmen hier sofort alle Eigenschaften des oben beschrie- 
benen Syzygites-Myceliums an, welches sich dann in dem Schwammgewebe aus- 
breitet. Es ist nicht schwer, einige Tage nach der Aussaat Myceliumschläuche aus 
den besäeten Schwämmen herauszupräpariren, welche mit den entleerten Sporenmem- 
branen in so deutlichem Zusammenhange stehen, wie die erst wenige Stunden alten 
Keimschläuche. Bei meinen Aussaatversuchen, welche im October und November 
1856 mit im Freien gereifter Sporodinia angestellt wurden. war am Tage nach der 
Aussaat das Eindringen der Keimschläuche leicht zu constatiren. Nun dauerte es 10 
bis 25 Tage bis die ersten Anfänge der Fruchtträger als dicke aufrechte Schläuche 
auf der Oberfläche erschienen und nun rasch Zygosporen bildeten, also die Syzygites- 
form annahmen; in 24 bis 48 Stunden waren die besäeten Stücke von Syzygites- 
rasen bedeckt. Erst etwa 8 Tage nach dem Auftreten der ersten Syzygitesfrüchte 
erschienen im Umkreis der Rasen Sporodinia-Fruchtträger, die sich normal aus- 


qildeten, jedoch in den in Rede stehenden Versuchen immer vereinzelt blieben. 


ad 


Hiermit ist also der Nachweis geliefert, dass sich aus den Sporen der Sporodinia 
ein Mvcelium entwickelt. welches dem Muttermycelium gleich ist und welches zunächst 
Syzyeitesfrucht erzeugen kann. Einige Male ist es mir sogar gelungen. Junge 
Fruchtträger im Zusammenhange mit der entleerten Membran der oekeimten Sporen 
freizupräpariren (Fig. 9). Allerdings waren diese Fruchtträger noch unverzweigt: 
dass sie der Syzygitesform angehörten, dürfte aber nicht zweifelhaft "sein. weil dies 
von allen übrigen galt. Da man übrigens die Sporodiniaform im Freien manchmal 
für sich allein und ohne Syzygites findet, so kann nicht bezweifelt werden. dass sie 
sich auch sofort und als Vorläufer der Syzygitesform aus dem Mycelium. beziehunes- 


weise aus den Sporodiniasporen entwickeln kann. 


Schliesslich will ich nicht unerwähnt lassen, dass mir alle diejenigen Cultur- 
versuche misslungen sind. d. h. keine vollständige Fruchtentwickelung des Syzygites 
gaben, bei welchen die besäeten Schwämme bald nach der Aussaat in Fäulniss über- 
gingen. Mit dem Eintritt des letzteren stand die Entwickelung des Syzygites still auf 
der Stufe, die sie gerade erreicht hatte, selbst die schon angelegten Fruchiträger 
kamen nicht mehr zur Ausbildung. Hiernach scheint Syzygites ein ächter Parasit zu 
sein, der in frischen Schwämmen gedeiht und ihre Fäulniss befördert, durch letztere 
selbst aber gelödtet wird. Fernere ausgedehntere Culturversuche werden hierüber 


bestimmleren Aufschluss geben. 


Fasst man die Resultate der obigen entwickelungsgeschichtlichen Beobachtungen 
kurz zusammen, so ist Syzygites ein Hyphomycet mit zweierlei Fructificationsorganen, 
welche sich der Regel nach auf jeweils besonderen Trägern aus demselben Mycelium 
entwickeln und zwischen welchen theils ein regelmässiger Generationswechsel. theils 
ein minder regelmässige Suecession besteht. Die eine Fruchtform wird durch Zygo- 
sporen dargestellt, welche den Ehrenberg’schen Syzygites speeiell charakterisiren. 
Sie entstehen der Regel nach durch einen ächten Copulationsprocess. sind daher 
(vgl. meine Unters. d. Conjugat. p. 58, 65) den Oosporen verwandter Thallophyten an 
die Seite zu stellen: allerdings kommen auch häufig ihnen in jeder Beziehung ähn- 
liche Organe (Azygosporen) ohne Copulation zu Stande. Die andere Fruchtform ist 
eine durchaus geschlechtslose; die Fortpflanzungszellen. welche sie erzeugt, sind daher, 
der gegenwärtig zu gebrauchenden Terminologie gemäss, als Sporen, die Hyphen, 
auf welchen sie gebildet werden, als Sporenträger zu bezeichnen. Letztere. Link’s 


Sporodinia grandis darstellend. bilden auf den Spitzen ihrer Enddichotomien kugelige 


vergängliche Sporenmutterzellen. in welchen die Sporen in der Weise wie bei Mucor 
entstehen, und gleichen den Sporenträgern der Mucorarten so vollständig, dass sie für 
sich allein von diesen kaum generisch getrennt werden dürften. Der keimenden Zygo- 
spore entsprossen unmittelbar einer bis einige Sporenträger: aus der keimenden Spore 
entwickelt sich ein Mycelium, welches entweder zunächst Zygosporenträger und nach- 
her zwischen und ringsum diese Sporenträger erzeugt. oder wohl auch beiderlei 


Fruchtträger in der umgekehrten Aufeinanderfolge bilden kann. — 


—_— 223 — 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXVI 


Protomyces macrosporus. 


Figur 19 und 20 nach 195facher, Fig. 14 nach 720facher, alle übrigen nach 390facher Vergrösserung 
gezeichnet, 


Fig. 1. Myceliumfaden mit den Anlagen von 4 Sporangien, von denen das eine in der Entwickelung schon 
weit vorgeschritten ist. Aus dem Blattstiele von Aegopodium, und zwar nach einem frischen, nicht 
macerirten Längsschnitt. 


Fig. 2. Reifes, kleines Sporangium, mit seinem Mycelium im Zusammenhange, durch Maceration freigelegt, 
im December. 


Fig. 3— 25. Keimende Sporangien und Sporen, in der ersten Hälfte des Decembers beobachtet, nachdem 
die reifen Sporangien Anfangs November in Wasser gebracht worden waren. Nur Fig. 13 und 14 
stammen von einer anderen Aussaat her. 


Fig. 3. Fetikörnchen des Sporangiuminhalts in der Peripherie aufgelöst, in der Mitte noch einen dicken 
runden Klumpen bildend. 


Fig. 4. Fettkörner verschwunden, durch feinkörniges Protoplasma ersetzt. 


Fig. 5. Beginn des Ausschlüpfens vom Endosporangium. Dieses an der einen Seite vom Episporangium entfernt, 
an der entgegengeselzten Seite dergestalt gegen dieses gedrängt, dass die einzelnen Membranen nicht deutlich 
von einander unterscheidbar. Ob schon ein Riss im Episporangium ist, war wegen der Undurchsich- 
tigkeit des Inhalts nicht zu entscheiden. Das Präparat blieb unverändert von 7—10 Uhr Abends; 
um 10 Uhr 45 Min. war das Endosporangium ausgeschlüpft wie in Fig. 6. 


Fig. 6. Eben ausgeschlüpftes Endosporangium, vor der aufgerissenen Aussenhaut liegend und durch die gequol- 
lene gallertige Mittelhaut an diese angeklebt. 


Fig. 7. Aehnliches, etwas weiter entwickeltes Exemplar. Bildete sich sehr langsam aus: von 9—12 Uhr 


blieb es unverändert; um 4 Uhr war die Bildung der wandständigen Protoplasmaschicht, um 6 Uhr 
die Zusammenballung der Sporen fertig. 


Fig. 8. Beginn der Protoplasmawanderung (anderes Exemplar als Fig. 7, die Aussenhaut ist hier und in den 


folgenden Figuren nicht mit abgebildet, haftete aber in allen abgebildeten Exemplaren dem Endosporangium an). 
Abhandl, d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 29 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


—_— 26 — 


9. Sporangium; in welchem die Bildung der wandständigen Protoplasmaschicht soeben vollendet ist; um 
11 Uhr 20 Min. Vorm. 

10. Dasselbe um 12 Uhr 30 Min. Es ist grösser geworden, das Protoplasma durchsichtiger, mit 
Ungleichheiten und Vacuolen versehen, die ein grobes unregelmässiges Netz bilden, und mit der feinen 


gleichmässigen netzförmigen Gruppirung der Körnchen. 


11. Etwas früherer Entwickelungszustand als Fig. 9 (anderes Exemplar). Centrale Vacuole noch nicht 
fertig gebildet, netzförmige Zeichnung im Protoplasma deutlich. 


12. (Anderes Exemplar) Sporaugium kurz vor Beginn der Sporenbildung, mit anscheinend ganz homo- 


genen, breiten Netzstreifchen. 


13. Sporangium, in welchem die Bildung der wandständigen Protoplasmaschicht nahezu fertig ist, 


entsprechend Fig. 11. 


14. Kleine Stücke des Protoplasma aus demselben Sporangium, nach 720facher Vergrösserung gezeichnet. 
a dem Zustand der Fig. 13, 11 entsprechend, 5b etwas später, Körnchen in mehreren Reihen geordnet, 
Netz daher engmaschiger, entsprechend Fig. 10, 12. c noch später, Körnchen in rundliche Gruppen 
geordnet: Anfang der Sporenbildung. 


15. Sporangium mit eben vollendeter Sporenbildung — etwas weiter entwickelt als Fig. 14c. 


16. (Anderes Exemplar) Sporen an dem Scheitel zusammengeballt, homogene Substanz in Form feiner 
Fäden zu dem Ballen hinfliessend. 


17. Anderes Exemplar, etwas weiter entwickelt, nur mehr wenige Streifchen der homogenen Sub- 
stanz vorhanden. 


18. Dasselbe, wenig später, homogene Suhstanz verschwunden. 
19. Sporangium, dessen Sporenballen und „Scheitel“ an der Seite liegt. b dasselbe nach der Ejaculation. 


20. Sporangium im Moment der Ejaculation. Die Sporen werden in einem Strahl hervorgespritzt; 
5 sind in dem Sporangium zurückgeblieben. 


21. Leere Membranen eines Sporangiums. Einige Sporen kleben an dem Primordialschlauch. 
22. Sporen unmittelbar nach der Ejaculation. 
23. Copulirte Sporen, 3 Stunden nach der Ejaculation. 


24 u. 25. Copulirte Sporen 24 Stunden nach der Ejaculation. Fig. 24 in einem Wassertropfen ohne 
Deckgläschen, Fig. 25 unter Deckgläschen auf dem Objectträger cultivirt. 


25. Junger Protomyces von dem Stiele des Blattes 2 des Aussaatsversuchs I (s. S. 150). Die Abbil- 
dung stellt die Mitte eines ganz jungen punktförmigen Protomycesfleckchens von aussen betrachtet dar. 
Das Präparat wurde erhalten durch einen der Oberfläche des Blattstiels parallelen Schnitt, welche die 
Epidermis sammt der daranstossenden Parenchymlage entfernte. Gezeichnet wurden nur die Umrisse 
der Epidermiszellen und die Fäden des Pilzes soweit sie ganz deutlich sichtbar waren, die Parenchym- 
zellen sind der Deutlichkeit der Figur wegen weggelassen. a und b die Epidermiszellen, an deren 
Grenze der senkrecht durch die Epidermis wachsende Pilzfaden verläuft, Diese beiden Zellen hatten 
einen geschrumpften, gelblich gefärbten Primordialschlauch, während die übrigen gesund und normal 


waren. p die kreisförmige äussere Endfläche des senkrecht durch die Epidermis laufenden Pilzfadens. 
Die übrigen abgebildeten Theile des Pilzes sind zwischen Epidermis und Parenchym ausgebreitet; bei n 
senden sie Zweige in die tiefere Parenchymlage. 


Tafel XXVEER. 


Figur 1—7 Protomyces Menyanthis. 


Fig. 1. (Vergr. 190) Querschnitt durch eine junge Protomyces-Pustel am Blattstiele des Menyanthes. Im 
Innern der Parenchymzellen zahlreiche Protomyces-Sporen. Die Epidermis und ein grosser Theil des 


darunter liegenden Parenchyms war hellbraun gefarbt die weiten luftführenden Intercellulargänge sind 
durch dunklere Umrisslinien angedeutet. 


Fig. 2—5. (Vergr. 390) Längsschnitte durch junge Protomycespusteln am Blattstiel. Die nach aussen 


gekehrte Seite der Präparate sieht auf der Tafel nach Rechts, die nach der Mittellinie des Blattstiels 
gekehrte nach Links. 


Fig. 2. Aus dem jüngsten innersten Theil einer Pustel. In den Parenchymzellen Chlorophyll und Zellkerne 
(n) intact, ‘von einem der Kerne (n*) läuft ein Protoplasmafaden zur Wand. Im Innern der Zellen 
die die Membran durchbohrenden Myceliumfäden des Pilzes mit ihren blasigen Anschwellungen. Sie 


sind bis in die Zellreihe p-p vorgedrungen, einige im Begriff sich in die nächst innere Reihe r-r 
einzubohren. 


Fig. 3. Achnliches Präparat wie Fig. 2. Die blasigen Anschwellungen der Mycelinmfäden zeigen vielfach 
das feine Büschel anf ihrer Spitze. Das Mycelium ist theils bis zur Zellreihe p-p, theils weiter 
nach r-r gedrungen. Es konnte nicht weiter nach aussen verfolgt werden als bis in die Reihe s-s, 
weil diese von der Reihe m-m verdeckt war. 


Fig. 4. Aus dem älteren Theil einer Pustel. In den Parenchymzellen Myceliumfäden mit ihren blasigen An- 
schwellungen,; Zusammenhang beider theilweise deutlich, die Anschwellungen zum Theil grösser geworden 
und mit Körnchen reichlich versehen; eine in deutlichem Zusammenhang mil einem Myceliumfaden, schon 
fast zur Grösse der fertigen Sporen herangewachsen. 


Fig. 5. Sporen verschiedenen Entwickelungsgrades in den mit noch farblosem körnigem Inhalt versehenen 
Parenchymzellen des Blattstiels. 


Fig. 6. (Vergr. 190.) Längsschnitt durch eine reife Pustel am Blatistiel, Reife Sporen in dem braun 
gewordenen Zellinhalt eingeschlossen. 


Fig. 7. (Vergr, 390.) Aus einer reifen, getrockneten Puste) in der Blattlamina durch Maceration frei gelegt. 


a reife Spore. 6 zwei reife Sporen in dem vertrockneten, hart, spröde und braun gewordenen Zell- 
inhalt eingeschlossen. 


Fig. S— 10 Protomyces endogenus. 
(Fig. 8 vergr. 90, die anderen 390.) 


Fig. 8. Querschnitt durch ein von Protomyces bewohntes Internodium von Galium Mollugo (Rinde). 


29* 


—_— 28 — 


Fig. 9. Reife Spore. 


Fig. 10. Mycelium mit Sporen verschiedener Entwickelungsgrade aus tangentialen Längsschnitten durch die Rinde 
des Galium frei präparirt, ohne Maceration. 5b und c jüngste Entwickelungstadien der Sporen. 


Fig. 11 Physoderma Eryngii, (Vergr. 390.) 


a, b, c, Mycelium mit jugendlichen Sporen aus lebenden Exemplaren frei präparirt. d, f, g reife und halb- 
reife Sporen, bei d und f in deutlichem Zusammenhang mit Myceliumfäden, aus getrockneten Exemplaren 
frei präparirt. 

Fig. 12 Physoderma pulposum. <(Vergr. 190.) 

Stückchen des Fasernetzes frei präparirt, mit 2 daran haftenden Sporen, 


Fig. 13 Physoderma maculare. (Vergr. 390). 
Epidermiszelle von Alisma Plantago, in welcher 3 Sporen des Parasiten liegen. Aus einem Längsschnitt durch 


eine Pustel. 


Tafel XXVEIE. 


Exoascus Pruni. Alle Figuren sind nach 390-—-400facher Vergrösserung gezeichnet. 


Fig. 1 u. 2. Von der Oberfläche einer Tasche von Prunus domestica.. Fig. 1 Stückchen Epidermis von 
aussen betrachtet. Mycelium des Exoascus bei p-p zwischen den Seitenwänden der Oberhautzellen 
hervortretend und auf der Aussenfläche der Epidermis sich verbreitend. 


Fig. 2. Myceliumnetz von der Oberfläche einer etwas älteren Tasche, von aussen gesehen. Von den Theilen 
der Epidermis ist nur die vom Pilze freigelassene Spaltöllnung gezeichnet, die Umrisse der übrigen 


Zellen weggelassen. 


Fig. 3. Von der Oberfläche einer Tasche von Prunus spinosa. Hymeniumanlage des Exoascus als einfache 
Schicht rundlich ceylindrischer , dichtgedrängter Zellen entwickelt, die Umrisse der Epidermiszellen ver- 
deckend, diese daher nicht mitgezeichnet. In der Mitte die vom Pilz freigelassene Spaltöffnung. 


Fig. 4 u. 5. Querschnitte durch die Oberfläche junger Taschen von Pr. domestica mit Kalilösung behandelt. 
Zwischen den durchsichtig gewordenen und nicht mit abgebildeten Epidermis- und Parenchymzellen die My- 
celiumfäden des Pilzes, nach aussen tretend und zwischen Epidermis und Cuticula die Hymeniumanlage 
bildend. Fig. 4 dem Entwickelungszustand von Fig. 1, Fig. 5 dem von Fig. 2 entsprechend. ce Cu- 
ticula, A Hymeniumanlage, e Aussenwand der Epidermiszellen. 


Fig. 6. Von der Oberfläche einer Tasche von Pr. Padus. Querschnitt. e, e, Epidermiszellen, c Cuticula 
m durchschnittene unter der Epidermis verlaufende Myceliumfäden. Zellen der Hymeniumanlage cylin- 
drisch, theils noch unter der Cuticula, theils mit ihrem oberen Ende über diese hinausragend, a im 


Begriff die Cuticula zu durchbrechen. 


Fig. 7. Von einer Tasche von Pr. spinosa. c,e, m wie in Fig. 6. Hymenium zeigt Asci verschiedenster 


Entwickelungsgrade. 


— 29 — 


. 8. Einzelne Asei auf ihren (theilweise gezeichneten) Stielzellen. Entwickelungsfolge den Buchstaben 


a—dfg entsprechend. Nach einem ganz frischen Präparat von der Oberfläche einer Zwetschentasche. 


Fig. 9. a eine Gruppe von 8 Sporen, b einzelne Sporen unmittelbar nach der Entleerung (von Prunus domestica). 

Fig. i0. a Gruppe von 8 Sporen, unmittelbar nach der (direct beobachteten) Ejaculation in reinem Wasser 
liegend, 10 Uhr Vormittags. 5b um 10 Uhr 50 Min.; Sprossung an den Sporen beginnend. c um 
11 Uhr 10 Min. d um 12 Uhr; die Gruppe hat sich etwas gedreht und in Folge der Sprossungen 
ihre Anordnung etwas verändert. Um 3 Uhr waren an derselben Gruppe die Sprosse erster Generation 
schon vermehrt und an vielen derselben Sprosse zweiter Generation, die ganze Gruppe deutlich zu 
zeichnen war unmöglich. f ist die mit p bezeichnete Spore von d, um 3 Uhr gezeichnet. 

Fig. 11. Einzelne Spore in reinem Wasser liegend, gleichzeitig mit 10 beobachtet und gezeichnet. a um 
10 Uhr, 5 11 Uhr 50 Min., ce 11 Uhr 10 Min., d 3 Uhr. (Die Sporen von Fig. 11 und 12 
stammten von einer Prunus Padus- Tasche her.) 

Fig. 12, Exoascus-Sporen mit Sprossungen, drei Stunden nach Aussaat der frischen (von Prunus domestica 
stammenden) Sporen in eine etwa 10 procentige, mit Bierhefeauszug (nach Pasteur) versetzte Zucker- 
lösung. Die Aussaat wurde am 14, Mai 12 Uhr Mittags gemacht, die Figuren Nachmittags 3 Uhr ge- 
zeichnet. Das Präparat lag unter Deckglas. 

Fig. 13. Von demselben Präparat wie Fig, 10, am 15. Mai, 10 Uhr Vormittags. Die Figuren stellen die 
Umrisse von einigen der kleineren, übersichtlicheren Sprossgruppen dar. Fast aus allen Sporen 
haben sich solche Gruppen entwickelt. 

Fig. 14. Hymeniumanfänge des Exoascus von der Oberfläche des Kerns eines in einer Tasche von Prunus 
Padus enthaltenen Ovulums. Auf den blasig angeschwollenen Gliederzellen der Fäden sind bei a einige 
junge, aber wie es scheint nicht zur völligen Ausbildung kommende Asci angelegt. 

Tafel XXIX. 
Figur 1— 18 Phallus caninus, 
Figur 1—13 natürliche Grösse, oder wenig darüber. Figur 14 u. 16 390mal, Figur 15 etwa 12mal, 
Figur 17 u. 18 ungefähr 10mal vergrössert. 

Fig. 1 und 1a. Myceliumzweige, Fruchtkörper verschiedener Entwickelung tragend. 

Fig. 2—12. Fruchtkörper verschiedenen Alters, Entwickelungsfolge den Nummern entsprechend. 

Fig. 2. Ganz junger Fruchtkörper, halbirt, die beiden Hälften noch aneinander hängend und von der Schnitt- 
Näche aus gesehen. 

Fig. 3. Etwas älterer; radialer Längsschnitt. 


Fig. 


4. a von aussen gesehen, nat. Gr. b radialer Längsschnitt desselben Exemplars, ein wenig vergrössert 


— 230 — 


Fig. 5. a und 5 wie vorige Figur. 
Fig. 6— 11. Radiale Längsschnitte, natürliche Grösse. 


In Fig. 10 sind die einzelnen Theile durch Buchstaben bezeichnet, nämlich: a Aussenwand, g Gallertschicht, 
i Innenwand der Peridie. 5 Basalstück, k Kegel, s Stiel, sp Stielspitze, gb Gleba. 


Fig. 12. Reifes Exemplar, mit beinahe vollständig gestreckten Stiel, von aussen gesehen. Die Figur, wenn 
auch nur eine mittelmässige Skizze, mag wenigstens ein etwas naturwahreres Bild des Pilzes geben als 
die in allen Büchern wiederkehrenden Copien von Schäffer’s (Fung. Bavar.) Taf. 330. 


Fig. 13. Aehnliches Exemplar wie Fig. 12, halbirt. Die Kammern des untersten 'Theiles vom Stiel noch 
nicht aufgerichtet. 


Fıg. 14. Hyphen, mit oxalsaurem Kalk incrustirt, und kugelige blasige Zellen, welche eine krystallinische 
Kugel dieses Salzes enthalten, tragend; von der Oberfläche eines stärkeren Myceliumstranges. 


Fig. 15. Stück eines dünnen Querschnitts durch die Mitte der Gleba eines Fruchtkörpers auf der in Figur 7 
dargestellten Entwickelungsstufe, bei durchfallendem Lichte gesehen. s Stiel, / Kegel, ö innere Peri- 
dienwand. Die weissen (durchscheinenden) geschlängelten Streifen sind die Tramaplatten, die dunkeln 
die lufterfüllten Lücken zwischen ihnen. 


Fig. 16. Basidien mit Sporen, aus dem in Fig. 8 dargestellten Exemplar. a mit 5 noch unausgebildeten 
Sporen, Basidie noch turgid. Die anderen schon sporentragenden Basidien zeigen schon collabirte, sehr 
blass contourirte Wände; 5b trägt 4, c und d 8, f 7 Sporen. 


Fig. 17. Dinner Längsschnitt durch die Stielwand eines in dem Fig. 11 dargestellten Entwickelungszustand 
befindlichen Exemplars. 


Fig. 18. Ein ebensolcher Schnitt durch die Wand der Stielbasis von Fig. 13. Die oberen Kammern schon 
aufgerichtet und aufgeblasen, die unteren noch zusammengefaltet. In * beginnt die Aufrichtung. 


Figur 19, 20, 21. Phallus impudicus. 


Halbirter Fruchtkörper, von der Schnittfläche gesehen. Natürliche Grösse, Fig. 19 und 20 nach Exemplaren 
welche in Alkohol aufbewahrt waren, Fig. 21 nach einem frischen Exemplar gezeichnet. 
Die Erklärung dieser Figuren findet sich Seite 207 des Textes. 


Tafel XXX. 


Die Figuren auf Tafel XXX und XXXI gehören zu Syzygites megalocarpus, sind daher mit 
fortlaufenden Nummern bezeichnet. 


Fig. 1. Gipfel eines reifen Sporenträgers (Sporodinia), dessen Sporen fast alle schon abgefallen sind, schwach 
vergrössert. 


Fig. 2. (Vergr. 195). Drei Endästchen eines jungen Sporenträgers in sehr diluirter Zuckerlösung liegend, 
Sporangien mit halbreifen Sporen tragend. 


— 231 — 


Fig. 3. Umrisse reifer keimfähiger Sporen, alle 195fach vergrössert. 


Fig. 4. Keimende Sporen, 24 Stunden nach Aussaat in einen Wassertropfen. Vergr. ungefähr 180fach. 


Fig. 5. Zwei gekeimte Sporen, a etwa 200mal, b etwa 90mal vergrössert, 12 Tage nach Aussaat auf 
einen Hut vou Lactarius quietus? a hat nach beiden Seiten Schläuche getrieben, der eine zeigt 
einen Zweig, welcher in die Hutsubstanz eingedrungen war und beim Lospräpariren abgerissen ist; der 
andere ist am Ende angeschwollen zur Anlage eines Fruchtträgers. Der Keimschlauch von 5 theilt sich 
unmittelbar neben seiner Austrittsstelle aus der Sporenhaut in drei Aeste: zwei derselben, deren einer 
abgerissen ist, waren in den Hut eingedrungen. Der dritte erhob sich senkrecht und hat die 


Stärke und Gestalt eines jungen Fruchtträgers. 


Fig. 6. Junger Zygosporenträger mit drei Fruchlkeulenpaaren, an seinem Grunde mit einem kurzen Stuck 
Mycelium, schwach vergrössert. Die einzelnen Fruchtkeulen noch unerwachsen und ungetheilt. Das 
Präparat wurde nur soweit gezeichnet, als es ganz deutlich war ; der eine Hauptast ist daher fast 


ganz und von vielen Gabelzweigen sind die Enden weggelassen. 


Fig. 7. (Vergr. 195). Fruchtkeulenpaar mit sehr verdünnter Salzsäure behandelt. Die Querwände in und 
die noch undurchbrochene Scheidewand zwischen beiden Keulen deutlich. 


Fig. 8. (Vergr. 195.) Fruchtkeule nach Behandlung mit verdünnter Salzsäure aus ihrer Verbindung mit 
einer anderen Keule losgelöst. Aus der in der Mitte offenen Scheidewand tritt das Protoplasma hervor. 


Fig. 9. (Vergr. 195.) Junge Zygospore von ihren Suspensoren getragen. 


Fig. 10. (Vergr. 390.) Stück der Membran derselben Zygospore, freigelegt, schon die Schichtung der 
reifen Zygospore zeigend, 


Fig. 11. Enddichotomien eines vollig reifen Fruchtträgers mit einem Paar kleiner Azygosporen. Vergr. 
etwa 95fach. 


Die Figuren 1, 4, 5, 6 und 11 sind der Raumersparniss wegen nach doppelt so grossen Zeichnungen verkleinert. 


Tafel XXXI. 


Fig. 12. (Vergr. 195.) Kleine, cylindrische reife Zygospore. 


Fig. 13. (Vergr. 195.) Reife Zygospore; Episporium künstlich gesprengt, Endosporium aus dem Riss her- 
vortretend. An der nach oben gekehrten Endfläche des Episporiums hängen Stücke der Membran des 
abgerissenen Suspensors. 


Fig. 14. (Vergr. 195.) Dasselbe Endosporium wie in Fig. 13 freigelegt; Seitenansicht; Endflächen glatt, 
Seitenfläche warzig. 


Fig. 15—18. Zygosporen, in Wasser gekeimt. Vergr. 195, nur in Fig. 17 schwächer, etwa 100fach. 


m 0 


Fig. 15—17 stellen verschiedene Entwickelungsstufen desselben Exemplars dar: Fig. 15. am 25. November 
12 Uhr Mittags gezeichnet; Fig. 16 an demselben Tag 5 Uhr Nachmittags, Fig. 17 am 26. November 
9 Uhr Morgens. 

Fig. 18. Anderes Exemplar in Glycerin liegend. 

Fig. 19. (Vergr. gegen 100fach.) Keimende Azygospore. 


Mineralogische Notizen 
von 
Friedrich Hessenberg. 
No. 6. 


(Fünfte Fortsetzung.) 


Mit 3 Tafeln. 


Eisenglanz vom St. Gotthard. 
Fig. 1—8 


Das Rhomboöder 4R, obgleich am Kalkspath eine so häufig auftretende Gestalt, 
ist dem gegenüber am Eisenglanze wohl eine der seltensten. Wenigstens fand ich 
sie in keinem Handbuch erwähnt, ausser bei Miller (Phill. Min. 1852), dessen Ver- 
zeichniss sie unter dem Zeichen 311 (m) enthält. Ich habe diese Fläche neuerdings 
ebenfalls beobachtet an Krystallen vom Gotthard und zwar unter Verhältnissen, 
welche ihr für das Formensystem des Minerals eine gewisse. seither unerkannt 
gebliebene Wichtigkeit beilegen. Letztere liegt darin, dass das genannte Rhomboeder 
nicht bloss als eine wohl einmal gleichsam zufällig aufgetretene untergeordnete Fläche 
und als eine zusammenhanglose Erscheinung dasteht. sondern dass vielmehr am 
alpinischen Eisenglanze neben ihr eine Reihe von nicht weniger als drei verschiedenen, 
seither gar nicht beachteten Skalenoedern auftritt. welche zu jenem Rhomboeder 4 R 
in einer sehr nahen verwandschaftlichen Beziehung stehen, indem sie nämlich in der 
Kantenzone von 4R gelegen und sämmtlich auf seiner Mittelkante errichtet sind. mit 
mehr oder weniger verlängerten Hauptaxen, sonach gemeinschaftlich unter das all- 
gemeine Zeichen 4Rn>1 fallend. 

Für gewisse Eisenglanzvorkommnisse in der südwestlichen. dem St. Gotthard- 
Hospiz benachbarten, Region des Gebirgstockes ist eines dieser Skaleno@der äusserst 
characteristisch, indem es dort fast an keinem Krystall fehlt. Die anderen beiden 
4Rn treten dagegen am Hauptfundort der nordöstlichen (Tavetscher) Seite auf, am 


Berge Cavradi, als seltenere, aber in ihrem Combinationszusammenhang interessante, 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V, 30 


— 234 — 


in ihrer Ausbildungsweise zierliche und feine Erscheinungen. Betrachten wir diese 
Verhältnisse von Einem zum Anderen fortschreitend, zuerst an den Krystallen der 


letztgenannten Oertlichkeit nun etwas näher. 


Eisenglanz vom Cavradi. 


Die Cavradi-Eisenglanze gewähren in der That bei fortgesetztem Studium einen 
wachsenden Reichthum an Formen. Seit meinen in Heft V. p. 43 (Abh. Bd. IV. p. 
223) dieser Notizen gemachten Mittheilungen erhielt ich aus einer berühmten alten 
Sammlung eine ungemein schöne Gruppe, an deren Krystallen zu acht seither schon 
bekannten Theilgestalten noch zwei neue Skalenoeder, 4R2 und 4R'/, hinzutreten. 
In Fig. 3 findet sich diese Combination abgebildet, nämlich: 

oR.R.AR. oR.— 2R.— YR.4P2.oP2.4R2.4R'Y. 
womit man die Zonenprojection Fig. 2 vergleichen wolle. 

Wir haben also in dieser Combination,. wie schon oben erwähnt, das seltene 
Rhomboeder 4R und zwei auf dessen Mittelkante errichtete Skalenoeder. Da zugleich 
diese Mittelkante durch die sechsseitige Säule zweiter Ordnung &P2 abgestumpft 
ist, so ergibt sich die viergliedrige Zone: 4R.4R2.4R'/). @P2. Um sich eine 
deutlichere Vorstellung von der gegenseitigen Lage dieser steilen Formen für sich zu 
bilden, diene die Fig. 1. eine ideale Vereinigung der vier oben genannten Gestalten 
für sich allein, mit Hinweglassung der übrigen in Fig. 3 damit vereinigten Formen. 

Was nun die zwei neuen Skalenoeder im Einzelnen betrifft. so zeichnet sich 
4R2=f=%a:%a:Ya:c=513 sowohl durch seine sehr schöne, spiegelglänzende 
die besten Messungen gestattende Ausbildung, als durch seinen die Bestimmung 
erleichternden, mehrseitigen, z. Th. sofort augenfälligen Zonenverband aus. Als Zonen- 
olied zwischen 4R und »P2 gelegen, muss es nothwendig ein auf der Mittelkante 
von AR errichtetes Skalenoeder. also des Zeichens 4Rn sein. Da seine Fläche 
aber auch, wie aus der Fig. 3 ersichtlich, zugleich die Kante zwischen — 2 R oben 
und ',P2 unten abstumpft, so leitet sich hieraus für n der Werth =2 ab, somit 
das Zeichen 4R2. Ausserdem fällt 4R2 auch noch als Zonenglied zwischen R 
unten und %P2 oben, ein Verhältniss, welches in Fig. 3 verborgen bleibt, aber in 


der Projection Fig. 2 ersichtlich wird, so wie in derFig. 7, an welcher durch ver- 


— 35 — 


änderte Centraldistanzen andere Flächen zur gegenseitigen Berührung gelangen. Dies 
Bild bezieht sich auf einen Krystall an einem anderen Exemplar, und zwar an dem- 
selben. welches ich in diesen Notizen, V, p. 43 (Abh. d. Senck. G. IV. p. 223) 
besprochen habe, an welchem ich erst nachträglich auch noch die Fläche 4R 2 auf- 
gesucht und gefunden habe. ') 

Alle diese Zonenverhältnisse haben ihre Bestätigung am Goniometer und die 
Bestimmung des Zeichens 4+R 2 ihre weitere Begründung direct in der Vergleichung 
der Messungsergebnisse mit den Rechnungsresultaten gefunden. 

Nimmt man mit v. Kokscharow die Endkanten des Hauptrhomboöders = 86’ 0‘ 


an. so ergibt die Rechnung: 


für das Rhomboeder 4R, die Endkante = 62° 24' 18”, gemessen = 62° 21’ 
die Neigung zu oR= 99° 0'536” Re — 


für das Skalenoeder 4R2, die kürzere Polkante X = 92° 37' 38 
diellängere "3, = 152° 18° 48'', gemessen = 152° 25‘ 
die Mittelkante 7 — 14621811 ar Er) 

Unsere Combination Fig. 3 zeigt ferner zwischen 4R2 und oP2 das noch 
steilere Skalenoöder AR 'Y (v). Es tritt an sehr vielen Stellen der Stufe auf, meistens 
aber parallel der Zonenaxe etwas cylindrisch, also wie mit dem Bestreben, in «P2 
überzugehen. An einigen Stellen sind diese kleinen Flächen jedoch eben, konnten 
daher gemessen und hieraus ihr Zeichen berechnet werden, wozu hinreichende Zonen- 
verhältnisse sonst nicht vorhanden sind. 

Es wurde nämlich die Mittelkante Z des gesuchten Skalenoöders gefunden = 
155" 6‘, zwar nicht direct, aber aus der Neigung zu 4R=161°15‘. Da 4R:4R= 
117° 3542”, so würde für die gesuchte Skalenoeder-Mittelkante 155" 6° folgen. 
Dies entspricht nun aber ganz nahe zutrelliend dem Erforderniss eines Skalenoöders 


mit dem Zeichen: 


!) An diesem Krystall, Fig. 7, tritt noch eine andere interessante Erscheinung hinzu. Es zeigt sich in 
der Zone — 2R.4R2. %, P2, zwischen letzteren beiden noch eine Fläche. Sie gehört dem Skalenoeder R 3, 
dieser am Kalkspath so häufigen Theilgestalt an. In der Projection Fig. 2 ist sie einmal eingezeichnet worden. 
2) Am Kalkspath kommt nach Zippe 4R2 untergeordnet in Combinationen, aber nieht häufig vor. In 
seiner Tabelle S. 150 gibt er dafür die Kantenwerthe an, jedoch für X und Z sehr irrig. Es findet sich 
nämlich angegeben: Y —= 152029’, anstatt 1520 28’ 49" 
X= 88057 „93046: 23% 
Z = 1440 29' 144% 758% 


” 


30* 


— 2356 — 


ARY =%arya:Yarc=1329 

denn für dieses berechnen sich die Kantenwerthe wie folgt: 
Endkante X = 96° 30° 12 
5 Y= 143° 47' 34% 

Mittelkante Z = 155° 9° 30 °) 

Wie die Fig. 3 zeigt, findet sich an der Stufe die Mittelkante Z durch das Prisma 
zweiter Art aP2 abgestumpft. Des letzteren Flächen treten einigemal in sehr 
ansehnlicher Ausdehnung auf, gut gebildet, doch unter den übrigen, sämmtlich äusserst 
glänzenden Theilgestalten als die einzige, welche nur einen unvollkommenen Halb- 
glanz und leichtwellige Unebenheiten zeigt. Das erste Prisma &R ist zwar, eben 
so wie das ihm angrenzende 4R, nur linienähnlich schmal, aber Beide vollkommen 


glänzend. Auf oR fehlt auch hier der bekannte schöne Rutil nicht. 


Eisenglanz von der Südseite des St. Gotthardstockes. 


Nachdem ich einmal an den Cavradi Krystallen das Auftreten einer mehrgliedrigne 
Kantenzone des Rhomboeöders 4 R erkannt hatte, warf sich mir von selbst auch die 
Frage auf, ob nicht an den tafelförmigen Krystallen der, der Gotthard - Hauptstrasse 
näher benachbarten Fundstätten (Fibbia, Sella, Lucendro) gewisse, seither wenig 
beachtete skalenoedrische Flächen als Glieder in dieselbe Reihe gehören möchten. 
Die Krystalle, welche ich meine, sind die wohl sehr bekannten glänzenden prächtigen 
Gruppen, mit theils parallel verwachsenen, theils aber auch hahnenkammförmig aggre- 
girten Individuen, im letzteren Falle wohl auch einem eingerollten Krebs- oder Trilo- 
bitenschwanz nicht unähnlich, zuweilen von ein paar Zollen Durchmesser. Wesentlich 
hexagonale mehr oder weniger dicke Tafeln, aus oR. @P 2 mit Spuren von %P2 
gebildet, tragen sie aber fast stets an den Ecken kleine skalenoedrisch gelegene 
Flächen, oft auch noch sehr untergeordnet das erste Prisma &R. Fig. 4 stellt die 
Art der Gruppirung und die Fig. 5, 6 u. 8 einzelne dieser Krystalle vor. Die 
erwähnten Skalenoederflächen sind zwar stets lebhaft glänzend, aber von einer eigen- 
thümlichen bauchig aufgebläheten und in Kurven feingestreiften Beschaffenheit, so wie 


dies in Fig. 6 anzudeuten versucht worden ist. \WVären die Flächen ohne Ausnahme 


3) Am Kalkspallı ist 4R1V, noch nicht bekannt. 


—_— 2370 — 


derartig, so würde eine Messung und Bestimmung freilich nicht thunlich sein. Glück- 
licherweise finden sie sich jedoch manchmal auch eben, an Stufen, dergleichen sich 
z. B. im Besitz des Herrn Dr. Scharff mehrere vorfinden. Es sind Gruppen aus 
sehr dicken Tafeln, die Randflächen unvollkommen glatt, die basischen Endflächen 
glänzend, aber rosenförmig gruppirt, etwas schüsselförmig eingesenkt. Mit Adular 
und Quarz sich gegenseitig behindernd. Diese Krystalle habe ich am Reflexionsgonio- 
meter annähernd gut messen können und mich überzeugt, dass die Vermuthung, das 
in Gestalt jener kleinen Flächen auftretende Skalenoöder werde ebenfalls in die Kanten- 
zone von +4R fallen. vollkommen gegründet war. 

Doch ist es keines der beiden vorhin betrachteten Skalenoäeder 4R2 und AR", 
sondern wieder ein neues, nämlich: 

ARY.(w)=a: Va: %a:c=4125 
also ein weniger steiles,. dem eingeschriebenen Rhomboeder 4 R näher liegendes als 
jene beiden. Für dieses Skalenoöder berechnet sich: 
Die Endkante X, = 955185104 
» - Y = 162° 13° 7; gemessen = 162° 45° 
„  Mittelkante Z =136° 1'24‘; gemessen 4AR%:wP?2= 158° 
hieraus folgt (158— 90) < 2 = 136 für Z. 
„ Neigung 4R%:oR= 96° 30° 12”; gemessen = 97°. 

Kehren wir zu dem allgemeinen Gesichtspunkt, aus welchem wir diese Studien 
an Gottharder Eisenglanzen eingeleitet haben, nochmals zurück, so müssen wir zuge- 
stehen, dass die Kantenzone von 4R, welche, wenngleich in räumlich untergeordneter 
Flächenausdehnung, doch so vielgliedrig in den Gestalten 4R.AR%,.4R2.4R'Y.oP?2 
auftritt, und wiederkehrt an Fundorten des Gottharder Gebirestocks,. welche drei 
geographische Meilen in gerader Linie auseinander liegen, nicht ohne Wichtigkeit für 
die Betrachtung des Gestaltenreichthums ist, welcher dieses schöne Mineral in den 
alpinischen Regionen ziert. 

Ergänzt man das im Jahr 1858 von Miller gegebene. 32 Eisenelanzflächen 
umfassende Verzeichniss durch Hinzufügung der in diesen Mineralogischen Notizen neu 
eingeführten @P%(0).4R2 (f). AR'Y (v). 4RY,(w), so erhält man 36 Gestalten 
in folgender Uebersicht und in Symbolen nach Naumann, Weiss, Miller und Levy. 


#) Nach Zippe am Kalkspath eine sehr seltene Form, von Haidinger an englischen Krystallen beobachtet. 
(Fig. 6 bei Zippe.) 


| Endfläche . 
Hexagonale Prismen 


Dihexagonale Prismen 


Rhomboeder, positive 


Rhomboeder, negative 


Hexagonale Pyramiden 


Skalenoeder, positive . 


Skalenoeder, negative 


238 


Flächen des Eisenglanzes. 


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1] 


011 
211 
312 
514 
311 
411 
100 
611 
411 
211 
655 
233 
122 
255 
133 
011 
122 


ı 455 


ie 
322 
175 
164 
131 


021 


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513 
13 29 
412 
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133 


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d d% b" 
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bY4 d' d% 


e 
b’ d’ d’% 


e% 


a 


Zinkblende. 


Fig. 17, 19 u. 20 aus Cumberland, Fig. 18 aus Schemnitz. 


An den zahlreichen Blende-Krystallen zweier Stufen in meinem Besitz, von weit 
auseinander liegenden Fundorten, Schemnitz und Cumberland, habe ich das seither an 
diesem Mineral nicht gekannte Triakistetraöder »0: ’) in gut gebildeten Flächen beob- 
achtet. Die Fig. 18 gibt die Form der Krystalle von Schemnitz. Fig. 17 die der 
Cumberländischen. 


Mit 202 ist nicht zu verwechseln jenes andere Triakistetra&der, nämlich >03, 
3 ) 


2 r4 


vergl. Fig. 17. welches mit seinen zwischen die Dodecaöderflächen keilförmig einge- 


schobenen. meist etwas gerundeten Flächen eine allbekannte,. ungemein häufige Er- 
scheinune bei der Zinkblende ist. Verel. Fig. 41. Naumann’s Min. v. 1825: Quenstedt’s 


2 


. 3 02 ,. . 
Handh.. u. a. a. O. Denn, verschieden hiervon. kommt unser —- abstumpfend auf 


die Combinationskante je zweier angrenzenden Dodecaederflächen „0 selbst zu liegen, 


ist also durch seine parallelkantige Begrenzung äusserst leicht von den conisch gestal- 


>03 
D) 


a 


teten 


Flächen zu unterscheiden. bestimmt sich auch sofort in seiner Bedeutung 


nach erfolgter Beobachtung dieser tautozonalen Lage zwischen zwei Flächen »0 und 
andrerseits als Reihenglied zwischen einer Würfel- und einer Tetraöderfläche. Ange- 
stellte Messungen haben indessen wenigstens bei dem englischen Vorkommen zum 


202 
9 


Ueberflusse noch den zukömmlichen Neigungswerth von 
144" 44’. bestätigt. 
>02. 


segen XV mil 


An der Schemnitzer Stufe tritt —— in folgender Combination, Fig. 18, auf: 


ne 202 ‚lies 20 


Es sind ungemein zierliche, glänzend schwarze Zwillingskrystalle, die grössesten 


0 0 


von 5 Mm. Durchmesser. Die Diflerenzirung der beiden Tetraöder ng und ur ist, 


5) In Abth. I. (1856) dieser Min. Notizen (Abh. d, Senck. Ges. Bd. II, p. 183) hat sich bei der Auf- 


zählung der bis damals beobachtet gewesenen Zinkblendeflächen das Zeichen 202 nur in Folge eines Druckfehlers 
2 


p 


anstatt 03 eingeschlichen. 
I 


r4 


— A — 


bei allem Glanz, der Beiden eigen ist und trotz ihres räumlichen Gleichgewichts doch 
recht deutlich. da 2. dreiseitig gleichlaufend mit den 0-Kanten linirt, +) aber 


vollkommen stetig glänzend ist. Auch die Würfel- und Dodecaöderflächen. obgleich 


D D 


von untergeordneter Ausdehnung. theilen diesen Glanz. Nur 9” verhält sich anders. 


Es ist zwar eben, aber matt. fein rauh, dabei oft mit wahrnehmbarer Anlage zu 


einer Furchung parallel der Begrenzungskante mit &0. In dieser Weise zeigt sich 


202 


die Fläche = an der überdrusten Stufe unzähligemal, ja überall. wo man nur eben 
hinblickt; denn die Zahl der deutlich ausgebildeten Krystalle ist ungemein gross. 


Die Flächen des ebenfalls ein Glied der Combination bildenden Deltoidodecaöders 


2 is: za v 
= sind linienschmal auf der Kante zwischen 3 und &0. wurden aber gemessen und 


27 


bestätigt mit 166° 22° Neigung zu 0. Endlich ist noch zu bemerken ein Gegen- 


Yikce e mO0m : Er 
Triakistetraödder — — _—. da es malt ist nach bloser Augenschätzung wahrscheinlich 


303 2 202 
2 


„ welches einer der Krystalle zusammen mit 


recht gut gebildet zeigt. 


Die Cumberländer Stufe ist zwar von weniger elegantem Ansehen, weil die 
Krystalle nicht wie eine drusige Decke ausgebreitet. sondern in ziemlich unregel- 
mässig gestalteten einzelnen Gruppen aufgehäuft sind. Doch vereinigen sie ein noch 
tieferes Schwarz mit dem höchsten Grad des Glanzes und einzelne erfreuen durch eine 
fast modellmässige Regelmässigkeit. welche die Analyse ihrer nicht allzu complieirten 
Gestaltencombination um so mehr als eine leichte Aufgabe erscheinen lässt. Es finden 
sich hier zusammen (vergl. Fig. 17): 

9 303 202 


In. N. ; a a. 
AN. al File) 5 


Man hat hier den Vortheil. die beiden Triakistetraöder. nämlich das seither 


SS 202 6 : EU 
bekannte + —- mit dem neuen + zusammen eombinirt und sich mit einer deut- 


: Me 


lichen Kante an einander absetzen zu sehen. Dabei ist ihre Flächenbeschaffenheit 


303 202 
ungemein verschieden; = ist malt, aber sehr eben; 202 


sehr glänzend. aber 


meistens mit einer Anlage zu cylindrischer Krümmung um die Axe der Zone 0». 


303 202 f 2 £ N } 
aan herum. während hie und da eine leichte Furchung normal zu genannter 
>} DI 


: 2 
Zonenaxe jener Krümmung nachläuftl. Manche Krystalle zeigen jedoch = eben, 


— 4 — 


und an einem solchen fand sich, wie schon oben erwähnt, ein gutes Spiegelbild unter 


144° zu #0». statt der zukömmlichen 144°44‘. Es finden sich Krystalle wo — 


grösser als alle anderen, somit zur vorherrschenden Fläche ausgedehnt erscheint. wie 


es die Fig. 19 u. 20 darstellen, wobei sie dann allerdings, obgleich lebhaft glänzend 
und für das Auge nach ihren Zonenverhältnissen richtig angelegt, doch nicht spiegel- 
mässig eben ist. 

Als Begleiter finden sich bei dem Schemnitzer Exemplar: Bleiglanz in schönen 
&0®.®., Pyrit, Eisenspath, Quarz; an dem Cumberländer: mikrokrystallinischer 
Quarz, Bitterspath und Kalkspath. 


Malachitspath. 


Einige Beobachtungen an Malachitkrystallen von Rezbanya habe ich 1860 in diesen 
Notizen, Nr. 3, S. 31, Abh. d. Senck. Ges. Bd. III. S. 285, mitgetheilt und in der 
Absicht erörtert, über die noch etwas zweifelhaft gebliebene Krystallreihe des Malachits 
Aufklärung zu erlangen. Die Zweifel über das System, die seitherige Unmöglichkeit, 
die parametrischen Elemente zu vervollständigen, hatten ihre Ursache nicht allein in 
der Seltenheit messbarer Malachitkrystalle überhaupt, sondern insbesondere im Mangel 
deutlicher und messbarer Flächen in derjenigen Anzahl und gegenseitigen Lage, wie 
sie zur Systembestimmung erforderlich sind. Man war in neuerer Zeit geneigt, das 
Mineral als monoklinisch zu betrachten; aber die vollständige Bestimmung einer mono- 
klinen Pyramide und folglich auch einer jeden Krystallreihe dieses Systems setzt nicht 
mehr und nicht weniger als drei von einander unabhängige Beobachtungselemente 
voraus (Naumann, Lehrb. d. Kr. II, S. 73). Die am Malachit erhaltenen zuverlässigen 
Neigungswerthe beschränkten sich aber auf nur zwei von einander unabhängige, 
nämlich auf den des Prismas &P und auf den, welchen man als dem schiefen Axen- 
winkel Ü entsprechend betrachtete. Eigentlich beruhte die Annahme eines monoklinischen 
Systems unter diesen Umständen doch immer nur auf einer sich blos auf den äusser- 
lichen Habitus, namentlich der Zwillinge, stützenden Vermuthung. 

Mohs (Naturgesch. v. Mohs u. Zippe, II, S. 175). welcher den Malachit für hemi- 
orthorhombisch gehalten, gibt zwar eine Pyramide als beobachtet an und hat sie auch 


als Grundform berechnet. Dieser Berechnung liegen aber nicht etwa Messungen der 
Ablandl d Senckenb. naturf. Ges. Bd, V_ 31 


— 42 — 


Pyramidenflächen selbst, welche er ja als gekrümmt angibt, zu Grunde, sondern eben 
nur jene Voraussetzung rechtwinkeliger Axen und die für diesen Fall allerdings 
genügenden zwei vorhin erwähnten Beobachtungselemente. Sobald aber die Voraus- 
setzung rechtwinkeliger Axen, wovon wir uns demnächst überzeugen werden, den 
Messungsergebnissen gegenüber nicht mehr haltbar erscheint. so kann auch die 
Berechnung der Grundform nicht mehr zutreffen. 

Die neuesten chemischen und krystallographischen Untersuchungen sind von 
A. Nordenskiöld im Jahr 1855 an Malachitkrystallen von Nischni-Tagilsk angestellt 
und in: Acta Societatis scientiarum Fennicae, tom. IV. p. 60% ff. in Schwedischer 
Sprache und mit Abbildungen begleitet veröffentlicht, aber wie es scheint nicht in 
verdienter Weise bekannt geworden, da man sie an keinem andern Orte erwähnt 
findet, als in der 5. Auflage der Elemente der Mineralogie des Herrn Professor 
Naumann, welchem hochverehrten Freunde ich auch die gütige Mittheilung des Origi- 
nales verdanke. Nordenskiöld hat zwar ausserdem, dass er das Prisma und die 
Schiefe der Hauptspaltfläche nachmass, auch noch Messungen an einer der beiden von 
ihm beobachteten Pyramiden gemacht und diese mit benutzt. um Grunddimensionen 
(a:b:c=1:0,8716 : 0.5195; Z C'= 61° 57°) abzuleiten; allein jene Pyramidenflächen 
waren an den wenigen messbaren Krystallen,. welche sich ihm darboten, stets so 
gekrümmt, und die auf sie und das Verhältniss zwischen Hauptaxe und Orthodiagonale 
bezüglichen Neigungswerthe so schwankend, dass er seine Resultate selbst nur für 
ganz approximative erklärt. 

Kürzlich habe ich das Glück gehabt, an zwei alten Exemplaren von Rhein- 
breitenbach °) so geartete Malachitkrystalle zu begegnen, dass dem seitherigen Mangel 
abgeholfen ist. Dadurch dass diese Krystalle es ermöglichten, ausser den seither 
schon bekannten Neigungswerthen auch noch ein Orthodoma mit Schärfe zu messen, 
war alles gewonnen, was zur sicheren Berechnung der Grundform bisher gefehlt hatte. 

Die beiden Rheinbreitbacher Stufen haben als Träger des Malachits den bekannten 
löcherigen, mit Eisenoxydhydrat durchzogenen Kiesel, welchen man unförmlich nennen 
müsste, stellten sich nicht die Löcher und Kammern bei näherer Betrachtung eigentlich 
als unzweifelhafte pseudomorphe Hohlräume heraus. hinterlassen von einem ver- 
schwundenen krystallisirten Mineral (Kalkspath? Schwerspath?), und deren Wände 


6) Nach gefälliger Mittheilung des Herrn Dr. Krantz wurden Malachitkrystalle zu Rheinbreitenbach im 


Jahr 1825, seitdem aber nicht wieder gewonnen. 


— 243 — 


dann wieder durch kleinkrystallinische Quarz- und Chalzedonbildungen überzogen und 
überwuchert worden sind. In diesen sehr verschieden grossen Hohlräumen sitzt 
bekanntlich der Malachit oft in Begleitung von Lunnit (Phosphorchaleit), beide 
Mineralien die Räume entweder ganz erfüllend oder auch nur theilweise, wo sie dann 
frei auskrystallisiren konnten. Am einen Exemplar (I), welches ich unlängst aus 
einer alten Sammlung erworben habe, findet sich der Malachit in einer Anzahl drusig 
parallel übereinander gruppirter, glänzender Krystalle, sehr verkürzt in der Haupt- 
axe, aber von 4 Mm. orthodiagonaler Länge, zusammen mit Lunnit. die ganze An- 
ordnung etwa so, wie in Fig. 14 ungefähr darzustellen versucht worden ist. Das 
andere Exemplar, seit vielen Jahren Eigenthum des Senckenbergischen Museums, trägt 
eine Gruppe, 19 Mm. lang, 18 breit, bestehend aus nur zwei prachtvollen, % Zoll 
grossen Malachitkrystallen, ohne Begleitung von Lunnit. Dieses Exemplar (ID) sieht 
ungefähr so aus, wie die in natürlicher Grösse skizzirte Fig. 16. 

Der Lunnit in kugeligen, innerlich strahligen Formen am Exemplar I, Fig. 14 
zeigt sich als das ältere Mineral. Er hat einen anderthalb Zoll grossen Hohlraum 
zuerst halb ausgefüllt. Den alsdann noch übrigen freien Raum hat seinerseits der 
Malachit abermals etwa zur Hälfte erfüllt und sich dabei zum Theil an den schon 
vorhandenen Lunnit angelegt; die Krystalle des Malachit schneiden an den sphä- 
rischen Gestalten des Lunnit ab. Sie sind gras- und smaragdgrün ins schwärzliche, 
im ausgezeichnetsten Grade wie Glimmer spaltbar in der Richtung der basischen End- 
fläche oP (welche dadurch einen starken Perlmutterglanz besitzt). drusig in deutlichen, 
lebhaft glänzenden, gruppenweise annähernd parallel zusammenverwachsenen Krystallen 
von 4 Mm. Breite und 1 Mm. Höhe. 

Am Exemplar II finden sich nur zwei ziemlich gleich grosse Krystalle, und 
zwar ohne Begleitung von Lunnit, den Hohlraum im Kieselgestein für sich allein etwa 
halb erfüllend. Stalactitische Aestchen und Fäden klaren Quarzes, wie aus Kandis- 
zucker fein krystallisirt, an jenem Fundorte gewohnte Erscheinungen, berühren auch 
zum Theil die Malachitkrystalle und sind jüngerer Entstehung. Nur die Flächen des 
Prisma und die dem Blätterbruch parallelen, hier zwillingisch gegenüber liegenden 
Flächen (Fig. 16 u. 12) sind schön gebildet; imUebrigen sind diese durch ihre Grösse 
merkwürdigen Krystalle doch flächenärmer und fragmentarischer, als die kleinen der 
Stufe I, erscheinen auch in ihrem auf Bruchflächen entblössten Inneren als nicht stetig, 
sondern verworren krystallinisch gefügt. Ein Theil der Messungen konnte daher aller- 


dings besser an den kleinen Krystallen geschehen; dennoch aber findet sich bei den 


31* 


_— 214 — 


zwei grossen ein wichtiger und für den Zweck parametrischer Studien entscheidend 
hülfreicher Umstand. Diese Krystalle sind nämlich Zwillinge. aber nicht 
nach dem seither bekannten Gesetz gleichlaufend mit oP& verbunden. sondern 
nach dem Orthodoma +Pw. Aus Fig. 12, in welcher die Schraffirung lediglich 
die Lage des Blätterbruchs bezeichnet, wird man dies näher ersehen. Nun ist klar. 
dass wenn man im Stande ist, an diesen Zwillingen die Neigung der zwei Flächen 
oP:d° zu messen, man dadurch auch die Neigung von oP:P& gewonnen hat, 
welche das Complement des halben Winkels oP:: d’ sein muss. Damit ist ja aber gerade 
das längst entbehrte zur Berechnung nothwendige dritte Beobachtungselement gewonnen. 

Kehren wir jedoch zum Ausgang der Untersuchung an den kleinen einfachen 
Krystallen der Stufe I zurück. welche sich in der Fig. 11 von vorne, in Fig. 10 
von neben dargestellt finden. Folgende sind die Theilgestalten, welche diese Krystalle 
dargeboten haben und von welchen nur die vier ersten bisher angegeben zu werden 
pflegten. 

oP.xPw».oPw.mP.Pw.2Pw.P%.2P2. 
c a b m x y d e 
Diese Flächen erscheinen mit folgenden Eigenschaften: 

oP(e) Die basische Endfläche. Perlmutterglänzend, ausgezeichnet blätterig, voll- 
kommen eben und spiegelnd. 

&P& (a) Das Orthopinakoid. Sehr eben, spiegelnd. Schmal, an manchen Kry- 
stallen fehlend. 

&Pw (b) Das Klinopinakoid, mit gleichen Eigenschaften. Zweite Spaltrichtung, 
lange nicht so blätterig und glänzend, als die nach oP. 

&P (m) Das Protoprisma, gleichfalls eben und glänzend. Sehr wenig verlängert, 
daher der niedrige Habitus der Krystalle. 

Px& (x) Ein positives Hemidoma, als ächte Krystallfläche nicht beobachtet; be- 
herrscht aber den Habitus als Resultat eines treppig wechselnden Auftretens von P'%. 
Hauptsächlich jedoch als Zwillingsebene von Wichtigkeit 

2Px& (y) Positives Hemidoma. Klein, weniger glänzend, doch ein zur Messung 
genügendes Bild liefernd. 

P%,(d) Positive Hemipyramide. Nicht breit und stetig gebildet, sondern die beiden 
Flächen von hüben und drüben in vielfach wiederholten Treppenstufen wechselnd, 
welche aber für sich messbar sind. Bilden zusammen eine, den Habitus wesentlich 


mitbestimmende, sehr in die Augen fallende, gefurcht eylindrische Wölbung. 


—_— 295 — 


2P2(e) Positive Hemipyramide. Unvollkommen, noch zweifelhaft, nur in ein- 
maligem Auftreten beobachtet. Die Beschaffenheit erlaubt keine Messung. sondern nur 
eine vermuthungsweise Schätzung der Lage. 

Für die Berechnung der Grunddimensionen benutzte ich folgende durch Messung 
erhaltene vier Werthe, welche bei der guten Beschaffenheit der Flächen und der 
allseitigen Sorgfalt mit welcher verfahren wurde, als der Wahrheit äusserst nahe 
stehend betrachtet werden dürfen. Für das Prisma &P habe ich ausser den Krystallen 
von Rheinbreitenbach auch die von mir früher beschriebenen von Rezbanya aufs Neue 


gemessen und die ganz übereinstimmenden Resultate mit in die Rechnung gebracht. 


aPno:nwPw —y:90, 

oP:wPüberaoP«o = 104° 20‘') 

oP:oPw — 1187107 spp 7610. ZI E 
oP:d’ am Zwilling = 55° 50°”); woraus folgt: 

oP: Po = 180° — nn — 152° 5° 


7) Es wurde nämlich gefunden: 

1. An einem schönen kleinen Krystall von Rheinbreitenbach bei sechs verschiedenen Neueinstellungen und 

zahlreichen Ablesungen: 1040 20° 

1049 18° 

1049 20° 

1040 23° 

1040 21' 

1040 21° 

Mittel 1049 20° 

‚em Krystall von Rezbanya : 1040 22° 

104° 19' 

1049 47° 

1049 25° 

Mittel 1040 21 

3. An einem zweiten von daher: 1049 20° 
7) Nach den älteren Angaben von Mohs sollte das Hauptprisma — 103042’ sein; Nordenskiöld dagegen 


findet 104° 52‘ am Malachit von Nischni-Tagilsk. Man darf diese starken Abweichungen wohl auf Rechnung 
der wenig vollkommenen Krystalle selzen, welche diesen Forschern zu Gebote standen. 


#) Uebereinstimmend bei drei sehr genauen Messungen an einem schönen Krystall von Rheinbreitenbach 
(dem so eben sub. 1. erwähnten). Mohs gab 610 49’; Nordenskiöld 619 57°. 


9) Hierbei dienten die zwei schönen grossen Krystalle aus der Senckenbergischen Sammlung, Fig. 16. 
Sie wurden sorgfältigst justirt und centrirt; das Instrument war in 24 Fuss Entfernung vom Fenster aufge- 


—_— 246 — 


Die sich hier darstellende gute Uebereinstimmung zwischen den beiden. unter sich 
doch keineswegs parallel orientirten, daher als zweierlei Körper ganz dilferenten 
Doppelkrystallen war eine erfreuliche Wahrnehmung. Sie beweist vorerst die Gesetz- 
mässigkeit der Zusammenfügung an sich, d. i. die krystallonomische Zwillingigkeit der- 
selben, und zwar nach einer anderen Theilungsrichtung als die bisher bekannte. Die 
Erkennung dieser Richtung als gleichlaufend mit dem Orthodoma Po ist nicht schwer, 
da sie ungefähr durch die Messungen an einfachen Krystallen ermittelt werden kann, 
aber doch nur ungelähr, weil die hintere Region an den Krystallenden stets mangel- 
haft ausgebildet ist. Für diese ungefähre Kenntniss der Lage von Pxw gewinnt 
man aber nun durch die Ermittelung der Neigung der beiden vortrefflichen basischen 
Flächen oP und d’ eine genaue Correctur und damit zugleich die Vervollständigung 
der uns zur Berechnung des Malachitsystems erforderlichen Anzahl von drei unter 
sich unabhängigen Beobachtungsdaten. 

Indem nun also die oben verzeichneten Werthe zur Berechnung der Grundform 
benutzt wurden, stellte sich als Ergebniss Folgendes heraus. 

Der Malachit krystallisirt monoklinisch; der schiefe Neigungswinkel C ist nach 
directer Messung = 61° 50° und es finden sich: 

Hauptaxe c = 0,468191 
Klinodiagonale b = 1 
Orthodiagonale a = 1.13559 

Adoptiren wir ferner für die Grundformkanten und Hauptschnittwinkel die Be- 

zeichnung, deren sich Naumann in seinen Elementen der theor. Krystallographie, 8. 


320. bedient, so findet sich: 


stellt. Als gleich weit entfernte Objecte dienten eine Spalte im Fenster des verdunkelten Zimmers und das 
Bild derselben im Spiegel des Instruments. So wurden gefunden: 

Am 1. Krystall: bei erster Einstellung 3507514 
zweiler 5 550 41° 
550 41° 
5507577 
550 59: 
550 57° 
550 52° 
Am 2. Kıystall i 5 ? 5 550 49° 
550 50° 
Mittel 550 50° 


n 


_— UT — 


Die basische Kante X füreE = 352132337 
x 4 =B = ‚242 15° 5% 


X+HX = 59928 400 


Orthodiagonale Kante Y für P BITAGT SU 
Yin abe A524 18" 

YrTaY“ —i 135107 26” 

Klinodiagonale Kante ZU für P = 67° 35/12 
217 Wo 39 102 

Zi u. = 147149450 

DD — 118729230 


Winkel ö von X zur Orthodiagonale = 41’ 22° 40” 
„ Klinodiagonale = 48° 37' 20" 
90° 0° 0 


SOME. 15 


hun ,Y, „ „Hauptaxe — 67.394114 
Orthodiagonale = 22° 24’ 49" 


90° 070% 


Sl. 


edel, Klinod. beinE = 20.99. 0% 
a IE VAR nr = 2187407587 
ZA, Hauplaxe „Br = 90.15 04 
Be Zi. BR. 432297225 


Folgende Neigungswerthe wurden aus den berechneten Grunddimensionen ferner ab- 
geleitet, denen wir zur Vergleichvng die mehr oder minder zutreffenden Messungsresultate 
oO 


gegenüber stellen. 


10) Duss die Mohs’schen Grundformkanten (Naturgesch, Bd. II S. 175) sich so weit von den unsrigen 
entfernen, liegt natürlich nicht darin, dass er die doch nur geringe Abweichung von der Rechtwinkeligkeit 
zwischen Pa und P&w übersehen, sondern in der von der unsrigen ganz verschiedenen Axenlage bei 
Mohs. Die Spaltfläche welche wir nach dem Vorgange anderer Forscher als oP nehmen, gilt bei Mohs für 
eine domatische P&®. Demnach ist seine Grundform an sich eine von der unsrigen verschiedene Theilgestalt. 


— 48 — 


berechnet. gemessen. 
OPEN ee. 53 2 ER ARE 
DEREN wear. 41170460367 (suppl.— 62203 2419613 
DPNERE ES Früher Pin) 124° 3/24” v. LU REDRIER FEN 23220, 


PL WEIBI NN 808. LAS 077 RN BEN LEERE A He 
Par E22P2 über ARD A139. 33 
ar: % re TOURNEEN a N REED 
BP nn. 52 ART TROL  EE TERA2E 
DBEREDEn : 2°. ..0412729020% 
DRerEDn. en 3 
eo la sich 0 
oaPo:Po BR la 


Aus dem zuletztgenannten Werthe folgt am Zwilling, Fig. 12, für die beiden Haupt- 
axen und ebenso für oPw:«da = 179’ 30‘, auf der vorderen (minus) Seite, wo 
die zwei Blälterdurchgänge liegen, ausspringend, gegenüber einspringend; und 
ferner berechnet sich ebenfalls an diesem Zwilling: aP:da = 179’ 36’ 20”, wieder an 
der vorderen (minus) Seite ausspringend, an der hinteren mit gleicher Neigung einspringend. 

An einem Zwilling nach P& fallen also die Hauptaxen, Orthopinakoide und Prismen- 
flächen beider Individuen beinahe in einander. Die so geringe Abweichung von 180°, 
d. h. von der vollkommenen Coineidenz und Einspiegelung übersieht das Auge in der 
That gänzlich. Und doch knüpft sich daran die Entscheidung für den vollkommenen 
monoklinen Character des Systems. Denn wäre o?o:w@dw = 180°, so wäre auch 
aran:Pw = 90", statt, wie wir gesehen, = 90° 15‘, und es stände die Zwillings- 
ebene normal zu dem Prisma &P. Man hätte nichts anderes als ein orthorhombisches 
System, freilich mit einer hemiedrischen, monoklinen Spaltbarkeit. Ich hätte mich anfangs 
beinahe verleiten lassen, ein solches Verhältniss beim Malachit anzunehmen, indem ich 
irrig die Zwillingsebene für eine orthorhombische Basis oP nahm und nun fand, dass 
alle Neigungswerthe auf eine bemerkenswerthe Weise beinahe genau mit einer rhom- 
bischen Symmetrie stimmten. Der immerhin verdächtige Gegensatz einer solchen schein- 
baren Symmetrie mit der dazu nicht stimmenden einseitig auftretenden Spaltungsrichtung 
veranlasste eine nochmalige Prüfung auf dem bereits beschriebenen Weg und führte zu 
der Ueberzeugung von dem äusserlich wie innerlich übereinstimmend völlig monoklinischen 
Character des Malachitsystems. Die seitherige Aufstellung, so, dass die dem Blätterbruch 


gleichlaufende Fläche als Basis gilt, wurde als vollkommen zweckmaässig beibehalten. 


— 249 — 


Nachdem diese Studien am Rheinbreitenbacher Malachit stattgefunden hatten, liess 
ich mir es angelegen sein, meine vor drei Jahren gemachten Untersuchungen an sehr 
kleinen Krystallen einer Stufe von Rezbanya (diese Notizen Nr. 3, p. 31) nochmals 
aufzunehmen, die Messungen sorgfältiger zu wiederholen, und ihre damals zweideutig 
gebliebenen Ergebnisse mit den neuen zu vergleichen. Es gelang auch bald, diese 
Krystalle mit den Rheinbreitenbachern zu parallelisiren, so sehr sie auch im Habitus 
davon verschieden sind, wobei dann aber meine früheren Anschauungen der Rezbanyer 
Krystalle in der That eine wesentliche Berichtigung zu erfahren hatten. Fig. 13 zeigt 
die Form dieser ungarischen Krystalle. Dieselben sind keine Zwillinge, sondern 
einfache Krystalle der Combination: @P».P.P%(f); letztere ist keine von den 
Rheinbreitenbacher Pyramiden. 

Die ziemlich vorherrschende pinakoidische Fläche stumpft die schärfere Prismen- 
kante von 75° 40° ab und findet sich zu den anliegenden Prismenflächen unter 127° 
50° geneigt; es ist das Klinopinakoid »Pw. Die das Krystallende abschliessende, 
früher irrig für domatisch gehaltene Flächenkante liegt nicht parallel der längeren, 
sondern der kürzeren Prismendiagonale. Es gehören diese Flächen einer positiven 
Hemipyramide Pn an, welche von der Rheinbreitenbacher P°’% etwas abweicht, jedoch 
sich tautozonal zu ihr und dem klinodiagonalen Hauptschnitt verhält. Ich habe sie 
neuerdings an einem sehr kleinen, aber doch geeigneten Krystall recht genau messen 
können und gegen @Pw mit 104° 27‘ geneigt gefunden. Dies gibt für die klino- 
diagonale Polkante Z dieser Hemipyramide 2.180° — 104° 27'= 151° 6°. Hiernach 
ist man berechtigt, dieselbe für eine P%, zu nehmen, für welche die Rechnung für 
Kante Z 151° 5° 26“ erfordert. 

Etwas Achnliches wie die als noch zweifelhaft gefundene zweite Rheinbreiten- 
bacher Hemipyramide 2P2 zeigte sich auch an Rezbanyer Krystallen (vgl. Fig. 15), 
aber zu klein und undeutlich zur Messung. 

Ich hege jetzt nur den Wunsch, auch noch solchen Malachitzwillingen zu begegnen, 
wie sie seither, nach Mohs, überall angegeben worden und auch von Nordenskiöld 
wieder beobachtet worden sind, nämlich zusammengesetzt nach dem Orthopinakoid 
&Pw. Da Mohs angibt, es fände sich diese Zusammensetzung fast in jeder Varietät, 
erkennbar an den Spaltungsrichtungen, so ist es jedenfalls recht bemerkenswerth, dass 
sich an zwei ganz bekannten Fundorten auch andere Krystalle gefunden haben, zu 
Rheinbreitenbach Zwillinge nach einem von jenem verschiedenen neuen Gesetze, und 


zu Rezbanya einfache Nichtzwillinge. 
Abl:andl d. Senokenb. naturf. Ges. Bd. V. 32 


— 230 — 


Zinnerz. 
(Fig. 9.) 


Aus einer Cornwalliser Grube, wahrscheinlich Wheal Harris zu Camborne, sind 
in neuerer Zeit Zinnerz-Stufen gefördert worden und nach London in den Mineralien- 
handel gekommen, welche mit zahlreichen zierlichen Krystallen, Nichtzwillingen, der 
in Fig. 9 abgebildeten Combination besetzt sind, nämlich: 

DAR 1:3 BE %H@P . oben. 

Unter diesen Theilgestalten sind zwei besonders bemerkenswerth; die ditetragonale 
Pyramide 7PY, ist neu, und das ditetragonale Prisma @P',, zwar unlängst, durch 
Greg & Lettsom (Mineralogy of Great Britain, 1858) beobachtet, ist doch noch 
nicht näher berechnet oder auch nur bestimmt worden. 

Greg & Lettsom geben nämlich unter mehreren Abbildungen Cornischer Zinn- 
erzkrystalle (1. ec. S. 355) auch in ihrer Fig. 5 und 6 solche mit einem ditetragonalen 
Prisma k, geneigt zu @P mit 171° 30‘ Hieraus folgt aber das Zeichen @P%, = 
(»a:1b:%b)= 043, für welches eine einfache Rechnung genauer ergibt: 

»aP%:a@P = 52412" 
oP%:wP%, über @P = 163° 44: 24° 
aPY:»P%, anstossend = 106° 15° 36“ 


Dies Prisma tritt an der in meinem Besitz befindlichen Stufe vielfach nett gebildet 
und in der Messung gut zutreffend auf, wenn gleich allerdings in starkem Maasse an 
den Verzerrungen Iheilnehmend, welche viele dieser Krystalle überhaupt zeigen. 

Die Theilgestalt “@P%, ist nicht allein am Zinnerz neu, sondern ungeachtet des 
einfachen Zeichens überhaupt noch an keinem quadratischen Mineral beobachtet worden. 

Was die neue ditetragonale Pyramide betrifft. so liegt dieselbe tautozonal auf 


der Kante zwischen der Pyramide 3P’% und dem Protoprisma ®P. Diese Lage 
m 


bedingt für sie das allgemeinere Zeichen mP -„ dessen nähere Bezilferung sodann 


m- 
aus der zu messenden Neigung gegen die obengenannten zonenverwandten Flächen 


ermittelt werden muss, wobei die Rechnung auf das Zeichen 7 P% führt. 
Naumann (Mineralogie v. 1828, S. 514) gibt als Grunddimension des Zinnerzes 


die Hauptaxe = V 2 also = 0,.67420. Unter dieser Annahme berechnet sich für 


die ditetragonale Pyramide 7P%, (ef. Naumann, Lehrb. d. Kr. Bd. I, S. 259 f.) 


— 251 — 


Die normale Polkante X = 100° 2 18 
„ diagonle „  Y= 171° 18°52”, wofür bei der Messung gefunden = 170° 43° 
„ Mittelkante Z = 161° 43° 16“ 

Der Winkel T, welchen zwei einander gegenüberliegende Flächen eines normalen 
Mittelecks bilden = 100° 36/54, der Winkel U, welchen zwei einander gegenüber- 
liegende Flächen eines diagonalen Mittelecks bilden = 159° 43’ 48° 

[Die Messung hatte ergeben ”P%: @P = 169° 40°; 
dem entspräche Winkel U = 2 (169° 40° — 90°) = 159° 20°] 

Die Flächen von 7PY, finden sich übrigens bei vielen dieser Krystalle etwas 
eylindrisch und bemerklich gestreift parallel der Zonenaxe, so dass sie zur Messung 
nicht taugen. Die besseren liefern aber scharfe, einfache Lichtrellexe. 

Der Habitus der Krystalle ist ziemlich verschieden, wechselnd von einem Drusen- 
räumchen zum anderen. An manchen wird 3P %. welches in unserer Figur vorherrscht, 
zurückgedrängt durch die Flächen des Scheidels P und Pw, wodurch die Krystalle 
ein ziemlich verschiedenes Ansehen erhalten, abgesehen von den ebenfalls reichlich 
vorhandenen Verzerrungen. Die Krystalle sind dunkelbraun „ die grösseren fast 
schwärzlich, bei zunehmender Kleinheit aber bis zu hellbraun, dann fast durchsichtig 
und innerlich leuchtend. Alle sind einfach, ohne irgend eine Spur jener Zwillings- 
erscheinungen, wie sie doch fast an keinem erzgebirgischen Zinnerzkrystall fehlen. 
Seine beiden Enden zeigt kein einziger. Obwohl in mannigfaltiger Richtung regellos 
stehend, halb und ganz umliegend, sind sie doch Alle mit ihren Prismen eingewurzelt 
im Muttergestein, in welchem sie die Wände aller Hohlräume drusig besetzen, begleitet 
von Würfeln weissen, durchsichtigen Flussspaths. welcher jünger ist. Das Mutter- 
gestein selbst ist ein rauhes, oberflächlich in den Hohlräumen warziges, schmutzig 


grünliches Gemeng, wie es scheint von Chlorit und Zinnerz. 


Sphen von Rolhenkopf im Zillertlhal. 


(Fig. 26 bis 34.) 


Die Mineraliensucher im Zillerthal sind im Frühjahr 1863 durch den Fund aus- 
gezeichneter neuer Sphenkrystallisationen am Rothenkopf belohnt worden. Ich besitze 


davon zehn Exemplare, von welchen ich die grössere Mehrzahl der Güte des Herrn 
32* 


Baudirector Liebener in Insbruck zu verdanken habe. Ein Mineralienfund von solcher 
Zierlichkeit würde schon um dieser allein willen eine Erwähnung verdienen; diese 
neuen Sphene bieten aber auch nach eingängiger Betrachtung sehr bemerkenswerthe 
Verhältnisse, nicht allein neue Beispiele des Auftretens sonst sehr seltener Flächen, 
so wie einiger. welche seither noch gar nicht beobachtet worden sind und welche 
nun den Reichthum der am Titanit gekannten Gestalten aufs Neue vermehren helfen, 
sondern auch den Beweis eines ausgezeichneten Hemimorphismus, welcher sich 
für diese Species seither der Aufmerksamkeit der Forscher noch ganz entzogen hat. 

Diese neuen Sphene sind zwar in Folge ihres Flächenreichthums bei grosser 
Verzerrung sehr mannigfaltig in ihren Gestaltungen, theilen aber andrerseits einige 
gemeinschaftliche Eigenschaften, durch welche man sie, seien sie auch fortan in alle 
Welt zerstreut, als zusammengehörigen örtlichen Ursprungs wahrscheinlich leicht wieder 
erkennen würde. Gemeinsam ist ihnen eine vollkommene Frische, eine schöne zeisig- 
grüne Färbung, Durchsichtigkeit, eine vorherrschend tafelförmige Ausbreitung nach 
oP, die Zwillingsverwachsung nach eben dieser Fläche, der ausgezeichnete Glanz und 
die Glätte der Flächen P& (r) und %,P2 (n), welche aber trotzdem vielfach treppig mit 
einander wechseln und dadurch die Krystalle sehr verzogen erscheinen lassen, endlich der 
bereits erwähnte Hemimorphismus, zufolge dessen alle Krystalle an einem 
Ende anders ausgebildet sind, als am anderen. 

Die Grösse wechselt zwischen 17 bis 36 Mm. Dabei sind sie bei tafelförmiger 
Ausbreitung ziemlich dünn und schwinden mitunter bis zu leicht zerbrechlichen, zarten 
Gebilden, freistehend und nur mit Rändern haftend an ihrer Anwachsstelle. Die meisten 
sind daher bereits schon durch die vielleicht auch nicht genug vorsichtigen Sammler nur 
abgelöst erbeutet und so weiter angeboten worden. An den in Minderzahl vorhan- 
denen Krystallen, welche noch ihrer Unterlage anhaften sieht man, dass das Mutter- 
gestein,. dem sie aufgewachsen sind, ein feinschuppiger, frischer. scharfanzufühlender 
Chloritschiefer ist. Die Sphenkrystalle selbst sind an manchen Stellen mit wurm- 
gestaltigem Chlorit (Helminth) übersiedelt, ein parasitisches späteres Gebilde, wie Volger 
gezeigt hat, dem man die Unterscheidung dieser Species verdankt, augenscheinlich 
auch hier sehr verschieden von dem Chlorit des Muttergesteins. Begleitende Minera- 
lien sind ausserdem Apatit in sehr kleinen wasserhellen,„ diektafelförmigen flächen- 
reichen Krystallen, welche auf dem Sphen selbst sitzen, und Magneteisen, kleine, 
2 Mm. grosse Octaöder, dem Chloritschiefer eingewachsen. 

Mit einer einzigen Ausnahme sind alle mir vorliegenden Exemplare zweifache, 


—— 239 — 


mitunter auch lamelläre vielfache Zwillinge nach oP. Unter den auftretenden Flächen 
sind es besonders die vier folgenden, welche den Habitus bestimmen und an keinem 
dieser Krystalle fehlen, nämlich: oP.4P2(n).Po (r) Po (y). Die auf diese alleinigen 
vier Flächen beschränkten Zwillinge haben das Ansehen der Fig. 26, und Krystalle 
dieser einfachen Gestalt kommen, besonders unter den kleineren, zu Gruppen vereinigten, 
mehrfach unter meinem Besitzstand vor. Als zunächst häufig erscheinen die «P (I) 
Flächen, oft nur als feine Entkantung zwischen r und y (Fig. 26). Meistens sind aber, 
und besonders die grösseren Zillerthaler Sphene ausserdem noch mit einer Anzahl 
anderer mehr oder weniger untergeordnet auftretenden, später zu betrachtenden, Flächen 
geziert, die oft sehr schwierig zu bestimmen sind, da die Krystalle meistens den aller- 
willkührlichsten Verzerrungen unterworfen sind. Die Grösse ist so, dass einzelne 
Individuen mitunter fast 1'% Zoll erreichen, in der Dicke aber gleichwohl 3 Mm. nicht 
überschreiten. 

Ein Blick auf unsere Figuren 26 bis 34 zeigt, wie entschieden diese Sphene 
hemimorph sind, d. h. die Eigenschaft besitzen, sich in der Richtung einer Symmetrieaxe 
polarisch verschieden auszubilden. Man sieht in diesen Figuren das eine Ende stets 
keilförmig zugespitzt durch die Flächen oP und %P2(n), das andere dagegen quer 
abgeschnitten durch das Orthodoma Po (y), wodurch ein auffallender pentagonaler oder 
herzförmiger Habitus entsteht. Dieser Habitus findet sich eben sowohl bei einfachen, 
als bei Zwillingskrystallen und es ist bei einiger Ueberlegung klar, dass er überhaupt 
eine ganz selbstständige, durchaus nicht von dem hemitropischen zwillingischen Phänomen 
abhängige Erscheinung ist. Ein allseitig symmetrisch, also nicht antipolarisch ausge- 
bildeter Krystall würde, wenn auch hemitropisch in 2 Hälften um 180° gedreht, doch 
niemals solche keilförmige Gestalten erzeugen können, wie sie unsere Figuren zeigen. 
Man darf aber nur die Figuren 15 und 22 bei G. Rose (Ueber das Krystallisations- 
system des Titanits, 1921) betrachten, welche gewisse Arendaler Krystalle darstellen, 
um sich zu überzeugen, dass der Hemimorphismus des Titanits, wenn auch nicht als 
solcher ins Auge gefasst, doch eine schon anderwärts beobachtete Erscheinung ist und 
sich also nicht auf ein vereinzeltes lokales Vorkommen beschränkt, sondern eine dem 
Mineral öfter anhaftende Eigenschaft ist. 

Bei den bekannten einaxigen hemimorphen Mineralien, wie Turmalin, Kieselzinkerz, 
Topas, tritt der polare Gegensatz an der bei ihnen schon von der Natur vorgezeichneten 
Hauptaxe auf. Man ist daher gewohnt, die Erscheinungen des Hemimorphismus mit 


der Vorstellung von Oben und Unten zu verbinden. Bei monoklinen Mineralien ist 


_ Bl 


meines Wissens überhaupt noch keine polare Hemimorphie beobachtet worden "'), aber 
jedenfalls müsste sie nicht nothwendig an die Hauplaxe gebunden sein, da deren Wahl 
überhaupt eine mehr willkührliche, nicht immer von der Natur deutlich vorgeschriebene 
ist. Mit dem Titanit ist Letzteres gewiss nicht der Fall, wie die Verschiedenartigkeit 
der ihm von den verschiedenen Forschern untergelegten Grundform und Aufstellung 
beweist. Wir folgen in dieser Beziehung dem Vorgange Naumann’s aus Zweckmässig- 
keitsgründen und bezeichnen bei der angenommenen Grundform die Richtung des Hemi- 
morphismus des Titanit als einen Gegensatz der Ausbildung an den beiden Enden nicht 
der Hauplaxe, sondern der Klinodiagonale. In den Figuren 26, 27, 29, 31 bis 34 
liegt diese letztere in der Ebene des Papiers senkrecht vor dem Beschaner. 

Bei der engen Verknüpfung, welche zwischen den Erscheinungen des Hemimor- 
phismus und jenem der Thermoelectrizität besteht, indem bekanntlich die polar hemi- 
morphen Krystalle sich auch polar eleetrisch zu erweisen pllegen, habe ich keineswegs 
unterlassen, das Verhalten der Zillertaler Sphene in dieser Beziehung zu prüfen, wobei 
ich, mich eines Gemsbarteleetroscops bedienend, das äusserst practische Verfahren befolgt 
habe, welches v. Kobell zur Untersuchung von Mineralien auf ihr electrisches Verhalten 
empfohlen hat (Sitz. Ber. d. kön. Bayer. Ak., 1863, Bd. I, p. 51 ff.) allein gleich- 
wie dieser treflliche Forscher bereits den Sphen als einen electrisch indifferenten 
Körper erkannte, (!. c. p. 56 u. 59) so habe auch ich nur ein negatives Resultat erhalten 
und zweifelhafte Aeusserungen einer electrischen Activilät bei den Zillerthaler Sphenen, 
wenn sie gerieben oder erwärmt wurden, bemerken können. 

Das Studium der mehr individuellen Erscheinungen an unseren Krystallen hat vier 
neue Theilgestalten, sämmtlich positive Hemipyramiden, auffinden lassen. 

%P% (3) Fig. 31 
I GO) 
Por (A429 
Ye Oenw33 
Ehe wir aber die Art ihres Auftretens betrachten und uns ihrer parametrischen 


Ermittelung zuwenden, wollen wir einen Rückblick auf die Gesammtheit der seither 


11) In der frühesten Lieferung dieser Min, Notizen, 1856, Abh. d. Senck. G, Bd. II, p. 175, Sep. Abdr, 
p- 20; Taf. VI, Fig. 18, habe ich allerdings einen Diopsid-Krystall beschrieben, welchem man den Anschein 
einer sehr ausgeprägten Hemimorphie nicht absprechen kann, und man würde diese letztere daher für den 
Diopsid auch gewiss behaupten dürfen, sobald man das wirkliche Vorhandensein dieser Eigenschaft mit einer 
Anzahl, anstatt nur mit einem einzigen Krystall belegen könnte. 


bekannt gewordenen Titanitflächen werfen und auf die trefiliche Bearbeitung, welche in 
dem unlängst 1862 erschienenen Werke eines der ausgezeichnetsten Krystallographen, 
in A. Des Cloizeaux’s Manuel de Mineralogie, unserem Minerale zu Theil geworden ist. 
In diesem reichhaltigen Werke liefert der Verfasser bei jeder Mineralspecies alle bekannten 
Flächen sowohl in eine Zonenprojeclion eingetragen, als in eine Tabelle vertheilt, welche 
die Neigungswerthe zonenweise angeordnet verzeichnet. Aber eine übersichtliche Neben- 
einanderstellung sämmtlicher Flächen in der Art, wie sie Miller (Brooke & Miller 1852) 
bei jedem Minerale gibt, vermisst man doch ungern, da sie bei derartigen Beschäftigungen 
kaum zu entbehren ist. 

Da Des Cloizeaux nur die bei den französischen Mineralogen üblichen Levy’schen 
Zeichen gibt, sich aber wohl kaum Jemand finden dürfte, dem das Ablesen in den 
verschiedenen Bezeichnungsmethoden gleich geläufig wäre; da überdies Des Cloizeaux 
für den Titanit eine ganz andere Grundgestalt angenommen hat, als die Naumann’sche, 
deren wir uns bedienen, so glaube ich dem Leser einen Dienst zu erweisen, wenn ich 
ihm die nicht mühelose Uebersetzung der Levy’schen Zeichen in die uns bequemeren 
Naumann’schen und in eine andere Grundform erspare und nachstehende Tabelle sämmt- 
licher bei Des Cloizeaux eilirter Flächen aufstelle, in Begleitung einiger Bemerkungen 
zu gewissen Flächen und mit Einfügung der nun noch an den Zillerthaler Sphenen neu 


beobachteten vier Flächen. 


Flächen des Titanit. 


= ” 
ss? |K|e ° 
Basische Endfläche oP P\lc hl 
Klinopinakoid . aPo q|b gl 
Brismar 2% oaP3 IM/Im| « 
cn NE oP N b! 
Orthodoma, positiv | %, Po | x 0% Ueber die Zweifelhaftigkeit dieser Fläche vgl. d. Notizen Nr. 3 
(1860) p. 17. 
» n Y;Po» 0% Von Des Cloizeaux für den Greenovit angegeben, aber mit 
2? begleitet. 
n ” ); Po 01 Bei Des Cloizeaux eitirt als beobachtet vom St, Gotthard 
durch — ? 
n a Po x| 02 Haüy, W. Phillips, Miller. Vergl. d. Notizen Nr. 3, p, 17. 


— 3 — 


Flächen des Titanit, (Fortsetzung). 


| 


an; ” 
Es Siüllog 
ss [sg &|.8 8 
Pe — Fr 
5: jej3|°8 = 
= s|%® SaınS 
gr 8} P-} s a 
a'a Bei Rose in Fig. 18 u. p. 26. Gerundet beobachtet; vielleicht 
ein 3,Pw , welches nahe liegen würde. Die Neigungen 
beider Flächen gegen oP würden nur um 1° 11‘ differiren. 
yoıll all Rose p. 32. Diese Not. III, p. 23. Ferner vom Rath an 
Kryst. v. Laach, Pogg. Ann. CXV. p. 467. 
n 5 — Po a%s Aus W. Phillips Min. v. 1837 von Des Cloizeaux aufgenommen; 
wohl irrig! vergl. weiter hier unten. 
Klinodoma . . Po ra er m 
e: \?o |o|o| n2 
n %,Ro ht Bei Des Cloizeaux aus Phill. Min. v. 1857 entnommen, aber 
missverstanden; denn die Fläche P bei Phillips entspricht 
n YPo h? nicht der h! v. Des Cloizeaux, sondern der + Y,Po 
—=0? Diese Zone scheint aber schon mit Irrthümern 
1, Po 2% en 
” 4 von W. Phillips behaftet. Miller hat sie auch nicht auf- 
; genommen. 
Hemipyramide, posit.| 4P4 8 | @% 


n n 167, P 10), e% | £ | Von der Sella am St. Gotthard. Min. Notizen 1860, III, p. 23. 

4 rn 8Pps e% | & | Von Pfitsch. Min. Notizen 1861, IV. p. 18, 

e e 2P2 el | | Ebendaher n „ n ae) m 

A n ınB2 w| w Ist bei Miller angegeben, welcher dagegen Rose’s w —-%,P4 
weggelassen. Sollte hier nlcht ein Versehen stattgefunden 
haben? 

Fi 5 RB \ule & 

5 2 Gyr ı | An Kryst. vom Zillerthal. Dieses Heft p. 260. 

x en AR a ae 5 = »  P- 260, Fig. 29 u.34. 

5 a 14PR ) 

a n, 2/P ö | An Kryst. vom Gotthard. Min. Notizen 1860, III. p. 22 
(Bei Des Cloizeaux nicht aufgenommen.) 

= %P% d’2 | « | An Kryst. von Pfitsch. Min, Notizen 1858, II, p. 253. 

- n 2,22 | k d2? Bei Rose in Fig. 17 u. 18. 

5 en 2,PY 9 | An Kryst. vom Zillerthal. Dieses Heft p. 258, Fig. 31. 

5 n 1,P z d! Bei Miller, ohne Angabe von Combinationen, 

ä RN PAIR En une Kdlz 

f \ Yy,P4 d% |n An Kryst. von Pfitsch. Min. Not. 1861. IV. p. 18. War 
aber am Greenovit schon früher beobachtet. 

n » 2P6 d|u u 

n > yP% A | An Kryst. vom Zillerthal. Dieses Heft p. 259, Fig. 33. 

n negativ — 2, P 2 @ |y | An Kryst. von Pfunders. Min. Not. 1860, III, p. 19. 

er »„ |-P4|w b'k 

„ 3 — 2 B22 Rt E62 lH 

» nn —Pliji © Rose. Siehe üher diese Fläche Min, Not. II. p. 21, von 


der Sella. 


— 21 — 


Für die Aufstellung seines Verzeichnisses der Neigungswerthe hat Des Gloizeaux 
das Titanitsystem durchaus neu berechnet und zwar auf Grundlage seiner folgenden 
Fundamentalmessungen: 

Po: Po = 113°31’ statt seither angenommenen 113° 28° (ef. Miller) 
on 0 ARTN, 2 140° 39° > 
+P.o: pre 19a ns 119° 33° N 

Wie wir schon erwähnten, hat Des Cloizeaux eine andere Grundform als Naumann, 


| 


welchem wir hierin folgen. Die Flächen, welche bei Naumann als Klinodomen gelten, 
stellt Des Cloizeaux aufrecht als Prismen und des Letzteren basische Endfläche ist die 
gewöhnlich mit y bezeichnete. Nach der Stellung und Grundform, welche Des Cloizeaux 
gewählt erhielte also 


Naumann’s oP die Bedeutune von PP» 
[o) 


D) Boa u; „ „op 
„ Pin b) D) oP 
„ — 2P2 >) » » a 


5) +4P2 ” B2) $2) —P 
Indem wir nun die neuen Fundamental-Messungsresultate des trefflichen französischen 
Forschers dankbar adoptiren, aber die gewohnte Naumann’sche Grundform und Stellung 
auch fernerhin beizubehalten vorziehen, berechnen wir aus jenen die uns von nun an 


geltenden Grunddimensionen des Titanitsystems wie folgt: 


Hauptaxe = 1,539438, in Naumann’s Min. v. 1825 angenommen = 1,537 
Klinodiagonle = 1 Husaug san x —H| 

Orthodiagonale = 2,341122 „ ,„ Ban, 5 = 2,342 
NeigungswinkelC = 85° 22:22" , „ BR: Y 185464 


In G. vom Rath’s lehrreicher Abhandlung über den Titanit vom Laacher See (Pogg. 
Ann. CXV, p. 466 f.) bedarf die auf S. 470 befindliche Angabe der Naumann’schen Axen 
hiernach einer bedeutenden Abänderung. 


Wir haben uns nun noch mit den besonderen Formverhältnissen unserer in neun 
Exemplaren sämmtlich hemimorph gestalteten Sphene vom Rothenkopfe näher zu 
beschäftigen, deren Haupteigenthümlichkeiten sich in den 9 Figuren 26 bis 34 dargestellt 
finden, welche wir daher eine nach der anderen näher betrachten wollen. 

Fig. 32 ist ein Zwilling, an welchem sich finden: 


oP.AR2.Po.Po.—2P2.oP.—%P. 


B n r y t l i 
Abhandl d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V, 33 


— 238 — 


die letztgenannten vier Flächen hemimorph auftretend, nur am einen (in der Zeichnung 
oberen) Ende. 

Neue Flächen sind hierunter nicht, aber die ausgezeichnete Art des Auftretens der 
Fläche — Y,P als sehr verlängerte glänzende Entkantung zwischen oP und @P, wie 
es die Figur zeigt, verdient eine besondere Hervorhebung. Diese Fläche, zuerst als 
Seltenheit von G. Rose beobachtet (Krystallsystem des Titanit, S. 15 u. 28) haben wir 
betrachtet in diesen Min. Notizen (1860, Abh. d. S. G. Bd. III, S. 275, und Fig. 4 u. 5; 
Sep. Abdr. Nr. 3, S. 21) an Krystallen von der Sella. 

Fig. 27. Auch dieser Zwilling zeigt keine neuen, doch aber ausgezeichnete Flächen. 
Er ist combinirt aus: oP.YP2.Po.Po. —YP4.—2P2 


P n y Tr w t h 
hemimorph durch das Fehlen von y am unteren Ende. Merkwürdig ist die breite Ent- 


wieckelung der seltenen Fläche — /%,P4, Rose’s w. Der berühmte Forscher hat die- 
selbe in keiner seiner Figuren, gibt aber Auskunft darüber in seiner cit. Abhandlung 
auf S. 83 unten. Er hat sie steis nur ganz klein gefunden. In diesen Min. Notizen 
1861, Nr. 4, S. 18, habe ich sie an Pfitscher Krystallen beschrieben. An der jetzt 
vorliegenden Zillerthaler Zwillingsgruppe ist diese Fläche vom schönsten Glanze, 
gemessen = 131°7° zu n, und = 158° 21’ zu r geneigt. 

Die Gruppe ist ausserdem ausgezeichnet dadurch, dass das eine Zwillingsindivid 
viel kleiner geblieben ist, als das andere. Indem letzteres dadurch zum grossen Theil 
unbedeckt geblieben, fand es unbehinderte Gelegenheit, alle seine beiderseitigen Flächen 
selbstständig gleich einem einfachen Krystall auszubilden und so recht klar zu zeigen, 
was wir oben ausgesprochen, dass der ausgezeichnete hemimorphe, keilförmige Habitus 


gar nichts mit der Zwillingsnatur zu schaffen hat und von ihr ganz unabhängig auftritt. 


Dasselbe zeigt sich wo möglich noch augenfälliger an dem in Fig. 31 dargestellten 
herzförmigen Krystall; denn dieser ist ein wirklich einfacher Krystall, von der Combination: 


le 3 Bro er 
B n y r $ 


Die Flächen y und % treten nur an der einen Seite auf. 

In der Mitte befindet sich, wie die Fig. zeigt, eine eigenthümlich einspringende 
Nische, gebildet aus kleinen Flächen oP und n, und dies gibt den Anschein einer 
Zusammensetzung aus zwei Krystallkörpern, welche, (ein beim Titanit nie beobachtetes 
Verhältniss) das Klinopinakoid @P&@ zur Zusammenselzungsebene haben müssten. Man 


würde sich aber bei dieser Annahme täuschen; denn die vermeintlichen beiden Zwillings- 


— 259 — 


“ 


hälften befinden sich in keiner irgendwie gewendeten Stellung, sondern im Gegentheil 
durchaus parallel orientirt nebeneinander und in einander verlaufend. Man hat es also 
mit einem wenn auch gegliederten, doch krystallographisch einfachen, d. h. nichtzwil- 
lingischen Körper zu thun. 

Die Flächen, welche sich keilförmig zwischen y und n beiderseits einschieben, 
gehören einer neuen positiven Hemipyramide an, welche das Symbol %P% zu erhalten 
hat und welche wir zu mehrer Kürze fernerhin überdies mit © bezeichnen wollen. 
Aus den oben angegebenen Grunddimensionen berechnet sich für dieselbe: 

%:% = 153° 10‘ 8, gemessen 153° 31’ 
3220 —1150029.37: r 129° 57° 
ns 159%, 87 12% Re 158° 56° 
Die Flächen 9 sind eben, aber ein wenig rauh, daher mehr schimmernd als glänzend. 

Eine eigenthümliche Erscheinung zeigt sich in der Mitte des Krystalls, neben der 
Nische, auf den stumpfen dreiflächigen Ecken zwischen nn und oP. Dort schneidet 
der lebhafte Glanz der Flächen n plötzlich scharf, geradlinig und regelmässig ab, und 
der kleine zwickelförmige Rest der Fläche jenseits dieser Grenzlinie ist rauh, wie es 
in der Figur angedeutet ist. Man glaubt, die Ecke durch rauhe Flächen zugeschärft zu 
sehen, überzeugt sich aber, dass der rauhe Antheil nur eine Fortsetzung der Ebene 
von n ist. Merkwürdigerweise ist dies durchaus keine vereinzelte Erscheinung an diesem 
besonderen Krystall; vielmehr gewahrte ich, einmal darauf aufmerksam geworden, die- 
selbe mehr oder weniger deutlich bei fast allen Krystallen der übrigen Exemplare. 

Auch der in Fig. 33 dargestellte Krystall ist seinem Hauptkörper nach ein einfacher. 
Nur bei sehr genauer Untersuchung gewahrt man, dass die ganze Fläche oP mit einem 
überaus dünnen Plättchen in Zwillungsstellung bedeckt ist, welches ringsum genau die 
Grenze von oP des Haupikrystalls mit einhält und nur einen feinen vorspringenden 
Saum bildet. Auf der Zeichnung dies darzustellen ist natürlich weder ausführbar noch 
nöthig. Der Krystall zeigt folgende Flächen: 

oP.E®.),P2.Pw.4P4A.wP3.9,PY, 

1% r n y s M 2 
Die Flächen y)M und s treten hemimorph, nur am einen Ende auf; am enigegen- 
geselzlen nur n und oP, gross ausgedehnt, den Krystall zuspitzend. 

Die Hemipyramide 4PY,(0.) ist neu. Bei Vergleichung der Figuren 33 und 31 
zeigt sich zwar die Aehnlichkeit der Lage der beiderlei Flächen % und % zu beiden 


Seiten von y, aber auch die in die Augen fallende Verschiedenheit der Richtung der 
33% 


— %0 — 


Kante zwischen % und n von der zwischen $ und n. Die Flächen von A sind recht 
gut und ziemlich glänzend ausgebildet. Es vergleichen sich die Resultate von Rechnung 
und Messung neben einander wie folgt: 

) : ) berechnet = 148° 33’ 12’, gemessen 148° 33° 

Asp 2 =. 127° 58,54 a = 


Alle übrigen Flächen, auch die kleinen M und s, haben den höchsten Glanz, so dass 


Il 


die Zone rsM sehr gut nachgemessen werden konnte. 


Der in den Figuren 28, 29 und 30 von drei verschiedenen Seiten gezeichnete 
polarisch hälbliche Krystall wiederholt abermals an seinem einen Ende die einfach keil- 
förmige Zuspitzung durch die alleinigen Flächen oP und n, entwickelt dagegen nach 
dem entgegengeselzten hin einen grossen Reichthum von Flächen, unter welchen die 
Hemipyramide +%,P neu ist. Im Ganzen treten auf: 

oP.-Lm.7,,r2.1,.0.29./,P,.oP. ro bo.@on.-Arı 
P r n 0 y x 1 i q M S 
Die Pyramide °P fällt, weil sie der Hauptreihe angehört, als Zonenglied zwischen 
oP, «P und —%P. Für sie berechnet sich: 
%P:0oP = 129° 30’ 27°, gemessen 129° 30° 
%P: a P = 136° 14° 35” ” 136° 25’ 
7:42 1449422756. 
Sie ist theilweise muschelig, daneben aber auch eben und ganz glänzend, und an letzteren 


Stellen ergaben sich die so gut zutreffenden, erwähnten Neigungswerthe. 


Es liegt noch ein weiterer Krystall vor, welcher in der Zeichnung dem vorigen 
so ähnlich ausfallen würde, dass wir sie ersparen können, An ihm tritt ebenfalls eine 
+ Pyramide in der Hauptreihenzone oP.li auf, überrascht uns aber durch den Befund 
der Messungen, welche die Annahme eines abermals neuen Zeichens, +%,P,:, auf- 
nöthigen; denn es fand sich: 

%P:oP = 124° 14‘, berechnet = 124° 50: 34 
U N a —= 140° 54.26 
VNREHN 5 = 142° 23° 6 

Der Krystall ist ein Zwilling. Die Hemipyramide ı tritt nur einmal, aber sehr 
gut gebildet, auf, einspringend und an die Berührungsebene beider Zwillingshälften 
anstossend. Sie ist vollkommen eben und scharfkantig begrenzt, wenn auch nur mit 
halbem Glanz begabt. 


— 23951 — 


Es ist ein auffallender Umstand, dass diese Sphene eine solehe Anzahl sehr benach- 
barter Gestalten zu bilden streben, welche, wenn sie vereinigt zusammen an einem 
Krystall vorkämen, äusserst nahe zusammen fallen, also sich mit sehr stumpfen Kanten 
berühren würden. Mit den vier Gestalten 4,P7,(9) ,PY(0.) 4P (x) %P (1) würde 
dieses der Fall sein. Wollte man darin den Grund zu einem Zweifel gegen dieselben 
finden. so ist doch ihre Ausbildung so vorzüglich und desshalb das Zutreffen der 
Messungen so befriedigend, auch die parametrischen Zeichen so ungezwungen, dass man 
diese Flächen gelten lassen muss, wenn man dem Thatbestand nicht Zwang anthun und 
das Auge vor ihm verschliessen will. Freilich stellt sich die mannigfaltige Gestaltungs- 
fähiekeit dieses Minerals immer bewunderungswürdiger heraus, je mehr man sich in das 
Studium seiner einzelnen Erscheinungen vertieft, und in dieser Beziehung wird der 
Titanit kaum mehr durch ein anderes Mineral übertroffen. 

Ungemein interessant ist der Krystallstock, von welchem die Fig. 34 versucht, 
eine Vorstellung zu geben. Der erste Anschein ist so, dass man glaubt, es seien zwei 
unserer im Vorhergehenden beschriebenen keilförmigen Krystalle mit oP in entgegen- 
geselzt polarer Lage auf einander gewachsen, also so, dass wenn z. B. der untere 
Krystall sein spitzes Ende dem Beschauer der Zeichnung zukehrte, der darüber liegende 
das seinige ihm abwendete. Mit diesem Gegensatz des polaren Verhaltens an sich hat 
es auch seine unleugbare Richtigkeit; aber merkwürdigerweise gehören die beiden sich 
so verschieden verhaltenden Hälften nicht zweien, sondern nur einem einzigen Individuum 
an, in dem Sinn und mit dem Wahrzeichen, dass jede vorhandene Spaltbarkeitsrichtung 
sich ununterbrochen durch das Ganze fortsetzt, was bei einem Zwilling nach oP natür- 
licherweise nicht der Fall sein könnte. Aber ein Zwillingsverhältniss finden wir, bei 
genauerem Zusehen, an unserem Krystallstock dennoch. Der in Fig. 34 schraffirte 
Theil, die grosse Fläche oP, ist in Wirklichkeit ein besonderer Krystall, eine papier- 
dünne, am Rande mit einspringendem Winkel gegen P® und %,P vorstehende Platte, 
welche sich zu dem ganzen Uebrigen in Zwillingsstellung befindet, dabei aber nicht 
ganz durch und durch setzt, sondern auf der linken Seite (der Fig. 34) in dem übrigen 
Körper nur gleichsam eingetaucht ist und darin ihr Ende findet, so dass diese Platte 
sich wie in einer Umarmung oder wie in einer Zange von dem übrigen Theil umfasst 
findet, welchen wir in der Figur unschraffirt gelassen und vorhin als gefügeeinig 
(homotom) erkannt haben. Wirft man sich die Frage auf, wie dieses so gekommen 
sein könne, so scheint hier ursprünglich ein polarisch hemimorpher Zwilling nach Art 


der in den Fig. 26, 27, 32 betrachteten angelegt gewesen zu sein, hierauf aber dessen 


— 22 — 


eines Individ fortwachsend sich vergrössert und das zweite papierdünne Individ einseitig 
von der Symmetrieebene des Ganzen überwuchert und umschlossen zu haben, bei welchem 
letzteren Akt aber merkwürdigerweise die Richtung der diese Sphene beherrschenden 
polaren Hemimorphie in dem fernerhin zuwachsenden Theile des Krystalles geradezu 
umgekehrt worden ist. So bildeten sich also an einem und demselben Individ, z. Th. 
direct zusammenhängend, z. Th. durch einen Zwischenkörper getrennt, zwei Hälften mit 
entgegengesetzt gerichteter Hemimorphie. 

Dieser merkwürdige Krystallkörper ist in der einen Richtung Zollgross, schön 
urangrün und vollkommen durchsichtig. Einige abgebrochene oder mangelhaft aus- 


krystallisirte Stellen konnten in der Zeichnung folgerichtig ergänzt werden. 


Wir haben schliesslich an den hier beschriebenen Zwillingen hemimorph gebildeter 
Sphene noch ein wichtiges Verhältniss ins Auge zu fassen, nämlich das Gesetz ihrer 
zwillingischen Verwachsung, welches uns bei näherer Untersuchung in Bezug 
auf die Drehungsaxe wesentlich verschieden erscheint von dem Gesetz der seither 
bekannten alpinischen Sphenzwillinge, jener eigentlichen Hemitropieen, welche sich in 
vielen Lehrbüchern abgebildet finden. 

Gemeinschaftlich ist nämlich allerdings allen T’tanit-Zwillingen die Eigenschaft, die 
Basis oP zur Berührungsebene zu haben. Indem man dies ausspricht, hat man aber 
die gegenseilige Lage der componirenden Individuen, oder Hälften solcher, noch nicht 
vollständig präcisirt. Es bleibt innerhalb jener Eigenschaft noch Spielraum für Ab- 
änderungen, so lange man nicht zugleich mit angibt, um welche Axe ihre Drehung 
zu denken sei. 

In der That finden wir bereits in Naumann’s vortrefflichem Lehrbuch der Krystallo- 
graphie, 1930, Bd. II, S. 345 das Geselz für die Zwillinge des Titanit in zweierlei 
Weise ausgedrückt, nämlich: 

„Zwillingsaxe die Normale von oP, oder 
„Zwillingsaxe die Klinodiagonale. 

In der darauf folgenden Beschreibung mannigfaltiger Krystallisationen des Minerals 
ist indessen nicht weiter Bezug auf die Consequenzen jener Alternative genommen 
worden, und später, in allen Auflagen seiner „Elemente der Mineralogie* hat Naumann 
sogar die Angabe der Klinodiagonale als Zwillingsaxe wieder aufgegeben und nur die 


Normale zur Basis erwähnt. 


— 38 - 


Die neuen Zillerthaler Sphen-Zwillinge beweisen, wie nothwendig die Unterscheidung 
und Annahme einer Drehung um die Klinodiagonale für sie ist. 

Ein gewöhnlicher Sphenzwilling ist offenbar als eine eigentliche Hemitropie zu 
betrachten, d. h. als ein Krystall aus zwei Hälften, deren eine um die Normale auf der 
Zwillingsebene oP mit 150° gedreht ist. 

Betrachtet man jedoch z. B. unseren Zwilling Fig. 27, dessen beide, in der That 
auch eher wie zwei Individuen als wie zwei Hälften erscheinende, Componenten hemi- 
morph, in unserer Zeichnung oben anders als unten, gestaltet sind. Denke man sich 
nun an einem Modell diese beiden Componenten zuerst völlig parallel orientirt überein- 
ander gelegt, und stelle sich nun die Aufgabe, sie in die Lage zu bringen, welche sie 
in Fig. 27 haben, so wird man sich sogleich überzeugen, dass man sie nicht wie 
jene anderen Zwillinge um eine Normale auf oP drehen darf, sondern dass das 
einzig zum Ziel führende Verfahren darin besteht, einen der Componenten um seine 
Klinodiagonale zu drehen. Denn nur auf diese Weise werden auch nach erfolgter 
Drehung die gleichartigen Enden beider Componenten wieder zusammen zu liegen 
kommen. Mit eigentlichen Hemitropien, in so fern bei diesen die Drehung immer um 
eine Normale zur Zwillingsebene erfolgen muss, hat man es also hier gar nicht zu thun. 

Es ergibt sich also die Nothwendigkeit für die Zwillinge des Titanit das allge- 
meine Bildungsgeselz: 

Berührungsebene die basische Fläche oP 
in folgender Weise zu zerfällen: 

Zwillingsaxe entweder: 

1) die Normale von oP (Hemitropien v. Gotthard, Pfitsch u. s. w.) oder 
2\ die Klinodiagonale (Hemimorphe Zwillinge vom Zillerthal). 


Linarit (Bleilasur) aus Cumberland. 


(Fig. 21 bis 25.) 


Dies prachtvoll krystallisirfähige noch immer nicht häufige Mineral gehörte lange 
Zeit zu den allerseltensten, da man es ausser derb nach zweifelhafter Angabe von einem 
Spanischen Fundort (Linares), mit Sicherheit nur von Leadhills her kannte. Die Suzanna- 


vein daselbst lieferte es in Krystallen, welche von Sowerby entdeckt, jedoch verkannt, 


— 204 — 


nämlich für Kupferlasur gehalten wurden (Mineralogie von England, III, 5). Aber kurze 
Zeit darauf, erhielt man durch Brooke’s verdienstliche Untersuchungen nähere Belehrungen 
über alle wesentlichen Eigenschaften des neuen Minerals, welche eine Reihe von Jahren 
hindurch eine thatsächliche Erweiterung kaum mehr gefunden haben, nämlich bis 1858, 
wo dann Greg an den Krystallen des 1852 an neuen Cumberländischen Fundorten ent- 
deckten Linarites eine ganze Anzahl neuer Formen beobachtete (Greg & Leitsom, Min, 
of Great-Britain, p. 395). Was man aber in den von 1837 an bis heute erschienenen 
ausführlicheren Handbüchern der Mineralogie über dies Mineral findet, beschränkt sich 
im Wesentlichen auf die Resultate von Brooke’s Beobachtungen und ist nur verschiedentlich 
dargestellt, je nach der Methode des einen oder anderen Authors. 
Von Brooke war das Mineral Cupreous Sulphate of lead, auch Linarit benannt 
worden. Seine Analyse ergab als Bestandtheile: 75,4 Schwefelsaueres Bleioxyd, 
15,0 Kupferoxyd, 
4,7 Wasser. 
Eine im Jalır 1840 von Thomson wiederholte Analyse brachte etwas abweichend 
Biss 14:8 
Eur =,1947 
H = 
beides ziemlich entsprechend einem Pb $S+ CuH, einer Verbindung von gleichen Aequi- 
valenten Bleisulphat mit Kupferoxydhydrat. Auch ermittelte Brooke durch Messungen den 
monoklinen Character mit orthodiagonaler Streckung und berechnete eine theoretische 
Grundform, unter Annahme der besten Spaltungsrichtung als «Pw und der zweiten 
als eines positiven Hemiorthodomas. Dieselbe Grundform wurde beibehalten von Mohs 
& Zippe (1839), Breithaupt (1841), Hausmann (1847), Naumann (1850 bis 1859). In 
alle diese vortrefllichen Werke hat sich jedoch dabei ein Irrthum vererbt, der gewiss 
früher bemerkt worden wäre, wenn man sich überhaupt mehr mit dem seltenen Mineral 
beschäftigt hätte. Die Annahmen: 
Schiefer Winkel (U = 84° 15° 
IE 0. @E 0 — 172.15 
—Pao:oPw = 74°25' 


sind nämlich, wovon man sich in wenigen Minuten durch eine Linearconsiruetion über- 


zeugen kann, unter sich unvereinbar, weil eine positive Fläche mit der Neigung 77° 15’ 
zur Hauptaxe ein doppelt so grosses Stück dieser Letzteren abschneidet, als es durch 


—P» geschieht. Mithin müsste entweder erstere Fläche das Zeichen +2Px», statt 


— 165 — 


+Po oder letztere —%P& statt —Pw erhalten. Brooke’s Grundform erfordert das 
erstere. Es muss also stehen: +2Po:ePwo = 1115 
-Po:oPw = 7425‘ 

Miller (Phil. Min. 1852) führte, unter geringer Abänderung der alten Neigungswerthe, 
eine neue Grundform ein, indem er nämlich die zweite Spaltungsrichtung zur basischen 
Endfläche nahm, mit Beibehaltung der ersten als @P=®. 

Hierdurch wird also: 

2P& der Brooke’schen Grundform zu oP der Miller’schen; 
-Po® » » » 2) Po » » 
oP 5 5 5 „PR, ni u.8.w.”) 

Bis zu der Zeit, da Miller’s Bearbeitung von Phillips’s Mineralogie erschien, kannte 
man keine anderen Linarit-Flächen, als die, welche schon Brooke beobachtet hatte, und 
welche sich in Fig. 84 von Mohs-Zippe, Fig. 335 von Dufrenoy und Fig. 550 von 
Miller abgebildet finden. Sie haben die folgenden Zeichen, unter Beziehung auf Miller’s 


Grundform : aPo.aPm.oP.4Pw.%Pw.\Pw.2Po.wP.Pw 
a b @ d 0 t u M 8. 


Man sieht, dass mit Ausnahme des Klinopinakoids b und Prismas M alle Flächen 
sich auf die eine verticale Zone beschränken, welche von der Orthodiagonale als Axe 
beherrscht wird. In der That bieten die bis dahin ausschliesslich genauer gekannten 
Krystalle von Leadhills keine anderen Formen. Eine pyramidale Grundform (111) =P 
ist auch bei Miller nur ein theoretisches Requisit'”) und findet sich nicht unter den 
beobachteten Flächen. 

Uebrigens findet sich bei Miller bereits, und wohl zum erstenmale, auch Cumber- 
land als Heimath des Linarit erwähnt. Dennoch scheinen die ausgezeichneten reich- 
gegliederten Krystalle dieser Localität anfangs noch nicht gefunden, oder längere Zeit 
hindurch wenigstens nicht recht bekannt geworden zu sein; denn sogar noch 1856 
finden sich in Dufrenoy’s Trail de Mineralogie nur die alten von Brooke herrührenden 
Angaben. Die Grundform Miller’s ist von Dufrenoy angenommen worden; Miller’s 
ce=oP hat bei Dufrenoy P, das Levy’sche Zeichen einer basischen Endfläche. 

Endlich aber in der 1858 erschienenen Mineralogy of Great Britain von Greg & 


Leitsom erhält man wieder neue Beobachtungen in einer mit einigen Abbildungen 


12) Vergl. die unten folgende Tabelle. 
13) S. 555, Z. 3, findet sich 111,010 — 50026’, als einer der drei zur Berechnung dienenden Grund- 


werthe. Letztere stülzen sich unverändert auf die alten Brooke’schen Messungen. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V, 34 


— 266 — 


begleiteten Beschreibung der Krystalle von Mexico mine, Red Gill und von Roughten 
Gill bei Keswick in Cumberland, woselbst sie, zwar in der Regel nur klein, doch auch 
in der vollkommensten und glänzendsten Ausbildung bis zu Zollänge und Viertelzolldicke 
vorgekommen seien. So gibt nun Greg eine Anzahl von nicht weniger als neun neu 
beobachteten Flächen, allerdings aber nicht parametrisch bestimmt. 

Da er aber für die meisten derselben einen beobachteten Winkelwerth und eine 
Zone liefert, so lassen sich die paramelrischen Verhältnisse in diesen Fällen schon aus 
seinen Angaben entwickeln. Bei einigen Flächen haben diese letzteren allerdings nicht 
ausgereicht. Für diese ist mir aber die Gelegenheit zu eigener Beobachtung an einigen 
vorzüglichen, in meinem Besitz befindlichen Exemplaren zu Hülfe gekommen, so dass 
ich die neun Greg’schen Flächen zu interpreliren und in krystallographische Zeichen zu 
übersetzen vermochte, worüber sich das Nähere weiter unten ausgeführt finden wird. 
Die neuen Greg’schen Flächen entsprechen, nach Miller’s Grundform, folgenden Zeichen: 

oPr2.%Po.-Po.20.%,F0.2P.2P2.75 Pr. 7B8. 
1 x y r W n g m z. 
Hierunter sind also: 2 Orthodomen x.y 
1 Prisma l: 
2 Klinodomen w.r 
4 Hemipyramiden nemz. 

Den grössesten Theil dieser Flächen habe ich das Vergnügen gehabt, an meinem 
einen Exemplar wieder zu begegnen, begleitet von einer weiteren neuen Hemipyramide 
+P, welcher noch das Buchstabenzeichen e beigelegt werden möge. Die von mir in 
den prächtigsten Krystallen beobachtete Combination ist vollständig diese: 

&@P. ae .oP.2P».-Par REG PB P2ILEE 
M a [0 u y w r e g 2. 

Abgebildet findet sich diese Combination in Fig. 22 orthographisch aus der Richtung 
der Orthodiagonale, in Fig. 24 perspectivisch ungefähr aus derselben Richtung, aber 
elwas gewendet, und Fig. 21 mit dem Blick normal zur basischen Fläche. Den Zonen- 
zusammenhang der meisten bis jetzt gekiannten Linaritflächen ersieht man aus Fig. 25. 

Auch Greg hat, wie alle seine Vorgänger, welche den Linarit besprochen haben, 
die Messungsergebnisse, welche dem ganzen System von Seiten Brooke’s gleich Anfangs 
zu Grunde gelegt wurden, als ein noli me tangere behandelt und unverändert ange- 
nommen. Ein von mir abgelöster, den Figuren ähnlich gestalteter Kryslall, ist seiner 


Flächenbeschaffenheit nach so ausgezeichnet zu den genauesten, die Feststellung von 


— 207 — 


Grundverhältnissen bezweckenden Messungen geeignet, dass ich diese Gelegenheit zu 
einer näheren Untersuchung sorgfältig zu benützen mir habe angelegen sein lassen. 
Und in der That habe ich in Folge dessen von den seither gangbaren Angaben nicht 
unbedeutend abweichende Resultate erkalten, welche mich veranlasst haben, das ganze 
Linaritsystem neu zu berechnen. 

Die Beibehaltung der Miller’schen Axenlage empfahl sich aus mehreren Ursachen; 
erstlich weil sie den beiden durch ihre Spaltbarkeit physikalisch ausgezeichneten Flächen 
den Character von Coordinatebenen ertheilt, wobei die basische Endfläche zugleich eine 
der beständigsten und in die Augen fallenden Linaritflächen ist; dann aber auch, weil 
man bei Miller’s Grundform weit einfachere Flächenzeichen erhält, als bei der alten 
Brooke’schen. Unsere untenfolgende Tabelle, in welcher die Symbole nach beiden 
Grundlormen neben einander stehen, wird dies deutlich zeiren. Ich habe daher in der 
ferneren Besprechung, gleich wie in der Tabelle der Neigungswerthe und den Figuren 
nur die Miller’sche Grundform unterstellt. 

Zu den Messungen hat nur der einzige aber unübertrefflich gut gebildete und 
spiegelnde erwähnte Krystall Fig. 21 bis 24 gedient. Da er vollkommen alles leistete, 
was man nur wünschen mochte, so habe ich mich weiterer Zerstörung des schönen 
Exemplares, dem er entnommen war, enthalten. Das mir dienende Instrument ist ein- 
fach, aber sehr genau gearbeitet, mit einer guten Einrichtung zur genauen Centrirung 
und einem Spiegel versehen, und da ich bei denjenigen Messungen, welche die Ermittelung 
der Constanten zum Zweck hatten, mit grosser Sorgfalt verfuhr, so glaube ich ihre 
Richtigkeit bis auf allenfalls 2 bis 3 Minuten verbürgen zu können. 

Da die Neigung des Orthopinakoids sowohl zur Basis als zu einem Orthodoma, 
ferner des Prisma &P vollkommen genau gemessen werden konnten, so bot sich in 
den drei hierbei zu erhaltenden Neigungswerthen der bequemste Ausgang zur Berechnung 
der Grunddimensionen. 

Ich fand bei 10 Messungen, welche nicht über 4 Minuten differirten, für: 

oP:@Px® als Mittel 102° 32,7, statt dessen ich annehme 102° 33° 
Nach Brooke 102° 45° 
Ferner bei 5 Messungen mit Differenz 5 Minuten für: 
2P:oPw als Mittel 127° 22,4‘. Nach Brooke 128° 6 
Endlich bei 7 Messungen mit 5 Minuten grössester Differenz für: 
@P:®P Mittel = 118° 23,7‘, wofür zu nehmen 118° 24° 


Bei Brooke = 119° 
34* 


— 268 — 


Aus diesen 3 Werthen berechnen sich nun die Grunddimensionen des Linarit wie 
folgt: Hauptaxe = 0,4813411 
Klinodiagonale = 1 
Orthodiagonale = 0,5818762 
Schiefer Winkel = 77° 27° 
Die bis jetzt am Linarit beobachteten 20 Theilgestalten sind nun die folgenden: 


Flächen des Linarit. 


Grundform | Buchstaben 
nach bei 
lu 
Miller. Brooke. | = | # 
=|s| 
Basische Endlläche | oP 2Po c | P | Zweite Spaltungsrichtung, weniger gut. 
Klinopinakoid . . oaPn | Po | bb 
Orthopinakoid . . oPo 0 Ze) a | Erste Spaltungsrichtung, sehr vollkommen. 
Prisma he aoP or m|M 
- ec oP2 aP2 I | Greg gemessen I: a =: 140038’. Die Rechnung gibt 1400 041” 
Orthodoma, positiv YPo | %Po |d|d 
n n sr» op ee 
= an Yo |-4,Po|t 
; en Po -Po Ss 5 
en 35 Po | -%,Po x | Von Greg gefunden x:a — 117030’. Berechnet 117020 32” 
Es 5 2Po -4Po | uju 
AR 5 Po |-19Po Von Peters beob., zwischen s u.a, u. gemessen : a — 163020'. 
| Für 7Bw ber. 162047'38”. Vel.S. 271. 
n negativ -Po Po y | Von Greg gefundeu y:a — 125030’. Berechnet 1250 35° 33 
Klinodoma . . -» Po 3P 3% r Ee- ob: a 1419 4.50% 
AN Aoger de Po 2Pp%Y, w >: „ woP=1588: 2 1580 0.52 
Hemipyramide, positiv P -3P3 Hbg. Die neu beobachtete Fläche e. Fig. 21—24. Tautozonal 
in oP.P.oP und @P».2P2.P.Peo. 
es 59 2P -6P%, n | Von Greg zwischen M und P, d.i. o&P und oP gefunden, 
könnte also ein —-mP oder ein —mP sein. Er gibt 
ferner nur an oP:n — 1510 10°; für — 2 P würde die 


| Rechnung — 153029’41 erfordern, für +2P:oP 
| dagegen = 150° 40’16”; ist also +2P. 

g , Von Greg unsicher angegeben. Er gibt mit einem Fragezeichen 
| die Zone Mgt an, welche in der That unrichtig ist. Nach 
meiner Beobachtung muss g in die Zone M gs fallen. Greg 
IR! gibt aber zugleich M:g — 137020’ und obgleich mit einem 
abermaligen ? versehen, stimmt doch diese Messung nicht 
| schlecht. Ich berechne — 1370 1’0’ und mass 13704. 
Anı Krystall Fig. 21-24 ist diese Fläche eine der grössesten 
und vollkommensten. Bestätigt sich als Reihenglied in: 
aP.2P2.%,P8 und oPw.2P2.P.Px. 


2P2 |-aPY, 


nach 


Miller, 


Brooke. 


Milier. 
Greg. 


I 


Hemipyramide, positiv, %,P 4 


%%,P8 


-6B 1%, 


10, p10,, 1 


Greg beobachtete m tautozonal zwischen oP und %,P 
und fand oP:m — 1505’. Beiden Erfordernissen ent- 
spricht 8%, P 4, , welches geneigt zu @P = 150040’ 12” 

Viele Linaritkrystalle zeigen eine unvollkommen gebildete ge- 
krümmte Fläche, so gelegen, wie es Greg’s Fig. 4° bei z 
ungefähr andeutet. Er gibt aber nichts weiter an, als 
M:Z = 94°, Diese eine Angabe würde zur Bestimmung 
nicht ausreichen, wenn sie auch nicht mit einem ? be- 
gleitet wäre. Unser Krystall Fig. 21-24 hat diese Fläche 
so ungewöhnlich gut gebildet, dass eine Zone, &P. 
2 P2.z, festgestellt und das Zeichen #4 Pw aus den- 
jenigen weiteren Messungsergebnissen berechnet werden 
konnte, welche aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich 
sind. Von Greg’s Angabe — 94° weicht z:M = 105° 
3° 7° allerdings bedeutend ab. 


Neigungswinkel, wenn Axe a:b:c = 0.5818762:1:0,4813411 


Schiefer Winkel C =47' 27° 


n 


Beobachtet 


Bei Miller 
| lu | angegeben. | Greg Hessenbherg. 
oP :@Bao !c:a | 102933. 1020 45° | 102035. 
ER Eis | ci? 940 39: 22 
„ :2Po |c:u | 130% 5° 0” | 1290 40° Dufr. 1300 7 
„ :%,Po | e:x | 1400 628” | 
„ :Bo |e:s | 15201947” | 151040 | 
n :4Po! e:t | 15604750” | 1560 10 „| | 
» :%4Po | c:o | 161023: 28° | 161030. „ 161030 | 
» : Po | e:d | 1760 35°40« | 176035 
» ı-Po |c:y | 1560 57° 27% 156% 5% 
aan: 7Po gs 1620 47’ 38° | 1630 20° (Peters) 
we 221Pro ou 1012700,227 02710123076: 127022: 
» :%,Bo | a:x | 1170 20° 32% | 117030 
» :Po |a:s | 1050 813” | 105035 | | 
rel Mar 1000397557° | 1010 1. | | 
„1%, Bo | a:o | 96% 3.32 | 960 18: 12, | 
» : Po |a:d | 990 840” | 990 16 | 
| 9 :-Po |a:y | 1250 35. 33« 1250 30° | | 
12) 7 C in Naum. El, — 84015 — 959 45’. 


270 


ee Bei Miller Beobachtet 
ö angegeben. Greg. | Hessenberg. 
oP :,Pw| c:w | 1580 0.52% 1580 8° | 157055 
ae) ce: 104750 141025 1410 0° 
55 oaPo |c:b 90% 0° 0“ 909 909 
Yro:Po w:r | 1630 3/58“ 
5 oPw |w:b 111059. 8” 
Po :oPo | r:b | 12805510“ 
" oaPm|r:a 990 43. 59% 
WPo:oPw |w:a | 10103726” 
oaPo:wP2 | a:l | 1400 0741" 1409 38. 0 
5 ge9le a:M | 120048 0% 1200 30° 
an oaPm | a:b 900 0. 0 909 
»aP2:oP l:M 1609 47° 19“ 
206 Ploo 91:7 1212,9,075:9771797° 
oaP:wP M:M | 118024: 0” 1199 118° 24° 
„ :oßo |M:b | 1490 12 
»aP2:mP2 el 790 58: 38" 
&aP:oP M:c 960 23° 17" 96025° 
ss en Kae, 830 36 43“ 
P:oPm | e:b | 123036’ 29“ 1290 34° 
om | e:a | 101 VA RTL 
7 /0)E ech 1a at 133035’ 
Bela e:M | 1290 49: 36“ 129035’ 
2P:oP o|n:b 1230 19 23” 
oo. B\ooR | ana al Te 
5501ER n:c | 1120567274 
-, Bealr n:M | 1509 40° 16” 151010° 
PER) 2 n;e | 1590 9:20“ 
2P2:oPo | g:b 1230 19 23% 
„ :oPo | g:a | 1200 29: 22 
>» 830% g:c | 1220337 0” 1220 29° 
Seal? | zent 137020? | 1370 4° 
AB: oo | mb) | 13830107 70% 
53 oPow |m:a 1190 28° 10” 
= oP m:c | 109% 25° 56 
a Fooı, m:M | 150° 40° 12“ 1500 5° 
%,P8:wPo | z:b 960227507 
ss oPw | z:a | 1080 42: 23” 
n go z:c | 1480 2:43. 148041' 
ren) 2» Mal 105.02 Sr 1050 20° 
„ :2P2 |z:g | 1480 27 7 148025° 


An Krystallen von Dolea bei Rezbanya hat unlängst Peters (1861, Sitzber. d. Wien. 
Ak. XLIV, 168), welcher ebenfalls die Miller’sche Grundform beibehält, ein neues Ortho- 
doma (nicht Klinodoma, wie es l. c. aus Versehen heisst) gefunden in Combination mit 
oPw.oP.P».»P.»P&. Er fand dasselbe gegen @Pw geneigt = 163° 20” 
wonach es das Zeichen 7P co zu erhalten hat, für welches die Rechnung 162" 47° 38°, 
erfordert, nicht %P&, wie Peters irrthümlich angibt; denn dieses müsste 153" 24° zu 
oP® geneigt sein. Als 7P&® habe ich die Fläche daher auch in die vorstehenden 


Tabellen aufgenommen. 


Es ist bekannt, dass viele Linaritkrystalle hemitropische Zwillinge sind, indem sie 
die Hauptspaltungsfläche o P& als Zusammensetzungsebene haben. Auch an den Cum- 
berländer Krystallen bestätigt sich dies und Fig. 23 zeigt den mir vorliegenden Gruppen- 
krystall, welcher sich am einen Ende zwillingisch verhält, aber eines seiner beiden 
Individuen über das andere hinaus fortwachsen und sich am enigegengesetzten Ende als 


einfacher Krystall ausbilden lässt. 


In guten Krystallen ist der Linarit bis jetzt noch immer selten geblieben, obgleich 
die Zahl der Fundorte des Minerals in rascher Vermehrung begriffen ist. Ein früheres 
seltenes Vorkommen desselben zu Schneeberg, derb und krystallisirt, aber nicht so schön 
als in Cumberland, erwähnte v. Hornberg, Korresp.-Blatt des zool. min. Vereins in Regens- 
burg, 1857, S. 170. Karl Koch fand den Linarit als krystallinischen Ueberzug auf alten 
Handstücken von den Gruben Aurora und Thomas im Dillenburgischen (Jahrb. Ver. für 
Natk. in Nassau 1857, S. 39%). F. Sandberger (Pogg. Ann. 1858, Bd. 105, S. 615) 
fand das Mineral von Nassau a. d. Lahn auf Gangtrümern als Zerselzungsproduct aus 
Kupferkies und Bleiglanz entstanden, in Gestalt von fettglänzenden Rinden, begleitet von 


Brochanlit. 


Auch von einem Sibirischen Fundort kennt man jetzt den Linarit durch eine 
Mittheilung von Kobell’s (1861, Journ. f. pract. Chem. 83, 454), welcher ein Bleierz 
aus Nertschinsk in der Leuchtenbergischen Sammlung chemisch und goniometrisch als 


Linarit erkannte. 

Bereits im Jahr 1851 gab Haidinger (Jahrb. d. Geol. Reichsanstalt, Jahrg. II, 2, 
S. 78) Nachricht über seine interessanten Beobachtungen von Pseudomorphosen an Stufen 
mit von ihm als solcher erkanntem Linarit, derb und krystallisirt von Rezbanya. Er 
fand in Drusenräumen Linaritkrystalle von 2 Mm. Grösse, welche an ihrem [reien Ende 


noch unverändert, am aufgewachsenen aber mit Beibehaltung ihrer Form in ein Aggre- 


— 22 — 


gat kleiner, deutlicher Weissbleierzkrystalle umgewandelt waren, eine Pseudomorphose, 


welche er sich durch Annahme aufsteigenden kohlensäurehaltigen Wassers erklärte. 


Zehn Jahre später (1861. Sitzber. d. Wien. Ak. XLIV, S. 168) hat Peters diesen, 
von Haidinger bereits nach ihrer Wichligkeit gewürdigten Verhältnissen erneuerte Auf- 
merksamkeit zugewandt und ihre Erkenniniss nach einer neuen Seite hin vervollständigt. 
Er überzeugte sich an Stufen von der Erzlagerslätte zu Dolea unweit Rezbanya, dass 
bei der überall zu begegnenden Umwandlung des Linarits zu Weissbleierz, sich stets 
Malachit ausscheide und häufig neben letzterem sich vorfinde; dass aber der Linarit 
selbst ein vorheriges Erzeugniss der Oxydation von auf der Lagerstätte häufigen Blei- 
glanz- und Kupferkies-Gemengen sei. So bilde der Linarit das vermittelnde, unum- 
gängliche Zwischenglied der Umwandelung dieser Schwefelmetalle in Malachit und 
Weissbleierz, mit welchen er innig vergesellschaftet sei und in welche er ersichtlich 
von Theilchen zu Theilchen übergehe. Die Schwefelmetalle oxydiren (vitriolesciren) zu 
Linarit; dieser zerfällt unter der Einwirkung kohlensaurer alkalischer Lösungen zu 


Weissbleierz und Malachit. 


Was man an Englischen Stufen beobachten kann, stimmt ganz überein und offenbar 
erlangt der Livarit durch dieses Verhalten eine grössere Wichtigkeit für die theoretische 
und praktische Beurtheilung der Genesis vieler Erzlagerstätten. Denn es ist kein Zweifel, 
dass diese Umwandelungsvorgänge eben wegen ihrer Geselzlichkeit und wegen der 
Einfachheit und Häufigkeit der ihnen zum Ausgang dienenden Naturkörper und Agentien 
eine grössere Allgemeinheit in ihrem Auftreten haben werden. Dass man ihre Spur 
noch nicht allgemeiner aufgefunden, hat gewiss seinen Hauptgrund in der Aehnlichkeit 
des Linarits in seinen verschiedenen weniger deutlichen Erscheinungsformen mit der 
Kupferlasur, mit welcher er sicherlich häufig verwechselt worden und von welcher er 
künftig in vielen Fällen unterschieden werden wird, wenn dem Gegenstand einmal ver- 


mehrte Aufmerksamkeit zugewendet sein wird, was sehr zu wünschen ist. 


Die Umwandelung des Linarit in Weissbleierz bewegt sich, wie Peters beobachtet 
hat, in den kleinsten Dimensionen. An demselben Stück benachbart findet sich frischer 
Linarit und die beiden Umwandelungsproducte desselben. Bekanntlich sind ähnliche 
Erscheinungen an Pseudomorphosen ungemein häufig. Solche ins Kleine lokalisirte 
Vorgänge beereifen sich offenbar leichter, wenn man sie sich nicht als vermittelt 
durch fluthende oder alle Räume erfüllende Flüssigkeiten vorstellt, sondern wie Volger 


gelehrt und in seinen Schriften an vielen Orten ausgeführt hat, als die Wirkungen einer 


Durchfeuchtung, einer äusserst feinen mechanischen Zertheilung der flüssieen Agentien 
und einer capillaren Beweglichkeit derselben, selbst innerhalb der kleinsten, sinnlich 
nicht mehr wahrnehmbaren Räume. Nur so können diese flüssigen Agentien örtlich 
engbeschränkte Wirkungen ausüben und selbst wieder Gegenwirkungen unterliegen, 
welche, von den kleinsten einzelnen Punkten ausgehend, auf ihre unmittelbare Nähe 


beschränkt bleiben können. 


Kupferuranit (Chalkolith). 


An guten Krystallen von Redruth von zwei verschiedenen Exemplaren habe ich 
Messungsresultate erhalten, welche auffallend von den Angaben Levy’s, welche sich bei 
Durenoy finden und von da in Miller’s Mineralogie übergegangen sind, abweichen, 
während sie doch befriedigend nahe mit den im Jahr 1828 in Naumann’s Mineralogie 
gegebenen übereinstimmen. 

Unter Beibehaltung von Naumann’s Grundform. (welche sich bei Miller mit einer 
anderen vertauscht findet) haben die von mir beobachteten Krystalle die Form: 

a) EN Sa Eite oe 0 2 07 

Im Mittel aus 12 Messungen an fünf Krystallen, wobei 16 Min. grösseste, Differenz 
fand ich: Bo 1080384 

Hieraus berechnet sich die Hauptaxe = 2.097088 

und für P die Mittelkante = 142° 44° „ bei Naumann 1828 = 143° 2° 

„ =», kolkanler = 95512733 5 > Ser 16: 
„Px& „ Mittelkante = 129° 0°41“ 129° 24° 
”  sekolkanıe = 100940235“ 


Hiermit die Angaben Levy’s, wie sie sich bei Miller vorfinden, zu vereinigen, bin 


b2] 2] ” 


ich nicht im Stande. Die Seitenaxen sind bei Letzterem um 45° gegen die Naumann’schen 
gedreht, so dass Naumann’s Protopyramiden mP von Miller als Deuterpyramiden m P & 
angesehen werden. Solcher Pyramiden gibt er nun viere an, aber alle über einander 
liegend, keine einzige der anderen, gewendeten Ordnung, von deren häufigem Auftreten 
man sich doch leicht überzeugen kann. Jene vier Pyramiden werden angegeben geneigt 
zu oP: 

2 Ce 314017, e=1280352,r= 111945. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges, Ba. V, 35 


97 
—_— UM — 


Unter diesen Angaben ist aber keine einzige, welche auf die Naumann’sche, von 
uns bestätigte Pyramide P (108° 38° :oP) bezogen werden könnte, und doch ist diese 
Form die allergewöhnlichste, welche in den meisten Fällen die Uranitkrystalle der ver- 
schiedenen Fundorte beherrscht. 

Da aber auch der Versuch nicht gelingt, die Levy’schen Werthe überhaupt in irgend 
eine einigermassen einfache parametrische Beziehung zu unserem P zu bringen, so 
bleiben die Angaben, wie sie bei Miller stehen, in der That räthselhaft und eine Auf- 
klärung erscheint um so wünschenswerther, als nun auch Naumann in der so eben 
erschienenen sechsten Auflage seiner vortrefflichen Elemente der Mineralogie sich leider 
hat bewegen lassen, seine eigenen früheren richtigen Angaben zu verlassen und ein P, 
zu oP nach Miller mit 111° 45’ geneigt aufzunehmen. 

Die an mehren Krystallen gefundene schmale Fläche %,P ist neu. Ihre Neigung 
zu oP, gefunden = 138° 10°, berechnet sich zu 138° 20° 24. 

Greg & Lettsom haben die Miller’schen Angaben abgeschrieben, gaben aber ausser- 
dem eine Pyramide u mit 109° 34°: oP an, also Naumann’s altes P, mit einer Differenz 
von ungefähr einem Grad. Ausserdem haben Greg & Lettsom auch noch eine Pyramide 
0 mit 136° 45°:0P, möglicherweise identisch mit unserem /,P. 


Die Hand und der Fuss. 


Ein Beitrag zur vergleichenden Osteologie der Menschen, Affen 
und Beutelthiere. 


Von 


Prof. Dr. Joh. Christian Gustav Lucae 


(Dem Herrn Geheimen Hofrath S. F. Stiebel zum 50jährigen Doctor-Jubiläum gewidmet). 


Tafel NXXV—XNXVINI. 


Th. H. Huxley sagt in seiner durch die Uebersetzung von V. Carus auch in 
Deutschland unter dem grösseren Publikum hinreichend bekannten Schrift: Evidence 
as to man’s place in nature. London 1563 pg. 102: 

„Auf den ersten Blick sieht (beim Gorilla) das Ende der Hinterextremität sehr 
handähnlich aus, und da dies bei vielen der niederen Affen noch mehr der Fall ist, 
so ist es nicht zu verwundern, dass der Ausdruck Quadrumana oder Vierhänder, den 
Blumenbach von den ältern Anatomen annahm und Cuvier unglücklicherweise zur ge- 
läufigen Bezeichnung machte, eine so verbreitete Annahme als Name für die Gruppe 
der Affen finden konnte. Aber die oberflächlichste anatomische Untersuchung weist 
sofort nach, dass die Aehnlichkeit der sogenannten „hintern Hand“ mit einer wirklichen 
Hand nur bis auf die Haut geht, nicht tiefer, und dass in allen wesentlichen Beziehun- 
gen die Hinterextremität so entschieden mit einem Fusse endigt wie die des Menschen.“ 

„Und so kommt denn der vorausblickende Scharfsinn des grossen Gesetzgebers 
der systematischen Zoologie, Linne,. zu seinem Rechte: ein Jahrhundert anatomischer 
Untersuchung bringt uns zu seiner Folgerung zurück, dass der Mensch ein Glied der- 
selben Ordnung ist wie die Affen und Lemuren.“ 

E. Burdach (Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Affen) sagt, dass sowohl 
die vordern als die hintern sogenannten Hände der Affen diese Benennung nicht 
verdienen. 

Ludwig Fick, „Hand und Fuss“ (Müllers Archiv 1857) resümirt seine Betrach- 


tung dahin, dass aus dem Mechan!smus der Extremitäten zwischen Menschen und 
35* 


höheren Affen ein specifischer Organisationsunterschied nicht abgeleitet werden kann; 
dieser Unterschied also in andern Theilen aufgesucht werden muss. 

Ganz einen entgegengesetzten Eindruck als auf den englischen Anatomen hat 
der Fuss des Gorilla auf uns gemacht. Beim Anblick desselben in seiner Haut frappirt 
er in hohem Grad durch seine Sohle und die Kürze der Finger, und man wird über- 
raschend an die Fussbildung des Menschen erinnert; aber gerade die genauere Be- 
trachtung des Skelets führt uns zu einer entgegengesetzten Ansicht. 

Huxley giebt folgende anatomische Merkmale an, welche den Fuss des Menschen 
von dessen Hand unterscheiden, 

1) die Anordnung der Fusswurzelknochen, 
2) den Besitz eines kurzen Beugemuskels und eines kurzen Streckmuskels, 
3) den Besitz des musc. Peroneus longus. 

Hierzu sagt Huxley pg. 106: „Jeder Affe und Lemur zeigt die charakteristische 
Anordnung der Fusswurzeiknochen, besitzt einen kurzen Beuger und Strecker und 
einen Peroneus longus. So verschiedenartig die relativen Verhältnisse und die Er- 
scheinungen des Organes sein mögen, so bleibt die terminale Abtheilung der hintern 
Extremität im Plane und Grundgedanke des Baues ein Fuss und kann in Jieser Hin- 
sicht nie mit einer Hand verwechselt werden. 

Könnte man aber nicht mit Recht fragen, bei welchem Säugethier bleibt denn die 
terminale Abtheilung der hintern Extremität im Plane und Grundgedanke des Baues 
nicht ein Fuss? Ich glaube, man wird trotz der mannichfachen Form (ausser den 
Cetaceen) keines finden. Der Fuss der Löwen oder der Phoca besitzt dieselbe An- 
ordnung der Fusswurzelknochen, besitzt einen kurzen Beuge- und Streckmuskel und 
einen Peroneus, ist aber darum noch lange nicht ein dem menschlichen Fusse gleiches 
Gebilde. Ebenso bleibt die terminale Abtheilung der Vorderextremität im Plane und 
Grundgedanke beim Alfen ein Vorderfuss, trotzdem sich bei ihm mehr oder weniger 
eine Hand entwickelt findet, und wenn auch die Vordertatze des Löwen einen Flexor 
sublimis und profundus gleich dem Affen und eine im Ganzen ähnliche Anordnung der 
Handwurzelknochen hat, so ist sie doch noch keine Hand. Die verschiedenartigen 
relativen Verhältnisse der Grundgebilde sind es aber, die gerade hier eine Hand und 
dori eine Tatze zuwege bringen. Wollten wir die genetischen Entwickelungsverhält- 
nisse, wie sie uns die vergleichende Anatomie und Physiologie lehrt und wie sie uns 


Gesenbaur in seiner Schrift") über den Carpus und den Tarsus so lichtvoll vorführt, 


N) Gegenbaur, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Leipzig 1864. 


als Grundmaass anlegen, dann würden wir noch weniger Unterschiede in der Anord- 
nung der Hand-und Fusswurzelknochen finden. Wir haben es in der Systematik aber 
mit dem vollständig ausgebildeten Organ des vollkommen entwickelten Thierkörpers 
zu thun, und dafür sind obige Unterscheidungen zu mangelhaft und die verschieden- 
artigen relativen Verhältnisse und Formen des Organs zu gewichtig. Endlich 
hat es die Anatomie doch aber nicht blos mit der Zahl und Anord- 
nung der Gebilde, sondern auch mit deren Gestalt, Grösse, der 
Art der Verbindung und dem Verständniss der letzteren zu thun. 

Die terminale Abtheilung der hintern Extremität bleibt allerdings Fuss. Hier, wie 
bei den übrigen Säugethieren, hat sie den Schwerpunkt des Körpers über und 
vor sich. Sie hat also auch Eigenschaften die sie hierzu befähigen. — Denn da 
sie der Extremität angehört, welche, wie bei allen Säugethieren, durch Streckung 
den Körper von dem Boden fortschiebt und ganz besonders günstige Angrifls- 
punkte für die Streekmuskeln bedarf, so hat sie einen Calcaneus und Talus als 
Rolle und günstigen Hebelfortsatz. Während aber die über dem Sprunggelenk liegen- 
den beiden Abtheilungen den ihnen entsprechenden Abtheilungen der vorderen Extre- 
mität, welche durch Beugung den Körper vorwärts zieht, antagonistisch gelagert 
sind.') so ist das terminale Ende der hintern Extremität dem der vordern gleich- 
sinnig gebildet, denn beide sind Endstützen und Radwellen für die Bewegung. 
Beide letzteren unterscheiden sich nur wieder insofern als die hintere die grössere 
Last zu tragen hat, die vordere dagegen in der Säugethierreihe neben ihrer Funktion 
als vordere Endstütze des Körpers noch vielfach andere Geschäfte zu vollbringen im 
Stande ist. — 

Anders ist es mit der menschlichen Hand und dem menschlichen Fusse. Hier ist 
der Fuss Stütze, die Hand aber Greifinstrument und nichts weiter. Hier haben beide 
ihre ausschliessliche Funktion und ihr ausschliessliches Gepräge, denn beide sind aus- 
schliesslich Hand und Fuss. Sie müssen daher auch am deutlichsten die Merkmale 


zeigen, die jedem eigenthümlich sind und die das eine Gebilde vom andern unterscheiden.”) 


!) Humphry, Observations on the limbs of vertebrate animals, Cambridge 1860. 

2) Ich finde es ganz gerechtfertigt, wenn L. Fiek 1, e p. 440 sagt: Die Fähigkeit des Menschenarmes, 
sowohl parallel dem Schenkel, wie demselben gegenübergedreht, zu arbeiten, zeichnet den Arm des Menschen 
vor den Thieren aus, Es ist daher unrichtig die Sache so aufzufassen, als ob die der Kniestellung opponirte 
Ellenbogenstellung die natürliche des Menschen sei, sondern es muss eben die Fähigkeit des Menschenarmes, in 
beiden Stellungen zu functioniren, als charakteristisch für ihn der ausschliesslichen Funktion des Kniegelenks 


nach der einen Richtung gegenübergestellt werden. 


0) 


ao: — 


( 


Vergleichung der Längeverhältnisse der Extremität bei Menschen 
und Ajfen. 

Es möchte. ehe wir zur Betrachtung der Hand und des Fusses übergehen. nicht 
ohne Interesse sein, die Verhältnisse der Extremitäten überhaupt untereinander und zu 
dem Rumpfe zu betrachten. Ich glaube dies ist um so mehr gerechtfertigt, als, obgleich 
hierüber schon Bestimmungen vorliegen, doch durch Vermehrung des für sichere Fol- 
gerungen immer noch dürftigen Materials die Basis erweitert und die Grundlage sicherer 
wird. Uebrigens bestätigen mir schon die Messungen an den sehr schönen und nor- 
malen männlichen und weiblichen Skeleten, aus welchen ich in nachfolgender Tabelle die 
Mittelzahlen angebe, wie zurückhaltend man mit Normalbestimmungen sein 
soll, wie gerade geringfügige Unterschiede noch zu keinem Schlusse 
berechtigen, und wie nur ein sehr grosses Material in Stand setzt, zu all- 
gemein Gültigem zu gelangen, von der Unvollkommenheit des Messens 
überhaupt und den Fehlerquellen noch gar nicht zu reden. Neben diesen 
Mittelzahlen deutscher Skelete füge ich die Messung von zwei aussereuropäischen 
Skeleten bei, welche unsere Sammlung besitzt, von dem eines echten Negers, dessen 
nähere Heimat mir jedoch unbekannt, und von dem eines Eingebornen der Insel 
Rotti, welcher 26 Jahre alt in Soeraboya an Dysenterie starb, einem Geschenke des 
Herrn Dr. med. Schmitt in Java.') Das Skelet eines weiblichen Gorilla sowie das 
eines gleichfalls ausgewachsenen weiblichen Chimpanses befindet sich in der Gross- 
herzoglichen Naturalien - Sammlung in Darmstadt und ich verdanke deren Benutzung 
der Güte des Herrn Professor Dr. Kaup. Die übrigen Skelete, eines erwachsenen 
weiblichen Orangs ete., gehören der Senckenbergischen Sammlung. 

Rücksichtlich der zunächst folgenden Messungen habe ich zu bemerken, dass 
die Wirbelsäule vom Atlas bis zum Os coceygis mit einem Bandmaass den Biegungen 
der Wirbelkörper anliegend genommen ist. Die Länge der Extremitäten im Ganzen 
ist beim Arm von der Höhe des Humeruskopfes bis zur Spitze der Mittelfinger, sowie 
beim Bein vom Femurkopf auf der vorderen Fläche des Oberschenkels neben der Pa- 
tella her über Unterschenkel und Fussrücken zur Spitze der zweiten Zehe mit dem- 
selben Bandmaasse genommen. Die einzelnen Stücke sind wieder für sich von einer 
Gelenkfläche zur andern (am Vorderarm, am Radius, am Unterschenkel, an der Tibia) 
ohne Berücksichtigung der Fortsätze genommen. 


I) Das Negerskelet ist unler meinem Vorgänger, Herrn Professor Dr. Behrends, sehr schön in Bändern 


präparirt: das andere ist künstlich zusammengeselzt und hat nur einige kleine Phalangen am Fusse verloren. 


279 


Länge-Messungen in Millimeter 
Q B: A =] = 3 m Et „al = = 
alsls EIS 18|8|38 |$|5*| =“ 3elss arlöet | 
Falizel R=| fe Fr R-| E=| = na|3+ 3. |Oo. = SE © Sol IS) 00 
Name a|A| © EI = a | m E SS SS |sS|s Seil SS|ıSQ 
2 e|i<|A|Ss Er a 5) ee I ee er 
7} un [®) z B=! = E a | en a | a a | a u 
35|2|85 | SB |< [8 8") el eliesiellseeliel 
= s|ı83|lz2|a = I8 18 |528 18318 |8 
= es E |E le IE ıE JeRlE |E 
1) Mittelaus6 |775[728| 984 | 308j220,2| 452| 351 | 190|233| 93,9] 126,9) 39,7 | 28,4) 58,3] 45,2] 24,5| 30 
männl. Europ. 
2) Mittelaus6 |644|665) 904 |281,6| 200|406,6) 320 |168,21211[103,2| 140,3] 43,7 131,05 63,03) 49,61 26 32 
weibl. Europ. 
3) Malaie. 660|730| 950 | 305) 245] 427] 360 | 180/2101110,6| 143,9) 46,2 | 37,1) 64,5] 54,5| 27,2| 31,8 
4) Neger. 660 |780| 1010| 340] 250) 460| 390 | 180|230)118,1| 153,03] 51,5 | 37,8) 70,6159,09| 27,2| 34,8 
5) Gorilla. Wb. |700|930| 770 | 390] 320) 320] 255 | 220235|132,8| 102,8| 55,7 | 45,7 a5,7| 36,4] 31,4] 33,5 
6) Chimpanse. 580/780) 710 | 275] 265| 280| 225 | 240/244|134,3) 122,4) 47,4 | 45,6| 49,1 38,7) 41,3 42 
Wh. 
7) Orang. Wb. |530|875| 685 | 325) 300) 250| 205 | 230/255|161,3 128,3] 61,3 | 56,6) 47,1) 38,6) 43,2] 48,1 
8) Hylobat. 3501640] 505 | 225] 260| 210| 175 | 152]135) 182 140| 64,2 | 75,7| 60) 50| 43,4) 38,5 
leueisc. 
= Fe EM. an 
= 3 SE 3 
a a ee 
. ni . © Q 
ER SE N 
Name. Ss S| = na Ser! 
a er so Ss 
25 an en 25 
= ER TE a 
a a = [= 
1) Mittelaus6 |+B.258m.| +0.85m.|+ 0.100 | + F.43 
männl. Europ. 
2) Mittelaus6 |+B.239m.| +0.81m.| 40.86 |+F.42,7 
weibl. Europ. 
3)Malaie. |-+B.220m.| +0.67m.| +0.50 | +F.30 
4) Neger. +B.230m.| +0.80m.| +0.70 | +F.50 
5) Gorilla. Wb. |+A.160m.| +0.70 | +0.65 | +F.15 
6) Chimpanse. | +A.70m.| +0.10 + 0.55 +F.4 
Wb. 
7) Orang. Wb. |+A.190m.) +0.25 +0.45 | +F.25 
8) Hylobat. |-+-A.135 +U.35 +0.35 | + H.17 
leucise. | 


— 230 — 


Die Messungen obiger menschlichen Skelete zeigen uns, wie zu erwarten, dass 
in allen Abtheilungen das männliche europäische Skelett absolut grösser als das weib- 
liche, dass ferner der Neger im Ganzen sowohl als auch in allen einzelnen Abthei- 
lungen längere Extremitäten hat. Zwischen dem Europäer und Neger sehen wir den 
Malaien. — Schärfer finden wir aber die Verhältnisse ausgedrückt, wenn wir die Länge 
der Wirbelsäule gleich 100 nehmen; dann zeigt sich uns das Weib in seinen Extre- 
mitäten sowohl im Ganzen als auch in allen seinen einzelnen Theilen grösser. In 
noch höherem Grade ist dies bei dem Neger der Fall. Zwischen Weib und Neger 
aber steht der Malaie. 

Anders ist es bei den ungeschwänzten Affen. Hier wird nur der Arm und seine 
einzelnen Abtheilungen grösser, das Bein dagegen in seinen oberen Theilen kleiner, 
wogegen der Fuss wieder zunimmt. Unter diesen Affen hat der Gorilla den kleinsten 
Arm, aber auch das kleinste Bein. und zwar sowohl im Ganzen als auch in den ein- 
zelnen Theilen. Im entgegengesetzten Fall befindet sich aber der Hylobates, nur dass 
hier der Fuss wieder etwas kleiner wird. Während sich also der Gorilla dem Men- 
schen rücksichtlich der Kürze des Armes nähert, entfernt er sich ebenso weit wieder 
durch die Kürze seines Beins von demselben. Anders ist es aber mit dem Hylobates. 
Hier ist der Arm viel grösser als beim Menschen, das Bein aber gleich.') 

Betrachten wir aber auch noch die einzelnen Gliedertheile, so ergiebt sich Fol- 
gendes: 

Das Bein ist im Vergleich zum Arm am längsten bei dem männlichen Europäer, 
weniger bei dem Weibe; noch weniger lang ist es beim Neger und am kürzesten beim 
Malaien. Umgekehrt ist es bei dem ungeschwänzten Affen. Hier ist der Arm grösser 
als das Bein und zwar am grössten beim Orang, dann beim Gorilla, dann bei dem Hy- 
lobates und endlich beim Chimpanse. — Der Oberarm ist im Vergleich zum Unterarm 
am grössten beim männlichen Europäer, dann bei dem Weibe, dann erst bei dem 
Neger und zuletzt bei dem Malaien. Noch grösser als bei dem letzteren ist der Ober- 
arm bei dem Gorilla. Die Differenz wird aber plötzlich viel geringer bei dem Chimpanse.' 
Bei dem Hylobates aber schlägt es um, und hier wird der Unterarm grösser als der 
Oberarm, daher steht in dieser Beziehung der Gorilla wieder dem Menschen am 


nächsten. der Hylobates aber am fernsten. 


N) Ich komme daher rücksichtlich der Länge der Extremitäten des Gorilla, des Menschen und des Hylobates 


zu einen ganz anderen Schluss als Huxley. Huxley I, c. pg. 81 u. 82. 


— 383 — 


Was nun Ober- und Unterschenkel betrifft, so wird ersterer vom europäischen Mann 
zum Weibe, von diesem zum Neger und zuletzt zum Malaien immer kleiner, und dieses 
Verhältniss nimmt vom Gorilla zum Hylobates immer gleichmässig zu. In diesem 
Verhältniss steht also der Gorilla dem Menschen wieder am nächsten, der Hylobates 
aber am fernsten. 

Was endlich die Hand und den Fuss betrifft, so wird der Fuss am grössten 
beim Neger, am kleinsten beim Malaien. Die Europäer stehen in der Mitte. 

Bei den ungeschwänzten Affen wird die Hand viel grösser, daher die Differenz 
zwischen dieser und dem Fusse geringer. Bei dem Hylobates wird die Hand zuletzt 
grösser als der Fuss, und hier steht der Chimpanse dem Menschen am nächsten, der 
Orang und Hylobates aber am fernsten.') 

Fassen wir das Voranstehende kürzer zusammen, so ergiebt sich für die 
menschlichen Skelete Folgendes: 

a) Wenn die Wirbelsäule als gleich lang angenommen wird, so wächst das Längen- 

verhältniss beider Extremitäten in seinem Ganzen sowie in seinen einzelnen 

Theilen derartig: Mann, Weib, Malaie, Neger. 

b) Vergleicht man die beiden Extremitäten im Ganzen sowie in ihren einzelnen 

Abtheilungen mit einander, so ist 

1) das Bein am längsten und der Arm am kürzesten beim Europäer; beim 
Malaien aber gerade umgekehrt. Zwischen beiden steht erst das Weib, dann 
der Neger. i 

2) der Oberarm und Oberschenkel, am längsten beim Europäer; dann folgt 
Weib, Neger, Malaie; 

3) der Fuss am grössten beim Neger, am kleinsten beim Malaien; in der 
Mitte stehn die Europäer. 

Nehmen wir in gleicher Weise die ungeschwänzten Allen, so zeigt sich Folgendes: 

a) Wenn die Länge der Wirbelsäule = 100, so nimmt sowohl der Arm als auch 


das Bein in folgender Reihe an Länge zu: Gorilla, Chimpanse, Orang, Hylobates. 


")) Hiernach stimmen also unsere Ergehnisse mit denen vom Humphry (der freilich 25 Negerskelete, 4 Chimpanses, 
2 Orangs und 3 Gorillas verglichen) Burmeister und Ecker überein. Humphry at Treatise on the Human 
Skeleton Cambridge 1858 pag. 106 ete. Zur Kenntniss der Eingeborenen Südaustraliens v. Alex. Eclier. — 


Berichte der naturh, Gesellschaft in Freiburg im Br. Bd. 11. No. 22, 23. 24. — Burmeister geolog. Bilder. 
2. Bd. Leipzig 1853 pg. 116 ect. 


Abhandl. d. Senckenb, naturf. Ges, Ba. Vv. 36 


_— 32 0 — 


Für die Länge des Arms bildet daher der Gorilla das Mittelglied zwischen den 
beiden Extremen dem männlichen Europäer und dem Hylobates. Für die Länge des 
Beines bildet der Gorilla mit dem Chimpanse das eine Extrem der Neger 
und der Malaie aber das andre. An letztere reihet sich der Hylobates und das 


europäische Weib, am ersten der männliche Europäer und der Orang. 


b) Aus den Differenzen der Extremitäten und ihrer einzelnen Theile ergiebt sich: 


1) Der Arm ist grösser als das Bein. nimm aber in folgender Reihe ab: 
Orang. Gorilla, Hylobates, Chimpanse; 

2) Der Oberarm ist grösser als der Unterarm (besonders beim Gorilla). nur 
beim Hylobates wird er kleiner; 

3) Der Oberschenkel ist zwar immer grösser als der Unterschenkel, doch 
nimmt er vom Gorilla zum Hylobates allmählich an Grösse ab. 


4) Der Fuss ist nur beim Hylobates kleiner als die Hand. 


Neben diesen so eben angegebenen Grössen - Verhältnissen dürfte in Betreff der 


Ober- und Unterextremitäten noch Folgendes zu erwähnen sein: 


1) 


Bei dem Neger finde ich das Schulterblatt breiter und niederer als beim Euro- 
päer. Der Winkel, den beide Ränder gegen die Gelenkfläche hin bilden, ist 
kleiner. Die fossa supraspinata ist länger, aber niederer und flacher, denn die 
spina scapulae ist auffallend lang, aber weniger hoch, und dreht sich nicht um 
ihre Längsaxe wie es bei dem Europäer zwischen der ineisura colli scapulae 
und dem acromion der Fall ist. Der proc. coracoideus ist in seinem freien 


Theile länger und nach aussen und vorn mehr über die Gelenkfläche geneigt. 


Die Axe des caput humeri bildet mit der Mittelebene des 
Körpers einen kleineren Winkel als beim Europäer. Hier ist sie 
nach innen, dort aber mehr nach hinten gerichtet. Ferner muss es 
auffallen, dass die Axe der Gelenkfläche des proc. cubitalis, 
welche bei dem Europäer mit der Längsaxe des humerus einen spitzen 
Winkel nach aussen bildet, hier bei dem Neger fast einen rechten 
Winkel darstellt. Es wird daher der gestreckte Arm des Negers mehr 
gerade sein, während der Arm des Europäers an seiner äussern Seite zwischen 
Ober- und Unterarm einen grössern oder kleinern Winkel bildet. Daher kommt 
es, dass die Hand (in der Supination) bei gestrecktem Ellenbogengelenk nach 


aussen von der Axe des Oberarms und bei der Beugung nach innen zu liegen 


2) 


3) 


—_— 2383 — 


kommt. Für den Arm wäre noch zu erwähnen, dass die Ulna an ihrem 
oberen Ende eine stärkere Biegung macht. 

Zur Unterextremität übergehend bemerke ich, dass an das in allen seinen 
Durchmessern kleinere Becken der Oberschenkel mit kurzem steil 
liegenden Schenkelhalse sich anlegt. Die fossa trochanterica ist weniger 
tief. Beachtenswerth finde ich noch ganz besonders, dass die obere Schenkel- 
epiphyse sehr rasch in die sehr schmale Diaphyse, welche letztere an ihrer 
hinteren Seite eine sehr grosse linea aspera hat, übergeht. Ebenso springt 
die untere Epiphyse rasch unter der noch immer schmalen Diaphyse knollig 
hervor. Endlich tritt das tuber, welches die nach vorn aufsteigende fossa 


intercondyloidea nach aussen begränzt, auffallend vor. 


Das Skelet des Malaien ist, wie aus der an vielen Stellen noch vorhandenen 
Trennung der Epiphysen wahrzunehmen, noch nicht vollständig ausgewach- 
sen. Es hat sehr fein gebildete Knochen. Man könnte es für das eines Weibes 
halten, widerspräche nicht das Becken etc. in seinen Verhältnissen. Auch hier 
ist zu bemerken, dass in der Ansicht von oben die Axe des Humeruskopfs zur 
Axe des proc. cubitalis nicht wie bei dem Europäer in einem Winkel von 20° 
steht, sondern hier gleichfalls grösser ist und dass der Humeruskopf daher sich 
weiter nach hinten gerichtet zeigt. Ferner steht die Axe des proc. cubitalis 
zur Längenaxe des Oberarms gleichfalls, wie bei dem Neger, in einem mehr 
rechten Winkel. Der Malleolus externus am Sprunggelenk steigt nicht so tief 
herab als es im Verhältniss zum internus beim Europäer der Fall ist. Die 
Feinheit der Hand und des Fusses ist in den Abbildungen ersichtlich. 


Für den Gorilla wäre zu erwähnen: Die fossa supraspinata wird viel grösser, 
die fossa infraspinata aber, in welcher die Wurzel der spina scapulae herab- 
steigt, viel kleiner. Die Drehung dieser spina in ihrem freien Theile um 
die Längsaxe kommt hier nicht vor. Die Axe im Gelenkkopf des humerus 
ist mehr nach hinten gerichtet, die Axe des proc. cubitalis bildet nicht wie 
bei dem Neger einen rechten, sondern nach aussen einen spitzen Winkel. 
Der Radius ist sehr stark nach aussen gebogen, ebenso die Ulna nach 
hinten; daher günstigere Verhältnisse für Pronation und Supination. 
Rücksichtlich des Oberschenkels ist anzugeben, dass der Schenkelhals 
sehr geneigt ist und dass der Trochanter major höher steht als der Kopf des 


Femur. Die Axe des Femurhalses fällt mit der Drehaxe der untern Condylen 
36* 


— 184 — 


fast in eine Ebene, während bei dem Menschen erstere mit letzterer einen 
Winkel von 35° bildet '). 

Tibia und Fibula entfernen sich in ihren Diaphysen gleich wie Radius und 
Ulna sehr weit von einander, und durch die geringere Länge der letzteren 
steht der äussere Knöchel höher und die Gelenkfläche für den Talus liegt bei 
senkrecht stehender Tibia in ihrem mittleren Theile nicht wie beidem Men- 
schen horizontal, sondern ragt nach aussen in die Höhe, woher dann auch 
der Talus mit dem äusseren Rande seiner Rolle höher zu liegen kommt. 

Ziemlich dieselben Verhältnisse zeigen sich bei Troglodytes niger. 

Die Umstände brachten es mit sich dass ich die Skelete dieser Thiere 
nicht auseinander nehmen durfte; wir müssen uns daher mit obigen Andeu- 
tungen begnügen. Wer Ausführlicheres sucht, der studiere die schöne Arbeit 
des Herrn Professor Owen’). 

4) Die Extremitäten des Orang schliessen sich den vorher erwähnten Verhält- 
nissen ziemlich an. Auch hier zeigt uns der Gelenkkopf des Oberarms eine 
nach hinten gerichtete Stellung. Ich habe die Winkel, in welchen die Axen 
des oberen und des unteren Gelenkes des Humerus in horizentaler Projection zu 
einander stehen, am Orang genauer betrachtet und fand diesen 38° gross, wäh- 
rend ein menschlicher Humerus einen Winkel von nur 18° zeigte.*) 

Ebenso steht die Axe des proc. eubitalis in einem ziemlich rechten Winkel 
zur Längsaxe des Humerus. Bezüglich des Oberarms theile ich noch mit, 
dass das Mittelstück in seinem unteren Theile sich sehr stark nach hinten 
krümmt und nach vornen concav wird. 


Der Femur zeigt zum Unterschied von den vorigen Allen einen sehr steil 
\ v 


1) H Meyer, Lehrbuch der Physiologischen Anatomie, pag. 141. 

2) Transactions of the zoological Society vol. V. part. I „Osteological contributions lo the natural 
History of the Anthropoid Apes.* 

3) Die Bestimmung dieses Winkels wurde vermittelst meines Orthographen (vid. Morphologie der Rassen- 
schädel 1. Heft) sehr leicht vollbracht. Nachdem die Axen beider Gelenkenden am Knochen gefunden waren, 
legte ich das Bein horizontal auf eine erhöhte Unterlage, stellte weine Glastafel vor den mit seiner 
Längenaxe ihr zugekehrten Knochen senkrecht auf den Tisch, und punktirte nun, indem ich meinen Ortho- 
graphen horizontal wider das Glas hielt, durch einen feinen Pinsel mit Tusche die Lagen der Axen in ein- 
ander, Empfehlenswerth wird es sein die Axen durch Stahlspitzen, wie Herr Professor W. Henke thut, 
zu bezeichnen. Sie haben nicht allein den Vortheil der genaueren Bestimmung, sondern sie dienen auch dazu, 
im Falle das eine Ende des Knochens das andere dem Auge verdecken sollte, durch die weiter reichenden 


Stahlenden die Richtung der Axe vollkommen genau auf das Glas zeichnen zu können. 


— 385 — 


stehenden Schenkelhals. Die Axe dieses Schenkelhalses bildet mit der Axe 
der unteren Gelenkköpfe in der Längsaxe des Knochens gesehen einen Winkel 
von ungefähr 10° (Mensch 35°). Die Knöchel des Unterschenkels stehn wie 
bei den vorigen gleich hoch. 

5) Dem Hylobates leuciscus ist eigen, dass das caput humeri gleichfalls 
wenig nach hinten tritt, der proc. cubitalis aber wieder eine etwas schräge 
Lage von innen und unten nach aussen und oben annimmt. In der Diaphyse 
des Oberarms erscheint auch eine Beugung, jedoch nicht wie beim Orang 
mit der Convexität nach hinten, sondern nach vorn. Das Schulter- 
blatt, welches bei dem Orang, trotzdem bei ihm der spitze scharfe obere hintere 
Winkel des Menschen fehlte, doch im Ganzen dem des Menschen ähnlicher war 
als die der anderen, erhält jetzt eine noch grössere fossa supraspinata als der 
Gorilla, denn die Wurzel der spina neigt sich mehr dem unteren Winkel zu. 

Der Arcus der symph. oss. pub. wird jetzt sehr klein, der Schenkelhals 

sehr kurz und die Spitze des Trochanter major überragt den Kopf des Femur. 
Der Hals dieses Knochens bildet aber wieder einen grösseren Winkel zur Axe 
der Condylen, als bei den vorhergehenden Affen. 

Von Interesse muss es nun aber auch sein, bei den geschwänzten Affen 
die Verhältnisse der Extremitäten zum Rumpfe zu untersuchen. — Freilich begegnen wir 
hier einer Schwierigkeit, die uns das Vertrauen auf ein sicheres Ergebniss im Ver- 
gleich zu den vorigen sehr zweifelhaft erscheinen lässt. Wir haben vorher bei dem Men- 
schen und den menschenähnlichen Affen für die Längenbestimmung der Wirbelsäule das 
Schwanzbein mitgerechnet. Die Länge des Schwanzes aber bei diesen Thieren mit in 
Rechnung zu bringen, müsste wegen der verschiedenen Grösse desselben manchen Wider- 
spruch erwecken. Ich habe es daher vorgezogen, die Messung nur bis zu dem Ende der 
ächten Wirbel (so weit noch ein Canal vorhanden) auszudehnen und nach der Längen- 
ausdehnung vom Atlas bis zum Ende des letzten ächten Schwanzwirbels den Pro- 
centsatz zu berechnen: 


_— 2386 — 


Länge-Messungen. 
lalg| # SE RT Es [Es .ledal e$ 
Name |2|4|a|8: selee H je ler<laral 85 |saslessı Sa 
alu s| 2]& |xa JEla Ella| 83 |E8Als5P| E83 
8 © © fe) Fe} be] Le} © -„» » 2 Sopriä2, =3 
= |= 17 el Bl = Ad |A AoFlAHB 
Semnopith. 3951530| 146 195 | 175 | 108 | 170 88,3) 118,5] + B. 135/+ U.6/-F0.20|+F.62 
entellus. 
Semnopith. 250 340 124 | 111 | 74 | 115 892] 121,4| + B. 90+ U.7+0.13| +F.41 
comat. 
Colobus 435 550 206 | 180 | 105 | 175 79,09 100) +B. 115] = |+0.26] +F.70 
gueriza. 
Cercopithecus 455580 190 | 200 | 105 | 173 83,6| 106,6| + B. 1251+U.32|+U.10|/+F.68 
Patas. 
Cercopithecus 363440 165 | 165. | 70 | 125 907) 110) +B.77+U.5| = |+E5 
ruber. 
Inuus silva- 4521555 180 | 218 | 158 | 123 | 188 87,7) 107,7) + B. 103/+ U.5)+0.60)+F.65 
nus. 
Inuus nemes- 54001460 170 | 160 | 105 | 150 98,7) 111,1] + B.60|+ U.8/+0.10/+F.45 
trinus. 
Cynocephalus 490 1574 223 | 202 | 115 | 175 106,5| 124,8] + B. 841+U.20 +0.21|+F.60 
leucophaeus. 
Cynocephalus 1575/5801640 265 | 228 | 145 | 205 100,9| 111,1] + B. 60/4+U.15)+0.37|+F.60 
mormon. 
Macacus 5141560 210 | 200 | 210 | 110 | 180 79,1 86,2] + B. 46 +U.10 +U.10)-+F.70 
gelada. 
Ateles panisc. 465485 170 | 170 | 122 | 155 101,09| 105,4] +B.20/+0.4| = |+F.33 
Ateles Belzeb. 415/420 147 | 139 | 115 | 145 1203) 121,7! + B.5/+0.4|+ 0.8|+F.30 
Cebus capu- 2801332 120 | 110 | 75 | tt 82,3), 97,6| + B.52/+ 0.5/+0.10/+F.36 
einus, 
Callithrix. 165226 16| 73| 50| 75 68,7/ 94,11 + B.61|+ 0.414 0.3, +F.25 
sciurea. 
Hapale jacch. 1241175 57 | 57 | 40 | 68 6881| 97,2] +B.51'+0.4| = |+F.28 
Lemur catta. 230 350 132 | 122 | 60 | 103 66,6] 101,4| + B.120 |+U.21/+0.10)+F.43 
Otolienus 1001205 70 58 30 70 75,1) 154,1] + B. 105[+ U. 4 +0.12) +F.40 
senegalensis. | 


—_— 3 — 


Nehmen wir also diese Ausd hnung zu 100 an, so sehen wir die Länge des 
Arms im Vergleich zu den vorigen sehr rasch abnehmen. Hatten wir noch mit 
132,8 den kürzesten Arm beim Gorilla, so hat hier der längste (Ateles) 120—101. 
Bei den Cynocephalen beträgt sie 106—100 und sinkt bei Callithrix und Hapale auf 
68 und bei Lemur catta auf 66. 

Aber auch das Bein wird kleiner. Der Orang hatte 128.3. Hier erhalten wir 
bei den Cynocephalen 124— 111, bei den Semnopithecen 121— 118, bei Ateles 
121—105, bei Cercopithee. 110—106. Bei den Amerikanern aber, Cebus, Callithrix, 
Hapale (97 —94), fällt seine Länge noch unter die des kürzesten Beines voriger Reihe, 
nämlich das des Gorilla auf 102. Bei Ötolienus ist es aber am grössten, denn es hat 
die Zahl 154. 

Da diese Verhältnisszahlen jedoch aus den oben angegebenen Gründen weniger 
massgebend sein möchten, so wollen wir zu den Differenzen der einzelnen Glieder 
übergehen. Wir finden hier 


1) das Bein immer länger als den Arm, wenn auch der Unterschied nicht 
so gross ist als bei den Menschen. Es stehen daher die geschwänzten 
Affen in dieser Hinsicht dem Menschen viel näher als die ungeschwänzten. 

2) Rücksichtlich des Ober- und Unterarms finden wir nur bei den Stummelaffen der 
alten und den Klammeraffen der neuen Welt beide gleich, oder um weniges 
grösser; bei allen übrigen aber ist der Oberarm kleiner, 
wodurch diese Thiere sich wieder von den Menschen entfernen. 

3) Hier ist der Oberschenkel meist grösser. Bei Hapale, Ateles 
paniscus, Cercopithecus ruber wird er gleich, und nur bei Cercopith. patas 
und Macacus gelada wird er kleiner als der Unterschenkel. Bei Inuus sil- 
vanus ist der Oberschenkel am grössten. 

4) Endlich ist der Fuss immer weit grösser als die Hand. Also 
stehn auch hierin die geschwänzten Affen dem Menschen weit näher als die 
ungeschwänzten. 

Mit der Entwiekelung des Schwanzes treten bei den Affen viele Formveränderungen 
ein. Zuerst verliert das Brustbein seine Breite; es wird sehr schmal und nur das Ma- 
nebrium behält seine frühere Ausdehnung. Mit dem Brustbein wird der Rumpf schmäler 
und es bildet sich die kielförmige Gestalt desselben aus. Die Clavicula verliert die 
Sförmige Krümmung, die sie noch bei Hylobates hatle; sie wird einfach nach hinten 


gebogen. Das Schulterblatt, das bisher mit seiner Gelenkfläche nach aussen und vorn 


— 2 — 


lag und dessen entgegengesetztes Ende der Mediane sich zuwendete, bekommt jetzt 
eine sagittale Richtung. Auch in der Gestalt zeigt dieses Bein Veränderungen; es be- 
kommt nämlich an der Pfanne seinen kleinsten Winkel. Die spina scapulae dreht sich 
nicht mehr in ihrem freien Theile um ihre Axe, wie es noch bei dem Orang der Fall 
war,. und ihr Acromialende bleibt zurück. Der Humerus, der bei dem Orang noch am 
stärksten nach hinten convex gebogen war, welche Beugung aber bei Hylobates in die 
entgegengesetzte Richtung übergieng, zeigt jetzt überall ganz entschieden seine Convexität 
nach vorn; der Gelenkkopf ist jetzt aber ganz hinten und zeigt keine Neigung mehr 
nach der Mediane. Der Processus cuboideus legt sich horizontal und bildet in seiner 
Gelenkfläche einen rechten Winkel mit der Axe seines Knochen. Gehen wir zu dem 
unteren Extremitätengürtel über, so sehen wir das Schambein breit geworden und den 
arcus zu weilen fast verschwunden; das os ischii schwillt an und die spina verschwindet. 
Das Collum femoris legt sich horizontal und zeigt sich in orthographischer Projection 
parallel der Axe der untern Condylen, d. h. es liegt von oben gesehen fast in derselben Ebene 
mit der Axe der Condylen. Der innere Knöchel reicht zuweilen tiefer als der äussere. 
Es dürften daher noch folgende Unterscheidungsmerkmale als bezeichnend ange- 
sprochen werden: 
1) Die Richtung des Caput humeri zur Mittelebene des Körpers und seine Stellung 
zu dem untern Gelenkende. 
2) Die Stellung dieser Gelenkfläche zur Längsaxe des Humerus. 
3) Die Beugung der Diaphyse des Humerus. 
4) Die Länge des Schenkelhalses, seine Lage zur Mittelebene des Körpers und 
zum Trochanter major. 
5) Die Lage der Gelenkaxen am oberen und unteren Ende des Femur. 
6) Die Stellung der Knöchel am Sprunggelenk. 
In Bezug auf 1 bildet der Malaie und der Neger offenbar einen Uebergang vom 
Affen zum Europäer, auf 2 bildet der Gorilla eine Zwischenstufe zwischen 
Neger und Europäer, auf 3 steht der Mensch in der Mitte zwischen dem 
Orang einer- und dem Hylobates nebst den geschwänzten Affen anderseits, 


auf 4 bildet der Neger eine Zwischenstufe zwischen dem Europäer und 
dem Orang. 


— 289 — 


Hand und Fuss. 


Vergegenwärtigen wir uns zunächst die Zusammensetzung des Fusses und der 
Hand, suchen wir die Unterschiede zwischen beiden zu präcisiren, und messen wir die 
Grössenverhältnisse der einzelnen Theile derselben bei dem männlichen und weib- 
lichen Europäer. — Sollte auch manchem der Leser die Wiederholung wohlbekannter 
Verhältnisse überflüssig erscheinen, so dünkt es mir doch besser gethan hier genauer 
und etwas umständlicher zu Werke zu gehn, als unbekümmert um Kleinigkeiten im 
Streben nach einem vorgefassten Ziel gleich unsern Krautjunkern den Graben zu über- 
springen. 

Die sieben Handwurzelknochen bilden bekamntlich zwei Reihen, von welchen die 
hintere (ein Meniskus), von der ulnaren nach der radialen Seite gegen den Vorderarın 
einen Bogen darstellt und ebenso jeder Knochen eine gewölbte Gelenkfläche von der 
volaren nach der dorsalen Seite bildet. Die drei Knochen der oberen Reihe articu- 
liren mit dem Radius und der CGartilago triangularis. Zur Seite in der Vola liegt das 


os pisiforme, der Sehne des flexor. ulnaris und Abduct. digit. V zum Ansatze dienend. 


Durch die Verbindung der in doppelter Richtung convexen Handwurzelknochen 
mit dem entsprechend geformten Ende des Vorderarms wird eine Abduction und 
Adduction,. sowie Flexion und Extension ermöglicht.') Dadurch, dass das Os naviculare 
mit seiner gewölbten Gelenkfläche nach vorn stark vorspringend, in die Aushöhlung des 
os multangulum minus sich einlegt, mit seiner ulnaren Hälfte aber gleich den übrigen 
Knochen nach vorn ausgehöhlt sich um die gewölbten Flächen des capitatum und ha- 
matum legt, ist Flexion und Extension die einzige Bewegung zwischen den beiden Reihen 
der Handwurzelknochen. 


In der Stellung des Os multang. majus in einem, wie Henle aufmerksam 
macht, rechtwinkligen Ausschnitt der ersten und zweiten Reihe, so dass die Diagonalen 
seiner vorderen und hinteren Gelenkflächen mit der Längs- und Querachse der Hand 
parallel stehen, beruht die Ablenkung des Daumens, welcher in seinem Sattelgelenk 


und seiner abgerückten freieren Stellung die vollkommenste Adduction und Abduction, 


1) Huxley sagt: „Die Knochen der ersten Reihe bilden mit den Knochen des Unterarms das Handge- 
lenk und sind einer zur Seite des andern angeordnet, keiner die übrigen bedeutend überragend oder umfassend,“ 
— Wäre diese Schilderung Huxleys richtig und würde das os lunare das os navicul, etc. nicht überragen, 


also jenen Bogen nach dem Vorderarm nicht bilden, dann wäre freilich jene Adduction und Abduction unmöglich, 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 5) 


— 290 — 


sowie Flexion und Extension vollbringt. Erwähne ich nun noch die Kleinheit der 
Knochen und die kurze Ausdehnung des Carpus von hinten nach vorn, so habe ich 
alle Momente berührt, welche einem Gebilde zukommen, das für eine freie und mannich- 
faltige Bewegung als Basis dient; namentlich wenn sie durch die Rotation des Radius 
an der Ulna unterstützt wird. 

Anders ist es mit dem Tarsus. Hier besteht die erste Reihe aus dem Talus 
(als Meniskus) und dem noch voluminöseren mit einer Calx und einem Sustentaculum 
versehenen Calcaneus, welche als Kuppel und als Pfeiler des von hinten aufsteigenden 
Gewölbes das hintere Drittel des ganzen Fusses darstellen. Mit dem Unterschenkel ist 
sie durch ein Scharnier-(Schrauben-)Gelenk, in sich aber und mit der vorderen Reihe 
der Tarsalen, wie uns H. Meyer lehrt, in einer beschränkten Rotation verbunden. 
Im Verein mit diesen letzten und den in straffen Verbindungen vereinigten fünf 
Metatarsalen, deren Köpfchen durch lig. capitulor. aneinandergebunden sind, wird 
die Wölbung nach vornen geschlossen, durch das starke lig. caleaneo-cub. und 
calcaneo-navic. aber im Innern befestigt. So sehen wir ein Gewölbe, welches median- 
wäris höher und länger, lateralwärts kürzer und niederer, von vorn nach hinten und 
von einer Seite zur andern sich ausdehnt und in welchem durch die doppelte Reihe 
der Knochen am innern und die einfache am äussern Rande, sowie durch die ab- 
wechselnd nach vorn und nach hinten verlegte Verbindung der einzelnen Tarsalen mit 
den Metatarsalen Festigkeit und geringere Verschiebung auf hintereinander liegenden 
Querebenen abwechselnd median- und laberalwärts vertheilt wird. 

Von den Metatarsen ist der erste der grösste und dickste, der zweite der 
schmälste und längste. Der Metatarsus I. bildet als der Pfeiler des hohen Gewölbes 
mit dem Boden auf dem er steht einen Winkel von ungefähr 40°, der fünfte jedoch 
einen von nur 25°. Die Verbindung des letzteren mit dem Cuboideum ist etwas we- 
niger straff als die jenes I. Die festeste Verbindung aber hat der Metatars. I. Was 
die Verbindung des Metalarsus I. mit dem Os cuneiforme betrifit, so ist sie eine Am- 
phiarihrose, in welcher sich der Metatarsus der Zehe horizontal, lateral- und median- 
wärts, in geringerem Grade auch vom Dorsum nach der Planta verschieben lässt. Das 
cuneiforme I. ist von innen nach aussen flach gewölbt und hat in der Mitte eine 


horizontal liegende geringe Einziehung, ist aber keineswegs ein Sattelgelenk.') 


1) L. Fick sagt I. c, pag, 450: Wenn wir uns nun endlich zum letzten Unterschiede wenden, nämlich 
zur Vergleichung des Hand- und Fuss-Daumens, so ist schon in dem Vorhergehenden so eben ein grosser Unter- 
schied angegeben, Es ist zunächst hervorzuheben, dass es falsch ist, wenn man glaubt, die grössere Beweg- 


— 291 — 


Jedes Capitulum hat seinen grössten Durchmesser in senkrechter Richtung ; es hat 
eine Ginglymus- und eine Arthrodie-Fläche. Alle besitzen Hemmungsflächen für 
die Dorsal-Flexion, welche in dem Metatarso-Phalangeal- Gelenk die Plantar- 
Flexion weit überwiegt (erstere beschreibt einen Bogen von circa 35°, letztere 
von eirca 17°). Die Mittelstücke der Metatarsen haben nicht wie die Capitula parallel 
liegende Sagittaldurchschnitte, sondern in dem Metatarsus IV und V divergiren sie 
von den andern lateralwärts. 

Die Metacarpen zeigen uns nun folgende bemerkenswerthe Unterschiede von 
jenen. Sie sind kürzer, dieker und stärker, ihre sagittalen Ebenen nach der Vola ver- 
längert treffen mit der des III zusammen. Dort war der zweite, hier ist der dritte 
Knochen der am wenigsten verschiebbare. Die Ginglymo-Arthrodie zeigt hier 
vorherrschend volare Flexion, weniger dorsale (erstere 90°, letztere eirca 15°). 
Die Hemmungsfläche für die dorsale fehlt hier an den Köpfen, Während dort alle 
durch Lig. capitulor. aneinander befestigt waren, ist hier der Metacarpusl. frei.') 

Die Phalangen bilden am Fusse die kürzeste Abtheilung und nehmen hier 
an Länge zur dritten rasch ab. Die Phalanx I hat eine verhältnissmässig lange fast 
drehrunde Diaphyse, aber eine dicke Epiphyse. An edr zweiten und dritten schwindet 
die Diaphyse fast ganz. — Die Phalangen der Finger sind in ihren drei Abtheilungen 
weit länger und breiter als am Fuss. Die Epiphysen sind kleiner im Verhältniss zu 


den Diaphysen, welche auf ihrer Volar-Seite ilach mit seitlichen Längskanten, auf der 


lichkeit des Daumens sei zurückzuführen auf einen specifischen Unterschied zwischen der Gelenklläche des Dau- 
mens am multangulum majus und des Hallux am cuneiforme I. Beide Gelenkflächen gehören in die Klasse der 
Sattelgelenke und beide lassen eine allseitige Bewegung zu; in beiden ist die Bewegung nach zwei sich 
schneidenden Ebenen hin etwas freier als nach den in den Winkeln gelegenen Richtungen, 

Wenn man bei den meisten Füssen das Saltelgelenk zwischen Hallux und cuneiforme I, sehr abgeflacht 
findet, so ist diese Verkümmerung lediglich die Folge der Fussbekleidung, und ich habe schon öfter Menschen- 
füsse beobachtet, wo dieses Gelenk zwar nicht vollkommen so frei, wie bei dem Affenfusse, aber doch bedeu- 
tend freier, die Sattelläche bedeutend deutlicher entwickelt war, als man gewöhnlich findet. — 

Auch Herr Professor Henke ist gleicher Meinung mit mir, wie wir aus seinem Aufsatze „Contraeturen 
des Metatarsus (Zeitschrift für ralionelle Mediein von Henle u, Pfeufer, II. Reihe, XVll. Band, pag. 192) sehen, 


1) Es ist doch eigentlich auffallend, dass Huxley des Querbandes zwischen Capt. metatarsi I und II, durch 
welches ersterem an seinem vorderen Ende eine Fessel angelegt und ein Entfernen von den übrigen Metalarseu 
unmöglich wird, nicht Erwähnung thut, Ist denn diese Verbindung etwas so Unwesentliches? Oder soll auch 
sie erst durch die Fussbekleidung, der schon so Vieles „in die Schuhe geschültet“ wird, entstanden sein ? 
Scheint es doch, dass der in Tuxley’s Abbildung pag. 105 abgewendete Metalarsus I, wie die schräge Stel- 
Jung des Neanderthaler Schädeldachs in Sir Charles Lyell's Werk, dem Laien die Uebereinstimmung des Gorilla 
Fecht anschaulich machen soll, — „Man merkt die Absicht und man ist verstimmt!“ 


37*F 


— 292 — 


dorsalen aber in Querrichtung gewölbt sind. Durch die Länge der Finger nehmen die 
Abtheilungen, Finger, Mittelhand und Handwurzel an Grösse stets ab, während an dem 
Fuss das umgekehrte Verhältniss stattfindet. Dort war die erste oder zweite Zehe 
die längste, hier ist es die dritte. Daher hier rasche Längenzunahme vom ersten zum 
dritten Finger. 

Den wichtigsten Unterschied von Hand und Fuss finden wir aber in dem Daumen. 
Sein kurzer und dicker Metacarpus artikulirt durch das Sattelgelenk mit dem Carpus 
und ist in einem grösseren Winkel von dem Nachbarknochen abgerückt. Ein Lig. capi- 
talorum, wie es zwischen allen Metatarsen vorkömmt, ist hier nicht vorhanden und 
die Bewegung des Daumens ist desshalb nicht wie dort fast nur auf die Phalangen be- 
schränkt, sondern gestattet ihm durch die freie Bewegung des Metacarpus die voll- 
kommenste Opposition für alle Finger. 

So sehen wir also hier an der Hand die Bewegung der verschiedenen Ab- 
theilungen gegen einander veranschaulicht, während gerade umgekehrt bei dem Fusse die 
Beweglichkeit ganz in den Hintergrund tritt und die Festigkeit in der Gewölbe- 
construction sich documentirt. 

Während die längeren kräftigeren Fingerphalangen durch volare Flexion an den 
zur Mulde gestellten Mittelhandknochen und durch den mittels des beweglichen Meta- 
carpus opponirenden Daumen zum Umfassen von Gegenständen sich eignen, bilden die 
kurzen Phalangen der Zehen mit ihrer dorsalen Flexion an dem nach hinten liegen- 
den Gewölbe die Radwelle, um welche letzteres, wenn der Schwerpunkt, wie 
Henke') nachweist, zwischen den Ballen der grossen Zehe fällt von den 
unter dem Calcaneus durchgehenden oder an seine Ferse, als günstiger Hebelarm, 
sich ansetzenden Sehnen der Streckmuskeln. beim Gehen aufgerollt wird. Das Ge- 
wölbe aber ist wieder hinreichend stark, beim Stehen den durch den Hals des Talus 
fallenden Schwerpunkt der Körperlast zu tragen.”) 


}) Ein Beitrag zur Bestimmung der absoluten Muskelkraft, Inaugural-Dissertation von Franz Knorz, 
Marburg 1865, 

2) Wenn Huxley mittheilt, dass die chinesischen Bootsleute mit Hülfe der grossen Zehe das Ruder führen, 
die bengalischen Handwerker weben, die Carajas Angelhaken stehlen , oder die barfüssigen Soldaten in Java, 
wie Fiek erzählt, ihren auf den Boden ausgezahlten Sold mit den Zehen aufnehmen, so habe ich nichts dagegen 
einzuwenden, kann sogar noch hinzufügen, dass die Aegypter auf dem Nil beim Aufsteigen auf den Mast das 
Takel zwischen die grosse Zehe fassen, und unsere barfüssigen Schuljungen, weil sie zu faul sind sich zu 
bucken, ihre Griffel, Geldstücke oder Anderes, was auf dem Boden liegt mit den Zehen aufheben. Ich glaube, 


wir würden es gleichfalls so machen, wenn wir ohne Schuhe herumliefen, und mancher der zu steif im Kreuz 


— 2930 — 


Fassen wir die Unterschiede zwischen Fuss und Hand kurz zusammen, so sind die 


characteristischen Merkmale für den Fuss: 


1) Das feste Gewölbe hinten auf der Ferse, vorn auf den Metatarsus-Köpfen 
ruhend. 2) Der lange Tarsus mit der ihm eigenthümlichen Anordnung der Knochen, 
mit dem Unterschenkel in einem Ginglymus, in sich in einer Rotation und mit den 
Metatarsen in einer Amphiarthrose verbunden. 3) Die fünf langen in ihren sagittalen 
Durchschnitte parallel liegenden, (der fünfte divergirt) an ihren mit dorsaler Hemmungs- 
fläche versehenen und in horizontaler Ebene liegenden Köpfchen, durch Bänder verbun- 
denen Metatarsen, von denen der erste der stärkste. 4) Die kurzen Zehen, von denen 
die erste und zweite fast gleich lang, und 5) die dorsaleFlexion in dem Tarso-meta- 


tarsal-Gelenk. 
Die charakteristischen Merkmale für die Hand sind: 


1) Die kurze Handwurzel, — ihre Articulation mit dem Vorderarm in einer Arthrodie, 
mit dem Melacarpus I in einem Sattelgelenk, mit dem Metacarpus II, II und IV mit 
einer Amphiathrose, mit dem Metacarpus V in einer Rotation, und in sich in einem Gin- 
glymus, — die eigenthümliche Anordnung ihrer kleinen Knochen. 2) Die vier kurzen 
dicken mit ihren sagittalen Durchschnittsebenen convergirenden, an ihren (nicht mit dor- 


salen Hemmungsflächen versehenen) Köpfchen befestigten Metacarpen neben einem 


geworden ist um sich zu bücken, möchte eine grosse Erleichterung darin finden. Alles Dieses hat aber 
mit der Thätigkeit des Daumens, bei welchem der Metacarpus eine Hauptrolle mitspielt, nichts gemein, Die 
Chinesen machen freilich mit ihren Füssen Tollheiten genug und sie verstümmeln sie gewiss nach der Schwie- 
rigkeit. Troizdem aber, dass bis jetzt, saviel mir bekannt, noch kein Anatom das Glück hatte den Fuss 
einer Chinesin zu seeiren, so wissen wir doch davon hinreichend genug um einzusehen, dass gerade hier die 
Befestigung der Metalarsus I, mit seinen Nachbarn von besonderer Wichtigkeit ist, da nur durch das Caput 
des Metatarsus I, nebst der ihm zugewendeten Ferse der stelzenartige Gang vermitttelt wird, 

Wenn endlich Fick sagt: „Dass Neger, Malaien, etc. nicht wie unsere Kinder mit eingedrückten Knieen, 
sondern wie die Affen mit abducirten Schenkeln und aufgesetzter Planta klettern, ist Allen, welche in den 
Tropen gelebt haben, bekannt“: so möchte ich meinem lieben, leider schon dahingegangenen Freunde antwor- 
ten, dass freilich die Jungen auf die von ihm angeführte Weise in den Lahnbergen nach den Vogelnestern 
steigen, dass aber im Odenwalde und an andern Orten die Burschen mit abducirten Schenkeln und aufgesetzter 
Planta auf den Mast klettern. Dass nackte Fusssohlen hierbei eine grosse Unterstützung gewähren müssen, ist 
einleuchtend. Mein Mitbürger, Herr Franz Knoblauch. welcher in Neu-Caledonien ein Geschäft gegründet und 
eine Reihe von Jahren daselbst gelebt hat, bemerkte mir zwar, dass die Eingeborenen nur mittels Anstemmen 
der Hand und des Fusses Bäume besteigen, er erklärt dieses aber nur dadurch ausführbar dass die Jahresringe 
gleichsam als Treppe das Aufsteigen erleichtern und das Anklammern der Brust unmöglich machen. 


— 294 — 


freien, in einem Sattelgelenk befestigten Metacarpus I; die langen Finger, 
von denen der dritte der längste, der dickste aber kürzeste der Daumen, und — 
die vorherrschend volare Flexion in dem Carpo-meta-carpal-Gelenk. 


Längemessungen an Hand und Fuss‘) 


in Millimeter. 


ea... 58 E Ba = 

= ss. 5 n — 

ö == 5 Eee Phalanx E E FR ö Se 2 Phalanx 

Hand. > SZ 22 35 a z CH 38 = 
EURE RS Eee 2 Sa Ss = 
SZ pe u a SET ITE RR 253 3= SU PTSI 
Seren Er re 
i s 

en 190 33,8 99 147,4 62,6 42,6 29 17,2 233 68,8 101,25 120,2 70,4 27,8 13 Al 

europ. Männerı 

un dan 168,2 29,5 89,5 135,3 59,6 40,3 25,6 15 211 60,83 100 112,6 66,6 25,5 11,6 8,4 

europ. Weibern 

Länge der Hand und des Fusses bei Mann und Weib 
= 100 angenommen. 

N 17,2 52,1 77,5 32,6 22,7 15,2 9,0 27,8 a3 5 30 

ännern 

a 17,5 53,2 80,4 35,7 23,9 15,32 8,9 28,8 473 533 31,5 12,08 5,4 3,9 

eibern 
Differenz. 

Zwischen: Daumen u. Grosse u. Tarsus u. Mittelhand u. PhlI. II. An des Fusses Daumen u. Zeigefinger 
wı " Zeigefinger 2. Zehe. Carpuss, Mittelfuss. pn IL. II. der Hand grosserZehe u.2. Zehe. 
. e F H 

an 48,3 1895 35 82 14,8 16 6,2 "as "272 
ilte h 

a ° 45,8 12,6 31,33 7 14,8 14 6,6 10,5 22,7 


1) Rücksichtlich der Messungen verweise ich auf die Einleitung für die nächstfolgende Tabelle, Bei 
Daumen, Zeigefinger und grosser Zehe ist der zugehörige Metacarpus oder Metatarsus mit gemessen, 


— 295 0 — 


Vorstehende Tabellen zeigen uns das Weib in allen Theilen der Hand und des 
Fusses absolut kleiner, relativ aber grösser. Dagegen sind die Differenzen zwischen Hand 
und Fuss beim Manne fast überall grösser, daher bei diesem Hand und Fuss schärfer 
ausgeprägt. Die zweite Zehe ist im Vergleich zur ersten und der Zeigeünger im Ver- 


gleich zum Daumen beim Manne grösser. 


Fuss und Hand des Negers und des Malaien. 
(Tafel I. Fig. 1 u, 2, Tafel II, Fig. 11 u. 12,) 


Der Fuss unseres Negers ist vielfach verschieden von dem Fusse des Europäers. 
Ob die Formverhältnisse übrigens alle typisch oder individuel sind, lassen wir dahin- 
gestellt. Wie wir aus vorstehender Tabelle sehen, so ist er absolut kürzer als der des 
Europäers im Verhältniss jedoch zu der Wirbelsäule gebracht ist er länger. Vor allen 
Dingen ist es die platte Form, die uns auffällt. Einem gutgebildeten Europäer-Fuss 
gegenüber gestellt, ist es ein vollständiger Plattfuss. Jener Leichtigkeit und Eleganz 


gegenüber, ist hier Plumpheit und rohe Form. 


Gehen wir die einzelnen Knochen durch, so finden wir zunächst den Calcaneus 
nieder, ihm fehlt die Gewölbebildung zwischen seinem Körper und der Ferse fast ganz. 
Er liegt daher fast in seiner ganzen Ausdehnung auf dem Boden auf. Sein vorderer 
Theil ist viel dicker und höher als bei dem Europäer und hat nicht die halsartige Ver- 
engerung zwischen sich und dem Körper. Das Sustentaculum steht niederer. — Der 
Talus in seiner ganzen Ausdehnung niederer und länger, seine obere Rolle liegt mit 
dem äussern Rande höher. Er hat einen kürzeren Hals und daher steht die Gelenk- 
fläche dieses mit der Gelenkfläche des os ceuboid. fast in einer den Fuss von der 
lateralen zur medianen Seite in senkrechter Richtung theilenden Ebene. Beim Europäer 
liegt erstere vor letzterer. Die untere Axe des Astragulusgelenk (H. Meyer 1. c. pg 
137) war an diesem, während mehrere Tage im Wasser aufgeweichten Fusse, 
sehr gut zu bestimmen, sie liegt weniger steil als bei dem Europäer. 

Das os cuneiforme II. und II. und das os cuboideum sind kleiner, daher auch der 
vor der Axe des oberen Astragelus-Gelenkes liegende Tausus überhaupt kleiner als bei 
dem Europäer. — Das os cuneiforme I. zeigt am Metatarsus I. eine flache Rollfläche, 
die horizontal von der medianen zur lateralen Seite läuft und einen Radius von 27” hat, 
während ich denselben bei einem Europäer 36“ gross finde. In senkrechter Richtung 
ist diese Gelenkfläche grade. 


— 296 — 


Der Metatarsus ist bei dem Neger viel länger. Der Primus ist medianwärts weiter 
von seinem Nachbar abgelenkt. Seine Verbindung mit dem cuneiforme I. geschieht in 
einer horizontallaufenden, sehr flachen Hohlrolle. Alle Metatarsen sind nach vorn 
etwas medianwärts gerichtet. 

Was nun die Länge der Zehen betrifft so finde ich dieselben absolut kleiner als 
bei dem Europäer; übrigens ist die erste Zehe hier ungleich grösser als die zweite. 
Rechnet man aber den Metatarsus mit hinzu, so ist es umgekehrt. Der Fuss = 100 
angenommen, sind beide grösser als beim Europäer. ') 

Die Stellung der Zehen ist aber schr eigenthümlich, denn sie sind alle nach aussen 
gerichtet und bilden einen nach aussen offenen Winkel mit den auffallend nach innen 
gerichteten Tarsen. Hieran kann die Fussbekleidung nicht schuld sein. Ebenso wenig 
aber kann ein Schrumpfen der Bänder eine Veranlassung abgeben, da wie schon gesagt, 
der Fuss mehrere Tage in Wasser gelegen hatte und dieses keine Aenderung hervor- 
brachte. Da es an beiden Füssen gleichmässig ist, so mag es wohl ursprüngliche Bil- 
dung sein und mit der Flachheit des Tarsus und dem Gang auf der inneren Seite des 
Fusses in Verbindung stehen. 

Zum Schluss ist noch zu bemerken, dass die Axe des Fusses, wie sie Weber und 
Langer annimmt (durch das Köpfchen des zweiten Mittelfussknochens und den unten auf- 
liegenden Haken des Fersenbeines) durch die Mitte der Talus-Rolle geht. 

Rücksichtlich der Hand haben wir zu erwähnen, dass ihre relative Länge gleich 
dem Fusse in allen Theilen grösser und nur der Carpus und der Tarsus relativ kürzer 


als beim Europäer ist. 
Tafel I. Fig. 11 und 12, 


Der Malaie von der Insel Rotti zeigt einen hohen in seinem mittleren Theile breiten, 
in dem Fersenfortsatz aber schmalen Calcaneus. Das Sustentaculum steht hoch und der 
Fuss ist auf seiner inneren Seite stark ausgehöhlt, Hierzu trägt besonders bei, dass der 
Talus stark nach innen geschoben ist. Dieser letztere liegt mit seiner Rolle horizontal, 
also mit beiden Rändern gleich hoch. Diese Rolle ist aber hinten schmal und wird nach 
vornen sehr breit und es scheint an diesem Fusse die von Langer beschriebene Schrau- 


benwindung sehr entwickelt. Auch der Kopf des Talus ist dem Neger gegenüber breit. 


) Carl Vogt nennt in seinen „Vorlesungen über den Menschen“ Bd, I. pag. 229 die Zehen länger 
als bei dem Europäer, Burmeister aber in seinen „Geologischen Bildern“ Bd, II, pag. 108 spricht von 


der Kleinheit der Zehen beim Neger, 


—_— 297 — 


Der mittlere Theil des Tarsus ist breit und hat grössere Knochen. Das Cuboideum liegt 
sehr schräg von hinten und innen nach vorn und aussen. Dadurch ist der Fuss aussen 
stark eingezogen. Die Metatarsen sind lang und breit, sind an ihren Köpfchen nicht an- 
geschwollen und liegen gerade, der Axe des Fusses parallel. Durch diese Lage und 
die Verschiebung des Talus nach innen fällt die Axenlinie des Fusses nahe dem äussern 
Rande der mittleren Gelenkfläche. Die zweite Zehe (deren dritte Phalanx wie bei allen 
übrigen fehlt) ist in ihrer zweiten Phalanx lang, und dadurch die zweite Zehe länger 


als die erste. 
Tafel IV. Flg. 5. 


Die Hand ist sehr zierlich und es erscheint der kleine Finger länger als es bei 


dem Europäer der Fall ist. 


Der Fuss und die Hand des Gorilla im Vergleich zum Fuss und zu der 
Hand des Menschen. 
Tafel I. Fig, 1—10. 


Betrachtet man auf Tafel I. Fig. 3 und Fig. 11, so findet man die Knochen des 
Tarsus schmal und klein und schmächtig beim Gorilla im Vergleich zum Malaien. Bei 
letzterem sind die dicken starken Fusswurzelknochen zu einer Masse aufeinander gedrängt 
und in ihrer Längsausdehnung mehr einer Richtung folgend. Bei dem Gorilla sind 
die schmächtigen Knochen mehr (sit venia verbo) zerstreut, nach verschiedenen Richtungen 
auseinander gerückt, mit Vorsprüngen hier und dort hingewendet. Namentlich sieht man 
ausser der stark vorspringenden schmalen und langen Ferse nach vorn die Knochen 
nach zwei Richtungen auseinander gehen. Die eine Richtung geht nach vorn und innen, 
beginnt in dem Talus und setzt sich von dessen Hals und Kopf durch das flache 
und breite Navieulare zum Cuneiforme, geht in den Metatarsus über und endigt in der 
dritten Phalanx des Daumens. Die andere Richtung, welche nach aussen geht, beginnt 
am vorderen Rande des Calcaneus und an der äussern Seite des Capitulum tali und setzt 
sich durch die kurze aber breite zweite Reihe der Tarsalen in die nach aussen ablen- 
kenden vier Metatarsen und die Zehen. 

In Folge dessen treten auch die Metatarsen in zwei Richtungen auseinander, und 
selbst die vier letzten sind nicht so nahe aneinander gerückt wie bei dem menschlichen 
Fusse. Wollten wir bei dem Gorilla die von E. H. Weber für den menschlichen Fuss 


Abhandl. d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. V. 35 


= 


angegebne Fussaxe anlegen, so würde. wenn wir das Cap. melatars. II. und den Stütz- 
punkt der Ferse verbinden, die Rolle des Talus kaum berührt, oder es würde falls man 
diese wie bei dem Europäer berühren will, das vordere Ende in den grossen Winkelraum 
zwischen erste und zweite Zehe fallen. 

Vergleicht man nun die Seitenansichten beider Füsse, so zeigt sich auch hier 
das Gespreizte und Haltlose nicht allein in den vordern längeren Abtheilungen, sondern 
auch in der Einsenkung in der Mitte der Tarsen, die hier in der Zeichnung durch 
Festbinden des Fusses auf die Unterlage wohl etwas zu übertrieben erscheint. 

Verkleinern sich nun aber die Abtheilungen von Tarsus zum Metatarsus und von 
diesen zu den Zehen bei dem Menschen höchst rasch, so sehen wir bei dem Gorilla 
diese drei Abtheilungen in ihrer Länge nur wenig differiren, und würde der Fersen- 
fortsatz nicht so auffallend gross sein, so wäre das Längenverhältniss dieser Theile zu 
einander hier sicher gerade ein umgekehrtes. 

Doch gehen wir zur Betrachtung der einzelnen Theile. ') 

Der Calcaneus?’) des Gorilla, wenn er gleich die Länge dieses Knochens bei dem 
Menschen hat, ist doch viel niederer und schmäler. Die Höhe seines Körpers be- 
trägt 30° (Mensch 40“), seine Breite hinter dem Sustentaculum 25° (Mensch 37°), der 
hintere Fortsatz, die eigentliche Ferse, hat inihrer Höhe 34° (der Mensch 40), und 
die Breite desselben beträgt 22” (bei dem Menschen 27”). Sie ist durch einen schlanken 
Hals an das Mittelstück befestigt. Das untere Ende der eigentlichen Ferse läuft in einen 
rundlichen Kopf aus, während dieser Fortsatz bei dem Menschen durch ein lateral stehendes 
Tubereulum sehr an Breite gewinnt. Das Sustentaculum tali ist breit und steigt nicht 
vom Körper wie bei dem Menschen nach aufwärts in die Höhe, so dass es mit dem 
höchsten ebenen Ende der Ferse in der Seitenansicht eine gleiche Höhe zeigte, sondern 
es steigt nach innen und fast nach abwärts. Stellt man nämlich den Knochen so. dass 
der längste Durchmesser der Ferse senkrecht steht, so liegt das Ende des Sustentaculum 
fast in gleicher Höhe mit ihrem unteren Ende. Der vordere Fortsatz des Calcaneus 


ist zur Bildung des Sinus tarsi sehr weit ausgebuchtet. An seiner vorderen Gelenkfläche 


1) In der „Denkschrift des Offenbacher Vereins für Naturkunde zur Säcularfeier der Senckenbergischen 
Stiftung 1863“ findet sich in der reichhaltigen kritischen Zusammenstellung der Gorilla-Literatur von 
Dr, R. Meyer pag. 13 und 14 eine genaue Schilderung der äusseren Oberfläche der Hand und des Fusses. 

?) Man vergleiche die trefflichen Abbildungen der Skelettheile der Hand und des Fusses eines männlichen 
Gorilla. Osteological Contributions to the natural History of the anthropzid. Apes. TA, 10 and 11 in den 
Transactions of the zoological Society of London Vol V, part I, 


— 29 — 


für das Os cuboideum findet sich eine durch die Mitte der Fläche von oben bis zum 
untern Rande herablaufende Vertiefung, welche diese Fläche von der medianen zur 
lateralen Seite in zwei gleichgrosse in einem ohngefähr rechten Winkel zusammen treffende 
Flächen theilt. In diese legt sich das Os cuboid. mit seinem hintern jener Form ent- 
sprechenden Fortsalz. 

Der Talus hat durch die gesenkte Lage des Sustentaculum eine starke Neigung 
nach der Mediane, daher seine Rolle in transversaler Richtung einen spitzen Win- 
kel mit der längsten Ausdehnung des Fersenfortsatzes bildet, während dieser Win- 
kel bei dem Menschen sich als ein fast rechter zeigt. Es steht daher die rollen- 
artige obere Gelenkfläche aussen höher als innen (bei dem Menschen horizontal). 
Rücksichtlich der Form dieses Knochens ist zu bemerken, dass seine innere seitliche 
Gelenkfläche in einem stumpfern Winkel zur Rollfläche steht und dass der Kopf des 
Talus nicht blos auf einem längeren Halse sitzt und mit seiner grössten Ausdehnung 
weniger steil als beim Menschen liegt, sondern dass er auch nicht nach vorn, sondern 
stark nach innen und vorn vom Talus sich ausdehnt. 

Das Os naviculare, welches von vorn nach hinten und von oben nach unten 
eine viel geringere Ausdehnung, dagegen eine viel grössere Breite als bei dem Men- 
schen hat, ist durch die vorhergehend erwähnten Formverhältnisse des Talus weniger 
steil gelagert und tritt mehr nach innen und nach unten über die Fläche des Fusses. 
Es liegt daher mit seinem hinteren Rande mehr seitlich der vorderen Gelenkfläche des 
Calcaneus und überragt dieselbe weder so weit nach vorn noch nach oben. Das 
Os cuboideum, welches viel breiter als lang ist, sowie die übrigen Fusswurzel- 
knochen sind alle miteinander viel kleiner und namentlich viel kürzer als beim Menschen, 
und es verdient erwähnt zu werden, dass das Os cuneiforme tertium nicht so wie bei 
dem Menschen seine beiden Nachbarn nach vorn überragt. 

Das Os cuneiforme I muss aber unsere Aufmerksamkeit etwas mehr in Anspruch 
nehmen. Dieser Knochen, der mit seiner oberen Fläche nicht in fortlaufender Ebene 
mit dem Os navieulare wie bei dem Menschen liegt, sondern medianwärts mit diesem 
Knochen einen Winkel bildet, hat an seiner vorderen äusseren Kante (Tafel II. Fig. 3 
u. 7) eine Rolle, welche mit der an sie gehefteten grossen Zehe ein Scharniergelenk 
bildel. Diese Rolle hat einen Radius von 6” (Tafel II. Fig. 6 und 7) und in ihrer 
Mitte einen Einschnitt, welcher senkrecht auf ihrer Axe steht (Tafel II. Fig. 4, a b.) 
Diese Axe, um welche sich die grosse Zehe flectirt und extendirt, liegt in einem spitzen 
Winkel zur Flexionsaxe des Metatarsus IV und V (vid. Tafel II. Fig. 4). Diese Stelle 

38* 


— 30 — 


unterscheidet sich in hohem Grade von der entsprechenden beim Menschen, denn bei diesem 
liegt jene Gelenkfläche gerade vorn am Knochen und nicht an der medianen Kante; ferner 
zeigt sie in transversaler Richtung eine leichte Einziehung. Die Wölbung dieser Fläche geht 
von aussen nach innen und gehört einem Radius von 35—40” Länge. Sie bildet also 
mit der Flexionsaxe des Metatarsus IV und V einen rechten Winkel. 

Zwischen dem lateralen Ende der Rolle und der lateralen oberen Ecke des Cunei- 
forme I, (welche an den Metacarpus der zweiten Zehe stöst) ist eine Entfernung von 
10”, so dass zwischen den Metatarsen beider Zehen keine Berührung, sondern ein freier 
Raum vorkommt. Tafel II. Fig. 3. 

Was nun die Metatarsen betrifft, so sind sie mit Ausnahme des der ersten Zehe 
in ihren Körpern und ihren Köpfchen stärker, dicker und länger als die entsprechenden 
des menschlichen Fusses. Der Metatarsus der zweiten Zehe ist der längste, der der 
ersten der kleinste. Die Basis der Metatarsen ist wie bei dem Menschen. Es steht 
übrigens die des dritten Metatarsus nicht zurück. Der Durchschnitt der Körper ist länglich 
rund zu nennen (mit Ausnahme des fünften, welcher dreieckig), die mediane und die 
laterale Seite sind die grössten und flachsten, die plantare und dorsale sind dagegen ge- 
wölbt. Die plantare Seite des Metatarsus V ist nicht wie bei dem menschlichen Fusse 
nach aussen gerichtet, sondern sieht nach der Planta. Alle Köpfchen sind dicker und 
grösser als beim Menschen und bilden auch hier eine Ginglymo-arthrodie; doch ist die 
Curve des Köpfchens beim Menschen mehr nach der Dorsalseite ausgebildet, so dass.bei 
letzterem die Dorsalflexion begünstigter ist. Auch die Köpfchen liegen zu einander nicht 
wie bei dem menschlichen Fusse mit ihrer Axe in einer geraden, sondern in einer Bogen- 
linie, deren Convexität nach oben schaut. Der Metatarsus primus; ist wie schon gesagt am 
kürzesten, dabei aber am dicksten. Er hat in seiner Basis eine Hohlrolle mit einem 
Grath und eine nach der plantaren und lateralen Seite vortretende Erhöhung. Der Quer- 
durchschnitt seines Körpers ist dreiseitig mit einer dorsalen, medianen und lateralen 
Fläche und einer plantaren Kante. Sein Köpfchen zeigt eine Rolle mit einem Einschnitt. 
Wenn gleich der Metatarsus der grossen Zehe stärker als die übrigen, so ist doch 
dieses Verhältniss lange nicht in dem Grade wie bei dem menschlichen Fuss vorhanden. 

Was nun die Phalangen betrifft. so wäre von der ersten Zehe nichts Beson- 
deres zu erwähnen. Dagegen sind die der andern Zehen sehr verschieden von denen 
des menschlichen Fusses. Die des ersten Zehengliedes sind in Körper und Epiphysen 
länger und stärker als die des Menschen; die Epiphysen sind nicht so angeschwollen 


im Verhältniss zum Körper. Der Körper ist breit, auf seiner dorsalen Seite gewölbt 


= 301 — 


und auf der plantaren eben, an der zweiten und dritten Zehe finden sich zwei seitliche 
Kanten. Dasselbe Verhältniss zeigen die zweiten Zehenglieder. Auch sie gleichen mehr 
den Phalangen der Hand als des Fusses. Weniger gilt dieses von der dritten Phalanx. 
Die zweite Zehe ist die längste. Stellt man einen normal gestalteten menschlichen Fuss 
auf eine horizontale Fläche, so berühren bekanntlich nur die Capitula metatars. I und V, sowie 
der Fersenfortsatz die Unterlage; dabei nimmt die Rollfläche des Talus den höchsten Punkt 
ein (70°), wobei der mediane Stand dieser Gelenkfläche kaum niederer steht als der late- 
rale, der Fersenfortsatz steht mit seinem längsten Durchmesser fast senkrecht. Der Rücken 
des Fusses steigt ziemlich gleichmässig von Reihe zu Reihe nach vornen abwärts und die 
Metatarsen und Phalangen liegen in gleicher Richtung mit der Ganglinie der Talus- 
rolle, d. h. mit der Längsaxe des Fusses. Anders ist es mit dem Fusse des Gorilla. 
Legt man diesen auf eine horizontale Unterlage (vid. Tafel I.Fig. 2) so berühren die 
Zehenspitze aller Zehen und die Ferse den Boden. Letztere liegt aber schräg, denn sie 
hat ihren längsten Durchmesser nach aussen und oben gerichtet. Die höchste Stelle 
nimmt auch hier die Rolle des Talus, jedoch nur mit ihrem äusseren Rande ein (50%), 
Die Axe der Rolle aber läuft in schräger Richtung abwärts nach innen, der Fuss- 
rücken hat in der Richtung der vorderen Handwurzelknochen eine Einsenkung. welche 
zwischen os navieulare und cuneiforme I am tiefsten wird, daher ist der Tarsus an 
dieser Stelle auch flacher. Die Richtung der Metatarsalknochen und Phalangen bilden 
mit dem Längsdurchmesser des Fersenbeines oder Beugungs- und Streckungsebene des 
Talus verschiedene Winkel; — die grosse Zehe medianwärts, die übrigen lateral- 
wärts. Endlich steht die grosse Zehe mit ihren Metatarsen in einem starken Winkel 
zu den übrigen Zehen. Besonders ist noch hervorzuheben, dass die Furche für die 
Sehne des Peron. longus wegen der Kürze der Tarsusknochen der zweiten Reihe fası 
quer läuft. Dass die volare Flexion der Zehen die dorsale weit übertrifft, scheint aus 
Owen’s Bemerkung: dass die Zehen nur mit Anstrengung zu strecken wären, hervor- 


zugehen. 


Tafel IV. Figur 1 bis 4. 


Die Hand des Gorilla gleicht in allen Stücken der Menschenhand, nur ist sie in 
allen Theilen grösser, stärker und kräftiger ausgeprägt, mit Ausnahme des Daumens, 
welcher nicht blos relativ. sondern absolut kleiner ist als der des Menschen. 

Während die Körper des Metacarpus langgestreckt, auf der Dorsalseite eben und 


in der volaren Seite nach vorn kantig sind, zeigen namentlich ihre Capitula ein stärkeres 


— 302 — 


Gepräge. Die Gelenkflächen springen in scharfer Kante in die Vola hervor (Fig. 3), 
die Sinus laterales sind sehr tief und die Tubercula laufen auf der Dorsalseite in einen 
Grath zusammen und bilden ein Hemmniss für eine übergrosse Dorsal-Flexion. Rück- 
sichtlich der Phalangen wäre als besonders zu bemerken, dass die Phalanx I. auf ihrer 
volaren Seite durch kammartiges Uebergreifen der seitlichen Ränder vollkommene 
Pinnen zeigen. Fig. 3. Auch hier sind die Gelenkenden stark angeschwollen. 

Auch bei dem Gorilla hat der Daumen gleich der Menschenhand ein vollkommen 
entwickeltes Sattelgelenk, (Tafel IV, Fig. 4) doch ist er sowohl im Ganzen als auch 
in seinen einzelnen Theilen schwächer, kürzer und schmächtiger als der menschliche 
Daumen. An den Zeigefinger angelegt, reicht er nur zum oberen Gelenkkopf der 
Phalanx I. Der menschliche Daumen reicht fast bis zu ihrem vorderen Ende. 

Die so plumpe schwere Hand des Gorilla, welche zugleich, wie wir aus den 
starken Hemmungsflächen an den Köpfen der Metacarpen sehen, zum Stützen des 
Körpers beim Fortbewegen dient, bildet einen auffallenden Gegensatz zu dem leichten 
und fein gebildeten Fuss. 

Die Länge der Phalangen dieses letzteren, die dicken kräftigen Metatarsen, die 
vorherschende volare Flexion in den Phalango-Metatarsalgelenken, die seitlich gewen- 
dete Richtung der grossen Zehe der Ginglymus am Metatarsus I, der Mangel eines lig. 
capituli, die freie Bewegung des Metatarsus I, die Kürze der vorderen Tarsen, ihre 
eleichmässige Lagerung neben einander, die Kürze des Naviculare und die Endigung des 
vorderen Tarsus gegen den hinteren fast in einer Querebene — zeigen uns ein Ge- 
bilde, welches die Eigenschaften zum Greifen gleich einer Hand hat. Der Talus mit seiner 
aussen höher liegenden Roll-Fläche und seiner nur geneigt liegenden inneren Gelenk- 
fläche, die Richtung seines Gelenkkopfs nach innen und unten und seiner mehr längs 
als quer liegenden unteren Gelenkfläche — der schmächtige Calcaneus um seine Längs- 
axe nach innen geneigt und mit dem gesenkten sustentaculum, wodurch eine Aushölung 
möglichst schwindet, sind dagegen Gebilde, welche wenig geeignet scheinen der Masse 
dieses Thieres als alleinige Stütze zu dienen und einen aufrechten Gang zu bedingen. 

Während wir aus dem Talus und Calcaneus, welche bei allen Säugethieren an 
dieser Stelle vorkommen und den Beginn des terminalen Endes der Hinterextremität 
documentiren, den Fusstheil anerkennen müssen, sind die vor ilım liegenden Gebilde, trotz 
dem wir ein Naviculare, Cuboideum, Tuberculum Metatarsi V. finden, dadurch dass sie 
kurz sind. eine sehr freie Rotationan dem Calcaneus und Talus haben, welche letztere durch 


die mehr querliegende Axe des unteren Astragalus-Gelenk und die geneigtliegende Axe 


— 230.0 — 


in dem oberen Astragalus-Gelenk unterstützt wird, — Gebilde, welche eine sehr beweg- 
liche Basis für die vor ihnen liegende Hand abgeben. 


Fuss und Hand des Chimpance. 


Tafel II, Figur 1 bis 4 und Taf, IV. Fig. 6, 


Der Fuss des Chimpance') hat im Ganzen die grösste Aehnlichkeit mit dem des 
Gorilla. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich doch auch manche auffallende Unter- 
schiede. Die Länge beider uns vorliegender Exemplare (beide ausgewachsene Weibchen) 
ist im Ganzen ziemlich gleich, doch sind die einzelnen Theile sehr verschieden. Wäh- 
rend nämlich der Chimpance im Metatarsus und den Phalangen an Länge den Gorilla weit 
übertrifft, ist dieser wieder länger in der Fusswurzel. (Chimpance 80”, Gorilla 90°) 
Dieses ist ganz besonders veranlasst durch das längere Fersenbein und Talus. Bei dem 


oedreht und sielit mit 


Chimpance ist das Fersenbein noch mehr um seine Längsaxe g 


der äusseren Fläche nach unten. (Bei dem Würzburger Gorilla übrigens, den ich der 
Gefälligkeit des Herrn Hofrath Kölliker verdanke, ist die fast gleiche Bildung dieses 
Knochen). Die grössere Länge des vorderen Theiles des Fusses beruht dagegen beim 
Chimpance auf der grösseren Länge der ersten Phalanx der vier letzten Zehen. Ferner 
wäre zu erwähnen, dass wenigstens bei dem Würzburger Gorilla die innere (mediane) 
seitliche Geleukfläche des Talus zu der oberen Rolle in einem weit grösseren sehr 
stumpfen Winkel steht, die äussere aber in einem spitzeren als bei dem Chimpance. 
Die grosse Zehe ist an beiden ganz gleich, daher beim Gorilla grösser im Vergleich 
zu den anderen Zehen. 


Tafel IV, Figur 6 


Nur wenig Verschiedenheit besteht zwischen der Hand beider Thiere. Der Chim- 
pance zeigt eine längere und schmälere Hand, sowie eine grössere Länge der Meta- 
carpen und der Phalangen, dagegen hat er nicht jene Längskanten auf der Volarseite 
der ersten Phalanx. Die Daumen beider gleich, daher auch hier wieder dieser beim 


Chimpance im Vergleich zu den übrigen Fingern kürzer. 


1) Man vergleiche das Pracht-Werk: Recherches d’Anatomie compar&e sur la Chimpance par W. Vrolik pg. 12, 


— 304 — 


Der Fuss und die Hand des Orang verglichen mit dem des Gorilla. 
Tafel III. Fig, 5 bis 9. 


Hier findet ein ähnliches Verhältniss statt wie zwischen dem Chimpance und dem 
Gorilla. Beide Füsse vorliegender Exemplare (auch der Orang ist ein altes Weib- 
chen) sind fast gleich lang. Allein der Gorilla ist länger in dem Tarsus, der Orang in 
dem Metatarsus und den Phalangen. Beim Orang ist der Fersenfortsatz kurz und nicht so 
um seine Axe gedreht. Die äussere Seite derselben bildet auch nicht in dem Grad einen 
spitzen Winkel mit dem Querdurchmesser der Rolle des Talus.. Die Knochen des 
Tarsus sind alle kleiner. Die vier äusseren Metatarsen aber länger und nach vornen 
glatt angeschwollen. Die ersten Phalangen sind viel länger als bei dem Gorilla, da- 
bei aber stark von der hintern zur vordern Epiphyse gebogen, auf der Volarseite 
flach, auf der dorsalen aber im Querschnitt gewölbt. Auch die zweite Phalanx 
ist grösser. Was nun aber die erste Zehe betrifft, so ist diese viel kürzer und 
schmächtiger. Der Metatarsus bewegt sich auf einer Rolle des cuneiforme I. und stellt 
ein vollkommenes Charniergelenk dar. (vid. Fig. 7.a.b.) Bei einem getrockneten in Bänder 
präparirten Orangfuss, welcher im Wasser aufgeweicht wurde, finde ich übrigens die 
Axe dieser Rolle in einem viel spitzeren Winkel zu den übrigen Basen der Metatarsen 
als bei dem Gorilla (vid. Tafel III, Fig.6 a—b.) An einem jungen Orang, den ich in Wein- 
geist aufbewahre und an dem die Muskeln, Arterien und Nerven präparirt sind, finde ich 
eine überaus grosse Schlaffheit des oberen und unteren Tarsusgelenks, sowie ein sehr 
bedeutendes Rotationsvermögen zwischen Talus und Cuboid. einerseits und den übrigen 
Tarsusknochen. Bei meinem jungen Orang lassen sich z. B. die Capitula Metatarsi um 
die Längsaxe des Fusses um 102° rotiren, während bei dem Menschen diese Rotation 
von aussen medianwärts nur in einem Winkel von 56° geschehen kann. Endlich 
aber findet sich die volare Flexion in dem Metatarso-phalangeal-Gelenk gleich den an- 
deren Affen auf's Vollkommenste ausgebildet, während die Dorsal-Flexion nur sehr be- 
schränkt ist. 

Die Hand (Taf. IN. Fig. $, 9) des Orang unterscheidet sich durch einige Eigenthüm- 
lichkeiten. In dem Carpus findet sich nämlich zwischen Multangulum, Capitatum, Naviculare 
ein eigener Carpusknochen, welcher mit dem Multangulum minus, sowie mit dem Capitatum 
artieulirt und die vordere Gelenkfläche des os naviculare (für das das Capitulum des os 
capitat.) ergänzt und vergrössert (W. Vrolik 1. e.). Ferner ist ein kleiner erbsenförmiger 


Knochen nach hinten an der Daumenseite des os multangulum majus und ist hier nichts 


— 305 — 


anders als die von den Os multangulum m. getrennte Eminentia carpi radialis inferior 
des Menschen. Im Ganzen ist die Hand länger und schmaler und schlanker als beim 
Gorilla. Alle Knochen sind schmächtiger, die Metacarpusknochen aber und die Pha- 
langen sind länger. In dieser Hinsicht ist die Hand des Orang weit ähnlicher dem 
Chimpanse, doch ist charakteristisch für sie die stark über die Fläche gebogene erste 
Phalanx (ganz wie an dem Fuss). Endlich ist zu bemerken, dass der Daumen kürzer 


als bei dem vorigen. Letzterer articulirt wie bei dem Menschen und den andern 


Allen in einem Sattel. 


Der Fuss und die Hand des Hylobates leuciscus. 


Tafel II, Figur 10 und 11, Tafel IV, Fig. 7 und 8. 


Der Tarsus ist hier verhältnissmässig länger und grösser, allein der Fersenfort- 
satz ist kurz und statt nach unten, nach oben ausgehöhlt, aber nicht um die 
Axe gedreht. Der äussere Rand der Talusrolle steht wie bei allen Alfen aussen höher. 
Die grosse Zehe ist ungleich grösser und stärker als beim Orang und artieulirt auf 
einer Walze im Charnier. (Fig. 11a.b.) Rücksichtlich der Hand wäre aber ganz be- 
sonders zu bemerken, dass am Carpo-Metacarpalgelenk des Daumens kein Sattel, son- 
dern eine freie Arthrodie vorhanden, indem die ausgehöhlte pfannenartige 
Gelenkhöhle am Metacarpus des Daumen auf einem runden Gelenkkopf des 
Multangulum majus artikulirt. (Siehe Tafel IV, Fig. 8, wo der Carpus von der 
Volar-Seite abgebildet ist.) 


Längemessungen der einzelnen Theile der Hand und des Fusses bei 
Menschen und ungeschwänzten Affen. 


Die Messungen für die nächstfolgenden Tabellen sind in nachstehender Weise 


genommen. Die Länge des Carpus von der oberen Gelenkfläche des os lunatum zum 


Metacarpus II. — Des Tarsus vom oberen vorderen Ende der Rolle des Talus zum 
Metatarsus II. — Die Länge des Daumens und des Zeigefingers der ersten 


und zweiten Zehe ist zweimal gemessen. Einmal für sich und das zweitemal 
schliesst die Messung den dazu gehörigen Metacarpus und Metatarsus mit ein. — Der 
Metacarpus und Metatarsus (für sich) so wie die Phalangen sind an der 


Hand amı Mittelfinger, an dem Fusse an der zweiten Zehe gemessen. 
Athandl. der Senckenb. naturf. Ges. Bd, V. 39 


— 306 — 


Der Kürze halber werde ich im Text die Maasse wo die Metacarpen und die 
Metatarsen mit den Fingern und Zehen zusammen gemessen sind, „erste, zweite 
Finger- oder Zehenreihe‘“ nennen. 


A. Längemessungen der Hand und des Fusses in Millimeter. 
a Bub ra | c I r 
len ä la |8 . | ee. ; 
En een: = |Esl52°2313|2 
ala| 3 an 22 | on | © n a |.d| „ei .ejd|S |< 
Saale lee | a as es NS 
Name. Sale El ae Er een ee o|o 
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Ss: sale re m |$ |z28E8e@8|&|2| € 
© | 8 jen |s Nı= = ss on sea |S|A 
| =|2|= ıs = E ms 
| IS A | | 
Mittel aussechs 190 BSR 62,6 97,81147,4|42,6 |53,3| 82,3| 92,2] 233! 68,8 70,4 |114,3 120,2 27,8)56,1| 54) 48,1 


Europäern. | 


Mittelaus sechs 168,2|29,5[59,6. 87,8|135,3140,3 |47 | 75 | s3,1] 211! 60,3 | 66,6 1103 |112,6 25,5149,2| 47, 43,3 
Eur. Weibern. | 


Malaie. 180 |32 |65 | 94 |152 |45 210'59 |72 |106 1121 25 | 


Neger. 180 |30 |65 [100 |147 43 |53 | 77 | 90 ||230155 |73 115 |124 30 155 | 50 48 
Gorilla. 1220 |37 183 | 85 1175 53 |44 | 85 1109 235] 48 |73 96 |148 |38 |46 | 75 71 


Chimpance. [240 |28 |85 | 88 [193 |63 |48 |107 130 ||243|46 |76 108 |165 ‚46 |51 | 89] 84 


Orang. 'yu30 127 |87 | 78 |198 72 |42 |111 |130 || 255] 44 |83 72 \189 '60 |28 106/121 


Hylobates 152 |IS |53 | 62 |128 41 |33 | 73 | 82 ||135|27 |43 65 | 91 |25 |29 | 48) 56 
leueisc. 


30%7 


B. Die Länge der Hand und des Fusses = 100. 
j 2: b.; caumd: ä 
ln} un . * © | 
Set ee Ei See ls ee 
sle ra ee ee: et|s 
Name, Bil elsslas || 5 Eines En slnsls Seile 
sısjsas| se 382| 35 al S S |»90 Fe| cz Ss 
a a Er U - & a | SS |5N|;N & = SE 
Pr} —_ © = 
| Ss ım | 
nn N 
| | 
Mittel aus 6| 17,7 32,6 51,41 77,5 |22,7 |28,16 |43,3 |48,6 127,8 | 30,2 | 60,4] 51,5| 11,9 | 24,07) 23,1 20,6 
Europäern. 
Mittel aus 6 | 17,5/35,7) 521804 |23,9 |27,9 |44,6 |49,4||28,8 |31,5 | 61,2! 53,3] 12,081 23,3 | 22,2 20,5 
Eur. Weibern 
Malaie 117,735 | 52,2|84,4 |25 28,09| 34,2 | 58,8) 57,6| 11,9 
Neger 16,6 37,2] 55,5|81,1 123,8 [29,4 |42,7 |50 |23,9 |31,7 | e3,8| 53,9| 13,4 \23,9 | 21,7! 20,8 
Gorilla | 16,8) 37,7| 38,6|79,5 |24,09|20 138,6 |49,5 20,4 |31,06| 40,8 62,9| 16,1 | 19,5 | 31,9] 30,2 
Chimpance |11,6 35,4| 35,4180,4 |262 |20 [44,5 15411188 |31,2 | 44,4 68,7) 18,8 | 20,9 | 36,4| 34,5 
| 
| 
Orang |11,7|37,8| 33,9| 86,08 | 31,3 |182 |482 |56,5 17,2 |32,6 | 28,2| 74,1123,5 [10,9 | 41,5| 47,4 
Hylobates |11,8/34,8| 40,7|84,2 |26,9 |21,7 |48,02|53,9|20 |31,8 | ag,| 67,6l18,5 [21,4 | 35,5| 41,4 
leuciscus | 
| | 
Aus vorstehenden Tabellen glaube ich Folgendes als besonders von Interesse 


entnehmen zu können: 


1) Der Neger ist in dem Metacarpus und Metatarsus, in Folge dessen auch in der 


ersten und zweiten Finger- und Zehenreihe (vid. Tab. A., Columne a, b, c, d) 


und in der Phalanx I der Finger und der Zehen absolut grösser als der Euro- 


päer, in allen andern Theilen aber kleiner. 


Aus Tabelle B. ergiebt sich aber, 


dass auch die Finger länger werden, der Carpus, Tarsus und die Zehen aber 


kleiner bleiben. 


2) Vergleichen wir die drei ersten ausgewachsenen weiblichen Affen mit dem 


menschlichen Weibe, so zeigt sich rücksichtlich der relativen Grösse folgendes: 
39* 


3) 


4) 


— 308 — 


Carpus, Tarsus, Daumen und grosse Zehen nehmen bei den unge- 
schwänzten Allen entschieden ab. Die erste Phalanx der Hand und des 
Fusses,. sowie die übrigen Finger und Zehen werden entschieden grösser. 
Der Neger steht durch die grössere Länge der ersten Hand- und Fuss- 
reihe, (a.b. e.d. B.) sowie die Kürze der Zehen und die Länge des Daumens 
den Affen ferner, als die Europäer. In der Kürze des Carpus und Tarsus 
tritt er ihnen näher. 

Der Gorilla steht weder rücksichtlich der Hand noch des Fusses dem Menschen 
näher als der Chimpance oder der Hylobates. Scheint er auch an einer Stelle 


ihm näher zu stehen. so en!fernt er sich an einer andern wieder um so mehr. 


C. Differenzen zwischen einzelnen Theilen der Hand und des Fusses. 
= = = = = | = 
=) = = = 5 
= el.5 Eee EiBR ae =; 3 = 
e- AH ee Er.) a8 „© © SS = 
25 = Ic) oe Se = SE ce ai= 
7 ==] SE EN ON „N elS EIS 2 sa 
Namen. eR=} BreH SI N Öo Bo re = DS 
58 as Ne & E82 EEE 28 iz 
Sn ERS PR BE eE sea |Iı abs =) 28 
S,o 805 “2 mE SS 22 e'E R-} == 
AN we Zus Ez A an on => Q >= 
Europäer | +Z29 | +M 99 | +1 231 | + 651) +2238 | +F 283 |+F 441| +T35 | +Mt 32 


Europäisches | +228 | +M 81| +I 22 | +II 37| +2 22 | +F 25,8 F 39 +T 5313| +Mt 7 
| 


Weib 


Neger 


Gorilla 


u || Karen F42 |+T2 | +Mts 


be 1 


+Z224 |+Mıi3 | I 


za | EM oa | IT a9 em are rzZo | MIO F38 |+Tıl | +Me 10 


Chimpance | 4259 | +M 33 | +ıı ss | + 5 | +23 | +F ıs F4 | +T18 | +Mc9 


Orang 


Hylobates +Z40 | +M 9 |+1I 19 |) +II 8) +D 4 | +F 25 


2.69: | +M 19 {IT Te | mas DA | +F 5 |, moue | Tacz | +Me 4 
| | 


| | 
| 

| 

| 


| 


— 309 — 


Rücksichtlich der Differenzen dürfte wohl Folgendes zu bemerken sein: 
a. an der Hand: 

Die Differenz zwischen Daumen und Zeigefinger weit kleiner 
beim Menschen als bei den Affen (29 Europäer, 41 Gorilla). Unter ersteren 
hat der Neger einen grösseren Daumen, unter letzteren der Hylobates, Gorilla. 
Neger, Europäer — Hylobates, Gorilla. 

Die Differenz zwischen Zeige- und Mittelfinger kleiner beim 
Menschen als bei den Affen. Bei ersterem hat wieder der Neger den grösseren 
Mittelfinger, bei letzteren der Gorilla. Die Reihe würde also sein: Europäer, 


Neger — Hylobates etc., Gorilla. 
b. an dem Fuss: 


Die Differenz zwischen erster und zweiter Zehe beim Menschen 


ehr cering, bei den Affen sehr gross (Europäer 2.1”. Gorilla 29°) 


un 


Bei dem Menschen ist die erste Zehe grösser als die zweite (beim Neger 
am grössten [6"). bei dem Affen die zweite Zehe grösser als die erste. Die 
Länge der grossen Zehe nimmt zu: Europäer, Neger und bei den Affen 
Gorilla etc. Hylobates. 

Die Differenz zwischen zweiter und dritter Zehe ist bei dem 
Europäer grösser als bei dem Neger d.h. die zweite Zehe ist grösser. Eben- 
so ist es bei dem Gorilla und Chimpance. Umgekehrt wird aber die dritte 
Zehe grösser als die zweite beim Orang und Hylobates (vermehrte 
Handbildung). Die Reihe würde hier sein bezüglich der Grösse der zweiten 


Zehe: Neger, Europäer — Gorilla, Chimpance, Hylobates,. Orang. 


c. zwischen Hand und Fuss: 
Die Differenz zwischen dem Daumen und der grossen Zehe ist 
bei Menschen und den höherstehenden Affen gering d. h. die grosse Zehe ist 
elwas grösser als der Daumen. Anders ist es bei Hylobates und Orange: 


hier wird der Daumen viel grösser als die grosse Zehe. 


Die Differenz zwischen dem Zeigefinger und der zweiten Zehe 
ist bei dem Menschen am grössten. Auch bei Hylobates ist sie gross, da 


hier die zweite Zehe kleiner geworden. 


Die Differenz zwischen dem dritten Finger und der dritten 


Zehe bei dem Menschen etwas grösser, besonders bei dem Neger. 


— 310 — 


Die Differenz zwischen Carpus und Tarsus ist bei dem Menschen 
viel grösser. Hier bei dem Neger, unter den Affen bei dem Hylobates und 
Gorilla am wenigsten. Europäer, Neger, Orang, Chimpance, Gorilla, Hylo- 
bates. 


Die Differenz zwischen Metacarpus und Metatarsus zeigt bei dem 
Menschen den Metatarsus grösser und zwar vorzüglich bei dem Europäer. 
Bei den Affen aber den Metacarpus grösser, besonders bei Gorilla und Hylo- 
bates. Der Metacarpus wird grösser: Europäer, Neger. — Orang, Chim- 
pance, Hylobates, Gorilla. 


Hand und Fuss der geschwänzten Affen und Halbaffen. 


Wie wir gesehen, ist der Fuss bei den geschwänzten Affen weit grösser 
als die Hand, bei Hylobates war dagegen die Hand grösser als der Fuss. Wenn gleich 
letzterer sich hierdurch sehr von den niederen Affen entfernt, so ist doch Fuss und Hand 
im Ganzen, sowie das Verhältniss der Metatarsen, Metacarpen und der Phalangen zu 


einander bei letzteren dem Hylobates ähnlich. 


Beim Gorilla und Chimpanse ist die zweite Zehe (mit ihrem Metatarsus) am längsten 
und gleichmässig bis zur fünften nahmen die Fussglieder an Länge ab. Zuerst beim 
Orang zeigte sich die dritte Zehe als die längste, dann folgte die vierte, die zweite 


und zuletzt die fünfte. Ebenso war es bei dem Hylobates. 


Bei den niederen Affen ändert dieses Verhältniss jedoch auch wieder. Hier hat 
z. B. das vierte Fussglied meist eine gleiche Länge mit dem dritten. Zuweilen ist aber 
das fünfte Fussglied länger als das zweite (Inuus silvanus), dann wieder das zweite 
länger als das fünfte. Zuweilen sind die Phalangen weniger lang. die Metatarsen 
aber länger (Macacus Gelada), zuweilen umgekehrt (Colobus Guereza). Bei Hapale 
wird sogar der fünfte Metarsus länger als die andern. Ebenso wechselt die Länge 
der grossen Zehe. Letztere artieulirt aber überall auf einer Rolle, die in 
ihrer Oberfläche eine mehr oder weniger mit der Axe schräg sich kreuzende 
Sinziehung hat. Der Calcaneus hat keinen starken Fersenfortsatz und ist auf seiner 
untern Fläche eben. Das Sustentaculum steht geneigt und der Talus in Pronation, 
wodurch seine Axe für das Sprunggelenk nach Aussen einen Winkel mit dem Horizont 
bildet. 


— 311 — 


An der Hand ist überall das Os centrale. Das Os pisiforme bildet einen 
langen Fortsatz und articulirt überall mit der Ulna und dem Os triquetrum, was bei den 
höheren Affen nicht der Fall. Der Daumen ist bald länger bald kürzer, ebenso die 
Finger (der dritte der längste) und die Metacarpen; (bei Macacus gelada die Finger 
kurz und die Metacarpen lang). Der Metacarpus I articulirt fast überall mit dem Mul- 
tangulum majus in einem mehr oder weniger ausgebildeten Sattelgelenk. Bei Ateles 
aber trägt der Metacarpus eine ausgehöhlte Gelenkfläche, welche am Multangulum 
mit einer entsprechend gewölbten Rolle, deren Axe senkrecht auf einer die Basis der 
übrigen Metacarpen verbindenden Ebene steht, sich verbindet. Der Metatarsus I aber 
artieulirt in allen den Fällen, welche ich genauer zu untersuchen Gelegenheit hatte, 
(Ateles Hapale) gleich wie beim Gorilla auf einer Rolle. 


Betrachten wir doch auch hier einzelne Formen etwas eingehender. 


Colobus Guereza. 
Tafel I, Fig, 3—6. 


Die Hand (Fig. 3) dieses zeichnet sich aus durch einen verkümmerten Daumen- 
stummel, indem nämlich auf dem Metacarpus I nur eine sehr verkümmerte Phalanx I 
articulirt, die zweite aber vollkommen fehlt.') Der Metacarpus I bewegt sich auf einer 
Rolle des Multangulum majus, deren Axe wohl in einem fast rechten Winkel mit einer 
Linie steht, welche die Basis der Metacarpen mit einander verbindet. Von einem freien 
Sattelgelenk ist hier keine Spur. Die Metacarpen der übrigen Finger, die nach oben 
schmäler, nach den Phalangen breiter werden, haben an den Carpo-metacarpal-Gelenken 
Sesambeine. Die Phalanx I und II ist stark gebogen. Der zweite Finger ist mit 
seinem Metacarpus kürzer als der fünfte. Bei den Carpusknochen ist das Os centrale 
zu erwähnen, welches gleichsam als die vordere Hälfte des naviculare hominis der 
einen Seite des Os capitati eine Hohlfläche darbietet und mit einer convexen Fläche 
mit dem Os multangulum minus articulirt. Die erste Reihe der Carpalen artieulirt mit 
dem Radius wie bei dem Menschen, es steht aber auch die Ulna mit dem Os triquetrum 
und dem pisiforme in vollkommener Articulation. Bis auf das Carpo-metacarpal-Ge- 


lenk des Daumens, welches weniger freistehend als bei dem Menschen nur eine Flexion 


") An meinen beiden Skeletten von Ateles fehlt die erste Phalanx, da aber der Metacarpus stark 
gewölbt, so scheint diese hier beim Skeletiren abhanden gekommen zu sein. 


— 312 — 


und Extension besitzt und die Phalango-metacarpal-Gelenke, bei welchen die Volare- 
Flexion durch die Sesambeine etwas weniger entwickelt scheint, sind die Verhältnisse 


ganz analog der Menschenhand. 


Der Fuss. Was nun den Fuss von Colobus Guereza betrifft, so ist rücksicht- 
lich der Phalangen zu bemerken, dass die erste wie die zweite Phalanx von vorn 
nach hinten gebogen sind und daher nach der Vola concav sich zeigen. Aber auch 
im Querschnitt sind sie gleich denen der Hand auf dem Rücken convex und auf der 
Vola concav. Ferner ist zu bemerken, dass die 3. und 4. Zehe (nebst Metatarsus) die 
langste;: die 2. kürzer als die 5., die erste jedoch die kürzeste ist. In gleichem 
Verhältniss stehen die Metatarsen für sich. An den Gelenken dieser mit den Phalangen 
finden sich Sesambeine. Diese Metatarsen articuliren (von dem 2. bis 5.) mit von 
oben nach unten gewölbten Gelenkflächen an der zweiten Reihe der Tar- 
sen, wie auf Taf. I, Fig. 9 bei dem Cynocephalen zu sehen ist. Anders verhält es 
sich mit dem Metatarsus I. Hier artieulirt eine Hohlrolle des Metatarsus auf einer Rolle 
des Cuneiforme I. wie bei den anderen Alfen. Nur dadurch ist dieses Gelenk ver- 
schieden, dass die Rolle (Fig. 6a) des Cuneiforme auf ihrem oberen Theile plötzlich 
eine Aushöhlung bekommt, in welcher ein Meniscus mit Knochenkernen liegt. Dieser 
Meniscus (Fig. 6b) ist nach beiden Seiten convex den Knochenflächen zugewendet und 
ist an dem oberen und hinteren Rande des Gelenks mit einer feinen Lage von Binde- 
gewebe angeheftet. An diesem Rande liegen zwei osteoide Knochenstücke, welche nach 
dieser Richtung die Gelenkhöhle vertiefen (Fig. 6. cc. — Fig. 5 ). Von den Tarsus- 
knochen wäre nur zu erwähnen, dass das Naviculare sehr steil steht und seine hintere 
Gelenkfläche mehr von oben nach unten liegt; dass der Kopf des Talus seine grösste 
Ausdehnung von oben nach unten hat, dass die Ferse nicht abwärts hervorspringt. son- 
dern mit ihrem oberen Ende, gleich wie bei dem Hylobates nach oben schniebenförmig 
ausgezogen ist der Calcaneus in seiner ganzen Länge auf dem Boden aulliegt und eine 


Wölbung in der Sohle nicht vorhanden ist. 


Uynocephalus mormon und hamadrias. 


Tafel I. Fig. 7—9 


Was die Länge der Finger (mit den Metacarpen) betrifft, so ist der 3. und 4. gleich 


gross und der 2. hat fast gleiche Länge mit dem 5. Das Daumenglied ist verhältniss- 


mässig lang. Der Metacarpus I steht mit einem sehr abgeflachten Sattelgelenk mit dem 


— 353 — 


multangulum majus in Verbindung. Die übrigen Metacarpen haben an ihren Basen von 
der dorsalen Seite gewölbte Gelenkflächen, durch welche sie mit den Carpalen in Ver- 
bindung stehen (Tafel I, Fig. 8). Das Os centrale ist vorhanden, das Os pisiforme 
articulirt mit dem triqueirum und mit der Ulna, was bei dem Orang sowie bei dem 
Menschen nicht der Fall. Es scheint hier gleich der Ferse als günstiger Hebelarm für 


den Flex. ulnaris beim Gehen zu wirken. Der carpus ist gross. 


Am Fusse sehen wir die 2. und 3. Zehe gleich lang, weit kürzer die 4. und 5. 
Der Daumen mit seinem Metacarpus ist gross. Letzterer articulirt mit einer Hohlrolle 
auf einer Rolle des cuneiforme I, dessen Axe steil von oben und aussen nach unten 
und innen läuft. Die übrigen Metatarsen verbinden sich durch von der dorsalen zur 
volaren Seite gewölbte Flächen mit den eorrespondirend concav ausgehö hlten Flächen 
der Tarsalen. Der Tarsus ist miltelgross, das Os navieul. liegt steil und ebenso seine 
hintere Gelenkfläche. Es berührt seitlich das Os cuboideum. Der Talus ist pronirt und 
seine Axe für das Sprunggelenk bildet mit dem Horizont. wie bei allen Allen, einen 


Winkel nach aussen. 


Cebus capueinus. 


Hand. Die Carpusknochen mit dem Centrale sind wie bei den anderen Affen. — 
Die Cartilago triangularis mit dem lig. suberuentum fehlt und das Os triquetrum und pisi- 
forme artieulirt unmittelbar auf der Ulna. Das multangulum majus zeigt eine Rolle, 
welche in der Mitte etwas vertieft ist, auf derselben artieulirt in rechtem Winkel die 
Hohlrolle des Metacarpus I. welcher entsprechend jener Vertiefung erhöht ist. Die 
Axe dieser Rolle steht in einem grösseren Winkel zu den Axen der übrigen Meta- 
carpalen als bei Ateles. Rücksichtlich der Länge der Finger ist zu bemerken, dass der 
3. und 4. Finger gleich lang ist, dass der 2. stärker und nur wenig länger als der 5. 
ist. In dem Phalango-metacarpal-Gelenk ist eine weit freiere Flexion und Extension, 


obgleich hier Sesambeine. 


Fuss. Die Ferse steigt nicht frei abwärts, sondern aufwärts und der Calcaneus 
bildet von hinten nach vorn eine mehr gleichmässige Stütze. Die Bänder sind schlaff, 
aber die Rotation am Fussgelenk beschreibt nur einen Bogen von 60° und ist daher 
viel geringer als bei dem Orang. An dem Phalango-Metatarsusgelenke der übrigen 
Zehen ist Flexion und Extension wie an der Hand sehr gross. Das Os cuneiforme hat 


eine Rolle, deren Axe in einem rechten Winkel zur Axe der übrigen Metatarsen von 
Abhandl. der Senckeib. naturf. Ges. Bd. V. 40 


— 3141 — 


oben und vorn nach unten und hinten steht. Sie wird an der Oberfläche von einer 
Vertiefung, welche von oben und innen nach unten und aussen schräg herabläuft, ge- 
kreuzt. Die 3. Zehe ist fast gleich an Länge mit der 4. Zehe, kürzer die 2. und am 
kürzesten die 5. 


Otolicnus senegalensis. 
Tafel I. Fig, 10. 


Die Fussbildung von Otolienus senegalensis hat manches Erwähnenswerthe. Be- 
kannt ist der lange Tarsus dieser Thiere, daher diese Familie den Namen Macrotarsi 
hat. Der gleichmässig langgezogene Calcaneus mit in gleicher Richtung hinten heraus- 
tretender kurzer Ferse, hat an der Gelenkfläche für das Os cuboid, an der inneren 
unteren Seite eine Vertiefung, in welcher ein griffelförmiger Fortsatz jenes Knochen 
! De Pe liegt, und um welchen der Calcaneus rotirt, und 
Ansicht. zwar um eine Axe, welche horizontal aus dem Hals 
des Talus, durch das Os naviculare in das cuboid. 
tritt (vid. Tafel I, Fig. 10) — Der Talus articulirt 
mit dem Os naviculare in einer Pfanne, und dieser 
lange Knochen richtet drei schärfer als gewöhnlich 
getrennte Gelenkflächen gegen die drei Oss. cunei- 
formia, mit welchen er nach vorn die articulatio 
calcaneo-cuboid. weit überragt. !) — Das Os cunei- 
forme I zeigt eine in ihrer Mitte verliefte Rolle, 
deren Axe von oben und innen, nach unten und 
aussen läuft und einen stumpfen Winkel mit den 


Basen der übrigen Metatarsen bildet. Auf dieser 


Rolle wird der Metatarsus I mittelst seiner Hohl- 


rolle flectirt und extendirt. Ob eine erhebliche 


Contact von Cuboid. u. Proc. 
anterior calcanei. 


Otolienus Senegalensis. den, ist wohl, so weit ich zu erkennen im Stande 


Adduction und Abduction des Metatarsus I vorhan- 


1) Herr Professor W. Henke in Marburg schreibt mir über diese Gelenkbildung Folgendes: 

„Zu den beiden Fussgelenken, wie sie beim Menschen, den meisten Affen und vielen anderen Säuge- 
thieren zu freier Beweglichkeit ansgebildet sind, kommt ein drittes, in welchem sich das sehr verlängerte Os 
naviculare und mit ihm der vordere Theil des Fusses gegen den ebenfalls sehr verlängerten Caleaneus und den 
Talus (wie der Radius mit der Hand gegen die Ulna mit dem Oberarm) bewegt. Die Achse des ersten Ge- 


— 315 — 


bin, zu bezweifeln. An dem Metatarsus I ist namentlich der auffallend grosse haken- 
förmige Fortsatz zu erwähnen, an welchen der Peroneus longus die Beugung veranlasst. 
Die Metatarsen beginnen alle in einer Querebene neben einander, sind hier kurz und 
werden, wie meist bei den Affen, nach vornen hin dicker, so dass sie an Metacarpen 
erinnern. Die Phalangen sind im Vergleich zu jenen auffallend lang und der längste 
Finger ist der vierte. Der Metatarsus I ist dicker und länger als die andern, ebenso 
der Daumen. Die Nägel sind bis auf den der zweiten Zehe platt. 

Untersuchen wir nun auch hier wie bei den ungeschwänzten Affen die Längen 
der Knochen der Hand und des Fusses. 


lenkes (zwischen dem Talus und Unterschenkel Taf, I,, Fig. 10 I.) liegt wie immer quer durch die Talusrolle, 
die des zweiten (zwischen dem Talus und dem übrigen Fusse, ibid, ID) nach vorn und der Mitte hin, die des 
dritten (Taf. I, Fig. 10. II) gerade von hinten nach vorn, Sie laufen durch den Kopf des Talus, das hintere 
Ende des Naviculare und des Processus anterior calcanei hin durch eine nach hinten vorspringende Spitze der 
hinteren Gelenkfläche des Cuboid., mit welcher sie nach unten und der Mitte unter die des Calcaneus hinein- 
greift. Letztere ist auch beim Menschen angedeutet und geht bei der Betheiligung dieses Gelenks an der Dreh- 
ung um die schiefe Achse des unteren Fussgelenks zur Adduction in die Aushöhlung unter dem Sustentaculum 
tali hinein. Wenn aber auch die Drehung um jene rein horizontale Achse angedeutet ist, so wird sie eben- 
falls achsentragend. (Mittleres Fussgelenk, H, Meyer. Vgl. dessen physiologische Anatomie $. 137 und Henke 
Anatomie und Mechanik der Gelenke S. 263). 


40* 


316 — 


A Längemessungen an der Hand und dem Fusse der ungeschwänzten Affen 
und Halbaffen nach Millimeter. 


Zweite Zehe 


48 


34 


Dritte Zehe 


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A| 
ee er EEE BEE VAEEBE "7 WEBER VERF VEErBp VBRRB FEEE Be ER EEE ee nn NL 
Neger 150 | 30 | 65 | 43 | 53 | 77 | 90|100| 115 | 230 | 55 | 73 | 30 | 55 
Gorilla 220 | 37 | 83 | 53 | 44 | 85 |109| 85| 96 | 235 | 48 | 73 | 38 | 46 
Semnopith. entellus. 108 | 13 | 41 | 26 40| 53 | 170 | 34 | 51 | 23 
Semnopith. comat. A| 7|/25|2%0 93| s8| 115 | 15 | 36 | 17 
Colobus guereza 105 | 11 | 36 | 28 3 | 48 | 59) 201| 60| 175 | 35 | 53 | 27 | 25 
Cercopith. Patas. 105 | 17 | 41 | 24 38| 54| 173 | 32 | 59 | 25 
Cercopith. ruber 70 | 12 | 30 | 16 29| 38| 125 | 25 | 40 | 15 
Inuus silvanus 123 | 13 | 42 | 29 | 22 | 48 | 61| 49 | 69 | 188 | 36. | 55 | 27 | 28 
Inuus nemestrinus 105 | 13 | 33 | 27 42| 60| 150 | 30 | 41 | 23 
Cynoceph, leucoph. 115 | 16 | 45 | 29 | 28 | 54 | 65 | 57 | 75| 175 | 35 | 55 | 27 | 31 
Cynoceph. mormon. 145 | 30 | 53 | 35 | 32 | 61 | 72| 73) 87| 205 | 38 | 56 | 35 | 40 
Macacus gelada 110 | 22 | 45 | 20 | 20 | 34 | 46| 64| 60| 180 | 40 | 59 | 21 | 23 
Ateles panisc-. 122 | 13 | 40 | 38 19| 50| 155 | 35 | 48 | 28 
Ateles Beelzeb 115 | 13 | 41 | 33 20| 65| 145 | 30 | 43 | 28 
Cebus capueinus. 75, |91421720210905182021655218381 17:37], A5ı 1 SERIE E952 5332 151921521 
Hapale jacch. 48 6 | 16 | 16 32| 29 85 18 | 26 
Callithr. sciurea. 50 6| 14 | 13 25| 2383| 75 | 16 | 24 | 14 
Lemur catta. 60 6 | 18 | 17 | 16 | 80 | 34} 297 50| 1035 | 21 | 26 | 17 | 22 
Otolicnus senegalensis 30 Dad 9 14| 21] 70 | 29 | 10 | 8 


— 3517 — 


B. Die Länge der Hand und des Fusses = 109. 
—— , - 
: j = > 
= Fi A S = zZ ” a = = 
= 121 FE Eee ee a ES ERS 
Name. Eis Es 3 3 2153 a En n @ © 
EN S = 3 & = = = S 2 B=1 3 
ler le kele aeleeeeee 
| 
| | 
Neger. 16 |37,2 |23,8 |29,4 [42,7 |50 |23 |31,7 |ı3,4 |23,9 | 21,7 | 20,8 
Gorilla. 16,8 | 37,7 [24,09 20 | 38,6 [49,5 | 20,4 | 31,06116,1 | 19,5 | 31,9 | 30,2 
Semnopith. entellus. | 12,03) 37,9 | 24,07 20 30 [13,4 
Semnopith. comat. 9,4 | 33,7 | 27,02 13,04) 31,3 114,7 
Colobus guereza. |10,4 |34,2 [26,6 | 1,9 145,7 |56,1 |20 [30,2 Jı5,4 | 142 \97,4 Jar: 
Cercopithecus patas. | 16,1 | 39,04| 22,8 18,4 | 34,1 114,4 
Cereopithecus ruber. | 7,1 | 42,8 | 22,8 20 132° |12 
Inuus silvanus. 10,5 | 34,1 | 23,5 | 17,9 | 39,02] 49,7 | 19,1 | 29,2 [14,3 | 14,8 | 26,6 | 35,6 
Inuus nemestrinus. 12,3 | 31,4 | 25,7 20 |27,3 15,4 


Cynoceph. leucoph. |13,9 |39,1 |25,2 |24,3 | 469 56,5 [20 | 81,4 |15, 


Cynoceph. mormon. | 20,6 | 36,5 | 24,1 | 22,07| 42,07| 49,7 | 18,5 | 38,5 |17,07| 19,5 | 34,6 | 34,6 


Macacus gelada. 20 |40,9 |18,1 |18,1 |30,9 |41,8 |22,2 | 33,7 |ı2,2 | 12,7 [22,7 [28,3 
Ateles panisc, 10,6 | 32,7 | 31,1 22,5 | 30,9 11,6 
Ateles Beelzeb. 11,3 | 35,6 | 28,6 20,6 129,6 119,3 |2ı |s8 |40 


Cebus capucinus. 18,6 | 26,6 | 26,6 | 26,6 | 46,6 | 50,6 | 20,7 29,7 |17,1 | 18,9 | 34,2 | 36,03 


Hapale jacch. 12,5 | 33,3 | 33,3 21,1 | 30,5 
Callithrix seiurea 12 |28 |96 21,3 |32 [18 
Lemur catta 10 50 38,3 | 26,6 |50 56,6 | 20,3 | 25,2 [16,5 | 21,3 | 33 34,9 


Otolienus senegalensis. | 16,6 [30 |30 41,4 | 13,4 |11,4 


Metac. u. Daumen 


— 318 — 


Aus vorstehender Tabelle B wäre zu entnehmen: 


1) 


2) 
3) 


4) 


5) 


a) für die Hand: 


der Carpus nimmt bei den geschwänzten Affen an Grösse zu und übertrifft 
nicht nur in den meisten Fällen die ungeschwänzten Affen, sondern nament- 
lich in einigen Cynocephalen selbst den Europäer, 


Auch der Metacarpus wird namentlich bei Cercopithecen und Gynocephalen 
grösser, nur bei Cebus Callithrix und einigen andern wird er kleiner. 


Die Phalanx I bleibt im Ganzen wie bei den höheren Allen und ist länger 
als beim Menschen. Nur bei Macacus Gelada sinkt sie noch unter diesen. 


Der Daumen mit seinem Metacarpus I übertrifft (bei Mac. gelada und Hapale 
selbst den Menschen) hier meistentheils die ungeschwänzten Affen, während 


der Daumen für sich allein an Länge jene bei weitem nicht erreicht. 


Zeige- und Mittelfinger bleibt den vorigen im Ganzen gleich. 


b) für den Fuss: 


1) 


2) 


3) 


4) 


Der Tarsus bleibt überall an Länge weit unter dem Menschen, nur bei Oto- 
lienus ist er viel grösser. In einigen Fällen wird er grösser als bei den 


ungeschwänzten Affen. 


Der Metatarsus ist nur bei Inuus kleiner, beim Mandrill aber grösser als 
bei dem Menschen und höheren Affen. Bei Otolicnus ist sowohl der Mittel- 


fuss als auch die Phalanx I am kleinsten. 


Die grosse Zehe bleibt überall klein. Auch in Verbindung mit dem Meta- 
tarsus ändert sich im ganzen das Verhältniss nicht. In keinem Fall aber sinkt 
die erste Zehe auf die Kleinheit beim Orang, übertrifft aber öfter die Grösse 
beim Gorilla. 


Die zweite Zehe bleibt wieder gleich der der ungeschwänzten Affen, nur bei 
Mac. gelada sinkt sie herab zur Grösse des Menschen. Auch mit der dritten 
Zehe tritt keine wesentliche Veränderung gegen die vorigen Affen ein. 


319 


— — 


Dirsrenz ZWIi- 
schen d. Zehen 


Differenz zwi- 
schen d. Fingern 


| Differenz EUREN Hand und Fuss 


| 

Namen Daumen | Zeigefing. |Mittelfing.| Carpus [Metac. III Dame | ZeiesAne| 1, vche | 9 Zehe 
1. Zehe | 2.Zehe | 3. Zehe. | Tarsus | Metat. II Zeigefing.|Mittelfing.| 2, Zehe | 3. Zehe 

Neger +Z 2 | +F27 ı +F4 +T25 |+M 8| +Z2Z24 |+M13 | +I 5| +12 
Gorilla +2 2 | 4F10 | +F3s8 |+Tıı |+Mc10| +Z41 | +M 24 | + 29 | +ır a 
Colob. Guereza | +Z 23 0) +Z13 |+T24 |+4Mt ı7 | +Z246 | +M 1 | +11 28 | +01 24 
Inuus silv. +2 6/42 2/42 6|+T23 |+Mt13| 4226 | +M13 | +11 22 | + 17 
Cynoc. leucoph.| +Z 3 | +F 2 ) +T 19 |+Mt10| +Z226 | +M ı1 | +ır 21 | +17 18 

Cynoc. morm. +2 8|+Z10 | +F ı |+T 8 | +Mt 3| 4229 | +M 11 | +11 31 0 

Mac. gelada +Z 3142 7425 | +Tı18 |+Mt14| +2 14 | +M 12 | +II ı8 | +III 10 
Ceb. capuc. Ze Ze 3 zT | +Mt 13| +Z215 | +M 3 | +11 17 | +III 2 
Lemur catta. | +2 6 | 4+Z 4 | +Z 2 ir 15 | +M& 81 4714 | IM 4 | 41 2 | {mM 2 


Die Differenzen der Hand und des Fusses geben bei den ungeschwänzten Affen, 


Folgendes: 


a) an der Hand: 


Zwischen Daumen und Zeigefinger. 


Der Daumen, welcher bei Colobus 


fast verschwindet, wird bei den Cynocephal. namentlich aber bei Macacus ge- 


lada, Cebus und Lemur catla wieder grösser. 
finger bei letzteren kleiner ist 


‚„ so wird auch 


Dadurch aber, dass der Zeige- 


die Differenz zwischen beiden 


Fingern den vorhergehenden, namentlich dem Gorilla gegenüber kleiner. In 


dieser Beziehung stehen diese Affen dem Menschen näher als der Gorilla. 


Zwischen Zeigefinger und Mittelfinger fällt die Differenz, welche 
von dem Europäer durch den Neger zu dem Gorilla gestiegen war, bei den 
geschwänzten Affen (Colobus, Inuus, Cynocephalus), auf das Verhältniss des 


— 320 ° — 


Menschen. Bei Cebus und Lemur catta verschwindet sie fast ganz. Es sind 
also auch hier die Verhältnisse wieder ähnlicher dem Menschen. 

b) an dem Fusse: 

Differenz zwischen erster und zweiter Zehe. Bei dem Neger ist die 
erste Zehe grösser als die zweite. Bei dem Gorilla wird plötzlich die zweite 
Zehe grösser. Bei dem Cynoceph., Cebus, Lemur sinkt sie aber immer mehr. 

Differenz zwischen zweiter und dritter Zehe. Die zweite Zehe 
war bei dem Menschen grösser als die dritle, und ebenso zeigte es sich bei 
dem Gorilla und dem Chimpanse. Bei Orang und Hylobates wurde die dritte 
grösser als die zweite und so bleibt es bei den geschwänzten Affen mehr oder 
weniger. Nur bei dem Mandrill sind beide Zehen gleich. Hier finden wir 
also mehr eine Bildung ähnlich der Hand. 

c) Zwischen Hand und Fuss. Die Differenz zwischen Daumen und erster 

Zehe bleibt im ganzen den vorhergehenden Verhältnissen gleich. Nur bei dem 
Mandrill und in noch höherem Grade bei dem Coiobus wird sie grösser. 

Die Differenz zwischen Zeigefinger und zweiter Zehe, welche bei dem 
Gorilla zu Gunsten des Fingers grösser war, wird bei Cyn. leucoph. sehr klein, ver- 
schwindet bei Colobus und schlägt nun zu Gunsten der Zehe um. Andeutung der 
Hand. 

Die Differenz zwischen Mittelfinger und dritter Zehe verbält sich ebenso. Der 
Finger, der bei dem Gorilla noch prävalirte, wird jetzt in seiner Länge von der Zehe 
übertroffen. Also auch hier wieder Andeutung der Hand. 

Differenz zwischen Tarsus und Carpus. Der Tarsus ist hier im Verhältniss zum 
Carpus mit wenigen Ausnahmen grösser als beim Gorilla, also auch hier stehen die 
geschwänzten Affen dem Menschen näher als dem Gorilla. 

Die Differenz zwischen Metacarpus und Metatarsus ist bei den geschwänzten Affen 
weit grösser als bei den ungeschwänzten, aber hier ist der Metatarsus grösser als der 
Metacarpus; dort war dagegen der Metacarpus grösser als der Metatarsus. Also auch 
in dieser Hinsicht stehen die geschwänzten Affen dem Menschen näher als die unge- 
schwänzten. 

Fassen wir nun noch einmal die Verschiedenheiten zwischen dem Fuss und der 


Hand des Menschen und dem Fuss und der Hand der Aflen kurz zusammen. 


Für den Fuss des Menschen fanden wir folgende Merkmale characteristisch: 
1) Das feste Gewölbe hinten auf der Ferse, vorn auf den Metatarsus-Köpfen 


—- 321 — 


ruhend. 2) Der lange Tarsus mit der ihm eigenthümlichen Anordnung der Knochen, 
mit dem Unterschenkel in einem Ginglymus, in sich in einer Rotation und mit den 
Metatarsen in einer Amphiarthrose verbunden. 3) Die fünf langen in ihren sagittalen 
Durchschnitten parallel liegenden, (der fünfte divergirt) an ihren mit dorsaler Hemmungs- 
fläche versehenen und in horizontaler Ebene liegenden Köpfchen, durch Bänder verbun- 
denen Metatarsen, von denen der erste der stärkste. 4) Die kurzen Zehen, von denen 
die erste und zweite fast gleich lang, und 5) die dorsale Flexion in dem Tarso-meta- 
tarsal-Gelenk. 

ad 1 ist zu bemerken, dass der Fuss der Affen weder ein Gewölbe noch weniger 
ein festes Gewölbe ist. Denn einmal fehlt durch die Neigung der Drehungsaxe des 
Sprunggelenkes gegen den Horizont die Aushöhlung der Fusssohle und dann fehlt die 
siraffe Verbindung in dem Tarsus sowie zwischen Tarsus und Metatarsus. Der Affen- 
fuss ruht nicht nur (beim Stehen auf zwei Beinen) auf der Ferse und den Köpfchen 
der Metatarsen, sondern auch, wie man sich deutlich an lebenden (Cynocephalen, Cebus, 
Inuus etc.) Thieren überzeugen kann. auf der Basis des Metatarsus I und V 
und dem Körper des langgestreckten Calcaneus. Endlich treten diese Affen beim Gehen 
(also auf Vieren) nie mit der Ferse auf, sondern nur mit der vorderen Reihe der 
Tarsalen, der Basis des Metatarsus I und V und den Zehen. 

ad. 2 ist zu bemerken, dass der Tarsus kurz wird und nicht mehr die Meta- 
tarsen und Zehen an Länge übertrifft, dass die Rotation im mittleren Fussgelenk eine 
viel grössere und dass die Verbindung der Tarsen mit den Metatarsen weniger eine 
Amphiarthrose, als eine Ginglymusverbindung ist. ' 

ad 3. Die fünf Metatarsen liegen mit ihren sagittalen Durchschnitten nicht parallel, 
sondern sie sind nach der Vola gegeneinander geneigt. Die fünf Metatarsen sind nicht 
an ihrem Köpfchen verbunden, sondern nur vier und der fünfte ist frei. Ausserdem 
haben sie nur selten entwickelte Hemmungflächen wie die Köpfchen des Menschen. 

ad 4. Die Zehen der Affen sind lang und meist länger als die Metatarsen. Die 
erste Zehe ist kürzer als die zweite, die zweite aber kleiner als die dritte und 
selbst die vierte. 

ad 5. Die dorsale Flexion ist in dem Tarso-metatarsal-Gelenk nicht vorherrschend, 
sondern im Gegentheil die volare Flexion. 


Für die Hand des Menschen fanden wir folgende charakteristische Merkmale: 


1) Die kurze Handwurzel, — ihre Artieulation mit dem Vorderarm in einer Arthrodie, 


mit dem Metacarpus I in einem Sattelgelenk, mit dem Metacarpus H, III und IV mit 
Abhandl der Senckenb. naturf. Ges. Bd. Y. 1 


— 32 0 — 


einer Amphiarthrose, mit dem Metacarpus V in einer Rotation, und in sich ineinem Gin- 
glymus, — die eigenthümliche Anordnung ihrer kleinen Knochen. 2) Die vier kurzen 
dicken mit ihren sagitlalen Durchschnittsebenen convergirenden, an ihren (nicht mit dor- 
salen Hemmungsflächen versehenen) Köpfchen befestigten Metacarpen neben einem 
freien, in einem Sattelgelenk befestigten Metacarpus I für den Daumen. 
3) Die langen Finger von denen der dritte der längste, der dickste aber kürzeste 
der Daumen — die vorherrschend volare Flexion in dem Carpo-Meta- 
carpal-Gelenk. 


Stellen wir nun den Fuss des Affen der Hand des Menschen gegenüber, so be- 
merken wir Folgendes: 

ad 1. Die Uebereinstimmung beider zeigt sich nur in der freieren und mehr ent- 
wickelten Gelenkbildung am Os multangulum majus und dem Cuneiforme I der Affen, in 
der grössern Kürze des Tarsus und der grösseren Verschiebbarkeit der Theile. Hier 
wie da ist kein festes Gewölbe. 

ad 2. Die Metatarsen der Affen und Metacarpen des Menschen stimmen darin 
überein, dass beide in ihren Sagittaldurchschnitten convergiren, dass nur II bis V an 
ihren Köpfchen mit einander verbunden sind, und dass der Metatarsus I nicht blos ab- 
gerückt freisteht, sondern (bei den Affen) in einem sattelartigen Ginglymus freie 
Bewegung hat. Die Hemmungsflächen der Köpfchen fehlen. 

ad 3. Die Zehen der Affen und die Finger des Menschen stimmen ferner in 
ihrer Länge im Ganzen und Einzelnen sowie in der vorherrschend volaren Flexion 
in dem Metatarso- und Metacarpo-phalangeal-Gelenk überein. 

Vergleichen wir nun auch die menschliche Hand mit der Hand der Affen, so 
findet sich hier, wenn wir die grössere Kürze des Daumens, das Os centrale, ferner 
die stärkeren Hemmungsflächen der Metacarpen, die Verbindung des Os pisiforme mit 
der Ulna abrechnen, eine vollkommene Uebereinstimmung. Die stärkere Dorsalflexion 
der Affen nebst den beiden zuletzt angegebenen Unterschieden von der Menschenhand 
scheinen in Bezug zum Gehen dieser Thiere auf dem Carpo-Metacarpalgelenke (II bis V) 
zu beruhen. 

Wir müssen gestehen, dass, abgerechnet die Anordnung der Tarsalen, der Fuss des 
Affen weit mehr Uebereinstimmung mit der Hand des Menschen als mit 
dem Fusse des Menschen hat. Ziehen wir aber die Uebergangsgebilde zwischen 
Unterschenkel und Fuss, nämlich den Calcaneus und Talus, welche constant bei allen 


Säugethieren an dieser Stelle vorkommen, davon ab, und berücksichtigen wir nur die 


—_— 323 — 


vordere Reihe, so finden wir in dem entschiedenen Kürzerwerden dieser Tarsalen bei 
den Affen die Uebereinstimmung noch erhöht. Durch das Vorhandensein der 
Ferse wird aber ferner der Flexor brevis, sowie die Caro quadrata 
bedingt und der Peroneus longus, unter dem kurzen Tarsus quer von 
aussen nach innen laufend, wird an dem beweglichen Metatarsus I zum 
Flexor (oder Adductor) Metatarsi. So ist also dieser letztere durch eine Muskel- 
kraft bevorzugt, die der Metacarpus I stets entbehren muss. 

Wenn daher Burdach den Ausspruch thut: dass sowohl die vorderen als die hin- 
teren sogenannten Hände der Affen diese Benennung in Rücksicht auf die menschliche 
Hand eigentlich nicht verdienen, so muss man ihm wohl beisiimmen. Wenn aber Fick 
behauptet, dass aus dem Mechanismus der Extremitäten ein specifischer Organisations- 
unterschied nicht abgeleitet werden könne, so darf diesem in Rücksicht auf das Vorher- 
gehende geradezu widersprochen werden. Denn nicht nur eine genauere analomische 
Untersuchung weist nach, dass die s. g. „„hintere Hand’ sowohl anatomisch, als auch 
physiologisch weit mehr Uebereinstimmung mit der „menschlichen Hand‘* als mit irgend 
einer terminalen Abtheilung der Extremitäten in der ganzen Säugethierreihe besitzt, und 
dass in der That nur mehr oberflächliche Formähnlichkeiten mit dem menschlichen Fusse 
vorkommen. Die Ordnung der Quadrumanen ist daher eine vollkommen berechtigte. 
Huxley’s Ausspruch aber: „‚so kommt denn der vorausblickende Scharfsinn des grossen 
Gesetzgebers der systematischen Zoologie Linn‘, zu seinem Rechte; ein Jahrhundert 
anatomischer Untersuchung bringt uns zu seiner Folgerung zurück; dass der Mensch ein 
Glied derselben Ordnung ist, wie die Affen und Lemuren‘‘ wird nur eine schöne Phrase, 
die dem grossen Publikum gefallen mag, allein vor der exacten Wissenschaft nicht 
Stich hält. 

Da es mir aber nicht darum zu ihun war, Herrn Huxley zu widerlegen, sondern 
überhaupt, so weit ich Gelegenheit fand, die Hand und den Fuss der Säugethiere ge- 
nauer zu betrachten, so bleibt mir nun noch übrig den Greiffuss einiger Beutelthiere zu 
untersuchen. 


Hand- und Fussbildung einiger Beutelthiere. 
Phalangista ursina. 
(Tafel I, Fig. 11 bis 16) )) 
Die Fussbildung dieses Beutelihiers ist von hohem Interesse; denn einmal artikulirt 
die hohe oben breite Fibula nicht blos mit der Tibia, sondern auch mit dem Condylus 


1) Todd. Cyelopaedia of Anatomy and Physiology. Vol. III. pg, 285. Fig. 111. 
a 


—_— 324 — 


exter. des Oberschenkels und dann rotirt dieselbe auf dem Talus neben der Tibia ver- 
mittelst eines zwischen beiden Unterschenkelknochen laufenden Meniscus (Fig. 11 gg.). 
Der Calcaneus ist in seinem Körper sehr kurz, hat aber einen verhältnissmässig langen 
und schmalen, aber stark gebogenen Fersenfortsatz. 

Der Talus ist sehr pronirt und mit seinem Hals und Kopf nach innen und abwärts 
gesenkt. (In Fig. 11 zeigt sich rechts vom Meniscus der Hals und links und über der 
Tibia der Kopf des Talus). Durch die starke Pronation des Talus ist dessen Gelenk- 
fläche für die Fibula gehoben und mehr horizontal gelegt, die Gelenkfläche für die 
Tibia aber stark nach innen schräg geneigt. Zwischen diesen beiden Gelenkflächen und den 
Köpfen der beiden Schenkelknochen läuft ein Meniscus von hinten nach vornen über den 
Talus (Taf. I. Fig. 11 gg). Vorn ist er an die äussere obere Fläche des Calcaneus 
befestigt, nach hinten wird er zwischen Tibia und Fibula breiter und befestigt sich nach 
beiden Seiten über dem Talus ausstrahlend an das hintere untere Ende der Tibia und 
der Fibula. Von hinten angesehen hat er die Form eines Kreuzes, welchem die untere 
längere Stütze genommen ist. !) 

Der Kopf des Talus hat bei diesem Thiere nicht, wie wir es doch immer noch 
bei den Affen (Cynocephalus) fanden, seine grösste Ausdehnung horizontal, sondern 
mehr senkrecht. Er bildet eine grosse und lange, von oben u. aussen nach unten u. innen 
sich ausbreitende Rolle, welche in der gleichfalls ziemlich steil liegenden Hohlrolle des 
Naviculare articulirt. Zwischen diesen beiden Knochen findet ein Verschiebung von 
oben und aussen, nach innen und unten statt. Unmittelbar neben dieser Verbindung 
liegt die artiel. cale.-cuboid., (Fig. 11h) welche am Calcaneus eine ausgehöhlte, am Cuboid. 
eine gewölbte Gelenkfläche hat. Erstere zeigt eine scharf gezeichnete Grube, welche 
lateral-medianwärts aufsteigt. Durch diese Grube wird die Gelenkfläche in zwei Ab- 
theilungen gebracht. Die obere ist flach ausgehöhlt und correspondirt mit einer oberen 
flachgewölbten Fläche des Cuboideum. Die untere ist gewölbt und entspricht einer 
ausgehöhlten Gelenkfläche am Cuboideum. Ein stark vorspringender gleichfalls lateral- 
medianwärts aufsteigender Grat am Cuboideum scheidet jene beiden Flächen von ein- 


ander. 


1) Carl Langer, über das Sprunggelenk des Menschen und der Säugethiere pg. 10 Wiener Denkschriften 
Bd. XII., beschreibt ähnliche Bildungen an der Hinterextremität von Didelphis virginiana. 

2) Mein werther Freund Herr Prof. W, Henke äussert sich in folgender Weise über dieses Gelenk: 

„Hier kommt ebenfalls ein drittes Gelenk des Fusses zu den zwei gewöhnlichen; aber es folgt nicht auf 
sie, sondern geht ihnen vorher, Es bewegt den Fuss nicht um eine horizontal durch ihn, sondern um eine 


— 3 — 


Die Verbindung des Calcaneus und Talus mit den vorderen Tarsalen (mittleres Fuss- 
gelenk Meyer’s) zeigt uns also ein Rotations-Gelenk, dessen Achse zwischen beiden 
Knochen horizontal läuft. Bemerkt sei noch, dass das Naviculare mit dem Cuboideum 
in Berührung tritt und dass bei der Rotation eine senkrecht gewölbte Fläche am Cuboi- 


senkrecht durch den Unter- Femur. 
schenkel gehende Achse, Diese 
liegt in der Tibia, deren un- 
teres Ende, wie das der Ulna, 
einen drehrunden Kopf bildet 


Calcan. 


mit überragender Knöchelspitze. 
Aus dieser tritt die Achse nach 
unten neben dem Talus herab 
und um diese dreht sich der 
Talus mit dem Fusse. Dieser 


Drehung muss die Fibula, "wel- Fibnla Tibia. 
ae . Fibula Tibia. 
che am Talus seitwärts anliegt 


mit einer Bewegung nach vorn 
folgen und dies müsste, wenn 


sie rein dem Talus folgte auch 
für sie eine einfache Drehung 
um die Achse der Tibia sein. 
(Wie der Pfeil in dem Hori- 
zontalschema, wenn der Fuss 
von A nach B geht.) Sie Gm 
macht aber keine solche gegen | 


Tibia und Femur, sondern 
mehr nur eine Art Drehung Talup: 

um die quere Achse im Knie und kommt so nach vorn mit dem Talus. Nun muss sie aber, wenn ihre Vor- 
derseite gerade nach vorn gekehrt bleiben soll, gegen den Talus eine seiner entgegengesetzte Drehung (im Sinne 
des kleinen Pfeiles) um eine senkrechte Achse machen, Diese liegt in ihr, indem sie ebenfalls wie die Ulna 
unten einen Gelenkkopf bildet. 

Die beiden Gelenkköpfe der Unterschenkelknochen artikuliren also mit dem Talus so, dass er sich um ihre 
Achsen wie eine Pfanne drehen kann, Er hat aber keine ihnen entsprechend ausgehöhlte Pfanne, sondern auch 
wieder wie beim Menschen und bei anderen Thieren einen Gelenkkopf mit querer Achse (des Sprunggelenks) 
um die es sich auch an ihnen dreht. Er bildet also mit beiden Unterschenkelknochen eine ähnliche Verbindung, 
wie der obere Rand des Capitulum radii beim Menschen mit dem Seitenrande der Trochlea (Vgl. Henke Ana- 
tomie u. Mech. d. Gelenke S, 151.), in welchen zwei convexe Flächen sich nur streifend berühren und doch 
fest gleitend aufeinander bewegen, indem immer bei der Drehung um die Achse der einen der minimale, sie 
gerade berührende Theil der anderen sich als Pfanne verhält. Ein festerer Schluss (wie ihn dort die Ver- 
bindung des Radius und Humerus mit der Ulna ergänzt) ist hier nur noch als Ergänzung dieses offenen Contactes 
zwischen allen drei Knochen und einem zwischen sie eingekeillen Fersenknorpel, welcher für jeden, eine 
Pfanne trägt. 


_— 36 — 


deum auf einer ausgehöhlten am Naviculare sich verschiebt. (Auch bei den Cynocephalen 
fand eine Berührung beider Knochen statt) Auch die vorderen Tarsalknochen zeigen 
eine grössere Verschiebbarkeit als wie bisher wahrgenommen. Auch ihre Keilform, die 
ihren Namen bis hierher rechtfertigte, und die zur lateral-medianen Wölbung des Men- 
schenfusses beiträgt, verschwindet hier und mit ihr jene Wölbung. Zwischen Cunei- 
forme I und II ist eine flach gewölbte Berührungsebene, welche gegen I convex 
wird. Zwischen Cuneiforme II und III und zwischen Cuneif. III und Cuboid. ist sie 
analog der ersten. Doch auch in den Tarso-Metatarsalgelenken kommt eine grössere 
Bewegung vor. Der grosse Metatars. IV und V artieulirt mit grossem Gelenkkopf 
auf der Hohlrolle des Cuboideum. Bei IV ist Flexion und Extension und bei V auch 
noch Rotation. Ganz analog sind die Gelenkflächen zwischen den kleineren Metatars. 

II und III und dem Cuneif. II und III. Auch hier ist 


Schema für das Sattelgelenk am Dau- 


men der Phelaueist ursina der Hinter-- Flexion und Extension. Das Cuneif. I aber ist stark 
usse, 


medianwärts gebogen und artikulirt in einem Sattel- 
Schrauben-Gelenk mit dem dicken Metatarsus I, in wel- 
chem Flexion und Extension (durch die quer unter der 


Fusssohle zum Fortsatz des Metatarsus I laufende Sehne 


des Peroneus long.) sowie Abduction und Adduction 


A. B Die Achs g i ee: . : 
ne Ace Ar neugung bein möglich ist.!) Vid. Tafel I, Fig. 13. In den schmalen 
’ > »" 


Ausserdem ist Abduction um die Achsen 
im Metacarpus nach der Biegung, 
welche hier als Profil erscheint. a. b. 


aber scharf ausgeprägten Gelenkköpfen der Metatarsen ist 
Fiexion und Extension jedoch keine Arthrodie. In den 
Phalangen ebenso. Die Metatarsen und Phalangen der vierten und fünften Zehe sind 
unverhältnissmässig gross und dick. 

Hand. Von nicht geringerem Interesse als am Fuss zeigen sich die Verhältnisse 
der Hand. Der knopfförmige Proc. stiloideus der Ulna artieulirt auf einer Hohlfläche 
des grossen Os triquetrum. (Fig. 16 c.) An der Seite beider Knochen liegt in Be- 
rührung mit ihnen ein sehr kleines verkümmertes Os pisiforme (Fig. 16 zwischen a 
und c). Ein analoges Gebilde wie die Cartilago triangularis findet sich zwischen dem 
Radius und dem Os triquetrum. Das Os lunatum fehlt ganz und gar. Zwischen Os 
naviculare (Fig. 16 b) und dem Radius findet sich eine abgeschlossene Synovialhöhle. 
Die hintere gewölbte Fläche dieses Knochen bildet mit dem Capitatum und Hamatum 


einen nach hinten gegen das Triquetrum und den Radius gerichteten gewölbten Ge- 


1) Cuneif, I ab. die Achse. Bei 13 verbindet sich dieser Knochen mit dem Naviculare. Fig. 14 zeigt 
den Metatarsus I mit seiner schrägen Hohlrolle. 


—_ 37 — 


lenkkopf, welcher mit jenen eine Arthrodie zu Stande bringt. Das Os centrale fehlt 
und es bleibt das Naviculare zu den Metacarpen der zweiten Reihe in einem ähnlichen 
Verhältniss wie bei dem Menschen. Auch die Verbindung zwischen der zweiten 
Reihe und den Metacarpen scheint wie beim Menschen eine Amphiarthrose. Das Os 
multangulum majus (Fig. 15 b) ist zwar ulnar -radialwärts schr breit, dagegen aber 
von hinten nach vornen sehr kurz; sein Tuberculum radiale ist ein selbständiger 
Knochenkern wie bei dem Orang. Das Gelenk zwischen multangulum majus (Fig. 15, b) 
und Metacarpus I (Fig. 15 c) kann ich nicht als ein Sattelgelenk ansehen, sondern 
es zeigt eine Verbindung, bei welcher ulnarwärts der Metacarpus in dem Multangulum, 
radialwärts aber das Multangulum in dem Metacarpus liegt und es scheint höchstens 
eine beschränkte Rotation möglich. Zugleich steht der Metacarpus I dem II dicht an 
(Fig. 16). Die Metacarpen sind sehr kurz und dick und schwellen mit Ausnahme 
des ersten stark nach vornen an und tragen schön ausgebildete Capitula. Der Meta- 
carp. III ist der längste, der M. I der breiteste. Sein Metacarpo -phalangeal- Gelenk 
scheint nur eine Flexion und Extension zu haben, während die andern eine Ginglymo- 


arthrodie zu haben scheinen. 


Phaseolaretos einereus. 


Was den Fuss dieses Thieres betrifft, so finden sich im Ganzen, so weit ich das 
Skelett untersuchen konnte, ziemlich ähnliche Verhältnisse. Das Cuneiforme I hat eine 
sehr starke, medianwärts abgerückte Gelenkfläche; sie zeigt sich abwärts laufend ver- 
tieft und in dieser Vertiefung gleitet eine entsprechende Erhöhung am Metatarsus I, 
lateralwärts ist sie dagegen erhöht und auf dieser gleitet der Metatarsus mit einer 
Vertiefung. Dieser rechtwinklich von den übrigen Metatarsalen abgewendete Knochen 
zeigt hier eine Amphiarthrose und kann nur dorsal- und volarwärts verschoben werden. 
Da diese Verschiebung aber in einem ziemlich spitzen Winkel zur Ebene der übrigen 
Metatarsen steht, so wird der I diesen genähert und wieder von ihnen entfernt. Der 
grosse Metatarsus. IV scheint mit dem V auf der breiten glatten Fläche des Cuboideum 
sehr leicht rotiren zu können. Die zweite und dritte Zehe sind an der zweiten Phalanx 
aneinander befestigt. 

Auch an dem Carpus erscheinen die Verhältnisse ganz wie bei dem vorher- 
gehenden Beutelthier. Auch hier fehlt das Os lunare. Was die Verbindung des 
Metacarpus I und des Multangulum betrifft, so zeigt sich allerdings in ersterem ulnar- 


radialwärts eine flache Aushöhlung und ebenso am Metacarpus dorsal-volarwärts, 


— 32383 — 


allein von einem Sattelgelenk ist hier nicht zu sprechen und eine Opposition ganz un- 
möglich. Das Ablenken der beiden inneren Zehen von den drei grösseren äussern, 
wie es bei diesen Thieren vorkömmt, scheint mir durch eine seitliche Gelenkverbin- 
dung zwischen dem Metacarpus II und III, in dem der II einen Ausschnitt hat, in 
welchem eine gewölbte Gelenkfläche des III vor und rückwärts gleitet, unterstützt. Ein 
ähnliches Verhältniss kommt nun noch zwischen dem III und IV vor, wobei der III 
die Vertiefung, der IV die Erhöhung hat. Von einer Opposition wie bei dem Daumen 
der Affen, kann hier bei diesen Thieren durchaus keine Rede sein, es ist mehr ein 
seitliches Auseinanderspreitzen möglich. Ich gebe übrigens zu bemerken, dass ich ein 
noch nicht ausgewachsenes, mangelhaft mit Bändern erhaltenes getrocknetes Skelet 


vor mir habe. 


Aus vorhergehender Zusammenstellung sehen wir also den Daumen und die Hand- 
bildung bei den Beutelthieren zuerst an der Hinterextremität beginnen, ') während die 
Vorderextremität durchaus keine Andeutung von einer Hand zeigt. Bei Phalangista 
ursina ist am Fuss schon auf das Deutlichste das zweiachsige Gelenk (Sattelgelenk) 
ausgesprochen. Erst bei den Halbaffen erscheint auch die Daumenbildung an der 
Vorderextremität; doch ist sie hier noch nicht so vollkommen, als an der Hinter- 
extremität. Bei den geschwänzten Affen ist nun Greiffuss und Hand neben ein- 
ander entwickelt, doch ist ersterer constanter in seinen Theilen als letztere. Der Car- 
pus hat hier einen Os centrale erhalten und bei den Ateles und Colobus-Arten ist der 
Daumen in hohem Grade verkümmert. Der Greiffuss bleibt sich dagegen stets gleich. 
Der Metatarsus I articulirt stets auf einer etwas ausgehöhlten Rolle, hat Flexion und 
Extension, weniger Ahduetion und Adduction. Bei den Ungeschwänzten ändert 


sich in dem Fusse im Ganzen nichts, der Daumen ist meist rücksichllich der Grösse 


1) Auch bei Chiromys madagascariensis zeigt sich nach Herrn Professor Owen an der Hinterextremität 
ein Daumen. „On the Aye-aye‘‘ by Professor Owen. Transaclions of the Zoological society of London. 
NOISEVSEnE DA: 


— 329 — 


weiter entwickelt und freier abgerückt. Der Greiffuss bisher stets grösser als die 
Hand, wird jetzt der Hand gegenüber zierlicher, ja selbst kleiner. Die Hinterextremität 
bisher länger als die Vorderextremität wird jetzt kürzer. An der Hand ist das Sattel- 
gelenk schön ausgebildet, aber bei Hylobates erscheint wieder eine Aenderung, indem 
statt des Sattels am Multangulum majus eine Arthrodie. 

Das Centrale bei den Vorhergehenden noch vollständig vorhanden, verschwindet 
und das Pisiforme, bisher mit Ulna und Triquetrum artieulirend und eine Art Fersenfort- 
satz für den Flex. ulnaris darstellend, verliert diesen und legt sich seitlich dem Tri- 
queirum. 

Endlich erscheint der menschliche Fuss mit der ungleich stark verlänger- 
ten Unterextremität. Der Metatarsus I und das Cuneiforme I haben ihr freies Gelenk 
verloren, das erste Fussglied ist nicht mehr abgerückt, sondern mit den Nachbarn fest 
verbunden. Das Endglied wird zum Gewölbe, welches mit Leichtigkeit allein die Last 
des aufrechtstehenden Körpers trägt. Somit sind denn allein bei dem Menschen 
die Endglieder der Extremitäten in Hand und Fuss vollständig geschie- 


den und in ihren Funktionen vollkommen getrennt. 


Abhandl. der Senckenb. naturf. Ges. Bd. V. 42 


Erklärung der Tafeln. 


Die Zeichnungen sind geometrisch und wenn ich auch die Contouren als vollständig genau bezeichnen 
darf, so bin ich doch mit manchen der schattirten Stellen nicht zufrieden. Mehrere der Steine waren zu grob 


gekörnt und daher wollte es mir nicht gelingen manche der feineren Punkte, sowie es sich gehört hätte, dar- 


zustellen. Namentlich gilt dieses von einigen Figuren auf Tafel I. 


Tafel I. 


Fig. 1 und 2 stellt den Fuss eines Neger dar. a. b. ist die Axe des unteren Astragalus-Gelenk. 


Fig. 3 bis 6 ist Hand und Fuss von Colobus Guereza. 

Fig. 3. Hand. Die erste Reihe der Carpalen ist abwärts geschlagen und man sieht auf ihre Gelenk- 
flächen. d. Centrale. ce. Naviculare. b, Lunatum. a. Triquetrum zeigen ihre vordere Ge- 
lenkfläche. & Phalanx I des Daumens. 

Fig. 5. * * Knochenkerne am Rande der Gelenkfläche. 

Fig. 6, Der Tarsus von Unten gesehen; das Tarso-metatarsal-Gelenk der ersten Zehe ist geöffnet 
und zurückgeschlagen. a. ist die gewölbte Gelenkfläche von Cuneiforme I; die helle Contour 
stellt den Verlauf der geöffneten Capsel vor. c. c. sind die beiden hinten und oben liegenden 
Knochenkerne. Zwischen ihnen und der gewölbten Gelenkfläche des Cuneiforme I ist die helle 
Stelle b. der Meniscus, dessen scharfer glänzender Rand uns entgegen tritt. 

Fig. 7 bis 9. Cynocephalus hamadrias. 
Fig, 7. Tarsus von Oben, a. zeigt die Wölbung der Rolle am Cuneiforme I. b. der Metatarsus I 


in der Lage zu ihr. 


g. 8. Metacarpus II a, mit Os capitatum b. im Profil, um die abgerundeten Gelenkflächen zu 


zeigen. 


. 9. Metatarsus IV, auch hier die gewölbte Gelenkfläche sichlbar. 


Der Fuss von Otolienus senegalensis. a. Calcaneus. b. Talus. c. Naviculare. d, Cuboideum. 


e, Cuneiforme I. 


I. Axe für das Sprunggelenk, II, Axe für das untere Tarsalgelenk, II. Axe des mittleren Fuss- 

gelenks (Meyer). 
Fig. 11 bis 16. Fuss und Hand von Phalangista ursina, 

Fig. 11. Fuss vom Rücken. a. Tibia. b. Fibula, g.g. Meniscus, h. Calcaneus, rechts von ihm sieht 
man das vordere Ende des Talus. I. Axe im Sprunggelenk. U. und Ill. Axen für die 
Rotation zwischen Tarsus und Unterschenkel. 

Fig. 12, Fuss von Aussen, 

Fig, 13. Gelenkfäche des Cuneiforme I (die der Ziffer 13 weggewendete Seite) mit ihrer Axe a,b. 


. 14. Metatarsus I mit seiner Gelenkfläche. 


. 15. Hand von der Daumenseite. a, Naviculare. b. Multangulum I. c, Gelenkfläche des abge- 


wendeten Metatarsus I, 


Fig. 


Fig. 


Fig, 


Fig. 


— 331 0 — 


Fig. 16 Hand von oben. a. die Ulna mit ihrem proc. spinos, c. triquetrum. b. Naviculare zwischen 
b. und c, ein Knorpel statt dem lunatum, 


Tafel H. 
1 bis 10. Troglodytes Gorilla- Fuss, 


Fig. 4 zeigt die Basis der Metatarsen von vornen angesehen. Der Metatarsus F ist‘ entfernt und 
man sieht auf die vordere Gelenkfläche des Os cuneiforme I, Die nebenstehenden Striche (au. b) 
sollen die Richtung der Gelenkaxe bezeichnen. 

Fig. 5 ist die Gelenkfläche des Metatarsus I, Diese Ansicht übrigens ist nicht. durch den Spiegel 
auf den Stein gezeichnet, entspricht daher a und b auf dem vorhergehenden. 

Fig, 6 zeigt das Os cuneiforme I, Il, III und die Basis der Metatarsen IIL—YV von der Plantar- 
seite. Man sieht die Gelenkfläche für den Metatarsus I (vornen neben b der Fig. 4.) im Profi. 

Fig. 7 das Os cuneiforme I von der Medianseite betrachtet, Der Metatarsus I ist entfernt und man 
sieht die gewölbte Gelenkfläche in ihrer ganzen Höhe, Vor ihr sieht man den Metatarsus II. 
Hinter dem Cuneiforme I ist das os naviculare. 

Fig. 8 der Metatarsus I im Profil von der medianen Seite. 

Fig. 9 der Metatarsus I von der lateralen Seite. 

Fig. 10 die Plantar-Seite des Capituli Metatarsi II. 

11 und 12. Der Fuss eines Eingeborenen der Insel Rotti bei Java, welcher 26 Jahre alt im 


Hospital zu Soerabaya an Dysenterie starb. Das Skelet wurde der Senckenbergischen Anatomie von 
Dr. C. F. Schmitt auf Java geschenkt. 


Tafel III. 


1 und 4. Fuss eines ausgewachsenen Troglodytes niger fem. 

Fig 3. Ansicht des Os cuneiforme I von vornen. Man sieht die gewölbte Gelenkfläche, a. b. Axe 
des Ginglymus. Neben ihm die Basis Metacarpus II—V, 

Fig. 4. Os cuneiforme I mit seiner Gelenklläche von der Medianseite wie Fig. 7 der vorhergehenden 
Tafel. 

5 bis 9. Der Fuss und die Hand eines ausgewachsenen weiblichen Simia satyrus. 

Fig. 5. Fuss. 

Fig. 6- Ansicht der Basis der Metalarsen und des Cuneiforme I von vornen. Der Metatarsus I ist 
zurückgeschlagen und man sieht die Rollläche mit ihrer Axe a. b. Sie bildet einen viel spitzeren 
Winkel mit den Axen der übrigen Tarso-Metalarsalen als bei dem Gorilla und Chimpance. 

Fig. 7. Ansicht des auf die Dorsalfläche umgelegten Tarso-Metalarsus von der Medianseite. b. der 
Metatarsus I ist in die Höhe geschlagen und man sieht seine Hohlfläche, Unter ihr a. wölbt sich 
die gewölbte Gelenkfläche des Cuneiforme I im Profil. ec, ist der Metalarsus II. d. Os Cunei- 
forme II, e. Os naviculare. 

Fig. 8. Carpus. a. Os Centrale. 

Fig. 9. Hand des Orang, a. Os Centrale, 


Fig, 10 und 11. Hylobates leuciscus, Fuss. 


Fig, 11 der Tarso-Metalarsus von der Median-Seite, Der Tarsus I ist abgezogen, so dass man 
etwas in das Innere des Tarso-Metatarsal-Gelenk hineinsieht, a. b ist die Axe desselben. 


—_— 332 — 


Tafel M. 


Fig. 1 bis 4. Hand des Troglodytes Gorilla fem, 
Fig. 3. Mittelfinger nebst Metatarsus von Innen, 
Fig. 4. Sattelgelenk zwischen Metacarpus I und Multangulum majus von der Volar-Seite gesehen, 
Fig. 5. Hand des Eingeborenen der Insel Rotti. 
Fig. 6. Hand eines Troglodytes niger fem. 
Fig. 7 und 8. Hand eines Hylobates leueiscus. 


Fig. 8. Carpus von der Volarseite, Der Metatarsus I ist zurückgeschlagen und das Carpo-metacar- 


pal-Gelenk geöffnet, um den runden Gelenkkopf am Os multangulum majus und die Pfanne am 
Metatarsus zu zeigen, 


Y 


Zur Entwicklungsgeschichte des Ascobolus pulcherrimus Cr. 
und einiger Pezizen 
von 
M. Woronim. 


Taf, XXXIX bis XLII. 


Vor zwei Jahren hat Professor A. de Bary besondere Organe (eigenthümliche 
Zellpaargruppen) bei Peziza confluens Pers. gefunden, ') welche beständig 
als erste Entwicklungsstadien dieses Pilzes auftreten. Eine ähnliche Erscheinung 
ist mir in diesem Frühjahre gelungen bei Ascobolus pulcherrimus aufzufinden. ?) 
Ich fand diesen Pilz auf Pferdemist; es gelang mir, ihn auf Objectplatten mehrere 
Wochen lang zu cultiviren und dabei die ganze Entwicklungsgeschichte desselben 
Schritt für Schritt zu verfolgen. — Ueber die Gattung Ascobolus besitzen wir blos zwei 
kurze Notizen von den Gebrüdern Crouan °) und eine etwas ausführlichere Abhandlung 
von E. Coemans. *) 

Das Mycelium unseres Pilzes bildet einen gelblich-weissen Filz und besteht aus 
starken, unregelmässig-verzweigten, mit Querwänden versehenen Fäden. Die Dicke 
der einzelnen Hyphen ist gewöhnlich 0,0059 —0.0118 Millimeter. 

Der plasmatische, feinkörnige und vacuolenhaltige Inhalt dieser Fäden ist stel- 
lenweise völlig farblos, meistens aber erscheint er hellgelb oder manchmal selbst sehr 


intensiv orangegelb gefärbt. In jeder Zelle der septirten Fäden dieses Myceliums 


I) De Bary. Ueber die Entwickelung der Ascomyceten. 1863. Leipzig. 

2) Den von mir untersuchten, Pferdemist bewohnenden Ascobolus beschreibe ich hier einstweilen unter 
dem Namen Ascobolus pulcherrimus Cr., obgleich er durch seine weiter zu beschreibenden Merkmale 
mir eine intermediäre Form zwischen Ascobolus pulcherrimus Cr. und Ase, insignis Cr, zu sein 
scheint. Die Form des Ascobolus pulcherrimus in Rabenh. Herb. Fung. Europ, cent. IV, No. 385 scheint 
mit der von mir untersuchten völlig identisch zu sein 

3) Ann, des Sc, natur. Serie IV, tom. 7: „Note sur quelques Ascobolus nouveaux etc.“ 
p. 173—177. Tom. 10: „Note sur neuf Ascobolus nouveaux“ p. 193—197. 

1) Bulletins de la societ€ royale de Botanique de Belgique, Premiere annee, tom. I, p. 76 —91. 


Spicilege mycologique I. „Notice sur les Ascobolus de la flore belge.“ 
Abh. d. Senckenb. naturf. G. Bd. V. 43 


— 334 — 


(XXXIX, Fig. 3, 4. XLII, Fig.8— 13), den Querwänden beinahe unmittelbar anliegend, fin- 
den sich kleine Körnchen, deren Umrisse immer viel schärfer und dunkler erscheinen als 
bei den übrigen Plasmakörnchen; und dabei liegen in den meisten Fällen auf der einen 
Seite der Querwand zwei oder drei solcher Körnchen, während auf der anderen Seite 
sich blos eines derselben findet; viel seltener dagegen liegen diese Körnchen auf jeder 
Seite der Querwand in gleicher Zahl oder fehlen ganz. — Die nebeneinander verlau- 
fenden Hyphen dieses Ascobolus-Myceliums (Tab. XL. Fig. 9, 10) haben häufig, 
wie bei vielen anderen Pilzen, das eigenthümliche Vermögen, untereinander direct oder 
mittelst kurzer, an einander stossender Nebenzweige völlig zu verwachsen. Das auf- 
fallendste ist hierbei, dass die Zellmembran an den Berührungsstellen sehr bald ver- 
schwindet (sich wahrscheinlich auflöst), so dass die Inhalte zweier auf solche Art 
in Verbindung tretender Pilzfadenzellen mit einander in unmittelbarer Communication 
stehen, und die allen den lebendigen Zellen dieses Myceliums zukommende, der Wand 
entlang verlaufende Plasmaströmung hier nun aus einer Zelle in die andere übergeht. 

Auf dem so beschaffenen Mycelium erscheinen nun die orangegelb- bis dunkel- 
ziegelroth gefärbten, im erwachsenen Zustande 1—2 Millim. grossen, paukenförmigen 
Becherchen des Pilzes (Taf. XL. Fig. 6. Taf. XLI. Fig. 1); ihr Rand ist vorragend und 
äusserlich mit mehreren Reihen steifer, zugespitzter, hellbrauner Borsten versehen. — 
Durch das MHerauspräpariren und das Durchmustern des Myceliums lassen sich 
sehr leicht die jüngsten Anlagen der Becherchen auffinden. Der erste Entwicklungs- 
zustand eines solchen Becherchens erscheint in Form eines meistens krummgebogenen, 
seltener aufrechtstehenden, seitlichen Myceliumzweiges (Taf. XXXIX, Fig. 1, 2); er hat 
immer eine mehr oder minder wurmförmige Gestalt, und besteht aus mehreren, meistens 
5 bis 12 Zellen, welche von einander durch parallele Querwände getrennt sind. Jedes 
einzelne Glied (jede Zelle) eines solchen wurmförmigen Körpers ist an beiden Enden 
plattgedrückt, an den Seiten dagegen etwas angeschwollen und abgerundet; der In- 
halt derselben ist von dem der übrigen Myceliumfadenzellen nicht wesentlich verschie- 
den; — charakteristisch ist aber für ihn das Dasein einer oder 2 bis 3 grösserer 
Vacuolen. Diese Körper sitzen auf dem Mycelium entweder unmittelbar (Taf. XXXIX, 
Fig. 1, 3) oder mittelst eines besonderen 2—Szelligen Trägers (Taf. XXXIX, Fig. 2, 4). 

Die daneben verlaufenden Hyphen desselben Myceliums sowohl wie der Faden, 
auf welchem eine solche wurmförmige Zellengruppe aufsitzt, treiben nun kurze, farb- 
lose, hakenförmige Zweiglein (Taf. XXXIX, Fig. 3). deren jedes sich bald nach seiner 


Entstehung durch eine Querwand in zwei Zellchen ungleicher Grösse theiit; — die un- 


— 3 — 


tere, die Tragzelle, ist meistens etwas kleiner als die obere. Die meisten, wenn nicht 
alle diese hakenförmigen Seitenzweiglein legen sich mit der concaven Seite ihrer 
oberen Zelle an die Zellen des wurmförmigen Körpers, und dabei findet zwischen 
denselben eine so innige Verwachsung statt, dass sie sich in den meisten Fällen nicht 
von einander losreissen lassen. Bald nachher wird der wurmförmige Zellkörper sammt 
den an denselben sich anlegenden hakenförmigen Seitenzweiglein vollkommen von 
einem Fadengellecht umwachsen (Taf. XXXIX, Fig. 4), welches aus zahlreichen kurz- 
und vielgliedrigen Verzweigungsläden derselben Myceliumshyphen gebildet wird. In den 
Fällen, wo der betreffende Zellkörper mit einem Träger versehen ist, wachsen aus 
den einzelnen Gliedern des letzteren Hyphen hervor, welche gleichfalls sich verzwei- 
gen und mit den übrigen Fäden des immer grösser und dichter werdenden Knäuels 
sich verflechten (Taf. XXXIX, Fig. 4). Die kugligen Zellen des wurmförmigen Körpers 
treiben dagegen, so viel ich es sehen konnte, niemals dergleichen Fäden aus. An- 
fangs lässt sich der Verlauf der einzelnen Pilzfäden eines solchen Knäuels ziemlich 
genau verfolgen, später wird aies aber völlig unmöglich, denn die Zellen der meistens 
kurzgliedrigen Fäden des Geflechtes werden nun rundlich aufgeblasen oder nehmen 
durch gegenseitigen Druck eine polyedrische Form an. Die Zellen, welche an die 
Peripherie dieses filzigen Geflechtes zu liegen kommen (Taf. XL, Fig. 4). sind zum 
grossen Theil von rundlich-blasiger Form; viele derselben aber, besonders diejenigen, 
welche an der unteren, dem Substrate zunächst zugekehrten Seite liegen, treiben Fäden, 
die sich allmählich verlängern, verzweigen, und somit eine Art secundäres Mycelium 
bilden, welches mit den Fäden des primären sich verllicht. Die anfangs schmutzig 
blassgelbe Farbe dieser aus einem verfilzten Fadengeflechte bestehender Klumpen geht 
in eine dunkle, orangegelbe Färbung über. 

Ein jedes solche filzige Fadenknäuel entwickelt sich nun zu einem Ascobolus- 
Fruchtträger (Becher, Perithecium). So lange die Zellen des wurmförmigen Körpers noch 
nicht vollständig von dem Fadengeflechte umwachsen sind (Taf. XXXIX, Fig. 4), lassen 
sie sich ohne alle Schwierigkeiten genau beobachten; von Veränderungen in denselben 
ist kaum etwas zu bemerken, im Umfange sind sie nur ganz unbedeutend grösser ge- 
worden; die centralen Vacuolen der einzelnen Zellen sind auch manchmal noch da. 
obgleich deren Umrisse nicht mehr so deutlich erscheinen wie früher. Sobald aber 
das Fadengeflecht dichter und umfangreicher geworden ist, erscheint das Ganze in 
Form eines so dicht filzigen und völlig undurchsichtigen Klumpens, dass man die von 
demselben jetzt vollständig umwachsenen Zellen des anfangs wurmförmie erscheinen- 


43% 


— 336 0 — 


den Körpers nicht anders untersuchen kann, als unter leichtem Druck auf das Deck- 
glas und gleichzeitiger einige Zeit lang andauernder Einwirkung einer nicht zu 
starken Aetzkalilösung oder stark diluirten Glycerins. Durch ein solches Behandeln dazu 
geeigneter Präparate (Taf. XXXIX, Fig. 5} ersieht man, dass mehrere, in den meisten 
Fällen aber nur die 3—5 einander berührenden Endzellen des wurmförmigen Kör- 
pers ungemein gross geworden sind. ') Mehrmals sah ich, dass sie mit einem kör- 
nigen, etwas feil- oder gallertartig aussehenden Plasmainhalte dicht erfüllt waren, 
in einzelnen dieser Zellen schien ein nucleus-artiges Gebilde vorhanden zu sein. 
Der Inhalt mancher derselben zeigte sich ausserdem in Form eines zierlichen, netzar- 
tigen Maschenwerks (Taf. XXXIX, Fig. 5). In etwas späteren, durch Glycerin gleichfalls 
durchsichtig gemachten Entwicklungsstadien, in welchen schon die Anfänge des Hyme- 
niums vorhanden sind (Taf. XL, Fig. 5), findet man in dem unteren Theile des Frucht- 
trägers noch sehr deutlich den wurmförmigen Zellkörper, von dem einzelne, meistens 1—3 
Glieder an die untere Fläche des Hymeniums sich unmittelbar anlegen. Wie aber diese 
grossen, blasigen Zellen zu den Elementen des Hymeniums eigentlich sich verhalten, 
konnte ich nicht entscheiden. — Entstehen die senkrecht und gleich hoch sich 
erhebenden dicht gedrängten Fäden des jugendlichen *Hymeniums mit dessen zartem 
zelligem Boden aus diesen Zellen, und hat man dann die letzteren, auf die Analogie mit 
Erysiphe?) sich stützend, als die Eizellen und die an dieselben sich fest anschmie- 
genden hakenförmig gekrümmten seitlichen Zweiglein als die männlichen Zellen, als 
die Antheridien zu beirachten; — oder, entspricht vielleicht das um die Eizellen- 
Colonie (um den wurmförmigen Zellkörper) sich bildende Fadengeflecht der Hülle der 
Coleochaeten- oder Üharafrüchte,. und sind dann die hakenförmigen Zweiglein blos 
als die ersten Anlagen dieser Hülle zu betrachten. die männlichen Organe dagegen 
irgendwo anders aufzusuchen; oder ist endlich (was mir aber höchst unwahr- 


scheinlich vorkommt) die Entwicklung der Ascobolus-Fruchtträger zu den geschlechts- 
1) Diese jüngeren Entwicklungszustände der Ascobolus-Becherchen sind schon früher von E, Coemans 
beobachtet worden. Auf der Seite 79 seines Spieiläge mycologique I. sagt er darüber folgendes 
„Quant au developpement des Ascobolus, il est simple. Les filaments myceliens, d’abord continus, commeu- 
cent par se cloisonner; ensuile & certains endroils, la surtout oü plusieurs filaments s’anastomosent, les cellules 
formees par les cloisons de ces filaments se multiplient en tous sens et forment de pelites masses ou pelotes 
destinees ä devenir les cupules. Le centre de ces pelotes reste en communication avec le mycelium du cham- 
pignon et est occupe par quelques cellules plus grandes, regorgeant de sucs gelatineux:; ces cellules represen- 
I 


tent les premiers rudiments de l’hymenium.« 


2) De Bary I. c, p- S—A0. 


—_— 37 0 — 


losen Fortpflanzungen zu rechnen, — alles das sind Fragen, die sich jetzt nicht be- 
antworten lassen; es liessen sich leider darüber keine weiteren Versuche anstellen. In 
den völlig erwachsenen Fruchiträgern des betreffenden Pilzes ist mir nie gelungen 
elwaige Spuren der fraglichen Eizellen auffinden zu können. Ganz der nämliche Fall 
findet sich auch bei Peziza confluens Pers. Der erste Entwicklungszustand der 
Becherchen dieses Pilzes, den ich zu beobachten gleichfalls Gelegenheit hatte, zeigt 
sich, wie es ja aus den De Bary’schen Untersuchungen schon bekannt ist, beständig 
in Form einer Rosette, welche aus mehreren eigenthümlich construirten Zellpaaren be- 
steht und die in den erwachsenen Zuständen gleichfalls nicht mehr aufzufinden sind. 
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die von de Bary beschriebenen Zellpaar- Ge- 
bilde der Peziza confluens den jüngsten Entwicklungszuständen der von mir 
untersuchten Ascobolus-Becherchen entsprechen; dieses gab mir den Gedanken, dass 
die Entwickelung der meisten, wenn nicht aller Becherpilzen in analoger Weise ge- 
schehen muss. Und in der That fand ich denn auch beinahe ganz dieselben Vorgänge 
bei zwei anderen Objecten auf, nämlich bei Peziza granulata Bull. und Peziza 
sceutellata Linn. 

Da eine Beschreibung der vollständigen Entwicklungsgeschiehte dieser beiden 
Pezizen uns zu weit führen und sich ausserdem nur als eine Wiederholung der eben 
geschilderten herausstellen würde, so will ich mich ganz kurz fassen und bios das- 
jenige hier hervorheben, wodurch sich die ersten Stadien der beiden soeben genannten 
Pezizen von denen des Ascobolus pulcherrimus unterscheiden. 

Wie es schon aus den beigelegten Zeichnungen (Taf. XXXIX, Fig. 6, 7. Taf. XL, 
Fig. 1, 2, 3) zu sehen ist, sind die vielfach und unregelmässig verzweigten Mycelium- 
fäden dieser beiden Pezizen denen des Ascobolus ungemein ähnlich: es finden 
sich auch bier in jeder Zelle, den Querwänden sehr nah anliegend,. mehrere kleine, 
glänzende und scharf contourirte farblose Körnchen. Die ersten Entwicklungsstadien 
der Becherchen zeigen sich auch hier in beiden Fällen in Form meistens ziemlich 
stark gekrümmter, seitlicher Myceliumzweiglein, welche gleichfalls aus mehreren Glie- 
dern bestehen; von diesen letzteren ist aber immer blos das eine Endglied als die 
funetionirende, als die eigentliche Eizelle, zu betrachten, während alle anderen, unter- 
halb derselben sich befindenden Zellen dieses Zweigleins miteinander einen Träger der 
Eizelle bilden. 

Dieser Träger besteht bei Peziza scutellata (Tafel XL, Fig. 1, 2, 3) meistens 
nur aus 2 oder 3 Zellen, viel seltener sah ich ihn 4- oder Ögliederig; das Endglied 


— 333 — 


des ganzen Zweiges (die eigentliche Eizelle) erscheint in Form einer länglich- 
ovalen. nach einer Seite krummgebogenen Zelle; — der protoplasmatische Inhalt ist 
mit 1—3 ziemlich grossen Vacuolen und kleinen orangeroth gefärbten Körnchen ver- 
sehen. — Bei Peziza granulata (Taf. XXXIX, Fig. 6, X) zeichnet sich immer die 
Eizelle durch ihren grösseren Umfang und ihre kuglig-elliptische Form aus; ihr blass- 
orangegelb gefärbter Inhalt erscheint in der Mitte der Zelle in Form eines körnigen 
Klumpens, nach der Peripherie zu ist derselbe dagegen sehr reich an zartumschrie- 
benen Vacuolen. Der Tragfaden besteht bei dieser Pezize gewöhnlich aus 3—6 
Gliedern, von welchen das untere immer am meisten in die Länge gestreckt ist und 
lediglich als eine Ausstülpung der es tragenden Myceliumfadenzelle sich erweist; die 
übrigen (2—5) Zellen dieses Fadens, welche zwischen der Eizelle und dem unteren 
ausgestreckten Gliede zu liegen kommen, sind im Ganzen viel kürzer und haben alle 
ungefähr dieselbe Gestalt und Grösse. Das nächste unter der Eizelle liegende und oft 
sogar das zweitfolgende Glied des Tragfadens treiben nun kleine, dünne, farblose, cey- 
lindrische Schläuche. welche sich sogleich an die Basis der Eizelle fest anlegen (Taf. 
XXXINX, Fig. 7). Ob sich dieselben aber von ihrer Mutterzelle durch etwaige Querwände 
abtrennen. sich weiter verlängern und ob sie darnach über den Scheitel der muthmass- 
lichen Eizelle oder dicht unter diesem quer um die Seitenwand verlaufen, wie es de 
Bary für die Peziza confluens beschreibt, und wie ich es selbst mehrmals bei 
Peziza scutellata gesehen habe (Taf. XL, Fig. 1, 2), ist mir bei Peziza gra- 
nulata allerdings nicht gelungen direct zu beobachten. 

Die weitere Entwicklung der beiden von mir untersuchten Pezizen (Pez. gra- 
nulata und Pez. scutellata) stimmt in den Hauptmerkmalen mit derjenigen des As- 
cobolus pulcherrimus völlig überein: sehr bald nach dem Anlegen der Antheri- 
dien(?) an die Eizellen(?) werden diese letzteren von einem dicht, verfilzien Hy- 
phengeflecht völlig umsponnen, und dadurch wird leider ihr weiteres Schicksal unseren 
Augen völlig entzogen. 

Jetzt kehre ich zur Darstellung der weiteren Entwicklungsstadien des Ascobo- 
lus puleherrimus zurück. Nach dem ersten Anlegen des Hymeniums nimmt der ju- 
sendliche Fruchtträger sehr bald seine definitive Grösse, Form und Struktur an. Das 
Pilzfadengewebe, aus welchem der Körper eines völlig ausgebildeten Fruchtirägers 
(Taf. XLI, Fig. 1) besteht, hat eine grosse Aehnlichkeit mit einem gewöhnlichen Zell- 
parenchym; zwischen den aufgeblasenen oder durch gegenseitigen Druck theilweise 


polyedrisch gewordenen Elementen desselben lassen sich aber noch stellenweise ein- 


—_— 39 — 


zelne Hyphen verfolgen. Den oberflächlichen Zellen dieses quasi-parenchymatischen Ge- 
webes kommt immer die Form völlig abgerundeter Blasen zu, besonders aber den- 
jenigen. welche den hervorragenden und ziemlich dieken, polsterartigen, und über dem 
Hymenium sich etwas einbiegenden Rand des Fruchtträgers bilden. Die Zellen der 
unteren, dem Substrate zugekehrten Fläche des Fruchtträgers treiben Fäden, welche 
sich verlängernd und sich verzweigend ein secundäres Mycelium darstellen. Die Seiten 
des Fruchiträgers, besonders nach oben zu, sind mit ziemlich langen und steifen, zuge- 
spitzten Borsten versehen, welche gleichfalls aus den oberflächlichen Zellen ihren Ur- 
sprung nehmen (Taf. XLI,. Fig. 1). Diese Borsten stehen um den Fruchtträger in 
mehreren unregelmässig verlaufenden Reihen, °) sind hellbrauner Farbe und derbwan- 
dig; dieselben sind ausserdem durch Querwände in mehrere Zellen getheilt und es 
finden sich dabei auch hier in jeder einzelnen Zelle der Borsten ein oder zwei kleine, 
aber sehr scharf contourirte Körnchen, welche den Querwänden sehr nahe anliegen, 
Dasjenige Gewebe, aus welchem der Boden des Hymeniums besteht, ist immer aus 
sehr kurz- und zartzelligen, dichtgedrängten Hyphen gebildet. 

In den Fruchtträgern, welche erst % ihrer definitiven Grösse erreicht haben 
(Taf. XL, Fig. 5), bildet das Hymenium ein Büschel,. welches nur aus zarten, auf- 
rechtstehenden, sehr feinen, eylindrischen Schläuchen besteht; diese letzteren sind die 
ersten Paraphysen. Erst nachdem der Fruchtträger seine definitive Grösse erreicht 
hat, wachsen aus dem Boden des Hymeniums, zwischen den Paraphysen, Asei hervor, 
deren Zahl sich sehr rasch vergrössert (Taf. XLI, Fig. 1). 

Die Paraphysen (Taf. XLi, Fig. 2,7. Taf. XLII, Fig. 1. 2) sind einfache oder ver- 
zweigte schmal-eylindrische Fäden, mit mehreren Querwänden versehen und an der 
Spitze meistens verlängert- keulenförmig angeschwollen. Ausser dem Endgliede der 
Paraphysen ist auch in einzelnen Fällen das nächst untere Glied gleichfalls an seinem 
oberen Ende angeschwollen. Die Körnchen des schleimigen, vacuolenhaltigen Plasma- 
inhaltes der Paraphysen sind orangegelb oder selbst ziegelroth gefärbt. 

Was nun die Entwicklung der Aseci und Sporen des Ascobolus pulcher- 
rimus anbelangt, so geschieht dieselbe, wie es schon aus den beigelegten Ab- 


bildungen (Taf. XLI, Fig. 1—6) zu sehen ist, in ganz analoger Weise, wie es Herr 


') Die beiden mit braunen Borsten versehenen Ascobolus-Arten: Asc. pulcherrimus Cr. und 
Asc. insignis Er, unterscheiden sich nach Crouan’s Angaben, unter anderm dadurch, dass bei dem ersten 
die Borsten in mehreren, bei dem zweiten dagegen in zwei Reihen stehen. 


— 340 ° — 


Prof. A. de Bary für manche andere Ascomyceten beschrieben hat, Der in den 
mit doppelt-contourirter Membran versehenen Schläuchen noch vor der Sporenbildung 
leicht nachzuweisende primäre Zellkern erscheint immer in dem oberen Theile des 
Schlauches und besteht aus einem homogenen nucleus (oder nucleolus?), der in 
einem durchsichtigen, kugligen Raum suspendirt is. Wie aber aus diesem primären 
Zellkerne acht Kerne für die 3 Sporen entstehen, ob es durch eine sich wiederholende 
Zwei- oder eine simultane Achttheilung geschieht, dieses konnte ich nicht entscheiden. 
Wenn die Sporen noch sehr jung sind, so ist in den Schläuchen das Epiplasma immer 
sehr leicht von dem Protoplasma zu unterscheiden, indem diese beiden Substanzen 
segen Jod in der von de Bary angegebenen Weise sehr verschieden sich ver- 
halten. (Vergl. de Bary: „Ueber die Fruchtentwicklung der Ascomyceten.“ 
und meine Zeichnungen, Taf. XLI, Fig. 4—8, nebst der dazu gehörenden Beschrei- 
bung.) 

Diejenigen Asci, in welchen die Sporenbildung noch nicht beendet ist, sind immer 
etwas kürzer oder nur eben so lang als die Paraphysen (Taf. XLI, Fig. 1); sind aber 
einmal die Sporen reif, so schwellen die Schläuche beträchtlich an, indem sie sich stark 
in die Länge strecken, und ragen dann, wie es bei allen Ascoboli der Fall ist, 
mit ihren Spitzen über das Niveau des Hymeniums hervor (Taf. XLI, Fig. 2, 3). In 
diesen älteren Entwicklungsstadien liegen die acht Sporen in dem oberen Theile des 
Ascus in einer unregelmässigen Längsreihe. Der übrige Raum des während der gan- 
zen Zeit mit einem wandständigen Primordialschlauche versehenen Ascus ist nun mit 
einer völlig farblosen, durchsichtigen, wässerigen Flüssigkeit erfüllt. Zum Zwecke der 
Sporenentleerung brechen die Asci mittelst eines meistens sehr kleinen Deckelchens 
(Taf. XLI, Fig. 2. Taf. XLII, Fig. 3, 4) auf; die Sporen werden auf eine Höhe von unge- 
fährr 6—8 oder selbst 10 Centim. herausgeschleudert. Nach der Entleerung schrum- 
pfen die Schläuche zusammen und darnach erscheinen sie wiederum kürzer als die sie 
umgebenden Paraphysen (Taf. XLI, Fig. 2). Coemans Angaben nach sollen die 
Schläuche bei Ascobolus, noch lange vor der Entleerung, sich von dem Hypo- 
thecium (dem Boden des Hymeniums) lösen (l. ec. p. 84); dieses scheint mir aber 
eine nicht völlig normale und constanle Erscheinung zu sein, denn obgleich es mir 
auch mehrmals vorgekommen ist, dergleichen freiliegende sporenenthaltende asci in 
dem Hymenium aufzufinden, fand ich daneben noch öfter leere Schlauchmembranen, 
welche fest dem Hypothecium aufsassen (Taf. XLI, Fig. 2). 

Die völlig entwickelten Sporen des Ascobolus pulcherrimms sind elliptisch- 


— 341 — 


eiförmig, meistens 0,.0080—0.0096 Millim. breit, bei einer Länge von 0,0144— 0,0160 
Millim.; anfangs sind sie immer farblos; bei ihrer vollen Reife bekommen dieselben 
sehr oft eine sehr blasse bläulich-grüne Färbung. Die Sporenmembran ist glatt und 
sehr dünn; sie erscheint erst bei einer 600 —620fachen Vergrösserung deutlich doppelt- 
eontourirt. Der Inhalt ist ziemlich stark lichtbrechend und erscheint dabei von gelatinös- 
ölartiger Consistenz; ausser einigen sehr feinen Körnchen und kleinen undeutlichen 


Vacuolen,. die manchmal hier auftreten, findet sich noch in jeder Spore immer ein 


grösserer, centraler, heller kuglicher Raum, — Vacuole oder Zellkern bleibt noch zu 
entscheiden. — Durch Jod werden die Sporen zu allen Zeiten, gleich dem Protoplas- 


ma, gelb gefärbt; die Paraphysen, besonders ihre gefärbten aufgetriebenen Spitzen 
und die gleichfalls orangegelb oder selbst ziegelroth gefärbten Elemente des Hypo- 
theciums nehmen dagegen durch Jod die für die gelben pflanzlichen Farbstoffe cha- 
rakteristische grüne Färbung an. 

Die Sporen dieses Pilzes zum Keimen zu bringen, ist mir leider nicht ein ein- 
ziges Mal gelungen, wenngleich von E. Coemans !) angegeben wird. dass 
alle Ascobolus-Sporen gewöhnlich sehr leicht in Wasser auf Objectträgeru keimen, 
und dass ihre Keimfäden eine bemerkenswerthe Neigung zu einer Torula- oder Pe- 
nieillium-ähnlichen Conidienbildung zeigen. 

Am Schlusse dieses Beitrages muss ich noch eine zweite Fructificationsform des 
Ascobolus pulcherrimus erwähnen, welche, meines Wissens, bis jetzt noch völlig 
unberücksichtigt geblieben ist. 

Die Fäden desselben Myceliums, auf welchem die oben geschilderten Fruchtbecher- 
chen des Ascobolus entstehen, tragen in sehr reichlicher Menge eine besondere 
Form von Sporen, welche zu den Chlamydosporen zu rechnen sind. 

Dieselben entstehen auf seitlichen, kurzen, meistens nur zwei- oder dreizelligen. 
seltener längeren, vier- bis fünfgliedrigen Zweiglein (Tafel XLII, Fig. 6—13; 
Taf. XL, Fig. 4, 5). Von den gewöhnlichen Verzweigungen des Myceliums unter- 
scheiden sich diese schon von Anfang an dadurch, dass sie an ihren Spitzen sich 
hakenförmig krümmen; — ganz aufrecht kommen sie dagegen nur sehr selten vor. — 
Die in den meisten Fällen etwas in die Länge gezogene Endzelle eines jeden solchen 
Seitenzweigleins, welche sich nicht nur nach unten, sondern auch manchmal derart seitwärts 
krümmt, dass sie dadurch einer Vaucheria- Antheridie einigermassen ähnlich wird, 


schwillt nach und nach beträchtlich an und wird dadurch kuglig-elliptisch oder eiförmig. 


Dalcan9) 
Abh, d. Senkenb. nat. G. Ba. V. 44 


—_— 3412 ° — 


Ihr anfangs sehr blass gefärbter plasmatischer Inhalt wird jetzt mehr dicht und grobkör- 
nig, ist hie und da mit mehr oder minder grossen ölarligen Tröpfchen und einzelnen 
Vacuolen versehen, und bekommt zuletzt eine intensive, dunkle, orangegelbe Färbung. 
Nach der Mitte der Spore zu erscheint der Inhalt immer viel dichter, so dass er nicht 
selten in Form eines unebenen und undeutlich begrenzten centralen Klumpens auftritt, 
welcher von der Sporenmembran ziemlich weit absteht. Diese letztere ist anfangs dünn 
und einfach, später erscheint sie deutlich doppelt contourirt. Auch bei der Reife lässt 
sich aber an diesen Sporen nie Exosporium und Endosporium unterscheiden. 

Durch Jod färben sich die Chlamydosporen gewöhnlich gleich den Mycelium- 
fäden und dem Epiplasma der Sporenschläuche rothbraun; im Anfange der Reac- 
tion sieht man in denselben nicht selten ausserdem eine etwas undeutliche grüne Färbung 
auftreten, welche aber bei etwas längerem Einwirken des Jods bald verschwindet, 
Die jugendlichen, meistens mit orangegelbem Plasma dicht erfüllten Spitzen der Myce- 
liumhyphen des in Rede stehenden Ascobolus bekommen gleichfalls durch Jod dieselbe 
grünliche Färbung. 

Der Keimung nach sind die dem Mycelium fest ansitzenden und von demselben 
sich schwer ablösenden Chlamydosporen des Ascobolus pulcherrimus als Ruhe- 
sporen oder Dauerzellen zu betrachten; ihre Keimfähigkeit fängt nämlich erst dann 
an, wenn die Myceliumfäden längst abgestorben und völlig leer sind. Ich habe sie z. B. 
in einem mässig trocken gehaltenen Substrate während eines ganzen Winters, vom 
Spätherbste bis zum Frühjahre, beinahe völlig unverändert aufbewahrt; — im April 
angefeuchtet fingen dieselben an zu keimen (Taf. XL, Fig. 7, 8). Das dick- und derb- 
wandige, hell bräunlich-gelb gefärbte Exosporium wird an irgend einer Stelle unregel- 
mässig von einem nun unterscheidbaren dünneren, farblosen Endosporium zerrissen, 
welches alsdann in einen Schlauch auswächst (Taf. XL, Fig. 7, 8). Dieser Keimschlauch 
verlängert sich. wird durch Querwände in mehrere Zellen gelheilt, verzweigt sich 
und sieht von Anfang an den oben beschriebenen Myceliumhyphen völlig gleich. 

Bei anderen becherförmigen Pilzen (Ascobolus und Peziza) sind mir bis jetzt 
keine dergleichen Chlamydosporen vorgekommen. 

St. Petersburg, 15./27. Juni 1865. 


— 393 — 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXXIX. 


Fig. 3 bei 620facher, die übrigen bei 320facher Vergrösserung mit Hülfe der Camera lucida gezeichnet, 


Fig. 1 bis 5 Ascobolus/pulcherrimus Cr. 

Fig. 1. 2, Anfänge von Fruchtträgern, — wurmförmige, vielzellige Myceliumseitenzweiglein. Jede 
Zelle eines solchen Körpers ist meistens mit einer grossen, centralen Vacuole versehen; in einzelnen fin- 
den sich dagegen zwei bis drei einzelne Vacuolen. Die zwei unteren Zellen des Zweigleins in Fig. 2 sind 
den Zellen des Myceliumfadens gleich. 

Fig. 3. Weitere Entwickelung des Fruchtträgers: An die Zellen des wurmförmigen Körpers legen sich 
kurze, hakenförmige Seitenzweiglein fest an, welche von anderen, daneben verlaufenden Fäden desselben Myce- 
liums ihren Ursprung nehmen. 

Fig. 4. Anfang des um den wurmförmigen Zellkörper sich bildenden Fadengeflechts, 

Fig. 5. Etwas weiter vorgerücktes Entwickelungsstadium eines Ascobolus-Becherchens unter Deck- 
plättchen betrachtet und mittelst Glycerin durchsichtig gemacht. Der wurmförmige Zellkörper nimmt jetzt die 
Mitte eines sehr dicht verfilzien Klumpens ein, Die vier Endzellen dieser central gewordenen Zellreihe erscheinen 
hier in Form grosser kugliger Blasen; in einer derselben, (in der zweiten von oben) sieht man ein nu cleus- 


artiges Gebilde; — der Inhalt einer anderen (der dritten von oben) erscheint in Form eines netzarligen 
Maschenwerks, 


Fig. 6 und 7 Peziza granulata Bull. 
Anfänge des Fruchtträgers, Blos die Endzelle des wurmförmigen Körpers ist hier als die funktionirende, 


als die muthmassliche Eizelle zu betrachten; — die übrigen Zellen dieses Körpers bilden für diese Eizelle 
einen besonderen Träger. 


- 


In Fig. 7 sieht man, wie die zwei oberen Glieder des Tragfadens kleine eylindrische, farblose Schläuche 
treiben, welche sich an die Basis der Eizelle fest anlegen, 


Tafel XL, 
Fig. 1 bis 3 Peziza scutellata Linn. 
Anfänge der Fruchtträger. Vergr. 320, 


Fig. 1. Junger wurmförmiger Zellkörper, bei welchem das Endglied (die Eizelle?) noch nicht vollig 
ausgewachsen ist, 

Fig, 2 und 3. Etwas ältere Zustände. Die Eizelle (?) erscheint etwas länglich und ist dabei ein 
wenig seitwärts gekrümmt. Die an dieselbe sich fest anlegenden , dünnen, ceylindrischen Schläuche (die An- 


theridien?) erstrecken sich bis über den Scheitel der Eizelle, oder verlaufen unter diesem quer um die 
Seitenwand. 


Fig. 4 bis 10 Aseobolus pulcherrimus Cr. 
Fig. 4. (160fach vergrössert) Junger Fruchtträger mit den dazu gehörenden Myceliumfäden vom Sub- 


strate frei abpräparirt und unverletzt auf die Objectplatte gelegt. Dieselben Myceliumlhyphen tragen auch die 
Ascobolus-Chlamydosporen (chl, sp.); m. Mycelium, 


44* 


— 344 — 


Fig. 5. (160fach vergrössert), Aelterer Zustand. Das Exemplar ist durch leichten Druck auf das 
Deckglas etwas ausgebreitet und mittelst Glycerin durchsichtig gemacht worden. 5 — Borsten; 3 — Hymenium ; 
chl. sp. — Chlamydosporen ; m = Myceliumfäden ; x — ein kleiner Rest des Substrates (des Pferdemistes.) 

Fig. 6 a Zwei beinahe völlig reifen Fruchtträger in natürlicher Grösse gezeichnet, 

Fig. 6 db, Einer von denselben mit der Loupe betrachtet, 

Fig. 7 und 8, (320fach vergrössert). Keimende Chlamydosporen. 

Fig. 9 und 10. (620fach vergrössert). Sich verzweigende und Anastomosen bildende Myceliumsfäden. 
Die in Fig. 8 gezeichneten kleinen Pfeile sollen den Verlauf der Plasmaströmung andeuten. 


Tafel XLI. 


Ascobolus pulcherrimus Cr. 
Fig, 1. 160mal, Fig. 4 620mal, die übrigen 320mal vergrössert, 

Fig. 1. Längsschnitt durch einen entwickelten, aber noch ziemlich jugendlichen Becher. Die von dem- 
selben getragenen Asci sind noch nicht völlig reif und erscheinen kürzer als die Paraplıysen, m — Mycelium; 
b = Borsien, 

Fig. 2. und 3. Stücke des hymeniumtragenden Gewebes, von welchem mehrere Paraphysen, zwei ganz 
junge, drei völlig reife und ein schon ausgeleerter Ascus entspringen. Die reifen Asci ragen mit ihren 
Spitzen über das Niveau der Paraphysen hervor. 

Fig. 4. Junger Ascus. Die Jodreaktion zeigt, dass er mit Epiplasma (ep.) erfüllt ist; von Proto- 
plasma (pr) findet sich in demselben nur eine sehr schmale Querzone, in deren Mitte der primäre Zell- 
kern (n) enthalten ist. 

Fig. 5 bis 6. Weiter entwickelte Asci. Die Sonderung des Inhaltes in Epiplasma (ep) und Proto- 
plasma (pr) tritt hier viel schärfer auf. Die Protoplasmaportion enthält hier 8 junge Sporen ; durch 
Jod wird sie gelb, das Epiplasma dagegen lebhaft rothbraun gefärbt. 

Fig. 7 Paraphysen. Ausser den Paraphysen entspringen aus dem hymeniumtragenden Gewebe 
zwei junge Asci. — n — primärer Zellkern. 


Tafel XLIE. 


Asscobolus pulcherrimus Cr. 
Fig. 6 und 7 90mal, Fig 5, 10 und 11 620mal die übrigen 320mal vergrösserl. 
Fig. 1. 2 Paraphysen. ; 
Fig. 3 und 4, Reife Asci, ihre Sporen ausschleudernd. 
Fig. 5. Reife Sporen. 
Fig. 6 und 7. Chlamydosporentragende Myceliumfäden. 
Fig. 8 bis 13. Chlamydosporen, in verschiedenen Entwickelungsstadien dargestellt. 


Zur Kenntniss der Mucorinen. 


I. Mucor Mucedo. 
Tafel XLIN. Fig. 1—19 und Tafel XLIV. 


Der Pilz, dessen Entwicklungsgeschichte in Folgendem beschrieben wird, stimmt 
jedenfalls mit demjenigen überein, welchen Fresenius in seinen Beiträgen zur Myco- 
logie als Mucor Mucedo beschreibt. Er soll daher mit diesem Namen bezeichnet 
werden. 

Die Exemplare desselben, welche zuerst zur Untersuchung kamen, wuchsen auf 
Mist von Pferden, Kühen, Kaninchen und Meerschweinchen. Durch Aussaat liess sich 
der Pilz leicht auf anderes Substrat, wie Eiweiss, Eidotter, Pasteur’sche eiweisshaltige 
Zuckerauflösung,') Brot, Kirschen, Vogelbeeren u. s. w. übertragen. 

Sein Mycelium wuchert auf der Oberfläche und im Innern des Substrats. Es be- 
steht bei jugendlichen kräftigen Exemplaren aus dicken, reich und wiederholt verzweig- 
ten, zunächst querwandlosen protoplasmareichen Schläuchen, deren Aeste früherer Ord- 
nung den Hauptstämmen gleichdick sind, während die der höheren Ordnungen sich in 
ganz feine Zweige spalten. Im Alter treten in den Myceliumschläuchen mehr oder minder 
zahlreiche, anscheinend ordnungslos gestellte Querwände auf. Alle diese Erscheinungen 
kommen den meisten Mucor- und Mucorinen-Mycelien zu. 

Von dem Mycelium erheben sich, als senkrecht über das Substrat hervortretende 
Zweige, die Fruchtträger, Fruchthyphen („Stiele“). Die bekannteste Form dieser, welche 
zunächst allein betrachtet werden soll, sind die Träger der für die Gattung Mucor 
charakteristischen Sporangien, dicke, anfangs immer unverzweigte, in ein Sporan- 
gium endigende, in der Jugend mit farbloser und durch Jod und Schwefelsäure hell- 
blau werdender Membran versehene querwandlose Schläuche. Dieselben bleiben entweder 


ganz unverzweigt oder bilden meistens nach Anlage oder Ausbildung des ersten termi- 


1) 10 Theile Zucker, 0,2—07 Theile wässerigen Extractes aus Bierhefe auf 100 Wasser, vergl, 
Flora 1862, p. 359, 


— 346 — 


nalen Sporangiums Zweige in verschiedener Zahl, Grösse und Stellung, welche wie- 
derum mit einem Sporangium endigen. Was die Stellung der Zweige betrifft, so ist 
diese entweder eine ganz unregelmässig zerstreute, oder es entspringen nicht selten 
dicht unter dem terminalen Sporangium zwei opponirte, kurze, Sporangien tragende 
Aeste, so dass der Fruchtträger einer gabeligen eymösen Inflorescenz gleicht, wie 
schon Fresenius angibt; auch einseitig ausgezweigte Cymen kommen vor. Diese Aus- 
zweigung ist immer nur eine spärliche, ein- oder zweifache. Mit der Verzweigung 
oder auch in älteren einfachen Trägern treten Querwände in wechselnder Zahl und 
Stellung auf. Die Grösse der Sporangiumträger ist überaus verschieden. Magere, 
mangelhaft ernährte Exemplare werden, wie unten beschrieben werden wird, 
kaum 1 Millim. hoch, kräftige erreichen, bei Borstendicke, eine Länge von 10, 20, 
30. Millim. 

Der Bau und die Entstehung der Mucor-Sporangien kann nach zahlreichen älte- 
ren Beschreibungen, und besonders nach der von Fresenius (l. ec.) und den im ersten 
Hefte dieser Beiträge für Syzygites megalocarpus gegebenen Darstellung als, allgemein 
bekannt betrachtet werden. Die typischen Sporangien des Mucor Mucedo sind kuge- 
lig, zur Zeit der Reife für das blosse Auge braun bis schwärzlich. Ihre Wand (Zellen- 
membran) ist, was Fresenius zuerst fand, häufig auf der Aussenfläche mit dichtge- 
stellten feinen Stachelchen besetzt (Taf. XLIH, Fig. 14, 16), eine übrigens nicht constante 
Erscheinung; es kommen auch ganz glatte, hyaline Sporangiumwände vor, und solche, 
die in der Flächenansicht fein granulirt oder punclirt aussehen, wie es Fresenius für 
seinen Mucor racemosus angibt, ohne aber in der Profilansicht prominirende Stachel- 
chen zu zeigen. Die stachelige Wand der Sporangien ist zur Zeit der Reife überaus 
brüchig; in Wasser gebracht zerfällt sie alsbald in kleine, allmählich verschwindende 
Körnchen (Taf. XLII, Fig. 12). Die glatten Membranen dagegen sind oft sehr derb, selbst 
durch starkes Drücken und Zerren nur schwer zerreissbar und im Wasser wochenlang 
unverändert bleibend. Wie für Mucor allgemein bekannt ist, ragt die das Sporangium 
von seinem Träger trennende Querwand in Form einer kugeligen oder breit ovalen 
Blase — Columella — ins Innere des Sporangiums. Bei der in Rede stehenden Art 
geht die Columella plötzlich in den cylindrischen Träger über und die Insertionsstelle 
der Aussenwand, die nach dem Zerfallen des grössten Theiles dieser durch ein kleines, 
stehenbleibendes, ringförmiges Stück bezeichnet wird, befindet sich unmittelbar unter 
der Columella. 


Die zahlreichen reifen Sporen der beschriebenen Sporangien (Taf. XLIH, Fig. 1, 2, 12) 


sind oval oder länglich, einzeln betrachtet farblos, mit zarter, glatter Membran. Ihre Länge 
schwankte bei den gemessenen Exemplaren zwischen "453 und %3 Millim. Sie sind von 
dem Zeitpunkt der Reife an keimfähig. In reinem Wasser keimen sie nicht. Setzt 
man dagegen zu diesem Zuckerlösung, Eiweiss, Traubensaft, Mist u. s. w. oder bringt 
man sie auf ein entsprechend zusammengesetztes Substrat '), so findet man schon einige 
Stunden nach der Aussaat die Mehrzahl angeschwollen, mehr oder minder kugelig, mit 
wandständigem Protoplasma und einer centralen Vacuole versehen, und alsbald beginnt 
das Austreiben von Keimschläuchen nach einer oder zwei Seiten hin. Diese erreichen 
schon in 24 Stunden eine beträchtliche Länge, nach 48 Stunden sind sie zu einem (auf 
den Objeetträgern meist septirten) Mycelium berangewachsen, von dem sich nun frucht- 
tragende Hyphen, entweder wiederum die beschriebenen Sporangien oder die alsbald zu 
erwähnende zweite Fruchtform bildend, in die Luft erheben. 

Es ist bemerkenswerth, dass die Sporen bei der Keimung ihren Protoplasmagehalt 
nicht zu Gunsten der Keimschläuche verlieren, sondern lange Zeit und oft andauernd 
gleich Myceliumfäden mit einer mächtigen wandständigen Protoplasmaschicht versehen 
bleiben. Hieraus und aus den erwähnten Keimungsbedingungen ist zu schliessen, dass mit 
dem Anfange der Keimung schon Nahrungsaufnahme und Assimilation eintritt, was, wie unten 
gezeigt werden wird, in derselben Weise auch bei anderen Mucorinensporen der Fall ist. 

Bei den Aussaaten auf Mist entwickeln sich nach 48 Stunden aus dem septirten 
Mycelium oft nur sehr zarte, kurze, einfache oder wenig verzweigte Fruchtträger, welche 
auf ihren Enden sehr kleine Sporangien bilden (Taf. XLII, Fig. 4— 10). Diese haben zarte, 
farblose, meist glatte Membran und entbehren der Columella, sie sin von ihrem Trä- 
ger durch eine ebene kleine Querwand abgegrenzt und in einigen, allerdings seltenen 
Fällen war selbst diese nicht zu finden. Sie enthalten nur 2—10 Sporen, welche oft 
nur schwer keimen, im Uebrigen den oben beschriebenen in allen Stücken, auch in der 
Grösse gleich sind. 

Zwischen den soeben erwähnten kleinen Sporangien und den grossen vielsporigen, 
mit Columella versehenen lassen sich oft auf einem und demselben Mycelium alle mögli- 
chen Uebergangsformen finden (Taf. XLIIL, Fig. 10—12). Jene werden daher nicht für beson- 
dere typische Reproductionsorgane zu halten sein, sondern nur für Zwerg- oder Krüppel- 
exemplare der ersten, Sporangien bildenden Form von Mucor Mucedo. 


Eine wirklich eigenthümliche zweite Form fruchtiragender Hyphen unseres Pilzes 


I) Die Aussaaten wurden theils auf den Objectträger, theils in kleine, leicht controlirbare Glasschalen 


gemacht. 


—_— 3485 — 


ist dagegen diejenige, welche von Link als Thamnidium, von Corda als Asco- 
phora elegans beschrieben worden ist '). Mit diesen Namen sind aufrechte Frucht- 
hyphen unseres Pilzes bezeichnet worden, welche auf ihrer Spitze in der Regel ein 
Sporangium von der oben beschriebenen Beschaffenheit tragen, in ihrem mittleren oder 
unteren Theile aber kurze, horizontal abstehende Seitenzweige, die bis 5- und 10 mal 
gabelig getheilt sind und auf jeder Enddichotomie ein kleines Sporangium (Sporangio- 
lum) tragen. (Taf. XLIV. Fig. I.) 

Die Länge der ganzen dichotomen Seitenästchen ist im Vergleich mit den Haupt- 
fäden sehr gering, oft kaum 10mal grösser als der Querdurchmesser der letztern. Die 
Gabelungen divergiren stumpfwinkelig und die Verzweigungsebenen aufeinanderfolgender 
Ordnungen schneiden sich unter ungefähr rechtem Winkel. Die Seitenästchen stehen zu- 
weilen einzeln, zerstreut, meistens jedoch zu 2—4—5 wirtelig beisammen, die Wirtel 
entweder einzeln am Hauptfaden oder zwei und mehrere über einander. Zuweilen fin- 
det man den Hauptfaden mit einem solchen Wirtel oder alsdann richtiger einer Art 
Cyma geendigt, ohne dass diese von einem grossen Sporangium überragt wird. (Vgl. 
Tat OXbIIL AS EXKLIV,. 1.09): 

Die den Enddichotomien aufsitzenden Sporangiolen sind kugelrunde, einer ins Innere 
ragenden Columella stets entbehrende Zellchen mit völlig glatter farbloser und durch- 
sichtiger Membran, welche zwar zart, aber weit dauerhafter als die der stacheligen 
Sporangien ist, und nach der Reife auch im Wasser oft lange Zeit unverändert bleibt. 
Die Entwicklung der Sporangiolen ist der der grossen Sporangien im Wesentlichen 
gleich; in einer jeden werden mehrere Sporen (Gemmen, Gongyli nach Corda) durch 
Theilung des Protoplasma simultan gebildet, meistens 4, seltener uur 2—3 oder bis zu 6 
und selbst 8. Sie füllen zur Zeit der Reife den Innenraum des Sporangiolum locker 
aus, sind oval und ziemlich constant Yıoo—%» Millm. lang, ihre Struktur ist der von 
den oben beschriebenen Sporen gleich. Zur Zeit der Reife fallen die Sporangiolen 
leicht ab, wobei ihre Wand verschlossen bleibt oder unregelmässig aufreisst. 

Die sporangiolentragenden Fäden erschienen in unseren Culturen in der Regel 
erst, nachdem die Entwicklung von nur Sporangien tragenden einige Tage gedauert halte, 
und immer in nicht grosser Zahl zwischen den letzteren. 

Da beide aus dem gleichen Mycelium entspringen und meist genau die gleichen 


grossen Sporangien tragen, so liegt die Annahme, dass beide Organe einer und der- 


») Link, Observ, in ord, nat. plant. Dissert. 1. (1816). Corda, Icon. fungor. Bd. Ill, Taf. II 
Fig. 43. 


’ 


— 349 — 


selben Species sind, sehr nahe. Doch könnte man, nach dem bisher Angegebenen, 
noch begründete Zweifel biergegen erheben, zumal da Mucor Mucedo (auch in unseren 
Culturen) sehr oft nur mit Sporangien und ohne die Thamnidiumform vorkommt, und 
da Präparate, in welchen beide Formen einem und demselben Myceliumfaden aufsitzen, 


bis jetzt niemanden gelungen sind. 


Durch Aussaat reifer Sporangiolen lassen sich die Zweifel leicht beseitigen. Die 
Sporangiolensporen keimen in gewöhnlichem Trinkwasser (unter dem Deckglas blieb 
jedoch die Keimung in dieser Flüssigkeit aus), in den oben erwähnten Flüssigkeiten 
und auf den Körpern, welche dem spontanen Pilze als Boden dienen. Die Keimungs- 
erscheinungen sind, wie schon Bail dargestellt hat (Flora 1857), die nämlichen, wie 
bei den Sporen der grossen Sporangien. In geeignetem Substrat wachsen die Keim- 
schläuche zu einem Mycelium heran, welches alsbald aufrechte, fruchttragende Fäden 
bildet, und zwar theils solche mit nur terminalen grossen Mucorsporangien (Taf. XLIV, Fig. 
6, 10), theils solche mit endständigen Sporangiolenzweigen (Fig. ”—9), theils Formen 
mit beiderlei Fructification oder deutlichen Zwischenformen zwischen beiden (Fig. 5). 
Die Cultur gelingt nicht schwer auf dem Objectträger, zumal in der Pasteur’schen Zucker- 
lösung, und der ganze Entwicklungsgang lässt sich hier lücken- und zweifellos ver- 
folgen. 

Uebergangsformen zwischen den nur einzelne terminale Sporangien tragenden Exem- 
plaren und der typischen Thamnidiumform lassen sich übrigens zuweilen auch in anderen 
als den reinen Sporangiolumaussaaten finden. Besonders schön beobachteten wir solche 
bei einem Mucor, welchen uns Dr. Itzigsohn freundlichst mittheilte und welchen wir auf 
Eiweiss und Eidotter cultivirten (Taf. XLIIL, 13— 16). Derselbe zeichnete sich hier von dem 
gewöhnlichen M. Mucedo durch gedrungenern Wuchs, dunklere Farbe der Sporangien und 
häufig schön violette Columella aus, nahm jedoch auf anderem Substrat, zumal auf Mist, 
die gewöhnliche Form an und ist daher wohl nur als eine Varietät zu betrachten. In den 
Eiweissculturen trugen seine aufrechten Fruchthyphen theils nur einzelne terminale Spo- 
rangien, theils typische Sporangiolenwirtel, theils hatten sie eine kurze Strecke unter dem 
grossen endständigen Sporangium einen oder zwei opponirte abstehende Aeste, die einige- 
mal dichotom oder auch trichotom getheilt waren und auf den Zweigenden kleine 
runde Sporangien trugen. Die reicher verzweigten sahen den Sporangiolenträgern 
sehr ähnlich. Ihre kleinen Sporangien unterscheiden sich aber von den typischen Spo- 
rangiolen durch weit grössere, bis auf 40, 50 und mehr steigende Zahl der Sporen 


(Fig. 16) und einzelne derselben waren mit einer kleinen Columella versehen. 
Abh. d. Senckenb, naturf, G. Bd. V. 45 


— 350 — 


In Beeleitung des mistbewohnenden Mucor Mucedo findet sich öfters eine dritte 
Pilzform, welche Berkeley und Bi’oome!) zuerst als Botrytis Jonesii beschrieben, Fre- 
senius?) kürzlich in eine besondere Gattung, Chaetocladium, gestellt haben. Diese Form 
erscheint — so weit unsere Beobachtungen reichen — gleichfalls erst, wenn die Bil- 
dung der Mucorsporangien mehrere Tage gedauert hat und im Abnehmen begriffen ist, 
entweder gleichzeitig mit der Thamnidiumform oder noch später als diese. Sie tritt ver- 
einzelt, oft aber auch massenhaft auf, in letzterem Falle erhält der Mucorrasen ein 
durchaus verändertes Ansehen, indem die geraden, aufrechten, stattlichen Sporangien- 
träger theilweise collabiren und zwischen ihnen zahlreiche kürzere und zärtere auf- 
rechte Hyphen von schneeweisser Farbe auftreten, an welchen schon das unbewallnete 


Auge bei einiger Uebung eine reiche rispige Verzweigung erkennen kann. (Vgl. Taf. XLIV). 


Stärkere Vergrösserung lässt in diesen Fäden einen Stamm unterscheiden. der 
sich entweder nur an seinem oberen Ende in mehrere Hauptäste gabelt oder von 
letzteren zwei, drei und vielleicht noch mehr übereinander stehende Wirtel trägt. 
Die Wirtel bestehen aus 2 bis 6. sehr oft aus drei Aesten (vgl. Fig. 11). Jeder 
Hauptast theilt sich nach kurzem Verlauf in 3 oder 4 abstehende ausgespreizte Aeste 
zweiter Ordnung, deren jeder in eine lange borstenförmige Spitze ausläuft und etwa 
in seiner Mitte einen Wirtel von 2 bis 3 Aestchen dritter Ordnung trägt. Diese sind 
wiederum borstenförmig zugespitzt und tragen über ihrer Mitte einen meist drei- bis 
viergliedrigen Wirtel von Aestchen vierter Ordnung, welche kurz, fast rechtwinkelig 
ausgespreizt und abermals in 2—3 ganz kurze, etwas angeschwollene, unregelmässig 
wirtelig oder gabelig geordnete Zweiglein getheilt sind. An jedem dieser Endzweige 
werden auf kurzen Stielchen einige Sporen simultan neben einander abgeschnürt, die- 
selben können daher als Basidien bezeichnet werden. Jeder Zweig vierter Ordnung 
bildet durchschnittlich 15 bis 20 Sporen, die in trockenem Zustande sein Ende als ein 
von der borstenförmigen Spitze überragtes Köpfchen bedecken (vgl. Fig. 11—15). 
Nimmt man alle Auszweigungen als dreizählig, und auf jedem Aste vierter Ordnung 


15 Sporen an, so trägt jeder Hauptfaden nicht weniger als 1215 Sporen. 


Es braucht kaum gesagt zu werden, dass von diesem bereits von Fresenius be- 


schriebenen typischen Verzweigungsschema nicht selten einzelne Abweichungen vor- 


I) Ann, Mag. of Nat. history, 2 Ser. vol. 13. pl. XV (1854). 
?) Beiträge, Seite 97, (1863). 


— 3 — 


kommen. Besonders endigen zuweilen auch die Zweige dritter Ordnung gleich den 


quartären mit Basidien und nicht mit einer Borste (Fig. 13). 


Der Hauptstamm ist mitsammt seinen Aesten der ersten Ordnungen ein zartwan- 
diger, unseptirter, in seiner Jugend reichliches wandständiges Protoplasma enthaltender 
Schlauch. Querwände treten regelmässig unter den sporenabschnürenden Enden, zuwei- 


len auch in den borstenförmigen Spitzen auf (Fig. 12, 14, 15). 


Die reifen Sporen sind kugelrund, meist %5e—Y2: Millim. gross, einzelne noch 
grösser (%s). Ihre Membran ist dünn, zart und bei manchen Exemplaren glatt und 
farblos, bei andern, wie sie auch Fresenius beschreibt, durchscheinend bräunlich und 
auf der Oberfläche äusserst fein punktirt-warzig. Sie umschliesst einen stark licht- 
brechenden, farblosen. homogenen oder bei ganz starker Vergrösserung sehr feinkörnigen 


Protoplasmakörper (Fig 16). 


Die Sporen der Botrytis Jonesii sind von ihrer Reife an keimfähig. Säet man 
sie in Wasser aus, so bleiben sie selbst Wochen- und Monate lang total unverändert. 
Auf eine der bei den obigen Keimungsbeschreibungen genannten Flüssigkeiten gesäet 
(die besten Resultate wurden mit Traubensaft erhalten) sinken sie in den ersten 12 
bis 24 Stunden zu Boden, schwellen auf etwa das doppelte ihrer ursprünglichen Grösse 
an, in ihrer Mitte erscheint eine grosse Vacuole (vgl. Fig. 17). Nach weiteren 12 
bis 24 Stunden findet man sie noch bedeutend vergrössert, aus der kugelförmigen in 
birnförmige, längliche u. s. w. Form übergegangen und die Austreibung von Keim- 
schläuchen beginnend (vgl. Fig. 18—20). Diese wachsen, in derselben Weise wie es 
für die oben besprochenen Formen angegeben wurde, binnen 1—2 Tagen zu reich ver- 
ästelten Myceliumfäden aus, welche denen von Mucor Mucedo völlig gleichen und als- 
bald aufrechte, auf ihrer Spitze Mucor-Sporangien bildende Zweige treiben. Diese 
letzteren sowohl, wie ihre Träger, haben genau die oben für Mucor Mucedo beschrie- 
benen Eigenschaften. 


Wir erhielten aus der Botrytis-Aussaat nie andere Exemplare als solche mit ty- 
pischen grossen Mucor-Sporangien. Die Entwicklung dieser Exemplare aus den Bo- 
Irylissporen liess sich auf dem Objeetträger leicht durch alle Stadien verfolgen. Es 
ist daher unzweifelhaft, dass Botrytis Jonesii nicht ein Begleiter, sondern eine dritte 
Fructificationsform des Mucor Mucedo ist, welche den vorliegenden Daten zufolge nur 
dann zur Entwicklung kommt, wenn dieser Pilz auf Mist vegetirt. 


Im Anschlusse an die bei den Pilzen anderweitig gebräuchliche Terminologie (vgl. 
45* 


Flora 1862 p. 61) würden die von diesen Fructificationsorganen abgeschnürten Sporen 
als Conidien zu bezeichnen sein. 

Nach dem Mitgetheilten ist nicht zu bezweifeln. dass bei dem spontanen Mucor 
Mucedo die Conidienträger mit den Sporangienträgern aus demselben Mycelium entsprin- 
gen. Präparate, an welchen dieses direct sichtbar gewesen wäre, konnten wir aus 
dem dichten Gewirr zarter Hyphen, welches die Basis älterer Mucorrasen bildet, nicht 
darstellen. und Fruchthyphen, welche gleichzeitig Conidien und Sporangien tragen, 
konnten wir so wenig wie Fresenius auffinden. 

Bail') und Zabel?) haben für Mucor Mucedo ferner Gonidien beschrieben. In 
alten Fäden, zumal solchen, deren Inhalt grossentheils zur Sporangienbildung verwen- 
det worden ist, sammelt sich das Protoplasma in kurze Querzoren an, die sich durch 
Querwände zu allmählich ziemlich derbwandig werdenden Zellen abgrenzen. Diese 
Zellen liegen meist einzeln und zerstreut in der Continuität der alten, leeren und 
collabirten Fäden. Ebenfalls ziemlich derbwandige, von Protoplasma strotzende eylin- 
drisch-eiförmige Zellen bilden sich oft in langen Ketten durch gewöhnliche Zellthei- 
lung an den Zweigenden solcher Mycelien, bei denen die Bildung der Sporangienträger 
gehindert ist, sei es durch unzureichende Ernährung oder besonders durch Abschluss 
der Luft. Berkeley hat solche Zustände schon 1838 (Magaz. of Zool. and Bot. Vol. 
II. p. 340) für eine jedenfalls dem M. Mucedo wenigstens nahestehende Form be- 
schrieben. In günstige Medien gebracht, wachsen die beiderlei eben erwähnten Zellen 
zu einem Sporangien bildenden Mucormycelium aus. Die beschriebenen Zellen dürften 
kaum den typischen Fortpflanzungsorganen zuzurechnen sein, eher vielmehr accessori- 
schen Brutknospen höherer Gewächse vergleichbar. Sie mögen daher, und um Ver- 
wechselung mit den Conidien zu vermeiden, statt. Gonidien Brutzellen genannt 
werden. (Vgl. Taf. XLIV, Fig. 21, 22.) 

Bei der Untersuchung der Entwicklungsgeschichte von Mucor Mucedo waren zwei 
weitere Fragen zu prüfen. Bail”) hat erstlich behauptet, aus den in gährungsfähige 
Zuckerlösungen ausgesäeten Brutzellen des Mucor Mucedo Fres. entwickelten 
sich die Zellen des Hormiscium Cerevisiae, der Bierhefe. Und er ging zweitens 
später noch viel weiter. indem er angab, Bierhefe, Mucor Mucedo, Achlya, Sapro- 


leenia sammt Entomophthora Muscae Fres. (Empusa Muscae Cohn) seien alle nur 


I) Flora 1857 p. 417. 
2) Einiges über die Gonidien der Pilze. Melanges biolog. St. Petersbourg. T. III. 


3) Flora 1857 1. ce, und Verhandl. d. D. Naturforschervers. zu Königsberg. 


_— 353 — 


Formen einer Species: die Hefezellen werden von den Stubenfliegen gefressen, entwickeln 
sich in der Leibeshöhle dieser zu den blasigen Schläuchen, welche man durch Cohn und 
Lebert als die Anfänge von Entomophthora kennt, und je nachdem die Fliege, welche 
diese enthält, in Wasser oder auf einen feuchten, von Luft umgebenen Boden kommt, 
wachsen jene Schläuche zu Achlya und Saprolegnia oder (je nach ihrem Alter) zu Mucor 
und Entomophthora aus. 

Was die erste dieser Behauptungen betrifft, so bedauern wir, trotz einiger bestä- 
tirenden Aeusserungen von anderer Seite, unsererseits nur negative Resultate berich- 
ten zu können. In zahlreichen und mannichfach variirten Aussaaten von Mucorsporen 
ist es uns nie gelungen, die Entwicklung von Gährung erregenden Hefzellen aus diesen 
Organen sicher zu constatiren. Von der zweiten Bail’schen Angabe ist jeder einzelne 
Satz besonders zu prüfen und zu beurtheilen. ‘ 

Dass erstens die jugendlichen Schläuche der Entomophthora Muscae in Wasser zu 
Achlya prolifera Nees oder anderen grösseren Saprolegnieen auswachsen, während sie 
sich in der Luft zu den nach dem Tode des Thieres aus der Körperoberfläche hervor- 
brechenden sporenabschürenden kurzen Fäden entwickeln, welche Cohn, Lebert und 
Fresenius beschrieben haben, ist von Cienkowski (Bot. Zeitg. 1853) bereits angegeben 
worden. Woronin konnte die Richtigkeit dieser Angaben bestätigen. '). Entomophthora 
Muscae stellt hiernach einen Entwicklungszustand von Achlya prolifera, und wohl die 
ganze Reihe der Entomophthora-Formen Entwicklungsglieder der verschiedenen 
Saprolegnieenspecies dar. Die vollständige Verfolgung ihres Entwicklungskreislaufes 
bleibt ferneren Untersuchungen vorbehalten. 

Was zweitens die Verwandlung der Hefezellen in Entomophthoraschläuche be- 
trifft. so findet man jene reichlich im Schlunde, Magen und Darm der Fliege, wenn 
man diese reichlich mit Hefe gefüttert oder Hefe anderweitiger Nahrung beigemengt 
hat. Aber die Hefezellen blieben in unseren Versuchen Hefezellen; auch nach wochen- 
langer Cultur und Zucht konnten wir sie weder in dem lebenden noch in dem ge- 
tödteten. in Wasser oder auf feuchten Boden gebrachten Thiere zu Entomophthora- 
oder Achlya- oder Mucorschläuchen auswachsen sehen. Es wäre zwecklos, alle ein- 


zelnen Versuche ausführlich zu beschreiben. da alle das nämliche negative Resultat 
ergeben haben. 


») Ich referire dieses einfach, weil ich an der betreifenden Untersuchung nicht Theil genommen habe, 
d. By. 


— 354 — 


Der dritte Satz, demzufolge Mucor Mucedo so zu sagen nur eine Luftform, von 
Achlya prolifera sein soll, wurde nach Feststellung der so eben mitgetheilten negativen 
Resultate auf zweierlei Wegen weiter geprüft. In einer Reihe von Versuchen wurden 
Sporangium- und Sporangiolum- (Thamnidium-) Sporen des Mucor Mucedo auf frisch 
getödtete, Entomophthorafreie Fliegen gesäet, welche in reinem, vorher ausgekochtem 
Wasser lagen, und dafür gesorgt, dass die Sporen unter Wasser keimten. Resultat 
immer nur Mucormycelium, das unter Wasser steril blieb oder Brutzellen entwickelte, 
nie Achlya. Dasselbe Resultat ergab eine Reihe von Versuchen, welche sich von 
den ersten nur dadurch unterschied, dass die Mucorsporen nicht auf Fliegen gesäet, 
sondern in Collodiumsäckchen eingeschlossen ins Wasser versenkt wurden. Die Säck- 
chen enthielten theils nur Wasser, theils Eiweiss, Amylum u. s. w. 

Umgekehrt wurde ferner gefragt: Kann Achlya die Form von Mucor Mucedo an- 
nehmen unter denjenigen äusseren Bedingungen, welche der Entwicklung des letzteren 
besonders günstig sind? Fliegen, auf welchen in Wasser die Entwicklung von Achlya 
eben begann, wurden zu wiederholten Malen auf gut ausgekochten Mist von Kaninchen 
und Meerschweinchen gebracht und unter Glasglocken in feuchter Atmosphäre gehalten. 
Die Achlyaschläuche trieben zahllose Zweige, welche sich in dem Miste kriechend aus- 
breiteten, auch einzelne aufrechte Aeste in die Luft treten liessen, aber während der 
durchschnittlich einen Monat lang fortgeführten Culturen durchaus steril blieben und 
zuletzt abstarben. 

In Pasteur’sche eiweisshaltige Zuckerlösung wurden theils auf Objectträgern, theils 
in Glasschälchen, reife Oosporen von Achlya') gesäet. Schon nach 24 Stunden reich- 
liche Keimung, und zwar theils Austreibung von Keimschläuchen, theils Bildung von 
Schwärmsporen, welche schnell zu Ruhe kamen und keimten. Beiderlei Keimschläuche 
wuchsen nun beträchtlich in die Länge, trieben zahlreiche schlanke Zweige, blieben 
aber arm an Protoplasma und stets durchaus steril. 

Endlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass in unseren Versuchen einigemal auch 
auf Achlya tragenden oder nicht besäeten Fliegen Mucor Mucedo mit Sporangien und 
zuweilen auch Sporangiolen auftrat, wenn sich dieselben in feuchter Luft befanden. 
Es war aber in allen diesen Fällen nachweisbar, dass die Entwicklung seines Myceliums 


aussen auf der Fliege begann und nicht aus im Innern befindlichen Entomophthora- 


!) Ob von Achlya prolifera Nees oder einer nächstverwandten Form war nicht völlig genau bestimmbar; 
nach Bail ist dies ja aber gleichgültig. 


— 355 -— 


oder Achlya-Schläuchen hervorging, und die ganze Erscheinung leicht zu erklären, da 
sie in einem zahlreiche Mucoreulturen enthaltenden Lokale stattfand. 

Nach allen diesen Thatsachen wird es wohl erlaubt sein, die Saprolegnieenformen 
und Entomophthoren aus dem Entwicklungskreise unseres Mucor Mucedo auszuschliessen. 
Es bleiben für denselben die drei beschriebenen Formen übrig, die Sporangientragende, 


die Sporangiolentragende, die Conidienträger nebst den Brutzellen. 


Die Bedenken, welche Fresenius früher über Thamnidium, Chaetocladium und ihre 
Beziehungen zu Mucor Mucedo aussprach, sind durch das Mitgetheilte erledigt worden 
(vgl. Bot. Zeitung 1864 p. 154). Dafür fragt es sich aber jetzt, ob jener dritte Be- 
gleiter der typischen Sporangienträger, dessen Fresenius in seiner eben cilirten Mitthei- 
lung erwähnt, nicht auch, als vierte Fruchtform, in den Entwicklungskreis des Mucor 
Mucedo gehört. Wir fanden diese Pilzform zweimal in wenigen vereinzelt stehenden 
Exemplaren und zwar beidemale bei einer Cultur auf Pferdemist, bei welcher Sporan- 
gien- und Conidienträger schon gröstentheils überreif und vertrocknet waren. Wie 
Fresenius schon zum grössten Theile beschrieben hat, erheben sich von dem Substrat 
aufrechte, erst farblose, dann (durch Färbung ihrer Membran) hellbraune Fäden, deren 
von unten nach oben an Dicke zunehmender und bis über 5 Millim. langer Hauptstamm 
sich 6—8 Mal dichotom theilt. Die Gabelungen jeder höheren Ordnung sind beträcht- 
lich kürzer als die der vorhergehenden, ihre Verzweigungsebene schneidet die vorher- 
gehende nahezu rechtwinkelig. Unter den Gabelungsstellen, auch wohl hie und da in 
den primären Aesten und dem Hauptstamme stehen öfters, doch nicht immer, Querwände. 
Die oft sehr kurzen letzten Dichotomieen tragen auf ihren Enden sämmtlich eine durch 
eine Querwand abgegrenzte Zelle — Basidie — von breit-obeonischer, daher im Profil 
dreieckiger Gestalt. (Taf. XLINI. Fig. 17, 18.) 

Die obere Fläche dieser Basidie ist an ihrem Rande unregelmässig ausgebuchlet 
und stumpflappig eingeschnitten, und dicht besetzt mit radial divergirenden, zusammen 
ein strahliges Köpfehen bildenden Sporenreihen. Jede der letzteren bestand in den unter- 
suchten Exemplaren aus vier, drei oder zwei Sporen von länglich-cylindrischer Form 
(Länge "aso— zo Mm., Breite %s0— 0» Mm.). 

Mit der Reife fallen die Sporen ab; da nur reife Exemplare zur Untersuchung 
kamen, ist es daher wohl möglich, dass die Reihen ursprünglich immer aus mehr als 
3 oder 2 Gliedern bestehen. Noch leichter als die Sporen trennt sich die Basidie selbst 
von ihrem Träger los. Bringt man ganz reife Exemplare in Wasser, so findet man 


daher oft sämmiliche Basidien in der Flüssigkeit zerstreut, theils noch ihre Sporen 


— 556 — 


tragend, theils ohne diese oder nur noch mit vereinzelten Sporen oder Reihen besetzt, 
die Enddichotomien aber abgerundet oder abgestutzt endigend (vgl. Fig. 17, 18). 

Die Entwicklung dieser sonderbaren Pilzform konnte bis jetzt nicht verfolgt wer- 
den; mehrfache Versuche, ihre Sporen zur Keimung zu bringen, blieben resultatlos; auch 
eine genaue Untersuchung des Myceliums war bis jetzt nicht möglich. Ein organischer 
Zusammenhang mit einem der oben beschriebenen Fortpflanzungsorgane des Mucor Mucedo 
konnte, wie auch Fresenius angibt, nicht gefunden werden. Es muss somit zur Zeit 
dahingestellt bleiben, ob der Fresenius’sche Pilz zu Mucor Mucedo gehört oder nicht, und 
mag derselbe einstweilen mil einem besonderen Namen, Piptocephalis Freseniana 
benannt werden. 


— 3517 — 


I. Mucor stolonifer. 
(Tafel XLIN, Fig. 2022 und Tafel XLV.) 


Ein ebenso verbreiteter Pilz wie Mucor Mucedo ist als Rhizopus nigricans Ehrbg. 
(Epist. de Mycetogen.), Ascophora Mucedo Tode, Mucor stolonifer Ehrbg. (Silv. Mycolog.) 
bekannt. Er sei hier mit dem letztgenannten Namen bezeichnet, weil dieser eine Haupt- 
eigenthümlichkeit desselben anzeigt und zugleich die Species in die Gattung Mucor stellt, 
von der, wie Fresenius schon vor 15 Jahren gezeigt hat, die Genera Rhizopus und 
Ascophora dermalen nicht getrennt werden können. 

Mucor stolonifer bewohnt todte oder absterbende organische Körper verschiedenster 
Art; am schönsten entwickelt er sich auf fleischigen Früchten, welche unter der Ein- 
wirkung seiner Vegetation rasch in Fäulniss übergehen. 

Aus den keimenden Sporen entwickeln sich reıchverästelte, wellig gebogene, meist 
unseptirte Myceliumschläuche, welche sich in und auf dem organischen Substrate aus- 
breiten. Bei normal entwickelten Exemplaren erheben sich von dem Mycelium dicke 
aber zartwandige Aeste, Stolonen, welche aus bogig aufsteigender Basis eine der 
Oberfläche des Substrats ungefähr parallele Richtung annehmen, ihre Spitze aber wiederum 
gegen dieses hinneigen; oder, dem Substrat locker anliegend, kriechend über dasselbe 
hinwachsen, oder endlich, wo sie keine feste Stütze finden, senkrecht in die Luft hinab- 
hängen. Die Stolonen erreichen eine Länge von 1—3 Cm. und darüber; sie sind ein- 
fach oder mit zerstreuten Aesten versehen, oder, zumal bei bedeutender Länge, in zwei 
bis mehrere strahlig divergirende Gabeläste getheilt, (XLV, 1.) 

Die Sporangienbildung findet an den auf das Substrat geneigten Enden der Stolonen 
statt. Hinter der anfangs stumpf abgerundeten Spitze des Stolo treten dicht bei einander 
stehende Zweiganlagen auf, je nach der Kräftigkeit der Exemplare in verschiedener 
Zahl. Eine Anzahl dieser Zweige, und zwar solche, die seitlich und auf der Unter- 
fläche entspringen, wachsen, nebst dem Ende des Stolo selbst zu Wurzelhaaren aus, 
reich dichotomen oder zerstreut ästigen kurzen Schläuchen, deren Endramificationen haar- 
förmig ausgezogen und dem Substrat fest angelegt sind. Die Wurzelhaare bilden mit- 
einander ein oft sehr dichtes reichfädiges Büschel. Andere, auf der Oberfläche des Stolo 
über oder dicht hinter dem Wurzelbüschel entspringende, gleichzeitig mit den Wurzel- 


haaren oder wenig früher angelegte Aeste entwickeln sich theils zu Sporangienträgern, 
Abh. d. Senckenb. nat. G. Bd. V. 


— 9358 — 


theils wieder zu Stolonen. Jene erheben sich senkrecht oder spitzwinklig zu der 
Fläche des Substrats in Form durchaus einfacher, meist 2—3 Millim. hoher, straff auf- 
rechter Schläuche, die auf ihrem Scheitel ein Sporangium bilden. Ihre Zahl beträgt auf 
einem Stolonenende bei kräftigen Exemplaren meist 3—5, oft auch nur 1—2, manch- 
mal 6—10; wo mehrere vorhanden sind, entspringen sie immer ganz dicht bei einan- 
der und divergiren spitzwinklig. Die Stolonen höherer Ordnung entspringen unmittel- 
bar neben oder zwischen den Sporangienträgern, einzeln oder zu 2 und selbst 3, sie 
verhalten sich wie für die Stolonen im Allgemeinen angegeben wurde, ihr Ende bildet 
wiederum ein Wurzelbüschel und Sporangienlräger; sehr oft werden die beiden letzt- 


genannten Organe ohne neue Stolonen von einem Stolonenende erzeugt (vgl. XLV, 1). 


Die Stolonen wachsen keineswegs nur über das von dem Mycelium bewohnte 
und dem Pilz Nahrung gebende Substrat, sondern vielmehr über jeden beliebigen festen 
Körper hin. Der Pilz kann sich daher weit über den Ort seiner eigentlichen Vegetation 
hinaus ausbreiten. 

Ausser diesen charakterisiischen Verzweigungen entspringen immer auch einzelne 
Sporangienträger direct von den Myceliumfäden. Sie sind den von den Stolonen ge- 
triebenen gleich oder höchstens hier und da an der Basis mit einem Zweige versehen. 
Schlecht ernährte kümmerliche Exemplare haben diese solitären Sporangienträger oft 
ausschliesslich oder vorzugsweise, und wenige oder keine Stolonen. Auch an solchen 
Stolonen, die in die Luft hinabhängen, werden Sporangien auf einzelnen zerstreuten 
Zweigen gebildet. 

Der Bau der Stolonen ist der eines zarlwandigen, in der Jugend protoplasmareichen 
unseptlirten Schlauches. Die Wurzelhaare zeigen in der Jugend die nämliche Beschaffen- 
heit, später oft zahlreiche Querwände und, zumal an der Basis, verdickte, braun ge- 
färbtle Membran. 

Die Sporangiumträger sind einfache, querwandlose Schläuche. Ihre Spitze schwillt 
zu dem kugeligen Sporangium an, welches bei kräftigen Exemplaren einen Durchmesser 
von Y, Mm. bis % Mm., bei schwachen manchmal nur %; Mm. erreicht und sich durch 
eine hoch-kuppelförmige, manchmal fast kugelige, bei kümmerlichen Exemplaren weniger 
gewölbte Querwand oder Columella von seinem Träger abgrenzt. (XLIII,. 20). Die Inser- 
tionslinie dieser in die Aussenwand liegt bei der in Rede stehenden Species stets etwas 
über dem Punkte, wo die kuglige Anschwellung des Trägers beginnt, letztere ist somil 
unter dem Sporangium zu einer breit-obeonischen Apophyse verbreitert. Diese durch- 


aus constante, auch nach dem Zerfallen des Sporangiums und an den kümmerlichsten 


— 359 — 


Exemplaren erkennbare Eigenthümlichkeit unterscheidet den Mucor stolonifer von den 
meisten mir bekannten Mucorinen, besonders Mucor Mucedo, Die Aussenwand des 
Sporangiums erscheint schon frühe ziemlich grob körnig-warzig, zuerst farblos, später diluirt 
schwärzlich blau (die Farbe von blasser Galläpfeltinte). Der Raum zwischen ihr und 
der Columella wird von einer wie es scheint homogenen, feinkörnigen, in reflectirtem Licht 
weissen oder blassgelblichen Protoplasmamasse ausgefüllt, welche, soweit dies bei der 
Dicke und Undurchsichtigkeit der Sporangien erkannt werden kann, simultan in zahl- 
reiche, zu mehreren unregelmässig concentrischen Schichten geordnete Sporen zerfällt. 
Die Zahl dieser beträgt bei kümmerlichen Exemplaren nur etwa 20 bis 40, bei starken 
jedenfalls einige Hundert. Mit der Reife der Sporen nimmt das Sporangium eine (von 
den Sporenmembranen herrührende) schwarze Farbe an; die anfangs farblose, durch Jod 
und Schwefelsäure nie blau werdende Wand des Trägers und der Columella wird ziem- 
lich beträchtlich verdickt, rigid, hellbraun oder diluirt blauschwarz, die Aussenwand des 
Sporangiums zerfällt, auch im nicht befeuchteten, völlig unversehrten Zustande; bringt man 
sie in Wasser, so vertheilen sich ihre Körnchen und Wärzchen in diesem, die hyaline 
Substanz, welche ursprünglich zwischen diesen liegt, wird völlig unkenntlich. Die In- 
serlionslinie der Aussenwand bleibt, wie schon oben angedeutet wurde, über der Apo- 
physe sichtbar (XLV, 4). 

Sporangium und Columella sind im feuchten Zustande prall angeschwollen und von 
der angegebenen Kugel- und Kuppelform. Bei Abnahme des Wassergehalts durch Ver- 
dunstung oder wasserentziehende Reagentien (Glycerin, Alkohol) collabiren beide mitein- 
ander, oder nach Abfallen des Sporangiums und der Sporen der Columella für sich allein, 
derart, dass sie die Form eines dem Träger aufsitzenden, stumpfrandigen Agaricushutes 
erhalten — eine Erscheinung, die bei allen uns bekannten Mucorinen wiederkehrt, viel- 
fach beschrieben und missverstanden, und unseres Wissens zuerst von Fresenius klar 
dargestellt worden ist. 

Diereifen Sporen (XLIN, 21) sind kugelig oder breit oval, oft miteiner oder zwei spitzi- 
gen Kanten oder Ecken versehen. Ihre Grösse ist ziemlich ungleich in demselben Sporan- 
gium und etwa zwischen Yıs;s Mm. uud %o Mm. schwankend. Ein Grössenunterschied 
zwischen solchen die in kleinen oder die in kräftigen Sporangien gebildet sind, ist nicht zu 
bemerken. Sie besitzen einen homogenen farblosen Protoplasmakörper und eine dünne, aber 
deutlich in Endo- und Episporium gesonderte Membran. Jenes ist eine sehr zarte homo- 
gene farblose, das Protoplasma umschliessende Haut; das Episporium ist gleichfalls sehr 


dünn, aber fest, an der einzeln betrachteten Spore diluirt blaugrau gefärbt und mit 
46 * 


— 360 — 


feinen meridianarlig verlaufenden Streifchen gezeichnet, welche bei Behandlung mit 


Schwefelsäure deutlich als zarte nach aussen vorspringende Leistchen erkennbar sind. 


Die Keimfähigkeit der Sporen dauert, soweit die Erfahrungen reichen, vom Augen- 
blick der Reife an ohngefähr ein Jahr lang; viele sind nach Ablauf dieser Frist schon 
nicht mehr zur Keimung zu bringen. Auch die keimfähigsten Exemplare bleiben im 
Wasser unverändert, ebenso in reiner Rohrzuckerlösung. In Pasteurscher Lösung und auf 
den Körpern. welche der fruchttragende Pilz bewohnt, keimen sie bei hinreichender 
Feuchtigkeit leicht schon nach wenigen Stunden. Wie die Bedingungen so entsprechen 
auch die Entwicklungserscheinungen bei der Keimung den oben für Mucor Mucedo 
beschriebenen. Das Episporium wird von dem anschwellenden und die Keimschläuche 
direct austreibenden Endosporium gesprengt (XLIN. 21). 

Mucor stolonifer besitzt eine zweite Art von Fortpflanzungsorganen, nämlich Zygo- 
sporen, deren Bau und Entwicklung denen von Syzygites megalocarpus sehr ähnlich 
sind. Ihre Beschreibung kann daher mit Verweisung auf die in der ersten Reihe dieser 
Beiträge (pag. 74) von Syzygites gegebene kurz gefasst werden. Vorausgeschickt sei 
derselben die Angabe, dass die Zygosporen unseres Mucor in dem Freiburger botani- 
schen Laboratorium von Herrn A. Janowitsch zuerst gefunden worden sind. (Vgl. Taf. XLV.) 

Ihre Bildung findet an cylindrischen, niederliegenden, unregelmässig verästelten 
Schläuchen stalt, welche den Stolonen ähnlich von dem Mycelium ausgehen. Die Zweige 
derselben schieben sich ordnungslos zwischen- und übereinander und die Zygosporen ent- 
wickeln sich an ihren Berührungs- und Kreuzungsstellen. Hier treibt zuerst ein Schlauch 
eine kurze cylindrische seitliche Ausstülpung senkrecht gegen den andern; dieser treibt 
eine ebensolche da wo er von der ersten berührt wird. Beide Ausstülpungen erhalten 
alsbald gleiche, den Querdurchmesser der Schläuche zunächst nicht übertreffende Grösse, 
richten sich nahezu geradlinig gegeneinander und verwachsen miteinander fest in ihren 
breiten etwas abgerundeten Endflächen. Diese Verbindung beibehaltend vergrössert 
sich eine jede zu einer Copulations- oder Fruchtkeule, beide stellen zusammen einen 
spindelföürmigen um die Berührungsfläche etwas eingeschnürlen Körper dar, welcher 
quer zwischen den zwei copulirenden Schläuchen steht und diese in dem Maasse als 
er wächst von einander entfernt. Häufig biegen sich die Schläuche gegen die Keulen 
hin leicht knieförmig ein. (Fig. 2.) 

Die Keulen erreichen eine bedeutende Grösse, sie bleiben zunächst mit ihren 
Trägern in offener Communication und von diesen aus strömt langsam reichliches Pro- 


toplasma in sie ein, welches entweuer gleichförmig gelblich oder von grösseren gel- 


— 361 — 


ben Oeltropfen durchsät ist und, soweit dies entschieden werden kann, wenigstens den 
Gipfel der Keule vollständig ausfüllt. Beide Keulen eines Paares sind zunächst entweder 
gleich gross oder zeigen durchaus unbeständige Grössenunterschiede. 


Zuletzt grenzt sich das gegen die andere gekehrte breite Ende jeder Keule von 
ihrem unteren kegelförmigen Theile (Suspensor) durch eine Querwand zur gerundet 
cylindrischen Fruchtzelle oder Copulationszelle ab. Die Querwand wird an- 
gelegt als ein ringförmige, sich zur kreisförmigen Lamelle centripetal verbreiternde und 
schliessende Leiste; die Abgrenzung der beiden Copulationszellen eines Paares erfolgte 
in den beobachteten Fällen nicht ganz gleichzeitig. In der weitaus grösseren Mehrzahl 
der Fälle sind beide Copulationszellen eines Paares ungleich gross: die eine so hoch 
wie breit, die andere nur etwa halb so hoch. Ein dieser Differenz entsprechender 
Grössenunterschied der beiden Suspensoren ist, wie schon aus dem oben angegebenen 
hervorgeht, zunächst nicht immer wahrzunehmen. (Fig. 3, 5—7.) 

Die nächste Veränderung besteht darin, dass die Querwand zwischen beiden Copu- 
lationszellen, die den Endflächen der ursprünglichen Keulen entspricht, aufgelöst wird und 
verschwindet, und zwar wie bei Syzygites megalocarpus von der Mitte gegen den Rand 
hin fortschreitend (Fig. 3,7). Beide Copulationszellen verschmelzen somit zu einer Zygospore. 
Diese hat zunächst eine tonnenförmige Gestalt. Ihre an die Suspensoren angrenzenden 
Endflächen sind eben oder leicht nach aussen gewölbt, ihre Seitenwand leicht convex, 
und die der Berührungsstelle der ursprünglichen Keulen entsprechende Einschnürung an 
derselben noch eine Zeit lang erkennbar; auch von der früheren Zwischenwand bleibt 
der peripherische Theil nicht selten in Form einer schmalen Ringleiste erhalten. Die 
Zygospore nimmt nun noch elwa um das zwei- bis dreifache im Volumen zu und 
erhält allmählich ziemlich regelmässige Kugelform, ihr Durchmesser beträgt zuletzt 
bei starken Exemplaren meist % Mm. bis % Mm. Individuelle Verschiedenhei- 
ten sind jedoch zahlreich, auch kommen nicht selten viel kleinere vor, welche die 
ursprüngliche Tonnenform beibehalten. Der Inhalt der Zygospore nimmt in gleichem 
Maasse wie das Volumen an Menge zu. Er bleibt immer eine dichte grobkörnige, und 
mit vielen grossen farblosen oder gelben Oeltropfen durchsetzte Protoplasmamasse. Die An- 
fangs einfache und farblose Membran der Zygospore verdickt sich beträchtlich und sondert 
sich wie bei Syzygites in zwei Häute: eine derbe, anfangs schwarzblaue zuletzt schwarz- 
braune und undurchsichtige Aussenhaut, die auf den Endflächen glatt, auf der Seiten- 
fläche mit dicken stumpfen unregelmässigen, innen ausgehöhlten warzenförmigen Vor- 
sprüngen bedeckt ist; und eine farblose. dieke geschichtete Innenhaut, welche wie 


— 362 — 


bei Syzygites auf der Seitenwand Warzen trägt, die in die Aushöhlungen der Aussen- 
haut eingepasst sind. Eine innerste dünne Schicht der Innenmembran ist von den übrigen 
besonders scharf abgesetzt (vgl. Fig. 4, 8, 9.) 

Mit der Zygospore nehmen ihre beiden Suspensoren an Grösse zu und zwar in 
sehr ungleicher Weise. Der ursprünglich an die grössere Copulationszelle grenzende 
wächst nur wenig, 


der kleineren Copulationszelle entsprechende schwillt zu einer kugeligen der Zygospore 


behält kegelige Form und zarte farblose Membran. Der andere, 


oft nahezu gleich grossen Blase an, die dem tragenden Schlauche mittelst eines schmalen 
eylindrisch-kegelförmigen Stieles ansitzt, lange Zeit reichliches wandständiges Protoplasma 
enthält, und deren Membran erst diluirt blauschwarze, dann hellbraune Farbe und punktirt- 
körnige Oberfläche annimmt. In beiden Suspensoren, zumal dem grossen, tritt später 
oft, doch keineswegs immer eine Querwand auf, in beiden trocknet das Proloplasma 
zuletzt der Wand an. 

Kleine schwächliche Zygosporen machen von der beschriebenen Regel oft in so- 
fern eine Ausnahme, als zu keiner Zeit zwischen den beiden Suspensoren ein Grössen- 
unterschied besteht. 

Azygosporen, wie sie bei Syzygites häufig sind, wurden bei der in Rede stehen- 
den Species unter Tausenden von Zygosporen niemals beobachtet. 

Die Zygosporen kommen theils ganz vereinzelt, theils in grosser Zahl und dicht 
bei einander an ibren Tragfäden vor, und sind oft die einzigen von diesen entwickelten 
Fortpflanzungsorgane. Zuweilen treiben jedoch jene, gleichzeitig mit der Zygosporen- 
bildung oder nachher, einzelne Sporangienträger von der oben beschriebenen typischen 
Beschaffenheit und manchmal treten diese dicht neben den Suspensoren auf. Fälle 
dieser Art, von denen einer in Fig. 4 abgebildet ist, sind geeignet um jeden etwaigen 


Zweifel an dem Zusammengehören von Sporangien und Zygosporen zu beseitigen. 


Die ganze Entwicklung einer Zygospore ist innerhalb 24 Stunden vollendet; an 
kräftigen Exemplaren werden oft mehrere Tage lang immer neue von den neuent- 
stehenden Zweigen der Tragfäden gebildet. 

Ihre Keimung konnte bis jetzt nicht beobachtet werden, weder an frisch gereiften, 
noch an Exemplaren, welche einige Wochen, Monate und selbst über ein Jahr lang 
rein und trocken aufbewahrt worden waren. 

Die Zygosporenbildung von Mucor stolonifer wurde beobachtet in den Monaten 
Mai, Juni und Juli bei heisser und warmer Witterung und in Culturen des Pilzes auf 


fleischigen, reifen und besonders unreifen Früchten (Kirschen, Stachelbeeren, Johannis- 


— 363 — 


beeren, Vogelbeeren) sowie auf Brot. Auf anderem Substrat und zur Winterszeit wur- 
den nur Sporangien beobachtet. 

Erzieht man den Pilz aus seinen Sporen, so trelen entweder zuerst Sporangien- 
träger und Stolonen auf und später erst. unterhalb des von diesen gebildeten weissen 
Filzes, die zygosporenbildenden Fäden. Diese Succession fand sich in allen grösseren, 
an freier Luft oder unter geräumigen Glasglocken stehenden Culturen. Die Oberfläche 
bedeckt sich zunächst mit den erstgenannten Organen, und nachher treten unter diesen, 
zumal in den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Frucht- oder Brotstückchen und 
auf der unteren Seite dieser die Zygosporen auf, theils für sich allein, theils mit ein- 
zelnen Sporangienträgern. 

Umgekehrt trieb das Mycelium sofort zygosporenbildende Fäden, welche gleich- 
zeitig mit den Copulationsorganen oder erst nach diesen einzelne Sporangienträger ent- 
wickelten. wenn die Culturen in einem engen abgeschlossenen Raume, theils in v. Reck- 
lingshausen’s feuchter Kammer auf dem Objectträger') theils in kleinen fest verschlossenen 
Reagenzgläsern gehalten wurden. Diese Beobachtungen machen es möglich, über die 
für die Zygosporenbildung förderlichen äusseren Bedingungen wenigstens eine Vermuthung 
zu begründen. Da der Pilz und das sich unter seiner Einwirkung zersetzende Substrat 
aus der umgebenden Luft Sauerstoff absorbiren und Kohlensäure abgeben, so muss sowohl 
unter dem Geflecht von Sporangiumträgern und Stolonen der grösseren Culturen, als 
auch in dem abgeschlossenen engen Raume die Luft sauerstoffärmer werden als das 
atmosphärische Gasgemenge; und dieser Umstand dürfte, wahrscheinlich indem er den 
Oxydationsprocess in dem Pilze verlangsamt, der für die Zygosporenbildung massgebende 
sein, denn stoflliche Zusammensetzung des Substrats, Wasserzufuhr und wohl auch Tem- 
peratur waren in den offenen Culturen die gleichen wie in dem abgeschlossenen Raume 

Schliesslich mag noch auf eine physiologische Eigenthümlichkeit des Mucor stolonifer 
aufmerksam gemacht werden, nämlich den schon von Spallanzani ®) erwähnten gänz- 
lichen Mangel geocentrischer oder durch Lichteinwirkung verursachter Krümmungen. 


Die Stolonen verbreiten sich immer in der beschriebenen Weise über das Substrat und 


I) Vgl Virchows Archiv, Bd. 28. 1863. p. 162. Eine auf dem Objectträger (am besten einer malt- 
geschliffenen und an der Aufsetzungsstelle gefetleten Glasplatte) fest aufsitzende, kurze weite Glasröhre, die oben 
mit dem Tubus des Mikroskops durch einen Kautschukschlauch so verbunden wird, dass Objectiv und Object 
zusammen in dem engen Raume eingeschlossen sind. Je nach Bedarf wird die Glasröhre mil feuchlem 
Löschpapier ausgekleidet, 

2) Opuse. physiol, ed. Senebier, Tom, Il. p. 398. 


— 364 — 


die Sporangienträger stehen immer senkrecht, oder wenn mehrere divergirend von einem 
Stolonenende ausgehen, spitzwinklig zu seiner Oberfläche, bei jeder beliebigen Stellung 
und Beleuchtung, auch bei völligem Lichtabschluss. Die Sporangienträger von Mucor 
Mucedo zeigen dagegen sehr entschiedene geocentrische Aufwärtskrümmungen und Nei- 
gung ihres oberen Endes gegen einseitig einfallende Lichtstrahlen. Sie sind krüm- 
mungsfähig in jugendlichem Zustande, bis zur Bildung des Sporangiums. Ist diese vol- 
lendet, so strecken sie sich noch bedeutend in die Länge, oft noch um mehr als das 
doppelte der ursprünglichen Grösse, und mit der Streckung erlischt die Krümmungs- 
fähigkeit. 

Auf das Mitgetheilte beschränken sich unsere Beobachtungen über die Mucor 
stolonifer. Von den Organen, welche als dessen Pyceniden, Conidien und Chlamydo- 
sporen durch Coemans ') beschrieben sind, haben wir die letztgenannten allerdings 
auch manchmal beobachtet, sie entsprachen den Brutzellen des Mucor Mucedo. Ueber 
die beiden erstgenannten Organe können wir zur Zeit noch kein sicheres Urtheil ab- 
geben, möchten jedoch, nach den Darstellungen von Coemans, deren ausführliche Be- 
sprechung nicht hieher gehört, sehr bezweifeln, dass sie in der That normale Organe 
der in Rede stehenden Mucorinenspecies sind. 


Es mag erlaubt sein, hier schliesslich einige Bemerkungen über den Systematik 
der Mucorinen anzuknüpfen. 

Nachdem Zygosporen, wie sie lange Zeit für Syzygites megalocarpus allein be- 
kannt waren, auch bei Mucor stolonifer aufgefunden sind, ist es wohl mehr als wahr- 
scheinlich, dass diese, oder ihnen entsprechende Organe allen Mucorinenspecies zu- 
kommen. Bei der nahen Verwandtschaft der Mucorinenformen untereinander, und bei 
der offenbaren Analogie sowohl ihres Entwicklungsganges mit dem der Peronosporeen 
und Saprolegnieen, als auch ihrer Zygosporen mit den Sexualorganen dieser Familien. 
liegt dieses zu sehr auf der Hand, um ausführlicher Auseinandersetzung zu bedürfen. 
Für die Systematik thut es daher gegenwärtig vor allem Noth, die Zygosporen der 
einzelnen Arten aufzusuchen; erst wenn dieses in einiger Ausdehnung geschehen ist, 


wird von einer sicheren Umgrenzung der Arten und Gattungen die Rede sein können. 


1) Spieilege mycolog. No. 7. Bull, Acad. roy. Belg. 2e Ser, T. XV. 


— 365 — 


Hält man sich an die gegenwärtig bekannten Thatsachen, so umfasst die Mucorinen- 
gruppe wie mir scheint zwei oder drei Gattungen: Mucor, Pilobolus. und vielleicht 
Azygites (Tulasne, Carpolog. I p. 64). In die erste sind zu vereinigen die Genera 
Ascophora, Pleurocystis Bon., Thamnidium, Chaetocladium, wie theils aus Obigem 
hervorgeht, theils von Anderen, zumal Fresenius und Coemans längst anerkannt ist. 
Auch Hydrophora gehört hierher, wenn man nicht mit Bonorden unter diesem Namen 
die Mucorformen absondern will, welche statt der gewölbten Columella eine kleine 
ebene Querwand als Basis des Sporangiums haben. Auch Phycomyces Kunze ist, 
nach dem Urtheil von Berkeley und nach den Kunze’schen Originalexemplaren, einst- 
weilen hierher zu stellen. Andere Formen, wie Thelactis Mart., Diamphora, Melidium, 
Helicostylum Cord. u. s. w. sind am besten vorläufig ganz in Suspenso zu lassen. 
Auch von Mortierella Coemans (Spieilöge No. 4) mag es dahingestellt bleiben, ob sie 
der Typus einer besonderen Gattung oder nur eine ausgezeichnete Mucor- resp. Hydro- 
phora-Species ist. Aber auch Ehrenbergs Syzygites megalocarpus und Rhizopus nigri- 
cans müssen nach den dermaligen Kenntnissen in die Gattung Mucor gestellt werden, 
denn sie haben mit den typischen Formen dieses Genus, wie Mucor Mucedo, den ein- 
zigen durchgreifenden Gattungscharacter, die Structur der Sporangien vollkommen 
gemein und sind nur durch besondere Gestalt und Verzweigungsweise ausgezeichnet, 
welch letztere bei Rhizopus nicht einmal ganz constant ist. Erst fernere Untersuchun- 
gen müssen lehren, in wie weit diese Genera bestehen oder restituirt werden können. 

Was die Arten von Mucor betrifft. so muss ihr Studium von vorne angefargen 
werden, denn von den vorhandenen Beschreibungen ist der grösste Theil entweder 
unvollständig, oder hebt inconstante und unwesentliche Erscheinungen als Species- 
charactere hervor. Zur Zeit dürften folgende Arten unterscheidbar sein: 

1) Mucor Syzygites (Syzygites megalocarpus Ehr.) 

2) Mucor stolonifer Ehrb. Silv. myc. — Rhizopus nigricans Ehr. — Ascophora 
Mucedo Tode. Nach Corda’s Beschreibungen und Abbildungen ist es kaum zweifel- 
haft, dass Ascoph. Mucedo Cord., A. nucuum Cord,, A. Todeana C., Rhizopus nigricans 
Cord. zu dieser Art gehören. 

3) Mucor Mucedo Fresenius. Hierzu gehören, wie oben gezeigt wurde, M. ele- 
gans Fr., Thamnidium, Ascophora elegans Link, Corda. Botrytis, Chaetocladium Jonesii 
Berk. et Br. Ferner wohl ohne Zweifel M. racemosus Fresenius — Formen, welche 
diesem genau entsprechen, sind in den Culturen auf Objeetträgern häufig —, wohl auch 
M. bifidus Fres. Ferner dürfte ohne Fehler hierher zu stellen sein das Meiste, was 


Abh. d. Senkenb. nat. G. Bd. V. 47 


— 366 — 


beschrieben ist als M. stercoreus, nebst den verschiedenen nach den einzelnen Koth- 
sorten bezeichneten Arten, Corda’s Ascophora fructicola, A. subtilis, A. Candelabrum, 
A. Florae, A. stercorea, A. Rhizopogonis u. s. f. 

4) M. Phycomyces Berkeley (Outlines p. 28 u. 407) = Phycomyces nitens Kunze 
Mycol. Hefte. Mir nur in den defecten Originalexemplaren des Kunze’schen Herbars 
bekannt. Ausgezeichnet durch die colossal grossen, wenn reif und trocken glänzend 
schmutziggrünen Sporangienträger und Columellen. Auf Fässern und Mauern in Oel- 
mühlen und auf Fettfässern nach Berkeley nicht selten vorkommend. ') 

5) M. macrocarpus Corda, Icon. II. p. 21 und 

6) M. fusiger Lk. sind sehr scharf unterschiedene Arten. Beide sind nur auf fau- 
lenlen Agarieis, zumal Mycenen (Ag. purus P. galericulatus, laevigatus) beobachtet. 
zu einem von beiden (nach Fries, nicht aber nach der Originaldiagnose zu M. fusiger) 
gehöhrt Ehrenbergs (Silv. mycol. p. 25) M. rhombosporus. Beide haben stattliche, 
stralfe, einfache oder unten einzelne Zweige treibende, am Grunde spindel- oder 
zwiebelförmig aufgetriebene Sporangiumträger (M. macrocarpus stärkere als die andere 
Art), grosse kugelige, mit der Reife schwarze Sporangien, und grosse spindelförmige 
Sporen. Sie unterscheiden sich von einander durch die Beschaffenheit der letzteren 
und des Myceliums. Die reifen Sporen von M. macrocarpus sind breit spindelförmig. 
meist %4—%ı Mm. lang, in der Mitte %s—%ı Mm. breit (Abweichungen von der 
durchschnittlichen Grösse kommen, wie bei allen Mucorinen vielfach vor), ihre Enden 
ziemlich spitz, ihr Episporium gelbbraun und glatt. Das reich verzweigte Mycelium 
dieser Species vegelirt nur im Innern des von ihm befallenen Schwammes, die Frucht- 
träger treten wie dicke Borsten über die glatte Oberfläche des letztern hervor. (Verel. 
Corda’s Abbildungen leon. Fung. Il Fig. 84) Die Sporen von M. fusiger sind schmal 
spindelförmig (Länge etwa Yo Mm., grösste Breite %s Mm.), an den Enden stumpf 
und mit glaltem graublauem Epispor versehen. Das Mycelium vegetirt auf der Ober- 
fläche des befallenen Agaricus und zwar, soweit meine Erfahrung reicht, auf und 
zwischen den Lamellen. Es stellt daselbst einen lockern, in der Jugend weissen. nach 
der Reife nebst den Sporangiumträgern graüviolett und braun werdenden Filz dar. 

Ueber die zahlreichen anderen Formen, welche besonders in feuchten Waldungen 
auf faulenden Körpern aller Art vorkommen, wird erst durch fernere Beobachtungen 
ein Urtheil möglich werden. 


Y) Hantzschia Phycomyces Auerswald in Rabenh. Fung. Europ. 441 hat mit Kunze’s Phycomyces nichts 
gemein. Ihres Autors Bedauern über das Fehlen der Kunze’schen Art in Kunze’s Herbar ist, wie das oben 
Gesaglte zeigt, unbegründet. 


Zur Kenntniss der Peronosporeen. 
(Tafel VI). 


I. Die Conidienbildung von Peronospora infestans. 


(Fig, 1 bis 9.) 
Die überaus zahlreichen Beschreibungen des Kartoffelpilzes — Peronospora in- 
festans Mont. — haben zwar sämmtlich die Frage nach seinen Geschlechtsorganen 


unbeantwortet gelassen, im übrigen aber so Ausführliches und Uebereinstimmendes an- 
gegeben, dass wohl niemand von einer neuen Untersuchung ein nennenswerthes Re- 
sultat erwarten wird. 

In Beziehung auf die Geschlechtsorgane kann ich zur Zeit dem in meiner aus- 
führlichen Arbeit über die Peronosporeen (Ann. sc. nat. 4. Ser. Tom. XX) Gesagten, 
auf welches ich hier verweise, nichts hinzufügen. Dagegen haben fortgesetzte Unter- 
suchungen eine Eigenthümlichkeit in der Entwicklung der conidientragenden Zweige 
auffinden lassen, welche der Mittheilung nicht unwerth sein dürfte. 

Man kann den Entwicklungsverlauf dieser Organe lückenlos beobachten, wenn 
man den Pilz in einem wasserdunstgesättigten Raum auf dem Objectträger des Mikro- 
skops eultivirt. Zu diesem Behufe kann man von dem massigen Mycelium, welches 
sich auf der Schnittfläche feucht gehaltener kranker Knollen entwickelt, nehmen. Cul- 
tivirt man es auf dem feuchten Objectträger, so treibt es leicht einzelne conidien- 
tragende Aeste oder setzt die Entwicklung vorhandener fort. Am besten aber schneidet 
man aus einer kranken Kartoffel einen bis einige Millimeter dicke eckige Plättchen des 
myceliumhaltenden Gewebes aus und bringt diese, mässig befeuchtet, in den feuchten 
Raum unter das Mikroskop. Nach einiger Zeit treibt das intercellulare Mycelium allent- 
halben über die freie Oberfläche tretende Conidienträger. Diese stellen sich immer 
senkrecht zur Oberfläche, ohne geocentrische oder Lichtkrümmung. Von den verticalen 
Flächen aus ragen sie daher in horizontaler Stellung frei in die Luft und können so- 
mit in Profilansicht auf hellem Gesichtsfeld genau beobachtet werden. Um sicher zu 
gehen ist es nothwendig, die Culturen ganz ruhig in dem feuchten Raume liegen zu 


lassen, denn die Entwicklung der Conidienträger oder einzelner Aeste derselben 
47* 


— 368 — 


steht häufig für immer still, wenn sie auch nur vorübergehend in trockne Luft ge- 
bracht werden, in welcher sie wie andere Pilzfäden collabiren und sich um die eigene 
Längsaxe drehen; sie wird oft selbst durch leise Erschütterungen, wie die Berührung 
durch einen benachbarten Conidienträger, ein für allemal sistirt. (Vergl. die Erklärung 


von Figur 2). 


Der Conidienträger tritt über die Oberfläche des Substrats in Form eines straffen 
eylindrischen Schlauches mit stumpf abgerundetem Ende. Sein Längenwachsthum schreitet 
rasch fort; nach einiger Zeit wird durch eine allmähliche Verschmälerung des Endes 
das bevorstehende Stillestehen des Längenwachsthums angezeigt. Etwas unterhalb des 
verschmälerten Endes treten dann, als kleine Aussackungen, die Anfänge der Seiten- 
zweige auf, deren Zahl bekanntlich in der Regel zwei bis drei beträgt. Sie erscheinen 
rasch nacheinander, aber doch in sehr deutlich basifugaler Folge. Jeder Zweig wächst 
schnell zu pfriemenförmig spitzer Form heran, das über dem obersten befindliche Ende 
des Hauptstammes streckt sich gleichzeitig zu der nämlichen Gestalt aus; die zwischen 
den Zweigen liegenden Stücke des Hauptstammes dehnen sich gleichzeitig noch um 
weniges in die Länge. (Fig. 1.) 

Nach Vollendung aller Längsstreckung beginnt die Entwicklung einer Conidie auf 
der Spitze des Hauptstammes sowohl wie jedes Zweiges; alle diese Spitzen, wie sie 
der’ Kürze halber genannt werden mögen, zeigen fernerhin gleiches Verhalten. Die 
Conidienbildung beginnt auf der untersten und schreitet allmählich auf die nächsthöhern 
fort, doch ist die Anlage der obersten Conidie höchstens 10 Minuten später als die 
unterste vorhanden, die weiteren Entwicklungserscheinungen erfolgen, wenn nicht 
Störung eintritt, an allen Spitzen genau oder nahezu gleichzeitig. Die Entwicklung der 
Conidien selbst ist bekannt: auf jeder Spitze erscheint eine anfangs kleine, kugelige. 
protoplasmaerfüllte Anschwellung, welche zu der Grösse und ovalen oder citronen- 
förmigen Gestalt der Conidie heranwächst und sich dann durch eine Querwand ab- 
gliedert. Diese liegt etwas unterhalb der Anschwellung, so dass das oberste Ende 


der Spitze mit abgegliedert wird, als ein kurzes die Conidie tragendes Stielchen. 


Die Conidie steht zuerst verlical auf ihrem Träger, ihre Längsachse setzt die des 
Letzteren fort. Sobald ihre Abgliederung vollendet ist, sieht man sie eine Schwenkung 
machen, um aus der verticalen Stellung rasch d. h. binnen 8—10 Minuten, in eine 
horizontale. zu dem Träger rechtwinkelige überzugehen. Die Schwenkung kömmt, 


wie geeignete Präparate zeigen, dadurch zu Stande, dass die Spitze dicht unter der 


— 369 — 


Ansatzstelle der Conidie auf einer Seite in die Länge wächst und sich etwas aussackt, 
auf der anderen nicht; die Conidie wird hierdurch auf die nicht wachsende Seite ge- 
schoben und kömmt alsbald neben das Ende der Spitze zu stehen (Fig. 5 bis 8). 
Dieses fährt nun fort in die Länge zu wachsen, nimmt wiederum pfriemenförmige Ge- 
stalt an. während zugleich neben der Ansatzstelle der Conidie eine schmal flaschen- 
förmige Anschwellung des Trägers entsteht. Nach Verlängerung um 1— 2 Conidien- 
längen erzeugt jede Spitze wiederum eine neue Conidie, genau auf die gleiche Weise 
wie die erste, und der nämliche Process kann sich nun noch mehrmals, bei sehr üppigen 
Exemplaren auf Knollen bis zu 8, 10 und 16mal wiederholen. Aeltere intacte Coni- 
dienträger zeigen daher ihre Aeste mit 2, 3 bis 16 horizontal abstehenden Conidien in 
regelmässigen Abständen besetzt, neben der Ansatzstelle einer jeden flaschenförmig ange- 
schwollen,. auf den Enden eine in Bildung begriffene Conidie, sämmtliche Aeste und das 
Ende des Hauptstammes in gleicher Entwicklung und mit gleicher Conidienzahl (Fig. 2—4). 
So lange die Bildung neuer Conidien erfolgt, ist der Träger von Protoplasma erfüllt, 
mit dem Auftreten der letzten ist dieses grösstentheils verschwunden. In der Stellung, 
welche die horizontalen Conidien eines Astes zu einander einnehmen, ist keine be- 
stimmte Regel zu erkennen. Manchmal stehen alle in einer Reihe übereinander, andere 
Male alterniren sie regelmässig mit Divergenz von 180°, oft stehen sie unregelmässig 
nach verschiedenen Seiten gewendet. 

Sowie eine Conidie ihre Schwenkung gemacht hat, ist sie der Oberfläche ihres 
Trägers nur angeklebt. In dem Stielchen ist zur Zeit der Reife die Membran bis 
zum Verschwinden des Lumens verdickt und dabei entweder nur an der Basis oder in 
dem ganzen untern und axilen Theile des Stieles von gallertiger Beschaffenheit, in 
Wasser sofort bis zur Unkenntlichkeit quellend. Trocken oder bei vorsichtiger Be- 
handlung mit Alkohol sitzt daher die Conidie ihrem Träger an; in einigermassen feuch- 
tem Zustand fällt sie bei leiser Erschütterung leicht ab, nach Befeuchtung mit Wasser 
sind sofort alle reifen Conidien abgelöst, nur die unentwickelten bleiben auf dem 
Scheitel der Tragzweige sitzen. 

Diesen letzteren Zustand schildern alle bisherigen Beschreibungen der Perono- 
spora infestans. Die Fehler derselben finden in dem Mitgetheilten ihre Berichtigung. 

Die successive Entwicklung von zwei bis drei und selbst vielen Conidien auf 
jedem Tragzweige, welche angezeigt wird durch die bisher unverstandenen flaschen- 
förmigen Auftreibungen und den reichlichen Protoplasmagehalt offenbar älterer Coni- 


dienträger, unterscheiden Peronospora infestans von allen ihren bisherigen Gatlungsge- 


— 370 — 


nossen. Bei diesen wird, wie ich an Peronospora parasitica, Alsinearum, effusa 
bei Cultur im feuchten Raume auf dem Objecttische direct beobachtet habe, nur eine 
Conidie auf jeder Spitze gebildet, jene Anschwellungen fehlen, und nach der einmaligen 
Conidienentwicklung ist das Protoplasma aus dem Träger ganz oder grösstentheils 
verschwunden. Peronospora infestans dürfte hiernach vielleicht den Typus einer beson- 
deren Gattung der Peronosporeen darstellen. 


—_— 31 — 


I. Keimung der Oosporen von Peronospora Valerianellae. 


(Figur 10 bis 13.) ° 


In der oben eitirten Entwicklungsgeschichte der Peronosporeen habe ich die Kei- 
mung der Oosporen von Cystopus candidus beschrieben, welche darin besteht, dass die 
Oospore zu einem vielsporigen Zoosporangium wird. Versuche, die Oosporen anderer 
Arten zur Keimung zu bringen, sind mir mehrfach misslungen, erst neuerdings glückte 
es, den Vorgang bei Peronospora Valerianellae zu beobachten. 

Die untersuchten Oosporen waren im Juni 1864 in den Blättern von Valerianella 
olitoria gereift. Letztere wurden einige Zeit trocken liegen gelassen, am 23. Juli auf 
feuchtes Löschpapier gelegt. Es trat langsame Fäulniss der Blattsubstanz ein, aber bis 
zum 6. August keine Keimung der Oosporen, auch nicht solcher, die aus den macerirten 
Blättern herauspräparirt und auf reine feuchtgehaltene Objectträger gebracht wurden. 
Am 6. August liess ich die ziemlich grosse Menge freipräparirter, von dem zersetzten 
Blattgewebe möglichst gereinigter Oosporen auf den Objectträgern eintrocknen. Erst 
am 20. October wurden sie wieder befeuchtet. Bei täglicher Musterung war in der 
nächsten Zeit keine weitere Veränderung zu bemerken, als die, dass das Protoplasma 
in vielen Oosporen trüber, undurchsichtiger zu werden schien. Am 1. November 
waren viele Keimungen vorhanden: das Episporium der keimenden Exemplare war 
an irgend einer Stelle gesprengt und aus dem klaffenden Riss trat ein dicker, stumpfer, 
in einem Falle (Fig. 11) kurz-gabeliger Schlauch hervor, dessen Länge allerhöchstens 
dem Durchmesser der Oospore gleichkam. Die zarte in die innerste Schichte des Endo- 
sporiums übergehende Cellulosemembran des Schlauches umschliesst homogenes, wenig 
körniges Protoplasma, während der Sporenraum durch zahlreiche Körner (Fett?) un- 
durchsichtig ist. Auf dem Objectträger entwickelte sich keiner der Keimschläuche wei- 
ter. Binnen 24 Stunden waren alle, auch die an den folgenden Tagen auftreten- 
den, an der Spitze geplatzt. der Inhalt theils entleert, theils im Inneren zu formlosen 
Klumpen zusammengeballt, gleichviel ob die Oosporen unter Wasser gehalten oder nur 
angefeuchtet worden waren. 


Auf die befeuchtete Oberfläche von Blättern der Valerianella gebracht, wuchsen 


— 3N — 


dagegen die Keimschläuche gewaltig in die Länge und trieben nach allen Seiten hin 
zahlreiche lange, wiederum verästelte Zweige. Das Protoplasma der Oosporen rückt 
in die Schläuche ein, jene sind alsbald nur von wasserheller Flüssigkeit, höchstens 
noch unter der Basis des Schlauches von Protoplasma erfüllt. Die Schläuche selbst 
enthalten zahlreiche Vacuolen, und sind oft auf lange Strecken grösstentheils wasser- 
hell. Die Gestalt der Schäuche ist unregelmässig cylindrisch, die Enden stumpf, oder 
bei alten Exemplaren manchmal blasig oder varicös aufgetrieben. Die Enden lagen 
immer der Blattoberfläche an, ein Eindringen derselben konnte ich jedoch, theilweise 
weil das Untersuchungsmaterial bald zu Ende ging. nicht beobachten. Die Membran 
der Schläuche zeigte, gleich dem Endosporium, in Jod und Schwefelsäure und Chlorzink- 
jodlösung schöne Blau- und Violettfärbung. (Vgl. Fig. 12, 13). 

Wenn die mitgetheilten Beobachtungen auch noch nicht ganz abgeschlossen sind, 
so geht aus ihnen doch mit Bestimmtheit hervor, dass die durch Fäulniss ihres Wirths 
frei gewordenen reifen Oosporen der Peronospora Valerianellae nach mehrmonatlichem 
Ruhezustand keimen, dass der Anfang der Keimung auf jeglichem feuchten Substrat 
eintritt. die Weiterentwicklung der Keimanfänge aber auf anorganischem Boden nicht 
stattfindet. Es ist ferner unzweifelhaft, dass die Oosporen keine Schwärmsporen ent- 
wickeln, sondern, unter den bezeichneten Bedingungen, langästige, dem Mycelium der 
Species durchaus ähnliche Keimschläuche. Dass diese unter günstigen Bedingungen wie- 
derum ins Innere der Nährpflanze eindringen, um hier zum fruchttragenden Mycelium 
heranzuwachsen, wird gleichfalls mit Sicherheit angenommen werden dürfen, und nicht 
minder, dass die beschriebene Keimung der Oosporen allen denjenigen Peronospora-Arten 
zukömmt, welche mit P. Valerianellae die Gruppe bilden, die ich als Effusae bezeich- 
net habe. 


— 373 — 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XLHEN. 
Fig. 1—16. Mucor Mucedo. 


Fig. 1—13. Von Culturen auf Mist. 
Fig. 1. (Vergr. 195) Derbwandiges Sporangium, durch Druck gesprengt, ein Theil seiner Sporen 
ausgetreten daneben liegend. 


Fig. 2. Sporen aus dem Sporangium von Fig. 1, a 610fach vergr., b und ce keimende, 24 Stunden 
nach Aussaat auf Pferdemist, 195fach vergr. 


Fig. 3 bis 9. Sporangiumtragende Zwergexemplare, aus Sporangiumsporen (sp.) erwachsen, 48 Stunden 
nach Aussaat letzterer. Myceliumfäden septirt. Fig. 4 a und 5b unentwickeltes Sporangium. Die übrigen reif; 
in Flg. 6 und 7 keine Querwand an der Basis des Sporangiums. Fig. 3, 4a, 6, 8 bei 110facher, Fig. 4b, 
5, 7 bei 540facher Vergr, gezeichnet, 


Fig. 10 bis 12. Sporangien von derselben Aussaat, mit deutlicher, doch kleiner Columella.. 11, 12 
mit körniger Wand, die bei 12 in Körnchen zerfällt, 10 mit derber, glatter, in Wasser nicht zerfallender 
Wand, s Sporen. Vergr. 310. 


Fig. 13. Junger Wirtel von sporangiolentragenden Zweigen. Vergr. 100. 
Fig. 14—16. Auf Hühnereiweiss cultivirte von Itzigsohn mitgetheilte For m, 


Fig. 14. (Vergr. 200). Reifes terminales Sporangium. Unterhalb ein dichotomer Seitenast mit noch un- 
entwickelten kleineren Sporangien, 


Fig. 15, (Vergr. 200), Violette Columella eines reifen, entleerten Sporangiums, 


Fig. 16. (Vergr. etwa 120) Terminales grosses Sporangium und kleine, mit kleiner Columella und 40 — 50 
Sporen versehene, auf zwei gegenständigen dichotomen Seitenästen, 


Fig. 17—19. Piptocephalis Freseniana, (Vergr. 390). 


Fig. 17. Enddichotomien eines reifen Exemplars. Die Basidien an zwei Enden noch aufsitzend, an den 
übrigen abgefallen. Fig. 18, Abgefallene Basidien. a von der Seite, b von oben gesehen. Fig. 19 abge- 
fallene Sporen, 


Fig. 20—22. Mucor stolonifer. 


Fig. 20, (Vergr. 90), Junges Sporangium, nach Anlegung der Sporen, in Glycerin; optischer Längs- 
schnitt, von der Oberfläche ist nur die quere Insertionslinie der Aussenwand gezeichnet. 


Fig. 21. (Vergr, 390), Reife Sporen in Wasser, zwei ausgeführt, die übrigen nur im Umriss, Fig. 22 
(Vergr. 390). Keimende Sporen, 18 Stunden nach Aussaat in Fruchtsaft. a angeschwollen, Episporium ge- 
sprengt; b Keimschlauch treibend. 

Abhandl. der Senckenb, naturf, Ges. Bd. V. 48 


— 3714 — 


Tafel XLIV. 


Mucor Mucedo., 


Fig. 1. (Etwa 20fach vergr,). Aestiger Sporangiumträger, mit terminalen grossen Sporangien und an 
einem Hauptaste 5 sporangiolentragenden Wirteln, 


Fig. 2. (Vergr. 200). Ende eines dichotomen Sporangiolenzweiges. 4 Sporen in jedem Sporangiolum, 
Fig. 3, 4. (Vergr. 390), Sporangiolumsporen, noch in ihrem Behälter, keimend in diluirter Zuckerlösung. 


Fig. 5—10. Sporangien- und sporangiolentragende Fäden aus den Sporangiolensporen (sp.) auf dem 
Objectträger in Zuckerlösung erzogen. 
Fig. 8 200-, die übrigen etwa 100fach vergr. 


Fig. 11. (Vergr. 90). Conidientragender Faden: Botrytis Jonesii Berk. Von den 6 Hauptästen des 
Wirtels sind, der Deutlichkeit halber, 2% nicht ausgeführt, «a Aeste erster, b zweiter, c dritter, d vierter 


Ordnung. 
Fig. 12. (Vergr, 200). Stück eines Conidientragenden Astes, Buchstaben wie bei Fig. 11. 


Fig. 13. (Vergr. 390), Zweig dritter Ordnung eines Conidienträgers, mit einer Basidie (statt einer 
Borste) endigend, 


Fig. 14 und 15. Basidien nach Ablösung der reifen Sporen. Vergr. 390, 
Fig, 16. (Vergr. 200). Reife, abgefallene Conidien, trocken betrachtet. 
Fig, 17. (Vergr., 200), Solche 12—18 Stunden nach Aussaat in verdünnten Traubensaft, 


Fig. 18, (Vergr, 200) Conidie von derselben Aussaat wie Fig, 17, 6 bis S Stunden später, Keim- 
schläuche treibend. 


Fig. 19, 20. (Vergr. 195). Conidien in gekochtem Miste keimend. 


Fig. 21, 22. (Vergr. 195). Mycelium mit terminalen, einzelnen und reihenweise verbundenen Brutzellen; 
Fig. 22 in 10procenliger Traubenzuckerbildung unter dem Deckglase erzogen, 


Tafel XLV, 
Mucor stolonifer. 


Fig. 1, (schwach vergr.). Verzweigung der Stolonen; schwaches Exemplar. a Stolo erster, b Stolonen 
zweiter Ordnung s Sporangienträger (s* ein verkrüppelter) @ Wurzelhaare. Nach einem in Glycerin liegenden 
Präparate. 


Fig. 2. (Vergr. 90). Gruppe copulirender Fäden, völlig intact, von einer Cultur im feuchten Raume auf 
dem Objeecttisch. 


Fig, 3. (Vergr, 90). Fruchtkeulenpaar, im feuchten Raume beobachte. a um 8 Uhr, 5b um 10), 
Uhr Vormittags. 


Fig. 4. (Vergr, 90). Reife Zygospore. Neben dem kleinen Suspensor ein, neben dem grossen zwei 
Sporangiumlräger. Sporangien und Sporen schon zerfallen, Columellen allein übrig. 


Fig. 5 bis 7. (Vergr, 195). Fruchtkeulenpaare in Glycerin durchsichtig gemacht, und Protoplasma zum 


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Theil von der Membran zurückgezogen, In 5 Abgrenzung der einen Copulationszelle beginnend; 6. beide ge- 
bildet; 7. Copulalion nahezu fertig, nur noch ein dünner Ring von der Scheidewand übrig. 

Fig. 8. (Vergr. 195). Halbreife, sehr kleine und flachwarzige Zygospore, in Glycerin. 


Fig. 9. (Vergr, 195). Endosporium einer reifen Zygospore, frei präparirt. 


Tafel XLVE. 


Fig. 1—9. Peronospora infestans. 


Fig, 1. (Vergr, etwa 50). Successive Entwicklungszustände eines Conidienträgers der im Gesichtsfeld 
des Mikroskops eultivirtt wurde. Die Beobachtung begann 7 Uhr 45 Minuten Vormittags. Die Beobachtungs- 
zeit (Stunde und Minute) bei jeder Figur angegeben. Von 3 Uhr an trat keine Veränderung mehr ein. 


Fig. 2. (Vergr, etwa 50). Aehnliche unter dem Mikroskop direct beobachtete Entwicklungsreihe eines 
Conidienträgers. Beobachtung um 10 Uhr 30 beginnend. Nach 8 Uhr Abends keine Weiterentwicklung. 


An die Conidie z legte sich nach 10 Uhr 30 ein Zweig von einem benachbarten Träger an; hiermit war ihre 
und ihres Tragzweiges Entwicklung sistirt. 


Fig. 3. (Vergr. gegen 90). Conidienträger mit je 6 Conidien, trocken betrachtet. 
Fig. 4. Im Wachsen begriffener Träger, im feuchten Raume beobachtet. 195mal vergrössert. 
Fig. 5—9. Verschiedene Stadien der Conidienentwicklung, nach in Alkohol liegenden Präparaten bei 
390facher Vergr. gezeichnet, 
Fig. 10. Peronospora Valerianellae Vergr. 390. 


Fig. 10, 11. Oosporen im Beginn der Keimung auf dem Objectträger. 


Fig 12. Oospore mit reichverzweigtem Keimschlauch, von der Aussaat auf Blätter der Valerianella. 
Fig. 13  Torulöses Zweigende von einem anderen Keimschlauch. 


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